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German Pages 523 [528] Year 1977
G E S C H I C H T E DER D E U T S C H E N
POETIK I
GRUNDRISS DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE UNTER M I T W I R K U N G ZAHLREICHER FACHGELEHRTER BEGRÜNDET VON
HERMANN PAUL H E R A U S G E G E B E N VON
WERNER BETZ
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BERLIN
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J . TRÜBNER - VEIT & COMP.
1964
GESCHICHTE DER DEUTSCHEN POETIK VON
BRUNO M A R K W A R D T PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD
B A N D I: B A R O C K UND F R Ü H A U F K L Ä R U N G DRITTE, U N V E R Ä N D E R T E A U F L A G E
BERLIN
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J . TRÜBNER - VEIT & COMP.
1964
© Archiv-Nr. 430563/1 - Printed in Germany — Copyright 1958 by Walter de Gruyter & Co., Berlin Alle Rechte de· Nachdrucket, der pbotomechaniichen Wiedergabe, der Herateilung von Mikrofilmen, auch auizugaveiae, vorbehalten Druck: Rotaprlnt-Druckerel Werner Hildebrand, Berlin
Meiner Frau und tätigen Helferin, Irmgard Markioardt - Oeser
VORWORT ZUM ERSTEN BAND Der Berichtsraum des vorliegenden Teiles entspricht etwa dem in Karl Borinskis immer noch grundlegender Arbeit über „Die Poetik der Renaissance und die Anfänge der literarischen Kritik in Deutschland" (Berlin 1886). In mancher Einzelheit konnte Borinskis reiche Stoffverarbeitung noch heute Stützung und Hinweis bieten. Aber ganz abgesehen davon, daß eine vor fünfzig Jahren abgeschlossene Darstellung unserer Gegenwart nicht mehr genügen kann: die ganze Sehart und Wertungsweise Borinskis ist uns notwendig entfremdet. E s konnte deshalb nicht ausreichen, etwa Borinskis Erträge einfach um den in einem halben Jahrhundert von vielen dankenswerten Sonderuntersuchungen erarbeiteten Zuwachs an Kenntnissen und um die in grundsätzlichen Würdigungen des Berichtsraumes gewonnenen Einsichten und Teileinsichten zu bereichern. Vielmehr schien es erwünscht und notwendig, erneut auf die Quellenschriften selbst, und zwar zugleich im ergänzenden Sinne, zurückzugehen. Auf diese Weise und auf diesem Wege war zudem auch gegenüber den vielfachen und vielfach sich widersprechenden Meinungen der Einzeluntersuchungen die erforderliche Freiheit zu sichern, die für eine eigene Urteilsbildung und eine einheitliche Gesamtschau als unentbehrlich empfunden wurde. Dieses Quellenstudium, das etwa vom Jahre 1600 an durchgeführt wurde, ließ zugleich die Neigung mancher Sonderuntersuchung zu vorschnellen Verallgemeinerungen erkennen. So soll dieser erste Band der (Anweisungs-) Poetik des Barock und der Wortkunsttheorie der galant-kuriösen, „politisch-politen" Übergangsepoche gewidmet sein, also etwa der einhundertjährigen Entwicklungsspanne zwischen dem in Breslau erschienenen „Buch von der deutschen Poeterey" (1624) und der sogenannten „Breslauer Anleitung" (1725). Die räumliche Begrenzung forderte ein Verzichtleisten auf das Ausschöpfen des Materials ; das gilt nicht zum wenigsten von den Anmerkungen, die Kürzungen unterworfen waren. Ein aus Gelehrtenlexika (ζ. B. Stolle) und ähnlichen Werken, wie etwa auch aus Morhofs „Unterricht" leicht zu gewinnender Scheinreichtum ist möglichst vermieden worden, da er mehr aufschwellt als erhellt. Um die Übersichtlichkeit über den an sich schon reichlich
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VORWORT ZUM ERSTEN BAND
verworrenen Stoff zu erleichtern, wurde der lebendige Verband des historischen Wachstums weitgehend aufrechterhalten. Und um das persönliche Verantwortlichsein der einzelnen Poetiker und Theoretiker, soweit es die Abhängigkeitsverflochtenheit zuläßt, im Bereiche des Kunstforderns herauszustellen, wurden ihre Beiträge nach Möglichkeit im Zusammenhang gewürdigt. Beherrschende Leitkräfte wie die kulturpatriotische bzw. kulturpolitische und die christlich-moralische Leitidee, durchgängige Fragestellungen wie die nach dem Verhältnis von Begabung und Schulung, Einzelbegriffe wie der Naturnachahmungs- und Wahrscheinlichkeitsbegriff, Sonderbemühungen um die Gattungsbestimmung, die Zuordnungskriterien, das Verhältnis von Erfindung und Formung, das Verhältnis von Dichtung und Datentreue, das Verhältnis von Dichtkunst und Redekunst, Malerei und Musik und alle jene aus dem „Verzeichnis der Begriffe, Merkund Kennwörter" im besonderen abzulesenden Theoreme, Zielund Leitsätze möchten zugleich ein Überblicken der ideelichen Zusammenhänge erleichtern. Zu danken habe ich vor allem der „Gesellschaft der Freunde und Förderer an der Universität Greifswald" für die Erleichterung der Drucklegung und dem Verlage für die fördernde Anteilnahme, die er der Gesamtdarstellung auch in ihren früheren Werdestadien entgegengebracht hat. In allen technischen Dingen, besonders bei der Zusammenstellung des Verzeichnisses der Namen, aber auch bei der Korrektur war meine Frau mir eine tätige Helferin. Greifswald, am 24. Oktober 1936 Bruno M a r k w a r d t
ZUR ZWEITEN A U F L A G E Als 1937 dieser erste Band der „Geschichte der deutschen Poetik" zum ersten Male herauskam, stellte der Verfasser ihm in einer „Vorrede" einige Leitgedanken für die Arbeit am Gesamtwerk voran. Folgendes sei daraus hier wiedergegeben: „Während das dichterische Schaffen mit seinen historischen Wuchs- und Werdeformen zusammenfassende Darstellungen in zahlreichen und fast überreichen Literaturgeschichten gefunden hat, fehlt bisher eine entsprechende W ü r d i g u n g des d i c h t e r i s c h e n K u n s t w o l l e n s u n d K u n s t f o r d e r n s in D e u t s c h l a n d , eine Geschichte der Poetik, Wortkunsttheorie, Literaturphilosophie, Dichtungsdeutung und Programmatik, die dem Gegenwartsstande der Forschung gerecht würde. Eine einfühlungswillige Deutung und verantwortungsbewußte Wertung der dichterischen Kunstleistung wird an den Äußerungen über das Kunstwollen und Kunstfordem nicht vorübergeh«! können, ganz abgesehen davon, daß der Verlauf der Entwicklung, Entfaltung und Erstarkung der Poetik schon an und für sich einen bedeutsamen Ausschnitt der deutschen Kunstgesinnung über mehrere Jahrhunderte hinweg sichtbar werden läßt. In dem Grade, wie die Erkenntnis sich Bahn bricht und zum Teil schon Bahn gebrochen hat, daß der rechte und gerechte Maßstab für die Wertung des Kunstkönnens einer Nation und wiederum einer Epoche oder Generation in diesem Volke nur v o m K u n s t w o l l e n h e r gewonnen werden sollte, muß der Wunsch nach einer Umschau und Überschau haltenden Geschichte der Dichtungsdeutung und Poetik dringlicher w e r d e n . . . . Seit der Arbeit über Herders „Kritische Wälder" (1925), seit den Reallexikon-Artikeln „Poetik (1928), Drama (Theorie), Lyrik (Theorie), Sturm und Drang (Theorie)", die zugleich die Fühlung mit dem Verlage förderten, blieb — neben stilgeschichtlichen Studien über Lessings Sprachgestaltung — ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit des Verfassers einer Erforschung der deutschen Poetik, Wortkunsttheorie und Literaturphilosophie, dem Nachspüren und Nachfühlen der W a n d l u n g e n des d e u t s c h e n K u n s t w o l l e n s und der deutschen Kunstgesinnung gewidmet. Bei allen Sprödigkeiten und Schwierigkeiten des Stoffes schien die Aufgabe doch
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VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE
immer wieder der Mühe des Einsatzes wert. Und vielleicht ist es der erlebnismäßigen Anteilnahme wenigstens streckenweise gelungen, die Kühle des Theoretischen ein wenig zu erwärmen, um die Scheu vor der Theorie überwinden zu helfen. Diese Scheu vor der Theorie begegnet übrigens bei ästhetisierenden Tempelwächtern weit häufiger als bei den Kunstwertschaffenden und Kunstwertschenkenden selber, die schon aus Verantwortungsbewußtsein heraus ein Sichaussprechen über Kunstwollen und Kunstgesinnung (oft im Zusammenhange mit dem Werkwerden und der Werkwandlung) nicht ängstlich zu meiden pflegen." Von Anfang an lag es im Bestreben dieser Darstellung, mittelbar auch der Literaturgeschichtschreibung neue Impulse zuzuleiten, auf anderem Wege freilich als das durch Einzelinterpretation von Dichtungen geschehen kann. Eben deshalb wurde Poetik hier von vornherein nicht im engeren Wortverstande gefaßt und im Verlauf der Arbeit durch Einbeziehung der werkimmanenten Poetik noch zusätzlich eine Brücke zur Literaturgeschichte geschlagen. Näheres zur Methode sei dem Vorwort zum abschließenden Bande vorbehalten, das zugleich Schwierigkeiten des A r b e i t s v o r g a n g e s und deren Überwindung berühren wird. Es schien ratsam, diese Darstellung mit der Barockzeit einsetzen zu lassen, ohne den Mißkredit zu scheuen, in den die Anweisungspoetik im weiteren Verlauf der Entwicklung notwendig geraten mußte. Gemäß dem frühen Ansatz brechen Kunstforderung und Kunstleistung im Barock noch vielfach auseinander, weil sich die äußere Kunstforderung nicht mit dem latenten Kunst wollen deckt. Diese Deckung mußte erst in mühsamen Kämpfen errungen werden, die sich ständig erneuern. Seit dem Erscheinen der i . Auflage dieses ersten Bandes ist eine gewisse Beruhigung in der Barockforschung eingetreten und eben deshalb manche Bereicherung unter den neueren Arbeiten zu verzeichnen. Sie zu erfassen ist die Aufgabe des „Nachtrag lQ5y" überschriebenen Anhangs, der nun auch noch — in Anpassung an Band II und III, die inzwischen vorgelegt werden konnten — einige Beispiele an werkimmanenter Poetik bringt, die so gewählt wurden, daß zugleich die verschiedenen Gattungen der Dichtkunst in einigen ihrer Hauptträger für das 17. Jahrhundert zur Geltung kommen. Unter ihnen hatte Grimmelshausen, der sich theoretisch nur gelegentlich einmal geäußert hat, im darstellenden Text noch
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keine Berücksichtigung finden können. Text, Anmerkungen und Register der Ausgabe von 1937 wurden im übrigen unverändert übernommen ; bei der Benutzung dieser neuen Auflage ist also zu beachten, daß der „Nachtrag" — Seite 435 bis 489 — in den Registern nicht erfaßt worden ist. Das H e r a u s k o m m e n von Band II (Aufklärung, Rokoko, Sturm und Drang; 1956) und III (Klassik und Romantik; 1958) sowie dieser Neuausgabe von Band I ist nicht zum wenigsten dem Mut des Verlages zu danken, der dem Werk seit mehr als zwei Jahrzehnten die Treue bewahrt und in der Zusammenarbeit mit dem Verfasser bewährt hat. Daß nach der durch Krieg und Nachkriegszeit situationsbedingten großen zeitlichen Lücke seit dem Erscheinen des ersten Bandes das Gesamtuntemehmen wieder in Fluß kam, ist aber nicht zuletzt auch ein Verdienst meines Schülers Dr. H.-J. B u n g e (jetzt wiss. Leiter des Bertolt Brecht-Archivs, Berlin). Bei der Materialbeschaffung für den „Nachtrag" leisteten Dr. G. E r d m a n n und Dr. A. E i c h s t a e d t wertvolle Hilfe; meine Frau besorgte auch diesmal die Korrekturen, während I. S c h w e l g e n g r ä b e r mich bei der Herstellung der Druckvorlage wirksam unterstützte. Mit den drei ersten Bänden dürfte nunmehr der weitaus größte und vielleicht auch schwierigste Teil des Unternehmens bewältigt sein. Die Arbeit am Abschlußband, der die Darstellung bis in die Gegenwart hinein ausbauen soll, ist inzwischen wieder aufgenommen und schon weit gefördert worden. Greifswald, den 19. April 1958 Bruno Markwardt
INHALT DES ERSTEN
BANDES Seite
Vorwort Einleitung
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I. Poetik des Barock Kulturpatriotische Grundlegung und Abwandlung Ästhetische Ausrichtung Religiöse Umschränkung Ausweitung und Verbesonderung Kritische Überprüfung und fortwirkender Bestand
. . . .
26 71 100 134 188
II. Wortkunsttheorie der Frühaufklärung (Poetik der galant-curiösen, politisch-politen Epoche) Historisch und wissenschaftlich unterbaute Wortkunsttheorie Lebenskundlich und stilkundlich unterbaute Wortkunsttheorie Frührationalistische Verbesonderung (bes. Epigrammtheorie) Überschneidung von frührationalistischen und nachbarocken Strömungen Im vorgottschedischen Raum
302 332
Anmerkungen
352
226 248 275
Nachtrag 1957 I. Skizze eines Literaturberichts 435 II. Skizzen zur werkimmanenten Poetik 457 Drama: Gryphius [457], Lohenstein [466] — Lyrik: Fleming [470] — Roman [474]: Zesen [478], Grimmelshausen [484] Verzeichnis der Begriffe, Merk- und Kennwörter Verzeichnis der Namen
490 506
Einleitung Wenn die Poetik und Literaturphilosophie eine bewußte Besinnung auf die immanenten Werde-, Wesens- und Wirkungsgesetzlichkeiten wortkünstlerischen Schaffens anstrebt als ein überdenkendes Betrachten und einfühlungswilliges Deuten dichterischer Kräfte und ihrer Verwirklichungsformen, als ein Uberprüfen der Willensrhhtung und des Einsatzes dieser Kräfte in kunstwürdigem und volkswürdigem Betracht, so sind die Ursachen und Ziele solcher Besinnung selbst mannigfaltigen Wandlungen unterworfen gewesen. Die Poetik begegnet bald als Anweisungs- und Lehrpoetik im engen Verbände mit der Metrik und Redekunst (17. Jahrhundert), bald als Wirkungsästhetik (Auflockerungsepoche), als Schöpfungsästhetik (Geniezeit) oder Gestaltungsästhetik (Klassik) und Literaturphilosophie (Romantik). Sie bevorzugt teils die Ausprägungsform der Musterpoetik, teils die einer Gesetzespoetik, sie sucht bald induktiv, bald deduktiv ihre Erträge. Und die Form, in der sie diese Erträge vermittelt, erscheint entsprechend reichgestuft. Vom Epigramm bis zum philosophischen Lehrgebäude, vom Aphorismus bis zum Künstlerroman, von der Tagebuchaufzeichnung bis zur umspannenden Abhandlung oder gar Abhandlungsreihe stehen für kunsttheoretische Beiträge und Erträge fast alle Gefäße und Formen zur Verfügung: die Vorrede, die Kritik, der Brief (Privatbrief und Literaturbrief), das Manifest, die Literatursatire, der Aufsatz und das großangelegte System, der dichterische Prolog und die erörternde „Unterredung", die Verspoetik in Alexandrinern und die Verssatire, das Paragraphenwerk des Regelkanons und die leichtbeschwingte Plauderei. Grenzgebiete zur Sprachphilosophie und Stiltheorie werden ebenso sichtbar wie die Berührung mit der Wertlehre. Die Schöpfungsvorstellung weist mehrfach kühne Vorstöße in die Richtung der Metaphysik und der Religionsphilosophie auf, wie die Gestaltungsnotwendigkeit historischer Motive geschichtsphilosophische Problemstellungen keineswegs scheut und das nationalpädagogische Bewirkenwollen eine Bereicherung vom politischen und staatsphilosophiI
M a r k w a r d t , Poetik χ
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sehen Denken her erfahren hat. Die Berührung der Literaturphilosophie und Poetik mit der Naturphilosophie wird ζ. B. fühlbar in dem Augenblick, wo der Naturnachahmungsbegriff sich mit Goethes Naturidealismus oder der Naturdeutung Schellings auseinandersetzen muß. Die Fühlung mit der Psychologie wird bei allem Bewahren vor einem bloßen Psychologismus nicht aufgegeben werden können dort, wo etwa die Poetik vor Fragen der dichterischen Stimmung und Schöpfung und vor Formen des Seelenausdruckes und der Charaktergestaltung steht. Das Verbundensein mit der Ästhetik, die in Deutschland — historisch gesehen — aus der Poetik sich entfaltet hat, wird besonders seit der Auflockerungsepoche, die dem rein Verstandesmäßigen der eigentlichen Aufklärung die Kräfte und Werte des Gemüts ergänzend einfügte, ohne weiteres greifbar. Aber Andeutungen mögen an dieser Stelle genügen; denn nicht auf eine Wesensbestimmimg, Gebietsumzirkung oder systematische Grundlegung zielt die folgende Darstellung ab, die vielmehr das Wesen aus den historischen Wuchsformen des Werdens sich gewinnen möchte. Und diese Wuchsformen der Entwicklung und Entfaltung folgen wiederum bald einer Neigung zur Annäherung an die Nachbarkünste, gelegentlich jedoch auch an Kulturbereiche von größerem Wesensabstand und scheinbar geringer Wahlverwandtschaft wie ζ. B. die Naturwissenschaft. So läßt die Barockpoetik auf weite Strecken hin ein Anlehnungsbedürfnis an die Malerei, teils aber auch an die Musik (Ubergang: Klangmalerei) ablesen, während die Wortkunsttheorie der galant-curiösen Übergangsepoche an der Redekunst und Stilkunst festen Halt sucht, die Wirkungsästhetik der Auflockerungsepoche das Hinüberspielen in die Ästhetik und Psychologie bevorzugt, die Schöpfungsästhetik der Geniezeit im Rahmen der „energischen Künste", die Schwesterkunst der Musik erneut näherrückt und die Gestaltungs- und Ailsgleichungsästhetik der Klassik den Primat der Plastik letztlich auch für die Wortkunst beansprucht. Die Romantik droht ihrem Charakter gemäß durch die Ausweitung des Poesie'oegrifis auf fast alle Bereiche den eigentlichen Kernbestand aufzulösen, so daß auf den Flankenstellungen selbst weit entfernte Bezirke wie Musik und Naturwissenschaft in die gelockerte Front aufgenommen werden können. Rückversicherungen bei der Volkskunde geben jedoch besonders der jüngeren Romantik immer wieder inneren Halt und eine nationalgeistgeschichtlich bedeutsame Hai-
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tung, die streckenweise auch der Poetik zugutekommt. Die reichen und überreichen Verwerfungen, Umschichtungen und Brechungen im neunzehnten Jahrhundert beschleunigen das Tempo im Austausch der Anlehnungsgebiete, bis der Naturalismus eine breitschichtige Untergründung in der Naturwissenschaft zu finden hofft. Von einem derartigen Fühlungsuchen mit anderen Künsten und Wissenschaften ganz abgesehen, setzt sich die Wandlung im Werden vom K u n s t w o l l e n her vielfältig verlagerte Ziele, wenngleich die Grundrichtimg Kräfte der Stetigkeit durch manche Wiederholung auf verschiedenen Entwicklungsebenen wirksam werden läßt. Epochen der Entspannung in ästhetisierende Selbstgenügsamkeit folgen immer wieder Epochen der Anspannung, die dem künstlerisch erlebten Worte zugleich den Wert abzuringen trachten, den Wert im Wort, bald im ethisch-religiösen, bald im ethischnationalen, bald im allgemeinen lebenskundlichen Betracht. Vom einseitig ästhetisierenden Standort mit der starren Blickrichtung auf eine höchstmögliche Kunstwürdigkeit könnten sich als Entwicklungsepochen abheben: eine vorherrschende Zweckgebundenheit der Dichtkunst (16. Jahrhundert, Barock, galantcuriöse Epoche, Aufklärung), eine vorherrschende Zweckbefreitheit der Dichtkunst (Geniezeit, Klassik, Romantik), ein Ringen zwischen Zweckbefreitheit und erneuter, vorwiegend politischer Zweckbindung (19. und 20. Jahrhundert). Rechtfertigung vor der Kirche bzw. der Gelehrtenbildung, Rechtfertigung vor sich selbst und Rechtfertigung vor dem Staat und vor dem Volk wären die parallelen Entsprechungen. Und sie deuten 9chon an, daß der vermeintliche Zweckdienst zu einer Wertwilligkeit im Sinne der Verantwortungswilligkeit vertieft und veredelt erscheint in dem Augenblick, wo man das Gebundensein als ein Verbundensein, das vermeintlich erniedrigende, dienende Hörigsein als ein Zugehörigsein und also die Bindung an Werte als eine schöpferische Entbindung von Werten durch das verdichtete und gesteigerte Wort der Muttersprache verstehen und verehren lernt. Die Poetik, Wortkunsttheorie und Literaturphilosophie beschränkt sich also nicht auf kunsthandwerkliche Anweisung, programmatische Zielweisung und kunstphilosophische Ausdeutung in der Wesenserfassung des Dichterischen. Vielmehr vollzog sich auf ihrem Bereich in jahrhundertelangem Ringen zugleich das Erkämpfen eines volkswürdigen und kunstwürdigen Daseinsraumes
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und einer wertbewußten Lebensgeltung der Dichtkunst im Rahmen der kulturpolitischen Gesamtleistung der Nation. Von einer Rechtfertigung der Dichtkunst vor der Kirche einerseits und vor der humanistischen Gelehrtenbildung andererseits wandelt sich die Haltung über Jahrhunderte hinweg mehr und mehr zu einer Rechtfertigung der Dichtkunst vor dem Volke. Die Rechtfertigung der Dichtkunst als Kunst vor sich selbst und aus sich selbst und für sich selbst verharrt auf weite Strecken hin in einer Rechtfertigung kunsthandwerklicher Sauberkeit und läuft im Absinken der Rechtfertigung zu einer letztlich veräußerlichten Selbstgerechtigkeit Gefahr, Kunstfertigkeit des Formvirtuosen mit Kunstmächtigkeit des schöpferischen Gestalters zu verwechseln. Denn die schöpferische Kunstmächtigkeit wird immer im Wurzelbereich ihres Wachstums freie Neigung und innere Nötigung zeigen, sich dem Religiös-Mythischen oder dem National-Mythischen hinzuwenden. Eine versöhnend tragwillige Zwischenschicht ist vielfach aufgesucht und — wie man wenigstens erhoffte — auch aufgefunden worden im Ethischen, im Sittlichen als dem Kraftfeld, das sowohl von den Auftriebskräften des Religiösen wie des Nationalen durchstrahlt und belebend durchströmt erscheint. Auf dieser Hochebene des Sittlichen vermag nicht nur das Religiöse seine Kirchen, nicht nur das Nationale seine Weihestätten und seine Denkmale des Heroismus zu errichten, sondern auch die schöpferische Schönheit ihre Tempel zu bauen. Von diesem Standort aus wird es verständlich, daß und weshalb ζ. B. S c h i l l e r um die Identität von sittlichem und ästhetischen Erziehungswert so zäh ringen konnte und doch im eigenen kunstschaffenden Bewähren und kunstphilosophischen Besinnen als feste Untergründung das „Pathetische" des National-Heroischen mit dem National-Pädagogischen und dem werthaft Menschheitlichen verschmelzen konnte oder doch verschmelzen zu können hoffte. Selbst die dämonische Wucht und der nationalpädagogische Wille H e i n r i c h von K l e i s t s sichern ihr hohes Gespanntsein durch die urtümlichen Wertkräfte im instinktiven Gefühlskriterium. Und für Kleist war eben das instinktsichere Gefühl im allgemein-menschlichen wie nationalen Erlebnisbereich ein im besten Sinne sittlicher Wert. Auf jener Hochebene sind die großen Kämpfe gekämpft, die versöhnenden Siege gesichert worden, wobei diese Sicherung eine ständige Neueroberung nicht ausschließt, sondern in sich ein-
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schließt. Selbst die „reine Kunst" als vermeintlicher Selbstzweck und Eigenwert findet sich auf dieser Schicht ungewollt oft, aber zwangsläufig zusammen mit den Höhenwerten religiös-kultischer oder volksmäßiger Gläubigkeit. Denn abgesehen davon, daß neben dem Schönen nicht zufällig das Erhabene immer wieder nach künstlerischer Formsetzung drängt : schon indem sich das schlechthin Schöne, theoretisch getrennt vom Erhabenen, erfüllt und verwesen tlicht. bringt es die Weihe und Ehrfurcht in Stimmungsund Eindruckswirkung mit sich als aufrichtende sittliche Werte. Und indem es aus dem Volkstum und seinem Worterleben als Nationalsprache oder Mundart sich erfüllt, entfaltet es ungewollt und teils unbewußt, aber zwangsläufig zugleich kulturpolitische Werte. Das vielfach abgeleugnete Bedürfnis, den vermeintlich „reinen" Kunstwert dennoch selbst von ästhetisierenden Richtungen her mit sittlichen Werten in stellungstärkende Fühlung zu bringen, wird etwa auch von anderer Seite her ablesbar an der hohen Persönlichkeitswertung des Schaffenden, die gerade in solchen Fällen bis zum Priesterlichen gesteigert erscheint. Wo die Würde der Dichtkunst nicht mehr durch feste Einlagerung in andere Wertgruppen (etwa des Religiösen oder Politischen) verbürgt erscheint, sucht man dergestalt wenigstens die Würde des Dichters als sittlichen Wert zu retten. Zum mindesten mittelbar aber ergibt sich damit wiederum eine Wertanlehnung, nur daß die Gemeinschaftswerte eine Verengung ins Individualistische erfahren haben. Denn vom wirklich würdigen Dichter wird man nicht nur das Wesensattribut der Kunstwürdigkeit, sondern auch das der charaktermäßigen Würdigkeit und der Volkswürdigkeit und damit sittliche Kräfte erwarten dürfen. Zwischen die Rechtfertigung vor der Kirche und die Rechtfertigung vor dem Volke, vor der Religion und der Nation fügt sich im zeitlichen Entwicklungsablauf jene Rechtfertigung ein vor der Abschwächungsform der Vernunftreligion als „Moral" und die Rechtfertigung vor der Abschwächungsform des Weltbürgertums (Aufklärung). Doch werden auch in diesem Entwicklungsausschnitt immer wieder Rückversicherungen gesucht beim Religiösen und Nationalen. Reiche Verwerfungen, ringende Kräfteüberschneidungen läßt das lebendige Werden sichtbar und fühlbar Erscheinung gewinnen, wenn man aus dem betrachtenden Abstand des Überhinschauens hinabsteigt in die teilnehmende Nähe des Einblicksuchens in jene
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Fülle der Strebungen und Widerstrebungen. Und über den anfangs verwirrenden Reichtum der Verbesonderungen führt doch der verschlungene Weg von der Weite der Aussicht in die Tiefe der Einsicht, daß alle jene Vereinzelungen notwendig waren, um der organischen Kraftsammlung und Willensklärung einer deutschen Haltung in deutscher Gestaltung zuzustreben. Auch die Irrwege gehören dem sich wandelnden Werden an im Erproben der Gangbarkeit des Weges und der Kräfte, ihn zu bewältigen. Und nicht selten erklärt sich die Wärme und die Kraft des Heimfindens zum Werte und zur Würde deutscher Dichtung aus dem gesunden Überwinden einer Verirrung. Die Ablösungsvorgänge von moralpädagogischen (einschließlich der christlich-moralischen), nationalpädagogischen und formpädagogischen Funktionen der Wortkunst und des Schrifttums schliessen doch ein Zusammenwirken aller Grundwerte nicht aus, wie es in besonders glücklichen Entfaltungsspannen begegnet. Ablösungsvorgänge im Austauschen der jeweils vorherrschenden Wertfunktion heben sich zugleich ab im Überwiegenlassen der Haltung oder der Gestaltung, im Austauschen der Haltung an sich oder der Gestaltungsweisen und im Wiederzusammenführen von Haltung und Gestaltung. Im kulturpatriotischen Betracht richtete sich die Forderung ζ. B. im siebzehnten Jahrhundert vorherrschend aus auf eine deutsche Gestaltung vorerst im Nachweis einer deutschsprachlichen Gestaltimgsfähigkeit. Die Haltung war — nicht überall in der Verwirklichung des Kunstschaffens zwar, aber weit überwiegend im kunsttheoretischen Zielsetzen — von christlich-moralischen Leitideen bestimmt. Die Rechtfertigung vor der Kirche betraf mehr die Haltung, die Rechtfertigung vor der Nation mehr die Gestaltung in deutscher Muttersprache. Doch kann es bei derartigen Verallgemeinerungen immer nur um Bestimmungen der jeweils vorherrschenden Kräftegruppen und Erlebnisweisen bzw. Deutungsweisen des Dichterischen gehen. Ein Blick etwa auf Moscherosch und seine Kritik höfischer Kultur, auf sein Bemühen um Erhaltung deutscher Gradheit und Redlichkeit, ein Blick auf Harsdörffers Forderung nationaler Stoffe für das historische Drama läßt erkennen, daß auch damals schon die Haltung und nicht nur die Gestaltung verschiedentlich auf der nationalen Tragschicht zu gründen versuchte. Umgekehrt braucht man ζ. B. nur die langwierigen Kampfgänge gegen die Auswertung
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der antiken Mythologie bzw. der „heydnischen Götter", deren Einbeziehung nur noch formungstechnisch von Bedeutung sein konnte, gegen die Anrufung der Musen usw. zu verfolgen, um zu erkennen, daß die Rechtfertigung vor der Kirche oder die Rücksicht auf sie streckenweise auch auf die Gestaltungsweise übergriff. Die für das damalige Bewußtsein und Erleben außerordentlich innige Verbundenheit im Zusammenwirken von christlich-ethischer und kulturpatriotischer Leitkraft findet gleichsam sinnbildhaft Ausdruck, wenn sie selbst in den engen Rahmen einer Vorrede sich zwanglos einfügt. So etwa—umnur ein Beispiel für viele herauszustellen — geht Buchners Vorrede zu Treuers „Deutschem Daedalus" aus von der grundlegenden Forderung, daß die Dichter „ihre edele Geister zum Lobe Gottes / zum Ruhm der Tugend / zu nützlicher Außführung herrlicher Lehren" zum Einsatz bringen sollen ; denn „so haben sie ihrem Ambte volle Gnüge gethan / und ihre Poesie dahin gewendet / worzu sie erstens erfunden worden". Aber dieselbe Vorrede bringt nicht weniger nachdrücklich die kulturpatriotische Leitkraft zur Geltung in dem feierlichen Aufrufen des Nationalstolzes und der kulturpolitischen Verpflichtung, die vermeintlich schon gewonnenen Höhenwerte deutscher Dichtkunst würdig zu bewahren und eifrig zu mehren: „Wie nun ein jeder verbunden, des Vaterlandes Ehre und Nutz nach den (sie) Masse beywohnender Kräffte allezeit zufördern / so wil in diesem Stücke auch einnen (sie) treuen Patrioten allerdings obliegen / seine Gebühr möglicher Masse darzustellen / und Hand anzulegen / damit diese edle Kunst in ihrem Wehrt bleiben / und bey der anwachsenden Jugend fort gepflantzet werden möchte". Und endlich versinnbildlicht diese Vorrede Buchners, wie unbekümmert man in der Wahl der formungstechnischen Mittel war, jene Hochziele des religiösen und nationalen Ersehnens zu erreichen. Denn in unmittelbarer Nähe des religiösen Erbauens und des nationalen Aufbauens steht das Bekenntnis zur Berechtigung kunsttechnischer Hilfsmittel und zum Glauben an derartige Hilfsmittel, wie es sich gebührte für eine empfehlende Vorrede zu einem Poetischen Lexikon. Noch ganz renaissancehaft wirkt das volle Vertrauen („ist desto weniger zu zweiffein") zur Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Übertragung der humanistischen Imitatio auf den Bereich muttersprachlicher Dichtkunst. Dieses Vertrauen war zwar, wie im Einzelnen noch sichtbar werden wird, mancherlei Schwankungen und mancher Kritik ausgesetzt. Die religiösen
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und nationalen Leitkräfte aber erweisen sich als beständige Begleiter der Poetik des siebzehnten Jahrhunderts bis in den frührationalistischen Raum hinein und teils über ihn hinaus. Die lateinische Humanistenpoetik konnte ihrem Wesen und Wollen nach keine nationalsprachliche Verbundenheit mit dem Volkstum herstellen und es also auch nicht als ihre Aufgabe betrachten, die Dichtung als Trägerin nationalsprachlicher Gesinnung und Bewährerin nationalsprachlichen Vermögens vor dem Volke zu rechtfertigen. Sie war vorerst gemeineuropäisch eingestellt als Teilglied der weit ausgreifenden Bestrebungen, die geistig-kulturellen Werte des klassischen Altertums für das damals gegenwärtige Kulturbewußtsein zurückzuerobern und dieses Kulturbewußtsein nach jenem rückwärtigen Beziehungspunkt auszurichten. Dementsprechend ging es ihr im Vollzug jener Ausrichtung zunächst einmal um eine Rechtfertigung der Dichtkunst vor dem renaissancehaften Bildungserleben, im weiteren Sinne vor der humanistischen Gelehrtenbildung. Und die lange nachwirkende Bewertung und Bezeichnung der Dichtkunst als eine umspannende Zusammenfassung aller Wissenschaften bezog ihren Wertmaßstab nicht zuletzt aus humanistischen Grundanschauungen. Noch beim jungen Herder werden fruchtbare Kräfte gebunden und ζ. T. nutzlos verbraucht im zähen Ringen mit der Fragestellung, ob denn nun die Dichtkunst eine schöne Wissenschaft oder eine freie Kunst sei. Indem man der Poesie die muttersprachliche Tragschicht und damit den vaterländischen Wuchsgrund vorenthielt, konnte das Wertkriterium der Volk s W ü r d i g k e i t des Inhalts neben dem Kriterium der klassizistischen Kunst Wertigkeit der Form auch in den theoretischen Forderungen nicht zu seinem Recht gelangen. Man sah in der Dichtung nicht ein schicksalhaft Erlebtes, Erlittenes oder Erstrebtes und Ersehntes, nicht ein vom Spontanen, Persönlichen, Volkverhafteten und Zeitverhafteten her im Ausdruckswillen und Darstellungswert Bestimmtes, nicht ein vom dämonischen künstlerischen Müssen Erzwungenes und in den mütterlichen Sprachleib und die deutsche Sprachseele Hineingetriebenes, Gestaltforderndes und Formsetzendes. Man sah im Dichtwerk kein Sichlösen und Erlösen des Formungsdranges eines Individual- und Nationalstils, kein Ringen eines dumpfen aber starken Ahnens nach auflichtender Beruhigung und formfindender Entspannung im schöpferischen Gestalten, kein Hineinformen und Hineinleben nationaler Wesenhaftigkeit und charaktererfüllter
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Werthaftigkeit in die wesenseigene Wortwelt und die wesensgemäß gewachsenen Ausdruckswerte der Muttersprache. Kurz, man sah in der Dichtkunst vieles von dem noch nicht, was wir heute darin sehen und trotz beachtenswerter Vorstöße im Barock und im Frühklassizismus (Auflockerungsgruppe), doch recht eigentlich erst seit der Geniezeit darin sehen, deren Vorstoß als jugendliche Bewegung im geistig-seelischen Raum nicht nur Werte des Künstlertums (über das künstlerische Gelehrtentum und das gelehrte Künstlertum hinaus), sondern auch Werte des Volkstums freimachte. Selbst wenn man in der Haltung des Humanismus schon manchen Keim eines ästhetischen Verhaltens bereitliegen sehen möchte, so blieb doch die Auffassung vom Wesen des Dichterischen historisch bestimmt und im Ausmaß begrenzt. Das Bemühen um eine Neubelebung der Antike, wenn auch in zeitbedingter Umsetzung, erfaßte nicht zum wenigsten alle sprachlichen Künste : neben der Sprachkunde und Redekunst auch die Wortkunst, die Dichtkunst als Sammelbecken des Wissens und ihre Theorie, also die Poetik. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für den lateinischen Unterricht das Versifizieren in erster Linie als ein rein sprachpädagogisches Hilfsmittel galt, das zugleich die stilistische Gewandtheit fördern und ein wirkliches Vertrautsein mit dem klassischen Sprachgeiste verbürgen sollte. Der Schüler lernte erst einmal Verse schmieden um des Lateins, nicht um der Dichtung willen. Das mochte pädagogisch berechtigt und wirksam sein. Aber es leuchtet ein, daß durch diesen schulmäßigen Betrieb die über zwei Jahrhunderte hinwegreichende Auffassung von einer zwar nicht restlosen und voraussetzungslosen, aber doch weitreichenden Lehrbarkeit der Dichtung als Wortkunst in enger Berührung und ständiger Fühlung mit der Sprachkunst und Redekunst angeregt und immer wieder gestützt wurde. Außerdem war ohne weiteres der künstlerisch bedenkliche Übergang von der Schülerdichtimg zur Gelehrtendichtung gegeben. Die Poetik des Barock übernahm durchweg die Anschauung von den sprachschulenden Möglichkeiten und Zweckmäßigkeiten der Dichtkunst. Aber dadurch, daß sie diese Schulung dem Wertzuwachs der Muttersprache dienstbar machte und sie zielstrebig einspannte zur Erringung eines Achtungszuwachses für die deutsche Kulturleistung, vollzog sie eine entscheidende Wendung vom Pädagogischen zum Nationalpädagogischen, vom Kulturellen zum
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Kulturpolitischen. Und trotz vieler Unzulänglichkeiten und mancher Trübungen in der Durchführung, wie sie zum Teil gegeben waren durch das formelhaft erstarrte Festhalten und das — ein freies Ausschreiten immer wieder behindernde — Mitschleppen des von Humanismus und Renaissance überkommenen Erbes, liegt in jener Wendung nicht zum wenigsten die zukunftträchtige Leistung der Poetik des siebzehnten Jahrhunderts eingeschlossen. Das vorbereitende Verdienst des deutschen Humanismus im Untergründen des nationalen Selbstbewußtseins durch Aufweisen und Auswerten der Quellen über die germanischen Vorfahren steht unbestreitbar fest, ist mehrfach gewürdigt worden und soll auch hier unvergessen, wennschon nicht näher behandelt sein. Es vermochte sich indessen für die Humanistenpoetik nicht voll auszuwirken und sinnvoll einzugliedern, so lange nicht eine bewußt nationalsprachliche Dichtung ihr Geltungsrecht angekündigt hatte und als theoretisch begründete Forderung erhob. Dennoch ging jene Vorarbeit des Humanismus und sein streckenweise recht griffsicheres Vorfühlen in die nationale Überlieferung für das Umwerben und Erwerben einer Liebe zum Deutschtum nicht verloren, sondern als kraftvolle Unterströmung ein in die Poetik des siebzehnten Jahrhunderts, die nun ihrerseits in langwierigen Kämpfen und oft mit unzureichenden Werkzeugen den Weg freizubrechen suchte zu einer machtvollen Ausweitung" jener humanistischen Teilerwerbe des Nationalbewußtseins durch Anleitung und Ermutigung zu einer deutschsprachlichen Dichtkunst. Besonders die „gegenhöfische Strömung", wie sie E. Vogt innerhalb der deutschen Barockliteratur nachzuweisen vermochte, nährte ihre gesunde volkstümliche Kraft nicht zuletzt aus jenen Quellen. Ebensowenig soll verkannt werden, daß vereinzelt bereits innerhalb der Humanistenpoetik ein Anteilnehmen sich regt, das auch dem Werden und den Werten des früheren deutschen Schrifttums sich zugewandt zeigt. Das gilt nicht zum wenigsten von jener Wiener Vorlesungsreihe (1512/13) des J o a c h i m v o n W a t t (Vadianus), die nach einer unvollständigen Kollegnachschrift eines Zuhörers zum Druck gelangte unter dem Titel „De poetica et carmints ratione" (1518). J. v. W a t t s Poetik, deren nähere Kenntnis Ν a dl er zu verdanken ist, scheint in der Tat manches vorwegzunehmen von der dann fast zweihundert Jahre später durch Mor h of vollzogenen historischen Untergründung der Wortkunsttheorie. Denn die historischen Teile (Kap. 4—7 u. 17) dieser
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lateinischen Poetik greifen über die literaturhistorischen Einsprengungen der um einhundert Jahre später liegenden Opitzschen Poetik verhältnismäßig schon hinaus im Eingehen auf das spätlateinische Schrifttum in Deutschland, die volkstümliche Dichtung des Mittelalters und das geistliche Schrifttum (bes. im zwölften Jahrhundert). Frühe Ansätze zur stoff- und motivgeschichtlichen Betrachtungsweise lenken die Aufmerksamkeit ebenso auf das von Borinski (und auch noch von S. v. Lempicki) unbeachtet gebliebene Werk Joachim von Watts. Wie gewisse, wenngleich entsprechend unentwickelte Keime zur Sagentheorie und zur Kenntnis örtlicher und zeitlicher Gebundenheit des Schrifttums, Keime, die trotz ihres notwendig noch ganz unentfalteten Charakters dennoch ernste Beachtung verdienen, auf den Beginn jenes weiten Weges ausgestreut erscheinen, der schließlich zu Herder emporführt. Gerade weil der richtungsuchende Blick mit Zwangsläufigkeit sich bislang auf Vida und Scaliger einzustellen pflegte, auch dann, wenn die Entwicklung innerhalb Deutschlands verfolgt werden sollte, besteht alle Ursache, sich darauf zu besinnen, daß in der Leistung Joachim von Watts im kulturpolitischen Betracht die Leistung eines deutschen Poetikers vorliegt, die hohe Achtung und ernste Würdigung verdient. Damit war im Bereich der deutsch-humanistischen Poetik ein früher Erfolg errungen, der des Ausbaues wert gewesen wäre und der doch diesen Ausbau vorerst nicht gefunden hat. Watts Poetik im engeren Sinne, die neben den grundsätzlichen Kapiteln zur Wortkunsttheorie über den Schaffensvorgang bzw. die Wirkungsgesetze, die Dichtgattungen, die sprachlich-metrische Formung und — andeutend nur und abbrechend — die Stilgebung handelt, barg offenbar weniger an vorwärtsweisenden Teilkräften in sich als jener literaturgeschichtliche Vorstoß von beträchtlichem Ausmaß. Und vielleicht erklärt es sich — von mehr äußerlichen Ursachen abgesehen — auch daraus, daß die spätere deutsche Poetik Joachim von Watt mit seinem Werk „De poetica et carminis ratione" kaum zu nennen pflegt unter ihren Gewährsmännern, während Scaliger und Vida so häufig begegnen. Die Einschränkung, die insofern hinsichtlich der Nachwirkung dieser — wie so manche spätere aus Vorlesungen hervorgegangenen — Poetik gemacht werden muß, hebt die bedeutsame Tatsache nicht auf, daß man so frühzeitig einem deutschen Poetiker als kühnen Wegbereiter für eine literaturhistorisch unterbaute und
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ausgebaute Wortkunsttheorie begegnet. An der Schwelle des sechzehnten Jahrhunderts war durch Watt ein Beispiel gesetzt und ein Muster vorgezeichnet, das letztlich gründlicher durchgearbeitet erscheint als Opitzens beispielsetzendes Muster an der Schwelle des siebzehnten Jahrhunderts. Aber eben — und darin tritt die Umschränkung der Wirkungsmöglichkeit durch die Zeitverhältnisse hart zutage: die Poetik Watts war lateinisch geschrieben, blieb bewußt Humanistenpoetik, wie er nicht nur der spätlateinischen Literatur in Deutschland sein besonderes Interesse zuwendet, sondern etwa auch in lateinischen Ubersetzungen die Titel frühmittelhochdeutscher geistlicher Gedichte bringt und das überstaatliche humanistische Schrifttum seiner Zeit mit Vorliebe betreut. Er sieht und kennt schon den deutschen Anteil am Schrifttum. Aber er sieht ihn als Humanist im größeren Rahmen der internationalen Literatur. Und letztlich gehört die Liebe des gelehrten Humanisten, der so lebendig über Hrotsvitha von Gandersheim zu schreiben und ein so eindringliches Bild von Celtis zu vermitteln weiß, dennoch weit mehr jenem großen alles umspannenden Rahmen des Gesamthumanismus. Vor allem: entwicklungsgeschichtlich gesehen, bleibt eine so markante und eigenwegige Gestalt wie Joachim von Watt doch eben als Einzelerscheinung eine Ausnahme. Mögen Teilanregungen im engeren zeitlichen Umkreis von ihm ausgestrahlt sein, ein nachhaltiges Fortwirken seiner Bemühungen ist unter den Spuren, die sonst die Humanistenpoetik noch der Barockpoetik mannigfach eingedrückt hat, nicht klar abzulesen. Und die Linie, die hier nur einleitend andeutungsweise verzeichnet werden soll, scheint doch vorwiegend — wenn man von der ,,Ars dicendi" (Köln 1484) und J. Wimphelings „Ars metrificandi" (1505) absieht — über C. Celtis' „Ars versificandi" (o. J.) bzw. H. Bebels „Ars versificandi" (1506) und Eobanus Hessus' „Scribendorutn versuum. . ." (1534) verlaufen zu sein, wobei sich als bedeutsame Verdichtungsstellen der Entwicklung weiterhin abheben würden Joh. Murmelius „De ratione faciendorum versuum . . . tabulae" (1549), erläutert von Eob. Hessus in dessen — von M. Lindener herausgegebener— „Explicaiio Eobani Hessi" (1552), Chr. Mylaeus „De scribunda . . ." (IV. Buch, 1551) und die ausgewachsene Poetik G. Fabricius „De re poetica libri septem" (1565 bzw. 1584).
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Ein kleines Beispiel für das Hinüberblicken auf diese Humanistenbeiträge zur Poetik bzw. zur Metrik bietet innerhalb des deutschsprachlichen Schrifttums der Zeit der Herausgeber des Eob. Hessus („Explicatio", 1552) Michael Lindener, und zwar im Rahmen seiner Schwanksammlung „Katzipori" (1558). In ironischer Belichtung, die über mehr als ein Jahrhufidert hinweg vorausweist auf Sacers „Reime dich oder ich fresse dich", vermittelt M. Lindener „ E i n k u n s t r e i c h e s m u s t e r , carmina zumachen, inn der statt Erdtfurt von einem bacchanten auf der hohen schule geschehen". Die Polemik gegen die törichten Reimschmiede und Versmacher, die im siebzehnten Jahrhundert sogleich auf der Schwelle bei Theobald Hoeck und dann immer wieder begegnet, richtet bei Lindener ihre satirische Spitze gegen die mechanische Nachahmungstechnik im Versifizieren, die Nichtskönner verlockt, große Vorbilder — in diesem Falle Eob. Hessus — kopieren zu wollen. Lindener berichtet von einem dummen Reimer Groll, „der het vil gehört von dem trefflichen poeten Eobano Hesso, wie er so ein freyer mann wäre im verss schreiben (vielleicht Anspielung auf E. Hessus' Teillockerung der Strenge Murmelius'), daß der gute pater gleich eine lust darzu bekam und schwanger gienge nach der kunst des carmen-schreybens". Dieser wackere Geselle findet nun also ein Gedicht von Eob. Hessus und denkt bei sich: „Hallt, komme ich dir allhie über dein kunst?" Indem Lindener den schwankhaften Charakter wahrt, übersteigert er die Polemik ins Groteske. Sein Versmacher zersägt, kurz entschlossen, einen Besenstiel, um mit den einzelnen Teilen die Verslänge abzumessen. Daraufhin schreibt er ein deutschlateinisches Mischgedicht, gleichsam „an Hand" der Stablängen: „so lang die zeylen als die höltzlein waren." Mit seinem Fabrikat eilt er dann fröhlich zu Eobanus Hessus nach Nürnberg, wo sich ein entsprechend ergötzliches Gespräch mit dem Meister ergibt. Neben jenen Verslehren der Humanisten, die hier im Schwank sich spiegelten, gewinnt seit J. Lochers Ausgabe (1498) Horaz merklich an Geltung und Einfluß, so etwa bei G. Fabricius und vor allem durch Jodocus Wilke (Willichius) „Comtnentaria in ariem poeticam Horatii" (1545). Und auch von hier aus verlaufen Linien weiter, wie denn ungefähr zweihundert Jahre später Gottsched noch eine deutsche Versübersetzung von Horaz „Ars poetica" seiner „Kritischen Dichtkunst" statt einer Einleitung voranstellt. Immerhin verdient Nadlers Hinweis auf die Möglich-
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keit Beachtung, daß über die persönlichen Wiener Beziehungen zwischen Joachim von Watt und Celtis eine Anschlußlinie von Watt her zur „Ars versificandi" Celtis' und rückwärts zu des L u p i a n u s „Quaestio" im Zusammenhang mit der Leipziger „Disputatio de quolibet" (1497) als „Vorstufe zu Watt" herzustellen wäre. Jedoch muß die Klärung und Überprüfung derartiger Verbindungsmöglichkeiten wie auch die Auswertung literarhistorischer Einschläge innerhalb der Humanistenpoetik einer Sonderdarstellung der Wortkunsttheorie des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts vorbehalten bleiben, die an dieser Stelle nicht beabsichtigt ist. Vielmehr muß bei der gebotenen Themabegrenzung eine allgemein gehaltene Skizze genügen, die sich auf das Herausstellen einiger Wesensmerkmale durchschnittlich kennzeichnender Art zu beschränken hat. Und dann setzt sich, wenn man die Ansicht vom Wesen der Dichtung von der modernen Sehart abhebt, doch überwiegend der Eindruck durch, daß die Humanistenpoetik den dichterischen Vorgang durchweg ids eine ausgesprochene Funktion des sprachlichen Formsinns, des konstruktiv ordnenden und anordnenden Kunstverstandes auffaßte, des zielbewußten, absichtsklaren und zweckhaften Aufbaus, der geschulten, kunstreich durchgebildeten und kunstverstandesmäßig wie auch kunsthandwerklich geübten Technik. Die Stufenfolge Celtis' : „ars, usus, imüatio" wird noch in den Barockpoetiken, wenn auch mit gelegentlichen Abstufungen empfohlen. Es ging mehr um Kunstfertigkeit als um freischöpferisches Kunstschaffen. Man sah mehr den präzise arbeitenden Mechanismus eines formsinnigen und formsicheren Virtuosentums als den quellenden, lebendigen Wuchs eines Organismus im Dichtwerk. Alle jen& formalen Bildungsfaktoren aber schienen der Schulung zugänglich zu sein, waren in der Tat in gewissem Grade erziehbar. Und so ergab sich an sich durchaus folgerichtig der für lange Entwicklungsspannen grundlegende Irrtum von der Lehrbarkeit und Lembarkeit der Dichtkunst, zum mindesten als gesellschaftlicher Gebrauchskunst. Als Lehrmittel galt vor allem die Schulung der Nachahmungsfähigkeit, des Nachahmungsvermögens. Und zwar handelte es sich praktisch nicht um Naturnachahmung, sondern um ausgesprochene — und theoretisch geforderte — Musternachahmung. Die Muster von verbindlicher Vorbildlichkeit stellte natürlich das klassische Altertum.
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Der Dichter durfte, sollte und wollte nicht sich selbst und sein Volkstum im Wortkunstwerk schöpferisch ausleben, sondern nachschaffend, teils auch anlehnend und entlehnend, an ein fremdes Individual-, Zeit- und Spracherleben sich Stützung suchend anranken und — wie man zuversichtlich meinte — emporranken. Er war im Sinne der Humanistenpoetik gar kein schaffender, sondern ein nachschaffender Künstler. Er spielte immer fremde, wenn auch klassische Rollen. Und er war um so regelgerechter, je rollengerechter er blieb, d. h. je seltener er aus der angelernten Rolle fiel. Es kam gar nicht auf das eigene Fühlen an als vielmehr und bestenfalls auf die Einfühlung in fremde Stimmung und Gesinnung. Das einseitige Bildungserlebnis zwang zur Rekonstruktion, wobei der Einbau fertig gelieferter und überlieferter Strukturglieder als erlaubt, ja erwünscht erschien. Es galt, den Mustern die vermeintlichen Kunstgriffe abzulauschen und abzulernen, um im Nachahmen (imitatio) und Nachzeichnen dem Vorbild möglichst nahe zu kommen. Daher erweist sich die Humanistenpoetik in ihrem Grundcharakter unverkennbar als Lehr- und Anweisungspoetik. Dennoch gingen die Humanistenpoetiken an dem Faktor Begabung keineswegs achtlos vorüber. Das wäre auch angesichts der Begabungsberücksichtigung in den theoretischen Schriften des Altertums nicht gut möglich gewesen. Das Ingenium, der furor divinus oder furor poeticus werden mit in Rechnung gestellt. Aber es sind bloße Voraussetzungen, traditionell und formelhaft, durchweg in Zitatform übernommen aus Plato, Horaz, Ovid, ohne wirkliches Miterleben aufgegriffen und oft mehr der Vollständigkeit halber einbezogen. Die Anlage ist ein Vorteil; aber sie vermag allein keine hochwertige oder auch nur vollwertige Dichtung im Sinne der Humanistenpoetik hervorzubringen. Es galt geradezu als Anmaßung, wenn der Nurbegabte zur literarischen Bedeutung glaubte durchdringen zu können, ohne die entscheidenden Bedingungen für die rechte Kunstleistung zu erfüllen. Derartige Bedingungen waren vor allem: Nachahmung der klassischen Vorbilder, wobei man den honestum furtum billigte; stetige Übung und Schulung der formalen Kunstfertigkeit und Technik; Belehrung durch den historisch-theoretisch Erfahrenen, also letzten Endes den Poetiker. Trotz gewisser, naturgemäß gegebener Abstufungen sind die Humanistenpoetiken doch durchweg recht ähnlich nach Plan
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und Methode, aber auch in vielen Einzelheiten. Diese Ähnlichkeit war von vornherein nahegelegt durch den Zweck, der ihnen allen gemeinsam war, aber auch durch die Quellen des Altertums, aus denen sie sfchöpften. Ausgangspunkt und Zielpunkt entsprachen sich, und so lag auch die Wegrichtung ziemlich fest. Originale Lehren und Deutungen bleiben relativ schwach vertreten. Man hielt sich durchgehende an die Theoretiker des Altertums, vor allem Aristoteles und Horaz. Doch wäre es ungerecht, innerhalb der Poetik selbst von einem heimlichen Ausschreiben der Alten, also von bewußten Plagiaten, zu sprechen. Vielmehr pflegte man seine Quellen ordnungsgemäß und nicht ohne Gelehrtenstolz anzugeben, teils in den Vorreden, teils gelegentlich der Zitate und Belege im Verlaufe der Erörterungen selbst. Scaliger ζ. B. weist auf Horaz, Aristoteles und seinen jüngeren Vorläufer Hieronymus Vida bereits in der Vorrede hin. Andere, wie étwa der Deutschböhme J a c o b P o n t a n u s (Spanmüller), der Vertreter der Jesuitenpoetik „Poeticarum institutiönum libri tres" (1594), geben regelrechte Aufstellungen der Quellen, unseren Literaturangaben entsprechend. Allmählich verlängern sich diese Quellenreihen, da spätere Humanistenpoetiken dann wieder von früheren ihr Material beziehen. Wie Scaliger um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Vida vom Beginn des sechzehnten Jahrhunderts benutzt, so zieht der spätere Jesuitenpoetiker Pontanus vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts nicht nur Vida, sondern seinerseits auch schon wieder Seidiger (neben Viperanus) mit heran. So bilden sich sehr bald jene Abhängigkeitsketten, die Glied Um Glied ansetzen. Die Poetiken des Humanismus, auch des nationalen Humanismus, sind wie auch späterhin viele der Poetiken des Barock, nicht anzusehen und zu werten als ästhetische Systeme, kunsttheoretische Abhandlungen oder Programmmanifeste und individuelle Anregungen und Darlegungen, sondern wollen in erster Linie begriffen werden als wissenschaftliche oder halbwissenschaftliche Arbeiten mit entsprechenden Belegstützen aus den Vorläufern. Gegenüber vereinzelten Sonderdarstellungen von Spezialgebieten, wie sie z. B. für das dramatische Gebiet begegnen in B. Crusius' Anhang zum Paulusdrama „De dramatibus" (1609), die noch ganz in den Anfängen stecken und schon rein zahlenmäßig beträchtlich zurücktreten, umspannt die Mehrzahl der Humanistenpoetiken möglichst das Gesamtgebiet, und zwar etwa
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nach folgendem bevorzugten Anlagetypus. Als die drei Hauptteile ergeben sich: Erörterung über die Poesie als solche, allgemein gehalten, Würdigung der Sonderformen (Gattungen) und Behandlung der Technik und einzelner Formfragen. Eingangs pflegt über Ursprung und Wesen oder Zweck der Poesie historisch allgemein gehandelt zu werden, wobei wohl Orpheus, Musaeus u. a. als die frühen Urväter der Dichtkunst in Anspruch genommen werden, der Poesie, die in Nachbarschaft des Gesanges durch Freude am Nachahmen entstand. Sie hat in dehnbarer Umgrenzung ihres stofflich-motivlichen Wirkungskreises zu umgreifen die menschlichen Handlungen {fictae humanae actiones) durch das Mittel der Nachahmung. Aber nicht nur reale Gegebenheiten werden einbezogen, also nicht nur Wirklichkeiten: auch gewisse ideale bzw. ideelle Möglichkeiten dürfen Berücksichtigung finden. Diese Einräumung idealer Möglichkeiten ist beachtenswert im Hinblick auf die spätere Barockpoetik und überhaupt wegen der bis in das achtzehnte Jahrhundert hineinreichenden Debatte über das Problem und die Begrenzung der Wahrscheinlichkeitsforderung. Das Verhältnis von Begabung und Schulung konnte bereits kurz angedeutet werden. Der furor divinus regt den Dichter an; Naturanlage erleichtert, aber verbürgt nicht das dichterische Können. Künstliche Anregemittel — wie etwa der Weingenuß — stehen recht äußerlich neben Ansätzen zu einer Bewertung der Produktionsstimmung (Einsamkeit). Unter den Gattungen steht das Epos im Vordergrunde des Interesses und der rangmäßigen Bewertung. Auch dieser Umstand ist entwicklungsgeschichtlich bedeutsam. Demnächst pflegen Tragödie und Komödie ausgiebiger erörtert zu werden, und zwar die Tragödientheorie unter Anlehnung an Aristoteles. Die fabula mufite eine Einheit bilden, ohne jene spätere Erstarrung des Einheitsbegriffes. Sie soll die Zeitdauer eines Tagesverlaufes nicht wesentlich überschreiten und mußte tragische Motive: Leiden, Todesfälle usw. behandeln {perpessio). Die Gesinnung und Art der handelnden Personen war anzudeuten (senientia). Die Sprachgebung und Redeweise (dictio) hatte würdiggroß zu sein. Eine relativ untergeordnete bzw. nachgeordnete Bedeutung erhielten die Nebenelemente: melodia und apparatus zugewiesen. Jene betraf den Chor, der apparatus den Bühnenapparat, also die Vermittlung des aufgeführten Dramas. Hinsichtlich der Anlage unterschied man: prologus, choricum, episodutn, •
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exodus oder auch protasis, epitasis, catastasis, catastrophe. Unter Teilanlehnung an Horaz erwähnte man wohl auch schon die Aktund Szeneneinteilung. In der Praxis wirken vor allem Plautus, Terenz und Seneca als Vorbilder, überhaupt mehr die römischen als die griechischen Dramatiker. Ähnlich wie für die Epik Virgil, nicht so sehr Homer, das nacheiferungswürdige Muster stellte. Die Komödie arbeitet im Wesentlichen mit entsprechenden Mitteln wie die Tragödie. Nur stehen hier die handelnden Personen und der ganze Darstellungstypus auf niedrigerer Stufe. Von den dramatischen Arten werden vielfach noch das Satyrspiel und der Mimus einbezogen. Im Hinblick auf die Entwicklung der späteren Schäfer- und Hirtenspiele ist bemerkenswert, daß die Gruppe der Bukolischen Dichtung als Komödienform aus ländlichem Lebenskreise gefaßt wird. Unklarheit und Veräußerlichung wird wie in allen älteren Theorien bei der lyrischen Gattung fühlbar. Eine geschlossene lyrische Gattung oder auch nur eine Vorstellung lyrischer Zugehörigkeit besteht nicht. Hier herrscht durchaus das Inhaltskriterium und der Notbehelf, nach Länge bzw. Kürze zuzuordnen und aufzuteilen. Die Elegie ist noch nicht auf schmerzlichen oder wehmütigen Gehalt und Stimmungswert beschränkt, sondern vermag auch Freudiges zu vermitteln. Hymnen gelten in der dann durchweg festgehaltenen Artbestimmung als Lob- und Preisgesänge. Die Satyre (mehr im Sinne von Satire), über deren Art und Einordnung bald Verwirrung entsteht, wird bereits aufgefaßt als Spott- und Scherzgedicht mit erzieherischen Tendenzen. Das Epigramm, das nicht nur im Vorausschauen auf Lessing interessiert, bezeichnet eine Statuenaufschrift; es kann in der Struktur einfach oder zusammengesetzt sein. Schon auf die stark gesellschaftliche Verwurzelung der Barocklyrik deutet es voraus, wenn den Gedichten zu einer Gelegenheit (wie Geburt, Hochzeit, Amtsantritt, Tod usw.) ein besonders breiter Platz eingeräumt wird. Der sprachlich-metrische Teil ist vielfach noch nicht so umfassend angelegt wie dann in der Barockpoetik mit ihrer sprachschulend nationalpädagogischen Tendenz. Doch behandeln führende Poetiker wie Vida und vor allem Scaliger bereits dieses bald stark vorherrschende Kapitel recht ausführlich. Von der Rhetorik her spielen auch die Stil- und Redensarten, die dicendi genera hinein, vor allem in der Dreistufung: hohe, mittlere und niedere Redeart.
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In der hier nur zum Zweck schnell orientierender Einleitung stichworthaft vereinfachten und also auch vergröberten Anlageund Inhaltsrichtung pflegt sich die humanistische Poetik, soweit von dieser überhaupt als einer Einheit gesprochen werden kann, zu bewegen. Hervorragende Poetiker wie Vida oder Scaliger versuchen immerhin nicht selten ihre eigenen Wege zu gehen. In aller Knappheit sei der Grundcharakter zum mindesten dieser beiden einflußreichen Poetiken umrissen, um wenigstens eine skizzierte Vorstellung zu vermitteln. H i e r o n y m u s V i d a (f 1566) bringt mit den „Poeticorum ad Franciscum . . . libri tres" (1520 bzw. 1527) eine ausgesprochen humanistische Poetik heraus. Vida aus Cremona ist in der formalen Anlage seiner in lateinischen Hexametern verfaßten Poetik, die er dem Dauphin Franz (Sohn Franzi.) widmete, dem Vorbilde der versifizierten Poetik des Horaz gefolgt. Das erste Buch beschäftigt sich mit der Schulung und gibt gleichsam einen Leitfaden für den jugendlichen Poesieanwärter. Erforderlich ist Sprachschulung von klein auf, ausgedehnte Lektüre der lateinischen und griechischen Muster. Als Materialvoraussetzung ist Kenntnis der Dinge und Worte (res et verba) erforderlich, also Sach- und Wortkenntnis, Gelehrsamkeit. Der Ausführung hat ein Strukturplan vorauszugehen. Nachdem dann auch die Kenntnis der Hilfsfertigkeiten, besonders der Rhetorik und Metrik erworben worden sind, sind erste Versuche in leichten Gattungen zulässig. Im Ganzen ergibt sich das Bild einer schrittweise vorschreitenden Stufenerziehung, wobei Vida sein Augenmerk auch auf die rein pädagogische Seite richtet. Nicht nur der Schüler, auch der Lehrer wird reichlich mit Ratschlägen versorgt, die über den engeren Bereich des Lehrfaches teils beträchtlich hinausgreifen. Das Moment der Begabung wird verschiedentlich berührt. Die Eignimg des Zöglings ist festzustellen ; man soll mehr einem Dichtbedürfnis folgen und es fruchtbar machen für die Erleichterung der Produktion. Der Dichter hat Idealismus aufzubringen und nicht selten auf die Güter der Welt Verzicht zu leisten. Die Einsamkeit bietet eine vorteilhafte Produktionsbedingung. Der göttliche Ursprung der Dichtkunst wird von den Alten her beibehalten und historisch-genetisch damit begründet, daß in den Orakeln die Entwicklungsvorstufen der Poesie zu suchen seien. Indessen beweist doch der ausgeprägt lehrhafte und zuversichtlich anleitende Charakter der ganzen Anweisung, daß dieses Moment der 1·
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Begabung nicht erlebnismäßig nachempfunden und auch nicht kunstverstandesmäßig überschätzt oder gar wirklich verehrt wird. In der G a t t u n g s g l i e d e r u n g (Buch II) nimmt das Epos als heroische Dichtung die höchste Rangstufe ein. Es fordert Steigerung und Spannung (von Opitz nicht einbezogen). Eine beachtliche Bedeutung und Wertgeltung wird bereits den umschreibenden Einkleidungen zuerkannt. Der furor divinus stellt sich nicht jederzeit ein. Man muß die rechte Stimmung abwarten. Aber andererseits darf man dadurch nachhelfen, daß man bei den Griechen und Römern Anleihen macht, wie es schon die Römer gegenüber den Griechen nicht verschmäht hätten. Bei den Entlehnungen braucht man nicht allzu ängstlich zu sein, wenn man sie füglich auch ein wenig versteckt anbringen soll. Virgil, nicht Homer stellt die Autorität zielgebender Vorbildlichkeit, auch für Vida. Der sprachlich formale und metrische Anweisungsteil (Buch III) billigt entsprechend eine Bereicherung der Darstellungsmittel durch Überpflanzung von Stilblüten und Redewendungen aus den klassischen Schriftstellern und gibt Vorschriften über den rechten Wortgebrauch usw. Zwei Forderungen seien nur noch hervorgehoben, weil sie späterhin in der Barockpoetik wieder auftauchen. Die Worte und Wendungen haben sich in der Klangwirkung den Dingen anzupassen. Sowohl im II. wie im III. Buch wird diese auf die Klangmalerei vorausdeutende Auswertbarkeit berücksichtigt. Vida empfiehlt weiterhin, daß das abgeschlossene Dichtwerk in größeren Zeitabständen nachträglich vom Dichter überprüft werden möge, um Verbesserungen vorzunehmen. Im wesentlichen gewinnt man den Eindruck einer unverkennbaren Lehr- und Anweisungspoetik, und zwar geben besonders das erste und dritte Buch Anleitungen zum handwerklichen, technischen Machen des Gedichts. Überall wird zudem deutlich, daß es gar nicht so sehr auf die Poesie als vielmehr auf die Übung in der lateinischen Sprache ankommt. So wird denn auch die lateinische Poesie bevorzugt gegenüber der griechischen, — während z. B. G. Trissino sich stärker auf die Griechen eingestellt zeigt — und Virgil in einem gesonderten Lobgesang am Schluß entsprechend gepriesen. Geheimrat Klotz, der Lessing- und Herdergegner» gab noch im Jahre des „Laokoon" 1766 eine kommentierte Ausgabe der Poetik Vidas heraus. Gegenüber dem lockeren Verstraktat Vidas nach Horazischer Art steht in Scaligers Poetik der mächtige und massige, gelehrsam-
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keitsschwangere Foliant: „Julii Caesaris Scaligeri... Podices libri Septem", herausgegeben in Genf durch einen dem Verfasser befreun· deten Arzt 1561. Polyhistorisches Sammelwissen, das vielfach über den Rahmen des eigentlichen Themas hinausreicht, ist angehäuft worden. Soweit hatte der ehrgeizige französische Arzt Scaliger um sich gegriffen, daß die Arbeit als Nachlaßwerk liegen blieb und erst drei Jahre nach seinem Tode herauskam. Diese weitschichtige Poetik, die mehrfach aufgelegt wurde, war wohl die einflußreichste der Humanistenpoetiken. Durch das gesamte siebzehnte Jahrhundert hindurch, ja bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein bleibt ihre Nachwirkung spürbar. Und um es sogleich vorwegzunehmen : nicht sowohl an den originalen, gelegentlich wohl auch etwas eigenwilligen Elementen dieses Großwerkes bereicherten sich die Nachfolger. Vielmehr benutzten sie vor allem Scaliger als unerschöpfliche Fundgrube für Stoffwissen, Zitate, Beispiele, gesammelte und vermittelte fremde Meinungen. Denn indem Scaliger seiner ganzen, stark selbstbewußten Art entsprechend, vor allem kritisch die bis damaligen Leistungen der dichterischen Schaffenspraxis und Theorie sammelte, sichtete und sich mit ihnen vielfach polemisch auseinandersetzte, mußte er doch alle jene fremden Ansichten erst einmal anführen. Scaligers Poetik nimmt in ihrem ganzen Typus zeitlich recht früh, wenn auch nur recht unvollkommen eine Methode vorweg, die dann in Deutschland nach beachtenswerten Anläufen im siebzehnten Jahrhundert (Morhof, teils auch Rotth u. d. Breslauer „Anleitung") erst bzw. wieder das achtzehnte Jahrhundert voll ausprägt in seinen „Kritischen Dichtkünsten" (Gottsched, Breitinger, Brämer). Es ist so offensichtlich und ganz bewußt eine kritische Poetik, daß Borinskis laufendes Gefecht gegen Scaligers vermeintlich so überhebliche Besserwisserei offenbar von schiefen Voraussetzungen aus angreift und notwendig fehlgreift. Zuzugestehen ist dagegen, daß Scaliger vielfach durch Wiederholungen ermüdet, daß er allzusehr die Einzelheiten schichtet, daß er in Inkonsequenzen steckenbleibt. Aber historische Einfühlung in die Entstehungszeit wird sich bewußt halten, daß dieser erste große Anlauf zu einer „modernen" Poetik und Kritik nicht sogleich in schnurgerader Zielsicherheit verlaufen konnte. Der Eingangsteil ist historisch-genetisch gehalten und erörtert den Ursprung der Poesie und ihrer Sondergattungen. Die dann späterhin vielfältig aufgenommene Abgrenzung von Dichtung und
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Geschichtsschreibung beschäftigt bereits Scaliger. Die Sprache gilt als Mittel zum Zweck. Aus dem Hirtengedicht als der ältesten Form läßt Scaliger sich die Komödie und schließlich die Tragödie entwickeln. Diese, das Satyrspiel und den Mimus faßt er zu den dramatischen Gattungen zusammen. Dabei fehlt seiner von Aristoteles auch sonst mehrfach abweichenden Tragödiendefinition der Begriff der Katharsis. Besonders hoch bewertet wird wiederum das Epos, das mit Rhapsodie und Parodie zusammengestellt wird. Die lyrische Gattung als solche kann in ihrem Grundwesen noch nicht klar sich ausprägen; unzulängliche Entschädigung sucht Scaliger in einem Zuhaufenschichten massenhaft aufgezählter Gedichtarten zu bieten. Doch lag ein derartiger Notbehelf beim Mangel an wesenhaften Zuordnungskriterien vorerst nahe. Modernem Empfinden muß es als primitiv erscheinen, was über die Begabung gesagt werden kann. Manchem ist der furor divinus angeboren ; anderen wird er bei Anrufung der Götter zuteil, anderen aber auch kommt er beim Genuß des Weines (vgl. auch A. Lopez Pinciano). Daß nicht nur Wahrheit, sondern auch Poesie im Wein liege, leuchtet auch unseren Barockpoetikern ein, wie man weitere Reiz- und Rauschmittel recht äußerlich als Surrogat für die „göttliche" Triebkraft bedenkenlos einzusetzen sich gewöhnt. Dagegen scheint Scaligere Zurückfährung des Dichterischen auf die erotische Impulssphäre nicht so materialistisch flach, wie Borinski meint, der in diesem Zusammenhange von „tierischer Sinnlichkeit" spricht. Es ist wohl doch nicht nur der Arzt Scaliger, der hier das Wort hat. Das Schöpferische, Zeugungsfreudige läßt eine tiefer liegende gemeinsame Wurzelschicht wenigstens erahnen, wenn das Inbeziehungsetzen dieser Untergrund- und Urkräfte auch noch etwas robust ausgefallen sein mag. Weiterhin räumt Scaliger kritisch mit dem Irrtum auf, als ob die Gegenstände selbst das Material der Dichtkunst seien, ein für uns selbstverständlicher, damals noch klarzustellender Gedanke, der zugleich in die Naturnachahmungstheorie hinüberspielt. Als das eigentliche Formelement, das allerdings auch noch als Stoffelement gilt, wird die Sprache erkannt, und zwar wirkt die spezifisch poetische Rede durch Figurenschmuck, Rhythmus usw. Worte sind Zeichen für Dinge. Daher ergibt sich die Teilung in Worte und Sachen. Ausgiebig wird dabei in subtiler Weise gegliedert. So etwa werden die Dinge wiederum eingeteilt in Personen und Nichtpersonen. Daneben stellen die Umstände oder Ort und Zeit weitere
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Rubriken, aus denen der Dichter sein Baumaterial wohlgeordnet beziehen kann. Unsere Barockpoetiken nehmen eine derartige Rubrizierung häufig wieder auf. Aus dem breiten sprachlich-metrischen Bereich löst sich dann Scaliger etwas mehr in den Partien, die er als Criticus und Hypercriticus bezeichnet. Er treibt dort vergleichende Kritik, indem er die Verschiedenwertigkeit der Gestaltgebung, des Formtypus, überhaupt der Art der Schaffensform bei feststehendem Gehalt, bei gleichbleibendem Stoff behandelt, d. h. er vergleicht Dichtungen, die dasselbe Motiv verschiedenartig gestalten. Dabei stellt auch Scaliger Virgil weit über Homer. Es ist beachtenswert, daß ihm die kraftvollen Gleichnisse Homers nicht zusagen. Sehr breiten Raum nehmen die Zitate, Belege usw., besonders aus Virgil (vgl. noch J. Masenius) ein. Im Schlußteil setzt sich Scaliger noch einmal eingehender mit Problemen auseinander, die er vorher nur hatte berühren können. So erörtert er umständlich den Versgebrauch in der lateinischen Komödie. Bei aller Disposition und Überdisposition wird doch neben der Überladenheit, die wenigstens für die Nachfolger fruchtbar werden konnte, auch eine gewisse Verworrenheit nicht völlig überwunden. Keineswegs wird überall wirklich Theorie der Poesie geboten. Vielfach dehnen sich historische Exkurse aus. Es sind das indessen stets Gefahren für die Anlage kritisch-historischer Poetiken, die selbst ganz junge Poetiken, wie die W. Scherers (1888) nicht gänzlich zu umgehen vermögen. Aber alle Schwächen dieses imposanten Frühwerkes Scaligers können nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier ein selbstdenkender Kopf, wie Lessing sagen würde, daß hier ein urteilswilliger, wenn teils auch eigenwilliger Kritiker ein umspannendes Wissensmaterial wenn zwar nicht beherrschend formte, so doch freigebig zur Hand hatte. Eben deshalb konnte er späteren Theoretikern so viel bieten an Stoff, aber doch auch schenken an Anregungen in der Auffassungsweise. So begegnet sein Name in den deutschen Poetiken immer wieder; aber etwa auch der Belgier Delrio bekundet im Vorwort seiner Senecaausgabe (1593) Scaligers Einwirken. Neben derartigen lateinisch geschriebenen Poetiken gewinnt, besonders in den romanischen Ländern, die in der Landessprache verfaßte, also in den nationalen Humanismus einzubeziehende Poetik recht frühzeitig an Boden. In Italien wäre bald nach Pietro Bembo und dessen Poetik von 1525 (schon im Jahrzehnt vorher entstanden) vor allem G. Trissino: „Deila poetica." (1529 und er-
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weitert 1563) oder auch B. Daniello ,£a Poetica" (Poetik in Gesprächsform 1536) zu nennen, in Frankreich Vertreter der Plejade wie Beilay und Ronsard. J o a c h i m du B e i l a y hat denn auch jene kulturpatriotische, nationalsprachliche Umbildung des Humanismus grundsätzlich manifestiert in der Schrift „La deffence et illustration de la langue francoyse" (1548). Diese Umbildung ist indessen immer so geartet, daß die Alten dennoch Muster bleiben. Nur eben soll der Schößling in nationalen Boden überpflanzt und dort großgezogen werden. Es ist der Kampf um das Geltungsrecht und den dichterischen Wert der Muttersprachen, der dort im sechzehnten Jahrhundert, bei uns nach Ansätzen im sechzehnten doch erst im siebzehnten Jahrhundert sich voll entfaltet. Spezifisch für die Poetik wird Ronsard grundlegend mit seinem Abbrégé de l'Art Poétique Françoise (1565) und seiner „Préface sur la Franciade touchant le Poème héroïque" (1572). Was den Abriß der Poetik von 1565 anbelangt, so ist er, entsprechend seiner flüchtigen Entstehungsart, nur wenig systematisch durchgegliedert. Durchweg sind stichworthaft die bekannten Einzelheiten der Humanistenpoetik lässig, aber gewandt aneinandergereiht worden, so etwa einige Bemerkungen über den Ursprung der Poesie, über das Sichschulen an klassischen Vorbildern, über die kritische Selbstkontrolle vor der Herausgabe einer Dichtung, über die - z. B. auch B. Daniello bekannte Technik (disposinone artificiale gegenüber der dispositione naturale) — , den Geschehensverlauf innerhalb einer Dichtung nicht chronologisch abzurollen, sondern in medias res zu gehen u. a. m. Erwähnenswertes Element wäre an sich die starke Hervorhebung der Invention. Doch verhilft zur Erfindung ebensowohl das Vorfinden bei den Alten wie die eigene Begabung. Und schon daraus wird ersichtlich, daß es sich nicht eigentlich um unser schöpferisches Erfinden handelt, sondern mehr um die geistige Fähigkeit der Vorstellung (nicht in erster Linie Darstellung) von Dingen, also etwa um eine Art von rationalistischkombinierender Vorstellungsfähigkeit. Damit hängt wiederum die hohe Bewertung der Fabel, d. h. des stofflichen Motivs zusammen; denn wer nur auf die metrische Formgebung achtet, bleibt ein bloßer „versificateur". Doch kommt, entsprechend den sprachfestigenden Bestrebungen der Plejade die sprachlich-metrische Seite keineswegs zu kurz. Ronsards Vorrede zur Franciade
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von 1572 erörtert unter Aufnahme einiger Gedanken des Abrisses vor allem den Unterschied von Historiker und Dichter. Der Historiker erzählt entsprechend dem zeitlichen Ablauf im Wirklichkeitsgeschehen, der Dichter greift mitten in dieses Geschehen hinein. Der Historiker hat sich ganz an die Daten der Geschichte zu halten, der Dichter braucht nur Wahrscheinlichkeit zu bringen und darf neben dem wirklich Gegebenen auch Wahrscheinliches und Mögliches einbeziehen. In Holland, wo Daniel Heinsius als Aristoteleskenner das Sdndergebiet der Tragödie behandelt „De tragoediae constitutione" (1611), gewinnt G. J. Vossius, Professor der Eloquenz und Geschichte in Leiden, neben der Rhetorik („Institutiones Oratoriae", 1605, 1609; „De Rhetoricaenatura", 1621) auch der Poetik weiteren Boden, so etwa — den humanistischen Kernbegriff der Imitatio herausstellend — in dem Beitrag „De Imitatione cum oratoria tum praecipue poetica" oder den „Institutiones Poeticae"·, „De Artis Poetices natura ac constitutione" (1647). Nicht nur die lateinische Jesuitenpoetik J. Masens greift im deutschen Entfaltungsraum auf Vossius zurück, dèr mehrfach als Gewährsmann in deutschen Poetiken begegnet.
TEIL I
Die Poetik des Barock Kulturpatriotische Grundlegung und Abwandlung. Eine Darstellung der Entwicklung kunsttheoretischer Anschauungen innerhalb Deutschlands vor Opitz ist an dieser Stelle nicht beabsichtigt, kann auch um so eher entbehrt werden, als die Vorraussetzungen für die deutschsprachliche Barockpoetik überwiegend in der Renaissancepoetik des Auslandes zu suchen sind. Natürlich war mit Opitz nicht der erste Ansatz gegeben, wohl aber ein relativer Neuansatz und ein deutlich ausgeprägter Entwicklungseinschnitt, der es berechtigt erscheinen läßt, von hier aus die weitere Entfaltung der Dichtlehre, Wortkunsttheorie und ihre Erstarkung zur Sondergeltung eingehender und quellenmäßiger zu verfolgen. Ein kurzer Seitenblick mag noch zurückschweifen auf Theob a l d Hoeck, der an der Schwelle des Jahrhunderts seine Gedichtsammlung „Schönes B l u m e n f e l d t " (1601) wohl auch einmal Betrachtungen anstellen läßt über die Möglichkeit und Notwendigkeit deutschsprachlicher Kunstdichtung, und zwar besonders dort, wo ein längeres Gedicht „Von Art der Deutschen Poeterey" handelt. Denn die knappe Vorrede „An den getrewen Leser", die mit ihrem Voranstellen der „Seelen säligkeit" das christliche Leitmotiv kurz aufklingen läßt, beschränkt sich im Wesentlichen auf das Anraten, aus „diser Welt ergernüssen" möglichst das Angenehme zu erlösen und zu „erwählen", und auf das Anrufen des Leserurteils, etwaige Rückfälle des Dichters in die Düsternisse des Lebens wohlwollend zu verzeihen, malt also mehr die ganze tragende Lebensstimmung, ohne kunsttheoretische Richtungsmerkmale vorzuzeichnen. Höchstens der Umstand selbst, daß überhaupt dem Leser eine kritische Urteilsbildung zugewiesen und also eine Urteilsfähigkeit zuerkannt und daß dem idealen Leser mehrfach das Wertungsattribut „verständig" zuerteilt wird, könnte einige Anhaltspunkte bieten. Eine entschiedene Wendung auf das Gebiet der Poetik und
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Metrik vollzieht dagegen jenes Gedicht, das nicht nur die Art, sondern auch die Aufgabe „der deutschen Poeterey" mehr vernünftig und kritisch betrachtend erörtert als gefühlsmäßig darstellt. Ausgehend von der Neigung und Fähigkeit der Deutschen, fremde Sprachen zu erlernen, die an sich als löblich anerkannt wird, bringt Th. Hoeck sehr bald die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Leitidee zum Einsatz mit der Ermahnung, daß seine Landsleute über solchem Eifer „jhr eygene Sprachen / Nit vnwerth machen" sollten. Denn das vielbewunderte Geheimnis dichterischer Höhenleistung fremdsprachiger Poeten beruhe doch letzten Endes ganz einfach darauf, daß jene Entfaltung ihre Kraft aus der Nationalsprache zu ziehen wußte, daß jene Vorbilder, wie etwa die Lateiner, „in der Mutter Zungen / Lateinisch gsungen" hätten. Und so erhebt sich aus diesem Gedankengang für Hoeck folgerichtig die zugleich anspornende Frage: „Warumb sollen wir den vnser Teutsche sprachen / In gwisse Form vnd Gsatz nit auch mögen machen / Vnd Deutsches Carmen schreiben". Diese Frage erhielt ihre Antwort, die hier vorgezeichnete Aufgabe ihre erste Lösung durch die Kunsttheorie Opitzens. Und die Tatsache, daß sie gestellt und gesehen wurde und die Dringlichkeit, mit der sie gestellt wurde, bestätigt vom Einzelfall her gleichzeitig das allgemeine Bedürfnis, dem Opitz mit seiner Poetik entgegenkam. Noch nicht geht Hoeck von der dann vielfach gebräuchlich werdenden Ermutigungstaktik aus, die deutsche Sprache als besonders günstige Voraussetzung für eine dichterische Formung hinzustellen und die Mühelosigkeit deutschsprachlichen Dichtens verlockend anzupreisen. Vielmehr verweist er auf die Schwierigkeiten der deutschen Sprache, die „vil mehr müh thut geben" besonders in der Bewältigung des Versmaßes und des Reimes: „Vnd das noch schwerer ist so sollen die Reime / Zu letzt grad zsammen gehn vnd gleime". Aber derartige Schwierigkeiten, vor die sich die Lateiner ζ. B. nicht gestellt sahen, erhöhen auch entsprechend das Verdienst eines „recht dichten" in deutscher Muttersprache. So wirkt bei Hoeck zu Beginn des Jahrhunderts schon etwas mit von dem Stolz auf die deutsche Kunst gerade in Reimen, wie er dann gegen Ende des Jahrhunderts noch etwa bei Prasch so eindringlich sich ausprägt. Eine Loslösung jedoch vom humanistischen Bildungskriterium kann damals noch nicht erwartet werden. Noch steht der Grundsatz fest: „Niembt sich auch billich ein Poeten nennet / Wer d'Griechisch vnd Lateinisch
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Sprach nit kennet". Und im Raum vor Opitz liegt es Hoeck noch durchaus fern, wie etwa drei Jahrzehnte später Joh. Rist es wagen zu können glaubte, den Hochstand oder gar die Überlegenheit deutscher Poeten zu behaupten. Sein Gedicht „Von Art der Deutschen Poeterey" findet im Gegenteil noch so viel Unart, so viel Unzulänglichkeit vor, daß ein ganzer Schlußteil der Polemik gegen unwürdige Dichterlinge und Reimschmiede vorbehalten bleibt. Soweit Einzelforderungen schon greifbar werden für die Gestaltungsweise, beziehen sie sich vorwiegend auf die Pflege des Reims und des Metrums, wobei im Entwicklungsbezirk vor Buchner die Erwähnung des Daktylus vermerkt sein mag. Wesentlich karger an kunsttheoretischem Ertrag bleibt Hoecks Gedicht „An den Leser", das vielmehr über die damalige Lektüre Aufschlüsse bietet. Immerhin lehnt es die schulmäßige Einstellung ab, als ob man „auss den Poeten" nur Untugenden und „Schelmereyen" erlerne, verweist im Gegenteil auf die leichte Lehrbarkeit von „Kunst, Weißheit vnd Tugendt" mit Hilfe der Dichtung und schwenkt damit ein in die Reihe der Rechtfertigungen der Dichtkunst. Leichter als in dem Bericht und der Mahnung „Von Art der Deutschen Poeterey" aber, doch deutlich genug klingt der Schluß wiederum in der Überzeugung aus, daß man „allerley Materi" in „Deutsch so wol und artlich" wie im Welschen oder Französischen dichterisch zum Ausdruck bringen könne. Im ganzen wirken die kunsttheoretischen Einsprengungen in Hoecks Gedichtsammlung wie ein kleines zwangsloses Vorspiel zur Opitzschen Reform. Sie lassen voraussehen, daß die Bemühungen Opitz' günstige Einsatz- und Einwirkungsmöglichkeiten vorfinden werden. Da Joh. E n g e r t s (Joh. Engerdus) etwa um 1600 anzusetzende „ T e u t s c h e Prosodia, das ist Nothwendiger Unterricht, auff welcherley weise und art in Teutscher Sprache Verss und Reimen nach rechter poetischer Kunst zu machen" offenbar nicht erhalten und nur durch Morhofs Rückverweis bekannt geworden ist, so muß sich diese frühe deutsche Prosodie mit einer bloßen Erwähnung begnügen. Und da weiterhin auch E r n s t Schwabe von der Heydes Poetik von 1616, eine mit theoretischen und sprachlich-metrischen Hinweisen erläuternd bereicherte Gedichtsammlung, die bereits mit der Erörterung von Reimfragen das Eingehen auf den Alexandriner und die Sonettform
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verbunden haben dürfte, endgültig in Verlust geraten und uns nur mittelbar und unzulänglich durch Opitzens Rückverweise bekannt ist, so kann „ M a r t i n i Opitii B u c h von der D e u t schen P o e t e r e y " (Breslau 1624) als die erste deutsch geschriebene Poetik des siebzehnten Jahrhunderts gelten. Der Anlage nach ein handlich-übersichtlicher Leitfaden von ausgeprägtem Grundrißcharakter, stellt das nach Opitzens eigenem, wenn auch wohl ein wenig übertreibenden Zeugnis in „fünf! tagen" entstandene „magere Heftchen", wie schon Roethe es nannte, kein selbständig durchdachtes oder gar philosophisch-kritisch unterbautes System dar, sondern eine mit federgewandter Schnelligkeit zusammengetragene, lockere Aneinanderreihung von Einzelheiten, geschöpft durchweg aus fremden Quellen, vielfach nicht einmal aus erster Hand entlehnt. Wenn ζ. B. auch die unmittelbare Benutzung der Horazischen „Ars poetica" mit gewisser Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf, so bleibt es bereits strittig, ob Opitz die Aristotelische Poetik selbst gekannt oder sich mit ihrer Vermittlung durch Scaliger und den Aristoteles-Kommentator Daniel Heinsius begnügt hat, dessen Einwirken z. B. auch in Italien etwa gleichzeitig spürbar wird in Tarquino Galuzzis „Commentarti tres de tragoedia et comoedia" (Rom 1621). Die ergiebigsten Bezugsquellen stellen ihm im wesentlichen doch die Franzosen Scaliger und Ronsard. Die Begriffsbestimmung und Gattungs- bzw. Arteinteilung übernimmt er — mit Ausnahme des Epigramms — hauptsächlich von Scaliger, während die mehr praktisch eingestellten Teile durch Ronsard angeregt, teils wohl auch durch den verschollenen Ernst Schwabe von der Heyde beeinflüßt worden sind. Nicht überall folgt Opitz sklavisch seinem Gewährsmann Ronsard. So berücksichtigt er z. B. Ronsard gegenüber, der sich auf eine hochentwickelte und schon in sich gefestigte Nationalsprache stützen konnte, die relative Unvollkommenheit der deutschen Sprache, ihre geringe Einheitlichkeit und Festigkeit und warnt aus dieser — aus kulturpatriotischen Gründen heraus verschwiegenen — Erkenntnis der andersartigen Entwicklungsposition vor Verwirrung durch Dialekteinschläge. Öffentlich dagegen betonte er wie alle Späteren das würdige Alter, die hervorragende Eignung und die angebliche frühere Unverfälschtheit der Muttersprache, die indessen Säuberung vom Fremdwörterunwesen billig erwarten darf auf Grund ihrer an sich vorbildlichen Erbqualitäten (so etwa im „Aristarchus"), ein Leit-
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und Lieblingsthema der Barockpoetik, frühzeitig von Opitz aufgegriffen im „Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae" (1618, 1624). Gelegentlich weiß er sich auch in Einzelzügen von Scaligere Autorität befreiter zu lösen. So etwa deutet er die invocatio in strenger religiösem Sinne und berührt damit, wenn auch vorerst nur flüchtig, eine zweite richtunggebende Zielsetzung der Barockpoetik: die c h r i s t l i c h - m o r a l i s c h e L e i t i d e e , die z. B. auch in Italien Stradas „Prolusiones academicae oratoriae, historiae, poeticae" (Rom 1617) beherrscht. Und wo er beim Inhaltskriterium der Komödie weit unerbittlicher als Scaliger die Einführung der „Keyser vnd Potentaten" als Mißgriff schlechtweg verwirft, da klingt das dritte Leitmotiv der Barockpoetik auf, das auf höfisch-gesellschaftliche Formbindung eingestimmt war. Wenn Opitz, den schon die Raumbeschränkung seines Büchleins zum mindesten zu einer sichtenden Auswahl zwang, hier und da von seinen Vorlagen — denn es waren in der Tat mehr als bloße Vorbilder — abweicht, so scheut er andererseits im Stile der Zeit auch die wörtliche Übernahme fremder Gedankengänge auf weite Strecken hin keineswegs. Im übrigen ist neben derartigen unmittelbar und häufig befragten Gewährsmännern wie Scaliger und Ronsard mittelbar ein gut Teil der gesamten traditionell normierten Renaissancepoetik des Auslandes bzw. der nationalen Poetik des Auslandes vereinfacht, teils auch entsprechend vergröbert, in Opitzens „Poeterey" eingeschlossen, ohne daß überall bestimmte Einzelquellen, wie sie die Sonderforschung überreich und übereifrig fast aufgestöbert hat, wissenschaftlich zwingend nachweisbar wären. Ob z . B . Du Beilay: „La deffence et illustration de la langue francoyse" (1548/49), ob weiterhin Sir Philip Sidney: „Apologie for English poetrie" (1589) oder die Ausgabe der „Oeuvres poétiques" des Seigneur du Bartas durch Goulard de Senlis unmittelbar benutzte Vorlagen geboten haben, ist zweifelhaft, wenngleich gerade die Abweichungen von den Hauptquellen verschiedentlich in diese Richtungen zu deuten scheinen. Ebenso dürfte ein Teil der vermeintlichen Originalität hinsichtlich der sprachlich-metrischen Forderungen in Fortfall geraten, wenn wir Ernst Schwabes verlorene Poetik vergleichend heranziehen könnten, ganz abgesehen von P. Rebhuns Vorarbeit. Vielfach bestätigt ein Hinhuschen über die Ergebnisse seiner Gewährsmänner den Gesamteindruck hastiger Grundrißarbeit. Die gelehrten Zusätze und Zitate, die eben solcher Tradition
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wie dem Bemühen entsprangen, Vertrauen zu erwecken durch ein demonstratives und repräsentatives Ausbreiten der oft ein wenig billig erworbenen Gelehrsamkeit, stammen gleichfalls überwiegend aus zweiter Hand (Caspar Barth, „Adversariorum Criticorutn Libri LX" \ Wower, „De polymathia" ; D. Heinsius, „De tragoediae constitutione" u. a.). Als positiver Wert könnte an sich auffallen das frühzeitige und warm anerkennende Eingehen auf die mittelhochdeutsche Dichtung (Cap. IV, 145/46). Aber nicht nur Waither von der Vogelweide ist es, den „Goldast anzeucht", sondern Opitz verdankte jenen Rückverweis überhaupt Goldasts „Replicatio pro Sacra Caesarea Majestate" (1611). Immerhin bleibt die liebevolle Hervorhebung jener älteren Schätze gerade für den humanistisch eingestellten Dichter-Theoretiker zweifellos ein Verdienst, das er noch erhöht hat durch die Herausgabe des Annoliedes. Die an eich klare Gliederung stellt nach der Vorrede (Cap. I) den knapp gehaltenen, aber inhaltreichen historisch-theoretischen Teil (Cap. II—IV) voran, während der technisch-lehrhafte Anweisungsteil (Cap. V—VII), teils durch eingestreute klassische oder eigene Exempel aufgeschwellt, jene allgemeinen, grundsätzlichen Erörterungen etwa um das Zweifache an Umfang übertrifft und der „Beschluß" (Cap. VIII) noch einmal Berechtigung und Vorzüge der Dichtkunst herauszustellen bemüht ist. Vorrede und „Beschluß" vor allem berühren das Problem der B e g a b u n g s b e w e r t u n g , und zwar nimmt Opitz hier stärker als in der „Poeterey" selbst — abgesehen vom dritten Kapitel — die allerdings durchweg nur formelhaft verwertete Tradition der Alten auf. Die Verwahrung der Vorrede: „ . . . bin ich doch solcher gedancken keines weges, das ich vermeine, man könne iemanden durch gewisse regeln vnd gesetze zu einem Poeten machen" mit der Begründung, daß die Praxis doch auch in der geschichtlichen Entwicklung der Theorie vorausgegangen sei, erinnert immerhin daran, daß sich die Theoretiker jenem naheliegenden Einwände nicht verschlossen und nicht völlig blind an dem Begabungsproblem vorübergingen. Eine wirklich selbständige Haltung Opitzens, der sich mit jener Wendung zudem an Ronsard anlehnt, tritt indessen weder an dieser Stelle noch an einer entsprechenden des „Beschlusses" zutage. Für eine gewisse Verlegenheit angesichts des Begabungsproblems spricht vielmehr das bei solchen Wendungen fast stereotyp in Erscheinung tretende Stützungsuchen bei den Alten, besonders bei Plato („Phaedrus" und „Ion").
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Auf Flato nimmt denn auch Opitz in beiden Fällen ausdrücklich Bezug, oder man möchte sagen, hinter Plato nimmt er Deckung, und zwar offenbar auf Grund der Vermittlung Scaligere, so in der beiläufigen Klammerparenthese der Vorrede: „welcher (Poeten) schrifften auss einem Göttlichen antriebe vnd von natur herkommen, wie Plato hin und wieder hiervon redet"; aber auch in dem an sich beachtenswerten Abschnitte des „Beschlusses" im achten Kapitel: „Wo diese natürliche regung ist, welche Plato einen Göttlichen furor nennet zum vnterschiede des aberwitzes oder blödigkeit (intellektuelle DeutungI), dürften ( = brauchen) weder erfindung noch worte gesucht werden". Daneben gibt eine Ovidstelle den Alexandriner: „Es ist ein Geist in vns, vnd was von vns geschrieben / Gedacht wird und gesagt, das wird durch jhn getrieben" (S. 200/01). Völlig gedankenlos sind jedoch bei Opitz, der Platonisches etwa auch anklingen läßt im „Vielguet" (1629) mit der Annäherung des Schönen und Guten, die konventionellen Wendungen nicht nur mitgeschleppt worden. Denn er mißt in diesem Zusammenhange die Eindruckswirkung an der begabungsbedingten Schaffensstimmung : . . wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird, so wird es auch nachmals von jedermann mit dergleichen lust vnd anmutigkeit gelesen" und hebt den Dauer- und Unsterblichkeitswert einer aus Begabung geborenen Dichtung klar ab vom bloßen Achtungserfolge tüchtiger „Poeterey"Schüler; denn an diesen „wollen wir zwar den willen vnd die bemühung loben, der nachkommen gunst aber können wir jhnen nicht verheissen". Das eigene Geltungsstreben Opitzens als Dichter half hier offenbar die Einsicht in den Wert der Begabung fördern, wenn auch die Leistungsgemeinschaft von „vbung" und „fleiss" einerseits mit der „natur"-Anlage andererseits besonders hochgestellt wird. Ob aber auch das W e s e n der Begabung bereits als spontan-gefühlsmäßiges Müssen, als schöpferischer Drang aufgefaßt wird, erscheint recht fraglich. Ansätze in dieser Sichtung sind bei Opitz wie in der gesamten Barockpoetik nachweisbar. Der Entfaltungsgrad dieser Ansätze ist verschieden. Zuzugestehen ist Opitz ein gewisses Eingehen auf das Lustgefühl der Produktionsstimmung, wie denn das „mit lust" Dichten und die gelegentlich bei lyrischen Gedichtarten gestellte Vorbedingung „diese getichte erfordern ein freyes, lustiges gemüte" aufhorchen läßt. Aber wie der göttliche „furor" durch Unter-
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Scheidung von „aberwitz oder blödigkeit" bestimmt wird, so überwiegt doch im ganzen unverkennbar das intellektuelle Element, die Bewertung der „sinnreichen Einfälle", das „hohe sachen bey sich erdencken können", die „aufgeweckten gemüter". Besonders das Attribut „sinnreich" pflegt für lange Zeit als Wesensattribut der Begabung eingesetzt zu werden, wobei immerhin zu erwägen wäre, inwieweit der Bedeutungsgehalt dieses Wortes vielleicht umfassender gewesen sein möchte, als er heute ist. Daß Opitz jedenfalls so etwas wie eine Produktionsstimmung, wie ein Aufgelegtsein — denn von mehr darf wiederum kaum ohne Ubertreibung gesprochen werden — kennt, tritt wohl am klarsten in dem interessanten Ausschnitt des dritten Kapitels dort zutage, wo er die teils recht aggressive Kritik an der äußerlich aufgezwungenen, oft lächerlich enggeistigen und eitlen Motiven entspringenden Auftragsdichtung mit der Begründung stützt: „Denn ein Poete kan nicht schreiben, wenn er will, sondern wenn er kann, vnd jhn die Regung des Geistes, welchen Ovidius ( !) vnd andere ( I) vom Himmel her zue kommen vermeinen, treibet". Dieses „vermeinen" ähnelt doch verdächtig dem anderen „vermeinen", wenn von primitiven Kulturfrühstufen die Rede ist (Cap. II), von der Zeit des Orpheus, da angesichts der „herrlichen Sprüche" die „einfältigen leute" nur eben „vermeineten..., es müste etwas göttliches in jhnen stecken". Und wie bei der Erwähnung der göttlichen Eingebung in der Theorie wieder ein Gewährsmann aus der Welt der Alten bemüht wird, so gilt auch im humanistischen Sinne die Vorbildkenntnis, das Vertrautsein mit den Alten als unerläßlicher Bildungsfaktor, auch für das an sich poetisch gestimmte Naturell. Naturanlage und Vertrautheit mit den alten Schriftstellern sind die Grundbedingungen. Ihnen gegenüber tritt selbst die Förderung durch technische Anweisungen und praktische Winke zurück, die erst bei Gegebensein jener unerläßlichen Grundbedingungen fruchtbar sich auszuwirken vermögen. Im Schlußsatz des vierten Kapitels, also dort, wo der historisch-theoretische Teil einmündet in die Regelpoetik, wird noch einmal ausführlicher der Gedanke der Gesamtvorrede aufgegriffen mit der Feststellung, daß der Poet versagen müsse, der, „nebenst dem das er ein Poete von natur sein muss, in den griechischen vnd Lateinischen büchern nicht wol durchtrieben ist, vnd von jhnen den rechten griefi erlernet hat; das auch alle die lehren, welche sonsten zue der Poesie erfodert 3 Markwardt, Poetile ι
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werden, vnd ich jetzund kiirtzlich berühren wil, bey jhm nichts verfangen können". Diese beherrschende Grundeinstellung deckt sich durchaus mit einem kritisch-kunsttheoretischen Exkurs in dem Gedicht „An Hern. Zincgrefen", wo ganz entsprechende Forderungen auftauchen: „ . . . . Es ist hier nicht genug, die arme Rede zwingen, Die Sinnen vber Halß vnd Kopff in Reyme bringen, Der Wörter Hencker seyn: wer nicht den Himmel fühlt» Nicht scharf! und geistig ist, nicht auff die Alten ziehlt, Nicht jhre Schrifften kennt, der Griechen vnd Lateiner Als seine Finger selbst vnd schawt, dasz jhm kaum einer Yon jhnen außen bleibt, wer die gemeine Bahn Nicht zu verlassen weiß, ist zwar ein guter Mann, Doch nicht auch ein Poet; es ist sich zu besorgen . . . . . . . (folgt Polemik gegen die Schreibsucht) . . . . " Im ganzen stößt diese und jene Bemerkung Opitzens bereits weiter zu einer stärkeren Begabungsbewertung vor als manche spätere Barockpoetik. Die Ursprungsbestimmung der Dichtung als eine „verborgene Theologie" (Petrarka) führt noch nicht zu Birkenschen Folgerungen, sondern wird überwiegend verstandesmäßig ausgelegt als eine Vermittlung kultischer, weiterhin aber auch kultureller Werte, wobei merkliches Bemühen mitspielt, die Mythologie als ein primitives Anschauungsmittel für den angeblich stets zugrundeliegenden christlichen Gottesbegriff umzudeuten. Theologie und Philosophie sind danach ursprünglich auf poetische Vermittlungsformen angewiesen. Wenn indessen hier als Erfordernis primitiver Epochen erklärt wird, daß damals theologische und philosophische Lehren sinnlich-greifbarer und einprägsamer Einkleidung in „reime vnd fabeln" bedurft hätten, wenn bereits die Wendung vom „verstecken vnd verbergen" des Erbauenden oder Belehrenden hinter der reizvollen poetischen Verkleidung auftaucht, so wurde damit eine Forderung eben nur zurückverlegt, die in Wirklichkeit bald zu einer Hauptforderung der damaligen Gegenwart erhoben wurde und bis in den Frühklassizismus der Aufklärung hinein sich verstärkend auswirken sollte. Halb vom spezifisch christlichen zum moralpädagogischen Zweckstandpunkt hinüber verweist die Auffassung der sagenhaften Dichtergestalten der Frühzeit, von denen eben doch nur die „einfältigen leute vermeineten, es mäste etwas göttliches in
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jhnen stecken, vnd Hessen sich durch die anmutigkeit der schönen getichte zue aller tugend vnnd guttem wandel anführen" (IL Cap., 130). Schon die Tendenz des zweiten Kapitels unterbaut so die Verteidigungsstellung vom vielfach mißkannten Werte der Poesie, die das dritte Kapitel ausbaut zum Nachweis der bürgerlichen Tugenden früherer Dichter und zur Abwehrstellung gegen zeitübliche Vorwürfe (ζ. B. Unmäßigkeit im Wein- und Liebesgenuß). Opitz tritt hier noch keineswegs mit der nüchternen Schärfe, die er in der Breslauer Ausgabe seiner „Deutschen Poemata" (1625) sehr bald darauf für nötig befand, gegen das Liebeserleben ein, sondern stellt zur wohlwollenden Erwägung, daß für die Poeten „die liebe gleichsam der Wetzstein ist, an dem sie jhren subtilen Verstand scheröen vnd niemals mehr sinnreiche gedancken vnd einfälle haben", als wenn sie ihre Liebe zum Ausdruck bringen können. Erst in eigener Sache erfolgt dann am angeführten Orte (Breslauer Ausgabe der „Poemata") das Aufgeben echter Erlebnisgrundlagen zugunsten moralisch unbedenklicherer Erlebnisfiktion, wonach „ein Poet, die Sprache vnnd sich zu üben, wol etwas fürnimpt, welches er in seinem Gemüte niemals meynet" und Geliebte und Liebe nur im dichterischen Spiel vortäuscht. Opitz mußte Zugeständnisse an jene zeitüblichen Vorurteile machen, um deren Überwindung er sich immerhin theoretisch bemüht hatte. Ein Rückschluß auf seine eigene Dichtungsübung, auf sein eigenes Kunstschaffen von dieser theoretischen Rückzugsposition aus wäre indessen verfehlt. Entartung zwar bekämpfte bereits die „Poeterey", selbst wenn sie bei den klassischen Alten auftrat; aber der moderne Dichter vermag ja derartig üppige Giftblüten zu meiden und aus den „gesunden blumen" seinen Honig zu saugen. Das W a h r h a f t i g k e i t s p r o b l e m wird kurz gestreift. Opitz arbeitet noch nicht mit dem Argument der nutzbringenden Formlüge, das später beliebt wird und demzufolge dann das Mittel (Einkleidung) durch den Zweck (Belehrung und Besserung) geheiligt erscheint. Vielmehr begnügt er sich mit der Naturnachahmungsformel (im positiven Sinne; „nachäffen der natur"l und ihrer Erweiterung in der gleichfalls bereits konventionellen Formel, daß die Poesie „die dinge nicht so sehr beschreibe, wie sie sein, als wie sie etwan sein köndten oder sollten". Uber die 3·
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Ursachen unseres Vergnügens an tragischen Gegenständen macht sich Opitz vorerst noch keine Gedanken, wenn auch in anderem Zusammenhange das Abhärtungsziel aufgestellt wird. Vorläufig begnügt er sich mit der Feststellung, daß die Menschen auch erschreckliche Vorkommnisse, ohne sie gern erleben zu wollen, dennoch gerne erzählen hören. Überrumpelnd setzt hier die Zweckbestimmung ein: „Dienet also dieses alles zue vberredung vnd vnterricht, auch ergetzung der Leute : welches der Poeterey vornemster zweck ist". Das auch späterhin vielerörterte Ärgernis der heidnischen G ö t t e r n a m e n lindert die beruhigende Erläuterung der mythologischen Gestalten als bloßer dichterischer Personifikationen von Naturkräften, Eigenschaften usw. Doch unterschätzte Opitz in diesem Punkte die Stärke der Gegenangriffe, wenn er auf das unbekümmerte Verwenden solcher heidnischen Götternamen auch durch „die stattlichsten Christlichen Poeten ohne Verletzung jhrer religion" beruhigend hinwies. Denn auf diesem Gebiet kreuzte sich nicht nur die nationale, sondern auch und vor allem die christliche Leitidee vielfach kämpferisch mit der antikisierenden Leitrichtung. Dem national-kulturpatriotischen Faktor machte Opitz im sechsten Kapitel gewisse Zugeständnisse, indem er deutsche Kasusbildung für die Götternamen anempfiehlt. Ein Nachwort „An den Leser" der „Poeterey" muß aber noch einmal den Standpunkt der Einbürgerung der mythologischen Namen ausdrücklich verteidigen gegen einen weitergehenden Vorschlag, der vollen Ersatz durch Übertragung ins Deutsche wegen größerer Allgemeinverständlichkeit gefordert hatte. Das Ringen um den Motivschatz der alten Mythologie wird noch weiterhin verfolgbar sein. Bereits Opitz ist sich klar darüber, daß „von dieser art namen ein grosses theil der Poeterey bestehet", das schlechtweg unentbehrlich ist (S. 207). Was die Abwehr der Vorwürfe gegen die persönliche Würdigkeit der Poeten anlangt, so steht Opitz leichten menschlichen Schwächen der Dichter mit einer leise um Verständnis werbenden Einfühlung gegenüber, da eben „jhre Poetische gemüter vnterweilen etwas sicherer (== unbekümmerter) und freyer sein, als es eine vnd andere zeit leidet". Man möchte von einer behutsam vortastenden Toleranz sprechen, wenngleich ernste moralische Schäden natürlich verworfen werden. Der bislang zu wenig beachtete Wert des dritten Kapitels ist indessen nicht zu suchen in den teils mehr wohlmeinenden als
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überzeugenden Argumenten zugunsten einer Vereinbarkeit von persönlicher Ehrenhaftigkeit und bürgerlicher Tüchtigkeit mit der so gefährlichen dichterischen Betätigung, sondern liegt — entwicklungsgeschichtlich gesehen — zweifellos in den eingeflochtenen Ansätzen zu einer Wesensbestimmung des Dichtertums und in der sich unmittelbar anschließenden Abkehr vom äußerlichen Zwang auftragsgemäßer Gelegenheitsdichtung, der nicht ohne mitklingende persönliche Bitterkeit von Opitz als Entwürdigung und Mißbrauch der dichterischen Gabe und Aufgabe empfunden oder doch jedenfalls hingestellt und mit scharfer Satire angegriffen wird: „deß närrischen ansuchens (seitens der Auftraggeber) ist kein ende". Ohne von der einheitlichen Themarichtung der Ehrenrettung und Wertwahrung, der Wahrimg auch poetischer Würdigkeit wie der Würdigkeit des Poetischen abzuweichen, wagt Opitz hier doch ein paar resolute und formal und kampftaktisch gewandte Entlastungsvorstöße in eigener Sache. Diese Entlastungsoffensive scheint zudem auf eigene Gefahr hin und ohne die sonst durchweg bevorzugte Rückendeckung bei seinen Gewährsmännern unternommen worden zu sein. Ihre positiven Erfolge konnten bereits unter dem Stichwort Begabungsbewertung gebucht werden. Auch im speziellen Teil (Cap. V) beanspruchen die Gelegenheitsdichtungen (unter den „Sylven") nicht entfernt den Raum wie in manchen der folgenden Poetiken, sondern halten sich durchaus an den engen Rahmen der Artgliederung. Das nicht zufällig länger ausgesponnene dritte Kapitel kann als Kernstück des historisch-theoretischen Teiles gelten, während das kurze vierte Kapitel mit seinen k u l t u r p a t r i o t i s c h - n a t i o nalen Bemühungen um die Einbeziehung des alten Deutschland und des mittleren Deutschland in den Kreis der dichtfähigen und dichtfreudigen Volker zu eng an die Quellen (Tacitus einerseits und Goldast andererseits) sich bindet, als daß es freiere Stoßkraft entfalten könnte. Hemmend wirkt auch das persönliche Geltungsstreben, daß die deutsche Dichtung einfach abbrechen läßt, um den erwünschten Neueinsatz um so sichtbarer der eigenen Kunstleistung Opitzens vorzubehalten. Hemmend wirkt gegenüber einer an sich naheliegenden Musteraufstellung aus jenem doch wenigstens in früheren Jahrhunderten anerkannten deutschen Kunstschaffen (Walther von der Vogelweide, Reinmar usw.) heraus die letztlich humanistische Bindung an die Idealgeltung der Alteq. Und so betont Opitz „ohne schew" - - wirklich ohne Scheu, an-
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gesichts der selbst erkannten früheren Schaffenshöhe —, daß er es schlechtweg für ein vergebliches Unterfangen erachten müsse, wenn ein Dichter ohne Schulung an den Alten sich zur Erneuerung der deutschen Dichtung erkühnen wollte. Doch sind hier die Zeitverhältnisse mit in Rechnung zu stellen. Reich an grundsätzlichen, kunsttheoretischen und entwicklungsgeschichtlichen Elementen der Dichtungsdeutung, verdient dieser historisch-theoretische Teil wie auch die Vorrede und der „Beschluß" mehr Beachtung als der technisch-praktische Anweisungsteil, der in seinem an sich relativ selbständigen (Nachwirkung Emst Schwabes ?) und einflußreichen siebenten Kapitel mehr einen Beitrag zur Geschichte der Metrik als der Poetik bietet und im sechsten Kapitel mit der Erörterung über die Darstellungsmittel (Worte) bereits den Übergang zum metrisch-sprachlichen Schlußteil vollzieht. Das verbleibende fünfte Kapitel aber stellt ohne irgendwelche Vertiefimg nackte Definitionsgerippe und Gattungsschablonen aus seinen Vorlagen mechanisch zusammen, nicht einmal neu in der Reihenfolge der Anordnung, teils (wie etwa auch bei der Tragödie) mit hastigen und etwas billigen Verweisungen auf die Gewährsmänner sich begnügend, und nur im verhältnismäßig klaren Herauslösen der lyrischen Gruppe fortschrittlicher über die gerade auf diesem Gebiete noch lange fortdauernde Unsicherheit wegbereitend oder doch richtungandeutend hinausweisend. Weit überwiegend ist die Artbestimmung — denn die Gattungen haben sich noch nicht als solche durchgesetzt — einseitig an das Inhaltskriterium gebunden. Das ergibt sich ohne weiteres aus der übernommenen Einteilung des Gesamtbereichs in Dinge und Worte (res et verba, Scaliger u. a.), wonach eingangs von „erfindung und eintheilung der Dinge", des Stofflich-Inhaltlichen zu handeln ist und die Artgliederung dieser stofflich bestimmten Leitrichtung zu folgen hat. Hinsichtlich der Erfindung, die gegebene oder phantasiemäßig vorstellbare Dinge „sinnreich" erfaßt, drosselt ein hastiger Verweis auf Scaliger eigene Ausführung im Keim ab mit der Begründung, daß an die Erfindung „stracks" die „abtheilung", die Anordnung sich anschließe. Und diese Anordnung der „erfundenen" Dinge fordert sogleich die Wahl einer angemessenen Gedichtart. Mit diesem flüchtigen und fast journalistisch wendigen Anlauf erreicht Opitz das merklich schnell erstrebte Ziel, seine Definitionsauszüge aneinan¡lerreihcn zu können.
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Danach nimmt das „Heroisch getichte" eine besonders bevorzugte Rangstellung ein, seiner Schwierigkeit entsprechend. Nur in einer — möglicherweise erst später eingefügten — Klammerparenthese wird klargestellt, daß es „gemeiniglich weitleufftig ist vnd von hohen Wesen redet". Man soll es „stracks" mit dem eigentlichen Thema beginnen lassen, wie Virgil es getan habe, aber auch er selbst, Opitz, im „Trostgetichte in Wiederwertigkeit des Krieges" (entst. 1621, gedr. 1633). Der Anruf der Götter, christlich übertragen, und die „dedication", die Widmung sollen folgen, die „Proposition" (Hinweis auf gewähltes Motiv und Darstellungsabsicht) ist einbegriffen (i. d. Eingangsgliederung). Die christliche Leitidee setzt sich also durch mit besonderem Nachdruck, da die Neueren den Alten nicht nur Folge leisten sollen in Anrufung der Götter, „sondern auch an frömmigkeit billich sollen vberlegen sein". Besonders Ronsard muß hier als Quelle herhalten, aber daneben auch Scaliger. Die übliche Forderung der Spannungserregung hat Opitz ausgeschaltet bzw. auszuschreiben vergessen. Hinsichtlich des geschichtlichen Geschehens kommt — im vielfach erörterten Verhältnis von Dichter und H i s t o riker, von D i c h t u n g und Datentreue — dem Dichter mehr Freiheit zu als dem Historiker. Einerseits nämlich hat er das Recht der Auslese, der Ausschaltung: „lest viel außen, was sich nicht hin schicken wil", andererseits das Recht der ergänzenden, motivbereichernden Einschaltung besonders unterhaltsamer Episoden: „vnd setzet viel, das zwar hingehöret, aber newe vnd vnverhoffet ist, vntermenget ailerley fabeln, historien, Kriegeskünste, schlachten, rahtschläge, stürm, wetter". Vor Anachronismen wird indessen angesichts etwaiger Überspannungen der dichterischen Freiheit gewarnt, „das man nicht der Zeiten vergeße vnd in jhrer warheit irre." Ein Meister wie Virgil habe diese Warnung wohl einmal vernachlässigen können; aber für die noch unvollkommenen deutschen Poeten zieme sich das nicht. Als Wirkungsziel wird die Bewunderung oder genauer die „Verwunderung" ablesbar; denn an Geschehenselementen (s. o.) ist zu häufen, „was sonsten zue erweckung der Verwunderung in den gemütern von nöthen ist". Das epische Wirkungsziel „Bewunderung" setzt sich erst späterhin in der Entwicklung der Poetik durch, vorerst ist offenbar mehr das Sensationerregende gemeint. Aus dem sechsten Kapitel wäre hinsichtlich der Gestaltgebung ergänzend heranzuziehen, daß das Epos „mit prächtigen hohen
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Worten vmbschreiben" soll, da es doch auch wie die Tragödie von „wichtigen sachen" handelt. Gegenüber dem heroischen Gedicht muß sich die T r a g ö d i e mit einer mageren Definition in wenigen Zeilen begnügen. Der Formtypus wird nur insofern berührt, als die Tragödie ,,an der maiestet" dem Epos ebenbürtig ist. Dem Range nach aber scheint sie doch hinter dem „Heroischen getichte" zurückzustehen, wenigstens als Beweisstück künstlerischen Könnens. Denn das Epos hält Opitz für eine dergestalt schwierige Dichtungsart, daß selbst sein sonst bewußt optimistischer und betont kulturpatriotischer Eifer ihn dennoch vorerst kein Meisterwerk dieser Dichtart für Deutschland erwarten und erhoffen, wenn zwar auch wünschen läßt. Die Tragödie wird nicht so unerreichbar hoch eingeschätzt. Denn die „maiestet" bezieht sich offenbar überwiegend auf die höhere Würde, das Ansehen, das nur „selten leidet", daß man „geringen standes personen vnd schlechte sachen einführe". Dabei werden nur Stoffgruppen als Inhaltskriterien aufgezählt, die von Scaliger bezogen werden (königliche Willensakte, Totschläge, Verzweiflung, Kinder- und Vatermord, Brand, Blutschande, Krieg und Aufruhr und entsprechend : Klagen, Heulen, Seufzen!). Das Darstellungsziel, der Zweck der Tragödie findet hier, wo für alles Weitere auf Aristoteles und Daniel Heinsius verwiesen wird, noch keine Berücksichtigung. Für die Darstellungsform läßt sich aus dem sechsten Kapitel erschließen, daß der Tragödiendichter „ansehnliche, volle und hefftige reden vorbringen" müsse. Der W i r k u n g s z w e c k der T r a g ö d i e findet ergänzend Berücksichtigung außerhalb der „Poeterey", und zwar in der V o r r e d e „An den Leser" zu den „ T r o j a n e r i n n e n " (Senecaübertragung). Ausgehend vom werbenden Verteidigen poetischen und dramatischen Ansehens durch stolzen Hinweis darauf, daß „vor Zeiten" Könige und hohe Standespersonen unter den Trauerspieldichtern anzutreffen gewesen seien, gelangt Opitz über das angebliche Bemühen des „Eschylus", mit Hilfe von Tragödien „die Verwirrungen des Gemütes" zu besiegen, zu „vnterdrücken" und zu „dämpften", zu der allgemeiner gehaltenen Begründung: „Dann eine Tragödie, wie Epictetus soll gesagt haben, ist nicht anders als ein Spiegel derer, die in allem jhren thun vnd lassen auf das blosse Glück fussen". Nur wenige Menschen verstehen sich durch kluge Voraussicht gegen Schicksalsschläge, besonders
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gegen seelisch niederdrückende Nachwirkungen solcher überrumpelnden „Zufälle" zu wappnen und sich eine gewisse Standfestigkeit anzuerziehen, eine Standfestigkeit vorbeugender Art. „Solche Beständigkeit aber wird vns durch Beschawung der Miszlichkeit des Menschlichen Lebens in den Tragödien zu förderst eingepflanzet". Der Anblick großer politischer und menschlicher Katastrophen erregt zwar unsere Teilnahme, lockert unsere Tränen, „wir lernen aber darneben auch durch stetige Besichtigung so vielen Creutzes vnd Vbels, das andern begegnet ist, das vnserige, welches vns begegnen möchte (beachtliche Wendung zum Subjektiven), weniger fürchten vnnd besser erdulden". Nicht eine bloße Erweichung des menschlichen Gemütes durch „erbarmen" und „Wehmuth" tritt ein, sondern zugleich — und darin liegt für Opitz das erzieherisch wertvollere, p e r s ö n l i c h k e i t b i l d e n d e Wirkungselement der Tragödie — eine Festigung, ja gleichsam eine h e r o i s c h e A b h ä r t u n g gegen Leid, eine „Verwahrung", ein Schutz auch gegen eine Überschätzung des eigenen Erleidens im Vergleich mit den Nöten, die das Trauerspiel, etwa vom Untergang Trojas, uns enthüllt. Gerade für seine kriegbedrängte Gegenwart scheint es Opitz sehr „von nöthen" zu sein, „dass man das Gemüte mit beständigen Exempeln ( = Beispielen für die Beständigkeit) verwahre" und so den heroischen Sinn stärke. Der mißverständliche Hinweis Borinskis auf Lessing in diesem Zusammenhange ist nur insoweit annähernd berechtigt, als schon bei Opitz eine Übertragung auf das Subjektive (Hinblick auf eigenes Leid) in Abweichung von Heinsius (nur Hinblick auf das Leid der anderen) vorliegt. Doch muß klargestellt werden, daß n i c h t wie bei Lessing das Sich-Üben im Mitleiden, die Mitleidsschulung als Wirkungsziel aufgestellt wird. Vielmehr sieht Opitz in der gerührten Teilnahme nur eine Begleiterscheinung, nicht das wertvolle Ziel. Dieses Wirkungsziel ist Übung im würdigen Leidertragen, nicht Übung im Mitleid. Es ist interessant zu beobachten, wie die starke Bindung an das antike Bildungserlebnis (stoische Apathie) sich als stärker erwies als die nach außen hin doch so stark betonte christliche Leitidee, während die Vernunftreligion des Aufklärers das Zentralstück der Mitleidslehre heraushob. Nicht Opitz, weit eher der spätere Poetiker Rotth bietet eine weiterreichende Vorarbeit für Lessing. Hinsichtlich des Rangverhältnisses zwischen Epos und Tragödie mag erwähnt
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werden, daß sie in diesem Vorwort als die „iürnembste Art der Poeterey" in Anspruch genommen wird. Die „Comedie" wird gedeutet als Gegenpol der Tragödie, handelt also von „schlechtem wesen vnnd personen", und zwar bekämpft Opitz Lockerungen in der Strenge der Standesschranke der auftretenden Personen in einem nachdrücklichen Zusätze, nach dem die Einbeziehung von hohen Standespersonen „den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft". Ihre Stoffgruppe wird nach dem Inhaltskriterium entsprechend umrissen (Hochzeit, Spiele, Gastereien, Leichtfertigkeit der Jugend, Liebesgeschiehten, „betrug vnd schalckheit der knechte, ruhmrätige Landtsknechte", Geiz, Kuppelei u. a.). Die zentrale Aufgabe der „ S a t y r a " ist kritisch-belehrender Natur: „die harte V e r w e i s u n g der laster vnd anmahnung zue der tugend". Die Darstellungsart hat sich mit „allerley stachligen vnd spitzfindigen reden" diesem Wirkungsziel anzupassen, indessen — mit stiller Gegenwirkung gegen frühere Entartung in der Praxis — Plumpheiten zu vermeiden und „hßffliche reden und schertzworte" zu bevorzugen. Eine Verwirrung zwischen Satyrspiel (dramat. Form) und Satire (epische Form), wie sie weiterhin sich ausprägte, behelligte Opitz noch nicht. Das „Epigramma" verlegt die „Spitzfindigkeit" vorwiegend an den Schluß und stellt im übrigen eine „kurtze Satyra" dar, eine Bestimmung, die z. B. nachklingt bei Czepkos Benennung seiner sechs Bücher „Kurtzer Satyrischer Gedichte". Persönliche Verunglimpfungen und Gehässigkeiten sind auch im Epigramm zu vermeiden. Die „kürtze ist seine eigenschafft vnd die Spitzfindigkeit gleichsam seine seele und gestallt". Die E k l o g e n o d e r H i r t e n l i e d e r werden beiläufig nach dem Inhalt teils recht naiv umrissen: „reden von schaffen, geissen, seewerck ( = Säarbeit), erndten . . . " , wobei als Richtschnur für die Formgebung eine „bäwrische vnd einfältige art" der Darstellung gilt. Bei den E l e g i e n ist das Inhaltskriterium schwankend und offenbar nicht ganz gesichert ; denn neben traurigen Angelegenheiten gehören auch Briefe und Biographien hierher. Der rein technischen Sonderform des „ E c h o s oder des Wiederruffes" widmet Opitz mehr Aufmerksamkeit, allerdings nur, um auf seine eigene Kunstleistung auf diesem Gebiet hinweisen zu können, so daß es nicht einmal zu einer eigentlichen Definition kommt. Ebenso fehlt die eigentliche Definition bei den H y m n e n oder Lobgesängen; wie die Alten an ihre Götter, so haben die Neueren
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mit christlicher Übertragung derartige Hymnen an ihren Gott zu richten ; doch kann eine Stofferweiterung in Richtung etwa der Philosophie erfolgen und auch die Tugend schlechtweg gefeiert werden. Der l y r i s c h e n Gattung entspricht etwa die Gruppe der „Sylven oder Wälder" und „Lyrica oder getichte, die man zur Music sonderlich gebrauchen kan". Die Bezeichnung Sylvae oder „Wälder" gewinnt zeitweise Geltung für den Gesamtbereich des nicht spezifisch dramatischen oder epischen (Epos) Dichtschaffens überhaupt. Stärker als bei anderen Gattungen wird hier etwas wie Einfühlung in echte erlebnismäßige Produktionsstimmung zum mindesten in keimhaften, wenn auch noch unentfalteten Ansätzen spürbar. Gewiß, zu den „Wäldern" rechnet auch die ganze Fülle der Gelegenheitsgedichte, und die „Lyrica" sind durch die Forderung von lehrhafter Spruchweisheit und Sentenzenreichtum belastet. Aber trotzdem bleiben die Wendungen beachtenswert, die den „Wäldern" zugestehen, daß sie „ausz geschwinder anregung vnnd hitze ohne Arbeit von der hand weg gemacht werden" können, und für die lyrisch-musikalischen Gedichte „zueförderst ein freyes lustiges gemüte" voraussetzen und inhaltlich „sonderlich . . . vermahnung zue der fröligkeit" fordern, wenn auch unter Teilanlehnungen an die Quellen. Was die „zuebereitung vnd ziehr der worte" anbelangt (Cap. VI), so wird von vornherein der Standpunkt des Hochdeutschen, der Schriftsprache ohne Dialektbelastung und die Reinheit und Deutlichkeit gesichert. Die „thorheit" des Fremdwörterunwesens wird — wie schon im „Aristarchus" — bekämpft. Wortschöpferische Bereicherung der Darstellungsmittel, besonders durch Zusammensetzungen, wird, in maßvollem Grade geübt, als Vorzug und Berechtigung des Poeten empfunden, wobei bereits die barocken Ersatzwörter und metaphorischen Umschreibungen (Nordwind = Wolckentreiber, „meerauffreitzer") eine beachtliche Rolle spielen. Das nomen verbale hat bei solchen Zusammenfügungen im Deutschen die Endstellung einzunehmen. Die volkstümliche Nachstellung von Attributen („mündlein roht") ist in der Kunstsprache nicht gestattet trotz Reimerleichterung. An sich ist die empfindliche Attributarmut zu überwinden durch anlehnende Nachbildungen, wobei man sie „sonderlich von den Griechischen vnd Lateinischen abstehlen" kann „vnd uns zue nutze machen möge". Sie erhöhen den poetischen „glantz". Selbst an sich pleonastische bzw. Pleonasmus hervorrufende Attri-
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bute können unter Umständen poetischen Ausdruckswert (Hervorhebung) erhalten. Bloße Versauffüllung durch Attributhäufung ist indessen zu vermeiden. K l a n g l i c h e D a r s t e l l u n g s m i t t e l , die dem Darstellungswollen angepaßt sind, so etwa bei entsprechendem Ausdrucksziel die „harten vnd gleichsam knallenden buchstaben" (bei Virgils Ätna-Beschreibung) oder die Eignung von R und L bei lautmalender Eindrucksvermittlung eines fließenden Wassers usw. finden immerhin Beachtung. In der Ausgabe von 1645 baut der Herausgeber E n o c h H a n m a n n in seinen ergänzenden A n m e r k u n g e n diese keimhaften Ansätze weiter aus, indem er besonders das Metrum als Stimmungsträger abstuft, und zwar dergestalt, daß das jambische Metrum, seiner steigenden Klangbewegimg entsprechend, für freudige, „fröhliche" Sachen, der „fallende" Rhythmus des Trochäus für traurige Geschehen geeignet erscheint. Die inzwischen neu zugelassenen Metren: Daktylus (die „Buchner-art") und Anapäät bewähren nach Hanmann besonders dynamischen Ausdruckswert und sind also für die klangliche bzw. rhythmische Eindrucksverstärkung von „geschwinden Verrichtungen" oder für die bewegungsfreudige „Fröligkeit vnd zitterliche Sachen" besonders zu bevorzugen. Opitzens Ausführungen über die hohe, mittlere und niedere Schreibart konnten teils schon bei der Erläuterung der Gedichtartbestimmungen als formmodifizierende Ergänzung berücksichtigt werden. Sie streben nicht etwa schon eine individuell abstufende Charakteristik durch die Redeweise an, sondern begnügen sich mit ständischer Zuordnung und Anpassung an die jeweilige „Höhe" des Inhalts der verschiedenen Gedichttypen. Schon ein wenig Gottschedisch im sprachreformatorischen Sinne wirkt neben der Betonung der schriftsprachlichen Reinheit die Hervorhebung der Deutlichkeit ; denn man muß sich „für alle dem hüten, was vnsere worte tunkel vnd vnverstendtlich macht". Die metrischen Vorschriften des siebenten Kapitels können hier nur andeutungsweise gestreift werden, haben überdies das Interesse von Spezialuntersuchungen stark gebunden und sind durchweg bekannt. Opitz fordert, teils gestützt auf Ernst Schwabe und Tobias Huebner, teils auf Ronsard u. a., strenge Reimreinheit, bringt den Unterschied von „weiblichen" und „männlichen" Reimen als Erster in deutscher Fassung, fordert vor allem die w ä g e n d e Versbehandlung im Sinne einer regelmäßigen
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— und naturgemäß monotonen — Abwechselung von Silben mit „hohem" und „niedrigen" Ton. Da sich Regelmäßigkeit nach Silbenlänge wie bei den Alten nicht übernehmen läßt, müssen die Dichter „aus den accenten vraid dem thone erkennen, welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt werden soll". Opitz erklärt diese Forderung für „hoch von nöthen" und hat sich nachhaltig mit dieser robusten Notstandsarbeit in der metrischen Regellosigkeit der Zeit durchzusetzen vermocht. Derartige Äußerlichkeiten konnte man relativ leicht annehmen, besonders wenn man gelegentliche Vergewaltigungen der natürlichen Betonung nicht scheute. Binnenreim (bei der Caesur) verwirft Opitz, Enjambement gestattet, ja empfiehlt er; denn solche Auflockerung der Versstruktur „stehet zierlich". Der Alexandriner gilt als gemäßeste metrische Form. Auf weite Strecken hin bewegt sich die Barockpoetik in Opitzschen Bahnen. Gerade die Kombination und Kompilation ausländischer Poetiken mußte solcher Geltung zugutekommen; denn man fand nun bei den ausländischen Autoritäten „bestätigt", was Opitz gelehrt hatte. Die lange Ausgabenreihe seines Büchleins (1634,1635,1638,1641 ; 1645 mit Enoch Hanmanns Anmerkungen, 1647; dann 0. J. [1650], 1658, 1668,1690; weiterhin die Opitzausgaben 1745 durch Bodmer, 1746 durch Triller) beweist überzeugend die Fortdauer der unmittelbaren Einwirkung, die naturgemäß durch die Handlichkeit und Übersichtlichkeit noch gefördert wurde. Die mittelbare Nachwirkung wurde getragen von den einflußreichen Sprachgesellschaften des siebzehnten Jahrhunderts. Doch ist nicht zu übersehen, daß die Poetik der Folgezeit auch dem Gehalt nach nicht selten wesentlich von Opitzens Richtlinien abwich oder zum mindesten doch auszubauen trachtete, was dort vielfach nur angedeutet werden konnte. Was äußerlich eintrat, war vor allem eine gewaltige Aufschwellung zu massigen Wälzern, denen möglichst ausführliche Titel anpreisend und gern auch ermutigend vorangestellt wurden, Titel, die oft recht gut den Gesamttypus von vorneherein kennzeichnen, hier indessen nicht voll herangezogen werden können, da sie sich gelegentlich über zehn bis zwanzig Zeilen hinstrecken. Darüber hinaus wirken die zahlreichen eingeflochtenen Beispiele, die gern zur Unterbringung eigener Gedichtproben, ja geradezu zu Gedichtsammlungen benutzt wurden, in gleichem Maße aufblähend, wie angehängte
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Schatzkammern, Reimlexika usw. So werden etwa in Harsdörffers „Trichter" (III. Teil, 2. Abt.) 400 Seiten angefüllt mit über 500 Begriffen und Bezeichnungen und deren allegorischen und vermeintlich hochpoetischen Einkleidungen und Verkleidungen ;bei Zesens „Helikon" wird jedem der drei Teile ein „Richtiger (Reim-) Anzeiger" angehängt; bei Tscherning eine „deutsche Schatzkammer von . . . Poetischen redens-arten . . ." beigefügt. Derartige S c h a t z k a m m e r n , in denen man schöne Stellen für die poetisierenden Selbstversorger und auch allerlei Reimweisen („Reimzeiger") zusammentrug, traten als praktische und arbeitstechnische Hilfsbücher und Nachschlagebücher, besonders seit der Fruchtbringenden Gesellschaft „Pindus foeticus d. i. Poetisches Lexikon" (1626) mit mehr oder minder gutem Beispiel vorangegangen war, natürlich auch in selbständiger Form hervor, wie etwa — um nur einige zu erwähnen — M. Bergmanns „Deutsches Aerarium Poeticum" (1662). Ein Jahr später bringt Joh. Peter Titz des Gottfried von Peschwitz' „Jüngst-Erbauten Hoch-Teutschen Parnaß" (1663) heraus als „Anmuthige Formeln/Sinnreiche Poetische Beschreibungen und Kunst-zierliche, verblühmte Arten zu reden . . . der Poetisirenden Jugend zu Nutz". Der Herausgeber begrüßt in der kulturpatriotisch bestimmten Vorrede „An den Deutschliebenden Leser" dies als Haupt-Kulturleistung seines Jahrhunderts, daß in ihm „neben unsrer Hochdeutschen Haupt- und Helden-Sprache / auch unsre Poeterey dermaßen gestiegen . .., daß nicht allein Wir uns dessen billich zu erfreuen haben / sondern auch andere Völcker zum höchsten sich verwundern müssen". Während Titz als Herausgeber dergestalt ein Erwünschtes und immer wieder Gefordertes ermunternd bereits als Erfüllung vorwegnimmt und selbst nicht ansteht, auch die umstrittenen metrischen Möglichkeiten der deutschen Dichtsprache (Verslehre) mit den Vorzügen der Griechen und Römer als gleichwertig anzuerkennen, hält er es denn doch nicht für überflüssig, wenn man „der lieben deutschen Jugend allerhand gute Mittel an die Hand schaffe", damit der Generationsnachwuchs jenen bereits gewonnenen Erwerb bewahren und mehren möge. Bei dieser Gelegenheit gibt Titz eine so klare und charakteristische Formulierung und eine so knappe Darstellung über den Schatzkammer-Betrieb, daß die betreffende Stelle mitgeteilt werden soll:
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„Unter solche Hülff-Mittel gehören auch die Poetischen Schatz-Kammern / darinnen aus guten Poeten allerhand schöne Worte und Redens-Arten / zierliche Beschreibungen / wohlständige Gleichnisse ( und was dessen mehr ist / dadurch ein Gedicht anmuthig wird / und seinen Wohlstand bekommet / fleißig und bedachtsam zusammen gebracht werden: Damit ein ieder nach Nothdurfft und Belieben / insonderheit aber die angehende die Poeterey liebende Jugend / sich desselben bescheidentlich gebrauchen / und erfahrnen Meistern glücklicher folgen könne. ' Die Schatzkammer des G. v. Peschwitz ist alphabetisch angelegt, beginnt unbekümmert mit „Aal" und „Aas" und endet ebenso unbekümmert sachlich mit „Zwilling". Die in Abkürzungen hinter jedem einzelnen Beispiele verzeichneten Verfassernamen lassen erkennen, daß vor allem Poeten wie Opitz, Harsdörffer, Fleming, Rist und Tscherning die mustergültigen Umschreibungen und poetischen Einkleidungen zur Verfügung gestellt haben; vereinzelt tauchen wohl auch Du Bartas und A. Gryphius auf. Bevorzugt werden möglichst zahlreiche knappe Umschreibungen für dasselbe Stichwort. Titz, der zugleich auf Tschernings kurzen „Entwurff oder Abriß einer deutschen SchatzKammer" zurückverweist, läßt nicht unerwähnt, daß ihm Peschwitz' Stellensammlung „schon vor zehen Jahren" (also etwa schon 1653) zu Gesicht gekommen sei; wieder ein Beispiel für das Bekanntsein von Arbeiten zur Poetik vor ihrer Drucklegung. Und derartige Beispiele lassen sich gerade auch für die durch praktischen Bedarf bald nach ihrer Entstehung offenbar gern auch handschriftlich ausgetauschten Schatzkammern nachweisen. So ist — m. E. — bisher übersehen worden, daß Sacer bereits in seinen „Nützlichen Erinnerungen wegen der Deutschen Poeterey" (Alten-Stettin 1661) sowohl des „Hn. M. Treuers Daedalo" wie auch „Hn. M. Bergmannens A erarto Poetico" erwähnt (Sacer S. 51). Als Drucklegungstermine aber sind durchweg spätere Daten überliefert, und zwar für die erste Fassung des Bergmannschen Sammelwerkes „Deutsches Aerarium Poeticum" das Jahr 1662 und für die zweite Ausgabe: Michael Bergmann „Deutsches Aerarium Poeticum oder Poetische Schatzkammer, in sich haltende Poetische Nahmen, Redensarten und Beschreibungen . . . zum andern Mahl in Druck gegeben durch M. Michael Bergmann, Predigern zu Wohin in Vor-Pommern" (Landsberg a. d. W.) das Jahr 1675. Gotthilf Treuers (Prediger in Frankfurt a. d. 0.):
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„ D e u t s c h e r D a e d a l u s oder P o e t i s c h e s L e x i k o n , begreifend ein Vollständig-Poetisches Wörter-Buch in 1300 Titeln... mit einer Vorrede Aug. Buchners" (etwa 1660) ist mit dem Drucktermin Berlin 1675 (hei Goedeke) überliefert, während er von Sacer schon ein Jahrzehnt vorher erwähnt und empfohlen wird. Möglich, daß Sacer Treuers Werk — ähnlich wie Titz das Peschwitzsche Lexikon — auch schon „vor zehen Jahren" vorgelegen hat, offenbar bereits als Druck (von 1660). Jedenfalls weist schon die Vorrede Buchners, der 1661 starb, zum mindesten auf einen früheren Entstehungstermin zurück. Neben Bergmann und Treuer zieht Sacer an jener Stelle seiner „Nützlichen Erinnerungen" die Trichtersammlung Harsdörffers und Tschernings poetische Schatzkammer heran und bestätigt so das Wechselspiel von Poetik und poetischem Lexikon, wie es vielfach abgelesen werden kann. Wahrscheinlich durch Treuers Titelgebung angeregt, bringt G o t t h . Werner seine Schatzkammer: „ D e u t s c h e r D a e d a l u s oder Poetisches Lexikon" ebenfalls (Berlin) 1675 heraus. In ähnlicher Weise wie die Aerarien und Lexikas, deren Reihe ζ. B. Männling fortführt, verselbständigen sich die sonst wohl auch •— wie bei Zesen — als Anhang gebrachten „Reim-Weiser" zu gesondert erscheinenden Reimsammlungen wie etwa Martin Grünw a l d s „ R e i c h e r und o r d e n t l i c h e r V o r r a t h der männJichen und weiblichen Reime" (1693). Zur Skizze dieser Schatzkammern mag die Würdigung von Michael Bergmanns „Deutschem Aerarium" noch einige Züge beitragen. B e r g m a n n , der nicht nur aus Opitz und Fleming und aus „unterschiedlicher deroselben Nachfolger nütz- und lieblichen Schrifíten" seine Musterstellen zusammenträgt, sondern zugleich das lateinische Sammelwerk Melchior Weinrichs heranzieht als eine teils durch Übertragung verwertete Bezugsquelle, ordnet sein Umschreibungslexikon nicht alphabetisch wie Peschwitz, sondern, darin Weinrich folgend, nach Sachgebieten und Disziplinen, so etwa unter den Merkworten „Schulwesen, Theologie, Juristerey, Welt-Weisheit, Metaphysic, Physic" usw. Ein alphabetisch geordnetes Schlußregister erleichtert das Auffinden der Stichwörter innerhalb jener Sachgebiete. Bergmanns „Vorred' an den teutschen Leser", die Conrad Celtis als „ersten Teutschen Poeten" nennt und Celtis' Auffassung, daß die „Poesie eine groß göttliche bewegung des Gemüthes" sei, festhält, hebt nicht nur
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Opitz und Fleming als seine hauptsächlichsten Gewährsmänner hervor, sondern greift mit wohltuender Wärme auf den Wert der Luther-Sprache zurück. Es ist doch nicht einfach der evangelische Pastor, der so herzliche Worte der Verehrung für Luther findet. Es ist zugleich und in beachtenswertem Grade der Verehrer seiner „Deutschen Heldensprache", der die k u l t u r p a t r i o t i s c h e L e i t idee aufgreift, daß „nunmehr unsere deutsche Sprache allen andern auch in der Poeterey gleiche gehen kann". Denn Luther gilt ihm vor allem auch als sprachgewaltiger Förderer der deutschen Muttersprache, da er „der Teutschen Sprache sonderlich kündig und mächtig gewesen". Im Gegensatz zu der besonders späterhin verstärkten Entwicklung einer Abwehr „veralteter" Wörter macht Bergmann Front dagegen, daß man „so viel herrlicher alter Deutscher Wort und Redens-arthen untergehen" lasse, während allerlei „unerhörete, ungereimte, undeutsche" Wörter jenes hochwertige sprachliche Erbgut zu verdrängen drohen. Derartige „alten guten Wörter" und „hertz-rührende deutsche Reden" trifft Bergmann im Sprachschatz Luthers an, der auch in seiner Bibelübertragung das „reinlichste, schönste Deutsch" bewährt habe. Dem entspricht es, wenn Fremdwörter abgelehnt werden, jedoch mit der zeitüblichen Ausnahme (die immer wieder begegnet) der eingebürgerten Fremdwörter. Greift Bergmanns etwas längere Vorrede dergestalt auf den Bereich der Poetik und Sprachgeschichte bedeutsam über, so bietet sie zugleich Einblick in die Gebrauchsanweisung derartiger Schatzkammern. Die gesellschaftliche „Gebrauchskunst" steht schon mit den Eingangssätzen dieser Vorrede auch in ihren primitiven Formen vor uns: „Wiegenlieder, Reisewünsche, Ehrenlieder, Hochzeitsgetichte, Trostschrifften und dergleichen". Mit der ihm eigenen schlichten Einfalt spricht das Bergmann sogleich aus, bevor er auf die vertiefte Wertgeltung der Dichtkunst eingeht. Und er gibt auch Fingerzeige, wie der Benutzer etwa durch eingeschossene unbeschriebene Blätter, die zweckmäßig beim Einbinden sogleich einzufügen wären, Gelegenheit finden möge, aus eigener Lektüre und nach eigenem Geschmacke jene Umschreibungen von sich aus zu ergänzen. Aber der Leser soll diese Gelegenheit auch aus eigenem Antrieb suchen. Er soll durch die Schatzkammer nicht zur Bequemlichkeit verleitet und verwöhnt werden. Er soll vielmehr aus Dichtungen selbst das Mustergültige und Musterwürdige ablesen 4 M a r k w a r d t , Poetik ι
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lernen und sich so aus eigner Erfahrung und doch auch aus einer gewissen eignen Urteilsfähigkeit die Kunstgriffe erarbeiten: „Aber alles ausschreiben und nicht selber Poeten zur Hand nehmen und derselben Griffe ihm durch fleißiges lesen abmercken (!), ist Verderb, Faulheit und Unrath". Die Gewöhnung an das Musterwertige — und darin lag die verhältnismäßig brauchbare Zielsetzung derartiger Schatzkammern — führt leicht zur Verwöhnung —: und darin lag das Irreführende jener Schatzkammern. Dieser irreführende Einfluß, den zwar Bergmann in seinem Sonderfalle abzudämmen versucht durch resolute Ermahnung, erwies sich doch auf die Dauer als stärker als der an sich schon geringere brauchbare Anteil der poesiepädagogischen Gewöhnungsabsicht an das Gute. Stellen derartige poetische Schatzkammern bereits durch ihr bloßes Vorhandensein ein charakteristisches Attribut für die gesellschaftliche „Gebrauchsdichtung", so gelten sie im Verlaufe der Weiterentwicklung geradezu als Maßstäbe für die Rückständigkeit oder Fortschrittlichkeit der eigentlichen Poetiken. Denn mehr und mehr wird es — besonders seit Sacers Vorstoß — zum Merkmal der anspruchsvolleren Poetiker, auf das Unzulängliche derartiger Notbehelfe und Verlegenheits-,,Tröster" abschätzig hinzuweisen und abzurücken vom Glauben an den Sinn und die Berechtigung dieser vielberufenen — und auch ehrlich benutzten — Nothelfer für Einfallarme und Reimarme. Dieses bald wiederum formelhaft erstarrende Verwerfen bezeugt indessen in der Häufigkeit seiner Wiederholung ungewollt, wie zäh jene Gebrauchskunst höfischer und bürgerlicher Schichten, die sich dem Höfischen eifrig anpaßten, nicht nur an den theoretischen Gebrauchsanweisungen, sondern auch am Beliefertwerden mit kunsthandwerklich vorgeformtem Rohstoff hing. Und oft genug sehen sich jene offiziell so Lexikon-Feindlichen bei gegebener Gelegenheit oder Verlegenheit innerhalb der Theorie selbst dennoch genötigt, mehr oder minder schämig den so demonstrativ hinausgeworfenen Schatzkämmerer auf Umwegen wieder heranzuziehen. Teils auch erlebt man recht robuste Rückfälle innerhalb derselben Poetik und trotz offenbaren Widerspruchs mit der eigenen Lehrmeinimg (ζ. B. noch bei Weise, Mencke u. a.). Solche Zählebigkeit des Schatzkammerbetriebes erklärt sich doch nicht allein aus der Nachfrage der Zeit nach Gebrauchskunst, so stark immer diese Nachfrage jenes Angebot anregen mußte.
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Man übernahm auf weite Strecken hin den durch die sprachschulende Absicht wesentlich weitgehender gerechtfertigten Brauch der Humanistenpoetiker und übertrug ihn auf neue Verhältnisse. Doch soll die kulturpatriotische Bestrebung, mit allen verfügbaren Mitteln die Gebrauchsfertigkeit der deutschen Sprache für die Dichtkunst in beschleunigtem Tempo durchzusetzen, auch auf diesem spröden Gebiet nicht unterschätzt werden. Jedenfalls bedürfen derartige Schatzkammern für die Ausprägung der Poetik einer verschärften Aufmerksamkeit. Die kunsttheoretischen Anschauungen und kunsthandwerklichen Forderungen der Zeit finden ihren Niederschlag, abgesehen von den in sich geschlossenen Poetiken, und jenseits der Sonderform der Schatzkammern, naturgemäß auch in Vorreden zu Gedichtsammlungen, so etwa bei Rist, Neumark u. a. m. Inhaltlich verlief die eine Hauptrichtung der Poetik durch Aufnehmen und Vorherrschenlassen der vorwärtstreibenden kult u r p a t r i o t i s c h e n Tendenzen, denen sich jedoch im Grunde keine der Poetiken gänzlich entziehen möchte, in der vorerst stark anwachsenden Stoßrichtimg deutschsprachlicher Bemühungen, was sich im Bereich der Poetik als ein Uberwiegen der Erörterung der sprachlich-metrischen Probleme und der Formungsfragen schlechtweg auswirkt, teils unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß man die Invertito auch aus der lateinischen Poetik erlernen könne. Im allgemeinen gliederte man das Gesamtgebiet gleichmäßig in Dicht- und Reimkunst. Auf der anderen,'aber keineswegs wirklich entgegengesetzten oder auch nur klar abgehobenen Seite legte man besonderes Gewicht auf die Aufstellung und Unterscheidung möglichst vieler Gedichtarten, ohne indessen bereits präzise Gattlingsvorstellungen zu gewinnen oder durchweg auch nur ernstlich anzustreben, erörterte vor allem die Bedeutung alles Metaphorischen, drang auch wohl weiter vor zur Teilanerkennung der Begabung, tastete schon nach Wesen und Werden des Dichtwerks und seinen veranlagungsgemäßen oder stimmungsgemäßen Voraussetzungen. Dabei ist eine einheitliche Grundidee ohne Zwängen der historischen Gegebenheiten schwerlich nachweisbar, wenn man nicht die Orientierung an der Malerei als eine der richtunggebenden Triebkräfte ansetzen will. Teilelemente wie die christlich-moralische Leitidee haben sich erst im Ringen mit der Autoritätsgeltung der Alten (z. B. im Kampf um die Mythologie) durchzusetzen und sind 4*
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Schwankungen unterworfen. Wertend könnte man zwar den überwiegenden Anweisungscharakter der Barockpoetik als Charakteristikum ansetzen; aber dieses durchgehende Wertkriterium wird der kulturpolitischen Situation schwerlich gerecht und ist auch nicht einzuschränken als für die Barockpoetik allein gültig. Eine beherrschende Leitkraft setzt sich verhältnismäßig einheitlich durch, deren durchgreifende Geltung und nationalgeistgeschichtliche Bedeutung — schon im „Poetik"-Artikel 1928 entsprechend hervorgehoben — eben auch jene versuchte Scheidung in Richtungsgruppen in weitgehendem Maße wieder aufhebt, die k u l t u r p a t r i o t i s c h e L e i t i d e e : die Verankerung aller Bestrebungen der Poetik in dem überall nachweisbaren Bemühen, die Eignung, ja wenn möglich die Überlegenheit der deutschen Dichtersprache nachzuweisen und zu erhärten. Jenes uns leicht als Künstelei erscheinende Spielen mit Worten, Wendungen und Versen, jenes vielgeschmähte Virtuosentum kunsttechnischer Spitzenleistungen, also gerade das, was bei der berechtigten Auswirkung eines barocken Kunstwollens dennoch als unberechtigter Auswuchs vielfache Kritik erfahren hat, gewinnt doch tieferen nationalgeistgeschichtlichen Sinn und kulturpolitische Geltung, wenn man es wertet und versteht als ein fast ein wenig heroisches Streben nach Ebenbürtigkeit, als bewußte oder unbewußte Belastungsprobe einer deutschsprachlichen Leistungsfähigkeit, als Paradeleistungen mit dem heimlichen oder nicht selten zugestandenen Seitenblick auf das in Wirklichkeit durchweg noch überlegene Ausland. Ein Anderes und ein Mehr als der bloße barocke Formrausch stand als Triebkraft hinter diesen Erscheinungen. Man wollte nicht nur zeigen, beweisen und bewähren, was man individuell als Dichterpersönlichkeit, sondern auch und nicht zum wenigsten, was man als dienendes Glied einer Sprachgemeinschaft und nationalen Kulturgemeinschaft, ja letzten Endes, was die dem einzelnen anvertraute Muttersprache selbst konnte und auf dichterischem Gebiet vermochte. Vom nationalgeistgeschichtlichen Standort aus gesehen, erscheint es durchaus nicht als Zufall, wenn viele der Poetiken unmittelbar oder mittelbar aus den deutschen Sprachgesellschaften hervorgegangen sind. Sie waren dann gleichsam nur die Ausführung eines Hauptprogrammpunktes dieser nationalpolitisch verantwortungsbewußten Vereinigungen. Eine gewisse Veräußerlichung trat indessen dadurch ein, daß die Sprache durchweg
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nur als Mittel zum Zweck galt. Und die Tauglichkeit dieses Mittels zu erweisen, gab wesentlichen Antrieb für das Theoretisieren, aber auch für das Produzieren. Eine vertiefte Auffassung des Dichterwortes war stark beeinträchtigt, weil man — abgesehen von Einschlägen der mystischen Natursprachenlehre — die Sprache letztlich als einen wenn auch kunstreichen Mechanismus ansah, den es durch hohe Kombinationsgabe zu beherrschen galt. Ein Hineindeuten von sprachphilosophischen Gegenwartsvorstellungen in den Sprachtypus des Barock ist daher abzuwehren. Das Wort wird insofern schon angesehen als „willkürliches" Zeichen. Und so ergibt sich auch von dieser Seite her trotz aller Gegensätze zwischen Barock und Klassizismus — ganz abgesehen von Berührungen im vorbarocken Klassizismus — dennoch ein Gemeinsames an Hemmung, verglichen mit dem Durchbruch des Organismusgedankens in der Geniezeit. Innerhalb der Poetik der Fruchtbringenden Gesellschaft, die indessen in sich starke Stufungen und selbst Gegensätze aufweist und also nicht als eine geschlossene oder gar als organische Gemeinschaftsarbeit angesehen und bewertet werden kann, verschafft sich die sprachpflegende Bemühung und das Anteilnehmen an metrischen Fragestellungen ein erhöhtes Geltungsrecht. Rein zeitlich liegt die Gründung der Fruchtbringenden Gesellschaft (1617) vor Opitzens „Buch von der Deutschen Poeterey", aber zugleich in unmittelbarer und fast symbolisch wirkender Zeitnähe von Opitz „Aristarchus sive de contemptu HnguaeTeutonicae" (1618). Denn gegen ein Geringschätzen der deutschen Muttersprache stemmt sich kraftvoll der Wirkungswille der Fruchtbringenden Gesellschaft, die als Trägerin eines deutschen Nationalgefühls — wenngleich vorerst mehr bildungserlebnismäßig —, über die Hochschätzung des deutschen Wortes hinaus auch deutsches Wesen von romanisch-höfisch-„politischer" Entartung freikämpfen möchte und stolz bekennt „auch Teutsche Redlichkeit nennt sich unsre Frucht". Sie läßt in mannigfachen Forderungen ein zwar damals nicht erreichbares Wunschbild aufleuchten von einer deutschen Haltung im charakterlichen Verhalten, von einer deutschen Haltung aber auch in deutscher Gestaltung, im Dichten und Denken. In diesem hochgespannten Wollen, das sich an den Widerständen der Zeitverhältnisse streckenweise überspannen mußte, liegt ihr nicht nur sprachgeschichtlich und geistesgeschichtlich, sondern
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auch nationalgeistgeschichtlich bedeutsamer Beitrag zur Gesamtkulturleistung jener an ringenden Kräften so reichen Epoche. Ein das Zeitübliche sittlich und teils schon ständisch ausgleichend übersteigendes Gemeinschaftsgefühl ist keimhaft vorhanden, aber noch nicht kräftig genug, um das persönliche Geltungsstreben wirklich „fruchtbar" einzuordnen und unterzuordnen dem höheren gemeinsamen Wollen. Teils auch deshalb, weil dieses Wollen doch vielfach noch ein tastendes Erahnen blieb und sich nur gebrochen in Sonderbestrebungen äußern konnte. So steht im Bereich der Poetik manches Widerstreben — so etwa zwischen Ludwig von Anhalt und Gueintz, aber auch Buchner — jenem Streben nicht fern, wobei immerhin die kulturpatriotische Grundhaltung gewahrt wurde. Dem nationalwürdigen Wollen Ludwigs, des Fürsten von Anhalt-Köthen, dem die Gesellschaft zum wesentlichen Teil Aufstieg und Ansehen dankte, entsprach nicht ein ebenbürtiges kunsttheoretisches Vermögen. Denn was L u d w i g von A n h a l t , nachdem Christian Gueintzens Poetikplan nicht als fruchtbringend aufgenommen worden war, als „Kurtze Anleitung zur deutschen Poesie oder Reimkunst . . . " (1640) in gebundener Form „reimweise verfertiget" herausbrachte, war — wie schon das „oder" in der Titelgebung verraten könnte — schwerlich mehr als eine trockene und gestrenge Prosodie in Alexandrinern und über Alexandriner, die nicht als romanischer Einfuhrartikel empfunden werden, sondern als „edelst Art" erscheinen, weil sie „hurtig von der Faust" gehen „und leichte Reime" geben. G u e i n t z seinerseits findet ein ihm gemäßeres Wirkensgebiet im Historisch-Grammatischen, im „Entwurf" zur „Deutschen Sprachlehre" (1641) und im Bemühen um das spröde Gebiet der deutschen Rechtschreibung, wobei er dem historischen Prinzip den Vorzug einräumt. Und da auch in den Titelbezeichnungen der Poetiken die Schreibungen „deutsch" und „teutsch" nebeneinander auftauchen, so mag in diesem Zusammenhange kurz erwähnt werden, daß Gueintz — wie Opitz — für die Schreibung „deutsch" eingetreten ist (vgl. auch Titz, Buchner und Zesen). Im „Teutschen Palmbaum" (1647) dagegen schreibt K. G. von Hille „teutsch", und zwar nicht nur im Titel. Während jedoch die Sprachlehre, von der Rechtschreibung einmal ganz abgesehen, über die Berücksichtigimg des Einzelwortes kaum wesentlich hinausgelangte und so auch keinen Zu-
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gang über die Gefügebildung zum Stil und zur Dichtkunst und als Sprachlehre aus diesem beengten Betrachtungsraum
trotz
phantasiefreudiger Wortetymologie keinen rechten Zugang zur Dichtlehre und Poetik zu bieten verstand, gelangte die Poetik selbst zu einem neuen Entfaltungsansatz. Und zwar durch A u g u s t
Buchners
Poetik, die frühzeitig
als Handschrift Fürst Ludwig im Rahmen der Fruchtbringenden Gesellschaft zur Begutachtung vorgelegen hat, ihm zuliebe manche Änderung erfuhr und doch nicht seinen ungeteilten Beifall gewann, weil der Verfechter des Alexandriners und Verfasser der Alexandrinerpoetik sich nicht mit Buchners Einbeziehung des Daktylus abfinden konnte, während der „Genossene" (Buchners Ordensname) trotz aller Anpassungsfreudigkeit nicht auf den metrischen Neuerwerb verzichten wollte. Und in der T a t beruhte sein schnell und recht dauerhaft begründetes äußeres Ansehen innerhalb der Poetikenliteratur nicht zum wenigsten auf der Einführung des Daktylus, der Buchner-Art. Die ersten Erwähnungen und Bezugnahmen bei Titz (1642), bei Schottel (1645) auf Buchners offenbar damals noch ungedruckte Poetik betreffen Buchners Eintreten für den Daktylus.
Und bald bildet sich die Tradition heraus,
den Daktylus in enger Verbindung mit seinem Wegbereiter an entsprechender Stelle in den Poetiken zu würdigen, wie schon die Bedeutung, die man damals der Zulassung eines weiteren Versmaßes (neben Jambus und Trochäus) beilegte, aus der Gewöhnung hervorgeht, daß man den durch Buchner gesellschaftsfähig gemachten Daktylus ids die „Buchnerart" zu bezeichnen pflegte. Buchner hatte sich dabei gegen die herrschenden metrischen Anschauungen innerhalb der Fruchtbringenden Gesellschaft durchzusetzen, trotz gewisser Teilzugeständnisse. Dennoch liegt nicht allein und nicht einmal in erster Linie in der Zulassung des Daktylus, die angesichts gewisser dreisilbiger Wörter im deutschen Sprachbestand mehr notgedrungen erfolgte, sobald man das natürliche Wortbetonungs- und Akzentuierungsgesetz Opitzens
(gegenüber dem
Quantitätsgesetz)
folgerichtig
ausbaute, das wirklich Vorwärtsweisende in dem umfassenden metrisch-sprachlichen Teil der Buchnerschen Poetik.
Vielmehr
ist es das verfeinerte „Ohrenmaß", das Hinhorchen auf die ausgeglichene K l a n g w i r k u n g , auf die „wohlgereimte Zusammenstimmung" der Laute und Wörter, das — an sich nicht neu (Pontanus, Scaliger, teils Opitz) —
doch im Entfaltungsraume der
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deutschsprachlichen Poetik gerade auch in der Verbindung mit rhythmischen und lautmalenden Forderungen und Kriterien durch Buchner erstmalig eine derartig grundlegende und weitreichende Geltung eingeräumt erhält. Diese künstlerisch fruchtbarere Richtung der Metrik geht stärker auf Buchner als auf Schottel zurück, der mehr für die streng metrisch-sprachliche Gesetzestradition bestimmend wurde. Die Bewertung des W o r t tönens darf trotz der vorherrschenden Beachtung des W o r t bilderns, die Klangmalerei und Klangentsprechung darf trotz der besonders seit Harsdörffer vordringlich geforderten Bildmalerei mit „Wortfarben" innerhalb der Gesamtentwicklung der Wortkunsttheorie des siebzehnten Jahrhunderts nicht unterschätzt werden. Wenn bereits dieser Ertrag der Buchnerschen Metrik wesentlich in den Wertbestand seiner Poetik hinübergreift, so bewährt und beweist sich doch die bewußtc Aufbauleistung seiner kunsttheoretischen Bemühungen vorzugsweise in einem planvollen und durchdachten Ordnen und geistigen Durchdringen aller jener Teilergebnisse, die Opitz hastiger zusammengerafft hatte. Buchner s y s t e m a t i s i e r t Opitz, ohne in dogmatische Starre zu verfallen. Buchner v e r t i e f t Opitz dank seines innigeren Verhältnisses zu Piaton und dem Neuplatonismus (Maximus Tyrius, Synesius u. a.), wenngleich die platonische Denkstimmung durch Einwirkung Horazens beengt und gebrochen erscheint. Buchner bereichert Opitz, um ihn in allem Wesentlichen doch zugleich zu behaupten und zu befestigen. In diesem Verstände kann Buchner näher an Opitz herangerückt werden, und zwar in gewissem Grade als Mitträger eines vorbarocken Klassizismus, wenngleich verstärkter Schmuckwille deutlich fühlbar wird. Jedenfalls gründet seine Poetik noch ganz und tiefer und fester als die Opitz' auf dem Boden der klassischen Philologie, die dem Wittenberger Professor vertrauter war als dem Dichter und Schriftsteller Opitz. Buchner verstärkt nach dieser Richtung hin die Autoritätsgeltung der Regelsetzung Opitz'. Zugleich aber wirkt Buchners Poetik in ihrer Zeit — und gemessen an ihrer Zeit — fast wie ein Versuch einer „kritisch'', d. h. philosophisch unterbauten „Dichtkunst". Und es spricht für ihren, doch nicht nur zeitbeengten Wert (den Borinski etwas einseitig betrachtet und teils allzu polemisch belichtet), wenn
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Buchner in manchem Betracht trotz Verzichts auf den historischen Teil als Ansatzstelle jener Linie gelten kann, die über Morhof weiter verfolgbar bleibt. Er strebt nach einer systematisch durchgebildeten Poetik von geistiger Geschlossenheit in der Eindruckswirkung. Wenn für den modernen Leser der Eindruck der Gebrochenheit überwiegen mag, so wird willige Einfühlung in das damals Zeitmögliche dennoch den beträchtlichen Wertabstand von Opitz bei verhältnismäßig kurzem Zeitabstand nicht verkennen. Buchner beginnt bereits etwa ein Jahrzehnt nach Opitz' Poetik ernsthaft zu bauen, während Opitz durchweg nur stapelte und sammelte, beginnt auszuwerten, wo Opitz durchweg nur ausnutzte und teils ausschrieb, bestenfalls auswählte. Mannigfache Umschmelzungen der Handschrift für die geplante und immer wieder verschobene Drucklegung, das Erarbeiten, Umarbeiten, Überprüfen und Erproben im Vorlesungsbetrieb dürften dem erst nach Buchners Tode herausgebrachten Werke weitere Vorzüge vor Opitz' schnellfertigem Büchlein gesichert haben. Es hebt sich jedenfalls auch in seiner Entstehungsgeschichte klar ab. Das Werk erschien endlich, nachdem es längst in die Entwicklung nachhaltig und nachweisbar eingegriffen hatte, in zwei Druckfassungen und unter verschiedenen Titeln. Zuerst als „ A u g u s t B u c h n e r s kurzer W e g - W e i s e r zur Deutschen T i c h t k u n s t , aus ezzlichen geschriebenen Exemplarien ergänzet und mit einem Register vermehret . . . hervorgegeben durch M. Georg Gözen" (Jena 1663), und wenige Jahre nach Gözes Ausgabe, die offenbar Kollegnachschriften heranzog, dann mit dem im Titelzusatz betonten rechtmäßigen Erbanspruch und nicht ohne bewußte Abhebung von der Gözeschen Fassung durch Buchners Schwiegersohn in der Endfassung „ A u g u s t B u c h n e r s A n l e i t u n g zur deutschen P o e t e r e y . . . herausgegeben von Othone Prätorius" (Wittenberg 1665). Die Abweichungen sind in Wirklichkeit nicht so beträchtlich, wie es P r ä t o r i u s hinstellen möchte. Einen Sonderausschnitt, nämlich die allgemein und grundsätzlich gehaltenen Eingangskapitel der Buchnerschen Poetik brachte Prätorius, einem Wunsche Buchners entsprechend, als Sonderdruck heraus unter dem Titel „ A u g u s t B u c h n e r s P o e t " (Wittenberg 1665). Während diese drei Veröffentlichungen auf die eigentliche (und dieselbe) Poetik Buchners zurückgehen, wenn auch in verschiedenen Fassungen, kann als selbständiger Einzelbeitrag und damit
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als Ergänzung seiner kunsttheoretischen Äußerungen Buchners — bereits eingangs erwähnte — V o r r e d e z u T r e u e r s poetischem Lexikon „Deutscher Daedalus" (entstanden vor 1661, etwa 1660) in die Gesamtwürdigung einbezogen werden. Schon der Umstand, daß Buchner sich zu einer Vorrede für ein poetisches Lexikon bereitfand und dessen praktische Nutzbarkeit ausdrücklich hervorhob für die „Unerfahrnern", aber auch für die „Geschicktem", zieht der Reichweite seiner sonst durch Plato verstärkten Begabungsbewertung entsprechende Grenzen in der praktischen Geltung. Doch hält diese Vorrede die Anschauung der Poetik fest, daß „anfangs die Poeten" die Aufgaben der Philosophen erfüllt hätten. Sie hebt vom k u l t u r p a t r i o t i s c h e n S t a n d o r t aus — es fällt das ermahnende Wort vom „treuen Patrioten" — das schnelle Aufholen der deutschen Dichtung trotz des zeitlichen Rückstandes hervor mit der überbetonten und gegenwartsstolzen Überzeugung, daß es die „Deutschen . . . nunmehro so weit gebracht", daß die deutsche Poeterey „kaum höher steigen" könne und selbst „denen Lateinern und Griechen (anderer zu geschweigen) wenig oder nichts nachzugeben" hätte. Und sie ruft feierlich den Nationalstolz auf, an diesem Erfolge wacker mitzuwirken. Die c h r i s t l i c h - m o r a l i s i e r e n d e L e i t i d e e bestimmt — wie den Eingangsteil dieser Vorrede — die Gesamthaltung Buchners; doch prägt sich die spezifisch christliche Einstellung in dieser Vorrede zu Treuers „Daedalus" und in Privat briefen Buchners stärker aus als in der Poetik selbst, die keine Entscheidung sucht in der Frage der Verwendung „heidnischer" Götternamen. Die klassische Renaissancebildung stellt ein gewisses Gegengewicht. Und wiederum wurde der platonische Auftrieb in der Begabungswertung (Piatons „Phädros") teils abgedämpft durch die verstandeskühlere, geistreich spielende Einstellung bei Horaz, dessen Ars poetica Buchner nicht zufällig selbst herausgegeben hatte (1628), während etwa ein Jahrzehnt später Heinrich Buchholtz mit einer Übersetzung der Ars poetica als „Verteutschte Poeterey-Kunst" (1639) hervortrat. Damit sei zugleich die Linie der Horazvermittlung angedeutet, die dann über Joh. Georg Eccards Horazübertragung in dessen „Poetischen Nebenstunden" (1721) zur Gottschedschen kommentierten Übersetzung: „Horatius von der Dicht-Kunst" an Stelle einer Einleitung zur Kritischen Dichtkunst (1729/30) weiterläuft, während Ignaz Weitenauer „Horatii ars poetica" noch 1757 in Augsburg herausbringt.
