Geschichte der alten Kirche: Ecclesia catholica [Reprint 2019 ed.] 9783111621067, 9783111244129

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Table of contents :
Inhalt
1. Das römische Weltreich im zweiten und dritten Jahr/ hundert
2. Die Kirche
3. Das Neue Testament
4. Glaubensregel und Theologie
5. Der Kultus
6. Das Christentum und die Welt
7. Die Apologeten
8. Kleinasien und der Montanismus
9. Gallien
10. Afrika
11. Rom
12. Syrien und sein Hinterland
13. Ägypten
Literatur
Register
Nachtrag
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Geschichte der alten Kirche: Ecclesia catholica [Reprint 2019 ed.]
 9783111621067, 9783111244129

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Geschichte bereiten Kirche von

Hans Lietzmann 2

Ecclesia catholica

Berlin und Leipzig

Verag Walter de Gruyter & Co.

Nrckiv-Nr. 32 03 35

Druci non Walter de Gruvrer A et Meister vor seiner Gefangennahme im Kreis der ihn umtanzenden und mit Amen antwortenden Apostel gesungen habe, und berichtet dann über eine letzte Offen­

barung des Herrn, der in Wahrheit nicht am Kreuze litt, sondern durch das gnostische Mysterium des Lichtkreuzes den Weg zur Erkenntnis des erlösenden Logos und zu einer höheren, über­ menschlichen Wesenheit gewiesen hat. Das Ende des Apostels wird wiederum durch lange Reden und Gebete sowie eine Eucharistiefeier eingeleitet: zuletzt legt er sich selbst ins Grab und gibt fröhlich seinen Geist auf. Die drei bisher genannten Apostelakten entstammen wohl *) Acta 3oh. 94—96.

Johannesakten. Thomasakten

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der Zeit um 200 und knüpfen bewußt an die ältere kirchliche Über­

lieferung an, wenn sie auch dann mit voller Freiheit ihren Stoff entfalten. Aber die Wünsche des Christenvolkes beschränkten sich

nicht auf die Apostel, von denen echtes Wissen vorhanden war, sondern bemächtigten sich auch der übrigen inhaltlosen Namen als willkommener Anhaltspunkte für neue Phantastegebilde. Die Andreasakten, die uns freilich nur trümmerhaft erhalten sind', wenden die bekannten Methoden der Gestaltung auf einen Apostel an, von dem es historische Kunde überhaupt nicht gab. Die faß­ baren Reste zeigen die asketische Stellung zur Ehe und bringen auch

Betrachtungen über das Kreuzesmysterium2. Der Apostel stirbt in Patrae den Märtyrertod, gleich seinem Bruder Petrus am Kreuz aufgehängt. Das besterhaltene, weil am weitesten verbreitete Beispiel dieser ganz frei schaffenden Volksschriftstellerei bieten uns die

Thomasakten. Die sind in der Atmosphäre der ostsyrischen Haupt­ stadt Edessa entstanden und ursprünglich syrisch geschrieben, dann aber bald ins Griechische frei übersetzt und in beiden Gestalten viel gelesen und daher allerlei Wandlungen unterworfen worden. Die Grundlinie der Geschichte ist die Misstonswanderung des Apostels nach Indien: an diesem Faden werden im ersten Teil

eine Anzahl Abenteuer hintereinander aufgereiht, die schließlich in die Bekehrungsgeschichte einer hohen Dame Mygdonia aus­ münden; durch sie kommt das Christentum an den Hof des Königs Misdaios, und die Schilderung aller dadurch verursachten Ver­ wickelungen füllt den zweiten Teil der Akten, der natürlich mit dem

Martyrium des Apostels schließt. Wir finden den üblichen Wunderapparat noch um einige reiz­ volle Züge bereichert. Ein eifersüchtiger Drache muß das in seinen Gegner gespritzte Gift wieder heraussaugen3 und stirbt daran. Ein Eselsfüllen bittet den Thomas in längerer Rede aufzusitzen

*) Acta apost. apocr. ed. Lipstus,Bonnet 21, S. 38—45 und 1—37. Hennecke Neulest. Apokr.' 249—256. *) Passiv Aodreae c. 5—10. ’) Acta Thom. 30—33.

78

z. DaS Neue Testament

und stellt stch auf die Frage des Apostels hin als Nachkomme des Bileamesels und Verwandten jenes Esels vor, auf dem Christus

in Jerusalem einritt \ Als es dann seinen Dienst getan hat, stirbt das Tier — ebenso wie der redende Hund in den Petrusakten; das ist ein typischer Zug solcher Tierfabeln2. Bald danach erweist stch eine ganze Herde von Wildeseln hilfsbereit und stellt dem Apostel Vorspann für seinen Wagen; der begabteste von ihnen beschwört Dämonen, ermahnt den Thomas zum Wundertun und predigt selbst vor dem Volke3. Auch das aus den Johannes­ akten bekannte Wunder der Totenerweckung durch eine Mittels­ person finden wir wieder3. Wir hören von dem, was ein Toter im Himmel geschaut hat, und eine zum Leben erweckte Frau berichtet von ihrer Wanderung durch die Hölle \ Offenbarungen im Traume find allenthalben beliebte Motive, aber hier wird ein Traum be­ richtet, der das Schicksal des Königshauses vorbildet und die genaue Wiedergabe eines altindischen Mythos ist3. Und bei näherem Zusehn ergibt stch, daß eine Fülle von allegoristerten mythischen Motiven die Erzählungen dieser Akten bestimmen, und daß auch die reichlich vorhandenen Reden durch Elemente einer gnostischen Vorstellungswelt befruchtet werden, die mit Sicherheit auf den syrischen Gnostiker Bardesanes zurückgeführt werden kann und nicht wenig Baumaterial für das manichäische Weltbild geliefert hat. Manche Stücke dürfen geradezu als Einlagen bezeichnet werden. Da hat der Verfasser bereits geformt vorliegende Lieder oder Gebete in seinen Zusammenhang mehr oder weniger geschickt eingefügt7: das berühmte Lied von der Perle schildert in mythischem Gewand die Mission Manis und ist demnach erst nachträglich

x) Acta Thom. 39—40. 2) Acta Thom. 41. Acta Petri 12. Kerenyi Die griech.-orient. Romanliteratur (1927) S. 255. 3) Acta Thom. 68—79. 4) f. o. S. 75. Acta Thom. 54. 5) Acta Thom. 22. 55—57. 6) Acta Thom. 91. G. Bornkamm Mythos und Legende S. 61. In diesem Buche auch mehr über den gnostischen Charakter der Akten. 7) Acta Thomae 6—7 Lied von der Lichtjungfrau, 27. 50 Epiklesen, 108 bis uz Lied von der Perle (syrisch INW 4, 273—309).

Thomasakten.

Asketische Haltung

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den Akten einverleibt worden, die sich in manichäischen Kreisen einer dauernden Beliebtheit erfreut haben. Die alte Kirche kennt keine anderen Apostelaktev als die bisher

behandelten, und diese sind schon früh zu einem einheitlichen Korpus zusammengeschlossen worden, das als Werk eines Leukios Charinos galt und im neunten Jahrhundert noch dem Patriarchen Photios vorgelegen hat3. Sie stammen freilich von verschiedenen Ver­ fassern, aber sie sind zeitlich nicht allzuweit voneinander entfernt und auch sämtlich im Osten entstanden. Was sie innerlich zusammenbindet, ist nicht nur das allgemein Romanhafte, die Märchen- und Wunderwelt mit ihren typischen Bildern und immer

wiederkehrenden Motiven, sondern auch eine Gleichmäßigkeit in der Auffassung des Christentums. Die von ihren Aposteln verkündete Religion betont vor allen andern Tugenden die Keuschheit und zwar im Sinne einer völligen geschlechtlichen Enthaltsamkeit, die auch die eheliche Gemeinschaft als sündhaft ablehnt. Sogar der Hinweis auf die Möglichkeit des Kindersegens wird mit wahrhaft brutaler Schärfe, ja mit Hohn zurückgewiesen2. Diese Haltung ist nicht als romanhafter oder mythischer Zug einer mystischen Himmelserotik zu begreifen, wenn auch zweifellos gelegentlich solche Motive mit hereinspielen, sondern durch eine asketische Auf­ fassung des Christentums bestimmt, die sich im Orient früh ausge­ breitet hat und in ihrer schroffen Form von allen Getauften die Ehelosigkeit fordert — das ist in Syrien noch im vierten Jahr­

hundert das Ideal3 — oder aber nur den Asketen als Dollchristen gelten läßt — so denken letztlich die Einsiedler und Mönche des ganzen Altertums, und ihre Literatur gibt dieser Ansicht unverkennbaren Ausdruck. Das andere Charakteristikum aller dieser Akten ist die Ein­ wirkung gnostischer Gedanken, die sich in jeder Geschichte, jeder *) Photios cob. 114; dazu Harnack Gesch. b. altchristl. £it. 1, 116—123. a) Acta Thom. 12. 3) Offenb. 14, 4 vgl. Aphrahal Homilie 7, 20 p. 345 Parisot vgl. auch Hom. 6, 3—4 p. 256fr. Par.; Burkitt Urchristentum im Orient (1907) S. 85. 90ff.

8o

3. DaS Neue Testament

Rede, jedem Gebet und jeder Offenbarung kundtun. Insbesondere wird das Christusbild nicht nur ins Wundersame und Übermensch­

liche, sondern ins zauberhaft Gespenstische umgezeichnet. Christus ist unsichtbar gegenwärtig4, zuweilen körperhaft, dann wieder körperlos2, er erscheint als Knabe, Mann, Greis3, als Doppel­ gänger des Apostels4, eben noch sichtbar, dann plötzlich verschwin­ dend 5, schließlich sein Wesen in der Gestalt des Lichtkreuzes offen­ barend als der göttliche Logos, der zugleich Vater, Sohn und Geist ist und in letzter Wirklichkeit nie am hölzernen Kreuz gehangen

hat3. Das alles atmet gnostischen Geist. Man hat deshalb früher die meisten dieser Bücher für Erzeug­ nisse einer außer- und antikirchlichen Gnosis angesehen, die aber in einer mehr oder minder katholisterenden Bearbeitung auf uns gekommen seien: eine Meinung, welche durch das Vorhandensein jüngerer Umarbeitungen gestützt wird, in denen tatsächlich die anstößigen gnostischen Züge weithin beseitigt sind. Aber von den vermuteten gnostischen Urgestalten hat sich trotz der zahlreichen Neufunde der letzten Jahrzehnte nie eine Spur gezeigt, und wir haben inzwischen auch von anderer Seite her gelernt, die Grenze zwischen Kirche und Gnosis nicht scharf zu ziehen. So dürfen wir jetzt in diesen Volksbüchern wertvolle Zeugen für das Eindringen gnostischer Gedanken in die kirchlichen Gemeinden erblicken: gerade derartige Schriften brauchten den phantastischen Aufputz und die geheimnisvolle Sprache eines übermenschlichen Prophetentums, um den Bedürfnissen der Neugierde gerecht zu werden, die über die gewohnte Kirchenspeise hinaus nach verborgener Kunde histo­ rischer und theologischer Art verlangte. Da bot sich die Gnosis als unerschöpfliche Quelle ganz von selbst und bescherte in tausend

bunten Bildern, wonach das Herz verlangte. Und die Tendenz, die in den apokryphen Evangelien unverhüllt zu Tage trat und die Leser leicht mißtrauisch machen konnte, war hier in der günstigen *) Acta Thom. 34. 154. 15$. 165. a) Acta Joh. 93. ’) Acta 3oh. 87—92. Acta Petri 21. *) * Acta Thom. xi. 152. 153. Acta Pauli 21. •) Acta Thom. 34. 155. •) Acta 3oh. 98—101. Acta Petri 38.

Gnosis in der Kirche.

Apokalyptik

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Lage, sich spielerisch mit dem Mantel romanhafter Fabulistik zu bedecken. So finden wir in allen diesen Akten gnostische Anschauungen und Lehren, und sie werden mit einer so naiven Selbstverständlich­

keit vorgetragen, daß man die Empfänglichkeit der Leser für solche Dinge leicht daraus erschließen kann. Wir sehen hier eines der Mittel, durch welche die Gnosis als Gesamterscheinung in den Gemeinden des zweiten und dritten Jahrhunderts Einfluß ge­ wonnen hat, und zugleich sind die Schriften selbst Beweisstücke dafür, in welchem Umfang sie bereits erfolgreich gewesen ist. Denn höchstens bei den Thomasakten könnte man daran denken, einen gnostischen Sektierer als Verfasser anzunehmen: die andern Akten sind schwerlich von außen in die Kirche hineingetragen, sondern in der Mitte von Gemeinden entstanden, die sich als treue Glieder der katholischen Kirche fühlten.

Da wird uns die Gefahr deutlich,

von der die alten Väter so beweglich reden. Das Spätjudentum hat, angeregt durch das Danielbuch, die apokalyptische Schriftstellerei weiter ausgebaut und sehr fleißig gepflegt. Die Verfasser schreiben unter irgend einem ehrwürdigen

Namen und datieren ihr Werk in eine längst vergangene Zeit. Zuweilen knüpfen sie an persönliche Erlebnisse an und gehen von Gesichten und Offenbarungen aus, die sie schildern und deuten, oder sie lassen einfach die heiligen Autoritäten — Henoch', Moses, Baruch, die Sibylle — selbst auftreten und Auskunft geben über alles, was die theologische und politische Wißbegier aus Vergangen­ heit, Gegenwart und Zukunft zu erfahren wünscht. In der jungen Christenheit war schon in frühester Zeit das Wann und Wie der Aufrichtung des messianischen Reiches Gegenstand sehnsüchtiger Frage, und der ablehnende Bescheid, den der Meister einst den Jüngern gegeben hattet war keine ausreichende Beruhigung für die Gemeinde. Aber die Vorzeichen des großen Ereignisses, lebendige Bilder der Not auf Erden und der Schrecken am Himmel

ließen sich doch wenigstens aus den letzten Herrenreden entnehmen, *) s. Bd. i, 24—26.

2) Mark. 13, 32 u. Parall.

Ltehm ann, Gesch. d. Alten Kirche 2

6

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z. DaS Neue Testameot

die man in den synoptischen Evangelien1 ausgezeichnet fand. Hier konnte die Phantasie der Propheten sich entzünden und den Versuch wagen, in die Geheimnisse der Endzeit ahnend vorauszublicken. Die dem johanneischen Kreis entstammende Offenbarung ist unsres Wissens das erste Werk dieser Art: es ist die Schöpfung eines ganz großen Künstlers, der, vom Geist ergriffen, mit leiden­ schaftlicher Gewalt die Pforten der Ewigkeit aufbricht. Den Stoff

liefert ihm die bunte Welt spätjüdischer Jenseitsvorstellung, be­ reichert durch mythische Bilder altorientalischen und hellenistischen Glaubens: aber er gestaltet ihn neu und gliedert ihn mit sieben­

fältigem Rhythmus, der immer wieder aufklingend in das gewaltige Finale der letzten Vision ausmündet. Der verbannte Apostel weilt auf Patmos: es ist Sonntag. Da ruft ihn der Herr, er schaut sich um und sieht den Menschensohn in himmlischer Pracht. Er fällt nieder und vernimmt die Worte: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und halte die Schlüssel des Todes und der Hölle. Nun schreibe, was du sahst

und was ist und was nach diesem kommen wird". Der Prophet ist berufen. Und seine erste Tat ist die apostolische Mahnung. Sieben Sendschreiben gehen aus an sieben kleinasiatische Gemeinden, warnend und drohend zumeist, aber doch zweimal von herzlichem Lob erwärmt. Dann ist das Vorspiel beendet. Die Pforte des Him­ mels tut sich auf, der Seher steigt empor und schaut Gott auf seinem Thron, umgeben von den 24 Ältesten und den Scharen

der Engel, die das Dreimalheilig singen. Da liegt das Buch mit sieben Siegeln, auf dem Throne steht das Lamm, und, umbraust von Jubelliedern, öffnet es feierlich ein Siegel nach dem andern. Nun jagen die vier apokalyptischen Reiter in die Welt, die Grde bebt und die Sonne verfinstert sich. Die Seelen der Märtyrer schreien nach Rache, und die Engel Gottes versiegeln die Gläubigen, die zur Rettung bestimmt sind. Dann wird das siebente Siegel gelöst: sieben Engel erscheinen und blasen auf sieben Posamen. Und jedem Schall folgt eine schreckliche Offenbarung. Die siebente

*) Mark. 13, 5—37 — Matth. 24, 4—36 — kuk. ri, 8—36.

Die johanneische Apokalypse

8z

Posaune leitet himmlische Gesichte ein. Der Messias wird ge­ boren und vom Drachen verfolgt. Michael wirft das Untier zu Boden, aber schon sieigen feindliche Tiere aus der Tiefe und machen

sich die Menschheit bis zur Anbetung untertan: geheimnisvolle Zeichen und Zahlen enthalten den Schlüssel zur Erkenntnis ihres Wesens. Und sieh: schon sieht das Lamm, umgeben von seinen Ge­ treuen, triumphierend auf dem Berge Zion, und Engelstimmen

verkünden, daß Babylon die Große gefallen ist und alle Götzen­ diener göttliche Strafen erleiden. Die Sichel schneidet auf Erden Gottes blutige Ernte. Sieben Schalen des Zornes leeren sich über der Erde, und noch einmal zieht das Strafgericht über Babylon vor den Augen des Sehers vorüber. Das himmlische Hallelujah huldigt dem König der Könige und Herrn der Herren, der Teufel wird in das Gefängnis der Tiefe geworfen, und Christus herrscht mit den Seinen auf dieser Erde 1000 Jahre lang. Dann öffnet die Hölle noch einmal ihre Pforten: der Teufel wird frei und stürmt mit allen widergöttlichen Gewalten gegen die heilige Stadt. Aber Feuer fällt vom Himmel und vernichtet die Bösen, der Teufel mit den Seinen wird in den Feuerpfuhl ge­ stürzt zur ewigen Qual, und die Toten stehen auf. Das jüngste Gericht hebt an, und jeglicher wird gerichtet nach seinen Werken. Das ist das Ende. „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde: denn der erste Himmel und die erste Erde sind ver­ gangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt Jerusalem neu herabsteigen aus dem Himmel von Gott, bereitet wie eine Braut, geschmückt für ihren Mann". Und nun umfängt den Seher alle Pracht und Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem, und seine Zunge klingt in seligem Jubel — „und ich, Johannes bin's, der das hört und steht". Dann fällt er anbetend nieder: der himm­

lische Klang ist verrauscht, nur abgerissene Worte zittern ihm noch im Ohr. Da schreibt er auf, was ihm offenbart worden ist, und beschwört jeden Abschreiber dieses Prophetenbuches bei seiner Seligkeit, nichts davon zu nehmen oder hinzuzutun. Und dann o*

84

z. Das Neue Testament

schließt er mit dem sehnsüchtigen Seufzer: „Ja, ich komme bald.