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An Plato angelehnt, begnügte sich Buchner mit der Ähnlichkeit des verschönernden Abbildens und verhalf so dem fiktiven Charakter der Poesie zu seinem Recht: „Maßen wir ein schönes Gemälde mit mehrer Lust und bewegung als das Ding selbsten, dessen Gemähide es ist, anschauen". Es scheint, als ob die Anschauung: das der Wirklichkeit nur Ähnliche sei angenehmer als die Kopie der Wirklichkeit selbst, spätere Wandlungen und Entfaltungen des N a t u r n a c h a h m u n g s b e g r i f f s (J. E. Schlegel) bereits keimhaft vorwegnimmt. Indessen könnte man auf ältere Vorstufen zurückverweisen (vgl. Brinkmann); und vor allem wird auch von diesem schönen Schein handgreiflicher Nutzen verlangt, wie denn kennzeichnend genug der lange nachwirkende Vergleich des Gedichts mit einer überzuckerten und so schmackhafter gemachten Arzneipille (ähnlich schon Plato, Lucrez, Tasso) — ernster Zweck in angenehmer Einkleidung — gerade an jener Stelle herangezogen wird. Naturnachahmung wird im Anschluß an die Alten (S. 45) traditionell gefordert, ohne daß — wie auch sonst in der frühen Poetik — nun wirklich die Durchführung, eben das W i e dieser Nachahmung geklärt und bestimmt würde. Auch erscheint die Naturnachahmung noch nicht als beherrschendes Grundprinzip; nur „der Natur nicht gäntzlich zu wieder handeln" sollen die Gestalten der Dichtung. Wohl wird möglichst oft von „Natur" gesprochen, der die Dichtung folgen müsse, deren „Folger der Poet ist . . . " . Aber einmal hat „Natur" noch nicht unseren Bedeutungsgehalt, und vor allem bleibt die Art und Weise jener Natur-Gefolgschaft wenig berücksichtigt. Daß sie bei Buchner nicht — wie sonst vielfach — völlig unerörtert bleibt, ist immerhin anerkennenswert. Hierher gehört neben dem Ähnlichkeitsproblem, das dem Vorgang der Naturnachahmung sich bereits zuwendet, besonders noch jene Stelle über die naturgemäße Redeweise im Drama, obgleich der Fortschritt über Opitz nicht allzu beträchtlich ist : „Denn weil der Poet in Darstellung eines Werks der Natur nachgehen soll, so wil ihm obliegen, einer ieglichen Person, die er anführet, ihre gebührende Art zu reden zuzueignen". Zwar richtet sich dieser Hinweis noch keineswegs auf reaüstisch-individualisierende Sprechweise, sondern bleibt in der ständischen Gliederung stecken; doch der Ansatz zur Abstufung der Redeweise ist, wenn auch noch primitiv, bereits gegeben. Obgleich mehr der sinnliche Bereich als der abstrakte dem
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Dichter zugewiesen wird, scheut Buchner doch die Folgerung derber Realistik und zwar mit der Begründung, daß es angeblich in der „Natur" (gemeint ist die natürliche Neigung) des Menschen liege, vor allem Nieurigen, Gemeinen und Häßlichen die Augen zu verschließen. Wo dennoch das Thema es unumgänglich macht, hat die Darstellung in „verdeckter arth, verblümter weise" zu geschehen. Das naturalia non turpia sunt des sechzehnten Jahrhunderts ist nicht mehr zulässig für den hohen Stil des siebzehnten Jahrhunderts: „Dann die geringsten und schlechtesten Sachen anzuführen wehre eines Poeten Hoheit (!) nachtheillig, der allezeit dem herrlichsten und besten nachgehen soll". Es ist interessant zu beobachten, wie der Schmuckwille, der bereits eine gewisse barocke Einfärbung in den vorbarocken Klassizismus bringt („Schmuck u. Pracht" S. 80/1, vgl. auch S. 51) und das entsprechende Überhöhungsstreben notwendig in Konflikt gerät mit der äußerlich übernommenen und überkommenen Naturnachahmungs-Forderung, sobald nicht nur das Was, sondern auch das Wie solcher Natumachahmung erörtert wird. Buchner hat zum mindesten schärfer als andere diese Problematik gesehen und sie wenigstens berührt. Die Divergenz äußert sich in seiner Poetik in Form zahlreicher Widersprüche (vgl. etwa S. 8 oder 79 mit dem Wertmaßstab: „Denn ie näher ein Poet der Natur nachkombt, ie lobwürdiger ist er", S. 86). Eine relative Aufhebung solcher Widersprüche ergibt sich, wenn man berücksichtigt, daß unter Natur das „Natürliche" und wiederum unter dem „Natürlichen" in allen älteren Zeiten dasjenige verstanden wurde, was dem Kunstwollen der betreffenden Epoche entsprach. Kennzeichnend dafür ist bei Buchner die Auffassung: „Wie wir aber von Natur (!) die Augen von häßlichen . . . Sachen abwenden, also hören wir auch nicht gern davon". Ihm und seiner Zeit erschien der hohe Schwung letzten Endes als ganz „natürlich". Überhaupt ermöglichte die Verschwommenheit und Dehnbarkeit des Wortes „Natur" auch naturfremden Zeiten die Beibehaltung der Naturnachahmungs-Forderung, die man ungern mißte, weil man Natürlichkeit als Wertstütze für die Kunstleistung empfand und in der Kunsttheorie betonte, ohne indessen die Folgerungen für die Kunstübung zu ziehen, die echte Wirklichkeitsnähe durchweg nicht ernstlich anstrebte. Der verstärkte Schmuckwille Buchners räumt — darin weit großzügiger als Opitz — etwa auch den Attributen freieren und größeren Spielraum ein.
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„Poema est loquens pittura; pittura esi taciturn poema" wird nicht zufällig als Motto über den „Eingang" gesetzt, wie denn auch weiterhin ausdrücklich klargestellt wird: „was der Mahler mit Farben thut, das thut der Poet mit Worten"; beide gehen auf Naturnachahmung zurück. So erhält von dieser Seite her die Naturnachahmung der Poesie eine Stütze durch Gleichsetzung mit der Malerei. Aber eben mit schönen, prächtigen Farben soll der Dichter-Maler wirken, daher „denn der Poet auf die auserlesenste Wörter sehen soll" (S. 51). Zwanglos schlägt die Metapher die Brücke zwischen den Schwesterkünsten; das Bild in der Dichtung muß für den malenden Dichter von grundlegender Bedeutung sein. So erwächst ganz folgerichtig die Forderung, „daß ein Poet zu förderst sich befleißen solle, schöne Metaphoren zu gebrauchen, dann fast nichts anders die Rede herrlicher, an* sehnlicher und auch lieblicher und angenehmer macht . . . " . Der Dichter ist moralisch persönlich verantwortlich für die S i t t l i c h keit seines Werks. Die bequeme Trennung der Alten zwischen Moral im Privatleben und im Kunstschaffen ist Buchner unsympatisch, vielmehr: „Gewißlich, von was für einem Geist wir getrieben werden, so schreiben wir auch . . . " ; diese Gesinnung hat daher ein „züchtiger Geist" zu sein. Immerhin wird also etwas fühlbar von der Bedeutsamkeit der charakterlichen Haltung für die künstlerische Gestaltung. Wesen und Zweck der D i c h t k u n s t : die üblichen Wendungen vom göttlichen Trieb im Poeten, selbst wenn es heißt, er werde von einer „höhern gewalt angetrieben und gleichsamb entzückt", haben kaum besonderes Gewicht, um so weniger, als dabei nur auf die Zeugnisse der Alten zurückgegriffen wird. Es sind aber Wendungen der Begabungsbewertung bei Buchner nachweisbar, die das Schöpferische zu betonen scheinen, und zwar mit Hervorhebung des Sinnlich-Anschaulichen. Nicht wie der Philosoph braucht der Dichter das innere Wesen seiner Gegenstände zu erfassen, „sondern es ist genug, daß er selbiges abbilde und darstelle, als es sein aüßerlich Wesen und der Augenschein mit sich bringet". Ja, es wird dort überraschend unterschieden „schaffen" ( = gestalten) und „erkundigen" ( = erforschen). Aber bald zeigt sich, daß dabei das schöne Wort Schaffen im Unterschied zum vermeintlich zweckbefreiten Forschen gerade als zweckstrebig erklärt wird: „des Schaffens endschaft (Ziel) ist die Vorstellung des Werks in ansehung des Nutzens". Und ganz
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entsprechend verläuft die Linie zum Wirkungsziel. Auch hier Wendungen, die fast schon keimhaft das Prinzip des „Vergnügens" vorzubereiten scheinen. So etwa wird — die Abgrenzung gegen den Denker wieder aufnehmend — vom Poèten gefordert, daß er „das Gemüth des Lesers bewege und eine Lust erwecken möge". Aber enttäuschend rückt das „lehrén" neben das Belustigen, und Moral und Tugend sind letztes Wirkungsziel (S. 9, 24, 29, 35 u. a.), so daß alles wieder einmündet in das prodesse et delectare. Ein eignes, allerdings recht kurzes Kapitel (IV) ist den Gedichtarten gewidmet, eine G a t t u n g s g l i e d e r u n g und G a t t u n g s bestimmung in unserem Sinne liegt jedoch nicht vor. Zwar die epischen und dramatischen Gruppen werden im Ringen um übergeordnete Zuordnungskriterien fast schon gattungsmäßig getrennt. Einteilungsprinzipien sucht Buchner von zwei Seiten her zu gewinnen. Einmal und vor allem dient als Charakteristikum der epischen Gruppe der Umstand, daß hier der Dichter als Erzählender selbst hervortritt, wobei das epische Wechselgespräch noch kein Geltungsrecht hat: „und wird keine andere Person mit angeführet, die etwaz redet". Ganz entsprechend hat die dramatische Gruppe das Gemeinsame, daß hier der Dichter nicht hervortritt, sondern „angeführte Personen", also die Gestalten der Dichtung, das Reden und Handeln „verrichten". Es scheint zu geschehen, was dort nur erzählt wird. Decken sich schon die erzählenden Formen, die ja erst in der Entwicklung begriffen waren, nicht mit unseren epischen, so bleibt auch für Buchner eine eigentlich lyrische Gruppe vollends imbekannt. Vielmehr werden unter Hinweis auf dialogisierte Gedichte die lyrischen Formen (z. B. Hirtenlieder u. „Lyrische Oden") einfach als Anhang zu den dramatischen Gedichtarten notdürftig untergebracht, ebenso „Satyren und Epigrammata". Ob durch Buchners Dialogkriterium dergestalt die vielfach zu beobachtende Angliederung von — im moderneren Sinne — nichtdramatischen Gedichtarten an das Drama bzw. die dramatische Gattung erleichtert oder mitverschuldet worden ist im Sinne einer Grenzausweitung ins Unbestimmte, soll hier nicht entschieden werden, wenngleich die Annahme naheliegt. Die Unsicherheit in der Grenzziehung wird jedenfalls gerade nach einer im späteren Verlaufe der Wortkunsttheorie für den Durchbruch zur Schöpfungs-Bewertung entscheidenden Seite
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hin empfindlich fühlbar. Wie denn auch die Gliederung nach der Redeverteilung und nach den jeweiligen Redeträgern und Wortführern nicht sowohl einem konstruktiven Leitgedanken Buchners entspringt als vielmehr auf ältere Überlieferung über Papias rückführbar erscheint (Sueton-Diomedes, Euanthius-Donatus, Papias u. a.), die innerhalb der mittelalterlichen Kunsttheorie engere Fühlung mit der Rhetorik wahrte. Doch wie stets der Auslese- und Auswahlvorgang (aus dem vom Altertum und dem internationalen Überlieferungsanteil überkommenen Bestände der Poetik) als solcher schon als persönliche Sonderleistung erkannt und anerkannt sein will innerhalb der Kunstanschauung des siebzehnten Jahrhunderts, so bleibt auch Buchner das Verdienst, die Auswertbarkeit des Redeverteilungs-Kriteriums als damals bereichernde neue Bewältigungsmöglichkeit der Gattungsproblematik eingespannt zu haben in das wechselvolle und vielfach recht ungeklärte Kräftespiel der übergreifenden und möglichst durch weite Artgruppen organisierend hindurchgreifenden Bestimmungsmerkmale. Und dieses Verdienst gewinnt an Gewicht dadurch, daß Buchner es unternommen hat, von der Wirkungsform aus, bzw. von gestaltungstechnischen Erscheinungsweisen und Unterscheidungsweisen her zu einer Gliederung zu gelangen, die über das bloße Inhaltskriterium von gegenstandgebundenen Sachgruppentypen hinauszustreben trachtet. Schon das Aufstellen und Voranstellen des „neuen" Kriteriums drängt das an sich beibehaltene Inhaltskriterium um einige Schritte zurück in seiner ausschließlichen Geltung. Die Unterscheidung nach den Reimarten vollends, also das metrische Zuordnungsprinzip, gilt als „geringste und schlechteste", als unzureichendes Hilfsmittel für die „gemeinen Leute", die von der Poesie nur das Versemachen verstehen. Angesichts der Bedeutimg, die der Stellungnahme des Poetikers zur Lyrik in der Entwicklung der Kunsttheorie zukommt, sei angemerkt, daß sich Buchner von hier aus noch einmal der lyrischen Gattimg nähert. Es können nämlich „etzliche (Gedichte) in einem ärgern Verstände (strengeren Sinne) Lieder und Gesänge genennet werden, weil diese Gesetz-weise (strophenweise) gesetzt". Das ist der Fall dort, wo die Dichtung als Text für die Musik bzw. die Melodie des Liedes einzelne in sich sinnvoll abgeschlossene Strophen aufweist. Aber nicht etwa das lyrische Stimmungselement kommt in solcher Beziehungsetzung zur Musik zum Ausdruck, sondern
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nur die praktisch zweckmäßige Eignung („bequemer gebraucht") für die Sangbarkeit. Immerhin bedeutet Buchners Arttheorie für die damalige Entwicklungsstufe einen nicht unwesentlichen Fortschritt. Ein Vordringen über die Zweigliederung zum Dreigattungsgesetz war auf jener Entwicklungsschicht noch kaum ernstlich zu erwarten. Der mutige Vorstoß in den verworrenen Bezirk der Gattungsgliederung wurde zudem von Buchner zuerst innerhalb der deutschsprachlichen Poetik unternommen. Das muß klargestellt werden, weil — mechanisch nach den Drucklegungsterminen beurteilt — Joh. Peter Titz und seiner Poetik von 1642 die Scheinpriorität zufallen würde. In Wirklichkeit aber hat Titz merklich seine an sich offen eingestandene Kenntnis der Buchnerschen handschriftlichen Poetik ausgewertet für seine Übernahme des Buchnerschen Neuerwerbs, eine Übernahme, die sich keineswegs auf den Daktylus beschränkt. Die für den Entwicklungsanteil der einzelnen Poetiker nicht unerhebliche zeitliche Eingliederung in das gesamte Kräftespiel des siebzehnten Jahrhunderts darf ebensowenig wie bei Buchner bei Titz nur auf Grund der Drucklegungstermine erfolgen. Denn rein chronologisch gesehen und nach dem Erscheinungsjahr beurteilt, könnten die „ Z w e y B ü c h e r Von der K u n s t , Hochdeutsche Verse und Lieder zu machen" (1642) des Joh. P e t e r T i t z , der mit Tschernings Poetikplan in Wettbewerb geriet, als Vorläufer bekannterer Poetiken angesehen werden. Doch verraten ζ. B. der ausdrückliche Hinweis auf die Buchner-Metren (Daktylen), „gemeldet in seinem noch zur zeit unausgegangenen (aber Titz eben doch bekannten) Buche von der deutschen Poeterey" (im 9. Kap.), und etwa auch die Anlehnung an Buchner in der Gattungsgliederung, daß sich Titz teilweise auf handschriftliche Vorlagen stützt. Außerdem finden sich im fünften Kapitel des zweiten Buches wörtliche Anklänge an Harsdörffer. Während Harsdörffer jedoch betont: „Diejenigen, so vermeinen, man müsse die teutsche Poeterey nach dem Lateinischen richten, sind auf einer gantz irrigen Meinung" (Trichter I, 18), vertritt Titz eben diese irrige Ansicht : „Wir bedörffen aber deßfalls im Deutschen keiner Absonderlichen Vnterrichtung, sondern es wird ein Liebhaber der Poeterey die Lehrschriften derjenigen, so im Latein von dieser Kunst geschrieben haben, zu rathe ziehen . . (Buch I, 25). Wenn auch diese grundsätzliche Verweisung auf die Humanisten-Poetik speziell die
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„Sachen" (Stoff-Erfindung) betrifft, so gerät doch damit bereits ein beträchtlicher Teil gerade der eigentlichen Poetik für Titzens Arbeit in Fortfall. Und indem er sich unter Ausschaltung der „Sachen" auf den zweiten Bildungsfaktor, die „Wörter" beschränkt, legt er sich von vornherein im Thema fest auf die sprachlich-metrische Linie. Mit Vers- und Reimlehren sind denn auch fast ein volles Dutzend Kapitel (2—12) des ersten Buches angefüllt, denen als entsprechender Anhang eine „Reimtaffel" folgt. Zwar kennt auch Titz keine eigentliche lyrische G a t t u n g , aber „von den Carminibus oder Liedern" handelt er recht ausführlich (Kap. I4f.), jedoch einseitig unter metrischen Gesichtspunkten. Kennzeichnend in ihrer Nüchternheit nicht nur ist die Definition: „Ein Carmen ist eine aus Versen nach den Regeln der Poeterey zusammengesetzte Rede", sondern charakteristisch zugleich durch den Begriff des Zusammensetzens, der die Aneinanderreihung schöner Einzelheiten hell beleuchtet. Wie es etwa für Harsdörffer auf die Reihung von einzelnen Unglücksfällen im Trauerspiel ankam oder auf möglichst viele moralische Einzelsentenzen, nicht aber auf den geschlossenen ethischen Gesamtgehalt : so trifft mem in der Poetik des Barock innerhalb der theoretischen Kunstdeutung immer wieder auf die Parallele zur kombinierenden Kunstübung. Sammlungen schöner Stellen und Umschreibungen, Schatzkammern und Aerarien waren also damals durchaus sinnvolle und notwendige Begleiterscheinungen ästhetischer Anschauungen. Das Kunstwollen war auf Fülle eingestellt; die kombinierende Phantasie sammelte poetische Wort- und Satzblüten und verflocht sie zu Kränzen von überladener Üppigkeit (kunstgewerbliche Putzmacherei mit „Phantasieblumen"). Thematisch umfassen die Lieder nach Titz „alle Gemütsbewegungen, himlische und irdische Dinge". Im Anschluß an die dreierlei Art, in der der Poet sein Werk „verfertiget", gelangt er (Kap. 17) zu der Gruppengliederung: „Erzehlungs-Weise, Gesprächs-weise, auf beyderley weise zugleich" (Mischform). Zuordnungskriterium ist (rein technisch) das Reden einer oder mehrerer Personen: 1.) „Erzehlungen" sind demnach Carmina{ 1), in denen der Dichter selbst oder (nur) eine von ihm eingeführte Person „in dem gantzen Gedichte alles allein redet". Birkens Neuheit von mehreren redenden Personen im Roman war hier noch unbekannt. 2.) Dramática, Gespräche, Unterredungen entstehen, „wenn der Poet nichts redet, sondern 5
M a r k w a r d t , Poetik ι
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an stat seiner etliche Personen einführet, vnd sie mit einander reden lässet" (s. Buchner). 3.) Mischformen, wenn bald der Dichter selbst, bald eine seiner Gestalten redet (Epopeen). Die Redezuteilung und -Verteilung auf Personen oder Dichter spielt also allgemein damals eine beachtliche Rolle. Die Grenzen fließen dabei recht bedenklich. So werden unter der zweiten Gruppe (Dialogetica) neben Schauspielen auch „etliche" Satyren und Hirtenspiele, Hirtengespräche, ja selbst Lieder („bisweilen") herangezogen, ganz entsprechend der Auffassung Buchners. Formal bezeichnet Titz selbst Erzählungen als Carmina und Dramen als Lieder. Seine Gliederung läßt Buchners Kriterien schematisch erstarren. Der N a t u r n a c h a h m u n g s b e g r i f f wird verhältnismäßig eingehend sogleich in der „Vorbereitung" (I. Buch) erörtert, wobei Titzens Neigung zum Definieren vorbereitende Erwägungen zu der Formel zusammenfaßt, das Gedicht „sey eine Nachahmung, darinnen ein Ding, wie es ist, seyn köndte oder solte, in einer auff Poetisch art verfasseten Rede abgebildet wird" (vgl. Humanistenpoetik). Also die schon bekannte Betonung des Möglichen, Wahrscheinlichen oder Wünschenswerten neben und über dem nur Wirklichen begegnet auch hier. Titz gibt nun aber dieser Anschauung durch wiederholte Wendungen besonderen Nachdruck. Der Poet als göttlicher „Macher" versteht auch aus nichts etwas zu gestalten (ebenso bei Harsdörfier, abweichend bei B. Kindermann). „Tichten heißt, einem Dinge fleißig nachdenken und nachsinnen" (ebenso bei Birken), weiterhin auch etwas erfinden, das zwar „offt mit der Wahrheit nicht in allem übereinstimmet, doch aber sich also verhalten solte oder könnte". Neben dem bloßen Sein steht überall das Sein-Können (Phantasieforderung) und Sein-Sollen (Moral- u. Idealforderung). Als Kompilator fühlt Titz indessen nicht die Verpflichtung, nun etwa den Vorgang des Nachahmens zu klären. Es entgeht ihm auch der Widerspruch, daß die Betonung des Machens aus nichts und des Sein-Könnens oder -Sollens ja keine Nachahmung darstellt, sondern ein Phantasieschaffen bzw. ein ethisches Vorbilderschaffen. Vielmehr wird einfach festgestellt: „In dem Nachmachen, nachthun, nachfolgen bestehet das ampt des Poeten". Die feste Insel in diesen ungeklärten Strömungen ist die Verw a n d t s c h a f t m i t der Malerei. Nur ist der Dichter dem bildenden Künstler in seinen Mitteln noch überlegen : „Ein Poet,
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dessen thun nichts anderß als eine Nachahmung vnd gleichsam ein redendes Gemähide vnd lebendes Bild (Harsdörffer) ist, kommt diesen weit vor" (2. Buch, Kap. I) : zugleich ein früher Beitrag zu dem späterhin verstärkt einsetzenden Rangstreit der Künste. Naturnachahmung im Sinne der Illusion liegt nicht vor. brüchig
wird
der
überlieferte
Nachahmungsbegriff
mit
Recht dem
wesentlich anders gerichteten Kunststreben der Zeit verkittet. Die Steigerung nach der ästhetischen Seite hin nämlich lehnt es ab, die nackte Wahrheit „überall so schlecht hinzusetzen", sondern fordert „glantz und Ansehen" (Schmuck u. Größe); hat doch der Dichter den Redner an Formschönheit und Stoffhöhe beträchtlich zu überbieten (II, Kap. 4).
Daneben rückt nach der ethischen
Seite hin der belehrende Doppelsinn („was etwan . . .
bedeutet
und gemeint werde") mit der Symbolgeltung (richtiger dem allegorischen Wert) merklich vom bloßen Realwert ab. Das W i r k u n g s z i e l „zu ehre Gottes vnd zum nutzen desNächsten" teilt Titz mit Birken, Harsdörffer u. a.
Ebenso stellt er
dieselben Wegweiser für die Mittel auf, die zu diesem Ziele führen. In angenehmer Form lassen sich „Tugend und Wissenschaft füglicher eintröpffein" (S. 5) und „zu diesem ende tichten die Poeten".
Die süße Hülle der Arzneipille kennt er bereits von
Buchner her.
Die schöne Umhüllung und Einkleidung gewinnt
damit hervorragende Bedeutung zum „Einwickeln" des Lesers. Ein „Lügner" ist der Dichter nur aus bester Absicht, nicht aber wahrheitsfeindlich: „Sondern dieses wird dadurch bedeutet, daß er die Wahrheit nicht überall wie sie an sich selbst ist und gleichsam (!)
nackend
vnd
vnbekleidet
fürzustellen,
sondern
zum
offtern in allerhand anmuthige Fabeln vnd Getichte als schöne Decken vnd zierliche Tapeten einzuwickeln . . . pflegt".
Die
stilistischen Darstellungsmittel finden bei Titz eingehende Berücksichtigung
und
eine teils recht
weitgehend
nachempfindende
Würdigung, wobei ein gewisses Erahnen der Ausdruckskraft des Dichterwortes fühlbar mitschwingt. Während etwa Buchner immerhin eigene Wege — dörffer —
vor Hars-
zu gehen versuchte, ohne sich den Richtlinien der
Fruchtbringenden Gesellschaft sklavisch zu fügen, verrannte sich ein an sich tüchtiger und hochbegabter Kopf wie J. G. S c h o t t e l ganz in die Enge der Quantitäts- und Akzentfestsetzimg.
Nicht
nur Buchner, sondern selbst Opitz überbot er in der Strenge seiner Silbenzählungs- und Betonungsgesetze. Zwar ist zu berück5*
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sichtigen, daß schon der Titel seiner „ T e u t s c h e n Vers- oder R e i m k u n s t " (1645, 1656), dann als Teil der „ T e u t s c h e n H a u b t s p r a c h e " (1663), den Nachdruck auf die sprachlichmetrische Seite der Poetik bewußt einseitig verschiebt. Es wurde nur der eine Teil der sonst zweiteilig angelegten Anweisungen ausgeführt unter Verzicht auf die Abteilung „Dichtkunst". Doch verrät die Art der Durchführung, daß sein philologischer Sinn wenig ästhetisches und kunsttheoretisches Vermögen aufwies, und daß sein sprachmeisterlicher Eifer — darin Gottsched im Positiven wie Negativen verwandt — innerhalb der Poetik nur wenig auszurichten vermochte. Was er aber bietet, gehört überwiegend der Metrik an als „Maßforschung" und „Reimfügung". Die Schreibart „teutsch", aus patriotisch-historischen Erwägungen heraus bevorzugt, brachte erst Schottel in „Schwang". Er vermeidet fremde Termini. Wie er sich mit Vorliebe der Fachausdrücke der Meistersinger bedient, so war ganz entsprechend auch unverkennbar ein gut Teil vom meistersingerischen Geiste in ihm lebendig. Wie etwa ein Meistersinger Wert legte auf Findung eines neuen Tones, so konnte Schottel im kulturpatriotischen Sinne stolz sein auf die Erfindung eines Metrums „Novum genus Germ. Sapphicum". Seine hervorragenden Verdienste liegen, was die Ausführung seiner Gedanken anbelangt, auf sprachgeschichtlichem Gebiete in seiner kulturpatriotischen Haltung. Seine Reimkunst war dagegen ebensowenig selbständig wie die seiner Zeitgenossen. So findet sich in ihr nicht nur äußerlich eine Zuschrift von Harsdörffer, sondern auch innerlich manche Einwirkung von dieser Seite her. Johannis Ristii „Notae ai Regulas de quantitatibus" stützen sich ganz auf Schottels Quantitätslehre. Dieser Verstärkimg zeittypischer Überschätzung der rein formtechnischen Mittel steht nun aber eine Anregung gegenüber, die notwendig aufhorchen läßt. Denn wie Schottels „Kurtzer Beschluß" selbst hervorhebt, wäre neben der Reimkunst noch ein eigenes Buch von der Dichtkunst auszuführen gewesen, von dem er indessen absieht, teils offenbar auch deshalb, weil ihm eine Anweisung in diesen Fragen nicht recht sinnvoll zu sein schien. Er begnügt sich vielmehr mit einem Überblick über den Aufgabenkreis einer solchen Dichtlehre und skizziert nur im Vorbeigehen die stoffliche Gattungseinteilung nach den verschiedenen Arten der „Händel", wobei
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er merklich und weitgehend mit Harsdörffer übereinstimmt. Bei aller Pedanterie Schottels in metrischen Dingen verdient nachdrückliche Hervorhebung — und darin liegt zugleich jenes Anregend-Weiterweisende —, daß er schon in der „Vers- oder Reimkunst" im Bereich der B e g ä b u n g s b e w e r t u n g die Anschauung bekämpft, als ob man durch die Wissenschaft der Poetik „an sich einen Poeten machen und demselben die Kunst eintröpflen kiinne". Da doch vielmehr der echte Poet schon von sich aus über sinnvolle, aber auch anmutige Einfälle und hinreichendes Feuer verfüge, um, beflügelt von „Göttlicher Vernunfft", unerreichbar sich emporzuschwingen über die bloßen „Altags-Erfindungen". Ein wahrhaft „poetischer Geist . . . übersteiget das, was nur erlernet wird". An Klarheit läßt diese Kennzeichnung des geborenen Dichtertums als unabhängig von der Förderung und Führung durch Anweisung gewiß nichts zu wünschen übrig, wenn auch zu berücksichtigen bleibt, daß Schottel keinen Anlaß hatte, den Wert des von ihm nicht ausgeführten Teiles über die Dichtkunst zu überschätzen. In der „ T e u t s c h e n S p r a c h k u n s t " (2. Aufl. 1651) geht Schottel bei entsprechender Hervorhebung der Begabimg in der üblichen Weise auf die Tradition der Alten zurück. Aber erwähnenswert bleibt doch auch hier die Erkenntnis, daß sich die „Kraft der Poesis" in ihren Quellen nicht erklären lasse, daß sie nicht aus „Fleiß und Arbeit", sondern einer „Göttlichen Erleuchtung" erwüchse, die als rechte „Himmelsgabe" geschenkt sein will und wozu auf künstlichem Wege „niemand gelangen kann". Möglich, daß Schottel eben aus diesem Gefühl der Zwecklosigkeit einer „Dichtkunst"-Anleitung heraus sich zielbewußt auf die Reim- und Verskunst beschränkt hat. Dann wäre also Borinskis Stellung wesentlich zu revidieren. Vor allem aber muß stets bewußt gehalten werden, daß Schottels Hebung des Ansehens der deutschen Hauptsprache die kulturpolitische und k u l t u r p a t r i o t i s c h e L e i t i d e e machtvoll vorwärts getrieben hat. Denn entscheidend war das Schaffen einer tragfähigen — oder doch damals als tragfähig empfundenen — Grundlage, auf der sich das Selbstbewußtsein der deutschen Muttersprache kraftvoll emporrichten konnte. Und diese Stärkung des deutschsprachlichen Selbstbewußtseins wirkte tun so nachhaltiger in die Breite und um so werthaltiger in die Tiefe, als die untergründende Sicherung nicht mehr einfach von den alten Sprachen bezogen, sondern
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aus eigenen Wurzelkräften (soweit man sie damals erkennen konnte und zu erkennen vermeinte) gewonnen wurde. Weit entschiedener als etwa Meyfarths Ansätze in dieser Richtung innerhalb seiner deutschen Rhetorik, die immer noch der Stillehre der Alten verhaftet blieb, verkündet Schottel die Eigenwüchsigkeit, das Eigengeartetsein und den Eigenwert der deutschen Haupt- und Heldensprache. Schottel will seine Deutschen „nicht nur den Griechen und Römern, wie die sprechen, nachsprechen lassen". Diese Abwehr der Umklammerung wird folgerichtig ergänzt durch die positiv zielsetzende Forderung der befreiten Entfaltung, daß die Deutschen die Sprache ihrer Väter „aus ihr selbst erheben", daß sie in der Pflege des deutschsprachlich Artgemäßen und Arteigenen die Muttersprache „in ihre eigene Landart kleiden" lernen, wobei jedoch nicht die stämmisch-landschaftlich umgrenzte Mundart, sondern zunächst einmal die Nationalsprache schlechtweg bezeichnet werden soll. Es leuchtet ein oder sollte wenigstens einleuchten, daß eine gewaltige Anstrengung erforderlich war im kulturpatriotischen Willenseinsatz, um die traditionsverkettete Gebundenheit an die allein maßgebenden Sprachen der Alten abzuschütteln und daß also diese Anspannung vorerst noch zu einer gewissen Überspannung führen mußte. Aber es stand der ganz gesunde Instinkt hinter den im einzelnen recht krausen Vorstellungsbildern vom deutschen Sprachstammbaum, daß ein sehr schwer wiegendes Gegengewicht geschaffen werden mußte, um die überwiegende Geltung der alten Sprachen auch nur annähernd auszugleichen. Und so will Schottels Bemühung und sein Verdienst nicht nur sprachgeschichtlich und geistesgeschichtlich gewürdigt oder kritisch abgewogen, sondern nationalgeistgeschichtlich gewertet und verstanden werden. Wesentlich fördernd greift dergestalt Schottels sprachhistorisches und sprachtheoretisches Wollen in das Kunstwollen der Poetik ein, das hier eine starke Stütze für seine eigenen kulturpatriotischen Bestrebungen vorfand und sie haltbietend einbauen konnte als einen der Grundpfeiler für die Eigengeltung deutschsprachlicher Dichtung. Die Wechselwirkung von Sprachtheorie und Wortkunsttheorie wird überall deutlich spürbar, wie sie wirksam hergestellt bzw. ausgebaut worden war nicht zum wenigsten durch Schottel. Man braucht etwa nur auf Harsdörffer hinüberzuschauen, der bereits Rückschlüsse auf das Verhältnis von deutscher und lateinischer Poesie in ganz entsprechender
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Weise gezogen hat, und zwar unter ausdrücklicher Berufung aui die Eigenwüchsigkeit des Deutschen als „Haubtsprache". Ästhetische Ausrichtung. Unter Wahrung und teilweiser Verstärkung der kulturpatriotischen Leitidee und bei fortwirkender christlich-ethischer Leitkraft gewinnt doch vorwiegend im Nürnberger Raum — aber etwa auch bei Zesen — das sichtfreudige und klangfreudige Kunstwollen so stark an Wertschätzung, daß in gewissem, den Zeitverhältnissen angepaßten Grade und entsprechend abgewandeltem Sinne von einer vorherrschend „ästhetischen" Ausrichtung gesprochen werden kann. Zesen mag dabei vorerst zurückgestellt werden, da die polemische Verflechtung ihn in andere Zusammenhänge verweist. Aber Alhardus Moller, der sich als Zesens Schüler bekennt, mag einbezogen werden, weil seine Stellung und Einstellung zugleich geeignet erscheint, überleitend den Blick hinzulenken auf die „religiöse Umschränkung" der Poetik. Die Fäden, wie sie von G e o r g P h i l i p p H a r s d ö r f f e r (1607 bis 1658) zu Schottel hinüberspinnen, die Verbindungen auch, die durch seine früherworbene Mitgliedschaft in der Fruchtbringenden Gesellschaft gegeben waren, können doch Jiicht darüber hinwegtäuschen, daß bei aller Spielerei des „Spielenden" (Harsdörffer) dennoch ein mehr dem künstlerischen Spieltrieb Artverwandtes mit am Werke war gegenüber dem ehrlich forschenden, aber verhältnismäßig phantasiefremden Bemühen des „Suchenden" (Schottel). Wenn der künstlerische Spieltrieb streckenweise entartete zu einem gekünstelt getriebenen Spiel, so bleibt im nationalgeistgeschichtlichen Bewerten dieser Erscheinung zu berücksichtigen, daß solches „Spiel" nicht zuletzt auf eine Ertüchtigung und Schmeidigung der deutschen Dichtersprache hinarbeitete, daß die vielgescholtenen Virtuosenstückchen — bewußt oder unbewußt — eine Probeleistung für die Eignung des Deutschen als Dichtersprache darstellten. Und so folgt die „ästhetische" Ausrichtung im letzten Grunde nicht im ersten Betracht irgendeinem „barocken Formenrausch", sondern einer kulturpatriotischen Antriebskraft. Nur die Art dieser Ausrichtung ist vom Formwollen bestimmt. Ihr Ziel ist nicht eine ästhetische Eigengeltung der Dichtkunst, sondern der Nachweis einer ästhetischen Werthaltigkeit der deutschen Dichter-
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spräche und der deutschen Dichtkunst. Nicht zufällig ging gerade aus diesem Kreise Klajs „Lobrede der Teutschen Poeterey" hervor. Auf anderem Wege wie in der Fruchtbringenden Gesellschaft, aber letztlich mit demselben Endziel sucht man im Pegnesischen Blumenorden zur nationalen Geltung im kulturellen Bereich vorzudringen. Es lag im kulturpolitischen Wollen der Zeit, deutsche Poeten zu ermutigen, teils dadurch, daß man schon vorliegende Leistungen überschätzend rühmte, teils dadurch, daß man den Zugang zur „Poeterey" erleichterte. Und einem derartigen erleichternden Zugänglichmachen diente auch Harsdörffers „Trichter", wobei nicht zu übersehen ist, daß dem ermunternden Anfang ein ernsterer Ausbau (2. u. 3. Teil) folgte. Harsdorf fers berühmte Poetik erschien in drei Teilen: Poetischer T r i c h t e r , die T e u t s c h e D i c h t - und R e i m k u n s t . . . in VI Stunden einzugießen. I. T e i l (1647); P o e t i s c h e r T r i c h t e r . . . II. T e i l (1648); „ P r o b und L o b der T e u t s c h e n W o l r e d e n h e i t , das i s t des P o e t i s c h e n T r i c h t e r s d r i t t e r T e i l " (1653). Jeder dieser Teile bringt einen Anhang, und zwar Teil I eine Rechtschreibung, Teil II ein Verzeichnis der „Grundwörter", Teil III in seinem zweiten Unter„Teil" (S. 114—504!) eine Aufstellung poetischer Umschreibungen und ausschmückender Einkleidungen zu alphabetisch geordneten Grundwörtern; Entsprechend dem Titel ist der erste Teil in sechs „Stunden" angelegt, davon jede wiederum in Viertelstunden gegliedert. Doch da sich Harsdörffer bald darüber klar wurde — oder wohl schon von vornherein war — daß es mit diesem sechsstündigen Anlauf nicht getan sei und die Poeterey eine „spröde Jungfer" sei, die „lange umworben" werden will, so setzt Teil II die Stundenzählung fort (7.—12. Stunde). Teil I und II sind für die Poetik ergiebiger als Teil III, dessen Metaphernverzeichnis jedoch besonders charakteristisch erscheint für den E i n k l e i dungs-, Umschreibungs- und Schmuckwillen. Neben den Vorreden aller drei Teile verdienen besondere Beachtung: I, ι. Std. (2—6 überwiegend metrisch-sprachlich), II (Kernstück) 7. 10. (Gleichnisse) 11. u. 12. „Stunde" (Drama). Die sogenannte Nürnberger Spielkunst tritt besonders zutage in II, 8. Std. Harsdörffer bringt eigne Dichtungen als Beispiele. Der Ur-Trichter (I) entstand auf Grund einer Art von Wette (wirklich oder fingiert), wonach Harsdörffer in einer Aussprache über die stark hemmenden Schwierigkeiten einer deutschsprach-
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liehen Dichtung im Gegensatz zu skeptischen Gesprächspartnern die zuversichtlich anspornende Meinung vertrat, daß die Reimund Dichtkunst wie Wein durch Trichter wohl in sechs Stunden eingefiltert werden könne. Im übrigen bestanden Trichter (etwa nach Art unserer Aufrisse oder Leitfäden) bereits auf anderen Gebieten, auf die Harsdörffer selbst hinweist. Der Trichter (I) wird offen als „eilfährige Arbeit", und zudem ausdrücklich als Schullehrbuch für Knaben hingestellt (Vorr. I, S. 7), was manche naiv anmutende Überdeutlichkeit, die Borinski belächelt, hinreichend erklärt. Obgleich Harsdörffers Poetik im Zeiteinfluß die Birkens übertroffen hat, ist doch auch Birken entwicklungsgeschichtlich (ζ. B. durch die Romantheorie) nicht zu unterschätzen. Der ausgeprägte Schmuckwille und die Überbewertung rein kombinierender Phantasie findet indessen in Harsdörffer den reineren Vertreter. Stärker als Borinskis Betonung der weltmännischen Art Harsdörffers es erwarten läßt, werden zwar nicht mit Birkenscher Einseitigkeit, doch aber durchaus in Birkenscher Richtung Moralforderung, Nutzen, Belehrung, fromme Sittlichkeit usw. neben dem Belusten als H a u p t z w e c k e der D i c h t k u n s t herausgestellt. Der löbliche Poet, dessen Absicht auf Nutzen und Belustigung gerichtet ist, hat grundsätzlich Verstöße gegen Moral und Religion zu vermeiden. Mißbräuche in dieser Hinsicht, selbst wenn aus Reimzwang geboren oder aus Freude am geistreichen Wortspiel entstanden, sind verpönt. Ebensowenig ist der Notausgang der Zweideutigkeiten erlaubt, da nicht nur das Böse selbst, sondern schon der bloße „Schein dess Bösen und die Gelegenheit, Böses zu gedenken" verwerflich erscheinen. Geistliche Lieder sind nützlich, weil andachtfördernd. Heidnische „Götzen" sind auszuschließen (1,3, wörtlich von Birken übernommen II, 40,101). Am grundsätzlichsten ausgeprägt zeigt sich die Moralforderung bei der Würdigung der Schauspiele: „Das Trauerspiel sol gleichsam ein gerechter Richter (1) seyn, welches in dem Inhalt die Tugend belohnet und das Laster bestraffet". Als Voraussetzung dafür gilt: „der Held . . . sol ein Exempel seyn aller vollkommenen Tugenden". Überdies hat der Dichter seinerseits für die Vermittlung von Tugendlehren durch Sentenzen ausgiebig Sorge zu tragen; denn „die Lehr- und Denksprüche sind gleichsam des Trauerspiels Grundseulen". Erhöhten Nachdrucks wegen sind sie besonders den Hauptpersonen in den Mund zu legen
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und daneben im Chorlied auszusprechen. Wenn Dichtung schon eine Art Betrügerei darstelle, so doch eben einen „wohlgefälligen Betrug", der dem Dichter Ehre wegen seiner „Kunstrichtigen Arbeit und den Betrogenen viel Nutzen durch die Lehre" einbringt. Daneben wird das alte Aristotelische Wirkungsziel beibehalten : „Solches auszuwirken, ist der Poet bemüht, Erstaunen oder Hermen und Mitleiden zu erregen, jedoch diese mehr als jenes". Immerhin sucht Harsdörffer die Starrheit des Moraldogmas hier und da ein wenig zu lockern. Neben der keuschen Liebe wird — angeblich zur Abschreckung — auch der weniger keuschen ein gewisses dichterisches Daseinsrecht diplomatisch eingeräumt; Fröhlichkeit wird als erwünscht zugestanden. Und wie — oft merklich versteckt zwischen den Zeilen — hin und wieder aber auch ausgesprochenermaßen das dichterische Anrecht auf Belustigung gewahrt erscheint („Zu dem so ist die Eigenschaft der Poeterey, daß man liebliche und leichte Händel Wehlen soll", I, 5), so schwingt ein wärmerer Klang, etwas von seelischer Einwirkung mit in der allgemeinen Forderung: „Es soll der Poet den Inhalt seines Gedichts auf den Nutzen und die Lehre richten: Die Ausführung aber mit schönen Worten und Gedanken leisten, daß der Leser dadurch b e l u s t i g e t und i h m e g l e i c h s a m d a s H e r t z a b g e w o n n e n w e r d e " . Was hier und auch sonst hervortritt, ist die stärkere Beschränkung des moralisch Lehrhaften auf den Inhalt, während die Gestaltgebung vor allem ästhetisch gefallen und lusterregend wirken soll und darf. Dieses ästhetische Wohlgefallen wird nun nach Harsdörffer besonders hervorgerufen durch bildliche und sinnbildliche Faktoren. Es darf ohne übertreibung gesagt werden, daß Harsdörffer in S c h m u c k - u n d S i n n b i l d e r n , in G l e i c h n i s s e n u n d e i n k l e i d e n d e n U m s c h r e i b u n g e n die zentralen Bildungskräfte und Wirkungsmächte des Dichterischen sieht, wenigstens was die Gestaltung anbelangt. Die 400 Seiten bildhafter Umschreibungen, wie sie der dritte Teil des Trichters bringt, sind die praktische Folgerung aus einer Theorie, die den Bildgebrauch geradezu zum Kriterium Und Wertmesser rechten Dichtertums erhebt: „Hieraus erkennet man etlicher maßen den Poeten wie den Löwen aus den Klauen". Wenn sich diese Stelle auch spezifisch auf die Sonderform der schmückenden „Bey- oder Ansatzworte" bezieht, die „wie das Edeígesteine einen Ring zieren" — ein seit Ronsards
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entsprechender Wendung im „Abbrigi . . . " beliebter Vergleich, den auch Joh. Peter Titz aufgriff — , so darf doch die Wendung für die hohe Wertung alles Bildmäßigen ohne weiteres verallgemeinert werden. Denn ausdrücklich sind für ihn „die Gleichniß die allertiefste Quelle, etwas schönes und zur Sache dienliches zu erfinden . . . hierunter gehören Sinnbilder, deren Grund ein Gemähl oder eine verblümte Beschreibimg" bildet. Selbst Augustin wird bemüht, um zu bestätigen, daß ein Gleichnis, ein nur Ähnliches, höheres Wohlgefallen hervorrufe als die Sache selbst (II, 49/50 vgl. Buchner). Ja, erst in solcher verhüllenden Ausschmückung und mittelbaren Sinngebung erfüllt der Dichter den entscheidenden Teil seiner Aufgabe; denn „ohne solche poetische Ausrede (Umschreibung) ist das Gedicht saft- und kraftloß". Eine besondere — die 10. — Stunde des II. Teils handelt denn auch nur von den Gleichnissen. Die Grundlage für diese Auffassung ist die konsequente Auswertung des Verwandtschaftsprinzips von Malerei und D i c h tung. Es gelingt Harsdörffer, die bislang immer noch etwas dünne Linie der Erörterungen über den Bildgebrauch innerhalb der Poetiken nicht nur zu kräftigen, sondern sie auch unter dem Auftrieb einer merklich mitschwingenden Gefühlsbeteiligung wirksam emporzubrechen 'auf die Höhenschicht barocker Ausdruckssteigerung und -Übersteigerung. Einer Ausdruckssteigerung, die neben dem Aufstrahlenlassen des Lichten bis zum leicht Blendenden, des Freudig-Erhobenen zum Verzückt-Rauschhaften, doch gerade auch das im barocken Wirkungswert und Wirkungswollen fast gleichrangige Abschatten und Verdunkeln des an sich schon Düsteren bis zum Schauder-Erregenden, aber wiederum eben rauschhaft Erregenden, Aufregenden, Aufwühlenden im Sinne bevorzugter Emotionalität voll zum Einsatz gebracht sehen will. Der Dichter-Maler, dem das Gleichnis streckenweise schon mehr sein sollte als nur Sinnbild und nur Schmuckbild, dem es ein Stück Erleben in seiner Wortwelt und Wertwelt bedeutet, wenngleich teilweise ein etwas krampfhaftes und künstlich „gestelltes", kunsttechnisch „gemachtes" Erleben — und dies, obgleich noch tastend zu erahnen, umgreift nicht das geringste Verdienst des Poetikers Harsdörffer — muß sich nicht scheuen, „eine schwartze Kohlen aus der Höllen gleichsam zu entlehnen", um mit diesem übernatürlichen kunstmächtigen Zaubergriffel die großen Striche hinzuwerfen im Erzwingen des haftkräftigen Eindrucks, etwa von
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„abscheulichen Mordgreuel eines bejammerten Zustands". Und auf der andern Seite, vom andern Spannungspol der hochbarocken Spannung her, von jener Spannung her, die im Kunstschaffen von einer etwas krampfìgen Anspannung kunsttechnischer Hilfsund Aushilfsmittel begleitet zu sein pflegt, muß dieser zauberkräftige Dichter-Maler die freudige Beschwingtheit aufbringen, gleichsam „eine Feder aus der Liebe Flügel" zu rauben, wenn es gilt, die „herzbeherrschende Süßigkeit einer anmutigen Entzückimg" farbenfroh einzufangen. Das Gleichnis Harsdörffers von der höllischen Kohle und der Schwungfeder aus den Schwingen der Liebe — von Sacers „Erinnerungen" mit Bezugnahme auf Harsdörffer wörtlich aufgenommen — läßt eindrucksvoller als es frühere teils recht logisierend nüchterne und magere, durchweg bloße Definitionsfragmente klassifizierende Theorien über die Metapher vermochten, im Stimmungsgehalt der Erläuterungsart das Gemeinte lebendig werden. Harsdörffer gibt, indem er erklärt, zugleich in der aufgestellten eignen Stilbewegung seiner Darstellungsweise ein Beispiel für das, was er vom Gleichnis bzw. von der Metapher als — wenngleich teils künstlich konstruiertem — Affekt-Träger erhofft und erwartet. Wenn er im Aufrechterhalten der konventionellen Naturnachahmungsforderung dabei von „fast natürlichen Farben" spricht, so könnte man zum mindesten in diesem Betracht schon von einer fast übernatürlichen Farbgebung im Sinne barocker Aufhöhung sprechen. Harsdörffer kennt auch die zeitübliche Anschauung vom Gleichnis als Mittel der Kenntnisbereicherung und der Einfallerleichterung. Aber ohne diese verstandesmäßige oder kunstverstandesmäßige Funktion des sinnaufhellenden, kenntnismehrenden Sinnbildes, aus dem „viel hellscheinende Gedanken herfließen", also die im wesentlichen bis dahin überlieferte Funktion, die darüber hinaus wohl auch auf ein Bewirken der Stilwürde (z. B. im vorbarocken Klassizismus) ausgedehnt wurde, ohne das ausgeprägte Schmuck- und Prunk-Wollen des Gleichnisses aufzugeben, weist Harsdörffer ihm eine für das Kunstschaffen der Barockdichtung recht kennzeichnende emotionale Funktion zu. Und es mündet zugleich das christlichreligiöse Grundgefühl ein, wenn eine weitere Auftriebskraft der „herzbeherrschenden" Gemütsbewegung aus dem vergleichenden „Betrachten des Himmlischen" in seinem Verhältnis zum Irdischen und aus der anschaulichen „Vergleichung deß Zeitlichen und
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Ewigen" gewonnen werden soll. Der theoretisch herrschende Grundsatz des ut pictura poesis wurde dergestalt zugleich zum autoritativen Freibrief für die allegorische oder rein schmückende Malerei umgedeutet. Im Hinblick auf Lessings „Laokoon" sind die betreffenden Kernstellen auch in diesem Zusammenhange unentbehrlich. Nach den „ G e s p r e c h s p i e l e n " ist die „Poeterey nichts anderes als ein natürliches Gemäld, welches mit Kunstschicklichen Wortfarben ausgestrichen wird". Die Malerei wird unter diesem Gesichtspunkt als ein „stummes Gedicht" sogar kurzerhand „zu vorgedachter Dichtkunst gehörig" gerechnet. Strenger als Buchners Andeutung vom verschönerten Abbild definiert Harsdörffer im Trichter: „Die Nachahmung deß Poeten bestehet nun in eigentlicher Beschreibung der Sachen, da seine Worte gleichsam Farben sind, mit welchen er alles deutlichst vorbildet". So selbstverständlich und geläufig ist Harsdörffer diese Anschauung, daß er gelegentlich eine Bezeichnung für die andere gebraucht, so, wenn er etwa eifrig auf die Gelegenheit hinweist, „bey ieder Begebenheit die natürlichen Farben, ich will sagen, die poetische Wörter, zierlich und wolschicklich anbringen" zu können. Und ähnlich wie ihm beim dargestellten Drama besonders auffällt und gefällt, daß die erdichteten Personen nicht nur gehört, sondern auch gesehen werden und so „gleichsam ein lebendiges Gemähl gebildet" wird, gilt überhaupt das Malen im Dichterischen geradezu als ausschlaggebendes Wertkriterium: „Sonderlich aber sihet man des Poeten Kunst in der Beschreibung, welche ein redendes Gemähl und mit natürlichen Worten ( = Farben) eigentlichst ausgebildet seyn soll" (II, 33, 37). Neben diesen malenden und auch lautmalenden Elementen — und streckenweise mit ihnen wirkungsverstärkend verbunden — ist bisher eine Hauptforderung zu wenig beachtet worden, die doch gerade das Kunstwollen der Zeit besonders einprägsam hervortreten läßt: die ü b e r h ö h e n d e S t e i g e r u n g . Und zwar findet sich bei Harsdörffer eine versteckte Stelle, die erkennen läßt, das nicht nur das unbestritten lusterregende Element der Schönheit, des Schönen im weiteren Sinne, gesteigert werden soll (Schmuck- u. Prunkfreudigkeit), sondern eben auch das unlusterregende des Schrecklichen (Vorliebe für Grausamkeit als hoher Gefühlsübergipfelung) : „Dann der Poet erzehlet (im Gegensatz zum Historiker) alles mit bunten und glatten Worten und m a c h e t das Schöne schöner, das Abscheuliche abscheulicher.
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78 als
es
an
ihm
selbsten
i s t " (I, 6/7).
Und die Äußerung
gewinnt noch an Gewichtigkeit, wenn ebendort von dieser Fähigkeit kunstvoll bewußter Steigerung und Emportreibung
aller
Elemente, von der Erhöhung und Überhöhung alles Natürlichen das Anrecht auf den Poetentitel abhängig gemacht wird.
Denn
wer diese Gabe wirklichkeitüberbietender Phantasie, diese Fähigkeit der Ballung und des Aufschwungs nicht besitzt oder auswertet, hat bestenfalls als Liebhaber der Poeterey (hiermit bescheidet sich Harsdörffer selbst) oder als Versmacher zu gelten. In ebendieser Linie liegt auch die spezifische Färbung, die er dem „Erstaunen" als Eindruckswirkung des Dramas gibt; denn es entspricht etwa unserer „Sensation" oder wie es Harsdörffer selbst erläutert : „durch das Erstaunen wird gleichsam ein kalter Angstschweiß verursacht".
E s entsteht nicht durch bloße Über-
raschung, sondern durch Entsetzen über die „schröckliche Grausamkeit".
Die Übersteigerungen im barocken Kunstdrama ent-
sprachen also durchaus dem Kunst-Wollen.
Gerade daß es dieses
barocke Kunstwollen war, das sich durchsetzte, daß nicht etwa nur bei dem vielgetadelten
Schwulst ein mangelndes
Können
oder fehlende kritische Reserve vorlag, beweist recht schlagend Harsdörffers Trichter Beispielgedicht
dort, wo
(überraschend
er ein
ähnlich
schmucklos-nüchternes der späteren
Idealform
Weises; man „ k o n n t e " das also) als schlecht und unpoetisch verwirft, als abschreckendes dann mit
Selbstgefälligkeit
Mißgebilde warnend aufstellt, um daneben als rechtes „Muster" ein
barock-pompöses Prunkgebilde
zu setzen (I, 12/13 f·)·
Gerade
die Einbiegung in die Rhetorik, die bei Masenius deutlich wird und die dann in seiner Art Chr. Weise anstrebte, gilt als verfehlt. Vielmehr habe die Poesie in ihrer ganzen Stilhaltung „aufgeblasener, hochtrabender" (ernsthaft charakterisierend, nicht tadelnd gemeint) zu sein als die bloße Redekunst. Was Harsdörffer über die malende Nachahmung und die Steigerung ausführt, beweist bereits hinlänglich, daß von einer N a t u r nachahmungsforderung sein kann.
im Sinne der Illusion keine Rede
E s wird eben nur das Prinzip der Naturnachahmung
unverstanden, ungedeutet, unangewendet und also ohne Folgerungen für die Kunstübung übernommen.
Immerhin tritt selbst
in allgemeinen Formulierungen, die ja die Formel eigentlich festhalten müßten, bereits als bewußte Modifikation das — allerdings in der Auslandspoetik längst aufgestellte —
Recht der idealen
ÄSTHETISCHE AUSRICHTUNG
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Möglichkeit neben das der realen Notwendigkeit: „Die Poeterey ist eine Nachahmung dessen, was ist, oder seyn könnt". Es kommt ja nicht auf das kopierende Malen an sich, sondern auf das variierende Ausmalen an, auf das Ausschmücken und Verstärken der Farbgebung. Dazu kommt, fortleitend von jeder Naturnachahmung, die hohe Bedeutung des Sinnbildes, der verhüllenden Einkleidung, so daß Harsdörffer der Dichtung die Aufgabe zuweisen kann, mehr „das natürliche Wesensbild zu verstellen als vorzustellen". Soweit hat das Rätselraten angesichts solcher geistigen Sinngemälde der kombinierenden und variierenden (nicht aber kopierenden) Phantasie zu gehen, daß Harsdörffer zur Erläuterung wirkliche Bilder (Abbildungen) als Beigabe zum eigentlichen Gedichttext für nicht verwerflich hält. Natürlich waren derartige wirkliche Bilder ihrerseits wiederum Allegorien. So erklärt es sich, daß trotz engster Beziehungsnähe zur Malerei dennoch keine Naturillusion oder auch nur exakte Naturschilderung erstrebt wurde. Die Übersteigerung auch des „Abscheulichen" hat nichts mit naturalistischer Elendsmalerei gemein. Jene ist auf Großartigkeit eingestellt, diese Wird gar nicht erst in Betracht gezogen: niedrige Wörter sind zu vermeiden, „weil wir von Natur (I) die Augen und Ohren von solchen vnziemlichen oder ja mißfälligen Händeln abwenden" (vgl. Buchner). Auch sonst bildet der Poet nicht nur, was er sieht, sondern auch und nicht zum wenigsten gerade das, was er nicht in der Wirklichkeit anschauen kann: „Deswegen wird er auch ein Poet oder Dichter genennet, daß er nemlich aus dem, was nichts ist, etwas machet ; oder das, was bereits ist, wie es sein k ö n n t e , kunstzierlich gestaltet". — Irn ganzen wird der Naturnachahmungsbegriff nicht klar herausgestellt, sondern bleibt verschwommen, da er zudem mit der Mustemachahmung (anderer Dichter), ja selbst mit Übersetzung vermischt wird. Die inhaltlich-motivliche Grenzsetzung für die Phantasiefreiheit wird in der Ablehnung der Tierfabel spürbar, die als volksnah dem Barockpoetiker nicht recht zugänglich ist. Den Vorteil der natürlichen Anlage und Begabung weiß auch Harsdörffer zu schätzen. Schon im kindlichen Entwicklungsstadium zeigt sich die Begabungsabstufung: „Etlichen ermangelt es an natürlicher Fähigkeit der Poeterey, daß sie zwar die Wort kunstrichtig zu binden wissen, aber gezwungen, hart und mißlautend; ohne poetische Gedanken und sinnreiche Einfälle".
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DIE POETIK DES BAROCK
Und während Birken den schnell entstandenen Gedichten kritisch gegenübersteht und langsam feilende Arbeit bevorzugt wie späterhin Weise, Benj. Neukirch u. a., erkennt Harsdörfier gerade in mühevoller Langsamkeit den Mangel, „daß man leichtlich sehen kann, es sey kein poetischer Geist in jhnen und jhre Gedichte mit langer Zeit zusammengenöthiget" (I, Vorr.). Demgegenüber neigen Knaben mit beweglicherem Geist von vornherein stärker zur Poeterey; und aus dem Gefühl des Befähigtseins „entsteht die Lust zu Poetisieren" (II, Vorr.). Am höchsten aber wird die Begabung dort gewertet, wo in der Vorrede des III. Teils die Dichtkunst gegenüber der Rhetorik abgegrenzt und ihr erhöhte Qualität zuerkannt wird. Für sie muß daher die natürliche Veranlagung von höherem Grade sein: „Dieses aber, ein Gedicht, das Feuer und Geist hat, zu Papier setzen, muß von höherer Eingebung herflüßen". Doch wird diese beiläufige Bemerkung, in der das nüchterne „zu Papier setzen" das nur Angenommene der „Eingebimg" erkennen oder doch vermuten läßt, nicht weiter ausgebaut, und ein Eingehen auf die seelischen Vorgänge erfolgt ebensowenig. Vielmehr zeigt sich durchweg, daß die Begabung überwiegend im Verstandesbereich gesucht wird als intellektuelle Beweglichkeit, als „Hurtigkeit"; denn „die natürliche Fähigkeit solcher Kunst bestehet in einem darzu gleichsam (Harsdörffers Lieblingswort) gewidmeten Verstand" (II, Vorr.). Dementsprechend hat sinnvolle Schulung Aussicht auf Erfolg. Wie auch ein karger Acker durch fleißige Bestellung fruchtbar werden kann: „Also ist auch keiner so unreines Hirns, der nit durch Nachsinnen auf vorher erlangte Anweisung (welche gleichsam der Wuchersame ist) eine gebundene Rede oder ein Reimgedicht zusammenzubringen solte lernen können" (I, Vorr.). Immerhin wird auch hier nach individueller Eignung gestuft: „iedoch einer viel glückseliger als der andere". Indessen selbst die Befähigten kann Schulung allein zur vollen Entfaltung bringen; denn selbst wer „zu" Kunst geboren wurde, ist noch nicht „mit" Kunst ausgestattet. Im ganzen erscheint die Naturanlage als anregende, Anstoß gebende Kraft, während die Schulung erst die Kunstübung selbst sichert und jenen Keim zur Blüte, jenen Funken zum Brennen bringt: „Die Natur ist eine Meisterin, den hurtigen Feuergeist anzubrennen; die Kunst aber gleichsam das fette öl, durch welches solcher Geist weitstrahlend erhellet vnd himmelhoch aufflammet".
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Das Verhältnis der Bildungskräfte verschiebt sich gegenüber neueren Auffassungen etwa so: das Entscheidende bleibt die Schulung, die Begabung schafft nur eine besonders günstige Voraussetzung, während wir den Kunstverstand umgekehrt bestenfalls als bloßen stützenden Hilfsfaktor der allein entscheidenden Begabung gelten lassen. An zeittypischen Forderungen und Winken für den dichterischen Vorgang begegnen: Beherrschung der Muttersprache (erst dichtend lernt man die Muttersprache wirklich beherrschen), Kenntnis eines Poetereyentwurfs, Erlernung der Reimarten und metrischen Formen auf Grund a) von Mustern, b) von Lehrsätzen, Versuche in reimlosen, leichteren Formen und Übertragung von einer Reimart in die andere; allgemeine Schulung an Vorbildern und Befolgung kritischer Ratschläge von bereits Erfahrenen, Selbstkritik nach zeitlichem Abstand („etliche Tage liegen lassen") usw. Beifallshunger und der gefürchtete Reimzwang gelten als Fehlerquellen. Hinsichtlich des Gehalts: der Inhalt muß vor aller Formgebung feststehen „wie der Töpfer erstlich muß den Don haben". — Doch sind leichte gefühlsmäßige Einschläge bei Harsdörffer nicht zu verkennen: Einfühlung in die „Gemütsmeinung" (das Empfinden) der Personen gehört zur Aufgabe des Dichters, der „sich gleichsam selbst verstellen (muß) in den, welchen er vorzustellen gewehlet hat". So soll sich auch das Metrum innerhalb derselben Dichtung ändern dürfen in Anpassung an Wandlungen des Inhalts und darüber hinaus im Drama den Stimmungsumschwung verstärken helfen (II, 13). Obgleich Harsdörffer ungebundenen Formen durchaus die Fähigkeit zuerkennt, dichterischen Geist zu offenbaren (erdichtet sei dann eben der Inhalt, vgl. II, 41, 79), hält er im Trauerspiel die gebundene Form für angemessener, und zwar nicht aus bloßer Tradition, sondern aus inneren Wirkungsgründen. Da nämlich die „Gemüter eifferigst sollen bewegt werden", so sei das Metrum angebrachter, weil es „gleich einer Trompeten die Wort und Stimme einzwenget", also Konzentration, Nachdruck und Steigerung bietet. Andererseits darf in Momenten hoher Bewegung die Rede der Dramengestalten nicht zu gewählt und gekünstelt ausfallen. Also diese letztlich auf Aristoteles zurückgehende Erkenntnis und Forderung Τ Hessings, der sie als Dramatiker selbst nicht überall befolgte, gibt schon Harsdörffer, für den etwa der Trauernde zu sehr mit seinem
6 Harkwardt, Poetik ι
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DIE POETIK DES
BAROCK
Schmerz beschäftigt ist oder doch sein sollte, um noch schönreden zu können. In solchen Fällen würde „oft die Wohlredenheit übel reden", unpassend und stimmungswidrig reden, bedeuten. Der Blick des Dichters wird also bereits langsam auf psychologische Wahrscheinlichkeiten und Stimmungswerte hingelenkt, ohne daß Aristoteles als letzter Gewährsmann übersehen werden darf. Zu fest untergründeten G a t t u n g s b e g r i f f e n verdichten sich Harsdörfiers Art Scheidungen zwar noch nicht. Wohl aber sind Ansätze gegeben zu einer Teilüberbrückung der bei Buchner noch allzu stark getrennten beiden Gliederungspole (Inhalt und Darstellungstechnik, bzw. Vermittlungsweise), so daß keimhaft Entwicklungskräfte sich am Werke zeigen, die über Buchner hinaus eine Entfaltungsmöglichkeit gattungsmäßiger Wesensbestimmung zu versprechen scheinen. Das gilt vor allem vom Drama, das als dramatische Wirkungsform auf Grund seiner gesteigerten und bereicherten bühnenmäßigen Ausdrucks- und Wirkungsmittel bereits vom verheißungsvollen Blickpunkt des durch die Bühne neubelebten, aufgeführten Bühnenwerkes gesehen wird. Und zwar ringt Harsdörffer, hierin in gewissem Grade wirklich ein Ringender und nicht nur ein „Spielender", ernsthaft um ein klar sich abhebendes Freisetzen einer dramatischen Wirkungsform von den rein wortkünstlerischen Sonderarten. Ihm ist das Schauspiel eine Art von Gesamtkunstwerk, dessen Wirkungsmitteln sich der unmittelbare Zugang aufschließt zur Welt der sichtbar-bildhaften, von Gebärden und Bewegung durchregten Anschaubarkeit und Greifbarkeit szenischer Schau (visueller Wirkungsanteil), aber auch der Zugang zur Welt des tönenden Schalles und der geist- und gefühldurchregten Rede (akustischer Wirkungsanteil). In überraschender Weise erleichtert im Sonderfalle einer Erkenntnisbemühung um die Dramatik das sonst vielfach hemmende „ut pictura poesis" den Weg zu der Einsicht, daß das Drama doch wesenhaft und wesentlich mehr in sich berge als nur die Dialogform, die Redeverteilung auf gesondert herausgestellte Gesprächspartner (Buchner), daß es als dargestelltes Drama neben den klangfreudigen auch nicht zum wenigsten sichtfreudige Wirkungskräfte zur Verfügung habe. Die Reichweite dieses manche verengende Bindung sprengenden Vorstoßes Harsdörfiers wird auch dem Bewußtsein unserer Gegenwart leichter verständ-
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lieh, wenn man einmal aus der Zeitheimat heraus den Blick hinüberlenkt auf Kolbenheyers Abhandlung „Die dritte Bühne" (in „Neuland", 1935), die naturgemäß auf dem weit höheren Spannungsbogen einer fast zweihundertjährigen Entwicklungsspirale dennoch die Grundwerte des akustischen und optischen Bühnenwerkes zur Voraussetzung wählt, um deren Herauslösung aus dem Gattungswirrwarr seiner Zeit sich einst Harsdörfier bemüht hatte. Denn so primitiv Harsdörffers Zentralprägung vom lebenden Bild („lebendiges Gemähl", Trichter I, „wesentliches, lebendiges und selbstredendes Gemahl", Frauenzimmergesprechspiele V) im Sichbehelfenmüssen mit dem im gattungstheoretischen und funktiondefinierenden Bereich noch recht kargen Bestand an Fachwörtern immer erscheinen mag: es umschreibt diese Prägung vom „lebendigen Gemähl" dennoch in groben Zügen den Bezirk einer Wirkungszweiheit von visuellen und akustischen Wirkungsfunktionen. Daß der Malerei als „stummer" Kunst das lebendige, sinn- und seelegebende letzte Ausdrucksmittel des Wortes fehlte, daß dem nichtdramatischen Wortkunstwerk eine Verwirklichung in Raum, Farbe und Form, in Gestalt und Gebärde immer nur mittelbar (im Phantasiebereich des Aufnehmenden) möglich zu werden schien: diese Unzulänglichkeit war im aufgeführten Bühnenwerk überwunden. Denn die „erdichteten Personen" werden im Schauspiel „nicht nur gehöret, sondern auch gesehen" (Trichter I, 5/6), die „lebendigen Personen deß Schauplatzes" machen das im Machtgebiet der Sonderkunst Unmögliche, daß nämlich ein Bildliches redend und ein Redendes unmittelbar leibhaft werden und sinnliche Gestalt gewinnen kann, möglich. Über die Gattungsunterscheidung hinweg weitet das nicht mehr nur gelehrte, dem Buchstaben des Lesedramas zugewandte, sondern lebendig der Bühnenwirkung zugekehrte und sichtfroh geöffnete Auge den Ausblick auf die Eigenwelten der Künste und damit, wenngleich noch durch trübende Schleier der Zeitbefangenheit hindurch auf die Sonderstellung des Bühnenwerkes nicht nur im Ordnungsraum und Zuordnungsraume der Dichtungsgattung, sondern der Einzelkünste überhaupt. Deshalb durfte andeutend von einem Aufdämmern der Vorstellung eines Gesamtkunstwerkes im „Schauspiel", wie Harsdörfier es sieht bzw. zu sehen lernt, gesprochen werden. Aber fast scheint es, als ob dieses gebannte Hinrichten des
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Blickes auf die Bühnenwelt, dieses Hinausblicken in noch unerschlossene Weiten, Naheliegendes nun wiederum übersehen ließ. Denn so verhältnismäßig weitgehend die Abgrenzung der dramatischen Wirkungsform von der Wirkungsform des Epischen, das der Dichter in der „Beschreibung einer Geschichte" ausgesprochenermaßen als Erzähler („erzehlet") zu bewähren hat, gelingt, so unzweideutig mißlingt wie in den meisten älteren Theorien auch bei Harsdörffer eine wesenhafte Umgrenzung des lyrischen Bereichs. Aber selbst die epische Gattung wird im Gesamt der Harsdörfferschen Theoreme nicht so relativ annehmbar umschrieben wie dann bei Birken. Harsdörffer bringt innerhalb der Gattungstheorie merklich seine besten Kräfte im Erfassen der dramatischen Eigenart zum Einsatz und gewinnt damit einer Gattung innerhalb der kunsttheoretischen Besinnung weiteren Geltungsraum, die bei Opitz keine besonders starke Aufmerksamkeit gefunden hatte, während Birken die Theorie des Epischen vorwärtstreibt. Höchstens für das Sondergebiet der Fabeltheorie verdient Harsdörffers V o r r e d e zu „ N a t h a n und J o t h a m " (1650), die eine äußere Klassifikation versucht, beiläufig Erwähnung. Die fördernde Teileinsicht in das Leben und Wirken des Dramas als Bühnenwerk schließt jedoch bei Harsdörffer (was G. Brates übergeht) noch nicht eine entsprechende Sicherheit hinsichtlich der Zuordnungen einzelner Gedichtarten in sich. Auch erscheint die Folgerichtigkeit in der Abhebung der dramatischen Sonderform vielfach durchbrochen. Und das alte, allzu vertraute Inhaltskriterium durchstößt mehrfach die erst tastend gezogenen Richtlinien des darstellenden Wirkungskriteriums (nach der Wirkungsgemeinschaft der Darstellungs- und Ausdrucksmittel). So gilt etwa das Heldenlied als dem Trauerspiele nahe verwandt, da es — gegenständlich-inhaltlich — ebenfalls „tapfere Taten" behandle, eben nur solche heroischen Motivwelten, die für die Bewältigung durch das Drama zu breit ausladen, zu gedehnt im Geschehensablauf („viel zu lang") erscheinen. Oder es wird das Hirtenspiel doch nur recht äußerlich vom Hirtengedicht unterschieden. Und besondere Schwierigkeiten bereitet wiederum die artmäßige Eingliederung der „Satyren", da sie einerseits von Schäfern (wie früher von Waldgöttem) berichten, andererseits aber Strafgcdichte (Vermischung mit Satire) bedeuten. Hier „waltet noch ein Zweiffei", ob sie den Gedichten anzugliedern
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seien; denn Birkens Notausgang aus dieser Verwirrung ist Harsdörffer offenbar noch nicht bekannt. Und trotz gewisser Klärungsbemühungen mit Hilfe des neuen oben gewürdigten Kriteriums wird nicht fest durchgegriffen. Derartige Einzelhinweise auf den tatsächlichen Befund der Harsdörfferschen Gliederungsversuche mahnen zugleich zur Vorsicht im Bewerten seiner Gattungsgliederung, das nicht von einem Unterschätzen in ein Uberschätzen seiner Teilfortschritte umbrechen darf. Daß vielmehr Harsdörffer immer nur zu Teileinsichten vorzudringen vermag, daß kein wirklich gesichertes Wesenserfassen des Dramatischen ihm kritiklos zuzusprechen ist, erweist sich gerade auch innerhalb seiner Dramentheorie selbst, die ζ. B. nicht zu einer überzeugenden Deckung von äußerer (technischer) Aufgliederung und innerer Handlungsgliederung gelangt, sondern durchweg mit der Außenansicht sich begnügt. Daher halten Harsdörffers dramentheoretische Äußerungen beim sachlichen Eingehen auf die Einzelfragen nicht das, was jene Grundkonzeption vom Schauspiel als einem „lebendigen Gemähl" zu versprechen schien. Die äußerliche Gliederung der dramatischen Sonderformen berührt sich zwar im Ertrag ziemlich eng mit Birken, weicht jedoch in der Begründung und teilweise auch in den Folgerungen nicht unbeträchtlich ab. Die Hauptgruppen: erstens Trauerspiele (Trichter II, Ii. Stunde), zweitens Freudenspiele und drittens Hirtenspiele (a. a. O., 12. Stunde) werden nicht aus historisch lokalen Wandlungen heraus erklärt, wie dann bei Birken, sondern aus dem Dreiständewesen: Hofgesellschaft, Bürgertum und Bauerntum, also aus Gliederungskriterien, die einen gewissen Sinn für ständische Wuchsformen der Kunst zum mindesten keimhaft entwickelt zeigen. Als weitere (vierte) Mittelgruppe erläutert Harsdörffer die Tragico-Komödien als Mischform, aber nicht wie Birken aus christlichen Vorstellungen heraus, sondern auf Grund der Verschmelzimg von Leid und Lust, wie sie das menschliche Leben selbst aufweist (Lebensnähe der Tragikomödie). Das Trauerspiel kann — und so ergeben sich weitere Sondergruppen — „einschichtig" (klar herausgearbeitete Haupthandlung) oder „mehrschichtig" (überwiegende Episodenhandlungen) angelegt sein. Harsdörffer bevorzugt die mehrschichtige Form wegen der stärkeren Gemütswirkung, Spannung und Verwicklung, wobei die barocke Vorliebe für reiche Linienverschlingung mit-
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wirkt. Doch darf die Verwirrung nicht den deus ex machina nötig machen, sondern muß vom Dichter aus auflösbar bleiben. Der Umschwung erfolgt entweder durch „Erkänntnis" (aus dem Erkennen von Personen, „so zuvor unbekannt" waren, s. o.) oder „Veränderung" (Wandel der Verhältnisse). Die ständische Personenzuteilung wird etwas gelockert, indem auch Könige im Lustspiel zulässig sind, wenn „fröhliche Händel" vorliegen (Plautus Amphitruo). Andererseits sind die Gestalten des Hirten- und Schäferspiele ja nicht schlechtweg Bauern, deren grobe Reden das Ohr des Kunstdichters und seiner Zuhörer verletzen würden, sondern wohlgesittete und selbst gelehrte Schäfer, die den vermeintlichen einstigen Idealstand des Hirtentums anmutig repräsentieren und rekonstruieren sollen, ein nur fingiertes Hirtentum des Als-Ob, eine Art von Natur in „verbesserter" Auflage. — Im ersten Teil des Trichters gilt die Dramatik kurzerhand als eine „Gedichtart, welche Tugenden und Laster behandelt". Wo es sich um Schlüsselgeschichten mit verdeckten Namen handelt, kann ein „verborgener Verstand verhüllet" und so die belehrende Wirkimg gefördert werden. Als Prologredner für Schauspiele werden allegorische Gestalten empfohlen. Das Trauerspiel soll nicht nur durch den Ausgang, sondern schon durch seine ganze Anlage traurig stimmen und Mitleid erregen. Selbst wenn die Szene nicht den Einzelort, sondern symbolisch ein ganzes Land darstelle, sei das „beyseits reden" (à part) nicht recht wahrscheinlich. Vorteilhafter wirke es jedenfalls, wenn die Personen nicht so aufdringlich unmittelbar, sondern mittelbar im Wechselgespräch „ihre Gemütsneigungen entdecken" und nicht durch das allzu bequeme Beiseite-Sprechen (Ansatz zur Bevorzugung der gestalteten Charakteristik vor der nur formulierten). E i n h e i t e n : wenn Harsdörffer einmal meint, „Etliche wollen, daß das Trauerspiel nur eine Veränderung habe", so könnte man dies anfangs auf die Ortseinheit beziehen. Wahrscheinlicher indessen ist, daß der Fachausdruck „Veränderung" (s. o.) sich auf den Geschehensumschwung bezieht, um so mehr, da Harsdörfier späterhin ganz imbefangen vom Wechsel des Schauplatzes spricht und auch sonst nicht auf die Ortseinheit eingeht. Dagegen ist ihm die Forderung „nur eines Tags Verlauf" (Zeiteinheit) bekannt; doch — einer persönlichen Entscheidung ausweichend — hält er es hier mit den „meisten" ( ?) Theoretikern,
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die für eine duldsamere Erweiterung auf fünf Tage und Nächte (entsprechend der Fünfzahl der Akte) eintreten. In den Gesprächspielen (1641 f.), die nur in ihren ersten Teilen spezifisch der gesellschaftlichen Konversationsfähigkeitund Gewandtheit der Frauen als „Frauenzimmer-Gesprechspiele" Stoff und Art zutrugen, dann aber (vom dritten Bande an) auch in ähnlichem Sinne für die studierende Jugend bestimmt waren, berührt sich manche der kunsttheoretischen Forderungen und Winke mit denen des „Trichters". Doch fehlen — wie es der wenig planvolle Sammeleifer aus vielfach fremden Quellen mit sich brachte — auch Widersprüche nicht. Auf die Wesens- und Wirkensgemeinschaft des Dichterischen mit dem Malerischen, wie sie auch innerhalb der ,,Gesprechspiele'' zutage tritt, konnte bereits gelegentlich der Würdigimg des „Trichters" hingewiesen werden. Eine gewisse E i n b e z i e h u n g k l a n g l i c h e r W i r k u n g s e l e mente in die Reihe dichterischer Wirkungsmittel, wie sie dort angestrebt wurde, scheint auch den Gesprächspielen erwünscht. Und zwar allgemein im deutschen Lautbestand durch Mehrung der „Stimmer" und Minderung besonders der „hartmitlautenden'' Konsonanten ; im dichterischen Wortbestand durch klangmalendes, wortwirkungstärkendes „Getön", teils auch durch Geräuschnachbildung, durch „Hall und Schall". Auf Harsdörffers N a c h wort zu K l a j s „ L e i d e n d e m C h r i s t u s " hat in diesem Zusammenhange bereits W. Kayser ergänzend hinweisen können. Da das Geltungsrecht des Einzelklanges und besonders des suggestivkräftigen Gleichklanges indessen überwiegt, so drängt sich wiederum — ähnlich wie im bildhaften Bereich — die Summierung vor, während eine organische Rhythmisierung von musikalischen Gefügen noch nicht recht überzeugend berücksichtigt wird. Am ehesten verweist in die Richtung der Rhythmisierung noch die Bemerkung in Harsdörffers N a c h w o r t zu K l a j s „ H e rodes", die fordert, daß die rhythmische Gebrochenheit klagender Reden gleichsam das Unterbrechen durch „Ächzen und Seufzen" stimmungsstark wiedergeben soll. Sonst werden durchweg in üblicher Weise metrische Gebilde als Träger und Förderer gewisser Eindruckswirkungen erkannt und aufgeteilt, und zwar in der Weise, daß die Buchner-Art, der Daktylus, zur „fröhlichen Aufmunterung" und für lebhaft bewegte Darstellungskomplexe (ζ. B. wildbewegtes Meer, aber auch
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Gemütsbewegung)
geeignet erscheint, das an sich
vorwiegend
dem Erzählungstypus zugeordnete jambische Metrum doch auch einer „traurigen"
Stimmungslage
sich anpassen soll,
während
anapästische Verse sowohl traurig als auch freudig zu stimmen vermögen, vorzüglich aber dann, wenn die A f f e k t e starke D y n a m i k aufweisen. Doch wird — so etwa im Nachwort zu K l a j s „Herodes" — d i e Ausdrucksfähigkeit des „Kläglichen" wohl auch trochäischen Metren zugewiesen.
Originale Erkenntnisse Harsdörffers liegen
dabei jedoch nicht vor.
Gerade auf sprachlich-metrischem Gebiet
hatte ihm neben Buchner vor allem Schottel, wie er selbst zugesteht, weitgehend vorgearbeitet. nis konnte
manchen
Zugang
Birkens musikalisches Verständerleichtern
helfen.
Meyfarths
„Teutsche R h e t o r i k " vermochte unter Verwertung der humanistischen Tradition (Cicero, Quintilian, Apuleius u. a.) manche Anregimg zu bieten und manches Beispiel zu vermitteln Klangfigiiren
(bes.
des
Wortgleichklanges
bei
für
Sinngeltungs-
verschiedenheit, Paronomasie), teils schon stufungsreicherer A r t , obgleich Meyfarth der Klangmalerei im engeren Sinne noch nicht seine volle Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Die Berücksichtigung der Lautsymbolik
(Klangentsprechung)
konnte bereits von Opitz her verfolgt werden.
Andere Seiten-
und Nebenströme eines Inbeziehungsetzens von L a u t und W o r t bzw. L a u t und Buchstabe hat man (bes. W . Kayser) von Aventins bayrischer
Chronik,
vom
„Begründer
der
Lautiermethode"
Ickelsamer, von den zahlreichen Leselehrbüchern, den Schriftspiegeln
usw.
aus herzuleiten
versucht,
Parallele v o n malender Symbolik
wobei
eine
primitive
(visueller Bereich der
freudigkeit) und klangmalender Symbolik
Sicht-
(akustischer Bereich
der Klangfreudigkeit) selbst in gewissen Bilderfibeln, deren A b bildungen zugleich auf Lautparallelen eingestellt waren, aufgezeigt werden kann.
Auf der sprachgeschichtlichen
Entwicklungslinie
verdient H. Chr. Arnold mit seinem Kunstspiegel der deutschen Sprache (1649) Erwähnung.
Die innerhalb der deutschen Poetik
verlaufende Linie konnte bereits an entsprechender
Stelle bei
der Würdigung der Klangwirkung durch Buchner als eines seiner bedeutsamsten Verdienste
(das Kayser etwas zu unterschätzen
scheint zugunsten der Harsdörfferschen Entwicklungsförderung) verfolgt werden.
A u c h Buchner hatte bereits auf die Rhetorik
Bezug genommen, ähnlich, aber nicht so einseitig beengt wie etwa Titz.
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Harsdörfiers Ausbau, der sich in den Beispielen besonders der Paronomasie auf Meyfarth stützt — teils ohne die Zitate als solche zu kennzeichnen — erstreckt sich auf die Assonanzen, die Lautangleichung und Lautwiederholung, den Stabreim, Binnenreime, Wortspiele und andere Hilfsmittel zur wirklichen oder doch vermeintlichen Steigerung der Klangwirkung und Klangschönheit. Bei alledem kommt der überdies nur unsichere Ausbau der Klangpflege innerhalb der Kunsttheorie Harsdörfiers trotz einiger bemerkenswerter Erwähnungen und Erörterungen im „Trichter" (z. B. I, n o ; II, 9, 16; III, 74) in den Frauenzimmergesprächspielen (z. B. III, 290 f.; 313) und in den erwähnten Nachworten (bes. zu Klajs „Herodes") nicht entfernt die Bedeutung zu wie seinem großangelegten Ausbau der Gleichnispflege, der Sinnbildund Schmuckbildpflege. Die Theorie der Tonfiguren steht beträchtlich zurück hinter der Theorie der Bildfiguren. Daran vermag auch ein Eingehen auf Harsdörfiers Sprachtheorie, wie es G. A. Narziß neben W. Kayser ausführlich bietet, nichts Entscheidendes zu ändern. Denn es muß z. B. doch wieder hinsichtlich der Theorie der Onomatopöie eine recht enge Anlehnung an Schottel festgestellt werden. Dagegen wird man das „heillose Durcheinander" von Klangmalerei und Klangentsprechung in Harsdörfiers Theorie nicht allzu kritisch bewerten dürfen, da dieser Begriffsunterscheidungsversuch W. Kaysers, so dankenswert er an sich auf Klärung dringt, selbst nicht restlos befriedigen kann und notwendig mit behelfsmäßigen Übergängen arbeiten muß. Wertvoll dagegen erscheint der Hinweis Kaysers, daß die mystische Lehre von der Natursprache den Nürnbergern trotz der Zwischenstellung des Briefes Abraham von Frankenbergs „Über der deutschen Sprache Natur und Eigenschaft" (1644) ihrem Grundwesen nach unzugänglich bleiben mußte, wobei P. Hankamer streckenweise berichtigt werden kann. Weit mehr als durch seine theoretischen Bemerkungen hat — neben Klaj, Birken, Zesen u. a. — Harsdörffer durch seine eigene Sprachgestaltung als Dichter die Berücksichtigung klanglicher Wirkungsmittel in der deutschen Dichtung des siebzehnten Jahrhunderts verstärken helfen. Die latente Poetik als Ausdruck des im eigenen Werkschaffen sich spiegelnden Kunstwollens erweist sich demnach in Fragen der Klangpflege als ungleich fruchtbarer als die ausgeführte, beschreibende und anweisende Poetik im engeren Sinne. Daß die Klangpflege im Übereifer
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bewährenden Erprobens deutschsprachlicher Leistungsfähigkeit im Nürnberger Kreise und weit darüber hinaus zu einer Klangspielerei sich veräußerlichte, kennzeichnenderweise auch im nachweisbaren Wettbewerb mit italienischen Vorbildern, entspricht den ähnlichen Ubersteigerungserscheinungen auf dem Gebiete der poetischen Gemälde. Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e L e i t i d e e , die Harsdörffer in einem Briefe an den Fürsten Ludwig von Anhalt (11. März 1642), wenn auch ein wenig in betonter Anpassung an die Ziele der Sprachgesellschaft, hervorheben ließ, daß seine „Gespräch-Spiele" die Jugend ermuntern und ertüchtigen sollten, „als Teutsche Teutsch Zu reden", setzt sich auch durch in jenem Voraussetzen einer Befähigung des Deutschen für klangmalende Effekte („wunderschickliches Vermögen"). Eine ganze Reihe von rühmlichen Wertattributen muß aufmarschieren, um „unsere vollkommene, herrliche, deutliche, vollautende, vernemliche, Kraft- und Safftreiche, wunderschickliche Teutsche Sprache" ins rechte Ansehen zu bringen, das sie auf deutschen Schulen und Universitäten leider noch nicht gebührend genieße. Dieses zähe Vorkämpfertum für Wert und Würde der deutschen Sprache hebt sich immer wieder ab als bedeutsamer Ausschnitt der nationalpädagogischen Bemühungen. Die G a t t u n g s g l i e d e r u n g stellt das Drama als das „Meisterstükk der Dichtkunst" voran, weil sich in ihm die Darstellungskraft „viel beweglicher" auswirkt in der Belebung des „Gemähls" mit Gebärdenspiel, nicht zum wenigsten allerdings auch wegen der größeren Vielseitigkeit in der mehr technischen Kunstfertigkeit, die umspannender als bei anderen Gattungen etwa auch das Szenische zu bewältigen hat (Gespr.-Sp. V, 26). Die aus dem „Trichter" bekannte Dreiständegliederung kehrt wieder als Typusgrundlage, wobei der „König, Fürsten und Herren Ehrenstand" der hohen Form, der „Bürgerliche Haus- und Mehrstand" der mittleren Form, der „Bauer- oder Nehrstand" der niederen Art zugeteilt werden. Interessant ist soziologisch die Unterscheidung von „Freudenspielen" als Vorstellungen durch Berufsschauspieler und „Lustspielen" als Vorstellungen durch Mitglieder der höheren Gesellschaftsschicht („vorneme Herren"), jene um des Gewinns, diese um der „Ergetzlichkeit" willen dargeboten. Die Bezeichnung „Lustspiel" im modernen Sinne erobert sich erst in der zweiten Jahrhunderthälfte ihr Bürgerrecht. Über die Bühneneinrichtung
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und das Theatralische bieten die „Gesprächspiele" manche theatergeschichtlich aufschlußreichen Bemerkungen. Von der Wesensform des Lyrischen vermag Harsdörffer auch hier nichts Tieferdringendes zu sagen, bleibt vielmehr durchaus an der Oberfläche der Reimkunst im weiteren und engeren Sinne haften. Reimvariationen geschickt „anzubringen, ist eines von den vortrefflichsten Meisterstükken der Poeterey". Während er die Lehrgedichte hochschätzt, verraten nur spärlich eingestreute Äußerungen über die Prosaerzählung („Erzählung einer Mär") ein abwehrendes Überlegenheitsgefühl gegenüber Geschichten „ohne Reimgesetze". Völlig sich verschließen vor der bei den romanischen Völkern bereits so reich ausgebildeten Sonderform, völlig ihr Vorhandensein übergehen, kann Harsdörffer innerhalb der „Gesprächspiele" nicht mehr, um so weniger als er sie als eine Art von „Gesprächen" (Rahmenerzählungen oder nur Redeverteilungskriterien?) ansieht. Aber recht wenig wohlwollend streift der Blick diese formlosen Gebilde mit ihrem „süßen Gift" und ihrer „tieff verborgenen Gefahr". Und auch die Schäferromane finden — anders als die Schäferspiele — keine Gnade, da sie teils „unverantwortliche Händel" in ihre Darstellung einzubeziehen pflegen. Doch bieten in dieser Richtung die „Gesprächspiele" einige Ergänzungen gegenüber dem „Trichter". Als durchgängig verfolgbarer Einzelzug innerhalb der Poetik überhaupt begegnet auch in den Gesprächspielen die Unterscheidung von D i c h t u n g und Geschichtsschreibung. Der Dichter kann auch das Wahrheits- bzw. Wirklichkeitsähnliche erfassen: „Der Geschichtschreiber (Historiker) erzehlet den Verlauf seiner Sachen; der Poet gleichfalls, ist aber befugt, allerhand künstliche Umstände beyzubringen". Tiefer ins Wesenhafte und wegweisender ins Zukünftige führt der vielgeschmähte „ T r i c h t e r " selbst mit seinem gerade für jene Zeit ernster Beachtung würdigen Vordringen zur k u l t u r p o l i t i s c h e n Wert u n g s s c h i c h t , wenn er den Motiven aus dem Schicksalsgang des eigenen Volkes den unbestreitbaren Vorrang innerhalb der Motivwahl des Dramatikers zuweist: „Wie nun ein jedes Volk seine eigene Sprache und Sitten hat, also ist auch thunlichst zu der gleichen Vorstellung eine derselben eigene Geschieht zu erwehlen . . . Wir Teutsche sollen Teutsche Geschichte ausdichten und den Italiänern, Spaniern, Engelländern und Franzosen ihre Historien lassen" (Trichter II, 72).
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Der Nationalisierungsvorgang des an sich überstaatlichen Humanismus innerhalb der deutschen Barockpoetik wird hier bereits gleichsam einmal überholt von der zweiten Vorwelle einer volksbewußten Selbstbesinnung auf die eigene Volkskraft, wie sie sich im völkischen Werden der Nationalgeschichte verwirklicht zeigt, und wie sie von einer nicht nur geistesgeschichtlichen, sondern vor allem auch nationalgeist-geschichtlichen Betrachtungsweise erhöhte Beachtimg fordern darf. Der Zugang wird wenigstens im Einzelfalle einmal eröffnet zu einem Sich-Erarbeiten eigenwüchsiger Kulturwerte, das vom bloßen Verarbeiten und Verwerten fremder Anregungen, ob sie nun Erbteil der Alten oder Erwerbszuwachs des Auslandes sein mochten, eigenwegig sich abhebt. Die Antriebskraft der kulturpatriotischen Leitidee im Bereich der Nationalsprache („seine eigene Sprache"), die als beherrschende Grundgewalt alle Sonderstrebungen der Barockpoetik durchregt, ermutigt wenigstens gelegentlich zum Einzelvorstoß vom rein Sprachlich-Nationalen zum Historisch-PolitischNationalen. Doch war es eine bloße Vorwelle, ein Einzelvorstoß, dem vorerst die mitreißende Wirkung versagt blieb. Denn erst auf dem Umwege über die Stärkung des literarhistorischen, also eines teilhistorischen Sinnes (Morhof u. a.) vollzog sich ein schrittweises Erkämpfen des Bodens, auf dem dann die deutsche Bewegung der Herderepoche zielsicherer vorstürmen konnte. Hinsichtlich der zahlreichen Quellen, aus denen die „Gesprächspiele" schöpfen, sind neben Opitz, Meyfarth, Buchner und Schottel auch Franzosen wie Ronsard und Mesnardière (Poetik) zu nennen. Doch sind damalige Abhängigkeiten durchweg fast unentwirrbar reich verflochten. Mit Harsdörffer nicht nur im Gründungsvorgang des Pegnesischen Blumenordens, nicht nur in demselben Jahre 1644 durch gemeinsame Schaffensleistung am „Pegnesischen Schäfergedicht" verbunden, sondern auch in der ganzen Ausrichtung seines Kunstwollens verwandt, bringt Johann K l a j (1616—1656) in seiner bereits oben erwähnten „ L o b r e d e der T e u t s c h e n Poeterey" die k u l t u r p a t r i o t i s c h e E i n s t e l l u n g nachdrücklich zur Geltung. Im feierlichen Rahmen der Kirche hat Klaj diese „Lobrede" gehalten. Und dieser Verlesung vom Oktober 1644, die also auch äußerlich den Charakter der Rede wahrt, folgte 1645 die Drucklegung. Klajs Gönner Joh. Michael Dilherr gab der Schrift ein gereimtes Vorwort mit auf den Weg, das noch einmal
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die Leitidee klar herausstellt, indem es die deutsche Sprache nicht nur den zeitgenössischen Nationalsprachen, wie etwa dem Französischen und Spanischen, sondern selbst den klassischen Sprachen überordnet. Wie sehr die deutsche Dichtersprache „nunmehr genesen / Mit Wunderart-zart-pracht- und mächtiglichem Wesen / Redt unser Klajus aus / der alles zierlich weist". Der Wertanspruch der deutschen Sprache stützt sich für Klaj nicht zum wenigsten auf die geheimnisvolle, gottbegnadete Gabe, die ganze. Erscheinungsfülle in jeder Einzelheit und gleichsam im mystischen Sinne „naturgetreu" erfassen und wiederspiegeln zu können. Etwas stärker vielleicht doch, als W. Kaysers kritische Sichtung des Problems der mystischen Lehre von der Natursprache es gegenüber P. Hankamer einräumen möchte, wäre wenigstens für gewisse Wendungen Klaj s ein wenngleich verdünnter und verflachter Zustrom aus dem Bereiche der Natursprachenlehre anzunehmen. Jedenfalls scheinen einige von G. Fricke erfaßte Prägungen, wie etwa „sonderliches Geheimniß . . also daß man sich über die unausdenkige Klinst, die Gott unserer Sprachen verliehen, wundern muß" in jene angedeutete Richtung zu verweisen, ähnlich wie die Bestimmung „nach Geheiß der innerlichen Eigenschaft" den Sprachausdruck vertieft erfaßt. Doch auch abgesehen von solcher Untergründung bedeutete eine derartig gesteigerte und übersteigerte Bewertung der deutschen Dichtersprache nichts Außergewöhnliches. Hatte doch ζ. B. Joh. Rist bereits 1634 in der Vorrede zu seiner ,,Musa Teutonica" ebenfalls die vermeintliche Vollkommenheit der deutschen Dichtersprache gerühmt und bezweifelt, daß die Alten ähnlich wertvolle Leistungen aufzuweisen hätten. Im Nürnberger Raum der Poetik entfaltet Klaj ähnlich wie Harsdörffer das k l a n g p f l e g e n d e Element im eigenen Produzieren bzw. im wortkünstlerischen Kombinieren stärker vielleicht noch als im Theoretisieren. Aber die Vortrefflichkeit und Vielseitigkeit der deutschen Dichtersprache wird doch auch grundsätzlich nicht zum wenigsten zurückgeführt auf ihre klangmalenden Möglichkeiten. Das bald zeittypische Kennwort vom Gedicht als einem kunstreich „ausgefertigten Gemähld" trägt in der „Lobrede der Teutschen Poeterey" starken Akzent und greift das b i l d p f l e g e n d e E l e m e n t auf. Und das Attribut „lebendig" fehlt ebensowenig wie die Vorstellung von einem mit Wortfarben ausgestrichenen Redegemälde, das gleichsam vor den Augen
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des Lesers auf dem Papier entworfen wird und „uns aus dem Papyr zuspricht". Wenn Klaj einmal — jenseits der „Lobrede" — auf Buchner als den „Urheber der Dactylischen Lieder" hinweist, so bestätigt das zunächst einmal die Vorliebe für ein zeitübliches Erwähnen Buchners im Zusammenhange mit der Buchnerart. Darüber hinaus aber fühlte sich Klaj, wie mehrfache Äußerungen ablesen lassen, anfangs als Schüler Buchners, um sich dann erst — etwa seit 1644 — Harsdörffer näher anzuschließen. Der Sondertypus der Rede umgrenzte von vornherein die recht lebendigen Ausführungen Klaj s vorerst einmal dem Umfang nach (knapp 30 Seiten), und der Sondertypus der Lobrede begrenzte zugleich in gewissem Maße die Reichweite der eigenen Gedankengänge und bot mancher fremden Anregung willig Raum auch jenseits der Zitate. Denn der Lobredner der deutschen Poeterey will kaum eigene Zielsetzungen oder unmittelbare Einsichten und scharf herausgearbeitete Ansichten vom Dichterischen bieten, über die er zudem schwerlich verfügte. Er will vielmehr in gedrängter Darstellung alles zusammentragen, was zugunsten der deutschsprachlichen Dichtkunst sich damals sagen ließ. So nimmt er die Wertbeweise und Bewährungserweise, die Begründungen und Belege, wo immer er sie findet. Und er findet die wertbetonenden Akzente, die seine Themastellung fordert, für die Herausarbeitung des „fast" göttlichen Ursprungs der Dichtkunst und ihre Würde vor allem bei Buchner, für das ehrfurchtgebietende Alter und den Wert der „teutschen" Dichtersprache, aber auch die kultur- und literarhistorischen Belege vor allem bei Schottel, für die ästhetischen Wertbestände vor allem bei Harsdörffer (unter Beimischung Schottels und Buchners) und für die Abwehr einer Mißachtung deutscher Dichtersprache („Aristarchus"), die Abwehr des Lügenvorwurfs, die Werthaltigkeit der Dichtkunst als Sammelbecken aller Wissenschaften sowie den Rückverweis auf die altdeutschen Dichtungen wohl vor allem bei Opitz. Die Sonderforschung (A. Franz) glaubt sogar nachweisen zu können, daß ζ. B. die Benennung „Lobrede" auf die Untergliederung der zehn „Lobreden" in Schottels „Teutscher Sprachkunst" (I. Buch) zurückginge (wie ja bereits die Schreibweise „teutsch" über Buchner fort auf Schottel verweist), daß Klaj s Einteilung in „Denckzeiten" (Epochen) Schottels „Teutschen Sprache Einleitung" (1643) entnommen sei und daß sich im Gesamt etwa die Hälfte der Lobrede als „sichere Entlehnungen" aus Buchner,
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Schottel, Opitz u. a. feststellen ließen. Harsdörffers Einwirkung dagegen scheint etwas vernachlässigt worden zu sein. Wenn trotzdem Klajs „Lobrede" ein eigenes Gesicht zeigt, so deshalb, weil sie mit beschwingtem und ausschmückendem Dichterwort und Rednerwort alle jene verstreuten Glanzlichter wirksam sammelt, zwar in der Brechung der Mittelbarkeit, aber mit dem warmen Willen, nationalpädagogisch etwas zu bewirken, und wenn es nur dies wäre, daß das „in letzten Zügen ligende Teutschland", das scheinbar sterbende Deutschland des Dreißigjährigen Krieges wenigstens kulturpolitisch würdiger und „gelehrter absterbe". Gerade auf diesem düsteren Hintergrunde großen Zeitgeschehens hebt sich die nationalgeistgeschichtliche Bedeutung der „Lobrede" Klajs, deren wahrer Wert nicht quellengeschichtlich und stofigeschichtlich und geistesgeschichtlich und vollends nicht durch Borinskis teils auch sachlich entstellende Verächtlichmachung jenes nationalen Eifers erfaßt und ausgeschöpft werden kann. Es ging Klaj im ersten und ernstesten Betracht darum, die „Wunderkräfftige, Wortmächtige und Qwelreiche Sprache" der Deutschen in der Bewährung als Dichtersprache zu preisen, aber auch sie weiter zu heben, damit sie den frühen und wertvollen Bemühungen Luthers, die warme Anerkennung finden, würdig bleibe. Denn Klaj bewahrt sich bei allem Lobreden dennoch die kritische Einsicht, daß die deutsche Sprache trotz ihres teilweisen Aufstieges noch nicht die Höchstleistung der Vollkommenheit erreicht habe. Er will also nicht nur anerkennen, sondern zugleich anspornen. Und auch der erhöhte Einsatz ästhetischer Wirkungswerte dient diesem Endzweck. Zwar mag jener Bewertungsumschwung am Ausgang der Lobrede anfangs ein wenig überraschen. Indessen hat sich Klaj in seiner Polemik gegen die zunehmende Überfremdung, in jenem erhitzten Kampfgange gegen „diese Sprachverirrung und Verwirrung" auf der letzten Teilstrecke seiner Rede offenbar freigekämpft von der Beklemmung, etwa durch ein unverhülltes Darstellen der wirklichen Lage deutsche Dichter zu entmutigen. Und hat er vorher ein wenig bewußt grelle Glanzlichter aufgesetzt, hat er vorher ermunternd viel Farbe gegeben, so bekennt er nun Farbe: ,,Dann, die Wahrheit zu bekennen, ist hierinnen das wenigste geschehen in Erachtung dessen, was noch zu thun ist und gewißlich beschehen (sie!) wird". Die Art dieses Bekennens, „daß wir in der edlen Verskunst so lässig gewesen", stellt klar.
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daß Klaj ein bloßes blindes Verherrlichen durchaus fern lag, daß er einsichtig genug war, die zeitgegebenen Unzulänglichkeiten zu sehen, aber auch, daß er zuversichtlich genug war, eine würdige deutsche Dichtkunst zu erhoffen und zu erstreben. Man spürt es diesem Schlüsse an, daß der Schwung der Begeisterung keine billige Überschwenglichkeit war, sondern eine in ihrer Art tapfere Gegenwehr gegen jene Stimmung des „sterbenden" Deutschland, wie sie in der Einleitung anklingt, ein kulturpatriotischer Protest gegen den drohenden Untergang Deutschlands am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Daher das Aufgreifen jener Überlieferungen aus Tacitus, aus Aventinus, Goldast und Bernegger. Daher das Ausmalen des ehrfurchtgebietenden Alters deutscher Dichtkunst und das Aufrufen zu einer Verpflichtung, die sich für die Gegenwart ergab sowohl im Zurückblicken auf das, „was Gott durch eure Vorfahren auf euch gebracht", als im Vorausblicken auf das, was die Zukunft erwarten durfte. Und so sucht er im Sonderbereich der Dichtkunst den jungen Studenten die Muse der „Poeterey" begehrenswert zu machen als „eine wunderschöne blühende Jungfer, welche gantz verzükket mit uneingeflochtenen fliegenden Haaren, lieblichen Augenblikken in eine Laute singet". Oder den jungen Kriegern, den „unverzagten Kriegshelden", indem er die Poesie als eine helmgezierte „großmütige Fürstentochter" vor sie hinstellt, die auch den Lorbeer des Kämpfers gewinnen hilft. Denn bei allem sichtfrohen und klangfreudigen Ausschmücken der Lobrede geht der Grundsatz nicht verloren, die Dichtkunst zu rechtfertigen in ihrer Sinnerfülltheit und ihrem Bewirken vor der Wissenschaft, die sie ja zugleich einschließen soll (Rechtfertigung vor der humanist. Gelehrtenbildung), wenn sie die studierenden „Jünglinge bey der Hand fasset" und „durch die Blumenreichsten Auen der Wissenschaften führet", vor dem Staate und der Nation, wenn sie und weil sie Fassung, Festigkeit und heroischen Antrieb spendet, wie sie denn selbst „den weichen Menschen in einen rauhen Felsen" verhärtend wandelt, „daß er keine Gefahr mehr scheuet". Und die Rechtfertigung vor der Religion, an sich weniger stark ausgeprägt als etwa bei Birken, Masen, Moller, Hadewig u. a., schwingt doch mit im stolzen Sichbekennen zu Luthers religiösem Dichtertum und seiner Leistung für die deutsche Dichtersprache. Die von der Dichtkunst zum Einsatz gebrachten Mittel jedoch
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sind, soweit es damals überhaupt möglich war, ästhetisch gesehen. Luther ζ. B. hat „Lieblichkeit, Würde und Beweglichkeit in unsere Sprache gepflantzet, alle rauhe knarrende Wörter ausgemustert, hingegen dero Vermögen mit allerhand anmutigen Gesängen und geistreichen Liedern bereichert" (S. Ii.) Die deutsche Dichtersprache ist wertvoll, weil sie sowohl malerisch als auch klangmalerisch wirken kann: , , . . . sie sauset und brauset, sie rasselt und prasselt . . . sie brüllet und rüllet, sie gurret und murret . . . sie girret und kirret . . . und tausend anderen Stimmen der Natur weis sie meisterlich nachzuahmen" (S. 18). Nicht der Reimzusammenklang allein verbürgt die Schönheit. Denn das „ist das geringste, sondern es muß das Gedicht voller Kern, Geist und Feuer seyn, daher dann unser Dicht- und Verskunst (Klaj sagt nicht : Ticht- und Reimkunst) viel hefftiger der Menschen Sinn und Gemüt durchdringet als einig andere" (S. 13/14). Der G e l t u n g s w e t t s t r e i t mit dem A u s l a n d e , der wie hier mehrfach die Lobrede belebt und ihre Grundeinstellung bestimmt, führt wiederum nicht zum wenigsten ästhetische Vorzüge ins Treffen: die „Reinigkeit", die „Zier" und „Pracht", die bereits zum barocken Schmuckwillen hindeuten, alles zugleich Tugenden, die aus dem Charakter der Jungfräulichkeit und Unberührtheit der deutschen Dichtersprache abgeleitet werden. Weiterhin: die geheimnisvolle Ausdrucksfähigkeit der „Teutschen Stammwörter", gleichsam von sich aus „die Härte und Gelinde, die Eile und den Verzug, das Hohe und das Nidrige, ja das Sterben und das Leben, die Lust und Unlust" im Ausdruckswert zu vermitteln kraft ihres dem Dichter von vornherein gegebenen Grundbestandes. Erfährt einerseits die B e g a b u n g s b e w e r t u n g von dieser teilästhetischen Einstellung her eine etwas gefühlsbetontere Färbung, so bleibt doch andererseits die Stützung auf die Alten bestehen und darüber hinaus ein enger Anschluß an Buchner (und damit mittelbar an Plato) gerade in den Äußerungen über die „himmlischen Einflüsse" nachweisbar. Und da die Poesie „alle andere Künste und Wissenschafften in sich hält", muß der Dichter „ein vielwissender, in den Sprachen durchtriebener und allerdinge erfahrner Mann seyn", d. h. die Schulung ist schlechthin unentbehrlich. Kunstdichtung setzt Bildung und Wissen neben der Erfahrung voraus. 7
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Die unmittelbare Nachwirkung der Gesprächspiele wird gerade auch in ihrem Hinübergreifen auf das Gebiet der Poetik bis in weniger bedeutsame Verzweigungen der Zeitpoetik hinein erkennbar. So etwa bei A l h a r d u s Moller, dessen „Tyrocinium Poeseos Teutonicae, das ist: Eine kunst- und grund-richtige E i n l e i t u n g zur D e u t s c h e n V e r ß - und R e i m k u n s t " (1656) in dem knappen allgemein gehaltenen Eingangsteil auf das 151. Gesprächspiel des „teur-edlen" Poeten „Georg Filip Harsdorfer" Bezug nimmt. Und zwar sucht Mollers ausgeprägt c h r i s t l i c h - m o r a l i sierende L e i t i d e e , die überall die persönlich gehaltenen Rahmenbemerkungen mit feierlichen, barock aufgestellten Anrufen an Gott durchdringt, Stützung in Harsdörffers Umschreibung der Poesie „als eine keusche Jungfrau, welche alle Unreinigkeit hasset". Moller, der an Vorbildern und Gewährsmännern Opitz, Rist, Buchner, Zesen, Harsdörffer, Schottel, Tscherning („Thserning") und Klaj anführt, es auch — etwas beiläufig — begrüßt, daß „unsere deutsch-adliche Heldenspraach zu mehr und mehrer Vollkommenheit" nicht nur durch die Dichter, sondern auch durch Gelehrte wie Mediziner, Philosophen u. a. emporentwickelt sei, zielt indessen in dieser streng christlichen Richtimg mehr auf Birken als auf Harsdörffer. Hinsichtlich der Verskunst (Metrik) zwar, die ja das Kernthema seiner Schrift stellt, beruft er sich auf Zesen und dessen „anleitung hochdeutscher Reimbander", wie er denn sein nahes und achtungsvolles Verhältnis zu Zesen auch insofern hervorhebt, als er „Herrn Caesius, als welches Schüler ich mich erkenne", nicht irgendwie vorgreifen möchte. Soweit er jedoch grundsätzliche Fragen der Poetik berührt, was im Rahmen seiner Verskunst nur einleitend und beiläufig geschieht, herrscht das christlich-moralische Wertungskriterium im Sinne Birkens vor. Sein Bedauern darüber, daß die Dichtkunst vom Dienst am Religiösen ins Weltliche abgeglitten sei und seine Abwehr des Mißbrauches der Dichtung zu „vielen leichtfertigen und den Christen nicht ziemenden Gedichten" verweisen eindeutig auf eine Rechtfertigung der Dichtkunst vor der Kirche. Im keimhaften Ansatz zu einer religiös gestimmten und vom Religiösen her bestimmten B e g a b u n g s b e w e r t u n g prägt sich eine Birken wesensverwandte Haltung aus, die indessen ebensowenig wie bei Birken zu einer wirklichen Entfaltung einer göttlichen Schöpfungskraft führt. Wohl muß der Dichter vor allem gottbegnadet und gotterleuchtet sein „durch die Gnaden Weißheit
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-straalen", und durch „ein von Gott im Hause des Verstandes angestekktes Gnaden-Vernunfft Licht", wohl findet auch im Sinne der natürlichen Begabung die „Natuhr Gnade und zufliesung" Berücksichtigung. Aber derartige Vorstellungen, die überdies ähnliche formelhafte Wendungen bevorzugen, gewinnen so wenig festen Bestand und Eigenwert, daß sie ohne weiteres diesen Kräftegruppen der Gottbegnadung (christliche Übertragung des furor divinus) und Naturbegabimg die übrigen V o r a u s s e t z u n g e n bei- und nebenordnen, so das Erfahrensein und Belesensein „in vielen, so wol Himmel als Erd-beliebigen Wissenschafften", die Sprachenkundigkeit und nicht zuletzt die Beherrschung der Verskunst. Dennoch verdient angesichts der geringfügigen Abstufungen, auf die man im siebzehnten Jahrhundert hinsichtlich der Begabungsbewertung angewiesen bleibt, schon der Umstand einige Beachtung, daß die konventionell übernommene Lehre vom furor divinus eine belebende Übertragimg ins religiöse Erlebnisbereich der eignen Gegenwart erfährt. Aber es reicht nicht aus, eine neuartige Grundauffassung vom Dichterischen zu bewirken, ganz abgesehen von der fehlenden Muße zur Vertiefimg; denn nach fast zeittypisch wirkender Art nimmt auch A. Moller die Entschuldigung „eilfertigster abfassung" seiner Metrik in Anspruch. So begnügt er sich damit, die Dichtkunst letzten Endes nur wie alles andere ebenfalls auf Gott als Quellkraft hin auszurichten. Selbst für die Metrik wird dieser verklärende Schimmer aus religiöser Lichtquelle bezogen. Und zwiespältig genug mischt sich die,,Vernun£ft" in dieses religiöse Gefühl. Das wird gerade dort spürbar, wo Moller einmal über den Rahmen seiner Verslehre hinaus das V e r h ä l t n i s von E r f i n dung und F o r m u n g mit Hilfe der üblichen Abteilung in „Dicht- und Reim-Kunst" vornimmt. Der Wert der Erfindungen wird nicht geleugnet. Nur reicht die Erfindungsfähigkeit allein zum echten Dichtertum nicht aus, wie Mollers Gegenwartsstolz im kritischen Zurückblicken auf „Hans Sachsen" und ältere Dichttungen wie den „Theurdank" und die „alt-gesetzten Comm- und Tragoedien" feststellen zu dürfen glaubt. Nicht diejenigen verdienen schon den Dichternamen, „die zwar den Geist jhres Verstandes durch die Flügel der Vernunfft über die gemeine ersinnungen tragen und in wol nachdenkbahren einfallen glükkselig erfunden werden; dennoch aber keinen einfluß der Natuhr (Begabungsansatz), dieselbe Poetisch darzustellen, spüren und empT*
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finden können". Indessen vergißt A. Moller trotz seiner themagemäßen Einstellung auf metrische Formfragen nicht die Bedeutung der Erfindungen: „Alldieweilen aber von einem Poeten nicht allein (!) die lieb- und zierliche einkleidung der Wort-Glieder erfodert" werden. Und zwar schreibt er die Erfindungsgabe jenem von Gott entzündeten „Vernunfft-Licht" zu. Der echte Poet muß sowohl erfindungsfähig als auch formungsfähig sein, muß „mit beiderseits Gnaden-Gaben blühen und außgerüstet stehen". Wenngleich also A. Moller im Bezirk seiner „Einleitung zur Deutschen Verß- und Reimkunst" naturgemäß besonders nachdrücklich die Bedeutung der Formtechnik hervorhebt, so muß doch klargestellt werden, daß er daneben den Faktor der Erfindung nicht außer acht läßt. Wohl aber behält — vom Einzelfall Moller ganz abgesehen — der Inventio-Begriff der Barockpoetik manches von dem entsprechenden Begriff der lateinischen Rhetorik im Rahmen der Nachwirkung Ciceros und Quintilians. Der Schulung und Wegweisung in metrischen Formfragen will seine „Einleitung . . . " dienen, die eben keine D i c h t - und Reimkunst sich nennt — wie sonst die eigentlichen Poetiken — sondern nur als Metrik sich darbietet, und zwar „besonders der studierenden Jugend zum dienst und auffnehmen". AlsWertkriteriumfür die Formgebung werden ablesbar die Wertattribute der „süßklingenden Harmonía vieler zierlich-eingefügten Wort-Glieder, mancher art von herrlich- und vernünfftigen Red-arten leuchtende" Gebilde, „Anmut und Liebligkeit", „außtrükkligkeit im lesen und angenehmer Liebligkeit im hören". Bevorzugt wird, was „süßerklinget". Überhaupt steht die „Liebligkeit" des „anmutigen wol-lauts" merklich hoch im Ansehen. Als Ideal gilt die Wirkenseinheit, die „so wol liebliche außrede als zierliches lesen" ermöglicht und verbürgt. Eine Lockerung der Bindung an die metrischen Arten wird insofern zugestanden, als „ein poetische macht und Freiheit" das Recht hat, eine Verschmelzung der abgegrenzten metrischen Arten vorzunehmen, doch so, daß die Wirkung „wol-klingend" bleibt.
Religiöse Umschränkung Die gerade auch in neueren Sonderuntersuchungen immer klarer sich ausprägende Bedeutung Harsdörffers mit gebührendem Nachdruck hervorzuheben liegt um so mehr Veranlassung vor, als er zugleich manches von dem vorweggenommen hatte, was
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man gelegentlich noch dem Jesuitenpoetiker J a k o b M a s e n (Jacobus Masenius) als Verdienst zuzuerkennen pflegt, nicht zum wenigsten auf dem Gebiet einer verhältnismäßig bühnennahen Theorie des Dramas. Dennoch wird die nachhaltige Zeitgeltung von Jakob Masens umfassender Poetik „Palaestra eloquentiae ligaiae" (Köln 1654), deren drei Teile in zahlreichen Auflagen erschienen, nicht unterschätzt werden dürfen. Ihre etwas eingehendere Würdigung ist daher erforderlich, um so mehr als sie eine ausgesprochene Barockpoetik darstellt, wie denn auch jenseits der Ordensdichtung und Jesuitenpoetik und selbst in protestantischen Bezirken noch in der späteren Entwicklung der Poetik vielfach auf Masenius als angesehenen Gewährsmann zurückgegriffen wird, man also seinen Beitrag als ein bedeutsames Eingreifen in die Entwicklung empfunden hat. Genauer gesagt: seine Beiträge; denn fast mehr noch als die eigentliche Poetik wirkte Masens „Ars nova argutiarum" (Köln 1649), die nicht nur für die Entfaltung der Epigrammtheorie und der Epigrammdichtung, wenngleich hierin ihre vorherrschende Absicht lag, bestimmt war, sondern weit darüber hinaus dem lebhaften Bedürfnis des siebzehnten Jahrhunderts nach Erbohrung von vermeintlich auffindbaren Quellen (fontes) des Scharfsinnigen und Geistreichen entgegenkam. Und ein anderes, wohl ebenso lebhaftes Bedürfnis des Jahrhunderts, das Bedürfnis nämlich nach sinnbildhaften Werten, nach Symbolik, nach Abspiegelung irgendwelcher verborgenen Bedeutungen, nach hintergründigen und untergründigen Sinngeltungen von Emblemen, mythischen Metaphern, selbst allerlei krausen Bedeutsamkeiten der Heraldik usw. wurde in offenbar sehr erwünschter Weise (mehrfache Auflagen) erkannt und befriedigt durch den „Speculum imaginum veritatis occultae" (Köln 1650). Wie die „Ars nova argutiarum" neben Wesensbestimmungen des Epigramms zum Auffinden der Einfallquellen anleitete, so wurde der „Speculum imaginum" als weitausladendes Handbuch, das natürlich auch jesuitische Interessenbezirke besonders bevorzugte, selbst zur Quelle und Fundgrube für sinnbildhafte Ausschmückungswerte. Zugleich aber muß klargestellt und bei der Einreihung Masens stets bewußt gehalten werden, daß hier eine lateinisch geschriebene Jesuitenpoetik vorliegt, daß sie in dem Bereich steht, den eine ältere wissenschaftliche Würdigung mit merklicher Wärme als „das internationale Lateinreich der Gesellschaft Jesu" bezeichnet.
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Damit ergibt sich trotz seines persönlich mehrfach bekundeten nationalen Empfindens für die hier allein zu würdigende und zu wertende Leistung des Poetikers und Kunsttheoretikers Masen eine weitreichende A u s s c h a l t u n g der kulturpatriotischen Leitidee. Denn unter kulturpatriotischer und kulturpolitischer Leitidee muß in diesem Zeitausschnitt der Geschichte der deutschen Poetik alles das begriffen werden, was an Bemühung um eine deutschsprachliche Dichtung von der Poetik her unternommen worden ist, um die Eignung der deutschen Sprache selbst für die Höhenform der Sprachleistung überhaupt, für die Dichtkunst, zu erhärten und zu fördern. Alles das aber scheidet für Masenius von vornherein aus. Denn er schreibt nicht nur eine lateinische Poetik, sondern auch für eine neulateinische Dichtkunst, die er selbst pflegte. Seine Poetik steht dementsprechend bereits ihrer ganzen Anlage und Absicht nach in einer wesentlich anderen Traditionsreihe. Wie er in seiner Vorrede „ad lectorem" sich auf Scaliger, Donatus, Vossius beruft, nicht aber auf Opitz oder Titz oder Schottel oder Harsdörffer, so läßt er auch die deutschsprachliche Poetik und die deutschsprachliche Dichtung, um deren Entwicklung es doch gerade ging und gehen mußte im siebzehnten Jahrhundert, naturgemäß und themagemäß völlig außer Acht. Und wiederum gilt seine Schulung und Anweisung zur Kunst der gebundenen Rede nicht der deutschen Sprache und Rede, sondern der lateinischen Sprache und Rede, wie auch jenseits der Poetik seine „Palaestra oratoria" (Köln 1659) eindeutig bekundet. Wenn also, geistesgeschichtlich gesehen, die Einwirkung Anerkennung fordert, die dennoch von dieser Latein-Poetik (zur Förderung neulateinischer Dichtung) ausgehen und auf die deutsche Poetik übergreifen konnte, so muß vom nationalgeistgeschichtlichen Standort festgehalten werden, daß die Poetik des Masenius nicht auf eine Förderung deutscher Dichtung und deutscher Dichtersprache eingestellt war. Das bedeutet jedoch in einer Epoche zähen deutschen Wettbewerbs mit der nationalsprachlichen Dichtung anderer Völker notwendig eine Hemmung dieses Wettbewerbs, eine Hemmung durch Zurückschrauben der Entwicklung auf „das internationale Lateinreich". Daß für den allgemeinen geistigen Wertbestand Deutschlands auch die neulateinische Dichtung in Anspruch genommen werden könnte, machte späterhin noch B. Neukirch in seiner Abwehr des Vorwurfs Bouhours', und zwar gerade
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mit Bezug auf die Jesuitendichtung geltend. Indessen zielte doch eben die beherrschende Auftriebskraft der deutschen Barockpoetik ab auf ein Empordrücken der deutschsprachlichen Leistung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, auch mit Mitteln, die unserem entfernten Gegenwartsgeschmack nicht mehr recht verständlich sind. Und von dieser bei allen Unzulänglichkeiten im einzelnen doch im ganzen großartigen Auftriebskraft zeigt sich Masenius nicht ergriffen. Würde man als Ausweg die Bezeichnung : nationale Humanismus-Poetik suchen, so würde man doch wiederum den Typus, der ausgeprägt barock wirkt, nicht treffen. Die Mittellösung — wie G. Müller — von einem „Barockhumanismus" zu sprechen, wird am ehesten der Zweiseitigkeit von humanistisch-klerikaler Haltung in Masen gerecht, läßt jedoch gleichzeitig die Gebrochenheit im bildungsmäßigen und weltanschaulichen Überschneidungsvorgang offen zutage treten. Die humanistische Bildungsschicht nämlich wird sehr bald von der c h r i s t l i c h - m o r a l i s c h e n L e i t i d e e durchstoßen (I, Kap. 7), nicht zum wenigsten in der laufenden Auseinandersetzimg mit der antiken, als heidnisch empfundenen Mythologie. Dort wo Masen die Mängel moderner (neulateinischer) Dichtkunst kritisch überprüft, um an den negativen Merkmalen des Verweisens mittelbare Antriebskräfte zum positiv zielsetzenden Hinweisen und Anweisen zu gewinnen, glaubt er ein wesentliches Verfehlen der rechten Richtung bei neueren Dichtern zu erkennen, wenn sie ohne das gebotene Verantwortungsbewußtsein gegenüber ihrer christlichen Religion den Fabelbestand der Alten übernehmen und dergestalt Profanes mit Heiligem vermengen, wenn sie Apollo und die Musen anrufen usw., „non secus ac sicum antiquis delirarciü". In gewissem Grade erwächst aus einer solchen herben Vermahnung etwas wie eine Anregung zum Sichbesinnen auf das eigene Erschaffen. Jedenfalls entzieht Masenius denen, die sich einer derartigen Mißachtung ihrer Verpflichtung zu einer christlichen Haltung schuldig machen, das Recht zum Tragen des Dichternamens: „Ego vero tales Poëtarum nomine indignos censeo, qui aliorum sigmenta recantare, quam suo ipsi ingenio malunt procudere; certe, ut aliquando Poetice, Christiane tarnen loqui parum videntur. De hoc malo curando infra agendum prolixius" (I, 16). Damit kündigt Masen von vornherein an, daß er auch in den weiteren Teilen seiner Poetik ein ausgeprägt c h r i s t l i c h e s W e r t u n g s k r i t e r i u m festhalten will. Es geschieht dies nicht
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überall mit der Starrheit Birkens, aber mit derselben Beharrlichkeit. Soweit mit Nachsicht eine Einmischung von mythologischen Gestalten, und zwar am ehesten noch innerhalb der leichteren Gattungen vorwiegend komischer Art, geduldet werden kann, muß der Dichter sich stets gegenwärtig halten und auch für den Leser und Zuschauer klarstellen, daß es sich dabei nicht um Götter handelt und um Göttliches, sondern um personifizierte Elemente (ζ. B. „ut chloris pro florum natura", I, 26), um bloße dichterische Fiktionen, um erfundene Gestalten, die bestenfalls Naturkräfte, nicht aber die göttliche Macht in sich einschließen dürfen. Die humanistische Imitatio der antiken Göttergestalten wird nachdrücklich verworfen. Eine dergestalt oppositionelle Grundhaltung, wie sie für den Jesuiten von vornherein naheliegen mußte, hindert seinen wissenschaftlich und schulmäßig belehrenden humanistischen Eifer, der sich vielfach mit dem klerikalen Eifer überschneidet, indessen nicht, dem ersten Abschnitt seiner Poetik einen Grundriß der antiken Mythologie als eine im Gesamttitel zudem besonders hervorgehobene Beigabe folgen zu lassen (1,82—146). Möglich, daß er die Vermittlung dieser weltanschaulich heiklen Überlieferungen, die nun einmal nicht gut zu umgehen und zu entbehren waren, lieber selbst übernahm, als daß er für seine Schüler ein Zugänglichmachen von dritter Seite wünschte. Bereits im Grundsätzlichen der allgemeinen Poetik (I. Teil) sichert er die breitere Tragschicht, indem von den sonst beliebig zu wählenden Stoffen das Untugendhafte und Schändliche („res turpes") ausgemerzt wird. Der Z w e c k der D i c h t k u n s t sei gewiß, zu nutzen sowohl als auch zu ergötzen. Aber indem nur solche Stoffe geduldet werden, „quae finem poetices, qui est prodesse simul ac delectare", nicht zerstören, und indem das Ergötzen zielklar von vornherein eingeschränkt wird auf ein ehrenhaft tugendsames Ergötzen, können alle diejenigen des Mißbrauches der Poesie und des Abirrens vom rechten Wege bezichtigt werden, die etwa auch schändliche Dinge in ihren Motivkreis einbeziehen. Und wie Masens merklich auf Überzeugen abzielende Sprachgebung überhaupt das Aufwerfen von Fragen bevorzugt, die teils rhetorischen, teils pädagogisch anregenden Stilcharakter aufweisen, so kann er nun mit mahnenden Gewissensfragen alle derartigen Entartungserscheinungen eifernd bloßstellen, nicht ohne auch die hallende Wucht rednerischer Anklage zum kämpferischen Einsatz zu bringen.
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Und von dieser Tragschicht aus vollziehen sich dann planmäßig die keineswegs vereinzelten Vorstöße auch gegen eine v e r m e i n t l i c h restlose Mustergeltung der Alten. Der klerikal eingestellte Barockpoetiker bemüht sich, wirksame Sprengkräfte in die Fundamente der humanistischen Renaissancebildung hineinzutreiben. Denn es geht um mehr als eine bloße Auflockerung, so klug und behutsam die verfeinerte Taktik jene Sprengkräfte auch anzubringen versteht. Eine Verdichtungsstelle der Polemik gegen das Unehrenhafte und Unwürdige der alten Göttergestalten und ihres Verhaltens bietet besonders das siebente Kapitel des ersten allgemeinen Teiles, wobei Ovids Metamorphosen, aber auch Homers Epen eine entsprechende Kritik erfahren. Schrittweise versucht Masen — ohne noch das spätere Radikalmittel Omeis' anzuwenden — gewisse christliche Ersatzformen einzubürgern. So etwa empfiehlt er für das Epos an Stelle der einleitenden Anrufung der Musen ein Anrufen der hilfreichen Weisheit oder doch christlicher Schutzherren. Soll eine belebende Ausschmückung erfolgen, und sie ist dem barocken Kunstwollen naturgemäß erwünscht, dann darf sie nicht bewirkt werden durch die Verlegenheitslösung der Einführung heidnisch-mythologischer Gestalten, sondern durch Einführung von überirdischen Gestalten aus christlichem Anschauungsbereich. Selbst dort, wo zufällig gerade neun befreundete Ordensbrüder von Masen in einer Freundschaftsode gefeiert werden sollen, verwirft er doch die naheliegende Bezugnahme auf die neun Musen und hält sich an die neun Chöre der Engel als merkliche Ersatzform. Wie im eigenen Kunstschaffen geht sein Streben auch in der Kunstanweisung ständig dahin, dem christlichkatholischen Wertungsprinzip Geltungsraum zu gewinnen. Gelegentlich erfolgen die Vorstöße gegen die „heidnische" Mythologie wohl auch mit Hilfe des W a h r s c h e i n l i c h k e i t s begriffs, der eine verhältnismäßig starke Bedeutung in Masens Poetik zugewiesen erhält und in einem Sonderkapitel des ersten grundsätzlichen Teiles (Kap. 6) eingehende Erörterung erfährt. Der Ähnlichkeitsbegriff Piatos lockert — wie bei Buchner — den Nachahmungsbegriff auf, während sonst Masen durchweg stärker Aristoteles, nicht ohne streckenweise Kritik zwar, sich zuneigt. Entscheidend für den dichterischen Wert und die Wirkung ist das Glaubhaftmachen. Historische Wahrheit im strengen Sinne gilt nicht als unbedingt erforderlich. Dem Dichter
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bleibt das Recht, im Rahmen des Glaubhaft-Wahrscheinlichen auszubauen und auszuschmücken. Hierin liegen die Unterschiede im V e r h ä l t n i s v o n D i c h t e r u n d H i s t o r i k e r , nicht etwa im Gebrauch der gebundenen oder ungebundenen Rede, wie Masen sogleich eingangs mit Hilfe des Aristoteles klargestellt hat. Das Anrecht der freien Erfindung und belebenden Ausschmückung öffnet auch den für die Barockpoetik so bedeutsamen Sinnbildund Schmuckbildwerten neben den Abbildwerten bzw. Ähnlichkeitswerten der Naturnachahmung einen breiten Zugang. Im recht weit gespannten Rahmen des Möglichen und GlaubhaftWahrscheinlichen ist die Bereicherung durch die Metapher erlaubt und — wie weiterhin aus den Beispielen deutlich wird — durchaus erwünscht. Die Abhebung der natürlichen und moralischen Fabel, die bereits das voranstehende Kapitel (I, Kap. 6) vorgenommen hat und die im zweiten Hauptteil der Gesamtpoetik für die Gattungstheorie eine sinngemäße Ergänzung findet mit Bezug auf die Epik, das Zulassen einer Mischform sowie das Unterscheiden von geschichtlicher und gestaltungsgerechter Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Verhältnisses von D i c h t u n g u n d D a t e n t r e u e bieten verhältnismäßig willig der poetischen Entfaltung freieren Spielraum. Dennoch darf nicht verkannt werden, daß für die vollkommene Fabel eine Verschmelzung und Aufgipfelung von historischer Wahrscheinlichkeit und erfindungsmäßig-gestalterischer Wahrscheinlichkeit als das erstrebenswerte Ideal bestehen bleibt. Doch ist dabei zu berücksichtigen, daß in den weiteren Begriff der historischen Wahrscheinlichkeit neben dem Wirklichkeitsgeschehen bereits das Mögliche, die bloße Geschehensmöglichkeit einbezogen worden ist, so daß der Begriff an sich schon recht biegsam den dichterischen Notwendigkeiten nachgibt. Dementsprechend sind auch die Bedingungen, wie sie der dritte gattungstheoretische Hauptteil (Dramatik) der Gesamtpoetik für die Berücksichtigung der historischen Wahrscheinlichkeit bei der Anlage und motiverweiternden Ausgestaltung der dramatischen Verwicklungen aufstellt, keineswegs so streng gehalten, wie es beim ersten Eindruck erscheinen mag. Das barocke Kunstwollen bedurfte einer zu starken Freiheit im Ausladen der Formen und im Ausschmücken, als daß etwa ein Primat der Wahrscheinlichkeit nach Gottscheds Art hätte durchgehalten werden können. Offenbar will jedoch Masens Betonung des
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Wahrscheinlichkeitswertes gewisse Entartungserscheinungen verhindern helfen, teils im kritischen, teils im vorbeugenden Sinne. Zugleich berücksichtigt seine Dramentheorie auch in diesem Sonderfalle die wirklich angetroffenen Bestände im Barockdrama. Das rechte V e r h ä l t n i s von D i c h t e r und Redner vermag naturgemäß eine Poetik, die sich ausdrücklich „Palaestra eloquentiae ligatae" benannte, nicht wirklich zu klären. Gewisse Ansätze zu einer Unterscheidung bewegen sich durchweg in den zeitüblichen Bahnen. Es sollte doch eben auch die lateinische Eloquenz durch die neulateinische Dichtung (etwa im Drama) geschult werden, wie die Anlage der Dramen in teils disputierender Art verrät. Das Dichterische ist stark zum Rednerischen hin verschoben worden. Es bestätigt sich darin die rhetorischrepräsentative Haltung als eine der ausgeprägt barocken Stilgebärden. Weit über Masenius und Vossius hinaus wird die starke Einflußströmung der alteri und der zeitgenössischen Rhetorik auf das Kunstwollen und die Kunstübung des Barock spürbar. Die hohe Bewertung der Rhetorik im dichterischen Wirkungsraum hat bereits G. Müller durch entsprechende Belege aus Harsdörffer, Masen, Anton Ulrich von Braunschweig, Lohenstein und Abschatz nachweisen können. Um wenigstens ein besonders markantes Beispiel der unmittelbaren Wechselbeziehung zwischen Zeitrhetorik und Zeitpoetik herauszugreifen, sei daran erinnert, wie nachhaltig Johann Matthaeus M e y f a r t h mit seiner „Teutschen Rhetorica" (1654) nicht nur auf Harsdörffer einwirkt — wie W. Kayser im einzelnen klarstellen konnte —, sondern auch das Kunstschaffen, besonders mit den sprachlich-stilistischen Gestaltungsforderungen, bestimmen half. Und die Poetiker, die Meyfarth erwähnen, wie etwa Schottel, Harsdörffer, Zesen, Moller, Moscherosch, Schelwig u. a., lassen eben nur jene lebhafte Wechselbeziehung zwischen Rhetorik, Poetik und Stilistik zur gebührenden Geltung kommen, eine Geltung, die in der räumlichen Umgrenzung unserer Darstellung leider nicht eingehender gewürdigt werden kann. Fraglos gründet Meyfarth auf der lateinischen Stilistik. Aber er ist sich doch auch bewußt, daß im Lateinischen — und auch Griechischen — manche Reden „sehr herrlich" wirken mögen, die dagegen „in teutscher Zungen" nicht eine ähnlich vorteilhafte Wirkung hervorbringen könnten, vielmehr unter Umständen geradezu „närrisch" anmuten müßten. In jenen durch die Abhängigkeit von der
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lateinischen Rhetorik und Stilistik bedingten Grenzen zeigt sich Meyfarths kulturpatriotischer Eifer um die Würde und das Ansehen, um die wieder neu entfaltete „Majestät der teutschen Sprache" bemüht. Und indem sich diese Bemühungen nicht zum wenigsten auf die Ausschmückung der Rede (Elocutio) durch Sinn- bzw. Schmuckbild, Figuren usw. richteten, konnte von ihnen für das Kunstwollen des Barock manche als fruchtbar empfundene Anregung ausgehen. Denn damit berührte die „Teutsche Rhetorik" auf verhältnismäßig weiten Strecken den Bereich der damals als dichterisch empfundenen und gepflegten Art der Sprachgestaltung, näherte sie sich den Formungsfragen, wie sie auch, die Poetik so lebhaft beschäftigten. Meyfarths Rhetorik bot zugleich eine der beliebten Fundgruben für schöne Stellen durch ihre reichen (und umfangreichen) Beispiele, wie sie von der Kombinationstechnik der barocken Kunstdichtung allzugern aufgesucht wurden. Für J a k o b Masen indessen konnte nicht die Pflege einer „teutschen" Redekunst, sondern nur die Pflege der lateinischen Eloquenz in Betracht kommen. Die grundsätzliche Bedeutung der Redekunst als Tragschicht der Dichtkunst aber bleibt natürlich für die „Palaestra eloquentiae ligatae" bestehen. Nur muß, wenn etwa Borinski auf ein gewisses Vorbereiten der Weiseschen Richtung durch Masenius hinweisen zu dürfen glaubt, eine bedeutsame Abstufung herausgestellt werden: für Weise war die Dichtkunst eine Dienerin der Redekunst, für Masen war sie im letzten Kern wesenseins mit der Redekunst. Und was Weise unter Rede verstand, deckt sich nicht mehr mit dem, was der Träger barocken Kunstwollens Masenius als die Idealform des Rednerischen ansah. Weise steht schon unter dem Primat der Prosa, teils auch des Prosaischen und selbst Realistischen, so daß Gottsched bedenklich meint, er habe „vielmahls gar zu natürlich geschrieben". Masen vertritt den Primat der gebundenen Rede und der gesteigerten Rede; darüber kann auch seine formale — zudem konventionelle — Unterscheidung von Redner und Dichter nicht hinwegtäuschen. Für ihn deutet diese Unterscheidung nur ein graduelles, nicht ein wesenhaftes Abgehobensein an. Was von der Redekunst graduell abheben soll, eben das Ausstaffierte und „Ausgezierte" der dichterischen Sprache, das hatte ja Meyfarth unbedenklich in die Rhetorik mit hineinnehmen können. So wenig wirksam und wirklich war jene notdürftige
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Abgrenzung. Eine wirksamere Scheidung hätte vielleicht erfolgen können vom B e g a b u n g s k r i t e r i u m her. Aber trotz des verheißungsvollen Satzes der Vorrede: „Raros ad poisin nasci, formati multos" wirkt Masens Begabungsvorstellung in ihren Umrissen unklar, im Kern wenig gefestigt und erweist sich letztlich als ebenso traditionsgebunden wie der Begabungsbegriff bei der Mehrzahl der Barockpoetiker. Die Unsicherheit auf diesem Boden gesteht sein 3. Kapitel unumwunden ein. Und dieses Zugeständnis, dieses Sichrechenschaftgeben über das Schwierige und Unerhellte jener Fragen läßt wenigstens etwas spürbar werden von einem Geheimnisvollen, das dunkel erahnt, aber keineswegs erfaßt wird. Auch nicht ernstlich angefaßt wird. Es wird vielmehr die Verantwortung und Beantwortung jenen berühmten Dritten — die an dieser Stelle der Barockpoetik fast programmgemäß im Hintergründe aufzutauchen pflegen als ferne, im Dämmer eigener Hilflosigkeit nur tastend ergriffene Stützen — überlassen, die da meinen (vgl. Opitz), daß eine göttliche Eingebung mit am Werke sein müsse. Aber weniger noch als Birken versteht es Masenius, etwa über das Religiöse zum Schöpferbegriff zu gelangen. Er scheut diesen Weg wohl auch aus Ehrfurcht vor dem Gottesbegriff, obgleich gelegentlich eine gewisse Parallele (bei der Bestimmung der natürlichen Fabel) angedeutet wird. Und so hoch er auch, renaissancegemäßer Überlieferung getreu, die Begabung einzuschätzen behauptet, ebenso wichtig erscheint ihm doch eine Ergänzung der Anlage und deren Ausbildung durch Anweisung, Regelkenntnis und Schulung, teils durch eine — hinsichtlich der Alten nicht mehr renaissancezeitgemäße, vielmehr durch Schranken der christlichen Weltanschauung begrenzte — Musternachahmung, teils durch Kunstgriffanwendung. Was immer gelegentlich zugunsten der Begabungsbewertung zu sprechen scheint : der Glaube an die Nutzbarkeit der Fontes — z. B. im Bereich des Sinngedichts — beweist schon hinlänglich das Eingestelltsein auf das TechnischKunsthandwerkliche, auf ein künstliches und kunstreiches „Erfinden", das vielfach nur ein Vorfinden (des Themas) oder erziehbares Auffinden war und letztlich logisierend bestimmt bleibt, wie das „Gestalten", das vielfach nur ein Verkleiden, Einkleiden und Umkleiden war, rhetorisch bestimmt bleibt. Der T h e o r i e der G a t t u n g e n hat Masen ganze Hauptteile seiner Poetik gewidmet, die sich bei entsprechendem Umfang dem
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Charakter von Sonderschriften über einzelne Gattungen entsprechend annähern. Hatte er im ersten allgemeinen Teile seiner Poetik bereits mehrfach das Gattungsproblem von der grundsätzlichen Seite aus erörtert, etwa das rechte Verhältnis von Motiv und motivgemäßer Gattung, Stoffwahl und Gattungswahl zu klären versucht, die Abhebung der dramatischen Wirkungsform von der epischen berührt und vor allem durch eine eingehende Analyse von Virgils Aeneis den Werdegesetzlichkeiten und Wirkungsmöglichkeiten des Epos einschließlich des rechten Episodengebrauches nachzuspüren getrachtet, so wenden sich die übrigen Hauptstücke ganz der Gattungspoetik zu. Und zwar handeln die einzelnen Teile von der elegischen, der lyrischen und heroischen (epischen) Poesie (Pars II) und den dramatischen Gattungen (Pars III). Umfassende Beispiele aus eigener Dichtung, so besonders der Abdruck ganzer Dramen und Komödien, schwellen diese Teile beträchtlich auf. Das gesonderte Herausstellen einer eigenen elegischen Gatt u n g (elegiaca poesis) will einer Zwischengattung, aie als zwischen Lyrik und Epik eingelagerte Eigenform empfunden wird, gerecht werden. Zugleich setzt sich bei dieser Absonderung der Elegie das Zuordnungskriterium der stilistischen Gestaltungsstufe und damit im Rahmen der „Palaestra eloquentiae ligatae" eine letzten Endes der Rhetorik entnommene Merkmalsbestimmung durch. Denn die Schreibart und Redeweise der Elegie, deren Unterarten sich in die eigentliche (elegia lugubris) und heitere Elegie (elegia iucunda) und die Versepistel dreifach aufteilen, hat sich auf mittlerer, also nicht heroisch gesteigerter Sprachstilstufe zu halten. Was durch Masens elegische Gattung umzirkt wird, würde etwa als eine Versepik halb lyrischer Art, teils auch als Idyllik und lyrisch beschreibende Dichtung (Naturschilderung) zu bezeichnen sein, wie an Masens beigefügten eigenen Beispielen ablesbar wird. So erklärt es sich auch, daß er an diese im Grundtypus bereits epischen Arten die Gattung der Epik anschließt, um dann erst — recht getrennt von der Elegie — die lyrische Gattung zu würdigen. Grenzformen zwischen Elegie (in Masens Sinne) und Epos sind im „genus physicum", das bereits der Epik zugehört (z. B. der Ekloge) und seiner beschreibenden Haltung ohne weiteres gegeben. Während sich vorerst die Gattung der epischen, heroischen D i c h t u n g (heroica poesis) wiederum durch ein Kriterium der
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Eloquenz, nämlich durch die repräsentative Würde der Sprachgestaltung abhebt, wird doch zugleich in der Bezeichnung und Wertung des Kerntypus als „genus ethicum" das moralische Zuordnungskriterium wirksam, das dergestalt auch in die Gattungsgliederung bestimmend eingreift. Dem entspricht es, weim die Untergliederung ihre Zuordnung vornimmt nach dem Gesichtspunkt, ob tugendhafte oder lasterhafte Taten (z. B. bei der Satire) als episches Motiv gewählt und gestaltet werden. Die Tugendverherrlichung (genus agathethicum) führt zu den Sonderformen des Lobgedichtes und des Heldengedichtes. Und hier greift in Wirkungseinheit mit dem moralischen das ästhetische Kriterium insofern ein, als die „Epopoe" mit ihrer strengeren Beschränkung auf die Handlungseinheit auch vorzüglich eine heldische Großtat in die Zentralstellung zu rücken hat, während die als „Panegyris" bezeichnete Unterart einen weiteren Umkreis heldisch-tugendhafter Lebensentfaltung — fast schon ein wenig romanhaft gelockert — biegsamer umspannt. Bei alledem läßt die barocke Freude am aufquellenden Formenreichtum, bzw. an jenem Scheinreichtum der Ausformung und Ausschmückung auch im Epos heroischer Haltung bereicherndes episodisches Rankenwerk und darüber hinaus das farbige Ausmalen (ornamenta jabulae) durchaus Zu seinem Rechte kommen. Grenzen zieht neben dem Kompositionsgesetz recht eigentlich nur das Gesetz der Wahrscheinlichkeit. Der Duldsamkeit in Gestaltungsfragen steht die Strenge in Fragen der sittlichen Haltung, die einheitlich in die christlich-moralische Leitrichtung sich einfügt, markant gegenüber. Von einer Verherrlichung des erhabenen und tapferen Verbrechers (etwa im Sinne der Geniezeit) rückt Masen entschieden ab. Denn Tugendliebe bleibt das allein würdige Wirkungsziel des Epos. Wenn Heldentaten der biblischen Geschichte nicht als besonders erwünschte Motive des Epos gelten, so nicht deshalb, weil es ihnen an Würde etwa fehlte, sondern weil ihre Heiligkeit den Dichter notwendig sehr eng binden muß, weil sie also gleichsam die dichterische Entfaltungsmöglichkeit durch das Übergewicht der geheiligten Wortwürde erdrücken. Diese Entscheidung des Jesuiten Masenius nimmt manches von dem um etwa ein Jahrhundert vorweg, was dann später von theologischer Seite teilweise recht kritisch gegenüber Klopstocks „Messias" geltend gemacht werden sollte. Jene vorbeugende Mahnung innerhalb der Theorie des Epos lenkt aber
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auch im engeren Umkreis die Aufmerksamkeit auf sich im Hinblicken auf Masens eigenes biblisches Epos „Sarcotis", das auf der Entwicklungslinie kurz vor Miltons „Paradise lost" angesichts verwandter Züge zum Streitobjekt hinsichtlich der Einflußmöglichkeit auf Miltons Epos geworden ist. Masen, der sein biblisches Epos als Beispiel in die Poetik einrückt, verläßt zwar den biblischen Rahmen (durch Einbeziehung allegorischer Gestalten), nicht aber seine alles beherrschende christlich-moralpädagogische Leitlinie. Gegenüber dem hohen Epos heroischer Haltung darf die Ekloge, die mit Liedereinflechtung arbeitet, sich mit der mittleren Stilschicht zufriedengeben. Die Satire muß maßhalten und soll nicht dem Fehler der Alten, den Anstand zu verletzen, verfallen, muß ein gegenwartsnahes Wirkungsziel haben, eine persönliche Zuspitzung jedoch vermeiden. Eine Klarstellung der in der Barockpoetik vielfach herrschenden Verwirrung von Satyre und Satire unternimmt Masenius nicht, obgleich er hinsichtlich der Worterklärung („a satyris" bzw. „a saturitate") eine Ansatzmöglichkeit zur Unterscheidung zur Verfügung hätte. Der Teilabschnitt über die L y r i k (lyrica poesis), der sogleich eingangs den — nicht zum wenigsten durch Herder — bekannten Jesuiten Jakob Balde neben dem weniger bekannten Matthias Casimir Sarbievius (Sarbiewski) rühmend hervorhebt, verrät schon durch seine Einlagerung zwischen Epik und Dramatik die durchweg begegnende Unsicherheit im Erfassen der lyrischen Wirkungsform auch bei Masen, der die Merkmale der lyrischen Dichtung aus einer Art Synthese der elegischen Gattungsattribute und der epischen Würde (suavitas bzw. maiestas) zu gewinnen trachtet. Wenn der pädagogische Sinn Masens tatsächlich die Reihenfolge der Gattungen als ein schrittweises Aufstufen der allmählich schwieriger werdenden Gattungsformen bewußt angelegt haben sollte für den möglichst sicheren Aufstieg des Poeterey-Schülers, so würde in dieser Eingliederung der Lyrik immerhin das Zuerkennen einer gewissen Ranghöhe zum Ausdruck kommen. Jedenfalls weicht Masenius in der Reihenfolge der Gattungen von Pontanus ab. Vom lyrischen Gedicht, das als Ode, aber auch als Anagramm und Gelegenheitsgedicht vertreten ist, wird eine besonders pflegsame Reinheit der Formgebung und eine durch Episodenablenkung nicht zerstörte Geschlossenheit gefordert. Als Muster wird Horaz über Pindar gestellt.
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Das Schwergewicht der Masenschen Gattungstheorie liegt offenbar beim Drama. Doch bestehen über seine Dramentheorie verhältnismäßig aufschlußreiche Darstellungen im Rahmen von Sonderuntersuchungen über die Dramentheorie der Jesuiten, so daß knappe Andeutungen genügen mögen. Die Jesuitendramaturgie, die von der Ratio Studiorum (1594) der Societas Jesu ihre Ansatzrichtung erhielt, entfaltet sich anfangs recht vorsichtig etwa über Delrius' Vorwort zur Seneca-Ausgabe (1593) mit seiner noch verhaltenen Einstellung (Einfluß: Scaliger und Minturno), über Possevino (1593), über Pontanus' wenig selbständige (Anlehnung an Viperanus u. a.), wenngleich einfiußreiche Poetik (1594), um mit Galuzzi und seiner schon deutlicher ausgeprägten christlichen Leitidee, auch im Bewerten der Mitleidserregung, eine bedeutsame Zwischenstufe (1621) vor Donatus zu erreichen. Bei Strada (1617) hatte sich bereits eine Verstärkung der spezifisch christlichen Tendenz besonders in der Motivwahl fühlbar gemacht, und Donatus kann 1631 mit der unverhüllten Empfehlung der Heiligen und Märtyrer als Dramenhelden jene langersehnte Folgerung ziehen, vor der man sich gemäß der behutsamen Taktik des gegenreformatorischen Vorgehens zunächst gescheut hatte. Donat zeigt sich in seiner Gesamthaltung zugleich von A. Riccoboni wesentlich beeinflußt. Erst im zähen, planvollen Vorrücken erzwingt die Jesuitendramaturgie dergestalt die Umgewöhnung von der humanistischen zur barock-klerikalen Sehart. Masen selbst, der vor allem Donat für Deutschland vermittelt und ausbaut, wie er sich denn bereits im Vorwort auf Donatus (neben Scaliger und Vossius) beruft und auch im Sonderabschnitt über das Drama wiederum neben Heinsius den Alexander Donatus („ars poetica", 1631) heranzieht (III, 6) ist in seiner Einlagerung in den hier nur flüchtig überblickten Entwicklungsraum der Jesuitendramaturgie im wesentlichen wohl recht treffend so umschrieben worden: „Im ganzen ist Masens Leistung das Ergebnis einer spanisch-katholischen Religiosität, einer italienischhumanistischen Schulung und eines deutschen systematischen und im praktischen Theaterwesen des Barock erfahrenen Geistes" (A. Happ). Masen, der bereits die Berechtigung des christlich leidenden Helden als gesichert vorfand, kann sich vor allem dem Ausbau der Handlungs- und Fabeltheorie zuwenden, überhaupt der Anlageform des Dramas sich widmen. In der Frage 8 M a r k w a r d t , Poetik ι
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sowohl der Ortseinheit wie der Zeiteinheit, und zwar besonders der Zeiteinheit, räumt er dem Dramatiker eine recht großzügige Freiheit ein, wenn nur der rechte Zusammenhang und damit die Handlungseinheit, die allein werthaft entscheidend ist, gesichert bleibt. Diese Auflockerung der Zeiteinheit (abweichend von Donatus), aber auch der Ortseinheit, wie sie nicht zum wenigsten aus Masens Berücksichtigung des wirklichen dramatischen Brauchtums und Werkbestandes sich erklärt, ist entwicklungsgeschichtlich besonders bemerkenswert, weil Einwirkungen auf spätere Poetiker nachweisbar sind. Im Raum der Jesuitendramaturgie und im Rahmen des Abdrängungsvorganges humanistischer Kräfte durch klerikale Wertungskriterien kann die „ V o r e r m a h n u n g an den L e s e r " der Herausgeber von J. B i d e r m a n n s „Opera comica" (1666) ergänzend herangezogen werden. In Fragen der Zeiteinheit werden dort Bidermann weitgehende Lockerungen (selbst eine jahrelange Geschehenszeit) zugestanden, „mögen auch die Alten es nicht gestatten". Ebenso rechtfertigt das religiöse bzw. konfessionelle Bewirken die freie Abweichung von dem an sich „bewährten Altertum" z. B. in der Aktzahl. Die Respektbezeugung vor der Antike kann doch über die — bereits von G. Müller bemerkten — Loslösungsbestrebungen nicht hinwegtäuschen. Eine gewisse Anpassung an die praktische Kunstübung im Barockdrama — von W. Flemming bereits überzeugend klargestellt — findet in der Dramaturgie zahlreiche Entsprechungen : das Beweglichhalten der Aktzahl (zwischen 3 und 7, Mittel: 5), die Duldung und Befürwortimg von allegorischen Gestalten, die Fürsorge für ein Aufrechterhalten der Spannung (der Prolog darf nicht alles verraten), überhaupt die hohe Bewertung der spannungfördernden Verwicklungen, die Loslösung von den üblichen Aktschlußchören, die regietechnische Wesensbestimmung der Szene, für die das Auftreten der Personen auf der Bühne als Merkmal dienstbar gemacht wird. Im Bereiche des jesuitischen Ordensdramas und Schuldramas kann jene Bühnennähe der dramatischen Theorie nicht überraschen, war doch diese Bühnennähe bereits jenseits der klerikalen Kreise recht wirksam von Harsdörffer (vor Masenius) ausgeprägt worden. Im Hinblicken auf den Jesuitenpoetiker scheint erwähnenswert, daß er nicht nur im bühnenmäßigen Sinne für „Spielraum" sorgt, sondern in gewissem Grade auch im dichterischen Sinne,
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indem er — ähnlich wie beim Epos — gegen rein biblische Stoffe Bedenken erhebt, weil sie im Endertrag des Handlungsverlaufes festliegen, gleichsam geheiligt sind, also die stark betonte Wirkungsforderung der Überraschung bzw. Spannung nicht erfüllen können. Wohl aber mögen biblische Teilmotive als anregende Motivkeime sich zu einer freieren Ausgestaltung eignen, soweit sie in der biblischen Geschichte noch nicht vorgeformt und ausgeformt, also noch nicht unwandelbar verfestigt vorliegen. Masens Klassifikationseifer in der Aufteilung der verschiedenen Arten der dramatischen Verwicklungen usw. zu verfolgen, geht hier nicht an. Vermerkt seien nur seine übrigens nicht originalen Zwischentypen der „Tragicocomoedia" (glücklicher Ausgang) und der „Comicotragoedia" (unglücklicher Ausgang trotz Ansatz zur Komödie), die außerdem beide Mischungselemente der Tragödie und Komödie als Teilkräfte in sich aufnehmen. Der Wert, den er entsprechend barocker Freude am Verschlungen-Verkrampften und Spannunghaitigen den Verwicklungen beimißt, erhellt weiterhin aus den eingehenden Beispielanalysen des praktischen Anweisungsteils, wobei Wege zu einer möglichst vollkommenen Anlage von dramatischen Verwicklungen aufgezeigt werden sollen im Rekonstruieren und Improvisieren des technischen Werdevorganges. Ein umfassender Anhang eigener Dramen und Komödien schließt das einflußreiche Werk ab. Jakob Masens „Palaestra eloquentiae ligatae" läßt sich als eine Hauptausprägungsform der lateinisch geschriebenen und auf die lateinsprachliche Dichtung eingestellten Jesuitenpoetik um die Jahrhundertmitte naturgemäß in die Entwicklungsreihe der deutschgeschriebenen und um eine deutschsprachliche Dichtung bemühten Poetiken nicht wirklich organisch einfügen. Aber ihre Geltung war doch bedeutender als etwa die einer anderen Lateinpoetik der Jahrhundertmitte, die als „Poetica major. Giessae Hassorutn" (1657) oder wohl auch als „ars poetica Giessensiam" bekannt wird, ohne daß der Verfasser genannt worden wäre. Aus Gießen kam auch, wie beiläufig erwähnt sein mag, in demselben Jahr, in dem Masens große Lateinpoetik in Köln erschien, ein von J. Chytraeus verfaßter „Deutscher Poetischer Weg-Zeiger" (1654) auf den Poetikenmarkt. Wenn schon gelegentlich der Vergleichsblick von J. Masen auf S. v. B i r k e n hingelenkt wurde, um anzudeuten, daß eine ausβ·
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gesprochen christliche Bewertungsweise bei beiden vorherrscht, wie abgestuft und unterschiedlich auch immer die Formen des Einsatzes und der Auswirkung sein mögen, so ist in der Tat damit zugleich die tragfähige Vergleichsbasis aufgefunden worden. Eine äußere Verknüpfung, die zunächst einmal unwesentlicher, aber doch keineswegs belanglos erscheint, wird in der Titelgebung „Rede-bind"-Kunst greifbar, mit der Birken merklich der Bezeichnungsweise Masens folgt, hinter der doch auch eine bestimmte Auffassungsweise sichtbar wird. Wie B i r k e n s eigne Vorrede erkennen läßt, ist seine „ T e u t s c h e R e d e - b i n d und D i c h t - K u n s t oder K u r z e A n w e i s u n g zur T e u t s c h e n P o e s y mit g e i s t l i c h e n (I) E x e m p e l n . . . " (1679) im Entwurf schon etwa drei Jahrzehnte vorher entstanden und damals in Form von fünfzig Lehrsätzen in Abschriften bereits um 1650 v e r b r e i t e t gewesen, hat auch auf andere Poetiken in diesen früheren Fassungen eingewirkt und ist daher hier einzuordnen. Was Sigmund von Birkens Poetik die straffe, ja starre Einheit der Anlage verleiht, ist die Geschlossenheit der Gesinnuug, die ausgesprochen theologisch-fromme Grundhaltung, die c h r i s t l i c h m o r a l i s c h e Leitidee,die überall die theoretischen Sonderforderungén richtunggebend bestimmt: „Gegenwärtige Poesy-Anweisung zielet auf den frommen Zweck, daß diese Edle Kunst zur Ehre dessen, von dem sie einfließet (Gott), möchte verwendet werden" (Vorrede). Der ganze „historische" Teil der Vorrede sucht den Vorantritt der „Ebreer und Israeli ten", die „nur Gott zu Ehren Lieder gesungen", vor den heidnischen Griechen zu erweisen, dergestalt daß die Poesie als die Kunst erscheint, die „mit den Gottes-Liedern angefangen". Indem Birken Piatos .göttlichen Ursprung der Poesie christlich umdeutet und auswertet, erscheint es ihm als selbstverständlich und „billig, daß dieser Göttliche Trieb nicht zu ungöttlichen Sachen verwendet" wird. So zeigt sich denn auch an Birken besonders klar der Zwiespalt der Stellung zwischen Nachahmung der Alten einerseits und Abwehr der heidnischen Kunstwelt aus christlichen Vorstellungen andererseits. Die antiken Götter sind für ihn nicht nur Götzen, sondern geradezu Teufel. Und in der Mythologie sieht er eifernd den leibhaftigen Teufel als „Gottes Affe" am Werk, der nur die Bibelpoesie verfälschend nachahmt und ins Sündhafte verzerrt (Vorrede).
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Sinn und Zweck der Dichtung sieht und setzt Birken in Andacht, Gottesverehrung und Tugendlehre, besonders in Form von Heldenverehrung. Klar hebt er die neue Forderung seiner Zeit von der alten ab, besonders markant im zehnten Kapitel, wonach Zweck und Ziel bei den „Heiden" in Nutzen und Belusten allein ihr Genügen finden, während für den recht· gläubigen Christen ein Drittes und eigentlich „Erstes" hinzukommt: „Die Ehre Gottes" und „Tugend-Lehre". Dabei ist entwicklungsgeschichtlich interessant zu beobachten, wie das Tugendprinzip bereits mit dem Glückseligkeitsprinzip (belohnte Tugend) verknüpft auftritt: „Wer mit seinem Buch erbauen will, der muß die Laster bestrafft und die Tugend belohnt beschreiben". Der Unterschied gegenüber der Aufklärung bleibt darin bestehen, daß für Birken natürlich nicht der Vernunftglaube, sondern der Kirchenglaube zu dieser Forderung führte; obgleich Beachtung verdient, daß der Christ die Diesseitsbelohnung in Rechnimg stellt, da er doch auf den Gerechtigkeitsausgleich im Jenseits verweisen könnte. So wird erkennbar, wie früh schon das moralische Bauwerk der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts unterbaut und vorbereitet worden ist. Was als allgemeine Forderung durch einige Kernstellen nachgewiesen wurde, beherrscht dann auch die Sonderforderungen den einzelnen G a t t u n g e n gegenüber, sp der dramatischen Sonderform gegenüber. Einmal schon ganz äußerlich im Um· benennungsvorschlag „da in Comoedien von Tugenden und in Tragoedien von Helden und Heldenthaten gehandelt wird, können jene Schicklicher Tugendspiele, diese Heldenspiele genennet werden"; dann aber auch innerlich: wiederum wird nämlich das alte überlieferte Wirkungsziel der Tragödie „Erstaunen und Mitleiden" als unzulänglich erklärt. Nur „blinde Heiden" konnten sich damit zufrieden geben, haben aber „hierin gröblich und verdammlich geirret". Der Christ nämlich muß verlangen, „daß Gott damit geehrt und der Neben-Mensch zum Guten möge belehrt werden". Erst diesem primären Zweck darf in untergeordnetem Grade das „Belusten" folgen. Dementsprechend sind die heidnischen Götzen zu ersetzen durch allegorische Gestalten, durch Personifikationen von Tugenden und Lastern, ein Ausweg, den Opitz in seiner Nachschrift zur „Poeterey" noch verworfen hatte. Dramatiker und Schauspieler sollen sich stets bewußt bleiben, daß Gott und seine Engel „überall zugegen
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seyen", auch bei der Aufführung, die daher alles zu vermeiden hat, was bei sittsamen Frauen Anstoß erregen könnte und was die Teufel eifrig in ihr Schuldbuch eintragen würden. Ganz selbstverständlich erscheint es Birken, daß bei den heidnischen Tyrannen als Helden eines Dramas das Geschehen notwendig traurig ausgehen müßte, während er für die neueren „frommen Regenten" eine eigene Gattung, die Tragico-Comoedie einführt bzw. empfiehlt, die versöhnlich ende (Tugendbelohnung). Hinsichtlich epischer Formen sei verwiesen auf das obige Zitat und die Forderung von „frommen, unsträfflichen Helden". Selbst die „Straffgedichte" (Satiren) sollen unter Vermeidung gehässiger Schärfe (so bereits Opitz)stets von dem Bestreben zeugen, „andere freundlich zu unterrichten und zu bässern". Bei den Gedichten (Lyrik) werden grundsätzlich (s. Titel) geistliche Beispiele gewählt, also „Gottes-Lieder". Die Hymnen stehen nicht zufällig voran; sie werden geradezu als „geistliche Lieder" umschrieben. Gegen die antiken Götter führt Birken sein laufendes Gefecht erbittert durch. Und über das Christliche hinaus ist auch hier der Blick auf das moralisch Belehrende gerichtet; denn überall muß der Poet „lehrsame Sprüche von Gott und Tugend einmängen". Dagegen sind „unschambare Sau-Verse", etwa zur Hochzeit, streng verpönt (Vorrede). Im Verhältnis von N a t u r g a b e und K u n s t a u f g a b e überwiegt durchaus die Aufgabe, das Lernen-Müssen. Immerhin liegt eine Abstufung vor gegenüber anderen Poetiken. Die von den Alten überkommene, nur beiläufig mitgenommene These vom göttlichen Ursprung wird nach der christlichen Seite hin vertieft (Rückbeziehung: Neuplatonismus-Scholastik). Dort, wo in der Vorrede über die Brunnenpoeten gehandelt und der sagenhafte Glaube, daß die Nähe von Brunnen „den Geist der Poesy eingießen soll", recht belustigend-weltlich damit erklärt wird, daß die Weiber in den ersten Zeiten nackt am Brunnen gebadet und die zuschauenden Männer sich derart an diesem anregenden Anblick begeistert hätten, daß sie kurzerhand angefangen hätten, zu dichten: dort wird doch zugleich dieser Irr- und Aberglaube trotz der recht erdnahen Begründung abgewehrt. In Wirklichkeit nämlich — und deshalb mußte jene Stelle Erwähnung finden — strömt demgegenüber „die Dicht-Fähigkeit" mit der „Feuer-Flut des himlischen Geistes" ein. Der Himmel ist allein der rechte Parnaß, daraus „diese Geistes-Flut erquillet und herabschießet".
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In diesem Sinne bedeuten die Dichter „himlische Spring-Brunnen". Und es verrät die Geschlossenheit von Birkens Zweckbegriff der Dichtung und Ursprung des Dichtens, wenn gefordert wird, daß die Poesie denn auch „wieder gen Himmel steigen und Gott zu Ehren verwendet werden" müsse. Indessen: während jener Zweck einheitlich festgehalten wird, bleibt diese Deutung der Begabung, die metaphysisch-transzendente Reiche so verheißungsvoll öffnete, recht eigentlich auf die Vorrede beschränkt. Birken nutzt jene innere Geschlossenheit nicht aus, sondern läßt sie zugunsten der üblichen Lehrauffassung der Poetik fallen. Der „göttliche Trieb" interessiert ihn nicht weiter, vielmehr nur die Folgerung, daß er nicht zu ,,ungöttlichen Sachen" mißbraucht werden dürfe. Was nämlich sonst über die Naturanlage gesagt wird, weist ganz in die übliche verstandesmäßige Richtung: „mit Einflanzung sowol eines hurtigen Geistes als einer redfärtigen Zunge oder Feder" ist die Hauptvoraussetzung erfüllt. „Scharffsinnig" soll der Poet sein; denn „seine Kunst und das Dichten hat den Namen von Denken". Scharfsinn (Intellekt), Hurtigkeit (geistige Spannkraft und Beweglichkeit) und Redegewandtheit (Technik) gelten als wesentliche Bildungskräfte. Im übrigen geht es doch leichter mit Belehrung; denn der Weg zum Parnaß wird besser gangbar „vermittels eines Wegweisers". Harte Mühe und lange Übung sind erforderlich und diejenigen zu „belachen", die sich wohl gar noch rühmen, ohne Dichtlehre gedichtet zu haben. Immerhin also gab es doch schon — oder noch — solche Regelverächter (vgl. ζ. Β. V. Andreä), wie überhaupt der Geist des Barock natürlich nicht einseitig aus den Poetiken erschlossen werden darf. Ein „fauler Gesell, der das Gehirn nicht anstrengen mag, ein rechtschaffenes Gedicht zu verfärtigen", kann Gott nicht gefallen. Mit „Geist und Andacht" muß vielmehr geschrieben werden, was wieder „Geist und Andacht erregen soll". Im ganzen ergeben sich als Bildungskräfte: Naturanlage, Kunstlehre und Übung. Immerhin geht Birken sowohl auf die Naturanlage wie auch auf den Vorgang des Dichtens selbst näher ein, als sonst vielfach üblich war. Und gemessen an damaligen Deutungsmöglichkeiten, erhebt er sich nicht unwesentlich über den Durchschnitt. Die Hauptvoraussetzungen des dichterischen Schaffens wurden bereits erwähnt. Birken kennt aber schon
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künstliche Anregemittel zweiten Grades, wie vorher diè Humanistenpoetik und späterhin die Schweizer u. a., darunter — recht äußerlich — den Wein: „Es ist ja wahr, daß der Wein die Geister stärket und daher den Poeten wol zu statten kommet" — aber mit köstlich moralisierender Verdünnung — „es folget aber darum nicht, daß man sich voll saufen müsse, wann man poetisieren will" (Vorrede). Als produktionsfördernde Situation gilt die Einsamkeit (stilles Zimmer, Gärten, Wälder, Felder), besonders die Landeinsamkeit (Schäferpoesie, aber doch leichte Berücksichtigung eines wenn auch groben Stimmungsfaktors). So wird denn auch das Aufgelegtsein berücksichtigt, wobei allerdings das Spontan-Impulsive verworfen wird zugunsten des langsam Gewordenen und Gemachten; denn was schnell entsteht, vergeht auch bald (typische Gelehrtenauffassung). Überhaupt sind die bisherigen Elemente des Wirkens merklich vom Gelehrtentum übertragen. Doch kennt Birken auch die latente Veranlagung, bei der erst der „Funke aus der Asche" befreit, geweckt und angefacht werden wilL An praktischen Winken und Richtlinien, für die Ausbildung und Schulung werden u. a. geboten und aufgestellt: i. Prüfung, ob Anlage vorhanden ist; 2. Erwecken der Anlage durch Vorbilder, Dichtlehre, Prosodie; 3. fördernde Kritik durch erfahrene Poeten; 4. Musternachahmimg, auch der Alten; 5. vielseitige Betätigung unter Vermeidung des Artspezialistentums: „Es soll aber ein guter Poet in allen Arten geübt und färtig seyn" ; 6. strenge Selbstkritik, Feilen; 7. vergleichendes Lernen durch Verwendung desselben Stoffes (Thema), den schon ein Großer bearbeitet hat, um vom Unterschied und Wertabstand der Ausführungen zu lernen; zudem wird „ein Geist den anderen anzünden" (Anempfindung). Man stahl aber nicht nur das Feuer, sondern auch gleich den Brennstoff. Und hinsichtlich dieser Dichternachahmung erweist sich Birken als duldsam wie seine Zeitgenossen, wenn auch das Entnommene immerhin eine quantitative Begrenzung und qualitative Umwandlung zu erfahren hat: „Man muß entnehmen wie die Bienen ihr Honig aus den Blumen", d. h. eben das Gesammelte und Aufgenommene umsetzen, „verdauen". Hinsichtlich des Verhältnisses von Stoff und Form bzw. von E r f i n d u n g und F o r m u n g Hegt der Ton auf dem Gehalt, entsprechend einem durchaus lehrhaften Zweckprinzip: „Der schöne
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und sonderbare Ausfund (inventio) macht erst die Seele des Gedichts aus"; und noch einmal ausdrücklich und grundsätzlich: „Die Erfindung aber ist die Seele des Gedichts und dessen Hauptstück". Ohne rechten „Ausfund" (Inventio) bleibt das beste Gedicht doch „nur ein nichtiges, leeres Geschwätze". Deshalb sind Gelehrsamkeit (Sachkenntnis) und Belesenheit unentbehrlich. Mit der bloßen Form arbeiten nur die „Reim-Schmiede und Liednieter". Andererseits bedeutet es einen gewissen Vorzug Birkens gegenüber manchen rein formal-metrisch eingestellten Poetiken, wenn er hervorhebt, daß „ein Sylben-Klecker und Reimträumer kein Poet sey". Die alte Lehre von den Realien nimmt er mit dem Spruch zugleich auf: „Reh und Aal (Realia), die muß ich haben, sol mich ein Gedichte laben". Das Stoffliche wird — wie üblich — gesondert nach Sache, Person und Geschehen (Handlung), dazu kommen „Beispiel und Gleichnisse". Nach etwaiger Erprobung an einem Entwurf hat die Wahl des angemessenen Metrums zu erfolgen. Und wir werden wieder ganz in den Betrieb des Handwerklichen hineingestoßen, wenn mit ruhiger Selbstverständlichkeit gestattet wird: „Alsdann kan man den Reimweiser vor sich nehmen". Dort, wo das zehnte Kapitel von den G e d i c h t a r t e n handelt, verliert sich Birken, von den Hymnen ausgehend, sehr bald in dem endlosen Schwall der Gelegenheitsdichtungen und ihrer subtil und rein stofflich abgeteilten Unterarten. Diese Breite (S. 197—293!) harmoniert wenig mit der vornehm abwehrenden Geste der Vorrede, nach der ein „edler G e i s t . . . sich nach solcher Arbeit nicht sehnen" werde, verrät aber die Zugeständnisse an die Wünsche der Leser und Benutzer. Dagegen bringt das elfte Kapitel (Feld-Helden- und StrafE-Gedichte) interessante Beiträge zur damals stärker aufkommenden R o m a n t h e o r i e , während das zwölfte Kapitel (Schauspiele) die Dramatik und ihre Sonderformen eingehender als die meisten Poetiken würdigt. Die „älteste und edelste Gedichtart", die Schäferdichtung, hat nach Birkens historischen Vorstellungen von vornherein den Vorzug, wieder einzumünden in den schäferlichen Ursprung aller Dichtung; nur eben auf höherer und bewußterer Geistesstufe vollzieht sich diese Rückkehr zur Scheinnatur. Es sind ja jetzt „gelehrte Schäfer", wie denn die „Zuschrift" die Pegnitzschäfer als „gelehrte KunstDichtere" besonders zu ehren bemüht ist. Als Arten nach der Form heben sich ab: 1. gebundene Hirten- und Heldengedichte;
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2. Mischformen mit überwiegendem Prosaanteil: „ungebunden und mit Gebänd-Reden untermänget" ; 3. Prosa-Epik (Romane). Für die zweite und dritte Formart weiß Birken offenbar noch keine knappe Sonderbezeichnung zu finden. Beachtenswert ist der Umstand, daß die Wechselrede zwischen mehreren Personen, wie sie bis dahin durchweg nur für das Drama als formales Charakteristikum galt (Buchner), solchen epischen und halbepischen Formen zugestanden, aber dabei das für uns Selbstverständliche merklich als Neuheit empfunden wird: „In denselben reden ebenfalls entweder einer allein oder etliche andere, oder etliche werden von einem (als) redend eingeführt, nachdem er erstlich allein gewesen". Romanarten (Romanzi, Romains) erläutert er — wahrscheinlich unter italienischem Einfluß (Giraldi, Pigna) — als „Geschicht-Gedichte", die vielfach mit Schäfergedichten untermischt auftreten. Doch zeigt sich bei näherem Zusehen, daß diese Artgliederung nach dem Inhalt vorgenommen wird: Geschicht-Gedichte nämlich verarbeiten einen bereits (historisch oder sagenhaft) gegebenen heldischen Stoff; Gedicht-Geschichten dagegen erdichten Helden und Handlung. Mischformen sind ohne weiteres gegeben, da auch hinsichtlich der Geschicht-Gedichte die damals vielfach angestrebte Abgrenzung von Dichter und Historiker vorgenommen wird: „Dieser (Historiker) schreibet, was geschehen, jener (Dichter) aber, was geschehen können". Zugleich ein Beitrag zur Frage der historischen Wahrheit und des Verhältnisses von D i c h t u n g und D a t e n t r e u e , eine Frage, die also etwa in dem Sinne freierer Wahrscheinlichkeit (das Mögliche) gelöst wird, wobei indessen Gelehrsamkeit Anachronismen verwirft: „Er muß aber nicht zusammen setzen, was der Zeit nach weit vonsammen stehet" (vgl. Opitz). Zwischen Gestalt- und Gehaltbezeichnung, Formkriterium und Inhaltskriterium, schwanken auch die „GrosGedichte" (Epen), die einerseits formal „groß", lang sind, andererseits aber von großen Herren und großen Sachen handeln, wo also „Grosthaten mit Belusten erzehlet" werden, wie denn schon Birkens Vorrede Schillers geflügeltes Wort vorwegnimmt : „Helden und Poeten haben sich immer gern zusammen gesellet, da diese zierlich beschrieben, was jene löblich getrieben". Daß löbliches Treiben von ehrenwerten Tugendhelden gefordert wurde, war nach der moralischen Grundeinstellung selbstverständlich. Aber zugleich setzt sich die heroische A u f t r i e b s k r a f t der Poesie
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durch: „damit auf die Nachwelt käme, was sie zu gleichen rühmlichen Thaten anspöre". Die technische Anlage dieser romanhaften Gebilde soll — abweichend vom Bericht des Historikers — nicht nach der zeitlichen Geschehensfolge eingerichtet werden, also nicht rein chronologisch, sondern möglichst „mitten aus der Historie mit einer nahmhaften Begebnis anheben" und die Vorfabel durch rückgreifende Schilderung und Erzählung der Personen nachholen (vgl. Humanistenpoetik). Dabei hat die Fabel eine stark ausgeprägte Verwicklung aufzuweisen mit weiter, spannender Hinausschiebung der Lösung. Diese Spannimgsforderung war von Opitz' Poetik noch nicht übernommen worden. Verraten schon derartige Winke das Übertragen der Dramentheorie auf das neuerworbene Gebiet der jungen Romangattung, obgleich auch hierin schon die Auslandspoetik vorgearbeitet hatte, so wird dieser Vorgang noch deutlicher, wenn auch Charaktereinheit gefordert (nicht unsere Charakterentwicklung oder -Wandlung; vielmehr sollen die Personen „einerlei Gemütsregungen behalten") und vor allem, wenn ganz deutlich das Wirkungsziel vom Drama übernommen wird. Denn der Erzähler soll „immer bedacht seyn, wie man bei dem Leser Mitleiden, Freude, Furcht, Hoffnung, Verwunderung und dergleichen Regungen erwecken möge". — Die Verwechslung von Satyrdichtungen mit Satiren, jene Mißdeutung, auf deren weite Verbreitung schon Popp hinweist, begegnet auch bei Birken. Doch gibt ihm seine Vorstellung vom Werden der Dichtung (lokale Wandlung: Land — Stadt — Höfe) die recht beachtenswerte Erklärung, daß die in die Städte gezogenen Hirten über die Laster der entarteten Bürger gespottet hätten, während die über solche „Ausfilzung" verärgerten Städter jene ländlichen Kritiker als „Satyren" ( = „Waldteuffel") „beschimpfet" hätten. Daher komme es, daß Satyren zugleich „Straffgedichte" seien und dennoch zu den Hirtendichtungen gerechnet werden dürften. Recht beachtenswert bleibt dieser an sich etwas primitive Deutungsversuch dadurch, daß hier innerhalb der Barockpoetik etwas aufdämmert an Achtung vor dem gesunden Bauerntum. Eben diese Parallelsetzung der lokalen Veränderungen mit wesenhaften Entwicklungsstadien bestimmt ganz ähnlich die F o r m e n der D r a m a t i k . Im ursprünglich ländlichen Lebenskreise entstanden die H i r t e n s p i e l e (Singspiele), dadurch angeregt nahm die Stadt die Spiele auf in Form von Komödien
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(Lustspiele), die vorerst ausschließlich von „gemeinen Personen des Hausstandes" handelten. Schließlich drangen solche Spiele gar an die Höfe, wo sie in weiterer Milieuanpassung große Herren, Könige, Fürsten usw. zu ihren Helden erhoben. Da aber die heidnischen und folglich „bösen" Herrscher durchweg ein grausames Ende fanden, so ergab sich notwendig die Form der Trauerspiele. Späterhin jedoch, als das Christentum die Regenten veredelte, forderte die moralische Tugendbelohnung die Umbiegung aus Not und Bedrängnis zu einem glücklichen Ausgang; Ergebnis: die Tragko-Comödia oder das TrauerFreudenspiel. Birkens Vorschlag, unter halb moralischen, halb stofflichen Einteilungskriterien die Arten zusammenzufassen in die größeren Gruppen der Tugend- und Heldenspiele, fand bereits Erwähnung. Hinsichtlich der Anlage (Struktur), die weitreichender als bei Harsdörffer mit der immanenten Struktur des Handlungsverlaufs in Einklang gesetzt wird, hält sich Birken an die Hauptteile: Prolog, Aktglieder (gewöhnlich fünf Spielhandlungen: ι. Eingang, 2. Fortsetzung, 3. Verwirrung, 4. Vorbereitung der „Auswicklung", 5. Schluß), Chöre oder Zwischenlieder (belehrend für Zuschauer, zeitgebend zum Umkleiden für die Schauspieler) und schließlich den inhaltlichen Stoff, wobei entweder eine „wahrhaftige" oder erdichtete Geschichte zugrundeliegt. Starke Verwicklung und Spannung sind bekannte Bedingungen. Einheiten bestehen nicht, auch die des Ortes nicht. Die moralische Zweckeinstellung auf christlichem Fundament gilt auch für das Drama (s. o.). Soweit damals überhaupt von einem wirklichen Erfassen oder doch von einem Erfassenwollen der dramatischen Gattungsgesetzlichkeit gesprochen werden kann, bestimmt Birken die dramatische Wirkungsform als Bühnenwerk etwa mit Harsdörfferschen Merkmalsbeständen und Wesensattributen. Er nimmt jedoch in diese Bestimmung unter Verbindung des Redeverteilungskriteriums mit dem darstellungstechnischen Kriterium bereits in die Bezeichnung „Redspiel" (in leichter Abstufung immerhin von „Schauspiel") etwas mehr hinein vom Buchnerschen Merkmal. Einige Schritte über Harsdörffer hinaus führt vielleicht schon der Versuch, die einzelnen Wachstumsglieder der Gestaltstruktur mit den entsprechenden Wachstumsgliedern der Gehaltstruktur bzw. der Geschehensentfaltung in eine Art von organischer Wechselbeziehung zu bringen. Ansätze zum mindesten
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in dieser Richtung kann man Birken nicht absprechen. Sein einseitig moralpädagogisches Wirkungsstreben läßt ihn indessen zurückbleiben hinter Harsdörffers kräftigem Ansatz zu einer bereits nationalpädagogischen Stoffbewertung und Gehaltauswertung im Sinne einer nationalen Bewußtwerdung in Motivwahl und Haltung. Von der moralpädagogischen Triebkraft Birkens her gewinnt notwendig wiederum das Inhaltskriterium neue Teilimpulse, jedoch mehr für die Gliederungsfunktion der Sonderformen, wie sie bereits erläutert werden konnten, als für die Gattungsgliederung im eigentlichen Verstände. Entwicklungsgeschichtlich bemerkenswert erscheint die Duldung auch der ungebundenen Rede im neueren Schauspiel mit der bereits auf Weise vorausdeutenden — und letzten Endes im Naturalismus wieder aufgenommenen — Begründung: „maßen ja auch diejenigen, so durch solcher Personen Reden und Thaten vorgestellet werden, nicht poetisch geredet" haben. Wenn Birken fordert, daß die dramatische Person am Schlüsse des Gesamtdramas „endlich anders hervorkommt, als sie anfangs gewesen", so ist dies nicht etwa zu verstehen im Sinne einer Charakterentwicklung oder einer Wandlung im Seelischen, sondern rein inhaltlich gemeint als eine schließlich erfolgende Aufklärung über irgendwelche bis dahin unbekannten Verwandtschaftsverhältnisse, über Stellung und Beziehung zu anderen Personen usw., hängt also mit der erwähnten Bevorzugung äußerlicher Spannung zusammen und letztlich mit dem „Erstaunen" (Sensation) Harsdörffers. Omeis nimmt dann diese Forderung wie vieles andere von Birken auf, aber ebenfalls in Form eines rein inhaltlichen Enthüllungsbegriffs. Birken bringt als einer der ersten die Bezeichnung Lustspiel (sonst durchweg „Freudenspiel"). Dagegen hat sich sein beiläufiger Vorschlag, für „Auftritte" vielleicht treffender „Zutritte" als technische Benennung in Erwägung zu ziehen, nicht durchgesetzt. Den Nürnbergern nähert sich Birken in der Freude an bildh a f t e n W i r k u n g s w e r t e n , an E i n k l e i d u n g und Verkleidung, an malenden Gleichnissen, in der Auffassung von Malerei und Poesie als Zwillingsgeschwistern, in der Forderung, daß die Poetik den Schüler „Kränzlein von schönen Wortblumen" solle flechten lehren und ähnlichen Wendungen. Schon die Vorrede weist den Vorwurf der Lügenhaftigkeit des Dichtens mit dem Hinweis darauf zurück, daß eben die Poeten nur „ihre
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gelehrte Gedanken unter dem Fürhang der Fabeln" zu verbergen liebten. Die zeitgemäße Neigung zur Hineindeutung, und darüber hinaus streckenweise geradezu der Grundsatz des Doppelsinnes tritt besonders deutlich in der festen Überzeugung zutage, daß die „Poetischen Fabeln eine Tugend, ja wol gar eine GottesLehre hinter sich haben". Der Vergleich mit dem Maler wird beibehalten: „Er muß als ein Mahler durch den Pinsel des Verstandes mit Wort-Farben ausbilden können alle Dinge nach ihrem Wesen und Gestalt". Immerhin läßt Birken — wie andere Poetiker — den Dichter darin über den Maler hinausgehen, daß der Poet auch i n n e r e Gemütsregungen zu schildern vermag, eine Bereicherung, die also keineswegs erst den Schweizern als Neuerwerb vorbehalten war. Über die Art und Weise jedoch des Verhältnisses von Gegenständlichkeit und Sichtbarmachung, von bildhafter Entsprechung und Urbild, über die erlebnismäßigen Grundlagen vollends der Bildfreudigkeit und Sichtfreudigkeit im Angeschauten und Anschauenden vermag Birken nichts wirklich Greifbares auszusagen. Schon die Abhebung von „Gleichnisreden oder Metafikorae", die letzten Endes doch wieder als Schmuckmittel, als „schöne VerseZier" gelten, bereitet merklich Schwierigkeiten. Irgendwelche ernstlichen Klärungsversuche, zu denen Birken immerhin ansetzt, mußten an der alles umspannenden und beherrschenden Vorstellung der „Umschreibung", des bloßen mosaikhaft Zusammensetzbaren und kunsttechnisch Umsetzbaren scheitern. Der Eindruck von austauschbaren, fertig bereithängenden Kulissen wird dergestalt auch von der Poetik her bestätigt. Aber zugleich wird bestätigt, daß das Kunstwollen eigentlich keine höheren Ziele aufgestellt hatte, als das Kunstkönnen erreichte. Vielmehr beschäftigte die technische Anweisung sich nicht zum wenigsten mit der Frage, wo man und wie man „Gleichniße hernehmen" könne, von welchen Stoffbereichen und — von welchen Mustern und Registern. Das Aufstöbern in allen Bereichen der Natur (was kein Naturerleben voraussetzt) und der Literatur (was gelehrte Belesenheit voraussetzte) war wichtiger als der Auslesevorgang. Von einem bildschöpferischen Vorgang nämlich unter Einwirkung des Persönlichkeiterlebens oder Naturerlebens kann zum mindesten in der Poetik schwerlich im Ernst die Rede sein. Am ehesten noch vom Auslesevorgang her scheint gelegentlich ein schmaler Zu-
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gang zu einer persönlichkeitverbundenen Leistung sichtbar zu werden, weil der Auslesevorgang wenigstens einen gewissen Sinn für das geeignete Bildkleid voraussetzt und weil dieser Auslesevorgang von einzelnen Poetikern (so etwa von Harsdörffer) als ein von Stimmung abhängiger und begleiteter Vorgang empfunden wird. Und da derartige Ansätze wesentlich sind, steht m. E. Harsdörffers Gleichnistheorie auf verhältnismäßig höherer Stufe als die Birkens. Das schließt nicht aus, daß rein definitionsmäßig Birken einige Ergänzungen bringt. Teils trifft diese Definition mehr ein logisierendes Vergleichsbild, teils mehr vermeintliche Verfeinerungsformen und metaphorische Virtuosenstückchen. Die Entwicklungsrichtung verfolgt überhaupt nicht den Typus des dichterisch-schöpferischen Bildes als — wenngleich fernes — Ideal, sondern den Typus des kunstreichen Mosaiks, etwa in der Form einer „Vervielfältigung einer GleichnisRede". Die eigentliche Aufgabe lag darin, mit begrenzten Mitteln auf diesem Gebiete durch wirksames Anbringen und Austauschen, Abheben und Belichten zum mindesten den Eindruck des Reichtums hervorzurufen. Und diese letzte Aufgabe darf nicht nur bestimmt und bewertet werden vom Kunstwollen oder vom Kunstkönnen her, sondern will erkannt sein als ein Teilglied in den unermüdlichen, obgleich vielfach wenig glücklichen Bemühungen, die Fähigkeit der deutschsprachlichen Dichtung auch im Verwenden der Bildwerte und gerade in ihnen nachzuweisen. Die Art, wie das geschah, wurde dann natürlich vom Kunstwollen und Kunstkönnen zu gleichen Teilen beeinfiußt. Aber die Tatsache, daß es geschah und geschehen k o n n t e , enthüllt einen Ausschnitt aus dem Kampf des kulturpolitischen Wettbewerbs und will so betrachtet und gewürdigt werden. Neben der Malerei räumt der Freund des Kirchenliederdichters Neumark auch der Musik besondere Rechte ein, indem er in Anlehnung an das Simonides-Wort (betreffend der Malerei) zu der Formulierung gelangt: „Die Poeterey ist eine stumme (Druckbzw. Schreibfehler für „redende"?) Musik, und die Musik ist eine stumme Poeterey". Musikalisches und christliches Anteilnehmen verbinden sich überdies in dem Wunsche, zu weltlichen Melodien im sogenannten „Gefolglied" geistliche Texte gedichtet zu sehen. Wenn Harsdörffer innerhalb der Entwicklung der Gattungstheorie vor allem die Dramentheorie vorwärtstreiben konnte, so
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hat sich Birken nach Voransätzen bei Opitz (Übertragung der Widmungsvorrede Barclays zur „Argenis"), Büchner, Zesen (Vorreden), Schottel und Buchholtz (,, Herkules' '-Vorrede) nicht in demselben Grade zwar, aber doch wohl als einer der ersten im Verbände der Gesamtpoetik etwas eingehender mit der Romantheorie beiaßt. Und auch jenseits seiner Poetik bekundet er in der — wahrscheinlich ihm zuzuschreibenden — „Voransprache an den edlen Leser" zur „Aramena" (1669f.) des Anton Ulrich von Braunschweig seine Anteilnahme für die Romangattung, die unter Vermeidung von Entartungserscheinungen (Amadis) geeignet sei, „uns zur Gotteserkenntnis" hinzuleiten und „zur Tugend" anzuhalten (christlich-moralischer Hauptzweck), aber auch verstandesmäßig und gesellschaftlich „recht adelich" heranzubilden, nicht zum wenigsten im Beherrschen der höfischen Rede (s. „Rede-Bind- u. Dichtkunst" u. J. Masen). Dergestalt „vermählen" die Romane „den Nutzen mit der Belustigung", indem sie oft an sich herbe Wahrheiten schmackhafter machen durch den „Honig der angedichteten Umstände". Berücksichtigt man Birkens an sich christlich eifernde Grundeinstellung, beobachtet man, wie etwa in Frankreich nach dem „Tombeau des romans" (1626, anonym) des Langlois (bzw. Fancan) mit seinem Abwägen des Für und Wider, mit seiner im wesentlichen doch wohlwollenden Haltung eine satirisch gesteigerte Kritik an der Romanform vorherrschte, so in Charles Sorels „Antiroman ou l'histoire du Berger Lysis" (1631), wo Parodie des Schäferromans und kritische Erörterungen sich mischen, im „Lettre contre un liseur de Romans" (1663) des Cyrano de Bergerac und in Boileaus später veröffentlichtem, aber durch Verlesung der Handschrift bereits früher einwirkenden „Dialogue sur les hfros de Roman" (gedr. erst 1688), stellt man diese Gegebenheiten in Rechnung und erinnert man sich daran, daß die Scudéry und P. D. Huet zeitlich noch nicht einwirken konnten: so bleiben Birkens Bemühungen um ein Einbeziehen der Romantheorie immerhin beachtenswert und in ihrem teilweisen Eingehen auf ästhetische Kriterien achtenswert, so unzulänglich sie dem modernen Bewußtsein sich auch darbieten mögen. Allerdings bleibt ebenso zu berücksichtigen, daß Birkens Hinneigung zur schäferlichen Art jene kritischen Vorstöße naturgemäß nicht gutheißen konnte, selbst wenn er sie eingehend gekannt hätte. Und so lag es für ihn näher, teils in der Position des „Tombeau"
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zu verharren, teils auf die früheren Italiener aus dem sechzehnten Jahrhundert G. Giraldi Cinzio: „Discorso intorno al comporte dei Romanzi a G. Β. Pigna" (1554) und G. Pigna „7 Romami" (1554) mittelbar oder unmittelbar zurückzugehen, worauf z.B. die Vermischung von Schäfergedicht und Roman hindeuten könnte» Erleichtert wurde Birken jene bedingte Bejahung des Wertes der Romane offenbar auch dadurch, daß er dem Inhaltskriterium nach doch merklich den Charakter der „Historien oder Geschichtschriften" überwiegen ließ, also die „Geschichtgedichte", und daß er den „Gedichtgeschichten" nicht in erstem Betracht Liebesmotive zuwies, also nicht die Kühnheit aufzubringen brauchte, die Zesen in der Vorrede zur „Adriatischen Rosemund" bewährt hatte. Die ausgeprägt religiöse Grundhaltung teilt D a n i e l C z e p k o , der Verfasser der formungsmäßig auf Scheffler einwirkenden „Monodisticha" (etwa 1647 bzw. 1655), mit Birken, wie er mit Birken u. a. vom Wert des arbeitsamen Überprüfens seiner Dichtungen überzeugt ist. Der Vorgang des Ausfeilens und des Ausformens wird deutlich erkennbar zugleich mit dem Glauben an das selbstkritische Zurechtstutzen, wenn Czepko eine entsprechende Situation so beschreibt: „Des abends zünd ich mir den gelben Wachsstock an / Und überles' und seh' und ändre, was ich kann / In Büchern, die ich schrieb vor Jahren". So verschiedenartig seine zudem mancherlei Wandlungen unterworfene Religiosität von der Birkens sich abhebt und so wenig naturgemäß irgendwelche Zusammenhänge mit Birken konstruiert werden sollen, so findet er im Raum der Poetik, den er nicht allzu häufig betritt und dem er auch kaum Wesentliches zugetragen hat, doch am ehesten noch seinen Platz im Bezirk der religiösen Umschränkung. Wenn Czepko frühzeitig (etwa 1633) in der V o r r e d e zum „Innwendigen Himmelreich", zwar themagemäß gebunden, aber doch mit spürbarem Geltungsanspruch über den Sonderfall hinaus die Erklärung abgibt: „Es sind Reime, welche wir Deutschen itzo schreiben lernen, Reime, sage ich, mehr nach dem Winckel Maaß der Wahrheit als der künstlichen Tichterey zusammen gesetzet", so ist nicht Naturwahrheit gemeint, sondern, wie W. Milch hervorheben konnte, religiöse Wahrheit. Die Fiktionsdeckschicht wird aufgegeben und beiseitegedrückt vom religiösen Ausdruckswillen und Offenbarungsdrang. Dem entspricht es im Wechselbezug von Theoretisieren 9
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und Produzieren, daß Czepko sein Bestes im religiösen Bekenntnislied, in der geistlichen Lieddichtung zu bieten vermochte. Zugleich aber zeichnet sich im größeren Zusammenhange die Folgerichtigkeit ab, mit der eine religiös ausgerichtete Kunstforderung notwendig zu einer starken Bewertung des Gehalts und der Haltung zu gelangen pflegt, so bei J . Masen, so bei Birken, so bei Czepko. Darüber hinaus wird an solchen Kernbezirken einer auch persönlich stark ausgeprägten Religiosität eben nur besonders deutlich ablesbar, WEIS im Barock trotz aller Vordringlichkeit (kulturpolitisch gesehen als Aufgabe, nun die deutschsprachliche Dichtung in Formpflege zu nehmen) und bei aller Aufdringlichkeit (ästhetisch gesehen) der Formungsfragen nicht übersehen werden sollte: daß nämlich schon das ständige Rücksichtnehmen auf die christlich-moralische Leitidee — zum mindesten in den theoretischen Äußerungen des Kunstwollens — eine wertmäßige Vernachlässigung des Gehalts, des Themas, des Motivs und des damit zusammenhängenden Inventiobegriffes einerseits und des Fabelbegriffes (Inhaltsbewertung) andererseits unmöglich machte. Ein umfangmäßiges Zurücktreten der „Erfindungs"-Theorien erklärt sich, wie mehrfach hier und wie mehrfach von der Zeitpoetik selbst hervorgehoben worden ist, nicht zum wenigsten aus der Zweckmäßigkeit, den kulturpatriotischen Einsatz vor allem vorwärtszutragen im Erobern einer hochwertigen deutschen Dichtersprache, während man hinsichtlich der Motivanlage teils auf die lateinische Humanistenpoetik oder die nationalsprachliche ausländische Renaissancepoetik verweisen zu können glaubte. Auch Czepko, der von Opitz ausgegangen war und wie Birken Fühlung mit den Nürnbergern hatte, bestätigt in seinem eigenen Dichten das Bemühen um Fragen der Formung, hatte ernsthaft die „künstliche Tichterey" umworben, die ihm zu jener frühen Zeit (etwa 1633) noch etwas ungewohnt und unbequem gewesen sein mochte, hatte sich teils madrigalhafte Zwischenformen und die „Schlußreime", teils die prosanahe Form des „Säulengedichts" zu erwerben versucht, wie er denn überhaupt einen gewissen Hang zeigt zu metrischen Abwandlungen, ohne immer über eine entsprechende Fähigkeit zu verfügen. In dem „Reime, welche wir Deutschen itzo schreiben lernen", klingt — ein Jahrzehnt etwa nach Opitz' Poetik — vernehmlich das Bewußtsein mit vom formungstechnischen Eroberungsvorgang. Und die Anteilnahme—
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wenngleich nur grenzwerthafte Anteilnahme — an Fragen der Poetik bestätigt sich unter Stützung auf Opitz weiterhin im ersten Buch von Czepkos „Coridon und Phyllis" (Endfassung etwa 1648). Selbst der private Briefwechsel bekundet in den vierziger Jahren — in einem Briefe an Apelles von Löwenstern — die Wertung der deutschen Dichtersprache durch Czepko; und dieser Brief stellt darüber hinaus Czepkos Kenntnis der Gesprächspiele Harsdörffers klar. Die ausgeprägt kulturpatriotische Leitidee, die Czepko teils beim Durchbrechen der religiösen Umschränkung mit seinen weltlichen Epigrammen, aber auch in der Tendenz von „Coridon und Phyllis" der antihöfischen Strömung Moscheroschs oder anderer Satiriker nähert, die ihn die deutsche Redlichkeit und Unverfälschtheit und Frömmigkeit verteidigen läßt, teilt er zugleich wie die christliche Leitidee mit dem Poetiker und Pastor Hadewig. In seiner Haltung Birken verwandt im strengen und teils starren Ausgerichtetsein auf die c h r i s t l i c h e , m o r a l i s i e r e n d e L e i t i d e e wirkt H a d e w i g , der von „fleischlioher Augenlust" auf der Bühne entschieden abrückt, aber nebpn der moralisierend christlichen Leitidee zugleich die k u l t u r p a t r i o t i s c h - d e u t s c h s p r a c h l i c h e L e i t i d e e kraftvoll herausbildet. Verhältnismäßig frühzeitig, und zwar etwa gleichzeitig mit Birkens nur handschriftlich verbreiteten fünfzig Lehrsätzen versucht Joh. H e i n r i c h H a d e w i g s „ K u r t z e u n d r i c h t i g e A n l e i t u n g , Wie in unser Teutschen Muttersprache ein teutsches Getichte zierlich und ohne Fehler könne verfertiget werden" (1650), jene beiden zeitbeherrschenden Tendenzen nachdrücklich, obgleich ein wenig krampfhaft übersteigert durchzusetzen. Sogleich der erste Paragraph legt die Richtung eines den Bemühungen der Sprachgesellschaften sich einfügenden Strebens nach Sprachschulung fest durch die grundlegende Sicherung der Spracheignung: „Die Teutsche Sprache ist zur Poesie eben so wol als andere Sprachen geschickt" (§ 1). Diesem Ausgangssatz, der zudem im Titel vorbereitet erscheint, entspricht die überwiegend sprachlichmetrische Anlage der knapp gefaßten Poetik, die mehr vom guten Wollen des Kunstanleitenden als vom kunsttheoretischen Können zeugt. Die Mehrzahl der Kapitel ist den verschiedenen Versarten gewidmet, bewegt sich also im Räume der Metrik und würde demnach von Tschernings an sich auf E. Hanmanns Opitz-Kommentar abzielender Beanstandung „Mit den Ab9*
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zirklungen der Metrorum wissen sie die Blätter artlich zu fällen" getroffen werden. Hadewig hat denn auch späterhin eine eigene „Wolgegründete teutsche Versekunst" (1660) herausgebracht, die immerhin schon über den zunehmenden Hang zu einer künstlichen Dunkelheit in der Sprachgestaltung Klage führt und insofern eine leichte stilkritische Wendung erkennen läßt. Jenes Hindrängen zur Metrik beeinträchtigt bereits in der „Anleitung" von 1650 die Entfaltung der eigentlich kunsttheoretischen Erörterung, die nur streckenweise zu ihrem Recht kommt. Und zwar bringen am ehesten noch die beiden ersten Kapitel einiges zur grundsätzlichen Fragestellung der Poetik, so etwa hinsichtlich der anlagemäßigen Voraussetzungen der Dichtkunst und des V e r h ä l t n i s s e s von B e g a b u n g und Schulung. Danach soll der Dichter „von sinnreichen Einfällen und Erfindungen seyn; muß ein großes unverzagtes Gemüthe haben, muß hohe Sachen bei sich erdenken können". Neben den üblichen Wesensmerkmalen kündigt sich in dieser Wendung vom großen, unverzagten Gemüt leise ein Ertastenwollen des charakterlichen Persönlichkeitswertes des Idealpoeten an. Dabei wirkt jedoch gleichzeitig das barocke Stilwollen ein, das zur Erfüllung zu bringen der Dichter auf Großartigkeit und Steigerung („hohe Sachen") eingestellt sein muß. Dem „Anleitungs"-Charakter seiner Poetik gemäß erwirkt und erstrebt Hadewig keine Vorrangstellung für die Begabung, sondern begnügt sich mit der zeitüblichen Kombination von Schulung und Begabung, so daß dtir „stetige Fleiß mit der natürlichen Zuneigung gleichsam vermählet" zusammenzuwirken hat. Die Motivwahl findet verhältnismäßig eng gezogene Grenzen, weil der moralisierende Eifer sich überall, besonders auch innerhalb der Dramentheorie, mit unduldsamer Schärfe in den Vordergrund drängt. Das Sichberufen auf den Theologen Danhauerus verweist auch äußerlich einfiußmäßig in die entsprechende Richtung. Die moralisierende Tendenz verbindet sich mit der utilitaristischen Einstellung („Nutzbarkeit"), die ähnlich wie bei Birken eine Vertiefung des betont Moralisierend-Christlichen ins Verinnerlicht-Religiöse verhindert und rationalistische Teileinsprengungen fühlbar werden läßt. Und wenn die orthodoxe Haltung alles eitle „Weltgepränge" prunkfreudiger Bühnenspiele verwirft, so faßt der pädagogische Zweckwille wohlwollend die bereits von Harsdörffer empfohlenen „Schul-Spile" ins Auge, die
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zugleich die gesellschaftliche Sicherheit der aufführenden Schüler schmeidigen sollen durch Gewöhnung an „höfliche Geberden" und „gute, geschliffene Sitten". Insofern begegnet Hadewig auf der Wegstrecke zwischen Harsdörffer und Chr. Weise, wie er hinsichtlich der Affektenlehre gleichfalls Harsdörffer verpflichtet sein dürfte. Denn das Wirkungsziel der Tragödie errichtet er merklich mit Hilfe der Affektenlehre und ihrer zweckwilligen Sonderform, der Abschreckungstheorie, in der Weise, daß der „Wille und dessen Affekten" zunächst einmal vom Bösen und Lasterhaften „abgeschrekket" werden sollen. Als positive Zielsetzung verbindet sich mit der Abwendung vom Laster eine Hinwendung und Ermahnung („angemahnet") zur Tugend. Wie das Religiöse teils verengt erscheint zum konventionell Orthodoxen, wie das Sittliche teils verengt erscheint zum konventionell Sittegemäßen (gesellschaftliche Lebenskunde der Schulspiele), so scheint Hadewig sowohl die Geschlossenheit Birkens wie die Aufgeschlossenheit Harsdörffers für das sieht- und klangfreudige Wirken der Dichtung und besonders auch der Bühnendichtung zu fehlen. Dagegen mangelt es seiner Poetik nicht an aus eigener Dichtung bezogenen Beispielen. Und fast gewinnt man angesichts derartiger, teils kompilatorischer Poetiken mit Eigenbeispielen den Eindruck, daß die kunsttheoretische Einkleidung nicht viel mehr darstellt als eine bloße Gelegenheitsmacherin zum Unterbringen eigener dichterischer Versuche, daß also die Theorie (und Verslehre) nur um eine eigene Gedichtsammlung, die letztlich Hauptzweck bleibt, herumgeschrieben worden ist. Diese Selbstversorger mit Beispielen geraten jedenfalls bei schwacher Leistung leicht in den Verdacht, zugleich auf Selbstversorgung mit „Ruhm" eingestellt gewesen zu sein. Doch bleibt zu berücksichtigen, daß damals fast brauchmäßig üblich erschien, was heute — und was ein wenig schon zur kritisch gestärkten Zeit Gottscheds — leicht als vordringlich empfunden wird. Das ehrliche Wollen, vorschriftsmäßige, regelgerechte Gedichte vorlegen zu können und diesen Leistungswert zugleich an Hand der erläuternden Theorie zu erweisen, griff im Wettbewerb mit dem Auslande über das nur individuelle Geltungsstreben doch immer irgendwie hinaus und in ein nationales, kulturpatriotisches Geltungsstreben mehr oder weniger stark hinüber. So offenbar auch bei Hadewig, dessen Wollen hier eben nur wieder einmündet in seine Ausgangsthese, daß die deutsche
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Sprache ebensowohl geeignet sei zum Dichtwerk wie fremde Sprachen. — Und diese kulturpolitische Teilkraft ist es auch, die etwa Schottel mit Stolz erfüllt, wenn er ein neues Versmaß („Novum genus Germ. Sapph.") gefunden zu haben glaubt, oder die Tscherning mit der Genugtuung des Leistungszuwachses auf seine Neubildung oder doch Neueinbürgerung einiger Odenformen hinweisen läßt.
Ausweitung und Verbesonderung Die Art, wie etwa Tscherning immer neue Poetiken abwartet, um die eigene, wenngleich teils in kritischer Verarbeitung, dergestalt anzureichern, die im ganzen trotz beachtenswerter Einzelfunde doch vergröbernde Methode Kindermanns oder die Möglichkeit, schon in „Tafeln" den Bestand der Poetik aufzugliedern, wie Neumark es durchweg eklektisch versucht, mag andeuten, inwiefern eine Ausweitung, die naturgemäß nicht äußerlich an der Umfangaufschwellung der Einzelpoetik sich kundtut, spürbar wird. Dabei gibt man die kulturpatriotischen und christlichmoralischen Leitideen keineswegs auf und wahrt auch die ästhetischen Teilkräfte, die besonders von Zesen frühzeitig in Pflege genommen werden. A n d r e a s T s c h e r n i n g (1611—1659) erweist sich schon in der Vorrede zu seinem (D. Heinsius und Opitz nachgebildeten) Gedicht „Lob des Weingottes" (1636) aufnahmefreudig geöffnet für die Liebe zur Muttersprache: „Besonders hat mich angelacht der Reichthumb vnd die Zierlichkeit vnsrer Muttersprache, die nun zu jhrem alten Schmucke vnd Reinigkeit wieder kommen". Von Opitz, in dessen Vaterstadt er geboren und mit dem er wahrscheinlich ganz entfernt versippt war, sind ihm die ersten nachhaltigen Anregungen zugewachsen. Und Opitz' Poetik möchte Tscherning denn auch noch in den vierziger Jahren mit Anmerkungen herausgeben. Aber in diesem Planen kam ihm Enoch Hanmann zuvor, wie ihm mit einer eigenen Poetik Joh. Peter Titz mit seiner Poetik von 1642 zuvorgekommen war, nachdem Tscherning und Titz wechselseitig die Herausgabe des von beiden Seiten angekündigten Konkurrenzwerkes mit einer gewissen Eifersucht überwacht hatten. Aber noch eineinhalb Jahrzehnte etwa vergingen, bevor Tscherning sein lange vorbereitetes und teils auch ausgeführtes „ U n v o r g r e i f f l i c h e s B e d e n c k e n über e t -
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l i e h e m i ß b r ä u c h e in der d e u t s c h e n S c h r e i b - u n d S p r a c h - K u n s t , insonderheit der edlen Poeterey" (Lübeck 1658, 1659) endlich herausbrachte. Besinnliches Bedenken, das Abwarten neuerscheinender Poetiken und Verlagsschwierigkeiten hatten diese Verzögerung verursacht. Aus dem langwierigen Entstehungsvorgang der Poetik Tschernings wird verständlich, daß er vorwiegend auf dem Entwicklungsstand Opitz-Buchner-Schottel-Titz mit teilweiser Einbeziehung Gueintzens gründet. Daß er die Entwicklung der Poetikenliteratur eifrig verfolgt hat, läßt sein Briefwechsel ablesen. Es war offenbar der Wille zum Kritiker in ihm lebendig. Und nicht zum wenigsten diese kritische Haltung erklärt wohl jenes Abwarten von neu herauskommenden Poetiken, die seiner Kritik breitere Einsatzmöglichkeiten und Angriffsflächen bieten sollten. Man hat diesen kritischen Willen, der doch selbst in der Titelgebung „Unvorgreiffliches Bedencken über etliche mißbräuche..." deutlich genug — schon vor Sacers „Nützlichen Erinnerungen" — mitwirkt, zu wenig gewürdigt, wenn man nur die Absicht des Ausschreibens bei jenem Verhalten hervorhebt. Jedoch entsprach jenem kritischen Wollen nicht ein ebenbürtiges kritisches Können. Und der vermeintliche Vorzug, beim Abwarten möglichst vieler Meinungsäußerungen reichere Einsatzstellen und mannigfachere Standorte zu gewinnen, wurde mindestens aufgehoben durch den spürbaren Nachteil, daß die eigenen kritischen Einwürfe und wohl auch ergänzenden Hinweise, die der abwartende Tscherning bereithalten mochte, inzwischen von anderer Seite gemacht und also überholt worden waren. Aber selbst von solchem Mißgeschick abgesehen, mangelt doch Tscherning offenbar die Fähigkeit zu einer entschiedenen Urteilsbildung, zu einem klaren Sichentscheiden für oder gegen die Ansichten Dritter. Es handelte sich, kurz gesagt, um eine „unzeitige Aufgabe" — denn die Zeit war jenseits der Satire noch nicht kritikreif — , aufgegriffen von einer unzulänglichen persönlichen Fähigkeit. So trat an die Stelle der beabsichtigten kritischen Klärung widerstreitender Meinungen vielfach das unentschlossene Vermitteln, das sich streckenweise einem bloßen Nebeneinander der Ansichten und einer, obgleich kritisch gelockerten Kompilation bedenklich nähert. Trotzdem darf — gerade im Vorraum zu Sacers Kritik — nicht verkannt werden, daß bereits Tscherning vor kritischen Teileinwänden gegenüber Opitz u. a. nicht zurückscheut. So
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werden etwa an Opitz mundartliche Einsprengungen, Flickwörter und Reimhärten beanstandet, teils aber zugleich als Schwächen erklärt und entschuldigt. Die Autoritätsgläubigkeit läßt den kritischen Willen durchweg in schüchternen Teileinwänden steckenbleiben. Und die Ehrlichkeit, die aus dem Gefühl des Abhängigseins heraus mehrfach zu dem „mein H. Opitz" und — wohl noch häufiger — „mein H. Buchner" sich bekennt, versöhnt doch wieder mit der Zaghaftigkeit der Kritik, die offenbar nicht in Undankbarkeit gegenüber den Vorbildern umschlagen möchte. Solche Freimütigkeit, an sich schon erleichtert durch das Bedürfnis, sich möglichst auf Autoritäten stützen zu können, scheint allerdings dort ihre Grenze zu finden, wo von Rechts wegen Titz als Gewährsmann Erwähnung finden müßte. Das persönliche Bekanntsein mit Titz konnte offenbar doch nicht restlos die Wettbewerbsstimmimg überwinden, die vor allem wohl aus der ersten Zeit jenes gleichzeitigen Planens einer Poetik auf beiden Seiten wachgehalten wurde. Wie schon die Titelwahl des „UnvorgreifflichenBedenckens" verrät, ist Tschernings kritische Erörterung vorwiegend auf sprachliche Fragen eingestellt unter Einbeziehung der Rechtschreibungsprobleme, die er sogleich eingangs aufgreift, ohne sich jedoch in seiner vermittelnden Art für eine der beiden vorherrschenden Richtungen (historisches oder phonetisches Prinzip) klar entscheiden zu können. Dagegen wirken Tschernings Beiträge zur Fragestellung: Schriftsprache oder Mundart verhältnismäßig fortschrittlich. Und wenn sie nicht eindeutig entschieden wirken, so konnte eine klare Problemlösimg, die noch über etwa hundert Jahre hinweg die Poetik und Prosodie beschäftigt, damals schwerlich erwartet werden. Tscherning verweist — auf dem langen Wege zu Gottsched hin — auf die Schreibart der Reichstagsabschiede und „Canceleyen", auf „Hn. Lutheri Schrifften" und gute Schriftsteller seiner Zeit als Muster und Anhalt für das rechte Hochdeutsch. Es gibt Wendungen, die entsprechend die Mundart abwehren, wie bei der Kritik an Opitz angedeutet werden konnte. Aber der wirklich angetroffene Sprachbestand und Sprachgebrauch zwingt ihm doch wieder Zugeständnisse ab. Und gemäß seinem Wohlwollen gegenüber den Neologismen neigt der Schlesier zu einer gewissen Duldsamkeit gegenüber der Mundart, bei der „ein ieder... wol bleiben" möge. Naturgemäß und zeitgemäß entsprangen derartige Zugeständ-
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nisse nicht einer Einsicht in die ewig wiederkehrende Blutauffrischung der Schriftsprache durch die mundartliche Volkssprache. Auch Luthers Auswerten dieser Volkskraft im Mundartlichen wurde nicht anerkannt und durchweg überhaupt gar nicht erkannt. Vielmehr handelte es sich für Tscherning und andere Poetiker des siebzehnten Jahrhunderts (und des ersten Drittels des achtzehnten Jahrhunderts) um notgedrungene Billigungen eines vorgefundenen Zustandes, den zu ändern man teils zu bequem war, teils nicht die sprachreformatorische Kraft besaß. Die Neigung zur Änderung aber war längst vor Gottsched vorhanden und ebenso die Abneigung gegenüber der lebendigen, mundartlich gefärbten Sprechsprache (und der teils ja auch mundartlich gefärbten, ungesicherten Schriftsprache). Wie weit man von der Einsicht in die Quellkräfte der Volkssprache, von Einzelfällen abgesehen, entfernt war, läßt auch Tschernings Verwerfen volksnaher Redeweise ablesen in der Abwehr der Wörter, „so nur bei den bauren und gemeinen Pöfel im brauche". Dabei ist Tscherning keineswegs der Unduldsamste in diesem Betracht. Duldet er doch wenigstens volkstümliche Einsprengungen in der Redeweise dichterischer Gestalten aus ländlichem Lebenskreise. Im Bezirk der kritischen Wortsichtung kennzeichnet die — an sich nicht neue — Polemik gegen Flickwörter (bes. „thut") und nachgestellte Adjektive die Abwehr volkstümlicher Elemente seitens der hohen Kunstdichtung. Doch stützt sich Tscherning in dieser Hinsicht ausdrücklich auf seinen Gewährsmann Buchner. Das Übergewicht des Interesses ruht auf dem Einzelwort. Es ist eben jene Pflege des Einzelwortes, deren Ubertreibung später u. a. Chr. Weise ersetzte durch eine wiederum nicht von einseitiger Übertreibung freien Pflege der konstruktiven Wortfügung. Im größeren Zusammenhange der kulturpatriotischen Bestrebungen und im Vorausblicken auf die sprachphilosophische Unterscheidung von n a t ü r l i c h e n u n d willkürlichen Zeichen (Aufklärung) verdient Beachtung, daß Tscherning unter Hinweis auf Opitz und Schottel die E i g n u n g d e u t s c h e r W ö r t e r f ü r die l a u t m a l e n d e Beschreibung hervorhebt. Bemerkenswert erscheint die — m. W. auch von H. H. Borcherdt — unbeachtete Stelle vor allem wegen der Art ihrer Prägung, die sich jenen späteren Formulierungen innerhalb der Aufklärungstheorie bereits überraschend anzunähern scheint: „Dann es haben der Deutschen ihre Wörter die krafft, daß sie zugleich auch
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die eigenschafft eines dinges, dessen andeutung (Zeichen) sie sind, natürlich (also natürliches Zeichen) fürstellen können" (S. 65/6). Längst vor Mendelssohn und Meier (bzw. dem Auslandseinfluß : Harris) klingen dergestalt Gedanken an, die bei Mendelssohn insofern berührt werden, als er die Lautmalerei innerhalb der Wortkunst als eines der Grenz- und Ubergangsgebiete zwischen den Bereichen der natürlichen und willkürlichen Zeichen berücksichtigt. Der Barockpoetiker mit seiner gegenüber der Aufklärung weit reicher ausgeprägten Klangfreudigkeit sieht im lautmalenden Wort noch mehr ein „natürliches" Zeichen, wie im Wort überhaupt, ganz abgesehen von der Natursprachenlehre. Darüber hinaus dürfte die Sichtfreudigkeit des Barock, das so gern Wort und Farbe gleichsetzt, das Wort auch von dieser Seite her als natürliches Zeichen empfunden haben, besonders in der Nürnberger Poetik. Konventionelles, willkürliches Zeichen war das Wort (und die Wendung) mehr im Sinne der kunsthandwerklichen Anwendung und Übernahme von bereits künstlerisch vorgeformten Prägungen. Daher der Glaube an das „natürlich" Klingen- und Malen-Können des Wortes einerseits und an das kunstbrauchmäßig-willkürliche ÜbernehmenKönnen andererseits. Dieser Glaube an das kunstbrauchmäßige Übernehmen-Können tritt nach Harsdörffers Umschreibungs-Anhang besonders greifbar in Erscheinung in Tschernings dem,,Unvorgreifflichen Bedencken" angefügten Abriß einer „ D e u t s c h e n S c h a t z k a m m e r von schönen und zierlichen Poetischen redens-arten, umbschreibungen und denen Dingen, so einem getichte sonderbaren glantz und anmuth geben können". Und die so aufgestapelte farbenfreudige (obschon ausleihbare und daher immer etwas maskenhaft wirkende) Prunkgewandung, diese zwar etwas billige Pracht eines faltenreichen Wortwurfes im Stil der austauschbaren WortTrachten will keine strenge, herbe Uniformierung (wie später Weise oder Gottsched), sucht zum mindesten den Schein des Reichtums in Form und Fülle, begrüßt neben den Ausleihkostümen auch neue Zuschnitte und duldet so (anders als Gottsched) Wortneuschöpfungen : „Newe oder schöngedoppelte (Nürnberger Gruppe) Wörter zu erfinden, ist Poeten nicht allein erlaubt, sondern macht auch den getichten, wann es mäßig geschiehet (Einschlag der kritischen Besinnlichkeit Tschernings), eine sonderliche anmuthigkeit". Leise klingt das Stimmungselement an,
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wenn etwa einige Mängel bei Meister Opitz damit entschuldigt werden, daß der Dichter gelegentlich „zum versmachen wenig lust" habe. Tscherning hat nicht nur in jüngeren Jahren in jener Vorrede zum „Lob des Weingottes" die gefühlsmäßige Hinneigung zur edlen Dichtkunst ausgesprochen als persönliches Bekenntnis: „Ich muß es bekennen, daß mein Gemüte von Jugend an nach der Göttlichen Poeterey je vnd allewege gehangen": er betont auch etwa zwanzig Jahre später in seiner Poetik dort, wo er mit dem in solchen Fällen üblichen und im Wettbewerb mit dem Ausland durchaus würdigen Stolz auf seine Neugestaltung bzw. „Erfindung" einiger Odenformen verweist, daß er sie „mit und zur Lust sonder zwang geschrieben" habe. Er verteidigt die persönliche Freiheit in Wahl und Anlage einer — gegebenenfalls neuen — Gedichtart gegenüber den Zwangsbestimmungen anmaßender „Reimpeiniger und Vershencker". Für die kunsttheoretischen Anschauungen besonders heranzuziehen sind das fünfte und sechste Kapitel des „Unvorgreifflichen Bedenckens" und die „Schatzkammer" (S. 157ff.), die an Umfang und Ausführlichkeit bald von den ähnüchen, bereits gewürdigten Sonderunternehmungen dieser Art übertroffen wurde. In Kreisen der Poetiker fand Tschernings „Bedencken" teils kritisch bzw. antikritisch gebrochenen Widerhall (Titz, Schottel). So begegnet im „Verzeichnis der Zesischen Schriften" unter der stolzen Aufzählung zahlreicher nichterschienener, aber angeblich „druckfärtiger" Schriften auch eine Sonderschrift, merklich als Antikritik gegenüber Tscherning gedacht, unter dem Titel „Bedenken über Tschernings Bedenken, kiirtzlich doch kunst- und vernunftmäßig". Damit hätte also auch an dieser Stelle in den kritischen Kampf derjenige Dichter und Poetiker eingegriffen, der selbst von der Zeitsatire als Angriffsziel bevorzugt wurde: Zesen. Und da wesentlich an ihn die kritisch-satirische Poetik teils schon bei Rist, dann vor allem bei Sacer anknüpft, scheint seine Einordnung an dieser Stelle ratsam, trotz seines zeitlich früheren Einsatzes um 1640. P h i l i p p Z e s e n verdient gewiß die Bedeutung als Anreger, die ihm Borinski zuerkennt. Und zwar machen sich seine grundlegenden Anregungen nicht sowohl in seinen Schriften geltend als vielmehr im unmittelbaren Einwirken auf Buchner, Harsdörifer, Birken u. a. Dem Typus der Rahmenpoetik, die eigne Gedichte mit theoretischen Bemerkungen umrahmt, steht Zesen insofern nahe, als auch er nicht eigentlich
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ausgeführte, auf geschlossene kunsttheoretische Darlegungen und Erörterungen hinstrebende Theorien, Anweisungen und Programme bietet, sondern in der ganzen Anlageform nur eigne Gedichtsammlungen mit Bemerkungen durchweg sprachlichmetrischer Natur durchflicht. Dabei herrschen die lyrischen Formen vor. Aber da Zesen durchaus nicht der schlechteste Dichter seiner Zeit war, so sind doch gerade einige seiner Anmerkungen zur Lyrik verhältnismäßig fortschrittlich eingestellt. Zesen, der freie Schriftsteller, bekennt sich offen und ohne das sonst vielfach übliche Versteckspiel und ohne das „entlastende" Aufdecken des Als-Ob (Kindermann u. a.) auch zu seiner Liebeslyrik. Er schlägt deutsche Mädchennamen vor, um den Erlebnischarakter und die Echtheit unbekümmert und unverhüllt hervortreten zu lassen. Er interessiert sich für die psychologischen Voraussetzungen der dichterischen Veranlagung, wobei bereits die Temperamentenlehre (wenn auch reichlich trocken und schematisch-erzwungen) Anwendung findet. Aber es wird doch zugleich das Hinneigen zum Formalistischen ablesbar, wenn er etwa den anakreontischen Liedtypus nur vom Metrischen her zu bestimmen versucht. Sein „ D e u t s c h e r Helicon . . . " , schon 1640 erstmalig herausgebracht, hat neben Opitzens Poetik wohl die höchste Auflagenzahl aufzuweisen. Auch die „ H e l i k o n i s c h e H e c h e l oder des Rosenmohndes z w e i t e Woche . . . " (1668) verdient mit der schon im Titel ausgesprochenen Polemik gegen die Pritschmeisterei Beachtung und zeigt überdies den Willen zur kritischen Säuberung und wertenden Auslese, der dann im letzten Jahrhundertdrittel allgemein zunimmt. Indessen darf doch auch nicht allzu viel hineingedeutet werden in Zesens zudem verstreute Beiträge zur Poetik. Unter den mannigfachen Abhandlungen, wie sie sein prunkendes Verzeichnis eigener Schriften aufmarschieren läßt, findet sich bedenklicherweise eine äußerliche Übertrumpfung des Nürnberger Trichters mit dessen sechsstündiger Arbeitszeit durch einen „Neuerfundenen Handgriff...", vermittels dessen die Poeterey in „zwo oder drei stunden kan beigebracht werden". Auch zeigt sich Zesen an rein metrischen Untersuchungen eifrig beteiligt (Erörterung über das Klinggedicht 1641). Wenn er an Stelle des „Poeten" die Bezeichnung „Dichtmeister" bevorzugt, so steht keine wirklich innere Auffassungswandlung dahinter, sondern — wie er selbst ausführt —
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eben nur das Bestreben, einen in Mißkredit geratenen, abgewirtschafteten Namen durch einen unverbrauchteren zu ersetzen. Es gehört diese Umtaufe zu den Reinigungsbestrebungen von feindlichen Anwürfen gegen die Poeterey und ist so nur ein Glied in der langen Reihe der Abwehrmaßnahmen gegen vielfache Angriffe und gegen die „Verachtung der Poeten". Und „Dichtmeister" klingt denn ja auch recht handwerklich zuverlässig. In Wirklichkeit aber pflegt und fordert Zesen nicht sowohl solide Handwerkerei als vielmehr kunstreiches Virtuosentum. Der Begründer der Deutschgesinnten Genossenschaft läßt besonders deutlich erkennen, wie dieses Virtuosentum indessen in den Dienst der deutschen Sprachpflege gestellt und so veredelt werden soll. Sein „Helikon oder Grund-richtige Anleitung zur Hochdeutschen Dicht- und Reimkunst" hebt von vornherein mit patriotischer Genugtuung und merklich mitschwingender Wärme die eignen Neuerungen an Gedichtarten hervor, die er „zu unsres lieben Vaterlandes und desselben spräche auf-nehmen ( = Entwicklung, Fortschritt) und ehre' zu ehrst versucht und aufgebracht habe". Sein „Helikon" .ist ihm vor allem wert als eine „in Betrachtung unserer lieben mütter-sprache hoch-wichtige arbeit". Das sprachreinigende Bemühen tritt sogleich zutage in der Verdeutschung der lateinischen Fachausdrücke zur Poetik (besonders „Anzeiger"; darin ζ. B. poesis = Dichterei, metrum — Dicht-maß-band usw.). Als Vorkämpfer des Deutschen verantwortungsbewußt besorgt um die Zukunft der Muttersprache, weist er erzieherisch warnend auf den etwaigen Triumph der Ausländer hin, die „jubalieren und froh-lokken" würden, wenn die deutsche Dichtkunst etwa von ihrem — vermeintlichen — Gipfel wieder herabsänke. Zur Höhe des Helikons will er deshalb auf mehreren Treppen (Untertreppe, Obertreppe), die wiederum in Stufen gegliedert sind, hinanführen, wie denn die angehängte „Deutsch-lateinische Leiter zum hochdeutschen Helikon" ausdrücklich das Programm aufstellt: „Die Leiter ist gesetzt / auff welcher Dier zu gehen / der Tichter mittel zeigt zum schönen Helikon". Aber recht holpricht sind diese wohlmeinend gebauten Treppen und recht mechanisch eingefügt die Sprossen seiner Leiter. Während der Haupttitel des eigentlichen „Helikons" doch wenigstens noch zwischen Reim- und Dichtkunst unterscheidet, die auch sonst in der Poetik relativ klar getrennt wurden, kommt
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diese „Leiter" zu der rein metrisch eingestellten Definition: „Die neue Dichterei (also nicht nur die Reimkunst) ist eine vermögenschaft, dadurch die gebundenen reden an eine gewisse zahl wort-glieder und gleich-endungen der schluß-glieder mit beobachtung des zeit-und-wort-maßes gebunden werden" (S. 6). Dem entspricht der im „Eingang" des Helikon hervortretende Stolz auf die Reimregister, die als „Richtige Anzeiger" jedem der drei Teile hinzugefügt werden (bei Teil I I I als „Richtiger Reim-Zeiger"). Der empfehlende Hinweis Christian Weises auf die Zesenschen Reimregister bestätigt, daß Zesen richtig das Zeitbedürfnis eingeschätzt hatte. Sonst bringt der zweite Teil, der die „ahrten und gattungen" heranzieht, in der Hauptsache eine Sammlung eigner Dichtungen mit wenig theoretischem Zwischentext; ebenso der dritte Teil. Der erste Teil greift mit seinen Forderungen gleichfalls durchgehend auf metrisches Gebiet über und verlangt ζ. B. auf der „Untertreppe" vom Dichter rechtes „ohren-maß" für den Reimklang. Die „Obertreppe", besonders in der fünften Stufe etwas ergiebiger für die Poetik, empfiehlt für die „freudigen schau-spiele" (Lustspiele) die „Heldenreime" (Alexandriner), weil sich diese der Alltagsrede am leichtesten annähern lassen. Dagegen ist in „trauer-schau-spielen" je nach Bedarf zu verfahren. Hinsichtlich der „ E r f i n d u n g e n " verharrt Zesen beim Äußerlichen und Üblichen (Ort, Zeit, Umstände, Dinge, Personen, Namenbedeutung). Fast klingt es wie eine Ironie, entsprach jedoch dem Zeitgeist, wenn auch vom Buchstabenwechsel eine Anregung zum Erfinden erhofft wird und wenn gerade in diesem Zusammenhange der Buchstabenvertauschung vom „dichterischen Künstler" gesprochen wird. Ein Seitenblick auf Schottels Epigrammtheorie mit deren Prägung von den „Kunstfündigen Reimen" und den „Kunstgriflein" erinnert daran, daß Zesens Bezeichnung als „dichterische Künstler" durchaus nicht so abseitig war, wie es vom Gegenwartsstandorte aus erscheinen könnte. Auch sonst gleiten die Poetiker gern von diesem Teile der Wortspielerfindungen, die eigentlich in die Reimkunst gehören, ab in das beliebte Fahrwasser spielerisch plätschernder Wortwellenlinien. Aber Zesen beharrt doch neben Harsdörffer mit ganz besonderer Zähigkeit und merklichem Behagen in diesem seichten Gewässer, während hinsichtlich der Sacherfindungen nur auf die Gewährsmänner Vossius und Meyfarth verwiesen wird (vgl. Titz). Man
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erkennt den Virtuosen und Wortspieler so recht am Werke, wenn der praktische Rat gegeben wird, daß der Dichter „alle Buchstaben aus karten oder spielblättern schneide... und dann verlege" (variiere); denn „hieraus kan man leichtlich anlaß zu vielerhand erfindungen bekommen und bisweilen rechte kurtzweilige stiften". Eine eigene — die sechste — Stufe ergeht sich denn auch ausgiebig in „allerhand dichterischen Kunst-stücklein und lust-spielen" (S. 26of.), wobei mit „lust-spielen" hier natürlich nicht Komödien, sondern lusterregende Bilderreime und sonstige ,,schertz-griffe" gemeint sind. Angesichts solcher metrischen Experimente, die jedoch offenbar wiederum die Sprache schmeidigen sollen, will es vorerst wenig besagen, wenn auf Grund älterer Überlieferung Tanzkunst und Gesang als „Schwestern" der Poesie angesehen werden, obgleich diese Anschauung im Hinblicken auf die Bedeutung der Klangwerte innerhalb der Zesenschen Kunsttheorie Aufmerksamkeit verdient. Der Umstand indessen, daß selbst derartige Kunstgriffe die Biegsamkeit und den Verwendungsreichtum der deutschen Muttersprache fördern wollen und sollen, mahnt an die k u l t u r p a t r i o t i s c h e G e s a m t h a l t u n g und wirbt aus solcher Gesinnung heraus um unser verständniswilliges Einfühlen in dergestalt überspitzte Hilfsmittel, die doch eben auch, wenngleich auf einem uns abwegig dünkenden Umweg, letztlich der Erreichung jenes groß gesehenen und würdig gewollten Endzieles dienstbar gemacht werden. Neben der barocken Spielfreude an sich lag eben von dieser sprachbewährenden Seite her die Gefahr nahe, gerade im Virtuosenstückchen eine Paradeleistung zu erstreben. Die in den Titelzusätzen seines „ R o s e n - m ä n d " (1651) angekündigte Absicht Zesens, „das lauter gold" und den „unaussprächlichen schätz" der hochdeutschen Sprache ans Licht verdienter Wertgeltung heben zu wollen, bestätigt das Innehalten der kulturpatriotischen Leitlinie. Dieser Absicht dienen letzten Endes alle jene Eignungsprüfungen und kunsttechnischen Leistungsprüfungen der deutschen Dichtersprache. Dabei sucht man zum Teil das Ausland mit dessen eigenen Waffen zu schlagen, bzw. mit seinen eigenen vermeintlichen Trümpfen noch zu übertrumpfen. Und wenn z. B. Zesen den italienischen Poetiker Trissino kennt und im „Rosen-mänd" nennt, wenn er durch ihn und andere Gewährsmänner die K l a n g b e w e r t u n g verstärkt beachten lernt, so will er eben auch — wie Opitz, Buchner, Harsdörffer u. a. vor
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ihm (selbst auf Fischaxt hat man zurückgegriffen) — nach dieser Ausdrucksrichtung hin die Wirkungswerte bereichernd ausbilden helfen. Sowohl die Pflege des Einzelklanges der Laute als auch die Klangsymbolik ganzer Wortgruppen rückt er in den Bereich anregender Betrachtung, indem der Dichter „harte Dinge nach ihrer Härte oder Klange oder anderer Eigenschaft mit harten, knallenden; weiche aber mit weichlichen; liebliche (aber) mit lieblich klingenden Worten und solche Worte mit sotanigen Buchstaben, die dergleichen Klang sichtbarlich entwürfen", nachzubilden und für das wirksame Hörbild auszuformen habe. Nicht zum wenigsten die kulturpatriotische und kulturpolitische Leitidee war es gewesen, die ihn zum Versuch im deutschen Roman ermutigt hatte. Die „dem vernünftigen Läser" in eigener Sache gewidmete V o r r e d e zur „Adriatischen Rosemund" (1645) spricht es bereits klar aus, daß Zesens Bemühen sich darauf richtet, an die Stelle „der spanischen und wälschen Libesgeschichte" und der bloßen Übersetzungen einen eignen deutschen Liebesroman zu setzen. Im größeren Zusammenhange gesehen, handelt es sich also wieder um die Eroberung einer Sonderform, die der Verfasser bisher in der deutschen Dichtung vermißt hatte, nur eben um die Eroberung der Großform eines Romans, genauer einer Romanart. Denn die Verbesonderung als ausgeprägter Liebesroman tritt wie in der „ A u f - t r a h g s s c h r i f t " (Widmungsschrift) so auch in dieser Vorrede mit betonter Bewußtheit zutage. Die „träu-und deutschgesünneten gemüther", die nachgerade Geschmack an Liebesromanen gefunden hätten, sollen nicht mehr nur angewiesen sein auf Werke aus „Spanien, Wälschland und Frankreich". Die Voraussetzungen waren gegeben; denn „der Hohch-deutschen ohren begännen nuhn-mehr auch hurtig zu wärden und hören gärn von der Libe". Dabei wird das Ausformen dieser Sondergattung gleichzeitig einer Schmeidigung und Verfeinerung der deutschen Sprache förderlich sein können, und zwar sowohl hinsichtlich der klangfreudigen als auch der sichtfreudigen Darstellungsmittel. Die bescheidenen Ansätze zu einer frühen Romantheorie verlieren also die bewußt nationalsprachlichen Aufgaben der Dichtkunst und die sprachschulenden Möglichkeiten nicht aus den Augen. Und diese Ansätze wahren auch ein waches Bewußtsein dafür, daß die Schaffung eines deutschen Liebesromans keine bloße Sache der Übernahme des Ausländischen bleiben dürfe.
AUSWEITUNG UND VERBESONDERUNG
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daß vielmehr das Arteigene deutscher Liebesauffassung — wie es später Hofmannswaldau für die Sondergattung der Heldenbriefe in Anspruch nimmt — auch eine entsprechend abgestufte Gestaltung und Haltung notwendig machen sollte. Es ist hier nicht die Aufgabe, kritisch abzuwägen und nachzuprüfen, inwieweit diese ideale Zielsetzung im Roman Zesens erstrebt oder verfehlt, verwirklicht oder vernachlässigt worden ist. Die theoretische Einsicht aber bekundet sich und bietet fraglos erste Anläufe zu einer gewissen Vertiefung, so unzulänglich und zudem ichbezogen uns die Zesensche Romantheorie in ihren Äußerungen auch immer erscheinen mag. Von jenem Standort aus verwirft Zesen die „alzu geil und alzu weichlich" wirkenden Bestände in gewissen Romanen des Auslandes, die durchweg „weder kraft noch saft" aufzuweisen hätten. Was er der deutschen Wesensart und Empfindungsweise für angemessen hält — und was nicht ganz unähnlich auf späterer Entwicklungsschicht von Geliert für das ernsthaft rührende Lustspiel gefordert wird — glaubt er in der Einbeziehung „einer lihblichen ernsthaftigkeit" zu erkennen, die er merklich als arteigen empfindet und empfiehlt, „damit wihr nicht so gahr aus der ahrt schlügen und den ernsthaften Wohlstand verlihßen". Im Sinne der Verteidigung der R o m a n g a t t u n g , die mancherlei Angriffen noch auf weite Sicht und weite Strecken hin ausgesetzt ist, stellt Zesen klar, daß die Werttrübungen des Romans vorwiegend auf die von ihm angedeuteten Entartungserscheinungen einer an und für sich nicht unwürdigen Dichtgattung zurückzuführen seien. Weder vom nationalen noch vom christlichen Kriterium her sei die Freude und Anteilnahme an „einer keuschen libes-beschreibung" irgendwie zu beanstanden. Wohl aber sei die Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit weitgehend an das erlebnisfrohe jugendliche Lebensalter gebunden. Denn „die Lib' erfortert ein frisch-und lustiges gemühte", so daß auch der Liebesroman kein rechtes Verständnis bei einem „alten grau-bahrt" wird suchen wollen und finden können. Und wie Zesen als lyrischer Dichter nicht hinter der Fiktion moralische Deckung sucht, sondern sich zum Liebeserleben bekennt, so auch gesteht er mit Unbekümmertheit und nicht ohne eine gewisse Koketterie im Vorwort dieses Romans, daß ihm das „libes-feuer unter der linken brüst" selbst im Herzen brenne, ein Geständnis, das ihm recht persönlich zugespitzte ίο M a r k w a r d t , Poetik ι
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Angriffe eintragen sollte. Ein derartiges Bejahen des Gefühlsanteils ist zwar noch nicht einfach gleichzusetzen mit einer Manifestierung der „Erlebnisdichtung". Wohl aber sind bei Zesen wie bei Fleming u. a. keimhafte Entwicklungsvorformen vor der Teilentfaltung bei Joh. Chr. Günther anzusetzen. Und vor allem bewirkte ein solches Bejahen eine Auflockerung des moralisierenden Wertungskriteriums gerade auch innerhalb der theoretischen Auffassung. In gewisser Weise will das gefühlsmäßige Beteiligtsein werbend und charakterstärkend übergreifen auf eine veredelnde Wirkung überwiegend rührender, aber auch aufmunternder Art („aufmundtern"), nicht ohne die Herzensbildung der „hohch-deutschen Frauen-zimmer" besonders zu berücksichtigen, wie die Widmungsschrift mehrfach anklingen läßt. Dieser klar und offenbar auch vorbeugend gezogene Trennungsstrich verläuft aber doch bei Zesen, entsprechend seiner verhältnismäßig stark ausgeprägten ästhetischen Grundhaltung, in einer wesentlich anderen Richtung als etwa die Amadis-Polemik bei Andreas Heinrich v. B u c h h o l t z (1607—1671), der in der Vorrede zu seinem Herkules-Roman (1659) einseitig die christlich-moralische Leitidee fast nach Art Birkens herausstellte. Zum mindesten verschiebt sich der Anteil der Mischungselemente beträchtlich zugunsten der „gottfürchtigen Gedanken" und einer „Erkenntnis der himmlischen Wahrheit" sowohl in der Romantheorie wie auch im Romanschaffen Buchholtz'. Ohne völlig das Wirkungsziel des „anmutigen" Eindrucks und „des Gemüts Erfrischung" aufzugeben, sieht und setzt Buchholtz doch offenbar das höhere Ziel in der Erbauung des christlichen Empfindens. Doch ist der Sinn für Formfragen und Wahrscheinlichkeitsfragen immerhin schon allgemein soweit gekräftigt, daß auch Buchholtz seine Kritik nach dieser Seite hin ergänzt durch einen Hinweis auf allerlei Widersprüche und Zaubereien, „die so wenig Geschmack als Glaubwürdigkeit" hätten, wobei für die kunsttheoretische Terminologie die Anwendung der Bezeichnung „Geschmack" (so auch Harsdörffer) Beachtung verdient. Die Sonderforschung (Wolff) nimmt bei Buchholtz bereits einen Zustrom der französischen Romankritik an hinsichtlich der Abwehr der „unglaubscheinlichen" Romanmotive. Gelegentlich wird das Kunstwollen auch ablesbar aus Bemerkungen innerhalb der Romane selbst, so etwa bei Zesen im „Simson"-Roman dort, wo die Einlagerung einer Episode so be-
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gründet wird: „Wir haben genug von Traurigen Dingen geredet. Nun müssen wir auch etwas anders / wo nicht fröhliches / doch das mit mehr Lust und Ergetzung anzuhören sein wird / vorbringen". Der so erkennbare Wille zur unterhaltsamen Abwechslung schließt den Willen zur Belehrung, wie er bei Zesen in den „Bitweisem" sich in Form fast wissenschaftlicher Inhaltsangaben äußert, keineswegs aus. Und das Wertungskriterium der Wahrheitsnähe wird — nach Huets Vorbild — etwa auch im V o r w o r t zu Zesens „Assenat" (1670) festgehalten, wo Zesen zugleich eine Lektüre der Anmerkungen v o r der eigentlichen Romanlektüre empfiehlt. Die Angriffsstellen, die Zesen fraglos in mancher Hinsicht bot, machte sich vor Sacer bereits Johann R i s t (Begründer des Elbschwanenordens) zunutze. Denn weit mehr durch seine Opposition gegenüber Zesen als gegenüber dem „Löblichen Hirten- und Blumen-Orden an der Pegnitz" wurde Rist in eine gewisse Abwehrstellung zur Schäferdichtung gedrängt, eine Abwehrstellung, aus der heraus jene Angriffe einer teils persönlich gefärbten Satire vorwärtsgetragen wurden in den Zwischenspielen seines „Friedejauchzenden Teutschland" (Nürnberg 1653). Wie später seinem Anhänger Sacer hat ihm vor allem Zesens „Adriatische Rosemund" Anstoß erregt. Und im Verfolgungseifer gegen den „Sausewind" Zesen, nicht sowohl aus klarer kritischer Einsicht läßt er sich zu einigen groben mehr als geistreichen Vorstößen gegen die Schäferdichtung ermutigen. Wie jedoch Sacer in seiner späteren Satire über die Schäden der Dichtung immer den gelehrten Poeten ausnahm, so stellt Rist vorsorglich klar, daß in den pfleglichen Händen „gelehrter Leute" und rechter Kunstdichter doch auch die Schäferdichtung durchaus „artig" wirken könne. Der betonte G e l e h r t e n s t a n d o r t wird bereits innerhalb der k u l t u r p a t r i o t i s c h e n B e s t r e b u n g e n seiner früher versuchten „ R e t t u n g der Edlen T e u t s c h e n H a u p t s p r a c h e " (Hamburg 1642) im Sinne der Gelehrsamkeitsforderung auch für den Dichter unzweideutig herausgestellt als eine Grundforderung für das Dichtertum, und zwar nach Opitzens Vorbild: „Wer in vielen schönen Künsten und Wissenschafften nicht erfahren, in den Geschichten und Fabeln der Lateiner und Griechen unbewandert, der enthalte sich nur kühnlich des Deutschen Versschreibens". Rist, der schon in der Vorrede zum „ P o e t i s c h e n L u s t ÎO»
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g a r t e n " (1638) eine eigene Kritik der Sprach- und Dichttechnik angekündigt hatte, will gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges seine Poetik oder doch ein „Tractätlein von den Mänglen der teutschen Poesie" denn auch durchgeführt, aber durch die Kriegsläufte wieder verloren haben. Jedenfalls ist sie nicht erhalten, so daß man auf die verschiedenen Vorreden Rists angewiesen bleibt. Wie die V o r r e d e zu Rists Sammlung „Musa Teutonica", (1634) mit ihrem Preisen deutscher Dichtung, so kommt sein „ N o t h w e n d i g e r V o r b e r i c h t an den T e u t s c h e n L e s e r " zu seinem „ P o e t i s c h e n S c h a u p l a t z " (1646) besonders wegen der kulturpatriotischen Haltung in Betracht, die ähnlich sich ausprägt im V o r b e r i c h t zu den „ N e u e n himlischen L i e d e r n " (1651). Darin liegt wohl das Wertvollste, das aber nicht ein Eigenes und Besonderes war, sondern getragen wurde — und Rist auch zugetragen wurde — vom größeren Zeitwollen. Bemerkenswert bleibt indessen, daß Joh. Rist sich besonders aufnahmefreudig diesem kulturpolitischen Zeitwollen geöffnet zeigt. Und insofern will seine kunsttheoretische Gesamtleistung, die von jenen frühen Vorreden bis hin zìi den sogenannten „Monatsgesprächen" die kulturpatriotische Leitlinie zielstrebig innehält, vor allem nationalgeistgeschichtlich, nicht nur geistesgeschichtlich gewertet werden. Nur diese nationalgeistgeschichtliche Betrachtungsweise wird dem „nordischen Apoll" auch als Theoretiker und Programmatiker gerecht werden. Denn nicht ein „lächerliches Selbstgenügen" — wie Borinskis schiefe Einstellung zu diesen Fragen meint — , bestimmt Rists Haltung, wenn er ζ. B. in der Vorrede zur Sammlung der „Musa Teutonica" in der ersten Freude über den Durchbruch Opitzens bereits die deutsche Überlegenheit vorschnell als verwirklicht hinstellt, sondern das instinktive Gefühl dafür, wie notwendig damals eine Stärkung des deutschen Kulturbewußtseins war im Bemühen anregender Ermutigung. Natürlich konnte ein derartiges gesinnungsmäßiges und stimmungsmäßiges Schaffen von Gegengewichten gegenüber dem Geltungsübergewicht des Auslandes nicht rein sachlich gerecht das wirklich gegebene Leistungsverhältnis abwiegen und abwägen. Derartige Ermutigungen wollten und sollten nicht nur national wirken, sondern auch nationalpädagogisch etwas bewirken. Sie sollten bewirken, daß aus der Zuversicht ein schaffendes Zupacken werden konnte. Und jeder kleine Fortschritt, wenn ζ. B. auch nur auf metrischem Gebiet vollzogen
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oder angestrebt, wurde in diesem Sinne mit Genugtuung festgestellt, so etwa Rists Versuche in der „abwallenden Reimart", in deren Anwendung er „der Erste gewesen" zu sein hofft, wie sein viertes „Monatsgespräch" mit Stolz vermerkt. Bereits die Titelgebung des kunsttheoretisch besonders aufschlußreichen vierten Monatsgesprächs, der „Aprilens-Unterredung", die im Gesamtrahmen der allgemeinbildenden Monatsgespräche (1663!) eine Unterhaltung über die Künste bringt, die Bezeichnung nämlich, die das werthafte Stichwort gibt „Die a l l e r e d e l s t e B e l u s t i g u n g " (1666), stellt die erzieherischen Kräfte der Künste, und nicht zum wenigsten auch der Dichtkunst, betont heraus. Denn „Belustigung" in diesem Sinne steht etwa auf derselben Bedeutungsschicht mit Erbauung und schließt die sittliche und christliche Zwecksetzuig ohne weiteres mit ein, wie Rist schon in seiner „Sabbahti chen Seelenlust" (1651) klargestellt hatte. Nicht eine geschlossene Poetik will und kann jener Gesprächsausschnitt über die Dichtkunst bieten. Und der Vorbericht beansprucht für die „kurtze Unterredung" denn auch nur die Absicht, daß sie „nur etlicher mahßen wolle Anleitung geben", während für ein eingehendes Studium auf die Großwerke der Poetik — darunter auf das „allerfürtreflichste" Scaligere — verwiesen wird. Doch vergißt er trotz der gesonderten Herausstellung Scaligere nicht, daß „fürtrefliche Leute in unserem Teutschen Vatterlande" mit gebotener Gründlichkeit „von dieser zugleich anmuhtigen und hochnützlichen Wissenschaft" der Poetik gehandelt hätten. Hervorhebung verdient angesichts dieser kunsttheoretischen Unterredung, die sich um aufgelockerten Gesprächston bemüht, der Umstand, daß bei aller Wertschätzung der Theorie dennoch die „Erfahrung" als die „Meisterinn aller Dinge" und als die beste Lehrmeisterin gerühmt wird. Streckenweise dramengeschichtlich und theatergeschichtlich fruchtbarer als kunsttheoretisch, baut doch das Gespräch bzw. die Lobrede auf die Dichtkunst innerhalb dieses Gesprächs die bereits vertrauten Positionen der Ristschen Poetik weiter aus. Und zwar geschieht dies in einer Weise, die eine merkliche Anlehnung an Harsdörffer (besonders dessen Gesprächspiele) verrät und auch offen bekundet. Harsdörffer wird so Rist behilflich, über seine Ausgangslinie Opitz und seine Zwischenstufe Schottel hinauszugelangen. Und es wird gerade im Hinblick auf die Monatsgespräche überzeugend deutlich, daß man die Ge-
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DIE POETIK DES BAROCK
samterscheinung
des Theoretikers
Rist
nicht
einfach auf
die
Formel „Opitzianer" festlegen und einengen darf. Für die Metrik gilt ihm sehr bald Schottel als die maßgebende Autorität, für Fragen der Bühne und des Dramas besonders Harsdörffer.
Die
tragende Grundstimmung, die alle locker nur verbundenen B e merkungen doch wieder vereinheitlicht, ist die kulturpatriotische Leitidee und die christlich-moralische Leitidee, die protestantisch ausgerichtet erscheint und Luthers Dichtung bewundert. zunächst
einmal
weltanschaulich
bedingte
greift doch auch ins Kunsttheoretische ehrfürchtig
beobachtet,
daß
Luther
Verehrung
über, wenn
ohne
Diese Luthers
Rist
fast
Regelkenntnis
und
„ohne einniges Menschen Anleitung" dennoch regelgerechte G e dichte geschaffen habe.
Rists Strenge und E n g e in metrischen
Fragen, die Opitzens Reformwillen streckenweise überspitzt, steht hier vor einem Wunder, dessen tieferen Sinn er nicht erfassen kann, weil seine B e g a b u n g s b e w e r t u n g trotz vereinzelter Teilansätze für ein Verstehen des Schöpferischen nicht
ausreicht.
Hält er es doch schon für eine kühne Großzügigkeit, die er sich (im Vorbericht) hoch anrechnet, daß er einen Nichtakademiker und
Nichtlateiner
zum
Poeten
gekrönt
habe.
Letztlich
nur
formelhaft wird die alte Lehre nachgesprochen, daß der Poet „gebohren werden" müsse u n d „nicht gemachet" werden könne. Während
immerhin
in
der
Begabungsbewertung
eine
leichte
Auflockerung für den reiferen Rist der „Monatsgespräche" spürbar wird, hält er den Stolz auf die deutschsprachliche Dichtung mit voller Anspannung und teilweiser Überspannung aufrecht. Eine gewisse Loslösimg von der unbedingten
Mustergeltung
der Alten wird Rist merklich erleichtert durch seine ausgeprägt christlich-moralische
E i n s t e l l u n g , die überall Wache hält
vor der Würde und den Werten des Christentums, die auch das tiefste und
edelste
„Belustigen"
ausgehen läßt' („Seelenlust", die heidnischen
von
1651)
gottdienender
Dichtung
und im laufenden Gefecht
Götternamen bekämpft und verwirft.
schroffen Herausbildung
der christlichen
Leitidee
In der
nähert
sich
Rist weitgehend dem Standort Birkens, zum mindesten in der theoretischen Abwehr der antiken Mythologie ; denn im eigenen Dichtschaffen macht er gelegentlich Zugeständnisse („Die Triumphierende Liebe", 1653).
In klarer Abhebung v o n Zesen trägt er
Vorsorge, seine Liebeslyrik entschuldigend als ein bloßes künstlerisches
Spiel,
die geschilderte
Liebe
als eine bloße
Fiktion
AUSWEITUNG UND VERBESONDERUNG
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hinzustellen. Sein „Neuer Teutscher Parnaß" (1652) ist gleichsam gedacht als eine Mustersammlung angewandter Poetik. Und auf Rists „Vorbericht" zu dieser Sammlung mit seinen eifernden Vorstößen gegen die heidnisch-antike Mythologie kann sich noch B. Kindermann berufen. Bei aller Achtung vor dem „Hocherlauchten Rist", seinem „Ruhmwürdigsten Kröhner", dem er nicht zum wenigsten sein Ansehen dankt, möchte doch der Magister B a l t h a s a r K i n d e r mann (1636—1706, Kurandor, Elbschwanenorden) mit seinem massigen Wälzer „Der D e u t s c h e P o e t " (1664) gar zu gern den Meister wenigstens in der Poetik übertrumpfen. In voller Breite spannt er ein vielmaschiges Paragraphennetz aus, um zuletzt doch nur alles das erneut einzufangen, was in Wirklichkeit schon längst von anderen eingebracht worden war an kunsttheoretischen und kunsttechnischen Erträgen. Überall knüpft er die Fäden dieses umständlichen Netzes an: nicht nur bei Rist, gern auch bei Opitz, bei dessen Kommentator E. Hanmann, bei Harsdörffer, und zwar unter Bevorzugung der^FrauenzimmerGesprechspiele", bei Ziegler hinsichtlich der Bestimmung des Madrigals, bei Joh. Hübner und dessen Versuch einer Aufgliederung der Poesie nach Fabelarten. Und trotz der Aufschwellung seiner Poetik auf etwa siebenhundert Seiten hält er es dennoch für berechtigt, ein näheres Eingehen ζ. B. auf das Lustspiel und dessen Durchführung „nach den kunst- und grundmässigen Lehrsätzen" zu vermeiden mit der Begründung, daß ein derartiges Eingehen „allzuweitleuftig fallen" würde, so daß ein Hinweis auf den „Göttlichen Scaliger und andere theure Männer" aushelfen muß. Dagegen hält er für die Gelegenheitsgedichte (4. u. 5. Buch) und die Sinnbilder, Rätsel usw. (6. Buch) fast vierhundert Seiten, also gut die Hälfte der Gesamtpoetik zur Verfügung, wobei an „Muster"-Gedichten nicht gespart wird. Eine verhältnismäßig knapp gehaltene Metrik (7. Buch) schließt das Ganze ab. Befreit sich der Blick von der anfangs erdrückenden Stoffmasse, wird er zum Uberblick über die hauptsächlichen Strukturteile, so enthüllt sich die Gesamtanlage im wesentlichen als eine Vergrößerung der Gliederung von Opitzens „Buch von der Deutschen Poeterey", so daß Kindermanns Poetik auch im engeren Sinne als eines derjenigen Werke gelten kann, die im wesentlichen durch Schwellung von Opitz' Wurzelwerk absprossen.
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DIE POETIK DES BAROCK
Dabei mag der Umstand, daß dort sieben Kapitel, hier sieben Bücher vorliegen, Zufall sein.
Die Entsprechung des H a u p t -
gedankenganges und seiner Abfolge bleibt weitgehend gewahrt; nur daß Kindermann die inzwischen erschienene äußerlich
mit
hineinverarbeitet.
Deutschen Poeten"
Von
„Dem
Fachliteratur
Antrit
zu
den
(i. Buch) mit Erörterungen über das Ver-
hältnis von Begabung und Schulung, das Verhältnis zur antiken Mythologie,
die Abwehr des Lastervorwurfes und die
fertigung der
„rechtschaffnen Poeten",
das
Recht-
kulturpatriotische
Hervorheben poetischer Geltung aus dem würdigen Alter deutscher Dichtung führt der langgedehnte und recht ausgetretene
Weg
zum „Nohtwendigen Zugehör der Poesie" (2. Buch) mit der von Harsdörffer entlehnten —
—
Bestimmung der Dichtkunst, mit
der bereits ins Formale hinüberspielenden Erläuterung des „ E r findungs"-Begriffes
als einer „sinnreichen Fassung aller Sachen"
(S. 50), der oberflächlichen, aber zeittypischen Darstellung des Verhältnisses von Form und Inhalt, von Erfindung und Formung (Wort, Name, Sache, Person, Ort, Zeit als Ansatz für die „ E r findung"). Das
unmerklich
Verschwimmen
von
und
vielfach aus der Zeitpoetik
„Erfindung"
und
Formung
ablesbare
wird
überall
spürbar, besonders etwa auch in dem „Erfinden" mit Hilfe von Gleichnissen,
wie schon vorher aus den Worten
und
Namen
(Anagramme) der Formbezug des angeblichen „Erfindens" greifbar sich vorzeichnet und ausprägt.
Reichlich wahllos mischt
sich in dieses Buch v o m „Zugehör" plötzlich die Vermittlung der Gliederung J. H ü b n e r s („Parnaßischer Lorbeer-Baum") der drei
Fabelarten:
„Majestätische
Fabel,
Lust-Fabel,
Kurtze
Fabel", ohne daß recht klar würde, was denn überhaupt unter Fabel in
diesem Zusammenhange zu verstehen ist.
Jedenfalls
führt Borinskis Bemerkung leicht irre, indem sie an unsere Fabel (kurze, sinnbildliche Erzählung) denken läßt, während offenbar überwiegend ein anderes gemeint ist.
Wieder nämlich bestätigt
sich die Vermischung von Inhaltskriterium und Gestaltkriterium durch die Schwankung des „Erfindungsbegriffs", und so wird die majestätische Fabel am hohen Inhalt und der gesteigerten Gestaltung erkannt, die Lustfabel am weniger hohen Inhalt und der mittleren Darstellungslage, während die kurze Fabel oder „ S c h l u ß - F a b e l " am Epigramm und Sonett erläutert wird.
Die
einzige Berührung also mit der Fabel als Gedichtart (Tierfabel)
AUSWEITUNG UND VERBESONDERUNG
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läge darin, daß sie von „erdichteten Wesen" handelt und schlicht und bündig gehalten ist. In Wirklichkeit will Kindermann oder richtiger Joh. Hübner offenbar eine Einteilung auf Grund der Dreistufigkeit: hohe, mittlere und niedere Schreibart in Verbindung mit entsprechendem Inhalt bieten, nicht aber eine Klärung der Fabel als Erzählungsart. Von Joh. Hübner gesteht Kindermann auch jenen Grundriß der antiken Mythologie übernommen zu haben, den er in dieses Buch über die Erfindungen einschiebt. Es ist kennzeichnend, daß die Erörterungen über die Fabel nicht in das dritte Buch, das von den wesentlichen Gedichtarten handelt, hinübergenommen worden sind. Die kulturpatriotische und nationalpolitische L e i t idee beherrscht merklich das vierte Kapitel des ersten Buches, „darinnen erwiesen wird, daß Deutschland eine Mutter und Seugamme sey der Göttlichen Poesie" und schon vor „viel hundert Jahren" dichterische Leistungen durch Barden und Druiden und späterhin durch die Meistersinger hervorgebracht habe. Unter Zurückgreifen auf E. Hanmanns Anmerkungen zu Opitzens Poetik und C. Spangenberg (1528—1604) entwirft er das zeitübliche Bild von der alten deutschen Dichtung, wobei die frühen „HeldenLieder" als Ersatz für die Geschichtsschreibung aufgefaßt werden. Auf diesem Hintergrunde soll sich die damalige Gegenwartsgeltung umso wirksamer abheben, deren Wertsteigerung trotz jenes historischen Stolzes mit Genugtuung festgestellt wird; denn „in so schöner und vollkommener A h r t . . . als itzund" seien die Gedichte der Frühzeit nicht ausgeführt gewesen. Der Gegenwartsstolz überwuchert also den historischen Stolz, der letztlich nur Mittel zum Zweck bleibt. Auf etwa durchschnittlicher Linie bewegt sich die christlichmoralische Leitidee, die besonders besorgt die Jugend dem Einfluß der „heidnischen Scribenten" entziehen und ihr Tugend und Weisheit reicher aus Gottes Wort zufließen lassen möchte, als es „aus den Fabeln der Heiden" geschehen könne. Aber entsprechend der Kompromißfreudigkeit Kindermanns, die gern am Ende des Kapitels die vorher ausgesprochene Meinung wieder halb und halb rückgängig macht, „folget doch hieraus noch lange nicht, das Christliche Poeten nicht solten befuget seyn, in ihren Gedichten der Heidnischen Götter Nahmen bisweilen zu gebrauchen". Um diesen Mittelweg zu finden, muß ihm überdies noch Harsdörffer als Wegweiser dienen. In zeitüblicher
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Weise äußert sich das erste Kapitel über das V e r h ä l t n i s von B e g a b u n g und Schulung. Der Dichter soll, wie auch die der Poetik vorangestellte „Erklärung des Kupffer-Blats" fordert, „von oben her entzündet" und — wie die Poetik selbst ausführt — „von einer himmlischen Krafft und Einfiiessung beschencket" sein. Aber hinter diesen zudem aus zweiter Hand bezogenen Bewertungen tauchen als Deckung neben den neuen auch traditionsgetreu die alten Gewährsmänner (in diesem Falle Cicero und Ovid) auf. Ohne Schulung und „unverdrossene Arbeit" vermag die Naturanlage keinen Dichter zu bilden. Der Dichter, der „den Grif zu poetisiren von Natur" hat, bedarf noch des Schliffes wie der rohe Diamant, ein Gleichnis, das ebenfalls als Wandergut in den Poetiken wiederkehrt. Der Dichter muß vielseitig gebildet, ja gelehrt sein, weil die Dichtkunst alle anderen Künste und Wissenschaften mit umfaßt. Über die G a t t u n g e n und G e d i c h t a r t e n ergeht sich Kindermann auf den gewohnten Wegen der Anweisungspoetik. Und er begegnet den üblichen Beständen, ohne sie neu zu werten. Das E p i g r a m m bestimmt er unter Berufung auf Opitz als „eine kurtze Spitzfindigkeit". Der Wert des Epigramms schein^ ihm erst gesichert nach Erfüllung von sieben Forderungen (S. 257), von denen die Wertattribute „kurtz" und „deutlich" indessen bereits in einen gewissen Widerspruch geraten. Denn bei schwierigem Inhalt ist die Kürze der Deutlichkeit aufzuopfern. Den „schärften, nachdencklichen und unvermuhtlichen Schluß oder Nachdruck" hält er als Bedingung fest, wobei ein Ablernen von fremden Musterepigrammen nicht zu verschmähen ist. Und Kindermann bemüht sich im treuen Glauben an die Möglichkeit und Nützlichkeit, aus künstlichen, logisierenden Gedankenreihen, „aus -den (berühmt-berüchtigten) Fontibus", die J. Masen so eifrig erörtert hatte und von denen noch Meister trotz höherer Begabungsbewertung eine Förderung für den Epigrammdichter erwartet, die scharfsinnigen Einfälle herzuleiten. Weit zuversichtlicher, als Meisters schon kritisch bedachtsamere Einstellung es späterhin gestattete, geht Kindermann daran, am praktischen Beispiel die „Vollführung unser Erfindungen" im Bereiche des Epigramms erläuternd darzulegen. Dem Gedankengange z. B., daß der Kluge nur zur Nachtzeit, der Narr jedoch auch am Tage „träume", wird durch den bloßen Willensakt („Daraus mache ich nun folgendes Gedicht") ein entsprechend frostiges Epigramm
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entrissen. In enger Beziehung zum Epigramm wird das Madrigal gesehen, und zwar mit Berufung auf Ziegler (S. 286f.). Es hat sich merklich durchgesetzt, so daß ihm ein gesondertes Kapitel eingeräumt wird. Die „ T r a g e d i e " wird zwar ausdrücklich in einer Anmerkimg nach Harsdörffer das „Meisterstück der Poeterey" genannt, erfährt jedoch trotz geringer Entfaltungsansätze keine grundsätzlich neue Beleuchtung. Zwar scheint Kindermann, der wie Harsdörffer, Hadewig u. a. den lebenskundlichen Nutzen der Schulaufführungen berührt, hinsichtlich des Wirkungsziels der Tragödie den einseitigen Nutzwert etwas abzudrängen, der mehr für die Belehrungs- und Besserungsform des Lustspiels (K. sagt schon „Lustspiel") in Anspruch genommen wird. Aber letzten Endes bleibt der vorherrschende Nützlichkeitsstandpunkt doch aufrechterhalten. Und die teilweise Einschränkung — auf die G. Brätes hinweist — kann damals nicht mehr eigentlich als Erkenntniszuwachs gebucht werden. In Wirklichkeit bietet das Infragestellen des Nutzwertes für Kindermann auch nur den Anknüpfungspunkt, um unser Ergötzen am tragischen Geschehen zu erklären. Den Zweifel nämlich, daß der Zuschauer an derartigen „erschrecklichen und traurigen Sachen" doch nur „wenig ergetzlichkeit" werde finden können, versucht er auszuräumen durch den Hinweis darauf, daß nur eine Nachahmimg im Sinne des Ähnlichmachens, nicht aber eine Wirklichkeit vorliege. Die ästhetische Freude an „der großen Kunst und Gleichheit des Bildes" überwindet die Unlustgefühle. Was hierbei im ersten Augenblick als Voransatz zu der dann vor allem von Joh. Elias Schlegel geförderten Entwicklung überraschen könnte, war bereits bei Buchner vorbereitet worden. Außerdem bezieht sich Kindermann an der entscheidenden Stelle (S. 241) ausdrücklich auf Plutarch als Quelle. Der zweite Grund für jene Möglichkeit der Ergötzimg am Tragischen wird darin gefunden, „daß wir außer Gefahr derjenigen Dinge uns befinden", die auf der Bühne geschehen. Endlich soll dank eines uns naturgegebenen „hertzlichen Mitleidens" die Erweckung von „Lust und Ergetzlichkeit" ermöglicht werden. Diese immerhin bemerkenswerten Begründungen lassen es doch nur bedingt als berechtigt erscheinen, Kindermanns Beitrag zur Dramentheorie auf dem Entwicklungswege zu Lessing einzuordnen. Bei der Gesamtbewertung der Poetik Kindermanns bleibt zu
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berücksichtigen, daß sie sich bereits in ihrem breiten Titelzusatz offen zur Gebrauchskunst der gesellschaftlichen Gelegenheitsdichtung bekennt. In diesem Sinne bietet sie gleichsam den Mustertypus für die weitschichtig angelegte Durchschnittspoetik. Und so wirkt neben ihr der Versuch G. Neumarks, den Stoff der Poetik in „Tafeln" zu gliedern, recht instruktiv als Beispiel für die unterschiedlichen Ausprägungen der Poetikform. Georg N e u m a r k s „ P o e t i s c h e T a f e l n oder Gründliche A n w e i s u n g zur T e u t s c h e n V e r s k u n s t . . . " (1667) heben sich in ihrer methodischen Anlage aber auch von den méisten anderen Poetiken ab; inhaltlich stellen sie ein eklektisches Sammelwerk dar. Mit Titz in der Königsberger Zeit befreundet, hat Neumark nach dessen Prosodie, Schottels Reim- und Sprachkunst und Harsdörffers Trichter einem jungen Adeligen das Dichten beigebracht, sich als handliche Auszüge seine Tafeln für den pädagogischen Zweck hergerichtet, auch ein Kollegium darüber gehalten und bereits früher einige Exemplare für den Freundeskreis drucken lassen (Thorn 1650). Erst in seiner Weimarer Zeit kam Neumark zur Drucklegung des Ganzen, zu dem Martin K e m p e (Jena) die breiten textlichen „ A n m e r k u n g e n " in Neumarks Sinne ausführte. So gliedert sich das Werk in die fünfzehn Tafeln und diese „Anmerkungen", die zahlreiche und vielfach recht gedehnte Gedichtbeispiele einflechten. Die Tafeln in Tabellenform sind Stichwortdispositionen, deren links angeordnete Oberbegriffe nach rechts hin ihre mannigfach abgestuften Unterbegriffe mit Klammern umschließen. Außerdem werden links ehrlich die Gewährsmänner: Titz, Buchner, Schottel, Opitz, Harsdörffer u. a. verzeichnet. Für die Poetik seien hervorgehoben Tafel 1, 8, 9 u. 13. Es behandeln: die Tafel 1 größere Gruppen, a philosophisch (Fabeln usw.), b musikalisch (Madrigal, Sonett usw.), c „versieht oder gebunden" (Opitz, Buchner, Dach usw.). Teilgruppe a und b werden ausgeschaltet. Nur die Gruppe c wollen die weiteren Tafeln näher bestimmen: die Tafeln 2—7 sind dann auch sprachlich-metrisch eingestellt (Wort, Reim, Vers, Cäsur u. a.), die Tafeln 8—10 geben Artgliederung. Dabei fungieren als i n h a l t l i c h e E i n t e i l u n g s k r i t e r i e n : a Trauer-Händel (Tragödie, aber auch Gedichte), b FreudenHändel (Komödie, Freudenspiele, aber auch Glückwunschgedichte u. a.), c Mittel-Händel (Tragico-Komödien, dazu wieder-
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um Gedichtarten), d die Lob- und Laster-Händel (Satiren, Schimpf- und Strafgedichte usw.). Unsere lyrische Gattung wird also aufgeteilt und den anderen Gruppen zugeordnet. Dennoch bedeutet es schon einen relativen Fortschritt, wenn diese Formen mit Sonderklammern als „Lieder oder Gerichte" abgehoben werden. Vor allem aber bringt dann die neunte Tafel doch etwas wie eine lyrische Gattung: „Lyrische Gerichte oder Lieder", wenn auch die Würdigung keineswegs auf lyrisches Wesen abzielt, sondern rein metrisch eingestellt bleibt auch dort, wo die zehnte Tafel weitere Unterarten verzeichnet. Daß die epische Gattung so gar nicht hervortritt (höchstens Satiren erwähnt), liegt offenbar daran, daß Neumark ja nur den Programmpunkt c (der Tafel I) jener größeren Gruppen (s. o.) zum Thema erhebt und damit Punkt a (philosophische Fabeln) fortfällt. Späterhin kommt die Fabel indessen noch zu ihrem Recht. In die Zubereitung der poetischen Rede, und zwar in die „verbotenen" (!) und „zugelassenen" Wendungen gibt die elfte Tafel Einblick, während die zwölfte Tafel den Wortverwandlungen (Verkürzung oder Kompositum) gewidmet ist, und die dreizehnte Tafel Forderungen hirtsichtlich der Gesamtanlage in stilistischer Hinsicht aufstellt (zierlich, wohlangebracht, schön, den Sachen gemäß usw.); die vierzehnte und fünfzehnte Tafel orientieren über die Rechtschreibung. Auf Kempes weitläufige Anmerkungen einzugehen, lohnt kaum der Mühe. Zwischen den Tafeln und diesen Anmerkungen schaltet Neumark jedoch noch einen längeren Teil als „ E i n t r i t t zur Poet e r e y " ein, der für die Poetik einiges bringt. Danach ist die Dichtkunst „eine Fertigkeit, aller Sachen schickliche Gestalt zu erfinden, beweglich in gebundener Ahrt vorzutragen und wohlständig auszutheilen" (es folgt ein Buchner-Zitat). „Tichten" heißt einerseits Zusammenfügen, andererseits Ersinnen. Demnach genügt Begabung nicht; es wird „niemand, ob ihn gleich die Natur dazu geschickt gemacht, etwas tüchtiges ohne der Kunst Hülff-Leistung hervor bringen". Moralische Strenge ist auch Neumark nicht fremd; so dürfen nicht die „guten und erbaren Sitten untertreten und die züchtigen Gemühter geärgert" werden; der Dichter darf nicht sittlicher „Brunnenvergifter" sein. Beruhigend werden Liebeshändel als bloße „Theorie" entschuldigt. Im ganzen hat aber die Moral nicht den zelotischen Charakter wie etwa bei Birken. Zweck der Dichtung ist es, die „Gemühter"
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zu „belustigen" und dem „Leben dienlich" zu sein. Dieses Doppelziel hilft vor allem die Einkleidung von sinnvoll erfundenen Fabeln erreichen, „welche gleichsam der Anfang und die Seele der Poeterey" sind (S. 33, vgl. Harsdörffer u. a.). Ein Sinnreiches, ein Wirkliches oder tieferen Sinn reizvoll zu verhüllen unter schönem Schein, dienen neben den Fabeln auch „anmuthige Verblümungen". Bei starker Bewertung des Inhalts spielen also Erfindung und Formung dennoch ineinander über. Damit ist bereits das Verhältnis zur N a t u r n a c h a h m u n g angedeutet, das Neumarks besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Klarer als sonst treten beide Linien hervor: der Dichter soll einerseits nachahmen, andererseits aber „ertichten oder ausbilden". Er soll sowohl das, „was wahrhaftig ist", zierlich beschreiben als auch etwas Eignes „von ihm selbst" erfinden und auch das Unbedeutende („ob es vorher nichts war") ausbilden und gestalten (S. 1). Nicht aber unser Idealisieren ist gemeint, wenn Neumark formuliert: „Die Kunst machet vollkommen, was die Natur angefangen", sondern damit soll nur die Kunstschulung der Naturanlage hervorgehoben werden. Die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s f r a g e innerhalb der Fabel läßt ihn zu fast schon Gottschedischen Forderungen gelangen. In Verteidigungsstellung gegen den Lügenvorwurf definiert er die Fabel als eine Dichtung, in der auf „ertichtete, doch scheinbare (wahrscheinliche) Weise etwas fürgebracht wird, als wenn (Als-ObTheorie Gottscheds) es wahr wäre." Es liegt in diesem Sinne ein der Wirklichkeit Ähnliches vor. Neumark stuft im einzelnen weiterhin ab: a) Fabeln ohne Wahrheit (Wirklichkeit), Tierfabeln und Märchen, b) Wahrheit und Phantasie gemischt, Parabeln, Historien usw. Verworfen werden Volksmärchen als des „gemeinen Pöfels ungereimte Fratzen"(!) Dieser verständnislose Hochmut gegenüber der „Pöbel"-Dichtung ist als durchgehender Zug in der Barockpoetik nachweisbar und bestenfalls aus der Abwehr des nachwirkenden Grobianismus entwicklungsgeschichtlich verständlich. Uberwiegend aus moralischen Gründen werden die „gäntzlich unmöglichen" Fabeln der Alten gleichfalls verurteilt. Die A b l e h n u n g des s c h l e c h t weg W u n d e r b a r e n scheint schon auf die Aufklärung hinzudeuten (Kampf gegen Aberglauben) wie auch die Mahnung zum bedächtigen Maßhalten in der Phantasiefreiheit. Als Einzelheit
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sei erwähnt, daß Neumark bereits Dichtung als Erlebnisersatz auf erotischem Gebiet kennt: „Die vortrefflichen Gemüther können sich am allermeisten mit einer Platonischen Ergötzung in ihren Gedanken beruhigen (!) und vergnügen". Den zusammenfassenden Charakter und die entwicklungsgeschichtliche Rückbeziehung lassen Neumarks am Rande verzeichneten Belege ehrlicher hervortreten, als es etwa bei Titz geschieht. Zehn Jahre vor dem Enddruck dieser Poetik hatte Neumark in der „ Z u s c h r i f t l i c h e n V o r r e d e " zu seinem „ F o r t g e p f l a n z t e n M u s i k a l i s c h - P o e t i s c h e n L u s t w a l d " (1657) bereits den Frühdruck (Thorn) von vierzehn seiner Tafeln erwähnt, auch sonst das Gebiet der Poetik berührt. Vor allem kritisch gegen die Mißbräuche einer „löblichen und kunstmäßigen Poesie" gerichtet und wiederum überwiegend auf fremde Zitate gestützt, läßt die Vorrede doch aus den gerügten Mängeln mittelbar die positiven Forderungen ablesen. So wenn Neumark tadelt, daß unzulängliche Dichter „nichts geistreiches, nichts feuriges, nichts mit bewegenden Historien, geschicklichen Gleichnüssen und durchdringenden Lehr Sprüchen ausgespikktes" für Poesie ausgeben und dadurch die an sich hochlöbliche in Mißkredit bringen. Als positive Forderungen lassen sich erschließen: Sprachrichtigkeit, gelehrter und reicher, gleichnisfreudiger Inhalt, lehrhafte und keusche Gesinnung. Der „gelehrten und in allen Wissenschaften grunderfahrnen Poesie" kommt allein das Recht zu, als Kunst geachtet zu werden. Kennzeichnenderweise werden Dichter, die nicht gelehrt und kunstmäßig geschult sind und nur angeborene Fähigkeiten aufzuweisen haben, nicht für voll genommen: „es sind aber solche mehr wegen ihrer guten Geburtsahrt mit Verwunderung wehrt zu halten als vor recht geschikkte Poeten zu achten" (S. 7). Nach der anderen Seite hin wird das „wolaüsgearbeitete gelehrte Kunstgetichte" gegenüber dem minderwertigen „Pritschmeistergesange" als allein vollwertig hervorgehoben. Die moralische Tendenz wirkt hier vordringlicher als in den „Tafeln". Nicht nur „allzusehr weltgesinnte Venustichter" werden verpönt, sondern darüber hinaus wird streng geeifert gegen das „Feuer unkeuscher Unreinigkeit". Indem Neumark mit Attributen wie „unflätig", „geil" u. a. reichlich um sich wirft, hält er den schützenden Schild der Moral vor die gefährdete Unschuld, damit nicht verkommene „Betteldichter" mit ihrer Unreinheit „giftigem Stachel unschuldige Seelen berühren". Man
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geht kaum fehl in der Deutung, daß hier der zornentbrannte Keuschheitsverfechter in der Vorrede weislich vorbauen will, damit sein Lustwald nicht als allzu lustig empfunden und befunden wird. Daß dies nicht zum wenigsten seine Sorge ist, verrät das vorgesetzte Leitgedicht mit der Wendung: „Wenn nur nicht über diesen Wald / ein Tugendsinn wird klagen", dann wolle er mit dem Erfolg schon zufrieden sein. Daß die Poesie nur „Himmelswertes zu der Ehre Gottes" zu bringen hat, ist ihm in wörtlichen Anklängen von Birken her in Erinnerung. Immerhin verdammt er nicht die „heidnische", weil eben „doch kluge Vorwelt". Nur darf neben den klassischen die Muttersprache nicht vernachlässigt werden, und damit bléibt doch wieder die kulturpatriotische Einstellung gewahrt. Im einzelnen ließen sich im Rahmen des Ausweitungsvorganges der Poetikenliteratur mehr oder minder bedeutsame Beiträge zur Poetik der Barockepoche, besonders auch Prosodien und metrische Anleitungen häufen. So etwa Martin R i n c k a r t s „Summarischer Diskurs und Durch-Gang, von Teutschen Versen, FußTritten und vornehmsten Reim-Arten oder Teutsche Prosodia" (Leipzig 1645), J. S. M i t t e r n a c h t s „Bericht von der teutschen Reimkunst oder Kunst, hochdeutsche Verse zu machen" (Leipzig 1653), Georg-Michael P f e f f e r k o r n s metrisch eingestellte „Anleitung, innerhalb kurzer Zeit einen reinen Teutschen Verß . . . zu verfertigen" (Altenburg 1669), die er seiner „Poetisch-philologischen Fest- und Wochen-Lust" als Anhang beigegeben hatte. Samuel S c h e l w i g bewegt sich recht schulmäßig in einem „Entwurff der lehrmäßigen Anweisung zur Teutschen TichtKunst" (Wittenberg 1671), wobei die Bemühung um begriffliche Unterscheidung von Klangmalerei (Klangnachbildung) und Klangentsprechung bzw. Paronamasie erwähnt sei, während Christian P u d o r , schon den Grenzbereich der Poetik nach der rein sprachtheoretischen Seite hin ausweitend, „Der Teutschen Sprache Grund-Richtigkeit und Zierlichkeit" (1672) in Pflege nimmt (eine eigentliche Poetik schreibt Pudor nicht). Noch steht die lateinisch geschriebene Poetik neben der deutsch geschriebenen, in diesem Zeitausschnitt etwa vertreten zugleich als akademische Poetik neben den reinen Schulpoetiken durch Christoph Caldenb a c h s „Poetice Germanica, seu de ratione scribendi carminis Teutonici" (1674), vielleicht auf eine ältere Ausgabe von 1645 zurückgehend.
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Gelegentlich erscheinen wohl auch die Anweisungen mit anderem Lehrstoff verbunden. So will, schon in der Ubergangszeit stehend, Joh. Adolf F r o h n i u s der „zarten Jugend" mit seiner „Kurtzen leichten Methode, Grammaticam Latinam. . . beyzubringen" zugleich durch eine angehängte „Anweisung zur Teutschen Poesie" (Mühlhausen o. J. 1692?) verhelfen und läßt also die verhältnismäßig knapp gefaßte Poeterey-Anweisung in die Stellung eines Anhanges zu seiner (wenngleich durch „meistentheils Teutsche Regeln" vermittelten) lateinischen Schulgrammatik abgleiten. Etwa gleichzeitig behandelt Chr. Händel unter Nachwirkung Harsdörfiers und Birkens die deutsche Poeterey in einer lateinischen Disputation, Christopherus Christianus Haendelius ,,Ariern Germanorum poeticam disputatione publica exhibit" (1689). Jenseits solcher Ausweitung der Poetikenliteratur fordert näheres Eingehen die Verbesonderung, wie sie teils in Sonderschriften (Ziegler), teils wenigstens in Vorreden (Gryphius, Lohenstein) sich den einzelnen Gattungen zuwendet, so dem Kleinkunstwerk des Madrigals und der Großform des Dramas, wobei zugleich auf die Ansätze zur Romantheorie in Zesens Vorreden zurückzuverweisen wäre oder etwa, abgesehen von Birkens Beitrag in seiner Poetik, auf seine Vorrede zur „Aramena" (A. Ulrich v. Braunschweig) und auf Buchholtz' „Herkules"-Vorrede. Während Birken seiner Gesamthaltung gemäß im „Gefolglied" für die Texte den geistlichen Motivkreis forderte, wandte sich K a s p a r Ziegler mit seinem zierlichen Büchlein „Von den Madrigalen, einer schönen und zur Musik beqvemesten Art Verse" (1653, 1685) der Musiktextdichtung, weltlicher Art zu. Die themabedingte F ü h l u n g mit der Musik kann von vornherein hergestellt werden durch den „Extract aus Herrn Heinrich Schützens... Schreiben an mich Caspar Zieglern", der als Teilabdruck eines Briefes Heinrich Schütz' (vom 11. August 1653) mit Stolz der eigentlichen Abhandlung vorangestellt wird. Kann doch Ziegler hier die Anerkennung ablesen und mitteilen, die sich in Schütz' Worten ausspricht und vor allem auch das Bedürfnis der Komponisten nach einem Ausbau der Madrigaldichtung als einer erwünschten und bislang oft vermißten Textgrundlage bestätigt sehen. Bei aller Bemühung, so meint Schütz, hätten „die Deutschen Componisten sich bishero" vielfach vergeblich abplagen müssen, um „der heutigen neuen Poesie schöne Erfindungen mit guter Manier in die Musik zu versetzen". Und IS
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nur zu berechtigt wäre ihre Klage gewesen, „daß dasjenige genus Poeseos, welches sich zur Auffsetzung einer künstlichen Composition am allerbesten schickete, nehmlich der Madrigalien, bißhero von ihnen nicht angegriffen, sondern zurück geblieben were". Als rühmenswert wird hervorgehoben, daß Ziegler es sei, der „die erste Probe solches generis Poeseos unter denen Deutschen Poeten hiermit ableget", während Ziegler vorsichtig genug war, die Frage der Erstmaligkeit (vgl. ζ. B. Häßler und Schein) offen zu lassen. Indessen wenn auch Ziegler selbst den Ausgang seines kleinen Aufsatzes — denn mehr ist sein Bericht „von der Arth und Eigenschafft eines Madrigals" (S. ι—19) nicht und will er auch nicht sein — wieder einmünden läßt in diese Ausgangssituation, indem er seinerseits den Leser anregt, Zieglers eigene (1685 vermehrte) „Exempel" von deutschen Madrigalen (S. 20—46) womöglich zu übertreffen, um „diese Art Verse in unserer Deutschen Sprache aufbringen" zu helfen, so bleibt doch die an sich vorhandene kulturpatriotische Teiltendenz merklich abgeschwächt. Einmal durch das themagemäße und zeitgemäße Andrängen der italienischen Mustergeltung. Denn wie Schütz in seinem Briefe als Ideal die „gestalt einer Italianischen Musik" vorschwebt, so will ja Ziegler von jener — „der edlen Musik zum Behuff" — empfohlenen Dichtungsart des Madrigals handeln, „wie sie nach der Italianer Manier in unserer Deutschen Sprache auszuarbeiten" (Titelzusatz) wäre. Immer wieder greift er im Verlaufe seines „Berichts", der, von Beispielschwellung entlastet, an sich eine geschlossene Darstellung bietet, auf das Vorbild der Italiener zurück. Ob er nun eine vorläufige Definition vermittelt, ob er bei der Benennungsableitung auf M. Praetorius verweist, dessen „Syntagma Musicum" (1615—20) Zieglers Dafürhalten nach die Benennung recht einleuchtend abgeleitet habe („wenn er es quasi Madre della gala, von der Sententz oder Spruche, den diese Art gemeiniglich mit sich führet, nennet"), ob er bei metrischen Fragen und Gestaltungsfreiheiten (etwa der größeren Ausdehnung) oder der Verszahl Stützung bei italienischen Mustern sucht: überall bleibt das Nachstreben einem bloßen Ubernehmen und Nachmachen bedenklich nahe. Und es scheint dieser eindeutig vorherrschenden Anlehnung gegenüber nicht allzu viel besagen zu wollen, wenn gelegentlich ein schüchterner Ansatz zur Loslösung gewagt wird. Dennoch sind solche Ansätze der Be-
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achtung wert bei einer Gattung, die an sich ausdrücklich a b Einfuhrprodukt gekennzeichnet wurde, und in einer Zeit, die erst Schritt für Schritt sich vortasten mußte. Schon wenn in Ziegler wenigstens vorübergehend Zweifel aufsteigen, „ob wir eben den Italianern alles nachäffen und nicht bißweilen etwas ausschreiten sollen", wenn er die andersartige Formungsbedingung der deutschen Sprache in Fragen der Metrik und des Reimes berücksichtigt, wenn er manche italienische Lässigkeit in diesem Betracht abwehrt, so liegen in solchen Einschränkungen des bloßen Übertragimgsvorganges gewisse Keimkräfte zu einem eignen, wenn auch noch wenig erstarkten Entfaltungswillen bereit. Derartige Keimkräfte vermögen sich jedoch nicht voll durchzusetzen, weil Zieglers Vertrauen auf die Eignung der deutschen Sprache gerade für Kurzformen dichterischer Kleinkunst außerordentlich schwach ausgeprägt und durch Bedenklichkeiten und Lateingewöhnung recht belastet und befangen bzw. innerlich gebrochen erscheint. Und damit wird die ändere Ursache jener teilweisen Abschwächung der kulturpatriotischen Leitidee von der s p r a c h k r i t i s c h e n Ausgangs- und G r u n d e i n s t e l l u n g des „Berichts" aus sichtbar. In einer streckenweise recht derben Polemik, die sich u. a. verbittet, daß sich ein unberufener Kritiker „in diesem meinen Auffsatze wie eine Saue in einem klaren Fließwasser erst wohl herumb zu sielen und hernach seine ungereimten Gedancken darwider aus zu speyen gelüsten lassen möchte", rückt Ziegler besonders scharf ab von den als krampfhaft und lächerlich verworfenen Verdeutschungsversuchen Zesens. Insoweit gehört Ziegler in die Reihe der Antizeseaner. In demselben Jahre, in dem Harsdörffer dem dritten Teile seines „Trichters" den werbenden Titel mitgibt „Prob und Lob der Teutschen Wolredenheit", glaubt Ziegler, der die vielfache Lobpreisung der deutschen Sprache kennt, teils mit sprachgeschichtlich beachtenswerter Berufung darauf, daß er „ein gebohrner Leipziger" sei, der Muttersprache einen wirklichen Dienst zu erweisen, wenn er kritisch die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit absteckt. Und so gibt er sich das Ansehen oder ist wohl auch ehrlich der Überzeugimg, daß er nur Übersteigerungen des deutschsprachlichen Kultus auf das rechte Maß zurückführe. Doch bereits eine Wendung über seine Beschäftigung mit der deutschen Sprache wie diese: „Ich habe mich nun eine geraume Zeit, doch nur bey müssigen Stunden darinnen geübt", verrät ungewollt, aber umso
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beweiskräftiger, daß Ziegler, ganz abgesehen von seinem fortgesetzten Seitenblick auf die Vorteile des Lateinischen, doch wohl nicht ernst um die Gewinnung auch nur der damals möglichen Ausdrucksfähigkeit im Deutschen gerungen hatte, um derartig skeptisch gefärbte grundsätzliche Urteile abgeben zu können. Nun sucht zwar Ziegler seine sprachkritischen Teilvorstöße dort abzufangen, wo das mühsam erkämpfte und noch umkämpfte Ansehen der deutschen Dichtersprache beginnt und gefährdet werden könnte. So läßt er Unentbehrlichkeit von Fremdwörtern für die Dichtung nicht gelten, während er der Prosa die Verwendimg des Fremdwortes zugesteht. Die Begründimg erhellt zugleich die Umschreibungsfreudigkeit der Barockzeit — ähnlich wie bei Meyfarth — von einer bisher vielleicht noch zu wenig beachteten Seite aus, indem ablesbar wird, daß die poetische Tugend des U m s c h r e i b u n g s r e i c h t u m s teils (teils!) aus der Not des Mangels an t r e f f e n d e n Einzelwörtern und kurzen Wendungen geboren oder doch aus solchen Rückwirkungen eines noch nicht voll ausgebildeten Wortbestandes verstärkt wurde. „In der Poesie", so hebt Ziegler ab, nachdem er sich die Freiheit der Einmischung eines lateinischen Wortes in seine Prosadarstellung vorbehalten hat, „in der Poesie aber thue Ich das nicht: Warumb? Denn wenn Ich gleich da etwas umbschreibe, das sich sonst nicht gar wohl Deutsch geben läst, so läst sich das vor eine Poetische Art zu reden billich halten und kan alsdann solches, es sey so abentheurlich verdolmetscht, als es wolle, wohl entschuldigt und geduldet werden". Damit gibt Zieglers z. T. der Haltung der Satiriker angenäherte kritische Einstellung doch dem machtvollen Gegendruck der barocken Vorliebe für die Umschreibungsform biegsam und merklich auch willig nach und hebt sich dergestalt ab von der späterhin zu würdigenden Poetik innerhalb der literarischen Satire. Ziegler ist eben noch nicht Wernicke (noch nicht einmal Sacer). Er steht durchaus im Literaturbarock, der, durch das Sonderthema noch verstärkt, von der italienischen Richtung her sich auswirkt. Die Hauptschwäche der deutschen Sprachgebimg wird wegen der Notwendigkeit der — in der Dichtung erlaubten — Umschreibungen gesehen in ihrem gerade im Vergleich mit dem Lateinischen hart fühlbar werdenden Mangel an Kürze und treffsicherer Bündigkeit. Das Vertrauen auf die „Natursprache" wird bei Ziegler nicht erkennbar, obgleich es in der Bewertung der
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Klangpflege untergründig mitschwingen mag. Die Frage der Bündigkeit und Formenraffung beschäftigt Ziegler im Bereich der F o r m u n g s f r a g e n des Madrigals besonders lebhaft. Er zieht theoretisch seiner Kritik auch nach dieser Richtung eine Grenze dort, wo die Tauglichkeit der Dichtersprache zur Debatte steht: „In der Poesie habe Ich so viel wahrgenommen, daß ein kurtzer Stylus sich trefflich wohl (im Deutschen) anbringen lasse; aber da ist eine gewaltige Kunst dabey, daß man durch sothane kürtze den Verstand nicht dunckel mache, welches in Wahrheit nicht alle gleich verhüten können". Ein gewisses Verantwortungsbewußtsein für die Ermutigung zum deutschsprachlichen Dichten darf man also Ziegler nicht absprechen. Doch allzusehr verschiebt sich der Akzent des ganzen „Berichts" auf jenes „Aber". Es wird allzu emsig auf die Schwierigkeit und die „gewaltige Kunst" bzw. Kunstfertigkeit hingewiesen, die gerade eine dichterische Kurzform wie das Madrigal (Ziegler sagt noch: der Madrigal) erfordere. Denn nicht nur der Gesamtumfang des Madrigals bleibt trotz des gewährten Spielraums notwendig begrenzt, sondern auch das einzelne Formungsglied, besonders das Schlußglied des Madrigals hat mit gestraffter Bündigkeit zu wirken. Damit wird bereits die außerordentlich enge F ü h l u n g m i t der E p i g r a m m a t i k spürbar, die für die Gesamtauffassung Zieglers überaus kennzeichnend ist und vorerst in einem unversöhnlichen Gegensatz zur engen Fühlung des Madrigals mit der Musik andererseits zu bestehen scheint. Ob es Ziegler wirklich geglückt ist, diesen für das Gegenwartsempfinden vom Musikalischen vielleicht schärfer als für den Barockstil ausgeprägten Gegensatz wenigstens teilweise zu überbrücken durch das Verweisen auf rezitative Zwischenformen, auf „den Stylum recüativum", bleibe dahingestellt. Die völlige Verkettung mit dem Epigramm wird nicht zum wenigsten an den Hauptdefinitionen, aber auch sonst überall unzweideutig klar: „Denn das ist meines Erachtens eines Epigrammatis, und also auch eines Madrigals größte Zierde, daß sie wenig Worte und weitläufftige Meynungen mit sich führen, dadurch sie mit einer sonderbaren und artigen Spitzfindigkeit in den Gemüthern ein ferneres Nachsinnen verursachen und bisweilen ein feines morale oder einen feinen Spruch hinein pregen. Was nun ein Epigramma vor Eigenschafften hat und haben soll, dieselben alle zusammen gehören auch einem Madrigal" (S. 5/6).
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Unter derartigen Merkmalen erhält neben Kürze und Deutlichkeit gerade auch die Vorbereitung und Herausarbeitung der „conclusion" besondere Bedeutung zugewiesen als Wertkriterium, bald als „sententz" und „Gedenckspruch", bald als scharfsinnige Schlußprägung, bald als anregender Doppelsinn in der Schlußwendung. Die Abhebungsmerkmale vom Epigramm bleiben im nur Formtechnischen stecken. Das Madrigal ist, wie es Ziegler sieht und erläutert, „nichts anders als ein Epigramma". Nur freier in der Äusdehnungsmöglichkeit, etwas anders geartet in Fragen des Reims und des Metrums und pflegsamer in der Klangwirkung zu behandeln. Neben der Umgrenzung durch die Verszahl (5—16) springt nach einigem Hin und Her die Umgrenzung für den Einzelvers durch die Silbenzahl (6—Ii) heraus. Jenes bald zugestehende, bald einschränkende Hin und Her erklärt sich einmal aus der merklichen Unsicherheit, die als neuartig betrachtete Gattung gesetzgeberisch zu erfassen, zum anderen — und damit verbunden — aus dem Schwanken zwischen einer möglichst freien Spielraumgewinnung einerseits und einer formsichernden Umschränkung dieses Spielraums andererseits, die mehrfach die gewährte Freiheit wiederum mit einem „gleichwohl" aufhebt oder doch einengt. Das Madrigal soll einerseits „von allem zwange privilegirt seyn", andererseits darf der Madrigaldichter „den Vers nicht wie eine Saue von der Weide laufíen lassen". Die für das Madrigal erwünschte Stilschicht wird nicht restlos klar, entspricht aber etwa jener mittleren Höhe, die J. Masen für die Elegie in Ansatz brachte. Überwiegend hält Ziegler dafür, daß die Stilhaltung und Stilbewegung im Madrigal „der natürlichen Art zu reden näher kömt". Und eben weil dank der teilweisen Ungebundenheit „die Worte so fein in ihrer natürlichen construction gesetzt werden können", vermag sich das Madrigal vorteilhafter und schmiegsamer noch als das formstrengere Sonett den Bedürfnissen der Musik anzupassen. Entwicklungsgeschichtlich bedeutsam erscheint die Frage, ob K. Ziegler nur aus Unsicherheit und Unfähigkeit zur normsetzenden Theorie bzw. nur aus dem Bemühen, die Madrigalform ermutigend einzubürgern, „keine leges vorgeschrieben haben wil", oder ob er nicht etwas ahnt von jenen inneren Formungsund Wirkungsgesetzlichkeiten, die tiefer gründen als eine formungstechnische Regelsetzung. Es spielen m. E. beide Faktoren mit. Aber eben auch schon die Ahnung von gewissen unaussprech-
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lichen, unerklärbaren inneren Gesetzen. An solchen Stellen greift — und insofern wäre Baeumler, der sich für den früheren Entwicklungsraum der von ihm verfolgten kunstphilosophischen Termini und kunsttheoretischen Anschauungen streckenweise an Borinski halten mußte, gleichsam zeitlich rückwärts zu ergänzen—, es greift durchaus schon das Recht, ja die Pflicht zu einer eigenen U r t e i l s b i l d u n g vom Persönlichen her gelegentlich (so etwa auch bei Prasch u. a.) als eine Art von subjektivem Geschmackskriterium ein in die vorherrschende Reihung des Typisch-Normenhaften. Da dieses Ringen um eigne Urteilsbildung und persönlich gefärbte Wirkungsbeurteilung, da überhaupt ein Einbeziehen des Geschmacksurteils — auch zu einer Zeit, als der Terminus „Geschmack" noch nicht vorhanden war — umstritten ist, mag eine besonders deutliche Stelle hier ganz eingerückt werden: „Denn ob es sich gleich durch praecepta nicht sagen und vorschreiben läßt, wenn und an welchem Orte ein kurtzer oder ein langer Vers zu setzen, so läßt es sich doch durch subtile Ohren wohl unterscheiden, wenn die Verse nicht recht in einander geschrenckt sind, wiewohl wir deßhalben keine Ursach geben können. Ich muß bekennen, daß Ich mir selbst in vielen noch nicht gnug gethan, und kan doch nicht sagen, woher es komme, nur dass Ich muthmasse, es müsse die materia oder die construction oder die wunderliche Verwechselung der harten und weichen Worte daran Ursach seyn. Der günstige Leser dencke Ihme ferner nach, denn Ich kan ietzo weiter nichts sagen als: das klingt nicht, und so klingt es besser" (S. 12/13). Streckenweise bewegt sich so Zieglers kleiner Aufsatz in bemerkenswerter Nähe rhythmischer Fragestellungen, ohne zwar den klaren Zugang zu ihnen zu finden. Und wenn für die Urteilsbildung des Aufnehmenden eine gewisse B e g a b u n g vorausgesetzt wird, so stellt Zieglers knappe Schlußbemerkung, die er seinen „etlichen Exempeln" nachsendet, verhältnismäßig betont und klar, und zwar ohne Berufimg auf die Alten, wenn auch mit Anklängen an sie, die Begabimg des Dichters heraus: „Ingemein läst sich ein Poete nich machen, sondern er wil zu solcher Arbeit gebohren und von der Natur gleichsam dazu gewiedmet seyn. Wil sich einer dazu zwingen, so ists eben, als ob er fliegen wolte, da Ihm doch die Natur keine Flügel gegeben". So konventionell die Prägung immer bleibt, sie entspricht doch Zieglers mehrfacher Abwehr schroffer Vorschriften und seiner Berufung auf das persönliche Beurteilen des Wirkungseindrucks. Sie gewinnt
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vor allem auch an Gewicht durch jenes Berühren innerer Formungsgesetzlichkeiten, besonders hinsichtlich der Klangpflege. Die Verbesonderung, die bei Kaspar Ziegler in dem gewürdigten „Bericht" über Eigenart und Eigenwert des Madrigals die Fassung der Sonderschrift bevorzugt, obgleich nur eine lyrische Kurzform erklärt und vermittelt werden sollte, kann andererseits auf die Vorredenpoetik beschränkt bleiben, obgleich dabei die Großform des Dramas ins betrachtende Blickfeld gerückt wird. Nur zu leicht verengt sich in den grundsätzlichen Erwägungen derartiger Vorreden der Gesichtskreis zum naheliegenden Bezirk einer mehr oder minder verhüllten oder freimütigen Rechtfertigung des jeweils im Einzelwerk verwirklichten oder doch beabsichtigten Kunstwollens. Und was aus solcher Verengung an Beziehungsnähe von Theoretisieren und Produzieren in ihrem wechselseitigen Verhältnis gewonnen wird, geht vielfach an Beziehungsweite zum Gesamtbereich des Kunstforderns und Kunstwollens verloren. Das Zuschneiden auf den Einzelfall erzwingt nur zu leicht ein Zerschneiden der Beziehungsfäden zum großen Ganzen. Zesens Romanvorreden bieten ein Beispiel für diese Kehrseite der Vorredenpoetik. Und selbst die Dramen vorreden (1657, 1663) des A n d r e a s G r y p h i u s (1616—1664) vermögen nur gelegentlich jene in der Sonderaufgabe und im Sachgruppentypus der Vorrede gegebene Umgrenzung zu durchstoßen. Zudem fühlt sich Gryphius' grüblerisch bohrender Tiefendrang fremd im breiten Flächenbereich einer ihm merklich unzrilänglich erscheinenden Zeitpoetik. Trotz der Vorarbeit seiner Poetikvorlesung aus dem Leidener Entwicklungsraum wehrt er den Gedanken an einen systematischen Ausbau zur Poetik gerade auch stimmungsmäßig ab, obgleich er über die Fähigkeit zu solcher Ausgestaltung verfügen könnte. Eine verhaltene, aber zäh gehütete Sehnsucht nach echter E i g e n t ü m l i c h k e i t verwirft die Vorstellung, vieles aus zweiter oder dritter Hand als abgegriffene Wertmünze übernehmen und eben nur weitergeben zu müssen. Jakob Masen, obgleich er eine ähnliche Scheu vor dem Wiederholen aufflackern fühlt, verdrängt die Unlust, kann sie verdrängen, weil sein Wille zur Eigenwegigkeit denn doch ungleich matter wirkt und weil sein jesuitischer Eifer ihm Anreiz genug bietet, die Ordenspoetik zu fördern. Der Protestant Gryphius vermißt den Persönlichkeitswert und damit die eigene Verantwortung, die ihm eine derartige Leistung erst
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lieb machen könnte. Und so verweist er den „Großgünstigen Leser" in seiner Vorrede zum „Leo Armenius" hinsichtlich der Aufgabe und der Möglichkeit der Tragödie, „menschliche Gemüter von allerhand vnartigen vnd schädlichen Neigungen zu säubern", auf die Alten, läßt er es in der Kernfrage sein Bewenden haben mit diesem mittelbaren Rückverweis unter der ausdrücklich ein näheres Eingehen ablehnenden Begründung: „Wie zu erweisen vnschwer fallen solte, wenn nicht andere vor mir solches weitläufftig dargethan, vnd ich nicht eckel trüge, dieses zu entdecken, was Niemand verborgen". Selbst wenn man hinreichend in Rechnung stellt, daß die noch lange nachwirkende, noch bei Herder nachweisbare Bedeutung von „Ekel" nicht die Schärfe des gegenwärtigen Wortes ausprägt, sondern mit Unlust und Überdruß hinreichend umschrieben ist, so bleibt der Stimmungswert bestehen, ganz abgesehen davon, daß Gryphius nicht die engere Umfassung einer knappen Vorrede durch breite kunsttheoretische Erörterungen sprengen konnte und wollte. Das inbrünstigé Ersehnen einer eigenwertigen Leistung — soweit immer die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius von der Verwirklichung jener Eigenwertigkeit entfernt geblieben ist — setzt sich im Ausdruck des Kunstwollens mit einer fast unzeitgemäßen Kraft durch im Sichlosringenwollen von bloßer Nachdichtung: „Ein ander mag von der Außländer erfindungen den Nahmen wegreißen vnd den seinen darvor machen". Und dieses Wunschwesen des Dichterischen, nicht die formsetzende Bewältigung dieses Wunschbildes, fordert im Räume der Wortkunsttheorie Belichtung. Eine Belichtimg, die schlagartig das noch verfrühte Vorgefecht um eine deutsche Originaltragödie längst vor Gottsched sichtbar macht und dieses Vorgefecht als Kampfausschnitt des kulturpolitischen Wettbewerbs mit dem Auslände erkennen und anerkennen läßt. Zu ermessen ist dabei der Einsatz an Wollen, nicht der Ertrag im Vollbringen. So unzulänglich dem Gegenwartsbewußtsein auf weite Strecken hin jenes Vollbringen erscheinen mag, geistesgeschichtlich gewertet, entspricht die Hochspannung der Leistung durchaus der Anspannimg des Wollens. Nationalgeistgeschichtlich gewürdigt, entspricht die S o n d e r a u s p r ä g u n g eines stoischen Heroismus der l e i d s t a r k e n G e f a ß t h e i t weitgehend der Zeitstimmung im nachwirkenden Erlebens- und Erleidensbezirk des
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Dreißigjährigen Krieges. Sie entspricht auch den idealen Forderungen einer charakterschulenden Abhärtung gegen übermächtige Schicksalseinbrüche, wie sie seit Opitz bis Harsdörfier als Erziehungswert der Tragödie trotz der antiken Theorie sich nationaleigen herausbilden möchten. Was Willi Flemming die „echt germanische Stäte" in Gryphius' eigenem Wesen nannte, was er als „heroischen Voluntarismus" im Werk abliest, was Gerhard Fricke in der „Unbedingtheit" und im „Selbsteinsatz" der „heroischen Liebe" Celindens wirken sieht, das fordert gleichstark der Theoretiker Gryphius. Der Zusatztitel zur „ C a t h a r i n a v o n G e o r g i e n " mit dem Merk- und Mahnwort „Bewehrete Beständigkeit" verlegt den Heroismus leidstarker Beständigkeit, den die knappe V o r r e d e nachdrücklich zum Darstellungsziel erhebt, eben nur auf das Gebiet des fraulichen Ideals. Im Sinne der im Kunstwerk enthaltenen Zielsetzung, der latenten Poetik, bestätigt sich die bis zum Tode gefestigte Fassung heroischer Haltung entsprechend abgewandelt im Mannesideal. Der Heroismus steht indessen noch nicht frei auf der Tragschicht des nationalen oder persönlichen Wertes, sondern er bedarf der Stützung vom Religiösen her, wie er letzten Endes auf religiöse Werte zustrebt. Die Vergänglichkeit des Irdischen hebt nicht den Dauerwert des Heldischen ab und als letztes Hochziel empor, sondern ordnet die religiöse Vorstellung über. Der Held bleibt in enger Fühlungnahme mit dem Märtyrer. Die c h r i s t l i c h - m o r a l i s c h e L e i t i d e e überflügelt die kultur-patriotisch-heroische Leitidee im Wollen und im Wirken Gryphius'. Daß die christliche Leitidee in der (Anfang 1652 geschriebenen) V o r r e d e zu den „ T h r ä n e n über das L e i d e n Jesu C h r i s t i " (4. Buch der Oden) eindeutig vorherrscht, und zwar in kunsttheoretischer Hinsicht als ausgeprägte Rechtfertigung der Dichtung und insbesondere der geistlichen Dichtung vor der Kirche, erscheint themagemäß ohne weiteres als gegeben. Und es kommt in diesem Raum geistlicher Dichtung ein Ringen des FrommEinfältigen mit dem märtyrerhaft Gesteigerten und ReligiösHeroischen noch am ehesten auf der Ebene der G e s t a l t u n g s f r a g e n zum Austrag. Denn einerseits versichert der Dichter, sich um eine möglichst schlichte („schlechteste") Schreibart mit Anlehnungen „an die Worte der heiligen Geschichte" bemüht zu haben, wie er andererseits — und zwar breiter und allgemeingültiger — die gesteigerte Stilhaltung auch für religiöse Motive
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in Lyrik und Drama verteidigt. Im Eifer der Rechtfertigung enthüllt sich dabei eine beachtenswerte Sinngebung des Wortes „dichten", die anfangs überraschen könnte, aber eben nur an die tiefwurzelnden Hemmkräfte (Lügenvorwurf) erinnert, mit denen die Zeitpoetik damals zu kämpfen hatte: „Poeten (spricht man) pflegen zu dichten; es ist war, aber auch Redner zu lügen". Der Mißbrauch des „gläntzenden Mantels der Scheinheiligkeit" dürfe aber nicht das auch im religiösen Sinne würdige Dichterwort entwerten. Verläßt man jedoch den Bezirk der Gestaltungsfragen und Gestaltungsmöglichkeiten geistlicher Dichtung und fragt man nach dem Verhältnis des Christlich-Moralischen und NationalHeroischen schlechthin, so wird etwa der charakterschulende Beispielheroismus fraulicher Ehre in Catharina dem Oberbegriff der christlichen Leitidee untergeordnet und bleibt ganz durchsättigt von religiösen Gefühlsströnfungen: „So kräfltig ist der (Gott) in dem schwächsten Werckzeuge, dessen Ehre diese Königin mit ihrem Blut außstreichet ; diss einige beklage ich, dass meine Feder zu schwach, so hohe Geduld, so hertzhaffte Standhafftigkeit, so fertigen Schluss, das Ewige dem Vergänglichen vorzuziehen, nach Würden herauß zustreichen". Hinter dieser Klage erhebt sich zugleich das Ringen um die Festigkeit in der religiösen Haltung, die von Gryphius immer neu erkämpft werden mußte, weil der Persönlichkeitswert bereits seinen Lebensraum fordert oder doch anzumelden beginnt innerhalb des nicht mehr als restlose Sicherung empfundenen Schutzraumes vor dem Schicksal, den die Kirche anbot. Und insofern nimmt das christlich-moralische Grundgefühl nicht nur die Funktion des Quietivs an, sondern seinerseits etwas hinein von einem Heroismus eigener Prägung. Sogleich der Eingangssatz der Vorrede zum „Leo Armenius", der über das Einzeldrama hinaus die Grundstellung vorzeichnet, erinnert daran, daß Gryphius für seine Gesamtdramatik trotz der religiösen Blickrichtung den politischen T r a g g r u n d der Z e i t s t i m mung nicht aus dem Blickfelde verloren hat: „Nachdem vnser gantzes Vaterland sich nuhnmehr in seine eigene Aschen verscharret, vnd in einen Schauplatz der Eitelkeit verwandelt, bin ich gefiissen, dir die Vergänglichkeit Menschlicher sachen in gegenwertigem vnd etlich folgenden Trauerspielen vorzustellen". Das Gemeinschaftsschicksal des Vaterlandes entspricht dergestalt
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dem Persönlichkeitsschicksal, daß beide hindrängen zum Haltsuchen an Ewigkeitswerten. Aber es wird in diesem Hindrängen ein Stück Dynamik wirksam, das über die bloße Passivität hinausweist und nicht zum wenigsten als dramatisch triebkräftig sich erweist. Selbst dort aber, wo im mehr lyrischen Bereich der geistlichen Oden die Zielsetzimg von vornherein auf eine Geltungssicherung der Dichtkunst vor der Kirche hinausläuft, in der V o r r e d e zu den „ T h r ä n e n über das L e i d e n Jesu C h r i s t i " (4. Buch der Oden) übergeht er nicht die „Drangseligkeiten meines noch nicht zu Kräfften kommenden Vaterlandes". Ein aus ähnlichen Kraftquellen ermutigtes Vorbrechen der Persönlichkeitsgeltung reißt den Dramatiker trotz des theoretischen Wissens um die am Wege aufgestellten Verbotstafeln mit zum Wagnis, die strenge U m s c h r ä n k u n g der hohen S t a n d e s personen für das Hochstildrama zu d u r c h s t o ß e n im Drama der „Unglücklich Verliebeten" in „Cardenio vnd Celinde". Die latente Poetik im Werk spricht vernehmlicher als die rechtfertigende Erklärung der Vorrede, die doch ihrerseits bestätigt, daß sich Gryphius der Kühnheit seines Unternehmens bewußt war und trotz der zu erwartenden Einwände nicht davon abließ : „Die Personen, so eingeführet, sind fast zu niedrig vor ein TraurSpiel". Ebenso zieht er zäh die Folgerung in A n p a s s u n g der R e d e w e i s e trotz seines theoretischen Wissens um die Forderung der feierlich erhöhten Sprachgestaltung für die Mustertragödie: „Die Art zu reden ist gleichfalls nicht viel über die gemeine". Der machtvolle Druck der Zeitpoetik zwingt zur rechtfertigenden Selbstkritik, vermag ihm aber als Schaffendem nicht den Verzicht auf die auflockernde Ausweitung der konventionellen Grenzsetzungen abzunötigen. Er sucht auch nicht Deckung hinter dem Präzedenzfall des „Amphitruo", der innerhalb der Poetik schon eine gewisse Teilanerkennung von Ausnahmemöglichkeiten vorbereitet hatte. Er setzt zum Ausgleichswert das Gegengewicht der Gesamtwirkung seines Dramas; denn „was nun in oberzehlten Stücken abgehet", wird, „wie ich verhoffe, der schreckliche Trauer-Spiegel" dieser tragischen Liebe „genugsam ersetzen". Es gibt also Ersatzwerte, die schwerer wiegen als jene so gewichtig sich gebenden kunsttechnischen Vorschriften. Sie erwachsen für das Kunstwollen Gryphius' letztlich aus der Wucht der Wirkung, aus der Kraft des Bewirkens einer emotionalen Erlebnissteigerung beim Aufnehmenden, aus dem damit gewonnenen Sichaufschließen
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vor der Eindrucksgewalt der Sinngebung, die durch das äußere Geschehen hindurchgreift und den Zuschauer innerlich angreift und ergreift. Dieses Empordrücken auf eine Höhenschicht des Wirkungserlebens einer leidenschaftgesättigten Hochspannung, die das Grausig-Grandiose mit einspannt, kann und will auch das dichterische Anrecht auf das W u n d e r b a r e nicht entbehren. Wie besonders in der Vorrede zur „Catharina von Georgien" die Wirkungssteigerung durch Einsatz des Grausig-Grandiosen Geltung verlangt, aber auch in der Vorrede zum „Cardenio" mehrfach anklingt und mitschwingt, so hält bereits die Vorrede zum „Leo Armenius" den Wert des Wunders mit der griffsicheren Hand des Dramatikers fest („Auch ist so vnerhört nicht..."), während die Vorrede an den „Großgünstigen vnd Hochgeehrten Leser" zur „Cardenio und Celinde"-Tragödie in ihrer zweiten Hälfte ganz der Verteidigung des Wunderbar-Gespenstischen gewidmet ist, und zwar durch Vermittlung zweier Beispiele. Und indem Gryphius als Hauptbeispiel eine Wundergeschichte wählt, die das Wunderbar-Gespenstische in den Dienst der christlichmoralpädagogischen Absicht und Wirkung stellt und fast legendenhaften Charakter annimmt, gelingt ihm eine Versöhnung des Wunderbaren auch in der an sich theoretisch nachdrücklich abgewehrten, aber dichterisch und bühnenmäßig effektstarken Sonderform des Aberglaubens und Gespensterglaubens mit der christlich-moralischen Leitidee. Er hat im Eingangsteil der Vorrede die Bereitschaftshaltung des Aufnehmenden vorsorglich zu fördern versucht durch den Bericht über die Vorgeschichte seines Dramas, insbesondere durch die Schilderung, wie er nach einer Gesellschaft den ihn begleitenden Freunden in der „Einsamkeit der Nacht", auf dem „Gang über den einen Kirch-Hof" seine Erzählung von „des Cardenio Begebnüß" auch stimmungsmäßig habe nahebringen können. Nicht jedoch wie später G. A. Bürgers Rechtfertigung des Wunderbar- Gespenstischen ruft er die heimlichen, volksnahen Grundempfindungen auf, die beim Gang über einen nächtlichen Kirchhof wach würden in manchen Herzen. Der Barocktheoretiker findet nicht und sucht nicht diesen Zugang über die volkstümlichen oder, wie Bürger wohl sagt, „volksmäßigen" Vorstellungen. Ihm geht es darum, dem dichterisch verwertbaren Aberglauben Lebensrecht zu gewinnen im Gesamtraum christlicher Gläubigkeit,
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wenn auch nur in dienstbarer Hilfsstellung des moralpädagogischen Mittels. Wiederum wird innerhalb des religiös kirchlichen Schutzraumes vor dem Schicksal ein eigner Lebensraum den außerkirchlichen Mächten vorbehalten, dieses Mal nicht um der Persönlichkeitsauswirkung willen, sondern letzten Endes um der dichterischen Wirkung willen. Dahin zielt die Endfolgerung, die eben deshalb kunsttheoretisch sich ausrichtet und für die Poetik Entscheidendes in der Einstellung zum Wunderbaren aussagt: „Kan nun jemand diesen Erzehlungen (halb legendenhafter Art) Glauben zustellen: So wird Celinden vnd Cardenio Gesichte jhm nicht so vngereimet vorkommen. Deren Meynung aber, die alle Gespenster vnd Erscheinungen als Tand vnd Mährlein oder traurige Einbildungen verlachen: Sind wir in kurtzem verniinfftig an semem besonderen Ort zu erwegen entschlossen und geben jhnen indessen vnseren Cardenio vor ein Traur-Spiel, das ist vor ein Getichte". Etwas ruckhaft, aber unzweideutig löst damit Gryphius die Frage nach der Berechtigimg des Wunderbar-Gespenstischen aus der weltanschaulichen Umklammerung, um sie mit als selbstverständlich empfundener Bejahung in das Reich der unüberfragbaren dichterischen Freiheiten hineinzustellen. Doch will diese ruhige Selbstverständlichkeit nicht darüber hinwegtäuschen, daß im weltanschaulich-religiösen Problemverband noch manche Fragen vorerst unbeantwortet geblieben sind, deren Dringlichkeit so stark empfunden wird, daß Gryphius ihre Klärung in einer Sonderabhandlung nachzuholen plante. Wieweit das Abrücken im weltanschaulichen Bezirk von dieser „Räudigkeit" des Aberglaubens verstärkt wird durch die Anpassung der Vorrede an die Bildungsträger, für die das Kunstdrama vorwiegend bestimmt war, mag ofíenbleiben. Jedenfalls scheint es, als ob der krasse moralpädagogische S t a n d o r t , der fast auf den Boden eines Barockrationalismus verlegt wird, diese Verlagerung zugunsten der von Gryphius vorausgesetzten Anschauungen und Forderungen der gebildeten Schichten (und etwaiger Kritiker) erfahren hat, so etwa, wenn die Vorrede rechtfertigend hervorhebt, daß auch Lysanders „Fehler von Vernunfft, Tugend vnd Verstand ersetzet werden". Vernunft, Tugend und Verstand sind fraglos nicht die Grundmächte in Gryphius' Kunstwollen; es sind Randwerte, denen er als Vorredner seine Achtung bekundet. Aber daß es geschieht, mahnt daran, den Zeitgeist des Barock nicht zu typisiert und konstruiert festzulegen, er-
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innert daran, wie lange schon das aufklärerische Kunstwollen als Unterströmung vorwirkt. Festgehalten muß bei alledem, werden, daû schon die Vorrede als Vorrede und vollends als rechtfertigende und erklärende Vorrede notwendig die verstandesmäßig-logisierende Haltung verstärkt. Verläßlicher wirkt das gattungsgesetzliche Erfahren, das ihn erkennen läßt, wie das Cardenio-Motiv, anfänglich als Erzählung geplant, die dramatische Gattung fordert. Derartige Erfahrungen, die das Eingreifen der immanenten Gattimgsgesetzlichkeiten von dem Werkwerden und der Werkwandlung ablesen lassen, begegnen nicht selten im praktischen Kunstschaffen, so etwa im neunzehnten Jahrhundert bei Hebbel (das Epos „Mutter und Kind" anfangs als Novelle geplant). Sie bestärken den Glauben an Gattungsgesetzlichkeiten, die sich nicht so ohne weiteres auflösen oder erweichen lassen. Der Kimstauffassung Gryphius' und nicht nur der Vorredenanpassung entspricht offenbar auch die Anschauung über das Verhältnis von Dichtung und Datentreue, Poesie und Geschichte (bez. geschichtlichen oder sagenhaften Motivquellen). So hebt er gelegentlich seines „Leo Armenius" hervor, daß bereits seine Gewährsmänner „so eigendlich alles entwerfen, daß nicht von nöthen gewesen, viel andere Erfindungen einzumischen". Dennoch fügt er sich nicht sklavisch der Motivüberlieferung, nimmt vielmehr das Recht der dichterischen Freiheit in Anspruch, so hinsichtlich der „heiligen Höltzer" (des Kreuzes). Der Umstand jedoch, daß er innerhalb der recht kurz gehaltenen Vorrede zum „Leo Armenius" eine ausführliche und ausdrückliche Rechtfertigung solcher Abweichung für erforderlich erachtet, spricht für die Grundansicht eines möglichst engen Anschlusses an die vorgefundenen Motive. In der Vorrede zu „Cardenio und Celinde" rechtfertigt Gryphius sogar die Einführung niederer Standespersonen mit dem Hinweis auf seine Absicht, daß er „der Historien, die ich sonderlich zu behalten gesonnen", nicht durch Motivabwandlung habe Abbruch tun oder „zu nahe treten wollen". Zudem hätten seine Freunde „die Geschieht sonder Poetische Erfindungen begehret". Die bereits von Borinski erkannte Abwehr der französischen Dramaturgie mit ihrer Forderung von Liebeshandlungen erfolgt in der Vorrede zum „Leo Armenius" unter Stützung auf die Alten. Gryphius bezeichnet es geradezu als dramentheoretische „Ketzerey, als könte kein
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Trauerspiel sonder Liebe vnd Bulerey volkommen seyn". Dagegen trifft es nicht zu, daß — wie Borinski meint — jedes Eingehen auf die Einheiten vermieden worden sei. Denn in den Zusätzen zu den Inhaltsangaben bzw. Personenverzeichnissen gibt Gryphius ζ. B. besonders hinsichtlich der Zeitdauer Angaben, die eine Berücksichtigung der Zeiteinheit, teils auch einer relativen, leicht gelockerten Ortseinheit deutlich erkennen lassen. Trotz der Ausrichtung der Vorredenpoetik auf den Sonderfall kann ihr dergestalt durch die dichterische Leistungshöhe ihres Trägers dennoch eine verstärkte Geltung zukommen. Zugleich aber hebt sich der Beitrag Andreas Gryphius' im Verlaufe der Gesamtpoetik ab und hervor als ein Vertiefungsstreben auf dem Sondergebiete der Dramaturgie oder doch der Dramentheorie. Ein solches Verdienst kann D a n i e l Caspar von L o h e n stein (1635—1683) nicht in dem Maße wie Gryphius zugestanden werden, ganz abgesehen davon, daß die Beiträge an Dramenvorreden schon der Zahl und dem Umfang nach zurücktreten. Der „großgünstige Leser" erfährt sogleich in der Vorrede zum Frühwerk „Ibrahim Bassa" (1653) von dem vorerst bei Andreas Gryphius gesuchten Entwicklungsanschluß des jungen Lohenstein. Denn offenbar denkt er an Gryphius, wenn er freimütig bekennt: „Was in Deutscher Sprache diese Art zu schreiben belanget, wird der gelehrte Leser leicht abnehmen; Daß ich mir in einem und dem andern einen fürtrefflichen Landsmann zu einem Wegweiser zu haben mich nicht geschämet, der hierinnen die Bahn gebrochen". Im übrigen läuft diese Vorrede auf ein Abwehren der Kritik mit ihrem merklich gefürchteten „spitzfinnigen Durchziehen" und ein Umwerben des „linden Urtheils" hinaus, abgesehen von einem Ansatz zum kulturpatriotischen Bewußtsein und einem späterhin noch einzubeziehenden Berühren des Verhältnisses von Dichtung und Datentreue. Das moralische W e r t u n g s k r i t e r i u m schafft sich stärker als in der Vorrede imWidmungsschreiben Geltung durch Herausstreichen der „unüberwindlichen Tugend" und der „großmüthigen Hertzhafftigkeit" des „tapffern Ibrahims". Und neben dem A n s t r e b e n des Heroischen in der Mannesgröße fällt rühmende Belichtung auf das stoische Heldentum weiblicher Beständigkeit in der „durch kein Unglück erlöschlichen Liebe" der edlen Fürstin Isabelle, und zwar nicht ohne Abglanz von Gryphius' verwandtem Idealbild. Die einbrechende Gewalt der Leidenschaften muß
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dem Heldischen die barocke Gespanntheit zutragen im Charakterbild des,,Tugendhaften, doch von den zwey schärffstenGemüthsRegungen übermeisterten Fürsten". Der Wille zum grellfarbigen Kontrast stellt die Darstellungsabsicht bewußt heraus, in Roxellanen „ein von allen Welt-Lastern aufgeblasenes Weib", in Rusthan einen „Ehr-vergessenden Hof-Heuchler und Mordstifftenden Ohrenbläser" anzuprangern, wobei die moralisierende Wirkungsabsicht sich einschaltet. Im ganzen sind die Bemerkungen Lohensteins zum „Ibrahim Bassa" verhältnismäßig aufschlußreicher. Aber derartige Vorreden bleiben vereinzelt und werden durch vorangestellte Inhaltsangaben, die aktweise bzw. abhandlungsweise gegliedert sind, ersetzt. Aus diesen Inhaltsangaben wird am ehesten noch das Kunstwollen an jenen Stellen ablesbar, wo jeweils über die „Reyen" und ihre Wirkungsabsicht knapp berichtet wird. Danach sollen die „Reyen" die Herrschaft des moralischen Prinzips wiederherstellen und betont herausstellen, von dem die Akte oder „Abhandlungen" nicht gerade zu überzeugen vermögen. So etwa wird die Wirkungsabsicht der Reihen umschrieben: „Im Reyen verhänget die Göttliche R a c h e . . . : daß die Geilheit den Sultan Ibrahim stürtzen solle" oder „Im Reyen kämpfet die Wollust mit der Begierde... wider die Keuschheit und ihre Gefährten / als die Mäßigkeit / die Vernunfft / die Großmüthigkeit / die Demuth / Hoffnung und Gedult. Die Keuschheit aber behält den Sieg" oder „Die badenden Jungfrauen aber loben die Keuschheit, verdammen die Üppigkeit" und „Im Reyen wird Sultan Ibrahims unglückselige Geilheit gescholten". Außerdem stellt noch eine kurze Vorbemerkung der Inhaltsangabe klar: der Prolog, der „vorredende Thracische Posphorus verdammet die Unzucht des Türckischen Sultan Ibrahim". Die W i d m u n g s - „ Z u s c h r i f f t " zum „ I b r a h a m S u l t a n " (1673) gelegentlich der Vermählung Kaiser Leopolds preist allgemein „Tugend und Glückseligkeit" und behilft sich damit, die Widmung des für diesen Anlaß nicht gerade geeigneten Schauspiels zu rechtfertigen aus dem angeblichen Willen, den Gegensatz jenes unwürdigen türkischen Herrschers, den bloße „Herrschens Sucht" verleitet, zum würdigen Herrschertum des österreichischen Leopold wirksam sichtbar und fühlbar zu machen. Die Wirkungsabsicht im Schauspiel selbst wird dabei in negativer Erziehung durch Abschreckung zu retten versucht: „Diß Schau>·
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spiel entwirfft die Gemüths-Flecken und die zu unserer Zeit sichtbare Verfinsterung eines Oßmannischen Mohnden", von denen sich dann die strahlenden „Diamanten ohne Flecken" Leopolds um so lichter abheben sollen für das Bewußtsein der Zuschauer. Wesentlicher wohl noch als diese Verlegenheitslösung hinsichtlich der Wirkungsabsicht und der Widmungsberechtigung erscheint die an sich beiläufig nur eingeflochtene Bemerkung der Widmungs-„Zuschrifft", daß nämlich das Drama gleichsam ein Abbild darstelle jenes großen Welttheaters, in dem „die gantze Welt einen Schauplatz / Menschen die Spielenden / ihr Leben das Spiel/ der Himmel den urtheilenden Zuschauer fürstellet". Und als Nebenertrag mag vermerkt werden, daß nach diesem Gleichnis der Zuschauer durchaus als selbständig urteilend — wenn auch mehr moralisch als ästhetisch — gedacht wird, während gleichzeitig der Bezug zur christlich-moralischen Leitidee, die auch besonders in den „Reyen" nach Geltung drängt, hergestellt wird. Die Diskrepanz von „Abhandlung" und „Reyen", von Akten und Chören wird theoretisch ebensowenig überbrückt wie in der Handlung und der Haltung der Dramen selbst. Aber es wird doch überall das dringliche und vielfach aufdringliche Bestreben erkennbar, in der betrachtenden Stellungnahme, teils der „Reyen", teils der Inhaltsangaben einen moralischen Ausgleich zu erzwingen. Die m o r a l p ä d a g o g i s c h e F u n k t i o n der „ R e y e n " wird überall auch theoretisch im Rahmen der vorangestellten Inhaltsangaben festgelegt, so mit Bezug auf den dritten Akt der „Cleopatra" (1661) fast an die Lebensstimmung A. Gryphius' anklingend: „Der Reyen stellet unter dem Gespräche der Pareen die Flüchtigkeit des Menschlichen Lebens und die Gewißheit des Todes vor", so mit Bezug auf den ersten Akt der „Agrippina" (1665) im Sinne der Tugendlehre und des theoretischen Tugendoptimismus: „Die Gerechtigkeit stellet im Reyen für: Daß doch endlich die Tugend siege / die Laster zu Grunde gehen", im Sinne der Abschreckung mit Bezug auf den fünften Akt: „ I m Reyen wird von Furien die Marter eines bösen Gewissens für Augen gestellet". Ergänzend tritt zu dem durchgängig verfolgbaren moralisch belehrenden Ausgleichswert, dessen Träger besonders der „Reyen" zu sein pflegt, der gleichsam h i s t o r i s c h b e l e h r e n d e A u s g l e i c h s w e r t , der in außerordentlich langen, gelehrt aufgemachten
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Anmerkungen dem Leser geboten wird; aber doch eben nicht dem Zuschauer vermittelt werden konnte. Darin weit über A. Gryphius hinausgehend, unterbaut Lohenstein fast nach Art wissenschaftlicher Beweisführung die „Abhandlungen" seiner Dramen mit quellenmäßigen Belegen. Das Kunstwollen richtet sich eindeutig aus auf eine kenntnisreiche Bildungsdichtung, ohne den Widerstreit zwischen der Scheinekstase der Darstellung und der Nüchternheit der Anmerkung irgendwie aufzuheben, ja auch nur ernstlich zu empfinden. Im Grad der Anwendung und Wertschätzung solcher Gelehrsamkeit und Allgemeinbildung ausbreitenden Anmerkungen hebt sich Lohenstein auch vom an sich Zeitüblichen doch merklich ab. Das Gefühl dafür und die Einsicht darin, daß das dramatische Werk alles Wesentliche in sich selbst verdichten und erfüllen müsse, kann man noch nicht erwarten. Aber besonders grell tritt der Mangel dieser Einsicht doch zutage, wenn ζ. B. beim „Ibraham Sultan" die auf etwa siebzig Seiten ausgedehnten Belege und Verweise ganz unbekümmert die Überschrift tragen: „Nöthige Erklär- und Anmerckungen", also als „nötig" anpreisend hingestellt werden. Die Absicht der Bildungserweiterung und Kenntnisbereicherung hebt mit ernüchternder Zweckhaftigkeit schulmeisternd den Finger, während das Drama in rauschhaften Gebärden schwelgt. Das rationalistische, intellektualistische Gerüst durchstößt unverhüllt das Prunk- und Prachtgewand des Spätbarock. Für das Verhältnis von Dichtkunst und Geschichte, von Dichtung und Datentreue wird — nicht allzu verläßlich zwar — ein Wille zur historischen Bindung aus diesen Anmerkungen erschließbar. Die Eindringlichkeit und Nachhaltigkeit der Wirkung hofft man zu verstärken, wenn man dergestalt die Wirklichkeitsbezieh\mg zum historischen Geschehen herstellt. In diesem Sinne erwartet man von der Stützung durch historische Daten nicht nur einen Bildungszuwachs, sondern mittelbar auch einen Wirkungszuwachs. Und diese Bindung an die Quellen hält es — wie bei A. Gryphius — für erforderlich, etwaige Abweichungen von Vorlagen zu rechtfertigen bzw. das Verhältnis von literarischen Quellen und historischen Berichten klarzustellen, wie es etwa bereits in der Vorrede zum „Ibrahim Bassa" geschieht. Als Trägerin eines nationalen Wertbewußtseins und Überlieferungsstolzes gewinnt die Beziehung der Dichtkunst zur Geschichte des eigenen Volkes naturgemäß besondere Bedeutung ia»
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für den großangelegten Arminiusroman „Großmüthiger Feld-Herr Arminius oder Herrmann als ein tapferer Beschirmer der deutschen Freyheit" (1689), dessen Vorrede jedoch nicht mehr von Lohenstein selbst, sondern von Benj. Neukirch geschrieben wurde. Dennoch wird die bewußt n a t i o n a l p ä d a g o g i s c h e A u s r i c h t u n g in der Darstellungsabsicht bereits vom Dichter selbst ausgesprochen in den Titelzusätzen, nach denen diese „sinnreiche Staats-Liebes- und Helden-Geschichte" vor allem bestimmt war „dem Vaterlande zu Liebe, dem deutschen Adel aber zu Ehren und rühmlicher Nachfolge". Zugleich mit dem Einströmen des nationalen Wollens in das Kunstwollen wird die zeitgebundene Umschränkung durch das vorherrschend ständische, höfische Prinzip hart und in ihrer ganzen Beengung fühlbar. Dem Adel soll in erster Linie ein Ehrenmal, Mahnmal und ein Wegweiser zu höfischbarocker Haltung gesetzt werden, nicht dem Volke. Die Gebildeten sollen an den (alphabetisch geordneten!) Anmerkungen ihre Freude und Kenntnisbereicherung finden. Als Ideal gilt der gelehrt und kunstreich aufgemachte Bildungsroman, der auch die Schulung im höfischen Gehaben mit übernimmt. Ansätze zur k u l t u r p a t r i o t i s c h e n E i n s t e l l u n g in weiterem Sinne begegnen in theoretischen Äußerungen, die ja an sich nur spärlich vorliegen, nicht allzu häufig. Immerhin erscheint schon dem jungen Lohenstein in der Vorrede zum „Ibrahim Bassa" eine Veröffentlichung der damals noch ungedruckten Dramen Gryphius' besonders wünschenswert unter dem Gesichtswinkel, daß den eifrigen oder wie er sagt „geitzigen Liebhabern unserer Mutter-Sprache" ein derartiger Wertzuwachs der deutschen Dichtung besondere Genugtuung bereiten würde. Und es bestätigt sich wieder einmal, wie stark man jede Leistung unter diesem kulturpatriotischen Wertungswinkel anzusehen gewöhnt war. Denn selbst der Einwand, daß derartige Wendungen — besonders in Vorreden — nachgerade formelhaft und zum mindesten gelegentlich ohne volle Bewußtheit des Sinngehaltes aufgenommen und weitergegeben wirken, würde doch eben die Gewöhnung und damit das Vorhandensein jener tragenden Grundeinstellung bestätigen. Und zugleich setzte die Vorliebe für dieses Anrufen des nationalen bzw. kulturpolitischen Stolzes in den Vorreden der Dichtungen des siebzehnten Jahrhunderts doch eben die Gewißheit voraus, auf diese Weise am besten Anklang, auf diesem Wege am besten Zugang bei der Leierschaft zu finden. Bei
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Lohenstein prägt sich dieser Brauch nicht einmal besonders kräftig aus, ja es gibt Schwankungen, die auf eine gewisse Abschwächung der kulturpatriotischen Leitidee hindeuten könnten. Und man erblickt im Hintergrunde die in Wirklichkeit bestehende Mustergeltung der Franzosen und Italiener, wenn etwa Lohenstein sein Trauerspiel „Agrippina" einer Herzogin Schlesiens nur mit der Bemerkung widmen zu dürfen glaubt: „Ja sie („Agrippina") würde sich in einem so ungeschickten teutschen Kleide nit in das Zimmer so einer klugen Fürstin gewagt haben, als in welchem nebst unser gereinigsten Muttersprache Welschlands scharfsinnige und Franckreichs liebliche Zunge Bürger-Recht gewonnen . . . " Doch bleibt die Rücksicht auf diç Empfängerin und die übliche Scheinbescheidenheit, wie sie in höfischen Ergebenheitswendungen sich ergeht, in die Bewertung solcher Äußerungen mit einzubeziehen. Und zum Dichter des Arminiusromans fügt sich im wesentlichen doch recht gut das in der Widmungs-„Zuschrifft" zum „Ibrahim Sultan" (1679) bereits ausgesprochene Bedauern darüber, daß „der uralten deutschen Helden Wunder-Wercke unter den Staub der Vergessenheit vergraben" seien. Während so aus verstreuten Bemerkungen Lohensteins vereinzelte Einblicke gewonnen werden können, besonders für den Bereich der Dramentheorie, bleibt die an sich etwas längere Vorrede („Geneigter Leser") zu seiner lyrischen Sammlung „Blumen", die im Frühling 1680 geschrieben worden ist, auf eine R e c h t f e r t i g u n g der D i c h t k u n s t im allgemeinen und auf eine Rechtfertigung der eigenen Gedichte im besonderen beschränkt, ohne wesentlichen Beitrag zur Theorie der lyrischen Wirkungsform. In der allgemeinen Rechtfertigung der Dichtkunst begegnen dabei teils ähnliche Beweisstücke, wie sie ein Jahr vorher Hofmannswaldau in seiner noch näher zu würdigenden Gesamtvorrede in zudem zeitüblicher Weise beigebracht hatte: daß „die Poesie die erste Wiege der Weißheit", daß sie die frühe „Sprache der Götter" gewesen sei. Und zwar beruft sich Lohenstein ausdrücklich auf die Meinung „anderer", die ihn der Mühe überhöben, „die Poesie zu vertheidigen". Und nur aus zweiter Hand vermittelt er ebenso die formelhafte Wendung der Begabungsbewertung, daß die Poesie „nur vom Himmel und der Natur eingeflößt, durch keinen Fleiß aber erworben würd". Nach alledem erhebt diese Vorrede gar nicht den Anspruch, eigene Ansichten zur Geltung zu bringen. Recht anschaulich
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aber enthüllt sie — wohl ungewollt — Lohensteins bis zur Manier getriebene Neigung, überall weithergeholte Beziehungen aufzusuchen. Persönlich klingt am ehesten noch die landesstolze Genugtuung darüber, daß „der Schlesische Himmel" oder ein gütiger „Geist" gerade seinen Stammesgenossen „einen Trieb zum tichten einflößet"; aber auch die standesstolze Gebärde, die das Dichten als bloßen „erleichternden Zeit-Vertreib" und die Gedichte „als bloße Neben-Dinge" neben den würdebewußt herausgestellten Amtsgeschäften beiläufig und im merklichen Bemühen um lässige Eleganz abtut. Doch entfernt sich damit Lohenstein nicht von der zeitüblichen Einschätzung. Er will ofienbar zugleich von dem Verfertigen der Gebrauchsdichtung gegen Bezahlung abrücken und möglichst unmißverständlich klarlegen, daß er „aus der Tichter-Kunst niemals ein Handwerck gemacht" oder irgendwelchen „Gewinn" gezogen habe. Aufschlußreich für das V e r h ä l t n i s von B e r u f s t ä t i g k e i t und dichterischem S c h a f fen wirkt in diesem Zusammenhange Lohensteins Zugeständnis, daß die ernste Amtstätigkeit allzu leicht „eine gewisse Säure an sich hat, welche denen Gedichten was von ihrer Lieblichkeit zu benehmen scheinet". Immer aber sind von derartigen Bemerkungen Abstriche zu machen in dem Grade, wie sie offenbar die eignen Gedichte von kritischen Angriffen vorbeugend entlasten helfen sollen. Damit wird wiederum das Beengte im Geltungswert solcher Vorwortpoetik berührt, das trotz reicherer Ausbeute doch auch die bereits erwähnte Gesamtvorrede Hofmannswaldaus nicht zu überwinden vermag. Chr. Hofmann von H o f m a n n s w a l d a u (1617—1679) hatte mehr in eigener Sache als grundsätzlich, mehr literaturgeschichtlich-wertend als kunsttheoretisch-wegweisend, die Poetik abwehrend und doch ihre Kenntnis verratend, das Wort zur Frage auch des deutschsprachlichen Schrifttums ergriffen in der abhandlungsartig ausgeweiteten Vorrede „An den g e n e i g t e n L e s e r " zu seinen „ D e u t s c h e n Ü b e r s e t z u n g e n und Get i c h t e n " (1679), die hier mit der Bezeichnung Gesamtvorrede von anderen Vorreden Hofmannswaldaus abgehoben sein mag, da sie zugleich eine Stellungnahme zu den „Helden-Briefen" mit einbezieht. Gemessen daran, daß damals Morhofs historischkritische Darstellung noch nicht vorlag, verdient der die gemeineuropäischen Literaturen — obwohl durchweg nur flüchtig —
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überblickende literaturhistorische und literaturkritische Abriß gewiß Beachtung für eine Geschichte der Literaturwissenschaft und der literarischen Kritik. Für die Geschichte der Poetik jedoch muß der Ertrag dieser Gesamtvorrede, die ihrer Themastellung nach gar nicht auf eine Wesens- und Wirkensbestimmung der Dichtkunst oder eine der zeitüblichen Anweisungen abzielte, entsprechend begrenzt bleiben. Immerhin wird teils mittelbar aus den kritischen Bemerkungen und Wertungen innerhalb des literaturgeschichtlichen Umblicks, teils unmittelbar aus gelegentlichen theoretischen Ansätzen und Einsprengungen einiges für die Poetik zu gewinnen sein. Und zwar läßt sich unmittelbar aus dem Überblick ablesen, daß Hofmannswaldau zur R e c h t f e r t i g u n g der Poesie und ihres Ansehens, um das es ihm allgemein, aber auch in eigener Angelegenheit merklich zu tun ist, die üblichen Stützen mit Hilfe der Ursprungstheorie heranzieht, etwa nach der Ausrichtung: „Poesie... ist eine Sache, derer sich die heiligsten Männer gebrauchet, und eine von der ältesten Erfindung genennet werden kan". Die ersten „Gottes-Lehrer" seien Poeten gewesen. So nimmt Hofmannswaldau die Rechtfertigung der Dichtkunst vor der Kirche — wie üblich — auf. Zugleich gilt — gemäß der Überlieferung — die Dichtkunst als „der andern Wissenschaften Amme, wo nicht Mutter". Auf das Zweckmerkmal des Ergötzens weist die Rechtfertigung der Dichtkunst als einer „untadelhafftigen Belustigung" hin. Es setzt sich neben der christlich-moralischen die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Leitidee besonders insofern schon im historischen Überblick durch, als dem älteren deutschen Schrifttum, das auch mit einigen eingeflochtenen Beispielgedichten dem Leser in Proben zugänglich gemacht wird, eine verstärkte Aufmerksamkeit sich zuwendet. Zwar die Bardengesänge scheinen Hofmannswaldau ihre an sich „nicht übele Gedancken" doch noch in einer „zimlich harten und rauhen Sprache" mitzuteilen. Im Hintergrunde steht schon hier das Wertungskriterium der „Liebligkeit", das immer wieder zu den „Welschen" hinüberweist. Eben diese hohe Bewertimg des Welschen läßt eine kulturpatriotische Leitkraft im Sinne des Verteidigens der deutschen Muttersprache und Dichtersprache nicht zur vollen Entfaltung kommen. Gewiß wird die gewohnte Position auch von Hofmannswaldau gehalten, die Grund- und Rückzugsstellung nämlich, daß „die Deutsche
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Poesie so reine worden, daß sie der Außländischen nichts mehr nachgiebet". Aber allzu „gerne" gesteht er den Welschen „wegen ihrer ingemein angebohrnen Verstandes· und Scharff-sinnigkeit an guten Erfindungen" den Vorsprung ein. Indessen folgt Hofmannswaldau —· und das kommt z. B. bei Borinski u. a. zu wenig bzw. gar nicht zur Geltung — als Kritiker und Theoretiker nicht bedingungslos und kritiklos den Italienern, die sich schon in diesem Zusammenhange die einschränkende Klammerparenthese gefallen lassen müssen: „ . . . (wiewol auch bey allen nicht alles von gleicher g ü t t e ) . . . " . Wie bereits K. Ziegler in seinem Madrigalen-„Bericht" weist auch Hofmannswaldaus Gesamtvorrede ohne Schonimg auf die teilweise etwas billigen Methoden hin (Freiheiten und Lässigkeiten in der Wortbehandlung innerhalb der Silbenmaße und Reimbildungen), durch die sich die Welschen, aber auch die Franzosen und Spanier den Weg, auf dem sie „den Deutschen manchesmal zuvorgehen", streckenweise recht leicht gemacht hätten, wovon die deutsche Gründlichkeit sich offenbar vorteilhaft abheben soll. Die Reimfrage scheint nun für Hofmannswaldau doch recht bedeutsam zu sein, wie ein mehrfaches Aufgreifen beweist, obgleich er hinsichtlich des Ursprungs der Reime anmerkt, daß man ihn „nicht zu tieff suchen darff". Unversehens sieht sich dergestalt Hofmannswaldau wieder in den kulturpolitischen Wettstreit hineingestellt. Doch entbehrt sein mehr formal-konventionell wirkendes Eintreten für die deutsche Dichtung, das etwas beiläufig erfolgt, der sonst gewohnten Wärme. Seine Erwähnung des „ehrlichen Bürgers in Nürnberg" Hans Sachs, die sich wenigstens von verständnislosem Dünkel freizuhalten bemüht („dessen Kopff und A r t . . . ich gar nit tadele"), schließt doch ein Bedauern des Mangels an „besserer Wissenschafft" und „genauerer Anweisung" nicht au^. Dagegen gewinnt er die Anteilnahme der Gegenwart durch die Bemerkungen über den Sondertypus der „ H e l d e n - B r i e f e " . Die Ehrfurcht nicht nur, mit der er, barock-pathetisch zwar, der Großen, „meistens Deutscher Leute", würdevoll gedenkt, und die Wachheit nicht nur, mit der er — wenigstens in der Theorie, die hier nur dargestellt wird — seine Motivwahl verantwortungsvoll bedenkt, sind dabei gemeint (Gesamtvorrede zu den Übersetzungen). Vielmehr besonders aufmerken läßt in der kleineren Sondervorrede „An den L e s e r " zu den „Held e n - B r i e f e n " (1680 bzw. 1686) neben dem Hinweis darauf, daß
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die Liebe der Helden bei den Deutschen verhaltener sich äußere und daher seltener „als bey den Ausländern sich schauen" lasse, die Teillockerung des ständischen Prinzips. Freilich konnte eine derartige Lockerung damals nur als Ansatz sich äußern nicht ohne die begleitende Gebärde der Entschuldigung gegenüber dem Üblichen : „So auch etwan eine und die andere gemeine Standesperson hier zu finden, welcher der Titul Held oder Heldinnens dem ersten Anblick nach nicht allzuwohl gebühret, so entschuldige ich es dergestalt, daß ich in meiner Arbeit nicht so wohl die Geblüth als Gemüths Eigenschaften angesehen und mich genungsam zuseyn bedeucht, wann ich solche mit höheren Flammen überschüttert und durch erlauchte Brunst gleichsam geleutert gefunden" (Vorrede). Vom Kulturgeschichtlichen abgesehen und unter den gattungsgeschichtlichen Blickpunkt gerückt, liegt darin hinsichtlich der Einbeziehung von „niederen" Standespersonen letzten Endes eine ähnliche Entschuldigung, wie sie Andreas Gryphius in der Vorrede zu „Cardenio und Celinde" mit Bezug auf das Drama ausgesprochen hatte. Und die entschuldigende Gebärde erkennt mittelbar doch eben wieder das s t ä n d i s c h e Zuordnungsk r i t e r i u m an. So wirken die Ansätze zu einer ständischen Auflockerung mehr wie ein tastendes Vorfühlen, nicht aber als resolute Vorstöße. Die Sonderauswahl von Liebesgeschichten für den Darstellungsund Erlebnisraum der Helden-Briefe rechtfertigt Hofmannswaldau einmal mit dem Hinweis darauf, daß das Liebeserleben einen besonders fruchtbaren Nährboden für die gesteigerte Darstellung der Poesie hergebe, die „in dem Lande der Liebe alleine zu Hause" sich zu fühlen scheine. Den etwaigen Vorwurf persönlicher Liebesversklavtheit bzw. etwaige Mißdeutungen in dieser Richtung will Hofmannswaldau unbekümmert auf sich nehmen, ohne die behebte Deckung hinter dem Fiktionscharakter zu suchen, die indessen in Helden-Briefen „aus allerhand Geschichtbüchern" von vornherein leichter zu entbehren waren als in der Lyrik. Etwaige Kühnheiten entschuldigt er vor dem christlichmoralischen Wertungskriterium mit der zuversichtlichen Erwartung, daß der tugendmäßig belehrende Nutzen und manche ernste Mahnung (Nachklang der Abschreckungstheorie) immer noch überwiegen würden. Überhaupt bewegt sich das Vorwort durchgehends in der Richtung einer Rechtfertigung seiner eigenen
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„Helden-Briefe". Die christliche Leitidee, an sich nicht übermäßig stark betont, setzt sich noch einmal durch in der empfehlenden Feststellung: „ . . . von überflüssiger Einführung Heydnischer Götter und dero Nahmen, ohne welche ihrer viel nicht Poeten zuseyn ihnen einbilden, ist mein schlechtes Werck ganz entlediget". Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Leitidee, die etwas stärker zur Geltung kommt, wird ζ. B. wirksam in dem eifrigen Bemühen, auch jene Heldengestalten, die nicht „in dem Umkreise Deutschen Reichs" geboren seien, dennoch für Deutschland in Anspruch zu nehmen, soweit sie teils auf Grund der Namen und ihrer Eigenschaften „sattsamlich ausweisen, daß sie Deutscher Arth und Herkommens" sein müssen. Etwas wie eine Erkenntnis oder doch wie eine Ahnung vom Vorhandensein eines Auslandsdeutschtums, das seine Eigenart auch in der Fremde gewahrt hat, klingt hier an, abgeschwächt zwar durch die Rechtfertigung der eigenen Personenauswahl innerhalb der „Helden-Briefe". Das kulturpolitische Wollen im Sinne eines Wettbewerbs mit dem Auslande bewährt sich weiterhin in der Absicht, durch die Einführung einer neuartigen Gattung, weil noch nichts „dergleichen von unsern Landes-Leuten versuchet worden ist", den Artenbestand der deutschen Dichtkunst zu bereichern, ähnlich wie K. Ziegler durch die •— vermeintliche — Einführung des Madrigals. Allerdings spielt eigenes Geltungsstreben merklich mit hinein, wenn es angesichts der Uberfüllung des Marktes mit allen Sorten dichterischer Blumen als ratsam — auch für das Sichdurchsetzen — empfunden wird, „auf etwas neues und ungemeines nothwendig zugedencken". Was die Formgebung der „Helden-Briefe" betrifft, so gilt zunächst einmal die Briefform nicht zum wenigsten als ein geeignetes Mittel, in verhältnismäßig verdichteter Anlage doch „allerhand artigen Liebligkeiten" hinreichend Raum geben zu können, ohne allzu weitläufig werden zu müssen. Sodann wird die Anlage in Briefform als Neuheit teils aus den erwähnten kulturpatriotischen Gründen bevorzugt. Die Gestaltungsweise an sich soll — theoretisch jedenfalls — „nicht zu prächtig" sein und sich „von allzuweit gesuchten und sich selbst übersteigenden Beschreibungen" fernhalten. In eigener Sache entschuldigt sich Hofmannswaldau, vorbeugend für den Fall, daß ihm einmal „ein unschuldiger Schertz" mit untergelaufen oder „etwan über Verhoffen ein zu schlüpfriges Wort über die Hand gesprungen seyn"
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sollte. In jener breiteren Gesamtvorrede zu den „Übersetzungen und Getichten", die in diesem Betracht kühnlich behauptet, daß „kein Ohr oder Auge, wie zärtlich und empfindlich es seyn mag, durch ein zusctilipfrig oder zu kühnes Wort beleidiget oder beflecket" werden könnte, wird darüber hinaus — und das erscheint wesentlicher — noch einmal der Wille zur originalen Leistung („meine eigene Arbeit und nichts entlehntes"), den es damals durchaus schon — theoretisch zum mindesten — gab, herausgestellt und mit merklichem Umgehen der Welschen auf die Alten, die Hofmannswaldau noch nicht aufgab, stützungsuchend zurückgegriffen hinsichtlich der Stilgebung der Heldenbriefe: „Die Art zu schreiben darinnen ist geläuffig, leicht und mehr lieblich als prächtig, dazu dann Ovidius mein Anführer gewesen". Unter den Stilmitteln werden auch in jenem die Sonderform der Heldenbriefe betreffenden Schlußteil der Gesamtvorrede „etzliche kräfftige Bey-Wörter" hervorgehoben, wie von „übersteigenden, gezwungenen Redens-Arten" und mythologischen Gestalten als „von Heydnischen Göttern" zum mindesten theoretisch abgerückt wird. Eine langwierige stilkritische Überprüfung lehnt Hofmannswaldau ab. Vielmehr gibt er sich das Ansehen des zwanglos Schaffenden: „Lange auff Kunst und weitgesuchte Dinge zu dencken oder über allen Wort-Sätzen Rath zu halten und drüber in den Nägeln zu klauben, ist kein Werck von meinem Gemüthe". Ebenso legt er Wert auf die Feststellung in eigener Sache — und berührt damit das Verhältnis von Begabung und Schulung —, daß er zur Poesie von Jugend auf „einen zimlichen Zug gehabt", sich seinen eigenen Weg gesucht und die theoretische Anleitung verschmäht habe, „massen ich denn keine gedruckte Anweisung dazu auffgeschlagen". Mit Hilfe von Musterschriftstellern und „fleissiger Durchsuchung gelehrter Schrifften" habe er nach anfänglichen Reimübungen „auch endlich richten und erfinden können". Erst dieser zweite Schritt führt zu „der Poesie Seele", während jener erste Ansatz der Reimübung „der Pritschmeisterey gar nahe kompt". Opitz jedoch und dessen „reine Schreibens-Arth" gewinnt Macht über den Theoriefeindlichen, der immerhin auch hier nicht die Theorie der Opitzschen Poetik anruft, sondern seine Schulung an Opitz so beschreibt: „daß ich mir auß seinen Exempeln Regeln machte". Eine induktive Musterpoetik hat auch weiterhin seine Entwicklung beherrscht,
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als er „nachmahls... auff die Lateinischen, Welschen, Frantzösischen, Niederländischen und Englischen Poeten gerieth". Es tritt also die zeittypische Ergänzung durch Anregungen seitens des ausländischen Schrifttums zutage. Doch zugleich damit verbunden wird der Wille bekundet, das dort Anerworbene: „sinnreiche Erfindungen, durchtringende Bey-Wörter, artige Beschreibungen, anmuthige Verknüpfungen" nicht nur zu übernehmen und einfach „nachzuschreiben, sondern nur derer Arth und Eigenschafft zu beobachten und solches in meiner MutterSprache anzuwehren". Hofmannswaldau umreißt in diesen Bemerkungen zur persönlichen Entwicklung gleichzeitig einen Ausschnitt des nationalgeistgeschichtlichen Ringens um eine Erstarkung der deutschen Dichtung zur Eigenart und Eigengeltung, die nur im zähen, schrittweisen Vorrücken erobert werden konnten.