Amen, komm Herr Jesu!" Die neuere Forschung ist mit der alten Kirche darin einig, die Abfassung dieses Buches unter Domitian, und zwar gegen Ende seiner Regierung (f 96) anzusetzen. Der Verfasser benutzt altes Material und fügt es in seinen Rahmen, gleichgültig gegen die Unstimmigkeiten, die für nachprüfende Exegeten dadurch ent­ stehen, weil er der überragenden Gesamtwirkung seiner Komposi­

tion sicher sein darf. Unter der beherrschenden Gewalt seines Geistes erglänzt auch das Alte in dem neuen Licht der christlichen Ewigkeitsschau, und diese höhere Perspektive verklärt auch den Haß gegen das im Bilde Babylons erscheinende römische Reich zur prophetischen Gerichtspredigt eines Mannes, der mit den letzten und absoluten Maßstäben mißt. Wir steigen aus der Werkstatt eines schöpferischen Künstlers in das bescheidene Kämmerlein eines kleinen Handwerkers hin­ unter, wenn wir uns der zweiten Apokalypse des christlichen Alter­

tums zuwenden. Wenig vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts schrieb in Rom Hermas, der Bruder des Bischofs Pius, ein drei­ geteiltes Werk, dem man den Titel „der Hirt" gegeben hat. Wie weit wirkliche Erlebnisse des Hermas hier eine literarische Form gefunden haben, ist nicht mit Sicherheit auszumachen: aber die in der ganzen Schrift immer wieder deutlich hervortretende Ab­ hängigkeit von Buchmotiven und das sichtliche Bemühen des Ver­ fassers, den unter seinen Händen stetig, aber formlos wachsenden Stoff durch kleine Mittel zusammenzuhalten, nährt beim Leser die Vermutung, daß er auch da unselbständig ist, wo er von Eigenem zu geben behauptet. Eine Apokalypse ist dieses Buch, weil es von Visionen berichtet und in Erwartung des göttlichen Gerichtes steht. Aber die Visionen sind künstlich am Schreibtisch ausgedachte Alle­ gorien, und die künftigen Plagen samt dem Gericht werden nicht geschaut und geschildert, wie bei Johannes, sondern nur ange­ kündigt, um dem Hauptzweck des Buches zu dienen. Es ist nämlich als Ganzes eine Bußpredigt an die Christen-

Der Hirt des Hermas.

Die Petrusapokalypse

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heit und verkündet in immer neu eingekleideten Wendungen die Lehre, daß auch der in schwere Sünde gefallene Christ noch einmal —

aber wohlgemerkt, nur noch einmal nach der Taufe! — Gelegen­ heit hat, durch Reue und Buße seine Sünden abzuwaschen: so ist

der Gemeinde jetzt noch eine Frist gegeben.

Wer die Worte des

Propheten zu Herzen nimmt, wird sie benutzen, ehe sie abläuft und das Gericht beginnt, und das Buch mit seinen Bildern und lang

ausgesponnenen moralischen Betrachtungen will ihn zu vertiefter Erkenntnis der Sünde und des rechten christlichen Wandels führen. Solche Lehren erteilt zunächst eine ehrwürdige Alte, die als Per­ sonifikation der Kirche vorgestellt wird, und ein als Hirte gestalteter Engel, der merkwürdige Ähnlichkeit mit einem Offenbarungsträger

hellenistischer Mystik hat *. Oie Arbeit an der Kirche wird zweimal2 unter dem Bild eines Turmbaus symbolisiert, auch das Hirtenbild wiederholt sich3 und wird dann umrahmt von breit ausgesponne­ nen Baumallegorien \ Das Gleichnis von den zwei Städten, von denen doch nur eine die wahre Christenheimat sein kann3, gibt gemeinchristliche Anschauung wieder. Dagegen ist die mit Hermas wohl gleichzeitige Petrusapokalypse3 eine echte Vertreterin ihrer Gattung. Da redet der Herr auf dem Olberg zu seinen Jüngern und teilt ihnen die Vorzeichen seiner Parusie und des Weltendes auf ihre Bitte mit. Er knüpft dabei reichlich an synoptische Worte an, malt aber die dort gegebenen Andeutungen breit aus. Die Schilderung des jüngsten Gerichts mit der Bestrafung der Sünder bildet den Übergang zu einer aus­

giebigen Zeichnung der Hölle, wo die verschiedenen Arten der Frevler mit Strafen gepeinigt werden, die ihren irdischen Hand­

lungen entsprechen. Die Gerechten aber gehen in die elysischen Gefilde von Acherusia. Die Jünger bitten darum, einen Gerechten aus jenem Leben sehen zu dürfen, und es erscheinen zwei Selige in ') Dgl. R. Reitzenstein Poimandres (1404). 2) Vis. 3. Sim. 9. 3) Vis. 5 Sim. 6. 4) Sim. 2—4. 8 vgl. auch 5. 5) Sim. 1. G) Die ganze Über­ lieferung zusammengestellt von H. Weinet bei Hennecke Neulest. Apokr? 314—327.

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z. Das Neue Testament

ihrem leuchtenden Glanze; danach öffnet sich der Himmel, und die ganze Herrlichkeit des Paradieses entschleiert sich den Blicken der Apostel. Freilich, die Phantasie des Verfassers weiß vom Himmel nur wenig zu berichten, während seine Höllenvisionen reich und mannigfaltig aus all den Bildern gestaltet werden, die Orient

und Griechenland schon lange zusammengetragen hattenx. Dieser Unterschied ist freilich auch bei dem Größten unter den Nachfolgern unseres Verfassers, bei Dante, deutlich zu spüren, aber wer die trockene Himmelsschilderung dieser Petrusschrift mit der johanneischen Seligkeit des himmlischen Jerusalem vergleicht, wird den gewaltigen Abstand in der Höhenlage beider Werke scharf empfinden. Eine Apokalypse in der Form einer Herrenoffenbarung ist

auch die neuerdings erst in unsern Gesichtskreis getretene Epistula Apostolorum3*. * Nur ist es da der auferstandene Herr, der die Seinen um sich versammelt und sie über die himmlischen Dinge belehrt: über seinen Abstieg zur Erde, seine Fleischwerdung, sein Verhältnis zum Vater, die Auferstehung der Toten, aber auch über die Zeichen und Leiden der Endzeit, über die Missionsaufgabe der Jünger und die Pflicht zu tapferer Mahnpredigt und treuem Bekenntnis. Durchgehends sehen wir das Bemühen des Ver­ fassers, die neutestamentlichen Grundlagen seiner Ausführungen deutlich zum Bewußtsein zu bringen. Aber was er darüber hin­ aus aus Eigenem gibt, trägt nicht nur die uns wohlbekannten Züge der allgemeinkirchlichen Meinung, sondern ist auch von gnostischer Denkweise befruchtet. Auf der einen Seite wird freilich die Leiblichkeit des auferstandenen Christus nachdrücklich behauptet, aber andrerseits die Göttlichkeit des Logos mit der des Vaters völlig gleichgesetzt. Der Vater ist in dem Logos mit seiner Gestalt, Macht, Vollkommenheit, Licht, Maß und Stimme3. Und als er zur Erde niederstieg, zog er die Weisheit und Kraft des Vaters an *) Albrecht Dieterich, Nekyia (1893). *) Carl Schmidt Gespräche Jes« (TU 43) 1919. H. Duensing Epistula apostolorum 1925 (Kl. Texte 151). 3) Epist. apost. 17 (28).

Der Brief der Apostel

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und kleidete sich in jedem Himmel in die Gestalt der dort wohnenden

Engel, so daß er unerkannt blieb. So ist er denn auch der Jungfrau Maria als Gabriel erschienen und dann in ihren Leib hineinge­ gangen und Fleisch geworden \ Auf Erden hat Christus die Heils­ lehre gepredigt, hat sie sogar in die Unterwelt getragen, und das menschliche Fleisch dadurch, daß er es annahm, zur Unverweslich­ keit befähigt2. Er hat die Menschen aus der Gewalt der Archonten befreit und führt sie zur himmlischen Ruhe3. Das sind im Grunde alles gut katholische Gedanken, aber in Formen gekleidet, die von der Gnosis geschaffen sind.

Diese Epistula entstammt dem zweiten Jahrhunderts etwa der Zeit um 140 oder 170 und ist wohl in Ägypten geschrieben. Sie ist das älteste uns bekannte Beispiel einer solchen Offenbarungs­ schrift, die auf Reden des Auferstandenen zurückgehen will. In der Gnosis ist diese Form eifrig gepflegt worden und hat noch im dritten Jahrhundert so umfangreiche Werke wie das Buch Pistis Sophia erzeugt. Es begreift sich, daß diese Schriftstellerei der Kirche sehr schnell verdächtig geworden ist. Aber sie ist nicht aus-

zurotten gewesen, und die allgemein menschliche Neugier, die hinter den Vorhang des Jenseits zu schauen begehrt, hat im Bunde mit gnostisierendem Spekulationstrieb von einem Jahrhundert zum andern immer neue Apokalypsen erzeugt, denen es an eifrigen Lesern ungeachtet des Widerstandes der Kirche nicht gefehlt hat. Die christliche Briefliteratur ist durch den Apostel Paulus begründet worden. Nicht als ob er je daran gedacht hätte, irgend

etwas Literarisches zu schaffen. Seine Briefe sind ihm nie etwas anderes gewesen als Mittel zum Zweck apostolischen Wirkens, und wenn er alles hätte mündlich erledigen können, so würde er keine Zeile geschrieben haben. Wenn er den Kolossern3 den Rat gibt, sich den Brief an die Laodicener zu beschaffen und diesen im Aus­ tausch ihren Brief zukommen zu lassen, so tut er das, weil er auf diese Weise Zeit spart und nicht zweimal dasselbe zu schreiben

x) Epist. apost. 13—14 (24—25). apost. 28 (39). 4) ZNW 20,173—176.

2) Epist. apost. 21 (32). 6) Kol. 4, 16.

3) Epist.

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z. Das Neue Testament

braucht. Aber weil in diesen Briefen seine überragende Persönlich­ keit zu lebendigster Wirkung kam, darum stnd fle wirkliche Literatur­ werke von höchstem Rang geworden und als solche auch schnell von den Gemeinden erkannt worden. Jener Briefaustausch zwischen Kolossae und Laodicea wird nicht der erste gewesen sein und ist nicht der einzige geblieben. Man hat schon früh begonnen, Briefe des Apostels zu sammeln, in Korinth, in Ephesus, in Philippi*, und als gegen Ende des

ersten Jahrhunderts sich jemand an die Aufgabe wagte, die sämt­ lichen Briefe des Paulus zusammenzubringen, waren ihm Ab­

schriften von neun Gemeindebriefen und dem Brief an Philemon erreichbar. Dies ist der Grundstock unseres Briefkorpus. Was jener Sammler nicht mehr bekommen konnte, ist verloren — darunter sind z. B. zwei Briefe an die Korinther, von denen einer vor, der andere hinter unsern i. Kor. gehört. Auch in der alten

Kirche hat niemand mehr Kunde von irgend einem Paulusbrief außerhalb unserer Sammlung. Aber diese selbst ist seitdem in der ganzen Kirche verbreitet und fleißig abgeschrieben worden. Schon Ignatius und Polykarp kennen sie in trajanischer Zeit. Schnell hat sich auch eine bestimmte Reihenfolge der Briefe durchgesetzt, die im Groben auf dem rein äußerlichen Prinzip der Länge beruht. Der längste Brief, also der an die Römer, kommt zuerst, der kürzeste zuletzt; wobei die Briefe an dieselbe Gemeinde zusammenbleiben. Es hat im zweiten Jahrhundert noch ein anderes Prinzip der An­ ordnung gegeben, bei dem die Korintherbriefe voranstanden2, und Marcion hat versucht2, sie chronologisch zu stellen. Das schließen wir aus Nachrichten: alle uns erhaltenen Handschriften haben die Sammlung mit dem Römerbrief an der Spitze. In dieser Ursammlung befand sich aber bereits ein unechter

Brief, nämlich der an die Epheser. Bald sind die Pastoralbriefe hinzugetreten: schon Polykarp zitiert aus ihnen 4 und las sie also *) Dgl. E. v. Dobschütz in Die evangelische Theologie 2 (1927) S. 9. 2) Handb. jit Röm.' Einl. S. 1—4. ’) Bd. 1, 272s. *) Polyc. epist. 4/ 1. 5/ r. 9, 2. 11, 4.

Die Sammlung der Paulusbriefe

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wohl in seinem Pauluskodex.

Sie haben ihren Platz vor dem Philemonbrief gefunden, so daß also nun eine Gruppe von Briefen

an Einzelpersonen den Gemeindebriefen folgt. Wohl um die Mitte des zweiten Jahrhunderts hat man dann im Osten irgendwo, vielleicht in Ägypten, den Hebräerbrief für paulinisch erklärt und demgemäß der Sammlung eingegliedert. Seine schwankende Stel­

lung in den Handschriften verrät noch heute, daß er erst später hineingekommen ist: er findet sich bald am Ende des ganzen Korpus, bald am Ende der Gemeindebriefe, bald in ihrer Mitte, vor oder

hinter den Korintherbriefen oder zwischen Kolosser- und Galater­ brief. Schon ein Lehrer des alexandrinischen Klemens1 nennt ihn als Brief des Paulus, zerbricht sich aber auch schon den Kopf

über die dadurch erwachsenden Schwierigkeiten. Das kann nicht lange nach 150 gewesen sein. Aber die Abschriften des älteren Paulus­ korpus waren damals schon so weit in der ganzen Kirche verbreitet, daß diese Erweiterung sich nur in beschränktem Umfang durchsetzen

konnte. Im Osten ist es ziemlich geglückt, das Abendland hat den Hebräerbrief als nichtpaulinisch abgelehnt und sich erst infolge der kirchenpolitisch bedingten theologischen Einwirkungen des vierten Jahrhunderts mit ihm befreundet. Die Paulusbriefe sind, wie schon gesagt, das Vorbild aller weiteren altchristlichen Briefliteratur geworden. Weil sie bei allen

Gemeinden der Christenheit in Aufnahme kamen, meinte man, sie seien auch zu dem Zweck geschrieben, und ahmte dies Vorbild nach. So entstanden die für die Gesamtkirche bestimmten und nur scheinbar mit Sonderanschriften versehenen Traktate, welche sich als Briefe des Jakobus, Petrus, Judas, Barnabas geben oder, wie der 1. Johannesbrief und der Hebräerbrief, die Brief­ form wenigstens teilweise aufrecht erhalten. Aber auch wirkliche altchristliche Briefe sind in Nachahmung des paulinischen Vor­

bildes geschrieben: wir haben den Brief des römischen Klemens und die sieben Schreiben des Ignatius bereits kennen gelernt, zu denen das Begleitschreiben des Polykarp hinzugerechnet werden

*) Euseb KG. 6, 14, 4.

z. Das Neue Testament

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muß.

Andere Lehr- und Mahnbriefe kennen wir als Einlagen

in größere Werke: so die sieben Sendschreiben der Apokalypse, die Korintherkorrespondenz der Paulusaktenx, den Briefwechsel zwischen Klemens und Jakobus am Anfang der klementinischen Homilien. Wertlose Fälschungen sind der wohl im vierten Jahrhundert fabri­ zierte^ Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca sowie der apo­

kryphe Laodicenerbriefb, der jenes Kol. 4,16 erwähnte Paulus­ schreiben ersetzen soll. Von dem phantastischen „Brief der Apostel", der eine Apokalypse enthält, ist bereits4 die Rede gewesen.

Diese ganze reiche Literatur wollte direkt oder indirekt der Ge­

meinde autoritative Belehrung geben und hat es auch in weit­ gehender Weise getan. Aber je reicher sich die theologische Speku­ lation und die freie Schöpferkraft der Phantasie entfalteten, um so stärker wurden die Gegensätze innerhalb dieses Schrifttums und damit auch die Widersprüche der neuen Lehren gegen die altge­

wohnte Tradition der Gemeinde. Das treibende Element bei der Produktion neuer Schriften war der Geist der Gnosis, und wir haben gesehen, wie stark er in die kirchlichen Kreise hineinwirkte. Demgegenüber mußte die Gemeinde nach einem sicheren Schutz suchen, und sie fand ihn in der Begrenzung der autoritativen Lehre auf das Apostolische. Die Apostel sind die letzten, aber auch die einzigen Autoritäten, so lautete bald der kanonische Grundsatz, in dem die Selbstbesinnung der Kirche auf ihr Wesen sich aussprach. In ältester Zeit und noch bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts

wird als höchste Autorität „der Herr" zitiert, und zwar in der Form der Vergangenheit, wie es sich ja von selbst versteht, „der Herr hat gesagt". Woher der Redner oder Schriftsteller das Herrenwort hat, pflegt er nicht mitzuteilen, und es ist im Grunde auch gleichgültig, so lange die Richtigkeit des Zitates keinem Zweifel unterliegt. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, daß er seine Kenntnis aus den üblichen Quellen schöpft, und wenn er auf eine mündliche

Tradition zurückgreift, so mindert das seine Glaubwürdigkeit *) s. 0. S. 74. 2) Hieron. vir. Int. 12. Texte 12. *) 0. S. 86.

•) Ausg. v. Harnack in Kl.