Kritische Überprüfung und fortwirkender Bestand Die Art und Wegrichtung dieses Vorrückens war frühzeitig der Kritik unterworfen. Und zwar nicht zum wenigsten von S e i t e n derjenigen, die aus nationalem Instinkt heraus die Umwege bedauerten, auf denen die „hohe" Kunstdichtung sich gefiel und auf denen sie oft mehr dem ausländischen Einfluß sich anschmiegte, als daß sie ernstlich den Zugang zum arteigenen deutschen Wesen gesucht und gefunden hätte. Denn manches kulturpatriotisch eifernde Wort in den Poetiken und manche beteuernde Wendung in den Vorreden der Dichter war schwerlich in Einklang zu bringen mit den Gegebenheiten im dichterischen Schaffen, mit Haltung und Gestaltung der barocken Dichtkunst selbst. Und so erschien Männern von gesundem und kraftvollem Nationalgefühl wie Logau, Lauremberg und Moscherosch, die keineswegs so ohne weiteres mit dem Urteil und Vorurteil „rückständig" beiseite geschoben werden dürfen, jener vermeintlich gewonnene Höhenweg und jener vermeintlich notwendige Umweg auf weite Strecken hin als ein Abweg und Irrweg, zu dem in Wirklichkeit oft weit mehr das modische Geltungsstreben und die persönliche Eitelkeit hindrängten als ein tiefergreifendes nationales Verantwortungsbewußtsein. Die prunkende barocke Wortgebärde vermag den scharfen und ungetrübten Blick der Kritiker und Satiriker nicht zu bestechen. Das höfisch-,.politische" Gehaben und die glatte Wendigkeit wird als Treubruch an der deutschen Gerad-
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heit und Redlichkeit empfunden und mit Leidenschaft bekämpft. Man fühlt, daß es um höhere Werte geht als um regelmäßige Verse, vorschriftsmäßige Reime und poetikgerechte Gedichte der gesellschaftlichen Gebrauchskunst. Man will zugleich die Haltung treffen, die hinter jener kritisierten und teils parodierten Gestaltung sichtbar wird. Moscherosch spricht es klar aus, daß die „Gesichte Philanders von Sittewald" als eine „teutsche Schule" wirken und im nationalpädagogischen Sinne bewirken wollen, daß jene Entartungserscheinungen überwunden werden von einer gesundenden Rückbesinnung auf deutsche Eigenart und Eigenkraft und von einer Rückgewinnung des alten Biedersinns. Die echten deutschen Tugenden, die Manneswort und Mannesmut in Ehren bestehen lassen, möchte er freikämpfen helfen von der bedrohlichen und teils schon erdrückenden Umklammerung durch ein fremdländisch bestimmtes höfisches Wesen und Unwesen. Doch bewegt sich die kritische Überprüfung des wortkünstlerischen Theoretisierens und Produzierens keineswegs überall in einer ausgeprägt nationalpädagogischen Richtung. Vielfach bleibt die Kritik und Polemik auf kunsttheoretisches Gebiet im engeren Sinne beschränkt. Im einzelnen sind dabei mannigfache Abstufungen gegeben, die auf die Schwächen und Unzulänglichkeiten eines unzureichenden, unwürdigen oder gar lächerlichen Dichtertums und Scheindichtertums kämpferisch oder ironisch eingehen. Andererseits bestehen wechselseitige Beziehungen, die sich streckenweise zu klaren Abhängigkeiten und Entlehnungen verdichten, und zwar nicht zum wenigsten bei Sacer. Es kann daher der Zugang zu einem rechten Verstehen der kunsttheoretischen Satire Sacers am besten gewonnen werden durch einen knappen Rückblick und Seitenblick auf die E i n l a g e r u n g der P o e t i k i n n e r h a l b der Z e i t s a t i r e , der zugleich die Einstellung der Satiriker zur Poesie und Wortkunsttheorie sichtbar werden läßt. Die Satiriker Joh. L a u r e m b e r g (1590—1658), H. Michael M o s c h e r o s c h (1601—1669), Fr. v. L o g a u (1604—1655), Joh. Balthasar S c h u p p (1610—1661) und Joachim R a c h e l (1618 bis 1669), denen man in einem Ausschnitt seiner weltlichen Dichtung D a n i e l C z e p k o (1605—1660) und im Bereich der lateinischen Poetik und Poesie hinsichtlich seiner polemischen Vorstöße in kunsttheoretischen Fragen in gewissem Sinne auch Jakob B a l d e (1604—1688) zuordnen darf, da er nicht ohne Einwirkung auf Sacers Poetik-Satire geblieben ist, begegnen in einem
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etwas freieren Spielraum als Generationsgemeinschaft, während Sacer, v. Canitz und Wernicke in größerem Abstände folgèn. Und manche ihrer kritischen Vorstöße verlaufen in paralleler Angriffsrichtung, so etwa gegen das à-la-mode-Unwesen und entsprechende Sprachschäden. Trotzdem will ihr satirisch-kritisches Wollen zeitlich und individuell, aber auch vom jeweiligen Ausgangsort unterschieden sein. Joh. L a u r e m b e r g , der satirisch „Von Almodischer Poesie und Rimen" (1652) handelt, läßt „ D a t v e e r d e S c h e r t z g e d i c h t e " im Rahmen seiner „Veer nedderdüdisch gerimeten Schertz Gedichten" (1652) vorstoßen gegen den veräußerlichten Betrieb der Gelegenheitsdichtungen, gegen eine handwerksmäßige Ausweitung des Poetereywesens, gegen den Glaubenszwang an die Unfehlbarkeit der Prosodien, gegen die Beengung der Reimgesetze, gegen das vorschnelle Heranzüchten der unreifen, kaum lesekundigen Poetereyzöglinge („die jungen Bengels") und andere Schwächen der Zeitdichtung. Dort wo er die „Almodische Poesie" aufs Korn nimmt, polemisiert bereits Lauremberg gegen das sich blähende Gehaben, „als de grote poët schriven wurde", in derb volkstümlicher Weise, indem er die grotesken Mißverständnisse der Fehldeutungen hochtrabender „künstlik" aufgemachter Umschreibungen durch einen schlichten Leser („ein halfgelehrd als ick") teils satirisch, teils parodistisch ausbeutet. Spott und Anklage stehen hinter der ironischen Anpreisung: „Sülke hocherlüchtede rede, de nu is upgekamen, / bringet den nien poeten einen ewigen namen" und hinter der parodierten Dichtanweisung: „man moet sine fedder hoch aver de luft upschwingen / und mit poetischem stil dörch de wulken dringen". Der Professor Lauremberg war gewiß kein „halfgelehrd" und verstand sicherlich mühelos auch jene kunstreich prunkenden Umschreibungen. Aber der Niederdeutsche mit seinem klarblickenden Sinn für Gradheit und Schlichtheit fühlte sioh abgestoßen von jener fast zum Selbstzweck erhobenen Verworrenheit des „Schwer"-Verständlichen, wobei eine gewisse gesunde Nüchternheit die Abwehr verschärfen mußte. Er zog jedenfalls ein Gedicht vor, „dat men kan ane commentarien verstahn" und verschmähte billige Kunstgriffe, mit deren Hilfe er leicht aus dem Handgelenk auch ein so hochtrabendes Gebilde zustandebringen könnte, „dat it nemand als ik alene begripen scholde". Und sein inniges Sichverbundenfühlen mit der heimischen Mund-
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art setzte sich notwendig zur Wehr gegen die als Anmaßung empfundene Alleingeltung der hochdeutschen Prosodie und Poeterey. Diese heimattreue Sonderliebe Schloß aber die Liebe zur deutschen Muttersprache nicht aus, die dort sich bewährt, wo die nationalsprachliche Selbstbehauptung durch die „Sprakevormengdung" des Alamodeunwesens besonders vom Französischen her bedroht erscheint. Eine gewisse Volksnähe, wie sie verbürgt war im kraftvollen Platt, gab Laurembergs Angriffen in der Ausgangsposition den festen Halt des im Grunde konservativen Menschen. Doch lag zugleich im Mundartlichen notwendig eine Begrenzung eingeschlossen, auch in der praktischen Rückwirkung. Laurembergs Eingestelltsein auf die Heimatliebe und Heimatmundart läßt ihn die kulturpatriotische Leitidee nicht voll so frei entfalten wie F r i e d r i c h v o n L o g a u , der in den Sammlungen seiner Sinnsprüche „Zwei Hundert Teutscher Reimensprüche" (1638) und „Deutscher Sinngedichte drei Tausend" (1654) manches erfrischende Wort zur Ermunterung und Ermahnung deutscher Poesie zu sagen weiß. Im laufenden Gefecht gegen französierende Mode und fremdländisches Wesen steht er Lauremberg um nichts nach, sondern überbietet ihn mehrfach durch die Nachdrücklichkeit seiner von einer heißen Vaterlandsliebe kraftvoll verdichteten Prägungen. Im kulturpolitischen Streben nach deutscher Selbstbesinnung fordert Logau das Abwerfen der französischen „Liverei", der erniedrigenden Dienertracht, um gesteigert die Mahnung nachzusenden: „Freies Deutschland, schäm dich doch dieser schnöden Knechterei!" Mit aller Wärme setzt er sich für die Ebenbürtigkeit deutscher Dichtersprache ein, die hohe lautmalende Fähigkeiten besitzt und besonders im Wort der Liebe ihre Holdseligkeit gegenüber allen Vorwürfen der Sprödigkeit so schön bewährt: „Ist die deutsche Sprache rauh ? Wie, daß so kein Volk sonst nicht / Von dem liebsten Tun der Welt, von der Liebe, lieblich spricht ?" Und die tragende Gesinnung schafft sich um so überzeugender Geltung, als sich ihre vaterländische Zuversicht aus den Nöten und den düsteren Eindrücken des Dreißigjährigen Krieges freizuringen hat. Der kritische Sinn des Epigrammatikers Logau weiß aber zugleich die drohenden Rückschläge eines blind eifernden Purismus richtig abzuschätzen und schont nicht die vorschnelle Betriebsamkeit unzulänglicher Fremdwortverdeutschungen.
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Überhaupt will Logau den vaterländischen Impuls nicht nur abgeschoben sehen in der Richtung einer deutschtümelnden Sprachverherrlichung, sondern will diese besten Kräfte verwirklicht finden in Haltung und Verhalten. Darin Lauremberg verwandt, beansprucht Logau für die klare Sinngebung des Inhalts das Herrenrecht gegenüber der dem Sinn („Herr") nur dienstbaren Formgebung. Vor allem der Reim wird im Gegensatz zu manchem späteren Poetiker zurückgedrängt auf die Wertstufe des dienenden Mittels („Knecht"). Die Entartung des „Politischen", aber auch „Poetischen" zum selbstischen Zweck hat Logau ebenso angeprangert wie die innere Unwahrhaftigkeit: „Alles Tun und alles Dichten / Bloß auf eignen Nutzen richten / Wer sich dessen will befleißen / Kann politisch heuer heißen". Dieser unerschrockene Vorstoß Logaus gegen seine damalig „Heutige Weltkunst" entspricht den Abwehrkämpfen, wie sie bei Moscherosch beobachtet werden können, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß mit „politisch" die damalige Entartungsform des Höfischen getroffen werden sollte. Eine Reihe von Angriffszielen hebt sich damit schon ab, auf die nun immer wieder die Pfeile des Spottes sich richten: Vordringlichkeit des Reimzwanges, Unklarheit und künstliche Aufgeblähtheit des Inhalts, krampfhafte Suche nach weit hergeholten Umschreibungen, Notwendigkeit von Kommentaren, Gelehrsamkeitsprunken mit Scheingelehrsamkeit (darin bestehen Abstufungen), Prunken mit fremdsprachlichem Flitterwerk, aber auch maßlose Deutschtümelei, deren Wirkung ins Gegenteil der Absicht umschlägt* Dem Reimzwang hat wohl Hans Michael Moscherosch in seinen „ G e s i c h t e n P h i l a n d e r s von S i t t e wal t " (I, 1642) das einprägsamste Götzenstandbild errichtet: „Drüm zu reimen auf einer Schnur /Nur dem Verse zu Gefallen / Sprich daß diese sey ein Hur / So doch ist die frömste ob allen / Steigen dir die klugen Grillen / Einen Reimen zu erfüllen / Welcher ausgeht aufi ein Helm / Sich zu schicken in dem Lesen / Sprich du jener war ein Schelm / So doch Biedermann gewesen". Entsprechend ließe sich in der Verlegenheit, einen Reim auf „Sud" zu finden, kühnlich behaupten, „ein Christe sei ein Jud". Die Reimnot macht also vor keinem inhaltlichen (und moralischen ! ) Bedenken halt. Getroffen wird nicht allein die Mißgeburt des Reimzwanges, sondern auch die Leichtfertigkeit der Reimschmiede.
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Der „poetische" Imperativ: „Reime dich, oder ich fresse dich", den Sacer satirisch in grelles Licht setzt, wird bereits von Moscheroschs Spott her klarer verständlich, wie denn auch Sacer das Beispiel Moscheroschs wiederaufgreift. Die Sprachmengerei geißelt Moscherosch, der als der „Träumende" der Fruchtbringenden Gesellschaft angehörte und die gegenhöfische Strömung vorwärtstrieb, mit aller Strenge: „Ihr böse Teutschen, man sollt' euch peutschen / daß ihr die Muttersprach' so wenig acht". Das Emportreiben eines geringfügigen Anlasses und alltäglichen Inhalts zu sich spreizendem Wortgepränge reizt Moscherosch zu bissigem Spott. Seiner etwas düsteren Satire, die überall „HöllenKinder" wittert, erregt es bereits Anstoß, wie man dichterisch ein armseliges Küchenfenster nur deshalb verklären könne, weil die Liebste daraus hervorgeschaut habe. Und so wird die „stinckende, kahle Viehmagd" für seinen eifernden Zorn gleichsam das Schreckgespenst, mit dem er die verlogenen, „wohlriechenden Schä£ferey"-Schönen einer schwülen Dichterphantasie verscheuchen möchte — wie später Joh. Grob mit der Schornsteinfegermagd die Vision von „der glieder schnee". Ihm scheint allzu oft, daß die Dichter „Hurerey im Sinn" trieben „wie arme Juden den Wucher". Die übersteigerten Metaphern parodiert er an dem Beispiel, daß schier der Rhein austrocknen müsse vor Hitze, wenn alle rheinischen Mädchen wirklich so strahlende Sonnen wären, wie die Poeten es wahrhaben möchten. Das genialische Gebaren grübelnder Dichterlinge — das gab es also schon — oder die künstlichen Anregemittel will er der Lächerlichkeit preisgeben, wenn er beobachtet, wie der eine „sich mit der faust einen stoß an die Stirn" gibt, ein anderer sich hinter den Ohren kratzt, ein dritter sich einen Rausch antrinkt. Aber Moscheroschs Schläge fallen zu schwer, um scharf zu treffen. Er schlägt auch Mücken mit Keulen tot. Sein sittlicher Eifer, an sich von edlen Beweggründen getrieben, schießt vielfach weit übers Ziel hinaus und trifft deshalb nicht in den Kern, bleibt auch merklich in sittenrichterlicher, nur moralisierender Enge befangen. Und unversehens drängt sich die Frage auf, ob Moscherosch zum Kimstrichter das rechte Verständnis mitbrachte. Wenn er den poetischen Reichtum, mit dem Dichter ihre Schönen überschütten, entwerten will mit dem ernüchternden Hinweis darauf, daß die so ausgestatteten Schönen in Wirklichkeit „nicht ein pfund Brot zu bezahlen wüsten", so trifft er letzt>3 M a r k w a r d t , Poetik S
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lieh damit keineswegs nur barock übertreibende Dichter, sondern jede wirklichkeitüberhöhende und wertsteigernde Phantasie. An solchen Stellen wird zugleich die Sondèrsituation der satirischen Kunsttheorie und Kritik fühlbar, bei der eine gewisse Scharfgeistigkeit leicht in Nüchternheit umspringt. Was indessen Moscheroschs Stimme in diesem Betracht an Gewichtigkeit verliert, gewinnt sie reichlich an kämpferisch mahnendem Nachdruck zurück durch die B e w e r t u n g der c h a r a k t e r m ä ß i g e n H a l t u n g u n d der n a t i o n a l e n G e s i n n u n g . Doch bleibt neben der kulturpatriotischen merklich die christlich-moralisierende Leitidee besonders stark ausgeprägt, die nicht zum wenigsten zur Abwehr der als anmaßend empfundenen göttlichen Begabung und Gottbesessenheit („est Deus in nobis...") beiträgt. Eine derartige spöttische Abwehr der traditionsgemäß in der Poetik des siebzehnten Jahrhunderts aufgegriffenen Wendungen aus der Theorie der Alten vom „furor divinus", die keineswegs auf Moscherosch beschränkt bleibt, läßt einerseits erkennen, wie wenig jene gern aufgenommenen Wendungen wirklich lebendiger Besitz der Kunstanschauungen geworden waren und zugleich das andere, daß nicht überall eine Übertragung des „furors" ins Christliche geduldet wurde. Aber andererseits scheint doch der Umstand, daß überhaupt die Satire diese Position angriff, vorauszusetzen, daß man in Poetenkreisen auf diese göttliche Begabung gepocht haben dürfte. Und in der Tat begegnen gelegentlich, so etwa — recht frühzeitig — bei Valentin Andrea und späterhin bei Kaspar Stieler Ausbrüche eines begabungsstolzen Selbstbewußtseins, das nicht so ohne weiteres dem Zwange der Anweisung sich fügen will. Teils stemmte sich ein gewisser Beharrungssinn gegen den kritischen Eingriff, der von der Regelsetzung der Poetik her die dichterische Ungezwungenheit (und wohl auch das formale Sichgehenlassen) bedrohte. Der Satiriker Joh. B a l t h a s a r S c h u p p (Schuppius) hat in der Vorrede „ A n den L e s e r , s o n d e r l i c h an j u n g e T e u t sche P o e t e n " (1655, 1662), die er seiner Sammlung „ M o r g e n u n d A b e n d l i e d e r " teilweise als Rechtfertigung in eigener Sache mit auf den Weg gab, der ganz bewußten Opposition gegen die Zeitpoetik eine gleichsam klassisch gewordene Formulierung gegeben : „Ob das Wörtlein und, die, das, der, ihr und dergleichen kurtz oder lang sey, dar an ist mir und allen Mussquetirern in Stade
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und Bremen wenig gelegen. Welcher Rom. Kayser, ja welcher Apostel hat ein Gesetz geben, daß man einer Sylben halben, dem Opitio zu Gefallen, solle einen guten Gedanken, einen guten Einfall fahren lassen?" Soweit ähnelt die Angriffswendung, zum Teil auch in der Prägung, einem richtungsgleichen Vorstoß Laurembergs. In eigener Sache — und das gibt der Wendung die persönliche Betontheit, aber auch eine Begrenzung im Geltungswert — ist Schupp dabei ausgegangen von der bewußten Weigerung, seine schon früher (1655) gedruckten Lieder — was hätte „leichtlich" geschehen können — etwa zu verändern auf Grund der Opitzianischen Forderungen, wobei Opitz merklich zugleich für die Poetik schlechtweg steht. Und es will gewiß der relative Geltungswert einer der Kritik vorbeugenden Vorrede mit in Erwägung gezogen sein, wenn nun der Angriff als bestes Mittel der Verteidigung von den Poetikern auf die Kritiker ausgedehnt wird: „Ihr vornehme Critici sagt mir, ob der König David in seinen Psalmen sich allzeit gebunden hab an die Reguln, welche Pindarus in seinen Odis observirt hat". Trotzdem steht hinter diesem unbekümmerten Widerstand mehr als ein Abwehrenwollen der Kritik und der Trotz gegen die regelgerechte Kunstdichtung. Das verrät schon der nächste Satz. Und er offenbart zugleich ein kleines Stück Gefühlsrevolte von der geistlichen Liederdichtung her gegen die Anmaßung der Renaissance- und Barockpoetiker, die teilweise das geistliche Lied unberücksichtigt gelassen hatten: „Und ihr Teutsche Poëtae sagt mir, ob Lutherus, wann er traurig oder freudig gewesen und, sein Gemüth zu erquicken, ein geistreiches Liedlein gemacht, darin er mehr auf das Anliegen seines Herzens und auf die realia (Betonung des Gehalts) als auff Poetische, Opitianische, Isabellische, Florabellische, Corydonische, Galateische Phrases (Seitenhieb gegen die Schäferdichtung) gesehen hat, allzeit in acht genommen hab' eure Antipericatameta .. poéticas, sive in parnasso sive in Helicone (Seitenhieb gegen Zesen? ) ex utero parturientis Minervae, non sine risu prudentiorum Satyricorum productos?" Das Rückhaltsuchen beim ungezwungenen Gefühlsausdruck und Gesinnungsausdruck im geistlichen Lied geht doch über eine bloße Flucht vor den metrischen Gesetzen Opitzens und seiner Nachfolger wesentlich hinaus. Wie denn mehrfach die Poetiker angesichts der ohne Dichtanweisung vollbrachten Leistung Luthers in ihrem Regelglauben stutzig werden. Und es verdient volle Be13*
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achtung als Wendung zu einer positiven Wertsetzung aus aller Satire heraus, daß in der Kunsttheorie gerade dort, wo einmal das geistliche Lied seine Würdigung findet — wie etwa früher bei Joh. Klaj und späterhin bei Prasch — , auch eine gewisse Würdigung gefühlsmäßigen Miterlebens sich einzustellen pflegt. Die tiefgreifende Bedeutung des geistlichen Liedes wirft so auch einen auflichtenden Widerschein in die Poetik hinüber. Aber es geht dabei nicht nur um die geistliche Lieddichtung, sondern zugleich um den Anteil an volkstümlichen, volksnäheren Quellkräften, wie sie etwa im Kunstschaffen über schwächere Ansätze bei Benjamin Schmolck in Johann Christian Günthers Lyrik fruchtbar werden sollten, und zwar auch jenseits der geistlichen Lieddichtimg im engeren Sinne. Jene Aufgeschlossenheit für die volkstümlichen Werte und Wirkungen läßt Schupp auch die Tierfabel verstehen und verteidigen, anders als etwa Harsdörffer. Und so liegen in jener Vorrede Schupps zukunftträchtige Keime neben reaktionären Restbeständen, und zwar als Wertsetzungen und Zielandeutungen, die für seine kunsttheoretische Sonderleistung letzten Endes als gehaltvoller und eigenwegiger erscheinen als seine satirischen Angriffe mehr zeitüblicher Art in dem lateinischen „Ineptus Orator" (Marpurgi 1640, ins Deutsche übersetzt von Kindermann unter dem Titel „Der ungeschickte Redner"), die gegen das antike Fabelunwesen, das Schäferunwesen, gegen Amadis-Art, gegen pathetisch übersteigerte Liebesumschreibungen und andere Zeiterscheinungen und modische Dichtungsformen vorwärtsgetrieben werden. Und im Reflex der Satire gegen das künstlerische Protzentum, das, „mit des Appollinis Geist angezogen und erleuchtet", daherprunkt, allzu nahe den Göttern sich fühlt und vom Erhabenen leicht ins Närrische abgleitet, in diesem schon an sich charakteristischen Widerschein der Kritik, die auch das Anregemittel des Weintrinkens nicht zu rügen vergißt, spiegelt sich doch zugleich jenes Wissen um die dichterische Begeisterung an sich, wie denn — nach Schupp — wohl die Bürgermeister „zu Hamburg alle Jahr creirt", dagegen „Könige und Poeten... nicht alle Tage geboren" werden. — Die Darstellung (Vogts) dagegen, als ob Schupp bereits eine Art von tieferem Homer-Verständnis aufgebracht hätte, erscheint kaum ernstlich haltbar und zum mindesten beträchtlich übertrieben.
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Nach derartigen Vorarbeiten einer satirischen Auflockerung der zünftigen Poetik verliert die Satire Sacers wesentlich von ihrer vielfach überschätzten Neuartigkeit und Eigenwegigkeit. Sacers Standort hinsichtlich seines wirklichen Meinens und Fordems enthüllt sich deutlicher aus dem Schleier des satirischen Scheins, wenn man von Joachim Rachel und dessen Alexandrinersatire „Der Poet" (1667) aus den rechten Blickpunkt sucht. Und wiederum für Rachels Verssatire vom Unrechten und rechten Dichtertumist die Eingliederung auf der Linie Opitz-Gottsched klar genug gegeben, wenn einerseits sich Rachel im positiven Wertsetzen durchaus auf Opitz beruft und andererseits sich Gottsched noch in seiner „Kritischen Dichtkunst" mehrfach mit größeren Zitaten auf Rachel berufen kann. Es muß also in Rachels Vorstellungsbild vom rechten Dichtertum schon mancher frühklassizistische Zug eingezeichnet sein, den noch Gottsched für sein breiter angelegtes Gesamtbild geeignet fand. Oder zum mindesten muß — wenn jene Deutung zu gewagt erscheint •— in Rachels Haltung eine „vernünftige" Achtung vor der regelsetzenden Poetik vorherrschen auch angesichts der durch die satirische Anlage gebotenen Angriffe gegen einzelne Unzulänglichkeiten und Mißbräuche eines falschen Dichtertums. Schloß doch auch die nicht satirisch gehaltene zünftige Poetik eine teils recht scharfe Polemik gegen dichterische und metrische Mängel keineswegs aus. Schon das an sich Äußerliche, daß Rachel nicht wie etwa Schupp auf die metrischen Anregungen Opitz' verzichtete, sondern im Gegenteil den von Opitz empfohlenen Alexandriner zum Versmaß seiner Satire wählte, bekundet eine Gefolgschaftstreue Opitz gegenüber, die bei Lauremberg oder Schupp nicht anzutreffen war, ja geradezu verweigert wurde. Der vorbarocke Klassizismus in Opitz berührt sich gleichsam wieder mit der noch im Barock ansetzenden breiteren Vorwelle des Frühklassizismus. Und es bleibt kennzeichnend, daß Gottsched die Zitate aus Rachel ohne beträchtliche Umbiegungen in seinem Verbindungstext neben Zitate aus Boileaus „L'art poétique" von 1674 stellen kann. Durchweg begegnen in Rachels „Poet" die Anschauungen der Zeitpoetik. Die Mustergeltung der Alten bleibt im Prinzip voll aufrechterhalten; denn nur derjenige gilt als vollwertiger Poet, „der mehr als Worte nur und Reimen machen kan / Der aus den Römern weiß, den Griechen hat gesehen / Was für gelahrt.
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beredt und sinnreich kan bestehen". Der B e g a b u n g s s t a n d p u n k t wirkt etwas kräftiger herausgearbeitet, wenn „Kunst und Fleiß und Übung" als „verlohren" angesehen werden für den, „wer nicht von Natur hiezu ist wie gebohren" ; aber diese Herausarbeitung erfolgt nur unter sofortigem Stützungsuchen bei den Alten („Hör, was der Römer spricht"). Und tröstlich klingt es für die minder Begabten, wenn die beruhigende Einschränkung der Begabungsvoraussetzung abdämpfend folgt: „Der Gaben Unterscheidt, der hebt nicht alles auf" und wohlwollendes Zureden auf die Ausgleichsmöglichkeiten durch emsiges Bemühen verweist: „Wer weiß, was nicht dein Fleiß dir mehr erwerben kan", wie denn auch an jener Kernstelle, die mehr als Worte und Reime von dem verlangt, der „ein Poet will seyn", neben dem kenntnisreichen „Vorrath im Gehirn" und dem „Saltz" des Witzes der Wert des „bleichen Fleißes" nicht übergangen wird. Horaz' Abwehr des mittelmäßigen Dichters wird umgebogen zur Empfehlung, sich mit einem bescheidenen Plätzchen auf der Stufenleiter des Dichterruhmes zu begnügen. Die satirische Zuchtrute geißelt wohl die Laster schlechter Poeten, so etwa die Entartung des Lustigen zum Zotenhaften mit derben Hieben in der Frage: „Kan dann ein fauler Stank so bald Poeten machen?" Aber das moralpädagogische Verfahren der Satire hält damit nur die Forderungen der Poetik aufrecht, und auch die Forderung der eigenen Gattung wird in der Schlußbemerkung als verwirklicht hingestellt: „Wer Laster straft, der hat die Tugend recht gelehrt". Es war letztlich die „Tugend" der Poetik, die Rachels Satire rein erhalten will. Irgendwelche revolutionären Vorstöße gegen ihre Autorität sind nicht ernstlich versucht worden und lagen offenbar auch gar nicht in Rachels Absicht. Den modischen Mißbrauch des Fremdwortes bekämpft er im kulturpatriotischen Kampfgange gegen die Sprachmengerei, scheut aber zugleich zurück vor den allzu kühn erscheinenden Wortneubildungen und Ersatzformen. So entschlossen er jenes modische Gehaben als „Lapperey" abwehrt und anprangert im stolzen Bewußtsein, daß die Muttersprache nichts zu „erbettlen" braucht „von frembder Sprach und Zungen", so bedenklich und erschreckt steht er vor Zesens Neubildungen. Doch verschmäht er das Auskosten billigen Spottes angesichts des ernsten kulturpatriotischen Wollens, das er einsichtig dahinter erkennt: „Dieß Elend ist entsprungen / Vom guten Vorsatz her". Das vernünftige Urteil, das Rachels
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Satire durchweg beweist, war es offenbar, was Gottsched so merklich angezogen hat. Das Bemühen um Wahrung der eignen Leistung im Rahmen der Musternachahmimg fordert das „selber Meister"-Sein, gestattet das Nachahmen „doch außer Dieberey". Darin liegt im Grunde schon mehr Gefühl für Originalität, als wenn etwa der Weiseaner J. S. Wahll 1723 einräumt, aus den Vorbildern „nachdrückliche Wörter, sinnreiche Epitheta" zu übernehmen, obgleich auch er die traditionelle Einschränkung kennt, daß „imi tiren" nicht „ausschreiben heiße". In der Grundeinstellung auf die gelehrte Kunstdichtung, die Mustergültigkeit der Alten, den Glauben an die Normkraft der Regeln, die Abwehr unzulänglicher Dichterlinge steht G o t t f r i e d W i l h e l m S a c e r (1635—1699) mit seiner unter dem Decknamen Hartmann Reinhold herausgebrachten Satire „ R e i m e d i c h , o d e r i c h f r e s s e d i c h " (1673) letzten Endes Rachel näher, als der erste Anschein vermuten lassen könnte. Die Verfasserfrage, die lange Zeit hindurch bald sich für den Verfasser eines „Kurtzweiligen Redners" Johann Riemer (seit Morhofs entsprechender Vermutung), bald für Wilhelm Sacer (seit Martin Kempes Hinweis) entschieden hatte, dürfte (besonders seit L. Pfeils Sonderuntersuchung) endgültig zugunsten Sacers zu beantworten sein. In gewissem Grade umstritten aber bleibt noch das Geltungsanrecht und die geistesgeschichtliche Bedeutung der Satire mit dem kategorischen Imperativ für Reimschmiede. Gervinus', v. Waldbergs und Borinskis Beurteilungen weichen beträchtlich voneinander ab, und auch Pfeil findet im Eifer der Quellenjagd keine rechte Gelegenheit zur Wesens- und Wertbestimmung der Poetiksatire Sacers. Immerhin kann Pfeil gegenüber Borinski klarstellen, daß Sacer das „ut pictura poesis" noch schwerlich bekämpft, vielmehr zum mindesten darin die ältere Richtung durchaus festgehalten habe. Zur Klärung oder doch wenigstens zum Verstehen solcher Schwankungen in der Beurteilung führt am ehesten ein ständiges Sichgegenwärtighalten der satirischen Situation und der ironischen Brechung aller Ansichten im Zerrspiegel einer teils karikierenden, teils parodierenden Satire. Das würde nicht so schwer sein, wenn nicht Sacer die von vornherein in der satirischen Fiktion gegebene Brechung, die eine Durchbrechung der Fiktion gelegentlich nicht scheut, noch weiterhin zu überbieten versuchte durch ironische Brechungen zweiten Grades. Er wirbelt im
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grotesken Schleiertanz so viele ironisch glitzernde Schleier und brennende Nesselgewänder des Spottes um sich und durcheinander, daß sein wahrer Standort auch dem überprüfenden Blick einfühlungswilliger Betrachtung nicht immer leicht erkennbar und klar bestimmbar bleibt. Spottlust um ihrer selbst willen reißt zudem gelegentlich rücksichtslos und auch ein wenig literatenhaft verantwortungslos die Führung an sich und scheut selbst nicht das Hereinzerren kulturpatriotischer Bemühungen in die bissige Verneinung. Denn natürlich ist es ein Verhöhnen kulturpatriotischer Strebungen, wenn ironisch dem Hans Wurst angeraten wird, die Alten nicht so wichtig zu nehmen, da er doch „ein Deutsches Bluth" sei. Zum mindesten geht die plumpe Fassung dieses Hohns beträchtlich über das hinaus, was sonst in gerechtfertigter Gegenwehr gegen eine veräußerlichte Deutschtümelei in den Zeitsatiren anzutreffen ist. Die Situation in „Reime dich, oder ich fresse dich" erscheint äußerlich klar vorgezeichnet durch die ironischen Ratschläge, die Hartmann Reinhold in Form einer Poesieanweisung mit umgekehrtem Vorzeichen dem Hans Wurst erteilt, um ihm zum Dichtertum und Dichterruhm zu verhelfen. Und schon in der Wahl dieser Situation und Fiktion äußert sich die billige Spottlust vom Standort der selbstgefälligen gelehrten Kunstdichtung gegen alles volksnahe Dichten auf dem „Schuh-Leisten Hansg Sachsens", aber auch gegen die Volksbücher und selbst gegen die ältere deutsche Dichtimg, die sonst wenigstens verschont oder achtungsvoll gewürdigt wurde. Und diese Seite des literatenhaften Spöttertums Sacers darf nicht übersehen werden von der Genugtuung darüber, daß er — nicht als erster, wie oben angedeutet — so erfrischend kampftüchtig dem Marinismus besonders Zesenscher Prägung auf den Leib rückt. Dabei aber durchstößt die persönliche Literatensatire vielfach vordringlich die Geschlossenheit der Zeitsatire und beeinträchtigt weiterhin die Überzeugungskraft eines redlichen Streitens um der Sache willen. Und die äußerlich so eindeutige Situation wird unversehens recht vieldeutig. Sacers Meinen schillert bald in vielen Farben, ohne daß sein Kunstwollen einen klaren Gegenwert gegenüber dem bekämpften Marinismus aufzustellen vermöchte; denn Weises Zielsetzung ist als fester Punkt in der Erscheinungen Flucht noch nicht sichtbar. So bleiben letztlich Opitz und der persönlich verehrte Rist die positiven Instanzen, während Zesen hartnäckig bedrängt wird.
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Verwickelt wird die Angriffstaktik nicht nur durch eine Fülle von zeitliterarischen und gelehrten Anspielungen, die als schweres Gepäck die kämpferische Beweglichkeit nicht zur freien Entfaltung kommen lassen, sondern auch durch das unbedenkliche Entlehnen und gleichzeitige Umbiegen fremder Meinungen vielfach mit wörtlichen Anklängen. Sacer schreibt nicht zuletzt eine Satire gegen Satiriker, eine Satire über Satiren (nicht nur, aber doch auch), und zwar gegen Satiren über Dichtkunst und Dichtkunsttheorie. Daher nicht zum wenigsten jener wilde Schleiertanz mit geborgten Schleiern, die er dann nach erfolgtem Gebrauch mit überlegener Geste zerfetzt und ironisch zerfasert. So verfährt er vor allem mit Schupp und Moscherosch, die er mit ihren eigenen Waffen schlagen möchte, obgleich er gelegentlich mit ihnen übereinstimmt und ihren Witz ausborgt. Während er die Formgebimg seiner Satire mit Darstellungsmitteln Fischarts (teils über Moscheroschs Vermittlung) bereichert, verspottet er zugleich Fischart, dem er doch manchen Einfall zu danken hat. Ähnlich springt er mit Entlehnungen aus Baldes lateinischen Schriften zur Poetik um. Insofern enthält diè Satire Sacers zugleich im Längsschnitt durch größere Zeiträume frühere Erträge der kunsttheoretischen und kulturellen Satiren. Gelegentlich wird wohl auch eine Anlehnung an Charles Sorels „La vraye histoire comique de Francion" (1641) spürbar, ganz abgesehen von kleineren Entlehnungen aus Scaliger, C. Seyffart u. a. In diesem Sinne darf kritisch gesagt werden, daß Sacer nicht nur eine Satire über Satiren, sondern weitgehend auch aus Satiren schreibt und also ausschreibt: Es darf um so mehr gesagt werden, als Sacer theoretisch gegen den Zeitbrauch unbedenklicher Entlehnungen polemisiert. Die Polemik gegen die Ausschreiber, die „anderer Leute Sachen zu sammen lausen und zausen" und sich mit leichten Wortabwandlungen begnügen, um den Schein der Selbständigkeit zu wahren, enthält dabei gewiß nicht die schlechteste Forderung. Mit ihr verbindet sich die Polemik gegen das künstliche Aufschwellen fremder Vorlagen durch verbreiternde und verflachende Umschreibungen, teils parodistisch. Der Spott des Satirikers richtet sich weiterhin thema- und titelgemäß gegen die Reimsucht um jeden Preis, die alles reimt, „auch was ungereimet ist", und gegebenenfalls auch den Sinn kurzerhand verändert oder gar umkehrt aus bloßer Reimnot, gegen den Betrieb der Reim-
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lexika und Schatzkammern, gegen den Massenbetrieb der Gelegenheitsgedichte und gegen die Prahlerei mit dem „furor divinus" und mit angeblichem Einfallreichtum, der den Dichter von Inventionen und „vom Witze" gleichsam „starren" läßt, „wie eine Schweinsblase vom Winde", gegen das Prunken mit mythologischen Brocken, die als vermeintlicher Musenschmuck so prächtig „prahlen und strahlen wie ein Karfunkel im Offenloche". Die Verspottung des furor poeticus belichtet zugleich die E i n s t e l l u n g zur B e g a b u n g und zur göttlichen Begnadung. Es scheint doch eben nicht nur auf den prahlerischen Mißbrauch der angeblich von „poetischer Raserey" Besessenen und Befallenen abgesehen zu sein, sondern auf die Begabung schlechtweg. Der gelehrte Vertreter wohlgeschulter Kunstdichtung benutzt vielmehr merklich die Gelegenheit, um sein Mütchen zu kühlen an jener unbequemen Anschauung der Alten, die etwa gar dem Ungebildeten den Zugang zur Dichtung und zu Dichterwürden in höchst unerwünschter Weise öffnen könnte. Diese „Gefahr" stellt ja sogleich die Fiktion der Gesamtsatire in grelles Licht, einem „Hanss Wurst" werden Aussichten auf Dichtertum gemacht und Wege •— natürlich Irrwege — zu diesem Ziel gezeigt. Und so reibt sich Sacer an der Begabungsbewertung so emsig, daß einige Witzfunken abspringen. Dahin gehört nicht nur die Karikierung des einfallreichen Kopfes als windgefüllte „Schweinsblase", sondern auch die Spöttereien darüber, daß der geborene Poet die „Kunst mit aus Mutterleibe" bringe, „wie jener Spielmann die Fiedel und ein Müller den Sack", daß der „Furor Posticus" im Dichtergemüt allerlei „wunderliche Sachen" ausschütte, die der Dichter nach Erlöschen der „Gemüths-Hitze" selbst nicht mehr verstehen könne, daß — mit ausdrücklicher Polemik gegen Plato — die Kunst schon in der Menschenseele bereitliege, „gleichsam als glimmende Kohlen unter der Asche". Notwendig drängt sich die Frage auf, wo denn eigentlich der rechte Weg für Sacer liegen soll. Die Abwehr des Ausschreibens der inhaltlosen Reimereien, der Reimlexika und Schatzkammern ließ doch gerade eine erhöhte Bewertung des Einfallreichtums und der Begabung erhoffen. Aber über die Folgerichtigkeit der Forderungen auseinander und die Vereinbarkeit der Forderungen untereinander und miteinander hat sich die zwanglose Satire offenbar keine Gedanken gemacht. Am ehesten noch zeichnet sich der rechte Weg, wie ihn Sacer sieht, so ab: Warnungstafeln
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vor aller Einseitigkeit und Übersteigerung, sowohl der reinen Begabung als auch der reinen handwerklichen Technik, Wegweiser in der R i c h t u n g der M i t t e l s t r a ß e , auf der Kunstfertigkeit und Begabung etwa im Sinne Horaz' untrennbar vereint vorwärtsstreben müssen. Aber klar zeichnet sich dieser Weg — aus den oben berührten Gründen — keineswegs ab. Und merklich neigt sich vom Standort der gelehrten Kunstdichtung der größere Anteil der Sympathie doch der Technik, der geschulten Kunstfertigkeit zu, nur daß Sacer gleichsam die gelehrte theoretische Poetik und die Prosodie (er hatte selbst eine Poetik geschrieben) gegen das Reimlexikon ausspielt. Es handelt sich in diesem Bereich der Satire Sacers gar nicht so sehr um wesenhafte, sondern mehr um graduelle Abweichungen von dem Anweisungsbetrieb. Die Anweisung an sich wird durchaus verteidigt gegen die Mißachtung der Poetik seitens der vermeintlich Uberbegabten einerseits und der Unbegabten und vor allem der Ungebildeten andererseits. Die V e r t e i d i g u n g der Regeln und Anweisungen bleibt auch unter der ironischen Deckschicht unzweideutig erkennbar. Mühelos enthüllt sich das eigentliche Meinen hinter der spottenden Behauptung: „Die Poeten können die Kunst, die sie niemahls studiret haben", um so mehr als in unmittelbarer Umgebung der Juror poeticus ironisiert wird. Es sind Irrlehren für den Hans Wurst, wenn ihm angeraten wird, daß er sich „nicht stricte nach einer Prosodie zu regulieren" brauche, da ja auch Hans Sachs mit seinem „Schuster-Geist" nicht studiert habe, daß er sich „an keine Regulen" zu „kehren" brauche, da doch auch Apollo „keine Regulen gegeben" hätte. Gefordert wird also Regelbefolgung und Schulung an Prosodie und Poetik für den würdigen, allein wahrhaft berufenen, gelehrten Kunstdichter. Verspottet wird in diesem Sinne etwa auch die Scheu vor einer nachträglichen kritischen Formüberprüfung durch schlechte Dichter, angestochen wird Schupps Weigerung, sich nach Opitz zu richten. Und keine satirische Verhüllung und Umkehrung kann zweifelhaft erscheinen lassen, was doch der Titelzusatz der Sacerschen Satire als Grenze für den Spott zieht, „zu keinem Nachtheil der edlen Poesie, unserer löblichen Muttersprache oder eines rechtschaffenen gelehrten Poetens". Getroffen werden vom Pfeil des Spottes sollen nur alle wirklichen oder vermeintlichen Entartungserscheinungen .
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Zu diesen Entartungserscheinungen rechnet aber der Gegner Zesens vor allem die hochtrabende, aufgeblähte Schreibart. Und sein Fortführen der Polemik gegen den Marinismus, wie auch gegen die Schäferdichtung stößt mehrfach in der Stoßstärke der Abwehr und der zähen Zielstrebigkeit des Kampfwillens beträchtlich über seine Vorgänger hinaus. Mag immerhin die persönliche Einstellung gegen Zesen als Nachwirkung des Rist-Zesenschen Streites den Blick gelegentlich auf das eine Angriffsziel verengen, es ist doch nicht nur der Anti-Zeseaner, der hier zu Worte kommt. Vielmehr zeigt sich eine grundsätzliche Geschmackskritik eifrig am Werke, die Machtposition der marinistischen Schreibart zu erschüttern und umzuwerfen. Und mag rein formal ein Anklang an Balde („De Vanitale Mundi") nachweisbar sein, es steht doch Sacers eigene Überzeugung dahinter, wenn er den marinistischen Dichter anprangert, der „seine carmina also ausschnitzelt, ausbildert, verblühmet, vermythologisiert", daß der Leser „einen commentarium" zum rechten Verstehen „von nöthen" habe, um die „heilige Heimlichkeit" des angeblichen Tiefsinns herauszutüfteln. Sacer parodiert vielfach selbst jene hohen „und Hyperbolischen phrases", die jede Belanglosigkeit wie einen „Hasen ausspicken" mit hochpoetischer „Herrligkeit", und ist um treffende Beispiele aus der Zeitdichtung nicht verlegen, unter denen die tatsächlich hundsmäßige Umschreibung von „Murr- und Beile-Thier mit viergebeinten Füßen" (das später auch in Rottmann einen Liebhaber fand) ebensowenig fehlt wie die „Rosenflabbe" oder eine Zesens Rosemunde karikierende „unvergleichliche ja überirdische Fremonde". Überhaupt werden den geblähten Prunktiteln einige Sonderhiebe vorbehalten. Und vielleicht am knappsten wird die Verflochtenheit aller Schwell- und Schnörkelformen festgehalten im spöttischen Vergleich mit dem unlösbaren Gordischen Knoten oder — wie Sacer sagt — dem „Gordischen Knopff". Ähnlich entfaltet sich ein laufendes Gefecht gegen die Schäferdichtung, und einige Vorstöße richten ihre Spitze offenbar gegen die Nürnberger Spielkunst Harsdörfferscher Prägung, wobei das „Hertzbehertzte Hertze" und andere Wortspielereien („O Fürst aller Fürsten Fürst") aufgestochen werden als versfüllende Verlegenheitswiederholungen, die aus der metrischen Not eine poetische Tugend machen möchten als „klingende, klingende Wörterchen", die so schön sich eignen für eine „heroisch lieblich
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spielende Poeterey". Die Pflege des Wortes findet in Sacers Satire überhaupt starke Beachtung. Bereits in seinen „Nützlichen Erinnerungen" hatte er Zesensche Verdeutschungsversuche einer ernsthaften Kritik unterzogen, die Zesen mit recht derben Ausfällen gegen Sacer in der „Helikonischen Hechel" (1668) beantwortete, noch bevor die Satire mit dem kategorischen Imperativ für Reimschmiede „Reime dich, oder ich fresse dich" den Angriff auf Zesen in breiterer Front aufgenommen hatte. Die Satire von 1673 war also nicht der erste kunsttheoretische Beitrag Sacers. Sie wurde nur vorangestellt, um den Ausschnitt aus der Satirenpoetik geschlossen bieten zu können. Ohne ironische Verhüllung, aber schon mit einem gewissen —- im Voransatz bei Tscherning beobachteten — kritischen Reformwillen hatte er etwa ein Jahrzehnt vorher „ N ü t z l i c h e E r i n n e r u n g e n wegen der D e u t s c h e n P o e t e r e y " (1661) herausgebracht, aus denen noch mancher Gedanke und manche kritische Wendung in die spätere Satire herübergenommen werden konnte. Die Gesamthaltung blieb jedoch vorerst durchaus dem A n w e i s u n g s c h a r a k t e r angepaßt. Immerhin liegt schon in der Titelwahl ein Hinweis auf die kritische Absicht. Und in der Tat bemüht sich bereits der Sacer von 1661, der die Theoretiker Opitz, Harsdörffer, Rist, Tscherning und Schottel sogleich eingangs als seine Gewährsmänner für die theoretische Grundlegung verzeichnet, besonders im metrischen Bereich um ein vom Autoritätsdruck unbelastetes eigenes U r t e i l e n und scheut sich dementsprechend auch nicht, Einwendungen und kritische „Erinnerungen" (Beanstandungen) gegenüber sprachlich-metrischen Lässigkeiten zu erheben, mag er sie selbst bei anerkannten Dichtern antreffen wie bei Opitz, Harsdörffer, Fleming oder Rist, Tscherning und Zesen. Nicht starre, schulmeisternde Strenge will sich in solchen Hinweisen auf metrische und besonders reimtechnische und reimklangliche Unzulänglichkeiten genugtun, sondern von vornherein stellt Sacer seine nur recht knapp gefaßten „Nützlichen Erinnerungen" (etwa 60 Seiten Gesamtumfang) darauf ein, gerade die Feinheiten ausfeilen zu helfen, die ihm noch zu wenig Beachtung gefunden zu haben scheinen. Daher dringt er auf reine Reime, warnt er vor Überlastung mit nichtssagenden Flickwörtern (in der Satire von 1673 aufgenommen) und entbehrlichen Fremdwörtern. Trotz solchen Sinnes für die Feinheiten der Gestaltgebung und trotz solcher Besinnung auf den Wert der Feinarbeit und Klein-
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arbeit wehrt er doch pedantische Übertreibungen sowohl in metrischer wie in sprachreinigender Richtung ab. Er weiß bei allem Einsatz für eine verantwortungsbewußte deutsche Sprachpflege dennoch den kritischen Blick sich zu bewahren für Fehllösungen eines puristischen Übereifers. So klar sich ihm die nationalpädagogische Zielrichtung vorzeichnet: „Frembde, undeutsche Wörter sollen nicht gebraucht werden", so unbefangen beurteilt er doch die Wörter, die „gleichsam bey uns das Bürgerrecht erhalten haben", so unbeirrbar sticht seine kritische Sonde Fehlversuche von Ersatzbildungen auf wie Zesens Tageleuchter (Fenster), Jungfernzwinger (Nonnenkloster), Windfang (Mantel) oder Sattelpuffert (Pistole) und andere Neubildungen Zesens, die besonders seit Sacer gern bespöttelt werden, aber auch schon in K. Zieglers Abhandlung „Von den Madrigalen" (1653) bewitzelt worden waren. Und so bewußt er die metrische Sauberkeit verficht, so energisch er den reimtechnischen Läuterungsvorgang, zu dem mit Abschreckungsmitteln doch auch die spätere Satire erziehen will, vorwärtszutreiben trachtet, so einfühlungswillig gesteht er dem Dichter das Recht auf eine Ablösimg und Auswechslung des Metrums innerhalb derselben Dichtung zu, wenn ein Stimmungsumbruch vom Inhalt her gerechtfertigt ist und in der Formgebung seine entsprechende Wirkungsverstärkung fordern darf und finden soll. Ein merkliches akustisches Miterleben (seit Buchner vertraut) läßt ihn auf Härten und Rauhheiten horchen, den Vorteil des inhaltentsprechenden Wortklangs beachten und herrscht unverkennbar vor, wenngleich in einer (von Sacer selbst betonten) Anlehnung an Harsdörffer die Forderung nicht fehlt, daß der Dichter „seine Gedanken mit fast natürlichen Farben" ausbilden müsse. Daß die Sichtfreudigkeit und barocke Bildfreudigkeit nicht zu kurz kommt trotz mangelnder Einzelpolemik, bestätigt das Wirkungsziel, wonach der Eindruck beim Aufnehmenden so eindringlich-anschaulich ausfallen muß, daß „man gleichsam dieses... nicht geschrieben höre, sondern geschehen sehe" (entsprechend Harsdörffer). Im Randgebiet von Wortkunsttheorie und Sprachgeschichte sei der Blick hingelenkt auf Sacers verhältnismäßig hohe Bewertung der Meißenschen Mundart. Er gehört also der Gruppe der Sprach- und Dichttheoretiker an, die längst vor Gottsched das im Meißenschen gesprochene Deutsch als zum mindesten bevorzugte Mundart hinstellten. Jedenfalls bekennt sich Sacer zu
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„den Meißnern, als welche die Sprache gern lieblich haben", und benutzt ihre Redeweise in gewissem Grade als Wertmaßstab für mundartliche Abweichungen. Die Ansätze zur kritischen Sichtung besonders auf sprachlichmetrischem Gebiet, also innerhalb der „Reimkunst", in der späteren Satire entsprechend verstärkt, aber doch auch vergröbert, dürfen nicht übersehen lassen, daß Sacers G e s a m t h a l t u n g innerhalb der eigentlichen Wortkunsttheorie noch durchweg im Z e i t ü b l i c h e n v e r h a r r t . So wird von einem Loslösungsbestreben von der mustersetzenden Vorbildlichkeit der Alten, wie man es gegen die Jahrhundertwende mehrfach aus den Poetiken ablesen kann, noch nichts spürbar. Im Gegenteil hält Sacer die Meinung fest: „Diejenigen thun übel, die sich der Deutschen Poesie anmaßen ohne Hülffe der Griechen und Lateiner". Trotz der Abwehr eines gelehrten Hochmuts gegenüber der deutschsprachlichen Dichtung, deren Berechtigung an sich für Sacer feststeht, wird dennoch der Standort einer gelehrten deutschsprachlichen Kunstdichtung innegehalten und noch nicht aufgegeben zugunsten der kulturpatriotischen Tendenz, auch nicht im Bezirk der Sprachgelehrsamkeit. Denn „es kann keiner vor einen rechten deutschen Poeten bestehen, der bloß nur seiner Muttersprache kündig" ist. Vielmehr geben erst die „Lateiner und Griechen" die „besten Dichtergriffe" an die Hand. Demnach genügen doch eben nicht die „Gaben, so zu der himmelischen Poesie" gehören, um den rechten Kunstdichter in seinem Wert zu verbürgen. Und eben diese Einstellung muß auch einer volkstümlichen, volksnäheren Dichtung verständnislos und dünkelhaft abwehrend gegenüberstehen, wie denn ζ. B. Sacers Idealdichter ganz anders gesehen wird und sich für weit besser zu halten hat „als der vom Schuster-Geiste regierte Hanss Sachse". Erinnern derartige Einstellungen zeitgebundener Art an die Grenzen der kritischen Befähigung Sacers, so muß im Entwicklungsraum vor Wernicke der Wille zur Kritik an sich voll gewürdigt werden. Weniger ungewöhnlich war der kritische Einzelvorstoß gegen die Pritschmeister, deren „ungeheure Wörterzwänge" und „Sylbenfolterungen" schon in den „Nützlichen Erinnerungen" von 1661 angeprangert werden. Das eben aber ist, vom Gesamtausschnitt Sacer innerhalb der Wortkunsttheorie aus gesehen, einer der Ansatzpunkte, die dann seine bereits näher erläuterte Satire „Reime dich . . . " grundsätzlich angreift.
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Ohne die kritische Freiheit der Sacerschen „Erinnerungen" aufzugeben, verfolgt Joh. L u d w i g P r a s c h anders als Sacers Satire von 1673 im wesentlichen die positive Zielsetzung, und zwar in durchaus barockzeitgemäßer Ermutigimg zur deutschen Poeterey. Aber wiederum bedarf es im Entwicklungsraum vor Wernicke der Beachtung, daß grundsätzlich ein Recht zur Kritik auch von Prasch in Anspruch genommen wird. An sich wirkt Praschs Wille zur Kritik naturgemäß gedämpfter als die Angriffslust Sacers. Und seine „ G r ü n d l i c h e A n z e i g e v o n F ü r t r e f f l i c h k e i t und V e r b e s s e r u n g T e u t s c h e r Poesie samt einer Poetischen Zugabe" (Regensburg 1680), einePoetik, die noch etwa zwanzig Jahre später in Joh. Christof Wagenseils Eingangskapitel zur Meistersingerabhandlung recht ehrenvoll neben den Leistungen Opitzens, Harsdörffers und Morhofs allein von „vielen andern" genannt und abgehoben wurde, fügt sich ihrer ganzen Grundhaltung und Denkstimmung wie teils auch ihrer eigenen Stilhaltung nach in die spätbarocke Linie ein. Zwar das überwiegend metrische Interesse läßt diese Grundhaltung nicht voll zur Entfaltung kommen. Aber innerhalb des metrisch-sprachlichen Bezirks wird ein Einwirken Weises noch nicht ernstlich fühlbar, obgleich Weises Hinweis auf die Prosakonstruktion vielfach schon seit 1675 bestimmend eingreift. Vielmehr nimmt Prasch mit Vorliebe auf den „mehrbelobten Schottel" Bezug, indessen nicht ohne kritische Erinnerungen, Einschränkungen und ausbauende Abwandlungen. Und für Praschs „ D i s c o u r s von der N a t u r des T e u t s c h e n R e i m e s " (1685) dürfte bereits Morhofs Einäuß die eigne Hochschätzung des Reims verstärkt haben. Und derartige kritische Ansätze überwinden doch mehrfach die nur formal und taktisch gehandhabte zeitübliche Methode, die Armut an eigener Urteilsfähigkeit und die Blöße des Abhängigseins zu verbrämen mit Scheinabweichungen, und stoßen mehrfach in eine mit Sacers „Nützlichen Erinnerungen" benachbarte Richtung vor. Nicht im Sinne Sacerschen Einflusses; denn Prasch, der sonst seine Gewährsmänner Opitz (hinsichtlich des „Aristarchus"), Schottel, Zesen und Neumark nennt, gibt zum Schluß seiner knapp gedrängten Poetik (48 S.) Schottel und Neumark als weitere Ratgeber dem Leser seiner „Anzeige" an die Hand, nicht aber Sacer. Nicht ganz unwahrscheinlich zwar, daß sein Zusatz „und anderer heilsame Erinnerungen" sich im
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Anklingenlassen des Titels beziehen soll auf die „Nützlichen Erinnerungen" Sacers, mit denen seine Poetik auch anlagegemäß den Typus der gedrängten Erörterung teilt. Prasch scheut ebensowenig wie Sacer Beanstandungen sprachlich-metrischer Schwächen und Härten, wenn er sie bei namhaften Dichtern antrifft wie Fleming, Zesen oder Tscherning. Das kritische Verantwortungsgefühl hat wachgehalten zu werden gerade gegenüber den beispielgebenden, anerkannten Dichtern : „Dann es sind keine Stümpler, sondern die Heerführer unserer Poeten, die hin und wieder unbedenklich solchermaßen schreiben". Ihnen sind die Werte der deutschen Muttersprache, deren Vorzüge zu preisen Prasch nicht müde wird, anvertraut; sie haben sie mit doppelter selbstkritischer Strenge zu wahren. Daher dürfen auch vereinzelte Lässigkeiten in ihrer Sprachgestaltung und Versbildung nicht durchgehen, nicht „passiren". Das verhaltene Ringen um freies Urteilsanrecht mit dem leicht schon gelockerten Befangensein in dem Autoritätsglauben, das allmähliche Erstarken des Willens zum eignen Meinen und eignen Eindruck ist über Prasch und Sacer hinaus geistesgeschichtlich im Vorspiel zum Freikämpfen der literarischen Kritik so bedeutsam, daß Praschs charakteristische Prägung hier Raum finden mag. Nach erfolgter Kritik klärt Prasch die Position: „Wodurch ich aber disem (Fleming) und andern vortrefflichen Poeten an ihrem unsterblichen Nachruhm das geringste nicht benommen haben will. Ihre Gaben und Verdienste sind so groß, daß ihnen sogethanes übersehen leichtlich zu· verzeihen. Wir aber sollen sagen, was der Wahrheit gemäß und zu mercklicher Verbesserung des Werckes dienet" (S. 25/6). Und das „Werk", um das es geht — und damit entfaltet sich der nationalpolitisch-kulturpatriotische L e i t g e d a n k e — , das Werkschaffen und Werteschaffen aus deutscher Sprache ist mehr als das Individualwerk. Mit prachtvoller Kraft und doch auch mit rührender Liebe wird der G e m e i n s c h a f t s w e r t der deutschen Sprache verherrlicht, gerade von diesem Maone, der einleitend zugesteht, daß er sich bislang der „Lateinischen Poesie" verschrieben gehabt habe. Mit verstärkter Freudigkeit hat er nun heimgefunden zum deutschen Wort. Und zielklar erfolgt die entschiedene Ausrichtung aller Einzelheiten nach dem Hochziel des Werterweises all der Vorzüge der deutschen Sprache. „Gar herrlich" sei „unsere großmütige Sprache und Landsart" 14
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zur Dichtkunst befähigt. Was Opitz und Schottel auch schon zum Ruhme „unserer uhralten Haubt- und Heldensprache" verkündet haben mögen, Prasch fühlt aus dem persönlichen Erleben jenes Heimfindens zum deutschen Wort heraus die Verpflichtung sich zuwachsen — in manchem Klaj ähnlich —, „frey für mich zu bekennen", daß trotz Mißachtung der Muttersprache („unerachtet sie bey vielen gar schlecht angesehen") ein deutsch geschriebenes Gedicht ihm höher stände als ein an sich künstlerisch gleichwertiges lateinisches Gedicht. Seine gesamten Erörterungen sind bei allem kritischen Verantwortungsbewußtsein dennoch — eben aus diesem persönlichen Bekennertum heraus — von einer herzlichen Anteilnahme getragen am Schicksal und Ruhm deutscher Sprachkunst. Wie leise volkskundliches Interesse bei ihm aufdämmert im kulturhistorischen Zurückblicken, aber auch im Umsichblicken (Häuserinschriften), so lenkt er die Aufmerksamkeit vor allem auf die reichen Darstellungsmöglichkeiten der deutschen Sprache, um an diesen Möglichkeiten einmal die Ebenbürtigkeit der deutschen Sprache darzutun und zum anderen kritisch mahnend, aber doch auch anspornend eine solcher reichen Möglichkeiten würdige Verwirklichung durchzusetzen. Bei ständiger Belichtung der „Vorzüge" der deutschsprachlichen Dichtkunst scheint sie ihm selbst gegen Ausklang seiner Preisschrift dennoch keineswegs erschöpft: „Ich könnte der Vorzüge Teutscher Poesie noch mehr anführen". Nicht zum wenigsten rechnet er zu diesen Vorteilen die Eignung zur Bildung von wirksamen Reimformen und Reimklängen; denn Reime dürfen nicht als „barbarisch" verworfen werden. Gereimt muß werden „nach Beschaffenheit der Sachen, des Klanges und der Mundart". Mit eindringlicher Unzweideutigkeit bestätigt sich dabei die oben grundsätzlich versuchte Ausdeutung der barocken Reim-,, Spielereien" als Belastungsproben und Eignungsbeweise der deutschen Sprache. Denn die kunstvoll abwechslungsreichen Reimspiele wie auch die metrische Wandlungsfähigkeit wird von Prasch der Leistungsfähigkeit der deutschen Dichtersprache zugutegeschrieben. Gerade auch gegenüber dem Italienischen bemüht er sich, jene Vorteile herauszuarbeiten. Seine lebhaft hörfreudige E i n s t e l l u n g , die sich im feinen Abtasten akustischer Wirkungsstärken und -schwächen bewährt, läßt nicht zum wenigsten vom Reim her die spezifisch dichterische Haltung ablesen oder abhorchen. Mit barocker Bild-
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freudigkeit malt er diesen Vorzug aus. Manche fremde Sprache biete nicht derartige Möglichkeiten für den Aufnehmenden, die Verdichtung des poetischen Ausdruckswillens abzuhören vom Klangbild: „Aber im Teutschen kann es nicht verborgen bleiben, weil die Verse in ihren Reimen dergestalt daher rollen und klingen wie ein trabendes Schlittenpferd in seinem hochzierlichen Aufputz und silbernen Schellengeleut oder ein galopirender Hengst quadru•pedanie pedum sonitu sich hören lässet" (S. n ) . Derartige Vorzüge unter vielen anderen, die die deutsche Dichtersprache als die „unzweifliche Keyserin" erscheinen lassen unter allen modernen Sprachen, verpflichten zu verdoppelter Reinerhaltung gerade in allen rhythmisch-klanglichen Fragen. Denn in deutschsprachlicher Dichtung beleidigt ein schlechter Reim oder ein lässiges Metrum nicht nur das Ohr, sondern auch das „Gemüth". Es geht doch nicht einfach nur um Haarspaltereien bei den eifrigen Darlegungen über die Positionslängen, über die langen und kurzen und „halb langen" und „halb kurtzen" Silben, deren Quantität und Qualität nach Sinngebung, Akzentverteilung und je nach der Stelleneinlagerung (Beachtung des Stellenmilieus) wandelbar sind. Es geht um die klangliche Eindruckswertung als ästhetischen Wert, da doch „der Klang als die einige Richtschnur genau in Acht genommen werden muß". Prasch weiß, daß schon Zesen darin manches vorgearbeitet hat, teils auch Schottel. Aber er bewährt wärmere g e f ü h l s m ä ß i g e A n t e i l n a h m e an allen diesen Fragen, die er in Einzelheiten auch sachlich zu ergänzen versteht. Er versteht auch die metrische Debatte zu beleben durch den kulturpatriotischen Impuls und durch besonders kräftigen Einsatz des gefühlsmäßigen Wertungskriteriums. Nicht nur die „Reinigkeit" wird durch Nachlässigkeiten „befleckt," sondern gerade beim Deutschen greift die Fehlwirkung tiefer: es „stoßet gleichsam unser Gemüth an und wird verletzt". Immer wieder setzt Prasch neben dem Gehör das Gemüt zum Wächter der Gestaltungsreinheit ein. Geradezu als „eine Mutter der allerempfindlichsten Lust-, Gemüths- und Seelenregung" wird die klanglich-rhythmische Sauberkeit bezeichnet. Und zwar nicht bloße Teilkräfte der Seele treten in Funktion, sondern „unser gantzes Gemüth", unser deutsches Gemüt als Träger eines unmittelbaren Erlebens und Erfassens sprachlicher Schönheit in der Muttersprache. Ein gewisses Verständnis meldet sich an für die völkische Abstufung, für die M.·
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völkische, nationale Gebundenheit im Spracherleben. Denn den „Griechen und Lateinern" können wir ihre Sprachschönheiten nur mittelbar zugestehen aus dem Bemühen heraus, sie zu v e r s t e h e n , so daß wir ihre metrisch-rhythmischen Werte ihnen „fast mehr glauben müssen als selbst empfinden". Was uns dort mehr „künstlich" als „natürlich" vorkommt, vermag auch unser natürliches Schönheitsempfinden nicht so stark zu kränken und zu treffen als Mängel im deutschen Wort- und Versklang. Die verstandesmäßige, auch kunstverstandesmäßige A n e r k e n n u n g d e r A l t e n wird durchaus aufrechterhalten, wie denn neben dem Einblicknehmen in die Lehrbücher der „Teutschen SprachDicht- und Reimkunst" die Kunstgriffe („behenden Griff") und der Mustervorrat („herrliche Schätze") angelegentlich empfohlen bleiben. Und Prasch räumt ein, daß die Alten „zweifelsfrey obschweben", während die Naturgabe der deutschsprachlichen Poesie (bei sonst ebenbürtiger Kunstleistung) „aller anderer Sprachen Dichterey weit übersteiget". Aber ·— wie schon derartige, gleichsam die Gelehrtenwelt begütigende Wendungen und Einräumungen kennzeichnenderweise von Prasch gern und mehrfach in Klammerparenthesen abgeschoben erscheinen — gefühlsmäßig und stimmungsmäßig vollzieht sich ein merkliches Abrücken von dem national Andersartigen and eigen Gearteten („wiewol sie ihre vernünfftige Ursachen haben") der griechischen und lateinischen Dichter. Die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung dieser stimmungsmäßigen Kräfte darf nicht unterschätzt werden. Es zeigt sich nämlich, und zwar keineswegs nur in diesem Falle und bei Prasch, aber bei ihm doch besonders greifbar, daß bereits innerhalb der Poetik vor Einsetzen der Geschmacksdebatte in Deutschland eine ästhetische Urteilsbildung als solche empfunden und auch praktisch gehandhabt wird. Wenn Baeumler die Vorgeschichte des Geschmacksbegriffs und des Urteilskraft-Begriffs, überhaupt des „Urteilens" (neben dem „Empfinden") in an sich weitausgreifender und zielklarer Weise verfolgt, besonders von dem französischen Sentimentalismus her, so könnten auch i n n e r h a l b der d e u t s c h e n P o e t i k s e l b s t frühere Keimzellen für diese Begriffe durchaus nachgewiesen werden. Wenn etwa Prasch gelegentlich der üblichen Empfehlungen der verschiedenen Metren für entsprechende gefühlsmäßige Wirkungen hinzufügt: „Jedoch will ich keinen Zwang daraus gemacht, sondern es eines ieden v e r n ü n f f -
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tigen g u t b e f i n d e n überlassen haben", so berührt er zweifellos die Problematik des subjektiven Geschmacksurteils. Der Terminus lautet nur anders. Aber da der Terminus ja gerade für die rückwärtige Ergänzung interessieren muß, da ihm Baeumler eine stark betonte Bedeutung beimißt : Auch die Termini bereiten sich vor. Prasch äußert sich wertend über eine Schwäche Tschernings und fährt fort, „wann mich mein Gehör und U r t h e i l nicht betrieget" (S. 35). Und weiter: den Terminus Urteilskraft, dem Baeumler bei Gottsched begegnet, hat Prasch noch nicht; aber er hat bereits den Terminus „ G e s c h m a c k " . Dabei wendet er klarer als Harsdörffer das Wort „Geschmack" für einen ästhetischen Eindruck im metaphorischen Sinne an, und zwar in dem Ausruf: „O, es ist viel ein anderer Geschmack, wann ein Vers . . . sich dieser Lehre (nach) hält". Geschmack bezeichnet dabei unmißverständlich eine ästhetische Eindruckswirkung. Mit Rücksicht auf die wortgeschichtliche Bedeutung mag die betreffende Wendung als Anmerkung durch Einlagerung in ihr Stellenmilieu verdeutlicht werden. Das kulturpatriotische Bemühen, besonders im sprachlichen Bezirk, reicht jedoch auch bei Prasch nicht aus, um die Meistersinger verständnisvoll würdigen zu können. Mit einem gewagten Sprung gelangt er von dem Hinweis auf die „Celtischen Künstler" sogleich auf die „Meistersinger", von denen er durch Bernegger weiß, „die aber nunmehr, wann ich also reden darf, Taglaternen sind, so nur zum lachen dienen", und an deren Stelle sich nun „unterschiedliche Teutsche Gesellschaften . . . herfür gethan, zum Pracht nicht wenig helffen". Die christliche L e i t i d e e begegnet in betont evangelischer Ausprägung; denn Prasch ist besonders stolz auf das protestantische Kirchenlied: „wie dann dise Gabe und Art der Propheceyung uns Evangelischen haubtsächlich zukommet". Die gereimte Form des geistlichen Liedes sichert zugleich eine pädagogische Förderung, weil „dadurch den Kindern alles leichter eingehet, hafftet und safftet". Man trifft also bei Prasch, der selbst einen „ G e i s t l i c h e n B l u m e n s t r a u ß " (1685) mit einer auch metrische Fragen berührenden Vorrede herausbrachte, jenes Anteilnehmen an geistlicher Lieddichtung, die man in Stielers Poetik vermißt hat. Wie sich für Prasch die christlich-moralische Leitidee mit ästhetischen Teilkräften vereinigen läßt, so wissen sich in der Romantheorie seiner Frau S. E l i s a b e t h P r a s c h ästhetische
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Urteile eine Teilgeltung zu wahren trotz des christlich-moralischen Primats. Eine gewisse empfindsame Lebensstimmung vermittelt zwischen dem Ästhetischen und Religiösen, das eine leicht „mystische", fast schon pietistisch wirkende Färbung annimmt. Man hat auch in Erwägung gezogen, daß ein Herüberwirken von Frankreich in dieser Empfindsamkeit Ausdruck gewonnen haben könnte. Der Blick auf Frankreich liegt angesichts der „Réflexions sur les Romans" (1684) der Frau Prasch, ganz abgesehen von der sprachlichen Fassung, auch für das engere Thema der mit Romankritik verbundenen Romantheorie nahe. Denn unverkennbar bieten die grundlegenden Vorarbeiten Huets und der Scudéry, der man auch bei Wagenseil im Gespräch über Romane begegnet, die tragende Grundschicht für die Ausführungen der Praschin, die sich jedoch um ein Ergänzen des Überkommenen bemüht. Der persönliche Anteil war nur natürlich im Hinblick auf einen Romanversuch ihres Gatten, dem sie aber auch für theoretische und gelehrte Hinweise ausdrücklich dankt. Und wenn Prasch bereits das Wort „Geschmack" im metaphorischen Sinne bringt, so bringt die Praschin — wie streckenweise doch auch ihr Gatte — bereits ihren Geschmack praktisch und kritisch in Anwendung, ohne daß überall festgestellt werden könnte, wo sie eigene Wege geht oder fremden Wegen nur nachgeht. In den zehn Betrachtungen über die Romane, die frühklassizistische Teilkräfte der galant-curiösen Übergangszeit erkennen lassen, mischen sich Inhaltskriterien mit Wirkungskriterien und Formungskriterien, und zwar etwa in der Weise, daß inhaltlich-motivlich da? Gottgefällige, Ehrbare und Wahrscheinliche überwiegt, wirkungsmäßig das ehrsamZerstreuend-Unterhaltsame („sedivertir honnestemeni"), formungsmäßig das Geordnet-Zusammenhängende (Struktur, „proportion") und Begrenzte (Umfang), wobei leicht die Vorstellung vom Organischen und Gattungsgesetzlichen, wenngleich noch recht ungeklärt, hineinspielt. Im größeren Zusammenhange des bald heftig umworbenen und umkämpften „bei esprit" verdient die Mahnung der Praschin Beachtung: „La vivacité de l'esprit et la politesse du style ne sont pas tout". Trotz der betont sittlichen rad christlichen Gesamteinstellung weiß jedoch S. E. Prasch bereits Wertvolleres über den Roman auszusagen als eineinhalb Jahrzehnte später G o t t a r d H e i d e g g e r in seinem predigthaft eifernden „ D i s c o u r s v o n den so b e n a n n t e n R o m a n s " (Zürich 1698), der mit kunstfeindlicher Tendenz die
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Romane als sittenverderbende Liebesgeschichten verdammt, wie — abgeschwächter — etwa auch Joh. Grob. Mehr in eigener Sache war kurz nach den „Réflexions" der Praschin die Romantheorie gestreift worden in der Vorrede („Nach Standes-Geblihr geehrter Leser") zu H. Anselm v o n Ziglers „Asiatischer Banise" (1689), und zwar unter starker Herausstellung der k u l t u r p a t r i o t i s c h e n L e i t i d e e auch für den Roman. Denn wenn — dem Vorredencharakter gemäß — A. v. Zigler sich persönlich entschuldigt, daß er in seiner Sprachgestaltung nicht das wünschenswerte Ideal erfüllt habe, so sieht er doch grundsätzlich dieses Ideal und „den eigentlichen end-zweck der Romanen, die Deutsche spräche zu erheben", klar vorgezeichnet. Beiläufig nur erledigt er den Vorwurf, als „wären die Romainen schlechter dings unnütze schrifften", betont den bildungerweiternden Nutzwert durch Rückverweis auf seine gelehrten Quellen („aus denen gelehrten schrifften") und sucht den Leser vom Wahrheitswert und der Geschehenswirklichkeit („mehrenteils warhafftige begebenheiten") zu überzeugen. In diesem Betracht möchte er seine „Asiatische Banise" denn auch nicht mit dem Wertungskriterium des „Helden-Gedichts", sondern vielmehr nach dem Maßstab „einer Historischen Beschreibung" beurteilt und gerade auch in der angeblich geringen Stilhöhe („einer leichten und gewöhnlichen redens-art") gerecht eingeschätzt wissen gegenüber dem Hochstilroman Lohensteins, in dem er die „Vollkommenheit Deutscher spräche" verwirklicht sieht. Scheint die Auffassimg des vollkommenen Romans als „Heldenschrifft" und „Heldengedicht" auf Morhof hinzudeuten, so erinnert das merkliche Berücksichtigen „des Styli" an das wachsende stiltheoretische Bemühen, das bereits in die galant-curiöse Epoche hinüberblicken läßt. Bei alledem verhüllt die dickaufgetragene Bescheidenheitsschicht der Vorrede streckenweise das eigentliche Meinen und Erstreben. So reicht ζ. B. sein Ehrgeiz hinsichtlich der Stilhöhe offenbar über den Grad hinaus, den die Vorrede zugesteht. Und trotz der bescheidenen Abwehr Ziglers wird doch der stille Wunsch erkennbar, daß die „Acta eruditorum" von seinem Roman Notiz nehmen möchten. Die Erwähnung dieser großen kritischen Zeitschrift eröffnet vom engen Bezirk der Romanvorrede wiederum bereits den Ausblick auf die frührationalistische Übergangsepoche. Doch gilt es vorerst, die Großwerke der Poetik weiterzuverfolgen durch Einbeziehung Stielers.
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Von Sacers „Nützlichen Erinnerungen" und Praschs „Gründlicher Anzeige" mit ihrem in knapper Formraffung gehaltenen Abhandlungstypus hebt sich K a s p a r Stielers ungedruckte „ D i c h t k u n s t des S p a t e n " (1685) als machtvoll sich ausbreitende Poetik in Versform, und zwar in (5700) gereimten Alexandrinern zwar äußerlich deutlich ab. Aber in der Gesamthaltung des Dichters der „Geharnschten Venus" (1660) wie auch in seiner nur handschriftlich übermittelten Alexandrinerpoetik überwiegt doch der barocke Typus in ähnlicher Weise wie bei Prasch. Und wenn auch C. Höfers Beurteilung, daß die Poetik des Spaten ( = Späten, erst 1668 in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen) im Wesentlichen ihrer Theorien auf Harsdörffer-Birkenschem Grunde ruhe, den vorwärtsweisenden Teileinschlägen nicht gerecht wird, so überschätzt doch auf der andern Seite Joh. Bolte, dem das Auffinden der verschollenen Handschrift und die Wiederzugänglichmachung durch Abdruck geschickt ausgewählter größerer Teile zu danken ist, die Eigenwegigkeit des Theoretikers Stieler wenigstens um einige Grade. Eben um die Grade, die bei einer Einordnimg in den größeren Zusammenhang, bei einer Einfügung in die dichter geschlossene Front zeitgenössischer Poetiken gleichsam von selbst abgestrichen werden. Zwar auch Bolte überblickt im Rahmen seiner kurzen Abhandlung durchaus mit zeitoffenem Sinn eine Reihe von Bindungen und Zusammenhängen Stielers, so etwa mit Horaz' Verspoetik, mit Scaliger, Opitz, Schottel, Buchner, Zesen, Tscherning und anderen; aber das Eingebettetsein der „Dichtkunst des Spaten" in die Zeitpoetik kommt im erläuternden Text doch nicht voll zur Geltung. Und manche Einzelbeobachtung, mancher Einzelhinweis trifft eben nicht nur Stielers Alexandrinerpoetik allein, sondern träfe auch auf manche der benachbarten Poetiken zu. Das wird im einzelnen noch deutlicher werden bei der Würdigung einiger Sonderanschauungen Stielers. Eine letzte Entscheidung allerdings kann hier nicht erwartet werden, weil die Gesamtpoetik nicht zugänglich ist. Doch ermöglicht Boites Abdruck „bezeichnender Stücke" weitgehenden Einblick. Gegenüber Horazens locker-lässig geschriebener Epistel an die Pisonen, deren Umfang Stielers Alexandrinerpoetik um mehr als das Zehnfache übertrifft, geht Stieler systematischer vor nach Art der größer angelegten Barockpoetiken. Dem allgemein gehaltenen Eingangsteil, der von Wesen und Seltenheit des Dichter-
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turns handelt, von Begabung, Kunstfertigkeit und Wissen, schließt sich die beliebte Gliederung in die Hauptteile Inventio (stoffliche Erfindung) und Dispositio bzw. ElocUio (Ausgestaltung, Formgebung) an. Weiterhin fehlt in der Erörterung über die Dichtarten nicht der zeitübliche Abschnitt über die gesellschaftliche Gebrauchskunst der Gelegenheitsgedichte (Festgedichte, Dankund Ehrengedichte, Trauergedichte usw.); und der sprachlichmetrische Teil wendet Sprache und Stil einen Grad der Aufmerksamkeit zu, der vorausweist auf den Verfasser eines eigenen — Schottels sprachwissenschaftliche Leistung fortführenden—„Teutschen Sprachschatzes" (1691) und einer „Teutschen Sekretariatskunst" (1705). Ein halb dichterisches Ausspinnen, dem Stielers Talent zugutekommt, und ein sichtfreudiges, aber auch klangfreudiges Ausmalen rechtfertigt von innen her die äußere Versform der Poetik. Die Begabung erfährt durchaus achtungsvolle Würdigung, wie sie allein schon in dem Hinweis auf die Seltenheit echten Dichtertums zum Ausdruck kommt. Doch gelangt Stieler über jene Fortschrittlichkeit in der Begabungsbewertung, wie sie etwa bei Schottel abgelesen werden konnte, nicht wesentlich hinaus. Jedenfalls nicht als Theoretiker, während er im Selbstzeugnis als Dichter kühnere Töne recht verheißungsvoll aufklingen läßt. Denn es liegt gewiß mehr als ein bloßes Streben nach Sondergeltung darin, wenn Stieler einmal ausbricht: „ . . . .ich muß ja schreiben / Was die kühne Feder will" oder: „ . . . daß diese Männer (Opitz, Fleming, Rist) sich im Dichten mehr gezwungen ( = bezwungen, beherrscht) / gesteh ich gern. Mir ist das Urtheil all zu schwach / So bald der Eyfer wird in meiner Feder wach / Dann weiß ich keinen H a l t . . . " Innerhalb seiner Poetik, die weniger spontan sich äußert, fällt dagegen die starke Herausarbeitung der Sonderbegabung auf, die offenbar gutgeheißene Sammlung aller dichterischen Kräfte auf bestimmten der Sonderanlage gemäßen Gebieten, die es dann mit aller Zähigkeit zu erobern gilt. Einer alleskönnenden Vielseitigkeit steht Stieler skeptisch gegenüber, wie er überhaupt mit Sacer kritischen Sinn teilt und auch, wo es ihm angebracht erscheint (so etwa bei den Anweisungen zu Gelegenheitsgedichten), eine satirisch-ironische Belichtung nicht scheut. Die Geltung der Begabimg wird indessen in üblicher Art eingeschränkt durch die Hinweise auf Fleiß, Kunstfertigkeit und Wissenschaft. Der Dichter muß nicht
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nur „in einem guten Stern beglückt gebohren seyn" und rednerische Anlage als Naturgabe mitbringen, sondern sich der Leitung zur Kunst fügen und stets eine Fülle von Einzelwissen gegenwärtig haben. Guter Wille genügt nicht und bleibt ohne „ächtes Angeschick", aber auch ohne rechte „Führung" auf dem schwierigen Wege „lahm und blind". Schon ein wenig frührationalistisch — und derartige Einsprengungen zeigen sich mehrfach in die spätbarocke Grundschicht eingelagert — wird dem „Ohnewitz", dem Geistlosen, Espritlosen die Befähigung zum Dichtertum abgesprochen. Aber die barocke Steigerung und das Emporbrechen der Dichtüng zur Aufgipfelung des Ungewöhnlichen, des Ungemeinen, das weit absteht vom Gemeinen, Durchschnittlichen, setzt sich doch vorherrschend durch und bemüht sich merklich, die kühleren, klareren Zuströme eines rationalistischen Klassizismus überwältigend niederzuhalten. Die rechte Dichtung hat mit „hohem Sinn und Ruck" das Alltägliche abzuschütteln und darf sich ihrem Prunkwillen hingeben. Der Dichter „klaubt unter tausent Worten / nur aus, was prächtig tönt, erwehlet fremde Sorten / die wichtig, unerwart, hinraffend, selzam sind / und über Denken gehn". Das Übergedankliche, Irrationale bewahrt seine bevorzugte Rangstellung. Das Recht zum Prunk höfischer Kunstdichtung weist für die Poesie „ein Lumpenzeug mit einer Pöfelnähte" entrüstet zurück. Ihre Sprache ist „hoch" und „pralendfrey". Ihre Bewegung „prächtig"; ihr Blick „hält Majestät", sodaß ein unehrerbietiger „Meistersänger" es nicht mehr wagen würde, sie um ihre Gunst anzusprechen. Der volksferne Abstand der auf höfischen Barock eingestimmten Beurteilung und eine verständnislose Verurteilung macht sich nicht nur in diesem Kontrast von höfischer Gesellschaftsdichtung und Bürgerdichtung geltend, sondern etwfi auch in den abfälligen Bemerkungen über Hans Sachs und seinen „Schusterladen", die also Stieler traditionsgemäß übernimmt und weitergibt. In entsprechender Richtung begegnet die Abwehr des „Peckelhering", dem Mosers volkstümlicher Sinn einst seine Rettung schreiben sollte, innerhalb des kunstgerechten Lustspiels, das „kein Bossenspiel" sein darf. Denn dort, wo Pickelhäring die Herrschaft an sich reißt, entsteht nur ein „kahles Affenfest", und längst nicht jeder, der „auf die Märkte zieht", ist ein Poet. Die barocke Steigerung kann auf solche Untiefen der Volkskunst und Flachheiten der Bürger-
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kunst (Meistersinger) nur verächtlich — und ohne jede ernste Verständniswilligkeit — herabblicken. Das Herrische kennt auch das wuchtig Grauenvolle, wenn die Poesie mit ihrem „Drohen schreckt und foltert". Das b a r o c k e G e g e n e i n a n d e r s t e m m e n d e r K o n t r a s t e weiß sehr wohl darum, daß „die Tunkelheit das Helle mehr erfrischet" und wirksamer herausarbeitet; und das Wissen um die Kunstgriffe fordert dementsprechend: „die Tief' und Höhe muß im Gegenscheine stehn". Die dichterisch gesteigerte Gestaltungsform der Poetik selbst verwirklicht auf weite Strecken hin dieses Aufhöhen des Stoffes, nicht zum wenigsten durch aufstemmende Kontraststeigerungen. So durchstößt der S c h m u c k - u n d Bildwille immer wieder die Grenzlinie inhaltlicher Erörterung, aber auch die ordnende Schrankensetzung des leicht klassizistisch wirkenden Alexandriners. Zwar in der theoretischen Forderung wird für einige Gattungen in zeitüblicher Weise der überhöhende Schmuckwille zurückgehalten, so etwa für das Lustspiel. Aber der Bildwille, der auch grundsätzlich am „ut fictura poesis" sein Genügen findet und das Harsdörffersche Bild vom „Pinselmeister" festhält, wünscht auch im Lustspiel das „Thun der Welt / mit frischem Farbenstrich' als ein belebt Gemähld'" malerisch wiedergegeben zu sehen. Alle höheren Dichtgattungen haben Anspruch auf Steigerung in der Stilhaltung. Und jenes „mahl' ab" bedeutet keine Naturnachahmung im Sinne der Naturnähe, die ebenso fremd ist wie echte Volksnähe, sondern ein bildfrohes Ausmalen. Naturwirklichkeit und ungeschminkte Naturwahrheit liegen nicht im Sinne der konventionell übernommenen Naturnachahmung. Vielmehr — und das Buchnersche Gleichnis von der verzuckerten Arzneipille färbt merklich ab — „Die Wahrheit will verbildet / und ümgekleidet seyn, verzuckert und vergüldet", besonders natürlich im allegorischen Bereich der stofflich frei erfundenen Dichtung. Die Einkleidung, Verkleidung und Ausschmückung erscheint so wesentlich, daß unbedenklich zum Ausschreiben schöner Stellen und Umschreibungen etwa im Sinne Bergmanns angeregt und zum Benutzen der Harsdörfferschen, Tscherningschen und Treuerschen Schatzkammern und Lexika aufgefordert wird. Treuers „Daedalus" beansprucht also eine stärkere Zeitgeltung, als ihm noch vielfach zuerkannt worden ist. Damit findet zugleich jene Begabungsbewertung eine weitere Einschränkung im zeitüblichen Sinne.
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Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Leitlinie wird wacker und planvoll aufgenommen von Stielers kräftig ausgeprägtem Sprachinteresse, das nachdrücklich Verwahrung einlegt gegen eine einseitig fremdsprachliche Bildung der deutschen Jugend. Die Unzulänglichkeit mancher Dichtung wird also mit einem Argument begründet, das noch nach mehr als einem halben Jahrhundert Geliert heranzog, um das Zurückbleiben der deutschen modernen Dichtung hinter der Musterdichtimg der Alten zu begründen. Schon Stieler bedauert, daß „ein Knabe wird zum Teutschen nie gehalten" und verdichtet seinen Vorwurf zu der ebenso anspornenden wie anklagenden Frage: „Wer lehrt den Teutschen teutsch?" Er bemüht sich um eine Bereicherung des deutschen Wortschatzes unter Hinweis auf ältere Sprachformen, die keineswegs immer veraltet zu sein brauchen. Aus dem Wortstand des Lehnrechts und Schwäbischen Rechts („Lehn- und Schwäbischrecht"), das ein Deutscher als würdiges „Weihbild" dem „alten Römerrecht" entgegenzustellen sich nicht zu scheuen brauche, könnte und sollte manches wertvolle sprachliche Erbgut aufgespürt und dichterisch ausgewertet werden. Überdies verweist Stieler in der zeitüblichen Weise auf die Richtschnur des wirklichen Sprachgebrauchs, vermag sich aber noch nicht zu der Unbefangenheit Praschs, dessen Verehrung der Luthersprache den Hinweis auf den „gemeinen Mann" wagt, durchzuringen. Denn Stielers Gebundenheit an seine barocke Grundeinstellung auf die überhöhte Kunstdichtung und gesellschaftliche Gebrauchsdichtung bringt die Einschränkung, daß man „nicht iedem Baur stracks nachzufolgen" brauche, und bleibt überzeugt, daß der Sprachgebrauch von „Hof, Kanzel, Rathaus.. .hierinnen besser Spur" aufzuzeigen vermöge. Wie der Neubelebung älteren Spracherbes eine Grenze dort gezogen wird, wo man im Übereifer etwa sogleich ein „Druidenlied" für die Sprachbereicherung heranziehen möchte, so wird der Sprachreinigung in zeitüblicher Polemik gegen Zesens gewagte Verdeutschungen eine Schranke dort aufgerichtet, wo eingebürgerte Fremdwörter und sachlich begründete Fachwörter bzw. Benennungen nicht gut entbehrt werden können. Doch werden in zeitüblicher Weise wie bei Sacer oder Prasch und anderen die entbehrlichen Fremdwörter wie überhaupt jedes „Kauderwelsch" in Wortgebrauch und Gefügebildung bekämpft, vor allem natürlich auch die modische Neueinfuhr von Fremdwörtern: „Was aber unser ist, das tausche man
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nicht aus / üm ein unteutsches Wort". So etwa werden verworfen: Logier, Quartier, Affection, Defensión, Affront, Plaisir, Blam' (Blamage) und Desir. Stieler bemüht sich in seinen sprachlich-grammatisch-stilistischen Erörterungen, Schottels verdeutschte Fachwörter (z. B. Fortsteig für Klimax u. a.) einzubürgern. Im metrischen Bereich entscheidet ein „zartes Ohr" und „reines Ohr". Doch bedeutet diese Bedingung des akustischen Sinns und des geschärften Hinhorchens auf Klangwirkungen keinen persönlichen Gewinn Stielers; es handelt sich bei solchen Forderungen um ein Gemeingut der Zeitpoetik im Bereich der Regelsetzung für Reimreinheit. Und wie etwa Prasch, aber auch unmittelbar vor Stieler Morhof dem Reim eine hervorragende Wertgeltung für die deutsche Dichtung eingeräumt hatten, so verwirft durchaus entsprechend Stieler reimlose Dichtungen („sonder Reimen") und erhebt den Reim zum entscheidenden Attribut der deutschen Poesie; denn „Wer Teutschen raubt den Reim, raubt ihre Poesie / und macht sie lahm und stumm". Die klangliche Reimreinheit wie auch die metrische Reinheit der Längenmaße stößt nun aber (wie noch in der ganzen galanten Epoche) auf die Schwierigkeit der mundartlichen Unsicherheit und Willkür. Die vorgottschedische Lage wird sichtbar in jenen immer wiederholten Anläufen zu einer Klärung des Verhältnisses von Schriftsprache und Mundart, in jenem Sichtotlaufen aller sprachreinigenden Bestrebungen oder doch in jenem Relativismus aller theoretischen Vorschriften für den Dichter. Teillösungen der galant-curiösen, „politisch"-politen Epoche sind Stieler noch nicht recht zugänglich, und so bleibt nur die Berufung auf das akustische Gefühl als die sicherste Instanz: „Ihr Regeln fahret hin! Der Richter ist das Ohr". Nicht der Wille zur Brechung des Regelzwanges wird darin wirksam, wie eine vorschnelle Ausdeutungsfreudigkeit vielleicht vermuten möchte, sondern nur das Eingeständnis, angesichts der mundartlichen Abweichungen keine verläßlichen Regeln bieten zu können. Wohl aber spielt die „Dichtkunst des Spaten" die Frage in die kulturpatriotische Richtung hinüber, indem vom deutschen Sprachinstinkt eine Lösung dort erwartet und erhofft wird, wo die damalige Sprachwissenschaft noch versagen mußte. Der „falschen Mundart Trug" wird das reine Ohr nicht verfallen. Und was den Dichter kein Sprachlehrer klar zu lehren vermag: „Ihm sagt's sein teutscher Sinn". Stieler rückt bereits neben den Mundarten die Berufs-
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spräche (ζ. B. das „Jagdteutsch" und die Bergmannssprache) ins Blickfeld der sprachlichen Betrachtung. Innerhalb der Lehre von den D i c h t u n g s g a t t u n g e n , von denen unter anderen Schäfergedicht, Elegie, Sonett, Madrigal, Epigramm, Satire (die der deutschen Offenheit weniger gemäß sei als den Franzosen) durchweg in zeitüblicher Weise gewürdigt werden, fordert beim begabten Lyriker Stieler die Hervorhebung der Odenform besondere Aufmerksamkeit, um so mehr als über die Theorie der Ode (die vielfach für Lied gesetzt wurde) sich späterhin bei Herder der Durchbruch zur Ästhetik der Erlebnisdichtung vollzieht. Und fast scheint es, als ob bei Stieler wenigstens in der von Opitz leise schon vorgezeichneten Richtung Ansätze für diesen späteren Durchbruch sich abheben. Die Fähigkeit zur Odendichtung nämlich gilt als Kriterium für echtes Dichtertum schlechtweg: „Durch Oden wird bewährt, ob wer ein Dichter sey — Sonst alle Dichter-art hat ihres Fundes Grund, Der Oden Stoff allein ist nur Poeten kund / da lassen sie sich aus". Die volle Entfaltung dichterischen Wesens und Vermögens innerhalb der Odendichtung erfordert „sondre Geister". Trotz der Teilforderung, nicht nur „recht" zu wählen und zu reden, sondern auch das „ordnen recht" zu beherrschen, setzt sich noch üicht nach Weises Art der rationalistisch-frühklassizistische Ordnungssinn an die Stelle des Schönheitssinnes. Denn Stieler beeilt sich, jenen Teilwert der Ordnung einzuschränken : „Wiewol zur Ordnung ich niemand auf schulisch bind' und edle Freyheit schätz'" und malt nun mit merklich gefühlsmäßigem Mitgehen die Vorzüge des Anblicks und Eindrucks eines schönen „Kindes" allegorisch aus, dem ungefesselt „der Haare Gold" ums Haupt flattert und das sich anmutig zwanglos in der freien, gelockerten und gelösten Haltung gibt, wobei die Antithese zur gestellten „Positur" den Willen zur Auflockerung des ordnenden Prinzips noch klarer heraustreibt. Trotz der Hochschätzung der Odenform bleibt doch dem D r a m a die höchste Rangstufe vorbehalten; denn seine Schutzgöttin, die Stieler die „Dramatinne" nennt, umgreift die Fähigkeiten aller Musen und bewirkt, ob sie nun tragisch „raaßt" oder freudig „entzückt", besonders haftkräftige Eindrücke auf die „Sinne" der Zuschauer, deren sie sich zu „bemeistern" versteht.
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Uber ihre sittenerzieherische Aufgabe darf nicht der Mißbrauch hinwegtäuschen, dem diese hohe Form teils selbst bei den Alten verfallen ist. Man begegnet Stieler bei all seiner Wertschätzung der Antike nicht nur in diesem Sonderfalle in der Gruppe derer, die wohl teils unter dem Eindruck des Querelle des Anciens et des Modernes Loslösungsbestrebungen von der absoluten Mustergeltung der Alten fühlbar werden lassen im nationalen Entfaltungswillen einer ebenbürtigen modernen Dichtung. Die Überlegenheit der Alten an sich wird nicht sowohl beeinträchtigt, als vielmehr ihre Sondergeltung in manchen Einzelfragen eingeschränkt und kritisch beanstandet. Der kritische Sinn und die nationale Besinnung sind gleichermaßen beteiligt an diesem Vorgang, wobei der nationalen Besinnimg die Möglichkeit einer Synthese oder inneren Umbildung noch nicht aufleuchtete, wie dem kritischen Sinn noch nicht die Gefahr einer Führerlosigkeit einleuchtete. Wollten doch die Poetiken nach ihrer Weise selbst Führer sein, wenn auch nur, was Stieler in der vielfach üblichen Weise gleichfalls klarstellt, für Anfänger. Dabei hebt sich in Stielers schulender Methode von manchen anderen Poetiken vorteilhaft seine Vorliebe und Fähigkeit ab, Schwächen und Stärken an Beispielen mit praktisch-technischen Winken zu erläutern, also die Beispiele aus der bloßen Stellung von Regelbelegen zu befreien und zur Gestaltungsanalyse oder doch beachtlichen Ansätzen dazu auszubauen (vgl. vorher streckenweise Masenius, späterhin Omeis und Rotth), wobei ihm die breitausladende Anlageform seiner Poetik und die zwanglose dichterische Stilhaltung entgegenkommen. Und so malt er denn auch die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der dramatischen Wirkungsform dichterisch aus, nicht gebunden an trockene Erörterungsprosa. Mitleid und Schrecken werden ergänzt durch eine eigene kleine Theorie der dramatischen Empfindungen, wie etwa Zorn, Sanftmut, Haß, Furcht, Verzweiflung, Hoffnung, Scham, Unwille, Neid, Abscheu und eine Fülle anderer Stimmungen und Verhaltensweisen, wie Güte, Milde, Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit, Bescheidenheit und anderes mehr, nicht ohne Belebung durch erläuternde Beispiele aus der Geschichte und Mythologie, deren Fabeln Stieler nicht durch irgendeinen modernen „Kato" als unchristliche „Abgöttereyen" "kurzerhand verurteilt sehen will. Darin weicht er ganz entschieden von Birken und anderen ab. Dagegen erinnert an Birken seine Unter-
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gliederung der Dramen in Trauerspiele, sogenannte „Mischspiele" und Freudenspiele. Die als Sondergattung herausgehobenen „Heldenspiele" meinen nicht das hohe Drama, sondern eine Lustspielform, in der hohe Standespersonen auftreten dürfen, aber keine „Hauptgefahr der Standeswürde droht", keine großen Leidenschaften sich entfesseln sollen, sondern gemäßigte Empfindungen und Erlebnisse eigentlich bürgerlicher Färbung an einer hohen Standesperson sich auswirken. In gewissem Grade nähert sich dieser Typus des „Heldenspiels" unserem Schauspiel, mehr Wohl noch — entwicklungsgeschichtlich gesehen — der comédie sérieuse. Jedenfalls suchte eine Zwischenform einen Ausweg aus dem Zwang der Standeskriterien hinsichtlich der Personenwahl. „Mischspiel" dagegen bedeutet Tragikomödie. Es liegt nahe, schon von hier aus den Blick auf Frankreich zu richten, und zwar auf Corneilles Lockerung der strengen Einteilung nach der Standeszugehörigkeit. Doch wesentlicher erscheint noch ein anderes, — und darin sieht Bolte vor allem die Einwirkung Corneilles auf Stielers Theorie verbürgt: die Art nämlich, wie Stieler das Gesetz der E i n h e i t e n hineinverarbeitet in seine Poetik. Mag nun tatsächlich unmittelbar vom französischen Klassizismus her, etwa von Corneilles „Discours de l'utilité du poème dramatique" (1660) Stielers Abwehr eines Mißbrauchs der Tragödie bei den Alten (in einigen Fällen) herzuleiten sein (wie Bolte annimmt) oder sich einfach aus der christlichmoralischen Leitidee der älteren deutschen Poetik erklären lassen : an sich bedeutet die Überschneidung von barocken und frühklassizistischen (rationalistischen) Teilkräften um 1685 nichts Außergewöhnliches. Weise tritt schon 1675 hervor; Rotth bringt 1688 ausführlich die Lehre von den Einheiten. Wieweit diese Lehre von der Aristotelischen Grundauffassung unmittelbar herzuleiten ist oder auf dem Umweg — und Abweg — über Corneille bezogen wurde oder Chapelain nachwirken läßt, könnte nur eine eingehende Sonderuntersuchung nachweisen. Stieler bringt als eine bereits übliche Erscheinung die drei Einheiten oder wie er sagt „drey Einigkeiten" : „Jetzt ist es durch die Banck zu einem Recht gediehen, / daß sich ein Dichter auf drey Einigkeiten mühen". Besonders sympathisch sind seinem barocken Ausweitungsdrange diese Einheiten offenbar nicht : „nur ein Tag wird vergünt, ein Ort, ein Handel nur. Was drüber leufít, ist Sünd'". Aber das Wahrscheinlichkeitskriterium setzt
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sich doch in diesem Falle durch in frührationalistischer Verstärkung: „Die Dramatinne will und lehrt zu folgen nur/sowol bey Zeit als Ort der müglichen Natur". Hinsichtlich der Einheit der Handlung (mehr verstanden als nur eine Hauptfabel) muß sich gerade ein „reicher Geist" Beschränkung aufzuerlegen wissen gegenüber der Erfindungsfülle von Nebenhandlungen und Episoden; Stieler ist merklich um eine linde Auslegung der Einheiten bemüht: „Die Einigkeit des Spiels wird dahin nicht gezwungen / daß aller Handel sonst aus selbem sey verdrungen". Er verfehlt denn auch nicht, auf Schwächen in den dramatischen Werken der Alten (betreffend Einheiten) mit einem vielsagenden Obgleich hinzuweisen, wie etwa auch die Notlösung der Alten durch den deus ex machina verworfen wird. In der Zeiteinheit („sechs Stunden") wird eine Milderung der Frist angestrebt: „Doch gilt sie mehr oder minder / nachdem die Sach' es bringt", und tröstlich taucht schon — wie weiterhin häufig — der rechte Erfindergeist auf: „Ein witziger Erfinder / hält schon hier rechte Maaß". Im übrigen behandelt die Stielersche Dramentheorie Aktzahl, Monologgebrauch (Abwehr monologischer Längen ; denn „es muß da seyn ein Leben"), Personenzahl (begrenzt), motiviertes Auf- und Abgehen der handelnden Personen, Besetztbleiben der Bühne (am Aktschluß muß eine Person auf der Bühne sein; „Die Alten haben selbst sich oft hierinn verstoßen"), Anraten eines Strukturplanes für den Dramatiker, Ablehnung des Prologs als spannungraubend und unorganisch (nicht zum Spiel gehörig, Polemik gegen die Alten) und die gesprächsweise Einbeziehung der Vorfabel in das Stück selbst (nicht eine Episodenfigur darf Vermittler sein als verhüllter Prologersatz). Die Wendung aber vom „witzigen Erfinder" läßt schon etwas aufblitzen vom Kampf um den „bei esprit" und vom Wertungs- und Formungskriterium des „Witzes", das über die Jahrhundertwende hinweg verstärkte Geltung gewinnen sollte.
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Teil II
Wortkunsttheorie der Frühaufklärung (Poetik der galant-curiösen, politisch-politen Epoche) Die historisch und wissenschaftlich unterbaute Wortkunsttheorie In den letzten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts wird die allgemeine Strukturverschiebung auch innerhalb der Poetik deutlich erkennbar. Frankreich rückt als umkämpftes Vorbild immer mehr in den Vordergrund. Boileau beginnt Fuß zu fassen besonders als Satiriker, der u. a. auf Fr. R. von Canitz einwirkt. Die literarische Kritik setzt erst langsam und dann schnell wachsend ein. Das galante Wesen und Wollen greift weit über die Dichtkunst hinaus. Dreifache Schichtung mit mancherlei Verwerfung und Überschneidung lagert neben und zeitlich teils übereinander: die Nachwirkung barocker Strömungen, denen sich gerade dichterische Naturen nicht zu entziehen vermögen, die galant-,,politische" Stilschicht mit ihrer Zielprägung einer erhöhten Lebenskundigkeit, gestuft vom Bürgerlichen bis hin zum Höfischen, und die breite Deckschicht der Frühaufklärung. Während Weises Primat der Prosakonstruktion ernüchternde Besinnung, aber auch prosaische Beengung fordert und fördert, fehlen Gegenkräfte keineswegs, die die Gefahr einer Verflachung gegenüber der früheren Übersteigerung sogleich erkennen und eine Vertiefung der Anweisungspoetik zur kritisch-historisch unterbauten Poetik anstreben (Morhof, Rotth, die Breslauer Anleitung). Streckenweise suchen nachbarocke Richtungen (ζ. B. Prasch) der rationalistischen Übermacht standzuhalten und ihr künstlerisch erträgliche Kompromißlösungen abzuschmeicheln (ζ. B. Omeis) oder abzutrotzen (ζ. B. Hunold-Menantes). Ein an sich Äußerliches, das wiederum nach innen übergreifen mußte, lag in der verstärkten Verschiebung der Poetiken und ihrer Wirkungsabsichten nach der pädagogischen und akademischen Seite hin, und zwar im Übertragen der Wortkunst-
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theorie spezifisch auf die Schulmänner und Professoren der Poesie (Weise, Rotth, Uhse, Wahll, J. G. Neukirch und andere mehr). Überschneidungen der auslaufenden mit der neu ansetzenden Entwicklungslinie lassen ζ. B. erkennen die an Kindermanns „Deutschen Poeten" angelehnte Poetik T h . K o r n f e l d s , die „ S e l b s t - L e h r e n d e , A l t - N e u e Poesie oder Verskunst d e r £ d l e n T e u t s c h e n H e l d e n s p r a c h e " (1686), die barockes Virtuosentum mit rationalistischer Nüchternheit nicht gerade glücklich vermischt, oder vor allem auch die — später noch näher zu würdigende — „letzte" Poetik der Nürnberger Gruppe, die ihr Nachzügler M. D a n i e l O m e i s als „ G r ü n d l i c h e A n l e i t u n g " erst 1704 (1712) herausbrachte. Doch wird noch hinreichend Gelegenheit sein, Übergangserscheinungen an Ejinzelfällcn nachzuweisen. Es ist nicht das geringste Verdienst Omeis', die formal nicht immer glücklich geprägten, aber wesenhaft wichtigen Anschauungen D a n i e l G e o r g M o r h o f s (1639—1691) in leichterer Form vermittelt und teils auch ergänzt zu haben; allerdings wird er darin von Rotth noch übertroffen. Morhofs berühmter „ U n t e r richt von der T e u t s c h e n Sprache und Poesie, deren U h r s p r u n g , F o r t g a n g u n d L e h r s ä t z e n . . . " (1682), der nicht nur von Wagenseil als der „preißwürdigste" gefeiert wurde, trägt nach einem Vorwort den Untertitel „ U n t e r r i c h t v o n d e r T e u t s c h e n P o e s i e " und handelt im ersten Teile „Von der Teutschen Sprache", bietet weiterhin eine umfassende internationale Literaturgeschichte, nach Joachim von Watts frühem Voransatz den ersten hervorragenden Versuch einer kritischen Literaturgeschichtsschreibung, während der dritte Teil „ V o n d e r T e u t s c h e n P o e t e r e y an i h r s e l b s t e n " („Unterricht..." S. 447if.) als ausgeprägte Poetik auf empirisch-historischer Grundlage gelten kann, ganz abgesehen von früheren Ansätzen im lateinischen Bereich. Diese Wortkunsttheorie stellt den praktischen Anleitungswillen der Lehrpoetik und Regelpoetik merklich zurück hinter die kritisch-historische Wertung und strebt streckenweise schon der Gesetzespoetik zu. Der „ P o l y h i s t o r " (1688—92), von Joh. Moller vollständig herausgegeben 1708, deckt sich in den kunsttheoretischen Äußerungen (besonders „Uber fiofticus") durchwog mit dem „Unterricht". Unverkennbar bleibt eine starke B i n d u n g a n s p r a c h l i c h e 'S*
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I n t e r e s s i e r t h e i t , wie denn Morhof gewiß nicht zufällig die Bemühungen Schottels auf dem Gebiete der Sprache und „Tichtereykunst" als die bislang wertvollsten hervorhebt. Doch hat es von vornherein ein ganz andres Gewicht und eine ganz andere Gewichtigkeit wie etwa bei Hadewig, wenn ein Morhof nachdrücklich klarstellt, daß die deutsche Sprache nichts weniger als barbarisch, daß sie auch keineswegs eine „zur Poetischen Lieblichkeit unbequeme Sprache" sei. Der Vorwurf eines harten Klanges der deutschen Sprache wird abgewehrt. Und wo dennoch gewisse Zugeständnisse gemacht werden müssen, fehlt nicht das wertsteigernde Gegengewicht, daß die deutschen Wörter, „wo sie härter sein, der Natur mehr nachahmen" können, d. h. für Wirkungsfcrmen der Lautmalerei geeigneter erscheinen. Morhof bietet vielfach ausblickreiche Längsschnitte durch die damals vorliegende Fachliteratur, so ζ. B. dort, wo er „Von der Prosodia der Teutschen Sprache" handelt und Opitz, Buchner, Schottel, Tscherning, Neumark, Birken, Weise und Joh. Ludwig Prasch heranzieht. Zwei Drittel der Poetik (S. 447—648 des Gesamtwerkes) sind überwiegend sprachlich-metrisch eingestellt. Daß Morhof indessen auch von dieser Seite her auf Grund eines weitreichenden Überblickes zu eigener Stellungnahme und kritischer Urteilsbildung drängt, beweist seine A b w e h r der W e i s e schen Einseitigkeit. Die Weisesche Vorschrift der Prosakonstruktion für die Poesie lehnt er als übertrieben ab. Weise sei „gar zu sorgfältig in diesem Stücke, wann er die ConstrucHonem Prosaicam zu einer vollkommenen Richtschnur setzet". Gewisse Freiheiten gegenüber dem Gesetz der Prosakonstruktion sollten in der Poesie geduldet werden, könnten auch wegen des Versmaßes und Reimes technisch nicht gut entbehrt werden: „Es ist die gebundene Rede einer gewissen Art der Versetzung fähig, die in der ungebundenen Rede keinen Statt findet: insonderheit, wann der Nachdruck der Wörter selbst solche an die Hand gibt. . . " Auch der bessere Klang findet in diesem Zusammenhange Berücksichtigung. Wenn sich diese beachtenswerte Abwehr hätte durchsetzen können, so wäre auch dem Dichtschaffen mancher Umweg erspart geblieben. Aufhorchen läßt weiterhin die einst schon bei Joachim von Watt leicht anklingende und irgendwie schon auf Herder hindeutende, geistesgeschichtlich anmutende Bemerkung: „ E s hat über dem ein jegliches seculum seinen sonderlichen
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Genium, der sich wie in allen Dingen, so auch in Wissenschaften und Künsten hervorthut, welchem niemand mit seinem eignen Witz zu wiederstreben vermag". Andererseits zeichnet sich bereits die Entwicklungslinie Batteux-Gottsched ab in der skizzenhaften, aber doch in dieser Fassung trotz der Tradition beachtenswerten Andeutung der N a t u r n a c h a h m u n g s l e h r e : „Dann was ist die Kunst anders als eine Nachahmung der Natur? welche zu einem Grunde aller Wissenschaften nothwendig gesetzet werden muß". Doch wird man sich klar darüber sein, daß manche vermeintliche Originalität Morhofs, mancher Te.lvorsprung gegenüber seinen deutschen Zeitgenossen kaum tieferer persönlicher Einsicht als vielmehr umfassenderer, gelehrter Kenntnis ausländischer Quellen zu danken ist. Jener Abwehr des Weiseschen Primats der Prosakonstruktion entspricht eine verhältnismäßig zähe V e r t e i d i g u n g der Reime. Hier stellt sich Morhof ablehnend gegen jene „Außländer" ein, die die Frage bereits aufgeworfen haben, „ob es nicht besser sey, daß man ohne Reimen schreibe". Dem Reimstreit des achtzehnten Jahrhunderts, in den Lange, Pyra, G. Fr. Meier und andere eingriffen, ging also bereits ein Vorspiel im letzten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts voraus, an dem sich Morhof wie J. L. Prasch, Kaspar Stieler und andere lebhaft beteiligen. Er setzt sich mit den vermeintlichen Nachteilen des Reimgebrauchs, mit unerwünschten Folgeerscheinungen wie Monotonie, Weitläufigkeit, Reimzwang usw. auseinander mit dem Ergebnis, daß die Vorteile dennoch überwiegen. Den Reimzwang ζ. B. wird fin wirklicher Wortkünstler kaum als solchen empfinden; denn seiner Kunstfertigkeit kann es nicht schwer fallen, Reime zu finden und so geschickt zu fügen, „daß es scheine, als wenn sie (die Reime) dazu gebohren weren". Selbst für die Dramatik behauptet er diesen reimfreundlichen Standpunkt, obgleich er nicht jene Gegenargumente übersieht, die hinsichtlich der Unwahrscheinlichkeit (einer gereimten Sprechsprache und Redeweise) bereits erhoben worden waren. Die Gespräche der Schauspiele, die aus „geschwinden Einfällen" bestehen, scheinen die mühevolle und kunstvolle Belastung mit dem Reimzierrat nicht recht dulden zu dürfen. Interessant ist bei dieser Gelegenheit die Zwischenbemerkung, daß eine solche Kunstfertigkeit „doch billig verheelet werden soll". Denn auf dem hier anklingenden Verstecken und Überdecken der an sich mühevollen Kunstfertigkeit beruhte
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nicht zum wenigsten die Als-Ob-Natürlichkeit der Aufklärungszeit sowohl in Dichtungsdeutung wie auch in Dichtungsübung, ja, selbst in der Stilgestaltung. Die Wertung des Reimes stellt schließlich aus dem Für und Wider der Argumente ein Vergleichsbild klar heraus, das zugleich durch persönlichen Einsatz verstärkten Nachdruck erhält : „Meines erachtens, wann einer die ungereimte Verse höher als die andern (gereimten) halten wollte, were es eben, als wann einer einer Strohfidel vor einer wollgestimten Geige den Vorzug gebe". Überdies macht Morhof geltend, daß im Deutschen die weitgehende Freiheit, die in der Silbenquantität bestehe, letzten Endes jeden Unterschied zwischen gebundener und ungebundener Rede aufheben würde, wenn nicht der Reim für eine erwünschte Einschränkung jener Freiheit im Silbenmaße Sorge trage. Als Vorteil der Eindruckswirkung findet die klangliche Einprägsamkeit Berücksichtigung („weil die Reime viel sanffter und nachdenklicher in den Ohren klingen", S. 579). Bisweilen könne der Reim selbst erst Anregung geben zu einem Einfalle, ein Hinweis, der indessen häufig wiederkehrt und für die Verlagerung des Erfindungsbegriffs zum Formalen hin kennzeichnend erscheint. Nach metrischen Zuordnungskriterien vor allem wird die Gattungsgliederung vorgenommen; erst in zweiter Linie folgt die Artbildung „nach der Materie", d. h. nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Das Formungskriterium hat also insofern das Inhaltskriterium überwunden. Erst die späteren Kapitel (XIII f.) führen in den eigentlichen Bereich der Poetik. Dabei wird denn doch fühlbar, daß Morhof als Literaturphilosoph und Ästhetiker kaum die Bedeutung beanspruchen kann, die ihm als einem der ersten Literaturhistoriker, als der er sich auch im „Polyhistor" beweist, unzweifelhaft zukommt, daß er oft genug nur zu einer relativen Überlegenheit gelangt, weil er größeren Überblick über die einschlägige Literatur besitzt und sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen versteht. Wo er selbst folgert, wo er selbst Einfühlung zeigen könnte und sollte, verrät er nicht selten eine einseitig-philologischnüchterne Gesinnung. Ihm fehlt als Dichtungsdeuter das Stück Künstlernatur oder doch Künstlertemperament, das bei manchem Dichterpoetiker der Barockzeit immerhin auflockernd wirkt. Entwicklungsgeschichtlich bleibt beachtenswert — und das durfte S. von Lempicki mit Recht hervorheben — , daß Morhof
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kritisch-induktiv von der Empirie ausgeht und so schon vor Gottsched gleichsam eine „kritische Dichtkunst" vertritt. Aber die Art dieser Kritik, die sich merklich verstärkende rationalistische Position dieser Kritik führt oit zu schiefer, teils dichtungsfremder Deutung, die auf Gottsched eben auch im Negativen vorausweist. Die Stellungnahme zu einem englischen Nachtgedichte bzw. der Beschreibung einer Nacht erscheint symptomatisch. Die Wendung „The little Birds in dreams their Songs repeat . . e r k l ä r t Morhof kurzerhand für „wildes wesen". Besonders der Umstand, daß auch die Berge als müde dargestellt werden, erregt seinen Unwillen. Virgil habe das viel sinnvoller gemacht ; denn er lasse nur die Tiere schlafen. Der böse Engländer aber „eignet den Schloff auch den Bergen und Bluhmen zu"; dies jedoch wären nichts weiter als gesuchte „außspürige Einfälle". Bei alledem ahnt Morhof gar nicht die Nüchternheit der eigenen bzw. der von dritter Seite her beeinflußten Stellungnahme. Im Gegenteil wirft er dem Engländer eine „unzeitige (unangebrachte) und nüchterne Critic" gegenüber Virgil vor. Denn jener habe Virgils Verse getadelt, weil dessen „Wort von lauter Bewegung handelen", was der Ruhelage der Nachtstimmung nicht gemäß sei: „und were auch der numerus der Worte selbst der allgemeinen Ruhe, die der Poet beschreibt, zu wieder". Angesichts dieser ganz modern anmutenden Einbeziehung rhythmischer Wirkungswerte hat Morhof nur das verständnislose: „Man muß sich billig verwundern über diese elende Spitzfindigkeit". Es ist nicht etwa nur die Verteidigung der Alten gegen die „Neueren", nicht nur die unbedingte Parteinahme für die klassischen Muster — beachtenswert im Bereich der Zeitnähe vor dem „Querelle des Anciens et des Modernes"—,die den Gelehrten irregehen läßt, sondern unverkennbar Mangel an ästhetischem Einfühlungsvermögen. Verständnislos fragt er den Engländer, der den ruhig strahlenden Stern als stimmungsgemäß empfohlen hatte, was denn überhaupt die Sterne mit der Ruhe der Menschen und Tiere zu schaffen haben. Jedes Empfinden für Erhabenheit fehlt. Vielmehr sei logisch zu folgern: „Der Sterne Laufi wird am meisten des Nachts gemerket, darum (!) muß der vornehmlich beschrieben werden". Es ist bestenfalls Gottschedischer, nicht aber Herderscher Geist, der aus solcher Deutung spricht. — Bewußt wurde Morhof bei der Einzelanalyse beobachtet, um
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einmal klarzustellen, daß der starke historische und sprachliche Sinn nicht ausreichte für eine entsprechend vorwärtsweisende Dichtungsdeutung, daß das gelehrte Können und die zukunftträchtige modernere induktiv-empirische Methode doch ihre Grenzen fand an der Unzulänglichkeit der stimmungsmäßigen und erlebnisnahen Einfühlung. Auch grundsätzlich warnt der Rationalist, der immer wieder das „gute Urthel", die verstandesmäßige Einsicht als Voraussetzung fordert, vor weitgehender Phantasiefreiheit. Denn es ist für ihn „großer Mißbrauch, daß man die Gedanken und die Phantasie weiter lauften läßt, als die Gebühr erfordert". Man darf der Phantasie keineswegs „den Zügel schießen lassen". Der G e l e h r t e n s t a n d p u n k t wird jenseits der eigentlichen Poetik bereits, ganz abgesehen vom „Polyhistor", im ersten Teil über die „Teutsche Sprache" vertreten, wo Lohensteins und Hofmannswaldaus dichterische Erfolge vorzugsweise auf ihre Nachahmung der „alten Griechen und Lateiner" zurückgeführt werden. Ohne diese Vorbilder kann „nichts beständiges und vollkommenes ausgeführet werden". Bemerkenswert nimmt die Forderung zugespitzte Grundsatzformen an: „Dann wo keine gründliche Gelartheit bey einem Tichter ist, so wird nie was gutes und vollkommenes von seinen Händen kommen". Er beobachtet mit Beängstigung die Ausweitimg dichterischer Betätigung über gebildete Kreise hinaus, so daß „wenig fehlet, daß die Tichterey nicht gar den Handwerckern unter die Fäuste gerät". Immerhin leuchtet die Erkenntnis auf, daß es mit handwerklicher Reimerei denn doch nicht getan sei; und so begrüßt Morhof die satirische Schrift Hartmann Reinholds (Sacers), die nachdrückliches Lob zugeteilt erhält. Auch erwägt er bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit, daß bisweilen bei „gemeinen ungelehrten Leuten ein Tichter-Geist sich erreget, sich über deren Verstand erhebet und was ungemeines bey sich führet . . . aber ist dieses mehr dem Trieb der Natur als der Kunst zuzuschreiben". Ansätze zur Bewertung einer Natura nlage bei Ungebildeten sind also bei Morhof unleugbar gegeben, und zwar schon in diesem literarhistorischen Teile. Doch gelten solche Erscheinungen wie auch gelegentliche Begabungen beiFrauen—„Sibylla Schwartzin" aus Greifswald wird erwähnt — als bloße Ausnahmen. Kunstdichtung im höheren Sinne liegt dann für Morhof eben nicht vor. Die Poetik selbst zeigt die üblichen Kompromisse zwischen
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B e g a b u n g s b e w e r t u n g und Gelehrsamkeits- bzw. Schulungsbewertung. Das Erfindenkönnen wird abhängig gemacht von gründlicher Belesenheit und eifrigem Sammeln seitens des Dichters; denn „sonsten wird er ein leeres Stroh dreschen". Den Alten müssen die Künste „abgelernet" werden, da von ihnen „doch alles herfließet". Dann wird verdächtig beiläufig und mittelbar die Begabung berücksichtigt, und zwar teils, um den auch sonst (vgl. Reim-Verteidigung) von Morhof möglichst scharf herausgearbeiteten Unterschied von gebundener und ungebundener Rede abzuheben: „Im übrigen (!) ist ein großer Unterschied unter der gebundenen und ungebundenen Redensart, und werden die Poeten durch einen sonderlichen Geist getrieben". Doch hält er es im ganzen mit Scaliger. Die Begabungsfaktoren werden vorerst einmal rationalistisch aufgefaßt: „keinen gemeinen Verstand" setzt die Neigung zur Poesie voraus, wie sie denn klare Einsicht und „ein wollgeläutertes Urthel" erfordern soll. Reine Begabung wehrt er merklich hilflos oder doch ohne rechtes Verständnis ab; sie setzt ihn sichtlich in Verlegenheit. Es wird Deckung hinter den „Alten" gesucht; die Begabungswertung erhält konventionelle Färbung: „Daher man von den Poeten saget, daß sie eine andre Sprache haben und mehr als Menschlich reden". Gerade die Redeweise gilt als Kriterium, und zwar unter stützender Bezugnahme auf Harsdörffer, der die „gemeine und poetische Rede" abgehoben habe wie „tantzen und gehen". Doch muß Schwulst gemieden und Lautmalerei in Schranken gehalten werden (relativer Widerspruch gegenüber der Bewertung des Deutschen als einer zur Lautmalerei besonders geeigneten Sprache, s. o.). Die Morhof bereits bekannte Gegenwehr gegen die Met a p h e r hält er doch für einigermaßen bedenklich; denn Bildwerte sind für die Poesie zu retten. Dabei klingt noch die Harsdörffersche Auffassung nach in dem energischen Eintreten für den Metapherngebrauch: „Dann diese müssen in einer Poetischen Rede sein, sonsten kriechet sie bey der Erden und hat nichts, wodurch sie sich erheben kann". Die Gefahr der Weiseschen Plattheit und Ubernüchterung wird also erkannt, ähnlich wie die Gefahr eines Primats der Prosakonstruktion. Es wird sogar noch empfohlen, „von diesen Metaphoris gantze Léxica" zusammenzutragen; denn die bildlichen Einkleidungen bleiben eines von den „vornehmsten Mitteln . . . , zur Vollkommenheit
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in derTichterkunst zu gelangen". Abgebrauchte Bilder dagegen und — charakteristisch für einen volksfremden Gelehrtenstandpunkt —auch volkstümliche Bilder sind vom Kunst dichter zu vermeiden. Die Aufmerksamkeit, die dergestalt auf das Metaphorische gerichtet ist, übersieht trotz der vorherrschenden kulturpatriotischen Verteidigung des Deutschen doch nicht gewisse Nachteile der deutschen Sprache hinsichtlich der metaphorischen Epitheta. Maßhaltung in Bildern erscheint indessen geboten im Hinblick auf die Entartung und Überwucherung bei den Italienern und Spaniern. Überdies sind zu verwerfen Metaphern von „nichtswürdigen und schändlichen Dingen". Auch für das Burleske, das man neuerdings aufgebracht habe, fehlt dem würdigen Gelehrten der leicht bewegliche Sinn und die anschmiegsame geistige Biegsamkeit. Derartige Burlesken seien in der Tat bloße Pegasus-Exkremente. Fremdwörter sind zu meiden, Lehnwörter gestattet. Du Beilay und Ronsard finden Erwähnung, werden aber nicht im streng puristischen Geiste ausgeschlachtet. Vielmehr soll auch in dieser Frage mit Maß vorgegangen und je nach dem Sprachgeiste im Einzelfalle entschieden werden. Was Morhof bislang über die B e g a b u n g recht kompromißhaft in üblicher Unsicherheit ausgeführt oder angedeutet hat, erhält nun eine fast überraschende W e n d u n g z u r B e j a h u n g triebhafter Begabung hin in späteren Teilen der Poetik (S. 725—728), und zwar dort, wo auf die Sondergattung der Ode eingegangen wird. Fast scheint es, als ob auf dem Gebiete der Lyrik, auf dem dann Herders Odenabhandlung von 1764 den endgültig befreienden Durchbrach bringen sollte, schon im letzten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts gewisse Vorstöße in die Richtung der Erlebnisund Gefühlsdichtung auch innerhalb der Theorie gewagt werden, die teils auch der künstlerischen Begabung und ihrer Bedeutung für das Kunstschaffen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen. Im Widerspruch zu seiner Abwehr jener englischen Nachtschilderung betont hier Morhof nicht allein, daß sich das Metrum der Stimmung anzupassen habe; sondern er spricht ausdrücklich und ausführlich vom „Trieb der Natur", der das „vornehmste in diesen Sachen" darstelle und entscheidend zum künstlerischen Gelingen mitwirken müsse. Der Naturtrieb erst verleiht den Erfindungen rechtes Leben und erfährt spezifisch bei den Oden eine erhöhte Stärke mit Hilfe der Musik, durch die er erst voll „erwecket und gereitzet", also angeregt wird.
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Dieser spontane Trieb entspringt einer glücklichen Naturanlage, die ihre besten Werte und Wirkungen im Ungebrochenen und Unmittelbaren erzielt, dagegen „durch die Kunst und Nachsinnen bißweilen nur gehindert wird". Durch persönlichen Einsatz verstärkt Morhof weiterhin diese Deutung: „Es ist zu mercken, daß insgemein die ersten Einfälle, als welche aus diesem Trieb entstehen, die besten sein, welches ich offt an mir selbst wargenommen". Derartige Stellungnahmen in jener Übergangszeit halten sich frei vom rationalistischen Übergriff. Denn auch das weitere Stellenmilieu läßt erkennen, daß Morhof nicht jenes Mißtrauen gegen die „ersten Einfälle" besaß, wie es späterhin etwa Lessing aussprechen sollte. Das gedankliche Erarbeiten galt noch nicht als notwendige Voraussetzung. Ein Stückchen Schöpfersituation löst sich aus dem Wirrwarr fremder Meinungen, wenn Morhof mit fühlbarer Teilnahme anrät, diese kostbaren ersten Einfälle geschwind festzuhalten, damit sie nicht wieder verloren gehen. Denn unter allen Einfällen sind „allezeit, die mir ohne sonderliches Nachdencken beykommen, die besten; die ich aber so fort oder nachgehends durch weiteres Nachsinnen hinzusetze und aus einigen fontibus, die die Kunst eröffnet, herhole, entfernen sich was mehr von den Sachen und haben den Nachdruck nicht". Diesen Trieb soll man nicht hemmen, denn besonders bei der Erfindung wird leicht manches verdorben, wenn man „zu viel drüber nachsinnet und durch all zu große Kunst die natürlichkeit einer Sachen verdunckelt". Auch die Gefahr der nachträglichen Verschlimmbesserung kennt Morhof bereits, wie sein Bedauern darüber verrät, daß ζ. B. Tasso „durch vermeinte Verbesserung" in Wirklichkeit seiner Dichtung Abbruch getan habe. Die Parallelität ähnlicher Einfälle bei verschiedenen Dichtem darf nicht vorschnell als notwendige Abhängigkeit abgetan werden, sondern kann durchaus der ähnlichen Richtung des poetischen Triebes entspringen. Bei alledem arbeitet hier Morhof wiederum mit fremden Quellen (Menage u. a.), ohne daß er diese Quellen wirklich einheitlich verarbeitet hätte. Denn in derselben Poetik, die uns so überraschende Triebbejahung bringt, stören andererseits harte Stücke der Anweisungspoetik, wie etwa die Anleitung, ein Gedicht zu machen: „Man setzt etliche sententias, die auf einander schlußrichtig folgen ; diese schmücket man auß mit Metaphoris, descriptionibus . . . und dergleichen, wie es sich am besten schicket".
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Oder in Verfolg des Gedankens, daß der Reim von sich aus fördernd auf die Erfindung einwirken könne, wird das Weisesche „Reim-Exercitium" ohne alle Ironie in vollem Ernst gerühmt, diese handwerkliche Methode, daß man einen Satz hernimmt „und aus dem Reimregister alle Reimen auff den ersten fügt". Morhof findet „unterschiedliche feine Exempel" für dieses Ausprobieren des passenden Reimes bei Weise. So bleibt trotz jener an sich höchst bedeutsamen Partie über die Begabung dennoch der Gesamteindruck vorherrschend, daß Morhof im Ästhetischen nicht die einheitschaffende Bewältigung fremder Anregungen durchzusetzen vermag in dem Maße wie im Literaturhistorischen und Literaturkritischen. Innerhalb des literaturhistorischen Teiles wird das Begabungs- bzw. Originalitätsproblem ζ. B. berührt gelegentlich der Beurteilung Flemings, dem nachgerühmt wird: „Dann in Wahrheit stecke ein unvergleichlicher Geist in ihm, der mehr auf sich selbst als frembder Nachahmung beruhet". Andererseits wurde, wie erwähnt, bei Lohenstein und Hofmannswaldau die Hauptstärke in der Nachahmung der Alten gesehen. Eine sicher ausgeprägte eigene Meinung ist schwerlich aufzuspüren; doch überwiegt die Vormachtstellung des Vorbildes der Alten. Die G a t t u n g e n werden — abgesehen von den berührten metrischen Gliederungskriterien — nicht grundsätzlich und wesenhaft erläutert, sondern sogleich in ihrer Trennung und Einzelausprägung gewürdigt (S. 681 f.). Danach gelten die „Heldenget ich te" als die schwersten, mit Anforderungen, die den „reifsten Verstand" voraussetzen. Sie bleiben das „größte Meisterstück in der Tichtkunst". Jenes Einerseits-Andererseits fehlt auch hier nicht; denn einerseits müssen die Berufenen „von der Natur recht dazu gemacht sein"; andererseits ist das Epos „eine Sache von langem Nachsinnen" und fordert daher Männer von „unvergleichlichem Urthel und hohen Geiste". Jedenfalls darf sich mancher, dessen Kraft für ein kleines Haus ausreiche, nicht an diesen Königspalast heranwagen. Der epische Reichtum wird überdies hinsichtlich der Ausgestaltung umschrieben durch den Hinweis auf „allerhand Erfindungen, Tichtereyen, Außbildungen, Beschreibungen, Vergleichungen" usw., wobei die Redeweise metaphorische Erhöhung zu erfahren habe. Die R o m a n g a t t u n g („Die Romainen") gilt als Heldengedicht ohne Metrum. Ihr Ursprung erscheint als ungesichert.
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Bei den Nordländern lassen die Edda-Fabeln eine Spur auffinden; vielleicht darf auch die ganze antike Mythologie unter diesen Typus gerechnet werden. Der Name soll von den Franzosen stammen; doch hebt das Versgewand die „Romancen" von den „Romainen" ab. Die deutschen Romane sind erst im Werden begriffen. Genannt werden als Beispiele, die „den Außländern nichts nachgeben", Andreas Heinrich Buchholtzens „Hercules" und „Herculiscus", A. Ulrich von Braunschweigs „Aramena" und „Octavia". Als Vollkunstwerke haben jedoch die Romane ihr Geltungsrecht noch nicht erobert. Und Morhof erwägt, ob sie denn wirklich für „lesens würdig" befunden werden können. Das Nützlichkeitskriterium tritt bei dieser Gelegenheit recht kraß zutage. Schon bei ihrem frühen Auftauchen und theoretischkritischen Erfaßtwerden müssen sich die Romane jene Vorwürfe und Bedenken gefallen lassen, die dann immer wieder gegen sie geltend gemacht worden sind, nur daß damals der verständnisvolle Beurteiler etwa das Niveau vertrat, auf dem heute der verständnislose sich gern breit macht: daß nämlich viel wertvolle Zeit mit der Romanlektüre unnütz verloren gehe, daß die Romanlektüre nicht ungefährlich sei und anderes mehr. Doch bewahrt Morhoi bei aller kritischen Zurückhaltung ein gewisses Wohlwollen gegenüber der jungen Gattung, die eben nur nicht mißbraucht, sondern maßvoll in Schranken gehalten werden muß, um neben dem „ergetzlichen" auch das „nützliche und lehrreiche" zu gewährleisten. In einer Nachlaßarbeit „Dissertatio de Historia eiusque Scriptoribus" bietet Morhof weitere Beiträge zur epischen Theorie. Der Oden-Abschnitt hat seinen Hauptwert in der Herausarbeitimg des Naturtriebes. Außerdem wird gerade auch das sangbare Lied berücksichtigt und die gefühlsmäßige Eindruckswirkung erkannt und anerkannt: „Dadurch die Gemüther auffgemuntert und zu allerhand Bewegungen gereitzet werden". Die Sangbarkeit wirkt weiterhin vorteilhaft zur Abdrängung allzu hochtrabender metaphorischer „Redensarten", da sonst beim Singen das Verständnis leicht verloren gehen kann und damit auch die „Kraft in Bewegung der Gemüther". Jenseits der musikalischen Arten erhält allerdings die „höheste Redensart" wieder ihr volles Recht eingeräumt. Die Wiederaufnahme des Refrains soll die Gemütsbewegungen ebenso unterstützen wie die erwähnte Anpassung des Metrums an die jeweilig erwünschte Stimmung.
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Durchweg neigt Morhof zum Abschwenken in das Historische, bzw. Sprachlich-Metrische; worin ja andererseits die Stärke seiner empirisch-kritischen Methode begründet ist. Gerade auch beim Eingehen auf die Schauspiele (Kap. XIV) unter Einbeziehung der „Hirten- und Straff-Gedichte" nimmt Morhof vielfach mehr die Haltung einer kritischen Bewertung und Sichtung des empirisch-historisch Gegebenen ein, als die Haltung des Theoretikers. Er lehnt es überdies ausdrücklich ab, Einzelvorschriften über „Lehr-Sätze" aufzustellen, da hierin ausreichend vorgearbeitet worden sei. Überzeitliche Wirkungsoder Schaffensgesetze werden nicht erstrebt. Vielmehr herrscht zeitgebundene Zweckeinstellung in Abwehr wie Empfehlung. Abwehr nämlich trifft die „unflätereyen und grobe Narrenpossen", so daß bereits Gottscheds Säuberungsaktion ein kleines Vorspiel — noch vor Chr. Kormart — findet. Angesichts dieser Entartung des Theaters in Morhofs Sinne wird auch der anfangs überraschende Satz aus der Inhaltsaufstellung zu Kapitelbeginn verständlich: „Die Schauspiele sein nicht gänzlich zu verwerffen". Aus der enttäuschenden Gegenwart flüchtet Morhofs historischer Sinn in die Vergangenheit, um den Glauben zu retten, daß Schauspiele „an sich selbst löblich und gut sein" könnten und nur durch Mißbrauch in entsprechenden Mißkredit geraten seien. Vom volkserzieherischen W e r t , den sinnreiche und verständige Nationen anerkannten, wenn sie „die Theatra für eine Schule des Volks" erklärten, ergibt sich nun leicht der Übergang von der Abwehr der possenhaften Stücke zur Empfehlung der Schulkomödien. Weises Schulkomödien finden wohlwollende Erwähnung unter besonderer Hervorhebung der „ComplimentirComoedie", die Morhof „sehr woll gefällt". Französische Anregungen zu einer theatralischen Akademie für vornehme Zöglinge werden gestreift. Die Schulpflege gilt als geeignet, die Schauspiele „hinführo" von den „Schandflecken" des Gewerbebetriebes reinzuhalten. Maßgebend sind die Alten; denn „was wir darin gethan, haben wir alles aus ihrer Nachahmung". Lustspiele heben sich vor allem darstellungsmäßig ab durch die Redeweise und Schreibart; sie haben „einen niedrigen, die Trauerspiele einen höheren stylum". Die in Prosa gesetzten Dramen bzw. Dialoge werden nicht voll zur dichterischen Schauspielgattung gerechnet, „weil sie mehr actusOrntorii als Poetici sein". Die Verbindung von Schauspiel und Musik wird noch als Neuheit empfunden.
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Überall bereichert Morhof die theoretischen Darlegungen durch literaturgeschichtlich interessante Hinweise; doch überwiegt so die erläuternde Kritik durchweg die eigentliche Kunsttheorie. Nur die lange ungesicherte Definition der S a t i r e verdient kurze Hervorhebung: „Eine Satyre ist ein Gedichte, darin die heimlichen Laster . . . gestraffet und hönisch auffgezogen werden, und hat zur Enduhrsach die Verbesserung der Sitten". Die Alexandrinerform erscheint für die Satire besonders angemessen. Die Satiren seien „ein Anhang der Schauspiele gewesen"; und daher bringt sie Morhof hier unter. Wenn er ihnen aber als Einkleidung gelegentlich auch die Odenform zubilligt, so zeigt sich wieder in gewissem Grade die alte Unklarheit in der Zuordnung. Doch kennt Morhof neben der vielleicht als Odenform bezeichneten Verssatire immerhin die Satire in ungebundener Rede, teils in Gesprächsform oder Briefform, teils als Reisebeschreibung, „bald in einer Romaine", also in Romanform. Damit wird eine stärkere Annäherung an den neueren Typus der epischen Satire vollzogen. Ein Sonderabschnitt beschäftigt sich mit dem E p i g r a m m . Kürze und „Scharffsinnigkeit" gelten als seine Haupterfordernisse. Neben der Bezeichnung „Sinngetichte" und der späteren „Überschriften", die im Hinblick auf Lessings „Zerstreute Anmerkungen über das Epigramm" interessiert, greift Morhof auf Gryphius' „Beyschrifften" zurück. Das Spielerisch-Konstruierte des Anagramms erfährt Kritik als bloße „armselige Erfindung", wie es eine ähnlich unvorteilhafte Beurteilung im „Polyhistor" erfährt. Ebenso — und darin wird das Abschwenken von der Anweisungspoetik wiederum im Einzelfalle sichtbar — verschmäht er ausdrücklich ein näheres Eingehen auf das Gelegenheitsgedicht. Nicht verschmäht aber wird die beliebte Gelegenheit, eigene Dichtungen (drei Teile) unterzubringen. Das metrische Interesse äußert sich besonders noch in angehängten Beispielen für die verschiedenartigen „Reimgebände", erläutert an der Ubertragung einiger Oden des Horaz. Die sich anschließenden drei Teile eigener Dichtungen Morhofs erinnern daran, daß der gesamte „Unterricht . . . " ursprünglich aus der Keimzelle einer kleinen Poetikeinleitung zu dieser Gedichtsammlung hervorgegangen ist. Im mehrfach erwähnten „Polyhistor, sive de notüia Auctorum et rerum commentarti" kommt er hinsichtlich der Gelegenheitsdichtung und Gebrauchskunst dem Bedürfnis der Zeit williger
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entgegen in dem Kapitel „Hyle Inventionum foeticarum", wobei der Glaube an eine Erleichterung des Erfindens durch allerlei Sach- und Personenbezogenheiten zur Geltung kommt. Und gegenüber den Ansätzen zur Originalitätsbewertung im „Unterricht" wird im „Polyhistor" die Einengung des Erfindungsbegriffs durch die humanistische „ 7»tt/a/zo"-Forderung ungleich stärker fühlbar. Die Dichtkunst rückt als „Eloquentia ligata" ähnlich wie früher bei Masen und in immittelbarer Zeitnähe bei Chr. Weise an den Bezirk der Redekunst heran. Die Richtung Morhofs sucht vor allem der Konrektor zu Halle M. A l b r e c h t Christian R o t t h (wohl auch Roth genannt) weiter zu verfolgen durch seine für die studierende Jugend bestimmte „ V o l l s t ä n d i g e D e u t s c h e Poesie in D r e y T h e i len" (1688). Für die Poetik kommt vorwiegend in Betracht die „ K ü r t z l i c h e doch deutliche und richtige E i n l e i t u n g zu den eigentlich so benahmten Poetischen G e d i c h t e n " ; jedoch sind vorerst die anderen Partien kurz zu berücksichtigen. Der historische Teil stützt sich merklich auf Morhof. Die „Vorbereitung zur Deutschen Poesie" nennt selbst Opitz, Buchner, Schottel, Tscherning, Neumark als Gewährsmänner. Sie sorgt für Herausarbeitung der kulturpatriotischen Leitlinie durch ein teils etwas pompös aufgemachtes Lob der deutschen Muttersprache, „da sié denn mit ihren Prachtblumen die um sich stehenden (Sprachen) so weit übertrifft als Caiser-Crohnen das zu Erden gelegte Pfennig-Kraut". Mit der Liebe zum Vaterlande hat der „nothwendige Gebrauch der Mutter-Sprache" Hand in Hand zu gehen. Der dritte Teil mit seiner „Anleitung zu allerhand Materien" läßt jenes typische Entstehen vieler Poetiken des siebzehnten Jahrhunderts klar zutagetreten, jenes Entstehen nämlich aus einer Gedichtsammlung. Auf Wunsch habe Rotth in die ursprünglich nur vorgesehene Gedichtsammlung die theoretischen und praktischen Anweisungsteile nachträglich eingeflochten. Hier werden noch recht schulmeisternd, aber der pädagogischen Zweckbestimmimg durchaus entsprechend, Anweisungen und Rezepte zu Haufen geschichtet. Es ist der Schulmann, der das Wort hat, der das Auffinden eines „schönen" Themas betreut und dabei die Wahl des Titels erstaunlich hoch veranschlagt („so besinne er sich nur auf einen schönen und anmuthigen Tittel"). Zuversichtlich beruhigt etwa § 66 darüber, daß bei Befolgung aller
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dieser Ratschläge und Winke der Gedichtverfasser schwerlich fehlgehen könne. Grundsätzliche Beachtung fordert für die gerechte Bewertung dieser Poetiken die klare Unterscheidung, die nicht zum wenigsten Rotth hervortreten läßt zwischen dem geborenen oder doch zu reifem Können vorgeschrittenen Dichter und dem Schüler und Studenten der Poeterey andererseits. Gewiß nicht zufällig sind es die „geistlichen Lieder", deren Würdigung Rotth, der sich selbst als Dichter fühlt, Aolaß gibt zu dem Hinweis auf die Begabung, wenn auch teils religiöse Vorstellungen sich einmischen. Es gilt merklich als Ausnahme oder doch als Sonderfall, wenn der Konrektor „einem andächtigen Gemüthe nicht eben Regeln setzen" möchte, sondern dem Triebe „des H. Geistes" freieren Spielraum vergönnt. Aber darüber hinaus greift doch das — echte oder improvisierte oder von Morhof kopierte — Bekenntnis, „daß die ohne Regeln gemachte Lieder offt die kräftigsten und nachdrücklichsten sind, wie ich an meiner eigenen Arbeit sehr offt gespühret". Das Erlebnis des Dichters geht seine eigene Bahn, kann jedoch, im Kunstwerk zur Form geworden und so ablesbar, zum wegweisenden Vorbild werden für die Lernenden und Strebenden. Die immer noch zu wenig in Rechnung gestellte Tatsache tritt deutlich hervor, daß nämlich diese Anweisungspoetik nicht prinzipiell das Sonderrecht und die Eigenlebigkeit dichterischer Schöpfung völlig verkannte, sondern daß sie dieses Problem, wenigstens kannte und relativ häufig streifte; daß sie esaberteilsbewußt ausschaltete, und zwar entweder im Gefühl der Unsicherheit umging oder mit konventionellen Redensarten abtat, während ihr eigentlicher Zweck den studierenden Schülern galt. Das „Schulmeisternde" war in ihr oft mehr Absicht als bloßer Mangel. Aber das mit pädagogischem Eifer zusammengetragene Anweisungsmaterial erschwerte naturgemäß oder verschüttete gelegentlich völlig den Zugang zur wahren Dichtungsdeutimg. Während diese Teile die zeittypische Beispielaufschwellung zeigen, bietet das kunsttheoretische Kernstück, die „ K ü r t z liche . . . E i n l e i t u n g " (1688), breite Teile zusammenhängender Darstellung; umfaßt sie doch allein 415 Seiten ohne beträchtliche Beispielausweitung. Das mag andeuten, daß Rotth eine der umfangreichsten Poetiken vorzulegen bat, und zwar der kritisch erörternden und historisch fundierten Poetik. Rotth ist ζ. B. 16 M a i k w a r d t , Pnetik ι
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einer derjenigen, die im siebzehnten Jahrhundert am ausführlichsten von den Komödien handeln. Und zwar wird die jüngere Komödienspielart als „freyer" von festgelegter Stoffbindung und unter Zulassung „löblicher Verrichtung" ohne starre ständische Bindung der Handlungsträger bereits als werthaft gültig einbezogen. Der Ausgang ist nicht entscheidend. Der Gehalt der Erörterungen Rotths entspricht zwar nicht überall der breiten, gründlichen Abhandlung. Aber als unzulänglicher Nachtreter Morhofs darf der verhältnismäßig gute Aristoteleskenner denn doch keineswegs beiseite geschoben werden. Vielmehr geht Rotth gerade in den kunsttheoretischen Folgerungen, die bei seinem Vorgänger nur zu leicht von der Schwere des historischen Materials erdrückt werden, in der Wesensbestimmung auf Grund der Empirie nicht selten über Morhof beträchtlich hinaus. Gestützt auf Aristoteles, auf den — wie einst schon Masens lateinische Poetik — er mit Zitat oder Hinweis weit häufiger zurückgreift als alle bisherigen deutschsprachlichen Poetiken, gelangt er vereinzelt zu Definitionen — so vor allem von der Zweckbestimmung der Tragödie — , die ohne weiteres als Vorarbeit für Lessing gewertet werden könnten. Denn er sieht mit Aristoteles (Affektenlehre) das Eindrucksziel der Tragödie nicht nur in „Reinigung solcher affekten" in dem Sinne, daß sie diese Affekte „mäßiget". Er bringt hinsichtlich des „Schröckens" nicht nur die Lehre von der heroischen A b h ä r t u n g angesichts des Schrecklichen, sondern er nähert sich bereits vom gleichen Ausgangspunkte her der Lehre von dem Sichüben im Mitleidhaben; denn die Zuschauer sollen auch „eine Empfindlichkeit gegen solche misarabele Personen lernen tragen". Die Übung im Mitleiden, nicht das bloße Mitleidüben, nicht die bloße Ausübung, sondern die psychologische Schulung des Mitleidfühlens klingt also bereits deutlich an, wenn auch noch „Schröcken" für „Furcht" steht und wenn auch natürlich noch nicht im Lessingschen Sinne dieser „Schröcken" bzw. dièse „Furcht" als ein auf uns selbst bezogenes Mitleiden klar erfaßt und erläutert wird. Doch zum mindesten ein bedeutsamer Ansatz, eine noch tastende Wendung scheint selbst in diesem Betracht dort sich vollziehen zu wollen, wo vom Eindruck beim Zuschauer ausgesagt wird, daß in ihm eine Befürchtung von einem Unglück aufdämmern könne, wie es „auch uns oder den unsrigen begegnen könne" (S. 219). Indessen, in ähnlicher Weise wie Morhof durch seine
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Kenntnis ausländischer Quellen gefördert wurde, dankt Rotth seinen entwicklungsgeschichtlich unverkennbaren Fortschritt nicht zum wenigsten der engen Anlehnung an Aristoteles. Gerade in bezug auf die „vollkommene Tragödie" — denn Rotth kennt auch abgeschwächte Modifikationen, in denen ebenfalls die Reinigung von anderen Affekten (als Schrecken und Mitleiden) zulässig ist — überläßt er das entscheidende Wort dem Meister Aristoteles: „Maßen er von der Tragödie so umständig und schöne redt, daß er es fast nicht schöner hätte machen können. Dannenher es um so viel desto weniger Mühe geben wird, etwas davon zu reden". Allerdings darf Rotth billigerweise hier knapper sich fassen, da er bereits im voranstehenden Kapitel (IV) sehr ausgiebig der Komödienform im weiteren Sinne gerecht zu werden versucht hat. So ruht etwa auch die fortschrittlicher anmutende und gewiß beachtenswerte Ablehnung einer Schwarz-Weiß-Charakteristik und das Vorstoßen in die Richtung des „mittleren" Charakters der „vermischten Empfindungen" auf Aristotelischem Grunde und arbeitet mit der Aristotelischen Begründung, daß nur so eine Ablenkung und Zersplitterung der Schrecken- und Mitleiderregung vermieden werden könne. Denn ein Unglück erleidender reiner Tugendheld würde leicht „Wieder-Willen und Zorn" statt „Schrecken", ein einseitig Boshafter aber schwerlich Mitleid erregen. Daher ergibt sich für den Handlungsverlauf die Forderung, den Helden — und eine Person muß als Held stark im Mittelpunkt stehen — mehr durch Irrtum als durch Schuld und „Bosheit" ins Unglück geraten zu lassen, ein Gedankengang, der späterhin noch weiter ausgesponnen wird in dem Sonderabschnitt „Von der Verwicklung der Schau-Spiele" (Kap. VI), aber bei der Verbreitung zugleich merkliche Verflachung erfährt. Und das erkundende Vorstoßen in die Richtung einer Bevorzugung des „vermischten" Charakters (im Zusammenhange mit der Theorie der „vermischten Empfindungen" innerhalb der Auflockererästhetik), eines Charakters von mittlerer Haltung (oder wie Rotth selbst umschreibt „mittelmäßiges Zustandes") nimmt als Teilvorstoß doch fraglos seine Antriebskraft aus der Anregungsquelle Aristoteles. Aristotelisches Gedankengut ist weiterhin übernommen worden in der Aufstellung einer „einzigen Verrichtung" (Handlungseinheit) für die Anlage der Fabel, in der wünschenswerten Einschränkung der Geschehenszeit auf einen Tageslauf („inner16·
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halb eines Tages zu Ende lauften": Zeiteinheit), noch ohne starre Versteifung auf Einheitszwang ( „ . . . doch so viel möglich ist"), also nicht als unbedingt notwendiges Gesetz. Dementsprechend genügt an Stelle strenger „Warhafftigkeit" die poetische „Wahrscheinlichkeit". Damit setzt sich der späterhin so überraschend ausgebaute Wahrscheinlichkeitsbegriff bereits auch in der Formulierung durch (S. 215). Die Formulierungen Rotths wirken, so naiv seine Darstellungsformen sonst vom Gegenwartsstandpunkte aus erscheinen mögen, vielfach verhältnismäßig modern, so etwa seine U n t e r s c h e i d u n g von „äußerlicher F o r m " und „innerlicher Form", die nicht nur der Dramatik vorbehalten, sondern ζ. B. auch für die Epik festgehalten wird. Die grundsätzliche Wesensbestimmung der Dichtkunst, die sich in de Vorrede „An den Leser" eingeflochten findet, nähert sich Aristoteles unter Einbeziehung des Reinigungsbegriffs. Sie mag hier folgen, weil Wesensbestimmungen der Dichtkunst als solcher damals noch keineswegs zum eisernen Bestände der Poetiken gehörten, wenigstens nicht in dieser Ausprägung: „Es ist nehmlich die Poesie nichts anders als eine Nachahmung menschlicher Verrichtung..., in einer angenehmen Rede vorgestellet", damit böse „Affecten oder Gemütsregungen durch dieselben möchten gereiniget werden". Bei der Erläuterung berührt Rotth die Illusionslehre und streift die Gliederung der Künste nach ihrem Darstellungsmaterial. Denn das Mittel der Rede unterscheidet sie von der Malerei und Bildhauerkunst (keimhafte Vorstufe zum „Laokoon", vgl. als Zwischenstufe auch Brämers Poetik), während die betonte „Annehmligkeit der Rede" sie abgrenzen soll gegenüber der Beredsamkeit. Man spürt, daß diese Abhebung von der Redekunst nicht recht ausreichen will ; man versteht, warum im weiteren Verlaufe der Entwicklung später Baumgartens Definition als „sinnliche, vollkommene Rede" so eifrig aufgenommen wurde. Aber es ist nicht uninteressant, der Prägung „angenehme Rede" zu begegnen auf dem Wege zur „sinnlichen, vollkommenen Rede", auch deshalb, weil das Wertattribut „angenehm" über das galant-curiöse, politischpolite Zeitalter hinaus nachhaltige Bedeutung gewinnen sollte in der wegweisenden Anregung (ζ. B. in Stilistiken) sowohl als auch im kritischen Beurteilen einer Eindruckswirkung. Hinsichtlich der Z w e c k e i n s t e l l u n g wird eine Auflockerung des Belehrungsprinzips in gewissem Grade fühlbar, indem die
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Poesie zwar auch belehren soll, aber doch „auf eine lustigere und manierliche Art" (Vorrede). Verfolgt man diese Einstellung kurz durch die eigentliche Poetik hindurch, so ergibt sich bei dem Abschnitte über die „Erfindung" eine Kombination mit der Wahrscheinlichkeitsforderung; denn „sowohl glaublich als ergetzlich und lehrreich" soll die Erfindung sein, eine Gruppierung, die nicht nur einmal und gelegentlich am Wege mitgenommen, sondern ausdrücklich mit derselben Dreigliedrigkeit (S. 10) wiederholt wird. In den Bezirk der Wahrscheinlichkeit wird das Allegorische einbezogen und so die Bildlichkeit gerettet und das Recht der Fiktion zugestanden. Geistesgeschichtlich symptomatisch erscheint hierbei die Einräumung einer Fiktion für die Allegorie, während sie die Gottschedzeit dann für die lehrhafte Tierfabel in Anspruch nehmen mußte. Der „gemeine Endzweck" der Dichtung bleibt das Belehren und Belustigen. Indessen verdient angemerkt zu werden, daß Rotth dem Bel u s t i g e n bzw. dem „Ergetzlichen" lebhafte Anteilnahme zuwendet. Es äußert sich dies nicht nur darin, daß das Ergötzliche vorangestellt wird, sondern vor allem auch darin, daß es eine weitere Untergliederung erfährt, während das Lehrreiche ohne weitere Aufteilung sich anschließt. Jenes „Ergetzliche" liegt nämlich erstens im „Raren", Seltenen und Außergewöhnlichen (es war also für die deutsche Poetik in diesem Betracht nicht erst der Einfluß Addisons und der Italiener erforderlich), wobei manches Wunderbare untergebracht und so vor dem Zugriff der Wahrscheinlichkeitsforderung bewahrt werden kann, zweitens im „Vielerley", also der Abwechslung, die Wiederholungen zu vermeiden hat, und drittens im „Anmuthigen", also jenem AngenehmSchönen, das in die Definition der Poesie als „angenehme Rede" bereits einbezogen war. Auf Sinne oder Gemüt soll Dichtung wirken, damit sie „ohne Schrecken belustige". Scheint hier die „Schrecken" erregende Wirkung der Tragödie übersehen worden zu sein, so deckt sich doch Rotth durch den beachtlichen Hinweis darauf, daß jede Einzelgattung darüber hinaus noch ihren Sonderzweck zu verfolgen hat, ein Hinweis, der wiederum Lessingsche Gedankengänge leicht vorklingen läßt. Natürlich soll •1er wackere Konrektor Rotth nicht etwa als Bahnbereiter Lessings entdeckt und gedeutet werden; manches Gemeinsame geht einfach auf das gemeinsame Dritte oder den Dritten, eben Aristoteles,
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zurück. Jedoch fordern in dieser Zeit auch bescheidene Ansätze schärfere Aufmerksamkeit und Wärme der Bewertung. Die verheißene Sonderausprägung bei den einzelnen Gatt u n g e n wird allerdings nicht recht klar sichtbar. Die Reinigung der Affekte (Schrecken und Mitleid) für die Tragödie war mit Aristoteles festgelegt. Die „Satyra" soll die „im schwänge gehenden Laster" aufs Korn nehmen, „um dadurch die Sache selbst verhaßt zu machen und die Leute zu bessern". Die heldische Tat im Epos muß geeignet sein, „Liebe zur Tugend" wachzurufen; auch „Verwunderung" (wohl Bewunderung) taucht als Eindrucksziel auf. Die ideale Forderung beim Roman, die indessen empirisch noch unzulänglich erfüllt erscheint, liegt in derselben Richtung einer „Erweckung der Liebe zur wahren Tugend" ; ein glücklicher Ausgang gilt als angemessen. Borinski hatte es — ähnlich wie bei Joh. Klaj u. a. — nicht schwer, als Rotths Gewährsmänner Masenius, Donatus und Rappolt „aufzufinden", denn Rotth nennt diese seine Hauptquellen selbst; ebenso zitiert Rotth selbst A. Riccobonus. Ertragreicher für die kritisch verarbeitende Haltung wäre es gewesen, aufzuzeigen, wie er gegenüber den Forderungen der von ihm zitierten Theoretiker (ζ. B. Rappolt und Donatus) auf die Abweichung empirischer Muster hinweist, also die Gesetzespoetik durch die Mustergeltung der Kunstübung einschränkt. So veranlaßt ihn u. a. die Einengung der epischen Geschehenszeit auf etwa zwei Jahre zu der Bemerkung: „Daß man aber so gar genau alles erfodern wolle, deucht mir nicht eben rathsam, zumahlen die Exempel des Homeri und Virgilii ein anders scheinen beobachtet zu haben". Allerdings zieht er sich dabei wieder auf die Aristoteles-Autorität zurück. Kritische Einstellung zeigt er weiterhin Opitz gegenüber, dessen „Büchelchen von der Deutschen Poeterey" auch Überflüssiges für das Heldengedicht in Anspruch genommen habe, wie ζ. B. die Einbeziehung der Dedikation. Daß er sich auch von Morhof zu lösen versteht, verrät der Umstand, daß ihm nicht Metrum und Reim, nicht die gebundene Rede als notwendige Voraussetzungen für echtes Dichtertum gelten, sondern der „sinnreiche" Kopf, der gut auszusinnen versteht (Abschnitt „Erfindung"), als Dichter anerkannt wird, selbst wenn er sich in der Gestaltgebimg mit „ungebundener Rede" begnügen sollte (Vorarbeit für Brämer). Ob diese Vertiefung der Dichtungsdeutung gegenüber Morhof
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letzten Endes auf Aristoteles zurückführt, der ein Gedicht ohne Metrum immerhin als möglich in Erwägung gezogen hatte, bleibe dahingestellt. Jedenfalls versteht es Rotth, in entscheidenden Punkten seine Aristoteles-Kenntnis vorteilhaft auszuwerten. Seine Originalität darf natürlich nicht überschätzt werden. Man kann ablesen, wie er im Tragödienabschnitte Aristoteles — und teilweise Masenius — folgt, wie er dankbar aufatmet, wenn er dort sagen darf, daß ja bereits ein Größerer alles Wesentliche gesagt habe, wie er im Abschnitt vom Heldengedicht aus zweiter Quelle schöpft, wie er mit der neueren Gattung der „Romainen" vor allem fertigzuwerden versucht durch umfassenden Abdruck (S. 354—414) einer Verdeutschung von P. D. H u e t s „Lettre . . . de l'origine des Romans" (1670, bzw. „Essay sur l'origine des Romans"·, ins Lateinische übers, v. W. Pyrrho, Paris 1683), die er vorfand in Happels „Insulanischem Mandorel" (1682). Hierbei scheint zugleich auch Morhofs Quelle sichtbar zu werden; denn Huet Happel suchen das Gefährliche des Romans als bloßen Mißbrauch zu entkräften, betonen die Förderung der Welterfahrung, Weltgewandtheit und Lebensweisheit. Sprachlich interessant ist der Umstand, daß der Huet-Übersetzer Happel bereits die Form „Romanen" (neben „Romans") und das Kompositum „Roman-Schreiber" bringt, während Morhof und Rotth durchweg an „Romainen" festhalten. Die Bezeichnung „Romanen" (für Romane) begegnet etwa ein gutes Jahrzehnt später in Wagenseils Plauderei mit der Scudéry (Eingangskapitel zur MeistersingerAbhandlung), in der hinsichtlich der kunsttheoretischen Forderungen — wenngleich nur mittelbar aus scherzhaft-kritischer Spiegelung — zugleich doch die Abwehr von Anachronismen für den historischen Roman sichtbar wird. Es mag bei dieser Gelegenheit, ohne auf das Sondergebiet der Romantheorie abschwenken zu wollen, kurz erwähnt werden, daß Huet-Happel fordern: der Roman habe von „gezierten Sachen" zu handeln, nicht von streng wahrhaftigen, sondern von wahrscheinlichen Dingen, die sich „so wohl hätten zutragen können". Die Lusterregung durch die ansprechende Formgebung soll „locken und betriegen" und so mit Hilfe der „Vergnügung" dazu beitragen, „die Strengigkeit der Unterweisung" zu „versüßen". Rotth seinerseits, der bereits ein ganzes Kapitel (VII) den „Romainen oder Liebes-Gedichten" einräumt, arbeitet einmal mit dem üblichen Redeverteilungskriterium (der Poet hat nur
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selten das Wort zu ergreifen, das überwiegend den Romangestalten gebührt); andererseits glaubt er ein Inhaltskriterium darin zu finden, daß die Hauptmaterie aus Liebeshändeln besteht, so daß diese „Romainen" denn auch füglich „LiebesGedichte genannt" werden dürften. Vornehmheit der Personen ist erwünscht, aber nicht unbedingt erforderlich; denn „auch mittelmäßige, doch ehrbare Personen" sind zulässig. Dem Stil nach überwiegt in den empirischen Mustern die ungebundene Redeweise. Die Darstellungshöhe hat Übersteigerungen, die Darstellungsart Extreme zu meiden: „Das beste ist die Mittelstraße". Der Zweck der Romane liegt darin, daß „man dem Leser mit der Lust zugleich allerhand nützliche Sachen beybringe" (Beispiele für Sach- und Lebenskenntnis). An Birken erinnert die Wendung, daß „jederzeit die Tugenden gelobt und die Laster gescholten" werden sollen. Romanlektüre ist als gelegentliche „Ergetzung" empfehlenswert, nicht aber zum „täglichen Gebrauch". Für die Jugend erheben sich Bedenken wegen der zeitraubenden Lektüre (vgl. Morhof), aber auch wegen der Gefahr, daß die Jungen „nichts als erdichtete Schatten in ihrem Kopf" hätten oder gar „verliebte Grillen".