Apostolische Autorität

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keineswegs. Dieser ideale Zustand konnte nicht aufrecht erhalten werden, als unter gnostischer Einwirkung Jesusworte von fremdem

Klang und voll seltsamer Weisheit frei erfunden wurden, als jene neuen Evangelien auftauchten, von denen wir gehört haben. Nicht daß sie neu waren, machte die Gemeinde mißtrauisch — auch Matthäus und Lukas sind einmal ohne Schaden neu gewesen — sondern daß sie neue Lehren und ungewohnte Theologie durch Jesu Mund vortragen ließen. Schon das Johannesevangelium ist in Kleinasien auf Gegner

gestoßen, denen seine Logoslehre verdächtig war, und die es wegen seiner Widersprüche zu der Darstellung der synoptischen Evangelien verwarfen1: es hat sich doch durchgesetzt. Als aber nun die gnosti­ schen Evangelien und Offenbarungsschriften mit dem gleichen Anspruch auftraten, suchte die Kirche nach einem eindeutigen Krite­ rium und fand es in der Forderung apostolischer Abfassung. Nur die Apostel sind einwandfreie Künder der Überlieferung vom Herrn, folglich haben nur solche Evangelien Geltung in der Kirche, die von Aposteln verfaßt sind. Dadurch waren die Evangelien des Matthäus und des Johannes autorisiert — und der Wider­ spruch jener Kleinasiaten gegen das vierte Evangelium ist bezeichnen­ der Weise mit der Behauptung verbunden, es sei nicht von dem Apostel Johannes, sondern von dem Jrrlehrer Kerinth geschrieben2. Bei Markus und Lukas half man sich mit dem Hinweis darauf, daß beide Männer Apostelschüler seien, und demgemäß der eine die Autorität des Petrus, der andere die des Paulus zur Geltung bringe3. Damit waren diese vier Bücher aber in Wahrheit kanoni­

siert worden. Denn der Hinweis auf ihre apostolische Autorität, der uns zunächst nur als eine Besinnung auf gesunde historische Grundsätze erscheinen will, hatte den tieferen Sinn, daß diese Jesus­ tradition — und nur diese — von dem in der Kirche waltenden heiligen Geist gewirkt und gesichert sei. l) Epiph. harr. 51, 3—4 uff. 2) Epiph. harr. 51, 3, 6. 3) Justin dial. 103, 8. Irenäus 3,1,1. 2. Fragm. Muratori 1—34 und Monarchian. Prologe (Kl. Texte ia S. 5. 12—16).

Y2

z. Das Neue Testament

Die Apostel waren die einzigen unbedingt legitimierten Geist­ träger in der Kirche: an ihren Kundgebungen war alles zu messen, was sich sonst noch als Wirkung des Geistes ausgab. So waren also ihre Schriften vom Geist inspiriert und damit von letzter, gött­ licher Autorität. Sie traten den Urkunden des alten Bundes ebenbürtig oder, besser gesagt, als notwendige und vollendende Ergänzung zur Seite, sie waren auch „heilige Schrift". Neben das Alte Testament fügt sich ein Neues Testament, das man nun in der gleichen Weise mit den feierlichen Worten „es steht geschrieben" aufruft, die in älterer Zeit nur dem Alten Testament vorbehalten sind. Und wenn man jetzt Herrenworte zitiert, so geschieht es nicht im Präteritum, sondern lieber in der Gegenwarts­ form „der Herr sagt", denn er spricht nun stets gegenwärtig aus den heiligen Büchern zu seiner Gemeinde. Dieser Prozeß der Kanonisierung der Evangelienschriften ist in seinen Anfängen bei Justin1 kurz nach 150 deutlich zu beobachten und ist zur Zeit des Jrenaeus3, also ein Menschenalter später, vollendet. Gelegentlich ist freilich noch Unsicherheit vorhanden. Die Gemeinde von Rhossos in Syrien benutzte das Petrusevangelium3, und der antiochenische Bischof Serapion hatte sich durch den aposto­ lischen Namen zur Anerkennung dieses Gebrauchs bewegen lassen. Das war nach dem Apostolizitätsprinzip richtig gehandelt. Als er aber den Text näher ansah und doketische Irrlehre darin feststellte, verbot er das Buch. Er prüfte also die Echtheit der apostolischen Etikette durch Vergleich mit der Kirchenlehre, und da er entscheidende Abweichungen fand, erklärte er — sachlich zutreffend — den Namen für unecht und die auf ihn sich gründende Autorität für nichtig. Mit den übrigen pseudapostolischen Evangelien ist die Kirche nicht anders verfahren und ist so zu der allgemein angenommenen An­ schauung gelangt, daß es mehr als vier Evangelien nicht gebe und auch nicht geben könne — das hat Jrenaeus4 schon theoretisch und symbolisch begründet. *) Justin dial. 49. 100. 101. 104. 105. 106. 107. 2) Irenäus 3, 11, 8. 2, 22, 3. 2, 30, 2. 3) Euseb KG 6, 12, 2—6. 4) Jrenaeus 3, 11, 8.

Der Evangelienkanon

93

Aber die Dierzahl der Evangelienschriften hatte auch ihre Nachteile. Es gab doch in Wahrheit für die Kirche nur ein Evange­ lium, nur eine Botschaft Gottes an die Menschheit: wozu war die auf vier Bücher verteilt? Noch dazu mit so vielen Wieder­ holungen, aber auch mit Unstimmigkeiten und anscheinenden Widersprüchen der verschiedenen Texte? Der ideale Zustand war doch flcherlich ein Evangelium in einem Buch. Das war vielleicht in ältester Zeit auch der Fall gewesen, wo der Gebrauch der Syn­ optiker sich auf verschiedene Gegenden verteilt hatte. Marcton ließ auch nur ein Evangelienbuch in seiner Kirche gelten. Um 180 haben zwei Männer den Weg betreten, den auch die Kirche bis auf den heutigen Tag benutzt, sobald es sich um volkstümliche Evangeli­ sation durch „biblische Geschichte" handelt; sie haben aus den vier Texten einen einzigen gemacht. Der eine ist Bischof Theophilus von Antiochia gewesen; sein Werk ist spurlos untergegangen \ Da­ gegen hat der andere großen Erfolg gehabt: es war der Schüler Justins, Tatian. Seine Evangelienharmonie „aus vieren", Diatessaron genannt, reiht Perikopen aller vier Evangelisten zu einer fortlaufenden evangelischen Geschichte zusammen, und dies Buch ist in der syrischen Kirche in amtlichen, auch gottesdienstlichen Gebrauch genommen und erst im Laufe des fünften Jahrhunderts2 durch das Dierevangelienbuch verdrängt worden. Unter der Hand ist Tatians Werk aber auch anderswo noch lange benutzt, und nach Ausweis der vorhandenen Übersetzungen haben Römer so gut wie Germanen aus ihm das Evangelium gelernt; auch eine arabische Bearbeitung ist erhalten. Das Original freilich ist ver­ schollen, und man streitet sogar darum, ob es griechisch oder syrisch verfaßt war: doch ist jüngst ein griechisches Bruchstück am Euphrat ausgegraben worden2. Die Kirche hat jedoch im Ganzen eine solche Verkürzung der Evangelientexte abgelehnt. Der Kampf gegen die Willkür Marcions *) Hieron. epiff. 121,6,15. 2) Theodore: haer. fab. 1,20(4,312 Schulze) Durkitt Evangelion da-mepharreshe r, 173 ff. 3) Fund in Dura: C. H. Kraeling A Greek Fragment of Tatians Diatessaron (Studies and Dokuments 3) 193$.

94

z. OaS Neue Testament

und der Gnosis hatte ihr den Wert einer historisch gut fundierten

Tradition gezeigt, die nun mit Ehrfurcht gehütet wurde: sie war ja doch jetzt als niedergeschriebenes Gotteswort erkannt, und das durfte nicht willkürlich vermindert werden. So blieben die vier

Evangelien intakt. Aber es ist doch nützlich festzustellen, daß sich eine talmudistische Kleinkrämerei nach Art der jüdischen Masorethen bei den Christen nicht entwickelt hat. Die Abschreiber haben sich bei allem Respekt vor Gottes Wort auch in den späteren Jahrhunderten nicht hindern lassen, den Text im einzelnen durch harmonisierende

Korrekturen oder Herübernahme von Varianten aus andern Handschriften hin und her zu „verbessern", so daß ein ganzer Ur­ wald von gegeneinander stehenden Lesarten, Zusätzen und Aus­ lassungen entstanden ist. Und das gleiche Schicksal hat auch die Handschriften der Übersetzungen des Neuen Testaments betroffen und so die Textkritik dieses heiligen Buches zum schwierigsten

Gebiet philologischer Arbeit gemacht. Nur in Syrien sind die Kodizes der amtlichen Bibelübersetzung mit einer weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden, offenbar religiös bedingten, Sorgfalt kopiert worden und dadurch vor Entstellungen bewahrt geblieben. Die Paulusbriefe hat Marcion zuerst dem Evangelium gleichgesetzt1 in Bezug auf göttliche Offenbarungsautorität: dies ergab sich zwingend aus seiner Theologie. Aber auch die Groß­ kirche schätzte ja diese Briefe von Anfang an, und sobald die Apostel in die eben charakterisierte Stellung einzigartiger Offenbarungs­ träger rückten, mußten auch ihre Briefe als inspirierte Kund­ gebungen des heiligen Geistes zu dem sich bildenden Neuen Testa­ ment gerechnet werden. Das läßt sich an den Zeugnissen der Schrift­ steller nachprüfen, die gegen Ende des zweiten Jahrhunderts neben die Evangelien die apostolischen Briefe stellen? und sie allmählich dann auch mit der feierlichen Formel als „Schrift" zitieren aber dieser Sprachgebrauch hat sich doch nur langsam ’) s. Bd. i, 273. 9 (2,57. 65 Harv.).

2) Iren. 1,3,6 (1,31 Harvey); Apg als „Schrift" 3,12,5. 3) Clemens Strom. 1, 87, 7f. 7, 84,2. 3 vgl. 7, 95, 3.

Der Driefkanon

durchgesetzt.

95

Den Kern der Sammlung apostolischer Briefe bildet

das paulinische Korpus, und Marcion hat keine weiteren Schreiben in seinem Kanon. Auch die alte syrische Kirche beschränkt ihren

Briefkanon auf Paulus *. Im Laufe des vierten Jahrhunderts tauchen die drei großen katholischen Briefe — Jakobus, i. Petrus, i. Johannes — bei syrischen Vätern auf, und die amtliche Kirchenbibel der Syrer,

die Peschitto, hat sie um 400 dem Neuen Testament angegliedert. Dieser „Dreibriefkanon" gilt auch im Bereich der antiochenischen Kirche, und die großen Prediger und Theologen, die dieser Kirchen-

provin; angehören oder unter ihrem Einfluß stehen, erkennen keine anderen katholischen Briefe an. Im Westen können wir eine Entwickelung verfolgen, die von den beiden schon dem Polykarp

von Smyrna um 115 bekannten Briefen, 1. Petrus und i. Johannes, ausgeht und den Jakobusbrief bei Seite läßt. Diese zwei Briefe bilden den Grundstock, an den sich seit dem endenden zweiten Jahrhundert die vier kleineren katholischen Briefe — 2. Petrus,

2. 3. Johannes, Judas — in allen möglichen Kombinationen anschließen: die erhaltenen lateinischen Kanonverzeichnisse zeigen uns anschaulich die Mannigfaltigkeit der kirchlichen Urteile über diesen Teil des Neuen Testamentes. Die alexandrinische Kirche beweist ihre Verbundenheit mit Rom darin, daß auch sie diesen abendländischen Kanon benutzt: Klemens zitiert i. Petrus, 1. und 2. Johannes, Judasbrief, und er hat diesen Schriften auch einen zusammenhängenden Kommentar in seinen „Hypotyposen" gewidmetAber in Alexandria war

man weitherzig, und so rechnet er auch den Barnabasbrief zu dieser Gruppe3 und nennt seinen Verfasser einen Apostels be­ handelt sogar den römischen Klemensbrief als apostolisch3 und zitiert die Didache als heilige Schrift6. Dieselbe Auffassung schim­ mert auch im Schrifttum des im Übrigen kritisch eingestellten *) W. Dauer, Apostolos der Syrer 34. !) Clemens Alex. ed. Stählin 3, 203—215. 3) Euseb KG. 6, 14, 1. *) 6km. Strom. 2, 31, 2. 2,35, 5. 6) Clem. Strom. 4,105,1. •) Clem. Strom. 1, 100, 4.

96

z. Das Neue Testament

Origenes noch gelegentlich dvrch, und hat sogar in den uns er­ haltenen Bibelkodizes des fünften Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen. Sowohl die Sinaitische Handschrift wie der Aleznvdrinus bringen am Ende des Neuen Testaments einen Anhang:

jene hat darin den Barnabasbrief und den Hirten des Hermas, dieser die beiden Klemensbriefe. So stark war das Bedürfnis der ägyptischen Christen, auch diese Schriften in ihrer Bibel ju lesen. Vereinigte man nun jenen abendländischen Briefkanon

in seinem ganzen Umfang mit dem Kanon der Antiochener, so entstand ein Kanon von sieben katholischen Briefen, der durch den Jakobusbrief eröffnet wurde; dann folgten i. 2. Petrus, 1. 2. 3. Johannes, Judas. Die Reihenfolge steht im Osten fest und beweist, daß der alte Dreibriefkanon die Grundlage bildet, während der Westen schwankt und gerne den römischen Apostel

Petrus an die Spitze stellt. Dieser Kanon der sieben Briefe begegnet uns um 320 bei Euseb von Cäsarea und hat sich im Laufe des vierten Jahrhunderts weiter ausgebreitet: nach Ägypten und dem

Abendlande zuerst, dann auch, im Zusammenhang mit der ägyp­ tischen Kirchenpolitik, im Orient zugleich mit dem Nicaenischen Bekenntnis. Die Apostelgeschichte ist mit einer stillen Selbstverständlichkeit

diesem Kanonisierungsprozeß gefolgt: war sie doch die Fortsetzung des Lukasevangeliums und zugleich die notwendige Ergänzung zu den Apostelbriefen. Diese beiden Tatsachen mußten den Mangel apostolischer Verfasserschaft decken und haben es auch mit Erfolg getan. Aber es ist begreiflich, daß dies Buch in der älteren Zeit

hinter den übrigen neutestamentlichen Schriften zurücktritt und selten zitiert wird; noch im Anfang des fünften Jahrhunderts ist es sogar in der Hauptstadt Konstantinopel1 weiten Kreisen der Gemeinde so gut wie unbekannt gewesen. Auch scheint seine Anerkennung um 200 in Afrika noch nicht unbedingt festzustehen2, aber im allgemeinen ist es um diese Zeit bereits Bestandteil des

l) Johannes Chrys. Hom. 1,1 in Act. apost. (9,1 Monts.) vom Jahre 401. 2) Terlullian de praescr. 22.

Die Apostelgeschichte.

Kanon der Apokalypsen

97

Kanons, und sogar die altsyrische Kirche1 hat es den Paulusbriefen beigesellt. Heiß umstritten ist dagegen der Kanon der Apokalypsen. Diese

nehmen als Offenbarungen des Geistes ohne weiteres höchste

Autorität für sich in Anspruch. Die johanneische Schrift verflucht ausdrücklich jeden, der ein Wort hinjufügt oder ausstreicht. Aber auch der Hirte des Hermas und die Petrusapokalypse haben energisch Gehör verlangt, und weite Kreise der Kirche haben es ihnen 6e# willigt. Namentlich Hermas ist im Abendland gegen Ende des zweiten Jahrhunderts viel gelesen und von Rom aus auch nach Ägypten gewandert, wo er sich am längsten gehalten hat. Denn

in Rom wurde er in den Hintergrund gedrängt, sobald man den Kanon nach dem apostolischen Prinzip zu begrenzen anfing2, und hat seit dem dritten Jahrhundert nur noch als privates Lesebuch vereinzelt Beachtung gefunden, während er in Ägypten bis zum fünften Jahrhundert in hohem Ansehen steht und als wert­ voller Anhang zum Neuen Testament geschätzt wird. Die Petrus­ apokalypse hat ein römischer Kritiker3 um 200 wegen ihres aposto,

lischen Namens im Kanon belassen, aber er notiert dazu, daß „manche von den Unsern sie nicht in der Kirche verlesen wissen wollen". Sie ist denn auch im Abendland nicht zu Ansehen gelangt, hat aber in Ägypten seit 200, wo Klemens sie in den Hypotyposen

kommentierte, Verehrer gefunden, und wird in einzelnen Städten Palästinas sogar noch im fünften Jahrhundert am Karfreitag

in den Kirchen verlesen4: was um diese Zeit wirklich nur noch eine Seltsamkeit ist. Die johanneische Apokalypse hat sich im zweiten Jahrhundert schnell durchgesetzt. Schon bald nach der Mitte des Jahrhunderts finden wir sie in Rom3, wenig später in Gallien, Afrika und Ägypten, und seitdem ist ihr Ansehn und ihre apostolische Autorität

im Abendland und am Nil feststehend.

Im Orient ist sie natur,

*) Doctrina Addaei p. 46 ed. Phillips. Th. Zahn Gesch. d. mutest. Kanons 1,1,373*) Fragm. Mura ton Z. 73—80. 3) Fragm. Muratori Z. 71 —734) Sozomenus 7, 19,9. 6) Justin dial. 81,4. Lieh mann, Eesch. b. Men Kirche 2

9S

z. Das Neue Testament

gemäß auch früh bekannt und respektiert x. Aber dieselben Kreise, welche dem vierten Evangelium widerstrebten, lehnten auch die

Apokalypse ab und bestritten ihre apostolische Herkunft, und das Mißtrauen gegen alle neue Prophetie, das in dem noch zu schil­ dernden Montanistenkampf stärksten Ausdruck gewann, wirkte sich auch gegen dies Prophetenbuch aus2. Im dritten Jahrhundert erhob sich sogar in Ägypten von amtlicher Stelle aus Widerspruch gegen das Offenbarungsbuch: Bischof Dionysios von Alexandria kämpfte um 250 gegen den groben Chiliasmus, der am Ende der

Dinge ein tausend Jahre währendes Schlaraffenland erhoffte und diese Erwartung durch die Apokalypse c. 20 zu stützen wußte. In einer Streitschrift an den Führer dieser Bewegung, Bischof Nepos von Arsinoe, hat er die Apokalypse einer scharfen Kritik unterzogen und ihr trotz aller Anerkennung ihres geistlichen Cha­ rakters die apostolische Verfasserschaft abgesprochen2. Das war eine gelehrte und theologisch bedingte Stellungnahme des Bischofs

gegen ein Buch, das nun einmal in den Bibeln seiner Kirche stand; und es ist auch weiterhin darin stehen geblieben. Dagegen hat Antiochia und die syrische Kirche die Apokalypse nicht ausgenommen, und denselben Standpunkt finden wir in Palästina2 und dem inneren Kleinasien5. Aber auch hier scheint das Vordringen der ägyptischen Nicaeapolitik gegen Ende des vierten Jahrhunderts den Kanon beeinflußt zu haben und somit der Apokalypse zu Gute gekommen zu sein, jedoch keineswegs mit dem gleichen Erfolg wie bei den 7 katholischen Briefen. Die byzantinische Kirche hat das Buch stets mit großer Zurückhaltung betrachtet und die Zwie­ spältigkeit des Urteils noch auf dem Konstantinopeler Konzil2 von 692 bewußt sanktioniert. *) Presbyter bei Jrenaeus 5,30,1 vgl. 33, 3 und Papias bei Euseb 3,39,12. Theophilus bei Euseb KG 4,24. Apollonius bei Euseb 5,18,14. Melito von Sardes bei Euseb 4,-26, 2. 2) Epiphan. haer. 51, 33 vgl. Jrenaeus 3, 11, 9; Caius bei Euseb 3, 28, 2. 3) Euseb 7, 25 Dionys. Alex. ed. Feltoe p. n6ff. 4) Hieronymus in Anecdota Maredsolana 3, 2 (1897) S. $f. Kyrill Hieros. Catech. 4, 36. 6) Gregor Naz. carm. lib. i sect. 1 nr. 12 (2, 260 Ben.) vgl. earm. lib. 2 sect. 2 nr. 8, 289ff. (2,1104 Ben.). Amphilochius v. Jkonium bei Zahn Gesch.d.nt. Kanons 2,1 S. 217. c) Conc. Trull, can. 2 (6,1139 Labbe).

Die Apokalypse im Kanon

99

Aus der altchristlichen Literatur mußte notwendig ein neutestamentlicher Kanon herauswachsen, sobald man ihre Erzeugnisse als Offenbarungen des heiligen Geistes ansah. Und diese Be­ trachtungsweise war mit dem urchristlichen Geistbegriff gegeben: unbegrenzt wie die Wirkungen des Geistes waren auch die Mög­ lichkeiten der Produktion neuer Schriften von autoritativem Charakter. Ein immer weiter sich ausdehnendes Neues Testament war um die Mitte des zweiten Jahrhunderts — und auch noch später — im Werden, und die Gnosis war die Werkstatt, in der die vorwärts treibenden Kräfte heimisch waren. Da hat die Kirche die ihr drohende Gefahr erkannt und der Entwickelung Halt ge­ boten. Das Prinzip der Apostolizität legte die entscheidende Grenze in die Vergangenheit und brach die Geltung des freien prophetischen Geistes. Was auf dem Gebiet der Verfassung geschah, fand seine Parallele auf dem des Schrifttums: die Apostel wurden die Bürgen der bischöflichen Autorität sowohl wie der neutestamentlichen Bücher — sie sollten es auch für die Lehrform werden. Dann war das Fundament der katholischen Kirche sicher gegründet.

Glaubensregel und Theologie. Die Frömmigkeit der griechischen Mysterien hat Gefallen daran gefunden, rituelle Formeln und geheimnisvoll klingende Sätze ju erfinden, in denen sich das Erlebnis des Mysten oder eine Grundwahrheit der Religion in einer nur dem Eingeweihten erkennbaren Weise ausdrücktenl; das war eine Art liturgische

Bekenntnisbildung internen Charakters. Daneben finden wir aber auch in den Volksmassen gelegentlich ein Bekenntnis jur Gottheit in der Form der Akklamation, des immer wiederholten,

rhythmisch im Sprechchor erschallenden Zurufs. Die Apostel, geschichte (19, 34) schildert uns eine solche Szene mit lebendiger Anschaulichkeit: das Volk von Ephesus protestiert gegen die Missions­

predigt des Paulus „und aus allen klang eine einzige Stimme und ste schrieen an die zwei Stunden lang: Groß ist die Artemis der Epheser". So bekennt man aber auch durch Akklamation die Göttlichkeit des in die Stadt einziehenden Herrschersso preist man den Sarapisb mit der Formel „Es gibt nur einen Zeus Serapis", so feiert man den Mond oder die Sonne als den „einen Gott im Himmel"*. Und solche Massenkundgebung des Volkes wird uns gelegentlich5 geradezu als ein vom Gottesgeist gewirkter Enthusiasmus bezeichnet. Auch in der Urkirche6 hören wir von dem in ekstatischer Er­ griffenheit gestammelten Bekenntnis „Herr ist Jesus", dem im amtlichen Reichskult das Loyalitätsbekenntnis „Herr ist der Kaiser"

entgegenstand 7.

Und wenn dem heidnischen Volk der östlichen

l) Sammlung bei A. Dieterich Mithrasliturgie 213—219 vgl. Firmicus Matemus be erröte prof. relig. c. 21—26. 2) Athenaeus 5 p. 213 b. E. Peter, sou Heis Theos 141 ff. vgl. 2/off. 3)* O. Weinreich Neue Urkunden zur SaraptS, Religion (1919) 24—30. *) E. Peterson Heis Theos 260, 268. 5) Dio Cassius 75, 4, 5—6. •) 1. Kor. 12, 3 vgl. Röm. 10, 9. ’) Martyrium Polycarpi 8,2.

Das älteste Bekenntnis

IOI

Städte der Bekenntnisruf ju dem „Einen Zeus Serapis" ein vertrauter Klang war, so kleidete Paulus den christlichen Gegensatz

zum heidnischen Vielgötterglauben in den Spruchs „Für uns gibt es nur einen Gott, den Vater, aus dem Alles ist und wir zu ihm, und einen Herrn, Jesus Christus, durch den Alles ist und wir durch ihn". Das sind bereits wirkliche Anfänge christlicher Bekenntnisbildung, und es sind nicht die einzigen. Bei der Taufe bezeugt der Neuling seinen Glauben vor dem Täufer und vor der Gemeinde, aber auch die Gemeinde selbst bindet ihr Wissen um den Sinn von Tod und Auferstehung des Herrn, ihren Glauben an seine göttliche Herkunft und herrliche Wiederkunft in stilisierte

Formeln, die bisweilen hymnischen Klang annehmen. Es ist kein Zufall, daß das vielgebrauchte alttestamentliche Wort für „be­ kennen" auch den Sinn von „lobpreisen" hat, und das Dankgebet der eucharistischen Feier wurde gerne zum feiernden Bekenntnis

der Heilstaten Gottes an seiner Christenheit ausgebaut. Der Ausgangspunkt aller Bekenntnisbildung ist das Be­ kenntnis zu Jesus als dem Messias, welches sich darin ausdrückt, daß man ihm diesen Titel — Christus — gibt2 und ihn dement­ sprechend „Jesus Christus" nennt. Aber es verlor auf griechischem Boden schnell seine ursprüngliche Kraft und seinen Sinn, und „Christus" ist schon den Lesern der Paulusbriefe kaum mehr als der zweite Eigenname Jesu gewesen. Dafür treten zwei andere Aussagen2 in den Vordergrund: Jesus ist „der Herr" und der „Sohn Gottes", und an diese Kerne schließen sich schnell weiter­ führende Zusätze an. Formt man den Satz „Jesus Christus, Gottes

Sohn, (ist der) Heiland" so ergeben die Anfangsbuchstaben der fünf Worte dieses Bekenntnisses das griechische Wort „Jchthys", der Fisch: und darum hat man wohl schon früh einen Fisch als bildliches Symbol des christlichen Glaubens gewählt. Die er­ haltenen gemalten und gekritzelten Denkmäler reichen nicht über *) i. Kor. 8,6. 2) Matth. 27,17.22. 3oh.i,4i. Apg. 9,221. Joh.5,1. 3) „Sert" 1. Kor. 12, 3 NSm. io, 9. „Sohn Gottes" 1. 3oh. 4,15 vgl. 5, 5.10 Hebr. 4, 14; Apg. 8, 37 als Taufbekenntnis.

102

4» Glaubensregel und Theologie

das dritte Jahrhundert hinauf, aber den Schriftstellern um 200

ist diese Symbolik ganz geläufig1 und demnach wohl altüberliefert. Man hat sie sogar erweitert und die geheimnisvollen Buchstaben mit einem kreuzförmigen T verbunden3: dann erhielt man das Bekenntnis zu „Jesus Christus, Gottes Sohn, dem gekreuzigten

Heiland". Aber neben dieser geheimnisvollen Symbolik geht von Anfang an die freie Entfaltung der Glaubensaussagen einher. Paulus selbst formuliert am Beginn des Römerbriefs das Evangelium

Gottes als die Kunde von „seinem Sohn, der aus dem Geschlecht Davids war dem Fleische nach, und zum Gottessohn in Macht bestellt wurde seinem heiligen Geiste nach, seit seiner Auferstehung von den Toten, Jesus Christus unserm Herrn". Wenn er hier das Geheimnis der Person Jesu unter dem Gesichtspunkt der Davids­ und der Gottessohnschaft darstellt, so kleidet er an anderer Stelle das Erlösungswerk in das Schema von der Erniedrigung und Erhöhung: „Jesus Christus, der in göttlicher Gestalt war und es doch nicht für sein Kleinod ansah, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und ward ein Menschenbild und an Erscheinung wie ein Mensch erfunden, und erniedrigte fich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott hoch erhöht und ihm den Namen geschenkt, der über jeden Namen ist, daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus der Herr ist, zu Ehren Gottes des Vaters". Das sind zwei formulierte Bekenntnisse des Christusglaubens3, das erste mehr lehrhaft gedacht, das zweite einem Hymnus gleich gebildet; und diese beiden Typen treffen wir im weiteren Verlauf der Kirchen­

geschichte immer wieder. Der eine wird im Katechumenenunterricht *) Tertullian -e bapt. i, vielleicht auch Clemens Paed. 3, 59, 2, OrigeneS in Matth, tom. 13, 10 (3, 230 Lorn.); Aberkiosinschrist (bei Dölger Ichthys 2, 457. 486—490) mit Akrostichon, vgl. Optatus v. Mileve schism. Donat. 3, 2 (p. 69 Ziwsa). 2) ZNW 22,263 und Oracula Sibyll. 8,217—250. 3) Röm. i/ 3—4 Phil. 2, 5—11.

Grundformen und Erweiterungen

103

seine Stätte gefunden haben, der andere trug liturgischen Charakter und wurde besonders jur Ausgestaltung des eucharistischen Abendmahlsgebetes verwendet, bei dem die versammelte Gemeinde durch den Mund des Priesters Gott für Christi Menschwerdung und Erlösungstat Dank sagte. So ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir die zahlreichen und wechselnden Bekenntnisformulierungen der altchristlichen Literatur als Widerhall einer in Lehre und Liturgie lebenden kirchlichen Gewohnheit ansehn und entsprechend verwerten dürfen, einer Ge­ wohnheit, die nicht müde wurde, das Ganze und die Einzelheiten der Christusbotschaft in immer neuen Gestalten zum Ausdruck zu bringen. Paulus selbst fügt zu seinen eben genannten Bekenntnissen noch die Auferstehungstradition der Urgemeinde hinzu, die er unter

die Hauptsiücke der Christenlehre rechnet und durch eigenes Wissen erweitert *, und in dem nachpaulinischen Schrifttum sehen wir das Christusbekenntnis immer reicher werden. Zu den einfachen Aus­ sagen der ersten Zeit treten weitere hinzu: Geburt aus der Jungfrau Maria und dem heiligen Geists, wahrhaftes Menschentum mit

Essen und Trinken3, Taufe durch Johannes4, Leiden unter Pon­ tius Pilatus3, Predigt in der Hölle und Himmelfahrt6, Sitzen zur Rechten Gottes7, sowie die Wiederkunft und das Gericht über die Lebendigen und die Toten8. Wir sehen, wie alle diese Lehrstücke, die uns aus dem Aposto­ likum wohl bekannt sind, schon um die erste Jahrhundertwende in kirchlichen Formulierungen erscheinen und ihnen Fülle und kräftige Bestimmtheit geben. Aber sie sind rein aus dem Ge­ staltungsbedürfnis der Gemeinde erwachsen und nicht durch einen

besonderen Gegensatz bedingt. Nur wenn Ignatius es unter­ streicht, daß Christus wahrhaft geboren, wahrhaft verfolgt, wahrhaft gekreuzigt sei, und hinzufügt, daß er gegessen und getrunken habe, ’) 1. Kor. 15,3—8. 2) Jgirat. 4) 2gn. Eph. 18, 2 Smyrn. 1, 1. vgl. 1. Tim. 6, 13. °) 1. Petr. vgl. 1. Tim. 3, 16. ’) 1. Petr.

Eph. 18,2 Smyrn. 1,1. 3) 2gn. Trall. 9. 5) Jgn. Trall. 9, Magn. 11, Smyrn. 1, 2; 3, 19. 22 in dem Bekenntnis 3, 18—22; 3, 22. 8) 2. Tim. 4, 1.

io4

4- Glaubensregel und Theologie

dürfen wir darin mit Sicherheit eine Zurückweisung doketischer Anschauungen sehen, die von einem wirklichen Menschentum Christi nichts wissen wollten x. Wir haben aus der Folgezeit noch weitere Christusbekenntnisse erhaltens die ihren Zusammenhang mit diesen frühesten Aussagen deutlich erkennen lassen. Das bedeut­ samste steht in dem ältesten uns erhaltenen Eucharistiegebet, welches die Hippolytische Liturgie als Einleitung den Stiftungsworten des Abendmahls voraufschickt: es zeigt uns für das eigentliche „Christus"bekenntnis einen und wohl den entscheidenden „Sitz im Leben der Kirche'". Gleichzeitig mit diesem Bekenntnis ist aber auch eine zweiglie­ drige Form entstanden, welche die untrennbare Einheit von Gottes­ und Christusglauben zum Ausdruck bringt. Paulus * spricht es gegenüber der Vielgötterei des heidnischen Glaubens mit betonter Schärfe aus, was der Christ bekennt: „Ein Gott, der Vater, aus dem Alles ist und wir zu ihm, und Ein Herr Jesus Christus, durch den Alles ist und wir durch ihn". Und solche Doppelformen finden wir nun in der alten Zeit immer wieder, in den Pastoral­ briefen, bei Irenäus und in Märtyrerakten \ Das Bekenntnis des Justin vor den Richtern lautet: „Wir verehren den Gott der Christen, den einen, den wir für den uranfänglichen Schöpfer der ganzen Welt, der sichtbaren und unsichtbaren, halten, und den Herrn Jesus Christus, den Knecht Gottes, der von den Propheten voraus­ gesagt ist als der künftige Prophet des Heils für das Menschen­ geschlecht und Lehrer edlen Wissens". Und als in Smyrna um 200 ein theologischer Konflikt mit Roetos ausbrach, erklärten die Pres­ byter der Gemeinde ihren Glauben in folgender Weifte: „Auch wir wissen in Wahrheit Einen Gott, wir wissen Christus, wir wissen den Sohn, gelitten, wie er gelitten hat, gestorben, wie er gestorben ist, und auferstanden am dritten Tage, und weilend zur Rechten dial. *) 1. Acta tyrer

*) Bd. 1, 262. 2) DIdascalia 6, 23, 8; Const. Apost. 7, 36,6; Justin 85. 132. Dgl. ZNW 22, 266s. 3) Text S. 123. 4) 1. Kor. 8, 6. Tim. 6,13. 2. Tim. 4,1. Polyc. Phil. 2, Iren. 3,1,2. 3,4,1. 3,16,6. Justini 2,5. Mart, des hl. Schapur bei Braun Ausgew. Akten Pers. Mär­ S. 2. 6) Hippolyt, t. Noet. 1.

Bekenntnisformel in zwei oder drei Gliedern

10$

des Vaters, und kommend zu richten die Lebendigen und die Toten. Und was wir da sagen, das haben wir überkommen". Herrschend geworden ist aber das dreigliedrige Bekenntnis zu Vater, Sohn und Geist. Schon die korinthische Gemeinde des Paulus kennt die Dreiheitsformel, wie der Schlußgruß des zweiten Korintherbriefes beweist, und das Matthäusevangelium verwertet sie liturgisch, wenn es die Taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes1 vorschreibt. Aus dieser Wurzel ist im Lauf der Jahrhunderte die unendliche Fülle der trinitarischen Bekenntnisse erwachsen. Man konnte den Grundstock in zweifacher Weise erweitern: indem man die einzelnen Glieder ausführlicher gestaltete oder indem man neue Glieder anhängte. Beide Wege sind betreten, aber auch beide Arten miteinander verbunden worden. Ende des ersten Jahrhunderts lesen wir beim römischen Klemens „Haben wir nicht einen Gott und einen Christus und einen Geist der Gnade, der auf uns ausgegossen ist, und eine Berufung in Christus?" und im zweiten Jahrhundert sieht ein Schriftsteller ° in den fünf Broten der wunderbaren Speisung ein Bild des fünf­ fachen christlichen Glaubens „an den Herrscher der ganzen Welt und an Jesum Christum und an den heiligen Geist und an die heilige Kirche und an die Vergebung der Sünden". Da finden wir das Trinitätsbekenntnis durch Anhänge zu einer fünfgliedrigen Formel erweitert. Um die Mitte des Jahrhunderts wird bei Justin mehrfach ein Taufbekenntnis erwähnt^, das etwa so gelautet haben mag: „Ich glaube an Gott, den Vater von Allem und Herrn, und an unsern Heiland Jesus Christus, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, und an den heiligen Geist, der durch die Propheten geweissagt hat". Hier ist der Dreitakt gewahrt, aber jedes Glied durch zusätzliche Aussagen verstärkt, und diese Weise der Erweiterung ist die für die ganze Symbolentwickelung frucht­ barste geworden. x) 2. Kor. 13, 13. Match. 28, 19. 2) 1. Klein. 46, 6. 3) Epistula apostolorum 5 (16). 4) Justin Apol. 13, 3.61,3.10.13. Hahn Bibi. d. Sym­ bole3 S. 4f. vgl. ZNW 2i, 31s.

io6

4. Glaubensregel und Theologie

Eine Reihe ausführlicher Bekenntnisse solcher Art finden wir bei Irenäus1 gegen Ende des Jahrhunderts, bei Tertullian2 um 200 und seinem Zeitgenossen Hippolyt von Rom3; hier ist mit Händen zu greifen, wie gerade der zweite Artikel mit besonderer Liebe ausgebaut wird, und zwar durch mehr oder weniger voll­ ständige Herübemahme des alten und ursprünglich selbständig bestehenden* Christusbekenntnisses. Das läßt sich in besonders lehrreicher Weise in Rom studieren. Da gab es ein altes, durch Dreigliederung jedes Artikels auf neun Glieder gebrachtes Trinitätsbekenntnis, das von da nach Ägypten gewandert ist und sich dort in zahlreichen Quellen erhalten hat3. Es lautet: Ich glaube au Gott, den Vater, den Allmächtigen; Und an Jesus Christus, seinen eingebornen Sohn, unsern Herrn, Und an den hl. Geist, die hl. Kirche, des Fleisches Auferstehung.