Lebenskundlich und stilkundlich unterbaute Wortkunsttheorie. Mehr oder minderweitgreifend durchwirkt das allgemeine, lebenskundliche und im besonderen stilkundliche Streben die gesamten Wuchsformen der politisch-politen, galant-curiösenWortkunsttheorie im frührationalistischen Entwicklungsvorraum. Und es könnte fast als symbolischer Auftakt gelten, wenn Chr. Thomasius einerseits seine Vorlesung (1687), seine Zeitschrift, die sogenannten „Monatsgespräche" (1688f.) und sein Collegium Stylt (1691) in den Dienst deutscher Sprachgeltung und Sprachpflege stellt und andererseits zugleich in seinem „Discours" über die Nachahmimg der Franzosen „in gemeinem Leben und Wandel" (1687) die deutsche Lebenskundigkeit zu fördern trachtet, zwar nicht ohne zeitgemäßen Seitenblick auf Frankreich und nicht ohne ein Nachwirken Gracians, aber auch nicht ohne eine kulturpolitische Ermahnung zur Besinnung auf eigenes Wesen und eigene Werte. Über Morhof hinaus werden so entscheidende Schritte getan in eine doch merklich abgehobene Richtung.
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Die Richtung innerhalb der Poetik selbst beherrscnt vor allem Chr. Weise in ihren kunst- und stiltheoretischen wie auch in ihren lebenskundlich-„politischen" Leitkräften. B. Neukirch mag einbezogen werden als Beipsiel nachwirkender barocker Teilströmungen, aber auch als Träger eines systematischen Eingliederungsversuches der „galanten" Dichtweise, J. S. Wahll als Typus eines besonders klar ausgeprägten Weiseanismus. So will dieser Abschnitt nur das Leitmotiv oder die Leitmotive an einigen Sonderfällen vorwegnehmen und vernehmlich machen, die in den Vereinzelungen und Verbesonderungen bis in den vorgottschedischen Raum hinein immer wieder, wenngleich mannigfaltig abgewandelt, begegnen werden. Der Zittauer Rektor C h r i s t i a n W e i s e (1642—1708), der sich nicht erschöpfend mit dem Kennwort des „galant-politischen" bestimmen läßt, griff schon um 1675 mit der ersten Fassung des Gesetzes der Prosakonstruktion („Nothwendige Gedancken") nachhaltig in die kunsttheoretische Entwicklung ein, nachdem Ansätze der Konstruktionsbewertung bereits längst vorher bei Opitz, Buchner u. a. gegeben waren, und bot dann sogleich im Titel seiner späteren Poetik die Grundelemente seines Programms. Seine „ C u r i ö s e n G e d a n c k e n v o n d e u t s c h e n V e r s e n . . (1691/92/93) wollen Exaktheit und Korrektheit den Schülern als praktisch verwertbar mitgeben. Der nüchterne Nützlichkeitsstandpunkt, den besorgten Eltern der Zöglinge gegenüber noch besonders beruhigend betont, löst den immerhin weniger nüchternen Spieltrieb der Barockpoetik ab. Der Kampf um die Vormachtstellung oder doch Gleichberechtigung der Poesie wird aufgegeben oder doch merklich abgedämpft und die Dichtung in den Dienst des allgemeinen, „politischen ' (weiterer Begriff, etwa: lebenskundig, lebensgewandt) Lebens gestellt. So wird denn die Poesie einer Kunstfertigkeit dienstbar gemacht, die besser im praktischen Leben verwertbar ist. Für den Professor poesos ist „die Poeterey nichts anders als eine Dienerin der Beredsamkeit" und ein „ N e b e n - W e r k . . . der eloquenz". Sie gilt als Unterabteilung angewandter Rhetorik (Richtung Gottsched). Dichtung ist weiterhin weniger als jemals vollwertige Eigenkunst mit Eigengeltung. Zesen als freier Schriftsteller erscheint Weise als lächerliche Figur, wie denn ausdrücklich ein bürgerlicher Hauptberuf neben der dichterischen Betätigimg gefordert wird (II, 13), so daß die Dichtkunst
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wieder in jene Position des Nebenbei gedrängt wird, in der sie schon J. J. Grasser (1617) gesehen hatte. Die Barockvertreter gelten als „Phantasten ohne Politesse" (Lebenstüchtigkeit, Lebenskunst, Gewandtheit). Da das Überschwänglich-Überhöhte zu bekämpfen war, so greift Weise — nicht ungeschickt — gern auf das Kriterium der Lächerlichkeit zurück. Alles, was irgendwie lächerlich wirken könnte, wird mit fast banausenhaft gesundem Sinn verworfen, wobei nüchterner Alltagssinn und Durchschnittsgeist allzu leicht jeden Schwung bereits als lächerlich und verstiegen empfand. Im gutgemeinten Bemühen, den trüben und uferlosen Phrasenschwall einzudämmen, wurde zugleich das Quellwasser reicher Phantasie abgegraben. Doch läßt nähere Untersuchung erkennen, daß Borinskis unhistorische Kritik auf Grund verfehlter Gegenwartsmaßstäbe den Verdiensten Weises nicht gerecht werden konnte. Denn in seiner Art wollte Weise die Dichtkunst eben doch lebensnah und wirklichkeitsmutig im Sinne eines ernsthaften Lebensdienstes machen. Die Aufhebung des bislang überbetonten Unterschiedes zwischen gehobener, ja überhobener Dichtersprache und einfacher oder auch geschulter Redeweise kann geradezu als Kernstück der Poetik Weises gelten. Der P r i m a t der P r o s a k o n s t r u k t i o n bringt gleichsam nur die entscheidende Verdichtungsstelle. Man braucht nur das Gedicht, das einst Harsdörffer als schlechtes, weil zu schlichtes Beispiel verwarf, neben Weises angepriesene Mustergedichte zu stellen, um zu erkennen, daß jetzt eben dasselbe als Stärke gilt, was dort als Schwäche und Mangel getadelt wurde: daß also das K u n s t w o l l e n eine andere Richtung genommen hat. Diese Richtung stellte sich schon auf Prosa ein, die dann in der Hochaufklärung hervorragende Sondergeltung errang, während sie in diesem vorbereitenden Stadium erst einmal als entscheidendes Wertkriterium für poetische Formen herangezogen wird. Als Wertmaßstab aber hat sie bereits unbestritten den Primat inne: „ W e l c h e C o n s t r u c t i o n in prosa n i c h t g e l i t t e n wird, die sol man auch in Versen d a r v o n lassen". Der syntaktische Bau hat in engster Anlehnung an Prosa und Rede zu erfolgen im normalen ungezwungenen Nacheinander, weil die „ungezwungene Construction besser ist als die andere". Von der Konstruktion handelt das ganze dritte Kapitel des ersten Teils, wobei im Aufrechterhalten der kulturpatriotischen Leitidee hervorgehoben wird, daß eben hierauf „die meiste Lieb-
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lichkeit der Teutschen Sprache beruhet". Und auch in jenem Gespräch zwischen Professor und Untergebenem (II, 86 ff.) fehlt nicht die Kardinalfrage: „Aber wie stehts um die construktion?" Drei Hauptprobleme wirft diese Frage auf: i.) welche Einzelwörter sind in die Konstruktion zu bringen ? 2. ) wie ist die Gesamtkonstruktion anzulegen? 3.) dürfen aus der Rhetorik gewisse Freiheiten übernommen werden ? Auf die erste und zweite Frage gibt dann Weises Poetik vor allem auch durch zahlreiche Beispiele umfassende Antwort. Die dritte Frage wird bejaht, doch betont Weise überall, daß derartige Lizenzen eben auch in der Prosa geduldet werden und vorkommen (ζ. B. in der Partikelfrage, hinsichtlich der Parenthesen usw.) und wahrt so selbst noch bei den „Ausnahmen" die grundsätzliche Geltung des Prosa- und Redemaßstabes. „Ein wenig versetzet" zwar darf werden, aber nur, „wenn in prosa noch Exempel (dafür) gefunden werden". Wie Weise einerseits seine Neuerung möglichst fest als Gesetz verankern möchte, so sucht er sie andererseits zu stützen auf eine frühere, anerkannte Autorität, und zwar auf Opitz, der also immer noch in hoher Achtung stand. Dabei muß dann der gute Wille ein wenig nachhelfen mit Hineindeutung: „Und ob er (Opitz) zwar die Regul ausdrücklich nicht gesetzet hat, daß man die constructionem prosatcam zur Richtschnur brauchen sol", so verrate das doch des Meisters Praxis hinreichend. Unter diesem Gesichtspunkt will auch Weises Duldsamkeit in der R e i m f r a g e verstanden werden. Ihn dünkt es angemessen, daß die „sclaverey mit den Reimen nicht allzuweit extendiret" werde, weil der Reimzwang zur Vergewaltigung der Konstruktion verführt und man sich durch den gezwungenen Reim viel „Krafit und Nachdruck muß entgehen lassen". Der Wille und Mutwille zum Reim darf eben nie eine an sich gute Wendung unterdrücken oder verderben. Daher zieht Weise die Berechtigung reimloser oder doch reimlockerer Formen wie die madrigalischen Oden immerhin in wohlwollende Erwägung und weist gleichzeitig auf das Vorangehen der Engländer und Holländer in der „freien Manier" und auf die „Licentz in Reimen" empfehlend hin. Sein Interesse für Musik, das seine Nüchternheit etwas mildert und neben der Verständlichkeit wenigstens auch den Klang der Konstruktionen berücksichtigt sehen will, läßt ihn auch Musiktexte als Belege für Reimfreiheit heranziehen, während er sich mit der Forderung, daß eine gewisse rhythmisierende Anordnung und
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Mischung den Reim in solchen Fällen ersetzen solle (und also könne 1), bereits leise den freien Rhythmen nähert. Sein Ausgangspunkt gleicht dabei mehr dem von — Arno Holz (Prosarhythmus) als dem Klopstocks (Gefühlsrhythmus). Und da — unhistorisch — einmal der Naturalist vergleichend herangezogen worden ist : leichte Ansätze zum Realismus sind bei Weise immerhin spürbar, wenn auch in der Theorie schwächer als in seinem eigenen Dichten. Recht verheißungsvoll klingt im Rahmen der B e g a b u n g s b e w e r t u n g die selbstbewußte Wendung in der Erläuterung des allegorischen Kupferstichs, der Weises Poetik vorangestellt ist: „Ich fordere ziemlich v i e l . . . Denn wer sich mit Collectaneis, Aerariis, Poetischen Trichtern und andern gebrechlichen Rohrstäben hat trösten wollen, der findet sich nun betrogen". Und auch späterhin polemisiert er gegen das mechanische Zusammenstoppeln aus Phrasesbüchern (II, 77). Aber eine wirkliche Befreiung vom Lehr- und Lernbarkeitsstandpunkt Hegt keineswegs vor. Verworfen werden eigentlich nur die alten Methoden, wie denn ganz natürlicherweise diese Poesie der schmuckarmen, ja schmuckfeindlichen Prosa keine Sammelplätze und -schätze von Schmuck- und Prunkstücken mehr nötig hatte. Unbedenklich wird dagegen Zesens Reimweiser empfohlen, denn in diesem Punkte habe die deutsche Sprache Hemmungen. In der Aufrechterhaltung normaler Syntax bei Reimversen lagen für die Neuerung Schwierigkeiten und für deren Überwindung waren denn auch sogleich wieder die mechanischen Hilfsmittel erlaubt und angebracht: „Und im Fall der Noth (der natürlich oft genug eintrat) ist kein besser Mittel, als wenn man das Alphabet durch gehet", um den rechten Reim zu finden (1, 39). Da aber Weise die Begabung betont, seine eigentliche Überzeugung also nicht recht eindeutig erkennbar wird, so sucht man am besten seine Grundposition in seiner sonstigen Zentralstellung, in der Konstruktionsfrage, auf. Da ergibt sich dann, daß das Üben und Probieren ganz unentbehrlich und von schlechtweg entscheidender Bedeutung ist und daß es sich dabei im einzelnen um durchaus verstandesmäßiges und bewußtes Operieren mit Variationsketten handelt, etwa nach Art von stilistischen Übungen. Wo keine zwanglose Normalkonstruktion vorliegt, der Inhalt aber brauchbar erscheint, da müssen eben solange Versuche mit anderen, inhaltlich ähnlichen, formal modifizierten Wendungen
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angestellt werden, bis die rechte vorschriftsmäßige Prosasyntax herausspringt. Nicht die erste Eingebung (hinsichtlich der Gestalt) ist das dichterisch Wertvollste, sondern ausschließlich die Übereinstimmung des Gefundenen und Gesuchten mit den syntaktischen Gesetzen: „Was mir schön vorkommt, das (behalte ich nicht einfach bei, sondern) werffe ich in Gedanken so lange herum, biß es recht und ungezwungen deutsch klinget" (1,154). Weiter gefaßt: nicht das Schöne entscheidet, sondern das Richtige, Ordnungsgemäße, Ordentliche, Wohlgeordnete. Der Ordnungssinn des Frühklassizisten stellt sich über den Schmucksinn des Barockpoeten: „ N i c h t s aber i s t l i e b l i c h , als welches an eine gewisse Ordnung gebunden wird". Der Ordnungssinn wird mit dem Schönheitssinn zur Deckimg gebracht und identifiziert. Dabei wird handwerkliche Solidität bevorzugt; denn wenn auch der Versuch der Meistersinger nichts taugte, weil dort die Poesie „ungelehrten und einfältigen Leuten überlassen ward", so erscheint doch auch dem volksfremd Bildungsstolzen der dichterische Vorgang bedenklich handwerksmäßig: Tischler, Maurer und Schuhmacher werden ohne Bedenken vergleichend herangezogen. Wenn ζ. B. eine der Wendungen beim Zusammensetzen durchaus nicht mit dem Konstruktionsdogma übereinstimmen will trotz allen Probierens, so verwerfe sie der Poet, „wie der Tischler die krummen Höltzer" fortwirft, die sich nicht einfügen wollen. Wenn auch wir noch von der „Werkstatt" des Dichters sprechen, so nimmt Weise das noch ganz wörtlich. Sein Wechselgespräch zwischen Poetikprofessor und Schüler soll durch Zuschauen beim Entstehen, beim Machen belehren, wie der Schusterlehrling auch am besten beim Zu- und Nachsehen das Nachmachen erlerne. Ist ein Vers glücklich zusammenkonstruiert, so muß er sogleich aufgeschrieben werden, damit ihn der „Dichter" nicht wieder vergesse. Das innige Eingedrücktsein des Geschaffenen in der Seele des Schöpfers, das etwa Kleist nach Jahren noch ganze Teile des „Guiskard" gegenwärtig sein ließ, ist unbekannt. Schnelle Fabrikation liefert Ramschwaren, Geduld und kritische Auswahl dagegen brauchbare und hochwertige Werkstattarbeit, so daß ein tüchtiger Poet oft über ein paar Zeilen „wohl einen Tag künstlen möchte". Ähnlich ist der Inhalt zu verarbeiten; denn „wer in seiner Kunst was Hefern will, der bringe gut Gewichte". — Im einzelnen ist Weises Lehre durchaus folgerichtig und praktisch-
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brauchbar angelegt. Nicht ohne pädagogisches Geschick ζ. B. zeigt er, wie rhetorische Figuren und rednerische Ausdrucksmöglichkeiten, die ja audi der Prosa angehören, als Mittel für dichterische Zwecke ausgewertet und wirksam benutzt werden können und sollen, gleichsam im Sinne einer Veredelung von Zweckformen. Durch das Hervortreten dieses kunsthandwerklichen Betriebes, das an sich das Verantwortungsbewußtsein des Dichters für sein Machwerk steigerte, erhalten gelegentliche Hinweise auf die Begabung ihre Korrektur und unleugbar eine starke Abschwächung. Doch verdienen sie trotzdem Erwähnung und gerechte Würdigung, vor allem deshalb, weil Weise die Begabung als stillschweigende Gesamtvoraussetzung anzunehmen scheint. So meint er nach jenem Lehrgespräch, daß derartige Andeutungen hinreichend sein möchten für den, „der Ingenio hat", da ja doch für denjenigen, der keine Anlage mitbrächte, selbst ein „ganzes Buch" hierüber nichts helfen würde. Auch sonst gilt das „naturel", die „Inclination", das „Poetische Ingenium", als erforderlich (ähnlich später Thomasius). Regeln allein reichen nicht aus. Zum mindesten gebe die glückliche Veranlagung einen entscheidenden Vorsprung in der Entwicklung. Als günstiger Produktionsfaktor gilt vor allem das Erregtsein, das er gern als „raptus" bezeichnet und das etwa unserer Konzeption gleichzusetzen ist. Daß jedoch jene Ansätze zur Konzeptionsbewertung nicht auf Gefühls- und Erlebniskunst hindeuten, beweist die Modifikation der Affektenlehre. Unter „Affekte" sind nicht unsere erlebten Gefühlserregungen und -bewegungen zu verstehen, sondern künstlich erzeugte Hineinsteigerung und Anempfindung. Der Dichtende nämlich „muß sich so lange in der meditation vertieften, biß er den affect bey sich fühlt und gleichsam (Als-ObNatürlichkeit) alles ungezwungen hinlauffen läßt". In Wirklichkeit aber darf er seinen natürlichen Gefühlswallungen gerade nicht freien Lauf lassen, sondern muß sie beherrschen und nivellieren, da er sonst die Poesie in Mißkredit bei den Vernünftigen bringen würde. Denn die vielerörterte Verachtung der Poeterey entsteht nach Weise, „wenn sich die Poeten mit solchen unzeitigen affecten gar zu bloß gegeben und den raptum ihres Gemüts in einer indifferenten (!) conversation nicht wol haben verbergen können". — Das künstliche Anlocken der produktiven Stimmung kennt auch er.
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Ganz ähnlich wie man dem „furor poeticus" nicht ohne abschwächendes Zurückhalten die Zügel schießen lassen darf, vielmehr sich möglichst afiektüberlegen verhalten soll, so ist auch üppiger S c h m u c k und überladener P r u n k e n t b e h r l i c h und schädlich (Abwehr des Barock). „Zucker" darf man nur „selten brauchen"; und die panegyrisch-hochtrabende Art hat sich besser dem „usus familiaris", dem üblichen Sprachgebrauch anzupassen (nivellierende Tendenz). Neubildungen sind dementsprechend unerwünscht und überflüssig, seien überdies für einen auch ohne Schwulst möglichen hohen Stil zwecklos; denn man brauche dazu „keines neuen Backofens, darinne neue und ungewöhnliche Wörter gebacken werden" (I, 131, Drosselung des sprachschöpferischen Vorgangs, Sichtung Gottsched). Überhaupt wird — nicht ganz mit Unrecht — die übermäßige Berück· sichtigung und Pflege des Einzelwortes für den — behaupteten — Stillstand der Entwicklung seit Opitz verantwortlich gemacht. Bilderstrophen unter anderem werden als bloße „Gaukeley" nur kühl gestreift, das Akrostichon zwar noch beibehalten, jedoch in der Herstellungstechnik auf Prosastufen zurückgeführt. Als ideal gelten die Attribute: Deutlichkeit, Allgemeinverständlichkeit, Üblichkeit, „Nachdenklichkeit" (gedanken- und sinnvoller Inhalt) und vor allem syntaktische Regelmäßigkeit und Ordnung. Die pädagogische Nutzbarkeit der Schulkomödien und ihre zweckentsprechende Anlage erörterte der Zittauer Rektor, dessen volkserzieherische und kulturpolitische Bestrebungen Hervorhebung verdienen, besonders im Vorbericht „ V o n V e r f e r t i g u n g der K o m ö d i e n und ihrem N u t z e n " Sur „Ungleich und gleich gepaarten L i e b e s - A l l i a n c e " (1708). Wenn er darin selbst erklärt: „ich vertiefe mich in den Vorbericht wider meine Gewohnheit", so liegt in unserem Sinne kein eigentliches SichVertiefen als vielmehr ein Weises Prosastil auch sonst eigenes Sich-Ausbreiten vor. Zuversichtlich stellt er den Grundsatz voran: „Daß die Komödien bei der Jugend ihren sonderlichen Nutzen haben, das ist ausgemacht". Und zwar ermöglicht die Komödie den jungen Leuten, „mit guter Bequemlichkeit" und ohne durch Erfahrungsschäden oder auch im wörtlichen Sinne teures Lehrgeld zahlen zu müssen, Einblick in das praktischpolitische und gesellschaftliche Leben, „welches ihnen sonst ohne große Müh und Kosten nicht in die Augen fället". Derartige Komödien vermögen nicht allein zu „mancher guten Meditation"
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anzuregen, sondern lassen auch die dadurch als Mitwirkende oder Zuschauende Belehrten „manchen Antrieb zur Geduld, zur Klugheit, zur Behutsamkeit mit nach Hause nehmen" als sicheren Gewinn an Lebenskundigkeit, Lebensgewandiheit und Lebenstüchtigkeit. Wie einerseits die Gewandtheit in Rede und Haltung der an der Aufführung beteiligten Jugend zugutekommt, so soll und wird darüber hinaus „ein junger Mensch aus dergleichen Intriguen etwas merken, dadurch er gegen Gott zu einem andächtigen Gebete, gegen sich selbst zu einer gebührenden Demut, sodann auch gegen der spitzigen und betrieglichen Welt zu einer gewissenhaften Behutsamkeit Anlaß nehmen mag". Der Charakter des Vorberichts legt es nahe, abgesehen von jenem Hauptziel der „Nutzbarkeit", die „Verfertigung" besonders in eigener Sache zu behandeln, und zwar bevorzugt Weise die drei Sondergattungen nach stofflich-motivlicher Art: das Stück mit „geistlicher Materie", das aus der „politischen Historie" entnommene Sujet und schließlich die ins „gemeine menschliche Leben" greifende und dort ihr lehrreiches Exempel findende und durch eine „verblümte Vorstellung" vermittelnde Komödienart. Zwar meint Weise hinsichtlich der Komödie in Versen, für die einige Jahrzehnte später J. £. Schlegel einzutreten wagte, daß ihm die Verskomödie an sich leichter geworden wäre, „weil ich constructionem prosaicam niemals verlassen darf" (darf = brauche.). Diese nicht gerade zwingende Begründimg — die im Munde Lessings eher überzeugt — sollte offenbar das Ansehen des Prosakonstruktions-Gesetzes fördern helfen. Jedenfalls möchte Weise das glauben machen. Er selbst aber verzichtete auf die angeblich dergestalt erleichterte Form der Verskomödie mit der auch sonst (z. B. bei Birken) auftauchenden Begründung: „Doch ich finde keinen casum im menschlichen Leben, da die Leute mit einander Verse machen". Dem Einwände, der von dieser leicht realistischen Position aus den so beliebten Gesangseinlagen gemacht werden könnte, begegnet Weise vorbeugend mit dem Hinweis darauf, daß doch auch in der Lebenswirklichkeit „die Leute zum Zeitvertreib oft ein Lied singen". Von hier aus würde sich auch der Ausblick auf die Singspielproduktion eröffnen. So wurde z. B. von Weise Reimfreiheit im Madrigal des Singspiels zugebilligt. Neben diesem ergiebigen „Vorbericht" bringen überhaupt seine Vorreden und Bemerkungen zu eigenen Dichtungen auch
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bereits vor den „Curiösen Gedancken . . . " eine Reihe von kunsttheoretischen Einzelbeiträgen. Das Gesetz der Prosakonstruktion war ζ. B. schon in „etlichen Anmerckungen" im Rahmen von „Der Grünen J u g e n d nothwendigen G e d a n c k e n " (1675) erstmalig aufgestellt worden. Damals allerdings hatte sich Weise noch damit begnügt, zu erwägen „ob man dieser gezwungenen Freyheit (dichterische Konstruktionsbrechung) müßig gehen und solche Verse machen könte, welche in allen Stücken der Sprache ( = konstruktionsgerechten Prosa) näher kämen" (a. a. O, S. 317). Eigene Versuche hätten ihm diese Möglichkeit und den darin liegenden Vorteil bestätigt, da durch dieses „Kunst-Stücke" der Anpassimg an die regelmäßige Konstruktion die Rede lieblich und leicht werde. Der Dichter solle nur an dieser Stelle mit der selbstkritischen Korrektur einsetzen, wenn ihm an sich nicht recht klar sei, „wo es eigentlich sitzt, daß ihm der Vers weder klingen noch klappen wil". Hinsichtlich der heidnischen Götternamen vertritt Weise hier eine vernünftige Duldsamkeit. Nur Gebet und Schwur können den heidnischen Göttergestalten gegenüber nicht geduldet werden. Im eigenen Interesse des Dichters liegt es, solche mythologischen Namen zu vermeiden, „die von wenig Leuten verstanden werden", während bekanntere, wie etwa „Mars, Venus, Hercules, Cupido" usw. in den Bereich der „Poetischen Freyheit" ohne religiöse Bedenken einbezogen werden dürfen. Das frühaufklärerische Kriterium der Verständlichkeit, nicht ernsthafte religiöse Bedenken bestimmen Weises Stellungnahme zu diesem heiß umstrittenen Problem. Die Vorrede „An den geneigten Leser" zu diesen „Nothwendigen Gedancken" bringt bereits die Überzeugung zum Ausdruck: „Sofern ein junger Mensch zu etwas rechtschaffenes (sie) wil angewiesen werden, daß er hernach mit Ehren sich in der Welt kan sehen lassen, der muß etliche Nebenstunden mit Versschreiben zubringen". Die praktische Verwertbarkeit und Notwendigkeit der Redegewandtheit, die schon damals nachdrücklich betont und recht eigentlich dem Dichterischen wie letztlich auch dem Theatralischen (Schulkomödien) übergeordnet wird, läßt es als selbstverständlich erscheinen, „daß man der Pòetetey nicht allerdings entrathen könne". Einzelbemerkungen, durchweg in eigener Sache, betreffen gewisse Auflockerungsversuche der dramatischen Form, bejahen in Anpassung an den volkstümlichen 17
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Geschmack reicher verflochtene Vorgänge in der Komödie, wehren die Einzwängung in fünf Akte ab und fordern ein organisch sinnvoll eingelagertes Zwischenspiel. Teils von Borinski bereits erfaßt und neuerdings von W. Eggert besonders theatergeschichtlich (für die Theorie des Theaters) ausgewertet, finden sich derartige Teilbeiträge ζ. B. in den Vorreden zum „Zittauischen Theatrum" (1682) mit Berücksichtigung der Erziehung zur Lebenskundigkeit, zu „Isaaks Opferung" (1680), in der ausführlichen Vorrede zu „Lust und Nutz der Spielenden Jugend" (1690), in der „Vorrede de Interpretationc Dramatica." zur „Comödienprobe" (1695), in der Vorrede zum „Körbelmacher" (1705), zum „Alfanzo", zur „Argenis" und anderen mehr. Die Unterordnung auch der theatralischen Gespräche unter die Leitidee der Redekunst bestätigt die V o r r e d e zu den „Neuen Proben von der Vertrauten Redenskunst" (1700). Mag es im einzelnen auch mehr die Regellockerung in der eigenen dramatischen Produktion gewesen sein als eine wirklich tiefer dringende Einsicht, die ihn zu einigen vorwärtsweisenden Äußerungen ermutigte, so bleibt doch Weises Verdienst einer Annäherung der Bühne an das Leben ohne Scheu vor Volksnähe und Mundart, einer bewußt deutschen Haltung und eines ehrlichen "Willens zur volkserzieherischen Wirkung im nationalgeistgeschichtlichen Sinne durchaus bestehen. Die Uberschneidung frühaufklärerischer, galanter und spätbarocker Strömungen wird deutlich beobachtbar, wenn einige Jahre nach Weises „Curiösen Gedancken . . . " B e n j . N e u k i r c h (1665—1729) den spätbarocken Musenalmanach „Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckte Getichte" (1695 ff.) herausbringt, der in weiteren Teilen bis ins achtzehnte Jahrhundert (1709) hineinreicht. B. Neukirch, der gleichzeitig seine „Galanten Briefe und Gedichte" (1695) herausgab und ein wenig später einen galanten Briefsteller verfaßte, rühmt in seiner kunsttheoretisch beachtlichen „ V o r r e d e von der deutschen poesie" zu jener Anthologie Hofmannswaldau als den „deutschen Ovidius" und als den, wenn auch von den Italienern beeinflußten („sehr an die Italiäner gehalten") Begründer der „lieblichen Schreibart, welche nunmehr in Schlesien herrschet" und kargt auch Gryphius und Lohenstein gegenüber nicht mit Anerkennung. Und so soll im Sinne der M u s t e r n a c h a h m u n g der junge
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Poet, der nicht ein bloßer Versmacher und Gelegenheitsdichter sein darf, von Opitz und Fleming die heroische, von Gryphius die „bewegliche und durchdringende", von Hofmannswaldau die „hebliche, galante und verhebte", von Lohenstein die „scharffsinnige, spruchreiche und gelehrte" Gestaltungsweise in der Schreibart sich absehen und gleichsam ab-„lernen", um durch „deren künstliche Vermischung" zum „sublimen" Stil fortzuschreiten. Noch hält es B. Neukirch für ratsam, „durch lesung der Griechen und Römer klug zu werden", um stufenweise vom „mit anmuth" angebrachten Fremden zum hervorgebrachten Eigenen aufzusteigen. Daß dieses Eigene immer noch ein Mosaik, besonders auch ein Stilmosaik bleiben muß, nimmt er unkritisch hin. Er verrät uamit ungewollt, daß die betonte und an sich beachtenswerte Begabungsbewertung doch nur wenig tragfähig untergründet sein kann. Zwar rückt er von der billigen und eilfertigen Massen- und Marktware der Gelegenheitsdichter entschieden ab. Ihre Betriebsamkeit wie auch die Betriebsamkeit der Regelschmiede für Versmacher, also der ranggleichen Poetiker, haben wohl eine mengenmäßige Mehrung, aber eine wertmäßige Minderung der deutschen Poesie herbeigeführt: „Ein ieder schulmeister will nunmehr verse machen". Als Heilmittel gegen den Massenbetrieb des Minderwertigen empfiehlt er, die Echtheit der eigenen Begabung ernstlich zu prüfen. Man braucht nicht sogleich an Karl Philipp Moritz' äußerlich ähnliche, innerlich aber weitaus vertieftere Forderung im Entwicklungsraum der deutschen Klassik zu denken, wenn B. Neukirch anrät zu unterscheiden, ob das, „was uns zur poesie anreitzet, ein natürlicher trieb oder nur ein gemachtes verlangen sey" und für den letzten Fall vom dichterischen Schaffen abrät. Immerhin arbeitet er die an sich konventionell gegebene These von der Seltenheit des echten Dichters nachdrücklich heraus: „Denn unter tausenden ist kaum einer so glückselig, daß er sich zur poesie rechtschaffen schickete", wie er auch „einem fröhlichen gemüthe" den höchsten und „fürnehmsten" Wertgrad unter den Begabungskräften und Schaffensantrieben zuencennt, also von stimmungsmäßigen Voraussetzungen weiß. Aber davon hatten schon Opitz und die Renaissancepoetiker gewußt. Und wenn man erfährt, daß Zeitmangel und Mangel an „beförderung" genügen, um dieses „fröhliche gemüth" zu unterdrücken, so wird man bereits stutzig werden, ob denn damit 17*
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die dichterische Gefühlssteigerung schöpferischer Art gemeint sein kann. In der Tat verschiebt sich denn auch das V e r h ä l t n i s von B e g a b u n g und Schulung in der durchweg üblichen Weise beträchtlich zugunsten der Schulung, wie bereits die angeratene Schulung durch Musternachahmung vermuten läßt. Vor allem ist B. Neukirch — wie vor ihm etwa auch Czepko und andere — der Überzeugung, daß eine recht ausgedehnte Arbeitszeit die Leistungshöhe auch im Dichterischen notwendig steigern müsse. Die Alten haben ihre Höhe nicht zum wenigsten dadurch erreicht, daß sie ihre Dichtungen „wohl zwantzig mahl" kritisch überprüft hätten. Selbst für den geborenen Dichter wird eine besondere Arbeitsgeduld für unerläßlich gehalten. Und es darf ihm auch rein äußerlich (beruflich) nicht an Zeit mangeln, wie mehrfach hervorgehoben wird. Gewisse Schönheitsfehler des an sich besonders hochgeschätzten Lohenstein werden aus dem Umstand erklärt, daß „ihn die zeit und geschäfte an ausputzung (im Sinne von Durchfeilung) dieser seiner geburten . . . gehindert hätten". Und weil er seine „schrifften nicht noch einmal übersehen können", hält sich B. Neukirch — wie auch Hofmannswaldau gegenüber — nicht nur für berechtigt, sondern, ein Ramler des siebzehnten Jahrhunderts, auch für verpflichtet, von sich aus vermeintliche Verbesserungen vorzunehmen. Entwicklungsgeschichtlich steht im Zeitraum Wernickes dahinter ein erstarkender Glaube an die Kritik, der zu Lessing hin immer mehr anwächst. Persönlich steht dahinter ein gut Stück der sonst geschmähten „Schulfuchserei" in B. Neukirch selbst. Er reitet auch seine kleinen Steckenpferde und bewährt in Wirklichkeit nicht den großen Blick des Kritikers für das Wesentliche und Entscheidende, soweit es um künstlerische Dinge geht. So neigt er etwa dazu, die P f l e g e der B e i w ö r t e r als Wertungskriterium echter Dichtung bedeutend zu überschätzen und einseitig hervorzukehren. Aber damit vertritt er zugleich ein zeittypisches Merkmal der galanten Poetiker und Stiltheoretiker, wie denn H o f m a n n s w a l d a u in dem V o r w o r t zu seinen „ D e u t schen U b e r s e t z u n g e n und G e d i c h t e n " (1679) die „durchringenden Bey-Wörter" selbst hervorgehoben hatte. Manche der Widersprüche zwischen Begabungsbewertung und Schulungsbewertung versucht B. N e u k i r c h zu überwinden durch eine g r a d h a f t e S t a f f e l u n g der D i c h t l e i s t u n g und der D i c h t e r t y p e n . Diese Bewertung nach Stufen verdient über
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Neukirch hinaus Beachtung deshalb, weil an ihr die auch sonst nachweisbare Beobachtung gemacht werden kann, daß man die politisch-polite, „galant-kuriöse" Dichtung mehr als Mittelstufe betrachtete (ähnlich Stolle), neben (zeitlich) und über (werthaft) der jedoch immer das Ideal einer hohen Kunstdichtung bestehen bleibt, das bald mehr bald minder deutlich durch den reizvollen Schleier der Modedichtung hindurchschimmert. Eine ähnliche Erscheinung läßt sich im achtzehnten Jahrhundert im Bereich der Anakreontik — so etwa von Hagedorns kritischen Äußerungen — ablesen. Man pflegt modisch einen Dichtungstypus mit aller Bewußtheit, ohne den Blick dafür zu verlieren, daß er nicht die Erfüllung und Verwirklichung der hohen und „eigentlichen" Poesie darstellt. Vielleicht wird auch von dieser Seite her verständlich, warum Gryphius, Hofmannswaldau und Lohenstein immer noch als die hohen Sterne verehrt werden, während die eigene Dichtungsübung schon andere Wege geht. Ein Erklärungsversuch, der neben dem kulturpolitisch verantwortungsbewußten Bewahren des achtunggebietenden Bestandes deutscher Dichtung im Wettbewerb mit dem Auslande immerhin manches Einleuchtende für sich haben mag. Doch sei sogleich angemerkt, daß im Einzelfalle B. Neukirch seinen verehrten Hofmannswaldau der galanten Mittelstufe zuzurechnen scheint. Die hohe Dichtung der Begabten, der wirklich Begnadeten, die sich „wie die paradiesvögel alle tausend jähre kaum einmal" erblicken lassen, hat auch die strengeren „regeln dèr hohen poesie" zu befolgen. Kaum einer unter tausenden also ist berufen, manche herben Bedingungen und manche schmerzlichen Opfer „am gelücke" sind damit verbunden, Opfer wiederum auch an Zeit (die Dichtkunst gehört noch immer den Nebenstunden). Jene hohen Poeten „müssen nicht allein an natürlichen gaben viel reicher, sondern auch in erfindungen tiefsinniger, in der arbeit gedultiger und in der schreib-art fester und mehr polirei seyn". Sie sollen — neben gutem bürgerlichen Auskommen und mindestens drei- bis vierstündiger Freizeit täglich! — weiterfahren» sprachenkundig und wissenschaftlich allgemein gebildet, außerdem „ihrer affecten meister" wie auch „vernünfftig" in ihrem Urteilsvermögen sein. Deutlich werden dabei bereits frühaufklärerische Merkmale als Wesenszüge in das Idealbild des hohen Dichters eingezeichnet, während mit der Mustergeltung das hochbarocke Ideal hinübergerettet wird. Doch sei einmal zur Erwägung gestellt,
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ob nicht B. Neukirch im Verfölgen seiner kulturpatriotischen Richtung jenen gründlichen Arbeitseifer für den ranghöchsten Dichtertypus auch deshalb in Anspruch genommen haben könnte, weil die französischen Kritiker den deutschen „bon esprit" zugegeben hatten, während sie den deutschen „bei esprit' leugneten. Zum „bon esprit' aber gehörte arbeitsame Gründlichkeit. Indem nun B. Neukirch sie auch zum wertvollsten Dichtertum gehören ließ, lag der Zugang zu der Beweisführung offen da, daB die Deutschen auch ranghöchste Dichter zu stellen vermochten. Ausgewertet hat Neukirch diesen naheliegenden Zugang indessen nicht, wie auch nicht übersehen werden soll, daß seine Vorrede nicht ausdrücklich jenen Unterschied von „bon esprit" und „bei esprit" (Baillet) klarstellt, während ihn Meisters Vorrede „Vom Esprit der Teutschen" ausführlich erörtert. Auf der zweiten Rangstufe stehen die „galanten Dichter", die etwa den Typus des „bei esprit" zu vertreten haben. Zu dieser Begabungsschicht „gehören feurige und aufgeweckte gemüther, welche in der galanterie sehr wohl erfahren, im erfinden kurtz, in der ausarbeitung hurtig und in allen ihren gedancken seltsam seyn". Die dritte, niedrigste und breiteste Schicht füllen die Versmacher, die besser täten, „zärtliche Ohren" nicht mit ihren Machwerken zu behelligen. Die geringe Aussicht auf das Erreichen der höchsten Stufe und die Wertlosigkeit der tiefsten Stufe lassen nun die Mittelschicht als besonders ausbaufähig und empfehlenswert erscheinen: „Dannenhero thun diejenigen am besten, welche die mittel-straße halten, sich b l o ß auf g a l a n t e g e d i c h t e legen und um die geheimnisse der hohen poesie unbekümmert lassen". Diese Richtungsweisung gewinnt um so mehr Nachdruck, als sie den Endertrag der Vorrede merklich zusammenfaßt, wobei nicht restlos klar wird, ob Lohenstein und Hofmannswaldau bedingungslos zur hohen oder doch nur zur mittleren (galanten) Schicht gerechnet werden. Jene Richtungsweisung schließt jedoch zugleich eine kulturpolitische und k u l t u r p a t r i o t i s c h e A u s r i c h t u n g in sich. Denn B. Neukirchs „Vorrede von der deutschen poesie" steht in derselben Abwehrfront gegen die französischen Angriffe wie Meisters „Vorbericht von dem Esprit der Teutschen" zu dessen Epigrammabhandlung. Neukirch weist wie Meister die Gleichsetzung der deutschen Geistigkeit mit „Moscowitern und Barbarn" unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die „sehr thörichte" Bemerkung
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des „guten Jesuiten Bouhours" zurück. Die Taktik, die B. Neukirch wählt, geht mit der Meisters insoweit parallel, als er auf die Leistungen der deutschen Dichtkunst als Gegenbelege hinweist und auch zu mehrfachen Gegenangriffen vorstößt : Corneille habe die Griechen nicht erreicht, Bofleaus Satiren seien „abgeborget" von Juvenal und Horaz. Und es scheint, als ob die oben in Erwägung gestellte Vermutung hinsichtlich der Hochwertigkeit des „bon esprit" auch im Raum dieser Angrifisbewegung bestätigt wird, wenn Neukirch die Franzosen für unfähig zur Bewältigung „eines vollkommenen helden-gedichtes", also einer Großform der Dichtkunst hält, weil es ihrer Sprunghaftigkeit an ausbauender Geduld fehle, wobei er immerhin an Chapelain hätte denken können. Seine Taktik weicht aber insofern von der Meisters ab, als Neukirch durch verschärfte Kritik im Sinne einer deutschen Selbstkritik — darin Wernicke verwandt — das Wertschwache abstoßen will, weil es beim Fortschreiten hemmt, und mit Hilfe dieser Kritik vor allem eine Leistungssteigerung erhofft. Der Wettbewerb setzt, wenn er Erfolg haben soll, voraus, daß man ohne Vernebelung durch Selbstbeweihräucherung und Selbstüberschätzung die Dinge erkennen lernt und anzusehen wagt, wie sie wirklich sind. Darin liegt das zweifellos Gesunde der Kritik und der tiefere Sinn jener abfälligen Urteile über die Massenproduktion, über das verantwortungsarme „hinschmieren", über den entarteten Dichterkrönungsbetrieb usw. Darin liegt wohl auch die Erklärung dafür, daß gerade die mittlere Begabungsschicht der galanten Poesie als ausbaufähig hingestellt wird. Denn auf ihr vollzieht sich die Beweisführung für die Möglichkeit eines deutschen „bei esprit". Wie angedeutet, sieht auch B. Neukirch im „bei esprit" nicht die letzte Erfüllung dichterischen Vermögens. Dagegen blitzt nichts auf von Meisters Mahnung, den sittlichen Wert des „bei esprit" doch nicht zu überschätzen. Und vor allem bleibt die Entschiedenheit der Abwehr innerlich gebrochen durch das heimliche, aber spürbare Hinblicken auf den französischen Vorsprung („so würden wir denen Frantzosen bald näher kommen"). Die Zeit erweist sich, ähnlich wie bei Meister, schon zu stark durchsetzt von der Rückwirkung des Überlegenheitsgefühls der Franzosen, obgleich man dieses Überlegenheitsgefühl tapfer, aber ein wenig krampfhaft abschütteln möchte. So muß auch B. Neukirch mit bewußt planvollem Gegendruck die eigene stille und teils halb aus-
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gesprochene Achtung vor der französischen Dichtung beiseitedrängen, um den Weg freizubekommen für die kulturpatriotische Zielsetzung. Sie aber wird in der entscheidenden Tendenz festgehalten, wie etwa auch seine Briefstilanweisung trotz Anerkennung französischer Leistung jede Mißachtung der deutschen Sprache, die eben nur stilistisch besser durchzubilden sei, energisch ablehnt, fast schon mit ähnlichen Worten wie späterhin Lessing. Diese kulturpolitische und kulturpatriotische Zielsetzung wahrt im Gesamt seiner Beiträge bei teils ähnlichen Zugeständnissen an die Franzosen C h r i s t i a n T h o m a s i u s (1655—1728), obgleich ihm im letzten Grunde das Ideal des „bei esprit" näherliegen mochte, als es B. Neukirch lag und liegen konnte. Und in der Tat lehrt sein „ D i s c o u r s , welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle?" (1687, 1701) nichts weniger als etwa eine bloße Nachahmung der Franzosen. Zwar der Mann von Welt und der Gelehrte, der mit diesem Universitätsprogramm eine Gracian-Vorlesung ankündigt, der Mann auch einer überschätzenden Wertung alles Fortschrittlichen erscheint hier nicht gerade übermäßig belastet mit der Ehrfurcht für Werte der Überlieferung, für altdeutsches Wesen und altdeutschen Brauch. Und man spürt sehr bald, daß der aufklärerische Geist selbst stark beeindruckt ist von der französischen Schöngeistigkeit und Scharfgeistigkeit. Man fühlt, daß nicht mehr die Zuversichtlichkeit der Poetiken und Sprachgesellschaften aus den ersten zwei Dritteln des siebzehnten Jahrhunderts am Ausgang besteht, wie denn Thomasius mit kritischem Seiten- und Rückblick an die — wie er meint — fruchtlosen Bemühungen der „edelen Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschafft" erinnert. Situationsgemäß schwebt ihm auch viel mehr chen Glanzlicht,
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das Tacitus und seinen Auslegern aufgesetzt wird, ob ein wenig von der wirklichkeiterhöhenden Naturnachahmung eingemischt ist in dem Epigramm „An einen berühmten Mahler", das merklich die kopierende Naturnachahmung tiefer einschätzt als die verschönernde, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls reicht das Angedeutete bereits aus, um zu erweisen, daß man in dem Entwicklungsgang der deutschen Kunsttheorie nicht gut mit König einsetzen kann, wenn man den Vorsprung der Italiener in manchen Punkten nachweisen will (wie Robertson). Vor allem verbreitert sich schon 1697 der Einzelvorstoß gegen die Einzelmetapher zu einem tiefer gestaffelten Angriff in dem längeren Epigramm: „Auf Lysander und die löbliche (heutige) Ahrt, Teutsche Verse zu schreiben". Die Wendung ins Grundsätzliche einer kritischen Auseinandersetzung, die die Titelgebung betont sichtbar werden läßt, bewährt sich im Inhaltlichen als ein Abwehrkampf gegen alle künstlich aufgemachte und gedunsene Prunkdichtung barocker Stilgebung schlechtweg. Damit hat Wernicke seine Hauptangriffsposition bereits bezogen. Aber klar wird auch schon damals, etwa in der Spitze eines Epigramms gegen den Irrtum, daß die deutsche Redlichkeit nicht in Grobheit und nicht „in Nieder-Sächser Sprach" zu suchen sei, daß Wernicke keineswegs — wie einst Lauremberg — die gesunden Instinkte der mundartlichen Volksdichtung gegen die überbildete Instinktlosigkeit barocken Virtuosentums zum Einsatz bringt. Er führt vielmehr einen Zweifrontenkrieg gegen die hochtrabende barocke und gegen die als trivial empfundene volkstümliche Dichtart, die mit Pritschmeisterei etwa noch im Sacerschen Sinne gleichgesetzt wird. Das siebzehnte Jahrhundert, das im Sterben liegt, soll eben nicht vom Grobianismüs des sechzehnten Jahrhunderts (wie Wernicke die volksnähere Dichtung sieht), sondern von einer verstandesmäßigen Dichtung (Eingang des achtzehnten Jahrhunderts) abgelöst und überwunden werden. Das geht mit ziemlicher Härte aus dem satirischen „ H e l d e n - G e d i c h t e , Hans Sachs g e n a n n t " (1702, aufgenommen 1704) hervor, das den Gegner im Hamburgischen Literaturstreit Postel als Stelpo am härtesten zu treffen hofft, wenn es ihn zum Nachfolger Hans Sachs' (1) einsetzt, unbekümmert um die fast gleichzeitige Ehrenrettung der holdseligen Meistersingerkunst durch J. Christoph Wagenseil. Damit greift in jenes großzügige Kämpfertum der im wesent-
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liehen doch recht kleinlich geführte Hamburgische Literaturstreit verwirrend mehr als klärend über, aus dem der Kampfgang mit Hunold-Menantes noch am ehesten eine gewisse Antriebskraft für Wernickes Kampfwillen gebracht haben dürfte. Gegen den Epigrammatisten hatte Hunold-Menantes eine polemische Wendung vollzogen durch eine „Allerneueste Manier, höflich und galant zu schreiben oder Auserlesene Briefe" (1702), und zwar besonders in dem „Schreiben an einen gelehrten Freund von einigen schlimmen Poeten und anderen unzeitigen Scribenten". Wernicke ließ Gegenstöße erfolgen in späteren Epigrammen (auf Maevius) und wußte den Vorteil der Schlagkraft seiner polemischen Kurzformen auszuwerten, während Hunold-Menantes mit der etwas schwerfälligen Großform eines satirischen Lustspiels auf den Kampfplatz rückte. Der „Thörichte Pritschmeister . . . in einer lustigen Comoedi, wobey zugleich eine Critique über eines Anonymi Überschriften . . . und unverschämte Durchhechlung der Hofmanns-Waldauischen Schrifften . . . " (1704) will Wernicke in der Gestalt des Narrweck bzw. Wecknarr bloßstellen und dessen Epigrammwaffe ins Parodistische umbiegen. Zugleich wird schon im Titelzusatz die Verteidigungsstellung für Hofmannswaldau bezogen und damit angedeutet, daß in dem Hamburger Operndichterstreit die größeren Fronten sich abzeichnen. Das war dadurch bedingt, daß Wernicke mit seinen Seitenhieben gerade die unzulänglichen Nachahmer der Hofmannswaldauischen Schreibart bedacht hatte, zu denen nicht zum wenigsten die Operndichter zu rechnen waren. Unter ihnen vollzog B a r t h o l d F e i n d innerhalb der Hamburger Kampfhandlung eine Schwenkung zugunsten Wernickes und des Frühklassizismus, die kunsttheoretisch, und zwar als Theorie der Oper, besonders sich durchsetzt in seinen „ G e dancken von der Opera", die er der Sammlung seiner „Deutschen Gedichte" (1708) beifügte. Allerdings entspricht Feinds Verteidigung der Oper an sich nicht den Richtlinien des Boileauschen Klassizismus, und sein Eintreten für die Oper drängt ihn zwangsläufig in Auseinandersetzungen hinein mit den rationalistischen Operngegnern. In Hamburg, das mit dieser Abhandlung Feinds so etwas wie eine frühe Hamburgische Dramaturgie der Oper beisteuert, hat England Eingang gefunden und wirkt sich bereits damals als Gegengewicht gegenüber Frankreich aus. Und es ist nicht ohne Reiz, zu beobachten, wie schon diese ältere
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Hamburgische Operndramaturgie, die den Namen „Shakespear" kennt und nennt, in ihrer Art den Primat der Handlung verficht gegenüber einer Umsetzung des Geschehens in Rhetorik. Es ist auch nicht ohne Reiz, zu beobachten, wie Feind als einer der Vorgänger etwa für Wielands Operntheorie die Anpassung des Komponisten an die Intentionen des Textdichters fordert. Keimhaft und naturgemäß noch verschüttet von älterem Beiwerk sind dennoch schüchterne Ansätze gegeben, die auf Lessing einerseits und Wieland andererseits hindeuten. Dem Einwand der Rationalisten gegen die gesungene Rede begegnet Feind mit dem Hinweis auf die versifizierte Rede. Das bekämpfte Reden in Tönen könne nicht als tinwahrscheinlicher gelten als das gestattete und geforderte Reden in Versen, um so mehr als sich bei der wertvollen Oper der Ton dem Worte (und nicht umgekehrt) anzuschmiegen und ihm nur (wie der Vers) gesteigerten Nachdruck zu verleihen habe. Feinds Opernverteidigung bedeutet aber keineswegs eine grundsätzliche Gegensatzstellung zum Frühklassizismus (wie es bei Borinski scheinen könnte). Sein Sonderthema nötigt ihn zu dieser Sehart. In dem Grade jedoch, in dem sich die polemische Rettimg der Oper zu einer aufbauenden Reform der Oper entfaltet, wird auch ein unverkennbares Stützungsuchen bei den neuen Geschmacksidealen wirksam. Und letztlich entscheidend für die Gesamthaltung wird das Gründenlassen der hochwertigen Oper auf der Basis des guten Geschmacks und die entsprechende Abwehr aller Entartungserscheinungen des „mauvais goût". Darüber darf auch die aus kulturpolitischen und kulturpatriotischen Gründen erfolgende Spitze gegen Bouhours und die Reibung mit Boileau nicht hinwegtäuschen. Feind will im wesentlichen doch die regelmäßige Kunstoper unter Anlehnung an das regelmäßige Kunstdrama und unter Abwehr einer übertriebenen Ausstattungsoper. Volkstümliche Elemente werden verständnislos abgelehnt; aber eben unter jener Zielsetzung abgelehnt. Wie für das regelmäßige Theater später von Gottsched — und vorher von anderen —• der Pickelhering verworfen wird, so verwirft Feind den Harlekin, der „gar nicht in die Opera" gehöre und „das Theatrum" nur „prostituirei". Die Gewöhnung an den „Arlachin" bezeugt „wahrlich die größeste bassesse eines mauvais goût und schlechten Esprit des Auditorii". Geschmackserziehung des Publikums unter den Kriterien goût und esprit kennzeichnet
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hinreichend die Wendung in die neue Richtung trotz der unleugbaren Anteile vom Übergangstypus, die gleichzeitig der Operntheorie Feinds noch anhaften. Im einzelnen kann die nicht ohne persönliche Zuspitzung geführte Fehde nicht verfolgt werden. Wesentlich bleibt Wernickes zähes Festhalten am kritischen Reformwillen, dem neben der Weiseschen Reformbestrebung eine wichtige, wenngleich nicht restlos erfüllte Funktion in der frühklassizistischen und frühaufklärerischen Entwicklung zufiel. Diese kritische Haltung wird, teils in Form der Selbstkritik (darunter besonders hervorhebenswert die gelegentlich ablesbare Beispielanalyse am eigenen Schaffensvorgang, S. 51/2), teils als polemische Einsprengung (so etwa gegen Maevius-HunoldMenantes S. 311—314), teils doch auch als eigentliche Wertung vor allem ausgeprägt in den „Anmerckungen und Erklärungen", die fast überreich der Ausgabe von 1704 mitgegeben werden. Und diese Kritik war verankert in der k u l t u r p o l i t i s c h e n Grundgesinnung Wernickes, die gerade an seinem Kennenlernen des Auslandes erstarkt war. Wernicke begnügt sich dabei nicht mit einem billigen und kritiklosen Kulturpatriotismus. Wenn er ζ. B. auch nicht ohne Genugtuung — darin ähnlich Prasch und anderen — die damals vielfach angenommene Überlegenheit der deutschen Dichter gegenüber den Franzosen, Italienern und Engländern in Dingen des Metrums und Reims behaupten zu können glaubt, so wahrt er sich doch den klaren Blick dafür, daß Versmacher und Reimvirtuosen noch keine Poeten im anspruchsvolleren Sinne des Wortes bedeuten. Er bleibt sich bewußt, daß Vorschußlorbeeren, wie sie innerhalb der Barockpoetik so eilfertig gekrönten Poeten ums Haupt geflochten worden waren, recht bald welken und daß der Wettstreit mit dem Auslande eine kritikwillige, gerade auch zur Selbstkritik bereite Selbstzucht des deutschen Dichters erfordert. Er selbst gibt in einer ganzen Reihe von Anmerkungen das erzieherische Beispiel zur Selbstkritik. Aber er weiß, daß zugleich eine allgemeine Geschmacksschulung der Leserschaft einsetzen muß. Zwar kämpft er sich noch nicht frei von Zugeständnissen gegenüber dem Durchschnittsleser („allen Lesern zu gefallen"); aber als sinnvoller und erstrebenswerter wird doch empfunden, „die Verständigste (Leser) auf! seine Seite zu ziehen". Das Bemühen um verläßliche Wertungskriterien erweitert sich von der Einzelleistung zur nationalen Gesamtleistung. Nicht Vorschußlob darf schlum-
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monde Kräfte erschlaffen lassen: anspornende Kritik hat wachzurufen, was an wertmehrerden Verwirklichungsmöglichkeiten gegeben ist. Noch fehlt, wie in der Stellung zum Meistergesang angedeutet, dem Kunstdichter der Sinn für eine wertbewahrendeBesinnung etwa auf die volksnahen Werte der Dichtung des sechzehnten Jahrhunderts. Wohl aber verfügt er über die w e r t m e h r e n d e , leistungsteigernde Gesinnung des Kritikers im Vorgelände der kritischen Eroberungsschlachten Lessings. Auch dies weist auf Lessing voraus, daß Wernicke im Theoretisieren und Wegweisen vorwärtstreibender war als im eigenen Produzieren, daß er ζ. B. in den Epigrammen keineswegs überall vom theoretisch mehrfach beanstandeten Wortspiel loskam, ja daß er selbst noch manchen barocken Ballast mitschleppte, den er doch als Kritiker so zäh bekämpfte. Aber nicht nur Lessings kritische Genialität, auch Lessings Wille zur entschiedenen Klärung vermißt man bei Wernicke. Der kulturpolitische Wille dagegen findet sich bereits recht kräftig ausgeprägt und verleiht zugleich dem kritischen Wollen edleren Auftrieb. Wernicke war ausgegangen vom kulturpatriotischen Beweisen und praktischen Erweisen, daß die deutsche Dichtersprache fähig sei, Sinnsprüche von der Leistungshöhe der lateinischen Epigramme Martials, die etwa auch Czepko nachahmte, zustande zu bringen trotz der Bedenken seines Lehrers Morhof (Vorrede), d. h. er erweiterte frühere Teileroberungen durch das systematische Eingliedern der Epigrammdichtung in die deutsche Wettbewerbsleistung. Und er stieß von da aus immerhin vor zu der achtenswerten Erkenntnis, daß die verantwortungsbewußte Verpflichtung zur Kritik gerade auch dann besteht, „so bald man Liebe genug zu seinem Vaterlande trägt / . . . Fehler anzumercken", daß man das Opfer der Unbeliebtheit bei der Mehrzahl mittelwertiger und minderwertiger Dichter und Dichterlinge um dieser Berufung und Verpflichtimg willen auf sich zu nehmen habe. Dieselbe Anmerkung, die zu solchem Erkenntnisertrag gelangt, bringt zugleich ein paar dramentheoretische Bemerkungen über die „Einigkeit der Zeit, des Orts und der Sache", die im klassizistischen Sinne „gantz genau zu beobachten" seien, über die Sittenverbesserung durch das Lustspiel, die Erregung von Schrecken „oder" Mitleiden durch die Tragödie, bringt die Forderung sinnreicher Einfälle und „großmüthiger und schöner Mei-
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nungen", die auf den Leser haftkräftig einwirken müssen. Und sie bringt wiederum die Bemühung sowohl um den Dichter wie um den Leser, sowohl um den Kunstschaffenden wie um den Kunstwertaufnehmenden, bestätigt demnach die doppelte Richtung des kritischen Erziehungswillens: „Dies alles, sage ich, ist das, worauf entweder die wenigste unserer Poeten bißhero gedacht oder die wenigste ihrer Leser in ihnen gesuchet haben". Im kleineren Bereich und mit größerer Aussicht und Zuversicht auf Erfolg wiederholt sich die im größeren nationalgeistgeschichtlichen Raum beobachtete Erscheinung des Kämpfers zwischen zwei Fronten. Denn obwohl diese zweiseitige Erziehung von Dichter und Leser weniger Spannung und Anspannung in sich zu bergen scheint als jenes gleichzeitige Sichanstemmen gegen den höfischen Barock (17. Jahrhundert) und die volksnähere Bürgerdichtung (16. Jahrhundert), so stellte sie doch zeitbedingt in eine Kampfstellung vorerst hinein, die Wernicke bald friedlich ausgebaut erhoffen möchte : „Ein wenig Zeit, hoffe ich, wird diese Anmerckung in ihr rechtes Licht setzen und ihr den Neid und Haß benehmen, den sie sich hiedurch bey unbedachtsamen und partheyischen Lesern anitzo ohne Zweifel erwecken wird". Auf der kritisch kämpferischen Linie der Satiriker und Epigrammatiker von Logau bis Wernicke begegnet im Schweizer Bezirk Johann Grob (1643—1697), der sein Schweizer Deutschtum in seinem „Treugemeinten Eydgenösischen Aufiwecker" (1688/9) tapfer bewährte und mit seinem verehrten J. Rist manchen „gegenhöfischen" Zug teilt. Der Verfasser einer „ D i c h t e rischen V e r s u c h g a b e , bestehend in Teutschen und Lateinischen Aufschriften wie auch etlichen Stimmgedichten oder Liederen" (1678, doch vorher etwa 1666 entst.), der sich vielleicht ein wenig im Anklang an Sacers Pseudonym (Hartmann Reinhold) als Dichter eines „ P o e t i s c h e n S p a z i e r w ä l d l e i n s " (gedr. 1700) Reinhold von Freientahl nannte, hat neben Sacer unter seinen Gewährsmännern und Quellen Ovid, Cicero, Martial, Horaz, Ausonius, Ovenus (Owen), den wenig bekannten Tübinger Schulmann Leonhard Engelhardt (16. Jh.), Moscherosch, Rachel, Boileau (Satiren) und andere zu verzeichnen. Eine theoretische Wesensbestimmung des Epigramms hat J. Grob nicht versucht. Aber er beteiligt sich am kulturpatriotischen Kampfe gegen das fremdländische Unwesen, er polemisiert gegen die aufgeblasene Schreibart wie die früheren Satiriker;
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er macht sich über die bombastische Verklärung der Geliebten lustig, um sie dann ernüchternd als „des Schornsteinfegers magd" zu enthüllen. Aus Gründen der Moral bekämpft er •— so noch 1730 Freyer — den Liebesroman wie sein Landsmann G. Heidegger, dessen „Discours von den so benanten Romans" er offenbar kannte und für den er noch kurz vor seinem Tode eine Zuschrift geplant zu haben scheint. Das moralische Wertungskriterium herrscht weiterhin in den Stachelversen „Auf einen verbuhlten Poeten", dem Hang zur „schlipfrigkeit" vorgeworfen wird. Daß er neben der üblichen Polemik gegen die Pritschmeister für die R a n g s t u f u n g der B e g a b u n g s g r a d e einen zugleich selbstkritisch eingestellten Sinn aufwies, geht aus der V o r r e d e zur „Dichterischen Versuchgabe" hervor, die für den Verfasser nur die Bezeichnung eines Liebhabers der Dichtkunst in Anspruch nimmt, während der Ehrenname Poet „weit ein mehrers" erfordern würde. Zwar ist dabei die übliche vorbeugende und verbeugende Bescheidenheitsgebärde der Vorrede zu berücksichtigen. Die bekannte Z w e c k b e s t i m m u n g der D i c h t k u n s t (prodesse et delectare) wird in der V o r r e d e zum „Poetischen Spazierwäldlein" mit der Zielsetzung, „das gemüht nuzlich zu ergezen", eindeutig aufgegriffen, wobei eine leichte Teilverlagerung zum Ergötzen hin nicht überschätzt werden darf. Unter den mehrfach bei Grob vertretenen Sinnsprüchen „ A n den Leser" läßt einer besonders deutlich erkennen, daß jene Verlagerung nicht zum wenigsten mit Rücksicht auf die bevorzugte Gattung der Satire und des Epigramms erfolgt; denn es soll „auch was zu lachen" geben, damit die Anteilnahme des Lesers nicht „erschwachen" möge: „Fürwaar der Reimer ist ein ungereimter Mann, der Nuzbarkeit und Lust nicht stets vermischen kan". Im metaphorischen Raum des „Wäldleins" bezeichnet Grob die Satire wohl auch als „das schärfte Stechlaub", das für das Laster als gerechte Strafkrone geeignet und heilsam erscheint. Die Berechtigung und den Zweck der Satire und des Epigramms erläutert er in der üblichen Weise schon in der „Versuchgabe" zugleich in eigener Sache: „Wer zucht und tugend ehrt, darf wol der laster spotten, diß tracht' ich auch zu thun und meide wüste zotten". Das hindert ihn aber nicht, einige Derbheiten als beliebte Würze einzustreuen. Gewisse volkstümliche Einschläge, wie sie durch den Anschluß an das Sprichwort — gelegentlich wird (wie bei Canitz) auch die Form der Fabel aufgegriffen — gegeben sind,
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können doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Grob wenig vorteilhaft vom einfachen Volk denkt („das Volk hat fliegenart") ; insofern wird die vorherrschende Volksfremdheit der Zeit spürbar. An das aufkommende Zeitalter der Kritik erinnert Grobs hohe Bewertung des „kunstverständigen Urteils", das auch Wernicke erhoffte und durch Kritik schulen wollte. In Form der an Boileau sich auch inhaltlich merklich anlehnenden Verssatire, die ebenso B. Neukirch für literaturkritische Zwecke aufgriff („Auf unverständige Poeten"), hatte F r i e d r i c h R. L. von C a n i t z (1654—1699), dessen „Nebenstunden unterschiedener Gedichte" 1700 ohne Namensnennung erstmalig von J. Lange herausgegeben wurden, eine im wesentlichen mit Wernicke gleichgerichtete Literaturkritik frühzeitig vorwärts getrieben in seiner Satire „ V o n der Poesie", der sogenannten „dritten Satyre" in der Gruppe der „Satyren und Übersetzungen". Die frührationalistische und frühklassizistische Einstellung der Urteile und Forderungen in dieser Satire, die auch Canitz' Kenntnis der „l'Art Poétique" Boileaus verrät, wird gleichsam in aller Form bestätigt dadurch, daß noch Gottsched mehrfach Canitz' Satire von der Poesie zur Verstärkung eigener Meinungen in seiner Kritischen Dichtkunst heranziehen kann. Besonders lieb mußte es ihm sein, dort schon gewisse Teilstützen für seine Naturnachahmungstheorie anzutreffen, so etwa Canitz' Tadel: „Man denckt und schreibt nicht mehr, was sich zur Sache schicket / Es wird nach der Vernunfft (Gottsched zitiert „Natur"!) kein Einfall ausgedrücket" oder Canitz' Klage im Rückblicken auf Virgil: „So künstlich trifft itzund kein Tichter die-Natur / Sie ist ihm viel zu schlecht; er sucht ihm neue (U.König: „sich neue") Spuhr". Selbst wenn man bei „künstlich" die Bedeutung von kunstreich annimmt, wird ohne weiteres die Vorform der Als-ObNatürlichkeit erkennbar, ganz abgesehen ilavon, daß die Satiriker und Kritiker, aber auch die Poetiker stets dazu neigen, das ihrer Geschmacksrichtung oder ihrem Kunstwollen nicht Gemäße als „wider die Natur" zu bezeichnen und abzuwerten, wie denn die Wertbezeichnung „Natürlichkeit" überhaupt starken Schwankungen unterworfen gewesen ist. Gleichzeitig hört man Boileaus Mahnung mitklingen „Que la nature donc soit votre étude unique". Und so erhält die an sich von Plato (Plutarch u. a.) längst übernommene Lehre von der ästhetischen Wirkung der Ähnlichkeit in Canitz' Fassung: „Da
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doch ein jeder weiß, daß in den Schildereyen / Allein die Ähnlichkeit das Auge kan erfreuen" eine gewisse Auffrischung und Umfärbung. Immerhin wird das Fordern des Schlichten, Vernünftigen deutlich sichtbar, um so mehr, als es sich von dem Verwerfen des barock Uberhöhten, des „auf Steltzen"-Gehen, Gesteigerten und Geschmückten abhebt. Denn den Wortprunk und die Wortpracht bekämpft Canitz teils parodistisch (d. „Straalbeschwäntzte Blitz") wie Wernicke, Grob und frühere Satiriker mit allem Nachdruck. Aber Lohenstein und Hofmannswaldau selbst werden nicht angegriffen, sondern neben Opitz und Besser anerkannt. Und der furor poeticus, die poetische „Raserey", in der ein Poet „wie ein Beseßner pflegt... zu schäumen", erscheint ihm verdächtig, unsinnig und unwürdig. So begegnen inhaltlich jene von der früheren Satire her bekannten Hauptangrifisziele, darunter z. B. auch der Reimzwang und die schmeichlerische Erwerbsdichtung, die „eine Redens-Art, die Göttlich solte seyn", jederzeit als abgegriffene Münze bei der Hand hat. Die Nachwirkung dieser Satire Canitz', an sich schon durch Gottscheds Erwähnung belegt, darf nicht unterschätzt werden. Wenn die spätere Ausgabe der Epigramme Wernickes von 1704 jene umfassenden Anmerkungen und Erläuterungen bringt, die sich mehrfach mit kunsttheoretischen Fragestellungen, Wertungen und Forderungen auseinandersetzen, so dürfte nicht zum wenigsten die ermutigende Anregung zu solchem Unternehmen ausgegangen sein von Joh. Gottlieb Meisters „Unvorgreifflichen Gedancken von Teutschen Epigrammatibus" (1698). Lag es doch für Wernicke um so näher, nicht an dieser Sonderschrift vorüberzugehen, da Meister unter seinen zugleich als Belege für den deutschen „bei esprit" gedachten Mustern neben Opitz, Logau, Fleming, Gryphius, Hofmannswaldau, Lohenstein und Mühlpfort bereits Wernicke, obwohl noch als Anonymus —> entsprechend Wernickes anonym erschienener Sammlung von 1697 — einbezogen hatte. Aber wiederum ragt mancher Erkenntnisvorstoß und mancher theoretischkritische Ertrag Wernickes über Meisters theoretische Teilfortschritte werthaft und wesenhaft hinaus, und zwar in dem Grade, wie die schaffende Eigenleistung des Epigrammatikers und Kritikers Wernicke auch die theoretische Einsicht erlebnismäßig und erfahrungsmäßig vorantreiben mußte. Jene Teilfortschritte Meisters indessen dürfen billigerweise nicht
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an Wernicke, sondern wollen am früheren Bestand der Theorie des Epigramms ermessen werden. Und dieser Bestand, der aus Einzelbemerkungen Scaligere, Opitz', Schottels, Titz', Rists (in der Vorrede zum Poetischen Lust-Garten), Masens, Birkens, Morhofs, Kindermanns, Omeis' u. a. manchen mehr oder minder ergänzenden Beitrag — neben zahlreichen bloßen Wiederholungen —· mühsam hatte gewinnen müssen, hatte sich in Deutschland bislang noch nicht als reich genug erwiesen für eine ausführliche Würdigung der Sondergattung in einer deutschsprachlichen Sonderabhandlung. Das Ausland konnte u. a. mit einem breitschichtigen Werk des Franziskus Vavasseur (Vavassor) aufwarten „De epigrammate Uber et epigrammatum libri tres" (1669), das eingehender noch als Masenius' lateinische Epigrammtheorie angelegt war. Nicht erst durch Lessings Kritik wurde Vavasseurs Epigrammtheorie in ihrer Geltung auf das rechte Maß zurückgedrängt. Vielmehr erwies sich besonders die fehlgreifende Einteilung des Epigramms in fünf Bestands- und Wesensmerkmale (dulce, candidum, salsum, vehemens, acre) von vornherein als wenig glücklich und fruchtbar, wie denn auch die Duldsamkeit Vavasseurs hinsichtlich der Ausdehnung des Epigramms angesichts der an sich schon ungesicherten Abgrenzung der epigrammatischen Sonderform eher Verwirrung als Klärung zu bringen geeignet war. Trotzdem soll die Teilförderung der Debatte über Werden, Wesen und Wirken des Epigramms durch die Bemühungen Vavasseurs nicht verkannt werden, die über das Theoretische ins Historische hinausgreifen, im beispielhaften Anleiten nicht ungeschickt vorgehen und in Deutschland nicht ohne Einwirkung geblieben sind. Wernicke nicht nur, auch Meister nennt und kennt den Franz. Vavassor (Meister, S. 97). Gerade der Seitenblick auf das Ausland, der rückschauend zugleich als eine Art von Poetik durch einflußstarke Mustersetzung die lateinischen Epigramme des Engländers John Owen (Owenus) vom Beginn des Jahrhunderts (1606) mit ins Auge fassen müßte, erinnert daran, daß Meisters deutschsprachliche Sonderschrift weit stärker als Masens „Ars nova argtUiarum" zugleich im Licht kulturpatriotischen Wettbewerbs gesehen werden will. Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e L e i t i d e e und der k u l t u r p o l i t i s c h e W i r k u n g s w i l l e erschöpfen sich also nicht in dem „Vorbericht von dem Esprit der Teutschen", sondern bekunden sich in dem 19 M a r k w a r d t , Poetik t
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Unternehmen an sich, eine deutsche Epigrammtheorie in deutscher Sprache und mit deutschen Mustern herauszustellen. Aber in diesem denkwürdigen „Vorbericht", der nach Umfang und Gedankengang recht gut ein eigenes Kapitel der Meisterschen Schrift hätte abgeben können, verdichtet sich naturgemäß der kulturpatriotische Leistungswille besonders wirksam im Abwehrkampf gegenüber mehr oder minder anmaßenden Beurteilungen und Verurteilungen deutschen „Esprits", wie sie von Bodinus, Bouhours und Baillet ausgesprochen worden waren. Mit ernstem Kampfeseifer, der gelegentlich auch grob dreinzuschlagen versteht, führt Meister seine Verteidigung, als „Rettung" fast im Lessingschen Sinne, die den entlastenden Gegenangriff mehrfach wirkungsvoll zum Einsatz bringt. Bodins Hinweis auf die Körpergröße der Deutschen als Ursache einer vermeintlichen deutschen Ungeistigkeit kann schnell ad absurdum geführt werden. Die Anzweiflung der Möglichkeit eines deutschen bel esprit seitens Pater Bouhours' und die abwertende Gleichsetzung der deutschen Kulturleistung mit der russischen, der Deutschen mit den „Moscowittern" fordert verschärfte Gegenwehr heraus, deren Erregung in persönlichen Seitenhieben nachschwingt. Doch fühlt Meister in diesem Kampfabschnitt gegen Bouhours seine Verteidigungsstellung bereits entlastet durch die „Epistel an den berühmten Herrn F. B. C.", mit der „der gelehrte Herr Cramer in Berlin" bereits zum Gegenstoß übergegangen war. Es handelt sich dabei um J. F. Cramers „Vindiciae nominis Germanici contra quosdam obtrectatores Gallos" (Amsterdam 1694). J. F. Cramer hatte in voller Front den deutschen Kulturbestand verteidigt im Aufrückenlassen berühmter deutscher Geschichtsschreiber und Schriftsteller, Kritiker und Maler, aber auch Dichter wie Opitz, Fleming, Tscherning, Hofmannswaldau, Lohenstein und Gryphius. Ihnen fügt Meister hinzu u. a. Namen wie Mühlpfort, Hallmann, Neukirch, Besser, Wentzel und Weise. Ernsthafter als mit Bouhours, dessen recht eigentlich erst später einsetzende Einflußstärke Meister aus zu geringem Zeitabstand noch unterschätzt, scheint er sich mit Baillets etwas wohlwollenderem, wenngleich immer noch kritischem Urteil auseinanderzusetzen. Eingehend erörtert er besonders die französische These von der klimatischen Ungunst der nördlichen Länder hinsichtlich der Hervorbringung eines hurtigen und rechten Esprits — das spätere „Witz" steht noch nicht für „Esprit", entspräche ihm jedoch in der Sinngeltung —, um sie
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mit Gegenbeispielen zu widerlegen. Ihm leuchtet durchaus ein, daß eine „iegliche Nation... ihr besondernes Naturel, ein iegliches Jahrhundert seinen Genium" aufzuweisen habe. Die Bestimmung durch das Klima dagegen, bald im achtzehnten Jahrhundert so eifrig erörtert, wehrt er ab. Ihm gilt das „Naturel" als begabungsmäßige Anlage für hinreichend bestimmt durch die natürliche Erbanlage, durch „die Beschaffenheit der zeugenden Eltern" (wobei neben der modern anmutenden, aber von Plutarch bezogenen Einsicht in die Erbschäden von „trunckenen Vätern", die „Influenz der Gestirne" recht zeitgebunden wirkt), durch die sittlichen Kräfte der Erziehung und die Fügung Gottes. In allen diesen Bestimmungen brauchen die Deutschen nicht zurückzustehen. Und die ihre eigene Wertgeltung vordringlich rühmenden Völker, die sich im Bildungsgut „ein Monopolium zueignen" möchten, werden damit rechnen müssen, daß „auch hierinnen die letzten die ersten werden können". Nach alledem besteht für Meister „kein Bedencken, ohne daß ich besorgen solte, man werde mir praeconcipirte Vaterlands Gedancken vorwerfen, zu bekennen, daß unter Teutschen so wohl ein bel esprit als bey irgend einem andern Volcke könne gefunden werden". Daß dieser Vorbericht nicht nur ein Vorgesetztes, sondern ein durchaus Zugehöriges und Grundlegendes darstellt, bestätigt die unmittelbare Anknüpfungsmöglichkeit des ersten Kapitels der eigentlichen Abhandlung, wie denn der Eingang zugleich einen festen Einsatz bedeutet: „Daß bey Teutschen so wohl als bey andern Nationen ein scharfsinniger Geist zu finden, habe bereits erwiesen, auch nebst andern auf ihre Epigrammata mich bezogen. Die Exempel, welche aus den bekanntesten Poeten hier beybringen will, werden dieses deutlicher darthun". Diese kulturpatriotische und kulturpolitische Zielsetzung bedeutet mehr als eine edle Geste und ist mehr als ein guter Vorsatz zu Beginn der Erörterungen. Denn die gesamte Abhandlung bleibt ständig nach diesem Ziel hin ausgerichtet, das besonders zäh umkämpft und tapfer erstrebt wird im vierten Kapitel „Von der Expression der Epigrammatum". Dort nämlich geht es um die formsetzende „kunstmäßige und annehmliche Ausbildung" der Sinngedichte in deutscher Sprache. Die „Materie" steht ebenso wie andern Nationen auch den Deutschen zur Verfügung, „weil sie die Fontes mit allen andern Nationen gemein haben. Nur der Sprache wegen giebt es was zu bedencken", zugleich wiederum ein Beleg «9*
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dafür, daß man die Fragen der Inventio teils zurückstellte, weil sie in der außerdeutschen Poetik hinlänglich erörtert zu sein schienen. Und eben derartige kritische Bedenken und Vorurteile gegenüber einer deutschsprachlichen Epigrammdichtung aus dem Wege zu räumen, ohne die Schwierigkeiten der Formgebung (Kürze, Deutlichkeit, Lieblichkeit im Klangwert) zu verkennen, setzt nun Meister sich zur Aufgabe. Die früher übliche zuversichtliche Stützung zwar auf eine alte deutsche Haupt- und Heldensprache erfolgt nicht mehr. Vielmehr glaubt Meister zugestehen zu müssen, daß, „die Wahrheit zu bekennen", die deutsche „Mutter-Sprache" noch „zu Anfange des vorigen Jahrhunderts . . . sehr roh" gewirkt habe. Doch dieses Zugeständnis erfolgt offenbar nur, um jenen ausländischen Kritikern die schiefe Vergleichsbasis zu entziehen, die sich notwendig ergeben muß, wenn jene Herren nach veraltetem Sprachbestand und veralteten Berichten ihre anmaßenden Urteile fällen und damit weit hinter der wirklichen Entwicklung herhinken. Die kämpferische Auseinandersetzung mit den Ansprüchen der anderen europäischen Sprachen nähert sich in der ganzen Haltung weitgehend dem kulturpolitischen Geist des Vorberichts. Der Endertrag für die Sonderabhandlung aber wird eingefangen in der Behauptung, „daß auch durch teutsche Federn ein gutes Epigramma exprimiret werden könne". Dabei haben deutsche Schriftsteller entbehrliche Fremdwörter als bloße Schlacken, die ihr „eigenes Gold" der Muttersprache verunreinigen, zu meiden, ohne aber „aus unzeitigem Eiffer" alle Fremdwörter zu verbannen. Und ein wenig wirkt bereits die Zeitstimmung der galant-curiösen Politesse ein, wenn etwas lässig und leichthin das Fremdwort mit dem „Schattier-Fleckgen", dem Schönheitspflästerchen, verglichen wird, das die Helligkeit der Schönheit (der Muttersprache!) um so wirksamer erstrahlen lasse. Daß jedoch der Ernst deutscher Verantwortungsfreudigkeit, um den diese Übergangsepoche mühsamer zu ringen hatte als manche kulturpolitisch glücklichere Zeit, eine Gesundheit in der Grundhaltung bewahrt hat, daß die Uberschätzung des bloßen „bei esprits", des geistreichelnden Schöngeistes bewußt abgelehnt wird, daß die Gefahrenzone eines Mißbrauches der schöngeistigen und scharfgeistigen Begabung durch Zersetzung sittlicher Werte nicht übersehen wird, erhellt — bereits im „Vorbericht von dem Esprit der Teutschen" — aus der kritischen Mahnung: „Und
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was wird der Welt gedienet, wenn auch noch so ein artiger Geist bey einem Volcke sich findet, wo selbiger sich nur in Unfläthereyen herum weltzet oder über allerhand Eitelkeit und scrupuliren die edle Zeit verliehret" (Vorbericht, S. Ii). Es ist nicht nur der Richtungspunkt des prodesse, der darin sich auswirkt. Hier setzt sich das Ringen um die Gesundheit deutscher Geistigkeit, wie es kraftvoller und unbedingter etwa Moscherosch mit seiner Verherrlichung alter deutscher Redlichkeit und der „teutschen" Haltung des vom Höfischen unangekränkelten Lebensemstes so unermüdlich durchgefochten hatte, merklich — wenn auch abgeschwächter in der Abwehrkraft — dennoch fort im Empfinden für die Reinerhaltung des deutschen Geistes. Abgeschwächter, denn Meister verfügt nicht mehr über die wache Bewußtheit, auch nicht mehr über die schlagkräftige Wucht Moscheroschs u. a. in dieser Lebensfrage eigendeutscher Haltung. Aber es bleibt doch anzuerkennen, daß er im Eifer des Wettbewerbs mit dem Auslande, daß er im themagemäß und zeitgemäß gegebenen Beweisen- und Erweisenwollen der Möglichkeit und Tatsächlichkeit eines deutschen „bei esprit" nicht die Kehrseite jener umworbenen Werte des Scharf- und Schöngeistigen übersehen hat und daß er diese Kehrseite wenigstens beiläufig aufdeckt. An solchen Stellen berührt er mehr instinktiv als vollbewußt wirklich den deutschen Geist, eine deutsche Geistigkeit und nicht nur den geistreichen „Witz", den „Esprit der Teutschen". Nur vereinzelt zwar geschieht das. Aber spürbar wird einiges von jenem Verantwortungsgefühl auch dort, wo Meister im „Vorbericht" von den drei Hauptfaktoren der Begabung in der angedeuteten Weise handelte. Die Bewertung der Begabung erweist sich in der Epigrammabhandlung verhältnismäßig nachdrücklich und bestimmt ausgeprägt. Es war dies allerdings nahegelegt dadurch, daß man (z. B. Baillet) für den „bei esprit" in Abhebung vom „bon esprit" (durch Fleiß und gründliche Mühewaltung ausgezeichnet) gerade einen anlagegemäßen Einfallreichtum und eine zwanglose „Hurtigkeit" in Anspruch nahm. Dennoch bleibt bemerkenswert, mit welcher Einheitlichkeit Meister an der Anschauung festhält, daß die erste und unerläßlichste Bedingung für den Epigrammdichter „ein hurtiges Naturell" darstelle, „daß das Naturell geschickter sey, dergleichen auszufinden als alle Regeln und Exceptionen zusammen genommen''. Die Regelgeltung wird in
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mehrfachen Vorstößen e r n s t l i c h e r s c h ü t t e r t . Und zwar nicht zum -wenigsten durch die Uberzeugung, daß „bey Erfindung eines Acuminis die Natur mehr als die Kunst beytragen muß"; denn das Acumen, der „Schluß", die „Spitze", der „Stachel" (d. Pointe) galt auch für Meister wie für seine Vorgänger und Gewährsmänner als das Herzstück und Hauptstück des Epigramms. Ebenso kann die zweite Teilkraft für das Zustande-* kommen eines wertvollen Sinngedichtes, das Angeregtsein durch „Affekte" kaum eine Förderung durch Regelkenntnis erwarten. Am ehesten noch könnte man sich eine gewisse Unterstützung seitens der Regelanwendung bei der dritten Teilkraft, die Meister für die Epigrammerfindung als fruchtbar annimmt, bei der Anregung nämlich durch geistvolle Unterhaltung, durch eine sinnreiche und nachdrückliche „Conversation", durch einprägsame und zur Nachahmung anreizende „Discurse" vorstellen. Und fraglos wird an dieser dritten Teilkraft innerhalb der gleichsam genetischen Wesensbestimmung des Epigramms der Ubergang vom Definitionsteil zum Anweisungsteil und damit ein gewisses Abgleiten zum Glauben an die Lehrbarkeit und Erlernbarkeit noch am ehesten fühlbar. Aber immer bleibt er sich klar darüber, daß alle die anregenden Beispiele, Beispielanalysen, beziehungsweise die improvisierten Synthesen aus den vielerörterten Teilgliedern „nur den confusen Apparat an die Hand geben". Wie er sich auch klar darüber bleibt, daß derartige Kunstgriffe nach der Aufgliederung in Protasis und Apodosis, die er von Masenius übernimmt und durch eine nicht ganz klare „argute Synthesis oder Connexion" nicht gerade glücklich zu bereichern versucht, daß derartige Stufenstützen zum Emporschreiten auf die ersehnte Höhe der Epigrammdichtung bestenfalls den Anfänger ermutigen können. Mit merklichem Eifer allerdings sucht er von der Grammatik und ihren Fragen her eine eigene Erleichterungsmethode in Empfehlung zu bringen. Stofflich wird im allgemeinen aus der Geschichte und der wirklichen Erfahrung mehr an geeigneten Epigrammansätzen zu gewinnen sein als aus reiner Erfindimg. Auch wird ein an sich schon ungewöhnlicher Vorfall durchweg günstiger auswertbar sein als bloße Alltäglichkeiten. Die Mythologie — und damit wird eine leise Rücksichtnahme auf breitere Leserschichten im Rahmen der Kunstdichtung immerhin erkennbar — sollte in deutschen Epigrammen nur soweit einbezogen werden,
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wie sie auch weiteren Leserkreisen verständlich und zugänglich bleibe. Deutlichkeit ist neben Kürze und Scharfsinnigkeit überhaupt ein wesentliches Wertmerkmal des guten Epigramms, das überdies besonders in seiner Pointe metrisch zwanglos und in der Sprachgestaltung gewandt wirken muß, um Stockungen an entscheidender Stelle zu vermeiden. Hinsichtlich der metrischen und sprachlichen Gestaltung kann schon die Einwirkung des Weiseschen Prinzips der Prosakonstruktion angenommen und nachgewiesen werden. Und insofern würde also Meister bereits den Weiseanern zuzuordnen sein. Gegenüber jener genetischen Wesensbestimmung des Epigramms nach den Teilkräften: Begabimg, Affekt, angeregte Unterhaltung tritt die rein formale Definition weniger scharf umrissen hervor in der Fassung: „Ein Epigramma ist eine gebundene Rede, welche in einer deutlichen Kürtze etwas scharffsinniges von einer Person, That oder Sache vorträgt". Auch sonst greift Meister vieles von dem auf, was in der Tradition der Epigrammtheorie in häufigen Wiederholungen angetroffen zu werden pflegt. Bemerkenswert jedoch erscheint neben den auch sonst landläufigen Definitionsgliedern die Bezeichnung als „gebundene Rede". Denn Meister hat „Bedencken", das Epigramm „ein Getichte (Poema)" zu nennen, weil die Fiktion, das rein Erdichtete nur eine geringe Bedeutung für sein Werden, seinen Wert und seine Wirkimg besitzt. Eine Begründung, die ins Positive gewendet, also dem echten Gedicht vor allem Fiktionscharakter zuweisen würde. Allerdings sieht Meister sich doch bald gezwungen, dem üblichen Sprachgebrauch, dem er immerhin als einem „Wörter-Tyrann" in diesem Falle nur widerwillig sich beugt, Folge zu leisten und das Epigramm wieder an anderen Stellen als ein „kurtzes und scharfsinniges Getichte" zu bezeichnen. Wie bei B. Neukirch und Joh. G.Meister liegt in „ J o h a n n Christof W a g e n s e i l s B u c h von der Meister-Singer Holdseligen K u n s t , Anfang, Fortübung, Nutzbarkeiten und Lehr-Sätzen" im Rahmen seines beschreibenden Werkes „De Sacri Rom. Imperii Libera Civitate Noribergensi Commentano ..." (1697) das Schwergewicht in der k u l t u r p o l i t i s c h e n und k u l t u r p a t r i o t i s c h e n Haltung. Für die Poetik kommt vor allem Wagenseils Eingangskapitel in Betracht, das den Erörterungen über den Meistergesang mit seinen grundsätzlichen
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Gedankengängen vorangestellt worden ist. Denn wenn auch Joh. Chr. Wagenseils Hang zur etwas breit ausspinnenden Plauderei die mittleren Teile dieses Einleitungsabschnittes mit allerlei zeitstimmungreichen Anekdoten und Exempeln aufschwellt, so stellt ihn doch die eigene Gesinnung und die gewählte Ausgangssituation eines Gesprächs mit der Scudéry auf Pariser Boden mitten hinein in kulturpolitische Fragestellungen. Hinter dem galant sich gebenden Unterhaltungston des deutschen Gelehrten mit der französischen Schriftstellerin, wobei Wagenseil ein wenig wohl auch den deutschen bel esprit bekunden möchte, steht doch zugleich der ganze Ernst und Eifer des Verteidigers seiner deutschen Muttersprache und seiner deutschen Dichtung. Die christliche Frömmigkeit, die zuvor dem „Vater des Lichts" gedankt hat für die Entfaltung der deutschen Sprache zur „Zierde und Kunstrichtigkeit", geht ein wenig unversehens, aber doch bruchlos über in eine nationale Gläubigkeit im Verteidigen der Werte und des Wachstums deutscher Sprachfähigkeit und deutscher Kunstleistung gegenüber den höflichen, aber recht zähen Zweifeln der Französin. Aus solcher dem Erleben nacherzählten Situation wächst im nationalgeistgeschichtlichen Sinne auch dem Leser der Gegenwart das Bewußtsein und das Verständnis dafür zu, daß jene kulturpatriotische Leitidee zugleich eine wirklich kulturpolitische Bedeutung, die über die Grenzen hinausgreift, beanspruchen darf, eine Bedeutung, die in diesem Einzelfall eben nur besonders sichtbar wird und entsprechend eindringlich wirkt. Nicht nur, daß Wagenseil die Scudéry auf J. W . H. von Stubenbergs deutsche Übersetzung eines ihrer Romane mit Genugtuung hinweist — also auf jenen Übersetzer, dem Leibniz in seinen „Unvorgreiflichen Gedanken" ebenfalls einen ehrenvollen Platz einräumte — , er bekundet auch mit Stolz den Reichtum des Deutschen an Synonymen und stellt damit jene Ausdrucksmöglichkeit betont heraus, die besonders seit Schottel in der deutschen Poetik und Prosodie eine beträchtliche Geltung beanspruchte und als Beispiel für die Übersetzungseignung der deutschen Sprache schon über ein Jahrhundert vorher von dem DeutschSchweizer Daniel Federmann in dessen Vorrede zu einer PetrarcaÜbersetzung (1578) hervorgehoben worden war. Wagenseil versäumt nicht, auf die weitere Überlegenheit der deutschen Sprache in „Verdoppelung der Wörter" oder auch — wie Hars-
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dörffer, Klaj, Prasch und andere — auf ihre klangmalende dichterische Fähigkeit und entsprechende Naturhaftigkeit empfehlend hinzuweisen, auf die strengere deutsche Vermeidung des Enjambements im metrischen Bereich und auf andere Tugenden der deutschen Dichtersprache mehr. Wahrscheinlich, aber nicht unbedingt notwendig, daß schon Weise eingewirkt hat, wenn Wagenseil die Franzosen auf die Gefahr, „die Construction" zu „verwerffen", aufmerksam macht, nicht ohne den klärenden Ordnungssinn zu verteidigen, der aus deutscher Gradheit heraus das meidet, was „verwirret das Gemütli", und zwar selbst dann, wenn die Alten etwa in dieser Hinsicht Duldsamkeit bewiesen haben sollten. Mehr und mehr setzt sich trotz starker barocker Restbestände bereits im frühklassizistischen Vor- und Übergangsraum das Ideal der klaren Verständlichkeit durch, obgleich der barocke Untergrund für Wagenseil noch die Tragschicht abgibt und Marino in Ehren bestehen bleibt. Die vielgescholtene Härte der deutschen Sprache wird teils auf mundartliche Mängel jener niederen ständischen Schichten (des „gemeinen Pöfels") abgewälzt, die als schweizerische Söldner und Schweizer Wachen in Frankreich leicht für die Träger der deutschen Sprache schlechtweg gelten, während doch auch im französischen Sprachbereich die entsprechenden volksnahen Mundarten ganz entsprechende Mängel zeigten. Vor allem aber — und damit befreit sich Wagenseil wenigstens vorübergehend aus der Enge des standesstolzen und bildungsstolzen Standorts — bezeuge jene angebliche Härte eben nur folgerichtig den ausgeprägt männischen Sprachcharakter des Deutschen: „dann gleich wie wir Alemanni und Germani, welches so viel gesagt, daß wir alle zusamt Männer, und zwar streitbare Männer seyen, genennet werden, also ist auch unsere Sprach Männisch". Dennoch klingt sie, recht und rein gesprochen, „sonder aller Härtigkeit und Übellaut". Indessen nur eine vorübergehende Loslösung von Standesstolz und Bildungsstolz war in der Epoche eines wachsenden Bildungsoptimismus und einer ausgeprägten Kunstdichtung möglich. Darüber kann auch Wagenseils „Bericht von der Meister-SingerKunst" nicht hinwegtäuschen. Als Einleitung hatte Wagenseil eine „Vorrede von vermuthlicher Herkunfft der Ziegeiner" mit sprachvergleichender Untersuchung vorausgeschickt, wobei er eine Beziehung zu den Juden herzustellen versuchte. Gegen
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Schluß dieser etwas problematischen Einleitung wird mehr unbeholfen als böswillig eine peinlich nahe Beziehung zwischen der Seltsamkeit der Zigeuner und der Seltsamkeit der Meistersinger recht naiv hergestellt: „So unbekant die wahre Bewantnus der Ziegeiner uns biß anhero gewesen, eben so wenig hat man gewust, was man doch aus denen in Teutschland hin und wieder befindlichen, wiewol aber sehr abnehmenden Meister-Singern machen solle". So anerkennenswert Wagenseils Bemühungen um ein Erforschen und Verstehen des Meistergesanges in einem Zeitraum vorherrschender Verständnislosigkeit gegenüber der Meistersingerdichtung immer bleiben mögen: es wird doch an derartigen Stellen spürbar, daß dem Gelehrten des siebzehnten Jahrhunderts eine wirklich echte und innige Einfühlung in die Bürgerkunst und Handwerker-Kunstfertigkeit schlechthin nicht gelingen kann. Und es wird ungewollt an derartigen Wendungen ablesbar — und durch die Gesamterörterung bestätigt —, daß jenes zudem recht vereinzelte Wohlwollen gegenüber der brauchmäßig überlieferten Kunstübung (von Nicht-Gelehrten) die großmütige und im Grunde hochmütige Gebärde eines VonOben-Herab beibehielt, daß jene Restbestände letzten Endes doch mehr als ein Kuriosum den historischen, teils lokal bedingten Sinn (Nürnberg) reizten. Außerdem traten im Sonderfall Wagenseil briefliche Anfragen von dritter — ausländischer — Seite (Gisbertus Cuperus) als äußerer Anlaß hinzu. Und endlich erschien ihm in die „Beschreibung der löblichen Statt Nürnberg" dieser Bericht von der Meistersingerkunst recht glücklich sich einzufügen, der teils durch Beispiele, Auszüge aus den Tabulaturen und auch durch den Abdruck von „vier gekrönten Thönen" (mit Wiedergabe der Melodie), teils durch kritische Auseinandersetzungen mit den Meinungen Dritter über die ältere deutsche Dichtung bereichert und belebt wurde. Ist an sich Wagenseils Abhandlung im Anhang zu seiner Beschreibung Nürnbergs für die Geschichte des deutschen dichterischen Schrifttums wie streckenweise auch für die Geschichte der Metrik und für die Sprachgeschichte im allgemeinen aufschlußreicher als für die Geschichte der Poetik im engeren Sinne, so bleibt doch auch für die Grenzziehung der bildungsbetonten Kunstdichtung gegenüber einer volksnäheren Bürgerdichtung und der sonst gern bespöttelten Handwerkerdichtung Wagenseils Ansatz zu seinem, obgleich noch allzu behutsamen Lockern
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solcher Grenzziehung der Beachtung wert. Von einem Liebhaber — Wagenseil war Jurist — werden ein paar mutige Schritte unternommen im Werben um Verständnis für die außer-höfische Handwerkerkunst, im teilweisen Verteidigen auch ihrer ständisch gesundenden Aufgabe. Denn indem Wagenseil mit den mahnenden Worten Adam Puschmanns schließt, macht er sich zugleich dessen Hervorhebung der Werte des Meistergesanges doch in gewissem Grade zu eigen. Und seine betonte christliche Grundgesinnung hindert ihn nicht daran, dort, wo er über die Meistersingerkunst weit auf die „Alten Teutschen Gesänge" zurückgreift, ein merkliches Bedauern mitschwingen zu lassen bei der Feststellung, daß manches wertvolle Überlieferungsgut aus den frühesten Zeiten verloren gegangen sei, nicht zum wenigsten durch an sich wohlmeinende „Priester und Mönche, welche die ungläubige Teutschen zu der Erkandtnus des wahren Gottes gebracht", aber vieles, „was nach dem Heydenthum gerochen", vernichtet hätten. In eine ausgesprochene Polemik läßt er sich in diesem Zusammenhange indessen nicht ein. Die allmähliche Verdrängung des barocken Stilideals durch das Ideal der vernunftgemäßen, wohlgeordneten Verständlichkeit, wie es trotz starker rationalistischer Einlagerungen im Barock selbst doch erst besonders seit Weise immer stärker sich durchsetzt, wie es Wemickes oder auch Canitz' Angriffsstellung bestimmt, Meisters Epigrammabhandlung durchdringt, B. Neukirchs kritische Vorrede wenigstens streckenweise begleitet und selbst in Wagenseils zwangloser Plauderei mitschwingt, läßt sich bis in kleinere Vorreden hinein verfolgen. So etwa in Christian G r y p h i u s ' Vorrede an den „Hochgeehrten Leser" zu seinen „Poetischen W ä l d e r n " (1698). Soweit sich auf dem beengten Räume und bei merklich begrenzter kritischer Scharfsicht der kämpferische Teilvorstoß überhaupt einigermaßen zielklar entwickeln kann, richtet er sich bei Christian Gryphius immer wieder gegen das eine Angriffsziel: das Künstliche, Überladene, kurz, die „allzusehr gekünstelte SchreibensArt", die der Poesie schweren „Schaden" zugefügt habe. Das aufgeblasene Nichts des Wortprunkes und Wortgepränges, das Wemickes weit überlegene Kritikerbegabimg aufgestochen hatte, begegnet hier wieder in der Fassung „zwar köstlich lautende, aber vielmal wenig oder nichts bedeutende Worte". Wie B. Neukirch von einem Wieder-in-die-Schule-gehen Bei
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den Alten ein Aufholen des Vorsprangs der französischen Dichtung erhofft hatte, da doch die Franzosen den Alten alles abgeborgt hätten, so rät Chr. Gryphius an, „bey den alten Griechen und Römern in die Schule" zu gehen, um dasselbe Ziel zu erreichen. Wie Weise die vermeintlich zwanglose Prosakonstruktion als Heilmittel angepriesen hatte, so rechnet sich Chr. Gryphius — der damit zugleich ein Beispiel für die tatsächliche Berücksichtigung der Theorie in der Praxis bietet — als sein vornehmstes Verdienst an, „daß ich mich eifrigst bemühet, eine ungezwungene Lieblichkeit und ungedrungene Construction allenthalben zu beobachten, maßen ich mich iederzeit der goldenen und schon längst von andern vorgeschriebenen Regel erinnert, daß man bey uns Deutschen in gebundener Rede nicht gezwungener als in ungebundener schreiben müsse". Wie Sacer und andere mehr verwirft er den Reimzwang. Übersteigerte Gleichnisse und Metaphern weist er von sich wie alle „gesuchten Worte, seltsamen Erfindungen", da sie „so wol der Natur als Kunst oft zuwider lauffende Dinge" in die Dichtung hineinbrächten. Er ist überzeugt — und damit wird das kulturpatriotisch verantwortungsbewußte In-Beziehung-Setzen und stetige In-Beziehung-Sehen von Poesie und Muttersprache greifbar —, „daß mit dergleichen Künsteleyen der Deutschen Sprache" nicht „gedienet oder geholffen sey". Gerade an derartigen Bemerkungen wird jedoch auch erkennbar, daß den in gewissem Grade schon „kritischen" Kunsttheoretikern im letzten Jahrhundertdrittel durchaus die kulturpatriotische Absicht ihrer Vorgänger vertraut war. Sie behielten diese kulturpatriotische Absicht bei, soweit es die Zeitverhältnisse zuüeßen, verwarfen jedoch jene früher zum Einsatz gebrachten Mittel des Wettbewerbs mit dem Auslande. So verwirft Chr. Gryphius den aus der Wortprunksucht „entspringenden Mischmasch, welchen man in Franckreich Gallimatias und Phoebus zu heißen pfleget". Er verschmäht deshalb auch in eigener Sache die pompöse barocke Titelgebung für die einzelnen Teile seiner „Poetischen Wälder", wie er ausdrücklich klarlegt im parodistisch-polemischen Andeuten von barocken Bezeichnungsmöglichkeiten, wie etwa „Balsam- oder Weyrauch-Stauden' ' oder „Cypressen" usw. Die Schwenkung des Kunstwollens, die keineswegs ruckhaft erfolgt, wird dergestalt selbst an Kleinigkeiten ablesbar. Ablesbar recht unterrichtend gerade an dem Nachweis, daß man das auch konnte — nämlich barockstilgemäße
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Titel finden —, aber eben nicht wollte. Was man vorzüglich wollte, war „vielmehr den rechten Verstand einer Sache" vernünftig und deutlich darzustellen und im Dichtwerk zur Geltung zu bringen. Und dieses Ziel bleibt verhältnismäßig klar sichtbar, wenn auch der Hinweis auf „des P. Gambara vor zehn Jahren zu Venedig gedruckten Stile d'Oggidi" nicht recht eindeutig in der Angriffsrichtung erscheinen mag. Planlos fällt dieser Hinweis keineswegs gerade in dem Zusammenhang, in dem gegen die allzu gekünstelte Schreibart polemisiert wird. Und das Abrücken von „den heutigen Welschen" (und Spaniern) ist bereits vorher grundsätzlich erfolgt. Als Merkzeichen jener Geschmacksverlagerung und jenei Schwenkung im Abzielen des Kunstwollens bleibt die Vorrede des Christian Gryphius nicht zum wenigsten im Zeittypischen aufschlußreich. Die mehr persönlich gefärbten Bemerkungen, daß wie die „natürliche Wärme" auch das „Feur der Tichter" im höheren Lebensalter abzunehmen pflege, oder die andere Bemerkung, die zugleich die christlich-moralische Leitidee berührt, daß „die Glutt der Andacht eben so fähig sey, einen gutten Poeten zumachen als etwan die geile flamme der üppigen Venus", müssen sich mit beiläufiger Erwähnung begnügen, ohne daß auf den Teilwiderspruch in beiden Äußerungen näher eingegangen werden soll. Es leuchtet jedenfalls nicht recht ein, warum das Feuer des Dichters, wenn es sich an der Glut der Andacht entzünden kann, notwendig im Alter nachlassen müsse. Denn eine Abstufung nach Motivbereichen (etwa Liebeslied und geistliches Lied) erfolgt im knapp gehaltenen Rahmen jener Vorrede nicht. Immerhin erscheint bemerkenswert, daß vom Religiösen her eine gefühlsmäßige Auftriebskraft für die dichterische Stimmung erkannt und anerkannt wird. Doch entspringt diese Einsicht mehr aus einer persönlichen Frömmigkeit. Und nicht das Gefühlsmäßige an sich wird in seiner Bedeutung für den schöpferischen Vorgang erfaßt, wie das Eifern gegen die Leidenschaftsdichtung unzweideutig klarstellt.
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Uberschneidung von frührationalistischen und nachbarocken Strömungen Die noch gelegentlich unter den Poetiken verzeichneten Beiträge Conrad Dunckelbergs stellen in Wirklichkeit Prosodien dar („Nöthiger Schulzeiger zu der Deutschen Sprache", Nordhausen 1701 und späterhin: „Zur teutschen Prosod vierstuffichte Lehr-Bahn", Nordhausen 1703). Magister und Schulrektor wie Weise, bewahrt E. Uh s e im wesentlichen eine zeitübliche Haltung in seinem „Wohl-informirten Poeten, worinnen die poetischen Kunst-Griffe vorgestellet . . . werden" (1703, 1711, 1726), bringt es indessen etwa bis zum Erscheinen der Gottschedischen Kritischen Dichtkunst zu neun Auflagen. Seine Anlageform mit Gesprächsverteilung in Frage und Antwort mag angeregt worden sein durch Weises Wechselrede zwischen Poetik-Professor und Schüler. Das Jahr 1703 kann mit weiteren Poetiken aufwarten. Und zwar unternimmt es Gottfried Ludwig, die „Teutsche Poesie dieser Zeit" (1703) für die Schuljugend durch das bekannte Frageund Antwortspiel zugänglich zu machen, wobei er wie Uhse von Weise gelernt haben dürfte. Das Weisesche Prinzip der Prosakonstruktion wird denn auch von G. Ludwig aufgenommen in der Fassung, daß „ohne höchste Noth" die Konstruktion, die in Prosa nicht zulässig sei, ebenfalls in Versen zu „meiden" wäre, da jede „Versetzung" als Verstoß gegen die „Natur der Sprache" gerügt werden müsse. Anspruchsvoller tritt Jacob Friedrich Reimmanns Poetik auf: „Poesis Gertnanorum Canonica & Apocrypha / Bekandte und unbekandte Poesie der Teutschen" (1703). Denn Reimmann gibt schon im langen Titelzusatz seiner Genugtuung darüber Ausdruck, daß er im zweiten Teile seiner Poetik „die unbekandten und biß dato noch von niemand untersuchten Grund-Reguln von denen Carminibus Emblemaiicis, Syn&olicis, Hieroglyphicis, Parabolices, Mythicis und Paradigmaticis" der vermeintlich erstaunten Öffentlichkeit kundgegeben habe. Und in der Tat widmet er diesem zweiten Teile, der noch einmal nachdrücklich mit dem Untertitel „Von der unbekandten Poesie" angepriesen wird, den weitaus größten Raum (etwa zwei Drittel seiner Gesamtpoetik). Derartige Sonderformen an Gedichtarten seien — nach Reimmanns Ansicht — bislang den deutschen Poeten „noch wie Böhmische Dörfler" gewesen.
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Reimmann, der seiner Poetik eine den kulturpatriotischen Wettstreit mit dem Auslande kräftig ausprägende Zeittafel vorangestellt hat und sich dabei überwiegend auf Morhof stützt, schätzt selbst den ersten Teil seiner Poetik nicht höher ein als die „andern Tröster", die allgemein Bekanntes vermitteln. Aber für den zweiten Teil glaubt er den Anspruch des völlig Neuartigen und Eigenwegigen erheben zu dürfen. Auf dem ungebahnten Wege in die unbekannten Dichtungsarten fühlt er sich ganz als Bahnbrecher und Wegbereiter einer Poesie, die erst noch zu schaffen und allmählich zu vervollkommnen sein werde. Was in Wirklichkeit bei diesem wichtigtuerischen Gehaben herauskommt, ist die Lehre von den „Poetischen Gemählden" (S. 84) und Allegorien, wobei eine subtile Klassifikation recht dünne und dämmrige Unterschiede ertüftelt zwischen Emblemen, Symbolen usw. Reimmann selbst muß eingestehen, daß die Verwandtschaft ζ. B. zwischen Emblemgedichten und Symbolgedichten so eng ist, „daß sie auch von denen allerspitzigsten Köpffen zuweilen mit einander vermischet werden". Als Regel ergeben sich etwa die, daß man dem einmal gewählten Gleichnis treu bleiben, also im Bilde bleiben müsse, und andere mehr. Der Charakter der Lehr- und Anweisungspoetik tritt überall in dem punktweise wiederholten „Man muß" hart und unverhüllt zutage. Gleichzeitig aber wird in diesem Falle besonders deutlich ablesbar, wie die Poetik oft nur zum Gelegenheitsmacher für das Anbringen eigener Gedichte einem persönlichen Dichterehrgeiz dienstbar gemacht wird. Denn Reimmann, der eifrig eigene Dichtungen einstreut, versucht zwar jenen Verdacht abzuwehren, indem er stolz erklärt, nie an eine Veröffentlichung seiner Gedichte gedacht zu haben. Er verrät sich aber dann doch durch die erbitterte Klage darüber, daß die Verleger unter dem Titelattribut „neu" doch immer nur alte Gedichte herausbrächten. Erfährt man zugleich, daß Reimmann in acht Jahren seine Gedichte nur für seine Freunde geschrieben habe, so enthüllt sich letztlich auch das Anpreisen dieser bislang „imbekannten" Gedichtarten. Es ging doch zunächst um die eigenen unbekannt gebliebenen Gedichte. Ihnen mehr galt es Bahn zu brechen als neuen unbekannten Theorien. Und diese eigenen Gedichte befolgen nicht einmal wirklich überall die eigenen Regeln. Das sei hervorgehoben, weil an diesem Sonderfall einmal der Nachweis besonders klar zu führen ist, daß in der Tat das persönliche Geltungsstreben
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des Dichterehrgeizes auch sonst einen beträchtlichen Anteil an der hohen Produktionszifier der Poetiken zu stellen pflegt. Und noch ein anderer Nachweis läßt sich aus Reimmanns Poetik überzeugend gewinnen, der nämlich einer R ü c k w i r k u n g der W e i s e s c h e n G e s e t z g e b u n g auf d a s D i c h t s c h a f f e n . Denn es wird gelegentlich ein eigenes Gedicht Reimmanns ausdrücklich als frühzeitig entstanden vor dem kritischen Einwand gerettet, daß er darin noch nicht das Weisesche Prinzip der Prosakonstruktion befolgt habe. So seien in bedauerlicher Weise Wendungen unterlaufen, „die ich itzo nicht leicht gebrauchen würde, nachdem ich das Weisianische Principiutn ... probat befunden". Da gerade das Weisesche Gesetz auf das Dichtschaffen nachhaltiger eingewirkt hat, als vielfach angenommen wird, verdient dieser an sich etwas abseitige Beleg für das formbestimmende Übergreifen der Kunsttheorie auf das Kunstschaffen dennoch als Zeitsymptom Beachtung. Nicht zufällig bringt bereits die Zeittafel Namen wie Weise, dessen „schönes" Prinzip der Prosakonstruktion schon dort hervorgehoben wird, oder J. G. Meister, dessen Regeln und Beispiele für die Epigrammdichtung gerühmt werden. Die Loslösung von der Mustergeltung der Alten wird spürbar. Der Übergangstypus, der so fühlbar wird, spiegelt sich sogleich in dem zeittypischen Attribut „curieus" des Titelzusatzes der Poetik und gestattet es, den „unvergleichlichen Lohnstein" und den „vortrefflichen Hoffmann von Hoffmannswaldau" zugleich neben Weise zu feiern. Die „ L e h r m ä ß i g e A n w e i s u n g z u d e r T e u t s c h e n V e r ß u n d T i c h t - K u n s t " (1702) des T a u r e n d e n ist in ihrer Verfasserschaft nicht unbedingt gesichert. Doch kommt als der „Taurende" nach einer Belehnungsschrift der Teutsch-Gesinnten Genossenschaft J o h a n n H o f m a n n (schwerlich Gräfe, wie Goedeke und nach ihm andere angeben) mit hoher Wahrscheinlichkeit in Betracht. Er vermittelt im Vorbericht mit quellenmäßigen Belegen eine knappe Skizze von Ursprung und Ansehen der Poesie in der zeitüblichen Weise. Der Menschen Geist soll — so wird das Wirkungsziel gesteckt — durch die Dichtkunst „aufgemundert und angefrischet" werden. Doch erweist sich die Poesie „auch sehr nützlich" als Mittel zur Ertüchtigung von Sinn und Verstand, die „damit zu höhern Geschafften gleichsam geschärffet und tüchtig gemacht" werden könnten. Besonders hervorgehoben erscheint die Schulung an
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der Dichtkunst für die Geistlichen, die dadurch „hurtige Erfindung allerhand schöner Gleichnisse" zu erlernen vermögen. Daneben klingt ein Ahnen von der nationalpädagogischen Leistungsfähigkeit der Dichtkunst an, wenn unter Bezugnahme auf das Beispiel des Tyrtaeus die Möglichkeit und Aufgabe der Dichter erkannt wird, heldischen Sinn anzuspornen, damit „die Gemüther der Soldaten dergestalt angefeuret" werden. In der Anlage der Poetik des Taurenden, die verhältnismäßig knapp für die „studirende Jugend" gehalten wurde, finden sich die Quellen als Anmerkungen säuberlich verzeichnet, und zwar besonders häufig Schottel, Harsdörffer und Weise; daneben Scaliger, Opitz, E. Hanmann, Buchner, Morhof, Zesen und die Poet ca Maj. Giess. Schottels Begabungsbewertung erfährt eine verflachende Einschränkung. Nicht die Naturanlage reicht aus, da „ohne Kunst und einigen Verstand" bei bloßer Begabung die Verse doch nur „gleichsam heraus geköcket" werden. Schon die Worterläuterung von Vers (abgeleitet von „vertere") als eines Austauschens und Umdrehens oder Hin- und Herwendens der Wörter im Verse, „biß wir ihn Regel-mäßig zu recht bringen", wie auch das auf Horaz gestützte Gleichnis vom Drechslerhandwerk erinnert lebhaft an Christian Weises ganz ähnliche Auffassung und Winke. Und Weise folgt er weiterhin in der Grundauffassung, daß ,,die Poeterey eine treue Dienerin der Beredtsamkeit" darstelle. Weises Gesetz der Prosakonstruktion wird dagegen noch nicht voll ausgewertet; denn die Abwehr einer Nachstellung des Adjektivs war seit Opitzens Zurückschrecken yor dem „Mündlein roth" nichts Neues. Ebenso gehört die Abwehr der Flickwörter zum eisernen Bestände der Stiltheorien innerhalb der Poetik. Im frühaufklärerischen Entwicklungsraum, der indessen barockes Erbgut teils unkritisch in sich aufnimmt, verdient Hervorhebung das Bezugnehmen auf Thomasius' „Monatliche Gespräche" (Jg. 1688) gelegentlich des Kapitels „Von denen Romanen". Hofmann (Gräfe?) schließt sich nämlich des „HeimThomasius" Hinweis und Meinung an, daß es möglich und nützlich sein möchte, die Lehren der Philosophie in Romanform breiteren Schichten „mit annehmlicher Lust" schmackhaft zu machen. Buchners verzuckerte Arzneipille wird also innerhalb der Frühaufklärung von den Popularphilosophen sinnentsprechend übernommen und dem Leser zu Nutzen verordnet. Die Loslösungsbestrebung von der Alleingültigkeit der Alten wird spürbar; denn der Taurende 90 M a r k w a r d t , Poetik 1
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vertritt die Anschauung, die besonders seit dem in Frankreich erfolgte „Querelle des Anciens et des Modernes" und seit Weise sich ausbreitet, daß „unsere Teutsche Ticht-Kunst" ihren eigenen Weg gehen müsse und sich nicht einfach als bloße Fortsetzung an die traditionelle Richtung der Alten anknüpfen lasse. Hatte sich der „Taurende" noch mit dem Abdruck eines selbstgefertigten Bilderreims in Form eines Pokals (ohne Umrißlinie) begnügt, so gefällt sich der Stettiner Schulkonrektor F r i e d r i c h R e d t e l mit seinem „ N o t h w e n d i g e n U n t e r r i c h t von derTeutschen Verskunst" (1704) darin, ihn durch Abdruck mehrerer Bilderreime in Gestalt eines Kreuzes aus jambischen Versen, eines Korbes aus trochäischen Versen, eines Herzens, eines Eies und selbst einer höchst profanen, aber nahrhaften Suppenschüssel (mit Umrißlinien!) zu übeibieten. Redtel, der die zeitlich übliche Abwehr der Flickwörter und veralteten Wörter mitmacht und sich ebenso traditionsgemäß bei der Würdigung der Madrigalen auf Zieglers Sonderabhandlung beruft (ebenso Reimmann, Hofmann und viele andere), legt Wert darauf, daß er seine Verskunst schon „vor vielen Jahren geschrieben" habe zur Verwendung im Privatunterricht (vgl. später noch Wieland). Er stützt sich vor allem auf Sacers „Nützliche Erinnerungen" und auf Tscherning; doch kommen auch Schottel und Hanmann neben Kindermann zur Geltung, wie denn Treuers „Daedalus" achtungsvolle Erwähnung findet trotz Einzeleinwand in einer metrischen Frage. Und gelegentlich der Erörterung über daktylische Verse fehlt nicht der Hinweis auf Buchner, der dieses Metrum „zu erst aufgebracht" habe. Das weitgehende Zurückgreifen auf frühere Poetiken ist bis zu Gottsched hin nichts Ungewöhnliches, und zwar nicht nur bei Nebenwerken der Poetik. Selbst bekanntere Beiträge mit entwicklungsgeschichtlich fühlbarer Nachwirkung, wie etwa die Poetik Omeis', behaupten teils noch recht umfassende Positionen barocker Überlieferung trotz des Anströmens der Weiseschen Einflußwelle. Dabei wird entweder der Weisesche Zustrom abgeschwächt reguliert, aber an sich geduldet wie bei Omeis und etwas später, in andere Umgebung eingebettet, bei Mencke; oder aber er wird energischer zurückgedämmt und als eine die fruchtbare Höhendichtung mit Verflachung und Versandung bedrohende Gefahr abgewehrt, wie etwa bei Hunold-Menantes und späterhin in der Breslauer Anleitung. Mehrfach läßt sich
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aber auch an demselben Träger eine Schwenkung vom spätbarocken und galanten Typus zum frühklassizistisch-aufklärerischen Typus ablesen, so etwa bei Menantes, Mencke und anderen mehr. Und schließlich heben sich im Hintergrunde doch immer wieder die großen Leitlinien Morhof und Weise ab. Denn neben Weise, dessen Einwirken vordringlicher in die Breite sich entfaltet, will die mehr in die Tiefe kritisch-historischen Verstehens wirkende Richtimg Morhofs (spürbar bei Rotth, Omeis, Stolle, der Breslauer Anleitung und Brämer) nicht übersehen werden. Die Vermittlung Morhofscher Anschauungen konnte bereits als ein beachtenswertes Verdienst Omeis' Hervorhebung finden. M. D a n i e l Omeis vermag sich in seiner „ G r ü n d l i c h e n Anl e i t u n g zur T e u t s c h e n a c c u r a t e n R e i m - und D i c h t K u n s t " (1704, 1712) zugleich der neuen Einstellung nicht zu entziehen und verwirklicht so ausgeprägten Übergangscharakter. Halb noch haftend am Erbe seines langlebigen Ordens, mag er doch andererseits „zu hohe und spitzige Inventionen" nicht mehr gelten lassen, wie er auch mit ausdrücklicher Wendung gegen die „Nachfolger an der Pegniz" konstruktionsstörende Wortumstellungen, besonders die Nachstellung des Attributs (vor allem gegen die Volkskunst gerichtet), ablehnt, wofür dann von den Weiseanern bei ihren Angriffen gegen die Nürnberger „Omeis immer ausgenommen" wird. Aber nicht nur alte und neue Richtung: auch fremde Theorien werden vielfach verarbeitet und untermengt, ohne daß eine eigne Meinung klar erkennbar wäre. Ja, eine derartige Stellungnahme wird geradezu geflissentlich umgangen, so daß Omeis' Lehren in ihrer verschwommen-fließenden und schwankenden Art und ihrer gewunden-vermittelnden Darstellung mit den häufigen „wohl, nicht leicht, fast" und ähnlichen behutsam-ängstlichen Wendungen die charakteristischen Merkmale unsicherer Kompilation aufweisen. Kennzeichnend etwa ist es, wie Weises prägnantes Gesetz die verwaschene Form annimmt: „In einem Teutschen Vers und gebundenen Gedicht ist die jenige Wort-Fügung nicht leicht (I) zu erdulden, welche in der ungebundenen Rede nicht erduldet wird". Während so einerseits Weise, der auch als Dichter verschiedentlich Erwähnung findet, abgeschwächt einbezogen wird, folgt Omeis überwiegend in weiten Teilen Birken, und nach der historischen Seite hin Morhof, den er besonders in den „ N o t h w e n d i g e n V o r B e t r a c h t u n g e n " zu ergänzen versucht (bes. S. 34 f.).
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Die Gesamtanlage ist nach Reimkunst und Dichtkunst gegliedert auf Grund der wenig tiefgreifenden, aber charakteristischen Definitionen, nach denen Reimkunst (Metrik) „die Reden auf mancherlei Arten, zierlich und wohlklingend binden" hilft, während Dichtkunst lehrt, „entweder die wahre Geschichte mit erdichteten Umständen ausschmücken; oder die Gedichte als wahre Geschichte Kunst-geistig vorstellen". Als Kriterium der Dichtkunst gilt also das Verhältnis der Gestaltungsart zum gegebenen Stoff. Dementsprechend ist auch für Omeis eine gute Erfindung „die Seele des Gedichts". Doch wiederum gelten Erfindungen nicht als spontane Eingebungen, sondern sind erlernbar. Dichten ist eine Angelegenheit, „eine Sache von langem Nachsinnen". Hinsichtlich der Begabung nimmt Omeis die übliche Stellung ein; denn „eine gute Natur, muntere Phantasie und ein feuriger Enthusiasmus thuns nicht allein . . . " , es hat vielmehr Schulung zu erfolgen. Unbedenklich wird der Vorgang der Ausschmückung und „zierlichen Ausarbeitung" mit der handwerklichen Schneiderei verglichen. Die Artgliederung entfernt sich nur wenig von den vielbegangenen Wegen, ist aber recht umfassend und vielseitig durchgeführt. Weil Heldengedichte und „Romans" (Kap. V) „groß und lang" sind, wird in ihnen das „größte Meisterstück in der Dicht-Kunst" gesehen. „Verwunderung und Liebe zur Tugend" sollen im Leser hervorgerufen werden, wobei die Verwunderung und Spannung durch Verwicklung und „weitläuftige" Episodenbildung gefördert werden. Von den Schauspielen handelt Omeis ausführlich, und zwar unter stärkerer Berücksichtigung der Theateraufführung als Birken, dem er sonst auch hier vielfach verpflichtet bleibt. Doch hatten in dieser Richtung Harsdörffer und Rotth den Weg gebahnt. Das Wirkungsziel ist das alte unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Erziehung durch Abschreckung (Harsdörffer). Das Drama soll „Schrecken (Staunen) und Mitleiden" bei den Zuschauern erwecken und sie lehren, „aus anderer unglückseeligem Beispiel und Ende (selbst) klug" zu werden, außerdem natürlich von „Spruchreden und Lehr-Sprüchen" reichlich durchsetzt sein. Als besondere „Zierde" gilt es, „wann eine Person endlich anders hervorkommt, als sie anfangs gewesen"; indessen ist wiederum — wie Omeis' Beispiel aus der „Margenis" beweist — nicht Charakterwandlung, sondern nur äußere Beziehungs-
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änderung (Enthüllung bislang verborgener Verwandtschaft) gemeint wie bei Birken. Beachtenswerter erscheint die Abstufung der Redeweise über bloße Standesunterschiede hinaus. Zum mindesten Typen (Normen?), wenn auch noch nicht ausgeprägte Individualitäten, muß die Sprechart charakterisieren helfen, „maßen die Kinder kindisch, die Frauens-Personen züchtig und zärtlich, die Helden tapfer und herrisch, die Alten fürsichtig und verständig . . . reden sollen". Selbst Stimmungswerte werden im Sinne einer psychologischen Wahrscheinlichkeit bei der Rede berücksichtigt: „Traurig- und betrübte Personen müssen nicht künstlich, sondern verkürzt und bestürzt reden"; aber auch dies wird (zudem von Horaz übertragen) offenbar von Harsdörffer übernommen. — Während im allgemeinen die Versuche in reimfreier Poesie von Omeis unter Berufung auf Morhof als „wol unnöthig" abgewehrt werden, wird dem Schauspiel die Prosarede zugestanden, „weil die jenigen, deren Reden und Thaten vorgestellet werden, selten oder gar nicht Poetisch geredet" hätten (s. Birken). Dem Stoff nach kann eine „wahrhafte" oder eine „erdichtete Geschieht" zugrundeliegen. In die „wahrhafte Spiel-Geschichte" dürfen erweiternd erdichtete Episoden eingeschaltet werden, „die sich füglich haben zutragen können". Die historische W a h r h e i t wird also im Sinne der Wahrscheinlichkeit etwas gelockert (so Harsdörffer, Titz u. a.). Doch sind reine Phantasiegebilde nicht erlaubt; denn selbst die erdichtete Geschichte „muß also erfunden werden, daß sie der Wahrheit ähnlich sey; dann durch bloße Fabeln wird man dem Spiel-Schauer keine GemütsBewegungen abgewinnen". Darauf aber kommt es wesentlich an: „in den Trauerspielen regierten die hefftigen Gemüts-Neigungen". Trifft man auf derartige Stellen bereits in diesen älteren Poetiken (so auch Harsdörffer), so kann die — isoliert betrachtet — scheinbar so neue und auffällige Lehre der Baumgarten-MendelssohnNicolai von der Leidenschaftserregung nicht mehr überraschen, ganz abgesehen von der Einwirkung Aristoteles'. In der Nachbarschaft der Schulkomödien wird auch die Berücksichtigung des erzieherischen Nutzens der Aufführung für die Spielenden selbst nicht mehr auffallen, wie etwa der Hinweis auf den Vorteil, „die Jugend zu üben, auch in feinen Sitten und beherzter Redfertigkeit anzugewöhnen", findet sich doch ein ganz ähnlicher Verweis auf den praktischen Nebenzweck selbst schon in Harsdörffers Trichter (II, 73).
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Wie diese häufigen Rückverweisungen andeuten mögen, bietet Omeis nur wenig Eigenes. Selbst die Lockerung der ständischen Zuordnungskriterien für die Personen war vorbereitet. Nicht ungeschickt, aber bei J. Masen und anderen vorgebildet, sind seine Beispiele für die Umgestaltung eines Sujets (Stoffabel) zur dramatischen Anlage (S. 237 f.), wobei erwähnt sei, daß er die Auslese aus einer Häufung von Sonderfällen und deren Verdichtung (Konzentration) zu dem prägnanten Einzelfall nicht übergeht. Der hohe Wert der Allegorie, der aufrechterhalten bleibt, tritt im sechsten Kapitel von der „Ausbild- oder Bilder-Kunst" deutlich hervor. Als zweckdienliche Hilfswissenschaften für Allegoriebildung und allegorische Attribute werden Archäologie, Münzenkunde usw. empfohlen. Omeis hat eine dickleibige „ T e u t s c h e M y t h o l o g i e " , .die er selbst als „Lehre von den Poetischen Fabeln" bezeichnet, seiner Poetik angehängt. Überall wird hinter der sinnenfreudigen Ursprünglichkeit der Mythen ein belehrender, moralischer Doppelsinn gewittert und — oft höchst gewaltsam — aufgespürt, wobei im Bemühen, den wertvollen Fabelvorrat des Heidentums auch ¿ür Christen verwertbar zu machen und so vor der Verfehmung (Birken) zu retten, betont wird, daß die meisten sich aus — dem Alten Testament (s. Birken) herleiten lassen. — Im ganzen gibt Omeis' Poetik einen weiten und aufschlußreichen Uberblick, einen recht instruktiven Querschnitt durch die vorherrschenden Lehrmeinungen des siebzehnten Jahrhunderts. Seiner ausgeprägten Übergangsstellung hat der verspätete Pegnitzschäfer Omeis wohl auch die Schonung zu verdanken, die er bei HunoldMenantes findet. Wer „ D i e a l l e r n e u e s t e A r t zur R e i n e n und G a l a n t e n Poesie zu g e l a n g e n " (Hamburg 1707, 1717) mit Weise in Beziehung setzt, könnte ebensowohl eine Abwehr wie andererseits eine ganz offenbare und überdies zugestandene Anlehnimg feststellen. Dieser Widerspruch erklärt sich daraus, daß die lange V o r r e d e wahrscheinlich von Hunold-Menantes (1680—1721) herrührt, während der a u s f ü h r e n d e T e i l von E. N e u m e i s t e r (1671—1756) stammt (Poetik-Vorlesungen in Leipzig) und engeren Anschluß an Weise sucht. Hunold-Menantes war nur Herausgeber, und zwar ein Herausgeber, dessen Anschauungen sich keineswegs mit denen Neumeisters decken. So kommt es, daß etwa der Satz der Vorrede: „O nein! In der Poesie verständig
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schreiben, ist anders als in Prosa" im ausführenden Teil Neumeisters den Gegensatz findet: „Keine Construction gehet in Versen an, die in prosa nicht angehet". Obgleich Neumeister als einer unserer ersten Literaturkritiker vor Wernicke unzweifelhaft diejenige Richtung vertrat, der damals die Zukunft gehörte, so interessiert hier doch mehr die Vorrede Hunold-Menantes' wegen einer für die damalige Zeit auffälligen Gefühlsbetonung. Wenn Omeis von Hunold-Menantes ausgenommen wird von der Polemik gegen die Pegnitzschäfer, so scheint das anzudeuten, daß sich Menantes auf einer ähnlichen Mittellinie zwischen barocker und galant-kuriöser Art bewegt. In gewissem Grade trifft dies zu; aber während Omeis auf weite Strecken hin völlig Birken verpflichtet bleibt, neigt Menantes stärker den Galanten (besonders der schlesischen Richtung) zu. Vor allem aber findet neben vorsichtiger Abdämpfung übersteigerten Barocks das Galante schon auflockernde, leicht gefühlsmäßige Elemente, die in mancher Hinsicht bereits auf die Anakreontik hinzuzielen scheinen. Die zu wenig beachtete entwicklungsgeschichtliche Bedeutung Menantes' liegt in der starken Betonung der d i c h t e rischen B e g a b u n g und der scharfen Trennung des g e f ü h l s m ä ß i g e n D i c h t e r t u m s von der verstandesmäßig-gelehrten Versmacherei. Man mag mit Recht die hohe Wertung dieser Bildungskräfte des Poeten, wie ihn Hunold-Menantes sieht und fordert, auf sein dichterisches Selbstgefühl gegenüber gelehrteren Widersachern und damit auf ein bloßes persönlich gefärbtes Element zurückführen. Jedenfalls findet sich bei Menantes bereits eine fortschrittliche Auffassung, hinter der z. B. Gottscheds Kapitel von „dem Charakter eines Poeten" unleugbar zurückstehen muß, ja — wie ein Vergleich ohne weiteres ergibt — einen merklichen Rückschritt bedeutet. Menantes nämlich kennt nicht nur jenen Typus, den natürliche Anlage besonders geeignet macht zum Schüler belehrender Poetik, sondern darüber hinaus bereits den Dichter, „den die Natur zur Poesie gleichsam zwinget" oder „der ein fähig Naturel durch einen ungezwungenen . . . Trieb zur Poesie bey sich verspüret" (Vorr. S. 13). Schon regt sich leise ein Sinn für den Wert der Originalität: „Die Poesie muß aus dem Geiste und nicht aus andern Büchern kommen", wobei gleichzeitig die Scheidung von der erlernbaren Poeterey gegeben wird: „sonst kann ein jeder, weil Reimen und Versemachen zu lernen
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nicht so gar schwer, ein Poet werden" (S. 12, voller Gegensatz etwa zu Neumark). Jenes bloße Anlernen bringt nur Stümper hervor, deren Verse kalt lassen, weil ihnen die Seele fehlt, und die den edlen Namen der Poesie dadurch „schulfüchsisch prostituieren" (Hieb gegen Weise ?). Allerdings eben bei dieser Polemik tritt auch die recht persönlich gefärbte Tendenz hervor: die Poetik eines Dichters (Neumeister) ist empfehlenswerter als die von Gelehrten, „weil diese poetische Scribenten Poeten durch Regeln und nicht durch Natur geworden, und also auch andere darzu machen wollen" (S. 37). Vielmehr soll ein „rechter Poet" die Regeln schreiben. Beachtenswert bleiben trotzdem derartige — noch dazu typographisch hervorgehobene — Stellen, wie etwa auch die überraschende Wertung des Erlebens als dichterischer Voraussetzung und der persönlichen Erlebnisgrundlage als festester Stütze: „Denn um die Liebe schön auszudrücken, ist wohl etwas, ein Poet (zu sein), dató meiste (!) aber, verliebt zu seyn". Das klingt wesentlich anders als der vorsichtige Hinweis in der „Vorbereitung" (Neumeisters), daß seine Liebesverse nur auf Theorie beruhen. Das Triebhafte wird in der Vorrede Menantes' zu oft erwähnt, auch in zu eignen Fassungen, um nur auf jene überkommene Begabungslehre zurückgeführt werden zu können (vgl. auch S. 41: „zur Poesie treibt"). Zwar spricht Menantes noch nicht von „dem Genie", sondern immer nur, aber eben in auffälligen Zusammenhängen, von „der Genie". Aber wo er von „der Genie" sagt, daß sie entscheidend eingreifen und helfen muß neben dem bloßen Fleiße (S. 10, auch S. 27), da nähert er sich aus der Ferne, noch recht tastend zwar, ein wenig schon dem Geniebegriff. Trotzdem handelt es sich bei alledem um unentwickelte Ansätze, deren Bedeutimg keineswegs überschätzt werden soll und darf, da sie nicht zur Einwirkung gelangen, sondern der Klassizismus sich erst einmal auf der ganzen Linie durchsetzt. Auch stellt ja Hunold-Menantes keineswegs als Neuerer ein Programm auf, sondern wird eigentlich nur in der Opposition fortschrittlich, vielleicht gerade deshalb, weil er in Begeisterung für die Schlesier, rein zeitlich gesehen, rückschrittlich eingestellt war (Barock). Es bestätigt die schon oben berührte Deutung, daß die barocke Art trotz aller Eigenwilligkeit doch der dichterischen Gesinnung nähersteht als Weises Ernüchterungskur, wenn man Menantes
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seine Forderungen gerade aus Lohenstein und Hofmannswaldau ableiten sieht. Er stellt dabei — hierin mit Neumeister übereinstimmend und wahrscheinlich von ihm angeregt — den dichterischen Gehalt höher als die Gestalt. Damit wird Lohenstein gegen Vorwürfe wegen formaler Schwächen verteidigt, während ganz entsprechend das Wortvirtuosentum der Nürnberger abgelehnt wird. Nun stößt indessen Menantes noch nicht zur reinen Gefühlsauffassimg vor. Jene Stellen verdienten nur wegen ihrer relativen Seltenheit in dieser rationalistisch erstarkenden Zeit Erwähnung. Vielmehr wird der geistige Bereich als Wirkungsgebiet der Dichtung im ganzen noch durchaus beibehalten, wie denn überhaupt jene neuen Keime in altem Boden eingebettet ruhen, der von vornherein ihre Weiterentwicklung verhindert. Daß „Weißheit mit der Anmuth sich vielfältig vermählet", daß „Poetische Scharffsinnigkeit" vorherrscht, daß sich Dichter „wegen ihres vor anderen von Natur empfangenen durchdringenden und zur Erkäntniß verborgener Wahrheit fähigen Geistes" zum Behandeln eines philosophischen Gehalts besonders eignen, daß „schöne Gedanken" so hoch geschätzt werden, weil sie ein „vernünftiges Vergnügen" hervorrufen, daß als schmeichelhafteste Anrede „vernünfftiger Leser" gebraucht wird, daß Deutlichkeit als Vorzug und erste Bedingung, kurz, daß Poesie doch letztlich wiederum als „Licht eines vortrefflichen Verstandes" gilt: alles dies sind Züge, die die Nachbarschaft des Frühklassizismus und Rationalismus unverkennbar verraten und eine v e r m i t t e l n d e S t e l l u n g sichtbar werden lassen. Solche vermittelnde Haltung tritt weiterhin zutage, wenn Menantes die „rechte Hoheit des Gemühts" mit ihren echten „hohen Gedanken" und entsprechend hoher Schreibart von der hohlen Scheinhoheit, von „hochtrabenden Reden" des Marinismus scheidet, von jenen falschen Diamanten (faux brillants) der Italiener, die „viele falsche hohe Gedanken" für echte unterzuschieben pflegen unter pomphafter Hülle. Gibt doch Menantes mehrere Beispiele für echte Hoheit des Gehalts und für bloße Formaufgeblasenheit. Die resultierende Mittellinie: Milderung barocker Übertreibimg einerseits und Erhöhimg aus nüchterner Flachheit andererseits führt zu der ebenso kennzeichnenden wie schwer erfüllbaren Forderung: „so muß man künstlich-einfältig, hoch ohne Hochmuth und schön oder angenehm sonder Schminke seyn". Dieselbe Zweiseitigkeit läßt beim Werden des Poeten
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zwei gleichberechtigte Wege gelten: i. Wie man ein Poet durch sich (selbst), 2. Wie man einer durch Regeln oder geschickte Unterrichtung werden könne. Dennoch bleibt es ein Fortschritt, daß er überhaupt diese Möglichkeit des „durch sich selbst" kennt und vor allem anerkennt. Sahen wir doch, daß ζ. B. Neumark den „autodidaktischen" Dichter keineswegs als vollwertigen Poeten gelten lassen wollte. Hinsichtlich der E i n d r u c k s w i r k u n g ist das „Vergnügen" der Seele höher zu stellen (Moral) als das Vergnügen des Herzens (Ergötzimg). Am sterbenden Sokrates (Hofmannswaldau) wird die „bewegliche moralische Klugheit" gerühmt, wie überhaupt „schöne Sitten-Lehren" hoch im Kurs stehen. Die m o r a l i s c h e E r z i e h u n g durch die Poesie erweist sich vielfach als wirkungsvoller als die der reinen Sittenlehre, weil sie nicht wie diese durch nüchterne Strenge abschreckend wirkt, sondern den Ernst der Belehrung in angenehme Form hüllt und so leichter zugänglich und genießbar macht. Auch Menantes kennt natürlich das Wandergleichnis von den verzuckerten Medikamenten (Buchner ff.). So läuft die moralpädagogische Leitidee ununterbrochen vom Barock über die galant-kuriöse Poetik zur Aufklärung, um dort dann ihre beherrschende Stellung zu erobern. Die W i r k l i c h k e i t darf nicht nachgeahmt werden. Auch alltägliche, „gemeine Gedanken" müssen erhöht erscheinen. Das geschieht durch die Formgebung; denn „hierzu hilft die Lieblichkeit der Worte, die Zierlichkeit der Redens-Arten, die Wolfließenheit und der Reim". Nicht die Rede des Marktes, sondern die des Parnasses ist zu wählen. Wieder wird so deutlich, wie jede Zeit ihren eigenen Sinn in den Begriff „Natürlichkeit" hineinlegt, wobei in diesem Falle die Bewußtheit solcher Hineindeutung besonders interessiert: Die Ansicht „Je gemeiner (üblicher) man rede, je natürlicher sey es gesagt" (Weise), sei irrig; denn „nicht, was niedrigen Leuten von niedrigen Professionen (alte Abwehr des „Pöbels"), sondern was erhabenen Musen gemein (gebräuchlich), das wird hier (!) vor natürlich geachtet". Das Kunstwollen bestimmt also den jeweiligen Sinn des „Natürlichen" nach eigenem Maß. Gegenüber dieser Vorrede Hunolds gibt die Poetik E. N e u m ei s ter s eine Mischung des Galanten mit spezifisch Weiseschen Anschauungen, wie denn die „ V o r b e r e i t u n g " Neumeisters ausdrücklich die grundsätzliche Abhängigkeit von Weise zugibt. Es
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war eine folgerichtig und sinnvoll durchgeführte Ergänzung der Weiseschen Lehre und wird darüber hinaus für die Geschichte der Stilistik bedeutsam, daß Neumeister in seiner Poetik in einem Sonderteil „Vom Stylo" handelt. Obgleich schon in früheren Poetiken die Anweisungen nicht selten auf eigentlich stilistisches Gebiet hinübergriffen, fehlte doch sonst ein derartiger besonderer Abschnitt. Und es ist kennzeichnend für den Primat der Prosakonstruktion (Weise), daß jetzt der Poetiker weiter auf das Gebiet des Stils hinüberwechselt.' Es wird damit der Wertmaßstab der Poesie eben nur dort aufgesucht, woher er bezogen war, im Sprachstil. Ein Gegengewicht, das auch bei Weise eine Rolle spielte, wird gefunden in der älteren B e t o n u n g des G e h a l t s (besonders der Erfindimg) gegenüber der Gestalt. Hinsichtlich der B e g a b u n g geht Neumeister nicht so weit wie Menantes, hält sich hier überhaupt mehr auf der üblichen Linie. Recht hoch wird immerhin das „Naturel" geschätzt. Auch weiß Neumeister — wie frühere Poetiker —, daß der „Genius Poeticus oftmahls gleichsam eigensinnig" und in solchen Fällen in anregender Weise zu „caressiren" sei, wobei ids künstliche Anregemittel wiederum aufmarschieren: Wein, Tabak, Einsamkeit, Spaziergänge (u. Derberes!). Je nach der individuellen Neigimg ist das Metrum zu wählen, wie denn auch im Stilbereich die Individualität grundlegende Rechte bereits eingeräumt erhält. Die Bedeutung der Dichtung für die Sprachpflege liegt darin, daß sich „die verborgene Krafft und Quintessenz einer Sprache in" einem Verse oder Carmine . . . concentriret". — Und die — offenbar von Weis.e geförderte — Annäherung von Stilpflege und Dichtkunst entspricht am Ende nur der Weiseschen Grundauffassung von der Poesie als eines Teilgebietes der Beredsamkeit, wie denn E. Neumeister die Dichtung als „eine galante Art der Eloquenz" erschöpfend umschreiben zu können glaubt in ihrem Wesenskern und in ihrem Aufgabenbezirk, der deshalb von der Redekunst aus mit halber Mühe erobert werden kann. Der Glaube an die Wertsteigerung des dichterischen Gebildes durch stilistische Verbesserungen (gegenüber einer ungebrochenen Ursprünglichkeit) folgt durchaus dem Bekenntnis Weises. Die angebliche Ungezwungenheit im Stil, die gleichsam vom Munde wegsprechen darf, will doch letztlich so verstanden werden, daß die normale Prosakonstruktion zugleich das Ungekünstelte verbürgt, mag auch hier und da eine leichte
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realistische Einsprengung spürbar werden, die doch wiederum Weise sich anpaßt. Die Abwehr Zesens, die längst zeitläufig war, oder das Sicheinrichten auf und Sichausrichten „nach der neuesten und galantesten Mode" vermochten nichts wirklich „Allerneustes" gegenüber Weise und den galant-kuriösen Weiseanern zutage zu fördern. Die L o s l ö s u n g von der M u s t e r g e l t u n g der A l t e n , erleichr tert u. a. durch die Verständnislosigkeit gegenüber Homer, fügt sich durchaus organisch in das Bestreben ein, vor allem „modern" zu erscheinen. Aber sie fügt sich ebenso in die Reihe ähnlicher Bestrebungen dieser Übergangsepoche. Ein weltkundiges Gelehrtentum, das als Ideal vorschwebt, bricht doch unversehens in die gefürchtete Pedanterie um, die etwa das kritisch bedachtsame Überprüfen höher stellt als den Drang der Eingebung. Wie wenig dieses weltnah sich gebärdende Gelehrtentum auch ehrlich volksnah zu sein wagte, geht unzweideutig aus Neumeisters überlegener Ablehnung jener Redeweise hervor, jenes niederen Stils, dessen „sich das gemeine Volck bedienet". Demgegenüber bedeutet die Forderung einer berufsmäßig abgestuften Redeweise durchaus nichts Neues. Trotz der streckenweise aufgelockerten und durch manchen derben kritischen Zugriff belebten, persönlichkeitshaltig wirkenden Poetik E. Neumeisters darf doch ihr kunsttheoretischer Endertrag unter dem Eindruck dieses letztlich mehr stilistischen Vorzuges nicht überschätzt werden, selbst wenn man ihr manchen beachtenswerten Einzelhinweis zugesteht. Und nachhaltige Wirkungsströme sind kaum von ihr ausgestrahlt. Die teils ironische Brechung ist nicht geeignet, die Überzeugungskraft zu stärken. Auch das Poltern allein verleiht ihr noch kein eigengesichtiges Profil, so erfrischend es an mancher Stelle dazwischenfährt ; denn man begegnet diesem wetternden Ton auch andernorts in der Zeitpoetik. An sich waren kritische Hinweise besonders seit Wernicke nicht schwer zu finden, wenn man von dem Vorspiel bei Sacer und anderen auch ganz absehen würde. Doch bleibt zu berücksichtigen, daß E. Neumeister mit seiner mutigen Magisterschrift „Specimen dissertationis historico-criticae de poetis Germanicis huius saeculi praecipuis" von 1695 bereits kurz vor Wernicke zu Wort gekommen war und auch in seiner „Allerneuesten Art zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen" hinsichtlich der Entstehungszeit etwa zeitparallel mit Wernickes kämpfe-
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tischen Beiträgen anzusetzen ist. Denn der kunsttheoretisch bedeutsame Haupteinsatz Wernickes erfolgte — wie oben angedeutet — recht eigentlich erst in den erweiterten Ausgaben seiner „Überschrifften". Der Wirkungseinsatz E. Neumeisters jedoch verschiebt sich notwendigerweise und schwächt sich demgemäß ab durch die spätere Veröffentlichung (1707, 1717). Der Ansatz zu einer kritischen Poetik, der an sich als Vorform nach Morhof und Rotth in die Linie Gottsched-Brämer einzuschwenken scheint, wird in seiner Entfaltungskraft gelähmt durch die Last des mitgeschleppten älteren Bestandes, die zwangsläufig verhindert, daß wirklich eine „allerneueste Art" der Betrachtungsweise und Anleitungsmethode sich Geltung verschaffen kann. Selbst ein unbändiges Aufbegehren und der Zustrom persönlichen Temperaments vermögen das Eingespanntsein in die Traditionskette nicht zu sprengen. Der noch halb jugendlich wirkende Hunger nach Anregungen verfügt nicht über die Auslesefähigkeit nach einem einheitlich gefestigten Geschmacksurteil. So wirkt E. Neumeister wie ein etwas kraftvoll derberer Tscherning innerhalb der galant-curiösen, politisch-politen Übergangsepoche, über deren sich vielfach überschneidende Strömungen er nicht Herr zu werden vermag bei allen Willensausbrüchen. Und vielleicht bekunden gerade diese krampfhaften Energievorstöße des Willens zur Kritik das heimliche Bewußtsein und Gefühl einer endlich doch unzulänglichen Kraft. Nicht überall kann man sich dem Eindruck entziehen, als ob Neumeisters scheinbare Fortschrittlichkeit und Forschheit gelegentlich aus einer Art von Kritik um der Kritik willen herzuleiten wäre, nicht ganz unähnlich dem Vorgehen Fr. Nicolais in einem späteren Entwicklungsraum. Wäre das „ R a i s o n n e m e n t ü b e r die R o m a n e n " (1708) tatsächlich E. Neumeister zuzuschreiben, was einige Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber nicht unumstößlich feststeht, so würde sich seine Bedeutung für die Poetik entsprechend erweitern. Denn wenn auch der knapp gehaltene Beitrag zur Romantheorie in der erörterten Sondergattung nur eine „andere Façon von Fabeln" erkennen zu können glaubt, „die man Romanen genennet", so darf doch und zunächst einmal schon der Umstand, daß ein Sonderschriftchen dieser Sondergattung gewidmet wurde, eine gewisse Aufmerksamkeit beanspruchen. Die Einlagerung dieser vorerst immer noch wenig klar abgehobenen Sondergattung in die Entfaltungsschicht des „galatti-curieusen" bestätigt unzwei-
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deutig die Zwecksetzung, „eine galante Conduite" erleichternd zu fö dem, ja planvoll zu „lehren". Dem Belehren durch den Roman dagegen steht E. Neumeister kritisch bedenklicher gegenüber, und zwar nicht zum wenigsten deshalb, weil dort, wo der Romanverfasser belehrenden Bildungsstoff einzubeziehen versuche, sich eben auch leicht die Langeweile für den Leser einstellen würde oder doch eine Minderung des Lustgefühls an der Romanlektüre. So entfällt für Neumeister der Sinn der Episode, den Birken teils aus Freude an einer abwechslungsreichen Mischform, Omeis aber gerade wegen der Bildungsbereicherung bejaht hatte. Bekundet sich in diesem Neumeister auch sonst eigenen kritischen Bedenken ein gewisses Gefühl für ästhetische Werte, so wird dieser Eindruck verstärkt durch sein Eintreten für eine verhältnismäßig geschlossene Struktur in der Bindung der Teilglieder. Und ein Ansatz zur psychologischen Fragestellung kündigt sich schüchtern an, wenn sich Neumeister Gedanken darüber macht, daß ein vom Interesse gefesselter Romanleser angesichts „anderer Leute erdichteten Erfindungen" die Wirklichkeit um sich her vergessen könne, also gleichsam über unser Vergnügen an romanhaften Gegenständen, ähnlich wie Rotth nachdachte (oder nachschrieb) über unser Vergnügen an tragischen Gegenständen. Die Ursache sieht und sucht Neumeister in der menschlichen Neigung „zur Verwunderung", die im Roman Erfüllung finde. Um sie zu vermitteln, muß der Romandichter ein guter Menschenkenner sein. Bereits im Jahre des ersten Bandes der HofmannswaldauAnthologie war also E. Neumeister in die kritisch auflockernde Richtung vorgestoßen mit seiner Magisterarbeit „Specimen dissertationis . . . " (1695). Und wie die späteren Bände der von B. Neukirch herausgegebenen Sammlung dem Druck jener allgemeinen frühaufklärerischen Schwenkung nachgeben, so läßt sich die gewürdigte Poetik Neumeisters, die vor ihrer Herausgabe durch Hunold-Menantes spätestens 1702 anzusetzen ist, ohne weiteres in jene Richtungswandlung einbeziehen. Mehrfach wird die Schwenkung zur frühaufklärerischen Wegrichtung nach barocken Anfängen innerhalb des Entwicklungsvorganges der einzelnen Dichter und Theoretiker ablesbar, so etwa bei B. Neukirch und G. Stolle, teils auch bei Hunold-Menantes, ohne daß überall eine klare Endstellung gewonnen würde. In gewissem Grade folgt selbst eine so ausgeprägt künstlerische
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Persönlichkeit wie Joh. Christian Günther (1695—1723), der im Jahre des ersten Bandes jener Hofmannswaldau-Anthologie geboren wurde, dieser zeitgemäßen Entwicklungstendenz mit seinem Sichablösen von Hofmannswaldau im Leipziger Einflußbereich Menckes, wenn er selbst seinen „Phöbus" in die „Kur" nimmt, um ihm die Restbestände der „schwülstigen Natur" auszutreiben. Nur eben — und darin bewährt sich die Genialität des zeitüberlegenen Künstlertums —, daß Günthers Erlebnisintensität und Ausdruckskraft trotz gewisser fördernder Zuströme aus dem volksnäheren Kirchenlied im eigenwegigen und eigenwertigen Durchbruch letztlich auch zugleich die frührationalistische und frühklassizistische Schicht durchstößt und nicht in ihr verharrt, um als Einzelgänger bereits weit in die Zukunft ausgreifende Schritte in jener Richtung zu wagen, die dann recht eigentlich erst die Geniezeit zur Richtung und Aufrichtung einer vollwertigen deutschen Erlebnisdichtung ausbauen sollte. So ganz abseits jedoch von seiner Zeit geht Chr. Günther nicht den steilen Weg unter dem alleinigen Auftrieb einer dem Zeitdurchschnitt fraglos weit überlegenen Begabung. Die theoretisch vielfach (ζ. B. bei Omeis) erörterte Ersatzmöglichkeit der antiken Mythologie durch eine biblische Mythologie bleibt, wie H. Heckel bereits beobachten konnte, nicht ohne Einwirkung auf seine Dichtung. Die Abwehr barocker Prunksucht in einem längeren Widmungsgedicht an R. v. Nickisch und Roseneck (1721), das zugleich „Menckens kluger Hand" dankbar gedenkt, bewegt sich durchweg in der besonders seit Wernicke vertrauten Richtung, rühmt die anregende kritische Urteilsfähigkeit des Gönners, um schließlich klarzustellen, „was eigentlich vor Schmuck in unsre Kunst gehört". Der Haltung der Satire entsprechend — denn das Lobgedicht wird auf weite Strecken hin zur Literatursatire — vermittelt es vorwiegend negative Bewertungskriterien. Und zwar verwirft es hinsichtlich des Formungskriteriums das „rauschend Flittergold", das krampfhaft emporgetriebene „auf Stelzen"-Gehen, das weithergeholte „Gleichnüßwort", die Uberladung mit Mythologie („ein Maul voll Götter"), hinsichtlich des Inhaltskriteriums in Annäherung an die christlich-moralische Leitidee ein „mit Gott und guten Sitten"-Widerstreiten, in Annäherung an die frührationalistische Richtung einen unzulänglichen „Verstand" und in Annäherung an die Als-Ob-Natürlich-
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keit ein „wieder die Natur"-Sein, soweit in diesem Falle nicht sogar eine echte Naturannäherung in Erwägung zu ziehen wäre. Die persönliche Wandlung seines Kunstwollens hebt Günther wiederum ausdrücklich hervor in dem selbstkritischen Bekenntnis : „Vor diesem hab ich zwar auch mich damit gekränckt". Ein G e b u r t s t a g s g e d i c h t (f. Thebesius, 1721), das wieder Mencke erwähnt, hebt erneut den Wert urteilsfähiger Kritiker von den „Thoren", die „rechte Poesie" von der Scheinpoesie der Reimschmiede ab, bekämpft die Erwerbspoesie, die nur „Silben radebrecht", beklagt — fast wie einst Moscherosch — die galant„politische" Abwendung von der alten „deutschen Treu" und sieht die positive Ziel- und Zwecksetzung der Poesie darin: „Sie schmückt die Weißheit aus und giebt der Tugend Zoll / Zu welcher sie das Volck in Bildern (belehrende Einkleidung) führen soll". Der Lügenvorwurf wird noch ganz in der üblichen Weise zurückgewiesen; denn die Dichtung sei „kein süßes Höllengift, die Wahrheit zu ersticken". Aber gleichzeitig erfolgt die rationalistische Ablehnung des „Märchenkrams", mit dem man höchstens die „Einfalt zu berücken" vermöchte. Die durchweg zeitübliche Verurteilung der „Meistersänger" erfolgt hier etwas weniger streng, aber doch erkennbar; wie denn ein früheres Widmungsgedicht (f. Scharff), das zugleich die Frage der produktionsfördernden Anregemittel scherzhaft berührt, es ausdrücklich ablehnt, den Gefeierten etwa „nach gemeiner Art Hans Sachsens zu besingen". Vom Gegenwartsdünkel der frühbarocken Epoche oder auch der Gottschedzeit hält er sich dagegen frei und bleibt sich bewußt, daß der Höhenstand deutscher Dichtleistung noch nicht erreicht ist. Nach alledem ist es unschwer zu erkennen, daß Joh. Chr. Günther im Theoretisieren weit hinter seinem Produzieren zurückbleibt und vielfach nur Angelerntes wiedergibt und weitergibt. Wenn Günther seine Eugen-Ode dichtet, so fördert er in der Mustersetzung die Wesensbestimmung der Ode mehr als viele Odentheoretiker. Und selbst einem Akrostichon weiß er Frische mitzugeben. Das Nützen und Ergötzen bleibt für ihn Wirkungsziel der Dichtkunst. Aber indem er im Bereich der Satiren und Strafgedichte das prodesse kämpferisch belebte, und indem er im Bereich der Lyrik das delectare gefühlsmäßig erlebte und nacherlebbar verinnerlichte und bereicherte, hebt er — wie W. Krämer betonen durfte — jene brauchmäßig erstarrten Be-
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griffe auf eine höhere Wertebene empor. Der innere Reichtum seines Dichtschaffens teilt auch seinen Ansätzen zum Theoretisieren eine Bedeutsamkeit mit, die über die oft nur nebensächliche theoretische Äußerimg hinausreicht. Wenn man ζ. B. bei Günther mehrfach in den Freundschaftsgedichten und Lobgedichten dem an sich durchaus landläufigen oder doch nicht ungewöhnlichen Gedanken begegnet, daß die Dichtung berufen und befähigt sei, das Andenken würdiger Menschen der Nachwelt zu bewahren, wenn dergestalt an sich nur eines der Verdienste des Poeten im Rahmen einer F ö r d e r u n g des dichterischen Ansehens gesondert herausgestellt wird, so erhält dieser Anspruch notwendig, durch einen geborenen Dichter von bestätigtem Dauerwert erhoben, ganz besonderes Gewicht : „Ich will der Welt damit noch manche Dienste thun / Und in der Poesie durch unermüdet Wachen / Verdienter Männer Ruhm in Deutschland ewig machen". Und die Gewißheit des Geborenseins zum Dichter klingt mit dem sozialen Bedrängtsein halb tragikomisch zusammen, wenn Günther zu der „Musen Bettlerorden" sich bekennt, „worin auch ich, ich weis nicht wie / Von Jugend auf geschrieben worden". Ob in diesem „ich weis nicht wie" das je ne sais quoi der Geschmacks- und Begabungsbewertung mitschwingt, mag dahingestellt sein. Das in der Zeitpoetik mehrfach berührte Verhältnis von Dichtkunst und Beruf bzw. wirtschaftlicher Lage erhält für das Erleben und Erleiden Günthers eine unmittelbarere Geltung und eine entsprechend belebtere Färbung, so wenn er zusammenfassend klagt „Nachdem der Lohn vor meine Lieder / Im Vaterlande mager fällt". Selbst das vielfach scherzhafte Erwähnen der produktionsfördernden Anregemittel belebt sich in seinem Munde zur echten Unmittelbarkeit, und die theoretische Lehre vom E i n f a l l r e i c h t u m gewinnt an Überzeugungskraft, wenn Günther nur beiläufig einmal davon spricht, daß aus „dem kältesten Gemüthe die glücklichsten Einfalle herauszulocken" wären, etwa durch ein stimmungsteigerndes Freundschaftsgefühl; aber auch wenn er auf sein beliebtes Thema zurückgreift „Kein guter Einfall fällt in einen Wasserkrug". Daneben kennt er indessen auch das verantwortungsbewußte Durchformen, das den Einfall in die Gestaltung umsetzt, den Wert der gepflegten Gefügebildung im Sinne des Konstruktionsgesetzes („die Ordnung im Verbinden") und die Ausdrucksfähigkeit des „Beywortes". Nur ein derartig liebevolles Betreuen as
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der Form bürgt dafür, daß dem Dichter „die Natur den Einfluß ihrer Huld / In Geist und Feder senckt". Und Joh. Chr. Günther ist wohl berufen, in eigner Sache vom „Trieb zum Dichten" mit aller Wärme zu sprechen. Günther hat in die Polemik, die sich über den Hamburger Literaturstreit hinaus zwischen den Angreifern und Verteidigern Schlesischer Dichtung entspann, so unter anderem zwischen Hunold-Menantes und Sommer (von Sommersberg) über die Verwendung der antiken Mythologie, zwischen Fr. Wilhelm Juncker und G. Benj. Hancke in seiner Art und mit voller Wahrung seiner Eigenart eingegriffen. Jedenfalls spricht C. Enders mit hoher Wahrscheinlichkeit Chr. Günther jenen mit C. G. gezeichneten A n h a n g zu, der einer Rettungsschrift (in Sachen Sommer gegen Hunold) der Schlesier „ D i e E h r e der S c h l e s i s c h e n P o e s i e und P o e t e n , gründlich und aufrichtig gerettet" (1721) angefügt ist. Und dieser Günthersche A n h a n g vermißt an Hunold-Menantes das, was Günther als einer der wenigen damals verwirklichte: das Ineinsbilden und Auseinander-Herausbilden von Erlebnisechtheit und dichterischem Schaffen, von persönlicher Haltung und Gestaltung. Trotz der polemischen Beengung des Standortes weitet sich überraschend der Ausblick auf die Entfaltung des „Subjektivismus" innerhalb deutscher Wortkunsttheorie selbst, ohne daß eine Anregung vom französischen Sentimentalismus oder von Italien her unbedingt erforderlich gewesen wäre. Aber als einzelner war Günther nicht stark genug, um den Vormarsch frühklassizistischer Normsetzung aufzuhalten, und die theoretisch gefühlsbetonenden Teilelemente in der Kunsttheorie H u n o l d - M e n a n t e s ' fanden keine überzeugende Bewährung in Hunolds. eigenem Dichtschaffen. Selbst im Bereich der Kunsttheorie vollzieht Hunold-Menantes, der eine Reihe von Schriften zur galanten Brief- und Lebenskultur herausbrachte, mit seiner eigenen „ A n l e i t u n g zur v e r n ü n f f t i g e n Poesie", die er seinen „Academischen Nebenstunden allerhand neuer Gedichte" (1713, 1726) beifügte, eine bereits in dem betonten Attribut „vernünfftig" ablesbare Schwenkung in die frührationalistische Richtung, wenngleich Teilüberschneidungen bestehen bleiben. Inzwischen breitet sich der Strom mittelwertiger und minderwertiger Poetiken in dem geringen Gefälle des frühaufklärerischen Flachlandes ständig weiter aus. Stärker noch als im siebzehnten
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Jahrhundert wird die Poetik zur Marktware, die jetzt besonders auch den Bedarf der Schule zu decken hat. So wird im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts der recht aufnahmefähige Poetikenmarkt weiterhin beschickt mit Beiträgen, die hier nur datenhaft verzeichnet werden können, so Joh. Chr. Dommerichs „Entwurf einer deutschen Dicht-Kunst" (1708); Joh. Jänichens „Gründliche Anleitung zur poetischen Elocution" (1706); Joh. Ernst Weises „Unvorgreifiliche Gedancken von Teutschen Versen" (1708) und Joh. Grüwels „Hochteutsche Vers- Reim- und Dicht-Kunst" (1709, Näheres vgl. Anmerkung). Das zweite Jahrzehnt eröffnet J. B. Mencke (Philander v. d. Linde) mit einer — noch kurz zu würdigenden — „Unterredung von der Poesie", die er seinen „Vermischten Gedichten" (1710) beifügt, während der Weiseaner Chr. Weißenborn in seiner „Einleitung zur deutschen und lateinischen Oratorie und Poesie" (1713) stärker die Rhetorik mit heranzieht. Joh. Christoph Männling, der schon 1685 mit seinem „Europäischen Parnassus" die „Kurtze und deutliche Anweisung zu der Deutschen Dichtkunst" herausgebracht hatte und recht zuversichtlich ein Geborensein-Müssen des Dichtertums hinter das Dichter-Machen durch Anweisung zurückgestellt hatte, der in Nachfolge Zesens einen „Europaeischen H e l i c o n " (1705) als Dichtanweisung folgen ließ, steuert jetzt als modernisierte Form der alten Schatzkammern (nach Peschwitzens Art) ein „Deutscher Poeten Lexikon der auserlesensten Phraseologie aus denen vornehmsten Poeten" (1715, 1737) bei. Und während noch in demselben Jahre von Francisco Wokenio die übliche „Anleitung zur Teutschen Poesie" (1715) auf den Leipziger Büchermarkt geworfen wurde, folgt dem Männlingschen Lexikon schon ein Jahr später ein weiteres, von J. G. Hamann verfaßtes. J. G. Hamann nämlich, der epäter A. v. Zig» lers „Asiatische Banise" weiterzuspinnen versucht, verrät trotz persönlicher verwandtschaftlicher Beziehungen naturgemäß noch keine wesenhaften oder gar wahlverwandten Beziehungen zum großen Anreger der Geniezeit gleichen Namens, sondern begnügt sich mit einem anspruchslosen „Poetischen Lexicon" (1716), einem „nützlichen und brauchbaren Vorath", nicht zum wenigsten gesammelt aus spätbarocken und galanten Mustern unter Bevorzugimg Lohensteins (und auch Ziglers), wobei die „Anweisung zur reinen und wahren deutschen Dichtkunst" nicht ai«
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fehlen darf. Und wiederum stellt sich auch in diesem Jahre die fällige Poetik ein; denn Joh. Joachim S t a t i u s bemüht sich, einen „Wohl-gebahnten Weg zu der teutschen Poesie" (1716) von Bremen aus zu schaffen, wobei er noch Gelegenheit zu kurzen Seitenblicken auf das Gebiet der Rechtschreibung und Interpunktion findet wie auch die Frage des Verhältnisses von hochdeutscher Schriftsprache und Mundart aufgreift, ohne darin zu einer entschiedenen und klaren Beantwortung zu gelangen. Denn einerseits will er die Reinheit des Hochdeutschen durch mundartliche Einschläge (bes. vom Niederdeutschen und Niederländischen her) nicht beeinträchtigt sehen; andererseits aber wird doch dem einzelnen Autor das Recht zugestanden, sich nach dem zuständigen Wohnort zu richten in der mundartlichen Abstufung seiner Schreibweise. Eine restlos vorbildliche Mundart besteht für Statius nicht, da auch die Obersachsen mundartliche Schwächen aufzuweisen hätten. Erörterungen über das Verhältnis von Mundart und Schriftsprache begegnen vielfach innerhalb der Poetiken der damaligen Zeit im Zusammenhang mit der Regelsetzung für Metrum und Reim. Als Verfasser für des „Musophili Anleitung, zur deutschen und reinen Poesie zu gelangen" (1717) kommt entweder J. G. Gressel, vielleicht aber auch E. Uhse in Betracht, da Uhse bei einer anderen Veröffentlichung den Decknamen „Musophilus" annimmt. Wesentlich Neues oder Eigenes hat keine dieser Poetiken aufzuweisen. Wenigstens in der ganzen Anlageart und Formgebung, bzw. durch eine Formwendung ins Parodistische eigenwegiger hebt sich J. Fr. R o t t m a n n (auch: Rothmann) ab mit seinem offenbar aus recht burschikoser Stimmung erwachsenen „Lustigen Poeten" (1718), der in seiner Art die „vornehmsten Regeln der Poesie" erläutert und sich allerdings in der Vorliebe für Zweideutigkeiten oder Eindeutigkeiten mit Musophilus berührt. Im Inhaltlichen seiner Polemik und in manchem Zerrbild dichterischer Bildersucht wie auch in mancher Karikierung gedunsen barocker Umschreibungen greift Rottmann auf Sacers Satire „Reime dich, oder ich fresse dich" zurück, und zwar auch in Einzelheiten. Derartige Anlehnungen lassen den „Lustigen Poeten" deutlich angegliedert erscheinen jener satirischen Traditionskette, die von Sacer (und seinen Vorgängern) über Joh. Riemers Lustredner und gar noch später „Verbesserten Lustredner" (1717) verläuft, der wiederum seinerseits so stark von
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Sacers Satire abhängig war, daß man ihn zeitweise für deren Verfasser halten konnte. Witzig-, .galant" mehr als satirisch geben sich die Gesprächspartner (Philander, Menippus, Tityrus) in Joh. Burchard Menckes bereits kurz berührter „Unterredung von der Deutschen Poesie und ihren unterschiedenen Arten" (1710). Es geht zwar in der Gesellschaft des würdigen kursächsischen Hofhistoriographen nicht entfernt so derb burschikos zu als beim Lustigen Poeten Rottmanns; und die Endabsicht ist offenbar auf ernsthafte Belehrung eingestellt. Aber die Gesprächssituation, die sich merklich — allzu merklich — um eine aufgelockert galant-,.polite" Darstellungsform kunsttheoretischer Lehren und Winke bemüht, läßt doch überall die Unterredung zwischen möglichst „espritvollem" Scherz, teils satirisch geschärfter Kritik und behaglichem Ernst hin- und herspringen. Es darf vorweg klargestellt werden, daß die Unterredungen, die J . B. Mencke späterhin mit seinem Schützling Joh. Christian Günther wirklich gehalten hat, um ihm in Leipzig Halt und Stütze zu bieten, seinem dichterischen Verständnis weit mehr Ehre machen als diese weinselig tändelnden „Unterredungen", die er im Anhange seiner „Vermischten Gedichte" improvisiert. Und es darf auch das andere klargestellt werden, daß von einer „Deutschübenden poetischen Gesellschaft" in dieser mit französischen Fremd- und Modewörtern reichlich gespickten und vermeintlich geschmückten Unterredung noch herzlich wenig zu verspüren ist. Philander von der Linde (Mencke) versucht krampfhaft, den trockenen Stoff anzufeuchten, indem er die Unterredung als gesucht zwangloses Gespräch unter Freunden von einer ermunternden Weinprobe begleitet sein läßt. Die Freunde treffen ihn „bey gutem Humeur", da gerade eine Sendung Rheinwein angekommen ist. Und wenn man die Fiktion aufrecht erhält, daß die Freunde, die auf Seite 142 die Kostprobe beginnen und auf Seite 313 noch eifrig dabei sind, wirklich durchgehalten haben trotz aller inzwischen vorgelesenen Gedichte (denn Beispiele werden reichlich untergebracht), dann erscheint ihre Festigkeit im Weinprobieren beachtenswerter als ihre Festigkeit in der Kunstanschauung. Aber vielleicht ist gerade dies Schwankende von Äußerungen, die wohl doch nicht nur „nach der Bouteille schmeckten" — was geschmacklos witzelnd von den Tragödien des Aeschylus behauptet wird — und nicht nur durch die Rede-
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Verteilung unter den drei Gesprächspartnern bedingt sein dürfte, vielleicht ist gerade dies Ungeklärte im Zwielicht von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung kennzeichnend für die Übergangsstellung zwischen Spätgalantem und Frühklassizistischem, die einer klaren Entscheidung noch ausweicht. Mencke, der im Verlaufe der „Unterredung" nicht verfehlt, auf seine eigenen „Galanten Gedichte" mehrfach hinzuweisen, steht in seinem kunsttheoretischen Beitrag noch keineswegs in klarer Opposition zu den Schlesiern. Ihm, der selbst mit Gedichten in der Neukirchschen Sammlung vertreten ist, erscheint der Name Hofmannswaldau durchaus der achtungsvollen Erwähnimg wert. Hofmannswaldau gilt vor allem als der unübertreffliche Meister bildlicher Umschreibungen. Und Mencke meint allen Ernstes: „In dergleichen Allegorien bestehet ein großes Theil der Schönheit der Deutschen Poesie, und es ist kein Zweiffei, daß des Herrn von Hofmanwaldau Stärcke auch daxin besteht". Aber unbedenklich wird ein Hofdichter wie Besser, den Mencke wohl aus dem Gefühl der Wesensverwandtschaft im Dichterischen besonders nachdrücklich preist, mit Hofmannswaldau eng zusammengestellt. Die Atmosphäre des Hofdichtertums überwiegt und liegt über dem ganzen Gespräch. Ein wenig anakreontisch gefärbte Rokokostimmung ist beigemischt, wie denn mancher Schritt des Dichters an der Tanzmeistergrazie des „Maitre" erläutert wird. Weise findet in Ehren und mit Nachdruck Erwähnung. Aber schon überschneidet sich teils das Ideal der Weiseschen Politesse mit dem Ideal der Delikatesse ohne Eröffnung der Geschmacksdebatte zwar, aber doch deutlich genug. Das — an sich schon gelegentlich früher (z. B. bei Prasch) beobachtbare — Wort „Geschmack" selbst fällt nicht; immerhin die Zwischenform „Schmack", und vor allem der Name Bouhours. Aber nicht etwa, wie man nach Meister und Wernicke erwarten könnte, als Angriffsziel, sondern merklich als Nacheiferungsziel wird Bouhours' „Manière de bien penser" ins Auge gefaßt (S. 267, 274). Man gefällt sich bereits in der Haltung des Schöngeistes und beschränkt sich so gleichsam auf den praktisch geführten Gegenbeweis, daß doch auch ein deutscher bel esprit möglich sei. Nicht nur ihrem Inhalt nach, offenbar auch ihrer Form nach geben sich die „Unterredungen" betont schöngeistig, was jedoch einige erfrischende deutsche Gradheiten nicht ausschließt.
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Weise, dessen in den „Überflüssigen Gedancken" bewährtes Talent besonders gerühmt wird, erhält auch als Theoretiker volle Anerkennung. Und wiederholt greift Mencke den Weiseschen Grundgedanken auf, daß man mit den Gesetzen der Redekunst auch in der Dichtkunst erfolgreich arbeiten könne. Das Gesetz der Prosakonstruktion aber, obwohl im Grundsätzlichen angenommen, wird in den Ausführungsbestimmungen merklich gemildert und stößt in der praktischen Durchführung auf gewisse Vorbehalte, die letztlich auf eine Anhänglichkeit an Hofmannswaldau zurückgehen. Die Weisesche Ernüchterungskur wird zwar nicht so deutlich als Gefahr erkannt wie etwa schon bei Morhof oder späterhin bei dem Verfasser (Chr. Stieff?) der „Breslauer Anleitung". Aber Menckes Verteidigung der Bildfreudigkeit war doch ein Teilausschnitt aus jenem Abwehrkampfe, der hier nur als ein gewisses gefühlsmäßiges Widerstreben in gedämpfter Form abgeschwächt begegnet, aber eben doch spürbar bleibt. Charakteristisch ist die Art, wie er gerade bei Hofmannswaldau Kunstgriffe abliest, mit deren Hilfe man um die technischen Schwierigkeiten der Weiseschen Gesetzeserfüllung mit Anstand herumkommen könnte. Der uneingeschränkten Zustimmung des Gesprächspartners Tityrus: „Ich setze nichts, was wider die Construction läufft, und ich habe den Glauben, wer etwas dichtet, das kein vernünftiger Mensch verstehen kann, der muß zu Hause bleiben" setzt Philander-Mencke die Einschränkung entgegen, daß Ausnahmen zugebilligt werden müßten, „wenn dieser Fehler durch eine vortreffliche Pensée oder den angenehmen Klang compensiret wird". Das hätte Weise schwerlich zugestanden. Mencke jedoch erläutert an einem Beispiel, wie unter Umständen „der Majestätische Numerus" jenen Verstoß gegen das Konstruktionsprinzip „vertuschet" und ihn so „unkenntlich" macht, „daß man ihn vor eine Schönheit ansiehet. Hierinnen ist der Herr Hofmannswaldau ein trefflicher Meister gewesen". Und tatsächlich enthüllt sich recht überzeugend die ganze Einseitigkeit des Weiseschen Gegenschlages, wenn nun Mencke das in Inversion bei Hofmannswaldau gern vorausgestellte „Nicht", das doch „in gemeinen Reden gar nicht bräuchlich" sei, behutsam als „nicht unangenehm" verteidigen muß. Weisesche Nüchternheit erscheint neutralisiert durch Hofmannswaldau, oder anders gesehen und in weitere Blicklinie gestellt: der noch nicht voll erfaßte Boileau wird durch den noch nicht voll erfaßten Bouhours
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ausgeglichen. Jedoch nicht entfernt in dem Grade wie dann in der Breslauer Anleitung wird Weise bekämpft, dessen „Reguln" an sich auch von Philander als „gut" anerkannt bleiben. Die Verwandtschaft der „Unterredung" Menckes mit der Breslauer „Anleitung", wie sie Borinski andeutet, besteht letztlich in der Überschneidung von spätgalanten und frühklassizistischen Teilkräften. Im übrigen weichen nicht nur Anlageform und Darstellungsstimmung — vom Schöngeistigen ist in der Breslauer Anleitung wenig zu spüren — , sondern auch die weltanschaulichen Einstellungen wesenhaft und wesentlich voneinander ab. Die starke religiöse Untergründung der Breslauer „Anleitung", die strenge Tugendlehre auch fehlt durchaus im lässig tändelnden Ton der „Unterredung" Menckes, die gern ein wenig über die Geistlichen witzelt, wie auf der anderen Seite die französierende Haltung der „Unterredung" durchaus vermieden wird in der Breslauer „Anleitung". Der starke Intellektualismus und ein entsprechender Abstand von den erörterten Fragen kommen der teils kritischen Literaturschau in der Leipziger „Unterredung" zugute. Eben dieser abstandskühlere Intellektualismus hebt sich aber wiederum deutlich ab von dem ernsten Teilnehmen innerhalb der Breslauer „Anleitung". Der selbstbewußte Rationalismus der Leipziger „Unterredung" liegt der Breslauer „Anleitung" fern. Gewisse Berührungen, die noch bei Würdigung der Breslauer Anleitung kurz werden anzumerken sein, können doch diese wesenhaften Abstufungen und Absetzungen nicht übersehen lassen. Hinsichtlich der reichen Kenntnis der einschlägigen Literatur, die bei dem Herausgeber der „Acta Eruditorum" nicht überraschen kann, steht Menckes „Unterredung" dem PoetikKapitel in Stolles Gelehrtengeschichte näher. Mencke kennt nicht nur die Alten; er nennt von den verhältnismäßig neueren Theoretikern neben Bouhours, der merklich Eindruck macht, aber noch nicht klar erkannt und ausgewertet wird, den Aristoteleskommentar Daciers, den „Traité du poème ¿pique" Le Bossus, von den älteren „La pratique du théâtre" (1657) des Fr. Hédelin, Abbé d'Aubignac und verrät, ζ. Β. in den zahlreichen Literaturnachweisen zu dem Erdmann Neumeister gewidmeten Gedicht „Ob ein Poete wol superintendens seyn könne?" (1710 als Eingangsgedicht zu den „Vermischten Gedichten") weiteren Umblick (ebendort, S. 2—9). Von den Dichtern wird unter anderem Corneille gerühmt, ebenso Molière, während Milton nur
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recht oberflächlich, und zwar recht eigentlich oberflächlicher als früher bei Morhof und später in der Breslauer „Anleitung", Erwähnung findet: „Die Engeländer machen viel Aufhebens von des Miltons verlohrnen Paradieße". Angeblich habe Milton „allen Ruhm wieder verlohren" durch das „wiedererlangte Paradieß". Die Debatte über das Epos sucht angesichts des Zugeständnisses, daß Deutschland kein vollkommenes Epos aufzuweisen habe, doch auch die Epen der Ausländer in ihrer Geltung einzuschränken, so neben Milton etwa auch Ariost und Marino. Mencke macht den Vorschlag, zwischen dem heroischen, dem HeldenGedicht, dem carmen heroicum (zu Ehren eines Helden, Fürsten usw.) im engeren Sinne und dem Epos im weiteren Sinne zu unterscheiden. Das Heldengedicht sei dann in Deutschland z. B. durch Besser vertreten. Damit ist ein wesentlicher Beitrag zu der in Menckes Titelgebung (bzw. im Untertitel seiner Gedichtsammlung) versprochenen A r t g l i e d e r u n g geboten. Über die Liebesgedichte wird zwar gesagt, daß „nicht viel Kunst" erforderlich sei, „wenn man nur recht verliebt ist". Und insofern scheint etwas wie eine Ahnung von Erlebnisdichtung aufzudämmern, vielleicht angeregt durch entsprechende Äußerungen Hunold-Menantes', der, obwohl in anderem Zusammenhange, rühmlich in der „Unterredung" genannt wird. Indessen ergibt das ganze Stellenmilieu, daß man nur keck mit diesen Gedanken tändelt. Man nimmt diese Liebesgedichte, eben weil sie kein sonderliches Kunstbemühen erfordern, auch nicht recht für voll. Und wohin das wirkliche Meinen und Werten ausschlägt, Verrät etwa eines der zahlreichen in die Unterredung als vorgetragene Proben eingeflochtenen Gedichte, und zwar die „Satyre auf den Mißbrauch der Poesie" mit der Zusammenfassung: „Demnach wird allerdings die Poesie verlacht / Weil Liebe, Hungers-Noth und Ehr-Geitz Dichter macht", immerhin mit dem für die B e w e r t u n g der B e g a b u n g bemerkenswerten Zusatz, „die dennoch von Natur zu Künsten keine Gaben / Und zu der Poesie kein Funckgen Feuer haben". Möglich, daß Bouhours Ausspielen des Herzens schon ein wenig Schule gemacht hat. Wieder auch (wie z. B. bereits bei Buchner) taucht Plato auf, wo die Begabung betont wird; diesmal im Aufgreifen des Sinnbildes von der Venus als der „Mutter der Poesie". Indessen recht nah — und ein wenig anakreontisch anmutend schon — steht das Liebeserlebnis noch neben dem bewitzelten Anregemittel
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des Weines, wenn festgestellt wird, „daß ein artig Mägdgen mehr zu einem guten Gedichte beytragen kan, als xo Gläßervon dem besten Vin de Lorraine". Man spielt vorerst lässig mit einem Gedanken, der in anderen Händen und in anderer Umwelt den Zugang zur Erlebnisdichtung und Gesinnungsdichtung hätte erschließen können. In dieser Welt der Hofdichtung, die geflissentlich Dichtung als Liebhaberei müßiger Nebenstunden von ernster Leistung abhob (so Mencke selbst in der Vorrede seiner „Vermischten Gedichte") und nicht nur für die Sondergattung des Madrigals, Rondeaus und der Singspielarien die vollendete Haltung und Sicherheit eines „vollkommenen Hofmannes" als unerläßliche Bedingung ansah, sondern allen Ernstes den „Herrn Ceremonien-Rath" von Besser „unter allen jetzt florirenden Poeten allein capable" hielt, ein deutsches Epos zu schaffen, war nicht der Boden für eine volksnahe Erlebnisdichtung oder volkswürdige Gesinnungsdichtung. Weit eher als das unmittelbare Gefühl verstand man in diesen Kreisen, den geistreichen Einfall des Witzes zu schätzen, den man von einer mühevollen Erarbeitung freizuhalten trachtete. Und in dieser Richtung einer zeitgemäßeren Gattung, des Epigramms, bewährt man einen gewissen regelfreien Blick dafür, „daß man das rechte Pflöckgen (die Pointe) öffters par hazard eher treffen kann, als wenn man lange darnach zielet". In diesem Zusammenhange wird auf Meister als Theoretiker und Praktiker verwiesen. Wie der Sinnspruch steht die Satire in hohem Ansehen. Und wie Mencke schon in seinen „Schertzhafften Gedichten . . . nebst einer Ausführlichen Vertheidigung Satyrischer Schrifften" (1706) die traditionelle Unterscheidung von Satire und Schmähschrift (Pasquille) aufgegriffen hatte, so bemüht er sich in der „Unterredung", das Geltungsrecht der Satire vor Mißdeutung und Mißbrauch zu schützen. Die späterhin wieder bei Rabener begegnende Abwehr der persönlich zugespitzten Satire dient vor allem zur Ehrenrettung der echten Satire. Unter dem Schutze dieser Vorliebe für satirische Dichtungen findet sogar „Hanß Sachse" und der „Froschmäußler" G. Rollenhagens vorübergehend Deckung vor der sonst üblichen Polemik (ähnlich wie später bei Gottsched). Die Komödie gilt als eine „lebendige Satyre". Eine „noch weit größere Kunst" sei es, „eine Tragödie nach den Reguln zu verfertigen". Besonders Corneille und Dryden hätten sowohl in theoretischer Anweisung wie in schaffender
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Verwirklichung den Weg gewiesen. Die Oper wird bereits „vor absurd gehalten", da das Umsetzen alles Erzählens, Fragens, Rufens und Scheltens in Gesang und Ton unsinnig erscheint (also Boileaus Einwände). Doch wird das Drama in dieser „Unterredung", die doch von den „Arten" handeln will, nur flüchtig berührt. Das erklärt sich teils aus der Anlageform der „Unterredung", die ihren Gedankengang nach den jeweils eingefügten Beispielgedichten verlaufen läßt. Offenbar fehlte ein Beispiel für die dramatische Wirkungsform einer regelmäßigen Tragödie; es fehlte rein äußerlich an dem Raum zur Vermittlung. Aber es mangelt doch offenbar auch das Interesse für das Drama an sich. Ebenso findet die Romanform wenig Beachtimg, die doch längst in die theoretische Besinnung einbezogen worden war. Die S t e l l u n g zur B e g a b u n g führt zu keiner Klärung. Die Bedeutung der „Inventions"Fähigkeit zwar erkennt man, und das Durchgehen „aller locos topicis" (sie !) steht nicht mehr in Ansehen. Aber erst, nachdem festgestellt worden ist, daß „gleichwol allerley Handgriffe" sich nützlich erweisen und die „fertige Natur" mit „Kunst" vorteilhaft verbunden sein müsse, erfolgt die begabungbewertende Einräumung Philanders: „Sonst aber bin ich auch der Meinung, daß wer von Natur arm an Invention ist, der möchte sich immer die Lust zur Poesie vergehen lassen; denn er wird dennoch nichts gutes zu Marckte bringen, wenn er gleich noch so sehr künsteln will". Das hindert aber nicht, daß die „Unterredung" Menckes, die eigenartige Überschneidungen von Boileau (vor allem nur als Satiriker erwähnt) und Bouhours ablesen, läßt und im vorgottschedischen Entwicklungsraum gesteigerte Beachtung verdient, ganz unbefangen hinsichtlich der Reimlehre auf die Vorrede zu J. Hübners Reim-Register empfehlend („gar artig") hinweist. Dieser Joh. Hübner, vor dem schon Chr. Günther mit kecker Polemik den Dichter warnte und der in einer späteren Auflage seiner Poetik noch von G. A. Bürgers bissigem Spott erfaßt worden ist, legt erneut sein berühmt-berüchtigtes „Poetisches Handbuch" (1696) vor, bestehend aus einer „kurtz-gefaßten Anleitung zur Deutschen Poesie" und einem wahrhaftig wenig kurz gefaßten „vollständigen Reim-Register" (1712), das auch noch nach Gottscheds Kritischer Dichtkunst neue Auflagen erlebt (1731, 1742/3), von der parallelen „Anleitung zur teutschen Poesie" (1720) ganz abgesehen.
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Im vorgottschedischen Raum Wie mehrfach spürbar wurde, bewegt sich die wortkunsttheoretische Entwicklung bereits im vorgottschedischen Raum, während die eigentliche Wirkenszeit Gottscheds etwa seit 1725 einsetzt. Und mit der Bezeichnung vorgottschedischer Raum soll eben nur angedeutet werden, daß sich die Berichtszeit dieser Einsatzzeit Gottscheds nähert, deren Würdigung dem zweiten Bande dieser Darstellung vorbehalten bleibt. Die dort unentbehrlichen Voraussetzungen sollen hier nicht vorweggenommen werden. Als Typus einer frühzeitig in die allgemeine Gelehrtengeschichte eingelagerten Poetik mag des Jenaer Professors der Poesie G o t t lieb Stolles Poetik-Kapitel „Von der Poesie" herangezogen werden aus seiner „ A n l e i t u n g zur Historie der G e l a h r h e i t (stc!), denen zum besten, so den Freyen Künsten und der Philosophie obliegen" (1718, 1724, 1727, 1736 mehrfach aufgelegt). Gottlieb Stolle (1673—1744), der vorwiegend wissenschaftlich interessiert, dennoch einige eigene dichterische Versuche im „Schlesischen Helikon" und — wie Mencke — in späteren Teilen der Neukirchschen Anthologie (1705, 1709) herausgebracht hatte, ließ im Jahre der vierten Auflage seiner Gelehrtengeschichte „ G a n t z neue Z u s ä t z e und Ausbesserungen der Historie der philosophischen Gelahrheit" (1736) folgen, die unter anderem Gelegenheit nehmen, den „ofitgelobten" Herrn Gottsched mit seiner Kritischen Dichtkunst — die ihrerseits schon in der Vorrede der ersten Auflage (1730) Stolles Gelehrtengeschichte genannt hatte — gebührend zu erwähnen, Hinweise auf Joh. Ulrich König, Joh. Peter Titz nachzutragen (S. 64) und unter anderem auch Sonderliteratur zu den einzelnen Gattungen ergänzend beizubringen, so etwa Mays Übertragung der lateinischen Abhandlung Pater Porées als „Rede von den Schauspielen". Die „ A n l e i t u n g " Stolles selbst läßt in ihrem fünften Kapitel „Von der Poesie" (S. 161—256) die charakteristischen Merkzeichen der frühaufklärerischen Übergangsepoche mühelos greifbar werden. Die formale Abkehr von den Poeten, die zu „des Melchioris Weinrichii Ά erario Poetico' oder zu einem teutschen Poetischen Trichter ihre Zuflucht nehmen", weil es ihnen „an phrasibus poeticis" fehle, die — zudem mit teils keineswegs überzeugenden historischen Beispielen belegte — Hervorhebung, daß „rechtschaffne Tichter" in Wirklichkeit „zum Poeten ge-
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bohren" sein müßten, kann angesichts der ähnlichen Wendungen bei Weise, Thomasius oder auch Hunold-Menantes und Mencke nicht mehr überraschen. Wie wenig nachgelebt die nur nachgesprochene Begabungsformel tatsächlich war, verrät die gleichfalls zeittypische Teilbekämpfung des „Vorurtheils" vom „göttlichen Ursprung" der Dichtkunst, das als Fehldeutung von den Orakelsprüchen der „heydnischen Pfaffen" hergeleitet wird (wie bei Omeis und letzten Endes schon bei Opitz). Nur daß der wackere Stolle allen Ernstes angesichts jener vermeintlichen Spräche der Götter feststellen zu müssen glaubt, daß „Gott niemahlen wahrhafïtig in Versen geredet". Das Kriterium der Verse, das dann vor allem für Brämer zum Ärgernis werden sollte, überwiegt noch; denn Stolles Definition lautet: „Die Poesie ist eine Kunst, etwas in gebundenen wie die Rhetoric in ungebundenen Worten vorzustellen". Und nur widerstrebend und im „weitläufftigen Verstände" erhalten die in „ungebundener Schreibart" auftretenden Gattungen (Romane, Schauspiele und „Satyren") ihr Geltungsrecht eingeräumt. Überhaupt stimmt Stolle einer absoluten Wertgeltung der Poesie keineswegs zu, sondern will zwischen den „Schmeichlern" und „Feinden" der Poesie unparteiisch seinen Standpunkt wählen: „Wer klug ist, hält das Mittel. Er läugnet darum nicht: daß diese Kunst bisher mehr zum Bösen als Guten angewendet worden; erkennet aber auch, daß nur die Poeten und mit nichten die Poesie selbst daran Schuld habe", ein Standpunkt, den ihm offenbar unter anderen Thomasius gewinnen half. Für das Sondergebiet des Romans warnte vor der Fragwürdigkeit des Nutzwertes noch 1730 der Schulrektor in Glaucha Freyer: „Teutsches Programma vom Romanlesen". In die frühaufklärerische Entwicklungslinie verweist weiterhin die Lockerung einer starren Mustergeltung der Alten. Der aufklärerische Gegenwartsstolz einerseits und das christliche Widerstreben gegen das Heidnische andererseits ist zu einer „abergläubischen Ehrerbietung gegen die Alten" nicht mehr vorbehaltlos geneigt. Das kommt nicht nur bei der Erörterung über das Epos zur Geltung, sondern auch in der Absage an die vermeintliche Notwendigkeit der Mythologiekenntnis für den modernen Poeten. Eine derartige Auffassung wird als „ein großer Irrthum" nachdrücklich verworfen. Die Vermittlungsversuche Omeis' haben sich also für Stolle nicht durchgesetzt.
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Der späterhin vielfach erörterte Problemkreis: Verfasserschaft, Anlageplan und Motiv, bzw. Themaerfüllung der homerischen Epen (Wolf, Herder, Hölderlin u. a.) wird wohl erstmalig von Stolle in dieser Sehart berührt; doch steht er Homers Dichtertum völlig verständnislos gegenüber, wie ihm ζ. B. die naive Urwüchsigkeit nur Anlaß zur Ironisierung bietet. Virgil wird über Homer gestellt. Das Hinüberwirken der galanten Stilepoche macht sich geltend, wenn für das Gesamtgebiet der Dichtkunst die Aufteilung in „die hohe und galante" Poesie angenommen wird, wobei nach Stolle die „galante" Gruppe im wesentlichen unsere lyrischen Wirkungsformen umgreifen würde. Der „mehrgerühmte Hoffmannswaldau" steht hoch im Ansehen, und „es wäre zu wünschen, daß jemand der Jugend zum besten einen selectum von den zur galanten Poesie gehörigen Gedichten machte", wofür die — nur noch zu sichtende — Vorarbeit bereits in der Sammlung der Hofmannswaldau-Ausgabe und der von Hunold-Menantes veranstalteten Sammlung oder auch C. F. Weichmanns „Poesie der Nieder-Sachsen" erkannt und anerkannt werden. Neben jener Zweiteilung spürt man die Anziehungskraft, die Thomas Hobbes' ständisch-lokale Gliederungskriterien immer noch ausüben. In der praktischen Anlage seines Kapitels aber gliedert Stolle in die „gebundene Poesie" und — eine Wendung, die damals in dieser Fassung Beachtung verdient — die „ungebundene Poesie" bzw. „Poesie in prosa". Der alte kulturpatriotische Weckruf nach einer deutschsprachlichen Dichtung klingt — gedämpfter zwar — nach in der Mahnung: „Ein Teutscher poetisire lieber in seiner als in einer andern Sprache". Die Hauptarbeitsleistung hat offenbar Stolle seinen umfassenden und vielseitig oriéntierenden A n m e r k u n g e n gewidmet, die denn auch den Umfang der eigentlichen Darstellung (durchweg knappe Leitsätze) um ein Mehrfaches übertreffen und vor Sulzers großem lexikalischen Werk wohl eine der reichsten Fundgruben auch für abseitige Auslandsliteratur zur Poetik darstellen. Der moralpädagogische Grundzug greift teils auch auf diese Anmerkungen über, die sonst neben Literatur wohl auch skizzierte biographische Linien zur Gelehrtengeschichte aufzeichnen, ergänzende Zitate bringen und gelegentlich kritische Stellungnahme einmischen. Dem Ausbau dieser Seite der „Anleitung" von 1718 dienen jene bereits kurz charakterisierten „Gantz neuen Zusätze und Aus-
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besserungen" von 1736. In der stark historisch-kritischen Anlage nähert sich Gottlieb Stolles Poetik-Kapitel der Gruppe MorhofRotth, die übrigens beide als die Hauptvertreter einer deutschen Literaturgeschichte ausdrücklich hervorgehoben werden. Anspruchsloser als Stolles Poetikkapitel in seiner „Gelahrheit"Historie und doch bekannter durch die kulturpatriotische Polemik gegen Bouhours einerseits und durch die Verbindung mit Brockes andererseits wirken die Vorwortbeiträge, die Christian Friedrich Weichmann zur Kunsttheorie der frühaufklärerischen Übergangszeit beisteuert. Weichmann, der als Mitglied der „Teutsch-übenden Gesellschaft" zu Hamburg jene von Stolle empfohlene Sammlung „Poesie der Niedersachsen" (1725 f.) herausgab und in seiner Vorrede mit kulturpolitischem Eifer zum Gegenangriff ausholte gegen Bouhours' „angemaßten Vorzug" der französischen Dichtersprache, hat zugleich in einer recht ausführlichen Vorrede zum ersten Teil von B. Heinrich Brockes „Irdischem Vergnügen in Gott" (1721) mehrfach grundsätzliche Fragestellungen der Zeitpoetik berührt. Wie etwa Stolle noch unbedenklich Hofmannswaldau mit einbezog in den wertvollen Bestand deutscher Dichtimg, so beschwört Weichmanns Vorrede unbekümmert um die Bemühungen, den Marinismus zu überwinden, den Geist Marinos herauf. Und zwar nicht nur, um Brockes Übertragung des „Bethlehemitischen Kinder-Mords" rühmen zu können, die „einem so tiefsinnigen und reichen Poeten" wie Marino voll gerecht würde, sondern auch, um Marinos Wort neu zu beleben, daß „die Poesie und Music ein par Schwestern" seien, „davon die eine den Verstand, die andere den Sinn ergetzet und unterhält". Damit aber wird vielleicht schon das Wertvollste herausgestellt, das diese Vorrede überhaupt zu bieten hat: der Sinn für eine Wirkensgemeinschaft von Wortkunst und Tonkunst, wie Weichmann sie bei Brockes so vorteilhaft bewährt und verwirklicht zu finden meint. Daß ihm dieser Sinn gestärkt worden ist durch den Wirkenskreis der Hamburger Operndichter, bestätigt z. B. sein anerkennender Hinweis auf Georg Philipp Telemanns Vertonung Brockes'scher Dichtungen. Daß er aber auch aus eigener Einsicht und Einfühlung die „Einträchtigkeit" sowohl der „Sing- als Ticht-Kunst" für wünschenswert und die Tonkunst und Wortkunst für „ein par vertraute Gratien" hält, geht nicht
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zum wenigsten aus der Aufmerksamkeit hervor, mit der er an Einzelfällen die klanglichen Wirkungswerte Brockes'scher Gedichte aufzuzeigen trachtet. Denn seine Vorrede ergänzt die allgemeinen Darlegungen mehrfach durch die erläuternde Beispielanalyse und nähert sich so auch von dieser Seite her dem Typus der eigentlichen Poetik. Und da finden dann besonders die klangmalenden Wirkungsmittel seinen Beifall, so etwa, wenn Brockes den Wald als ein Meer beschreibt, „drin grüne Wellen wallen", oder wenn „der Donner rollt und knallt", oder wenn der Stimmungsumbruch bei einem abziehenden Gewitter klangmalerisch eingefangen erscheint. Und selbst dort, wo Weichmann auf Beispiele aus seiner Sammlung „Poesie der Nieder-Sachsen" zurückgreift, um Vorzüge der ausmalenden Dichtung Brockes darzutun, hebt er typographisch doch zugleich die klangmalenden Wörter hervor, um gleichzeitig „das Musicalische Wesen dieser Schilderey" zur Geltung zu bringen. Indessen erscheint es für den Entwicklungswandel der kunsttheoretischen Auffassungen immerhin beachtenswert, daß Weichmann vom musikalischen Wesen der „Schilderey" nicht mehr so unbefangen spricht, wie man etwa im Kreise der Nürnberger Barockpoetik davon gesprochen haben würde. Er hält es für erforderlich, diese Zusammenziehung von malerisch schildernden (visuellen) und klangmalenden (akustischen) Wirkungen ausdrücklich als dennoch begründet zu rechtfertigen, obgleich ein derartiges Nebeneinander und Miteinander „zwar sehr fremd klinget". Allzu stark war die beschreibend schildernde „poetische Malerei" bei Brockes ausgeprägt, zu zäh hatte sich die Vorstellung vom „poetischen Gemälde" im kunsttheoretischen Bewußtsein festgesetzt, als daß Weichmann an dieser der Bildkunst zugekehrten Darstellungsseite hätte vorübergehen können. Und so fordert er zur Vollkommenheit des Gedichts die „beständige Einträchtigkeit" von „Mahlerey u n d Music", also das vervollkommnende Hinzutreten der „Mahlerey". Gerade Brockes habe bewiesen, „wie groß die Wirkung dieser vereinigten Künste in der Ticht-Kunst sey, und wie derjenige, so in der letzten was tüchtiges zu leisten gedenket, wenigstens überhaupt von den beyden ersten einige Kenntniß haben müsse". Durch derartig „auserlesene Beschreibungen" sieht er bei Brockes diesen malerischen Begabungsanteil bewährt, daß kein Maler es besser hätte
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treffen können. Die Schilderungsfähigkeit, die etwa auch im — bei Homer angeblich vernachlässigten bzw. einförmigen — Attributgebrauch sich ablesen lasse, steht also neben der klangmalenden Fähigkeit als entscheidendes Kriterium poetischen Wertes und poetischer Wirkling. Und von dieser tragenden Anschauungsschicht aus erhält das Sonderlob Brockes seine kunsttheoretische Untergründung: „Jedwedes Seiner Gedichte ist, so zu sagen, eine Regelmäßige Harmonie (musikalischer Anteil) und zugleich ein vollkommenes Gemähide" (malerischer Anteil). Wohl mehr dem „Elb-Schwan" Brockes zuliebe als grundsätzlich erkennt Weichmann ein weiteres Kriterium dichterischer Vollkommenheit an in der Vielseitigkeit der Gestaltungsarten und Gestaltungsweisen. Wie schon die Verständnisarmut gegenüber Homer vermuten läßt und die lobpreisende Benennung Brockes als „Teutscher Virgil" vollends klarstellt, schätzt er Virgil höher ein als Homer. Die Italiener stehen, besonders im Bereiche der Schäferdichtung, noch in hohem Ansehen. Obgleich Brockes' Beherrschung fremder Sprachen nachdrücklich gerühmt wird, wahrt Weichmann doch den k u l t u r p a t r i o t i s c h e n S t a n d o r t , „daß unsere Sprache nicht minder geschickt sey, alle Leidenschaften des Gemühts, ja alle nur ersinnliche Dinge ganz eigentlich und mit besonderem Klange vorzustellen". Gerade diese Uberzeugung habe Brockes' Leistimg in deutscher Dichtung erneut verstärkt. Bemerkenswert für die Geltung des Niederdeutschen ist die Bezeichnung des Plattdeutschen als „hiesige Landes-Sprache" unter Abhebung vom Hochdeutschen. Weichmanns Achtimg vor der heimischen Mundart schließt jedoch die Liebe zur hochdeutschen Muttersprache nicht axis. Die Mängel einer teils wirtschaftlich erzwungenen Brot- und Notdichtung, also einer gleichsam gewerbsmäßigen Gelegenheitsdichtung „um des Gewinnstes Willen" werden erkannt und in diesem Sinne Brockes' Wohlhabenheit als günstige Bürgschaft für ein freies Schaffen herausgestellt. Aber gleichzeitig erhält die Dichtkunst den ausgesprochenen Charakter einer bloßen Liebhaberei für Nebenstunden zugewiesen, die, selbst in vermeintlicher Vollendungsform, doch das „geringste" der Verdienste eines angesehenen Bürgers darstellt. Diese Einschränkung der absoluten Wertgeltung der Dichtkunst wirkt um so enger, als Weichmann bei Brockes an sich schon die wertvollste und allein würdige Ausprägung der Dichtkunst anzutreffen meint, die „aus sa
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bloßem natürlichen Triebe zu Seines Schöpfers Ehre und so wol seiner als des Nächsten Erbauung" beiträgt. Mit einer Brockes' Religiosität überbietenden Strenge, die ein wenig auf den späteren Wolfenbütteler Konsistorialrat vorausweist, verwirft Weichmann eine „bisher fast durchgehende mehr als Heydnisch" sich gebende Dichtung (offenbar zugleich Abwehr der antiken Mythologie), um mit Wärme diese Neuaufrichtung „einer eigentlich so genannten Christlichen Poesie" zu begrüßen. Die christliche Leitidee erfährt demnach erneut eine Kräftigung und durchstößt zum Teil auch vorteilhaft die zeitgegebene aufklärerische Umklammerung. Vorteilhaft für die Auffassung der Dichtkunst, weil sie den Gemütskräften reicheren Wirkensraum öffnet. So sehr Weichmann an Fragen der Formwirkung, besonders klangmalender und malerisch schildernder Art Anteil nimmt: es überwiegt doch die I n h a l t s b e w e r t u n g in dem Bedauern, daß nach allzu strengen neuartigen Regeln allzusehr der wertvolle Inhalt einer regelgerechten Form aufgeopfert werden müsse. Nicht unwahrscheinlich, daß Weichmann dabei an Weises Konstruktionsgesetz denkt. Denn seine Klage über das Aufgebensollen eines guten Inhalts um starrer Formgesetzlichkeiten willen liegt ganz in der Richtung, die eine teilweise in der Zeitpoetik nachweisbare Abwehr einzuschlagen pflegt. Möglich aber auch, daß er nur an gewisse metrische Gezwungenheiten und Vorschriften denkt, die etwa einer fehlenden Silbe wegen den Dichter zwingen, „manchen wichtigen Gedanken zurück zu nemen". Brockes selbst, so glaubt Weichmann mitteilen zu dürfen, sei der Ansicht, daß die bloße metrische Formgerechtigkeit „dem inneren Wehrte der Sachen weichen müsse". Die zudem von Weise eingeräumte Lizenz wird jedenfalls voll in Anspruch genommen. An Weise erinnert die Forderung, daß das feurige Temperament des Dichters durch Verstand gezügelt werden solle. Immerhin betont Weichmann bei der Begabungsbewertung, daß einMangel an Feuer die Dichtimg leicht „zu trucken und zu matt" ausfallen lásse. Auf der anderen Seite entarte ein nicht durch „Verstände" gezügeltes Temperament notwendig zu Ungereimtheiten. Beide Extreme werden zugunsten einer vernünftigen Mittellinie verworfen : „Jenen fehlet es an Feuer, ihre Gedanken gleichsam in rechten Fluß zu bringen; diese aber sind wie ein wildes Pferd ohne tüchtigen Reuter, der es in seiner Hitze zu mäßigen und auf dem rechten Wege zu halten wisse".
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Gefordert werden als Begabungsanteile und Schaffenskräfte: reiche Erfindungsfähigkeit und entsprechend „schöne Einfälle", überprüfender Verstand und eine treuliche Geduld bei der Ausführung. Gerade eine derartige „Stetigkeit" wird jedoch bei „feurigen Geistern" oft vermißt werden. Als Ergänzungswert wird eine „starke Belesenheit" begrüßt. Nicht in rauschhafter Steigerung wird der „natürliche Trieb" erkannt und anerkannt, sondern er wird mehr nach Art der Neigung eines Liebhabers gesehen, der über die Kunstfertigkeit als eine „angebohrne Geschicklichkeit" verfügt. In demselben Jahre 1725, in dem Chr. Fr. Weichmann, der bereits in die Geschmacksdebatte eingriff, die „Poesie der NiederSachsen" herausgab, in dem Gottscheds „Vernünfitige Tadlerinnen" den Geschmacksbegriff im Rahmen des Sprachgebrauchs erörtert und Gottscheds erste Beiträge zu einer Reform des Bühnendramas vermittelt hatten, erschien in Breslau eine kunsttheoretische Anleitung, die Brockes anerkennt, wenngleich weniger ausgiebig natürlich als Weichmann, die auf Gottscheds „Vernünfftige Tadlerinnen" Bezug nimmt und die dennoch nicht den Übergangscharakter im vorgottschedischen Raum verleugnet. Im Bereiche der Polemik und im Rahmen einer persönlich ausgerichteten und zugespitzten Zeit- und Streitschrift begegnet der Übergangstypus halb spätbarocker Art in Schlesien noch bis in das Jahr des Gottschedischen „Versuches einer Critischen Dichtkunst", und zwar als „Poetischer Staar-Stecher" (1730). Gottfried Benj. Hancke, ein geborener Schlesier, war — wie schon kurz erwähnt — mit dem Leipziger Fr. Wilh. Juncker, der den fortschrittlicheren Geschmack vertrat, in eine literarische Auseinandersetzimg geraten. Und es sollte nun die Aufgabe des „Poetischen Staar-Stechers" sein, die „Schlesische Poesie überhaupt", besonders aber Lohenstein, Neukirch und Hancke gegen Angriffe zu verteidigen und „dergleichen Tadlern ihre Poetische Blindheit" nachzuweisen. Gegenüber solchen Streitigkeiten, die eine polemikfreie Entfaltung kunsttheoretischer Anschauungen notwendig erschweren mußten, verdient die Breslauer Anleitung eingehende Würdigung als bedeutende Poetik, während J. G. Neukirchs Durchschnittspoetik nur beiläufige Erwähnung finden mag und der an sich unter dem Durchschnitt liegende Beitrag A. Köhlers entwicklungsgeschichtlich insofern bemerkenswerter erscheint, als durch ihn ein besonders klares Beispiel geboten wird für ein
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werthaft und wesenhaft rückständiges Verharren im vorgottschedischen Raum bei zeitlich weitgehender Uberschneidung. Wie die Mehrzahl dieser Übergangspoetiken einer Unterrichtserleichterung dienen sollte, so betont Joh. Georg N e u k i r c h , dessen traditioneller historischer Eingangsüberblick nicht über das Zeitübliche hinausgeht, daß er seine „ A n f a n g s - G r ü n d e zur reinen T e u t s c h e n Poesie i t z i g e r Z e i t " (1724) vor allem „zum Nutzen der studirenden Jugend entworffen" habe und stellt damit besonders greifbar in der Titelgebung heraus, was die meisten dieser Poetiken als pädagogische Hilfs- und Handbücher des praktischen Unterrichts kennzeichnet, aber doch auch in der kunsttheoretischen Bedeutung von vornherein begrenzt und im Geltungsanspruch von vornherein freiwillig sich bescheiden läßt. Hinsichtlich der Begabungsbewertung kennt der Hallenser Magister zwar auch das traditionelle „poeta non fit sed nascitur" und räumt dementsprechend ein, daß das Dichtertum eine „rara avis in terris" sei, meint aber doch mit wahrhaft naivem pädagogischen Optimismus — und hier kommt offenbar die eigene Meinung zu Wort — daß man jene Formel der Alten aus ihrem Mangel an theoretischen Anweisungen (!) erklären und so als zeitlich bedingt verstehen müsse, während die Gegenwart, die über den „vollkommensten Apparatum" verfüge, angesichts der nun vorhandenen „deutlichsten Anleitungen" und zweckmäßigen Kunstgriffe jenen skeptischen Spruch getrost umwandeln dürfe zu einem zuversichtlichen „Poeta fit et nascitur" Î Überhaupt glaubt das erstarkende Selbstgefühl der galanten und frühaufklärerischen Poetik die Alten und ihre theoretischen und praktischen Muster weitgehender entbehren zu können als die Renaissance- und Barockpoetik. Die Alten wurden merklich abgedrängt, teils von überheblicher Selbstüberschätzimg der eigenen theoretisch vermeintlich zu erhöhenden dichterischen Möglichkeiten, teils durch ehrlichen pädagogischen Glauben an das Allheilmittel der Regelvermittlung, nicht zum wenigsten aber durch das Ersatzideal der Franzosen, dem sich auch ein Thomasius nicht zu entziehen vermochte. Und die Poetik Neumeister-Menantes' benutzt denn auch die Autorität dieses „hochberühmten Hauptes" einer „berühmten Teutschen Universität", um selbst noch die späten Schlesier (Lohenstein und Hofmannswaldau) gegen die Alten (z. B. Virgil) ausspielen zu können. Aber man sucht doch auch Thomasius' Teilkritik am französischen
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Ersatzideal und seine Abwehr des Bouhours'schen Vorwurfs im wachen Bewußtsein zu erhalten. Und wie Meister oder B. Neukirch versucht — wenngleich weniger eingehend und merklich mittelbarer — die Vorrede Joh. G. Neukirchs zu seinen „Anfangsgründen" aus dem zuversichtlichen Gefühl heraus, „fast in einem Seculo poetico" in „itziger Zeit" zu leben, den kulturpatriotischen Gegenstoß auszubauen. Denn er ist überzeugt, „daß unter dem kalten Climate von Teutschland so wohl bon Esprit als bei Esprit anzutreffen sey, ob es gleich der neidische und hochmütige Frantzose Bouhours dieser tapferen und politen Nation nicht zustehen wollen". Vielleicht darf von diesem Bemühen J. G. Neukirchs aus, für alle deutschen Landschaften die dichterische Fruchtbarkeit sicherzustellen, und nicht nur vom Einfluß Schottels her seine sprachtheoretische Anschauung abgeleitet werden, die beste deutsche Sprachform nicht auf irgendwelche Mustermundarten zurückzuführen, sondern die rechte Sprachreinheit zu suchen bei „den besten Politicis, Gelehrten und Poeten . . . , indem sie allenthalben und an keinen gewissen Ort von Teutschland gebunden" sei. Dagegen fällt der kunsttheoretische Ertrag im ganzen recht karg aus. Wenn sich J. G. Neukirch zum mindesten in den umständlichen Erörterungen über die Konstruktionsfragen Weise verpflichtet zeigt, so konnte A n d r e a s K ö h l e r s „ D e u t l i c h e und gründliche E i n l e i t u n g zu der reinen deutschen P o e s i e " (1734) bereits als Beispiel für die Reichweite der Weiseschen Nachwirkung herangezogen werden. Ein Jahrzehnt nach J. G.Neukirch und fast ein halbes Jahrzehnt nach Gottscheds Kritischer Dichtkunst veröffentlicht der Tangermünder Schulrektor seine offenbar vorher bereits im Schulbetrieb verwertete Poetik, ohne irgendwie merklich oder irgendwo auch nur spürbar über den vorgottschedischen Raum vorzudringen, ohne auch nur Gottsched zu berücksichtigen. Man könnte mit einigem guten Willen höchstens etwas vom kritischen Zeitalter dort ablesen, wo seine Vorrede als „wohlgemeynte Intention bei gegenwärtigem Werckgen" angibt, die Schüler nicht sowohl zu Dichtern als zu urteilsfähigen Kritikern soweit heranzubilden, „daß sie zum wenigsten von einem guten oder schlimmen Gedichte ein kluges Urtheil fällen können". Und es bleibt immerhin bemerkenswert im Rahmen der B e g a b u n g s b e w e r t u n g , daß auch seine Poetik eingangs noch einmal klarstellt: „Wenn nun auf Schulen junge Gemüther zur
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Poesie angeführet werden, so geschieht es nicht zu dem Ende, daß sie sollen Poeten werden". Aber wie ihm das „Sprichwort", das J. G. Neukirch und andere heranzogen, „Nascuntur Poêtae, non fiunt" wendig sich wandelt zu einem Kompromiß von Begabung und Schulung (Vorr.), so enthüllt näheres Überprüfen sehr bald die eigentliche Ursache für jene Zurückhaltung. Köhler unterscheidet nämlich gleichsam schulmeisterlich zwischen Poeten im Hauptfach und Poeten im Nebenfach. Nur den „Studiosus poëseos", der die Dichtkunst „als ein curieuses Nebenwerck ansiehet", als ein „recommendables Nebenwerck", kann und soll die Anweisung heranbilden. Der Dichter im Hauptberuf ist für den wackeren Rektor ein wenig zwiespältig belichtet: „ E s sind solche Leute, welche von der Poesie grossen Etat machen und gemeiniglich nicht viel mehr als die Poesie gelernet haben, damit sie Gott und der Welt mit derselben dienen können" (§ 3). Damit aber wird zugleich das scheinbare Fortschreiten zu einer ästhetischen Ansicht von der Z w e c k s e t z u n g der D i c h t k u n s t , wie es in Köhlers erstem Paragraphen zu begegnen scheint („daß der Leser sich daran delectire" unter Fortlassung des prodesse), wenn nicht völlig aufgehoben, so doch beträchtlich im Geltungsgrad eingeschränkt. Denn das „Gott und der Welt dienen" wird gerade für den Poeten im eigentlichen Verstände festgehalten, während der Liebhaberpoet mehr angenehm unterhalten und überdies seine Eloquenz in den poetischen Versuchen schulen und fördern soll. Etwas schwingt offenbar nach von Benj. Neukirchs Unterscheidung der hohen Poesie von der leichter erreichbaren Mittelschicht der „galanten" Poesie, nur daß bei A. Köhler der Unterschied schulmäßig vergröbert auf flacherer Deutungsstufe wiederkehrt. Das Klassifizieren muß Köhler auch hinweghelfen über die W a h l e n t s c h e i d u n g z w i s c h e n den S t i l r i c h t u n g e n . Für ihn stehen die „Weisianer" und die „Hoffmannswaldauer" als Träger zweier in sich und an sich berechtigter Kunstformen reibungslos und friedlich nebeneinander, nachdem er sie säuberlich „in 2 Classen" eingeteilt hat. Die Vorzugswerte der „Weisianer" liegen in den Attributen: rein, nett und annehmlich, in dem „rein und deutsch", in den „deutlichen Redensarten" und den lustig-anmutigen „Erfindungen", die Vorzugswerte der „Hoffmannswaldauer" in den Attributen: schwer, sententiös, nachdenklich, tiefsinnig, in „ungemeinen und bisweilen höchst
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admirablen Redens-Arten", in den „beweglichen Figuren und wichtigen Realien". Die Wahlentscheidung selbst wird abgelehnt; denn: „Sie sind beyde gut und admirable". Doch herrscht im Ganzen der Poetik der Weisesche Geist vor. Nur daß sich Köhler noch allerlei barocke Spielformen in die Kleinkunstarten hinüberrettet. Bei alledem enthält neben der Vorrede die „Vorbereitung" noch das Wesentlichste. Für die wenig straffe Anlage des ersten Hauptteiles und das Sich-Verlieren an Einzelheiten und Äußerlichkeiten spricht eindringlich der Umstand, daß das siebente Kapitel (Gedichtarten) doppelt so breit ausfällt als sämtliche sechs vorhergehende Kapitel zusammengenommen, wobei allerdings die Beispielaufschwellung entscheidend mitwirkt. Den dramatischen Gattungen, dem Lustspiel und der Tragödie, werden unter Hinweis auf Omeis nur je etwa zehn bis zwölf Zeilen eingeräumt. Ebensoviel Raum jedoch beansprucht unter den zahllosen „Spielformen" (Kettenreime, Nachtigallen, Cento, FragReime, Gespräch-Gedichte, Zahl-Verse, Rätzel, Brieff-Verse u. Vers-Brieffe, Sinnbilder usw.) die Einführung einer „neuen (?) Zierlichkeit", der sogenannten Cabbeln, die mathematische Qualitäten vom Dichter verlangen. Und obgleich Köhler gelegentlich der Bilderreime unter dem Druck maßgebender Kritiker („weil sie von gravitaetischen Leuten nicht aestimiret werden", S. 171) sich mit dem Abdruck „nur" eines EXempels begnügt (1734!), läßt seine stille und behagliche Mitfreude an derartiger Kleinkrämerei es sich doch nicht nehmen, z. B. für die „Cabbeln" mit den arithmetischen und „cabbalistischen" Hintergründen ganze Zifiernreihen aufmarschieren zu lassen. Überall gleitet er zudem von der Artbestimmimg schnell ab in metrische Erläuterungen, die dergestalt in den ersten Hauptteil hineingenommen werden, während der zweite Teil von der Redekunst her der Dichtung beizukommen sucht, „weil die Poesie eine nobilis eloquentiae sfecies ist". Die Tragschicht bietet fraglos Weise, der denn auch mit seinem Konstruktionsgesetz treulich übernommen wird. An sich beherrscht Köhler — abgesehen von Weise — merklich nicht entfernt die für die Poetik einschlägige Literatur. Nur gelegentlich nennt er Gewährsmänner wie Omeis (f. d. dramat. Gattungen), Menantes (bezw. Neumeister f. d. Oper), Uhse (f. d. Kettenreim), Rotth (f. d. Pindarischen Oden) und Morhof (f. d. Auslandsliteratur).
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Eine verstärkte Anteilnahme an der Oper äußert sich nicht im theoretischen Eingehen, das höchstens wegen der Duldung einer „heydnischen Fabel" bemerkenswert, aber nicht neuartig wäre, sondern im Abdruck eines Operntextes. Den „Beschluß" des Ganzen bildet ein Gedicht, das behauptet, der Weg zum Parnaß sei nun „gezeigt" und anrät, die Dichtimg sparsam „wie Marcipan" anzuwenden, „nach kluger Dichter Weise"; Und man möchte — wenn man die Poetik überblickt — fast variieren „nach dem klugen Dichter Weise". Aber es wäre billig, A. Köhler zu bespötteln, obgleich die Versuchung naheliegt. Fruchtbarer ersche'nt es, den Beitrag Köhlers zu erkennen als typische Abflachungsform der veralteten Rektorenpoetik, die an der galantkuriösen Richtung mehr aus Rückständigkeit als aus Überzeugung festhält, die den Problemen der Übergangsepoche mit ihren Überschneidungen ausweicht, indem sie im Nebeneinander des Sowohl-Als-Auch einen Notausgang sucht. Und gerade insofern hebt sich von ihr die Breslauer Anleitung mit ihrem ernsthafteren Willen zur Auseinandersetzung und Vertiefung recht instruktiv und vorteilhaft ab, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß der Breslauer Anonymus ein Jahrzehnt vor Köhler in die kunsttheoretischen Erörterungen eingegriffen hatte. Den anonymen Verfasser (Chr. Stieff?) der „ A n l e i t u n g zur Poesie, darinnen ihr Ursprung, Wachsthum, Beschaffenheit und rechter Gebrauch untersuchet und gezeiget wird" (1725), der sogenannten Breslauer A n l e i t u n g , der Borinski noch wenig Beachtung schenkte, hat man neuerdings einer „spätgalanten" Gruppe zuzuordnen versucht, allerdings mit dem Zugeständnis, daß in seiner Poetik bereits weitreichende aufklärerische Elemente spürbar seien, die sich mit zugleich vermuteten pietistischen Tendenzen eigenartig genug, aber doch in auch sonst nachweisbarer Mischform überkreuzen würden. Überdies ist in der Breslauer Anleitung, die ebensowenig wie Neukirchs „Anfangsgründe zur reinen teutschen Poesie" so ohne weiteres als dem Gesamttypus nach „barockal" in eine frühere Entwicklungsschicht einseitig zurückversetzt werden darf, bereits eine Bezugnahme auf Gottscheds „Vernünfftige Tadlerinnen" nachzuweisen und dementsprechend eingeräumt worden, daß auch der spezifische Typus des „Galanten" hier überholt erscheint. Trotzdem wird selbst in der Breslauer Anleitung von 1725 noch die Überschneidung spätbarocker, galanter und frühklassizistischer Entwick-
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lungslinien aufdeckbar. Denn noch behaupten sich Gryphius, Hofmannswaldau und Lohenstein als das „unvergleichliche KleeBlatt . . . . welches mit ihrem Ruhme bei den Teutschen niehmals verwelcken wird". Daneben aber stehen bereits Namen wie Pietsch, Besser und Canitz, der warm anerkannt wird, Brockes, der achtungsvolle Würdigung findet, wie Mencke und andere. Und sogleich der erste Paragraph erwähnt „die vernünfitigen Tadlerinnen". Die Übergangsstellung wird voll erkennbar, wenn der anonyme Verfasser vor allem auf Menantes und auch Omeis' Poetik verweist. Zugleich hebt sich die Linie Morhof ab, die in dieser jüngeren Umprägung dennoch in der ganzen historischen und kritischen Anlage sich nachhaltig durchsetzt und also hart bis zum Wirkungsraum der Gottschedischen Poetik vorgetrieben erscheint. Das würde wiederum bestätigen, daß Morhofs kritisch und historisch fundierte Poetik etwas mehr Schule gemacht hat oder doch stärkere Teilnachwirkungen ausstrahlte, als man vielfach annimmt, indem die von Rotth noch klar markierte Linie trotz zeitbedingter Abwandlungen unter anderem in G. Stolles Poetikkapitel und in der Breslauer Anleitung eine erneute Verstärkung erfährt. Die mit beherrschter Formraffung das damals als wesentlich geltende Lehrgut geschickt verdichtende Darstellung der Breslauer Anleitung, die sich freihält vom künstlichen Aufschwellen durch Beispiele, bewältigt auf verhältnismäßig knappem Raum nach einem grundsätzlichen Eingangsteil, der die Abhebung der Dichtkunst von den andern Künsten bringt (außer der Dichtkunst sind alle Sonderkünste auf die Ergänzung durch Hilfskünste angewiesen), den historischen Teil als Grundriß einer internationalen Literaturgeschichte nach Morhofs Art und trägt in ihrer zweiten Hälfte die eigentliche Poetik nach, die wiederum durch kritisch-historische Einlagerungen eine festere Stützung der reinen Theorie anstrebt, ohne Beispielgedichte zu häufen. Was die Breslauer Anleitung mit Morhof verbindet, ist außer der Gesamtanlage vor allem die Abwehr Weises. Was sie von Morhof abhebt, ist nicht zum wenigsten die teils in ausdrücklicher kritischer Auseinandersetzung mit Morhof erfolgende Verteidigimg der nicht gereimten und nicht metrisch gebundenen Prosadichtung auch im Bezirke der hohen Gattungsarten und der Loslösungsversuch von der Mustersetzung der Alten. Jenes Eintreten für
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das Recht ungebundener und nicht gereimter Dichtungsarten, mit dem die Breslauer Anleitung durchaus nicht allein steht, widerlegt zugleich Borinskis verallgemeinernde Behauptung, daß die „Polemik gegen die Reimlosigkeit und Anpreisung des Reimes... von nun (Morhof) an in Deutschland an der Tagesordnung" sei. Umsomehr, als Borinski erst die „Discourse" der Schweizer „sehr zaghaft" die Abwehr des Reims (ermutigt durch Shaftesbury) aufnehmen läßt nach Gottscheds vermittelnder Haltung. Kennzeichnend für die Einstellung zur Frage der Reimwertung wirkt für den Einzelfall etwa die Stellung zu Miltons „Paradise lost", das Morhof wesentlich auch wegen der Reimlosigkeit ablehnt, während die Breslauer Anleitung das „verlustigte Paradieß" wegen der nicht folgerichtig durchgehaltenen „heroischen Action" vorzüglich als Heldengedicht beanstandet. Für Morhof war eine an sich ähnliche Beanstandung doch eben nicht entscheidend gewesen. Das im Gegensatz zu Morhof fühlbare L o s l ö s u n g s b e s t r e b e n von der alleinigen Mustersetzung und Normgeltung der Alten verstärkt sich in der Vorrede zu der eigenes deutsches Dichtschaffen ermunternden Hoffnung, daß auch eine eigene Mustersetzung allmählich zur Entbehrlichkeit der alten Mustersetzung (ähnlich noch Geliert) verhelfen möchte, „da doch... die Lateinische Poesie ziemlich ins Abnehmen geraten will, und jedwede Nation nur bemüht ist, in ihrer Muttersprache die Poesie zu excoliren". Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Stütze und das nationalpolitische Argument wird also im Abwehrkampf gegen die erdrückende Mustergeltung der Alten voll bewußt zum Einsatz gebracht, wenngleich die Breslauer Anleitung nicht kritiklos den vermeintlichen Ausdrucksgrenzen der deutschen Muttersprache gegenübersteht. Mit der kulturpatriotischen und nationalsprachlichen Leitidee verbindet sich nun die christlich-moralisierende Leitidee im Vorstoßen gegen die zäh umkämpfte Position der „heidnischen" Mythologie. Besonders in der Vorrede könnte man fast von einer ausgeprägt theologischen Versteifung dieses Widerstandes gegen die „heydnischen Mythologischen Grillen" und das „alte fabelhaffte Zeug" und „Teuffels-Geschmeiß" sprechen. Und eng damit verbunden, zieht sich der laufende Abwehrkampf gegen alles „Zotige" und irgendwie Anstößige durch die ganze Darstellung hin. Selbst der etwas kecke Ausblick auf die Wiege in Hochzeitsgedichten gilt als unkeusch.
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Während dieser eifernde Tugendsinn unbeirrbar festgehalten wird, muß hinsichtlich der Geltung der Alten und der heidnischen Mythologie doch manche Einräumung, manches Teilzugeständnis gemacht werden angesichts der historischen Höhenleistung der Alten und angesichts der weitgehenden Verflochtenheit der Zeitdichtung mit der Mythologie. Gerade im Sichfreikämpfenwollen von der antiken Mythologie werden Einschränkungen indessen nur widerstrebend gemacht und möglichst die Rückzugslinie auf die von Omeis vorgeschlagene Ersatzmythologie jederzeit offengehalten. Auf Omeis wird — neben Menantes — auch in metrischen Fragen verwiesen. Was jedoch von Omeis abhebt, ist die zwar nicht restlos klare E i n s t e l l u n g zu Weises P r i n z i p der P r o s a k o n s t r u k t i o n , das Omeis, wenngleich gemildert, annahm, die Breslauer Anleitung aber noch weit entschiedener zu verwerfen scheint, als es durch Morhof bereits geschehen war. Denn wenn man etwa aus einem zudem gedämpften kritischen Hinweis auf vereinzelte Härten „in der Konstruktion" bei Opitz eine Gefolgschaft gegenüber Weise ableiten wollte, so ergibt sich doch sehr bald ganz im Gegenteil ein energisches, ja geradezu entrüstetes Abrücken von der Verflachung der „Heroischen Art" durch die von Weise anempfohlenen Prosaismen, die sich „durch nichts anders als durch den Reim und die Zahl der Syllben" von der Alltagsprosa und der „allgemeinen Rede" abzuheben vermögen. Der von dem Breslauer Poetiker auch sonst bedauerte Rückgang in der früher doch so verheißungsvoll ansetzenden Entwicklung der deutschen Dichtkunst wird nicht zum wenigsten auf Weises Einfluß zurückgeführt : „Hierzu scheinet Herr Weise in Zittau sehr viel geholffen zu haben, welcher die Jugend von der Heroischen Art, oder besser zu saçen von der wahren Poesie abgeführet und hingegen zu einer Schreib-Art angewöhnet, welche niemand als dem Pöbel gefallen kann" (S. 83). Der Kampf der Richtungen hat jetzt schon die Polemik gegen die Weiseaner merklich zugespitzt, nicht ohne eine gewisse mißgünstige Verärgerung anklingen zu lassen; denn „er (Weise) hat aber das Glück, daß ihn seine Landsleute sehr hoch erhoben". Möglicherweise auch spielt dabei der landschaftliche Wettbewerb, wie er kurz vorher einen anderen Ungenannten „Die Ehre der Schlesischen Poesie und Poeten" (1721) verteidigen ließ, von
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Schlesien her mit hinein. Sachlicher begründet wirkt jedenfalls die zudem entwicklungsgeschichtlich beachtenswerte und schon mehrfach beobachtete A b w e h r der Gestalt des „PickelH e r i n g " in den Komödien Weises. Grundsätzlich hatte der Breslauer Poetiker die Richtlinie festgelegt: „Man muß aber das Lächerliche nicht in Zoten und der so genannten Person des Pickel-Herings... vorstellen" (S. 162). Nach alledem kann der Breslauer Theoretiker fraglos als Anti-Weiseaner gelten. Umsomehr überrumpelt der letzte Paragraph der gesamten Anleitung mit einer fast wörtlichen Übernahme des Weiseschen Prosagesetzes: „Die Construction muß in Versen vollkommen so bleiben, wie sie in Prosa ist", ohne Nennung zwar des Namens Weise, aber dennoch unzweideutig klar, auch in der kurzen Erläuterung. Der offenbare Widerspruch ließe sich etwa so erklären: im historischen Teil, der von Morhof abhängig ist, wird — wie bei Morhof — Weise mit seinen Prosaismen verworfen. Im sehr -flüchtig hingeworfenen und vom Verfasser selbst als fragmentarisch bezeichneten Schlußteil wird unbesehen das Gesetz der Prosakonstruktion mit am Wege aufgerafft, das vielleicht nur aus zweiter Hand (etwa von Omeis) bezogen wurde. Dennoch ist die Weise-feindliche Haltung merklich auch persönlich ausgeprägt, wie denn der Verfasser der Breslauer Anleitung auch sonst um ein eignes Urteil sich bemüht zeigt. Eine andere Lösung des Widerspruchs läge darin, daß der Breslauer Poetiker zwar den schaffenden Dichter Weise als Vorbild ablehnt, den Theoretiker und dessen Prosaprinzip aber — wenn auch nur stillschweigend — annimmt. Näherliegend wirkt indessen eine dritte Lösungsmöglichkeit, daß nämlich das Weisesche Gesetz damals bereits fester Teilbestand so vieler Poetiken war (vgl. etwa Rotth, Reimmann, Uhse, G. Ludwig, Omeis, J. Ernst Weise, J. S. Wahll, J. G. Neukirch, ein Jahrzehnt später A. Köhler u. a.), daß es losgelöst von seinem Namen weiterwirken konnte. Die Gesamthaltung der Breslauer Anleitung läßt jedenfalls jene schnell am Schluß aufgeraffte Formel als Fremdkörper fühlbar werden. Die grundsätzliche Ablehnung Weises überwiegt bei weitem und entspricht auch durchaus der mehr gefühlsmäßigen Art, wie sie die Breslauer Poetik — vielleicht aus pietistischer Lebensstimmung heraus — sich weit freier entfalten läßt als die meisten frühklassizistischen Anweisungen. Nicht zum wenigsten sich entfalten und ausprägen läßt in einer
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verhältnismäßig stärkeren B e w e r t u n g der B e g a b u n g , aber auch im W ü r d i g e n der p e r s ö n l i c h e n Erlebnisgrundl a g e (für das Werden) und der gefühlsmäßigen Eindruckskraft (für das Wirken) eines Wortkunstwerks. Zwar die feierlich im Vorwort gegebene Zielsetzung bewegt sich in den üblichen Bahnen: Dienst zur „Ehre Gottes", Ermunterung zur Tugend, und zwar einer soziologisch gesehenen Zwecktugend („in der menschlichen Gesellschaft") unter leiser Anlehnung an die lebenskundlich-politische (galante) Richtung, und — in Anpassung an frühaufklärerische Tendenzen — Verstandesschulung, „welche drey Absichten gewiß eines jeden rechtschaffenen Poeten vornehmste Absicht seyn sollte". Aber neben diesem gleichsam offiziellen Programm muß man zur rechten Erfassung einer verfeinernden Abstufung unter den einzelnen Poetikern doch auch hinhorchen lernen auf die teils gedämpft mitschwingenden Klänge, die leitmotivartig so etwas wie ein Wunschwesen des Dichterischen schlechtweg auftönen lassen. Und da begegnet in diesem Falle immer wieder der Wunsch, daß die Dichtung nicht zuletzt das „Hertze bewegen" müsse. Selbst das ernste Keuschheitsprinzip verschließt sich nicht vor den dichterisch-schöpferischen Kräften, wie sie etwa vom Liebesempfinden ausstrahlen können. Ja, die Bewährung in Liebesgedichten gilt geradezu als Kriterium für die begabungsmäßige Leistungsfähigkeit auch auf anderen Gebieten der Wortkunst. Nicht wie bei Weise muß gegebenenfalls die glückliche Inspiration und der aus gesteigerter Stimmung geborene Gedanke dem Formprinzip aufgeopfert werden (darin Mencke ähnlich); vielmehr findet der spontane erste Einfall durchaus Verständnis und Würdigung. Und die wenngleich nicht neue Einsicht (vgl. Morhof und andere) verschafft sich volle Geltung, daß die Zwanglosigkeit des Einfalls allzu leicht innerlich gebrochen werden kann vom regelgerechten Zwängen nach Einfallkategorien. Selbst bei Sinngedichten muß man „einiger maßen darzugebohren seyn. Die Loci topici thun wol etwas... ; aber es kommt mehrentheils gezwungen heraus" (S. 126/7). Entsprechend bietet die beste Voraussetzung für die satirische Schreibart ein „lustiges Naturell", wie überhaupt „das Naturell mehr als alle Kunst ausrichten muß" (S. 2). Die Affektenlehre hilft derartige psychologische Elemente unterbauen. Und manches mag der Breslauer vom mehrfach herangezogenen Menantes gelernt haben (viel-
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leicht auch von Günther) an Begabungsbewertung. Aber die Zielsetzung der Eindruckswirkung, „des Lesers Hertz zu gewinnen", weist doch als eine der Lieblingswendungen des Verfassers merklich persönliche Einfärbung und Gefühlsbeteiligung auf, obgleich sie, rein formal betrachtet, älter war (vgl. schon Opitz). Und der Schritt „vom E n t h u s i a s m o p o e t i c o " zu der V o r s t e l l u n g von der s e l b s t e r f i n d e n d e n Seele war doch nicht so ohne weiteres gegeben und erzwingt ein aufmerksames Hinüberblicken auf diese Breslauer Anleitung. Umsomehr, als wiederum das Spontane des „unverhofften" Einfalle vorteilhaft abgehoben erscheint von dem nur durch theoretisch-technisches Hilfswerk herausgepreßten Als-Ob-Einfall: „ U n v e r h o f f t e G e d a n c k e n aber e r f i n d e t die Seele s e l b s t " (S. ιοί). Es ist für den damaligen Wortgebrauch auch keineswegs belanglos, daß hier„Seele" und nicht etwa „Verstand" eingesetzt wird. Diese kühne Wendung, die ohne Hilfe Dubos' gewagt worden zu sein scheint, vollzieht sich zudem in ausdrücklicher Abweichung vom sonst so verehrten Morhof. Und leise schon kündigt sich der Gedanke des organischen Wachstums eines Wortkunstwerks (Richtung Herder) an, wenn beanstandet wird, daß jene kunsthandwerklichen Methoden, wie sie Morhof noch empfiehlt, doch immer nur zu eipem mosaikhaften „Flickwerk" verhelfen können, während als Ideal jener Wachstumsvorgang aufleuchtet, bei dem gleichsam innerhalb des Einzelwerkes die eine Strophe „der andern Mutter" zu sein hätte. Demgegenüber besagt es wenig, wenn z. B. Hübners Reimlexikon zwar nicht so unbekümmert wie bei Mencke empfohlen, doch auch nicht gänzlich verworfen oder wenn gelegentlich auf des Masenius „Palaestra Eloquentiae ligatae" (1654) und „Speculum imaginum" als Hilfsmittel, das „Naturell erst recht" zu „poliren", verwiesen wird. Es darf nicht vergessen werden, daß noch Wieland auf diè „Politur" der Formgebung großen Wert legte. Es soll aber auch nicht übersehen werden, wie derartige Einlagerungen innerhalb der Breslauer Anleitung ständig daran erinnern, daß jene eingangs bereits klargestellten Überschneidungen bis in Einzelheiten hinein verfolgbar bleiben. Mit der Würdigung der „Breslauer Anleitung" mag dieser erste Teil einer Entwicklungsgeschichte der deutschen Poetik und Literaturphilosophie abschließen. Denn nicht zum wenigsten die tiefgreifende Neudeutung A.Baeumlers,aber auch einegerechte
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Wertung der Gesamthaltung und Gesamtleistung Gottscheds selbst lassen es als ratsam erscheinen, in Gottsched doch mehr zu sehen als den bloßen Abschluß eines seit Opitz verfolgbaren Entfaltungs- und Wandlungsvorganges. In der ideelichen Auseinandersetzung bleibt die Wirkungsästhetik der Auflockerungsepoche überdies viel zu eng und untrennbar mit Gottsched verflochten, als daß man seine kritische Poetik künstlich aus dem Verbände herauslösen könnte, nur um vielleicht die Epochenbezeichnung „von Opitz bis Gottsched" zu erzwingen. Über Gottsched aber und die Auflockerungsepoche mit ihrem Ausschwingen bis Wieland hin soll der zweite Band dieser Darstellung in seinem Eingangsteil berichten. Dort wird die breite Tragschicht der Geschmacksdebatte wenigstens an einem Ausschnitt zu skizzieren sein, jener langwierigen Erörterungen, die an sich bereits im vorgottschedischen Raum gepflogen werden und deren Ansätze deshalb mehrfach in dieser Darstellung vorbereitend aufgezeigt wurden. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß z. B. Joh. Ulrich Königs „Untersuchung von dem guten Geschmack in der Dicht- und Redekunst" im Anhang zur Canitz-Ausgabe (1727, 1734) zu weit in den Gottschedischen Bezirk hineinragt, als daß sie von einer Würdigung Gottscheds freigesetzt und ohne Zwang in eine Verbesonderung hineingestellt werden könnte. Ebenso gehören naturgemäß die zeitlich an sich früher liegenden Beiträge der Schweizer in die Auflockerungsepoche. Und so erscheint ein an sich nur Äußerliches, daß nämlich zwischen dem „Buch von der Deutschen Poeterey" (1624) und der „Breslauer Anleitung" (1725) fast auf das Jahr genau ein Jahrhundert wortkunsttheoretischen Bemühens sich ausspannt, dennoch vom nur Datenhaften hinüberzuweisen auf ein innerlich Deutbares und ideelich Begrenzbares. Denn vom dritten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts an vollziehen sich entschiedene und entscheidende Wendungen, die hinter der bloßen Regel das Gesetz aufzuspüren trachten. Bald entfalten sich auf kritisch gelockertem Boden mehr und mehr erstarkende Wuchsformen des deutschen dichterischen Kunstwollens und Kunstforderns, die nicht zum wenigsten aus der Wurzelschicht des Weltanschaulichen neue Triebkraft zu gewinnen wissen.
Anmerkungen Soweit Literaturhinweise gegeben worden, beschränken sie sich durchweg auf Arbeiten, die für die Poetik, Wortkunsttheorie und damit für das Kunstwollen des Berichtsraumes heranzuziehen sind. Weitere Literatur, über die Dichtung selbst (Dichtschaffen) findet sich in reicher Vermittlung in der Bibliographie zur deutschen Barockliteratur, die Hans P y r i t z im Anhang der Gesamtdarstellung Paul Hankamers über die „Deutsche Gegenreformation und deutsches Barock", Stuttgart 1935 (Epochen d. dt. Literatur, Bd. II, 2) zusammengestellt hat, und zwar unter Einbeziehung der Literatur zur Theorie. — H. P y r i t z ' dankenswerte bibliographische Arbeitsleistung konnte noch kurz vor Abschluß dieser Arbeit — zum überprüfenden Vergleich mit dem eigenen Material — ausgewertet, die Literatur aus dem Jahre 1936 nur noch während der Drucklegung herangezogen werden. Literaturüberblicke bieten weiterhin F . K o c h : Das gegenwärtige Bild der Barockliteratur, Hochschulwissen VII (1930), 700ff. — G. Müller: Neue Arbeiten zur dt. Barockliteratur, ZfdBildg. VI (1930), 325 ff. u.a. — neuerdings G. Müller: Neue Barockforschung, Dichtung u. Volkstum, 36. Jahrg. (1935), 108ff. Auf die einschlägigen Artikel im Reallexikon d. dt. Literaturgeschichte, hrsg. von P. Merker u. W. Stammler, auf den Deutschen Kulturatlas, hrsg. von G. Lüdtke u. L. Mackensen, dessen von W. Zirus vorgenommene Aufstellung d. Poetiken d. Barock mir seinerzeit zur Überprüfung vom Verlag vorgelegt wurde, sowie auf entsprechende Nachschlagewerke sei hingewiesen. Gesamtgebiet K. Borinski: Die Poetik der Renaissance u. d. Anfänge d. literarischen Kritik in Deutschland, Berlin 1886. — K. Borinski: Die Antike in Poetik u. Kunsttheorie vom Ausgang d. klass. Altertums bis auf Goethe u. W. v. Humboldt, Bd. I/II (das Erbe d. Alten IX, X), Leipzig 1914/24; bes. Bd. I: Mittelalter, Renaissance, Barock. — E. Höpfner: Reformbestrebungen auf dem Gebiete d. dt. Dichtung d. 16. u. 17. Jh.s, Progr. Berlin 1867. — H. v . S t e i n : Die Entstehung der neueren Ästhetik,
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Stuttgart 1886. — J. E. Spingarn: A History of Literary Criticism in the Renaissance, New York 1899 (mit bes. Berücksichtigung d. italien. Einflusses). — G. S a i n t s b u r y : A history of criticism and literary taste in Europe, Edinburgh-London 1900/02. — E. G r u c k e r : Histoire des doctrines littéraires et esthétiques en Allemagne (Opitz, Leibniz, Gottsched, les Suisses), Paris 1883. — K. Vossler: Poetische Theorien i. d. italienischen Friihrenaissance, Berlin 1900. — J . G . R o b e r t s o n : Studies in the genesis of romantic theory in the eighteenth century, Cambridge 1923 (R. greift bes. f. d. italien. Kunsttheorie vielfach zurück i. d. 17. Jh.). — A. Baeumler: Kants Kritik der Urteilskraft, ihre Geschichte u. Systematik, Bd. I: Das Irrationalitätsproblem i. d. Ästhetik u. Logik d. 18. Jh.s bis z. Kritik der Urteilskraft, Halle 1923 (B. greift streckenweise auf d. 17. Jh. zurück). — S. v. L e m p i c k i : Geschichte d. dt. Literaturwissenschaft b. z. Ende d. 18. Jh.s, Bd. I, Göttingen 1920. — H . Schauer: Lit. Zeugnisse z. Poetik u. Kulturgesch. d. dt. Barock, Deutschkdl. Bücherei, Leipzig .1926 (schwach). — G. B r a t e s : Die Barockpoetik als Dichtkunst, Reimkunst, Sprachkunst, ZfdPhil. 53. — B. M a r k w a r d t : Poetik, Real-Lex. d. dt. Lit.-Gesch. (MerkerStammler), Bd. II, 1928. — U. W e n d l a n d : Die Theoretiker u. Theorien d. sogen, galanten Stilepoche u. d. dt. Sprache, Form u. Geist XVII, Leipzig 1930. — K. J. Obenauer: Die Problematik d. ästhetischen Menschen i. d. dt. Lit., München 1933. — Als neuere Forschung üb. Aristoteles sei verzeichnet E r n e s t o B i g n a m i : La Poetica die Aristotele e il concetto dell'arte presso gli antichi, Florenz 1932. — Für den Frührationalismus P. B ö c k mann: Das Formprinzip des Witzes i. d. Frühzeit d. dt. Aufklärung, Jb. d. Fr. Dt. Hochstifts 1932/3, S. 52—130. A. R e i f f e r s c h e i d (Hrsg.): Quellen zur Geschichte d. geistigen Lebens i. Deutschland während d. 17. Jh.s, Bd. I, Heilbronn 1889. — G. K r a u s e : Der Fruchtbringenden Gesellschaft älteste, Ertzschrein, Briefe, Devisen u. anderweitige Schriftstücker Leipzig 1855. Sondergebiete K . A . S c h i l d : Die Bezeichnungen d. dt. Dramen v. d. Anfängen b. 1740, Diss. Gießen 1924. — P. S t a c h e l : Seneca u. d. dt. Renaissancedrama, Berlin 1907, Palaestra 46. — Fr. Düsel: Der dramatische Monolog i. d, Poetik d. 17. u. 18. Jh.s u. i. d. Dramen Lessings, Theatergesch. Forschg. XIV (1897). — G. Popp: Über d. Begriff d. Dramas i. d. dt. Poetiken d. 17. Jh.s, Diss. Leipzig 1895. — W. Reiss : Die Theorien des Tragischen im 17. Jh. 93 M a x k w a r d t , Poetik ι
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i. Deutschland u. Frankreich (aber weit überwiegend Frankreich), Diss. Bern, gedr. Berlin 1910. — W. J u k e r : Die Theorie d. Tragödie i. d. dt. Poetiken u. ihre Durchführung i. d. bedeutendsten Trauerspielen d. 17. Jh.s, Diss. Heidelberg (Masch.) 1924. — K. Holl: Zur Geschichte d. Lustspieltheorie v. Aristoteles b. Gottsched, Lit.-hist. Forschg,, hrsg. v. Schick u. M. v. Waldberg 44 (1911). — G. B r a t e s : Hauptprobleme d. dt. Barockdramaturgie i. ihrer geschichtl. Entwicklung, Diss. Greifswald 1935 (dort weitere Lit.). — W. F l e m m i n g : Drama u. Theater d. dt. Barock, ZDk., Jg. 1935, S. 458ff. M. L. W o l f f : Geschichte d. Romantheorie I. Teil: Von d. Anfängen b. z. Mitte d. 18. Jh.s, Diss. München, gedr. Nürnberg 1915 (eingehend üb. d. ausländ. Romantheorie). — E. N e u s t ä d t e r : Versuch einer Entwicklungsgeschichte d. epischen Theorie i. Deutschland v. d. Anfängen b. z. Klassizismus, Diss. Freiburg 1928. — [Im weiteren Umkreis: F. B o b e r t a g : Geschichte des Romans u. d. ihm verwandten Dichtungsgattungen i. Deutschland, Bd. I u. II, Breslau (Berlin) 1876/84. — L. Cholevius: Die bedeutendsten dt. Romane d. 17. Jh.s, Leipzig 1866. — G.Müller: Barockromane u. Barockroman, Lit.-wiss. Jb. IV (1929). — E. Cohn: Gesellschaftsideale u. Gesellschaftsroman d. 17. Jh.s, Berlin 1921, Germ. Studien III. — H. Meyer: Der dt. Schäferroman d. 17. Jh.s, Diss. Freiburg, gedr. Dorpat 1928. — R. A l e w y n : Joh. Beer, Studien zum Roman d. 17. Jh.s, Leipzig 1932, Palaestra 181. — Α. Hirsch: Bürgertum u. Barock i. dt. Roman, Frankfurt a. M. 1934]. M. S t a e g e : Die Geschichte d. dt. Fabeltheorie, Diss. Basel, gedr. Bern 1929 (vorwiegend v. 18. Jh. an, aber S. 12—18 „Zeugnisse aus den Poetiken d. 16. u. 17. Jh.s"). — W. K a y s e r : Die Klangmalerei bei Harsdörffer, ein Beitrag z. Geschichte d. Literatur, Poetik u. Sprachtheorie d. Barockzeit, Palaestra 179, Leipzig 1932 (aufschlußreich auch für d. Poetik, ihr Verhältnis z.Rhetorik, Auslandseinflüsse u. Vorstufen). — G. F r i c k e : Die Bildlichkeit i. d. Dichtung d. Andreas Gryphius, Materialien u. Studien z. Formproblem d. dt. Literaturbarock, Berlin 1933 (hervorzuheben bes. d. Einleitungskapitel üb. „Das dichterische Bild i. d. Poetik d. Jh.s"). — W. Rohrmann: Die Anfänge d. literar. Kritik i. Schlesien, Diss. Breslau 1933 (im wesentlichen seit Gottsched; nur einleitend einige Bemerkungen zur Kritik i. Barock, referierend im Anschluß an Lempicki). M. v. W a l d b e r g : Die galante Lyrik, Straßburg 1885. — M. v. W a l d b e r g : Die deutsche Renaissancelyrik, Berlin 1888. — Fr. S t r i c h : Der lyrische Stil d. 17. Jh.s, Muncker-Festschrift, München 1916. — G. Müller: Geschichte d. dt. Liedes v. Zeit-
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alter d. Barock b. z. Gegenwart, München 1925. — I. Ziemendorff r Die Metapher b. d. weltl. Lyrikern d. dt. Barock, Berlin 1933. — H. P a u s t i a n : Die Lyrik d. Aufklärung als Ausdruck d. seelischen Entwicklung von 1710—1770, Berlin 1933. G. B a e s e c k e : Zur Metrik d. 16, u. 17. Jh.s, Euph. XIII. — Fr. Neumann: Geschichte des neuhochdeutschen Reims von Opitz bis Wieland, Berlin 1920. — A. Heusler: Deutsche Versgeschichte, Bd. III, Berlin 1929. — Fr. S a r a n : Deutsche Verskunst, Berlin 1934. Grundsätzliche
Darstellungen
W. W e i ß b a c h : Barock als Kunst d. Gegenreformation, Berlin 1921. — D e r s . : Barock als Stilphänomen, DVjschrLg. II (1924). — A. Hübscher: Barock als Gestaltung antithetischen Lebensgefühls, Euph. 24 (1922). — A. Hübscher: Das Problem d. geistesgesch. Pseudomorphose i. Renaissance u. Barock, Euph. 26 (1925) ; d. Aufsätze Hübschers wirken teils willkürlich konstruiert. — H. C y s a r z : Vom Geist d. dt. Literatur-Barocks, DVjschrLg. I (1923). — K. V i ë t o r : Vom Stil u. Geist d. dt. Barockdichtung, GRM. XIV (1926). — W . S c h u l t e : Renaissance und Barock i. d. dt. Dichtung, Lit.wissjb. d. Görres-Gesellschaft I (1926). — W. S c h u b a r t : Vom Geist d. 17. Jh.s, NJbb. f. Wiss. u. Jgbildg. IV. — K. V i ë t o r : Probleme d. dt. Barocklit., Leipzig 1928. — W. F l e m m i n g : Die Auffassung des Menschen im 17. Jh., DVjschrLg. VI (1928), auch als Sonderdruck, Halle 1928. — M. W i n k l e r : Der Mensch des Barock, Prjbb. 216 (1929). — H. Naumann u. G. Müller: Höfische Kultur, Halle 1929. — A. W e l l e k : Renaissance- u. Barock-Synästhesie, DVjschrLg. IX (1931). — E. V o g t : Die gegenhöfische Strömung i. d. dt. Barockliteratur, Diss. Gießen 1932. — Grundsätzliche Klärungsversuche kritischer Besinnung auf eine „quellennahe" Barockforschung unter erfreulicher Abwehr übereilter Konstruktionen auch bei H. P y r i t z : Paul Flemings dt. Liebeslyrik, Palaestra 180, Leipzig 1932, S. 209 f. — E. Lüders: Die Auffassimg des Menschen im 17. Jahrhundert, dargestellt an Hand d. Poetischen Wörterbücher, Diss. Köln 1934. — P . Meißner: Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des englischen Literaturbarocks, München 1934. G e s a m t w ü r d i g u n g e n u. Ü b e r b l i c k e Außer den Darstellungen von C. Lemcke (1882), Th. S. Perry (1885) u. a. vgl. H. C y s a r z : Deutsche Barockdichtung, Renaissance, Barock, Rokoko, Leipzig 1924 (teils willkürlich kon»3·
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struiert). — F. J. Schneider: Die dt. Dichtung v. Ausgang d. Barocks b. z. Beginn d. Klassizismus (Epochen d. dt. Lit. III), Stuttgart 1924. — E. E r m a t i n g e r : Barock u. Rokoko i. d. dt. Lit., Leipzig 1926, 2. Aufl. 1928. — G.Müller: Deutsche Dichtung v. d. Renaissance b. z. Ausgang d. Barock, WildparkPotsdam 1927. — J. H. Schölte: Barockliteratur, Real.-Lex. d. dt. Lit.-Gesch. (Merker-Stammler) I (1925). — P. Merker: Die Anfänge d. dt. Barockliteratur, The Germ. Review VI (1931). — K. V i ë t o r : Das Zeitalter d. Barock (Aufriß Korff-Linden, 3. Aufl. 1932). — H. Heckel: Geschichte d. dt. Literatur in Schlesien, Bd. I : Von d. Anfängen b. z. Ausgang d. Barock, Breslau 1929.— A. Eloesser: Die dt. Lit. ν. Barock b. z. Gegenwart, Bd. I, Berlin 1930. — P. H a n k a m e r : Deutsche Gegenreformation u. dt. Barock, die dt. Lit. i. Zeitraum d. 17. Jh.s (Epochen d. dt. Lit. II, 2), Stuttgart 1935 (teils „konstruktiv", gelockerte Stoffbezogenheit). S. 9.
Keime eines ästh. V e r h a l t e n s i. dt. Humanismus. — Derartige Ansätze werden hervorgehoben ζ. B. v. W. Stammler: Von der Mystik zum Barock (1400—1600), Stuttgart 1927, S. 46 f. Stammler möchte in den weiter gespannten humanist. Begriff „poeta" schon den „schöpferischen Menschen" einbezogen sehen (S. 47); stellt jedoch zugleich klar, daß „poeta" sich nicht mit dem modernen Dichterbegrifí decke. — K. J. Obenauer: Die Problematik d. ästhetischen Menschen i. d. deutschen Literatur, München 1933, S. n g f . , für den der Humanismus „vor allem . . . zur Ausformung einer modern ästhetischen Lebenshaltung" beigetragen hat. Obenauer spricht von den „relativ ästhetischen Strukturen" u. schränkt weiterhin ein, daß der gesamte Lebensstil d. großen dt. Humanisten „nicht rein ästhetischer Natur" gewesen sei (S. 122/3). Obenauer läßt d. „ästh. Periode" d. Humanismus in Verbindung mit seiner nationalen Wandlung einsetzen (S. 125). Die nationale Wandlung d. Humanismus würdigt auch W. Stammler, a. a. O.
S. 10.
N a t i o n a l e T e i l k r ä f t e im dt. Humanismus u. i. 17. Jahrhundert. — L. B u s c h k i e l : Nationalgefühl u. Vaterlandsliebe i. älteren dt. Humanismus, Progr. Chemnitz, 1887. — H . T i e d e m a n n : Tacitus u.d.Nationalbewußtsein d. dt. Humanisten, Diss. Berlin 1913. — H. R i e ß : Motive des patriotischen Stolzes b. d. dt. Humanisten, Diss. Freiburg 1934.
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17. Jh. — E. Schmidt : Der Kampf gegen die Mode i. d. dt. Literatur des 17. Jh.s, Charakteristiken I (1886). — F. W. Behrens: Deutsches Ehr- und Nationalgefühl i. s. Entwicklung durch Philosophen u. Dichter (1600—1815), Leipzig 1891. — K. Wels: Die patriotischen Strömungen i. d. dt. Literatur d. Dreißigjähr. Krieges, Diss. Greifswald 1913. — E. V o g t : Die gegenhöfische Strömung i. d. dt. Barockliteratur, Diss. Gießen, gedr. Leipzig 1931, Abschnitt 3 „Die nationale Tradition", a. a. O., S. 23ff., zugleich rückgreifend auf die nationale Bewußtwerdung i. dt. Humanismus, auf Aventins Deutsche Chronik, Nürnberg 1541, Bayr. Chronik, Frankfurt 1566, auf den Straßburger Späthumanistenkreis um M. Bernegger. Dort auch weitere Literatur. Betreff, d. 17. Jh. bes. über Moscheroschs wuchtiges Vorkämpfertum, über die Gesellschaften als Träger kulturpatriotischer Strebungen, über K. G. v. Hille „Der teutsche Palmenbaum", Nürnberg 1647, über die Nachwirkungen d. Bestrebungen b. Leibniz, Rist, Schottel, Logau u. a. — W. Rehm: Römisch-französischer Barockheroismus u. s. Umgestaltung i. Deutschland I, GRM., Jg. X X I I (1934), S. 82, jedoch allgemeineuropäisch bezogen. H. Röhr: Ulrich v. Hutten u. d. Werden d. deutschen Nationalbewußtseins, Diss. Heidelberg 1936. S. 10.
J. N a d l e r : Rezension von S. v. Lempickis Geschichte d. dt. Literaturwissenschaft bis zum Ende d. 18. Jh.s I (1920) i. d. Forschungsberichten d. Euph. X X V (1924), S. 114—121; vgl. auch J. Nadlers Literaturgeschichte I, S. 375f. — Nadlers Schüler E. J e n a l : Der Literarhistoriker Joachim v. Watt, i. Wissen u. Leben X V I (1922), S. 93 ff. — Manche Verallgemeinerung Borinskis erscheint angesichts der bedeutsamen Leistung J. v. Watts nicht mehr als haltbar.
S. 13.
M. L i n d e n e r , zitiert nach dem Neudruck i. d. Bibl. d. Lit. Vereins Stuttgart, Nr. 163, hrsg. v. Fr. Lichtenstein, Tübingen 1883, S. 132—134.
S. 15.
Nachahmung. — Zur Wertung und Wirkung d. Nachahmung (imitatio) jetzt auch P. H a n k a m e r : Deutsche Gegenreformation u. deutsches Barock, Epochen der deutschen Literatur II, 2, S. 77 u. bes. 79—81.
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W i s s e n s c h a f t l i c h e und halbwissenschaftliche Arbeiten. — Dieser vielfach noch verkannte Grundtypus vieler Poetiken prägt sich verschieden stark aus, läßt sich jedoch bis ins 18. Jh. hinein deutlich verfolgen. Ein bes. eindeutiges Beispiel bietet neben N e u m a r k s „ T a f e l n " (17. Jh.) u. a. Joh. Christoph Männling „Der E u r o p a e i s c h e Helicon oder Musen-Berg, das ist kurtze und deutliche Anweisung zu der Deutschen Dicht-Kunst", Alten Stettin 1705. Recht lang dehnt sich in Männlings „Eurbpaeischem Helicon" bereits die Kette der säuberlich (sogar mit Seitenangaben) zitierten Gewährsmänner. So begegnen in dieser verhältnismäßig kürzeren Poetik (176 S.), ganz abgesehen von den Theoretikern der Alten und zahlreichen gelehrten Quellenangaben, Scaliger, Ronsard, Vossius, Opitz, Buchner, Harsdörffer, Zesen, Rist, Tscherning, Hadewig („Hedewig"), K. Ziegler, Mayfarth (Rhetorik), Sacer („Erinnerungen"), M. Bergmann (Poet. Lexikon), Morhof, Rotth („Roth"), Wagenseil, Weise, Neumeister („Specimen"), È. Neukirch, Joh. Hübner, G. Heidegger (Romantheorie), Kornfeld, Schelwig u.a.; auch abseitige wie etwa Joh. Peisker, Joh. Scriver u. Christian Portmann. Streckenweise verdichten sich bei Männling derartige Bezugnahmen und Verweise wohl auch zu einer Art von Literaturüberblick im wiss. Sinne, so im „Europaeischen Helicon" S. 83/4. Viele der hier nicht vollständig verzeichneten Gewährsmänner werden mehrfach, einige häufig herangezogen. Männlings „Europaeischer Helicon" will gar nicht mit dem Wertmaßstab der Originalarbeit im Sinne eigener Gedankengänge zum Thema Poetik gewertet werden, sondern ganz offenbar als zusammenfassender Literaturüberblick, als wissenschaftliche Verarbeitung vieler Arbeitserträge und Forschungsergebnisse. Was hier beispielhaft klar ausgeprägt erscheint, bestimmt doch vielfach den Typus der Poetiken. Das gilt in gewissem Grade auch von Poetikern, die wenig Gewährsmänner nennen, wie etwa E. Uh se, der aber im Titel „Wohl-informirter Poet" (1703) gleichsam die Kenntnis der einschlägigen Lit. schon andeutet, wenngleich die Titelgebung an sich mehr anpreisend das Versprechen enthalten dürfte, aus dem Leser u. Benutzer einen wohlinformierten Poeten zu machen.
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S. 2θί. Scaliger. — E. B r i n k s c h u l t e : J. C. Scaligere kunsttheoretische Anschauungen u. deren Hauptquellen, Bonn 1914 ( = Renaissance u. Philosophie, Beitr. z. Gesch. d. Phil. X ; Teildruck als Diss. Bonn 1913). — K. B o r i n s k i : Die Antike in Poetik u. Kunsttheorie I (1914), S. 224—234. — Hinsichtlich d. III. Buches „Idea" u. d. „Idee"-Bedeutung bei Scaliger vgl. die an sich bildkunsttheoretisch eingestellte Arbeit v. E. Panof s k y : „Idea", ein Beitrag zur Begrifisgeschichte der älteren Kunsttheorie, Leipzig-Berlin 1924 ( = Studien d. Bibliothek Warburg). In einer Anm. (S. 77/8) stimmt Panofsky der Auffassung Brinkschultes zu, daß Scaliger „Idee" nicht im Sinne Piatos anwende, lehnt jedoch Brinkschultes Hinweis auf Descartes ab, weist auf den Zusammenhang mit Seneca hin u. auf Aristoteles' grundlegende Einwirkung. S. 23.
I t a l i e n i s c h e Poetiken. — Über weitere frühe Poetiken in italienischer Sprache (z.B. von Bened. Varchi; G. P. Capriano; Bern. Tasso; A. Min turno; Torquato Tasso u. a.) wie auch über frühe Poetiken in spanischer Sprache bringt beachtenswertes Material Sulzers Allg. Theorie d. schönen Künste, Stichwortartikel „Dichtkunst, Poetik", a . a . O . , Teil I S. 656!; vgl. auch K. B o r i n s k i a . a . O . I, S.234Í. „Romanpoetik" (G. Cinthio u. G. Pigna), Tasso, Castelvetro, F. Patrizzi u. a. m.
S. 24.
P l e j a d e . — Th. R u c k t ä s c h e l : Einige Arts poétiques aus der Zeit Ronsards und Malherbes, ein Beitrag z. Gesch. d. franz. Poetik d. 17. Jh.s, Diss. Leipzig 1889. — A. Rosenbauer: Die poetischen Theorien der Plejade, Münchener Beiträge z. roman, u. engl. Philologie X (1896). — K. B o r i n s k i : Die Antike i. Poetik u. Kunsttheorie II (1924), S. 17 f.
S. 25. V o s s i u s , Gerh. Joh. (1577—1649). — Die Werke des bedeutenden holländischen Philologen, z. T. erst nach seinem Tode veröffentlicht, wurden zusammengefaßt als „G. J. Vossii Opera omnia" (1695—1701), i. d. Amsterdamer Ausgabe. — Vgl. A. J. van der A a : Biographisch Woordenboek der Nederlanden XIX, S. 408—415. — Die Ausgabe d. „Institutiones Oratoriae" von 1609 brachte ein Gedicht von D. Heinsius; eine (bei v. d. Aa nicht angeführte) Ausgabe scheint für 1616 anzusetzen zu sein; eine spätere Titelgebung lautete: „Commentarii Rheto-
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rici" (1630). Teils wurden die Rhetorik-Lehrbücher d. Vossius in den Schulen eingeführt; vgl. auch „Elementa rhetorica" (1626). S. 26.
E n t w i c k l u n g v o r O p i t z . — Vgl. d. Lit.-Hinweise z. Art. „Poetik", RLg. (Merker-Stammler) II, Berlin 1928. — K. B o r i n s k i : Die Antike in Poetik u. Kunsttheorie I (1914), vorwiegend Ausland. — S. v. L e m p i c k i : Gesch. d. dt. Lit.-Wiss., I (1920). — K. V i ë t o r : Die Kunstanschauung d. höfisch. Epigonen (1922). — H. B r i n k m a n n : Zu Wesen u. Form mal. Dichtung, Halle 1928 (vorher i. GRM. XV, S. 183ff.), dort zahlreiche weitere Lit. — Κ. Fr. Müller: Die literar. Kritik i. d. mhd. Dichtung u. ihr Wesen, Diss. Heidelberg 1933, Dt. Forschgg. 26. — S. Sawicki: Gottfried v. Straßburg u. d. Poetik d. Mittelalters, Diss. Berlin 1932 ( = Germ. Studien 124). — H. O. B u r g e r : Die Kunstauffassung d. frühen Meistersinger, eine Untersuchung über d. Kolmarer Handschrift, Berlin 1936 ( = Neue Dt. Forschgg. 75, Abt. Philologie 2). — H. K u h n : Mittelalterliche Kunst u. ihre „Gegebenheit", Kritisches zum geisteswissenschaftlichen FrageAnsatz, DVjschrLg. X I V (1936), S. 223^. (Einiges üb. d. Kunstauffassung, bes. d. Traditionsbegriff). — Fr. R a u h u t : Weltbejahende Mystik u. ihre Sinnbildsprache, GRM., Jg. 1936, S. 46ff.
Hoeck S. 26. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe : Schönes Blumenfeldt / Auff jetzigen Allgemeinen gantz betrübten Standt . . . Durch Othebladen öckhen von Ichamp Eltzapffern" (1601). — Die Neuausgabe, hrsg. von M a x K o c h , Halle 1899 (W. Braunes Ndr. dt. Lit. d. 16. u. 17. Jh.s, Nr. 157/159) hat ζ. T. berichtigende Kritik erfahren durch A. K ö s t e r im Azg. f. dt. Alt. 26. — M. S o m m e r f e l d : Deutsche Barocklyrik, Berlin 1929 (=Lit.hist. Bibl. I) bringt das betreffende Gedicht Hoecks nicht, weist jedoch (S. 176) auf die Köstersche Rezension hin. Die Vorrede ist nicht gezeichnet, aber wohl Hoeck zuzuschreiben. S. 26. Das Gedicht „Von Art der Deutschen Poeterey" findet sich in der Urausgabe S. 19/20. S. 28. Die m e t r i s c h e n V o r s c h r i f t e n lauten: „Man muß die Pedes gleich wol scandiren / Den Dactilum vnd auch
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Spondeum Heren / Sonst wo das nit würd gehalten / Da sein d' Reim gespalten / Krumb vnd voll falten". — Hoecks eigene Versbildung ist indessen der „ersten französischen Welle" zuzuordnen, vgl. A. H e u s l e r : Deutsche Versgeschichte III (1929), S. 112/3. S. 28.
E r n s t S c h w a b e v. d. H e y d e . — Verhältnis zu Opitz, P. S c h u l t z e : Martin Opitz u. Ernst Schwabe v. d. Heyde, Archiv f. Lit.-Gesch. XIV, S. 241t. — R. S c h l ö s s e r : Ronsard u. Schwabe v. d. Heyde, Euph. V I (1904), S. 271 ff.
Opitz S. 29.
Die Belegstellen beziehen sich auf die von G. W i t k o w s k i besorgte Neuausgabe : M. Opitzens Aristarchus... u. Buch v. d. deutschen Poeterey, Leipzig 1888; vgl. auch W. Braunes Neudr. I, hrsg. v. O. F r i t s c h . K. B o r i n s k i : Die Kunstlehre d. dt. Renaissance in Opitz' Buch v. d. dt. Poeterey, Diss. München 1883. — V. B e r á n e k : M. Opitz i. s. Verhältnis ζ. Scaliger u. Ronsard, Progr. Wien 1883. — O. F r i t s c h : M. Opitz' Buch v. d. dt. Poeterei, ein krit. Versuch, Diss. Halle 1884. — K. B o r i n s k i : Die Poetik der Renaissance 1886, S. 63ff. u. passim. — G. W i t k o w s k i : Einleitung z, Neudr. v. 1788. — Chr. W. B e r g h o e f f e r : M. Opitz' Buch v. d. dt. Poeterei, Diss. Göttingen 1888. — R . B e c k h e r r n : M. Opitz, P. Ronsard u. D. Heinsius, Diss. Königsberg 1888 (1890). — G. W e n d e r o t h : Die poetischen Theorien der französischen Pléjade in M. Opitz' Deutscher Poeterei, Euph. X I I I (1906), S. 445ff. — Κ . H. W e l s : Opitz u. d. stoische Philosophie, Euph. X X I . — A. S t ö s s e i : Die Weltanschauung des M. Opitz, Diss. Erlangen (Masch.) 1922. — Fr. G u n d o l f : M. Opitz, München-Leipzig 1923. — R. A l e w y n : Vorbarocker Klassizismus u. antike Tragödie, Heidelberg 1926. — H. R a d e m a n n : Versuch eines Gesamtbildes üb. d. Verhältnis v. M. Opitz zur Antike, Diss. Jena 1926. — Joh. H o f f m e i s t e r : Caspar v. Barths Leben, Werke u. s. deutscher Phönix, Heidelberg 1931, Beitr. z. neueren Lit.-Gesch. X I X . — H. M a x : Martin Opitz als geistlicher Dichter, Heidelberg 1931, Beitr. z. neueren Lit.Gesch. XVII. — Versgeschichtlich klärt die Stellung Opitz' in der Gesamtentwicklung A. H e u s l e r : Deutsche
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ANMERKUNGEN
Versgesch. III, S. ii7ff. : „Das Neue war einzig.. das strengere, über den ganzen Vers durchgeführte Wägen" (S. 119). S. 29. Opitz wird als „zielbewußter und umsichtiger Z u s a m m e n f a s ser der mannigfachen Ansätze und Versuche, die seit fast einem Jahrhundert auf eine deutsche Renaissancedichtung abzielten", als Organisator, der jedoch „ganz und gar kein grundstürzender Neuerer" gewesen sei, geschildert von H. H e c k e l : Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien, Bd. I : Von den Anfängen bis zum Ausgange des Barock, Breslau 1929, S. 185. — K. J. Obenauer: Die Problematik d. ästhetischen Menschen i. d. dt. Lit., München 1933 spricht etwas modern vom „geläuterten Geschmack" bei Opitz, S. 124; betont aber zutreffend den Geltungszuwachs d. Poesie. S. 30.
P a u l R e b h u n s V o r a r b e i t im 16. Jh. (etwa I535f.), z. B. seinen Hinweis darauf, „nicht wider den Accent zu stolpern", hebt unter Hinweis auf Opitz hervor A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III, S. 110.
S. 31.
B e g a b u n g s b e w e r t u n g . — Der Aufsatz v. G. B r a t e s : Die Barockpoetik als Dichtkunst, Reimkunst, Sprachkunst, ZfdtPh. 53 (1928), S. 352 läßt beim Zitieren der betreffenden Stelle aus dem „Beschluß" den Rückverweis „ . . . welche Plato (!) einen Göttlichen furor nennet" vermissen ; ebenso fehlt im Zitat vorher die ausdrückliche Opitzsche Bezugnahme auf Ovid (vgl. den Text Opitz', Witkowski-Ausgabe S. 137 mit G. Brates S. 352 Anfang). — Es wird — nicht nur an diesen Stellen — die Tendenz erkennbar, die Begabungsbewertung als verhältnismäßig selbständig innerhalb der Barockpoetik hinzustellen bzw. erscheinen zu lassen. Schon U. Wend- l a n d : Die Theoretiker und Theorien der sog. Galanten Stilepoche und die deutsche Sprache, Form u. Geist XVII (1930), S. 69, übt in einer längeren Anmerkung Kritik an Brates' einseitiger Ausdeutung. — Der Hinweis Wendlands allerdings auf P. H a n k a m e r s (Die Sprache, ihr Begriff und ihre Deutung im 16. und 17. Jahrhundert, 1927, S. 115) Bemerkung vom „Gemeinplatz", zu dem „für einige Jahrzehnte" die Bezeichnung des Dichters als „Seher und Mittler des Ewigen" geworden wäre, diese Bemerkung . lankamers selbst übertreibt wiederum nach der anderen Seite hin beträchtlich.
ANMERKUNGEN
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G. Brates' Aufsatz war ursprünglich als Einleitungskapitel gedacht zu einer größeren Arbeit, die Verf. anregte, und die dann später von G. Brates auch als Diss, unter dem Titel: „Hauptprobleme d. deutschen Barockdramaturgie" (Greifswald, 1935) nach längerer Unterbrechung abgeschlossen und herausgebracht worden ist. Die Absicht, einmal die Aufmerksamkeit verstärkt auf das Begabungsproblem zu lenken, von der meine Anregung damals im Zusammenhange mit meiner PoetikVorlesung und meiner bereits ζ. T. vorliegenden Geschichte der Poetik (vgl. den Reallexikon-Artikel, „Poetik") ausging, hat Brates' Aufsatz immerhin erfüllt, nur ist er im Eifer der Auswertung und im Ausdeuten beträchtlich übers Ziel hinausgeschossen. Der Gegenstoß gegen Borinskis verständnislose Aburteilung ist allzu schneidig ausgefallen im Bemühen, ein Gegengewicht zu schaffen. Die Hauptschwäche des Aufsatzes liegt wohl im geringen Abstufen von Barockpoetik und Poetik der Übergangszeit. Die Begabungsbewertung (wie auch das Verhältnis von Begabung und Schulung) im Bereich der Barockpoetik läßt sich vorerst noch nicht grundsätzlich und allgemeingültig festlegen. Ihr ist von Fall zu Fall auch im Verlaufe der Arbeit besondere Aufmerksamkeit zugewendet worden. Man wird zwischen bloßem Nachsprechen des Konventionellen und Aufklingen eines eigenen Erahnens der tieferen Bedeutimg jener überkommenen Wendungen unterscheiden, man wird auch die indirekte Beweisführung von der kunsttheoretischen Satire her berücksichtigen müssen. Der rechte Weg wird zwischen den Flankenstellungen Borinskis einerseits und Brates' andererseits verlaufen. Einige Schritte in diese Richtung hat schon U. Wendland finden können, nachdem jene äußersten Orientierungspunkte festlagen. S. 32.
^Göttlicher f u r o r " (furor divinus). — Darüber, daß genialisches Gebaren bekannt war, vgl. z. B. W. K r a u s s : Marino, Dichter und Gestalt, in GRM. X X I I (1934), S. 246: „Zeitgenossen erzählen, daß er (Marino) mit wirrem Haar wie ein Besessener über die Straßen rannte, immer deklamierend, häufig umringt vom lärmenden Kreis enthusiastischer Jugend, manchmal in ekstatische Verzückung versinkend" (a. a. O., S. 246). Bei einem ausschließlich „konventionellen" Nachsprechen
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ANMERKUNGEN
der Lehre vom ,,furor divinus" würde schwerlich aus zeitgenössischen Berichten ein wirklich zutage gelegtes genialisches Gebaren, von dem auch deutsche Satiriker zu berichten wissen, nachzuweisen sein. S. 32.
„ V i e l g u e t " . — K. J. Obenauer, a. a. O., S. 125/6 will d. „piaton. Identität" erkennen.
S. 33.
„Sinnreiche E i n f ä l l e " , Bewertung des Scharigeistigen neben dem Schöngeistigen. — Vgl. die grundlegende Entwicklung der ästhetischen Leitbegriffe durch A l f r e d B a e u m l e r : Kants Kritik der Urteilskraft, ihre Geschichte und Systematik, Bd. I : Das Irrationalitätsproblem in der Ästhetik und Logik des 18. Jh.s bis zur Kritik der Urteilskraft, Halle 1923. Baeumler berücksichtigt auch den Begriff des „Scharfsinnigen". Daß noch im 18. Jh. „Scharfsinnigkeit" eine spezifische, auch ästhetische Bedeutung besaß, die sich nicht mit unserer entsprechenden Wortbedeutung ohne weiteres deckt, darüber unterrichtet die sonst wenig fruchtbare Arbeit von F r a n z Mansfeld: Das literarische Barock im kunsttheoretischen Urteil Gottscheds und der Schweizer, Diss. Halle 1928. Mansfeld polemisiert, übrigens wenig überzeugend, gelegentlich gegen Baeumler, so a. a. O., S. 47/8 Anm. über das Verhältnis von „Witz"und Phantasie-Begriff. Doch wird Bd. II dieser Darstellung jene Fragen eingehender zu erörtern haben unter Berücksichtigung der Abhandlung Paul B ö c k m a n n s über „Das Formprinzip d. Witzes i. d. Frühzeit d. dt. Aufklärung", Jb. d. Fr. Dt. Hochstifts Frankfurt a. M. 1932/33.
S. 40.
S c h w i e r i g k e i t des Epos. — P. Hankamer: Deutsche Gegenreformation und deutsches Barock, Stuttgart 1935, spricht die Vermutung aus, daß die skeptische Voraussage Opitz' hinsichtlich der Möglichkeit eines deutschen Epos mitgewirkt haben dürfte „bei dem Verzicht auf ernsthafte Bemühungen in dieser Gattung", a. a. O., S. 365; vgl. auch S.77.
S. 40. B e g r e n z t h e i t der Dramentheorie. — Vom Blickwinkel seiner Themastellung: Deutsche Gegenreformation u. deutsches Barock (1935) aus vermißt P. Hankamer bes. die Berücksichtigung der Jesuitendramatik: „Daß Opitz 1624 von dieser dramatischen Kunst (der Jesuiten)
ANMERKUNGEN
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nichts hätte wissen sollen, ist unwahrscheinlich" mit der Begründung: „Seit mehr als zwei Generationen waren die Patres am Werk . . . " , a. a. 0., S. 282. S. 41.
S t a n d h a f t i g k e i t u. G e f a ß t h e i t als Wirkungswert der Tragödie. — Im Zusammenhang mit der „stoischen Ethik" sucht W. Rehm: Römisch-französischer Barockheroismus und seine Umgestaltung in Deutschland II, GRM. X X I I (1934) Opitz als Träger der „Romanisierungstendenz" hinzustellen, der „das brachliegende deutsche Geistes- und Dichtungsgelände mit römischromanischem Stromwasser zu befruchten" sich vor allem bemüht habe. Wie weit dabei die Arbeit von Alewyn nachwirkt, bleibe dahingestellt. Ob hierin Opitz' Hauptverdienst zu suchen ist, erscheint mir fraglich. — Der Aufsatz W. Rehms (I. Teil, GRM., Jg. 1934, S. 81—106, II. Teil, GRM., Jg. 1934, S. 213—239) verfolgt die Entwicklung und Wandlung vorwiegend am Drama. Die Wandlung, die „Umgestaltung in Deutschland", wird nach kurzem Berühren Opitz' und des Barocktrauerspiels (S. 214—216) erst von Gottsched an eingehender verfolgt. Darüber in Bd. II dieser Darstellung.
S. 43.
Metaphorische Umschreibungen. — Über Opitz' noch kaum klar ausgeprägte Vorstellung vom dichterischen Bildwert, der für ihn weit weniger betont hervortritt als etwa bei Ronsard, vgl. Ingeborg Z i e m e n d o r f f : Die Metapher bei den weltlichen Lyrikern des deutschen Barock, Diss. Berlin 1932. Die Heranziehung des Teildrucks genügt für unsere Zwecke, da er den Abschnitt über die Theorie der Metapher „Die wichtigsten theoretischen Auffassungen des deutschen Barock von der Metapher" enthält. Dort über Opitz, S. 15/16. — Eingehender Gerhard F r i c k e in seinem stilgeschichtlich u. stilmethodisch aufschlußreichen Werk über: Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius, Materialien u. Studien z. Formproblem d. deutschen Literaturbarock, Berlin 1933, entstanden 1929/30, daher d. Arbeit I. Ziemendorffs noch nicht erfassend; aber deren entsprechenden Abschnitt im Reichtum der Hinweise übertreffend in seinem Eingangskapitel „Das dichterische Bild in der Poetik des Jahrhunderts". Dort über Opitz S. 13—15.
366 S. 44.
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Klangliche Darstellungsmittel. — W o l f g a n g K a y ser: Die Klangmalerei bei Harsdörfler, ein Beitrag zur Geschichte der Literatur, Poetik und Sprachtheorie der Barockzeit, Leipzig 1932, Palaestra 179, S. 122/23, glaubt bei Opitz* theoretischen Erläuterungen und Beispielen nur Lautsymbolik, nicht „getreue Klangwiedergabe" erkennen zu können, wobei allerdings die Beweisführung etwas gewunden („freilich" „verführen" u. a.) wirkt. Die Unterscheidung von Klangentsprechimg und Klangmalerei kann eben am historischen Befund nicht recht wirksam durchgehalten werden. Kaysers ertragreiche Arbeit läßt — sonst um Gründlichkeit bemüht — an dieser Stelle eine Berücksichtigung oder doch eine Erwähnung von E. Hanmanns Anmerkungen vermissen. — Zu Hanmann vgl. J. H e y d t m a n n : Über Enoch Hanmanns Anmerkungen zu O.s Buch von der dt. Poeterei, Rostock 1882. — Enoch Hanmanns Sonderbedeutung für die Verslehre (Akzent nicht Länge) hebt hervor A. Heusler in seinem grundlegenden Werke : Deutsche Versgeschichte Bd. III (1929), S. 80. Dort wird auch die Stellung Opitz' in der deutschen Versgeschichte geklärt. Und zwar erkennt Heusler das Neue nicht in der Abhebung von Hans Sachs, sondern von „der 50-jährigen Verirrung der Welschverse" (Paul Schede-Weckherlin), a. a. O. III, S. 117ft., 128.
Peschwitz S. 46. Die Belegstellen beziehen sich auf die im Text genannte Ausgabe von 1663. — Auf die Abhängigkeit Peschwitz' von Harsdörfiers bekannter Zusammenstellung im III. Teil des „Trichters" weist hin E. Lüders: Die Auffassung des Menschen im 17. Jahrhundert, dargestellt an Hand der Poetischen Wörterbücher, Diss. ' Köln 1934, S. 5. S. 47.
Die Z w e c k b e s t i m m u n g d. Schatzkammer. — Die im Text herangezogene Definition bringt d. Herausgeber Joh. P.Titz a.a.O., S. 8. — Einige allgemeine Bemerkungen über Anlageform, Wesen u. Wert d. poetischen Wörterbücher bringt unter Berücksichtigung des Reallex.Artikels „Poetik" E. L ü d e r s a. a. O. (1934), S. 3—6; dagegen sind die allg. Einleitungsbehauptungen über die Poetik d. 17. Jh.s — wie wohl auch sonst in Sonderarbeiten — nicht zuverlässig.
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Bergmann» Treuer S. 47.
Sacer selbst hat außer jenem Hinweis i. s. „Erinnerungen" ein anpreisendes Widmungsgedicht dem „Deutschen Daedalus" Treuers vorangestellt. Auf dieses Sacersche Widmungsgedicht für Treuer nimmt ein anderes Widmungsgedicht G. Freinsheims (des Sinnenden) für Bergmanns „Deutsches Aerarium poeticum" bereits 1662 mit Namensnennung Bezug. Da Freinsheims Widmungsgedicht von Treuers „Daedalus" als von einem „Buch" spricht, „was vor nicht gar vielen Tagen" seine reichen Schätze ausgebreitet habe, so wäre Treuers „Deutscher Daedalus" etwa 1655—1661 anzusetzen und Goedeke entsprechend zu berichtigen. Die Sonderarbeit I. Ziemendorffs über die Metapher b. d. weltl. Lyrikern d. dt. Barock, Diss. Berlin 1932, S. 20 Anm. 25, nennt eine Ausgabe von 1660 m. d. abweichenden Titel „Deutscher Dädalus (1660) : Poetisches Lexicon u. Wörterbuch, darinnen wol ausgesonnene Epitheta u. anmutige Umschreibungen auß den griechischen . . . lat. Autoren anzutreffen". Danach würde es sich um zwei verschiedene Ausgaben des Treuerschen „Daedalus" handeln, wodurch sich die Verschiedenheit der Datierung klären ließe. Die Kölner Diss. E. Lüders von 1934 nennt unter ihren Quellen nur die Ausgabe von 1675. Mir lagen vor d. Ausgaben „Deutscher Dädalus", Berlin 1675 u. „Teutscher Daedalus", Berlin 1690. Der Titel lautet auch bei dem mir vorliegenden — aus der Greifswalder Univ.-Bibl. stammenden — Exemplar des „Deutschen Aerariums Poeticums" des vorpommerschen Pastors Michael Bergmann von 1662 anders als der bei Goedeke verzeichnete Titel. Bergmanns Aerarium findet sich ebenfalls bei I. Ziemendorff a. a. O. mit vollständigem Titel angegeben. — Die Beliebtheit Treuers geht hervor aus Bezugnahmen in späteren Poetiken, so etwa in K. Stielers „Dichtkunst des Spaten" (1685). Nicht nur der Bedarf an poetischen Umschreibungen und „Redensarten" erklärt diese Beliebtheit der poetischen Schatzkammern, sondern auch der Bedarf an Attributen, dem die poetischen Wörterbücher Rechnung zu tragen pflegten durch Beibringung einer ganzen Fülle angeblich „passender" Beiwörter, die sie unmittelbar neben dem jeweiligen Stichwort in imposanter Reihung aufrücken ließen.
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S. 52/3 S p r a c h t y p u s des B a r o c k . — Der Gefahr eines Hineindeutens von sprachphilosophischen Gegenwartsvorstellungen ist F. H a n k a m e r : Die Sprache, ihr Begrifi und ihre Deutung im 16. u. 17. Jahrhundert, Bonn 1927 im Ausdeutungsbemühen nicht überall entgangen. In seinem neuen Werke über Deutsche Gegenreformation u. deutsches Barock, Stuttgart 1935, S. 143—150 erscheint die Sprachhaltung d. Barock etwas behutsamer gedeutet.
Büchner S. 55.
Die Belegstellen beziehen sich vorwiegend auf die durch Georg Göze, Jena 1663 herausgebrachte Ausgabe, die den Titelzusatz trägt „Aus ezzlichen geschriebenen Exemplarien ergänzet, mit einem Register vermehret und auf vielfältiges Ansuchen der Studirenden Jugend izo zum ersten mahl hervorgegeben". Denn diese Ausgabe unter dem Titel „Kurzer Weg-Weiser" ging auf jene älteren handschriftlichen Fassungen zurück, die durch Vortrag vom Katheder und Umlauf in interessierten Kreisen am f r ü h e s t e n in die Entwicklungsgeschichte der Wortkunsttheorie eingegriffen haben. Sie gibt daher trotz einiger Unzulänglichkeiten am ehesten noch ein Bild vom praktisch erfolgten Einwirken Buchners etwa auf Titz, Zesen und Klaj, und zwar nach dem Stand der Buchnerschen Poetik von etwa 1638. Eine — von Borinski noch angenommene — g e d r u c k t e Ausgabe von 1642 (vgl. Borinski S. 133) dürfte schwerlich bestanden haben. Die von Buchners Schwiegersohn Prätorius im Auftrag der Erben herausgegebene Endfassung „A. Buchners Anl e i t u n g zur deutschen P o e t e r e y , wie er selbige kurtz vor seinem Ende selbsten übersehen, an unterschiedenen Orten geändert und verbessert hat, herausgegeben von Othone Prätorius" (Wittenberg 1665), stellt zwar die endgültige Fassung dar, nicht aber die entwicklungsgeschichtlich vor allem interessierende Frühfassimg. Auf diese Fassung bzw. die ihr zugrunde liegende H a n d s c h r i f t bezieht sich vor allem Andreas Tscherning in seinem „UnvorgreifBichen Bedencken", das an sich schon 1658 liegt und also früher als die Druckausgabe der Buchnerschen Poetik. Die grundsätzlich gehaltenen Eingangskapitel der Buchnerschen Poetik hatte Prätorius, einem Wunsche Buchners entsprechend, als Sonderschrift herausgegeben unter dem Titel „ A u g u s t B u c h n e r s P o e t ,
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aus dessen nachgelassener Bibliothek herausgegeben von Othone Prätorio" (Wittenberg 1665). Eine eingehende Klärung dieser Fragen wie auch pine ausführliche Würdigung der Poetik Buchners, die mehrfach über Borinski hinausgeht und vor allem auch das Verhältnis zu Opitz verdeutlicht, bietet Hans Heinrich B o r c h e r d t : Augustus Buchner und seine Bedeutung f. d. dt. Literatur d. siebzehnten Jahrhunderts, München 1919, im II. Teil Buchners Poetik, a. a. 0., S. 45—102. Borcherdt hebt übrigens hervor, daß die Drucke (Göze u. Prätorius) dem Inhalte nach, der für uqs entscheidend ist, „keineswegs erhebliche Unterschiede" aufweisen, vielmehr „in allen wesentlichen Punkten" übereinstimmen (S. 51). Da Borcherdt den Prätorius-Druck behandelt, so war eine Ergänzung der aus dem Studium der GözeFassung gewonnenen Darstellung erleichtert. S. 55.
B e g u t a c h t u n g u. E r w ä h n u n g i. d. Fruchtbringenden Gesellschaft. — „ D e r Fruchtbringenden Gesells c h a f t ältester E r t z s c h r e i n " , hrsg. v. G. K r a u s e , Leipzig 1855, bringt in dem Brief Ludwigs an Dietrich von dem Werder, „Cöthen den 16. Wintermonats (November) 1638" die erste Erwähnung in diesem Kreise: „ E s ist dem Nehrenden des Buchners deutsche Poesi geschrieben Zugeschickt, die er itzo durchlieset, möchte woll wissen, ob sie der Viegekörnte ( = Vielgekörnte) gesehen; sie ist Zwar fein, aber doch noch etwas darbey Zu sagen", a. a. O., S. 159. Auch spätere Erwähnungen finden sich im „Ertzschrein", so etwa S. 161, 310/11, 312, wobei sich ablesen läßt, daß Buchners Poetik immer noch nicht (u. zwar im Frühling 1642) im Druck erschienen war, allerdings mit der Einschränkung: „so viel der geselschaft dieses ortes wissend". — Über die Entstehung d. Buchnerschen Poetik vgl. die Epistolae Buchneri, 1720. — Näheres: H. H.Borcherdt a.a.O., S.45Í.
S. 55.
„ B u c h n e r - A r t " , Daktylus. — A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III (1929), S. i89f.
S. 62.
Die Bemühung um Gattungsbestimmungen gehörte zu den schwierigsten Aufgaben der Barockpoetik. Vielfach wichen die Poetiker diesen Schwierigkeiten überhaupt aus, während Buchner doch wenigstens einen Lösungsversuch wagte; vgl. auch G. B r a tes: Haupt-
34 M a r k w a r d t , Poetik j
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problème d. dt. Barockdramaturgie, Diss. Greifswald 1935, S. 13—18. Wie mühselig die Barockpoetiker um eine klare Gattungsgliederung, ja auch nur eine bestimmte Gattungsvorstellung zu ringen hatten im Schwanken zwischen Inhalts- und Formkriterium, wird häufig genug ablesbar. P. Hankamer: Deutsche Gegenreformation u. dt. Barock, 1935, scheint in diesem Sinne „konstruktiv" zu viel vorauszusetzen von dem, was erst erstrebt und ertastet werden mußte, wenn er als ein Hauptkriterium „die strenge Gültigkeit der Gattungs- und Artformen" hinstellt und mit Nachdruck herausstellt, a. a. O., S. 77. Ein Gattungsbegriff „Lyrik", von dem Hankamer in diesem Zusammenhange spricht, bestand in Wirklichkeit noch nicht. Berechtigt ist dagegen die Berücksichtigung des Inhaltskriteriums. Doch widerstreitet diese Betonung der Inhalte oder der „Themen", wie Hankamer sagt, wiederum den Anschauungen G. Frickes, die das Formungskriterium überwiegen lassen. Die Entwicklung innerhalb der Poetik scheint mir dahin zu gehen, von den Inhaltskriterien sich vorerst mehr und mehr, wenn auch mit vielen Rückfällen, zu lösen und über sie hinaus zu Formkriterien auch für die Gattungen zu gelangen. Dieser im historischen Verlauf vielfach gebrochenen Entwicklungstendenz folgt streckenweise auch die „Inventio", der „Erfindungs"-Begriff. Eine Sonderuntersuchung über diese noch nicht restlos geklärten Fragen wäre erwünscht. Der „ I n v e n t i o "-Begriff bewegt sich in einem wenig fest begrenzten, elastischen Spielraum zwischen der „Inventio" (als Vorgang der Themawahl u. Stoffauffindung) der lat. Rhetorik (Cicero u. Quintilian) und dem „scharffsinnigen Einfall". Damit sind ohne weiteres Übergangsmöglichkeiten von Inhaltgebung, Inhaltgliederung (dispositio) und Formung (elocutio) gegeben, Übergänge, die vielfach fließend erscheinen. Teilweise wird eine scheinbare Vernachlässigung der Invention ausdrücklich damit begründet, daß dieser Faktor ohne weiteres von den Alten zu erlernen sei, während für Formungsfragen die deutschsprachliche Dichtkunst besondere Gesetze erfordere; vgl. zur Untergründung d. Kap. „Stilschule Qnintilians" in K. B o r i n s k i s : Antike i. Poetik u. Kunsttheorie I, S. 176 ff.
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Tit* S. 64.
Die Belegstellen beziehen sich auf die im Text genannte Ausgabe „ . . . Dantzig 1642". — Titz' Vorrede zu Peschwitz' „Hoch-Teutschem Parnass" (1663) konnte an entsprechender Stelle schon gewürdigt werden.
S. 64.
T i t z ' W e t t b e w e r b mit T s c h e r n i n g hinsichtlich dessen Poetikplan schildert, abgesehen von Borinski, die Sonderarbeit H. H. B o r c h e r d t : Andreas Tscherning, MünchenLeipzig 1912, S. 149Ü, 174/5; über das Verhältnis der Poetik Tschernings zu der Titz', S. 200 ff.
S. 65.
Das V e r h ä l t n i s v o n „ E r f i n d u n g " und F o r m u n g verschiebt sich also bei Titz eindeutig zugunsten der Formung. Doch kennt er an sich die Sachbezogenheit der Erfindung: „Die gantze Poeterey bestehet in Sachen vnd Worten. Die Sachen sind alles das, was der Poete nachmachet vnd beschreibet. Bey denselben ist zubetrachten jhre Erfindung vnd Einordnung. Wir bedörffen aber deßfaüs im Deutschen keiner absonderlichen Vnterrichtung . . . " (a. a. O., S. 25). Titz übergeht also nur deshalb die Anweisung zum „Erfinden", weil die den Inhalt und seine Gliederung, die Stoffwahl, Stoffumbildung, Stofferweiterung usw. betreffenden Regeln und Forderungen ihm an keine Sprachgrenzen gebunden zu sein scheinen. Zugleich wird am Einzelfall erschließbar, daß die Hinwendung zur Formung und Gestaltung wie auch die in der Zeitpoetik streckenweise verfolgbare Umdeutung des Erfindungsbegriffes nach dieser formungstechnischen und im engeren Sinne wortkünstlerischen Seite hin ursächlich und eng zusammenhängt mit dem vorherrschenden Bemühen der Barockpoetik, einer d e u t schen D i c h t e r s p r a c h e zu dienen. Grundlage ist für Titz das Hochdeutsche der „Cantzeleyen" und der Meißner Mundart; merklich geschont und bevorzugt werden zugleich die Schlesien Das V e r h ä l t n i s v o n H o c h s p r a c h e und M u n d a r t behandelt bes. d. 1. Kap. des II. Buches.
S. 67.
Die s t i l i s t i s c h e n D a r s t e l l u n g s m i t t e l würdigt neben dem zweiten bes. das 3. Kap. des II. Buches. Verständlich, schön u. den „Sachen" gemäß soll der Dichterstil sein, als dessen Attribute hinsichtlich der Schönheit gelten: „anmuthig, fein vnd munter". Durch die gehobene Schreibart unterscheidet sich der Dichter, dessen „Gött-
'V
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ANMERKUNGEN
lichen furor" Titz unter Hinweis auf Flato konventionell erwähnt, vom Redner und Historiker. Das V e r h ä l t n i s von D i c h t e r und H i s t o r i k e r bleibt also formal bestimmt. — Im Raum der metrischen Lehrbücher wird Titz' Arbeit als besonders „reichhaltig" u. „durchdacht" hervorgehoben von A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III (1929), S. 80. Schottel S. 67/8. Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe von 1656. A. Schmarsow: Leibniz und Schottelius, Straßburg 1877, Quellen u. Forschungen Nr. 23. S. 69. Vgl. K . B o r in ski: Die Poetik der Renaissance, Berlin 1886, S. 165 u. a. S. 70.
S c h o t t e l s Verdienst um die deutsche Sprache wird auch von G. F r i c k e : Die Bildlichkeit i. d. Dichtung d. A. Gryphius (1933), S. 16 Anm. 38 anerkannt. Doch schränkt Fricke dieses Verdienst hinsichtlich des sprachformenden und sprachkünstlerischen Wertes ein durch den kritischen Hinweis darauf, daß im Bereich der „praktischen Spracharbeit" Schottel auf der Schicht des ,,Worttechnikers, Ordners und hàndwerklichen Bearbeiters eines toten, objektiven festliegenden Sprachmaterials" stehen geblieben sei, daß Sch. demnach auch die dichterische Sprachfunktion zu sehr als ein kunsttechnisches Kombinieren und Variieren, als ein Umschreiben und Ausdrücke-Häufen angesehen habe (a. a. O., S. 16/7), wobei mit brauchmäßigen Beständen gearbeitet würde.
Harsdörffer S. 71. Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe von 1647—1653. J. T i t t m a n n : Die Nürnberger Dichterschule, Göttingen 1847. — A . K r a p p : Die ästhetischen Tendenzen Harsdörffers, Berlin 1903, Beri. Beiträge z. germ. u. roman. Phil. X X V , Germ. Abtl. Nr. 12. — K. A. K r o t h : Die mystischen u. mythischen Wurzeln d. ästh. Tendenzen G. Ph. Harsdörffers, Diss. München (Masch.) 1921. — G. A. N a r c i ß : Studien z. d. Frauenzimmergesprächspielen G. Ph. Harsdörfers, Diss. Greifswald 1927, auch in· Form u. Geist V, Leipzig 1928. — Im Rahmen der Musikgeschichte würdigt die Gesprächspiele: £. S c h m i t z : Zur musikgesch. Bedeutung d. Hars-
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dörfferschen „Frauenzimmergesprächspiele", Festschrift z. 90. Geb. Liliencrons, 1910, S. 254ff. — W. K a y s e r : Die Klangmalerei bei Harsdörffer, ein Beitrag z. Gesch. d. Lit., Poetik u. Sprachtheorie d. Barockzeit, Leipzig 1932, Palaestra 179. — E. K ü h n e : Emblematik u. Allegorie i. G. Ph. Harsdörffers Frauenzimmergesprächspielen, Diss. Wien (Masch.) 1933. S. 73.
„ e i l f ä h r i g e A r b e i t " . — Indessen darf man derartige entschuldigende Hinweise auf das „E'lfährige" der Entstehung im 17. Jh. nicht überall so ganz wörtlich nehmen. Solche Hinweise auf hastiges Arbeiten wegen Mangel an Zeit oder auch aus sogar näher bestimmten Entschuldigungsgründen, wie etwa d. Nähe der Buchmesse u. a., nehmen fast brauchmäßig erstarrte Formen an. Modisch und formelhaft gebraucht, sollen diese Wendungen offenbar vielfach nur einer etwaigen Kritik vorbeugen.
S. 75.
E r ö r t e r u n g üb. d. Bildgebrauch. — Vgl. z. Folgenden auch I. Ziemendorff : Die Metapher b. d. weltl. Lyrikern d. dt. Barock, Diss. (Teildruck) Berlin 1932, im Abschnitt „Die wichtigsten theoretischen Auffassungen d. dt. Barock v. d. Metapher" über Harsdörffers Theorie der Metapher a. a. O., S. 17—19. — G. F r i c k e , der die Metaphern-Theorie im ersten Kap. seiner bekannten Gryphius-Arbeit (Neue Forschung XVII) würdigt, beurteilt Harsdörffer, obgleich er die Arbeit W. Kaysers bereits einbezieht, dennoch kritischer hinsichtlich der spielerischen Haltung. — G. Frickes stilgeschichtliche Forschung selbst schafft im Aufnehmen und Ausdeuten des Bildbestandes, sowie in der Überprüfung des Bildgebrauchs ein gesundes Gegengewicht gegenüber mancher Überschätzung des vermeintlichen Metaphemreichtums. Zu einer gewissen Überschätzung des DichterischEigenwüchsigen gegenüber dem Brauchmäßig-Verfestigten neigt z. B. der Schlußabschnitt d. Sonderarbeit K. Saleckers: Christian Knorr von Rosenroth, Leipzig 1931, Palaestra 178, d. über „Das Konventionelle u. d. Originale" (a. a. O., S. 145—148) handelt.
S. 76.
Vgl. G.-W. Sacer „Nützliche Erinnerungen wegen der Deutschen P^eterey" (1661), S. 58. Sacer hat nicht „abgeschrieben" (wie I. Ziemendorff, a. a. O., S. 18 Anm. 17 behauptet), sondern zitiert mit Namensnennung und gibt
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ANMERKUNGEN
in einer Klammerparenthese den ausdrücklichen Hinweis auf seine Quelle . . (daß ich mich des H. Harssdörffers Worte gebrauchen mag) . . e b e n d o r t . S. 79. Abwehr d. Tierfabel. — M. Staege: Die Geschichte der deutschen Fabeltheorie, Diss. Basel, gedr. Bern 1929, S. 14/5. S. 82. Zur Dramentheorie, vgl. G. Brates: Hauptprobleme d. dt. Barockdramaturgie, Diss. Greifswald 1935. S. 87. Kunsttheor. Forderungen i. d. „Frauenzimmer-Gesprächsspielen". — Nähere Ausführungen bietet G. A. Narciß: Studien z. d. Frauenzimmergesprächspielen G. Ph. Harsdörfers, Diss. Greifswald 1928, bes. S. 64—96. S. 87 f. Zum Folgenden vgl. W . K a y ser: Die Klangmalerei bei Harsdörffer (1932), S. 85, I23Í, 134 u. hinsichtlich seiner Stellungnahme zu P. Hankamer (Die Sprache, ihr Begriff u. ihre Deutung i. 16. u. 17. Jh., Bonn 1927), a. a. O., s. 144/5· S. 88. Ickelsamer. — Außer W. K a y s e r a . a. O. vgl. H. Nohl: Der Typus des religiösen Grammatikers im 16. Jh., dargestellt an Valentin Ickelsamer, Diss. Marburg 1935. Klaj S. 92. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe „Lobrede der Teutschen Poeterey / Abgefasset und in Nürnberg Einer Hochansehnlich-Volkreichen Versammlung vorgetragen Durch Johann Klajus. Nürnberg / Verlegt durch Wolffgang Endter / 1645". — Das Titelbild steüt einen „Witdod" dar, einen Dichter-Denker-Priester, wie man sie f. d. germ. u. keltische Frühzeit annahm. Harsdörffer gibt dazu im Rahmen der Einleitungsgedichte, die der eigentlichen Lobrede vorangestellt worden sind, eine versifizierte „Erklärung des Titelbildes", die ihrerseits wieder mit einer Reihe von gelehrten Anmerkungen unterbaut wird. Die „Teutschen und Franken oder Gallier sind vor Alters ein Volk gewesen"; Germanen und Kelten werden dabei zusammengeworfen, und die Vorstellung eines Druiden-Dichters drängt sich wiederum in den Vordergrund. Zugleich wird die antike Vorstellung vom Poeten als Vorläufer des Philosophen beigemischt, um
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diesen „Witdod", mit dem sich auch Harsdörffers , A n hang" befaßt, zu erläutern. Jedenfalls betont das Titelbild, von Klaj aus gesehen, den auch sonst in der Lobrede erhobenen Altersanspruch der deutschen Dichtkunst. A. F r a n z : Johann Klaj, ein Beitrag z. dt. Lit.-Gesch. d. 17. Jh.s, Marburg 1908, Beiträge z. dt. Literaturwiss. VI (E. Elster), S. 113—133 (Kap. 4) ; über das „Pegnesische Schäfergedicht" S.86fi. S. 93. k l a n g p f l e g e n d e s E l e m e n t , Klaj: Lobrede, S. 14: „Es bemerke einer die Dinge / so er aussprechen wil / halte selbe seinen Gedanken mit Nachsinnen vor / beobachte darneben den Hall und Schall der Wörter / ob sie selben nicht artlich auB- und abbilden". — Es folgen dann Beispiele, die sonst nur sparsam in die kurze Lobrede eingefügt werden, darunter Heinsius' Gedicht vom „Brennenberg Etna" unter Hervorhebung der „knallenden / prallenden" Wortklangwirkung. Ebenso herrschen die klangmalenden Werte u. Worte vor i. d. Aufzählung d. Ausdrucksmöglichkeiten der „Teutschen Sprache" (S. 18). S. 93. b i l d p f l e g e n d e s E l e m e n t , Klaj: Lobrede, bes. S. 20, im ganzen abgeschwächter als d. klangpflegende Element; S. 23 den „überschwenglichen Schatz von Gedächtnissprüchen" darf man wohl, dem Zusammenhang entsprechend, zugleich mit d. bildhaften Umschreibungen in Beziehung setzen (Harsdörffer). S. 94.
fremde A n r e g u n g (Gewährsmänner). — Über d. Quellen zur „Lobrede" handelt ausführlich A. Franz: Johann Klaj (1908), S. 123—132.
S. 94.
Sonderforschung. — A. Franz, a. a. O., S. 128; „sichere Entlehnungen" S. 123.
S. 95.
Polemik gegen Ü b e r f r e m d u n g , Klaj: Lobrede, bes. S. 23—26.
S. 96.
T a c i t u s , Aventin, Goldast u. Bemegger; Klaj: Lobrede S. 7, 8 (Aventinus); S. 9 (Goldast); S. 19 (Tacitus); S. 24 (Bemegger); Goldast habe „ein gutes Theil solcher Gesänge der mottenfressigen Zeit beraubet". — Auch in dem Harsdörffer zugeschriebenen „Anhang" zu Klajs
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„Lobrede", der weitere Erklärungen zum „Witdod (Wittod)", ζ. B. d. Druiden, Barden usw. bringt, erfolgen Verweise auf Tacitus, Goldast, Aventinus u. a. S. 97.
G e l t u n g s w e t t s t r e i t . — Unter Anerkennung d. Verdienste d. Fruchtbringenden Gesellschaft Klaj: Lobrede S. 12: ,,daß die Verse nunmehr ganger / fertiger und lieblicher daherfliessen : Also / daß / wenn sich die Poeten auf einem Rechtplatze versamlen solten / dasdbst üm die Ehre zu kämpfen / würden gewiß / vor andern / die Teutschen den Dank darvontragen."
S. 97.
B e g a b u n g s b e w e r t u n g . — Einzelnachweise hängigkeit bei A. Franz, a. a. O., der S. 126/7 sprechenden Stellen aus Buchner abdruckt und teils wörtlich übereinstimmenden Stellen der Klajs vergleicht.
d. Abdie entmit den Lobrede
Moüer S. 98.
Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe: „Tyrocinium Poeseos Teutonicae, Das ist: Eine kunst- und grund-richtige Einleitung Zur Deutschen Verß- und Reim-kunst. Allen dieser wunder-edlen lieb- und lustbahren Wissenschafft begierigen / besonders der studierenden Jugend zum dienst und auffnehmen abgefasset: Von Alhardus Moller", Helmstedt o. J. (1656).
S. 98.
C h r i s t l i c h e L e i t i d e e . — Sie wird bes. betont herausgestellt in pers. Bemerkungen b. d. Anlageeinschnitten (Kap.-Anfängen u. Abschlüssen u. d. 2. „Teilen"); aber auch sonst, so etwa a. a. 0., S. 3, 10, 32, 54, 77, 78.
S. 99.
„ e i l f e r t i g s t e a b f a s s u n g " (Moller, S. 20). — Selbst die Einleitungs- bzw. Widmungsvorrede trägt die Schlußbemerkung „Höchst-eilig, Bremen, am 25. Mai, Anno 1656"; vgl. die Anm. z. S. 73 d. Arbeit (unter „Harsdörffer").
S. 99.
Verhältnis v o n E r f i n d u n g u. F o r m u n g . — G. F r i c k e : Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius (1933)» S. 11 bringt als Beleg f. d. Formbewertung Mollers Definition: „Finis oder ier Zwekk / dieser Kunst ist: daß durch Hülfe der süßklingenden Harmonía: vieler zierlich-eingefügten Wort-Glieder /
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mancher art / von herrlich-und vernünfftigen Red-arten leuchtende / beides zum högsten Preiß / des Allgewaltigen / wie dann auch zu offtmahligen Menschlichen Ehren-Ruhm und Belustbarkeiten dienende Gedichte / können außgearbeitet und ans Licht geführet werden" (Moller, S. 2). — Indessen ist die Geltung dieser Zweckbestimmung insofern einzuschränken, als bei Moller an der betreffenden Stelle „diese Kunst" unzweideutig auf die „Verß-Kunst", also auf das Metrische bezogen wird, nicht aber auf die Dichtkunst schlechtweg. Moller bringt sie unter dem Merkwort „Definitio" zur Bestimmung der Metrik, nicht der Poetik. Dem entspricht die späterhin (S. 5) durchgeführte und beibehaltene Unterscheidung von „Dicht- und Reime-Kunst", wobei Moller durchaus auf die „Erfindung" zurückgreift. Für die Verskunst lag d. Formbetonung themagemäß nahe. S. 100. W e r t a t t r i b u t e f. d. Formgebung. — Die zitierten Forderungen betr. „Liebligkeit" und Wohlklang finden sich bei Moller S. 2, 33, 38/9, 49, 51, 52, 62, 65, 68. Masen S. ι ο ί .
Die Belegstellen beziehen sich auf die 2. Ausgabe: I. Teil von 1661; II. Teil von 1661; III. Teil von 1657. — Von Teil III (Dramentheorie) hat W. Flemming besonders aufschlußreiche Textstellen unter dem Titel: Theoretisches aus Jakob Masens Palaestra Eloquentiae ligatae Bd. 3, abgedruckt nach einer Ausgabe von 1664, neuerdings zugänglich gemacht, vgl. Das Ordensdrama, hrsg. v. W. Flemming in: Deutsche Literatur, Reihe Barock: Barockdrama, Bd. 2, S. 37—46.
S. ιοί.
„Das i n t e r n a t i o n a l e L a t e i n r e i c h " , so N. Scheid (S. J.): Der Jesuit Jakob Masen, ein Schulmann und Schriftsteller d. 17. Jh.s, Köln 1898, S. 35 mit Benutzung einer Stelle aus P. Duhr: Die Studienordnung d. Gesellschaft Jesu, Freiburg 1896.
S. 102.
Weitere Werke Masens: Palaestra styli Romani, Köln 1659 (u. öfter) ; Exercitationes oratoriae, Köln 1660.
S. 102/3. B. Neukirchs „Vorrede von der deutschen Poesie" (zur Hofmannswaldau-Sammlung) hält Umschau nach
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Belegen und faßt dabei auch die neulateinische Dichtung flüchtig ins Auge: „Nun könnte man solche leute [wie Bouhours, die den Deutschen die Befähigung zu „scharffsinnigen gedancken" absprechen] zwar bald beschimpften, wenn man ihnen nur die gedichte der Jesuiten oder anderer gelehrten leute in latein vorlegte; indem es doch eines ist, ob man lateinisch oder deutsch was gutes schreibet: Allein wir wollen uns so weit hier nicht bemühen, sondern den beweißthum näher suchen..." Und dieses der deutschen Art notwendig Näherliegende wird dann doch wieder von B. Neukirch in den deutschsprachlichen Leistungen gesucht und gefunden. S. 103.
Barockhumanismus. — Vgl. G. Müller: Deutsche Dichtung d. Renaissance u. d. Barocks (1927), S. 224.
S. 106.
„ V e r i s i m i l i t e r " dico, quod Veritas histórica in Poètarum narratione non requiratur, sed liceat Poetae ex suo ingenio rerum circumstantias apposite ad veri similitudinem effingere; ut illustriori imagine rem oculis subjiciat, Palaestra I (1661, 2. Ausg.), S. 4.
S. 106.
V e r s c h m e l z u n g v. hist. u. dicht. W a h r s c h e i n l i c h keit. — Perfectissima tarnen illa est fabula, quae verisimilitudinem non minus historicam, quam pure fictitiam complectitur; siquidem ad delectandum magis apta, tum suspensum lectorem detinet atque inex spectata et latente magis eruditione capit, Palaestra I (1661), S. 10.
S. 106/7. Das W a h r s c h e i n l i c h k e i t s p r o b l e m i. Drama behandelt bes. d. 3. Kap. d. ι. Buches d. Palaestra, Pars III (1657), S. I3f.; aber auch d. 19. Kap. d. 2. Buches, Pars III, S. 177ff. Dort findet sich sogleich eingangs die Dreigliederung : Hinc triplex fabulae genus colligo. Primum verisimile, alteram verisignificativum, tertium et verisimile et verisignificativum (III, 178). — Hierzu auch die Ausschnitte in W. Flemmings erwähntem Teilabdruck, S. 40—42 ; die Seitenangaben b. Flemming weichen von den oben angegebenen naturgemäß ab, weil hier d. Ausg. v. 1657 herangezogen worden ist, während für W. Flemmings Abdruck eine Textgrundlage von 1664 zugrunde gelegt wurde. Die Textstellen an sich stimmen wörtlich überein.
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S. 107.
E i n w i r k u n g d. R h e t o r i k , hervorgehoben bei G. Müller: Dt. Dichtg. d. Renaissance u. d. Barocks, S. 206/07. — Die stark rhetorische Haltung in Lohensteins Dramen erkannte schon J. J. B r e i t i n g e r , der in seiner „Critischen Abhandlung von d. Natur, d. Absichten u. d. Gebrauch d. Gleichnisse" (1740) Lohensteins Tragödiensprache zwar nicht als Diskurs, aber doch „als ein Soliloquium oder ein Gespräche, das Lohenstein mit sich selbst führet" kennzeichnet, dazu F. Mansfeld: Das literarische Barock im kunsttheor. Urteil Gottscheds u. d. Schweizer, Diss. Halle 1928, S. 84.
S. 107.
z. Joh. Matthaeus M e y f a r t h d. Sonderuntersuchung Chr. Hallier: Joh. Matthaeus Meyfarth, Diss. Frankfurt a. M. 1928 u. W. K a y s e r : Die Klangmalerei bei Harsdörffer (1932), S. 109, i n , 130 u. a.
S. 108.
Gottsched über Weise: Versuch einer Critischen Dichtkunst (1730), S. 213.
S. 109. Vorrede. — Es handelt sich u. d. knapp gehaltene Vorrede v. Pars I d. Gesamtpoetik. S. 109.
Schöpferbegriff. — Et in hoc genere Poeta Deum utcunque imitatur (I, 8). — Die Andeutung der Parallele im Schöpferbegriff gelegentlich d. Erörterung über d. natürl. u. d. moralische Fabel verläuft wesentlich andersartig als die Parallelen, die teils in d. späteren Geschichte u. Vorgeschichte d. Schöpferbegriffes bzw. d. Geniebegriffes begegnen. Nicht der freierfindende Dichter, der „künstlich etwas erfindet", vertritt das Freischöpferische. Vielmehr ahmt der Dichter nur, soweit er die Natur als Gottes Schöpfung nachahmt, gleichsam auch Gott nach.
S. 110.
Annäherung an den C h a r a k t e r d. S o n d e r s c h r i f t wird bes. für d. Dramentheorie auch äußerlich dadurch bestätigt, daß i. d. Tat Pars III (Dramatica) gesondert in Ausgaben v. 1657 u. 1664 herausgekommen ist.
S. I i i .
L o b g e d i c h t u. Heldengedicht. — Die Einzelgliederung u. Untergliederung i. Gattungsbereich d. Epik hat in einem „epischen Stammbaum" N. Scheid: Der Jesuit Jakob Masen (1898), S. 20 zu veranschaulichen versucht.
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S. 113.
Sonderuntersuchungen ζ. Jesuitendramen-Theorie. Ν. Neßler: Dramaturgie d. Jesuiten Pontanus, Donatus u. Masenius, Progr. Brixen 1905. — A. Happ: Die Dramentheorie der Jesuiten, Diss. München (Masch.) 1923, Diss.-Ausz. 1924.
S. 114.
Einheiten. — J. Masen geht zwar referierend auf d. Forderungen ein, die v. anderer Seite aufgestellt worden sind u. die hinsichtlich d. Zeiteinheit bereits im Zeitmaß schwanken (1—2 Tage). Er selbst betont jedoch: . . . sie etiam videtur inutilis; actio enim est, quam praeeipue imitatur, non tempus (III, 15); so auch W. F l e m mings Textabdruck, a. a. O., S. 44 (wörtlich übereinstimmend).
S. 114.
J. Bidermann. — Vgl. G. Müller: Dt. Dichtung v. d. Renaissance b. z. Ausgang d. Barocks (1927), S. 193.
S. 114.
W. Flemming bietet eine aufschlußreiche „Einführung" z. s. Bande „Ordensdrama" (1930), besonders hervorzuheben ist hier d. Abschnitt „Kunstwollen und -theorie", a. a. O., S. 15—19, der Masen eingehend berücksichtigt. Dort auch (S. 36) weitere Literaturangaben z. Gesch. d. Jesuitendramas.
Birken
S. 115/6. Die Belegstellen beziehen sich auf die im Text angeg. Urausgabe „ . . . Nürnberg 1679". — Über Birken, J. T i t t m a n n : Die Nürnberger Dichterschule (1847). — G. Quedefeld: Über S. v. Birken, Progr. Freienwalde a. O. 1878. — A. S c h m i d t : Siegmund von Birken, genannt Betulius, 1626—1681, i. d. Festschrift z. 250-jährigen Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens, Nürnberg 1894. — Aus d. Briefwechsel S. v. Birkens u. G. Neumarks 1656—1669, mitgeteilt v. C. A. H. Burkhardt, Euph.-Erg.-H. III. S. 116.
Frühere E n t s t e h u n g . — E. N e u s t ä d t e r : Versuch einer Entwicklungsgeschichte d. epischen Theorie in Deutschland v. d. Anfängen b. z. Klassizismus, Diss. Freiburg 1928, übersieht diese früheren Vorstufen und setzt daher seinen Vergleich Birken-Morhof auf nicht recht tragfähiger Vergleichsgrundlage an, a. a. O., S. 12. — Neustädter hat f. d. epische Theorie, soweit unser
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Berichtsraum erfaßt wird, nur etwa zwanzig Seiten zur Verfügung, a.a.O., S. 5—25. S. 116.
A b w e h r d. antik. G ö t t e r g e s t a l t e n erfolgt durchgängig b. Birken, so etwa a. a. 0., S. 189,316,330 u. a. m. Die Bekämpfung ζ. B. des Terenz als Schullektüre (S. 338) begegnet in ganz ähnlicher Weise u. gleichfalls v. d. christlich-moralpädagogischen Bewertung aus bei B. Kindermann „Der Deutsche Poet" (1664), S. 16, wobei Kindermann diese Stelle als Zitat von Rist übernimmt.
S. 120. Nachahmung. — Birken: „ . . . a b e r sie (d. Nachahmenden) holen nicht nur das Feuer, sondern sie pflegen auch das Holz zu stehlen und schreiben oft Plätze aus, darauf man ein Pferd tummeln könnte" (S. 178). Der Umwandlungsvorgang wird neben dieser Entlehnungsbegrenzung auch drastischer als im Bienengleichnis so umschrieben: „Man muß das Gehirn zum guten Magen machen, der die Speise nicht, wie er sie empfangen, wieder heraus kotze, sondern verdaue und in eigenen Nahrungssaft verwandele". S. 123. Dramentheorie. — G. Popp: Über den Begriff des Dramas in den deutschen Poetiken d. 17. Jh.s, Diss. Leipzig 1895. — G. Bra tes: Hauptprobleme d. dt. Barockdramaturgie, Diss. Greifswald 1935. S. 124.
W e c h s e l b e z i e h u n g v. G e h a l t - u. G e s t a l t s t r u k t u r b. Birken versucht festzustellen G. B r a t e s , a . a . O . , S. 47 u. 49.
S. 125.
B i l d h a f t e E i n k l e i d u n g . — I. Ziemendorff a. a. O., S. 20 hebt das Empfehlen der antithetischen Metaphern durch Birken hervor. Als Beleg für die „unpersönliche Sachlichkeit und Künstlichkeit des Bildvorganges" i. d. barocken Dichtkunst bringt G. Fr ick e i. s. GryphiusArbeit, S. 20, Anm. 48 u. a. auch ein längeres Zitat aus Birkens Poetik (b. Birken, S. 79f.).
S. 128.
Romantheorie. — M. L. W o l f f : Gesch. d. Romantheorie v. d. Anfängen bis zur Mitte d. 18. Jh.s, Nürnberg 1915 (Diss. München); z. Birken, a. a. O., S. 61—64. Zur franz. Romantheorie, a. a. O., S. 26ff. — Während
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d. Drucklegung konnte herangezogen werden I. Jerschke : W. H. Frhr. v. Hohberg, ein Dichter aus d. Zeit des Barock, Diss. München 1936; dort über Birkens Vorrede z. „Aramena", S. 4—7 üb. Romantheorie (erbauliche Tugendlehre, Lebenslehre, kulturpatriotische Leitidee). Czepko S. 129. Die drei ersten Centimen d. Monodisticha D. Czepkos, abgedr. bei K. K o f f m a n e i. Correspondenzbl. d. V. f. Gesch. d. ev. Kirche Schlesiens I (1882). — Weltliche Dichtungen, hrsg. v. W. Milch, Breslau 1932. — Geistliche Schriften, hrsg. v. W.Milch, Breslau 1930. Th. Strasser: Der junge Czepko, München 1913 (als Diss. Göttingen 1912). — W . W y r t k i : Czepko im Mannesalter, Diss. Breslau (Masch.) 1919. — W.Milch: D. v. Czepko, Breslau 1934, Einzelschr. z. Schles. Gesch., Bd. 12. — Fr. W. W e n t z l a f f - E g g e b e r t : Die Wandlungen i. religiösen Bewußtsein Daniel v. Czepkos (1605—1660), Zeitschr. f. Kirchengesch. 51, S. 480—511. S. 129.
K a u m Wesentliches z. Poetik. — Selbst W. Milch spricht trotz eingehender Czepko-Studien und trotz Kenntnis des handschriftlichen Materials von den „geringen Beiträgen zur Poetik, die Czepko geliefert hat"; W.Milch, Daniel von Czepko, Persönlichkeit und Leistung, Breslau 1934, S. 121.
S. 129. W. Milch. — A. a. O., S. 121 bringt d. entsprechenden Beleg in einer Anmerkung. Die Auffassung d. Poesie als „verborgene Theologie", die als „opitzisch" bezeichnet wird (aber nicht notwendig gerade von Opitz bezogen zu sein braucht), belegt Milch a. a. O., S. 94 aus „Coridon u. Phyllis"; ebenso die für d. antihöfische Teiltendenz beachtenswerte Kritik Czepkos an dem geringen Ansehen, das der Dichter beim Fürsten findet. S. 130. Madrigalhafte Zwischenformen. — Mehrfach weist W. Milch (wie dankenswerterweise auf d. sog. „Säulengedicht") auch auf eine Liedform mit „Pointe" hin a. a. O., S. 110 („Drey Rollen verliebter Gedancken" u. „Unbedachtsame Einfälle"). Bei diesem „Lied mit Pointe" dürfte es sich im Sinne d. Zeitpoetik um madrig a l h a f t e Zwischenformen handeln. Für K. Zieglers Madrigaltheorie z. B. steht das Madrigal in enger Fühlung
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mit d. Epigramm. Damit wäre auch d. Übergang z. Epigramm ohne weiteres nahegelegt. S. 131.
Brief an Apelles ν. Löwenstern. — H. Heckel Gesch. d. dt. Lit. i. Schles. I (1929), bietet i. s. Anmerkungen (S. 396/7) den dankenswerten Hinweis unter Bezugnahme auf P. Epsteins Veröffentlichungen üb. Apelles ν. Löwenstern, Schles. Lebensbilder 111(1928).
Hadewig S. 131. Die Belegstellen beziehen sich auf die im Text angegebene Urausgabe,,... Liibbeke 1650". S. 131.
Die k u l t u r p a t r i o t i s c h e Leitidee beherrscht bereits die Einleitung, bzw. d. Vorrede „An den aufrichtigen Leser".
S.131/2. Tschernings K r i t i k an überwiegend metrischen Erörterungen (rtiit Bezug auf Hanmann) findet sich in einem Schreiben Tschernings vom 9. Aug. 1645. Tscherning S. 134. Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe von 1659, die gegenüber d. Ausgabe v. 1658 die „deutsche Schatzkammer" bringt. — Eingehend hat Über Tscherning gehandelt H. H. B o r c h e r d t : Andreas Tscherning, ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte d. 17. Jh.s, München-Leipzig 1912; dort auch Näheres über „Tschernings Poetik" (S. 172—212), im wesentlichen aber etwas zu einseitig beschränkt auf d. sprachlichen Einzelheiten; das Grundsätzliche zur Poetik erscheint demgegenüber nicht restlos ausgewertet. — Auf den Umstand, daß d. dt. Poetik damals schon hinreichend tragfähige Grundlagen bieten kann, so daß Tscherning nicht mehr auf Auslandspoetiken angewiesen ist, lenkt d. Aufmerksamkeit H. Heckel: Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien Bd. I, Breslau 1929, S. 212. S. 135. E n t s t e h u n g s v o r g a n g (aus Briefwechsel ablesbar), H. H. Borcherdt a. a. O., Anm. z. S. 317/18. S. 136.
„mein H. Opitz", so bei Tscherning selbst, z. B. S. 80, 86/7 u.a.; „mein H. Buchner", z . B . S.70, 92, 94, 97, 107, 145.
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ANMERKUNGEN
S.136/7. Stellung ζ. Mundart. — Η. Η. Borcherdt a. a. O. neigt etwas dazu, Tschernings Abwehr des Mundartlichen zu überschätzen, wie ζ. B. d. Wendung verrät „Diese zwischen den Zeilen liegende Absage an den Dialekt", S. 187. Demgegenüber scheint keine hinreichende Berücksichtigung jene Stelle bei Tscherning gefunden zu háben, auf die die obige Darstellung Bezug nimmt, ,,Unvorgreiffliches Bedencken", S. 78/9. S. 137.
„natürliches" Zeichen. — Die f. d. Gesch. d. Sprachphilosophie vorzubehaltende Frage, ob etwa die Natursprachenlehre eingewirkt haben mag, ist immerhin in Erwägung zu ziehen.
S. 139. A n t i k r i t i k . — Die nicht erhaltene —nur geplante? — ungedruckte Antikritik Zesens gegen Tscherning wird erwähnt in Elias Caspar Reichards „Versuch einer Historie· der deutschen Sprachkunst", Hamburg 1747, S. 165 u. 236, vgl. Η. H. Borcherdt, a. a. O. Anm. S. 324; vgl. auch Borinski, S. 271 Anm. 2. Zesen S. 140. Die Belegstellen beziehen sich auf die erweiterte 4. Aufl. des „Helikon" von 1656 (vorher; 1640, 1641, erweitert bereits 1649). K. Dissel: Ph. v. Zesen u. d. deutschgesinnte Genossenschaft, Progr. Hamburg 1890. — H. Harbrecht: Zesen als Sprachreiniger, Diss. Freiburg 1912. — R. Ibel: Die Lyrik Ph. ν. Zesens, Diss. Würzburg (Masch.) 1922. — A. Gramsch: Zesens Lyrik, Kassel 1923. — A.May: Weltbild u. Lebensgefühl b. Ph. v. Zesen, Diss. Wien (Masch.) 1931.—M.Trelle : Zwei Feldgefüge im Sinnbezirk des Verstandes b. Ph. von Zesen, Diss. Münster 1935. Im Verfolg der „Sprachinhaltsforschung" (Anregung J. Trier: Der dt Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes, Heidelberg 1931) kommt f. d. Poetik bes. in Betracht M. Trelles Erläuterung d. Begriffes „Kunst", a. a. O., S. 13f. (Fertigkeit, Geübtsein, angewandtes Wissen); „Witz", S. 27; „scharfsinnig", S. 33 u. a. S. 140. Anakreontischer Liedtypus. — H. Lischner: Die Anakreontik i. d. dt. weltlichen Lyrik des 17. Jh.s, Diss. Breslau 1932, S. 68—71. Lischner weist f. d. Bereich d. Zesenschen Kunsttheorie eine frühe (wie L. meint d.
ANMERKUNGEN
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„erste") Erwähnung anakreontischer Verse nach in Zesens „Scala Heliconis Teutonici" (1643), dann auch in Zesens „Deutsch-lateinischer Leiter" (1656), a. a. 0., S. 69. S. 143/4. Hörbild, Klangbewertung. —Zesens „Rosen-mand", S. 80 f. u. 180; vgl. W. Kayser a. a. O., S. 128 Anm. 87; 122 Anm. 72; 175 Anm. 82. S. 144. Zurückgreifen auf Fischart. — E . Goldemann: Barockstil bei Fischart, Diss. Tübingen, gedr. Zeulenroda 1934, glaubt hinsichtl. d. Berücksichtigung d. Klangwirkungen Fischart auf d. Wegrichtung zu Zesen hin beobachten zu können, a. a. O., S. 72. S. 144. Die Belegstellen aus Vorrede u. Widmungsschrift beziehen sich auf d. Neudr. Ph. ν. Zesen: Adriatische Rosemund 1645, hrsg. ν. Μ. H. Jellinek, Halle 1899 (Neudr. d. 16. u. 17. Jh.s, Nr. 160—163). S. 144t. Roman. — H. Körnchen: Zesens Romane, Berlin 1912. — K. Gartenhof: Die bed. Romane Ph. ν. Zesens, Progr. Nürnberg 1912. — H. Will: Die ästh. Elemente i. d. Beschreibung b. Zesen, Gießen 1922. — W. Beyersdorff: Studien z. Ph. ν. Zesens biblischen Romanen „Assenat" u. „Simson", Form u. Geist II, Leipzig 1928. — H.Obermann: Studien üb. Ph. ν.Zesens Romane „Die adriat. Rosemund, Assenat, Simson", Diss. Göttingen 1933. — Allgemein: F . B o b e r t a g : Geschichte d. Romans (1876—84). — M . L . W o l f f : Geschichte d. Romantheorie (1915). Riet S. 147/8. Hinsichtlich der Vorreden wurden die betreffenden Ausgaben herangezogen. Mehrfache Bezugnahmenfindensich in Kindermanns „Deutschem Poeten" (1664), bes. auf Rists „Nothwendigen Vorbericht" zum „Neuen Teutschen Parnass" (1652). Η. M. Schletterer: Joh. Risten: Das Friedewünschende Teutschland . . . , Augsburg 1864. — Th. Hansen: Joh. Rist und seine Zeit, Halle 1872. — Η. M. Schletterer: a.a.O., Einleitung. — O.Kern: Joh. Rist als weltlicher Lyriker, Marburg 1919. — A. J e r i c k e : (s. u.). — O.Heims: Joh. Rist als Dramatiker, ein Beitrag zur Geschichte des volkstümlichen Dramas im 17. Jh., Diss. Marburg 1929. as Markwirdt, Poetik ι
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ANMERKUNGEN
S. 148. „Lächerliches Selbstgenügen". — Borinski: Poetik d. Renaissance, S. 251; dort glaubt Borinski weiterhin Rist als „Urheber jener grenzenlos 'nationalen' Selbstgefälligkeit" hinstellen zu müssen, wie denn Borinskis Gesamtdarstellung wenig Einfühlungswilligkeit in das kulturpatriotische Streben des 17. Jh.s beweist. S. 149.
„Monatsgespräche." — Die Darstellung stützt sich vor allem auf A. Jericke: Johann Rists Monatsgespräche, Germanisch u. Deutsch, Studien z. Sprache u. Kultur II, Berlin u. Leipzig 1928, bes. S. 70 ff. Dort auch nähere Ausführungen über Rists Stellung zu den anderen Künsten.
S. 150. Strenge in metrischen Fragen. — Sie wird bereits angemerkt in einer späteren Ausgabe i. d. Reihe, die die Gesprächsformen von Harsdörffer über Rist weiterführt, Erasmus Francisci: „Alleredelste Kunst der Gantzen Welt", Frankfurt a. M. 1703, vgl. A. Jericke, a. a. O., S. 82. Rist und Francisci „Curieuses RecreationsJahr", Frankfurt und Augsburg 1703, darin das oben genannte Gespräch. Über Franciscis Beteiligung im Herausbilden der „Gespräche" auch G. A. Narciß: Studien z. d. Frauenzimmergesprächspielen G. Ph. Harsdörfers (1927), S. 159—161. — Über Rists Stellung zum „Gesetz d. 3 Starktöne", das in d. Metrik d. 17. Jh.s noch keine Geltung gehabt zu haben scheint, vgl. A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III (1929), S. 140 Anm. (§ 993). Kindermann S. 151. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe, deren vollständiger Titel, weil für die Gesamthaltung aufschluQreich, mitgeteilt sei: „Der Deutsche Poët / Darinnen gantz deutlich und ausführlich gelehret wird / welcher gestalt ein zierliches Gedicht / auf allerley Begebenheit / auf Hochzeiten / Kindtauffen f Gebuhrtsund Nahmens-Tagen / Begräbnisse / Empfah- und Glückwünschungen / u. s. f. So wohl hohen als niederen Standes-Personen / in gar kurtzer Zeit / kan wol erfunden und ausgeputzet werden / Mit sattsahmen / und aus den vornehmsten Poeten hergenommenen Gedichten beleuchtet / und also eingerichtet / daß den Liebhaber der Göttlichen Poesie dieser an statt aller
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geschriebenen Prosodien und Poetischen Schrifften zur Nohtdurfft dienen kan / Fiirgestellet / Durch ein Mitglied des hochlöbl. Schwanen-Ordens. Wittenberg / . . . Im Jahr 1664." — Zugleich als Beispiel für die breit ausladende und anpreisende Art der Titelgebung; daher wurden in diesem Falle auch die Beistriche, die sonst durchweg in den Zitaten dieser Arbeit fallen gelassen wurden, beibehalten. W. K a w e r a u : Balth. Kindermann, Geschichtsblätter f. Magdeburg XXVII. S. 151.
Gewährsmänner u. Z i t a t e . — Es ist nicht immer ganz leicht, bei Kindermann — und auch bei manchem anderen Poetiker — die eigenen Ausführungen von zitierten Stellen zu unterscheiden, weil Zitate vielfach nur zu Anfang und am Ende durch eine entsprechende Bemerkung kenntlich gemacht werden, nicht jedoch durch Anführungsstriche. So klärt z. B., nachdem S. 12 Rist erwähnt wurde, erst auf S. 15 die Bemerkung „bißhieher mein Ewiggeliebter Herr Ristius" den Leser über die Breite des Zitats auf.
S. 152.
Über die F a b e l findet sich die betreffende mißverständliche Bemerkung bei Borinski a. a. O., S. 260/1. — M. S t a e g e : Die Geschichte d. dt. Fabeltheorie (Diss. Basel), gedr. Bern 1929, zählt in einer längeren Anmerkung (S. 16) Kindermann nur mit Namen und Poetik auf unter der Gruppe von Poetiken, „die nichts oder nur höchst Unbedeutendes über die Fabel enthalten". Immerhin wäre in der Sonderarbeit ein Eingehen auf Kindermanns Gewährsmann Joh. Hübner erwünscht gewesen. Doch gehört der Hauptteil der an sich in der Themastellung begrüßenswerten Arbeit offenbar der neueren Zeit.
S. 154.
Epigramm. — Abgesehen von der engen Verwandtschaft mit dem Madrigal entsteht auch durch Kindermanns frühere Erörterungen über J. Hübners Fabeltheorie (S. 136f.) eine enge Beziehung des Epigramms zu der „Schluß-Fabel" (S. 145).
S. 155.
Dramentheorie. — In der oben angedeuteten Richtung ein wenig überschätzend G. B r a t e s a. a. O. (1935), S. 101/2. Die Abhebung von Hadewig verschiebt den Blickpunkt.
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Neumark S. 156. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Ausgabe „Jena 1667". Fr. K n a u t h : G. Neumark, Langensalza 1881. — G. Claussnitzer : G. Neumark, Diss. Leipzig (Masch.) 1924. — A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III S. 74, 142, 191, 194/5. S. 156.
Martin Kempe. — Außer den Anmerkungen z. Neumarks Poetik wäre ergänzend hinzuweisen auf den „Neugrünenden Palmenzweig der Teutschen Helden-Sprache und Poeterey", Jena 1664. Die Anmerkungen zu Neumark umfassen nahezu 300 Seiten (S. 57—336).
S. 156.
Dramentheorie. — Näheres bringt G. B r a t e s a. a. O. (1935), S. 73/4 unter Berücksichtigung der Anmerkungen Kempes; über das Verhältnis v. Inhaltskriterium u. Formungskriterium, S. 25—27.
S. 159.
„ L u s t w a l d " . — Die Belegstellen beziehen sich auf die Aasgabe „Jena 1657". Die Vorrede behilft sich vielfach mit Zitaten (ζ. B. aus Rist) u. bringt streckenweise nur wenig eigenen Bindetext, der diese Zitate umrahmt.
S. 159.
S p r a c h r i c h t i g k e i t . — Neumark gehört zu denjenigen Poetikern, die sich auf Meyfarth („Meifard") stützen; empfohlen werden weiterhin: Schottel, Hanmann, Buchner, Harsdörffer, Titz u. Zesens Helikon. — Da es sich b. d. Alten um eine zwar „heidnische, doch kluge Vorwelt" handele, seien d. klass. Sprachen zwar zu pflegen, jedoch ohne darüber die Muttersprache zu vernachlässigen.
S. 160.
Martin R i n c k a r t . — W. B ü c h t i n g : Martin Rinckart, Göttingen 1903. — Die Stellung Rinckarts innerhalb der Versgeschichte umreißt mit einigen markanten Beispielen A. Heusler: Deutsche Versgeschichte III (1929), S. 119 (das „natürliche Ohren-Maß"); 125 (Jambus vermeintlich „uhralte" deutsche „Reim-Art") u. a.
K. Ziegler S. 161. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Ausgabe v. 1685, deren Gesamttitel lautet: „Caspar Ziegler Von den Madrigalen / Einer schönen und zur Musik beqvemesten
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Art Verse / Wie sie nach der Italianer Manier in unserer Deutschen Sprache auszuarbeiten / Nebenst etlichen Exempeln / Anitzo vermehret / und auf vielfältiges Begehren zum Druck befördert / Mit beygefügten Register" Wittenberg 1685. Die i.Ausg. erfolgte 1653; ob i. darstellenden Text wesentliche Abweichungen bestehen, konnte ich nicht feststellen. Der v. Borinski (S. 259 Anm. 2) angegebene Titel weicht etwas ab; doch bringt B. die Titel nicht immer genau. Das „anitzo vermehret" scheint sich nur auf d. Exempel z. beziehen. Widmungsschreiben u. d. „Extract" aus d. Schreiben H. Schütz' tragen auch i. d. 2. Aufl. v. 1685 d. Jahresangabe 1653. Man könnte i. ersten Augenblick aus d. Bemerkung v. d. „natürlichen construction" (S. 17) i. d. 2. Aufl. auf eine Änderung zugunsten Weises schließen. Aber d. Fassung ist durchaus so allgemein, wie sie vor Weise auch sonst begegnet. S. 162.
F r a g e d. E r s t m a l i g k e i t . — Darüber, daß Ziegler i. Wirklichkeit nicht der „erste" war, unterrichtet E. Dahmen: Die Wandlungen d. weltl. deutschen Liedstils i. Zeitraum d. 16. Jh.s, ein Beitrag z. Gesch. d. dt. Frühbarock, Diss. Königsberg, gedr. Bottrop i. W. 1934. E. Dahmen würdigt vor allem d. früheren Bemühungen H. L. Hasslers u. H. Scheins um d. Madrigalform. — Vgl. im weiteren Umkreis K. Vossler: Das deutsche Madrigal, Weimar 1898. — R. V e l t e n : Das ältere deutsche Gesellschaftslied unter d. Einfluß d. italienischen Musik, Heidelberg 1914. — G. Müller: Geschichte d. deutschen Liedes v. Zeitalter d. Barock bis zur Gegenwart, München 1925.
S. 162.
B e z i e h u n g zur Musik. — Die Zweck- u. Wirkungsverbundenheit d. Madrigals mit d. Musik wird so in jenem kurzen Nachwort (S. 47), das Ziegler s. Beispielsammlung hinzufügt, erneut herausgestellt. Ebenso — und noch eingehender — am Schluß d. eigentlichen „Berichts von der Arth und Eigenschafft eines Madrigals", u. zwar unter Berufung auf d. Urteil Schütz' (S. 16—19). So etwa d. Bemerkung, „daß kein einziges genus carminis in der Deutschen Sprache sich besser zu der Musik schicke als ein Madrigal"; „daß, wenn feine ingenia sich in den Madrigalen üben wolten, die Musik dadurch umb ein großes befördert werden solte" u. a.
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S. 162. Diese v o r l ä u f i g e D e f i n i t i o n lautet: „So ist demnach ein Madrigal bey den Italianern ein kurtzes Gedicht, darinnen sie ohne einige gewisse mensur der Reime etwas scharfsinnig fassen und gemeiniglich dem Leser ferner nachzudencken an die Hand geben" (Ziegler S. 2). S. 163.
E i n s c h r ä n k u n g des deutschsprachlichen K u l t u s ' . — Nachdem Ziegler schon eingangs von „den recht Deutschgesinnten . . d i e da verstehen, worinnen die Majestät der Deutschen Sprache beruhet" (S. 2), hat Rat u. Kritik annehmen wollen, hält er angesichts der vorherrschenden kulturpatriotischen Leitidee doch noch die Entschuldigung für erforderlich: „Verzeihe mir, günstiger Leser, ich kan meine Muttersprache höher nicht rühmen, alß Ich an Ihr Ruhms würdig finde. Es ist mir nicht unbekant, was vor große Worte andere davon führen, aber ich sorge, es werden die Poitzen offtermals zu weit geschossen" (S. 8). Was hier als kritische Besinnung anmuten könnte und möchte, erweist sich im Gesamt d. Abhandlung jedoch als mangelndes Vertrauen zu und als mangelndes Vertrautsein mit der deutschen Sprache, der von Ziegler nur Nebenstunden gewidmet werden.