In den zweiten Artikel dieser straff gegliederten Formel ist nun ein Christusbekenntnis eingebaut und gleichzeitig der dritte Artikel um das Bekenntnis zur Sündenvergebung erweitert worden. Das Ergebnis ist das sogenannte altrömische Bekenntnis, welches allen Glaubensformeln des Abendlandes und damit auch unserm „Apostolikum" zu Grund liegt: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen; Und an Christus Jesus, seinen eingebornen Sohn, unsern Herrn, Der geboren ist aus dem Hl. Geist und der Jungfrau Maria, Der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde und begraben, am dritten Tage auferstand von den Toten, auffuhr in die Himmel, sttzct zur Rechten des Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten; Und an den Hl. Geist, die hl. Kirche, die Vergebung der Sünden, des Fleisches Auferstehung.

Die Gliederung der Sätze hebt den christologischen Zusatz deutlich heraus, lehrt aber jugleich noch ein Weiteres: es werden von Christus zwei verschiedene Aussagengruppen gebildet, die beide mit „Der" *) Hahn Bibl. d. Symb? S. 6—8. ZNW 22, 272s. 26, 93 s. 2) Hahn Bibl. d. Symb? S. 9—11 vgl. ZNW 21, 25—27. 3) ZNW 26, 76—83. 4) s. 0. S. 100 ff. 6) Sitzungsber. Akad. Berlin 1919, 112—113 und 269—274. Festgabe für Harnack zum 70. Geburtstag (1921) S. 226 s.

Symbol in Rom; im Orient

107

anfange». Die erste nennt die Geburt aus dem Hl. Geist und der

Jungfrau, will also augenscheinlich auf Grund von Lukas 1, 35 genauer darlegen, wieso Jesus in der ersten Zeile des Artikels als

„der eingeborene Sohn Gottes" bezeichnet werden kann. Die zweite Gruppe vereinigt Aussagen von der Passion bis zur Erhöhung und künftigen Wiederkunft zum Gericht. Sie läßt sich unschwer mit der zweiten Bezeichnung Jesu in der einleitenden Zeile in Zu­ sammenhang bringen: nach Phil. 2, 5—11 ist Jesus um seines im Leiden bewiesenen Gehorsams willen erhöht und mit dem Titel

des „Herrn", des himmlischen Kyrios, geschmückt worden. Damit ist der ganze christologische Zusatz als eine biblisch-theologische Er­ läuterung der alten Vorlage, des einfachen Bekenntnisses zu „Jesus Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes, unserm Herrn" er­ kannt worden *. Einen ganz entsprechenden Vorgang können wir in den morgen­ ländischen Kirchen beobachten. Aus den zahlreichen Bekenntnissen des vierten Jahrhunderts läßt sich ein Urtypus herausarbeiten2, der etwa so gelautet haben mag: Ich glaube an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren; Und an einen Herrn Jesus Chrisius, den eingebornen Sohn Gottes, Der aus dem Vater geboren wurde vor allen Äonen, durch den alles geworden ist. Der Mensch wurde, litt und auferstand am dritten Tage, und aufstieg in die Himmel, und kommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebendigen und die Toten; Und an den Hl. Geist.

Auch dieses Symbol ist durch Einfügung christologischer

Aus­

sagen in ein einfacheres Trinitätsbekenntnis entstanden, das aber eine wesentlich andere Vorgeschichte erkennen läßt. Seine Grund­

lage ist das zweigliedrige Bekenntnis des Paulus2 zu dem einen Gott, dem Vater, aus dem alles ist und wir zu ihm, und einem Herrn Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn.

Das beweist nicht nur das doppelte ein im ersten und zweiten *) K. Holl Ges. Aufsätze 2,115—122, 8, 6.

2) ZNW 21,1—24.

3) 1. Kor.

xoS

4. Glaubensregel und Theologie

Artikel, sondern auch die Formulierung „durch den alles geworden ist" im christologischen Teil, und endlich das Fehlen des ein in dem wie ein nachträglicher Anhang erscheinenden dritten Artikel. Aus dieser paulinischen Urform hatte sich nun im Orient ein trint, tarisches Bekenntnis entwickelt, das etwa so lautete: Ich glaube an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, aus dem alles ist, und an einen Herrn, Jesus Christus, den eingebornen Sohn Gottes, durch den alles ist, und an den Hl. Geist.

Aus diesem Symbol ist in Rom durch Streichungen, Zusätze und straffe Gliederung jene neungliedrige Form hervorgegangen, die wir bereits kennen gelernt haben. Im Osten hat man den ersten Artikel stärker in ein deutliches Bekenntnis jum Weltschöpfer um, gewandelt, wobei vielleicht traditionelle jüdische Formulierungen1 eingewirkt haben. Ein Gegensatz gegen gnostische Trennung des höchsten Gottes vom Weltschöpfer ist jedenfalls nicht sicher als Ursache dieser Erweiterung zu erkennen: wohl aber hat sie später im Kampf gegen die Gnosis als Kennzeichen kirchlichen Christen, tums zu wirken vermocht. Unsicher ist auch, ob im zweiten Artikel die Bezeichnung Christi als des „Eingeborenen" (Monogenes) in polemischer Absicht erfolgt ist. Sie geht auf das Johannes, evangelium3 zurück und wird in der alten Zeit fast nie gebraucht, ist aber bei den Valentinianern3 die Bezeichnung der von Christus unterschiedenen ersten Emanation des höchsten Götterpaares. Dem könnte das Bekenntnis zu der Identität von Christus und Monogenes entgegengesetzt fein4. Beachtenswert bleibt jeden, falls die Tatsache, daß die ältesten Symbole des Abendlandes den Monogenes nicht erwähnen5, daß er also nicht der allerfrühesten Schicht der Symbolbildung angehört. Die erweiternde Tätigkeit hat nun aber im zweiten Artikel ganz in der gleichen Weise gewirkt wie in Rom: sie hat sich bemüht, *) Vgl. Kol. I, 16 Psalm 146, 6. Josephus c. Apion. 2, 121. Hermas Mand. i, i und ZNW 21, 8f. 2) Ioh. 1, 14. 18. 3,16. 18. 3) s. Bd. i, 310. 4) ZNW 22, 277s. 26, 90s. Iren, 1, 10, 3. Kattenbusch Apostel. Symbol. 2, 581—596. 5) ZNW 2i, 11.

Ausbau des zweiten Artikels.

Der dritte Artikel

109

die beiden Prädikate „Sohn Gottes" und „Herr" ju erläutern, und ist dazu vermutlich durch das römische Symbol angeregt worden.

Aber theologisch geht der Osten andere Wege. Während Rom die Gottessohnschaft in schlichter Anknüpfung an die volkstümlich

faßbare Vorstellung von der Jungfrauengeburt deutet, weist der Orient auf die vorweltliche Zeugung hin, die den Sohn von allem jeitlich bedingten Werden abscheidet. Eine direkte Bezugnahme auf den johanneischen Logosbegriff haben erst spätere Symbol­

formen eingefügt. Dieser Unterschied in der Deutung des Sohnes­ namens ist durchgehend und trennt dauernd die Symbole des Ostens von den durch Rom bestimmten westlichen Formen. Die zweite Erweiterung der Vorlage durch Einfügung des Leidens

und der Erhöhung ist kürzer gehalten als in Rom und läßt vor

allem das Sitzen zur Rechten weg, wodurch die Beziehung auf Phil. 2 und damit die Erläuterung des Herrentitels undeutlich geworden ist. Man sieht, wie das in Rom so scharf hervortretende Motiv dieser beiden Zusätze im Osten nur abgeschwächt und in

verallgemeinernder Art wirksam ist. Dafür hat die Folgezeit ein um so üppigeres Wuchern neuer Bildungen aus dieser Wurzel

in der morgenländischen Kirche erzeugt, während das Abend­ land durchweg das römische Bekenntnis und zwar in seiner latei­ nischen Übersetzung angenommen1 und verhältnismäßig bescheiden weiterentwickelt hat.

Die einfachste Form des dritten Artikels ist uns im Orient noch erhalten. Aber Erweiterungen haben auch da früh angesetzt, teils in der Form, daß der Hl. Geist als der verheißene Paraklet2 oder als der schon in den Propheten wirksame und auf Christus hinweisende bezeichnet wird2, teils durch Zufügung weiterer Glaubenslehren wie Kirche, Sündenvergebung, Auferstehung und ewiges Leben: solche Formen haben wir bereits kennen gelernt*. Natürlich ist der Sinn dieser Angliederung die Betonung des

*) ZNW 21, 4f. 2) Tertullian adv. Prax. 2. 3) Justin Apol. 13, 3. 61, 13. Jrenaeus 1, 10,1 0. S. 105 vgl. ZNW 26, 93. 4) 0. S. 105 s.

HO

4. Glaubensregel und Theologie

Glaubens, daß die genannten Dinge der Wirksamkeit des Hl. Geistes zu verdanken sind. Wie das Bischofsamt und der neutestamentliche Kanon, so ist auch das Glaubensbekenntnis aus rein innerkirchlichen Be-

dürfnissen hervorgegangen: nur ganz vereinzelt kann man den Gegensatz gegen Gnostiker oder andere Jrrlehrer als treibendes Motiv für eine Formulierung vermuten. Die allmählich sich er­

weiternden Formeln stellen nur alttestamentliche Grundlehren und die wichtigsten Lehrbegriffe des Christentums wie Überschriften für die einzelnen Abschnitte des Katechumenenunterrichts zu­ sammen. Die knappen Stichworte der Glaubensregel verlangen

den Kommentar des kirchlichen Lehramtes, und umgekehrt fügt das Bedürfnis der Glaubensunterweisung neue Worte oder Sätze in den Text des Bekenntnisses ein. Das Bekenntnis ist auch nach dem zweiten Jahrhundert keine starre Formel, sondern ein lebendiger und wandlungsfähiger Ausdruck der kirchlichen Glaubenslehre und hat diesen Charakter—im Osten stärker als im Westen — noch viele Jahrhunderte hindurch bewahrt. Das Trugbild eines alten, fest formulierten Bekenntnisses hat die Forschung lange Zeit irre­ geführt. In Wirklichkeit gibt es in der ganzen Alten Kirche nicht zwei Schriftsteller, die ein und dasselbe Symbol zitieren, und selbst ein und derselbe Kirchenvater formuliert „seinen Glauben" das eine Mal so und das andre Mal anders: daher die Fülle der Symbolformen, die uns die alten Quellen entgegenbringen *, und die sich durch neue Funde noch ständig vermehrt. Das Glaubens­

bekenntnis ist von Hause aus ein Stück kirchlicher Liturgie und hat an der geistlichen Freiheit des liturgischen Lebens teilgenommen, solange diese bestand2 — das will sagen bis in das Mittelalter

hinein: erst da ist es zur unabänderlich festen Formel erstarrt, die neuem Leben nicht mehr Raum gab. Das Bekenntnis der „Glaubensregel" bedeutete also für die Gemeinde viel mehr, als sein Wortlaut schlechthin besagt: dem ') Sammlung bei A. Hahn Bibliothek der Symbole «. Glaubensregeln. 3 A. 1897 und Liehmann Symbole Kl. Texte 17/18. 2) ZNW 26,84 s.

Das Symbol und die Gemeindelehre

III

getauften Christen klingt bei jedem Satz die kirchliche Deutung mit, die er im Katechumenenunterricht empfangen hat.

Und erst wenn man das voll in Rechnung stellt, kann man verstehen, wie sich dies nüchterne und unphilosophische Gebilde als Schutzwehr gegen die blendenden Spekulationen gnostischer Denker hat bewähren können.

Jrenaeus und Tertullian geben dem Leser einen Begriff davon, was durch eindringliche Erklärung aus der einfachen „Glaubens­

regel" als „Richtschnur der Wahrheit" herausgeholt werden kann. Sie jeigen aber auch, wie diese Regel samt ihrer Deutung als ein von der Kirche sorgsam gehütetes und weitergegebenes Vermächtnis der Apostel verehrt \ ja sogar auf Christus selbst zurückgeführt und als Lehre des hl. Geistes bezeichnet wird, der alle Wahrheit in diesen „christlichen Fahneneid" zusammengefaßt hat2. Hätten die Apostel auch nichts schriftlich hinterlassen, d. h. hätten wir auch keinen Kanon des Reuen Testaments, so würde allein diese Tradition genügen, um den Glauben der Kirche sicherzustellen. So urteilt

Jrenaeus3. Wir dürfen also das Symbol als ein Kompendium der Ge­ meindetheologie betrachten und daraus ersehen, welche Sätze jener Zeit als die entscheidenden Hauptlehren des Christentums galten. Aus den mancherlei Formulierungen des ersten Artikels entnehmen wir zunächst das Bekenntnis zum strengen Monotheismus, den man bewußtermaßen mit den Juden gemein hat. Das gleichfalls der Synagoge angehörende Bekenntnis zu Gott als dem Welt­ schöpfer, wobei gern die unsichtbare Geisterwelt ausdrücklich neben dieser Erdenwelt genannt wird, erwies sich als brauchbares Boll­ werk gegen die Lehren Marcions und der Gnostiker, welche den Schöpfer der Welt von dem höchsten Gott getrennt wissen wollten. Aber man folgerte daraus auch die Identität eben dieses Schöpfer­ gottes mit dem Gott des Alten Testaments und lehnte gnostische Spekulationen über das Pleroma afc4, zumal man durch den *) Jrenaeus i, io, i. 2. 3, 4, 1. 2) Tertull. de praescr. haer. 13 adv. Praxeanr 2. 30. ’) Iren. 3, 4, 1. 4) Iren. 1, 22,1 vgl. 2, i, 1.

2/ 9/ r-

112

4» Glaubensregel und Theologie

zweiten Artikel die vorevangelische Wirksamkeit des Sohnes in den Propheten verbürgt sah **. Cs ist bezeichnend, daß die beiden ältesten Aussagen des Be­ kenntnisses über Gott kaum in die Debatte gezogen werden. Seine Allmacht erscheint als selbstverständliche Voraussetzung seiner Schöpfertätigkeit2 und wird deshalb nicht ausdrücklich behandelt: ste wird einfach ein Hoheitsprädikat3.

Und wenn Gott als Vater

bezeichnet wird, so wird zumeist nicht daran gedacht, daß er Jesus zum Sohn hat, sondern es ist sein Verhältnis zur ganzen Welt ins Auge gefaßt: er ist der Vater des Alls4, der wegen seiner Liebe Vater, wegen seiner Macht Herr, wegen seiner Weisheit unser Schöpfer und Bildner heißt5. Dieser Vatername des Weltschöpfers war Gemeingut des Christentums, des hellenistischen Judentums 6 und der philosophischen Aufklärungsreligion, die das Wort bis zu dem homerischen „Vater der Götter und Menschen" zurückzuführen erlaubte7. Er wurde also im Sinne eines allgemeinen Monotheis­ mus verstanden und hatte für das Bewußtsein der Gemeinden keine Verbindung mehr mit dem jüdischen Volksempfinden, das Gott als den Vater Israels bezeichnete8. Man findet es heute mehr als je befremdlich, daß der zweite Artikel von Leben und Lehre Jesu so völlig schweigt und seine

ganze Aufmerksamkeit auf Geburt, Tod und Wiederkunft des Herrn richtet. Aber das ist im Sinne der alten Kirche durchaus notwendig. Leben und Lehre des Meisters ist dem Christen Vor­ bild und Anweisung zum christlichen Leben, und der Katechumenen­

unterricht macht ihn damit ausreichend bekannt. Aber ihre Autorität und ihren wirklichen Sinn erhalten Taten und Sprüche Jesu doch erst von dem metaphysischen Grund seiner Person und ihrer Stel­ lung im göttlichen Erlösungsplan — der „Heilsökonomie" — aus: *) Sten.3, io,6—11,1.3,12,9. ') Justin Oial. 16,4.38,2. 3) Justin DIal. 83, 4. 96, 3. 142, 2. Jrenaeus 2, 6,2.4) Justin Apol. 13,1. 45,161, 3. 10. App. 6, 2. 9, 2. °) Jrenaeus 5, 17,1 (2, 369) vgl. 2, 35, 3 (1, 387). ’) 3. Matt. 2, 2i. 5, 7. Philo oft, vgl. Index Dd. 7, 636s. ’) Epictet 1, 3, 1. 1, 9, 7. 1, 19, 12. 3, 24,15 s. vgl. Justin ap. 22, 1. •) Boussel Judentum3 377s.

Gott der Vater.

Der Sohn

HZ

dieser muß vor allem unverrückbar festgelegt sein, dann folgt alles Weitere von selbst. Es wäre ein übler Irrtum, wenn man aus

dem Fehlen der genannten Stücke auf eine Minderbewertung der Ethik schließen wollte; schweigt doch die Glaubensregel ebenso von den Sakramenten, deren entscheidende Bedeutung niemand in Abrede stellen wird; aber auch sie empfangen ihre Kraft erst durch die Wesenheit des Herrn. Diese also gilt es in erster Linie

festzulegen. So beginnt der zweite Artikel mit dem Bekenntnis, daß der

Herr Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Der Titel des „Christus" war für die Gemeinde längst Eigenname geworden und nur dem Schriftkundigen aus dem Alten Testament deutbar; der Name

„Herr" war auch verblaßt und hatte seine ursprüngliche Kraft ein­ gebüßt. Aber die klare Bildhaftigkeit der Bezeichnung „Sohn Gottes" widerstand der ausgleichenden Gewohnheit und reizte

die Spekulation immer aufs neue zu theologischen Konstruktionen. Es scheint, als ob das Geschlechtsregister Jesu bei Lukas z, 23—38 einen kindlichen Versuch solcher Theologie aufbewahrt hat, wenn es die Ahnenreihe bis auf Adam, den „Sohn Gottes" hinaufführt und Jesus also auf dem Umweg über Adam, der ja sein Prototyp ist, zur Gottessohnschaft verhilft. Weiteste Verbreitung hat da­ gegen die Lehre von der gottgewirkten Geburt Jesu aus der Jung­ frau Maria gefunden. Matthäus und Lukas tragen sie ihren Lesern vor, Ignatius redet mit Betonung von diesem Geheimnis *, und im römischen Taufsymbol ist der Satz „geboren aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria" die authentische Erklärung des Sohnestitels. Der Gedanke, ein unbegreiflich hohes Menschentum durch göttliche Vaterschaft zu erklären, war der antiken Welt geläufig und auch in der Kaiserzeit noch durchaus im Volke lebendig Plutarch behauptet, eine Lehre der Ägypter zu kennen, wonach der

Geist eines Gottes wohl im Stande sei, einem Weibe zu nahen *) Jgn. ad Cph. 19,1. ad Smyrn. 1, 1. fest- 71—77L t e y m a n n, Gesch. b. Alten Kirche 2

2) H. Usenet Das Weihnachts­

ii4

4. Glanbensregel und Theologie

Und daß ein solches von der Gottheit begnadetes Weib eine Jungfrau war, wird in der Regel die natürliche Annahme sein, sobald nicht ausdrücklich eine und in ihr Keime des Werdens zu zeugen*.