S. 165.
„ M a d r i g a l " masculinum a. a. O., S. 10, 13, 17.
S. 165.
„ S t y l u s r e c i t a t i v u s " . — Ziegler vergleicht „besagten Stylum recitativum, wie ihn die Italianer in der Poesie zu ihren Singe/Comedien gebrauchen", mit einem „stets werenden (währenden) Madrigal", einem ausgeweiteten Madrigalstil. Er überträgt das Fachwort v. d. Musik her, aber nicht ohne Abstufung, vielmehr: „Den Stylum recitativum nenne Ich hier die Art der Verse oder des Poematis, welche sich zu der Componisten Stylo recitativo schicken" und besonders eignen (S. 17/8). Der Madrigaldichter darf den Komponisten nicht mechanisch streng binden, sondern muß ihm durch Akzentverteilung und Abwechslung von „stärcke oder schwäche" entgegenkommen. Ziegler nähert sich auch hier flüchtig dem Problem des Rhythmischen.
S. 166. V e r w a n d t s c h a f t mit d. Epigramm. — Th. Erb.: Die Pointe in Epigramm, Fabel, Verserzählung und Lyrik von Barock und Aufklärung, Diss. Bonn 1928
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(Teildruck d. Arbeit: Die Pointe i. d. Dichtung des Barocks u. der Aufklärung; da d. Teildruck die Berücksichtigung d. Theorie enthält, genügt er f. unsere Zwecke), S. 3 bringt die für ihr Thema bes. in Betracht kommende Stelle hinsichtlich d. Madrigals als Beleg f. d. Neigung d. Madrigals u. d. Sonetts zur Pointenbildung. Für d. Theorie d. Sonetts verweist sie auf die Forderung Menckes in dessen „Unterredung v. d. deutschen Poesie", die hier ergänzend mitgeteilt sein mag: „Billig solten die drey letzten Zeilen einen ingenieusen Schluß in sich begrdffen"; Mencke liegt jedoch zeitlich wesentlich später (1710), was nicht hinreichend klar wird, da Th. Erb Zieglers Erstausgabe v. 1653 nicht nennt. Die früheren Stufen d. Madrigals in ihrem Verhältnis zum Epigramm kennzeichnet E. Dahmen: Die Wandlungen d. weltl. dt. Liedstils (1934), S. 67 so, daß ζ. B. die bei Hassler „gelegentlich" beobachtbare Neigung zu einer „epigrammatischen Formung und Zuspitzung" der Madrigalform bei Scheins Madrigalen „fast ganz" zurücktrete. S. 166. Betreffend Silbenzahl bemerkt E.Dahmen a.a.O. (1934) für d. Madrigalstil Hans Leo Hasslers (Ende d. 16. Jh.s) : „Die Hälfte der Madrigale begegnet in rein italienischen Maßen, in Sieben- und Elfsilbern" (a. a. O., S. 61). Auch in diesem Betracht lagen also für Ziegler die Vorformen bereit. A. Gtyphius S. 168. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Urausgabe „Andreae Gryphii Deutscher Gedichte / Erster Theil Breßlaw 1657" (dort Leo Armenius; Catharina von Georgien; Carolus Stuardus, keine Vorrede; Cardenio vnd Celinde, längere Vorrede), angehängt wurden „Andreae Gryphii Oden" und unter dem Sondertitel „Thränen über das Leiden Jesu Christi" das „Vierdte Buch" der Oden (mit längerer Vorrede). — An der H. Palmschen Gesamtausgabe (Stuttg. Lit. Ver. Nr. 138, 162, 171, 1882 bis 1884) wird vielfach Kritik geübt, neuerdings auch v. W. Flemming u. G. Fricke. Die Vorrede zu „Cardenio u. Celinde" ist begrüßenswerter Weise aufgenommen in W. Flemming: Das schlesische Kunstdrama (Dt. Lit., Reihe Barock-Drama, I S. 75/6) ; allerdings nur als Teilabdruck. — Die Vor-
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rede zur „Catharina von Georgien" ist im Abdruck nach der Ausgabe von 1663 zugänglich gemacht d. W. F l e m ming i. d. Ndr. dt. Lit. d. 16. u. 17. Jh.s (Nr. 261/2), Halle 1928. W. H a r r i n g : A. Gryphius u. d. Drama der Jesuiten, Halle 1907 (HeermanaV). — W. F l e m m i n g : A. Gryphius u. d. Bühne, Halle 1921. — W. S c h i e c k : Studien zur Lebensanschauung d. A. Gryphius, Diss. Greifswald 1924. — F. G u n d o l f :A. Gryphius, Heidelberg 1927. — W. J o c k i s c h : A. Gryphius u. d. lit. Barock, Berlin 1930, Germ. Studien 8 9 . — W . F l e m m i n g : Einleitung z. ,,Schlesischen Kunstdrama" (1930, s. o.). — A. S t r u t z : A. Gryphius, d. Weltanschauung eines dt. Barockdichters, Horgen-Zürich 1931. — G . L a z a r u s : Die künstlerische Behandlung d. Sprache b. A. Gryphius, Diss. Hamburg 1933. — G. F r i c k e : Die Bildlichkeit i. d. Dichtung d. A. Gryphius (1933, s. o.). — W. M a w i c k : Der anthropologische u. soziologische Gehalt in Gryphius' Staatstragödie „Leo Armenius", Diss. Münster 1935. S. 170.
W. F l e m m i n g : Einführung z. „Das schlesische Kunstdrama" (1930), S. 37.
S. 170.
G. F r i c k e : Die Bildlichkeit i. d. Dichtung d. A. Gryphius (1933).
S. 172.
A m p h i t r u o . — M. D. Omeis glaubt ζ. B. im Fall d. „Amphitruo" auf d. Widerspruch v. Theorie u. Praxis d. Alten hinweisen zu sollen; „Gründliche Anleitung z. Teutschen accuraten Reim- u. Dichtkunst" (1704).
S. 173.
G. A. B ü r g e r s Rechtfertigung des Gespenstischen i. d. Aufsatz „Zur Beherzigung an die Philosophunculos" i. d. Nachlaßfragmenten „Von der Popularität der Poesie" (entstanden 1778 f.), Werke III S. 15.
Lohenstein
S. 176.
Die Belegstellen beziehen sich hinsichtlich der Dramenvorreden und Inhaltsangaben auf die Ausgabe der Cleop a t r a „Breßlau 1665"; des I b r a h i m S u l t a n (Zuschrift) „Franckfurt und Leipzig 1679"; des I b r a h i m B a s s a (Widmung u. Vorrede) „Breßlau 1709".
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S. 178.
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Moralischer A u s g l e i c h s w e r t d. „ R e y e n " . — 0. Muris: Dramat. Technik u. Sprache i. den Trauerspielen D. C. v. Lohenstein, ein Beitrag zur Charakteristik des Renaissancedramas im 17. Jh., Diss. Greifswald 1911, dort über d. Chöre u. Reihen S. 83—95, Gegenüberstellung mit Gryphius S. 85. — Für Gryphius vgl. H . S t e i n b e r g : Die Reyen i. d. Trauerspielen des A. Gryphius, Diss. Göttingen 1914. — Uber die ethische Ausgleichsfunktion der Reihen im Rahmen der Gesamthaltung M.-O. K a t z : Zur Weltanschauung D. C. v. Lohenstein, Studien z. dt. Barockliteratur, Diss. Breslau 1933, S. 15—18. — E. Beheim - S c h w a r z b a c h : Dramenformen des Barocks, Diss. Jena 1931 geht u. a. auf die Funktion der ..Reyen" b. Joh. Christian Hallmann ein. — Zur Stilgestaltung W . M a r t i n : Der Stil 1. d. Dramen Lohensteins, Diss. Leipzig 1927. — Wie stark der moralische Ausgleichswert sich vordrängt, wird ablesbar an dem gelegentlichen Zuspitzen der Folgerungen in Sonderarbeiten, so etwa bei B. K â m i l : Die Türken i. d. dt. Literatur u. d. Sultansgestalten i. d. Türkendramen Lohensteins, Diss. Kiel 1935, der „Tugend u. Vernunft" als beherrschende ( !) Kräfte f. d. 17. Jh. in Anspruch nimmt.
S. 178/9. Historisch belehrender A u s g l e i c h s w e r t . — Eine verhältnismäßig leicht zugängliche Vorstellung von diesen breitausladenden Dramenanmerkungen vermittelt d. Neudruck von Lohensteins C l e o p a t r a (nach d. Ausgabe v. 1680) i. d. Dt. Nat.-Lit., Bd. 36 („Zweite schlesische Schule I"), hrsg. v. F. Bobertag, der die „Anmerckungen" abdruckt (S. 288—333). S. 180. Arminius-Roman. — L. L a p o r t e : Lohensteins „Arminius", ein Dokument d. dt. Literaturbarocks, Germ. Studien 48, Berlin 1927. S. 181.
Vorr. z. d. „Blumen". — Die Belegstellen beziehen sich auf d. Ausgabe „Breßlau 1708."
Hofmannewaldau S. 182. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Ausg., Breslau 1689 f. d. Gesamtvorrede „An den geneigten Leser"; f. d. Sondervorrede „Geneigter Leser" (bzw. „An den Leser") zu den „Helden-Briefen" auf d, Ausg., Leipzig u. Breslau 1686.
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J. E t t l i n g e r : Hofmannswaldau, Diss. Heidelberg 1891. — C. B r o s s m a n n : Hofmann v. Hofmannswaldau, Progr. Liegnitz 1910. — W. S c h u s t e r : Metrische Untersuchungen z. Chr. Η. v. Hofmannswaldau, Diss. Kiel 1913. — Fr. M a y e r : Chr. Hofmann v. Hofmannswaldau u. d. franz. Lit., Diss. München (Masch.) 1923. — R. I b e l : Η. v. Hofmannswaldau, Berlin 1928. S. 183.
„ B e l u s t i g u n g , V e r g n ü g u n g " . — Wie hier zu Beginn d. Gesamtvorrede bekennt Hofmannswaldau gegen Schluß noch einmal ausdrücklich, ,,zu Vergnügung meiner Landsleute" schaffen zu wollen.
S. 184.
B o r i n s k i : Poetik d. Renaissance, S. 368.
S. 184.
,,Αη den Leser". — Die Überschrift lautet zwar „Geneigte? Leser", die einzelnen Seiten jedoch tragen d. Kennwort „An den Leser", das geeigneter erscheint, diese Sondervorrede z. d. „Helden-Briefen" von d. Gesamtvorrede („An den geneigten Leser") deutlich abzuheben.
S. 186.
„ e t w a s neues und u n g e m e i n e s " . —· Dieser Drang nach dem Neuartigen u. Außergewöhnlichen entspricht noch durchaus d. Grundanschauung Marinos: „Die Art zu dichten, die unserem Jahrhundert erst gefällt, muß so sein, daß sie die Ohren der Leser mit allem Reiz der Neuigkeit kitzelt", zitiert nach d. Übersetzung, die vermittelt wird aus d. Briefausgabe Epistolario durch W. K r a u ss: Marino, Dichter und Gestalt, GRM. X X I I (1934), S. 239—248, a. a. O., S. 240. — Unter Abhebung von Tommaso Stigliani (wie auch von Bembo) tritt Marino für das ein, was dem miterlebenden Leser seiner Gegenwart gefällt, also neuartig sein muß. — Die Gesamtvorrede Hofmannswaldaus nennt Marinos „Adone" noch in allen Ehren neben Guarinis „Hirten-Spielen". Wenn er B. Guarinis „Pastor fido" als dem „Getreuen Schäfer" noch im Schlußteil d. Gesamtvorr. ein eignes Denkmal d. dauernden Ruhms setzt („noch eben den Ruhm . . . unverruckt erhalten"), so darf mit Borinski (a. a. O., S. 368) auf ein bewußt betontes Beharren Hofmannswaldaus gegenüber kritischen Angriffen auf d. Schäferpoesie geschlossen werden. Zugleich aber ist zu berücksichtigen, daß diese Ehrenrettung Guarinis
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erst im speziellen Teil d. Gesamtvorr. erfolgt, wo es gilt, in eigener Sache d. Übersetzung d. „Getreuen Schäfers" zu rechtfertigen, so daß die werbende Haltung die wertende Haltung mit beeinflußt. Dagegen spricht d. Anerkennung Malherbes als des besten Franzosen i. allg. Teil d. Gesamtvorr. offenbar eine reine Wertung aus; ebenso wird Chapelain achtungsvoll genannt. Corneille wird mit dem „Cid" erwähnt, jedoch als Beispiel für franz. Lässigkeiten i. metrischen Bereich. S. 187. Zurückgreifen auf die Alten. — Daß jedoch eine sklavische Nachahmung d. Alten — wie angedeutet — nicht mehr als erwünscht galt, wird ablesbar von der an Ronsard geübten Kritik, wonach Ronsard „meiner Meynung nach den Griechischen und Lateinischen Poeten . . . fast gar zu knechtisch angehangen" habe. (Gesamtvorrede). Lauremberg S. 190.
Logau S.191.
Scherzgedichte, hrsg. v. J. M. Lappenberg, Stuttgart 1861 (L.V. St. 58) u. W. Braunes Neudr. 16/7, Halle 1879.—Fr.Latendorf:Zu Laurembergs Scherzgedichten, Rostock 1875. —H. Weimer : Laurembergs Scherzgedichte, die Art u. d. Zeit ihrer Entstehung, Jahrb. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung 25.
Sämtl. Sinngedichte hrsg. v. G. E i t n e r , Bibliothek des Lit. Vereins i. Stuttgart 113 (1872). — H . D e n k e r : Ein Beitrag z. lit. Würdigung Fr. v. Logaus, Diss. Göttingen 1899. — P. Hempel: Die Kunst Fr. v. Logaus, Berlin 1917 (Palaestra 130). — J . B a u m e i s t e r : Der Gedankengehalt d. Epigramme Friedrichs von Logau, Diss. Erlangen (Masch.) 1922.
Moecherosch S. 192. Neben der Teilausgabe Bobertags in Kürschners Nat. Lit., Bd. 32 sind Ausgaben von Buch I (1650) und Buch II (1665) in reichen Belegstellen ausgewertet worden bei E . V o g t : Die gegenhöfische Strömung i. d. dt. Barockliteratur, Diss. Gießen, gedr. Leipzig 1931. — L. P f e i l s Diss, über: Gottfried Wilh. Sacers „Reime dich, oder ich fresse dich", Heidelberg 1914, zitiert d. Ausgabe v. 1642
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ANMERKUNGEN
(I. Teil) u. 1643 (II. Teil). — Als „ein kräftiges Werk des Protests gegen die höfisch-klerikal bestimmte Barockidee" hat scfyon G. Müller: Deutsche Dichtung von d. Renaissance b. z. Ausgang d. Barock (1927) Moscheroscns „Gesichte" gekennzeichnet, a. a. O., S. 212. W. Hinze: Moscherosch u. s. dt. Vorbilder i. d. Satire, Diss. Rostock 1903. — Joh. Beinert: Deutsche Quellen u. Vorbilder zu J. M. Moscheroschs Gesichten Philanders v. Sittewald, Diss. Freiburg 1904. — M. Schmidt: Die unechten Gesichte Ph. ν. Sittewald, Diss. Berlin (Masch.) 1925. — J. Cellarius: Die polit. Anschauungen J. M. Moscheroschs, Diss. Frankfurt (Masch.) 1925. S. 194. Valentin Andreä. — K. Borinski, a. a. O., S. 292 ironisiert zwar diese Haltung („tat sich in der geistlichen Kurzweil, 1619, etwas darauf zu gute"), bringt aber doch Andreäs Stolz dariiber, daß er „ohn Kunst, ohn Müh, ohn Fleiß dichte". — Dieses Zeugnis liegt vor Opitz' Poetik. — Joh. G. Herder: Sämtl. Werke, hrsg. v. B. Suphan XVI. — W. Hoßbach: J. V. Andreä u. s. Zeitalter, Berlin 1819. — W. Begemann: Die Fruchtbringende Gesellschaft u. J. V. Andreä, Berlin 1911. — H. Rehm: Joh. Val. Andreä, Mschr. Württemberg 1929, S. 532 f. Schupp S. 194. Streitschriften, hrsg. v. C. Vogt, Halle 1910/11. — „Ineptus Orator", Marburg 1642 (3. Aufl.) ; B. Schuppii Schriften, Hanau 1663. — J. Lühmann: Joh.B. Schupp, Marburg 1907. — C. Vogt: Joh. Balth. Schupp, Euph. XVI, XVII, XVIII, XXI. — Auseinandersetzung Vogts m. 0. Lerche, Euph. XVIII, XIX. — L. Pfeil: G. W. Sacers „Reime dich...", (Diss. Heidelberg 1914), passim. S. 196. Tierfabel. — M. Staege: Die Geschichte d. dt. Fabeltheorie, Diss. Basel, gedr. Bern 1929, S. 17, erwähnt auch Schupps „Abgenötigte Ehrenrettung" (neben dem „Ineptus Orator") und die Verteidigung durch Schupps Sohn Anton Meno im „Fabul-Hanss". S. 196. Homer-Verständnis. —C. Vogt: Joh. Balth. Schupp, Euph. XVI, S. 688, dazu d. Kritik L.Pfeils: G.W. Sacers „Reime dich . . . " (1914), Anm. S. 93.
ANMERKUNGEN
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Rachel S. 197.
„SatyrischeGedichte", hrsg.v.K.Drescher,W.Braunes Neudrucke 200—202, Halle 1903, S. 104—124. — „Der Freund" u. „Der Poet", hrsg. v. A. L i n d q v i s t , Lund 1920. — B. Berends: Zu den Satiren des J.Rachel, Diss. Leipzig 1897.
S. 197.
R a c h e l - Z i t a t e in Gottscheds „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen", Leipzig 1730, S. 86, 90, 94,98 (längere Stellen aus Rachels Satire „Der Poet"). — Während so Rachel von Gottsched als Gewährsmann herangezogen wurde, beruft er sich selbst auf Opitz, Buchner, Fleming, Tscherning („höchster Freundt"), auf Horaz, Heinsius u. Ronsard.
S. 197/8. Anschauungen d. Zeitpoetik begegnen weiterhin in Rachels Abwehr der hastigen Arbeit („die alles ohn bedacht fort in das Buch hinschmieren") u. dem Hinweis auf gründliche Dauerarbeit (S. i n , 115), in der Abwehr der auftragsmäßigen Gelegenheitsdichtung (S. 109/10), in der Auffassung, daß im V e r h ä l t n i s von B e r u f s t ä t i g k e i t und D i c h t k u n s t dem Dichter nur Nebenstunden eingeräumt werden sollten: „Nach abgelegter Pflicht so mag er sich ergetzen / Und einen guten Verss hin zu den andern setzen" (S. 123). In diesem Zusammenhange wird in längerer Polemik bes. auch die Frauendichtung abgelehnt als Ablenkung von häuslichen Pflichten (S. i n — 1 1 3 ) . Der Zweck der Poesie liegt in „guter Lust" und „guter Lehr" der „Verständigen"; aber auch in Gottesverehrung („Gott zu seiner Ehr", S. 123). Echte Poeten sind selten (S. 114), der Dichter ist gesinnungsmäßig v e r a n t w o r t l i c h : „dieSchriften seind fürwar Gezeugen unsrer Hertzen" (S. 112). Sacer S. 199. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe, deren voller Titel hier stehen mag: „Nützliche Erinnerungen wegen der Deutschen Poeterey / Kurtz, doch deutlich zusammen getragen und denen Liebhabern der ädeln unverfälschten Dichte-Kunst zu Gefallen herausgegeben von Gottfried-Wilhelm Sacer von Naumburg aus Meißen", Alten-Stettin 1661. — Die Sacerschen „Erinnerungen" sind also nicht nur für Schüler und die studierende
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ANMERKUNGEN
Jugend verfaßt worden, sondern ausdrücklich für „Liebhaber" der Dichtkunst bestimmt. S. 199.
U m s t r i t t e n e s G e l t u n g s a n r e c h t . — Die Bedeutung bzw. der Grad des Vorwärtsweisenden in Sacers Poetik hat zu recht uneinheitlichen wissenschaftlichen Beurteilungen (ζ. B. bei Gervinus, Borinski, M. von Waldberg) Anlaß gegeben. Im einzelnen kann auf diese Schwankungen in der Bewertung der kunsttheoretischen Leistimg Sacers nicht näher eingegangen werden. Erwähnt sei nur, daß Borinski in schroffer Weise die von Gervinus in dessen Literaturgeschichte erstmalig angestrebte wohlwollende Würdigung zurückweist (Borinski, S. 298/9), während M. v. Waldberg etwa die Gervinuslinie wieder aufgreift. Borinski ist insofern zur Abwehr berechtigt, als fraglos der Dünkel des Gelehrten bzw. des Vertreters der Gelehrtendichtung Sacer nicht zum wenigsten seine — aller Volkskunst gegenüber völlig verständnislose — Satire diktiert hat. Die Pritschmeister-Polemik mit ihrem billigen Vorstoß bekämpft letzten Endes doch nur die Reimschmiede, während die barocke Lehrpoetik gerade den Stützpunkt abgibt. Auch darf die grundsätzliche Wendung gegen alle ungelehrte und naive Volkskunst nicht übersehen werden. Sacer hat schwerlich daran gedacht, die AnweisungsPoetik bewußt aufzulockern oder gar über den Umweg der Satire zu reformieren. Damit würde er ja seine eigenen „Nützlichen Erinnerungen" getroffen haben, von denen in Wirklichkeit ganz im Gegenteil manche Ansichten ohne weiteres auch in die Satire „Reime dich, oder ich fresse dich" herübergenommen werden.
S. 201.
Uber F i s c h a r t s N a c h w i r k u n g im allgemeinen vgl. H. A. Bob: Fischarts Nachleben i. d. deutschen Literatur, Diss. Straßburg 1915. — Barocke Stilmerkmale bei Fischart sucht, wenngleich mit kritischen Einschränkungen, nachzuweisen E. Goldemann: Barockstil bei Fischart, Diss. Tübingen, gedr. Zeulenroda 1934. In teils polemischer Auseinandersetzung mit F r i t z S t r i c h : Der lyrische Stil des 17. Jahrhunderts (Muncker-Festschrift, München 1916), ζ. B. hinsichtlich der Wesensart und angeblichen Wesenswandlung des Wortspiels (nicht nur „grotesk" bei Fischart, nicht nur ernsthaft im 17. Jh.), werden auch die Schlagwörter Strichs kritisch
ANMERKUNGEN
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gestreift. — Gegen Fr. Strich wendet sich weiterhin die Sonderuntersuchung H. P y r i t z : Paul Flemings deutsche Liebeslyrik, Leipzig 1932 ( = Palaestra 180), S. 209. Beide fordern — besonders betont H. Pyritz — ein verfeinertes Abstufen und behutsameres Aufspüren wirklich barocker Merkmale unter Ablehnung der wissenschaftlich nicht brauchbaren „barocken" Schlagwort-Vergröberungen. S. 207.
Sacers S t e l l u n g z. d. P r i t s c h m e i s t e r n , vgl. K. B a c h l e r : Wolfgang Ferber der Ältere (1586—1657) und seine Stellung in der deutschen Literaturentwicklung, Diss. Breslau 1930.
J. L. Prasch S. 208. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe mit der Verlagsbemerkung „Regenspurg, gedruckt u. verlegt durch Paulus Dalnsteinern 1680", von der nur noch verhältnismäßig wenige Exemplare vorhanden sind. In einem Band vereinigt mit der „Gründlichen Anzeige" war (in dem mir zugänglichen Exemplar) Joh. Belline „Hochdeudsche Rechtschreibung, darinnen die ins gemein gebräuchliche Schreibart und derselben in vilen stükken grundrichtige Verbäserung unvorgreiflich gezeiget würd" (Lübeck 1657), was Erwähnung verdient, weil man Joh. Bellins Arbeit — wie überhaupt mehrfach rein sprachwissenschaftliche Werke — immer noch unter den Poetiken verzeichnet findet. S. 213.
Zur E r w ä h n u n g des W o r t e s „ G e s c h m a c k " im metaphorischen Sinne, die sprachgeschichtlich und kunsttheoretisch zugleich beachtlich erscheint, sei ein Einblick in den Stellenumkreis geboten: „Also ist es recht im Jambischen: 'Bistu der Mann / Der alles kan?' Setze dafür im Trochaischen (wie ich dann gesehen, daß aus Jambischen Trochaica und wiederum [umgekehrt] gemachet worden, aber fast unglücklich) setze demnach : 'Bistu wol der Mann / Der es alles kan ?'. So ist des Verses gantze Krafft dahin. Woraus genugsamlich zu spühren, wieviel an diser Erinnerung gelegen sey, weil dadurch der Wortverstand gewiß durchdringend voll und deutlich wird, und das metram ungebrochen dahin fleust. O, es ist viel ein anderer Geschmack, wann ein Vers (geschweige dann ein gantzes Gedicht) sich
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ANMERKUNGEN
diser Lehre hält (sie!); welches durch geringe Übung, nach Anweisung der Natur selbst, leicht erhalten wird; ohne daß ich es allhie / weil es noch nicht genugsamlich bekant schiene / mit mehrern ausstreichen wollen. Wie trefflich und nothwendig die Pronuntiatio legitima in der Redkunst sey, auch wie die Stimme allenthalben zu führen, erscheinet klärlich aus Quinctiliano, Inst. Or. I. II. c. 3., welches sich zum theil hieher wol schicket", — Über die Einwirkung Quintilians vgl. auch M. W y d i g r a m : Quintilian i. d. deutschen u. franz. Lit. d. Barock u. d. Aufklärung, Langensalza 1921. S. 213.
S. E. P r a s c h . — E i n f l u ß v o n F r a n k r e i c h . — M. L. W o l f f : Geschichte d. Romantheorie (1915), S. 70. — P. D. Hu et : „Traité de l'origine des Romans", Paris 1670. — S c u d é r y : „De la manière d'inventer une fable", Amsterdam 1682.
S. 214.
T e i l k r ä f t e d. g a l a n t - c u r i ö s e n Ü b e r g a n g s z e i t . — Nicht ganz zufällig spricht noch M. D. Omeis mit Bezug auf jene Reflexionen von dem „galanten Tractätlein", vgl. B o r i n s k i , a. a. O., S. 350/1.
Α. ν. Ziglef S. 215. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Neudruck der „Asiatischen Banise" auf Grund der (3.) Ausgabe von 1707, veranstaltet d. F. Bobertag i. d. Dt. Nat. Lit. Bd. 37 („Zweite Schles. Schule" II), Vorrede z. Banise, a. a. O., S. 7—9. M. P i s t o r i u s : H. Anshelm von Ziegler u. Kliphausen, sein Leben u. seine Werke, Diss. Jena 1928. S. 215.
Stielet S. 216.
S t i l h ö h e . — E. S c h ö n : Der Stil von Zieglers „Asiatischer Banise", Diss. Greifswald 1933 geht kurz auf das Wahrheitskriterium u. d. Bedeutungsgeltung v. „historisch" ein. Doch ist d. Vorrede zur „Aramena" kaum Anton Ulrich selbst, sondern wahrscheinlich Birken zuzuschreiben. Danach wäre E . Schön (S. 2) zu berichtigen.
Grundlegend der Akademiebericht von Joh. B o l t e : Eine ungedruckte Poetik Kaspar Stielers, in : Sitzungsberichte d. Preuß. Akademie d. Wiss. (Berlin), Jg. 1926, S. 97— 122. —Der dort dankenswerterweise erfolgte Teilabdruck
ANMERKUNGEN
401
wurde für die Belegstellen herangezogen, die dementsprechend der Verszählung Boites folgen und damit auch der von Bolte vorgenommenen Korrektur gegenüber der Verszählung bei C.Höf er: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665—67 und ihre Dichter, Leipzig 1904. Eine Beschreibung der Handschrift gibt J . Bolte a.a.O., S. 98 Anm. 2. — In der Königl. Bibliothek zu Kopenhagen hat J . Bolte die Handschrift etwa vier Jahrzehnte vor der Drucklegung aufgefunden. Ein früherer Hinweis Boites veranlaßte bereits 1893 Edward Schröder, die verschollene Poetik im Artikel ,,Stieler" in der A. D. B . X X X V I zu erwähnen. Ein tieferer Einblick ist aber trotz C. Höfers Bemühungen doch erst durch Boites mit Erläuterungen umrahmten Teilabdruck von 1926 möglich geworden. C. Höfer hat die „Geharnschte Venus" München 1925 herausgegeben, vgl. dazu A . K ö s t e r : Der Dichter der Geharnschten Venus, Marburg 1897. — Teils veraltet: Rudolphi : Kaspar Stieler der Spate, ein Lebensbild aus dem 17. Jahrhundert, Progr. Erfurt 1872. S. 217.
H. Cysarz: Deutsche Barockdichtung, Leipzig 1924, S. 147. — In willkürlicher Einseitigkeit hebt Cysarz nur diese Einzelstelle hervor, ohne auf die damals doch schon vorliegenden Bemühungen C. Höfers einzugehen. Überhaupt weicht Cysarz in seiner Barockdarstellung einer Auseinandersetzung mit der Barockpoetik aus; wenig üb. Poetik auch b. P. H a n k a m e r (1935).
S. 224.
Obgleich das Lustspiel nicht „niedrig noch gemein" wirken soll, wird der Redeweise des Lustspiels, das an sich „sonder Pracht" sein muß, zugestanden, daß sie zuweilen „halbprächtig in die Höh' steigen" dürfe (V. 934/5), so daß bereits innerhalb der eigentlichen Lustspielgattung Ansätze zum „Heldenspiel" gegeben sind.
Marhof S. 227. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Urausgabe, Kiel 1682. — Zur Vervollständigung d. „Anhanges" z. d. Diss, von M. Kern (s. u.) mag erwähnt werden (als Ergänzung z. M. Kern, S. 95), daß sich ein Exemplar d. Ausg. v. 1682 auch i. d. Univ.-Bibl. Greifswald befindet. Lat. Selbstbiographie D. G. Morhofii Vita in D. G. Morhofii Dissertationes, Hamburg 1699. — R. Treitschke: 36 M arkwardt, PoetiL ι
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ANMERKUNGEN
Über Daniel Morhof u. s. Unterricht v. d. dt. Sprache u. Poesie, Lit.-hist. Taschenbuch, hrsg. v. R. E. Prutz, V I (1848), S.439ff. — H. R a t jen: D. G. Morhof, Jbb. f. d. Landeskunde d. Herzogtümer Schleswig, Holstein u. Lauenburg, Kiel 1858, Bd. I, 3, S. 18ff. — M. Kern: Daniel Georg Morhof, Diss. Freiburg i. B., gedr. LandauPfalz 1928, dort weitere Literatur, z.B. Morhof-Abschnitte i. d. Gelehrten-Lex. (Zedier, Jöcher, Jördens u. a.), Joh. Moller De Vita, mentis, scriptis D. G. Morhofii mentatio in Cimbria Litterata III (postum 1744). S. 227.
Joh. Christoph Wagenseils Buch von der MeisterSinger holdseligen Kunst (1697), S. 452, „in dem preißwürdigsten Unterricht von der Teutschen Sprach und Poësie"; dort wird der Verf. d. „Unterrichts" als der „vielbelesene Herr Georg Daniel Morhof" gerühmt.
S. 227.
Versuch in kritischer Literaturgeschichte. — S. v. Lempicki: Geschichte d. dt. Literaturwissenschaft I, Göttingen 1920, S. 166/7.
S. 227.
Frühe Ansätze. — Die Rede des Rostocker Professors De genio et spiritu poetico (1660) blieb ungedruckt; die Disputation De ënthusiasmo seu furore poetico (1661) blieb Bruchstück.
S. 228.
Abwehr der E i n s e i t i g k e i t Weises (Prosakonstruktion). — „Unterricht...", S. 513—15. — Wenn M. Kern: D. G. Morhof (1928), S. 77 meint, daß Morhof „am meisten" von Chr. Weise beeinflußt worden wäre, so trifft diese Ansicht nur recht bedingt zu.
S. 230.
Verhältnis v. Formungskriterium u. I n h a l t s kriterium. — Bei der rechten Einschätzung dieses Verhältnisses i. Allgemeinen durch Morhof bleibt indessen zu berücksichtigen, daß Morhof seine verhältnismäßig sparsamen Ausführungen über die „Erfindung", die von Rotth überboten werden, damit begründet, daß er ein lateinisches Werk darüber herauszubringen beabsichtige (Cap. XIII „Von den Erfindungen"). Wied«· wild dergestalt deutlich, daß das Hindrängen auf eine deutschsprachliche Dichtung das Eingehen auf Formfragen bzw. diu Ubergehen oder flüchtige Streifen der Stoffragen verstärken hilft. Die kulturpolitische Leitidee wirkt also
ANMERKUNGEN
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dabei mit, nicht nur das ästhetische Vorherrschen der Gestaltung und dessen Rückwirkung auf die Theorie. S. 231.
S t e l l u n g n a h m e 2. engl. Dichtung.—Allgemeingeht Morhof im Beurteilen d. englischen Dichtung vielfach zurück auf Rapin „Réflexions sur la poétique" i. d. Übers. „Poetische Reflexionen". — Über d. Pater Rapin u. vs. Kritik am modernen Trauerspiel (Abwehr der Liebesmotive) G. H a i n l e i n : Die vorromantischen Angriffe in Frankreich auf die klassische Tragödie, Diss. Jena 1932, S. 63/4; Rapins „Oeuvres", Amsterdam 1709. — J. G. R o b e r t s o n : Studies in the genesis of romantic theorie in the eighteenth century, Cambridge 1923, passim.
S. 235.
Fremde Quellen. — Neben Ronsard u. Du Bellay, die S. 666 erwähnt werden, neben Menage, Rapin u. a. — von M. Kern näher angegebenen Quellen — kommt auch J. D r y d e n „Essay of dramatic Poesy" (1668) in Betracht; bei dieser Gelegenheit wird Shakespeare erwähnt, jedoch nur mittelbar und ohne eigene Kenntnis Morhofs. Über John D r y d e n s Stellung zur Antike u. Shakespeare vgl. K. B o r i n s k i : Die Antike i. Poetik . . . II (1924), S. U l f . — Die Romantheorie stützt sich auf Huet: „Essay sur l'origine des Romans" (1670) u. auf J. G. Vossius: De Philologia. Die Romantheorie im „Polyhistor" (1692) Morhofs bringt nichts wesentlich Neues.
S. 236.
H e l d e n g e d i c h t u. Roman. — Daß formungstechnisch nur der Gebrauch des Metrums den Unterschied ausmache, hebt Morhof (ähnlich wie Huet) ausdrücklich hervor (S. 691), und zwar hält er (trotz des Einwandes Rapins) d. Alexandriner f. d. Epos geeignet (S. 698). Trotzdem gilt für d. Heldengedicht hinsichtlich der Benennung d. Inhaltskriterium. Dagegen steht für die Abhebung d. Romane nur das Formungskriterium (ungeb. Rede) zur Verfügung. — Recht wenig über Morhofs Anteil an d. Romantheorie bringt E. Neust ädt er: Versuch einer Entwicklungsgeschichte d. epischen Theorie i. Deutschland (1928), S. 12—16. — Ebenfalls recht knapp, aber unter Berücksichtigung d. Quellen M. Kern, a. a. O., S. 80/1 und M . L . W o l f f : Gesch. d. Romantheorie (1915), S. 65; Wölfl sieht i. d. schwachen Abgrenzung vom Heldengedicht einen „Rückschritt gegenüber der tieferen Unterscheidung Huets".
«6*
404 S. 237.
ANMERKUNGEN
Ode. — „Solche Carmina sind bey den Griechen Oden, bey den Teutschen Lieder genant" (Morhof a. a. O., S. 701); seit Ronsard jedoch sei die Bezeichnung Ode allgemein geläufig.
S. 238 f. D r a m a . — Die Dramentheorie Morhofs findet i. d. Sonderarbeiten durchweg keine hinreichende Berücksichtigung. So behandelt z . B . G. P o p p : Über d. Begriff d. Dramas i. d. deutschen Poetiken d. 17. Jh.s (1895) nebensächliche Dramentheoretiker wie Hadewig, übergeht jedoch wesentlichere wie Neumark oder Morhof. Die neuere Arbeit von G. Brates sollte allerdings themagemäß nur die „Hauptprobleme d. dt. Barockdramaturgie" (1935) würdigen. S. 239.
E p i g r a m m . — Vgl. die Anmerkungen unter W e r n i c k e (R. Pechel, Th. Erb). — M. Kern a. a. O., S. 83 hebt hervor, daß Morhof „eine Vereinigung der Epigramme mit dem Madrigal" (Ziegler) ablehne („schärfsten Einspruch"). Derartig eindeutig wirkt indessen Morhofs Stellungnahme im Kapitel „Von den Epigrammatibus" (S. 752ff.) keineswegs; denn die Technik Kindermanns, „aus Lehmans Florilegio Politico" (Spruch- u. Sprichwortsammlung) Sprüche zu entnehmen und daraus Madrigale zu machen, wird durchaus anerkannt.
S. 239.
Ü b e r t r a g u n g d. O d e n d . H o r a z . —Diese Übertragung stammt n i c h t von Morhof, sondern von Heinrich Schaev (Schaevius), einem Gönner Morhofs aus der Stettiner Zeit, wie Morhof selbst angibt.
Rotth
S. 240.
Die Belegstellen beziehen sich auf d. Urausgabe, Leipzig 1688.
S. 240.
E n t s t e h u n g s a r t d. P o e t i k . — Es mag i. diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß selbst Morhofs berühmter „Unterricht" herausgewachsen ist aus dem von Morhof selbst bekundeten Plan, der Sammlung seiner „Teutschen Gedichte" eine Kurz-Poetik als Einleitung voranzustellen, die er „seinen Gedichten praemittieren" wollte, vgl. M. Kern, a. a. O., S. 5c. Bei Rotth handelte es sich mehr um ein Einflechten-
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ANMERKUNGEN
wollen der Anweisungsteile. Gelegenheitsmacherin war jedoch auch hier die Gedichtsammlung. S. 242.
Dramentheorie. — Eingehend berücksichtigt Rotths Dramentheorie G. B r a t e s : Hauptprobleme der deutschen Barockdramaturgie in ihrer geschichtlichen Entwicklung (1935). Doch unterschätzt Brates die Entwicklungsvorstufen. Rotths „Urheberrechte" (a. a. O., S. 35) sind entsprechend einzuschränken. Rotth zitiert Masenius z. B. S. 244/5 (Dramentheorie) ; S. 279 (epische Theorie).
S. 244.
Unterscheidung von „ ä u ß e r l i c h e r " u. „innerlicher Form". — Rotth a. a. O., S. 216 (Drama), 280 (Epik).
S. 244.
Brämers Poetik. — C. F. Brämer: „Gründliche Untersuchung von dem wahren Begriffe der Dichtkunst", Danzig 1744, § 215. — Eine nähere Würdigung Brämers erfolgt im II. Bande dieser Geschichte der Poetik.
S. 246.
Nennung der Hauptquellen. S. 244/5, 271, 279, 280 u. a.
—
Rotth
a.a.O.,
Weise
S. 249. Die Belegstellen beziehen sich auf die im Text genannte Ausgabe von 1692, deren Titelzusatz — als aufschlußreich — hier ergänzend mitgeteilt sein mag: „ . . . wie bisshero die vornehmsten Leute gethan haben, welche von der klugen Welt nicht als Poeten, sondern als polite Redner sind aestimirt worden". Eine wirklich grundlegende u. ausreichende Darstellung über Weises Kunsttheorie fehlt vorerst noch. U. W e n d l a n d : Die Theoretiker u. Theorien d. sogen, galanten Stilepoche u. die deutsche Sprache, Diss. Greifswald 1930, Form u. Geist XVII, der selbst Weise nur streifen kann (S. 12, 32—34), hält näheres Eingehen auf Weises Anschauungen für erwünscht (S. 33 Anm. 45). Bei Wendland einige Literaturverweise. — Weitere Literaturangaben vor allem bei H. H a x e l : Studien zu den Lustspielen Chr. Weises, ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Schuldramas, Stettin 1932; f. d. Kunsttheoretiker u. Programmatiker Weise kommt innerhalb der themagemäß anders ausgerichteten
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ANMERKUNGEN Arbeit Haxels am ehesten noch in Frage das „Die Satire" überschriebene Kapitel (a. a. O., S. 72f.). — Von der theatergeschichtlichen Seite her W.Eggert: Chr. Weise und seine Bühne, Berlin u. Leipzig 1935 (Germanisch u. Deutsch IX), recht eingehend. In Betracht kommt bes. d. Abschnitt über „Weises Theorie vom Theater" (S.48—54) sowie der Schlußabschnitt „Weises Bühne als Ideal seiner pädagogischen Grundsätze" (S. 344—355). Seiner Themastellung entsprechend beschränkt sich Eggert jedoch im Wesentlichen auf ein Einbeziehen der theatralischen, bühnenmäßigen Dramaturgie. Eine dankenswerte Aufstellung der zahlreichen Werke Chr. Weises bringt W. Eggert am Eingang seiner Arbeit von 1935 (S. 1—20).
S. 249. „Dienerin der Beredsamkeit." — In diese untergeordnete Stellung des „Neben-Werkes" wird die Dichtkunst gerückt, bes. a. a. Ο., II S. 16 u. 55, eine Umwertung und relative Wertbeengung, die lange im Weiseanismus nachwirkt und hinüberwirkt bis in den vorgottschedischen Raum, ja bis zu Gottsched selbst und in Nebenwerken rückständiger Poetik noch darüber hinaus. — An sich hatte die Fühlung mit d. Rhetorik auch i. d. Barockpoetik bestanden; aber die Rhetorik des Barock wurde anders gesehen und erlebt als die frühaufklärerische Beredsamkeit. Gewisse Übergänge beobachtet P.Böckmann a.a.O., S. 67! an Weises „Curiösen Gedanken von der Imitation" (1698), am „Politischen Redner" (1677) und „Gelehrten Redner" (1692). Indessen erweist Böckmanns Gegenüberstellung („Rhetorik" für den Barock, „Witz" für die Frühaufklärung) gerade bei Weise ihre allzu starke Vereinfachung. S. 250. Harsdorf fer. — Das hier gemeinte, v. Harsdörffer verworfene Beispiel findet sich im Trichter I S. 12. S. 250/1. Konstruktions - Gesetze. — Für die herangezogenen Belege vgl. a.a.O., I S. 141 (Kerndefinition); I S. I i (normale Wortfolge); I S. 174 (Überlegenheit d. zwanglosen Konstruktion) ; I S. 126 (kulturpatriotische Ausrichtung) ; vgl. auch II S. 104 (grundlegendes Kriterium). S. 251. Lizenzen vom Konstruktionsgesetz. — Weise,
ANMERKUNGEN
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a.a.O., I S. 127 (in Anlehnung an rhetor. Freiheiten); I S. 182 (in Angleichung an Frosa-Freiheiten). S. 251. Stellung zum Reim. — Beschränken des Reimzwanges zugunsten der Konstruktions-Reinheit, Weise, a. a. O., I S. 37, 49/50; II S. 29. S. 252. Ansätze zum Realismus. — Weise a. a. Ο., II S. 31, 37 u. a. S. 253. Abwehr des Meistergesanges II S. 25. S. 254. Begabungsbewertung. — Weise II S. 19 (Vorsprung) ; 24. 2 9. 35 („raptus") ; 34 (etwa Konzeption) ; 108 („ingenium"). S. 255. „Von Verfertigung d. K o m ö d i e n . . — Die Belegstellen beziehen sich im Folgenden auf den Neudruck: Aus der Frühzeit d. dt. Aufklärung, Dt. Lit. (1928), hrsg. v. F. Brüggemann. S. 257. „Nothwendige Gedancken". — Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe von 1675. S. 258. W. Eggert: Christian Weise u. s. Bühne, Berlin u. Leipzig 1935 (s. 0.). — H. Haxel: Studien z. d. Lustspielen Chr. Weises, Diss. Greifswald, gedr. Stettin 1932. B. Neukirch S. 258. Die Belegstellen beziehen sich auf die i. Text erwähnte Ausgabe d. Anthologie. Die „Vorrede von der deutschen poesie" ist datiert 1725. W. Dorn: Benj. Neukirch, Berlin 1897, Lit.-hist. Forschungen, hrsg. von Schick u. v. Waldberg, IV. S. 258. Briefsteller. — A. Roseno: Die Entwicklung der Brieftheorie von 1655—1709, dargestellt an Hand d. Briefsteller v. Harsdörffer, K. Stieler, Chr. Weise u. B. Neukirch, Diss. Köln 1933. — Herangezogen wird B. Neukirchs „Anweisung zu Teutschen Briefen" bzw. d. „Unterricht von Teutschen Briefen" auch b. U. Wendland, a.a.O. (1930).
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ANMERKUNGEN
S. 259.
Ü b e r p r ü f u n g der t r i e b h a f t e n B e g a b u n g . — B. Neukirch, Vorrede, S. 21. — V o r a u s b l i c k e n a u f K a r l P h i l i p p M o r i t z . — Vgl. K. Ph. Moritz „Über die bildende Nachahmung des Schönen" (1788) u. schon vorher d. „Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissensch, unter d. Begriff des in sich selbst Vollendeten" (1785).
S. 262.
„ g a l a n t e " D i c h t u n g , mittlere Ranghöhe. — B. Neukirch, Vorrede S. 25.
S. 263.
C o r n e i l l e . — V . K l e m p e r e r : Corneille (1933).
Thomaeius S. 264. Die Belegstellen beziehen sich auf d.Neudruck:Christian Thomasius von Nachahmung der Franzosen, den A. Sauer nach den Ausgaben von 1687 u. 1701 veranstaltet hat, Dt. Lit.-Denkm. d. 18. u. 19. Jh.s 51, N. F. 1, Stuttgart 1894; für die weiter unten herangezogenen Belege aus Thomasius: „Studio der Poesie" auf den Neudruck: Aus der Frühzeit d. dt. Aufklärung, Dt. Lit. (1928); dort Einleitung v. F. B r ü g g e m a n n . — Die genauere Titelgebung lautet „Herrn Christian Thomasens . . . Höchstnöthige Cautelen, welche ein Studiosus Juris, der sich zu Erlernung der Rechts-Gelahrheit auff eine kluge und geschickte Weise vorbereiten will / zu beobachten hat, Halle im Magdeburg." 1713. Das betreffende Cap. 8 „ C a u t e l e n b e y dem S t u d i o der P o e s i e " ; auch das nächste Kapitel „Cautelen bey dem Studio der Oratorie" kommt mittelbar in Betracht, vgl. hierzu Chr. Thomasius, Leben und Lebenswerk, Abhandlungen und Aufsätze, hrsg. v. M. Fleischmann (Beiträge z. Gesch. d. Univ. Halle-Wittenberg II), Halle 1931, S. 189/90. Aus dieser Abhandlungsreihe von 1931 kommen in Betracht die Abhandlungen A . R a u s c h : Chr. Thomasius' Bedeutung f. dt. Geistesleben u. dt. Erziehung. — H. F r e y d a n k : Chr. Thomasius der Journalist. — W . B e c k e r : Thomasius-Bibliographie (Th.s Schriften). Man liest etwas überrascht bei A. Rausch, daß Thomasius „sogar schon (!) auf die altdeutsche Literatur hinweist", a . a . O . , S. 263. — L. N e i ß e r : Chr. Thomasius u. s. Beziehungen z. Pietismus, Heidelberg 1928.
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S. 264.
Der g e n a u e T i t e l des ,,Discours" findet sich im angegebenen Neudruck A. Sauers.
S. 264.
A n k ü n d i g u n g d. G r a c i a n - V o r l e s u n g . — Das Univ.-Progr., das den „Discours" enthält, kündigte an „ein Collegium über des Gratians Grund-Reguln / vernünfftig / klug und artig zu leben".
S. 264.
Hinweis auf d. F r u c h t b r i n g e n d e G e s e l l s c h . , Sauers Neudruck, S. 19.
S. 264.
G e s c h m a c k . — a. a. O., S. 10.
S. 264/5. bei esprit. — Auseinandersetzung mit Bouhours, a. a. O., S. 26 f.; vorher mehr erläuternd S. 8f. — bon goût S. 10; galant (mit Bezugnahme auf d. Scudéry) S. 10/11. — Über das Verhältnis zu Bouhours vgl. P. B ö c k m a n n : Das Formprinzip des Witzes i. d. Frühzeit d. deutschen Aufklärung, Jb. d. Freien Dt. Hochstifts, Halle 1932/3, S. 62—66. S. 265.
B e n a c h b a r u n g m. d. W e l t W e i s e s wird z. B. ablesbar in Thomasius' Schrift „Kurtzer Entwurff der politischen Klugheit, sich selbst und andere in allen menschlichen Gesellschafften wohl zu rathen und zu einer gescheidten Konduite zu gelangen", Frankfurt a. M. 1705.
Leibniz S. 266. Die Belegstellen beziehen sich hinsichtlich d. „Unvorgreifflichen Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache" auf den mit einer Untersuchung verbundenen Neudruck, hrsg. v. A. S c h m a r s o w , Quellen u. Forschungen z. Sprachu. Kulturgeschichte X X I I I , Straßburg 1877, S. 44—81. Erstmalig veröffentlicht aus Leibniz' Nachlaß v. J. G. E c c a r d 1717. — Die „Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache besser zu üben", wurde hrsg. v. K. L. Grotefend, Hannover 1846; vgl. auch Leibniz' Deutsche Schriften, hrsg. v. Guhrauer, Berlin 1838—40. — Neuere Ausgaben: G. W. Leibniz' Deutsche Schriften, hrsg. v. W. S c h m i e d - K o w a r z i k , Bd. I : Muttersprache u. völkische Gesinnung, Philos. Bibl., Bd. 161, Leipzig 1916; — eine weitere Ausgabe als Ver-
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ANMERKUNGEN
öffentlichung d. Allg. Deutschen Sprachvereins, hrsg. von P. Pietsch, Berlin 1916. S. 266. E l a s t i s c h e T a k t i k in der Gegenwehr gegen die Fremdwörter; kennzeichnend dafür neben d. Bild vom Lavieren im Sturm (Leibniz, S. 93) auch das Bild vom Damm, das das Ungeeignetsein eines starren Dammes erläutert (S. 52). An sich weicht die Haltung z. Fremdwort kaum wesentlich von der zeitüblichen Einstellung ab. Auch das an sich nachdrückliche Eintreten für die Mundart sucht behutsam d. Grenze zu wahren gegenüber einem Mißbrauch; vgl. auch K. K a i s e r : Mundart und Schriftsprache, Versuch einer Wesensbestimmung i. d. Zeit zwischen Leibniz u. Gottsched, Form u. Geist i8 t Leipzig 1930, S. 49. S. 266.
R ü c k b l i c k auf Zesen. — Leibniz a.a.O.,
S.67.
S. 266.
S c h o t t e l s E i n w i r k u n g . — A. Schmarsow weist auf weitgehende Ähnlichkeiten mit Schottel hin (S. i8f. u. a.). An Schottel erinnert auch d. Vorstellung v. hohen Alter d. dt. Sprache. Leibniz vertritt d. Anschauung, „daß der Ursprung und Brunquell des Europäischen Wesens großen Theils bey uns zu suchen" (S. 61). — Für die ihm vorschwebenden Sammelarbeiten (SprachBrauch, Sprach-Schatz, Sprach-Quell) hält er berufen Männer wie Schottel, Prasch oder Morhof (S. 59).
S. 267.
Poesie als K e r n g e b i e t der Sprachreinheit. — Leibniz geht von dieser Voraussetzung aus: „Dann gleichwie in einem sonst schönen Teutschen Gedichte ein Frantzösisches Wort gemeiniglich ein Schandfleck seyn würde, also solte ich gäntzlich dafür halten, daß in den Schreib-Arten, so der Poesie am nächsten, als Romanen, Lobschrifften und öffentlichen Reden, auch gewisser Art Historien . . . und summa, wo man nicht weniger auff Annehmlichkeit als Nothdurfft und Nutsbarkeit siehet, man sich der ausländischen Worte, so viel immer möglich, enthalten solle" (S. 75).
Thomaeius (Forts.) S. 268. Über d. benutzte Ausgabe d. „Studio der Poesie" s. unter Thomasius weiter oben.
ANMERKUNGEN
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S. 271. „politisch", Definition Thomasius'. — Fr. Brüggemann : Aus der Frühzeit d. dt. Aufklärung (1928), Einleitung, S. 5. — Zur Bedeutung v. „politisch" vgl. U. Wendland a. a. O., S. 12/3. Wahll S. 272/3. Die Belegstellen beliehen sich auf d. Chemnitzer Ausgabe von 1723. Nähere Einzelheiten in sprach- u. stiltheoretischer Hinsicht bei U. Wendland a. a. O., passim. S. 273. Abwehr d. „Verwerfung" d. Konstruktion, Wahll, S. 10/11. S. 274. Bekundung d. „Selbständigkeit" gegenüber Weise, Wahll, S. 109. S. 275. „Appendix." — Wahll a. a. O., S. 136/7; dort gilt Wentzel schlechtweg als der „beste" Musterautor. Betr. Musternachahmung wird zwar ein glattes Atisschreiben abgewehrt; doch bleibt es „ungewehrt, nachdrückliche Wörter, sinnreiche Epitheta und sonderliche Redens-Arten aus selbigen (Mustern) zu gebrauchen". — Die Anlehnung an die Rhetorik, und zwar auch noch an die lat. Rhetorik, ist ganz unverkennbar. So etwa soll der Poetereyeleve mit Hilfe von Übersetzungen aus dem Lateinischen „hinter manche feine Elocution kommen". Die Fassung des Erfindungsbegriffs als Stoffauffindung durch Gelehrsamkeit erinnert noch unmittelbar an die „Invention" der Rhetorik (Cicero, Quintilian). —Die seit Opitz verfolgbare Auffassung der Dichtkunst als ein umfassendes Sammelbecken aller Wissenschaften u. Künste wird von Wahll ausdrücklich auf den Plato- und PlotinVermittler Marsilius Ficinus (1433—99) zurückgeführt (S. 136). S. 275. A. Köhler, vgl. d. Anm. zu S. 341 d. Arbeit (Sonderabschnitt A. Köhler). Wernicke
S. 275. Die Belegstellen beziehen sich auf d. anonym erschienene Urausgabe „Überschriffte oder Epigrammata, in kurtzen Satyren, kurtzen Lob-Reden und kurtzen Sitten-Lehren
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ANMERKUNGEN
bestehend"; Amsterdam 1697 und auf die für die Ausprägung der kunsttheoretischen Anschauungen bes. in ihren ausgedehnten krit. Anmerkungen und Erläuterungen aufschlußreiche erweiterte Ausgabe „Poetischer Versuch in einem Helden-Gedicht und etlichen Schäffer-Gedichten, mehrenteils aber in Uberschrifiten bestehend . . . mit durchgehenden A n m e r k u n g e n u n d E r k l ä r u n g e n " , Hamburg 1704. — Einen textkritischen Neudruck veranstaltete R. P e c h e l : Christian Wernickes Epigramme, Berlin 1909, Palaestra 71, der zugleich eine umfassende, stoffreiche Einleitung bietet. J . E l i a s : Chr.Wernicke, sein Leben u. s. Werke, Diss. München 1888. — D. N e u f e l d : Wernicke u. d. literarische Verssatire i. d. ersten Hälfte d. 18. Jh.s, Diss. Jena (Masch.) 1922. — Th. E r b : Die Pointe in Epigramm, Fabel, Verserzählung u. Lyrik von Barock u. Aufklärung, Diss. Bonn (Teildruck) 1928, S. 14—19. — Manches Stoffliche zum geschichtlichen Überblick über d. Epigrammtheorie hatte bereits R. P e c h e l in in seiner Einleitung „Geschichte der Theorie des Epigramms von Scaliger bis zu Wernicke" in dem erwähnten Neudruck (1909) vorweggenommen. Wernickes Stellung zum „Witz"-Begriff unter Berücksichtigung seiner Teilabwehr des bei esprit-Ideals erörtert P. B ö c k m a n n : Das Formprinzip des Witzes i. d. Frühzeit d. dt. Aufklärung, Jb. d. Freien Deutschen Hochstifts 1932/3, S. 71—76 ; doch unterschätzt Böckmann beini Herausarbeiten der Abhebung Wernickes vom Barock (S. 73, 75) etwas die Geltung, die der „Einfall" u. das „Sinnreiche" bereits in der Poetik d. Barock aufzuweisen hatten. S. 276.
„ u n v e r s t ä n d l i c h N i c h t s . " — Der Vorwurf dieses aufgeblähten „Nichts", den frühzeitig Wernicke erhob, begegnet noch ganz ähnlich in den Urteilen Gottscheds u. d. Schweizer über Lohenstein u. Hofmannswaldau ; Fr. M a n s f e l d : Das literarische Barock im kunsttheoretischen Urteil Gottscheds und der Schweizer, Diss. Halle-Wittenberg 1928. Mansfeld behandelt im Wesentlichen die Anschauungen Gottscheds u. d. Schweizer über d. Metapher. Mit Bezug auf Pietsch, der ja nicht gerade zum literarischen Barock gerechnet werden dürfte, weist Mansfeld im Urteil Bodmers die Wendung „geschminktes Nichts" nach; ebenso den
ANMERKUNGEN
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Mangel an „Deutlichkeit" bei Hofmannswaldau in Bodmers Kritik a. a. O., S. 63. — Vgl. auch „glänzendes Nichts", a. a. 0., S. 72 (Urteil i. d. „Beyträgen z. critischen Historie d. dt. Sprache, Poesie u. Beredsamkeit", 25. Stck). S. 280.
J . G . R o b e r t s o n : Studies in the genesis of romantic theory in the eighteenth century, Cambridge 1923. —· Soweit jener Versuch in Betracht kommt, wäre es wünschenswert gewesen, wenn das an sich grundlegende Werk, das im II. Band dieser Geschichte der Poetik für den Nachweis der Auslandseinflüsse eingehende Berücksichtigung finden wird, in seinem Berichtszeitraum weiter zurückgegriffen hätte, was die Entwicklung in Deutschland anbetrifft.
S. 281.
B . F e i n d . — Fr. Michael: Die Anfänge d. Theaterkritik in Deutschland, Leipzig 1918, S. 66/7. — K. Th. G a e d e r t z : Die Hamburgischen Opern, Jb. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung VIII. — G. Fr. S c h m i d t : Zur Geschichte, Dramaturgie u. Statistik d. frühdeutschen Oper 1627 bis 1750, Zeitschrift f. Musikwiss. V. — Auf die Vorrede z. d. „Deutschen Gedichten", Stade 1708, geht hinsichtlich d. Verhältnisses zu Wernicke kurz ein R. Pechel a. a. O. (Palaestra 71), S. 48.
S. 282. Feinds Stellung ζ. Frühklassizismus. — Borinski, Poetik d. Renaissance, S. 364f. sieht zu einseitig d. Gegensatzstellung.
Joh. Grob S. 285.
Die Belegstellen beziehen sich auf den Neudruck: Joh. Grob, Epigramme nebst einer Auswahl aus seinen übrigen Gedichten, hrsg. v. A. L i n d q v i s t , Leipzig 1929, BILVSt. 273. — Dort eine umfassende u. in Fragen d. Poetik teils über J. Grob hinausgreifende Einleitung ν. A. L i n d q v i s t . — Frühere Arbeit E. Z s c h o k k e : Der Toggenburger Epigrammatiker Joh. Grob, Diss. Zürich 1890; auch Aarau 1888.
S. 285.
S t i m m g e d i c h t steht bei Grob auch sonst für Ode und Lied.
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ANMERKUNGEN
S. 285.
R e i n h o l d v o n F r e i e n t a h l . — Über die Wahl dieses Pseudonyms A. Lindqvist, Einleitung S. 2of.
S. 286.
B e z i e h u n g e n zu G . H e i d e g g e r . — A.Lindqvist, Einleitung S.69—71; bes. G.Heideggers Brief vom 28. Mai 1697 kommt als Beleg in Betracht.
S. 286.
R a n g s t u f u n g des D i c h t e r t u m s . — Der unwürdige, ,.verbuhlte Poet" wird i. d. gen. Sinnspruch als ein bloßer „Sperling" vom „Schwanen" (würdiger Kunstpoet) abgehoben, als dessen Muster offenbar der in demselben Gedicht gepriesene Zimber-Schwan, der „süße Rist", gilt, vgl. Neudruck a. a. O., S. 207. V o r r e d e n . — Vorr. z. „Dichterischen Versuchgabe", (»»Kostprobe d. „Erstlingsfrüchte") u. z. d. „Poet. Spazierwäldlein", Neudruck, a. a. O., S. 93/4 u. 161—63.
S. 286.
„ A n den L e s e r " . — Vgl. Neudruck, S. 164; weitere Sinnsprüche „An den Leser" a. a. O., S. 95 u. 221.
Canitz S. 287.
Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe „Des Freyherrn von Caniz Gedichte, mehrentheils aus seinen eigenhändigen Schrifften verbessert und vermehret . . . ausgefertiget von Joh. U l r i c h K ö n i g " , Leipzig u. Berlin 1727 (S. 93—99) ; die Schreibweise „Canitz" bringt erst — wie auch sonstige Verbesserungen der Rechtschreibung — die zweite von J. U. König veranstaltete Ausgabe, Berlin u. Leipzig 1734, dort d. „Satyre Von der Poesie" (S. 235—41).
S. 287.
V a l e n t i n L u t z : Friedrich Rudolf Ludwig von Canitz, sein Verhältnis zu dem französischen Klassizismus u. z. d. lat. Satirikern, Diss. Heidelberg, gedr. Neustadt a/H. 1887.
S. 287.
B o i l e a u - A n l e h n u n g . — V . L u t z weist im Einzelnen die Anklänge der 3. Satire nach, a . a . O . , S. 12—21; bes. aus Boileaus „Art poétique" u. Sat. V I I . — B o i l e a u K e n n t n i s : V. L u t z glaubt aus d. Briefwechsel Canitz' die Kenntnis d. „Art poétique" bereits f. d. Zeit in Lyon nachweisen zu können, a . a . O . , S. 8.
S. 287.
G o t t s c h e d - Z i t a t . — G. zitiert i. s. „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen" (1730),
ANMERKUNGEN
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S. 123: „Man redt und schreibt nicht mehr, was sich zur Sache schicket / Es wird nach der Natur kein Einfall ausgedrücket". — Beide Canitz-Ausgaben J. U. Königs dagegen bringen nicht „Natur", sondern „Vernunfft", vgl. Ausg. 1727, S.97; Ausg. 1734, S. 239 („Vernunft"). Ebenso die ergänzend herangezogene anonyme Canitzausgabe von 17x4, S. 65. — Es ist angesichts d. Bedeutung d. Naturnachahmungstheorie nicht so ganz überflüssig, diesen Dingen einmal nachzugehen; bei Gottsched war offenbar der Wunsch der Vater des Zitats „Natur". S. 288. Stellung zu Lohenstein u. Hofmannswaldau. — Wie schon bei Wernicke angemerkt (u. z. begründen versucht) wurde, scheut man d. Angriff auf Lohenstein u. Hofmannswaldau selbst. V. Lutz'Darstellung a.a.O., S. zi ist danach zu berichtigen. Canitz stellt beide neben Opitz u. Besser u. damit aus d. Angriffslinie d. Satire heraus; vgl. Canitz selbst a.a.O. (1727), S.96. Meister
S. 288. Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe von 1698. S. 289. Vavasseur. — R. Pechel, Einleitung z. Ausgabe: Chr. Wernickes Epigramme, Berlin 1909, S. 13—15. S. 289. John Owen. — E . U r b a n : Owenus u. d. dt. Epigrammatiker des 17. Jh.s, Diss. Heidelberg 1899 (wird Meister- nicht gerecht). — Joh. P. T i t z (AlexandrinerÜbersetzung, Teilsammlung): Florilegii Oweniani Centuria, colligente, Versibusque Germanicis exprimente (1643). — Valentin Löber: Teutschredender Owenus (1653); vollständige Übersetzung. — Später noch Jörden: Oweni Epigrammata selecta, Leipzig 1813. S. 290. Bouhours: Entrétiens d'Ariste et d'Eugène (1671). — La Manière de bien penser dans les ouvrages d'esprit (1687). — A. Baillet: Jugemens des Sçavans (1685/6). — J. Bodin; vgl. Baudrillart: Jean Bodin et son temps, Paris 1853. S, 290. J. F. Cramer. — J. G. Robertson: Studies in the genesis of romantic theory in the eighteenth century, Cambridge 1923, S. 251 Anm. ι.
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ANMERKUNGEN
S. 291.
E n g e V e r b u n d e n h e i t des V o r b e r i c h t s m. d. A b h a n d l u n g , auch äußerlich ablesbar an der durchlaufenden Seitenzählung; Kap. I beginnt mit S. 31.
S. 293.
Bewertung S. 99/100.
S. 294.
A n r e g u n g d. U n t e r h a l t u n g . — Auch diese Auffassung war längst vorher vertreten, u. a. (von J. Masen abgesehen) auch bei Kindermann „Der Deutsche Poet" (1664), S. 257/8.
S. 295.
F o r m a l e D e f i n i t i o n des E p i g r a m m s . — Meister a . a . O . , S.73.
der N a t u r g a b e .
—
Meister
a.a.O.,
Wagenseil S. 295. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe Altdorf / Noricorum 1697. Der Titelzusatz auf d. Gesamttitel lautet „Von Der Meister-Singer / Origine, Praestantia, Utilitate et Institutis". S. 296.
Synonymen-Reichtum,
Wagenseil a . a . O . ,
S. 455.
S. 299.
A d a m P u s c h m a n n „Gründtlicher Bericht des Deudschen Meistergesangs. Darinnen begriffen, alles was einem jedem, der sich Tichtens vnd Singens annemen wil, zu wissen von nöten" (1571), hrsg. V . R . J o n a s , Halle 1888, Hallesche Neudrucke.
Chr. Gryphius S. 299. Die Belegstelltin beziehen sich auf d. i. Text genannte Ausgabe von Ï698. S. 300.
B a r o c k e B e z e i c h n u n g s m ö g l i c h k e i t e n . — Chr. Gryphius hatte bei s. krit. Abwehr keinen Mangel an Beispielen f. derartige Titeigebungen; vgl. etwa Joh. Chr. Görings „Liebes-Mayen-Blühmlein oder VenusRosen-Kräntzlein" (3. Aufl. 1654) ; David Schirmers „Poetische Rosen-Gepüsche" (1650, 1657) u. D. Schirmers „Poetische Rauten-Gepüsche" (1663); Henning Groskurts „Klarin, Klariminde und Magdalis oder Poetischer Myrten-Wald in drei Gebüsche abgetheilet" (1663); Joh. Georg Schochs „Poetischer Weyrauch-
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Baum und Sonnen-Blume" (1656) und sein „Neu-erbaueter Poetischer Lust- und Blumen-Garten" (1660). Ph. Zesens „Poetischer Rosen-Wälder Vorschmack" (1642) u . a .
Uhse S. 302.
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Der vollst. Titel d. anonymen Poetik lautet : „Wohlinformirter Poet / worinnen die Poëtischen KunstGriffe vom kleinesten bis zum grösten durch Kurtze Fragen und Ausführliche Antwort vorgestellet / und alle Regeln mit angenehmen Exempeln erkläret werden", Leipzig 1703. Schon die Vorr. bekennt sich unumwunden zum reinen Zweckmäßigkeitsstandpunkt. Beachtenswert die Titelworte „Kunst-Griffe" u. das mehr und mehr Geltung gewinnende „angenehm". Doch besteht noch das Wertattribut „zierlich", wenngleich mit gewandelter Sinngebung. Die Poesie gilt als „Geschicklichkeit, seine Gedancken über eine gewisse Sache zierlich, doch dabey klug und deutlich (Abwandlung des „Zierlichkeit"-Begriffes) in abgemessenen Worten und Reimen vorzubringen". In späteren Teilen betont der Rektor Uhse, daß seine Poetik „nur zum Unterricht abgefasset worden" sei (S. 110). Der Umfang des handlichen kleinen Buches ist verhältnismäßig begrenzt (148 S.). Die A n l a g e f o r m in Frage und Antwort wird nur ganz äußerlich festgehalten. Der Weisesche P r i m a t d. P r o s a k o n s t r u k t i o n begegnet i. d. Fassung: „Man soll in Versen die Worte in derjenigen Ordnung setzen, worinnen sie außer den Versen stehen" (S. 29), wobei Uhses pädagogischer Eifer immerhin an die Voraussetzung denkt, daß man zunächst einmal lernen müsse, „auch in Prosa die Worte allemahl in richtiger Ordnung" vorzubringen. Weise wirkt weiterhin ein, betr. d. Verhältnis von D i c h t k u n s t u. R e d e k u n s t . E. Uhse, der etwa gleichzeitig mit d. „poetischen Kunst-Griffen" i. s. Poetik die „oratorischen Kunst-Griffe" in seinem „Wohl-informirten Redner" (1702 u. ö.) erläutert hat, wählt für seine Poetik ein Titelbild, das die Redekunst gegenüber d. Poesie als d. Schenkende zeigt (d. „Oratoria" überreicht dort der Poesie aus einem Blumenkorb eine Rose). In der Tat lehnt sich seine Poetik eng an die Redekunst an. Bes. i. d. Kap. über d. „Invention", die „Disposition", die „Elocution" u. d. „Imitation" (Kap. V—VIII) richtet
M a r k w a r d t , Poetik ι
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ANMERKUNGEN
sich d. P. ganz nach der Rhetorik aus, auf die übrigens mehrfach verwiesen wird. Dem entspricht es, wenn der „ E r f i n d u n g s " - B e g r i f f an Hand rhetorischer bzw. „oratorischer Kunst-Grifie" erklärt wird. Die verheißungsvolle Ankündigung einer „unmittelbaren" Erfindung führt doch nur zu der Feststellung, daß „solches eigentlich gar keine (I) Erfindung" genannt werden dürfe (S. 104). Und unversehens wird d. Erfindungsbegriff mit Hilfe der Redekunst auf das Gebiet der Formungsfragen hinübergespielt. Der klangliche u. sinnhafte Akzent d. Verse wird gewürdigt (S. 32/3); die Stimmungslage des Metrums ist bekannt: Jambus ernst (S. 39), Daktylus lustig (S. 48). Bei der vom Klassifikationseifer zeugenden Aufzählung d. zahllosen G e d i c h t a r t e n nach überwiegend metrischen Formungskriterien werden wenigstens einige „Spiel"-Formen abgelehnt, so etwa d. sog. „Caballistischen Verse" mit ihren Wort- u. Zahlenrechnungen („läppische und meistentheils gezwungene Possen"); oder d. sog. „Cubus", eine andere metrische Spielerei, die z. B. J. Chr. Männling im „Europäischen Helicon" noch so ernst nahm, daß er eine Abbildungstabelle einfügte, wird von Uh se als „Lumpeiey" verworfen. Aber das Anagramm u. das Akrostichon bestehen. Und die „Bilder-Gedichte" (Figurengedichte, S. 91) fehlen ebensowenig. Dagegen gehen die Gedichte, die eine Texterläuterung zu einem Bilde bieten, unter dem auch sonst üblichen Merkwort „Emblematische Verse". Es darf b. d. Gelegenheit erwähnt werden, daß i. d. Arbeit H. Rosenfelds: Das deutsche Bildgedicht, Diss. Berlin 1935 (Teildruck, d. vollständige Arbeit ist f. d. „Palaestra" angekündigt) das Bild-ErläuterungsGedicht, darunter auch das Emblemgedicht u. d. „vom Bilde gelösten Bildgedichte" der Barockzeit gewürdigt werden. N i c h t aber die damals so genannten „Bildgebände" (Birken), die „Bilder-Gedichte" (Uhse), „Bilder-Verse" (Grüwel), „Bilder-Reime" (Männling) im Sinne von Figurenumrissgedichten nach Art d. Barockpoetik bzw. d. galant-curiösen, politisch-politen Epoche sind gemeint. Bereits d. Zusatztitel Rosenfelds verweist auf das Grenzgebiet zwischen bildender Kunst u. Wortkunst.
ANMERKUNGEN
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Reìmmann S. 302. Die Belegstellen beziehen sich auf d. Leipziger Ausgabe von 1703. S. 303. W e t t b e w e r b mit dem A u s l a n d e im kulturpolitischen Sinne wird mehrfach ablesbar. Für d. Tragödie haben wir es A. Gryphius u. Lohenstein zu verdanken, „daß wir nunmehro denen Ausländern hierin Trutz biethen können"; für die Satire Rachelius, „daß wir nun auch in diesem Stück denen Ausländern die SiegesPalmen streitig machen können". Und Reimmann möchte nun offenbar die kulturpatriotische Stützkraft auch seinen „neuen" Arten dienstbar machen. Die Gefahr des Mißbrauches der nationalen Tendenz wird in diesem Einzelfall erkennbar. S. 304.
R ü c k w i r k u n g d. Theorie (Weise) auf d. Praxis. — Aufschlußreich dafür ist d. oben zitierte Entschuldigung Reimmanns, die sich i. d. „Bekandten u. Unbekandten Poesie der Teutschen" S. 152 findet.
S. 304. Loslösung v. d. A u t o r i t ä t d. A l t e n macht sich bemerkbar z. B. i. d. Zeittafel dort, wo angesichts der Leistungen Simon Dachs in der Odendichtung erklärt wird, „daß wir uns vor denen Griechen und Lateinern in diesem Stück nicht mehr zu schämen haben" (Historie d. Deutschen Poesie). Der Taufende (J. Hofmann ?) S. 304. Die Belegstellen beziehen sich auf die Nürnberger Urausgabe von 1702, deren Titelzusätze lauten: „ . . . Wie dieselbige der studirenden Jugend durch leichte Regeln / mit gutem Vortheil / Grund—mäßig beyzubringen s e y . . . aus bewährten Poeten Lehrartig zusammen getragen durch den Taurenden". S. 304. V e r f a s s e r f r a g e . — Goedeke III S. 25 vgl. auch III S. 13 nimmt Eberhard Gräfe als Verfasser an, während U. Wendland a. a. O., Quellenverzeichnis, S. XXIV bereits Hofmann als „vermutlichen" Verfasser in Erwägung zieht. (Wendland zitiert aber „ . . . Reim- und Dichtkunst" offenbar irrtümlich statt „ . . . Verß- und TichtKunst"). — Die Überprüfung ergibt, daß der „Taurende" in der „Lehr-mäßigen Anweisung" selbst, u. zwar in »7*
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ANMERKUNGEN
deren drittem Teile, einen Bericht über die „Teutschgesinnte Genossenschaft" Zesens (die ,,Rauten-Zunfft") einflicht und dort ausdrücklich über sich selbst aussagt: „Meine Wenigkeit hat er (Zesen) in reiflicher Betrachtung meiner Creutz-Erduldung im Exilio mit dem Nahmen des Taurenden geehret und mit beygesetzter EhrenSchrift gleichsam belehnet" (S. 121). Auf der folgenden Seite der, ,Lehr—mäßigen Anweisung' ' wird zum Überflusse das Belehnungsschreiben Zesens an Johann Hofmann unter dem Ordensnamen „Des Taurenden" abgedruckt (S. 122). Demnach ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Johann Hofmann, „Der Speyerischen Stadt- und FreySchule oberst. Vorsteher", als Verfasser der fragüchen Poetik anzusetzen. Redtel S. 306.
Omeis S. 307.
Die Belegstellen beziehen sich auf die Stettiner Urausgabe von 1704. — Die ganze behagliche Feierlichkeit des Konrektors spricht aus den Worten: „So habe ich mich endlich dazu bequemet und solchen Unterricht in Gottes Nahmen heraussgegeben". — Nach der sprachund stiltheoretischen Seite findet Redt eis „Unterricht" Berücksichtigung bei U. Wendìand, a. a. O., S. 92, 119/20, 219 (Warnung vor „allzu einfältigen, niedrigen" Wörtern) u . a .
Die Belegstellen beziehen sich auf d. 2. Ausgabe von 1712. — Omeis findet in der einschlägigen Literatur zur Poetik durchweg eine verhältnismäßig starke Berücksichtigung.
S. 308.
V e r h ä l t n i s v o n E r f i n d u n g u. F o r m u n g . — Omeis, a. a. O., S. 132t. gibt regelrechte Anweisungen für die also erlernbare „Erfindung" (vgl. J. Masen u. a.). Die Stoffbehandlung hat neben der Formbewertung durchaus anerkannte Bedeutung, vgl. z. B. S. 129.
S. 309.
Stimmungswerte Trichter II S. 85.
S. 309.
Leidenschaftswirkung a. a. O., S. 229, 242.
d. R e d e w e i s e ,
im
vgl. Harsdörffer,
T r a u e r s p i e l e , Omeis,
ANMERKUNGEN
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S. 310.
L o c k e r u n g d. s t ä n d i s c h e n Z u o r d n u n g s k r i t e r i e n f. d. Gestalten im Drama u. bes. i. d. modernen Komödie. Plautus' Amphitruo wird in seinem Widerspruch zu d. Forderungen d. Alten Komödie (niedere Standespersonen) erkannt, während für d. neuere Komödie von vornherein die Standesschranke für die auftretende Person („sie seye, wer sie wolle") fällt, vgl. G. B r a t e s a. a. O., S. 78/9, der als Bahnbrecher Rotth in Anspruch nimmt.
S. 310.
C h r i s t l i c h e U m d e u t u n g d. M y t h o l o g i e wird überall von Omeis angestrebt, so z. B. S. 24, 25, 29/30, 33, 34. 36, 37. 38. 51/2, 54. 60. 61. 63, 71» 74. 9 1 ' "3/4. " 6 u . a . ; etwa in der Weise: ,,Uns Christen könnte diß Gedicht auch bedeuten . . . " (S. 53).
Hunold-Menantes u. E. Neumeister S. 310. Die Belegstellen beziehen sich auf die Ausgabe Hamburg 1717, deren Anweisungscharakter bereits aus dem Titelzusatz spricht „ . . . zum vollkommenen Unterricht mit überaus deutlichen Regeln". H. V o g e l : Chr. Friedr. Hunold, Diss. Leipzig 1897. S. 310.
H u n o l d (Menantes) a l s H e r a u s g e b e r . — U. W e n d l a n d : Die Theoretiker u. Theorien d. sogen, galanten Stilepoche u. d. dt. Sprache (1930), S. 40 nimmt ebenfalls Hunold-Menantes als „Herausgeber (kaum Bearbeiter)" an, fügt indessen eine Anmerkung (Anm. 73) hinzu, in der er die Vermutung ausspricht, daß auch d. Vorrede „vielleicht im Entwurf" auf E. Neumeister zurückgehen könnte. Die stilkritischen Andeutungen Wendlands reichen indessen in ihrer Beiläufigkeit schwerlich aus, um diese Vermutung zu stützen. Auch für die Poetik selbst nimmt Wendland einige, wenngleich „wenige" Einschübe Hunolds an. Beweiskräftig wirken die Vermutungen in dieser Form jedoch nicht. Die „Vorbereitung" dürfte mit Recht E. Neumeister zugewiesen sein. Ein ernstlicher Einsatz der stilkritischen Methode, jedoch in Verbindung mit der Gehaltsanalyse (vgl. d. oben im Text aufgedeckten inhaltlichen Widerspruch), vermöchte vielleicht, die Zweifel klären zu helfen.
S. 310/11. W i d e r s p r u c h b e t r . P r o s a k o n s t r u k t i o n . — V o r rede (Hunold-Menantes), S. 51 (die lange Vorrede wurde
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ANMERKUNGEN
d. Übersicht halber v. Verf. mit Seitenzahlen ergänzt), u. Text (E. Neumeister), S. 45, dort wird auch Weise zitiert. S. 314.
A b h ä n g i g k e i t v o n W e i s e wird ausdrücklich vermerkt, „Vorbereitung" S. 7/8.
S. 316.
B e r u f s m ä ß i g a b g e s t u f t e R e d e w e i s e (Neumeister a. a. O., S. 498). — Darüber war schon Omeis, a. a. O., S. 243/44 hinausgegangen. — Bereits U. W e n d l a n d a. a. O., S. 185 weist bei dieser Gelegenheit auf Opitz zurück. Seinem Thema entsprechend, richtet Wendland d. Hauptaugenmerk auf Fragen d. Sprachu. Stiltheorie; doch bringt W. gerade für Neumeister, den er im ganzen etwas überschätzt, unter den reichen Zitaten auch manches für die Poetik recht Bemerkenswerte. R o m a n t h e o r i e . — M. L. W o l f f : Geschichte d. Romantheorie (1915), S. 79/80.
S. 317.
Günther S. 319.
S. 319.
Die Belegstellen beziehen sich vor allem auf die neue, von W. K r ä m e r besorgte historisch-kritische Gesamtausgabe: Joh. Chr. Günthers sämtliche Werke, die noch bis zu ihrem Band V (1935) ausgewertet werden konnte, Leipzig 1930ff., BILVSt., Nr. 275; 277; 279; 283; 284; bes. Bd. III (1934) u. IV (1935) kommen für kunsttheor. Äußerungen Günthers in Betracht. O. F. V o l k m a n n : J. Chr. Günther im Rahmen s. Zeit, Diss. Bern 1910. — A. S t e l z m a n n : Volkstümliche Elemente i. d. Lyrik J. Chr. Günthers, Diss. Bonn 1920. — A. H o f f m a n n : Die Wandlungen in Chr. Günthers Lebensbilde innerhalb der letzten sechzig Jahre, Zschr. d. Vereins f. d. Gesch. Schlesiens, 60 (1926). — A. H o f f m a n n : Joh. Chr. Günther, Bibliographie 1929. — W. K r ä m e r s Vorworte (Einleitungen) z. d. gen. Bänden s. Günther-Ausgabe, bes. z. Bd. III (1934) u. IV (1935). W i d m u n g s g e d i c h t f. v. Nickisch; es beginnt ,,Willkommen wiederum, gelehrter Mäcenat !" u. ist kunsttheoret. bes. aufschlußreich, vgl. W. K r ä m e r s GüntherAusgabe IV S. 235f. — D a s persönl. Bekennen einer Wandlung des Kunstwollens wird durch die Ich-Form bes. deutlich (IV, 237/8); die „Scharlachbeeren" f. d. Röte d.
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Lippen fehlen i. d. Polemik nicht. Lohenstein wird zu den „Schulmonarchen" gerechnet. S.320.
G e b u r t s t a g s g e d i c h t f. Thebesius (Arzt); es beginnt „Ich bähne mir den W e g . . . " u. ist i. s. ersten Hälfte kunsttheoret. aufschlußreich, vgl. a. a. Ο., IV S. 268f. Die Erwerbspoesie wird so angeprangert: „Wenn ihr zur Betteley gewohntes Dichterpferd / Mit Karren voller Lob zum Futterkasten fährt."
S. 320. W i d m u n g s g e d i c h t f. Scharff; vgl.a. a.O.,IVS.33—35. — Um das Ansehen d. Dichtkunst zeigt sich d. Vers bemüht: „Die Kunst der Poesie nimmt ihren Rang in Acht"; möglicherweise steht d. Streit um Bouhours (bel esprit) im Hintergrunde d. Verses: „Last Franckreichs Prahlerey sein Musenvolck vergöttern". — K r i t i k d. „Meistersänger" a.a.O., IV S. 33, 192, 242. S. 320.
Höhenstand d. D i c h t l e i s t u n g noch nicht erreicht; Günther drückt das einmal so aus: „Wir Deutschen leyern noch, und hat gleich mancher Schwan / Sich etwan hier und dar mit Müh hervorgethan / So heists doch wohl nichts mehr als etwas angefangen" IV S. 192. —
S. 320.
A k r o s t i c h o n , gemeint ist d. Gedicht „Ich will lachen ich will scherzen . . . " IV S. 75/6.
S. 320/1. W. K r ä m e r , a.a.O., III (Freundschaftsgedichte u. -Briefe), Vorwort S. 18/9. S. 321.
Verewigungsgedanke. — Wenngleich teilweise themau. zweckbedingt, begegnet doch dieses Hervorheben d. Dichtkunst als Trägerin d. Nachruhms bes. häufig; so neben d. zit. Stelle III S. 164 etwa auch III S. 193: „Die Nachwelt soll nach langer Zeit / Durch meiner Lieder Ewigkeit / Auch deines Nahmens Denckmahl lesen"; IV S. 7, 60, 193: „Ein ewig Heldenbuch mit dessen Ruhm erfüllen"; vgl. auch V S. 113. — „ I m Vaterlande",hier im engeren Sinne f. Heimat III S. 206, vgl. auch IV S. 238.
S. 321.
Anregemittel. — So etwa „Mein Phoebus saß bey Musenquellen . . . " III S. 125 oder „Der Schwangern Appetit / Ist oftmahls wunderlich" III S. 126; vgl. auch IV S. 33 u. a.
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S. 321/2. F o r m p f l e g e , G e f ü g e b i l d u n g , A t t r i b u t g e b r a u c h , vgl. IV S. 157; dort zugleich als Selbstertrag d. Dichters aus d. Poesie, „daß sie mich zur Weißheit führen sollte / Und zwar durch so ein Gleiß, das angenehmer blüht / Als jene rauhe Bahn . . . " . S. 322.
A n h a n g . — Da W. Krämers Ausgabe z. Zt. noch nicht abgeschlossen ist, so bleibt seine Entscheidimg hinsichtlich d. Zuordnung vorerst offen.
Grüwel S. 323. Joh. Grüwels „Hochteutsche kurze / deutliche und gründliche Vers-Reim- und Dicht-Kunst / Samt etlichen seiner Geistlichen und Weltlichen Lidern und Gedichten / Allen Libhabern diser edlen Kunst zum nützlichen und ergetzenden Gebrauch", Neuen-Ruppin 1709, läßt den Anteil Vers- u. Reimkunst bei weitem überwiegen gegenüber der „Dicht-Kunst". Grüwel, der auf dem Titelblatt als gekrönter Poet u. „Bürgermeister zu Cremmen" feierlich sich vorstellt, ist nach einer oberflächlich skizzierten Einleitung merklich erleichtert, als er „zu Betrachtung der Sylben schreiten" kann. An Z e i t ü b l i c h e m begegnet: die Einteilung in Sachen und Worte (S. 11), die Verbindung von Schulung u. Begabung (S. 14), die Abwehr d. Sprachmengerei, aber auch d. Kritik am Purismus (S. 175f.), die Bekämpfung d. bloßen „Flikk-Wörter" (S. 183!), der Nachstellung des Adjektivs usw. Die an sich nicht neuartige Erklärung : D i c h t e η = , .einem Dinge scharf nachsinnen und genau nachdenken" bringt immerhin den ergänzenden Hinweis, „daß der Poët seinen Satz oder sein Vorhaben also dicht und vest machet (!), daß er des Lesers oder Zuhörers Beyfall leicht erlanget, der Verstand erleuchtet und die Sinnen begeistert werden" (S. 13). Die E i g n u n g d. dt. S p r a c h e wird im kulturpatriotischen Sinne anerkannt: „ D y Hochteutsche Sprache ist Wortreich genug, damit sy alles auf das anmutigste kan außsprechen und beschreiben". Der Nationalcharakter, der „Teutsche Genius" muß bes. in der Gefügebildung die dem dt. Sprachgeist gemäße „Ordnung" wahren (Chr. Weises Einfluß wird indessen mit dem sonst durchweg nachgesprochenen Prosakonstruktionsgesetz bei Grüwel nicht deutlich erkennbar). Betr. d. „ E r f i n d u n g " wird auf die Rhetorik verwiesen (S. 233) u. bes. auf „des
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Quirini Pegei Kunst-Quellen" (Grüwel vermutet Harsdörffer als Vérf., S. 235f.), wonach aus allerlei Lehrsprüchen und der Einzelwort-Analyse („dy Worte gleichsam anatomiret"), aus d. „Abteilung" (Gliederung), aus dem „Folgenden" (Folgerichtigen, Ableitbaren), aus den Gleichnissen, den Fragen u. d. „Geschichte" (Fabel) eine Erleichterung des „Erfindens" erwachsen soll. Männling S. 323.
Joh. Christoph Männlings Poetik „Der E u r o p a e i s c h e H e l i c o n oder Musen-Berg / Das ist kurtze und deutliche Anweisung zu der Deutschen Dicht-Kunst.. . innerhalb wenigen Wochen ein zierliches deutsches Gedichte zu machen", Alten Stettin 1705, bringt als eine der ersten in ihrer Anlageform die Einteilung „Von der Theori" (I.Teil) „Von der Praxi" (II. Teil) „Von Exempeln" (III. Teil), wobei unter „Theorie" alles Wesentliche d. Wortkunsttheorie zusammengefaßt wird, während die beiden letzten Teile vorwiegend die Gedichtarten behandeln. Der Gesamtumfang ist verhältnismäßig begrenzt (176 S.). Männlings „Helicon" trägt in der eigenen Stilhaltung wie im wertenden Verhalten noch merklich spätbarocke Züge. Hofmannswaldau u. Lohenstein stehen in hohem Ansehen. Das pastorale Pathos verbindet sich mit der barocken Prunkrede zu einer vielfach übersteigerten, keineswegs nüchtern-rationalistischen Sprachhaltung, die von der fast wissenschaftlichen Anlage u. Methode um so schärfer sich abhebt. Denn Männlings „Europaeischer Helicon" zeigt sich in der zeitgenössischen u. älteren Poetikenliteratur außerordentlich bewandert (vgl. Anm. z. S. 16 d. Darstellung). Eine gewisse Stärke im weiten Umschauhalten, aber auch die Schwäche des Eklektischen liegt i. d. Literaturkenntnis einbeschlossen. Auch abseits stehende Gewährsmänner begegnen, so etwa Männlings „alter Hertzens-Freund und Gönner" Joh. P e i s k e r , dessen „Poetische Tabellen" mehrfach Erwähnung finden (S. 80, 104, 145) oder Joh. S c r i v e r (Scriverius, vgl. d. Vorrede z. Heinsius: „Nederd. Poemata", 1616) mit seinem „Bericht von der deutschen Reim-Kunst" (S. 84) u. C h r i s t i a n P o r t m a n n mit dem Anhang z. s. „Bibliotheca Poetica" (r/02; S. 144). Dort, wo die Kenntnis der einschlägigen Poetikenlit. nicht recht auszureichen scheint, offenbart sich deutlich
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der Mangel an eigener Urteilsfähigkeit. Die Bedeutung d. „Erfindungs"-Begrifies ζ. B. ist an sich betont herausgestellt worden zu Beginn d. 12. Kap., das v . d. Erfindungen handelt (I.Teil: Theorie): „Ohne Erfindung kan kein Verß gemacht werden; diese muB erstlich dem Gemüthe Anlaß geben, was man schreiben solle". Aber da nun Männling immerhin kritisch die Unzulänglichkeit der „Erfindungs''-Erläuterungen i. d. Zeitpoetiken spürt : „Die Erfindung, wo sie solle hergenommen werden, wie sie auch müsse beschaffen seyn, davon wollen die Anweiser der Poesie gar wenig Anleitung geben, weil es heist: Hic Rhodus, hic salta!", da er in beachtenswerter Weise hier (S. 78/9) eine Schwäche erkennt, so fühlt er sich ermutigt, seine „eigene Einfülle davon herzusetzen". Indessen diese „eigenen Einfälle" sind mühelos zu enthüllen als die üblichen „Fund-Gruben"; denn es folgen Hinweise auf die Umstände, Beschaffenheit d. Zeit u. d. Ortes, Gelegenheit, Ursache, Person, das Alter usw., wodurch die Erfindungen erleichtert werden sollen; ebenso Verweise auf die Hilfsmittel der Rhetorik (d. „Loci Topici, Exempel" usw.). 33 G e d i c h t a r t e n zählt d. III. Teil d. „Europ. Helicons" auf, darunter an letzter Stelle, und zwar in schon damals veralteter Deutung die Komödien u. Tragödien, vorwiegend nach dem Inhaltskriterium u. d. EinteilungskritTium (S. 175/6). Betr. d. „Satyren" ist die ältere Geltung als Hirtenspiele noch bekannt, „jetzt aber sind diese Satyren in Stachel-Gedichte verwandelt worden" (S. 173); die früher herrschende Begriffsverwirrung ist also überwunden. Gelegentlich der Erklärung d. Oden setzt sich d. christliche L e i t i d e e durch (S. 148), die außerdem den Gebrauch oder doch Mißbrauch „heydnischer Götter" u. Götternamen, obgleich weniger streng als Birken u. a. verwirft. Doch werden Ausnahmen eingeräumt. Männling fehlt der kritische Blick für metrische Spielereien u. „poetische" Gesellschaftsspiele, und so nimmt er die „Bilder-Reime" (S. 133t.), den „Cubus" (eigene Anschauungstabelle, S. 130/1), das Anagramm u. selbst die „Cabeln" (eigene Anschauungstabelle, S. 140) durchaus ernst. Der S t i m m u n g s a u s d r u c k durch d. Metrum ist ihm vertraut (Jambus: ernst, gravitätisch; Trochäus: lieblich; Daktylus u. Anapäst: springend u. lustig; Sapphische Metren : traurig, S. 91/2). Versöhnend mit mancher Schwäche wirkt das v r m e Mit-
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gehen der ein wenig leicht begeisterten Art Männlings, der seine Poesie ehrlich liebt. Mencke S. 325. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe von 1710: „Philanders von der Linde Vermischte Gedichte . . . nebst einer ausführlichen Unterredung Von der Deutschen Poesie und ihren unterschiedenen Arten Leipzig (Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn) im Jahr 1710." Der Titel des Anhangs lautet — an Ort und Stelle — etwas anders: „Anhang einer Unterredung von der Deutschen Poesie" (a. a. O., S. 141). — Der Umfang der Unterredung (a. a. O., S. 142—313) erscheint stark ausgeweitet durch reiche Einlagerung von teilweise reckt langen Beispiel-Gedichten, die nicht alle von Mencke selbst stammen, sondern etwa auch von Besser u. a. Streckenweise wirkt die kritisch-theoretische Erörterung nur als Rahmen zu dieser Gedichtsammlung, um sich an anderen Stellen zu einer gewissen Eigengeltung zu verdichten. Der Übergang bzw. die Einlagerung wird recht „zwanglos" vollzogen, etwa so: „Die Exempel müssen auch hier das beste thun; drum will ich noch einen kleinen Rest aus meiner Fabrique hinzuthun" (S. 263). So wirkt der Zusammenhang zwischen Theorie und Beispiel teils nur recht formal: „Endlich will ich hier noch ein klein Trompeter-Stückgen beybringen, welches gewisser maßen (1) auch mit unter die Satyren gehöret" (S. 202). S. 326.
„ S c h m a c k . " — Diese Zwischenform für „Geschmack" begegnet i. d. Vorrede zu den „Vermischten Gedichten", und zwar in folgender Einbettung: „Und wiewol meine Gedichte bey denen, welche einen bessern S c h m a c k v o n der Poesie h a b e n , mehr Beyfall gefunden, als sie verdienen . . . " (sogleich am Eingang d. Vorrede), also dem Sinne nach ähnlich wie schon Jahrzehnte vorher „Geschmack" bei Prasch (1680) anzutreffen war. Von einem „zarten und delicaten Geschmack" spricht (gleichzeitig mit Mencke) C o r v i n u s i. d. Vorrede zu den „Proben der Poesie" (17x0), vgl. H. R i e f s t a h l : Dichter u. Publikum i. d. ersten Hälfte d. 18. Jh.s, dargestellt an der Geschichte d. Vorrede, Diss. Frankfurt a. M. 1934, S. 25.
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S. 329.
v. B e s s e r wird mehrfach sehr betont angepriesen. Besonders dort, wo es gilt, so etwas wie eine Ersatzform des Epos im Sondertypus des Heldengedichts nachzuweisen und das umfangreiche Preisgedicht v. Bessers auf den „ehemaligen Premier-Minister Eberhard von Danckelmann" mitgeteilt worden ist. Philander ruft dort aus: „II faut prendre haleine. Es lebe der Herr von Besser. Es sind lauter gute Gedancken in seinen Gedichten, und wie alles bey ihm galant und ungezwungen ist (Darstellungsideal), so pflegt er sich der ordinairen FlickWörter (zeittypisches Sorgenkind) gar selten zu bedienen und weiß hingegen die Zeilen mit lauter langen und wol chrisierten Wörtern geschickt zu erfüllen. Wenn er auf ein Gleichniß fällt, so ist dasselbe so wohl tournirt, daß sich alles schicken muß" (S. 169). Die Wendung „II faut prendre haleine" ist nicht ironisch gemeint, soll nur die Länge der Einflechtung entschuldigen und die Szene der Gesprächssituation — nicht gerade geschickt — wiederherstellen. Die Stelle wurde ganz zitiert, weil zugleich die theoretischen Idealforderungen aus der kritischen Würdigung ablesbar werden. Anerkennung für Besser auch sonst, etwa S. 145, 271, 307, 309.
S. 330.
B o r i n s k i s Darstellung: „Gemeinsam endlich und als erste Regung des litterarischen Selbstgefühls beachtenswert ist in dieser französisch-deutschen Poetik der Glaube an die Bestimmung der Deutschen für ein hohes poetisches Ziel, das seit Opitz ganz in den Hintergrund getreten war. (?) Im Gegensatz gegen die französische Sprache der Galanterie und Politesse sollte die rauhe, aber kräftige teutsche Heldensprache ausersehen sein, der Welt das langersehnte moderne Heldengedicht zu schenken" (Borinski S. 379), ist hinsichtlich der Bezugnahme auf Menckes „Unterredung", S. 144t. (welche Stelle Borinski als Beleg angibt, S. 279 Anm. 3) nicht gut haltbar. Mencke fordert dort nicht die „teutsche Heldensprache", vielmehr den akademischen Stil, als dessen Muster Besser gilt.
S. 330.
H a n s S a c h s e n s Teilgeltung besteht aber nur für das komische Fach, ähnlich der Teileinräumung, die dann auch Gottsched anfangs nur für Sachs bereithielt. Die übliche Meinung von Hans Sachs vertritt denn auch die oben erwähnte „Satyre auf den Mißbrauch der
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Poesie", wo über den gekrönten Poeten gespöttelt wird, ,,der dennoch nichts versteht / der offt so zierlich schreibt, als ob er mit Hanß Sachsen / Noch in der alten Zeit verwildert aufgewachsen / Der han vor haben braucht, und sich noch kaum enthält /, D a ß nicht ein 'Lobesan' aus seiner Feder fällt" (a. a. O., S. 195). Also auch hier wird nicht gerade viel von der alten „teutschen Heldensprache" erhofft. — Neben dem Prügelknaben Sachs für die „überholte" Volksdichtung und Handwerkerdichtung stellt die Satire den Prügel' knaben Zesen für die gleichfalls als überholt empfundene marinistische Dichtung; der „Schreinhalter" wird bewitzelt (S. 194) wie etwa schon bei Sacer u. a. S. 331.
R o m a n . — Uber die Romangattung bringen die Anmerkungen Menckes zu seinem (E. Neumeister gewidmeten) Gedicht: „ O b ein Poete wol Superintendens seyn könne ?" noch eine kleine Ergänzung. Es wird hervorgehoben, daß die „Romainen" der „Mademoiselle de Scudery" den „Affect der Liebe . . . vortrefflich exprimiret" hätten, während sie doch selbst von Liebe „frey geblieben seyn" soll (S. 6). — Die Verteidigung des erzieherischen — auch des politisch-erzieherischen — Wertes des D r a m a s wird in einer jener Anmerkungen (gestützt auf Plato, Grammont u. Hédelin d'Aubignac) unter Hervorhebung Corneilles aufgegriffen (S. 4/5). — Eine Corneillekritik, wie sie b. d. ital. Theoretikern begegnet, findet sich bei Mencke noch nicht.
Stolle S. 332.
Die Belegstellen beziehen sich auf die 4. Ausgabe von 1736; sie heranzuziehen wurde nahegelegt, weil ihr zugleich die „Gantz neuen Zusätze und Ausbesserungen" (1736) angehängt worden sind. — Über G. Stolle A. D. B. 36 (Μ. v. Waldberg).
S. 332.
N e u k i r c h s c h e A n t h o l o g i e . — Über Stolles Mitarbeit H. H e c k e l : Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien, Bd. I (1929), S. 359.
S. 332.
P o r é e s D r a m e n t h e o r i e . — Der ausführliche Titel der deutschen Übertragung der (von Brumois ins Französische übersetzten) lateinischen Rede Pater Porées lautet: „Des berühmten französischen Paters Poree Rede von den Schauspielen, ob sie eine Schule guter
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ANMERRUNGEN Sitten sind ? oder seyn können ? nebst einer Abhandlung von der Schaubühne", hrsg. v. Joh. Fr. May, Leipzig 1734. Die erste Frage wird verneint, die andere bejaht, wobei May, den Stolle als „eines der geschicktesten Mitglieder der offt-gerühmten deutschen Gesellschaft zu Leipzig" preist, eigne Verbesserungsvorschläge macht. — Erwähnt wird weiterhin der „Lettre du P. E. Souciet (Jesuit), contenant Quelques Réflexions sur la Tragédie" in den „Mémoires de Trévoux de l'an 1709". Und Antoine Houdard de la Motte: „Discours sur la Tragédie", beigefügt den „Oeuvres de Théâtre", Paris 1730. Eine Ergänzungsanmerkung zu Corneilles „Polyeucte" ist insofern bemerkenswert, als die Schwäche darin gesehen wird, „daß er verschiedenes anders getichtet, als es die Wahrheit der Historie mit sich bringet", also im Mangel an historischer Treue; zugleich ein kleiner Beitrag zum Verhältnis Dichtung und Datentreue, Stolle „Zusätze", S. 74.
S. 333.
Auf Thomasius greift Stolle mehrfach zurück im Poetik-Kap. seiner „Anleitung . . . " , so auch gegen Schluß, wo noch einmal unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Thomasius der relative Wert der Dichtkunst erwogen wird. Thomasius halte an sich nicht viel vom Versemachen, gestehe aber doch zu, „daß das Tichten seinen Nutzen habe. Gott hat dem Menschen sein ingenium nicht umsonst gegeben; man muß es nur nicht mißbrauchen und sich vor dem gewöhnlichen Ethnicismo Poetarum in acht nehmen", a. a. O., S. 255.
S. 333. Epos. — Auf Stolles Darlegungen über das Epos (a.a. O., S. 1760.) geht etwas näher ein E. Neustftdter: Versuch einer Entwicklungsgeschichte d. epischen Theorie in Deutschland (1928), S. 23—25. S. 334. Homer. — Homers Epen seien entstandén „aus unterschiedenen Gedichten, die man hernach an einander gehangen und zwey Wercke daraus gemacht" (Stolle, S. 178). Kennzeichnend für die rationalistische Verständnislosigkeit wirkt Stolles Kritik daran, „daß man die Pferde und Schiffs-Schnäbel redend eingeführet", das wirke „auch sehr abgeschmackt". In diese aufklärerisch nüchterne Haltung fügt sich entsprechend
ANMERKUNGEN
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die A b w e h r der Oper; es sei unnatürlich, die Reden „singend" vorzubringen (S. 206). S. 334.
W e r t u n g der „ g a l a n t e n " Dichter. — Hinsichtlich dieser Bewertung scheinen allerdings Schwankungen zu bestehen. Denn es dürfte abfällig gemeint sein, wenn Stolle „die übrigen Gedichte" (Eklogen, Satyren, Oden, Lob-Gedichte, Elegien, Hochzeit- und Begräbnis- oder auch moralische Gedichte, Epigramme, Madrigale und Sonette) bezeichnet mit „dem Worte der galanten Poesie, welche man nicht unbillig als ein Stuckwerck der hohen ansiehet" (S. 206). Eine Berührung mit B. Neukirch wird so spürbar in der rangmäßigen Gliederung der „hohen" und „galanten" Dichtung; auf flacherer Schicht doch grundsätzlich ähnlich bei A. Köhler (Σ734).
Weichmann S. 335.
Die Belegstellen beziehen sich auf die i. Text genannte Ausgabe.
S. 337.
Homer u. V i r g i l . — Einen Entwicklungsüberblick über d. Bewertung bietet F. B r a i t m a i e r : Über die Schätzung Homers und Vergile von J. C. Scaliger bis Herder, Tübingen 1886. — Durchgängig berücksichtigt auch bei B o r i n s k i : Die Poetik d. Renaissance (x886) u . Die Antike in Poetik u. Kunsttheorie, so etwa 1,12, 232/3 u. a. m.
S. 339.
H a n c k e s „Poetischer Staar-Stecher" (1730) findet (außer in Heckeis Darstellung u. teils in kritischer Auseinandersetzung mit ihr) Berücksichtigung bei G. B u r ker t: G. B. Hancke, Diss. Breslau 1933, S. 20—22, u. zwar im Sinne der „Rettung". Dort werden auch „Die poetischen Anschauungen Hanckes", &. a. 0., S. 56—60 gewürdigt in ihrer kompilatorischen Grundhaltung, ihrem Stellungswechsel gegenüber Boileau, ihren Angriffen auf die Schweizer. Die aufgespürte, „oberflächliche" Berührung mit d. Schweizern kann nicht recht überzeugen (S. 60).
S. 340.
J. G. N e u k i r c h wird verhältnismäßig eingehend bei U. Wendland berücksichtigt.
432 S. 341.
ANMERKUNGEN
E i n f l u ß S c h o t t e l s . — U. Wendland a . a . O . , S. 77 verweist in diesem Zusammenhange auf Schottels Vorarbeit.
Köhler S. 341.
Die Belegstellen beziehen sich auf d. Ausgabe „Halle 1734", die offenbar die Urausgabe darstellt. Denn das „mit unterschiedenen Exempeln vermehrter" im Titelzusatz bezieht sich wahrscheinlich nur auf die Beispiele, die Köhler früher im Unterricht zugrunde gelegt hatte.
S. 341.
„ W e r c k g e n " . — Das „Werckgert" umfaßt mit seinen zwei Teilen (ohne den Gedicht-Anhang) immerhin 382 Seiten; es ist zugleich ein Beleg für die durch Beispielaufschwellung zerdehnten Poetiken.
S. 341/2. B e g a b u n g s b e w e r t u n g . — Köhlers Vorrede nimmt auf Plutarch Bezug; „gute Anweisung und SelbstÜbung" werden in gewissem Grade als Ersatzwerte gegenüber „einem guten poëtischen Geist", der an sich den Vorrang behält, angesehen; jedoch nur für die Dichtung im Nebenberuf u. als „Nebenwerck". S. 342.
Z w e c k d. D i c h t k u n s t . — Eine gewisse Verstärkung des delectare könnte etwa auch von dem „Beschluß"Gedicht abgelesen werden, wo die Dichtkunst ebenso „wie Marcipan, so wenig und zuletzt / Auch m e i s t e n t h e i l s z u r L u s t , wird auf den Tisch gesetzt" (S. 382). Doch bezieht sich Köhler hier wieder auf die Unterhaltungspoesie galanter Art, die seine „Einleitung" fördern soll, auf die Dichtung also, als „admirables Nebenwerck" betrachtet. A u s w e i c h e n v o r der E n t s c h e i d u n g . — Köhler a. a. O., S. 11/2 (§ 10) „Will man fragen: Welche Art die beste sey, so gebe ich zur Antwort: Sie sind beyde gut und admirable." Weises Stilrichtung sei geeignet für „lustige Sachen" und schnelles Produzieren, „da man zu einem Gedicht oder Carmen nicht 14 Tage Bedenck-Zeit hat" (I). Dagegen sei „Hoffmannswaldauens Art" geeignet zu „affectirten und wohl bedachten Sachen". Jeder Poeterev-Anwärter richte sich im Anschlußsuchen nach seinem „Naturell".
ANMERKUNGEN
S. 343.
433
Gewährsmänner: Morhof (S. 1), Opitz (S. 4, 108). Opitz gilt als Grenzgebung für die „alten" u. „neuen" Poeten, daneben Luther, und zwar wird d. vorlutherische dt. Dichtung verständnislos als „gemeiniglich sehr alber (sie!), einfältig und abgeschmackt" abgetan. Überhaupt macht der flüchtige und schiefe historische Rückblick kaum den Eindruck, als ob Köhler den von ihm erwähnten „Unterricht" Morhofs näher gekannt oder ausgewertet habe. — Weise (mehrfach), S. 5, 12, 50, 64 (Konstruktionsgesetz), 73, 82 (Konstruktionsgesetz mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Weise) u. a. — Omeis, S. 277 (Lustspiel), 320 (Tragödie; aber ohne Omeis eingehend zu kennen, mehr nach Opitz). — Menantes (Neumeister) S. 252. — E. Uhse S. 183. — Kennzeichnenderweise nennt er b. d. Erörterung d. Rechtschreibung Poetiker wie Harsdörffer, Schottel, Ziegler, Wentzel, Joh. Hübner (S. 19), anstatt sie f. d. Poetik auszuwerten. K. Stieler („Der bekannte Spate") kommt mit seiner Secretariatskunst zu Worte.
Breslauer Anleitung S. 344. Die Belegstellen beziehen sich auf die Urausgabe „Breßlau, Bey Michael Hubert, 1725". S. 344.
V e r f a s s e r f r a g e — Der anonyme Verfasser berichtet i. d. Vorrede a. d. „Hoch-geneigten Leser", daß ihm die Hkndschriften „einiger berühmter Männer" anvertraut worden seien „als B. N. E. M, C. S.", die „eine zwar kurtze doch gründliche Anleitung zur Poesie gegeben"; weil sie weltanschaulich (christlich) mit ihm übereinstimmten, habe er es „vor billig und nöthig erachtet, es dem Drucke zu übergeben". Er beansprucht also nur das Verdienst eines Herausgebers. Man hat die Breslauer Anleitung näher zu bestimmen versucht als anonymen Abdruck einer Vorlesungsnachschrift, und zwar soll Christian S t i e f f (1675— 1751), auf dessen Aktus „von der Beschaffenheit der teutschen Poesie" (1709) und „Schlesisches historisches Labyrinth" H. Heckel, a. a. O., Bd. I S. 361 hinweist, jene Poetikvorlesung gehalten haben. So C. Heine, ZfvglL G., N. F. X I I I , S. 27L u. W. J u k e r : Die Theorie d. Tragödie i. d. dt. Poetiken u. ihre Durchführung i. d. bedeutendsten Trauerspielen d. 17. Jh.s, Diss. Heidelberg (Masch.) 1924, S. 51. Vgl. G. B r a t e s :
• I H a r k w a r d t , Poetik ι
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ANMERKUNGEN
Hauptprobleme d. dt. Barockdramaturgie (1935), S. 39/40. Übrigens wird Chr. Stieff gern als anonymer Verf. vermutet, so hat ihn Mylius (1740) als Verf. des „Schlesischen Robinson" (1724) angenommen, vgl. H. Heckel, a. a. O., S. 365. Auf die „Breslauer Anleitung" geht Heckel in diesem Zusammenhange jedoch nicht ein. S. 344.
„ s p ä t g a l a n t e " Gruppe. — Zusammen mit J. B. Mencke u. Amthor wird d. anonyme Verf. einer „schon recht spätgal. Gruppe für sich" zugeordnet von U. Wendland a. a. O. (1930), S. 46; dort auch d. Hinweis auf „stark pietistische Neigungen", S. 47. — U. Wendland spricht selbst von einer „eigentümlichen" Gruppe, die jedoch in Wirklichkeit in dieser Weise gar nicht besteht. Die Abhebung Menckes von d. Verf. d. Breslauer Anleitung wurde bereits oben im Mencke-Abschnitt vorgenommen. U. Wendland klärt d. Einordnung jener Gruppe bald darauf (S. 48) insofern, als sie üb. d. Gal. „eigentlich schon hinaus" gehe, hält sie aber an sich fest.
S. 344.
„barockal". — Diese Neigung zeigte G. B r a t e s i. s. Aufsatz: Die Barockpoetik als Dichtkunst, Reimkunst, Sprachkunst, ZfdPh. 53.
S. 345.
Die eigentliche Poetik findet sich a. a. O., S. 92—175.
S 346.
B o r i n s k i a. a. O., S. 376.
S. 350.
„Des Lesers H e r t z zu gewinnen", Breslauer Anleitung S. 94, 100 u. a.
Nachtrag 1957 I. Skizze cines Literaturberichts In demselben Jahre, in dem die erste Auflage dieses ersten Bandes erschien, veröffentlichte E r i c h T r u n z seine Habilitationsschrift über „Dichtung und Volkstum in den Niederlanden im 17. Jh." (München 1937). Darin findet sich, wie denn der Zusatztitel einen Vergleich mit Deutschland verspricht, die bemerkenswerte Stelle: „In Holland bestand eine gewachsene Kunsteinheit, in Deutschland in diesem Jahrhundert nur eine gewollte. Es gab rational-konstruktiv auch in Deutschland eine Einheit, in den Poetiken u. Rhetoriken, von Opitz und Harsdörffer bis zu Morhof u. Schottel. Es ist eine große Leistung, die man hier vollbrachte, denn in ihr lebt ein großartiger Ganzheitswille, eine Sehnsucht zu Gott, die der Dichtung ihre Stelle im All geben will.. ." Aber auch die Schwächen u. Gefahren der Zeitpoetiken werden kurz verzeichnet (a. a. O., S. 26/27). F r i t z Martini: Poetik, in „Deutsche Philologie im Aufriß," hrsg. v. W. Stammler, Bd. I (1952), Sp. 225 ff. vermittelt auf beschränktem Raum einen — wie er selber betont — „notgedrungen flüchtigen Überblick" auch über die Barockzeit. Da sich Fritz Martini mehrfach auf vorliegenden Band beruft, würde ein Wechselhinweis forschungsmäßig nicht recht weiterführen. Das geschieht nur insoweit, wie Martini aus P a u l B ö c k m a n n s Formgeschichte (1949) Gewinn gezogen hat (Sp. 229 u. Anm. dazu). Dagegen hat er das durchweg Mosaikhafte der Barock-Poetiken richtig erkannt, ebenso den „Anweisungscharakter" entsprechend meiner Terminologie. Besonders begrüßenswert ist sein Aufgreifen der „latenten Poetik" als Trägerin des eigentl. Kunstwollens. Es ist eben das, was ich jetzt als werkimmanente Poetik zu bezeichnen pflege und was sich in manchem Betracht mit P. Böckmanns Lehre vom „Formprinzip" oder „Formgesetz" berührt. Ebenso begrüße ich die Aufnahme von Termini wie „Dichtungsdeutimg" und „Literaturphilosophie" (Sp. 230). Inzwischen haben Bd. II u. III meiner Poetik-Geschichte manches von dem ausbauen können, was Martini noch aus dem Reallex.-Artikel „Poetik" entnehmen mußte. Daß er es aber nicht nur übernommen, sondern auch sinnvoll eingebaut hat, spricht für die Vielseitigkeit seiner at*
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NACHTRAG
Orientierung und der seines Lesers. Erwünscht wäre vielleicht gewesen, wenn Martini einige Bemerkungen über das Mißverhältnis von Theorie und Praxis (ζ. B. betr. Epos u. Roman) eingeflochten hätte, was man für einen flüchtigen Überblick freilich nicht fordern kann. In demselben Sammelwerk W. Stammlers bringt A u g u s t L a n g e n : Dt. Sprachgesch. vom Barock bis zur Gegenwart, Bd. I (1952), Sp. 1077—1161 (17. Jh.) manches Ergänzende und Instruktive, bes. themagemäß für die Sprachauffassung und den Sprachstand bzw. Wortbestand und die Stilerscheinungen, gelegentlich aber doch auch für die Poetik dieses Zeitraums. P. Böckmanns „Formgeschichte" (1949) scheint nicht mehr ausgewertet worden zu sein. Für die werkimmanente Poetik bieten die einzelnen Stil-Bildnisse (Abschnitt : Dichtersprache, Sp. n o i ff.) ζ. T. recht brauchbare Anhaltspunkte; dort wird mit Recht nach Gattungen gegliedert. Die Verallgemeinerung: „Das Modewort .galant', dessen Mißbrauch schon von Thomasius 1687 und noch in Gottscheds .Vernünftigen Tadlerinnen' 1725 verspottet wird, meint abgesunkenes Barock: entleerte gesellschaftlich-höfische Form ohne das früher dahinter stehende Ethos" dürfte der Sondergeltung des „Galanten" nicht ganz gerecht werden. Dagegen ist für die Sonderform des Sonetts, die Aug. Langen als Beispiel heranzieht (Sp. 1149), die Wertminderung zuzugestehen. Aber das ist dann eigentlich gar nichts „Barockes" mehr, sondern das an sich richtig beobachtete Zutodehetzen einer Lieblingsart der Lyrik des 17. Jh.s. Paul Böckmann: Formgeschichte der dt. Dichtung, Bd. I („Von der Sinnbildsprache zur Ausdruckssprache") Hbg. 1949 handelt im 4. Kap. vom „Elegantiaideal" und vom „rhetorischen Pathos des Barock", a. a. 0., S. 3i8ff. Im einzelnen wird die Wechselwirkung des human. Elegantia-Ideals und des protestant. „Offenbarungsglaubens" verfolgt, wobei streckenweise die Dichtung etwas aus den Augen verloren wird, um zunächst einmal die weltanschaulichen Grundlagen zu sichern. Es wird erfolgreich versucht, die Ursachen der „antithetischen Sprachgestaltung" aufzudecken, die Sprachform Jakob Böhmes auf seine „mystischtheosophische Haltung" zurückzuführen (S. 334!); das „Eigenrecht der Barockrhetorik" wird herausgestellt; die „Aussprache und Darstellung der persönlichen Gefühlswelten" dürfte ein wenig überschätzt worden sein; richtig ist dagegen der Zwiespalt erkannt, der zwischen dem Ausdruckswollen und dem Ausdrucksvermögen besteht (S. 340), wobei sich P. Böckmann freilich auf G. Müller bezieht. Dankenswert erscheinen die Belege für Herkommen und
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Verwendungsart des Wortes „barock". Zum Verfolgen der Sprachpflege in den Sprachgesellschaften stellt P. B. vor allem das Richtungswort der „ Z i e r l i c h k e i t " heraus, wobei zu betonen wäre, daß nicht die rokokohafte Zierlichkeit gemeint ist, sondern im wesentlichen die rhetorische „Auszierung", also der ins Stilistische umgesetzte Schmuck- und Repräsentationswille. In gewissem Grade ist „Zierlichkeit" ein deutsches Ersatzwort für „Elegantia". Diese Seite des barocken Formwillens würde etwa dem entsprechen, was ich als die kulturpatriot. Leitidee umschrieben habe, während die Offenbarungshaltung eine Verbesonderung dessen darstellt, was ich mit der christlich-moralischen Leitidee bezeichnet habe. Ebenso bieten die „Elegantia" und das „rhetorische Pathos" kaum neue Blickpunkte, werden denn auch von P. Böckmann nicht als solche beansprucht. Überhaupt will es bei aller sauberen Durcharbeitung des theoret. und prakt. Materials nicht recht geüngen, für die Barockepoche ein so prägnantes Formprinzip herauszufinden, wie es das „Formprinzip des Witzes" für die frühe Aufklärung darstellt oder doch als etwas Vorläufiges an die Hand gibt. Es sei aber gern zugestanden, daß es schwer fallen dürfte, das Stil- und Kunstwollen einer so komplizierten und in sich mannigfach gebrochenen Epoche auf eine kurze Formel (als „Formprinzip") zu bringen oder auch nur notdürftig und notgedrungen zu pressen. Am ehesten .noch hält das Merk- und Kennwort „Zierlichkeit" Stich, das denn auch in der „Poetikenliteratur nach Opitz" verfolgt wird (S. 366f.). Dabei entgeht P. B. nicht die wertvolle Vorarbeit R. Alewyns. Es gelingt auch der Interpretationskunst Böckmanns, in der Dichtung des Andreas Gryphius in erstaunlich weitgehendem Maße die produktive Spannung von Elegantiaideal und Offenbarungshaltung sichtbar werden zu lassen, wobei er von der Lyrik ausgeht, aber auch auf die Dramen eingeht (S. 416L bzw. 430Í.). Aber bei Grimmelshausen muß — um das Stichwort beibehalten zu können — eine negative Formulierung aushelfen, nämlich „die Abwendung vom Elegantia-Ideal" (S. 448). Und man vermißt, während Lyrik und Drama mit spezifischen Barockgebilden zur Geltung kommen, ein ähnliches Eingehen auf den „eigentlichen" Barockroman jenseits Grimmelshausens. Gerade weil der Roman in der Poetik vernachlässigt wird, also die PoetikGeschichte verhältnismäßig wenig darüber ausmachen und aussagen konnte, wäre hier für die Formgeschichte ein freies und fruchtbares Feld gewesen, von dem mancher Ertrag hätte eingebracht werden können. Freilich hätte es dabei einer reicheren Stufung des Elegantia-Prinzips bedurft. Für die Frühzeit der dt. Aufklärung kann dann schon das „Formprinzip des Witzes" einen festeren Halt bieten.
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NACHTRAG
Im Gesamt hält P. Böckmann sich indessen bei der Formgeschichte der Barockzeit enger an die sprachtheoretischen Forderungen und die sprachstilistischen Erfüllungen. Und damit bleibt er der Formgeschichte näher als in seinem Aufklärungskapitel. Was also an der schlagkräftigen Formel mangeln mag, wird aufgewogen durch die strengere Thementreue. Im wesentlichen stimmt P. B. mit den genannten Leitideen meines Bd. I, die schon damals als durchgreifende Leitideen bezeichnet wurden, erfreulich weitgehend überein und bestätigt so vielfach durch den entsprechenden Abschnitt seiner Formgeschichte, was dort für die Poetik-Geschichte ermittelt und belegt worden war. Was ergänzend und bereichernd wirkt, ist oben knapp angedeutet worden. Sehr begrüßenswert ist das themagemäße Eingehen auch auf Erscheinungen des Sprachstils. Nicht selten greift P. Böckmann dabei tiefer als es A u g u s t Langen (a. a. O., 1952) trotz seiner erfreulich weitgehenden Einbeziehung des Sprachstils vermag (schon aus Raumgründen). Aber immer wieder wird in solchen Bezirken die noch unzulängliche Methodik von historischen Stilcharakteristiken spürbar. So etwa scheint P. Böckmann gewissen Stilfiguren einen festen Ausdruckswillen bzw. Darstellungswillen und eine zugeordnete Ausdruckswirkung zuzuschreiben. Das wird wesentlich beim Bemühen, rhetorischen Stil etwa bei Paul Fleming nachzuweisen. Mir will scheinen, daß dieselbe Stilgestalt ganz verschieden gearteten Stil-Bildungskräften dienen kann. So überzeugt ζ. B. nicht die Betreuung einer „rhetorischen Überformung" bei der Analyse von Flemings Ode ,,Die Stolze". Gewisse Figuren, die von der Schulstilistik als „rhetorische Figuren" bezeichnet werden, brauchen nicht in jedem Einzelfall (und in jeder Epoche) einem spezifisch rednerisch gehobenen Stil zu dienen. Parallelismus, Antithese, Metapher begegnen nicht nur im sog. rhetorischen Stil. Es kommt vielmehr auf den jeweiligen Darstellungstypus und Ausdruckswillen an, in dessen Dienst eine stilistische Erscheinimg und Form gestellt wird, ganz abgesehen vom jeweils vorliegenden Sachgruppentypus des Stilgebildes, von der thematischen Bedingtheit, von der Einlagerung in das Stilmilieu (Rückwirkung des Zusammenhanges auf die Einzelerscheinung) usw. Die s t i l b i l d e n d e n K r ä f t e , die hinter den Stilerscheinungen stehen, dürften wichtiger sein cds die zudem subjektiven Geschmacks- (und Gewöhnungs-) Reaktionen unterworfenen Äußerungsformen. Darstellungswille, Darstellungsmittel, Darstellungsfähigkeit, Darstellungsdynamik, Darstellungsatmosphäre, Darstellungsziel usw. sind derartige stilbildende Kräfte. Sie alle wollen berücksichtigt sein, um das Wesen des Stils aus dem rekonstruierten Werden, nicht aber — wie es
I. SKIZZE EINES LITERATURBERICHTS
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vorwiegend geschieht — nur aus der Wirkung (vgl. Wilhelm Schneiders Attribut-Methode der Ausdruckswerte) abzulesen. Doch darüber an anderer Stelle (Mskr. d. Verf.s über ,,Methodik historischer Stücharakteristik" vor dem Abschluß). P. Böckmann kennt durchaus jene Indienststellung wirkungsmodifizierender Art, so etwa wird er ihr gerecht im Grimmelshausen-Abschnitt, wo er sich von seinem Elegantia-Leitbegriff lösen muß und nachweist, daß Grimmelshausen typische Stilformen barocker Art in den Dienst der Satire (also eines satirischen Darstellungswillens) stellt (übrigens ζ. T. geradezu parodiert oder travestiert). Sollte es bei P. Fleming nicht auch möglich sein, daß jene stilistischen Einzelformen aus dem Verband barocker Rhetorik über das von P. Böckmann an sich zugestandene Maß hinaus in den Dienst eines ζ. T. erstaunlich weitgehenden persönlichen Erlebnisausdrucks gestellt worden sind oder doch sein könnten ? Leitbegriffe können gelegentlich auch verleiten : dazu nämlich, die Andersartigkeit der Stilbildungskräfte zu unterschätzen. Trotz derartiger kritischer Bedenken in Einzelheiten bleibt das Gesamtwerk ein großer Wurf und auch das Barockkapitel ein wertvoller Gewinn, wobei die Poetik mehrfach berührt wird. Besonders für die werkimmanente Poetik bietet es manche fruchtbare Anregung. Das Gefühl dafür, daß Kunstwollen und Kunstschaffen im 17. Jh. vielfach auseinanderstreben, läßt sich gelegentlich an Äußerungen der Romantiker ablesen, hinter denen freilich eine durchweg recht unzulängliche Sachkenntnis und ein ähnlich unzureichendes Zeitverständnis sichtbar werden. Immerhin glaubt z.B. Fr.Schlegel für eine gerechte Bewertung von Martin Opitz fordern zu sollen, „mehr auf das zu sehen, was er hätte werden können". Die Zeitverhältnisse und Lebensbedingungen, das Ausscheiden ,,in noch frühem männlichen Alter", alles dies habe „seine Absicht . . . unausgeführt" gelassen. Es sei in diesem Zusammenhange darauf hingewiesen, daß Herbert C y s a r z eine Neudeutung Opitz' vorbereitet hat. Soviel mir angedeutet wurde, wird die Opitz-Würdigung Cysarz' auf eine Hebung der entwicklungs- und dichtungsgeschichtlichen Geltung hinarbeiten, wobei die genialen Voraussetzungen gegenüber den bloßen Satzungen des Gesetzgebers in erhellendes Licht gestellt werden sollen. In der Tat dürfte das Opitz-Problem noch ebensowenig gelöst wie das Opitz-Kapitel abgeschlossen sein. Einiges Ergänzende verspricht Marian Szyrocki: Martin Opitz, in: Neue Beiträge zur Lit.-Wiss. Bd. 4, Bln. 1956 (Poln. Diss. Breslau) zugeben. Man begrüßt ein Kapitel: „Poetik und Gedichte" (S. 59—76), das freilich von vornherein zwischen rein biographischen Kapiteln wie etwa „Reisejahre" und „Im
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Dienste des Burggrafen von Dohna" schmächtig eingeengt begegnet. Man erfährt daraus das Notdürftige und Übliche. Und man ist darüber weniger erstaunt, wenn man von den Anmerkungen, die erfreulicherweise beigegeben worden sind, eindeutig ablesen kann (a. a. O., S. 147), daß die einschlägige Literatur über das „Buch von der dt. Poeterey" nur von 1883—1888 reicht. Das Neueste der Errungenschaften stellt Ch. W. B e r g h o e f f e r s Darstellung von 1888 dar. Nur der Neudruck der „Poeterey" im Max Niemeyer-Verlag gerät bedrohlich an die Gegenwart heran (1902!). Im übrigen bleibt Marian Szyrocki bei K. B o r i n s k i stehen. Überflüssig zu erwähnen, daß er die „Geschichte der dt. Poetik" d. Verf.s, die Opitz S. 29—45 u. S. 361—66 berücksichtigt, weder nennt noch kennt. Bedenklicher schon, daß anscheinend auch sein wissenschaftlicher Betreuer den „Grundriß der German. Philologie" nicht beachtet und seinen Schüler darauf aufmerksam gemacht hat (S. 7). Nimmt man wohlwollend an, daß M. Szyrocki trotz alledem sehr wohl mit der Opitz-Interpretation a. a. O. vertraut gewesen sei, aber schonend darüber hinweggesehen habe, so bleibt immer noch ein leises Bedauern darüber bestehen, daß er von der Einlagerung Opitz' in die Barock-Poetik keinerlei Notiz genommen hat. Zum mindesten davon hätte selbst er einiges lernen können. Ebenso übrigens vom Opitz-Abschnitt bei Paul Böckmann : Formgeschichte Bd. I, den er ebenfalls übergeht. Denn wie wir ihm dankbar sind, wenn er uns über den schlesischen Berg- und Hüttenarbeiter (und Dichter) Walentin Rozdzionski als Verfasser eines „großen poetischen Werkes in polnischer Sprache" - . . „über die Tätigkeit der Berg- und Hüttenarbeiter" etwas Beiläufiges mitteilt (a. a. O., S. 9) : sollte er uns nicht auch ein wenig dankbar entgegenkommen, indem er Forschungen berücksichtigt, die freilich schon überholt sein könnten, weil sie 1937 erschienen sind ? Da hofft man nun allen Ernstes, doch wenigstens in einer, wenngleich überwiegend biographisch eingestellten Sonderforschung über M. Opitz von 1956 etwas anzutreffen, was diesen „Nachtrag" auf Gegenwartsstand bringen könnte; und dann erlebt man die herbe Enttäuschimg, daß nicht einmal der Forschungsstand von 1937 (Markwardt), vollends nicht von 1949 (Böckmann) erreicht worden ist, sondern betr. der Poetik nur der Zustand von 1888! Über die Poetik Opitz' handelt M. S z y r o c k i also a. a. O., S. 60—68, auf Grund von Borinski und Berghoeffer. Die Behauptung: „Opitz' Abhandlung ist eine theoretische Zusammenfassung seiner Errungenschaften auf dem Gebiet der Dichtung" (a. a. O., S. 61) ist schlechthin unhaltbar angesichts der zeitlichen Abfolge der dichterischen Produktion Opitz'. Fraglich erscheint auch die
I. SKIZZE EINES LITERATURBERICHTS
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Behauptung, daß Opitz (1624!) dazu „im Laufe eines komplizierten Entwicklungsprozesses gelangt war, der auf der Basis fortschrittlicher Weltanschauung vor sich ging" (a. a. 0., S. 61). Richtiger wäre es, wenn M. Szyrockis Opitz-Forschung, soweit jedenfalls die Poetik in Frage kommt, „auf der Basis (zeitlich 1) fortschrittlicher" wiss. Kenntnisse zu förderlichen Erträgen gelangt wäre. Irrig ist die Meinung, daß nur Aristokraten in den Sprachgesellschaften anzutreffen gewesen seien. Vielmehr ist bemerkenswert, daß auch Bürgerliche in ihnen aufgenommen wurden. Darin nämlich liegt das „Fortschrittliche". Erfreulich bleibt noch, daß M. Szyrocki wenigstens Zweifel daran hegt, ob nun M. Opitz wirklich, wie Anna Wrobel vorschnell gefolgert hat (Kochanowski u. d. dt. Lit., 1951), im sechsten Abschnitt seiner Poetik womöglich gar noch vom „Höfling" („Dworzanin") des polnischen Schriftstellers Gornicki abhängig sei. M. Opitz hatte in der Tat genug damit zu tun, alle seine westlichen Gewährsmänner hineinzubringen. Immerhin bleiben analoge Erscheinungen im Osten interessant. Die Anführung, daß Opitz dem Wein eine beträchtliche Rolle zur Erregung poetischer Begeisterung zugeschrieben habe, wirkt tröstlich. Uberwiegend richtig gesehen werden Opitz' Beiträge zum Sprachstil und zur Metrik, ohne daß jedoch neue Erkenntnisse gewonnen oder auch nur neue Deutungen angestrebt würden. Die beigefügte Opitz-Bibliographie (S. 211—215) ist bes. für einen Ausländer erfreulich reichhaltig ; aber gegenüber Sonderuntersuchungen dürfen Gesamtdarstellungen nicht vernachlässigt werden. Relativ ergiebiger als die landläufigen Darlegungen über die Poetik erscheint die eingehende Würdigung des „Aristarchi" (1617; S. içf.). Freilich klingt die These von der „latinisierten Kultur der besitzenden Klassen" wieder reichlich modern, wie denn überhaupt in der Gesamtdarstellung das liebevolle und kenntnisreiche Eingehen auf biograph. Einzelheiten in einem deutlichen Kontrast steht zu dem überzeugungswilligen Hineintragen soziologischer Vorstellungen in eine wesentlich und wesenhaft anders geartete Epoche. Dergestalt fühlt sich der Leser fortgesetzt hin- und hergerissen zwischen zeitgemäßer Rezeption und gegenwartsnaher Reflexion. Glaubt M. Szyrocki wirklich, Martin Opitz aus dem 17. Jh. mit der ihm geläufigen weltanschaulichen Terminologie des 20. Jh.s beikommen zu können? Wir haben den Eindruck, daß entweder Martin Opitz verbogen wird — oder jene Terminologie. M. Szyrocki legt von seinem Standpunkt aus besonderen Wert auf die angeblich bisher vernachlässigten Beziehungen Opitz* zu den Arianern bzw. besonders zu den Irenikern (womit er dann einen Anschluß an die moderne Friedensbewegung erzwingt). Vom kulturpatriotischen Standort eines Polen aus versucht man zu
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verstehen, wenn M. Szyrocki einleitend auf S. 9 neben Shakespeare, Sidney in England, Ariost und Tasso in Italien, Cervantes und Lope de Vega in Spanien so ohne weiteres Jan Kochanowski als ranggleich heranzuziehen sich berechtigt fühlt. Um so anerkennenswerter bleibt es, daß er dem Deutschen Martin Opitz — er spricht freilich durchweg vom „Schlesier" — diese Darstellung widmet, der er noch eine eingehende Opitz-Monographie folgen zu lassen gedenkt, wobei ihm auch das hier erwähnte „ausländische" Material gute Dienste leisten wird. Leider muß ihm zugestimmt werden darin, daß z. Z. die Nicht-Deutschen (neben ihm und anderen Polen die Amerikaner) die Führung in der Opitz-Forschung innehaben. Freilich eröffnete schon R. A l e w y n s bedeutsamer Vorstoß eine aufschlußreiche neue Sicht. Ob H. Cysarz diese Sicht und Ansicht vom „vorbarocken Klassizismus" weiter ausbauen oder aber Opitz für den Barock zurückfordern wird (unter entsprechender Ausweitung des Barock-Begriffs), muß vorerst dahingestellt werden. Um nun jedoch zum Ausgangspunkt dieser Erörterungen um Opitz, den Ansichten der Romantiker zum Barock, zurückzukommen : ein gewisser Ansatz zum Verstehen des barocken Kunstwollens wird hinsichtlich des überhöhten Bildgebrauchs spürbar in der Warnung A. W. Schlegels vor einem Verwerfen dieser Steigerungsformen, die ihm freilich mehr in die Breite als in die Höhe zu gehen scheinen (Vorlesungen 1803/04). Jedenfalls erkennt A. W. Schlegel weit klarer die Gefahr, die in einer derartigen billig-unbilligen Verwerfung barocken Bildgebrauchs liegt oder doch liegen kann, als sein Oheim aus der Aufklärung Joh. El. Schlegel im Vergleich zwischen Gryphius und Shakespeare. Trotz immer noch geringer Kenntnis der Lit. des 17. Jh.s zeigen die Romantiker dennoch eine gewisse Willigkeit und Fähigkeit, sich in das Kunstwollen des Barock wenigstens in Sonderfällen und Einzelsituationen weitgehender einzufühlen. Die Sonderarbeit von Nelly Heusser: Barock und Romantik, Versuch einer vergleichenden Darstellung, Frauenfeld/Leipzig 1942 hat diese Erscheinung erfreulich herausgearbeitet. Ob und wieweit freilich die romant. Ironie mit beteiligt gewesen ist, erscheint fraglich. Dagegen erweist sich als fruchtbarer die Frage, ob es eine Art von barocker Ironie vor der fraglos nachweisbaren rokokohaften Ironie gegeben hat. Zum mindesten in Ansätzen dürfte sie vorhanden und im Kunstwerk wirksam gewesen sein. In gröberer und eben deshalb greifbarerer Form tritt sie z. B. zutage im Lustspiel Gryphius', bes. im „Horribilicribrifax", wo die Rhetorik sich ins Groteske überschlägt, nicht ohne das Extreme des Meta-
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pherngebrauchs entsprechend bloßzustellen. An sich war die Herausbildung einer barocken Ironie weltanschaulich gegeben oder doch nahegelegt durch das Messen aller Wirklichkeitswerte am allein gültigen Maßstab der christlichen Heilslehre. Und insofern wäre eine vorerst als H y p o t h e s e ins Auge gefaßte barocke Ironie ursprungsgemäß verwandt mit der romantischen Ironie. Freilich fehlt dieser barocken Ironie durchweg die geistige Verspieltheit, dazu war der lastende Ernst zu schwerbeweglich, dergestalt daß die barocke Ironie überwiegend die Neigung und Nötigung in sich birgt, oft unmittelbar in die tragische Ironie umzuspringen; so etwa in der Situation des als Bettler an der Triumphstraße hockenden Feldherrn Beiisar (Jakob Bidermann) oder des vom Besenbinder nicht gekannten und nicht beachteten Doktors aus Paris Cenodoxus (Jakob Bidermann) oder des durch die eigene Macht sein eigenes Glück zerstörenden Schach Abas (Ausgang i. d. „Catharina von Georgien" v. A. Gryphius) oder in des Leo Armenius Verschiebung der Hinrichtung seines Gegners Michael Baibus über die Tage des Weihnachtsfestes hinaus, was zu seinem Sturz und Tod führt (Gryphius' „Leo Armenius"). Die eigentliche barocke Ironie wird aber vor allem dort sichtbar, wo das Barockpathos die Relativität des Repräsentativen hindurchscheinen läßt, indem die Wichtigkeit der großen Welt die Nichtigkeit des Sich-Wichtig- und Sich-(pathetisch)-Würdig-Vorkommens transparent werden läßt. Die Fadenscheinigkeit der repräsentativen Barockgewandung wird Mittel zum Zweck dieses „ironischen" Reflektierens, wobei das scheinbar Erhabene nah an das Lächerliche grenzt, um als barocke Komik in den Scherz- und Schimpfspielen auch als Hauptmotiv in Erscheinung zu treten. DEIS, was P a u l Böckmann in seiner sehr aufschlußreichen und gedankenreichen „Formgeschichte der dt. Dichtung" I (1949) einmal als das „Pathos der Selbstverachtung des unerlösten Menschen" umschreibt (a. a. O., S. 331), mußte geradezu einladen zu einer Ironisierung des absoluten Wertanspruchs dieses repräsentativen Pathos und zu einer selbstkritisch gebrochenen Relativierung. In diesem Sinne klammerte sich der „Barockmensch" gleichsam an das „Pathetische", an dem er scheitern mußte. Anders gesehen und gesagt: das „Elegantia"-Ideal der Renaissance war in dem Augenblick (was P. Böckmann ein wenig unterschätzt) ein totgeborenes Kind, in dem das Ideal des christlichen Barock, die Heilslehre und deren künstlerischer Reflex als das allein Erhebliche und Erhebende erkannt und anerkannt wurde. Selbst die antike Theorie wurde in dem Grade zur „Ironie", wie neue Wertungen zu neuen Wirkungen strebten. Die Liebe zum irdischen Leben aus der Fülle des Renaissancehaften geriet notwendig in einen Wettbewerb der
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Wertung aus der Tiefe des Barocken. Denn das Demonstrative der Heilslehre und das Dekorative der Repräsentationslehre stellten noch nicht die letzten Werte der Barockkunst. Vielmehr suchte sie aus diesen Bindungen freizukommen, um der Entbindung der Kunst zum mindesten vorbereitend entgegenzukommen. Sie ließ es gleichsam auf eine Gewaltprobe ankommen, um einer gültigen Erprobung der Gestalt (und der Gestaltung) näher zu kommen. Sie suchte die Tradition der Renaissance mit der Konvention der Kunst zu verschmelzen im Raum und Rahmen des 17. Jh.s, da dem 16. Jh. eine Synthese der geistigen Revolution des Humanismus und der geistlichen Revolution der Reformation nicht gelungen war. Ihr Bekenntnis galt- dem Christentum; aber ihr Zugeständnis ließ doch auch die Renaissance der Antike gelten. Der Heroismus der stoischen Antike verband sich mit der leiderprobten Beständigkeit der christlichen Gesinnung des Märtyrers für Glauben und Kirche. Die barocke Ironie aber ist das Zugeständnis, daß Humanismus und Christentum, daß Wissen und Glauben sich letzten Endes im 17. Jh. ebenso schwer verbinden und versöhnen lassen, wie das im 16. Jh., also in der Reformation, der Fall gewesen war. Die ererbte Glaubenstradition des Christentums und die ererbte Bildungstradition der Antike bleiben nach wie vor in einem Widerstreit; nur daß die Gegenreformation glücklicher die Brücken zu schlagen verstand, als es das Reformationszeitalter vermocht hatte. Vereinfacht und vergröbert gesagt, entspringt die barocke Ironie aus der Spannung von Renaissance und Gegenreformation, aus der Antinomie von Wissenszweifel und Glaubensgewißheit. Denn der Glaube war nicht gewahrt, wo die Bildung verbürgt schien. Das Barocke stellt sich eben dort ein, wo das Gewissen mit dem Wissen in Zwietracht gerät, während doch die klassische Kunst auf Eintracht und Einklang angewiesen bleibt. Das barocke Kunstwollen möchte dem Jenseitigen rückhaltlos entgegenkommen, ohne vom Diesseitigen rücksichtslos freikommen zu können. Denn es kann die Keimkraft des Individualismus renaissancehafter Humanität nicht ersticken selbst dort und dann, wo es und wenn es den absoluten Altruismus typischer Gemeinschaftsgesihnung und prototyper christlicher GemeindeGesinnung zur vollen Entfaltung und künstlerisch gültigen Gestaltung bringt. Der Ausweg, den u. a. Gryphius suchte, das SichSeiner-Selber-Bewußtwerden dort eintreten zu lassen, wo zugleich (und vor allem!) der Zugang zum Glauben sich öffnete, den Menschen dort erst zu sich selbst kommen zu lassen, wo er zu seinem Gott gekommen war, ihn dort erst zur „Vernunft" kommen zu lassen, wo er zum Bewußtsein des allein beglückenden und beruhigenden Glaubens gelangt war: dieser auch sonst gern im
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Barock beschrittene Ausweg blieb ein Umweg, der das Zentrum des Individualitätsproblems letzten Endes doch wieder nur umging, ohne es wirklich „anzugehen". Auch darin wird so etwas wie barocke Ironie spürbar, daß man in der bedingungslosen Hingabe und Selbstaufgabe eine Selbstfindung zu postulieren und dichterisch zu manifestieren suchte. Absolut genommen, war das gewiß ein religiös-ethisch kostbarer Fund, sozusagen eine echte Perle. Aber relativ genommen, nämlich bezogen auf das an sich merkliche Bestreben nach Individualisierung, war es eben doch eine unregelmäßig geformte, eine „schiefe Perle" (barocco bzw. baracca). Und dort, wo man bewußtlos in den Gottesgrund tauchte (myst. Ausprägung: Jakob Böhme), glaubte man erst zur Bewußtwerdung seiner selbst durchgedrungen zu sein. Gewiß liegt für den historischen Betrachter darin eher eine barocke Ironie als für den „Barockmenschen" selbst. Aber ein begrenztes Gefühl für diese Widersprüchlichkeit darf doch auch für die Barockzeit als solche vorausgesetzt werden. Wenn P. B ö c k m a n n von der „Paradoxie der göttlichen Heilsbotschaft gegenüber der irdischen Vergänglichkeit" spricht (S. 333), so nähert er sich vorübergehend jener Erscheinung, die hier als barocke Ironie umschrieben wird. Jedenfalls errinnert diese „Paradoxie" über manche Mittelglieder und Verlagerungen des Meinens hinweg dennoch an das bekannte Wort Η. v. Kleists über das „Paradoxe" in der Lehrart (bes. Kunsttheorie) der Romantik. Erik L u n d i n g : Das schlesische Kunstdrama, eine Darstellung und Deutung (Kopenhagen 1940) : ein peinlicher Rückfall in eine barocke Barockforschung, indem eine pathetische Begeisterung vielfach den Geist ersetzen muß — den Geist nämlich der Zeit, die hier greifbar „der Herren eigner Geist" ist — , stellt die Frage, wie denn die Theorie mit der Praxis zusammenhänge, wie sich die gelehrte Überlieferungstreue der Theorie verhalte zum „epochalen Zeitgefühl". Schon diese Wendung „epochales Zeitgefühl" ist letztlich eine der zahlreichen Phrasen dieser anspruchsvoll auftretenden Sonderuntersuchung, hinter der keine entsprechende Leistung der exakten wiss. Forschung steht. Jene Frage ist auch kein „Hauptproblem in der Erforschung der barocken Poetik". Denn das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Kunstauffassung und Kunstleistung kann erst wiss. geklärt und einigermaßen verläßlich bestimmt werden, wenn zunächst einmal die — von E. Lunding als „deskriptiv" abgetane — Deutung der Bestände an kunsttheoretischen Äußerungen erfolgt ist. Darum ist dieser Bd. I bemüht und um weiter nichts. Wenn er trotzdem gelegentlich auf die Diskrepanz von Theorie und Praxis (etwa im Verhältnis
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von Epos und Roman) hingewiesen hat, so sollten das anregende Hinweise über die eigentliche Aufgabe hinaus sein. E s geht nicht an, überall „Positivismus" zu wittern, wo exakte Forschung geleistet wird. Das mag einer Apotheose der Barockkunst nach Art E . Lundings lästig sein ; aber an den tatsächlichen Beständen läßt sich nicht rütteln. Und statt der Enttäuschung, daß die barocke Rauschkunst gar nicht mit dieser nüchternen Bewußtheit übereinstimmen will, sollte sich von der Kunstpraxis und ihrer Interpretation her die Frage erheben, ob nicht manches eine Täuschung darstellt, was von gewisser Seite als echt aufgefaßt und gedeutet wird. Das Vertrauen zu einer Interpretation, wie sie E . Lunding mehr aus billig-betonter Kunstbegeisterung als aus Sachkenntnis und Einfühlung in den Zeitgeist vornimmt, geht in einem beträchtlichen Grade verloren, wenn man erstaunt beobachtet, mit welcher Leichtigkeit moderne Geschmackssensationen unbekümmert um histor. Zusammenhänge und ohne Gefühl für entwicklungsgeschichtliche Gesetzlichkeiten auf die Barockzeit übertragen werden. Da ist z. B. — um hier nur einiges aus der Fülle der unzeitgemäßen Betrachtungen herauszugreifen — vom „ChaotischMenschlichen" die Rede ; es wird stillos vom „barocken Schimpfen" gesprochen; bei dem Barock-Dramatiker Hallmann sind „Möglichkeiten des Films vorweggenommen" und „Lohensteins Drama gibt das Leben . . . in dem wildwütenden Tempo des aufregenden Kriminalfilms" (S. 100) — „Wie bei den Vorführungen der Mannequins wird das Seelische gleichgültig" (S. 158). E s begegnen Binsenweisheiten wie diese: „das kosmische (!) Spiel Gryphius' ist keine mimusnahe Kunst" und Stilblüten wie die folgende über A. Gryphius: „Seine Wünsche, Taten, Träume waren aber wie zarte Alpenblumen auf kahler Bergeshöh". Geschwollene Pathetik verbürgt noch kein Verstehen der Barockkunst. Übrigens war Gryphius gar nicht so zart. Derartige Unzulänglichkeiten hindern E . Lunding aber nicht, den Schwächen der Einflußforschung robust auf den Leib zu rücken. Alle die exakten Untersuchungen über den Einfluß der Niederlande sind für den neubarocken Schwarmgeist eitler Positivismus oder, mit ihm selber zu reden, die betreffenden Forscher sind „positivistische Modellschnüffler"; das sind „fleißige Arbeiten" (S. 44), aber völlig sinnlos und unwesentlich. Auf diese Weise wird die Barockforschimg nicht gefördert. Man gewinnt den Eindruck, daß E . Lunding von einem Vorurteil ausgeht, das ihm von vornherein den klaren Blick trübt, dem Vorurteil nämlich, daß man wenig wissen muß, um vieles zu fühlen, daß man Erkenntnisse verleugnen, ja desavouieren darf, wenn es auf den rechten Kunst-Glauben ankommt. Man be-
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wundert die Naivität im Rechthabenwollen um jeden Preis und (im Rahmen einer Habilitationsschrift!) die herrliche Zuversicht, an Urteilsreife einen weit überlegenen Standort innezuhalten. Kein Wunder, daß am Schluß der Arbeit Nietzsches Übermensch und Rilkes Engel bemüht werden, um einen theatralischen (vermeintlich „barocken"?) Abgang zu sichern. Natürlich konstruiert E. Lunding an der Theorie des Dramas vorbei, weil sie ihm nicht recht „liegt". Nur über das Verhältnis von Held und Märtyrer fällt beiläufig einiges ab unter Hinweis auf Tarquinio Galluzzi und Alexandras Donatus (a. a. 0., S. 24), wobei eben auch die Theorie nicht recht zur Praxis stimmen will. Zudem war ein entsprechender Hinweis erfolgt im vorliegenden Band (S. 113). Wohl mit allen bekannten deutschen Barockforschern geht die Habilitationsschrift E. Lundings ins Gericht ; zum mindesten irgendetwas haben sie völlig oder weitgehend falsch gemacht: G. F r i c k e s „Grundposition" müsse er „ablehnen", denn sie „ist jedenfalls einem mehr psychologistisch (Selbstkritik oder sprachliches Versehen und richtiges Versprechen?) als konstruktiv eingestellten Nicht-Deutschen unverständlich"; Günther Müllers „Barockbetrachtung" biete (wie G. Fricke) „von intellektuell-rationaler Seite her keinen wirklichen Zugang zu Gryphius' Lebenswelt"; Ferd. Jos. Schneider gehe „bisweilen viel zu weit"; nach Vermittlung eines Zitats aus W. Flemming heißt es: „Wer hier kritisieren würde, hätte alle Hände voll zu tun" ; P a u l Hankamer wird weltanschaulich erledigt: „Alles wird im Geiste des Katholizismus metaphyzisiert (!), spiritualisiert, ästhetisiert. Der katholische Standort Hankamers verschließt ihm auch die letzte Wesenstiefe (I) der Lohensteinischen Welt"; mit B . M a r k w a r d t s „deskriptiver Deutung" (s.o.) ist natürlich auch nichts Vernünftiges anzufangen. Die Literaturhistoriker, die Lphenstèins „Rauschkunst" moralisch problematisch finden und ihn „natürlich" nicht verstehen, werden ironisch abgetan als „brave Bürger, die sich als Literaturhistoriker betätigten" usw. Die „Mehrzahl der Dissertationen über das barocke Drama" sei schlechthin „wertlos"; kaum daß mein Schüler G. Β rat e s (1936) gnädig davonkommt; dagegen wird die Greifswalder Diss, von O t t o Neumann über Haugwitz (1937), die aus der Schule Leopold Magons stammt, bereits weder schwer mitgenommen, denn E. Lunding sieht darin „einen wahren Wust gleichgültiger Mitteilungen über Zufallserscheinungen", und eine derartige „Mikrologie" führe notwendig zu „zahllosen Falschwertungen", was wiederum mit der „bis ins kleinste gehenden, isolierenden, analytisch-deskriptiven Betrachtung" zusammenhänge. Das hindert E. Lunding aber nicht, diese zum mindesten materialreiche und gründliche Diss., ohne deren
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Vorhandensein er kaum Haugwitz näher einbezogen hätte, stofflich unbekümmert zu nutzen. Und die allgemeine Verachtung der einschlägigen Arbeiten (s. o.) hindert ihn ebensowenig, die ebenfalls von ihm kritisierte Diss, aus der Breslauer Schule meines verehrten Lehrers Paul Merker, von Oskar Nuglisch: „Barocke Stilelemente i. d. dramat. Kunst von A. Gryphius u. D. C. v. Lohenstein" (1938), die eine konzentrierte Analyse bietet und keineswegs nur oder vorwiegend das SprachlichStilistische meint, recht ausgiebig zu verwerten für seine eigenen Dramen-Deutungen, die sich hauptsächlich ebenfalls mit Gryphius u. Lohenstein befassen. Freilich betont E. Lunding, daß diese aufschlußreiche Untersuchung 0. Nuglischs erst „nach der Fertigstellung des Manuskriptes" ihm zugänglich geworden sei. Aber da die Habilitationsschrift erst im „Frühling 1939" eingereicht worden ist, dürfte das Manuskript doch wohl einige Veränderungen erfahren haben. Eine Einzelfeststellung ist hier nicht beabsichtigt ; doch muß auffallen, daß ζ. B. Lunding ebenso wie vor ihm Nuglisch bei der Würdigung Lohensteins die „Sophonisbe" vorausstellt mit ganz ähnlicher Begründung, daß er im wesentlichen die von Nuglisch vorgezeichnete methodische Reihenfolge (im Verhältnis von Inhalt, Handlung, Charakteristik) innehält, um hier nur einiges anzumerken. Methodische Bereicherung bringen am ehesten noch seine motivgeschichtlichen Vergleiche nach rückwärts und vorwärts. Sie sind m. E. wertvoller als manche gewagten und phantasiereichen „Deutungen", die oft mehr sensationell als verläßlich wirken. Offenbar stand, wie auch die Vorrede Lundings bestätigt, eine viel zu kurze Arbeitsfrist für ein relativ so anspruchsvolles Thema zur Verfügung, dergestalt daß manches notgedrungen improvisiert werden mußte'. E. Lundings thematisch sehr begrenzte Sonderuntersuchung zum „Schlesischen Kunstdrama" hätte manches lernen können von der sehr wertvollen Arbeit philosophiegeschichtlicher Art von Max Wundt: Die deutsche Schulmetaphysik des 17. Jh.s (1939). Aber — und das ist wichtiger — auch wir vermögen manchen Erkenntnisgewinn daraus zu ziehen für die Geschichte der Poetik. Zugleich bietet Max Wundt von an sich andersartiger Ausgangsstellung aus eine weitreichende Bestätigung für das scheinbar Widersprüchliche zwischen theoretischer Besinnung und praktischer Kunstgesinnung. Das kann nicht überraschen angesichts der exakten Forschungsmethode Wundts, die sich von allen billigen Phrasen wohltuend fernhält. Gegen Ende seiner geist- und kenntnisreichen Untersuchung wirft M. Wundt die Frage auf: „Sieht man von der Barockkunst und ihren rauschartigen Steige-
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rangen aus auf die Schulphilosophie der Zeit, so scheint ein Zug an dieser ihr am wenigsten ähnlich, nämlich die beinahe unerhört weit getriebene Schulung. Wie paßt diese logische Klarheit, diese nüchterne Strenge des Denkens zu jenen Verzückungen ?" (a. a. 0., S. 279). M. Wundt ruft nun seinerseits die Literaturhistoriker als willkommene Helfer aus diesem Dilemma herbei. Neben dem „Überschwang spekulativen Geistes" dürfe die „hochgesteigerte Bewußtheit" nicht unterschätzt werden. Dieser Zug (geradezu „Intellektualismus") gehöre mit zum Bilde der Zeit, wenn anders man kein Zerrbild entwerfen wolle. In gewissem Grade gilt ein Ähnliches von der Barock-Poetik. Auch hier eine — um M. Wundt sinngemäß zu übertragen — „beinahe unerhört weit getriebene Schulung". Auch hier zunächst ein klaffender Abgrund zwischen Theorie und Praxis. Aber auch hier fehlt es gelegentlich nicht an „Überschwang spekulativen Geistes". Und auch hier wird der riesige Aufwand an „hochgesteigerter Bewußtheit", an minutiöser Einzelarbeit, an scholastischen Begriffsunterscheidungen veredelt dadurch, daß alle diese Bestrebungen der großen barocken Steigerung der christlich-moralischen und der kulturpatriotischen, sprachlich-gestalterischen Leitkraft dienstbar gemacht werden. Zugleich ist stets bewußt zu halten, daß die Poetiken weniger der Wesensbestimmung der Kunst als vielmehr zuerst der Kunsttechnik, nicht dem Kunsterleben als vielmehr der Kunsterfahrung dienen sollten. Wesentlich anders steht es schon mit gelegentlichen Aussprüchen wie etwa dem Bild von den Dichtern als „himmlischen Springbrunnen" usw. An solchen Stellen nähert sich die formulierte Kunsttheorie der gestalteten Kunstpraxis. Mein (früherer) Schüler Georg B r a t e s hat für das Sondergebiet der „Barock-Dramaturgie" (Diss. Greifswald 1936) besonders die Berührungsstellen von Theorie und Praxis herauszuarbeiten versucht. Darüber hinaus aber wird eine Erhellung des Kunstwollens jenseits der formulierten Poetik nur mit Hilfe der werkimmanenten Poetik möglich sein, also durch das Bemühen, die im Kunstwerk selber eingekörperte Gesetzlichkeit aufzuspüren. An sich bleibt das aber für die Geschichte der Poetik ein Zusätzliches, Ergänzendes. Aus den Forschungen M. W u n d t s über die zeitgenössische Schulmetaphysik, die anfangs von katholischer, dann von protestantischer Seite herausgebildet worden ist, scheint für die Auffassung der Poetik folgendes bemerkenswert : Die Schulmetaphysik, wie sie im 17. Jh. auf Gymnasien und Universitäten gelehrt wurde, greift zwar ζ. T. auf die Scholastik des Mittelalters zurück, bringt aber steigernde Überformungen zum Metaphysischen hin. Sie entwickelt die Seins- und Sachlehre einer unterscheidenden, klassi•9
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fizierenden Begriffsbildung bis zur Virtuosität. Aber sie zieht vorsorglich dem menschlichen Denken dort die Grenze, wo der Glaube beginnt. Das Abstrakt-Analytische gehört der auf Sein und Sache (nicht auf das Ich) bezogenen Vernunft. Das Konstruktiv-Synthetische gehört der Heilslehre und ihrer religionsphilosophischen Untergründung. Der Satz vom Widerspruch ist Kernstück der Schulmetaphysik, gehört zur Vernunft. Der Satz vom zureichenden Grunde oder von der Harmonie der Ganzheit des Gegensätzlichen gehört zum Glauben usw. Das aber bedeutet, man räumt der Vernunft ein Spielfeld ein, wo sie keinen Schaden am Seelenheil anrichten kann. Dorthin, wo es wirklich ernst wird, wo die Erfüllung erreicht werden soll, dorthin reicht keine Schulphilosophie. Ohne die Parallele zu pressen, kann doch gesagt werden, daß die Lehrbücher der Poetik ebenfalls — wie die Lehrbücher der Schulphilosophie — der Begriffsdefinition, Begriffsunterscheidung, der Gedankentechnik und formalen Verknüpfung das Hauptgewicht beimessen. Wo aber das Genie beginnt, da ziehen sie ihre Grenzen. Sie deuten wohl an, was jenseits dieser selbstgesetzten Grenze liegt, aber sie deuten es nicht aus. Wie die Schulmetaphysik vom Sein ausging (Aristotelismus in abgewandelter Form) und die Frage der Weltschöpfung dem Glauben überließ, so überließ die Poetik die Frage nach dem Geheimnis der Kunstschöpfung dem Glauben des Dichters an sein „Ingenium". Die Vorherrschaft behält auch hier Aristoteles. Verwandte Züge der Schulphilosophie mit der Schulpoetik wären weiterhin die Nachwirkung des Humanismus und dessen zeitgemäße Überformung, das Ringen von aristotelischen mit neuplatonischen Ideen, die Definitionsfreude und der Klassifikationseifer, die ständige Rücksicht auf das Vorrecht der Religion, das Kommentieren der Aristoteles-Autorität für die Metaphysik dort und für die Poetik hier, das Unterbauen der Glaubenskühnheit dort und der Gestaltungskühnheit hier durch möglichst vertrauenerweckende Nüchternheit beim Legen der begrifflichen Fundamente. Und gerade das Himmelanstrebende, weil den Himmel Erstrebende, schien der festen Grundlagen in Glauben und gläubiger Kunst zu bedürfen. Erst nachdem der Schulmeister das Wort gehabt hatte, konnte der Prediger (oder Seher) zuversichtlich und wirksam das Wort ergreifen. Und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Schulpoetik häufig genug mit der Schulphilosophie enger benachbart erscheint als mit der künstlerischen Praxis der BarockDichtung. Das kam ganz einfach daher, daß beide dieselbe vorbereitende Aufgabe zu erfüllen hatten. Ihnen gehörte die Vorbereitung und Sicherung der Voraussetzungen. Die Ausführung und das Wagnis gehörte dem Glauben dort und der Kunst hier.
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Dabei blieb der Glaube an den Wirklichkeits-Schöpfer immer dem Glauben an den Kunst-Schöpfer übergeordnet. Die Lehre von den ,,res et verba" in der Schulpoetik geht eindeutig auf die Schulphilosophie zurück. Es ist auch nicht ganz mit Unrecht erneut darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Allegorie zu einem nicht geringen Teil auf die mittelalterliche Scholastik zurückzuführen ist, so in der freilich mehr fremde Funde vermittelnden Einleitung von Irene Wanner: Die Allegorie im bayrischen Barockdrama des 17. Jh.s, Diss. München 1941 (S. 7) ; eine in ihrem engen Berichtsraum erfreulich bewanderte und über die bloße Stoffsammlung hinaus auf begründende Deutung tapfer zustrebende Untersuchung. Sachlich richtig beobachtet ist u. a. die Herausnahme der allegorischen Gestalten aus der eigentlichen Spielhandlung und ihre Verschiebung (aber auch Konzentration) in die Chöre der Zwischenakte im Laufe der Entwicklung des Ordensdramas. Während hier bei aller liebevollen Befangenheit in der katholischen Umwelt fruchtbare Erträge gezeitigt werden, läßt G o t t f r i e d a Ruegenberg: Paul Fleming, Versuch einer Darstellung seiner Dichtungsmotive und seiner Sprache, Diss. Köln, gedr. Würzburg 1939 den bald völlig verwirrten Leser von vornherein hilflos versinken. Man muß sich schon zu dem Titelblatt zurückretten, um nicht auf den Gedanken zu kommen, daß hier über R. M. Rilke oder Franz Werfel, nicht aber über Paul Fleming gehandelt werden soll. Kurz, die Lyrik wird so modern ausgelegt, daß Fleming sich eigentlich schämen müßte, im 17. Jh. gelebt und gewirkt zu haben. Demgemäß hält dieser Beitrag zur barocken Barockforschung nach der Poetik nur insoweit Ausschau, als sie nicht störend für die Konstruktion einer expressiven Rauschkunst wirkt, also vor allem dort, wo vom furor poeticus die Rede ist (a. a. O., S. 2/3 u. ö.). Da wird von Spannungen der „vibrierenden Labilität leidenschaftlichen Trieblebens" geschwärmt und davon, daß diese „zerstörendste Leidenschaft . . . zu haltlosem Taumel" verwirrt werde. Die religiöse Ekstase verbindet sich mit einer nicht geringeren nationalistischen Ekstase: „Stillbrennende Verbundenheit mit der unsterblichen sittlichen heldischen Kraft der Deutschen entringt dem Dichter" . . . usw.; irgend etwas an Besorgnis um die „Höhe des Volkes bestimmter Artung. . . wurzelt in langsam sich befreiender Ahnung blutshafter Bindung zum Volke" usw. Dennoch danken wir dieser Einseitigkeit das Bemühen, vorzüglich iene Stellen der im Werk formulierten Poetik zur Geltung zu bringen, an denen die Vorstellung von der unmittelbaren Gefühlsausdruckskunst eine Stütze finden könnte, wie etwa Flemings Bekenntnis: „Wie mir mein Angst und Leid es haben vorgesagt, so hab ich nachgeschrieben, ohn' aller Worte 39·
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Wahl, die billig sein sonst soll". Nur fehlt die kritische Einschränkung, daß derartige Bekundungen der Ausdrucksechtheit ihrerseits nicht selten eine nur konventionell überkommene und formelhaft übernommene Wendung darstellen. Überhaupt fehlt der Verfasserin der Wille und die Fähigkeit zu einer kritisch sichtenden und besonnen wertenden Urteilsbildung. Einiges Brauchbare für die Poetik fällt ab in den Darlegungen über die Ode und das Sonett (S. 97f.). Eine gewisse Ergänzung der Untersuchungen zur deutschen Schulmetaphysik nach der naturwissenschaftlichen Seite hin, die aber für die Poetik schwerlich irgendwie auswertbar sein dürfte, bringt die Sonderuntersuchung von Anneliese Maier: Die Mechanisierung des Weltbildes im 17. Jh., Lpz. 1938, in: Forschgn. z. Gesch. d. Philosophie u. d. Pädagogik Nr. 18. Das gilt um so mehr, als A. Maier ihren Blick ohne irgendwelche Seitenblicke auf geistesgeschichtliche Zusammenhänge oder Abhebungen auf ihr Spezialthema gerichtet hält. Nach diesen Bemerkungen zu einigen neueren Arbeiten der Barockforschung sei Im folgenden eine Ergänzung versucht durch eine umrißhafte Zusammenstellung weiterer Literatur. Dabei sei zugleich auf den umfassenden Literaturbericht von E. Trunz („Die Erforschung der deutschen Barockdichtung") im Referatenheft zur Dt. Vjschr. f. Lit.wiss. u. Geistesgesch. Jg. 18 (1940), S. ι —100 hingewiesen. Die oben bereits näher besprochenen Veröffentlichungen sind in der folgenden Aufstellung mit einem * versehen worden. Allgemeines. — Richard Newald: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus bis zur Empfindsamkeit (1570—1750). 1951 : 2. Aufl. 1957 = de Boor/Newald: Geschichte der deutschen Literatur Bd. 5 — Fritz Strich: Der europäische Barock. 1947 — • P a u l Böckmann: Formgeschichte der deutschen Dichtung. Bandi. Hamburg 1949 — •August Langen: Deutsche Sprachgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart. In: Dt. Philologie im Aufriß, hrsg. v. Wolfg. Stammler, Bd. I (1952), Sp. 1077—1161 (17. Jh.) — * F r i t z Martini: Poetik, Ebenda Bd. I (1952), Sp. 225ff. — RichardAlewyn:FormendesBarock. In:Coronaio (1943) — K. Brandi: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation. 1942 — ""Nelly Heusser: Barock und Romantik. Versuch einer vgl. Darstellung. Frauenfeld/ Leipzig 1942 — Wolfg. Kayser: Neuere Barock-Literatur (Sammelbesprechung). In: Zschr. f. dt. Bildung 14, 2 (1938) — Erik Lunding: German Baroque Littérature. In: German Life and Letters 3 (1949) ; vgl. auch „Orbis litterarum" 8 (1950) — J . M a r k :
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Daniel Caspar von Lohenstein: — Herbert J a c o b : Lohensteins Romanprosa. Der Stil eines Barockschriftstellers. Diss. Berlin 1949 — * 0 . Nuglisch (siehe unter Gryphius) — F. Schaufelberger: Das Tragische in Lohensteins Trauerspielen. 1945 — M. Wehrli: Das barocke Geschichtsbild in Lohensteins Armenius. 1938. Martin Opitz. — ""Marian Szyrocki: Martin Opitz. Berlin 1956 = Neue Beitr. z. Lit.wiss. Bd. 4 (vgl. auch die Rez. von J o a c h i m G. Boeckh in: DLZ 78 [1957], Sp. 1075—80, mit dankenswerten Hinweisen auf neue Opitz-Lit.) — Ursula B a c h : Die Sprachbehandlung Martin Opitzens in seiner Theorie und Praxis. Diss. Halle 1949 — Gertraud Wüstling: Fischart und Opitz. Ein Vergleich ihrer Bearbeitungen der 2. Epode des Horaz. Diss. Halle 1950. Job. Scheffler (Angelus Silesius). — E l i s a b e t h Spoerri: Der „Cherubinische Wandersmann" als Kunstwerk. Zürich 1947. Kaspar Stieler. — G. Ising: Die Erfassung d. dt. Sprache d. ausgehenden 17. Jh.s i. d. Wörterbüchern Matthias Kramers und Kaspar Stielers. Berlin 1956 = Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin, Veröff. d. Inst. f. dt. Spr. u. Lit. 7. Weckherlin. — G. W.Gaitanides: G. R. Weckherlin, Versuch einer physiognomischen Stilanalyse. Diss. München 1936. Philipp von Zesen. — Paul B a u m g a r t n e r : Die Gestaltung des Seelischen in Zesens Romanen. 1942 — J a n Hendrik Schölte: Zesens ,,Adriatische Rosemund". In: Dt. Vjschr. 23 (1949), S. 288-305. Zigler von Kliphausen. — W. P f e i f f e r - B e l l i : Die asiatische Banise. Stud. ζ. Gesch. d. höfisch-histor. Romans in Deutschland. Berlin 1940 — Rudolf Röder: Barocker Realismus in der „Asiatischen Banise". Diss. Erlangen 1948.