Ehefrau als Mutter des Wunderkindes genannt wird: wieweit in diese Vorstellungsreihe noch der aus Ägypten und Arabien bezeugte Mythus hineingewirkt hat, daß zur Wintersonnenwende

die Göttin Kore (das Mädchen) oder Parthenos (die Jungfrau) den Sonnengott gebiert2, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der Gedanke der gottgewirkten Geburt von einer Jungfrau der heidnischen Welt jener Tage wohl vertraut. Aber auch dem Judentum ist derartiges nicht fremd. Es findet sich freilich nicht in den Kreisen der palaesiinensischen Rabbinen,

aber das hellenistische Judentum der Diaspora weiß von wunder­ barer Erzeugung durch Gottes direkte Wirkung. Philo2 kündet seinen Lesern ein großes Geheimnis an und berichtet dann von vier Frauen der biblischen Geschichte, daß Gott sie wunderbar be­ fruchtet habe, Sara, Lea, Rebekka und Zippora: und bei der letzt­ genannten wird ausdrücklich betont, daß „Moses, als er sie zu sich nahm, sie schwanger erfand, aber von keinem Sterblichen" — die Parallele zur Josephsgeschichte Matth, i, 18 ist nicht zu verkennen. Und von hier aus gewinnen auch die Darlegungen des Paulus Gal. 4,2i—zi ein neues Gesicht und belehren uns, daß auch er für Isaak im Gegensatz zu dem „natürlich" geborenen Ismael

eine gottgewirkte, wunderbare Erzeugung annimmt. Er kennt also die gleiche Tradition hellenistischer Rabbinen, die auch den Aus­ führungen des Philo zugrunde liegt4. Und wenn Philo in diesem Zusammenhang betont, daß Gott nur eine reine Jungfrau seiner Wundergabe würdige, so werden wir dadurch an die oben er­ wähnten heidnischen Gedanken erinnert. Es sind wirklich Vorstellungen antiker Naturreligion, vermut*) Plut. Numa 4, Quaest. conv. 8, i p. 718 b, vgl. E. Norden Geburt des Kindes 78. *) Epiphan. Harr. 51, 22,8—ix (2, 285—287 Holl) vgl. Holl Ges. Aufs. 2,144—146. 3) Philo Cher. 45—50 (i,x8if.). *) M. Dibelius Jungfrauensohn und Krippenkind (Sitzungsber. Akad. Heidelberg 1931/32 Nr. 4) 27—37. 42—43.

Der Sohn Gottes

US

lich ägyptischer Herkunft *, die wir in diesem hellenisterten Juden­ tum auf die Bibel angewendet finden. Damit ist uns aber auch sofort deutlich gemacht, wie ein aus solchen Kreisen stammender Christ das Prophetenwort des Jesaia 7,14 verstehen mußte. Er las in seinem griechischen Text: „Darum wird der Herr selbst euch

ein Zeichen geben: stehe, die Jungfrau (Parthenos) wird schwanger werden und einen Sohn gebären, und du wirst seinen Namen Emmanuel heißen". Das war ihm die prophetische Ankündigung der wunderbaren Geburt des Gottessohnes Jesus aus der Jungfrau Maria. Diese Lehre war nicht nur von schlichtester Anschaulichkeit, fie war alttestamentlich begründet und hat sich schnell und mit

fieghafter Gewalt durchgesetzt. Die Erzählungen des Matthäus und des Lukas lassen deutlich die Bezugnahme auf den Jesaiaspruch erkennen2 und bringen dadurch der Gemeinde den Einklang von Weissagung und Erfüllung zum freudigen Bewußtsein. Der Apologet Justin demonstriert das mit sichtlicher Genugtuung

seinen heidnischen Lesern und trägt es mit ausführlicher Erörterung aller Schriftprobleme dem Juden Tryphon vor3. Neben dieser Lehre von einer physischen Gottessohnschaft Jesu finden wir eine andere Theorie, die man die adoptianische zu nennen pflegt. In ihrer einfachsten Form hat sie ausgesagt, daß der Mensch Jesus durch das Herabkommen des heiligen Geistes bei der Taufe zum Sohne Gottes gemacht und am Ende seines Lebens zum Lohn für sein Wirken auferweckt und zur Rechten

Gottes erhöht ist. In ihrer reinen Ausprägung ist uns diese Lehre nicht mehr erhalten: aber der abendländische Text des Lukas­ evangeliums^, der wohl auch wirklich den ursprünglichen Wort­ laut wiedergibt, berichtet 3, 22, daß bei der Jordantaufe Jesu eine Stimme vom Himmel erklungen sei: Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt. Das ist unmißverständlich das nach Psalm

2,7 geformte göttliche Zeugnis für die „Adoption" des Menschen Jesus zum Gottessohn. Bei den Interpolatoren der jüdischen 2) Dibelius 44. Norden 79. 2) Matth. 1, 23. Luk. 1, 31. Apol. 33. Dial. 66—85. 4) Usenet, Weihnachtsfest2 40—52.

3) Justin

116

4. Glaubensregel und Theologie

Testamente der zwölf Patriarchen1 finden wir dieselbe Anschauung

deutlich ausgedrückt, während bei dem bekanntesten Vertreter

dieser adoptianischen Christologie, dem um 150 schreibenden Römer Hermas2, schon eine Verschiebung der ursprünglichen Anlage ein­

getreten ist. Nach Hermas ist Jesus ein bis zur Sündlostgkeit tugendhafter Mensch, der Gottes Wohlgefallen erregt. Der heilige Gottesgeist vereinigt sich mit ihm, und da nun während seines Wirkens auf Erden Jesus in Reinheit dem Geiste dient und mit ihm zusammen wirkt, belohnt ihn Gott und erhöht ihn auf den himmlischen Thron, wo er mit dem heiligen Geist und den hohen Engeln sein Ratgeber wird. Da ist inhaltlich der alte Adoptianismus beibehalten: daß von der Taufe nicht gesprochen wird, mag Zufall sein. Aber als „Sohn Gottes" wird in diesem Zusammenhang und auch anderswo von Hermas der heilige Geist bezeichnet, also das präexistente göttliche Wesen, das einst die Welt geschaffen hat und auch nach der Auferstehung gesondert von dem erhöhten Jesus seine eigene ur­ sprüngliche Sohneswürde behauptet. Hier ist also der alte Adop­ tianismus bereits mit einer anderen, pneumatischen Sohnesvor­ stellung kombiniert — ähnlich wie Paulus Phil. 2 die eigentlich dem Adoptianismus angehörende und nur für einen Menschen passende Vorstellung einer als Lohn für gehorsame Leistung ver­ liehenen Erhöhung mit der Herabkunft eines präexistenten Gottes­ wesens verbindet und ste auf dieses überträgt: da haben wir das Umgekehrte vor uns. Herrschend ist in der Kirche die „pneumatische" Christologie

geworden, wonach der „Sohn Gottes" ein von Anfang an bei Gott existierendes Geisteswesen ist, das zur vorbestimmten Zeit in Menschengestalt auf Erden erscheint, als Jesus Christus in Palästina

wandelt, lehrt und Wunder tut, schließlich nach erlittenem Kreuzes­ tod aufersteht und gen Himmel fährt, um dort seinen ihm ge­ bührenden Platz wieder einzunehmen. Diese Vorstellung begegnet ') Testament. Judae 24,1—2 vgl. Zabulon 9,8. 4—8. 9,1, x. 9, X2,1—8.

2) Hermas Sim. 5,6,

Adoptianismus.

Pneumatische Christologie

H7

bei Paulus und in der Logoslehre des Johannes, und ist durch

sie die für die Folgezeit maßgebende geworden. Die orientalischen Formen des Taufsymbols haben die Lehre von der Logossohnschaft anstelle der Jungfrauengeburt ausdrücklich betont: nicht in dem

Sinne, als ob man die Wundergeburt leugnen wollte, wohl aber, um die Sohnschaft des Logos als das Entscheidende vor allem zu bekennen. Über die Art der Menschwerdung des Logos ist damit noch nichts ausgesagt. Es konnte sich aus dieser Logoschristologie ein naiver Doketismus entwickeln, der dem auf Erden wandelnden

Gottesvesen nur einen Scheinleib zusprach, oder man ließ den

Geist in dem zur Adoption bestimmten Menschen Jesus als göttlichen Begleiter wohnen, wie es Hermas tut, oder — und das ist die kirchlich beliebteste Lösung des Problems geworden — man kombinierte die pneumatische Christologie mit der Lehre von der wunderbaren Geburt derart, daß der Gottesgeist oder der Logos in die Jungfrau Maria einging und durch sie wahrhaftiger Mensch wurde. In der Dorstellungswelt der frühen Gemeinden und ihrer Theologen mischen sich alle diese Gedankengänge oder stehen unver­ bunden nebeneinander: was die moderne Analyse säuberlich scheidet, finden wir im Leben der alten Christenheit eng beisammen und zumeist ohne ein Hervortreten von Gegensätzlichkeiten. Aber mit der Zeit wird sich die Theologie dec verborgenen Spannungen bewußt und müht sich um wirksamen Ausgleich: und diese Arbeit bedeutet die Entwickelung des kirchlichen Dogmas. Was in der zweiten Hälfte des zweiten Artikels in Rom und im Osten ausgesagt wird, bildet eine zusammenhängende Reihe: Leiden, Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft zum Welt­ gericht, also das Erlösungsdrama der „Heilsökonomie" in Ver­

gangenheit und Zukunft. Das sind die Taten des Gottessohnes Jesus Christus, in denen sich seine göttliche Erlösermacht offenbart: der erste entscheidende Akt gehört der Geschichte bereits an: es ist die Kreuzigung „unter Pontius Pilatus". Danach hat Jesus den Schauplatz dieser Erde verlassen: das Heilswerk tritt in das Licht der Eschatologie und wird im Weltgericht seine Vollendung finden.

n8

4. Glaubeasregel und Theologie

Und was ist das Ziel dieser Heilsökonomie?

Sie wird von der

Vorstellung eines Kampfes zwischen Gott und dem Teufel aus be­ griffen. Jesus hat die Fesseln des Teufels zerrissen, die Hölle niedergetreten und die Menschheit vom Tode befreit*1 und ihr den Weg zur Auferstehung in seiner Nachfolge gewiesen2. Und dieser Sieg ist ermöglicht worden durch Überlistung der Gegner, die sich

an Jesus vergriffen, ohne zu ahnen, daß sie an diesen Sündlosen kein Anrecht hatten und in ihm einer unüberwindlichen Gottes­ kraft gegenüberstanden. Das ist volkstümlich bildhafte Theologie, die mit plastischer Anschaulichkeit gestaltet wurde und in den Ge­ meinden lebendig gewesen ist. Sie gehört zum ältesten Gut der Lehrtradition und ist von Gnostikern sowohl wie von Denkern der Kirche übernommen und weitergebildet worden2. Das den dritten Artikel eröffnende Bekenntnis zu dem in der Ge­ meinde sich offenbarenden Gottesgeist hat mit der Zeit mannigfach wechselnde theologische Ausdeutung gefunden, je mehr die urchrisiliche Anschauung vom Geisteswirken gegenüber den geregelten Ordnungen der Kirche zurücktrat. Man setzte den Geist gleich dem in Christus tätigen göttlichen Wesen — wie wir es eben bei Hermas gesehen

habens wie es der Theorie des Adoptianismus, aber auch der Vor­ stellung von der wunderbaren Erzeugung Jesu entspricht; und man konnte sich dafür auf Paulus, insbesondere auf 2. Kor. 3,17 berufen. Oder man dachte ihn als selbständiges Gotteswesen neben dem Vater und dem Logos, wie es sich aus der johanneischen Vorstellung vom Parakleten5 ergab und wie es dem dreigliedrigen Aufbau des Symbols auch entsprach: dann war also der Geist eine dritte göttliche Person. Im Zusammenhang des Symbols wird als Funktion des heiligen Geistes teils die lebenspendende *) Gebet der Hippolytlschen Kirchenordnung (Lietzmann, Messe u. Herren­ mahl 42). 2) Jgnat. Trall. 9. Smyrn. 1, 2. Iren. 1,10,1 (1,91) und Iren, armen. Epideixls 6 (S. 4 Harnack, vgl. ZNW 26, 93). Didascalia syr. 6, 23, 8 bei Funk S. 382. 3) Paulus 1. Kor. 2,7—8. Kol. 2,15. Jgn. Eph. 19,1; vgl. Justin Apol. 54. 55. Bastlibes bei Iren. 1, 24, 4 (1, 200). OrigeneS in Matth. Tom. 16, 8 (4, 27 ko.) u. ö. *) Vgl. auch 2. Eiern. 14,4. 6) Dd. 1, 245.

Der dritte Artikel

HY

Glaubensstärkung der Gemeinde bezeichnet*1 — und das entspricht

der johanneischen Lehre und dem ältesten Sinn der Formel — teils seine auf Christus hinweisende Wirksamkeit in den Propheten hervorgehoben2. Die übrigen Bestandteile des Artikels sind später und in verschiedenartiger Auswahl hinzugetreten, zuerst wohl die Kirche als Organ und als Ergebnis der Wirksamkeit des Geistes. Bei

Hermas erscheint einmal2 der heilige Geist in der Gestalt einer

Greisin, nämlich der Kirche, und der Prediger des 2. Klemensbriefes nennt in Anknüpfung an das Ehegleichnis des Epheser­ briefs die Kirche das weibliche Element neben dem männlichen Christus oder auch die Kirche den mit Christus als Geist zur Einheit verbundenen Seife \ Daneben wird genannt die Auferstehung des Fleisches im neungliedrigen Symbol von Rom und Ägypten

also die eschatologische Wirkung des Geistesbesitzes für den einzelnen Gläubigen, eben das, was er in Nachfolge Christi in der Kirche zu gewinnen hofft. Das Symbol der Epistula Apostolorum6 fügt statt dessen zu der Kirche die Sündenvergebung, natürlich die in der Taufe gewirkte, die im Taufsymbol mit gutem Grund als Gegenstand des Glaubens bekannt werden kann. Das ausgebildete römische Symbol vereinigt alle diese Clemente: darüber hinaus finden wir in alter Zeit keine Zusätze zum dritten Artikel — was uns besonders hinsichtlich des Abendmahls Wunder nimmt. x) Terlullian praescr. haer. 13 adv. Praxeam r. Srcn. 4,33,7 (2,262). 4. antiochenisches Symbol, 1. Symbol des Epiphanias; vgl. Lietzmann Symbole 6. 19. 31 und ZNW 2i, 20f. a) Justin Apol. 13, 3. 61,13. Iren. 1,10,1 (1,90). Epideixis 6 (S. 4 ed. Harnack, ZNW 26,93). Symbole von Jerusalem, Epiphanius i. und 2. u. a>; vgl. ZNW 21,20s. ’) Hermas Sim. 9,1,1; vgl. Vis. 3. Dibelius im Handb. Exk. zu Vis. 2, 3, 4. 4) 2. Giern. 14; vgl. Eph. 1, 23. 5, 32. 6) 0. S. 106. 6) 0. S. 105.

Der Kultus. Das Herz des christlichen Lebens ist der Gottesdienst der

Gemeinde. Da ist die Stätte, wo die Kräfte der jenseitigen Welt in die Christenheit einströmen und sie zu dem neuen Volk der

Gotteskinder machen, das nicht mehr von dieser Welt ist, sondern schon hier in wundersamer Gemeinschaft mit den himmlischen Bürgern des Gottesreiches lebt. Und das Hauptstück dieses Kultes ist die Feier des Abendmahls. Wir haben die älteste Form dieses Gemeinschaftsmahles in der Urgemeinde kennen gelernt und gesehen, wie Paulus ihm die Bedeutung einer Gedächtnisfeier des Todes Christi zuschreibt *. An der Schwelle des zweiten Jahr­

hunderts tritt uns die älteste formulierte Abendmahlsliturgie in der Kirchenordnung der Didache? entgegen. Noch immer ist der heilige Ritus mit einem wirklichen gemeinsamen Essen ver­ bunden, aber seine beiden Akte sind nicht mehr durch den Ablauf der ganzen Mahlzeit voneinander getrennt, sondern am Beginn der Feier zusammengelegt. Erst segnet der Liturg den Kelch, dann das Brot mit kurzen Gebeten, die ihre Herkunft aus dem Formen­ schatz der griechischen Synagoge deutlich erkennen lassen, aber mit christlich vergeistigtem Inhalt gefüllt sind. Dann erschallt der Ruf: „Es komme die Gnade und es vergehe diese Welt"! „Hosianna dem Sohne Davids" antwortet die Gemeinde. Es folgt die Mah­ nung: „Wenn einer heilig ist, trete er hinzu, wenn er es nicht ist, so tue er Buße. Maranatha, (der Herr ist gekommen)". „Amen" respondiert die Gemeinde, und dann treten die Getauften zur Kommunion vor den Liturgen, so weit sie sich heilig, das heißt frei von schwerer Sünde, wissen. Und wer in Streit mit seinem Nächsten lebt, ver­ söhnt sich vorher mit ihm. Dann setzt sich die Gemeinde zu Tisch,

*) Bd. i, 55. 124. 153 s. Herrenmahl S. 230—238.

*) Didache 9—10. 14.

Lietzmano, Messe a.

Liturgie der Didache.

Agapen

121

und es hebt das gemeinsame Mahl an. Ist es jn Ende, so spricht

der Liturg ein längeres Gebet des Dankes für die gespendete geist­ liche Nahrung und das durch Christus gewirkte ewige Leben: es mündet aus in eine Fürbitte für die jetzt noch in der Welt jerstreute, aber ihrer Vereinigung im Reiche Gottes entgegenharrende Kirche. Kein Wort vom Todesgedächtnis des Herrn, keine Erinnerung

an das letzte Mahl des Herrn in der Nacht, da er verraten ward. Diese Liturgie steht noch ganj in der aus der Urzeit erwachsenen Tradition und ist von paulinischem Einfluß unberührt. Aber fle hat nicht mehr lange in der Kirche Bestand gehabt. Zwei Dinge haben die entscheidende Änderung bewirkt. Bald ist die Autorität des Paulus so überragend geworden, daß seine Worte den Sinn

und Inhalt der Feier bestimmten. Und die Verbindung des sakramentalen Mahles mit einem Gemeindeessen löste sich. Es wurde aus der doch irgendwie profan erscheinenden Nähe des täg­ lichen Abendessens herausgenommen, auf den Vormittag verlegt und mit dem Wortgottesdienst verbunden. Bei dem Apologeten Justin1 finden wir um 150 in Rom diese Umgestaltung vollzogen. Die früheren Abendfeiern wurden nicht abgeschafft, aber sie verloren ihre alte Bedeutung und wurden zu halbkultischen Liebes­

mahlen, feierlichen Formen privater Wohltätigkeit. Wir haben nicht wenige Schilderungen2 solcher „Agapen". Tertullian be­ schreibt fle3 als beliebte Formen kirchlicher Geselligkeit, in denen bei bescheidenem Essen und Trinken das allgemeine Gespräch durch den Vortrag biblischer Abschnitte, Psalmengesang oder freie Rede abgelöst wird. Jn Rom4 sind es um die gleiche Zeit Speisungen bedürftiger Gemeindeglieder in einem wohlbegüterten

Haus. Ein Kleriker führt den Vorsitz, betet und bricht das Brot zu Beginn, das hier als „Eulogia" bezeichnet und vom Abend­ mahlsbrot, der „Eucharistia", unterschieden wird. Dann folgt das gemeinsame Essen. Es kann aber die ganze Feier auch dadurch l) Justin apol. 67, 3—5. *) Das Material bei kietzmann Messe u. Herrenmahl S. 197—202. ’) Tertullian Apolog. 39, 16. 4) Dibascal. apost. ed. Hauler p. 113 s.

122

5- Der Kultus

ersetzt werden, daß der Spender den Geladenen Lebensmittel­ päckchen in die Hand drückt, die sie dankbar mit nach Hause nehmen. In dieser bescheidenen Form haben die Agapen abseits vom hohen liturgischen Leben der Kirche noch Jahrhunderte lang bestanden. Derselbe Justin, der uns die Vereinigung der beiden Elemente zum sonntäglichen Hauptgottesdienst meldet, gibt uns auch die erste

Beschreibung seines Verlaufs: Am Sonntag versammelt sich die Gemeinde und hört erst Lesungen aus den Evangelien, dann aus den Prophetenschriften „so lange die Zeit reicht". Danach folgt eine ermahnende Predigt. So weit geht der erste Teil, der Wortgottesdienst, in dieser sehr summarischen Darstellung — aber auch die Schilderungen der Kirchenordnungen des vierten Jahr­ hunderts 1 sind nicht ausgiebiger. Da wird etwas mehr gegliedert und vor allem Psalmengesang zwischen den biblischen Lesungen erwähnt, aber sonst hören wir auch nichts weiter. Vor allem wird von keinem liturgischen Gebet in diesem ersten Teil des Gottes­ dienstes berichtet. Aber so viel ist doch klar, daß wir hier eine Umge­ staltung der mit Predigt verbundenen synagogalen Schriftlesungen vor uns haben, von denen uns die Erzählung des Lukasevan­ geliums 4, 16—30 das anschaulichste Bild gibt. Jesus verliest da am Sabbath den Prophetentext Jesaia 61, 1—2 und predigt

darüber. Auch die Apostelgeschichte (13, 14—16) weiß von der Lesung aus Gesetz und Propheten mit nachfolgender Ansprache am Sabbath, und aus der Mischna werden diese Nachrichten dahin

ergänzt-aß die Prophetenlektion nur dem Morgengottesdienst des Sabbaths eigen war und auf die Gesetzeslesungen folgte. Aber im übrigen wissen wir von diesem Teil des synagogalen Gottesdienstes

so wenig und haben insbesondere von seiner Ausbildung auf hellenistischem Boden so gar keine Kenntnis, daß wir über die eben gemachten dürftigen Andeutungen

kaum hinausgehen können.

Während an diesem ersten Abschnitt des Gottesdienstes alle Mitglieder der Gemeinde teilnehmen und sogar Fremde zugelassen *) Sonst, apost. 2, 57, 5—9. 8, 5, 11—12. vgl. Mögen jüd. Gottesdienst 176.

a) Mischna Megilla 4, 2;

Justin.

Hippolyt

123

werden können1, damit sie für das Christentum gewonnen werden, ist der zweite Teil nur für die Getauften bestimmt. Denn nur sie dürfen das im Mittelpunkt der Feier stehende Abendmahl genießen. Es hat also schon in früher Zeit die mehr oder minder deutlich

markierte Entlassung der Katechumenen und Ungläubigen den ersten Teil beschlossen. Ist die Gemeinde der Getauften unter sich, so erhebt sie sich zum allgemeinen Kirchengebet und begrüßt sich danach mit dem Friedenskuß. Dann bringt man dem Liturgen Brot und einen Becher gemischten Weines, und dieser spricht darüber das „Eucharisiiegebet". Oie Gemeinde antwortet mit Amen und

empfängt dann aus den Händen der Diakonen die Kommunion. Im Zentrum dieses Kultes steht aber nicht eigentlich die Mahlzeit, das

Genießen der geweihten Elemente, sondern die Weihehandlung selbst, die durch das Eucharisiiegebet vollzogen wird. Wir haben aus der römischen Kirche um 200 den Wortlaut eines solchen Formulars erhaltens aus dem alles Wesentliche mit Deutlichkeit hervorgeht: Bischof: Der Herr sei mit euch! Gemeinde: Und mit Deinem Geiste! Bischof: Die Herzen empor! Gemeinde: Wir haben sie beim Herren. Bischof: Laßt uns dem Herren danken! Gemeinde: Würdig ist es und recht. Bischof: Wir danken Dir Gott durch Deinen geliebten Knecht Jesus Christus, den Du in den letzten Zeiten entsandt hast uns zum Heiland und Er­ löser und Boten Deines Ratschlusses, den von Dir ausgehenden Logos, durch den Du alles geschaffen hast, den Du geruht hast vom Himmel zu entsenden in den Schoß der Jungfrau, und in ihrem Leibe wurde er Fleisch und als Dein Sohn erwiesen, aus dem heiligen Geiste und der Jungfrau geboren. Deinen Willen zu erfüllen und Dir ein heiliges Volk zu bereiten, breitete er seine Hände aus, da er litt, auf daß er vom Leiden löse, die an Dich Glauben gewonnen haben. Und als er sich überlieferte dem freiwilligen Leiden, um den Tod zu lösen und die Bande des Teufels zu zerreißen und die Hölle zu zertreten und die Gerechten zu erleuchten und den Grenzstein aufzu­ richten und die Auferstehung zu offenbaren, nahm er ein Brot, dankte und sprach: „Nehmet, esset, dies ist mein Leib, der für euch gebrochen wird." Ebenso auch den Becher und sagte: „Dies ist mein

*) Const. Apost. 8, 6, 2. 2) Hippolyts Kirchenordnung in Didascalia lat. ed. Hauler p. 106s. Messe u. Herrenmahl S. 174ff.

5- Der Kultus

124

Blut, das für euch vergossen wird. So oft ihr dies tut, begeht ihr mein Gedächtnis." Indem wir also gedenken seines Todes und seiner Auferstehung, bringen wir Dir das Brot und den Becher bar und danken Dir, daß Du uns würdig geachtet hast, vor Dir zu stehen und Dir Priester­ dienst zu leisten. Und wir bitten Dich, daß Du herabsendest Deinen heiligen Geist auf das Opfer der Gemeinde. Vereinige sie und gib allen Heiligen, die davon genießen, jur Erfüllung mit heiligem Geiste, jur Stärkung des Glaubens in der Wahrheit, damit wir Dich loben und preisen durch Deinen Knecht Jesus Christus, durch den Dir sei Preis und Ehre in Deiner heiligen Gemeinde jetzt und in alle Ewigkeit, Amen.

Es beginnt mit der „Eucharistia", d. h. dem Dank — aber nicht, wie bei den alten Tischgebeten, für irdische Nahrung, sondern für die Menschwerdung des göttlichen Logos in Jesus, der dies heilige Mahl an der Schwelle seiner Leidenszeit gestiftet hat, wie mit den Worten des Paulus und Matthäus wiedererzählt wird.

Die Einsetzungsworte klingen aus in die Mahnung: „so oft ihr dies tut, begeht ihr mein Gedächtnis". Dies nehmen die folgenden Worte auf und bestimmen genauer Tod und Auferstehung des Herrn als Gegenstände solchen Gedenkens. Brot und Wein werden als die Opfergaben bezeichnet, die priesterlich vor Gott dargebracht sind. Und mit ganz antiker, aber auch alttestamentlicher Wendung fleht der Priester den Herrn an, seinen Geist in dieses Opfer hinab, fahren zu lassen, damit es den Genießenden zur geistlichen Nahrung diene. Die Abendmahlselemente sind wie das Fleisch des Opfer­ tieres, das nach dem Kultakt festlich von den Spendern und den Priestern verzehrt wird. Dieser Gedanke ist im Gebet der Liturgie ins Geistliche gewendet, aber wie viel irdische Realität die Volks­ frömmigkeit damit verband, sehen wir aus der Erläuterung Justins, der von der Verwandlung unsres Fleisches und Blutes durch den Genuß dieser durch den Logosanruf gesegneten Nahrung spricht \ Es ist die gleiche Vorstellung, die uns um no bereits bei Ignatius begegnet ist und schon von Paulus der korinthischen Gemeinde

vorgetragen wird2. *) Justin apol. 66, 2; vgl. dial. 41, 1—3. 70, 4. 117, 1—5. 125. 253.

2) Bd. 1,

Die Eucharistie als Opfer

12?

Das Abendmahl ist das kultische Opfer der Christenheit, einmal weil es Encharistia, Dankgebet, ist, und Gebete das eigentlich christliche Opfer sind *; zweitens weil Brot und Wein — dazu oft auch noch mancherlei andere Gaben — von der Gemeinde zum Liturgen auf den Altar gebracht und dadurch Gott geopfert werden; drittens weil der Liturg die Elemente durch sein Gebet Gott weiht und dieser die Gabe annimmt, seinen heiligen Geist auf und in sie sendet und sie dadurch zur wunderwirkenden Opferspeise für die Gemeinde macht2. Auch dies ein Gedanke, dessen Wurzeln sich auf die paulinische Parallelisierung und Kontrastierung des Abend­ mahls mit jüdischem und heidnischem Opfermahl3 zurückführen läßt. So ist es in dreifacher Hinsicht verständlich, wenn die Feier des Abendmahls als -er christliche Opferakt4 bezeichnet wird. Das Christentum baut seine Vorstellung vom wahren Israel mit klarem Bewußtsein aus und stellt dem alttestamentlichen Opfer nicht mehr bloß das einmalige Opfer auf Golgatha ent­ gegen, wie es der Hebräerbrief tut, sondern schafft sich einen eigenen und regelmäßig wiederholten Kultakt im eucharistischen Opfer. Wir werden noch sehen, wie später auch die Angleichung an die Vorstellung des Hebräerbriefs vollzogen wird, welche die klassische Opfertheorie der katholischen Kirche begründet. Im zweiten Jahr­ hundert sind einstweilen nur die drei soeben genannten Opfer­ begriffe nachweisbar. Und da zum Opfer ein Priester gehört, werden die liturgischen Vorsteher der Gemeinde mit den alttestament­ lichen Priestertiteln bezeichnet. Schon der römische Klemens stellt die Episkopen und Diakonen in Parallele mit Hohempriester, Priester und Leviten; die Didache bezeichnet die Propheten als die christlichen Hohenpriester5. Um 200 ist die Gleichung des Bischofs mit dem Hohenpriester, der Presbyter mit den Priestern bezeugt; bald danach werden denn auch die Diakonen den Leviten gleichgesetzt ®. ') Justin dial. 117,2. 2) Messe u. Herrenmahl 176—186. ’) 1. Kor. io, 18—21. *) Didache 14,1. Justin dial. 117,1—2; vgl. 1. Stern. 40, 2.44, 4 und Jgn. Eph. 5, 2. 6) 1. Stern. 40, 5. Dib. 13, 3. *) Tertullian de bapt. 17, Hippolyt Elenchos 1 Vorrede 6. Häuter DIbascalia lat. p. 104,10. 14; vgl. 109, ii. Didascalia syr. p. 45, 12—15 Achelis; vgl. p. 40, 25.

126

Der Kultus

Dieser Kultakt schließt die Gemeinde immer aufs neue zur geistlichen Einheit zusammen: das zeigt fich auch in der Sitte, den Abwesenden die geweihte Speise ins Haus zu bringen, damit keiner ausgeschlossen sei. Nach der Feier sammelt der Liturg Gaben für die Bedürfnisse der Liebestätigkeit ein, die seiner Verwaltung

unterstellt ist. Aber vielfach ist es auch Sitte gewesen, Lebensmittel aller Art und sogar Blumen als Opfer auf den Altar zu legen und sie durch Handauflegung und Gebet des Priesters segnen zu lassen:

in Hippolyts Kirchenordnung1 sind uns entsprechende Gebets­ formulare aufbewahrt, und der Mosaikfußboden der ältesten uns erhaltenen Basilika zeigt uns eine solche Gaben bringende Opfer­

prozession im Bildet Es ist ein und dasselbe Brot, von dem sie alle genießen, ein Wein, den sie alle trinken, und diese Speise ist Gegenbild — „Anti­ typus" — von Leib und Blut des Herrn und vereinigt somit die Genießenden zum „Körper Christi". Darum muß man aber mit den wundersamen Gaben ehrfürchtig umgehen: kein Ungläubiger

darf davon genießen, kein Bröckchen zur Erde fallen, daß es nicht etwa verderbe oder von einem Mäuslein gefressen werde; kein Tropfen darf verschüttet werden: ein fremder Geist könnte es auflecken und dadurch Himmelskräfte gewinnen3. In derselben Zeit, welche die Abendmahlsliturgie in feste Formen gießt, hat auch das Einführungssakrament der Taufe seine Ausgestaltung gewonnen. Aus dem einfachen und gelegentlich unvermittelt vollzogenen Akt wird eine planmäßig aufgebaute Reihe feierlicher Handlungen. Zunächst wird die Zeit enger um­

grenzt. Um ioo in Bithynien und noch um 200 in Rom war es üblich, daß man die Nacht vom Sonnabend zum Sonntag für die Tauffeier bestimmte, und zwar darum, weil es die allwöchentliche

Wiederkehr der Aufersiehungsnacht des Herrn war4. Dann wurde l) Didascalia lat. p. 115 s. Hauler. 2) ES ist die um 310 erbaute Basilika von Aquileja; vgl. Vorträge d. Bibliothek Warburg 1925/26 S. 59 und Taf. 5. 3) Didasc. lat. p. 117 Hauler. 4) Plinius epist. 10, 96 und bat« Geschichtl. Studien für A. Hauck (1916) S. 34—38. Hippolyt Kirchenordouag can. 45 s. p. 109 Funk.

Oie Taufe

127

die Grenze noch enger gezogen und die Osternacht als das Jahres­ gedächtnis jener Erlösungsnacht znm Tauftermin ausgewählt:

wenn Zeit und Ort nicht ausreichte, konnte die ganze Freudenzeit der fünfzig Tage bis Pfingsten zum Taufen benutzt werden. Das berichtet Tertullian4 als die um 200 geläufige Sitte der afri­

kanischen Kirche. Aus dem Orient hören wir um diese Zeit nichts über ähnliche Begrenzungen. Sie mußten sich aber notwendig einstellen, sobald eine ausführliche Belehrung der Taufbegierigen, ein Katechumenenunterricht, nicht mehr in individueller Form, sondern als gemeinsame Unterweisung aller Kandidaten zur fest­ stehenden Sitte wurde. Die Didache bezeichnet noch eine sehr

summarische Moralbelehrung als ausreichenden Unterricht; bei Justin ist wohl eine ausführlichere Christenlehre vorausgesetzt, aber von einem regelrechten Lehrgang ist bei ihm kein Wort gesagt.

Und das trifft sogar für die Hippolytische Kirchenordnung zu, in der doch die Probezeit des Katechumenats auf volle drei Jahre angesetzt wird: was in dieser Zeit geprüft werden soll, ist der Lebens­ wandel und die moralische Festigkeit des Bewerbers2. Der Taufakt selbst ist um 200 bereits voll ausgebildet und von einer Reihe naturreligiöser Zeremonien umgeben, die in den My­ sterienkulten der Umwelt zahlreiche Parallelen haben. Die Vorbe­ reitung des Täuflings erfolgt durch Fasten, das ein bis zwei Tage dauert und von einigen Freunden geteilt wird2. Dann wird das Taufwasser durch Austreibung der in ihm hausenden Elementar­ geister gereinigt und für den heiligen Akt vorbereitet4. Daneben bestand aber die Meinung, daß der Täufling selbst die unreinen Dämonen des Heidentums beherberge und erst von ihnen befreit

werden müsse, ehe der Geist Christi in ihm Wohnung nehmen könne. Die einfachste Vorstellung ist die, daß die Taufe selbst diese *) Tertulllaa de baptismo 19. •) Didache 1—6; vgl. 7 Anfang. Justin apol. 61,1. Hippolyt SD c. 42 p. 107 Funk. 3) Didache 7,4. Justin apol. 61, 2; vgl. Hippolyt SD 45, 7. 10 p. 109 Funk; vgl. Clemens Alex, excerpt. 84. ä) Clemens Alex, excerpt. 82. Cyprian ep. 70,1. Hippolyt SD 46, i p. 109 Funk; vgl. Ddlger Exorzismus S. 160—167.