II. Skizzen zur werkimmanenten Poetik Drama : Gryphius, Lohenstein — Lyrik : Fleming Raman : Zesen, Grimmelshausen Andreas Gryphius. — Das Kunstwollen Gryphius' untersteht völlig der christlich-moralischen Leitkraft und befindet sich soweit in Einklang mit einer Hauptthese der Zeitpoetik. Das gilt sowohl von seiner Dramatik als auch von seiner Lyrik. Es findet sich auch in Einklang mit dem rhetorischen Formgesetz des Barockzeitalters. Aber der hohe Grad der Begabung weitet die Möglichkeiten eines barocken Kunstwollens aus bis zu den äußersten Grenzwerten, die mehrfach schon über die Zeitbindung hinausweisen. Neben dieser Ausweitung wird eine wesentliche Vertiefung zum Weltanschaulich-Grüblerischen hin eindrucksvoll wirksam. Gryphius zieht seine künstlerische Stärke nicht aus der repräsentativen höfischen Gesellschaftlichkeit, sondern aus der ringenden Einsamkeit, die merklich kein Genüge findet an einer billigen und willigen Einfügung in die Gemeinsamkeit. Etwas vom RenaissanceMenschen ist in ihm lebendig, gerät nun aber notwendig in Konflikt mit seiner beherrschenden religiösen Überzeugung. Ebenso gerät jener Zug zur Einsamkeit in Konflikt mit seinem ausgeprägten politischen Anteilnehmen, das den Dramatiker verschiedentlich nach damaligen Gegenwartsstoffen greifen läßt. Ein auf das Innerliche gerichteter Ausdruckswille gerät in Konflikt mit der oratorischen „Zierlichkeit" des vorherrschenden Zeitstils. Das bedeutet: trotz jenes Einklangs im allgemeinen mit barocken Forderungen und Bestrebungen ergeben sich doch bei näherem Zusehen starke Disharmonien und klaffende Diskrepanzen. Die lapidare Standfestigkeit seiner Art und Kunst darf nicht hinwegtäuschen über schwere innere Erschütterungen, die nicht zuletzt dazu beitragen, daß Gryphius nicht nur als der große Dramatiker, sondern auch als der große Tragiker des 17. Jh.s erscheint. Tragiker natürlich nur insoweit, wie im 17. Jh. überhaupt im Drama von Tragik die Rede sein kann. Aber löst man sich einmal von der historischen Sicht, so erkennt man in Gryphius gewisse Züge Schillers einerseits und Kleists andererseits. Auf Schiller weist das Pathetische und betont Ethische seiner ideal aufgestellten Pflichtforderung und auch die Freude am tönenden Vollklang des Wortes im rhetorischen Ausschwingenlassen der Wortgebärde. Auf Kleist weist die Dämonie
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des Ringens mit den Mächten und Übermächten dieser Welt, das Hinabbohren in das Grauenvolle und das ständige Begleitgefühl einer Nähe des Todes. Aber die unbezwingliche Burg unserer moralischen Freiheit, in die Schiller die Bewahrung des Optimismus der autonomen Haltung hineinrettet, ist bei Gryphius noch ganz die „feste Burg", die unser Gott ist, also die theonome Sicherung vor allem Bedrohtsein, Bedrängtsein und Bedrücktsein äußerer oder innerer Schicksalserfahrung. Und das Dämonische, das Dunkel-Schicksalhaltige, das Grausam-Grauenvolle hat nicht — wie streckenweise bei Kleist — Eigenwert, sondern als extremes, aber besonders prägnantes Merkmal jenes Bedrohtseins ebenfalls Bezugswert auf die Notwendigkeit der theonomen Sicherung. Trotzdem hat der Held in Gryphius' Drama, vorab dort, wo er nicht im rein christlichen Sinne Märtyrer ist, sondern eine Idee vertritt (wie Papinian die Unbestechlichkeit des Rechts), eine gewisse, wenngleich entsprechend modifizierte Verwandtschaft mit den Schillerschen Helden. Und trotzdem hat die Wollust des Schmerzes, das Grenzenlose des Grauens und Schauderns, das ζ. T. die besten Darstellungskräfte Gryphius' bindet (aber auch erst entbindet), eine gewisse Verwandtschaft mit der Dämonie Kleists. Auch das bohrende Grüblertum in Fr. Hebbel deutet irgendwie auf Gryphius hinüber. Wenn hier bewußt der historische Raum verlassen worden ist, so auch deshalb, um wieder einmal daran zu erinnern, daß rein begabungsmäßig und den Anlagen und verheißungsvollen Ansätzen nach zum mindesten einige echte Dichter von Rang im 17. Jh. sehr wohl vorhanden waren. Für diese Dichter war die Zeit-Poetik nur sehr bedingt maßgebend. Wohl aber verkörpern diese Dichter das Höchste an Kunstwollen, was damals zu erstreben, und das Höchste an Kunstkönnen, was damals zu erreichen war. Man darf vor lauter demütigem Dienst an der Epochen-Deutung nicht die Dichter als Dichter vernachlässigen. Man darf vor lauter Schutzmaßnahmen methodischer Art zugunsten der Epochenstile nicht die großen Dichter als Dichter preisgeben. Aber man sollte auch gerade von diesen Großen nicht eine korrekte Erfüllung aller jener Gesetze erwarten, die man mit vielem Bemühen den einzelnen Dichtungs-Epochen abgewonnen hat oder abgewonnen zu haben glaubt. Die leicht greifbaren Merkmale einer Kunstrichtung pflegt der Durchschnitt oder gar das Epigonentum reinlicher (aber auch kleinlicher) auszubilden. Und so steht man auch bei Gryphius vor der Frage, ob denn das künstlerisch Wertvollste wirklich im engeren und strengeren Sinne das „Barocke" ist. Die Antwort auf diese Frage wird dagegen bejahend ausfallen müssen, wenn man den Begriff des „Barocken" sehr weit faßt und sehr großzügig auf-
II. SKIZZEN ZUR W E R K I M M A N E N T E N POETIK
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faßt. Und die großen Begabungen des 17. Jh.s haben ganz einfach dazu gezwungen, ihn sehr weit auszudehnen, um auch noch das Widerspiel in das Spiel bringen zu können. So verstanden, wäre Gryphius dann doch wieder ein typischer Träger und Verwirklicher barocken Kunstwollens und barocker Kunstleistung, zum mindesten der protestantischen Barockdichtung. Im besonderen steigert er das deutschsprachliche Märtyrerdrama zur Gipfelleistung empor, den reinsten Typus in „Catharina von Georgien" verwirklichend. Das Wesensgesetz des Märtyrerdramas widerspricht der modernen Auffassung des Tragischen. Wenn es Gryphius trotzdem gelungen ist, ein Tragisches hineinzuformen, so nicht mit Hilfe der „bewährten Beständigkeit" der christlichen Glaubensheldin, sondern mit Hilfe ihres Gegenspielers, des heidnischen Perserschahs Abas. Soweit Barock Religion war, ist Catharina die Heldin, soweit Barock Kunst war, ist Abas zum Helden geworden; deshalb zum Helden geworden, weil Gryphius nicht nur christlicher Barockdichter, sondern im Kern seines Wesens als Künstler ein in das 17. Jh. verirrter Tragiker war. Das Strukturgesetz des Märtyrerdramas in dem Ansatz von Spiel und Gegenspiel, der Kontrast von innerer Aktivität (gespannte Widerstandskraft des Märtyrers) und von äußerer Aktivität (Übermacht der irdischen Machthaber), die Personengruppierung und ihre Abstufung (Glaubensstärke, Glaubensschwäche, Glaubensfreude) ist von Gryphius gültig gestaltet, aber zugleich veredelt worden. Das Aufdringliche der Belehrung durch Bekehrung (Hinüberwechseln einer Person vom Gegenspiel zum Spiel) wird tunlichst vermieden, um das Grelle der Tendenz zu dämpfen. Ebenso tritt die Fülle und Überfülle der Wunder und der himmlischen oder höllischen Erscheinungen zurück. Die starre Schranke des barocken Glaubens wird an solchen Stellen behutsam gelockert, um der barocken Kunst eine gewisse Entfaltungsmöglichkeit zusätzlicher Art zu gestatten. Das Märtyrerdrama ist an sich ein religiöses Tendenzdrama. Die Tendenz wird aber noch nicht so ausgesprochen verteilt wie späterhin vielfach im weltlichen Tendenzdrama, wo durchweg die These am Helden demonstriert und von Nebenpersonen formuliert wird (vgl. etwa J. M. R. Lenz). Vielmehr pflegt der Glaubensheld, an dem die These demonstriert (und glorifiziert) wird, gleichzeitig auch als Glaubenslehre die These zu formulieren. Das schließt nicht aus, daß noch Nebenpersonen und nicht zuletzt der „Reyen" (Chor) die These ausgiebig formulieren. Aber das Eigene bei Gryphius ist nun wieder darin zu sehen, daß er das Tendenzdrama zum Ideendrama emporbildet oder doch merklich bemüht ist, es zum Ideendrama emporzubilden. Er bleibt kennzeichnenderweise in diesem Bestreben seines Kunstwollens
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nicht beim rein religiösen Ideendrama stehen. Und nicht von ungefähr war es sein letztes Werk „Papinianus" (1659), das den Typus des Ideendramas schon weitgehend entfaltet, indem die „bewährte Beständigkeit" in diesem Falle nicht in erstem Betracht der Glaubenstreue gilt, sondern der Treue zum Recht. Der Primat der Rechtsidee, die höchste Opfer fordert, weist zugleich voraus auf Η. v. Kleist. Die Rechtstreue wird wohl gestützt durch die Glaubenstreue; aber sie steht eindeutig in der Zentralstellung. Weil sich Papinian vor der Idee des reinen Rechts beugt, weist er das Ansinnen einer Rechtsbeugung (Rechtfertigung des Brudermordes bzw. Stiefbrudermordes Caracallas an Geta) durch den Machthaber ab. E r ist ein Märtyrer des Rechts, und sein junger Sohn erweist sich als seiner würdig. Daß man für den Glauben sterben kann, war der Zeit vertraut. Aber daß man für eine Idee, die man als verpflichtend erkannt und erlebt hatte, zu sterben bereit ist, war im Drama der Zeit schwerlich jemals so imposant und erschütternd vergegenständlicht worden, wie es bei Gryphius geschehen ist. Es kam ihm dabei zustatten, daß er die Struktur des religiösen Märtyrerdramas weitgehend übertragen konnte auf diesen aus unbewußtem Kunstwollen erwachsenen Versuch zum Ideendrama. Papinian ist kein Pedant des Rechts wie Bankbanus (H. Sachs—Frz. Grillparzer). Gryphius weiß ihm als Helden der Gerechtigkeit Würde zu wahren. Das war erforderlich, weil er nicht als Märtyrer für den rechten Glauben, sondern für das gläubige Recht eintritt, leidet und stirbt. E s ging weniger um den christlichen Heroismus ; es ging um den antik-heidnischen Stoizismus. Indem Gryphius jedoch seinen Ideenträger schwersten Prüfungen unterwirft (Tod des eigenen Sohnes, Bedrohtwerden seiner Ehe, Bedrohtwerden durch den eigenen gewaltsamen Tod), nähert er sich über das Ideendrama in gewissem, entwicklungsgeschichtlich beachtlichem Grade dem Charakterdrama neuerer Prägung. Nur ein ausgeprägter Charakter konnte es wahrscheinlich machen, daß ihm die Hingabe an das Recht höher steht als die opfervolle Selbstaufgabe. Der Jurist (Syndikus) Andreas Gryphius hat nicht nur in diesem Falle das Rechtsproblem aufgegriffen. E s steht auch schon deutlich hinter dem Zeit-Drama „Carolus Stuardus" (1657, entstand, etwa 1649), in dem es um die Rechtmäßigkeit oder Nicht-Rechtmäßigkeit der Hinrichtung Karls I. Stuart ging und in dem gewiß nicht von ungefähr einer der an der Verurteilung mitschuldigen Richter in reuigen Wahnsinn verfällt und jene vergeltenden Zukunftsvisionen hat (Theater auf dem Theater, mehrfach bei Gryphius), die erst die 2. Fassung (1663) der ,,Carolus"-Tragödie, der inzwischen eingetretenen politischen Wendung folgend, nachtragen und szenisch-visionär darbieten konnte.
I I . SKIZZEN ZUR W E R K I M M A N E N T E N P O E T I K
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Von der Poetik her gesehen, handelt es sich also nicht nur um ein Zeitstück von aktiver politischer Tendenz, sondern darüber hinaus um das Eingreifen von Zeitereignissen (Rückkehr der Stuarts u. a.) in das Werkwerden bzw. die Werkwandlung (ζ. B. Ch. D. Grabbes „Napoleon", R. Hamerlings „Danton und Robespierre" u. a.). Der an sich starke Gegenwartsimpuls (für Gryphius war das Schicksal Karls I. kein historischer Stoff, sondern ein miterlebtes Gegenwartsereignis) reichte dennoch nicht aus, um das streckenweise nur lamentierende Weh zu einer lapidaren Wucht zu steigern, die vom Kunst wollen her erstrebt, aber vom Kunstkönnen nicht erreicht wurde. So blieb das „Trauer-Spiel" letztlich eine weitausladende Trauer-Ode, wenn nicht gar ein dialogisiertes breitschichtiges Leichenkarmen. Denn die in der zweiten Fassung eingefügte Rettungsaktion will nicht recht zum Tragen kommen. Das lag offenbar nicht allein an kunsttechnischem Unvermögen — der „Leo Armenius" war schon dramatisch spannungsreicher aufgebaut —, es entsprach der Darstellungsabsicht, die in der ganzen Stimmung von vornherein die irdische Ausweglosigkeit des rettungslos dem Tode Verfallenen festhalten wollte und diese Grabesstimmung in Passionsatmosphäre höher stellte als irgendwelche dramatisch-dynamischen Antriebe. Kurz, es ging nicht um die dramatische Antriebskraft der Struktur und um das äußere Geschehen; es ging vielmehr um die christliche Auftriebskraft und um die innere Gesinnung; es ging nicht um das Leben, es ging um die Läuterung. Denn trotz der Tendenz ist die freventlich „Ermordete Majestät" (eigentlicher Haupttitel) nicht schuldlos, ist also der Läuterung bedürftig. Die Reihen und Chöre, wobei in diesem Falle die antiken Chöre die barocken „Reyen" übertreffen, variieren das Hauptthema und variieren die These. Und in diesen Variationen und Modifikationen manifestiert sich das barocke Kunstwollen reiner, als es in einer betont dramatischen Handlungsführung hätte geschehen können. Dabei verdrängt gleichsam das typische Kunstwollen der Zeit das persönliche Kunstwollen oder Kunst vermögen des Dramatikers, bevor sich dieses entfalten konnte. Genauer: der Barockdichter war williger traditionsgebunden als der moderne, gab daher solchem Druck leichter nach. Andreas Gryphius' zum mindesten in diesem Falle eindeutig monarchischer Einstellung lag es völlig fern, etwa aus dem Gegenspiel die Gestalt des sektiererisch-politischen Independentenführers Hugo Peter plastischer herauszuarbeiten oder gar zu einem Karlstadt (Hauptmanns „Florian Geyer") oder Thomas Münzer (Fr. Wolf) zu machen. Auch wenn er im „Papinian"-Drama ein Sonder-Recht der Mächtigen ablehnt, verschmäht dennoch Papinianus die sich ihm
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anbietende Möglichkeit einer Palastrevolution gegen Caracalla (den Mörder des eigenen Bruders bzw. Stiefbruders Geta). Papinian scheint nur in dieser Opposition gegen den Anspruch eines unrechtlichen Vorrechts des Machthabers revolutionär zu sein; aber er scheint nur so, weil er konservativ die Rechtsnorm wahrt; immerhin ist zuzugeben, daß im ,,Papinian"-Drama gewisse Ansätze zur Kritik der höfischen Zustände und Mißstände sichtbarer werden als im „Carolus Stuardus"-Drama. Das dürfte aber auch darauf zurückzuführen sein, daß Karl I. ein christlicher Machthaber, Caracalla ein heidnischer Tyrann war. Und ohne Gryphius mechanisch an die Zeitpoetik binden zu wollen, darf doch in diesem Zusammenhange daran erinnert werden, daß es in ihr Lehren gab, wonach Tragödien nur bei heidnischen Tyrannen möglich seien (S. v. Birken; vgl. S. 1 1 8 dieser Darstellung), jedenfalls im Sinne eines traurigen Ausganges. Auch Schah Abas in der „Catharina v. Georgien" ist ein heidnischer Machthaber. Daß sich Gryphius nicht sklavisch an derartig zugespitzte Lehren der betont christlichen Dramentheorie bindet, leuchtet ein. Nennt er doch auch das ,,Carolus"-Drama ein „Trauer-Spiel". Aber andererseits, daß ein gottgewollter christlicher König ein solches Trauerspiel erlebt hatte, das rief die ganze Entrüstung des monarchischen nicht nur, sondern auch des christlichen Dichters im Sinne der Anklage gegen die vermeintliche Rechtlosigkeit der Verurteilung zum Tode hervor ; das ließ sogar den christlichen Dichter Gryphius vergessen, daß Gott sich die Rache vorbehalten hat, wenn er das gleichsam mit umgekehrten Vorzeichen der Wertung versehene Anklage-Drama (nicht soziales Anklagedrama, sondern monarchisch-christliches Anklagedrama) mit den Worten der Rache-Personifikation und einem entsprechenden Aufruf zur Rache am Unrecht ausklingen läßt, also — kritisch gesehen — mit einer christlich-unchristlichen Disharmonie barocker Steigerung. Der Zusatztitel zum Frühwerk ,,Leo Armenius" (1646, gedr. 1657) lautet als Vorform zur „Ermordeten Majestät" bereits „oder Fürstenmord", daher bleibt auch der byzantinische Kaiser Leo die Titelgestalt, obwohl der aufrührerische Feldherr Michael Baibus die Hauptaktion trägt (entfernt verwandt mit Ulfo im „Knut"-Drama Joh. El. Schlegels 1746). Die Anlehnung an die Quellen und der barocke Sinn für turbulente Vorgänge gerät dabei fast in die Nähe des Schicksalsdramas. Letztlich wird die christliche Güte seiner Gemahlin Theodosia und Leos Eingehen auf ihre Bitte ihm schicksalshaft (und kaum recht christlich) zum Verhängnis, indem er den Gegner über die Tage des Weihnachtsfestes schont. Damit sichert Gryphius seinem monarchischen Helden so etwas wie eine erhebende Tragik, wobei die barocke Ironie sogleich.
II. SKIZZEN ZUR WERKIMMANENTEN POETIK
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in tragische Ironie umspringt (Ansatz zum Schicksalsdrama). Die Kritik am Tyrannen, die anfangs fast revolutionäre Züge trägt, wird dadurch bewußt gemildert. Das Thema einer Palastrevolution brachte jene Tyrannenkritik ohne weiteres mit sich; sie ist aber auch bei Schah Abas („Catharina") und Caracalla („Papinian") gegeben. Und sie deutet an, daß neben den erwähnten Konflikten in Gryphius zum mindesten ein gewisser Zwiespalt zwischen seinem ausgeprägten Rechtsgefühl und seiner monarchischen Gesinnung sich ablesen läßt. Gemäß dem herrschenden Absolutismus rückt Gryphius in der Vorrede von Baibus behutsam ab. Etwas vom ,,Barockhumanismus" (G. Müller) greift dabei und andernorts durch. Strukturmäßig wird das sehr bewegte Geschehen doch wieder in einen epischen Bericht verlagert (Bericht des Oberpriesters und ergänzender Boten-Bericht). Im ganzen aber ist das Frühwerk des etwa 30-Jährigen dramatisch gespannter als die meisten späteren Dramen. Es ist ein weiter Weg der Entwicklung vom ,,Leo" zum „Papinian". Im ,.Papinian" wird dem Recht ein würdiges Denkmal gesetzt. Und fast schon reicht hier der Barockhumanismus in die Humanität hinüber, wenn wie im Vorklang zu Schillers Ideen-Lyrik Papinians letzte Worte lauten: „Heilige Themis, die du Sitten / Ins Geblüt hast eingepflanzet / Die der grimmen Völker Wüten / Durch gemeines Recht umschanzet..." Das Ideendramatische reagiert wesentlich anders als das Märtyrerdrama. Bei „Catharina von Georgien" ist an sich äußerlich eine ähnliche Situation gegeben wie in Goethes „Iphigenie": eine kulturell höherstehende edle Frau ist in der Gewalt eines fremden Fürsten, sie gewinnt seine Neigung usw. Aber der Erziehungsoptimismus der Aufklärung steht zwischen Gryphius und Goethe. Catharina vermag Abas nicht emporzuziehen wie Iphigenie Thoas. Der Hauptgegenspieler durfte aber auch nicht zum christlichen Glauben bekehrt werden, weil sonst die Grundkonstellation des MärtyrerDramas, die Notwendigkeit des Todes, fortgefallen wäre. Jedenfalls geht es nicht an, Gryphius zu weit in den Humanismus oder gar die Humanität hinüberzubilden. Wenn P. B ö c k m a n n für die geistliche Lyrik (Sonette usw.) ansetzt: „Nicht die Mystik tritt an die Stelle des Bibelglaubens, sondern das humanistische Selbstgefühl stellt sich in den Offenbarungshorizont. Dadurch wird aber zugleich das individuelle Gefühl eigentümlich persönlich" (a. a. 0., S. 429), so dürfte für die geistliche Lyrik damit das Äußerste an Spielraum zugestanden sein. In der Dramatik ist der Spielraum dagegen größer, nicht nur wegen der komischen Sonderformen. Und es drängt m. E. im Drama Gryphius' mehr Eigenes und Eigentümliches z. T. kühner zur Geltung, so daß zwar die Dar-
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Stellung der Leidenschaften nicht als solche dominiert, die Leidenschaften aber auch nicht so ausschließlich (wie P. Böckmann S. 440 meint) als Gegenkräfte zu den christlichen „Glaubenskräften" und als letzlich „teuflische Mächte" erscheinen. Michael Β albus* Sieg spricht dagegen, Papinians Rechts-Leidenschaft spricht dagegen, und in weitgehendem Grade spricht selbst die merkliche Sympathie mit der Echtheit der Liebesleidenschaft Abas' dagegen. Gryphius sieht in der Leidenschaft nicht nur Sünde, sondern schon Schicksed. Bei aller dichterischen Eigenart des Kunstwollens läßt sich selbst für die Spannung Märtyrer-Drama — Ideendrama dennoch eine zum mindesten äußere Entsprechung zu der Barock-Poetik herstellen. E s sei nur daran erinnert, daß Birken von der Dichtung fordert, daß sie der „Ehre Gottes" und der „Tugend-Lehre" diene (vgl. diese Darstellung, S. 117). In diesem allgemeinen Sinne erfüllt Gryphius mit dem Märtyrerdrama das Ziel „Ehre Gottes" und mit dem Ideendrama („Papinian") das nebengeordnete Ziel „Tugend"-Lehre (Tugend der Gerechtigkeit). Ineinander greifen beide Zielsetzungen in „Cardenio und Celinde", wo die Tugendlehre zugleich ganz auf die Ehre Gottes hingerichtet ist. Im ganzen ist es berechtigt, darin zugleich einen Ansatz zum bürgerlichen Trauerspiel zu sehen, weil das ständische Zuordnungskriterium und dessen Durchbrechung nicht nur für die Zeitpoetik erheblich war. Über diese Seite und die Entschuldigung, die Gryphius gegenüber der Poetik für erforderlich hält, handelt schon der darstellende Text (S. 172f.). E s muß hier aber ergänzend abgewehrt werden, wenn eine neuere Sonderforschung in diesem Zusammenhange von „Einfluß und Einbruch einer wesensfremden theoretischen Norm" spricht (E. L u n d i n g , a. a. 0 . 1940, S. 75). Das Standeskriterium war für das 17. Jh. keine „wesensfremde" Norm. Vollends ins allzu Moderne gerät E . Lunding, wenn er meint, nicht der Bürger, sondern der Mensch als Mensch stehe hier im Wesenszentrum. Wohl aber spielen Schicksalsvorstellungen mit hinein, die jedoch durchaus gottbezogen bleiben. Wenn auch der überlieferte Stoff ganz in den novellistischen Bericht (I. Akt vgl. „ L e o " V. Akt) abgelenkt erscheint, so bleibt doch ein Eigeninteresse an den Liebesszenen und ihrer Kompliziertheit unverkennbar. Und erst nachdem sich dieses Interesse ausgelebt hat, wird es in der Dienst der christlichen Lehre gestellt. Der Held im Kampf der Degen und im Kampf der Herzen Cardenio hat den männlich gestimmten Dichter merklich angezogen und eigentlich länger gefesselt, als es die christliche Tugendlehre erlaubte. Ein Student ist die männliche Zentralgestalt, die Tochter aus „edlem Stamm", aber nur wohlhabendem Bürgertum, Olympia
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(nicht Celinde) ist die weibliche Zentralgestalt. Celinde (Buhlerin oder doch problematisch-„interessante" Frau) erhält nur die Funktion der gefährlichen Ablenkung und Störung zugewiesen. Sowohl Olympia wie Celinde sollen „aus edlem Stamm" sein; das kann sich aber auch auf das Stadtpatriziertum beziehen. Bürgerlich wirkt auch die Abwehr des Liebhabers Cardenio als Bewerber Olympias, weil seine Händelsucht und Rauflust keine Bürgschaft für eine gediegene Ehegrundlage bieten. Bürgerlich wirkt zudem die Bindung Olympias an die wohlmeinende Lenkung durch die Familie, die weiterhin aus dem Hintergrunde auf ihr Verhalten einwirkt (entfernter Vorbezug auf Luise in „Kabale und Liebe" und Klara in „Maria Magdalene"). Das Bürgerliche erschöpft sich also keineswegs in dem Bürgertum der Helden. Mag Gryphius' „Entschuldigung", er habe der Quelle treu bleiben wollen, ein wenig dazu beigetragen haben: im wesentlichen wollte er dem Anteil Miterleben im Erlebnisbericht der Freunde aus Italien treu bleiben. Und die dadurch verstärkten Ansätze individueller Art in diesem Liebes- und Leidenschaftsdrama, das eine gewisse Psychologisierung enthält, ähnelt im dramatischen Bezirk dem zeitparallel liegenden Roman Ph. v. Zesens „Adriatische Rosemund" (1645) im Bezirk der barocken Epik. Der barocke Epochenstil wird in solchen Fällen gelockert. Weltanschauliches Wollen und künstlerisches Wollen (Kunstwollen) finden keine restlose und kampflose Deckung. Gewiß ist Gryphius' weltanschauliches Wollen nach wie vor auf die Betrachtung und Bewertung alles irdischen Erfahrens und Erleidens vom übergeordneten Wertungswinkel des Christlich-Moralischen ausgerichtet, deshalb erfährt der Novellenstoff die Abwandlung ins Religiöse (bes. im IV. u. V. Akt). Das betont mit Recht P. B ö c k m a n n . Aber das Kunstwollen findet keine volle Beruhigung in der religiösen Auffangsstellung. Im Gegenteil sucht es sich eine neue Ausgangsstellung in Richtung des bürgerlichen Liebesdramas zu schaffen, ohne sich damals natürlich über die entwicklungsgeschichtliche Tragweite eines solchen zu vorsichtig tastenden Schrittes bewußt zu sein. Und das unterschätzt P. Böckmann gemäß seiner konstruktiven Leitidee (Elegantia-Offenbarung). Daß auch Gefühl, daß auch Geschlechterliebe Schicksal werden kann jenseits der Welt der großen politischen Gewalten, ist bis dahin nirgends in einem Drama der Barockzeit so kühn gestaltet worden wie in Gryphius' „Cardenio und Celinde". Achim v. Arnims in der Motivtradition stehendes romantisches Drama „Halle und Jerusalem" ist im ganzen Habitus weit mehr christliches Tendenzdrama. Für „Cardenio und Celinde" ist das Memento Mori nicht Ausgangsstellung wie in „Catharina", sondern nur 30
M a r k w a r d t , Poetik I
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Auffangsstellung. Ermutigt durch den Anteil persönlichen Erlebens (Entstehungsgeschichte, Eindruck der mündlichen Erzählung) geht Gryphius zunächst einmal vom Leben und Lieben aus, läßt seine Gestalten durch Leben und Lieben hindurchgehen, bevor sie auf die Religion zugehen. Daher ist der Ausgang nicht tragisch, weil die Macht der Heilslehre zuletzt das Schicksal bricht, aber nur deshalb bricht und überwältigt, weil eine Selbstkritik auf Grund von Selbsterfahrung in Cardenio vorausgegangen ist. Cardenio als Liebender kommt zur Vernunft, indem er zu Gott kommt. Das ist nicht mehr reiner Barockgeist, auch nicht reiner protestantischer Barockgeist. Das ist wie ein Tanz in Ketten, der freie Tanz der Leidenschaft („Ehre und Liebe" könnte der Titel heißen oder „Ehre, Liebe und Glaube", aber in dieser Reihenfolge) in den Ketten der Tradition. Gryphius sprengt diese Ketten nicht, aber er lockert sie. Die Bindung an den Glauben empfand er überdies gar nicht als „Kette", sondern als Halt — weltanschaulich. Aber sein Kunstwollen forderte bereits einen relativ freieren Spielraum. Deshalb gelangte er immer wieder zu e n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t l i c h b e m e r k e n s w e r t e n A n s ä t z e n : Ansatz zum S c h i c k s a l s d r a m a im „Leo Armenius", Ansatz zum b ü r g e r l i c h e n D r a m a in „Cardenio und Celinde", Ansatz zum polit i s c h e n Z e i t s t ü c k im „Carolus Stuardus", Ansatz zum I d e e n u n d C h a r a k t e r d r a m a im „Papinianus", Ansatz zum m u n d a r t l i c h e n M i l i e u - L u s t s p i e l in der „Geliebten Dornrose" (ländlicher Realismus stärker als dann in Gellerts „theatralischem Landgedicht"). Alles das wäre nicht möglich gewesen, wenn Gryphius streng dem barocken Kunstwollen nach Maßgabe des Epochenstils gefolgt und darauf eingeschränkt geblieben wäre. Gewiß, er lenkt immer wieder ein, aber erst nachdem er beträchtlich Ausschau gehalten hat. Und von diesen Erkundungs- und Probefahrten hat er mehr heimgebracht, als ihm die barocke Zeitheimat an sich bieten konnte. Gryphius als Dramatiker wahrt also seiner barocken Zeitheimat keine absolute, sondern nur eine bedingte Treue. Und das tat er, weil er seinem Kunstwollen treuer geblieben ist als mancher durchschnittliche Barockdichter. Bei dem Lyriker Gryphius freilich steht ss etwas anders; er fügt sich restloser dem religiösen Primat. Daniel Caspar von Lohenstein. — In Lohenstein wirkt der rein dramatisch-theatralische Impuls kräftiger ausgeprägt als bei A. Gryphius. Aber unwillkürlich (und unzeitgemäß) drängt sich der Unterschied Hauptmann—Sudermann auf. Lohenstein hat wenig vom echten Tragiker und allzu vieles vom Theatraliker, wenig vom Dichter und viel vom Virtuosen. Während Gryphius seinen
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Zuschauer zur Besinnung hinlenken will, will Lohenstein ihn möglichst gar nicht erst zur Besinnung kommen lassen im Kraftfeld einer mit starken Spannungen, Ladungen und Entladungen arbeitenden barocken Rauschkunst. Gryphius strebt immer nach innen, Lohenstein drängt überall nach außen. Das gilt auch von Wesen, Wert und Verwendung der Reyen, die bei Gryphius der Herausarbeitung des Leitmotivs dienen, während sie bei Lohenstein bestenfalls als Begleitmotiv ein Zusätzliches traditionsgemäß von außen her umspielen. Aus dem Reyen als Manifest (Gryphius) wird hier ein Reyen als Dekoration. Die Fortuna-Welt bleibt bei Gryphius durchweg Mittel zum Zweck einer Diesseits-JenseitsSpannung ; sie hat nur den einen Kraftpol zu bilden. Bei Lohenstein wird die zeittypische Vorstellung vom Schwanken und Brechen des Glücks weitgehend zum Selbstzweck einer drastischen und effektvollen dramatischen Demonstration. Die Desillusionierung des Diesseits steht nicht wie bei Gryphius unter der Illuminierung des Jenseits. Für Gryphius ist das Grausig-Grauenhafte ein bloßer Durchgang, der einen Zugang aufschließen möchte, eine „Passion" gleichsam, hinter der die Erlösung aufleuchtet. Für Lohenstein ist dagegen das Grotesk-Greuliche oft eine bloße Sensation, wenngleich man die „Epicharis" (1666) nicht allzusehr in den Vordergrund der Bewertung rücken sollte. In Gryphius lebt und wirkt eine männliche Gelassenheit und Festigkeit, die zwar die Willkür des irdischen Wirrsals nicht zu wenden vermag, aber sie doch an Persönlichkeitswert zu überwachsen versucht. Lohensteins nervöse Reizbarkeit reagiert gleichsam mit einer weiblichen Erregung, die sich mit hineinziehen läßt in den wilden Strudel, der die Schwindelnden in seinen unwiderstehlichen Sog reißt. Und so bevorzugen seine Dramen vitale und machthungrige oder von politischem und erotischem Ehrgeiz umhergeworfene Frauengestalten als Titelträgerinnen oder auch als Thematrägerinnen: „Cleopatra" (1661, 2. Fassung 1680), „Sophonisbe", „Agrippina", „Epicharis" (1666). Das letzte Drama „Ibrahim Sultan" (1673) nimmt offenbar ganz bewußt den Motivbezirk seines im Knabenalter entstandenen und merklich A . Gryphius nacheifernden „Ibrahim Bassa" (1651/53) wieder auf, wobei zugleich an M. de Scudérys „Ibrahim ou l'illustre Bassa" zu erinnern wäre. Daß der blutjunge Lohenstein zunächst Gryphius fortzusetzen trachtet, es aber nicht durchzuhalten vermag, spricht für ein anders geartetes und eigenes Kunstwollen, zeugt nicht einfach von einem Unvermögen, sondern von einem instinktiven Unbehagen in der auf Erhabenes und Erhebendes gerichteten Kunstwelt Gryphius'. Seine Darstellungsabsicht ist auf das Extreme, Erregende, leidenschaftlich Bewegte und Bewegende gerichtet. Machtrausch und ao»
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Liebesrausch sind Ausdrucksweisen seines Darstellungswillens, nicht aber bloße Schwächen oder pathologische Liebhabereien seiner Wesensart und auch keine bloßen Zugeständnisse an die Grellheiten der Haupt- und Staatsaktion. Freilich fordert diese letzte Einräumung schon eine kritische Einschränkung. Aber viel Auswahl hatte Lohenstein nicht, wenn er das Dramatisch-Theatralische mit aller Gewalt und aller barocken Wucht durchsetzen wollte. E s war ein forciertes gesteigertes Kunstwollen, das nicht aus der dichterischen Substanz wie aus einer willig tränkenden Quelle flöß, sondern mit Mühe und Macht und kunsttechnischem Druckwerk emporgepreßt werden mußte. Und dieses in sich übersteigerte Kunstwollen riß nun wieder das Übersteigerte des Stoffes als wahlverwandt an sich. Lohenstein kennt nicht die lässigelegante Gebärde des aus dem Reichtum Schöpfenden und Schenkenden. E r arbeitet stets unter Druck und Überdruck. Kein Wunder, wenn er mehrfach vom Lapidaren ins Lächerliche, vom Grandiosen ins Groteske abgleitet. Das Auseinanderstreben von Kunstwollen und Kunstleistung wird gerade an solchen Stellen nachweisbar, an denen das Wirken nicht mehr dem Wollen entspricht, wo es ihm kein Genüge tut, sondern Gewalt antut. Bei alledem geht die barocke Distanz zur Fortuna-Welt nur scheinbar verloren. Denn die beherrschte dramatische Struktur verrät nicht allein die Wachheit eines ordnenden Verstandes und eines anordnenden Kunstverstandes, obwohl darin Kunstwollen und Kunstkönnen für jene Zeit erstaunlich zur Deckung gelangen. Auch die Waffen, die Lohenstein seinen vom Willkürglück und der Glückswillkür mannigfach bedrohten und bedrängten Gestalten in die Hand gibt, eine wendige Anpassung und politische Berechnung (bes. bei den Frauen), verraten die kühle Leidenschaft des Intellekts, der gleichsam mit dem Verstand auch fühlt und auch mit dem Verstand (und Kunstverstand des geschickten Szenen-Bauers) fühlt. Mag der moralische Mensch Lohenstein allzuoft die Zügel verloren haben, als Dramatiker und Theatraliker behält er sie durchweg fest in der wirksam zupackenden Hand. Und wo wie bei der „Cleopatra" etwa im ersten Anlauf die Motivierung zunächst überfahren worden ist, da setzt die kritische Kontrolle deutlich erkennbar ein (2. Fassung). Das aber besagt, daß man Lohenstein nicht vorschnell alles künstlerische Gewissen, jedenfalls nicht alle künstlerische Gewissenhaftigkeit absprechen sollte. Lohenstein macht bereits Anstrengungen, das künstlerische Wirken dem religiösen Bewirken zu entziehen. Aber er überanstrengt und überhebt sich dabei. Denn er hat noch keinen Ersatzwert wie etwa die Humanität anzubieten. Er steckt vielmehr noch
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mitten im Unhumanen und will sich merklich von keiner überirdischen Macht daraus emporziehen lassen, wenigstens nicht als Dramatiker. Er vermag aber auch keine übermenschliche Größe glaubhaft und tröstlich aufzurichten. Er meint sicherlich von seinem Blickwinkel aus, es habe etwas Imposantes (und nicht nur Interessantes), wenn Sophonisbe durch List und Lust Masinissa im Spiel der Kräfte mattsetzt, aber an Scipio scheitert ; oder wenn Cleopatra Antonius durch Lust und List mattsetzt, aber an Augustus scheitert. Scipio und Augustus sollen irgendwie schon so etwas vertreten wie die politische Vernunft schlechtweg. Aber diese Vernunft will sich nicht recht einfügen in den barocken Rahmen. Und sie ist nicht stark genug, um ihn wirklich zu sprengen. Auch wenn man (wie E. Lunding) den Macchiavellismus bemüht, will sich das Gesamtbild nicht runden zu einem „barocken" Gesamteindruck. Passio hier und Ratio dort bleiben unabgewogen in der Gewichtsverteilung. Die Klugheit der Leidenschaft (Sophonisbe, Cleopatra) wirkt noch eher echt als die Leidenschaft der Klugheit (Scipio, Augustus). Auch will der Sinn (auch der Kunstsinn) für die „vermischten Empfindungen" und die ihnen zugeordneten „gemischten" Charaktere, ein fraglos bei Lohenstein vorhandener Sinn, der an sich entwicklungsgeschichtlich zu erkennen und anzuerkennen ist, so früh vor dem vollen Einbruch der aufklärerischen Seelenlehre (vgl. Bd. II dieser Darstellung) nicht recht zum Tragen kommen, weil das Takt- und Tastgefühl für feinere Stufungswerte fehlt oder vom Grobschlächtigen abgestumpft wird. Das Komplexe geht unter in den (kaum noch ernstlich) verdrängten Komplexen. Das Komplizierte wird erdrückt vom Kompakten einer oft mehr als massiven Erotik. Man könnte in diesem Betracht fast von einem unästhetischen Immoralismus sprechen, der sich bestenfalls selber vortäuscht, ein ästhetischer Immoralismus zu sein. Die Antinomien von Tun und Tugend laufen oft mehr auf eine Untugendlehre als auf eine Tugendlehre hinaus. Und die Politesse wird im Handumdrehen und erschrecklichem Halsumdrehen erwürgt von einer mephistophelischen mehr als macchiavellischen Politik. Kurz, allenthalben versagen die Werte und Wirkungen, die an die Stelle des religiösen Bewirkens treten möchten. Die Kraft der religiös-moralischen Leitidee des Barocks wird beträchtlich angebrochen. Und die kulturpatriotische Leitidee erfährt zum mindesten in der Dramatik keine entsprechende Verstärkung, schon deshalb nicht, weil die Motivwelt (abgesehen vom Roman) außerhalb des deutschen Vaterlandes liegt, ob nun in Afrika oder Rom oder Arabien (?). Da noch eine überhöhte Sprache, deren angeblicher „Realismus" recht fragwürdig erscheint (eher Rückfälle i. d Grobianismus), hinzukommt, ist es
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kein Wunder, wenn die religiösen Kreise (um Bodmer) ebenso wie die aufklärerischen Kreise (um Gottsched) gegen Lohenstein lebhaft (bis leidenschaftlich) Sturm liefen und dabei in blindem Eifer (und religiösem Eifern) auch das Positive seines Kunstwollens und seiner Kunstleistung lieblos und verständnislos überrannten oder doch überrennen und übergehen zu können glaubten. Einige, offenbar auch stofflich miteinander zusammenhängende Rettungsversuche moderner Sonderforschung schießen zwar nun ihrerseits beträchtlich über das Ziel hinaus, so Oskar Nuglisch: Barocke Stilelemente i. d. dramat. Kunst v. A. Gryphius u. D. C. v. Lohenstein (Diss. Breslau 1938), S. 31 ff. und die davon merklich beeinflußte Habilitationsschrift von E r i k Lunding: Das schles. Kunstdrama (Kopenhagen 1940), S. 94 ff. Hinsichtlich des Macchiavellismus verweist E. Lunding auf die Abhandlung seines Lehrers, des Kopenhagener Literaturhistorikers Carl Roos: „Tysk Barokkultur" i. d. Aufsatz-Sammlung „Germanica" 1938. Zum spätbarocken Drama vgl. auch Otto Neumann: Studien zum Leben und Werk . . . A. A. v. Haugwitz (Diss. Greifswald 1937), im wesentlichen eine Materialausbreitung und erste Bestandsaufnahme. Paul Fleming. —Für die L y r i k mag Paul Fleming (1609—1640) herangezogen werden; denn seine werkimmanente Poetik reicht unter den Lyrikern besonders weit hinaus über die Lehren der Poetiken. Seine eigene gelegentlich im Werk formulierte Poetik schlägt dagegen im gewissen Grade eine Brücke. Gattungstypologisch tritt die Vorherrschaft der Lyrik eindrucksvoll zutage, wobei freilich die Spannung zwischen Epigramm einerseits, das noch für seine Sonettform strukturbedingend gewirkt zu haben scheint, und Lied andererseits zu berücksichtigen ist. Vereinfacht gesagt : Fleming geht vom Epigramm aus und auf das Lied zu, er strebt von einer epigrammatisch gefärbten Lyrik zu einer liedhaft tönenden Lyrik, ohne sie indessen als Vollendungsform restlos zu erreichen. Immerhin gelangt er weiter als Martin Opitz (für den daher auf die Herausarbeitung der werkimmanenten Poetik verzichtet werden kann). Jene Spannung von Epigramm und Lied beherrscht als Entwicklungsgesetz nicht nur die zeitliche Abfolge seiner Gedichte (soweit wir darüber überhaupt unterrichtet sind), sondern letztlich auch das einzelne Gedicht. Zum andern ist seine Lyrik beherrscht von einem ganz unverkennbaren Ringen der Bindung an das konventionelle Formgesetz mit einer Entbindung der subjektiven Gefühlsaussage. Bald überwiegt die eine, bald die andere Bildungskraft seiner Dichtung. Aber es hat doch (auf Grund neuerer Sonderuntersuchungen) den Anschein, als ob die Erstar-
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kung der echten, ichbezogenen lyrischen Gefühlsaussage mit reiferen Jahren zunimmt. Es ist also nicht so, daß es der jugendliche Gefühlsimpuls gewesen wäre, der etwa nur vorübergehend die Bindimg an das Konventionelle durchbrochen hätte (wie vereinzelt bei Opitz oder auch bei Dichtern späterer Epochen). Sondern es ist so, daß eine echte lyrische Substanz da ist, die nicht auf das Lebensalter angewiesen und ihm zugeordnet bleibt. Gewiß wirkt vom Biographischen her für diese relative Spätreife eines Lyrikers (Fleming ist aber verhältnismäßig früh gestorben) mancher Einfluß fördernd mit. So etwa für die Liebesdichtung die Neigung zu den Schwestern Elsabe und Anna Niehus in der Revaler Zeit oder — was P. B ö c k m a n n besonders hervorhebt — das Ganz-Auf-Sich-Gestellt-Sein und von der Bildungswelt der Formtradition Freigestelltsein in der Situation der Persienrèise im Anschluß an jenen Aufenthalt. Trotzdem bleibt der Eindruck einer ausgesprochenen Entwicklungsfähigkeit des lyrischen Vermögens auch an der Schwelle der Mannesjahre bestehen. Paul Fleming war ein echter, hochbegabter Lyriker, der unter dem Druck der Zeit nicht zur vollen Entfaltung gekommen ist, ganz abgesehen von der knapp bemessenen Lebensspanne. Hätte er in einem späteren Jahrhundert gelebt, wäre er zu einem unserer bedeutendsten Lyriker geworden. Vor allem dürfte es die noch unzulängliche Sprachstufe gewesen sein, die seine freie Entfaltung hemmte. Und er besaß kaum eine ausgesprochen wortschöpferische Begabung (wie etwa Klopstock), war ¿so genötigt — und auch ein wenig dazu geneigt —, sich mit dem vorhandenen Wortbestand und Sprachstand abzufinden und sich darin zurechtzufinden. Daher bleibt vieles nur behelfsmäßig formuliert, was eigentlich den notwendigen Ausdruck gefordert hätte. Und das in Fleming spürbar lebende und strebende, webende und wirkende lyrische Kunstwollen fand keine volle Erlösung in einer ihm adäquaten Kunstleistung. Kunstwollen und Kunstleistung gelangen also — auch von der werkimmanenten Poetik her gesehen — nicht zu einer organischen Eintracht. Wenn so neben der Größe des Lyrikers überall die Grenze fühlbar bleibt, lag das indessen nicht nur an der unzureichenden Ausbildung der Nationiiisprache (vgl. noch Goethes Bemerkungen über den klass. Nationalautor). Es lag auch an der uns kaum noch vorstellbaren Macht, die damals das Traditionelle und Konventionelle ausübte als strenges Ordnungsgesetz, wie es gerade in z. T. recht ungeordneten Zeitläufen als doppelt unentbehrlich empfunden und also durchweg willig befolgt wurde. Ein Mann wie Paul Fleming wird schwerlich mit einer Barock-Poetik in der Hand (oder gar im Herzen) gedichtet haben. Aber den herrschenden kunstgesetzlichen Anschauungen vermochte auch er
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sich nicht zu entziehen. Man hat nachweisen können, daß er sich ζ. B. bei der formalen Anlage des Sonetts weitgehend nach den Forderungen M. Opitz' („Poeterey") gerichtet hat, jedenfalls in seiner Frühzeit, wo von knapp 200 Fällen 140 den Richtlinien von Opitz' „Poeterey" folgen. Erst später lockert Fleming diese strenge Bindimg. Dort dürfte aber bereits wieder der Einfluß Petrarcas wirksam geworden sein, so daß die Vorschrift-Poetik (Opitz) eben nur durch die Vorbild-Poetik abgelöst worden wäre. Das Ungesichertsein des damaligen Poeten sucht, weil liter. Kritik und Publikumsurteil weitgehend ausfielen, häufiger Stützung an Vorschrift und Vorbild, als es dem modernen Beobachter vielfach scheinen mag. Hat man zunächst doch auch Übersetzungen häufig genug für Originalleistungen durchgehen lassen. E s handelt sich bei solchen übereilten modernisierten Deutungen immer wieder um die Nichtbeachtung des ganz entscheidenden Umstandes, daß die Originalität damals noch kein wesentliches Wertungskriterium darstellte. Für den Gelehrten-Dichter stellten die künstlerisch vorgeformten Motive, aber auch die Formmuster etwa dasselbe dar, was heute für den gelehrten Dichtungs-Interpreten die einschlägige Fachliteratur bedeutet. Kein Wunder, wenn selbst begeisterte Fleming-Interpreten sich in mehr oder minder verschämten Anmerkungen immer erneut zu seiner Abhängigkeit von irgendwelchen Quellen bekennen müssen, selbst die FlemingVerehrerin höchsten Grades G. R u e g e n b e r g (1939). Da muß nicht nur für die Frühzeit die Schulung des neulateinischen Fleming an der Eloquentia des Horaz, Vergil, Ovid, Catull, Plautüs und Terenz zugestanden werden, die schon P. R a v e : Paul Flemings latein. Lyrik, Technik der imitatio antiker Autoren (Diss. Heidelberg 1925) nachgewiesen hatte, da ist nicht nur auf Vorbild-Poeten, ja Motivlieferanten und Formvermittler wie Heinsius, Grotius, Janus Douza, Joh. Secundus u. a. hinzuweisen, da kommt auch Caspar Barth als Anreger in Betracht oder Martin Opitz (als Dichter, nicht nur als Poetiker). Und es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß bei fortschreitender exakter Quellenforschung, die leichter in Mißkredit zu bringen als zu entbehren ist, noch weit mehr an Rückbezügen zutage gefördert werden wird. Mag der Eifer der philolog. Einflußjagd auch einmal zu verfrühten Triumphen führen: im Gesamt entspricht dieser Situation der Poesie durchaus die der Poetik. Auch in der Poetik hielt man auf Gewährsmänner weit mehr als auf Originalität. Die Dichtkunst stand noch recht nahe bei der Gelehrsamkeit, so daß große Belesenheit oft genug verläßlicher erschien als große Begeisterung; zum mindesten bot die Belesenheit ein Regulativ für die Begeisterung und ein kunsthandwerkliches Quietiv für den
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Dichter. Die Lücke, die zwischen Kunstlehre (Barock-Poetik) und Kunstleistung (Barockdichtung) auf den ersten Blick so trostlos breit und tief zu klaffen scheint, erweist sich bei näherem Zusehen als gar nicht einmal so gänzlich unüberbrückbar. Denn die Kunstlehre kennt durchaus den furor poeticus, und die Kunstleistung kennt und demonstriert durchaus das Belehrtwordensein von Vorschrift- und Vorbild-Poetik. Die Suche nach Originalität verkennt sowohl die Poetik wie die Poesie des 17. Jhs. Es handelt sich immer nur um Ansätze und Keime sowohl in der Dichtungsdeutung wie in der Dichtungsübung, sowohl in der Theorie wie in der Praxis. Derartige Keime sind nun in der Lyrik Flemings besonders reich ausgestreut und besonders weit entwickelt. Aber ob in jenen mit Recht vielbewunderten Keimen nun das typisch „Barocke" zu sehen ist, bleibt noch sehr die Frage. Hans P y r i t z tut in seiner Wegbahnung zum Fleming-Verständnis daher einen recht behutsamen Schritt. G o t t f r i e d a R u e g e n b e r g geht das nicht schnell genug und ist das zur Steigerung des barocken Ruhmes nicht sensationell und aufregend genug. Möglich, daß sie an einigen Stellen, an denen sie gegen H. Pyritz polemisiert, wenigstens bedingt recht hat oder doch das Rechte sucht (a. a. 0., S. 26/27, 40 u. a.), auch mag der weltanschauliche Einfluß des Paracelsus auf den Arzt Fleming noch weiter reichen. Aber schon P. B ö c k mann (1949) lenkt wieder besonnener ein in ein kritisches Abschätzen von Beharrung und Fortschritt, nur daß er seinerseits streckenweise im freien Ausdeuten behindert erscheint durch die Einstellung auf seine Leitidee vom Elegantiaideal und dem rhetorischen Pathos des Barocks: „Aber trotzdem bleibt auch er in all seinem Dichten an das Elegantiaideal gebunden und kann nicht ( !) als Vorläufer einer erlebnisunmittelbaren Ausdruckshaltung verstanden werden" (a. a. 0., S. 407). Ob er die völlig anders urteilende Dissertation von G. Ruegenberg damit bewußt ablehnt oder sie nicht kennt, kann aus den sehr sparsamen Fußnoten nicht abgelesen werden. Sein Mittelbegriff der „rhetorischen Überformung" von Erlebnisinhalten dürfte aber bei Opitz brauchbarer sein als bei Fleming, obwohl er auch dort gewisse Zwischenformen erhellen hilft. Aber die Analyse des Gedichts „An die Stolze" (S. 408) überspannt m. E. die Tragfähigkeit eines an sich richtigen Grundgedankens (nähere Begründung s. o. im Lit.-Überblick). Hier bestätigt sich, daß vielleicht das Vielbewunderte an Fleming gar nicht typisch „barock" ist, sondern eben auf das Lied (z. T. sogar das Volkslied) zurückgeht (bzw. wieder zugeht). Ähnlich und doch anders wie das Vielbewunderte an Grimmelshausens Erzählkunst nicht in erster Linie typisch „barock" ist, sondern auf volks-
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tümliche Vorformen zurück- oder wieder auf sie zugeht. Nur daß bei dem akadem. gebildeten feinsinnigen und gefiihlsinnigen Lyriker Fleming alles nur andeutungsweise zu ertasten ist, was bei dem volksnahen Autodidakten Grimmelshausen sich massiv drastisch-plastisch vor uns aufbaut, so daß es mit Händen zu greifen ist. Flemings Darstellungsabsicht dürfte schwerlich auf Volkstümlichkeit abzielen, sie zielt auf Kunstdichtung; und nur der Drang der Begabung lockert sie belebend auf. Grimmelshausens Darstellungsabsicht setzt sich von vornherein die Volkstümlichkeit des Ausdrucks und Eindrucks zum Ziel, und die ζ. T. erfolgte Anpassung an die gelehrte liunstdichtung ist nur ein Zugeständnis an den modischen Geschmack, obwohl Grimmelshausen auch Vorformen des Kunstromans zu nutzen wußte. Der Reflex des Kunstwollens im Roman. — Die stiefmütterliche Behandlung des Romans in der formulierten Poetik legt es nahe, ihm bei der Würdigung der werkimmanenten Poetik eine größere Geltung einzuräumen. Für das barocke Kunstwollen, soweit es sich im Roman spiegelt, mögen als Einzelträger Ph. v. Z e s e n und G r i m m e l s h a u s e n herausgestellt werden, der eine für den Kunst-Roman, der andere für den Volks-Roman. Daß sich Kunsttheorie und Kunstpraxis hinsichtlich des Verhältnisses von Epos und Roman in keiner Weise decken, wurde schon im darstellenden Text betont, darf hier jedoch nachdrücklich in Erinnerung gebracht werden. Die weitgehende Traditionsgebundenheit der Zeit-Poetik brachte es mit sich, daß die Theorie des Epos stark gepflegt wurde, während der Roman noch nicht einer eingehenden Theorie gewürdigt wurde. In der Kunstübung steht es genau umgekehrt: der Roman wird bevorzugt und das Epos vernachlässigt. Die Entwicklung wendet sich in ihrer Haupttendenz vorerst merklich vom Epos ab, um sich unverkennbar dem Roman zuzuwenden. Der Roman bot dem weit Ausschwingenden, Raumgreifenden und Raumsprengenden, dem Abschweifenden und Ausschweifenden des barocken Kunstwollens eine ungehemmtere Entfaltungsmöglichkeit und zugleich dem Sinn für reiches Schnörkelwerk in den Episoden, für das Krause und Verflochtene, erwünschte Gelegenheit zum Unterbringen und Anbringen des ornamentalen Zierats. Das antikisierende Epos war dazu weniger geeignet. Es war zu geweiht in der Strenge seiner (überlieferten) Struktur, um so leicht ins Barocke hinübergebildet werden zu können. Und das religiöse Epos war nicht hinreichend ausgebildet, als daß von dort aus wesentliche Entwicklungsimpulse hätten ausgehen können. J. M a s e n s „Sarcotis" war in lateinischen Hexametern abgefaßt, und J. B i d e r m a n n s Epos vom Bethlehemitischen Kindermord fällt
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ebensowenig ins Gewicht wie der Jugendversuch A. Gryphius' über dasselbe Motiv in lateinischen Hexametern. Vollends W. Η. v. Hohenberg mit seinem allzu breit ausladenden Alexandrinerepos vom „Habsburgischen Ottobert" wirkt mehr durch Quantität als durch Qualität, mehr dank der Ausdauer als durch Dauer dichterischer Werte. Auch dürften Anruf an die Muse, Verwendung der antiken Mythologie, also der heidnischen Götter usw., sowohl beim Dichter wie beim Publikum in der Kunstpraxis noch auf einen weit stärkeren Widerstand gestoßen sein, als dies schon in der Theorie ζ. T. der Fall war. Die Theorie konnte da großzügiger sein, gedeckt durch die Vorbild-Poetik der Antike. Die Übertragung in die Praxis hätte die Widersprüchlichkeit weit greller zutage treten lassen. Es sei nur daran erinnert, daß noch Klopstock es erleben mußte, daß gerade aus streng religiösen Kreisen schwere Vorwürfe gegen seine phantasiemäßig-dichterische Umformung biblischer Symbolgestalten erhoben wurden. Aber die Ursachen jenes unverkennbaren Zurücktretens des £poe in der Barockzeit im einzelner zu ergründen, ist Aufgabe der Geschichte der Dichtung, nicht Aufgabe einer Geschichte der Poetik. Die biblischen Romane Zesens beweisen, wie vor allem der Roman es war, der gleichsam noch das religiöse Epos ersetzen mußte, wenn auch vorerst nur behelfsmäßig. Dabei ging das künstlerische Wollen mit dem religiösen Wollen Hand in Hand. Aber auch der volkstümliche Simplizissimus-Roman Grimmelshausens vollzieht im Schlußertrag die Wendung zum religiösen Weltanschauungsroman. Das mag andeuten, wie lebhaft das Bemühen der Darstellungsabsicht war, die neue Gattung des Romans in den Dienst einer theonomen Grundhaltung zu stellen. Zugleich erfährt die Darstellungsabsicht entsprechende Verbesonderungen in der breiten Streuung der Spezialformen des barocken Romans: höfisch-galanter Roman, Schelmen- und Abenteurerroman, histôrisch-politischer Staatsroman usw. Ein durchgreifendes Ziel wird indessen erkennbar in der Verbindung von Unterhaltung und Belehrung. Die barocke Formbereicherung der „Zierligkeit" rechtfertigte sich zugleich durch enzyklopädistische polyhistorische Kenntnisbereicherung vom Inhaltlichen (und den darauf bezogenen Anmerkungen) her. Das Kunstwollen war sich selber nicht genug. Es verband sich mit dem Bildungswillen, ζ. T. auch schon mit dem Erziehungswillen. Die Quell- und Schwellformen des barocken Romans saugen alles an vermeintlichen Bildungswerten auf, was nur irgendwie in ihre Nähe kommt. Und wo sich keine Gelegenheit bietet, da sucht man sie, erzwingt sie wohl auch. Eine gewisse Vorwegnahme von herrschenden Kräften der Romantik wird ge-
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legentlich spürbar. Das Wunder der Weite und die Weite des Wunders greifen mannigfach ein in das gespannte (bis überspannte) Kraftfeld barocker Romankunst. Das Wechselspiel von Zerdehnung und Stauung in der Stoffverarbeitimg entspricht der Spielform widerstreitender Gewalten und Formen. Ein „Kunstgriff" der Kunsttechnik und damit ein Merkmal des kompositioneilen Kunstwollens dürfte in der Kraftballung zu Beginn vieler Barockromane zu erkennen sein. Diese Uberfälle aus der Uberfülle sind keine Gebärde des Genies, sondern Berechnungen des barocken Kunstverstandes. Die epische Ausbreitung erfolgt dergestalt von einer oft überladenen Verdichtungsstelle aus. Dieses Verfahren scheint sich klar abzuheben von der Kompositionsweise des barocken Dreimas, in dem oft ein langer, dialogisierter epischer Anlauf erst im Schlußakt bzw. den beiden Schlußakten zu einer dann freilich ebenfalls übersteigerten Ballung führt. Jedenfalls läßt sich diese dramatische Anlage von den Dramen Gryphius' eindeutig ablesen, ist also verbindlich für den größten Dramatiker des Jahrhunderts. Das aber, was wohl die meisten Barockromane bei aller Differenzierimg und Spezialisierung dennoch an Gemeinsamem aufweisen, wird wirksam in dem, was die Aufklärungs-Poetik entsprechend abfällig als das „Romanenhafte" bezeichnete (und diffamierte). Die Barockromane sind durchweg und durchgängig ausgesprochen „romanenhaft". Aber in dem, was die Aufklärung vorwiegend als Schwäche beanstandete, lag zugleich eine gewisse Stärke. Wie deis Mimushafte die Urform des Dramas umschreibt, so birgt dieses Romanhafte die Urform des Romans in sich, ohne das selbst der hochgeistige Bildungsroman eines Wieland oder Goethe nicht ganz auskam, wenn er nicht ein Urelement des Romans verschmähen wollte. Und es läßt sich bis in die Gegenwart hinein beobachten (Reportage-Roman in Abhebung vom Spezialistenroman), daß eine Regeneration des Romans nicht selten mit einer Rückbesinnung auf jenes Romanhafte zusammenfällt. Insofern war die Ausgangsstellung des barocken Romans nicht ungünstig gewählt, wenn sie auch bald überwunden wurde. Beim Wiederaufgreifen barocker Romanelemente in wesensverwandten Kunstrichtungen späterer Zeit wie Romantik oder Expressionismus ging es dagegen weniger um das Romanhafte als vielmehr um das Barocke als solches. So enthielt das noch ungeklärte, aber ungestüm zupackende Kunstwollen der barocken Romandichter eine Reihe von Werten, die teils durchlaufend, teils episodisch die Weiterentwicklung ermöglichten und förderten — freilich auch forderten. Nun sind das nicht alles Funde der Barockdichter. Die zahllosen Auslandseinflüsse, gelegentliches Zurückgreifen auf
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Vorformen des 16. Jh.s (Grimmelshausen) sind hinreichend bekannt. Es sei nur einmal zur Erwägung gestellt, ob die Bezeichnung „höfisch-galanter Roman" als besonders glücklich gelten kann. Von der werkimmanenten Poetik her betrachtet, wird der höfische Liebesroman (Staats- und Liebesroman) zwar der Barockzeit zuzuordnen sein, nicht aber der galante Roman, der jener Übergangszeit (etwa 1675—1725) angehört, die in vorliegender Darstellung nicht zufällig als die ,,galant-curieuse' ' Epoche umschrieben wird. Zum mindesten aber sollte man unter Berücksichtigung des jeweils vorherrschenden Kunstwollens und der Darstellungsabsicht sauberer das „Höfisch-Galante" vom „Galant-Curieusen" trennen lernen, wie man auch das Historisch-Politische des barocken Staatsromans gebührend Unterscheiden sollte vom PolitischPoliten (abgeleitet von Politesse) des Romans der Übergangszeit, die sich mit immerhin einem halben Jahrhundert zwischen Barock und Aufklärung einschaltet. Die Barockforschung ist schon „barock" genug, um etwa durch Vermischungen der Stilepochen noch „barocker" werden zu dürfen. Und es geht nicht an, mit lauter Begeisterung den Geist zu vernebeln oder über den Haufen zu werfen. Gerade eine Großform wie der Roman braucht Geist, auch den Geist der Epoche und nicht nur Begeisterung, auch nicht bloße Begeisterung konfessionell gebundener Interpreten. Grimmelshausen und Moscherosch beweisen, daß der nationale Traggrund dauerhafter war als die konfessionelle Bekenntnishaltung, daß die volkstümliche Opposition gegen das Höfische zukunftsträchtiger war als das Befangenbleiben in der Tradition, ganz abgesehen von dem Reichtum der in ihnen eingekörperten kulturgeschichtlichen Schätze. Selbst Christian R e u t e r mit seinem Abenteurerroman „Schelmuffsky" bleibt dem Verstehen der Nachwelt zugänglicher ids Lohensteins historischer Kunstroman barocken oder doch spätbarocken Gepräges. Zum mindesten dürften die Zukunftswerte weit mehr im antihöfischen als im höfischen Roman zu suchen sein. Der rhetorisch-pathetische barocke Idealismus bleibt auf die Dauer zurück hinter dem satirisch-drastischen barocken Realismus, und zwar nicht zuletzt im Bereich des Romans und im Machtbereich des „Romanenhaften". War doch das Historische oft genug nur Maske für ein ungeniertes Sich-Gehen-lassen im Massenaufwand von Personen und Geschehnissen, von Verwicklungen weit mehr als von Entwicklungen (Buchholtz, Ulrich v. Braunschweig, Lohenstein, Zigler u. a.). Der Roman als bloßer Gelegenheitsmacher für Prunk- und Pracht-Entfaltung oder Wissens-Ausbreitung, für rhetorische Stilübungen oder barocke Sensationen war noch weniger ein echtes Kunstwerk als der Roman der liebevollen und
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lebensvollen Widerspiegelung wilder und wirrer Zeitläufe, kultureller und gesellschaftlicher Zustände. Beide Hauptrichtungen rangen um den Roman als ranggleiche Gattung (neben Epos und Drama), aber die realistische Richtung hatte die Erlebnisechtheit der Erfahrung (und der „Selbsterfahrung") für sich, und ihr ist daher vorerst der Sieg zugefallen. Grimmelshausen wird als Romandichter länger leben als Ph. v. Zesen, obgleich in Zesen wohl die stärkste Begabung unter den Vertretern des Kunstromans im eigentlichen Barockzeitalter anzusetzen ist. Die Diesseits-JenseitsSpannung scheint durchweg im Roman weniger ausgeprägt zu sein als im Drama oder in der Lyrik. Das gilt nicht von jedem Einzelfall, aber doch im Durchschnitt. Das hing vielleicht damit zusammen, daß die relativ neue Gattung des Romans, die noch sehr lange um ihre Ebenbürtigkeit kämpfen mußte, weltanschaulich ebensowenig für voll genommen wurde wie kunstanschaulich (Vernachlässigung in der theoretisch formulierten Poetik). Damit aber mündet diese Skizze des barocken Kunstwollens im Spiegel des barocken Romans wieder ein in ihren Ausgangspunkt (Mißverhältnis von Theorie und Praxis). Hervorgehoben sei noch, daß die Wirkungsabsicht des barocken Romans durchschnittlich mehr auf Spannung eingestellt ist als der Wirkungswille des barocken Dramas. Insofern wirkt der Barockroman zum mindesten streckenweise „dramatischer" als das stark auf epische (und rhetorische) Hilfen angewiesene barocke Drama. Die Einzelgattungen haben noch nicht recht ihr Eigengepräge gefunden, während die Einzelarten, ζ. B. das bevorzugte Sonett, weit sicherer und fester in ihrer Wuchsheimat wurzeln. Philipp von Zesen. — Wenn Ph. ν. Zesen (1619—1689), der in der Nähe von Dessau als Pastorensohn geboren wurde, nach dem Schulbesuch in Halle, in Wittenberg (Leipzig ?) und Leiden studiert hat, noch mehrfach in Holland und Hamburg (wo er stirbt) begegnet und erst 1653 von Kaiser Ferdinand in den Adelsstand erhoben wird, als Vertreter des barocken Romans ausgewählt wurde, so rechtfertigt sich das durch die Bemerkungen von H. C y s a r z : „Zesen ist der vielseitigste Kopf des Zeitalters" und „Zesen trägt schlechterdings sämtliche starken Möglichkeiten des barocken Jahrhunderts in sich". — Hier geht es nicht um den berühmt-berüchtigten Sprachreiniger, den Präger des Wortes „Tageleuchter" (für Fenster) usw., auch nicht um den Lyriker, sondern um den Romandichter, den Dichter der „Adriatischen Rosemund", der „Stahts-, Lieb- und Lebensgeschicht Assenât" und der „Helden- und Liebesgeschicht" vom „Simson". Die beiden zuletzt genannten Großerzählungen hat man auch dem Motiv-
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bereich nach als „biblische Romane" (W. Beyersdorff, 1928) zusammengefaßt. Die dichterisch überlegene Leistung ist aber in der vom jungen Zesen verfaßten „Adriatischen Rosemund" zu suchen. An dem Motiv der Liebe über Konfessions-Unterschiede hinweg, wobei der Vater-Tochter-Konflikt in gedämpfter Weise zur Geltung kommt, entwickelt Ph. ν. Zesen in der „Adriatischen Rosemund" (1645) einen ausgeprägten Liebesroman, der letzten Endes unentschieden ausklingt, indem er die lyrische Auffangsstellung als Zuflucht vor einer klaren Entscheidung aufsucht. Novellistische Einschübe nehmen in beachtenswerter Deutlichkeit die Kompositionstechnik späterer Romane vorweg. Schon die Motivwahl bekundet eine Darstellungsabsicht, die an Individualisierung und Psychologisierung über das objektive Schema vieler Barockromane durch subjektive Gefühlsbeteiligung deutlich hinausragt. Auch der sprachstilistische Befund bestätigt das Ungewöhnliche dieser „sprachlichen Gestaltung des Seelischen" und des „psychologischen Wortschatzes", wobei die Erfassung und Abstufung „gewisser Zwischentöne" Hervorhebung verdient (Aug. Langen, a. a. 0. 1952, Sp. 1130). Diesem ausgeprägten Stilwollen entspricht ein kraftvolles Kunstwollen, das sich als stark genug erweist, trotz merklicher Anlehnungen an den Abenteurerroman einerseits (zugleich Reiseroman-Einschlag) und den Schäferroman andererseits den Typus des psychologischen Liebesromans erfolgreich durchzusetzen und festzuhalten. Wenn das in der damaligen Zeit möglich wurde, so wirkte nicht unwesentlich mit, daß persönliche Erlebnisgrundlagen ebenso deutlich durch die zeittypische barocke Formung hindurchschimmern wie in der Lyrik bei Paul Fleming (s. o.) oder in der Dramatik bei Andreas Gryphius (s. o.). Eine gewisse Eintrübung der reinen Liebe durch Liebesehrgeiz bei Markholt hat man nicht umsonst auf einen ähnlichen Wesenszug Zesens zurückgeführt, ganz abgesehen von dem barock verspielten Namensbezug. Nur sollte man nicht soweit gehen, die „Adriatische Rosemund" voreilig als Schlüsselroman zu bezeichnen. Immerhin ist der barocke Hang zur Mystifikation merklich beteiligt gewesen. Im Verhältnis von erlebter Welt und gestaltetem Werk darf in der Barockzeit nicht übersehen werden, daß der Anteil Erlebnis gern verdeckt und versteckt oder nur spielerischanspielend und andeutend enthüllt zu werden pflegte. Dabei arbeitet die Kunsttechnik vielfach mit ganz bewußt angewandten Kunstgriffen, die sich ζ. T. bedenklich dem Taschenspieler-Kunststück annähern. Es darf daran erinnert werden, daß Joseph im „Assenat"-Roman rein menschlich ähnlich von Frauen umworben wird (nicht nur von Potiphars Weib Sefira) wie Markholt im
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„Rosemund"-Roman, obgleich man beträchtlich über das Ziel hinausschießt, wenn man Markholt einen „pretiösen Schelmuffsky" genannt hat. Vollends unhistorisch wirkt ein an sich interessanter Versuch der Sonderforschung (Hans Obermann, Diss. 1933), die „Haltung" als Gegenkraft gegen das Begehren auf den Minnedienst Zug um Zug zurückzuführen. Das barocke Kunstwollen war viel zu stark auf Steigerung und Überhöhung eingestellt, als daß derartige Parallelen viel mehr als eben nur interessant und im Sinne der Zeit „merkwürdig" sein könnten. Und der Brückenschlag über die Amadis-Tradition wirkt wohl kühn, aber kaum tragfähig. Das Verwandte des „Höfischen" kann über das Unterschiedliche nicht hinwegtäuschen. Wesentlich bleibt, daß in der „Adriatischen Rosemund" als stark lyrisch gestimmtem Liebesroman ein Phantasiestoff subjektiv „echt" erlebt und gestaltet wird, wobei allerdings für den Barock-Dichter die zeittypische Verbesonderung dieses „Erlebens" und dieser „Echtheit" im Sinne einer stilisierenden Überformung und höfisch-gesellschaftlichen Umschränkung zu berücksichtigen bleibt. Denn diese Bindungen, die er zugleich als Sicherungen empfand, gibt der Barock-Dichter kaum irgendwo ganz auf. Eine solche Selbsthingabe nach Art dichterischer Konfession war nicht seine Aufgabe und galt noch nicht als Aufgabe der Dichtkunst. Immerhin erfolgt eine gewisse Auflockerung jener formalen und inhaltlichen Verbindlichkeiten. Und sie genügt, um das Kunstwollen als Kunstwollen greifbarer hervortreten zu lassen. Gewiß will Zeseli noch nicht so etwas wie einen psychologischen Problemroman schreiben. Aber die Darstellungsabsicht ist schon bei aller Freude am „Romanhaften" auf die Enthüllung und Erläuterung innerer Vorgänge gerichtet, und zwar in einem Grade, der sich nicht einfach und hinreichend durch die thematische Bedingtheit (Liebesmotiv) erklären läßt. Hier ist nun der Ort, an dem man den Dichter als Dichter aus der methodischen Umklammerung durch Epochenstil-Begriffe lösen muß. Zesen war damals noch jung (etwa 26 Jahre alt) ; und er dichtete den „Rosemund"-Roman, der recht eigentlich eine größere Erzählung mehr als ein ausgewachsener Roman war, in einer Epoche, in der seine Lyrik noch vorherrschte (Einlagerung einer Gattung in ein anderes Gattungs-Milieu, vgl. in der neueren Lit. etwa den jungen Th. Storm). Das sind modifizierende Teilfaktoren, die in das Kunstwollen einkalkuliert werden müssen. Es läßt sich nicht alles auf den Epochen-Stil zurückführen: auch im Barock war das Lineal gerade, auch in der Klassik war die Locke kraus. Auch im Barock waren die Dichter jung oder alt, nüchtern oder begeisterungsfähig, begabt oder imbegabt, ge-
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schmackvoll oder geschmacklos, stärker lyrisch oder episch oder dramatisch eingestellt und eingestimmt, gebildet oder scheingelehrt usw. Es darf nicht der Mensch an sich hinter dem „Barockmenschen" verlorengehen. Schon das Aufkommen von Formulierungen wie „Barockmensch" illustriert aufs deutlichste die Überbewertung der Epochenstil-,,Idee", das Erstarren eines an sich richtigen Gedankens zu einer überwertigen (fixen) Idee, die Entartung der Epochen-Vorstellungen zu Zwangsvorstellungen, die bestenfalls zu der Zeit hinführen (durchweg auf längst ausgetretenen Wegen) und in ihrer fanatischen Einseitigkeit nicht selten vom Dichter, seinem Werk und auch von seinem Kunstwollen fortführen. Demgemäß ist es kein Wunder, wenn die werkimmanente Poetik oft so ganz und gar nicht mit der Zeit-Poetik übereinstimmen will. Daran trägt nicht allein die Gelehrsamkeit oder Scheingelehrsamkeit der Poetiker die Schuld, die mit dem Kunstwollen ihrer Gegenwart sicherlich häufig genug nicht Schritt halten konnte. Auch die Dichter waren durchweg gelehrt oder gaben sich doch den Schein der Gelehrsamkeit. Der polyhistorische Zug geht gerade auch durch die Romane. Die gelehrten Anmerkungen wollten meistens nicht wirklich hinter die Dinge kommen, sondern, wie die Poetiker, eine repräsentative Wissensfülle ausbreiten. Es kam nicht auf die Erkenntnis des Wesens an — weder dort noch hier —, sondern auf die Ausbreitung von Beispielen, auf den Einbau von Wertstützen, auf den Glauben an brauchmäßig verfestigte Formeln, auf das Prunken mit ganzen Ketten von Gewährsmännern, auf den Willen zur Tradition und die Würde der Repräsentation. Die Poetiken sind gewiß keine Perlen; oder doch nur (methodisch) schiefe Perlen und insofern in ihrer ganzen Struktur doch wieder „barock". Aber die Dichtwerke sind ebensowenig sämtlich echte Perlen der Kunst ; oft sind sie nur barocke Perlen der Barockkunst. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Positivismus der Barockzeit nicht gerecht werden konnte. Aber die ausgleichende Gerechtigkeit hat nun des Guten schon fast zuviel getan, so daß man vor der Größe der Barockkunst ζ. T. ihre Grenze aus den Augen verloren hat. Im Sonderfalle Zesen erscheint ζ. B. fraglich, ob das Ausweichen vor der Entscheidung des psychologischen Problems (Vereinigung oder Nicht-Vereinigimg der Liebenden) auf den Epochentypus oder auf die individuelle Unerfahrenheit des jungen Romandichters zurückzuführen ist. Sind die Exkurse, wie Beschreibung der Stadt und Stadtgeschichte Venedigs als Geburtsstadt Rosemunds oder die Erörterung über das Wertverhältnis der alten und der damaligen Deutschen durch Markholt in den letzten Partien des Romans nur Raststellen oder Ablenkungsmanöver? Deutet man 31 M a r k w a r d t , Poetik I
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sie als Ablenkungsmanöver, so weist man dem jungen Romanschriftsteller eine Einsicht in die Geheimkünste kunsttechnischer Komposition zu, die ihm schwerlich schon zukam. Deutet man sie als Verlegenheitslösung eines um die wirkliche Lösung Verlegenen (und das ist wahrscheinlicher), so hätte beim jungen Zesen das Darstellungsvermögen noch nicht ausgereicht, um die Darstellungsabsicht des Kunstwollens in einer adäquaten Kunstleistung gültig werden zu lassen und überzeugend durchzuführen. Deutet man sie endlich als Zugeständnisse an die barocke Neigung zu Abschweifungen oder an die polyhistorische Ausbreitung von Gelehrsamkeit, so hätte Zesen das Naheliegende, nämlich eine klärende Aussprache der Liebenden nach längerer Trennung (mit Eifersuchtseinbruch des weiblichen Partners, Rosemunds Flucht ins Schäferleben) versäumt, um am Unrechten Ort sein Wissen anzubringen. Konnte der junge Dichter nicht weiter, oder wollte er nicht weiter ? Und wo blieb die Tugendmoral, wenn zuletzt der schwebende und schwankende Zustand einer vorehelichen Liebe als poetischer dargestellt wurde als der nicht erreichte und kaum ernstlich erstrebte Zustand und Bestand einer ehelichen Liebe? Weicht der junge Zesen vor der Lösung der Liebesproblematik aus, weil er vor der Ehe ausweicht ? Jedenfalls erscheint der Dauerzustand des Liebe-Ersehnens zuverlässiger als der Dauerzustand der Liebes-Erfüllung (Ehe). Die Poetisierung der Liebe ist wichtiger als die Realisierung der Liebe, die beim gebrochenen Herzen Rosemunds endet. Ebenso ist die Poetisierung der Geschichte in der „Geschichtserzählung" (Roman) wichtiger als die Realisierung des Geschehens in den bibelgeschichtlichen Romanen ,,Assenât" und „Simson". Denn während der reifere Zesen vorgibt und sich uiTd dem Leser vortäuscht, nun objektiver zu verfahren als in seiner Jugendzeit, trägt er wiederum das Subjektive in die Quellen hinein, um es von dort aus in die Romane,,Assenât" und „Simson" zurückübertragen zu können. Das Verhältnis von Dichtung und Datentreue wird dabei nur scheinbar zugunsten der Datentreue entschieden. Denn den Anmerkungen zur Dichtung merkt man bereits den Dichter an, der auch das an sich schon phantastisch Geschichtliche noch seinerseits poetisiert und als Dichter betrachtet und zubereitet. Und wo der barocke Dichter der Geschichte treu zu bleiben meinte, blieb er doch in Wirklichkeit nur sich selber treu, nämlich seiner Neigung und zeitgemäßen Nötigung, alles Wirkliche ins Merkwürdige, Sensationelle und Phantasiemäßige (bis Phantastische) zu transponieren und transformieren. Auch im „historischen" Bereich blieb er „Barock", weil er schon die „Geschichte" vom poetischen Aspekt gleichsam schief (und also „barock") sah. Er
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trug daher die Geschichte erst in die Poesie hinein, nachdem er die Poesie in die Historie (und deren Spielformen) hineingetragen hatte. Das wurde ihm wie im Falle des reiferen Zesen erleichtert, wenn er die Darstellungsabsicht rein motivisch auf „heilige" Geschichten zielen lassen konnte wie im,,Assenât" (JosephsErlebnisse in Ägypten) oder im „Simson". Nach der jugendlichen Auflockerung der christlich-moralischen Leitidee in der „Adriatischen Rosemund" kehrt der reifere Zesen in seinen biblischen Romanen zu ihr zurück, die letzten Endes nicht einen Triumph der Geschichte brachten, wie die Vorreden glauben machen möchten, sondern einen Triumph der Religion. Und wenn die „Adriatische Rosemund", wie man gedeutet hat, die Situation des „Barockmenschen" herausarbeitet, der „des Lebens (und Liebens) nicht satt werden" kann, so veranschaulicht der biblische Roman der Reifezeit den „Barockmenschen", der „des Lebens nicht froh werden" kann, solange ihm nicht das ewige Leben winkt. Das Kunstwollen, dem in der Jugend ein freierer Spielraum vergönnt wurde, stellt sich in der Besonnenheit der Reife willig in den Dienst der Religion, die mehr Glück verbürgt im Jenseits als die Tugend beständiger Liebe im Diesseits. Neigt die „Adriatische Rosemund" als stark autobiographischer Roman und bedingte Modelldichtung zu einer relativ autonomen Haltung, so geben ,,Assenât" (der Titel bezieht sich auf die Tochter des Potiphar und spätere Gattin des keuschen und in aller Versuchung beständigen Joseph) und „Simson", der unter dem Einfluß P a l l a v i c i n i s („Simson" verdeutscht v. Joh. Wilh. v. Stubenberg 1657) steht, merklich dem Druck eines Primats der theonomen Grundeinstellung des 17. Jh.s nach. Sowohl die Ausgangsstellung (Motivwahl) wie die Auffangsstellung (Motiv-Deutung) sind religiös bestimmt. Das schließt indessen nicht aus, daß die barocke Diesseitsfreude ζ. B. in der breiten Ausmalung der erotischen Sensationen, die von Josephs Männerschönheit und dem entsprechenden Reagieren der Frau ausgehen, voll zu ihrem Recht kommt. Die Erbauungskunst ist untermischt mit der rauschhaften Erregungskunst und bedarf merklich recht heiliger Sicherungen, um den unheiligen Unsicherheiten und Schwankungen zu entgehen. Denn die männliche Eitelkeit Zesens spielt teilweise grotesk in sein religiöses Eifern hinein (bes. im Josephsroman „Assenât"). Und insofern bleibt ein Restbestand des autobiographischen „Schlüsselromans" auch im Erbauungs- und Vorsehungsroman seiner Spätzeit erhalten. Auch dort also, wo Zesen zu seinem Gott kommen will, vermag er von der Selbstvergötterung nicht loszukommen, die sich als Kuriosum auch in den sprachlich-orthographischen Ambitionen äußert wie in der mannigfachen An31·
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spielung auf seinen Namen usw. Trotz der nachweisbaren A b hängigkeit von ausländischen Vorbildern und Romantypen, die sein Kunstwollen noch komplizierter und in sich und an den anderen gebrochen erscheinen läßt, strebt Ph. v. Zesen mitten im Jahrhundert des fehlenden Originalitätsgedankens merklich nach Originalität. Er bringt es aber nur zum Originellen, weil sein Ansatz zum Eigenschöpferischen im Keim stecken bleibt und von der Last der Überlieferung erdrückt, aber auch von der Gewichtigkeit religiöser Werte niedergehalten wird. So mündet das Kunstwollen seiner werkimmanenten Poetik, ohne zum Eigengesetz zu gelangen, schließlich doch wieder in die beiden Hauptströme der Zeitpoetik ein : christlich-moralische Leitidee und kulturpatriotische Leitidee (sprachlich-deutschtümelnde Bemühung). Ergänzend mag erwähnt werden, daß hinsichtlich des Verhältnisses von Poesie und Historie (histor. Roman) die Vorrede zu der „Zugabe" der Anmerkungen zum „Simson"Roman in einem gewissen Widerspruch steht zu der Vorrede zu seiner ,,Assenât", was ζ. T. freilich aus der rein stofflichen Situation (weniger Quellen als beim ,,Assenat"-Roman) zu erklären wäre: ein Beispiel mehr dafür, daß die Vorreden-Poetik häufig als Selbstrechtfertigung zugeschnitten bleibt, also nur einen geringen Grad von Allgemeingültigkeit beanspruchen darf und sie oft auch gar nicht beanspruchen will. Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen. — Vorerst bleibt einiges zum Haupttext (der Grimmelshausen nicht berücksichtigen konnte) nachzutragen, und zwar hinsichtlich der f o r m u l i e r t e n P o e t i k i m d i c h t e r i s c h e n W e r k . Sie begegnet im ,.Satyrischen Pilgrim", wobei sich der Eindruck ergibt, daß Grimmelshausen nicht nur einen gewissen Überblick über die Dichtung seiner Zeit besitzt, sondern auch mit den Haupttendenzen der Poetik vertraut ist. Er kennt sowohl die kultur-patriotische Leitidee, die hinter dem Bemühen (oder Voraussetzen) einer Dichtersprache wirksam wird, als auch den Anschluß an die Humanistenpoetik und die entsprechende Vorbild-Poetik der Alten. Dort, wo Grimmelshausen „Von der Poeterei und derselben Vortrefflichkeit" handelt, tritt der bekannte Wettbewerb der deutschen Dichtersprache mit der des Auslandes eindeutig zutage („daß sie keiner fremden im geringsten nichts nachgibt"). Dagegen heben sich diese kunsttheoretischen Bekundungen von den landläufigen Lehren der Zeit-Poetik in der Frage der Vorbild-Poetik der Antike deutlich ab. Vor allem scheint es die Einmischung der antiken Mythologie gewesen zu sein, die Grimmelshausen stutzig macht. Er lehnt diese Neubelebung ausdrücklich ab. Aber das geschieht nun nicht
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so sehr oder sichtbar auf Grund der christlich-moralischen Leitkraft, die P. B ö c k m a n n als Ausdruck einer theonomen Haltung von der autonomen Haltung des Humanismus mit Recht abhebt, also nicht vorab aus jenem eifernden Bedenken (und jenem oft bedenklichen Eifern), das bei manchen Poetikern begegnet (s. o.). Er lehnt es vielmehr ab, weil er besorgt ist um das Verstandenwerdenkönnen durch den deutschen (nichtakademischen) Leser: „Daß mancher gelehrter und erfahrene Kerl, g e s c h w e i g e ein g e m e i n e r Mann, beinahe nichts daraus versteht". Die „poetischen Grillen" und „phantastischen und närrischen Träume" sowie die „schrecklichen Einfälle" der Alten gelten ihm als Verwirrung und Abirrung vom Wege deutschen (und christlichen) Denkens und Dichtens, so daß auch von dieser Seite her die kulturpatriotische Leitkraft sich durchsetzt. Zugleich aber wird ein Sich-Verantwortlichfühlen vor dem Leser erkennbar. Zwar ist es noch nicht so, wie dann im 18. Jh. bei Fr. v. Blankenburg und dessen „Versuch über den Roman", in dem gemahnt wird, gerade den Roman nicht zu vernachlässigen, der als Dichtungsgattung auch die Lektüre breiterer Leserschichten darstelle. Aber es ist doch so, daß in gewissem Grade auf den Eindruck beim „gemeinen Mann" geachtet wird. Der Amtmann des Renchtals (Schw^rzwald) Grimmelshausen aus dem 17. Jh., der irgendwie verwandt erscheint mit dem Amtmann aus dem 18. Jh. G. A. Bürger, fordert noch nicht die Ausschließlichkeit einer „volksmäßigen Poesie"; aber er wehrt sich auch schon in der Theorie gegen einen Primat des antiken Bildungserbes und meldet seinen Anspruch auf ein leichtes Verstandenwerden durch den deutschen Leser an, den er gegen die bildungsmäßige Überfremdung schützen möchte. Insofern entspricht seine Dichtungsübung seiner Dichtungsdeutung, die freilich nur als Andeutung vorliegt. Inwieweit Grimmelshausen bildungsbedingt aus der Not eine Tugend gemacht hat, steht hier nicht zur Erörterung. Und ebensogut wie er manches nachweisbar aus bequem zugänglichen Kompendien in seine Romanform an Wissensstoff hineinverarbeitet hat, hätte er sich die antike Mythologie aus Nachschlagewerken anlernen können. Es ist auch in gewissem Grade geschehen; aber Grimmelshausen sieht darin nicht — und das ist entscheidend — einen Leistungsausweis für den Dichter, sondern eher ein Armutszeugnis, ganz abgesehen von der Rücksichtslosigkeit gegenüber dem „gemeinen Mann". Kein Wunder, wenn es ironisch im Gebälk knistert, wo er einmal demonstrativ einen scheingelehrten, bildungsstolzen Bau errichtet (das hat P. B ö c k m a n n ganz richtig erkannt). Zugleich greift er damit wohl nicht ganz zufällig und nicht nur aus der Situation des Autodidakten jene Kompositionstechnik und jenes Mischungs-
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verfahren der Volksbücher aus dem 16. Jh. auf, deren Bestreben um Bildungsbereicherung ihrer Leser weit greifbarer und aufdringlicher hervorgekehrt wird als dies bei Grimmelshausen der Fall ist. Damit wird schon ein Ausschnitt der w e r k i m m a n e n t e n P o e t i k Grimmelshausens sichtbar. Seine Dichtung ist in gewissem Grade zunächst einmal unzeitgemäß, eben weil sie sehr zeitnah und sehr volksnah ist. Sie durchbricht mutig die Schranken der Zeit-Poetik, widerspricht aber nicht seinen eigenen kunsttheoretischen Deutungen und Andeutungen. Genialische Naturen sind im Barock nicht selten. Bei Gryphius aber im Drama und bei Grimmelshausen im Roman weht etwas vom Atem des schöpferischen Genies. So mannigfach die Quellen und Gewährsmänner immer gewesen sein mögen, bei beiden tritt das Eigene und Eigentümliche eindrucksvoll zutage. Und damit entzieht sich, streng genommen, ihr Werk und Wesen einer Erhellung der hinter ihm wirkenden werkimmanenten Gesetzlichkeit. Denn das Genie läßt sich nicht festlegen auf ein „Gesetz"; es ist selber gesetzgebend. So bleiben nur Annäherungswerte notdürftig zu ertasten; denn der Weisheit letzter Schluß bleibt eben doch dies, daß Grimmelshausen ein geniales Erzählertalent ist, zum mindesten in der volkstümlichen Sonderform des Abenteurerromans, der sich zum Kulturund Sittenroman ausweitet und zum Weltanschauungsroman vertieft. Zugleich ist mit dem „Simplizissimus" (1668 f.) ein imposanter Ansatz zum Entwicklungsroman, im weiteren Sinne zum Bildungsroman gegeben. Zwischen diesem Entwicklungsroman einerseits und dem Bildungsroman andererseits, die beide im „Simplizissimus" sich manifestieren, vermittelt gleichsam der Erziehungsroman. Vielleicht dankt es Grimmelshausen auch ein wenig dem Umstand, daß nicht eine Last von Gelehrsamkeit auf ihn drückte, wenn ihm diese seltene Ineinsbildung gelungen ist. Denn ihm als Autodidakten lag es nahe und war es ganz natürlich, zunächst einmal der Natur und weiterhin dem Leben überhaupt das Verfahren der Entwicklung und weiterhin der Bildung abzugewinnen und gestaltend nachzuzeichnen. Gerade der Frühentwicklung, die stark auf sich selber angewiesen bleibt, hat er seine besondere Liebe zugewandt, insofern ein Vorläufer ganz moderner Formen des Entwicklungsromans, wie sie ζ. B. bei M. Andersen N e x ö (Pelle-Morten) oder Hans Carossa oder E. G. K o l b e n h e y e r (Paracelsus) oder vereinzelt bei H e i n r i c h Mann (Henri Quatre) gewiß auf völlig anderer Grundlage, aber kunstgesetzlich dennoch verwandt, wiederkehren. Seit dem Ansatz in Wolframs „Parzival" war kaum irgendwo in der deutschen Epik der Anteil an Selbstentwicklung im Bildungsroman so eindringlich zur Geltung ge-
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bracht worden wie bei Grimmelshausen. Gewiß lag die Gelegenheit dazu im Motiv des Abenteurer- und Schelmenromans dem jederzeitigen Zugriff bereit, gemäß der rein stofflich gegebenen Situation. Und während gegenüber der Situation Parzivals der Unterschied besteht, daß dort die Unwissenheit künstlich durch die Fürsorge der Mutter herbeigeführt oder aufrechterhalten wird, ging es auch in jenen erwähnten, allbekannten Romantypen vielfach um den Menschen aus niederem Stand, der sich selber zurechtfinden und durchschlagen muß wie Simplizius. Aber daß Grimmelshausen das, was dem Zugriff bereit lag, so zwanglos ergriff, zeugt wieder von der dunklen Griffsicherheit des genialen Erzählers. Und ebenso das andere, daß er es scheinbar mühelos verstand, Entwicklungsroman, Erziehungsroman und Bildungsroman zu verschmelzen in der Art, wie er es getan hat. Daher sind auch die vielen Nachahmungen des „Simplizissimus" nie über das Vorbild hinausgelangt und haben es nicht einmal erreicht. Gegenüber diesen Werten wird niemand den Wert des farbigen Kulturgemäldes unterschätzen, das irgendwie eine düster-dämpfende Lasierung trägt und dennoch die Einzelheiten plastisch herausholt. Es scheint aus unzählig vielen Details mosaikhaft zusammengesetzt zu sein wie das Leben selber. Und es wird dennoch zur organischen Einheit und Ganzheit wie das Leben selber. Es ist ein Kultur- und Unkulturbild zugleich, wie es und weil es den Geist der Zeit zugleich mit dem Ungeist der Zeit heraufbeschwört. Wenn vom Entwicklungsroman gesprochen worden ist, so wurde dabei nicht außer acht gelassen, daß der Entwicklungsbegriff erst von Leibniz vorgebildet und, im 18. Jh. zur Debatte gestellt, von Herder weitergebildet wurde, ganz abgesehen von seiner naturwissenschaftlichen Untergründung durch Darwin im 19. Jh. Aber weil man, subtiler stufend, von „Selbsterfahrung" beim „Simplizissimus" gesprochen hat (G. Müller), kann man nicht sogleich einen Selbsterfahrungsroman abzweigen. Eine frühe Vorform der Entwicklung bahnt sich in dieser Selbsterfahrung an, und diese Frühform vertritt Grimmelshausen, der dergestalt eben doch dem Entwicklungsroman zusteuert und grundlegende Bestände zu seinem Werden und Wesen beisteuert. Auch wird nicht verkannt, daß die Besonderheit des „Simplizissimus" letztlich in seiner Einmaligkeit besteht. Nicht nur die Nachbildner der Simpliziaden, auch Grimmelshausen selbst vermochte ihn nicht zu überbieten, weder durch die „Landstörtzerin Courasche", die zu B. B r e c h t s berühmtem Bühnenwerk zum mindesten den Namen hergegeben hat, noch durch den „Springinsfeld" oder gar durch Auswertungen von biblischen Geschichten, wie etwa den „Joseph" oder Bemühungen um historisch sagenhafte Motive. Das würde bedeuten, daß
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NACHTRAG
die Einmaligkeit des großen Wurfes weder überbietbar noch wiederholbar war, weil damit die volkstümliche Sicht und drastischplastische Aussage über den Dreißigjährigen Krieg, seine Begleitumstände und seine Folgen ein für allemal festgelegt war. Das heißt : der große Stoff ist der adäquaten Begabung weitgehend, ja entscheidend entgegengekommen, soweit es sich um den ungetrübten und unverschrobenen Blickwinkel des einfachen Mannes handelt, denn von anderem Blickwinkel ist der bei Grimmelshausen vernachlässigte, rein historische Aspekt wirksamer zur Geltung und Gestaltung gekommen, sei es nun bei Schiller, Karl Gutzkow, Heinrich Laube oder Ricarda Huch. Damit erfährt die eben betonte Genialität Grimmelshausens eine nicht unbeträchtliche Einschränkung auf die volksnahe Konzeption und die zeitnahe Konstellation. Begebnis und Begabung mußten im Sonderfall zusammentreffen, um das Talent zum Ansehn des Genies zu steigern. Und gerade weil das Kunstwollen national bestimmt war, gewann es internationale Symbolgeltung im Bereich der Weltliteratur. Und weiter: weil hier der Mensch, der „typische" Mensch des Dreißigjährigen Krieges im Deutschen unter Wahrung des Zeittypischen aufgesucht und aufgezeigt wurde, konnte der „Simplizissimus" die klassische Ausprägung der barocken Volkstümlichkeit bringen in repräsentativer Form und Fassung, weitab von aller höfischen Repräsentationskunst eines oft nur barock überformten Renaissance-Humanismus. Wenn der ,,Simplizissimus" weiter nichts bewiesen hätte als dies, daß ein barockes Lebensgefühl nicht nur an den Höfen, sondern auch im Volk zuhause war, so hat Grimmelshausen schon mit diesem Nachweis auch den Beweis eines großen Könnens gebracht. Daran gemessen bleibt nebensächlich, daß der Autodidakt Grimmelshausen offenbar von der Kunsttheorie mehr gewußt hat, als seine Naturbegabung und deren unbewußte Kunstleistung verrät. Denn was im „Satyrischen Pilgrim" an theoretischer Kenntnis greifbar wird, dürfte nicht alles gewesen sein, was Grimmelshausen an gestaltender Einsicht besaß. Die Haupteinsicht hat er sich jedoch selber gewonnen. Insofern war Grimmelshausen in der Tat ein „kühner Einzelgänger" (E. T r u n z , 1937) innerhalb der Gelehrtendichtung, der sich nicht in die Opitztradition einfügen wollte und konnte. Wohl aber konnte er vor der älteren Tradition der Volksbücher und Schwänke usw. durchaus bestehen, wie R. A l e w y n frühzeitig (1930) richtig erkannt und hervorgehoben hat. Mag dabei (wie P. B ö c k m a n n I, 1949 zu bedenken gibt) der Gegensatz weniger im Individuellen (Abhebung von der Gesellschaftsdichtung) zu suchen sein als vielmehr im Durchbrechen der formgesetzlichen Richtung (Abkehr vom Elegantia-Ideal), so ist doch neben diesem
II. SKIZZEN ZUR WERKIMMANENTEN POETIK
489
negativen Kriterium jene positive Anknüpfung an volkstümliches Erzählgut kennzeichnend für sein Kunstwollen geblieben. Denn erst jene frühen, noch tastenden Erkundungen ermutigten ihn zu seinem kühnen Vorstoß. Darin, daß Grimmelshausen bei jener Sicherung nach rückwärts nicht stehen blieb, aber es auch nicht bei einem Abschütteln der rhetorischen Eloquentia bewenden ließ, sonder naus dem vermeintlich Veralteten und Minderwertigen ein erstaunlich Neuwirkendes und Hochwertiges entwickelte, liegt die Bedeutung seiner Kunstleistung, hinter der ein natur- und volksnahes Kunstwollen, sozusagen ein Volkskunstwollen oder Naturkunstwollen stand. Daß daneben ein gewisses schelmisches (und schelmenromanenhaftes) mehr als ernsthaftes Liebäugeln mit Schein-Wissen die Darstellungsabsicht entsprechend modifiziert (wie P. Böckmann näher belegt), ändert nichts oder nicht viel an der vorherrschenden Richtung seines Darstellungs- und Wirkungswillens. Grimmelshausen war nicht einfach ein aus dem 16. Jh. in das 17. Jh. verschlagener Volksbuch-Verfasser. Man kann dann zum mindesten ebensogut sagen: er ist ein aus dem 19. Jh. in das 17. Jh. verschlagener Realist volkstümlicher Prägung. Aber was immer überwiegen mag, er scheint dem künstlerischen Zeitgeist nur so fern zu stehen,« weil er dem Geist seiner Zeit so nahe stand. Er war der höfischen Barockkunst nur so entfremdet, weil er mit dem Volke so vertraut war. Er schrieb aber darüber hinaus nicht nur für das Volk, sondern aus dem Volk. Und darin dürfte das geheime Gesetz der Gestaltung und Wirkung seines „Simplizissimus" zu suchen sein. Es ist das Gesetz der Echtheit, das allen großen Werken den Stempel der überzeitlichen Dauer aufdrückt, das Gesetz der Erlebnisechtheit und der Lebensechtheit.
Verzeichnis der Begriffe, Merk- und Kennwörter (Versuch einer systematischen Gliederung) Nur um einen Versuch kann es sich handeln, weil eine tiefergreifende Systematik von der Poetik des Berichtsraumes trotz einiger Ansätze nicht herausgebildet wurde. Das Register sucht sich dem historischen Bestand und Befund anzupassen, jedoch so, daß es Verstreutes und Getrenntes unter übergeordneten, stofforganisierenden Leitbegriffen zusammenschließt. Vielleicht gelingt es dieser Zusammenstellung zugleich, über den praktischen Zweck hinaus den Einblick in die Zeitpoetik zu erleichtern. Während einige Merkmale, wie etwa der Klassifikationseifer oder auch die Schulung und Anleitung, da hinreichend als zeittypisch bekannt, nicht durchgehende verfolgt wurden, sind andere Merkmale, Begriffe und Teilkräfte einbezogen worden, die zwar für den vorliegenden Berichtsraum nicht als besonders charakteristisch, dagegen für die Gesamtentwicklung und -Wandlung des in der Poetik ausgeprägten Kunstforderns und Kunstwollens als bedeutsam erscheinen, so etwa keimhafte Ansätze zum Organismusgedanken, zum Originalitätsbegriff, zur Erlebnisbewertung, zum historischen Sinn u. a. Das Register wurde, da es seiner Absicht und Anlage nach ideelich enger mit der Darstellung und den Anmerkungen verbunden ist, dem Verzeichnis der Namen vorangestellt. Poetik, Typus und Anlageform der Poetiken E n t s t e h u n g der P o e t i k e n (aus Vorlesungen, Unterricht, Gedichtsammlungen usw.) S. 10, I i , (23), 24, 47/8, 57, 64, 72/3, 116, 134/5, 148, 156. 168, 239, 240, 303/04. 306, 310, (317). 341» 367. 368/9, 383, 404/05· „ E i l f ä h r t i g k e i t " und H a s t der E n t s t e h u n g S. 29, 73, 99» 373» 376. A n l a g e f o r m und T y p u s S. 1 , 10/11, 15—18, 19, 21, 23, 29, 31» 45» 47» 48. 51» 56/7, 67/8, 72, 94, 102, 116, 1 2 1 , 131/2, 133, 134/5. 139/40, 141/2, 149. 1 5 1 . 156, (157). 161/2, 168, 199 f., 205, 209, 214, 216/7, 22 3» 220/7, 239, 240, 241, 268, (283), 288, (291), 302, 303, 305, 307/08, 315, 316, 324, 325, 328, 331. 332. 334. 336, 339» 344/5» 358. 359. 417. 425. 427.
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
Sonder-Poetik
491
(Sonderschriften über Sondergebiete) S. 16,
24, 25, 29, (92 f.), 101, 113, 128/9, (140), 161/2, 168, 176, 184f., 213/4, 255. 281, 288/9, 317. 332, 359» 379. 403. 429/30.
Vers-Poetik (auch Verssatiren und Gedichte zur Poetik) S. 1, 19, 26, 34, 54, 55, 197, 199, 216 f., 275 f., 287, 414, 422/3·
Vorreden-Poetik (Vorwort, Nachwort und „Anhang") S. 1, 7, 24, 40, 51, 58, (84, 87), 114, 128, (129), 144, 146, 148, 159, 161, 168, 175, 176, 182, 184, 215, (244), 255, 256 f., 258 f., (262), 281, 286, 299, 310 f., 322, 323, 325 f., 335 f.,
385. 394. 407. 4M· K r i t i s c h - h i s t o r i s c h e Poetik
(Ansätze und Frühformen)
S. 21, 23, (56), 182, 226/7, 230/1, 237, 241, 307, 317, 335,
345- 351· Verfasser-Frage S. 115, 199, 278, 287, 304, 310, 322, 324, 325, (334). 344. 400, 411, 414. 415. 419/20, 421, 433/4· B e i s p i e l v e r w e n d u n g (und ,,Rahmenpoetik", getarnte Gedichtsammlung; BeispielaufSchwellung, Vermeiden der Beispielhäufung, Beispielanalyse u. a.) S. 23, (31), 45, (72), 88, 108, 110, 112, 133, 139/40. 142, 151. 162, 223, 231, 237, 240, 241, 283, 303, 308, 310, 325, 343, 345, 375, 389,
427. 432. K l a s s i f i k a t i o n s e i f e r S. 22, 23, (84), 115, 121, 303, 308, 342, 418, 426.
Gewährsmänner und Quellen S. 16, 29, 30, (33), 37, 38, 39.40, 47. 48. 49. 56, 64, 82, 88, 92, 94/5, 97,98,102,107/08, 113, 129, 135, 142. 149, 151, 154, 156, 162, 176, 197, 200, 201, 205, 208, 214, 216, 224, 228, 240, 242/3, 246, 247, 248, (263), 266, (269), 274, (279), 285, 287, 288, 289, (290), 294, 304. 305. 306, 307. 309. 311. 314. 324. 328, (329), 334. 343.
345. 358, 373/4. 375. 383. 387. 388, 397. 403. 405. 4*4. 422, 425, 430. 433· Nachwirkung und E i n f l u ß s t ä r k e S. 11/2, 13, 20, 21, 23, 25, 29, 45, 73, 101, 113/4, 139, 142, 161, 197, 208, 248, (267), 275, 287, 288, 289, 306, 341, 345, 367, 402. Poetisches Lexikon, Schatzkammer und „Reim-Zeiger"
G e l t u n g u n d E m p f e h l u n g S. 7, 46—51, 58, 65, 121, 138/9, 142, 212, 219, 233, 236, 252, 306, 323, 331, 366.
Abwehr und E n t w e r t u n g S. 50, 201/02, 203, 252, 268, 274, 331. 332.
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VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWORTER
Nation und Dichtkunst N a t i o n a l g e f ü h l S. 2/3, 4, 5, 6, 7 f., i o , 24, (37), 53, 58, 91/2, 95, 96, 125, 145, 171/2, 180/1, 188 f., 191, 194, 221, 223, 284, 290 f., 296, 356/7. N a t i o n a l c h a r a k t e r S. 91, 145, 185, 186, 189, 212, 265, 291, 293, 297, 356/7, 424. K u l t u r p a t r i o t i s c h e u n d k u l t u r p o l i t i s c h e L e i t i d e e * ) S . 2/3, 6, 7, 9, 27, 29, 36, 37, 40, 46, 49, 51, 52, 58, 68, 69, 70, 71, 90, 91, 92 f., 96/7, 102, 108, 125, 130, 131. 133. 134. 141. 143/4, 148/9, 150, 152, 153, 160, 162/3, 169/70, 171/2, 183, 186, 188/9 f., I94> 200, 209—213, 220/1, 223, 228, (234), 238, 240, 248, 255, 258, 261, 262/3, 264, 266, 270, 272, 274, 277/8, 279, 282, 283, 284, 289—293, 295—297, 300, 305, 334. 337. 346. 356/7. 382, 383, 386, 406, 419, 424. A u f t r i e b z u m H e r o i s c h e n (und Abhärtungstheorie) S. 36, 41, 96, 122/3, 169/70, (176), 242, 305. K u l t u r p a t r i o t i s c h e A b w e h r B o u h o u r s * (Kampf um den „bei esprit", s. d.) S. 265, 270, (277), 278/9, 282, 290, 335, 341, 409, (423). W e t t b e w e r b m i t d e m A u s l a n d e S. 28, 46, 52, 97, 102, 127, 133, 139. Ï 4 I . 143. 148, 169, 184, 186, 210, 261, 262/3, 265, 272, 283, 284, 288 f., 291, 293, 300, 303, 376, 419. E r m u t i g u n g s t a k t i k S. 27, 46, 72, 95, 148, 165, 208, 272, 346. E i g n u n g u n d G e l t u n g der d e u t s c h e n D i c h t e r s p r a c h e S. 6, (8), 9, 28, 29/30, 49, 52, 53, 69, 70, 71/2, (81), 90, 93, 94/5, 97. 127, 131, 134, 137, 143, (163/4), 165, 191, 193, 209 f., 228, 233, 284, 292, 296/7, 337, 390, 424. S t o l z a u f d a s A l t e r d e r d e u t s c h e n P o e s i e S. 96, 152, 153. 375/6. 410. Stolz auf E r o b e r u n g neuer D i c h t u n g s a r t e n und Gatt u n g e n S. 134, 139, 141, 144, 148/9, 161/2, 186, 284, 292, 302/03, 419. V o l k s f r e m d h e i t , V o l k s f e r n e S. 8, 43, (90), 137, 158, 173, 200, 207, 218/9, 234, 253, 267, 280, 282, 284, 285, 287, 297. 307. 314. 316, 330, 348, 398, 429. *) Das Attribut „ k u l t u r p a t r i o t i s c h " wurde gewählt und vorangestellt, weil es neben dem überwiegend positiven Bedeutungsgehalt und dem zeittypischen Element des leicht Überschwenglichen zugleich jenen streckenweise spürbaren Anteil der Ver&ußerlichung zu bezeichnen vermag, von der sich einige Poetiken des Berichtsraumes nicht immer freizuhalten wissen. Dabei bleibt fQr die Barockzeit zu berQcksichtigen, daß jener Überschwang dem Aufhöhungsstreben des barocken Darstellungswillens durchaus entsprach, also nicht von vornherein als künstlich „gemacht" angesehen und als unecht beurteilt werden sollte.
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
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L o c k e r u n g d e r V o l k s f r e m d h e i t (und Annäherung an das Volkstümliche) S. 42, (49), (53), (85), 91, (131), 173, (184), 190/1, 196, 210, (218), 220, (232), 238, 257/8, (286). 299. 319. (422), (385). Religion und Dichtkunst R e l i g i ö s e s G e f ü h l (Allgemeines) S. 5, 7, 76/7, 98, 103, 109, m / 2 , 116, 129, 130, 133, 17.0/1, 214, 296, 301, (333), 338, 382, (420). C h r i s t l i c h e u n d m o r a l i s c h e L e i t i d e e S. 6, 30, 39, 41, 51, 58, 61, 71, 73, 76/7, 85, 98, 99, 103, " 1 / 2 , 113. " 6 , 1Ì7/8, 124, 130, 131, 132, 134, 146, 150, 153, 157, 160, 170/1, 172, 174, 178, 185, 193/4, 213, 248, (256), 286, 293, 301, 310, 314, 319, 338, 346, 376, 382, 393, 421, 426, 429/30. G o t t b e g n a d u n g d e s D i c h t e r s (Übertragungsversuche des „furor poeticus" in den christlichen Vorstellungsbereich und Abwehr der Ubertragungsversuche) S. 69, 97, 98/9, 100, 118/9, 154. 194. 333» 379· K a m p f g e g e n d i e „ h e y d n i s c h e n G ö t t e r " 8.6/7,73,103/04, 105, 116/7, " δ . 150/1, 186, 187, 196, 273, (310), 333, 338, 346, 381. V e r m i t t l u n g s v e r s u c h e u n d A u s w e g e in d e r F r a g e d e r a n t i k e n M y t h o l o g i e S. 34, 36, (104), 105, 153, 223, 257» 294/5, 310, 319, 347, 421. G e i s t l i c h e s L i e d S. 97, 118, 127, 130, 195/6, 213, 241, (301). B e w e r t u n g L u t h e r s (vielfach auch sprachlich und stilistisch gewertet) S. 49, 95, 96/7, 136/7, 150, 195, 220, 433· Nachbarktinste und Dichtkunst R e d e k u n s t u n d D i c h t k u n s t (Verhältnis von Rhetorik und Poesie) S. 1, 2, 9, 18, 19, 63,67,70, 78, 80, 88,100,107/08, n o / 1 1 , 116, 238, 240, 244, 249, 250/1, 254, 257, 258, 268. 274. 275. 305. 309. 315. (323). 327. 333. 342. 343. 345. 359. 372, 379. 400, 406, (408), 411, 417, 426. M a l e r e i u n d D i c h t k u n s t (Verhältnis von Bildkunst und Wortkunst) S. 2, 51, 61, 66/7, 75—77, 79, 82/3, 87, 125/6, 138, 199, 219, 244, 267, 336, 337, 345, (386), 418. M u s i k u n d D i c h t k u n s t (Verhältnis von Tonkunst und Wortkunst) S. 2, 17, 63/4, 127, J43,161/2 f., 234, 237,238, 251, 281 f., 335/6. 337, 345, (386), 389, 390, 416. Wissenschaft und Dichtkunst Poesie als Sammelbecken aller Wissenschaften und K ü n s t e S. 8, 9, 94, (96), 97, 154, (159), (183), 275, 411.
494
VERZEICHNIS OER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWORTER
Poesie und Philosophie S. 1/2, (32), 34, 43, 48, 56, 61, 156, 157, 181, 266, (267), 269, (271), 313, (320). Wissenschaft als Voraussetzung S. (4), 8, (9), 19, 27/8, 33/4. 97. 99. 121. 147. I54» 159. 187, 202/03, (215), 217/8, 232/3. 253, 261, 275, 339, 384. Förderung des Wissens durch die Poesie (belehrende Tendenz) S. (28), 34, 35, 76, 86, 96, 147, 178,179,180, 215, 237. 245. 248, 318, 393, 424. Antike und Dichtkunst A u t o r i t ä t s g e l t u n g der Alten (im Theoretisieren und Produzieren) S. 8 f., 14, 15, 16, 19, 24, 27/8, 33, 34, 37, 51, 56, (63, 64), 97, 147, 175, 187, 197/8, 199, 207, 212, 232, 236, 238, 259, 270, 290, 300, (359), (388). Loslösungsbestrebungen von der A u t o r i t ä t der A l t e n S. 64, 69/70, 93, 105, 114, 223, 225, 297, 304, 305/06, 316, 333, 340. 345/6, 395. 4*9Abwehr der antiken Mythologie (s. Religion und Dichtkunst, S.438). Vermittlungsversuche und Auswege (und christliche Ersatzformen; s. Religion und Dichtkunst, S.438). Geschichte und Dichtkunst Dichtung und Datentreue (Verhältnis von Poet und Historiker) s. 21/2,25,39,77, 91,106,122/3,153.175. 1176). 179. 247. 372. 378. 400, 430. Frühformen des historischen Sinnes (keimhafte Ansätze) S. 10/11, (39), 92, 228/9, 232, 238, 291. Sprache und Dichtkunst Sprachauffassung und Sprachdeutung S. 22, 52/3, 54/5, 70, 89, 93, 107, 137/8,211/2,228,296/7,368,372,384, (390). Sprachgestaltung, Stilhöhe und Stilart (und allgemeine Stilpflege) S. 2, 9, 20, 43, 44, 67, 89, 100, 108, 110/11, 112, 132, 136—138, (144), 153. (154). 157. 159. r 6o, 163—165, 166, 170/1, 172, 183, 186, 190, (195), 198, (201), 205, 209, 215, 217, 219, 220/1, 233, (235), 236, 237, (246, 247), 248, 251, 252, 254, 255, 257, 259, 261, 264, 267, 271, 273, 275, 291/2, 295, 299, (314), 315, 347. 371. 401. 420. Mundart und Dichtersprache S. 29, 43, 70, 136/7, 190/1, 206/07, 210, (220), 221, 258, 280, 297, 324, 337, 341, 371, 384. 410. Gesetz der Prosakonstruktion (Vorstufen, Aufstellung, Geltung und Teilgeltung) S. 137, 166, 208, 226, 228, 249,
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWORTER
495
250/1, 256, 257, 273, 275, 295, 297, 300, 302, 304, 307, 311, 315. 327. 343. 348. (389)» 406/07, 411, 417, 424, 433. A b w e h r und Teilabwehr des G e s e t z e s der P r o s a k o n s t r u k t i o n S. 226, 228, 233, 327/8, 338, 347. F r e m d w o r t u n d S p r a c h m e n g e r e i (Sonderstellung des „eingebürgerten" Fremdwortes) S. 29, 43,49, 68, 95,141,163/4, 190/1, 193, 205/06, 220/1, 234, 266, 267, 274, 292, (325), 410, 424. „ B e y - W ö r t e r " , A t t r i b u t e (Stellung des Attributes und Stellung zum Attribut) S. 43/4, 60, 74, 137, 187/8, 260, (304), 305, 307. 321, 337. 367, 411. 424· W o r t n e u b i l d u n g (und Abwehr des „kühnen" Fremdwortersatzes) S. 43, 49, 136, 138, 205, 206, 255, 266. E i n t r e t e n f ü r ä l t e r e n W o r t b e s t a n d (und Abwehr) S. 49, 220, 429. L u t h e r s p r a c h e (s. Religion und Dichtkunst, S. 438). F l i c k w ö r t e r - B e k ä m p f u n g S. 136/7, 205, 274, 305, 306, 424.
Metrik und Dichtkunst M e t r u m (und Allgemeines zur Verskunst) S. 1, 19, 20, (23), 24, 27, 38, 44/5, 46, 53, 54, 56, 67, 81, 98, 99, 100, 121, 130, 131/2, 133, 140, 142, 143, 148/9» *5ο, 156, i6o, 162, 166, 184, 195, 197, 204, 205, 211, 213, 228, 230, 236, 239, 246, 256, 269, 274, 276, 282, 283, 297, 305, 315, 320, 338, 347, 360/1, 361/2, 366, 369, 372, 376, 383, 385, 386, 388, 390, 391. 399» 418, 424· S t i m m u n g s w e r t im M e t r u m (Versmaß als Stimmungsträger) S.44, 81, 87/8, 206, 212, 234, 237, (315), (336), 418, 426. R e i m S. 27, 28, 34, 43, 44/5, 46, 48, 63, 65, 68, 81, 89, 91, 97,121, 129, 142, 149, 156, 160, 166, 184, 187, 192, 199, 201, 205, 208, 210/11, 221, 228, 229/30, 236, 239, 246, 252, 273, 276, 283, 309, 314, 324, 331, 346, 347, 360/1, 390. R e i m z w a n g S. 73, 81, 139, 192/3, 201, 205, 207, 229, 251, 279, 288, 300, 307, (320), 390 R h y t h m u s (Ansätze der Bewertung) S. 22, 44, 87, 167, 211/2, 251/2, 390. „ B u c h n e r - A r t " (Daktylus) S. (28), 44, 55, 64, 87, 94, 306, 369. G e b u n d e n e u n d u n g e b u n d e n e F o r m (Wertverhältnis; bzw. Stellung zur Reimlosigkeit) S. 81, 91, 106,121 ¡2, 228, 230, 233» 246/7, 251, 269, (282), 295,300, 307, 333,334,345» 403·
Kritik und Dichtkunst Bedeutung
der
K r i t i k (Wille zur Kritik und Allgemeines)
496
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
S. 21, 23, (26), 8l, I34, I35, I40, 188 f., 207, 208, 209, 215, 223, 226, (236), 238, 260, 263, 268, 277/8, 283/4, 287, 316, 317. 34I. S e l b s t k r i t i k S. 20, 24, 8i> 120,129,142, 203, 209, 257, 260, 263, 268, 277, 283, 315, 316, 320. U r t e i l s b i l d u n g (Berücksichtigung des persönlichen Urteils, ζ. T. schon ästhetisch untergründet) S. 26, 49, 50, 112/3, (135), 142, 167, 178, 205, 221, 231, 232/3, 236, 269, 278, 282/3, 287, 341. G e s c h m a c k s b e g r i f f u n d G e s c h m a c k s d e b a t t e (Ansätze) S. 146, 167, 212, 213, 214, 264/5, 278/9, 282, (283), 326, 339. 351. 399. 409. 427· Literaturgeschichte und Literaturkritik Literaturgeschichtlicher E i n s c h l a g (vielfach als Einleitung zu den Poetiken) S. io/ii, (14), 21, 94, 116, 183, 213, 227, 303, 304, 307, (328), 345, 408, 433. Ä l t e r e d e u t s c h e D i c h t u n g S. 10, 11, 31, 37, 99, Ï53, 181, 183, 213, 299, 330, 374, 375/6, 408, 433. M e i s t e r g e s a n g S. 68, (99), 153, 208, 213, 218, 280, 284, 295 f., 298, 320, (402), 407, 416, 423. B e w e r t u n g H a n s S a c h s ' (durchweg Ablehnung) S. 99, 184, 200, 203, 207, 218, 278, 280, 320, 330, 366, 428/9. N e u l a t e i n i s c h e D i c h t u n g S. 11, 12, 102, 346, 378. Wirklichkeit und Dichtkunst A b w e h r d e s R e a l i s m u s S. 60, 67, 79, 108, (238), 267, 280, (295). 314. 347. (420). A n n ä h e r u n g an den R e a l i s m u s S. (60), 108, (142), (166), 250, 252, 256, 316, 407. N a t u r n a c h a h m u n g s t h e o r i e S. 2, 14, 17, 22, 35, 59, 60, 66, 76, 78/9, 105/06, 158, 219, 228, 229, 280, 287, 314, 415. W a h r s c h e i n l i c h k e i t S. 17, 25, (39), 66, 86, 105—107, i n , 122,146,158, 214, 224/5, 244. 245. 272. 282, 309, 331, 378· Das W i r k l i c h e u n d Ä h n l i c h e S. 59, (66), 75, (77), 91, 105, 155, 158, 287/8, 309. D a s W i r k l i c h e u n d M ö g l i c h e S. 17, 25, 35, 66, 79, 106, 122, 225, 309. D a s „ N a t ü r l i c h e " S. 60, 76/7,138, 235, 254, 287,314; vgl. 446. D a s W u n d e r b a r e S. 158, 173/4» 245, 392. A u f s u c h e n d e r F i k t i o n s d e c k s c h i c h t (Erlebnisfiktion, besonders beim Liebesgedicht) S. 35, (104), 150,157,295,312. A u f g e b e n d e r F i k t i o n s d e c k s c h i c h t S. 35, 129, 140, 145, 185, 312, 329.
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWORTER
497
Ansätze zum anakreontischen K u n s t w o l l e n S. 261, 3 1 1 , 326, 329. (384/5)· Ansätze zur E r l e b n i s - und Gefühlsbewertung (im Wesen und Wirken der Dichtkunst) S. 35, (62), 74, 81, 97, 146, 195/6, a n , (214), 234, 237, 241, 301, 3 1 1 , 312/3, 319, 322, 329, 434L e b e n s k u n d i g k e i t und L e b e n s t ü c h t i g k e i t (als Voraussetzung und Wirkung der Poesie) S. 155, 247/8, 248, 249, 255/6, 257/8, 261, 265, 270, 271, 272, 382, (409). Der dichterische Schafiensvorgang und seine Voraussetzungen B e g a b u n g und „ T r i e b " (Bewertung und Teilbewertung) S. 15, 19, 20, 22, 31—34. (48). 61, 69, 79, 80, 81, 98/9, 109,118/9, 120, 132, 139, 140, 150, 157, 167/8, 181, 187, 193, 196, 198, 202, 217, 232, 234/5, 237, 241, 252, 254, 259, 260, 268, 269, 279, 288, 293, 308, 3 1 1 , 322, 329, 331, 338/9, 349. 350, 362/3, 363/4. 372/3. (376), 396. 402, 407. 416, 432. Schulung und A n l e i t u n g (Bewertung und Teilbewertung) S. 9, 14, 15, 19, 24, 32/3, 46 f., 80, 81, 109, 118, 119, 120, 132, 140/1, 152, 154, 157, 184, 198, 203, 218, 233, 235, 240, 260, 305, 308, 314, 323, 331, 340, 342. 363, 384, 386. Musternachahmung (vgl. auch Poet. Lexikon) S. (7), 14/5, 20, 25, 43, 46 f., 50, 79, 81, 120, 126, 138, 154, 162/3, 187, 199, 201, 232, 240, 258/9, 260, 274. 289, 300, 357, 381, 411. K e n n t n i s s e und B i l d u n g (s. Wissenschaft und Dichtkunst, S. 439)· E r f i n d u n g s e r l e i c h t e r u n g (s. Erfindung und Formung, S. 443). B e n u t z u n g von „ S c h a t z k a m m e r n " (s. Poetisches Lexikon, S. 436). S t u f e n w e i s e s F o r t s c h r e i t e n und Anlage eines Strukt u r p l a n s S. 14/5, 19, 81, 112, 120, 1 2 1 , 141, 154, 294. T i t e l g e b u n g und T i t e l w a h l S. (45), 185, 240, 300, (387), 416/7. K u n s t g r i f f e (und „Dichtergrifie") S. 15, (33), 50, 109, 142/3, 190, 207, 212, 219, 257, 294, 302, 327, 331, 340, 417/8. P r o d u k t i o n s f ö r d e r n d e F a k t o r e n (Anregemittel, Einsamkeit, Stimmung) S. 17,19,20,22,33,43,120,138/9,193,196, 254. 259. 315. 320, 329/30. 423· A r b e i t s d a u e r als Vorzug S. 80, 120, 129, (154), 253, 260, 308, 339. 397· A b w e h r langwierigen Gestaltens S. 80, 187, 235, 262, 330. W e r k ü b e r p r ü f u n g (s. Kritik und Dichtkunst, S. 441). E i n s e i t i g k e i t oder V i e l s e i t i g k e i t (Stellung zum Spezialistentum) S. 120, 217, 337. ja M t i k w i r d t , Pocdk ι
498
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE. MERK- UND KENNWÖRTER
E r f a h r u n g S. I99» 236, 311, 314, 350, 373.
T h e o r e t i s i e r e n und P r o d u z i e r e n , K u n s t w o l l e n und K u n s t s c h a f f e n (und Wandlung des Kunstwollens) S. 3, 6. 18, 35. 53» 60, 61, 65, 67, 76, 77/8, 89, 90, 106/07, 110, 126, 127, 130, 145/6, 151, 168, 169, 172, 179, 180, 188, 189, 194, 195, 230, 242, 250, 252, 253, 276, 278, 284, 299, 300, 301, 304, 311/2, 314, 319, 320, 342/3, 351, 392, 419, 422. Erfindung und Formung
E r f i n d u n g s b e g r i f f S. 24, 38, 51, 65, 152, 187/8, 225, 240, 245, 246, 261/2, 294, 308, 331, 350, 370, 371, 379, 411, 418,
(424/5). 426. E r f i n d u n g und F a b e l S. 24, (34), 38, 67, 106, 109, 130, 142, 152, 158, (161), 175, 184, (187), 217, 225, 236, 245, 269, 291, 308, (318), 342.
E r f i n d u n g und E i n f a l l S. 33, 69, 76, 79, 99, 101, 195, 202, 229, 235, 284, 287, 293/4, 321, 330, 370, 412.
B e w e r t u n g des „ersten E i n f a l l s " (und Entwertung) S. (33), 229, 253, 330, (338), 349, 350.
E r f i n d u n g s e r l e i c h t e r u n g S. 24, 49, 101, 109, 142, 152, 154, 240, 291, 294, (411), 416, 425, 426.
V e r h ä l t n i s von E r f i n d u n g und F o r m u n g (Bewertungsanteil und Übergänge) S. 51, 74, 81, 99, 100, 130, 142/3, 152, 158, 192, 217, 230, 291/2, 308, 315, 321/2, 338, 370. 371» 376/7. 402/03, 411, 418, 420, 425.
V e r h ä l t n i s v o n „Worten u n d Sachen" (res et verba) S. 19, 22, 38, 65, (77), (121), 338, 371, 424.
V i s u e l l e r und m e t a p h o r i s c h e r F o r m w i l l e (Bildfreudigkeit, Schmuck-und Sinnbild) S. (23), 34,43,47,51,56,61,66/7, 71, 72, 74—77, 79, 82, 83, 93, 101, 106, 108, 121, 125 f., 159, (164), 169, 206, 219, 233, 236, (240), 267, 326, 327, 336. 337. 338, 365. 373. 375. 381.
Allegorischer
F o r m u n g s a n t e i l S. 46, 67, 77, 79, 86, 101,
112, 114, 117, 219, 245, 303, 310, 326.
Einkleidungs-
und
V e r k l e i d u n g s s t r e b e n S. 20, 34, 46,
59, 67, 72, 75, 79, 101, 138, 158, 164, 219, 233, 365.
Abwehr d e s m e t a p h o r i s c h e n 202, 204, 422/3.
(237),
276,
278,
F o r m w i l l e n s S. (23), 193, 288, 300, 313, 319, 324.
A k u s t i s c h e r F o r m - u n d W i r k u n g s w i l l e (Klangfreudigkeit, Klangmalerei und „Klangentsprechung") S. 20, 44, 55/6. 71. (77). 81, 82, 87—90, 93, 97, 100, 137, 138, 142,
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
499
I43/4, 160, (191), 206, 210, 221, 228, 25I, (273), 297, 327, 336, 338. 366. 375. 385. A b w e h r d e s a k u s t i s c h e n F o r m w i l l e n s S. (194/5), 204, 277. P r u n k - u n d S c h m u c k w i l l e S. 60, (71), 73, 78, 97, 134, 138, 179, 217. A b w e h r d e r P r u n k - u n d S c h m u c k w e r t e S. 190, 193, 200, 202, 204, 252, 255, 276, 277, 280, 285/6, 288, 299, 300, 313, 319. 324· S t e i g e r u n g s - u n d A u f h ö h u n g s w i l l e S. 60, 75/6, 77/8, 79, (90), 132, 176/7, 218/9, 2 37· A b w e h r der Ü b e r s t e i g e r u n g s f o r m e n S. 190, 193, 196, 200, 250, 276, 277, 280, 285, 299, 300, 307, 313, 319. Formung als Kombinationsvorgang (Zusammensetzen and Aneinanderreihen) S. 65, 73, 79, 87, 108, 126, 127, 253. 259, 372· Wert, Würde und Wesen der Dichtkunst U r s p r u n g der P o e s i e S. 17, 19, 21, 24, 34, 94, 116, 118, 121, 269, 304. 333· A l t e r d e r P o e s i e (als Wertmerkmal) S. 94, 152, 153, 181, 183. Z w e c k , W e s e n u n d W i r k e n der P o e s i e (auch Berechtigung der Poesie u. a., vgl. Tragödie, Komödie, Epos, Roman u. a.) S. 3, 17, (31), 34, 36, 61/2, 67, 73/4, 79, 98, 104, 117, 119, 157/8, 159, 160, 176, 183, 185, (213), 216/7, 233. 235. 244, 245, 250, 269, 272, 286, 295, 304, 308, 314, (318), 320, 333, 342, 349, 394, 397, 417, 423, 424, 430, 432. A n s e h e n d e s D i c h t e r t u m s (persönliche Verantwortlichkeit» Abwehr des Lügenvorwurfs u. a.) S. 31, 35, 36/7, 40, 60, 61, 67, 73/4, 94, 98, 122, 125, 132, 141, 152, 159, 183, 209, 259, 269, 271, 283 f., 286, 293, 312, 320, 321, 333, 337, 382, 397, 423. R a n g s t u f u n g d e s D i c h t e r t u m s S. 78, 80, 198, 222, 241, (249), 260—262, 269, 286, 334, 342, 408, 414, 431, 432. S e l t e n h e i t e c h t e n D i c h t e r t u m s S. 109, 196, 216/7, (222), 259, 261, 340, 397. A b w e h r d e r D i c h t e r l i n g e (Reimschmiede, Pritschmeister) S. 13, (24), 28, 63, (78), 121, (139), 140, 159, 187, 192, 197, 199, 201, 203, 205, 207, 259, 262, 263, 268, 269, 281, 283, 312, 320, 398, 423. E i n s c h r ä n k u n g der W e r t g e l t u n g (Dichtkunst als „Nebenwerk") S. 182, (237), 249, 250, 257, 261, 266, 269, 330, 333» 337» 406, 430. B e r u f u n d D i c h t e r t u m S. 182, 249, 260, 261, 321, 337, 397. M»
500
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWORTER
Bewertunga-Bezeichnungen für Haltung und Gestaltung*) „ a n g e n e h m " u n d „ a n n e h m l i c h " S. 61, 100, 244, 245, 267, 291, 305. 3 1 3 . 327. 342. 410. 4 1 7 . 424·
„ a n m u t h i g " und „ A n m u t h i g k e i t " S. 32, 35, 46, 47, 67, 76, 97, ioo, 138, 146, 149, 158, 188, 240, 245, 259, 313, (342), 367. 424· „ a r t i g " und „ a r t l i c h " S. 28, 132, 147, 165, 186, 188, 272, 293, (330). 331. 375. 409· „ c u r i ö s " (ungewöhnlich, interessant, anregend, neuartig, neugierig, wißbegierig) S. (3), 214, 221, 249, 257, 261, 271, 272, 292, 304, 317, 342, 386, (400), 406, (418). „ e d e l " S. 7, 54, 95, (98), 116, 121, (128), 147, 149, 203, 227, (264), 293,376, 386,424. „ e s p r i t " , „ b e i e s p r i t " und „ W i t z " S. 202, 214, 218, 225, 229, 262, 263, 264/5, 270, 277, 278/9, 279, 288, 290 f., 293, 326, 341, 364, 384, 406, 409, 412. „ f e i n " S. 165, 166, 236, 274, 369, 389, 411. „ g a l a n t " S. (3), 221, 226, 249, 259, 261, 262, (265), 270, 271, 272, 307. 310, 311, (314), 315, 316, 317, 318, 320, 325, 326, 334. (340). 342, 344. (349). 400. 408, 409. 431, 432, 434· „ g e i s t r e i c h " S. 97, 159, 195. „ h e r r l i c h " S. 7, 33, 49, 60, 61, 90, 100, 107, 209, 212, 279, 377. „ H e r z " S. (49), 74,76, (155), (176), 195, (204), 349,350, 397, 434. „ h o c h " („hohe Sachen", „hohes Wesen" usw.) S. 33, 39, (45), 60, (61, 78, 80), 132, (141), 185, (211), 218, 236, 237,238, 261, 262, 304, 307. 313. 334. 377. (386), 390. (397). 431· „ h u r t i g " , „ H u r t i g k e i t " , „ g e s c h w i n d " , „ b e h e n d " S. 43, 54, 80, 119, 144, 212, 229, 262, 293, 305. „ K r a f f t " (und „ S a f t " ; bzw. „ k r ä f f t i g " ) S.7,69, (75),90, (95), 145. (154). 187, 237, 241, 251, 315. „ k ü n s t l i c h " S. (24), 129, 130, 162, 190, 212, 287, 309, 313, 379. „kunstmäßig, kunstfündig, kunstgeistig, kunstrichtig, kunstreich, kunstzierlich, kunstschicklich,kunstv e r s t ä n d i g , g e k ü n s t e l t " S. 13, 74, 79, 139, 142, 151, 159, 287, 291, 296, 299, 300, 308, 331, 376. *) Diese Bewertungsbezeichnungen wurden alphabetisch angeordnet; sie sind teils zeittypisch, teils entwicklungsgeschichtlich bemerkenswert. Da die Auswahl der Zitate dieser Darstellung nicht nach stilkundlichen, sondern inhaltlich-ideelichen Gesichtspunkten erfolgte, so zeugt die Häufigkeit doppelt für die Beliebtheit und Geltung der Bewertungsbezeichnungen. Sie würden sich bereits aus dem Bestände der Zitate d. Arbeit — und vollends aus den Poetiken — noch beträchtlich vermehren lassen. Hingewiesen sei ergänzend auf Wörter wie „ g e l e h r t , g u t , k l u g , k u r z , l ö b l i c h , g ö t t l i c h , deutlich, neu" u . a . m .
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
501
„lieblich" und „Lieblichkeit" 5 . 48, 61, 74, 96, 97, 100, 144, 145, 181, 182, 183, 186, 187, 191, 204, 207, 228, 250/1, 253, 257, 258, 259, 300, 314,376. 377. 426. „Lust" (und „lustig") S. 13, 32, 43, 62, 80,139, 145, 147, (211), 245, 286, 305, 331, 349, (388), 397, 432. „nachdrücklich" und „Nachdruck" S. 199, 228, 235, 241, 251, 411. „natürlich" und „Natürlichkeit" S. (25), 32, 76, 77, 79, 80, 108, 132, 138, 166, 206, 212, 235, 259, 261, 301, 314, 338, 339. 388, 389· „poetisch" (und „poeticus"; „dichterisch") S. 15, 28, 36, 46, 47, (58), 66, 69, 75, 79, 80, 99, 125, 126, 138, 142, 143, 175, 190, 195, 202, 228, 233, 254, 257, 302, 303, 309, 310, (312), 313. (323). 332, 336, 339. 341. 403. 416/7» 432. „polit" und „Politesse" S. 214, 250, 261, 325, 341, (350), 405. „politisch" S. 53; 188, 192, (221), 226, 249, 256, 261, 270, 271, 320, (341), 404, 406, 409, 411. „scharffsinnig" und „Scharffsinn" S. 119, 181, 184, 239, 259, 272, 291, 295, 313, 364, 370, 378, 384, 390. „schön" und „Schönheit" S. 26, 35, 47, 49, 59, 61, 67, 74, 75, 77, (96), 120, 125, 138, 141, 153, 161, 240, (243), 253, 284, 304» 305. 313, 314, 327. 339. 388, (408), 410. „sinnreich" S. 33, 35, 38, 46, 79, 132, 152, 180, 188, 198, 199, 246, 266, 364, 411, 412. „spitzfindig" und „ S p i t z f i n d i g k e i t " (auch „subtil") S. 35, 42, 154, 165, 167, 176, 270. „verblümt" S. 60, 75, 204, 256. „ v e r n ü n f f t i g " und „verständig" („Vernunfft" und „Verstand") S. 26, 99, 100, 165, 174, (177), 197, 212/3, 236, 261, 276, 279, 283, 287, 301, 305, 309, 310, 313, 319, 322, 327. 335. 338. (339). 377. 393. 397. 409. 4*5„vollkommen" S. 73, 90, 98, 158, 176, 215, 228, 232, 233, 244, 263, (330). 337. (340). „zierlich" und „Zierlichkeit" S. 45, 47, 67, 77, (79), 93, 100, 1 2 2 , 1 3 1 , 1 3 4 , 1 3 8 , 308, 314, 343, 376, 386, 417, 425, 429. Gattungsbeetimmung und Zuordnungskriterien G a t t u n g s g l i e d e r u n g S. 20, 29, 51, 62, 65/6, 82, 84/5, 90/1, 106, 109 f., 121/2, 1 5 4 ! , 222, 230, 236, (269), 308, 329, 334» 369/70, 403· I n h a l t s k r i t e r i u m S. 38, 40, 42, 63, 68, 82, 84, 106, 110 f., 122, 129, 152, 156/7, 172, 214, 230, (338), 370, 388, (402), 403, 426.
502
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
F o r m k r i t e r i u m S. (42), 62/3, 65/6, 82, 84, 91, i i o f . , 122, 124, 128, 152, 214, 230, 236/7, 247, 370, 388, (402), 403.
S t ä n d i s c h e s , l o k a l e s und h i s t o r i s c h e s Zuordnungsk r i t e r i u m S. 18, 22, 40, 84, 85, 90, 117, 121, 123/4, ^ s , 224, 310, 334, 421. Tragödie, Trauerspiel, Schauspiel
Zweck u n d W e s e n der T r a g ö d i e (Wollen, Wirken und Bewirken, Katharsis-Deutungen) S. (36), 40, 41, 73, 78, 81, 83/4, 85, 90, 117, (123), 133, 155, 169/70, 172/3. 223, 242/3, 245, 246, 284, 308, 365, 387, 429, 430.
R a n g s t u f e der T r a g ö d i e (Bewertungsgrad) S. (17), 40, 41/2, 90, 155, 222, 238, 330, 333.
I n h a l t der T r a g ö d i e S. 17, 40, 86, 91, (106/07), " 3 .
IX
5>
ϊτ
7·
124, 125, 155, 156, 170, 172, 175/6, 177/8, 256, 309, (388),
403· Form der T r a g ö d i e S. 40, 65/6, 73/4, 77, 81, 82—84, 85/6, (106/07), 113, 124/5, 172, 225, 229, 238, 257, 308/09, (388).
P e r s o n e n und deren R e d e w e i s e S. 17, 40, 59, 73, 81/2, 90, 113, 114, 118, 125, 172, 175, 185, 229, 238, 309, (316).
S t r u k t u r der T r a g ö d i e (Gliederung, Episoden usw.) S. 17/8, (73/4), 85/6, 106, 114/5, 124, 175, 177, 225, 243, 309, 310.
S o n d e r f o r m e n des D r a m a s S. 18, 66, (84), 85, 86, 90, 113, 114, 115, 118, 123, 124, (156/7), 224, 238, 255 f., 309, (385), 401, 405.
Chor bzw. „ R e y e n " S. 17, 74, 114, 124, 177/8, 393. E i n h e i t der H a n d l u n g S. 17, 224, 225, 243, 284, 380. E i n h e i t der Zeit S. 17, 86/7, 114, 124, 176, 224/5, 243/4, 270, 284, 380.
E i n h e i t des Genetische rischen Benennung
Ortes S. 86, 114, 124, 176, 224, 284. W e s e n s b e s t i m m u n g (Erklärung aus dem histoWerden) S. 22, (113), 118, 123/4. und b l o ß e E r w ä h n u n g S. 16, 25, 38, 40, 72,
132, 156, 161, 168, 331, 332, 343, (387), 404/05, 419, 433. Komödie, Lustspiel, Freudenspiel
Zweck und Wesen der K o m ö d i e (Wollen, Wirken und Bewirken) S. (42), 90, 117, (133), *55> 156, 255, 256, 258, 284, 330.
R a n g s t u f e der K o m ö d i e (Bewertungsgrad) S. 17, 156, 242, 255 f·. (309)·
I n h a l t der K o m ö d i e S. (30), 42, 156, 224, 242, 256, 258. Form der K o m ö d i e S. 23, 142, 219, 238, 256, 258, 401.
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
503
Personen und deren Redeweise S. 18, 30, 42, 124, 142, 218, 224, 242, 392, 401, 421. S o n d e r f o r m e n der Komödie S. 90, 145, 238, (242), 255, 256/7. 309. (401). Genetische Wesensbestimmung (Erklärung aus historischem bzw. lokalem Werden) S. 18, 22, 123/4. Benennung und bloße E r w ä h n u n g S. 90, 125, 142, 143, 155, 218, (242), 343, 433.
T r a g i k o m ö d i e und „ C o m i c o - T r a g ö d i e " S. 85, 115, 118, 124, 156, 224. Drama und T h e a t e r S. 82—84, 90/1, ιοί, 114, 124, 131, 132/3. 173. 178, 225, 339, 392, 406. Oper S. 281—283, 331, 335, 343, 344, 413, 431. „ S a t y r e " (s. Satire, S. 450). Epos, Heldengedicht
Z w e c k und Wesen (Wollen, Wirken und Bewirken) S. 39, 122/3, 153. 246, 308, 329, 428. R a n g s t u f e und B e w e r t u n g s g r a d S. 17, 20, 22, 39, 41/2, 236, 308. S c h w i e r i g k e i t der G a t t u n g s f o r m S. 39, 40, 236, 263, 329, 330, 364. I n h a l t S. 39, 84, 106, 111, 115, 118, 122, 236, 246, 329, 346. Form S. 20, 39, 66, 84,105,110, i n , 122, 236, 246, 308, 346, 403. V i r g i l und Homer (Bewertungsweise) S. 18, 20, 23, 39, 105, 110, 196, 231, 246, 334, 337, 396, 430, 431. Heldenbriefe S. 84, 145, 182, 184—187, 403. Roman, „Romainen, Geschicht-Gedichte"
Z w e c k und Wesen des Romans (Wollen, Wirken und Bewirken) S. 123, 128, 144—147, 180, 214, 237, 246, 247/8, 272, 305, 308, 317, 318. R a n g s t u f e des R o m a n s (Geltung und Teilgeltung) S. 91, 144—147, (214), 237, 246, 248, 267, 272, 308, 333. E n t w e r t u n g und A b w e h r des Romans S. 91, (128), 214/5, 237. (246), 248, (267), 272, 286, 333, (410). I n h a l t des Romans S. 91, 122, 129, 144—147, 214, 247, 248, 286, 429. F o r m des Romans S. 65, 122/3, 128, 145—147, 214, 236/7, (246), 247, 248, (267), 308, 317, 318. 403. B e n e n n u n g und bloße E r w ä h n u n g S. 65, 121/2,128,161,
504
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK-UND KENNWORTER
213, 236, 237, 239, 247, 265, 267, 317, 331, 385, 400, 403, 4IO.
„ G e s c h i c h t e , Mär", E r z ä h l u n g S. 65, 84, (88), 91. F a b e l als G a t t u n g (besonders Tierfabel) S. 79, 84, (151), 152/3,158, 245, 270, (374), 387, 396.
Lyrische und versepieche Formen
G a t t u n g s b e s t i m m u n g der L y r i k (Ungeklärtheit der Wesensbestimmung) S. i8, 22, 62/3, 65, 84, 110, 112, 157. A n s ä t z e zur K l ä r u n g der lyrischen W i r k u n g s f o r m S . 38, 43, 140, 157, 222, (334).
Lied (s. auch geistliches Lied, vgl. Religion und Dichtkunst) S . 6 4 , 65, 66, 1 1 2 , 116, 140, 157, 195/6, 222, 237, 241,
285, (389), 413. Ode (teils für lyrisches Gedicht schlechtweg) S.
62, 112, 1 3 4 , 1 3 9 , 172, (195), 222, 234, 237, (251), 320, 343, 391, 404, 413,
419. 431. Hymne S. 18, 42/3, 118, 121. M a d r i g a l S. 151, 156, 161—163, 165—168, 222, 256, 306, 330, 382, 388—391, 431.
S o n e t t (Klinggedicht) S. 28, 140, 152, 156, 166, 222, 391, 431. Elegie (teils als Gattungsbezeichnung) S. 18, 42, 110, 166, 222, 431.
E k l o g e S. 42, 110, 112. S c h ä f e r - und H i r t e n g e d i c h t (auch epische und dramatische Schäferdichtung) S. 18, 22, 42, 62, 84, 86, 91, 92, 121/2, 147, 204, 222, 337, 394/5.
Gelegenheitsdichtung, gesellschaftliche Repräsentationsdichtung
Gebrauchskunet,
V e r b r e i t u n g und Geltung (Allgemeines, Anerkennung und Abwehr, vgl. auch Abwehr der Dichterlinge) S. 18, 33, 37, 49, 50, 112, 121, 151, 182, 189, 190, 202, 217, 239/40, 259, 288, 3 3 7 . 3 4 3 , 386, 3 9 7 , 4 1 8 , 423, 4 2 6 , (431).
Sonderformen und metrische Spielformen (Anagramm, Akrostichon, Bilderreim, Rätsel, Kettenreim, Cabbel, Echo, Nachtigallen u. a.) S. 42, 112, 143, 152, 239, 255, 274. 306, 320, 343, 418, 426.
Satire und Epigramm
U n g e k l ä r t h e i t der G a t t u n g s z u o r d n u n g von „ S a t y r e " und „ S t r a f f g e d i c h t " S. 18, 42, 66, 84/5, 112, 123, 157, 239·
VERZEICHNIS DER BEGRIFFE, MERK- UND KENNWÖRTER
505
K l ä r u n g s v e r s u c h e der G a t t u n g s z u o r d n u n g S. 85, (112), 123, 239, 426. Zweck und Wesen der S a t i r e (Wollen, Wirken und Bewirken) S. 18, 42, i n , 112, 118, (135, 139), 198, 222, 239, 246, 271, 286, 330, (419). (431). E p i g r a m m S. i8,29, 42, 101, 109, (131), 142, 152, 154/5, 165/6, 222, 239, 275 f., 284, 285, 286, 288, f., 294/5, 330,383.387, 395. 404, 411/2, 413. 415/6, 431· V e r h ä l t n i s von E p i g r a m m und Madrigal (bzw. von Satire und Epigramm) S. 62, 155, 165/6, 387, 390/1, 404.
Verzeichnis der Namen (Namen moderner Forscher sind nicht einbezogen worden. Vornamen wurden nur in Zweifelsfällen angedeutet, um Verwechslungen auszuschließen. Die über 351 hinausgehenden Zahlen betreffen die Anmerkungen. Das f. will anzeigen, daß der Name auf mindestens drei unmittelbar einander folgenden Seiten wiederkehrt.) Abschatz 107 Addison 245 Aeschylus 40, 325 Amthor 434 Andreä 119, 194, 396 Anton Ulrich von Braunschweig 107, 128, 161, 237, 400 Apelles ν. Löwenstern 1 3 1 , 383 Apuleius 88 Ariost 329 Aristoteles 16, 17, 22, (25), 29, 40, 74, 81, 82, 105, 106, 224, 242 f., 309, 328, 353, 354, 359 Arnold 88 Aubignac, d' 328, 429 Augustinus 75 Ausonius 285 Aventinus 88, 96, 357, 375, 376 Baillet 262, 265, 290, 293, Balde 112, 189, 201, 204 Barclay 128 Bartas, du 30, 47 Barth 31, 361 Batteux 229 Baumgarten, A. G. 244, 267, Bebel 12 Beilay, du 24, 30, 234, 403 Beilin 399 Bembo 23, 394 Bergerac 128 Bergmann 46, 47, 48—50, 358, 367 Bernegger 96, 213, 357, 375 Besser 288, 290, 326, 329, 345. 415. 427. 428
415
309
219,
330,
Bidermann 114, 380 Birken 34, 65 f., 73, 80, 84, 85, 88, 89, 96, 98, 104. 109, 115—129. 130 f., 139, 146, 150, 157, 160. 161, 216, 223, 228, 248, 256, 289, 3 0 7 ! , 318, 380—382, 400, 418, 426 Bodin 290, 415 Bodmer 45, 412, 413 Boileau 128, 197, 226, 263, 279, 281, 282, 285, 287, 327, 331, 414. 431 Bossu, Le 328 Bouhours 102, 263 f., 270, 277 f., 282, 290, 326 f., 331, 335, 341, 378, 409, 415. 423 Brämer 21, 244, 246, 307, 317, 333, 405 Breitinger 21, 379 Breslauer Anleitung 21, 226, 306, 307, 327 f., 339, 344—351, 433/4 Brockes 335 f., 345 Brumois (Brumoy) 429 Buchholtz 58, 128, 146, 161, 237 Buchner 7, 28, 44, 48, 54, 55—64, 66, 67, 75, 77, 79, 82, 87, 88, 92, 94.97.98,105,122,124,128,135t., 139, 143. 155 f - 206, 216, 219, 228, 240, 249, 305, 306, 314, 329, 358, 368—370, 376, 383, 388, 397 Bürger 173, 331, 392 Caldenbach 160 Canitz 190, 226, 276, 277, 286, 287/8, 299, 345. 35i. 414/5 Capriano 359
VERZEICHNIS DER NAMEN
Castelvetro 359 Celtis 12, 14, 48 Chapelain 224, 263, 395 Chytraeus 1 1 5 Cicero 88, 100, 154,270,285,370,411 Cincio (Cinthio) 129, 359 Corneille 224, 263, 328, 330, 395, 408, 429, 430 Corvinus 427 Cramer 290, 415 Crusius 16 Cuperus 298 Czepko 42, 129—131, 189, 260, 284, 382/3 Dach 156, 419 Dacier 328 Danhauerus 132 Daniello 24 Delrio 23, 1 1 3 Descartes 279, 359 Dilherr 92 Diomedes 63 Dommerich 323 Donatus 63, 102, 1 1 3 , 114, 246, 380 Dryden 330, 403 Dubos 350 Dunckelberg 302 Eccard 58, 409 Engelhardt 285 Engert (Engerdus) 28 Epictetus 40 Euanthius 63 Fabricius 12, 1 3 Fancan 128 Federmann 296 Feind 281—283, 413 Ferber d. Ältere 399 Ricinus, Marsilius 275, 4 1 1 Fischart 144, 201, 385, 398 Fleming 47 f., 146, 205, 209, 217, 236, 259, 288, 290, 355, 397. 399 Francisci 386 Frankenberg 89 Freientahl (s. Grob) Freinsheim 367 Freyer 286, 333 Frohnius 1 6 1
507
Galuzzi 29, 1 1 3 Gambara 301 Geliert 145, 220, 346 Gießener Poetik 1 1 5 , 305 Giraldi 122 Goethe 2, 352 Goldast 31, 37, 96, 375, 376 Göring 4 1 6 Gottfried v. Straßburg 360 Gottsched 13, 21, (44), 58, 68, 106, 108, 133, 136 f., 158, 169, 197, 199, 206, 213, 229, 231, 238, 245, 249, 255, 273, 282, 287, 288, 302, 306, 3 1 1 , 317, (320), 33° f·. 339. 341- 344 f·» 351. 353. 354. 364. 365. 379. 397. 406, 410, 412, 414, 415, 428 Goulard de Senlis (Herausgeber) 30 Göze (Herausgeber) 57, 368, 369 Gracian 248, 264, 409 Gräfe 304, 305, 419 Grammont 429 Grasser 250 Gressel 324 Grob 193, 215, 285—287, 288, 413/4 Groskurt 416 Grünwald 48 Grüwel 323, 418, 424/5 Gryphius, Andreas 47, 161, 168 bis 176, 178 f., 185, 239, 258, 259, 261, 288, 290, 345, 354, 365, 372, 373. 376. 381. 391/2, 393. 419 Gryphius, Christian 299—301, 416/7 Guarini 394/5 Gueintz (Gueinzius) 54, 135 Günther, Joh. Christian 146, 196, 319—322, 325, 3 3 1 , 350, 422 bis 424 Hadewig 96, 131—134, 155. " 8 , 358, 383, 387, 404 Hagedorn 261 Hallmann 290, 393 Hamann 323 Hancke 322. 339, 431 Händel (Haendelius) 1 6 1 Hanmann 44, 45, 1 3 1 , 134, 1 5 1 , 153, 305. 306, 366, 383, 388 Happel 247
VERZEICHNIS DER NAMEN
508
Harris, James 138 Harsdörffer (auch: Harsdörfer) 6, 46 f., 56, 64 f.. 71—92, 93 f·. 98, IOO,
102,
IO7,
II4,
I27, 131 f., 138, I39, 1 4 6 , 149 f., I 5 5 , 1 5 6 , 1 6 3 , I70, 1 9 6 , 204 f.,
124,
I25,
I42,
143,
158,
16I,
208,
213,
2 1 6 , 2 1 9 , »33. 250, 296/7, 3 0 5 ,
372 bis 374, 375. 376. 379. 386, 388. 308, 309, 3 5 4 , 3 5 8 , 366, 406, 4 0 7 , 420, 4 2 5 , 4 3 3
Hassler (Hasler) 162, 389, 391 Hebbel 175 Hédelin (s. d'Aubignac) Heidegger, G. 214, 286, 358, 414 Heinsius 2 5 , 29, 3 1 , 40, 4 1 , 1 1 3 , 134, 359. 361, 375. 397. 4*5 Herder 8, Ii, 20, 92, 112, 169, 222, 228, 2 3 1 . 2 3 4 , 3 3 4 , 350, 396, 4 3 1
Hessus, Eobanus 12, 13 Hille 54. 357 Hobbes 334 Hoeck 13, 26—28, 360/1 Hofmann 304—306, 419/20 Hofmannswaldau 145, 181, 182 bis 188, 2 3 2 , 2 3 6 , 2 5 8 ! , 2 7 5 , 2 7 7 , 2 8 1 , 288, 290, 304, 3 1 3 , 3 1 4 , 3 1 8 .
319. 326, 327. 334. 335. 340. 342. 345. 377. 393-395, 412, 413. 415. 425. 432 Hohberg 382 Hölderlin 334 Holz 252 Homer 1 8 , 2 0 , 2 3 , 1 0 5 , 1 9 6 , 2 4 6 , 3 1 6 , 334. 337. 396. 430. 431 Horaz 13, 15, 16, 18 f., 29, 56, 58, 112, 278,
198, 203, 2 1 6 , 2 3 9 , 263, 2 8 5 , 305, 309, 397. 404
Hrotsvitha von Gandersheim 12 Hübner, Johann 151 f., 331, 350, 3 5 8 . 3 8 7 . 433 Hübner, Tobias 44 Huet (Huetius) 128, 147, 214, 247, 2 7 2 , 400, 403
Humboldt, Wilh. v. 352 Hunold 226, 274, 281, 283, 306, 307, 310—314, 315, 318, 322, 3»9. 333. 334. 34, 343. 345. 347. 349. 421, 4 3 3
Hutten 357 Ickelsamer 88, 374 Jänichen 323 Jöcher 402 Jördens 402 Juncker 322, 339 Juvenal 263 Kadenbach (s. Caldenbach) Kant 353, 364 Kempe 156, 157, 199, 388 Kindermann 66, 134, 140, 151 bis 156, 1 9 6 , 2 2 7 , 289, 306, 3 8 1 , 385, 386/7, 404, 416 Klaj 72, 87 f., 92—97, 98, 196, 210, 246, 297, 368, 374—376 Kleist, Η. v. 4, 253 Klopstock i n , 252 Klotz 20 Knorr v. Rosenroth, Christian 373 Köhler 275, 339. 341—344, 348, 411, 431, 432/3 Kolbenheyer 83, 276 König, Joh. U. 280, 287, 332, 351, 4M. 415 Kormart 238 Kornfeld 227, 358 Lange, S. G. 229 Langlois 128 Lauremberg 188, 189, 190/1, 192, 195. 197. 280, 395 Lehman(n) 404 Leibniz 266/7, 296, 353, 357, 37 409/10 Lessing 18, 20, 23, 41, 77. 81, 155, 235.
256,
260,
2 6 4 , 268, ( 2 7 1 ) , 282, 284,
239,
242.
245,
289,
290, 3 5 3
Lindener 12, 13 Löber 415 Locher 13 Locke 271 Logau
188,189,191/2,285,288,357,
395 Lohenstein 107, 161, 176—182, 215, 2 3 2 , 2 3 6 , 2 5 8 f., 2 7 5 , 2 7 7 . 288,
509
VERZEICHNIS DER NAMEN
290,
304,
313,
345.
379.
392/3.
423.
425
Lopez
323,
340,
Moritz,
415,
419,
Moscherosch
G.
302,
348
L u d w i g v o n A n h a l t 54, 55, 90, Lupianus
(Lupinus-Matthäus
fart?) Luther
Möser
218
Motte,
A.
Wul-
Murmelius
195,
433 395
Männling
48,
323,
bis
358,
418,
425
M a r i n o 297, 329, 335, 363, 284, 128,
101—115,
154,
166,
168,
223, 240, 242, 246, 247, 289, 294, 310, 350, 3 7 7 — 3 8 0 , Mävius May,
(s.
Fr.
332,
Meier, G. F r . 138, Meister
405,416,420
Hunold)
Joh.
154,
430 229 265,
288
bis 295, 299, 304, 326, 330,
262,
263,
341,
415/6 Menage
Menantes
Neukirch,
Benj.
Neukirch,
Joh.
Neumark
51,
127,
134,
208,
228,
240,
312,
380,
388,
404
Neumeister
3 1 0 f.,
340,
358,
343.
328,
333,
345,
323, 349,
434
142,
346
160
Moller,
Alhardus
71,
96,
98—100,
Joh.
Morhof
10, 2 1 , 2 8 , 5 7 , 92, 182,
343.
433
125, 223, 226, 227,
289,
317
227,
402
221,
226,
f.,
309. 3 4 5 f·.
bis 404, 410,
433
284, 317. 35».
199,
227—240, 289,
303,
327.
329.
380,
345.
420/1,
422,
433
O p i t z I i , 12, 20, 2 6 f., 2 9 — 4 5 , 4 7 f..
401
102,
84. 88, 92,
109,
123,
128,
130,
140,
143,
147
117,
131,
f.,
122,
f.,
139,
134
153,
94-
118, 154,
156.
170, 187, 195, 197, 200, 203,
205,
208, 210, 216, 217, 222, 228,
240,
246, 249, 251, 255, 259, 267,
269.
2 8 8 f.,
351,
305,
355.
333, 358,
347, 360,
350,
361—366,
369. 382, 383, 396, 397, 411, 415, 422, Orpheus
Moller,
246
400,
353.
376/7
335.
328,
429,
Nicolai, F r . 309,
95, 98,
388 329,
328
307.
314—318, 421/2,
5 3 f·. 59. 60, 67,
309
359
Molière
242,
358,
392.
113,
305.
156—160, 314,
319,
379.
241,
339,
348,
92
215,
227,
431
347.
M e y f a r t h 70, 88, 89, 92, 107/08,
208,
Georg
340/1, 342, 344, 348,
342,
431
343.
332,
Mitternacht
249, 295,
333.
Mesnardière
112,
180, 290,
Hunold)
138,
Minturno
102, 287,
318,
427—429,
164. 358,
80,
265,
311,
Mendelssohn
107,
434
307—310,
325—331,
Milton
324
306,
(s.
391,
13
403
M e n c k e 50, 306, 307, 319, 320, 350.
12,
12
O m e i s 105, 235,
430
290
358, 377. 378. 407/08,
130,
293,
299. 318, 326, 332, 339, 341,
394
285
M a s e n ( i u s ) 23, 25, 78, 96, 116,
188, 285,
(Murmellius)
258—264,
427
Martial
de la
288,
Musophilus Mylius
359,
131, 201,
17
Mylaeus
Malherbe
408
107,
395/6
H.
Mühlpfort Musaeus
49, 9 5 f., 136, 137, 150,
220,
357,
369
14
6,
192—194,
320,
22
59
Ludwig,
K . P h . 259,
189,
(Pinciano)
Lucrez
339,
412,
Ovid
428, 17,
433 33
15, 32, 33, 105, 154, 187,
285, Owen
(Owenus) 285,
Papias Patrizzi
(258),
362
63 359
289,
415
510
VERZEICHNIS DER NAMEN
Peisker
358,
Peschwitz Petrarca
425
46/7, 34,
48,
323,
366,
371
296
Pfefferkorn
160
P h i l a n d e r v o n d e r L i n d e (s. M e n c k e ) Pietsch Pigna
345,
Pindar
129,
112,
„Pindus
359
195 46
202,
Plotin
18,
270,
275,
287,
86,
421
Porée 332,
432
358,
Possevino
113
Praetorius,
162
Ludwig
27,
167,
196,
214,
216,
220,
221,
226,
229,
283,
297,
326,
228,
399/400, 410, Susanne
427 Elisabeth
213/4,
368,
299,
416
Rapin
88,
ioo,
370,
400,
411
330
359,
403,
404
(auch:
224,
227,
402,
21,
(auch:
92, 395,
41,
223, 307, 348,
421
Rothmann)
204,
325
13, 47,
48,
50,
76,
135,
139,
164,
189,
190,
193.
197»
199—207,
208,
209,
216,
217,
220,
232,
279,
280,
285,
300,
306,
316,
324,
325,
358,
367,
373/4.
395.
397—399,
429
Sachs, H a n s 99, 184, 200, 203,
207,
218,
278,
428,
429
Sarbiewski 30,
396, 280,
320,
330,
(Sarbievius)
11, 16,
32,
18,
366,
112
19, 2 0 — 2 3 ,
3 8 f., 5 5 ,
361,
102,
113,
29, 149,
412,
(Melissus)
Schein
162,
Schelling
389,
107,
Scherer,
W.
160,
4,
122
Schirmer
416 196
306,
420
Schoch
bis 304, 306, 348,
419
bis 98,
Elias
59,
155,
256
416
Schottel 302
358
23
Joh.
Reimann)
391
2
Schmolck
(auch:
366
129
Schlegel,
384
431
404
362
246
Reimmann
74,
365,
240—248,
404/05,
30,
Reichard
361,
308, 317, 318, 335, 343, 345,
Schiller
260
Rebhun
414
Roth)
226,
Schelwig 419
403
Rappolt Redtel
388,
358,
Scheffler
Rachel 189, 197—199, 285, 397, Ramler
Rotth
Schede
Quintilian
93,
330
Schaev(ius)
247
Rabener
381.
359,
229
Pyrrho
358,
387,
68,
151, 201, 216, 233, 289, 305, 358,
369 160
Puschmann Pyra
357.
Scaliger
400
Prätorius, O t h o n e (Herausgeber) 57, Pudor
289,
285,
147,
208—213,
215,
277, 385/6,
Sacer
425
Michael
Joh.
51,
380
280
Prasch,
217,
324.
429/30
Portmann
Prasch,
205,
Rottmann
155, 2S7, 291,
P o n t a n u s 16, 55, 112, 113,
Postel
139,
204,
358,
411
Plutarch
98,
200,
397105,
329. 359, 362, (364), 3 7 2 , 4 1 1 , 4 2 9 Plautus
388
147—151,
234.
poeticus" (159),
47,
28,
R o n s a r d 2 4 / 5 , 2 9 f., 3 9 , 4 4 ,
P l a t o 15, 31, 32, 56, 58, 59, 9 7 , 116,
160,
Rist
Rollenhagen
412
122,
Rinckart
(Schottelius)
70,
71,
102,
88,
107,
89, 128,
55,
56,
67
92,
94,
95,
134,
135,
Reinhold
(s. S a c e r )
137. 139, 142. 149, 150. 156,
Reinmar
37
208, 210, 211, 216, 217, 221,
228,
240, 266, 268, 289, 296, 305,
306,
341. 357. 372, 388, 410, 432,
433
Riccobonus Riemer
J99,
113, 324
246
205,
VERZEICHNIS DER NAMEN
Schupp (Schuppius) 189, 194—196, 197, 201, 203, 396 Schütz 161, 162, 389 Schwabe von der Heyde, Ernst 28/9, 30, 38, 44, 361 Schwarz, Sibylla (Schwartzin) 232 Schweizer (Bodmer, Breitinger) 120, 126, 346, 351, 353, 364, 379, 412, 413. 431 Scriver (Scriverius ?), Joh. 358, 425 Scudéry 128, 214, 247, 296, 400, 409, 4 2 9 Seneca 18, 23, 40, 1 1 3 , 353, 359 Seyfiart 201 Shaftesbury 346 Shakespeare 282, 403 Sidney 30 Simonides 127 Sommer v. Sommersberg 322 Sorel, Charles 128, 201 Souciet 430 Spangenberg 153 Spanmüller (s. Pontanus) Statius 324 Stieff 327, 344, 433, 434 Stieler 194, 213, 215, 216—225, 229, 367, 400/01, 407, 433 Stigliani 394 Stolle 261, 307, 318, 328, 332—335, 345. 429—431 Strada 30, 1 1 3 Stubenberg 296 Sueton(ius) 63 Sulzer 334, 359 Synesius 56 Tacitus 37, 96, 280, 356, 375, 376 Tasso, Bernardo 359 Tasso, Torquato 59, 235, 359 Taurende, der (s. Hofmann) Telemann 335 Terenz 18, 381 Thomasius 248, 254, 264/5, 267 bis 272,305,333.340,408/0«. 410/11, 430 Titz 46 f., 54, 55, 64—67, 75. 88, 102, 134 f., 139, 142. 156, 159, 289. 309, 33«. 366, 368, 371/2, 388, 415
511
Treuer 7, 47/8, 58, 219, 274, 306, 367 Triller 45 Trissino 20, 23, 143 Tscherning 46f., 64, 98, 1 3 1 , 134 bis 139, 205, 209, 213, 216, 219, 228, 240, 290, 306, 317, 358, 368, 371. 383/4, 397 Tyrius, Maximus 56 Uhse 227, 274, 302, 324. 343. 348. 358, 417/8. 433 Vadianus (s. J . von W a t t ) Varchi 359 Vavasseur (auch: Vavassor) 415 Vida I i , 16, 18, 19/20, 269 Viperanus 16, 1x3 Virgil 18, 20, 23, 39, 44, 110, 246, 287, 334, 337, 340, Vossius 25, 102, 107, 113, 142, 359/60, 403
289,
231, 431 358,
Wagenseil 208, 214, 227, 247, 280, 295—299, 358, 402, 416 Wahll (auch: Wahl) 199, 227, 249, 272—275, 348, 411 Walther von der Vogelweide 31, 37 Watt, Joachim v. 10—12, 14, 227, 228, 357 Weckherlin 366 Weichmann 334, 335—339, 431 Weinrich (Weinrichius) 48, 332 Weise, Chr. 50, 78, 80, 108, 1 2 5 , 1 3 3 , 137, 138, 142, 200, 208, 222, 224, 226 f., 233, 236, 238, 240, 249—258, 265, 267, 268, 272 f., 283, 290, 295, 297, 299, 300, 302, 3 0 4 ! , 310, 312, 314 f., 326 f., 333. 338. 341 f·. 347 f·. 358, 379. 389. 402. 405—407, 409, 4IÏ. 417. 419, 422, 424, 432, 433 Weise, Joh. Ernst 323, 348 Weissenborn 274, 323 Weitenauer 58 Wentzel 273, 290, 411, 433 Werder, Dietrich von dem 369
512
VERZEICHNIS DER NAHEN
Werner 48 Wernicke 164, 190, 207, 208, 260, 263, 275—281. 283—285, 287!, 399. 3 " . 316. 317. 319. 404, 411—413, 415 Wieland 282, 306, 350, 351, 355 Wilke (Willichius) 13 Wimpheling 12 Wokenio 323 Wolf, F . A . 334 Wower 31 Zedier 402
Zesen 46, 48, 54, 71, 89, 98, 107,128, 129, 134, 139—147, 150, 161, 163, 168, 195, 198, 200, 204 f., 208, 209, 211, 216, 220, 249, 252, 266, 305, 316. 323, 358,
368, 384/5, 388, 410,417,420,429 Ziegler, Kaspar 151, 155, 161—168, 184, 186, 206, 306, 358, 382,
388—391, 404, 433 Zigler u. Kliphausen, Heinrich Anselm v. (auch Ziegler) 215, 323, 400 Zincgref 34
BRUNO MARKWARDT
Geschichte der deutschen Poetik 6 BÄNDE BAND II
Aufklärung, Rokoko, Sturm und Drang Groß-Oktav. VIH, 692 Seiten. 1956. Ganzleinen DM 54,— B A N D ΠΙ
Klassik und Romantik Groß-Oktav. VIII, 730 Seiten. 1958. Ganzleinen DM 58,— B A N D IV
Das neunzehnte Jahrhundert Groß-Oktav. VIII, 750 Seiten. 1959. Ganzleinen DM 58,— BAND V
Das zwanzigste Jahrhundert In Vorbereitung B A N D VI
Strukturen und Perspektiven des dichterischen Kunstwollens in der Gegenwart In Vorbereitung
(Grundriß der germanischen Philologie)
Worte und Werte Bruno Markwardt zum 60. Geburtstag Herausgegeben von Gustav Erdmann und Alfons Eichstaedt Groß-Oktav. XX, 498 Seiten. 1961. Ganzleinen DM 64,—
WALTER DE G R U Y T E R & CO · B E R L I N
GRUNDRISS DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE Geschichte der nordischen Sprachen, Von
besonders in altnordischer Zeit 3. Auflage. 1913. DM 6,75 (4. Band)
A D O L F NOREEN.
Germanisches Recht Von
Auflage von K A R L AUGUST ECKHARDT. 2 Bände. 1:1960. DM 28—; Π: In Vorb. (5. Band)
K A R L VON AMIRA. 4 .
Geschichte der englischen Sprache Von
Historische Syntax 3. Auflage. 1916. DM 8,10 (6. Band)
EUGEN EINENKEL.
Geschichte der mittelniederdeutschen Literatur Von
HERMANN JELLINGHAUS.
3. Auflage. 1925. DM 6,75 (7. Band)
Deutsche Versgeschichte mit Einschluß des altenglischen und altnordischen Stabreimverses Von ANDREAS HEUSLER. 2. Auflage. 3 Bände. 1956. DM 102,— (8. Band)
Germanische Heldensage Von
HERMANN SCHNEIDER.
2 Bände. 1933/62. DM 79,25 (10. Band)
Romania Germanica Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreiches Von E R N S T GAMILLSCHEG. 3 Bände. 1935/62. DM 98,— (11. Band) Wird nur komplett abgegeben
Altgermanische Religionsgeschichte Von
J A N DE V R I E S . 2 .
Von
Auflage. 2 Bände. 1 9 5 6 / 5 7 .
D M 8 8 , — (12.
Band)
Geschichte 2. der deutschen Elegie Auflage. 1961. DM 28,— (14. Band)
F R I E D R I C H BEISSNER.
Altnordische Literaturgeschichte Von
J A N DE V R I E S . 2
Bände.
2.
Auflage.
I: 1964;
II: In Vorb.
(15.
Band)
Deutsche Wortgeschichte V o n F R I E D R I C H MAURER u n d F R I E D R I C H STROH.
2. Auflage. 3 Bände. 1959/60. DM 97,— (17. Band)
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Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte Begründet von Paul Merker und Wolfgang Stammler 2. Auflage, neubearbeitet und unter redaktioneller Mitarbeit von Klaus Kanzog sowie Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Werner Kohlschmidt und Wolfgang Mohr 3 Bände. Lexikon-Oktav I. BAND Α—Κ X V I , 915 Seiten. 1958. Halbleder DM 98,—
II. BAND I ^ - P 1. LIEFERUNG: Laienspiel-Literatur und bildende Kunst. 96 Seiten. 1959 2. LIEFERUNG: Literatur und bildende Kunst — Literatur und Recht. 96 Seiten. 1959 3. LIEFERUNG: Literatur und Recht — Mariendichtung. 96 Seiten. 1960 4. LIEFERUNG: Mariendichtung — Mittelalterliche Dichtuñg in Deutschland. 96 Seiten. 1960 5. LIEFERUNG: Mittelalterliche Dichtung in Deutschland — Alemanische Mundartdichtung. 80 Seiten. 1961 6. LIEFERUNG: Alemanische Mundartdichtung — Mythos und Dichtung. 112 Seiten. 1962 7. LIEFERUNG: Mythos und Dichtung — Neulateinisches Drama. 96 Seiten. 1963 8. LIEFERUNG: I n Vorbereitung
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DER JUNGE GOETHE Neu bearbeitete Ausgabe in fünf Bänden Herausgegeben von HANNA FISCHER-LAMBERG Groß-Oktav Die Ausgabe „Der junge Goethe" blickt auf eine fast hundertjährige Tradition zurück: 1875 erschien die von Salomon Hirzel und Michael Bernays betreute dreibändige Erstauflage, 1909—1912 gab Max Morris eine auf fünf Textbände erweiterte Neubearbeitung heraus. Unter der Obhut von Frau Dr. Hanna FischerLamberg ist nun eine Neuausgabe dieses unentbehrlichen Quellenwerks entstanden, dessen insgesamt fünf Bände bis zum Jahre 1965 vorliegen werden.
BAND I AUGUST 1749 —MÄRZ 1770 X , 519 Seiten. 1963. Ganzleinen DM 38,—
BAND II APRIL 1770 — S E P T E M B E R 1772 IV, 365 Seiten. 1963. Ganzleinen DM 30,—
BAND III SEPTEMBER 1772 — D E Z E M B E R 1773 (1964)
BAND IV JANUAR 1774 — D E Z E M B E R 1774 (1964)
BAND V JANUAR 1775 —OKTOBER 1775 (1965)
WALTER DE GRUYTER & CO · B E R L I N