128 Reinigung bewirkt \

$. Der Kultus

Aber im dritten Jahrhundert entwickelt sich

ein besonderer Ritus des Exorzismus, durch den die Dämonen aus dem Täufling vorher ausgetrieben werden. Der Priester legt ihm die Hand auf, bläst ihn an und salbt ihm Stirn, Ohren und Nase: worauf ein erneutes nächtliches Fasten folgte In der Morgen­ frühe, wenn der Hahn kräht, beginnt die Taufe, zu der „lebendiges", d. h. fließendes Wasser erforderlich ist, eine Vorschrift, die dem

allgemeinen antiken Kultbrauch entspricht. Zisternenwasser benutzt werdend

Nur im Notfall darf

In Rom muß um 200 der Täufling, nachdem er stch ent­ kleidet hat, zunächst dem Satanas und all seinem Dienst und seinen Werken, denen er bisher untertan war, feierlich absagen und emp­ fängt darauf noch einmal eine Salbung mit exorzisiertem Ol. Dann steigt er in das Wasser, leistet nun dem neuen Herrn den Diensteid, das „Sakramentum", indem er das dreigliedrige Tauf­ bekenntnis spricht, und wird von dem begleitenden Diakon dreimal

untergetaucht. Er steigt heraus, empfängt eine Salbung durch den Presbyter und bekleidet sich wieder. Dann zieht man aus dem Taufraum in die Kirche, wo der Bischof den Neugetauften durch Handauflegung, Salbung, Bekreuzigung und Kuß die Gabe des heiligen Geistes übermittelt und sie in die Gemeinschaft der Kirche Christi aufnimmt4. Sofort feiert die Gemeinde mit ihnen das Abendmahl: aber den durch die Taufe Neugeborenen wird außer dem Brot und Wein auch noch ein Becher mit Milch und Honig gereicht — sie sollen darin einen Vorschmack der Himmelsspeise sehen, die im gelobten Lande des Gottesreichs den Verklärten verheißen ist. Dieser Ritus ist uns um 200 aus Ägypten, Rom und Afrika bezeugt und dürfte in gnostischen Kreisen am Nil aus antikem Mysterienbrauch übernommen und von da aus in die Kirche eingedrungen jein5. *) Tertullian de bapt. 9 p. 208, nf.; vgl. 5 p. 205, 26s. Reifferscheid. 2) Hippolyt KO 45, yf. p. 109 Funk. 3) Didache 7, 1—2. Justin apol. 61, 3. Hippolyt KO 46, 2 p. 109 Funk. P. Stengel Griech. Kultusaltertümer3 S. 162 Aom. 9. 4) Hippolyt KO c. 46 p. 109—112. Tertullian d« bapt. 7—8. carnis resurr. 8 p. 36s. Kroymann. *) Hippolyt KO lat. p. in—113 Hauler.

Die Taufe.

Wochenfasttage.

Passah

I2Y

Der Kulttag der Woche ist von Anfang an der Sonntag

gewesen, und an ihm findet der eucharistische Gottesdienst statt. Daneben find uns seit alter Zeit die beiden Wochenfasttage des Mittwochs und des Freitags bekannt', an denen man sich in Afrika bis zur „neunten Stunde", also bis 3 Uhr nachmittags, der Speise enthielt, während Eifrige die Nahrungsenthaltung bis zum Abend fortsetzten*2. Man empfand das Fasten als eine besondere Steigerung der christlichen Lebenshaltung, als „Wachtdiensi"

und nannte es deshalb im Westen mit dem militärischen Namen

Stativ3. Der Christ stand auf der Wacht, um den wiederkommenden Herrn würdig zu empfangen. Aber pflichtmäßig ist diese Statio nicht überall gewesen. Die römische Gemeinde Hippolyts fastet im allgemeinen noch ganz nach Belieben und weiß von einem bindenden Fastengebot nur am Karfreitag und -samstag4.* * Die Urgemeinde hat bei ihrer gesetzlichen Art selbstverständlich das jüdische Passah und die ihm folgende ;otägige Festzeit bis Pfingsten mitgefeiert3, und diese Feste sind nicht nur von ihrer judenchristlichen Nachfolgerin, sondern auch in der Heidenkirche übernommen worden. Das ist an sich nicht wunderbar, wenn wir uns erinnern, in wie engem Zusammenhang auch die „gesetzes­ freie" Kirche mit der griechischen Synagoge gestanden hats, aber be­ merkenswert ist, daß diese Sitte keineswegs allgemein war. Bischof Polykarp von Smyrna feierte Mitte des zweiten Jahrhunderts das Passahfest „nach der Sitte der Apostel", mußte aber bei citiern Besuch in Rom feststellen, daß es dort unbekannt war, und es gelang ihm nicht, die Römer zu diesem Fest zu bekehren7. In Smyrna und dem übrigen Kleinasien wurde Passah „am vierzehnten" geClemenS Alex. Paedag. 1, 6, 45. Strom. 7, 75, 2. Tertullian corona mil. 3. adv. Marc. 1, 14 p. 308, 21 Kroymann. H. Usenet Kleine Schriften 4, 404— 417. ’) s. Bd. 1, 61 f. Didache 8, i. 2) Tertullian de ieiun. i p. 275, 3 s. 2 p. 275, 26—28.10 p. 287, 8 Wissowa. 3) Hermas Sim. 5,1. Tertullian de oratione 19 p. 192, 11 Wissowa; vgl. Svennung ZNW 32, 294—308. Holl Gef. Schriften 2, 213. ') Hippolyt KO c. 47, 2 p. 112 c. 55 p. 115 Funk. •) Apg. 2, 1; vgl. kev. 23, 15—21. c) Dd. i, 209ff. ’) Jrenaeus bei 6ufeb KG 5, 24,16. Lieymann, Tesch, b. Alten Kirche 2

130

5. Der Kultus

feiert, d. h. genau an dem gleichen Tage, an dem es auch die Juden

begingen, nämlich wenn der Mond vierzehn Tage alt war, oder mit anderen Worten in der Vollmondnacht, und zwar der in den Frühlingsmonat fallenden. Da nun aber im Osten eine große Mannigfaltigkeit an Ka­ lendern herrschte und die Juden sich, wie wir jetzt wissenx, den landesüblichen Kalendern anschlossen, so waren die Monats­

grenzen recht verschieden, und dementsprechend wurde Passah auch nicht überall am gleichen Vollmond gefeiert. Das hat weder Juden noch Christen gestört. Aber wenn man nach dem Sinn fragt,

den beide Religionsgemeinschaften mit dieser Feier verbanden, so ist die Gegensätzlichkeit schon im Ritus scharf ausgeprägt. Die Juden feiern ein fröhliches Mahl stolzer Erinnerung an den Aus­

zug aus der ägyptischen Knechtschaft, die Christen begehen das Passah durch Fasten. Das werden wir von der Parallele des Frei­ tagsfastens innerhalb der Woche aus zu deuten haben. An das Passah knüpfte stch ja nach der Evangelientradition die Passion Jesu, und in diesem Sinne feiert die Gemeinde den Passahabend in Trauer mit Fasten und Gebet2. Wenn aber um den Hahnen­ schrei die Nacht zu weichen beginnt und das Freudenmahl der

Juden zu Ende ist, dann endet das christliche Fasten mitsamt der Trauer, und die Gemeinde vereinigt sich beim eucharistischen Liebes­ mahl mit dem in ihrer Mitte weilenden Herrn3. Der Inhalt dieser christlichen Passahfeier ist also das Todesgedächtnis des Herrn, und die spätere Kirche hat diese Weise als „Kreuzespassah" bezeichnet und ihre Vertreter nach dem Festdatum „Quartodezimaner", d. h.

Anhänger des „Vierzehnten", genannt. Dieser Praxis stellte sich eine andere entgegen, welche das Jahresgedächtnis des Todes Jesu mit dem Wochengedächtnis

gleichen Inhalts zu verbinden strebte und deshalb die Feier der Todesnacht am Sonnabend beginnen ließ und so das Ende des Fastens und den Beginn des eucharistischen Festmahles in die 126 s.

*) E. Schwartz Christi, u. jüd. Osterlafela (Abh. GStting. Ges. NF 8,1935) 2) Mark. 2,20. 3) Epistirla apostol. c. 26.

Passah und Ostern

izr

Morgenfrühe des Sonntags, also in die Stunde der Auferstehung Christi, rückte: dann feierte man eigentlich die Auferstehung, und das vorausgehende Samstagfasten mit dem Todesgedächtnis erschien mehr als Vorbereitung auf das Fest des Sonntags. Und wer die Analogie der Passtonsgeschichte weitertrieb, fing das Fasten bereits am Freitag an und feierte so den Todestag und den Tag der Grabes­ ruhe Christi durch Trauer, den Auferstehungstag durch Freude. Während also jene kleinasiatische Feier das Passah an die Voll­ mondnacht band und es demgemäß durch alle Wochentage wandern ließ, schob man jetzt das Fest auf den Sonntag, der auf jene Voll­ mondnacht des jüdischen Passah folgte. Wir wissen nicht, wann und wo diese Weise aufgekommen ist. Nur daß sie nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts weite Verbreitung in der Christenheit gefunden hat, ist uns urkundlich bezeugt. Um diese Zeit gab es nämlich einen ernsthaften Streit um die richtige Art der Paffahfeier, und aus Palästina, das mit Ägypten zusammenging, aus dem Pontos, auö Osroene, Korinth, Rom, Gallien wurden Synodalschreiben zugunsten der Sonntagsfeier — die wir jetzt Osterfest nennen — ausgegeben *. Bischof Viktor von Rom hat dann die Kleinastaten aufgefordert, von ihrer „quarto­ dezimanischen" Praxis abzulaffen, und ihnen im Weigerungsfälle mit Aufhebung der kirchlichen Gemeinschaft gedroht. Aber der Wortführer der anderen Seite, Bischof Polykrates von Ephesos, wehrte sich energisch*2 unter Hinweis auf die apostolische Tradition Kleinasiens, welche durch die Gräber des Lieblingsjüngers Jo­ hannes, des Evangelisten Philippus3 — et nennt ihn freilich zur Steigerung einen der Zwölf Apostel — und seiner Töchter bezeugt werde; und als weitere Träger der gleichen Überlieferung ruft er noch eine ganze Reihe bedeutender Kirchenmänner seines Landes an. Aber auch anderswo mißfiel dieses schroffe Vorgehen Roms4, und Jrenaeus von Lyon, obwohl er sachlich dem Viktor beipflichtete, schrieb ihm einen Brief von peinlicher Deutlichkeit. Darin wurde 2

8.

*) Euseb KG $, 23, 2—4. 2) Brief des Polykrates bei Euseb KG 5, 24, 3) Bd. I, 198. 4) Euseb KG 5, 24, 10.

IZ2

Der Kultus

kräftig betont, daß auch unter den Freunden des Sonntagspassah im einzelnen noch mancherlei Differenzen seien, ohne daß dies den

Frieden störe, und daß der Gegensatz zwischen Rom und Klein­ asten einst, in den Tagen des Polykarp, doch noch viel größer ge­

wesen sei.

Damals habe man in Rom überhaupt kein Passah

gefeiert und sich doch friedlich verständigt. Warum jetzt nicht, wo es sich nur um eine Abweichung im Tage handle: habe doch erst Bischof Soter, der Dorvorgänger des Viktor, die Osterfeier am Sonntag eingeführt *. Wir hören nichts vom Fortgang des Streites, aber die Kleinasiaten haben jedenfalls ihren Brauch nicht aufgegeben. Und wo sich die neue Ostersitte durchsetzte, hat sie zuweilen auch auf die allwöchentliche Fastenpraxis zurückgewirkt und dem schon längst als Fasttag üblichen Freitag auch noch den Sonnabend zugesellt. Die Sitte des Samstagfastens begegnet uns um 200 im Westen als heftig umstrittene Übung2: doch hat es

200 Jahre gedauert, bis sie sich in diesem Kirchengebiet endgültig durchsetzte. Der Osten ist etwas später in den gleichen Kampf ein­ getreten und hat sich umgekehrt entschieden: dort ist das Sabbath­ fasten seit dem vierten Jahrhundert verboten Mit Ostern hängt Pfingsten von Ursprung an zusammen. So hat man denn auch in der Kirche die 50 auf Ostern folgenden Tage als eine Freudenzeit begangen in Erinnerung an die Erscheinungen des Auferstandenen und an die Ausgießung des Heiligen Geistes; vor allem erwartete man in diesen Wochen die verheißene Wieder­ kunft des gen Himmel gefahrenen Herrn4. Weitere Jahresfeste kennt die Kirche dieser Periode noch nicht. Bei den ägyptischen Basilidianem ist im zweiten Jahrhundert ein Fest der Taufe Christi mit vorausgehender Nachtfeier am 10. oder 6. Januar begangen worden5. Daraus ist später das Epiphanien’) Brief des JrenaeuS bei Euseb KG 5, 24, 12—17. Dazu Holl Ges. Schriften 2, 214—219. E. Schwartz ZNW 7,1—22. 2) Terlullian de ieiunio 14 p. 293, 5. 15 p. 293, 19 Wissowa. Hippolyt in Danielem 4, 20, 3 p. 236, 5 Bonwetsch. ’) Holl Ges. Schriften 2, 373—376. *) Tertullian de bapt. 19 p. 217, 6—12 Wissowa. •) Clemens Strom. 1,146,1—2.

Erster Osterstreit. Totenkult

133

fest der Großkirche entstanden, aber wir finden im dritten Jahr­ hundert noch keine Spuren dieser Übernahme. Wohl aber haben sich in einzelnen Gemeinden Jahresfeste ein­ gestellt, nämlich die Gedächtnisfeiern ihrer Märtyrer bei der jähr­ lichen Wiederkehr ihres Todestages: im letzten Grunde eine Steige­

rung des Jahrgedächtnisses, welches jede Familie ihren Toten zu widmen gewohnt war. Nicht umsonst finden wir auf zahllosen Grabplatten aller Jahrhunderte das Datum des Todestages an­

gegeben, während das Jahr nur in den allerseltensten Fällen ge­ nannt wird. An diesem Tage fand stch die Familie am Grabe

ein und gedachte des Entschlafenen in einer irgendwie kultisch ge­ regelten Form: leider sind wir über Einzelheiten in dieser frühen Zeit gar nicht unterrichtet. Eine spätere Anweisung belehrt uns,

daß auch die antike Sitte, den dritten, neunten, dreißigsten Tag nach dem Tode durch Gedenkakte zu feiern, bei den Christen be­ kannt war: sie erwiesen an diesen Tagen ihre Anhänglichkeit an den

Verstorbenen durch Psalmodieren, Bibellesungen und Gebete, vor allem aber durch Spenden an die Armen, auch wohl durch Erinnerungsmahle \ die natürlich als christliche Agapen gefeiert wurden und sich mit diesen allmählich in Wohltätigkeitsveran­ staltungen «mwandelten2. Warum der dreißigste meist durch den vierzigsten ersetzt wurde, ist uns nicht ganz durchsichtig und hat vermutlich seinen Grund in örtlichen Verschiedenheiten des zu­ grunde liegenden antiken Brauches. Aus dem zweiten Jahrhundert ist uns durch Zufall die Schil­ derung eines solchen Gedächtnisses am dritten Tage erhalten: da gehen die Angehörigen in die Gruft hinein, um am Grabe „das Brot zu brechen"3. Tertullian4 erwähnt mehrfach als ge­ läufige Sitte, am Jahrestag des Toten „für ihn Opfer darzu­ bringen und für seine Seele zu beten". Da ist aus dem antiken

!) Senfs. Apost. 8, 42, i—5; 44, 1—4. Ambrosius de obitu Theodosii 3 (2, 1198 a Bened.). E. Rohde Psyche 1, 232ff. 2) Canones HIppol. 33. s) Acta Johannis 72. 4) Tertullian de corona 3, exhort. cast. 11, monogamia 10.

Der Kultus

134

Opfer, das dem Toten gespendet wird, ein christliches Wohltätig­

keitsopfer geworden, das man Gott im Namen des Toten dar­ bringt, indem man es bei der Eucharistie auf dem Tisch des Bischofs als dem Altar niederlegt1 und mit Fürbittgebeten begleitet. Dieser Totenkult steigert sich nun beim Märtyrer wesentlich dadurch, daß er nicht auf den Kreis der Familie und Freunde be­ schränkt ist, sondern von der ganjen Gemeinde begangen wird. Wie sehr die Gemeinden die Märtyrer als ihre Helden feiern, auf die sie mit Stolz blicken, zeigen uns die Gemeindeschreiben über den Tod des Polykarp und der Lyoner Schar mit lebendigster Deutlich­

keit. Bei Polykarp wird uns ausdrücklich versichert, viele hätten gewünscht, den Leichnam zu bergen und „mit seinem heiligen Fleisch

Gemeinschaft zu haben", aber der Teufel habe es verhindert und bewirkt, daß er verbrannt worden sei. So sei nur die Asche ge­

sammelt und an einem schicklichen Ort beigesetzt worden, an dem die Gemeinde mit Jauchzen und Freude den Jahrestag seines Martyriums begehen werdet Aber man will an diesem Tage zugleich „der früheren Märtyrer gedenken": das besagt doch klar, daß mit der Einsetzung eines Gemeindefeiertags für Polykarp etwas Neues begründet wird, und daß man bisher das Gedächtnis von Märtyrern noch nicht amtlich von Gemeinde wegen beging. Wir können tatsächlich hier in Smyrna die Einführung des Mär­ tyrerkultes als eines Kirchenfesies urkundlich im Jahr 156 fest­ legen. über die römischen Verhältnisse erlaubt uns der erhaltene Märtyrerkalender des Jahres 354 präzise Schlüsse: dies Verzeichnis der offiziellen Gedenktage nennt keine Märtyrer der beiden ersten

Jahrhunderte. Die ersten Märtyrer, deren Namen aufgeführt werden, sind die 202 gestorbenen afrikanischen Frauen Perpetua und Felicitas und die römischen Bischöfe Kallist (f 222), Pontian

und Hippolyt (t nach 235). Der afrikanische Kalender nennt als älteste Märtyrer die Scillitaner vom Jahre 180, das aus verschiedenen orientalischen Quellen gespeiste syrische Martyrologium gedenkt *) Vgl. Hippolyt KO t. 53.

2) Mart. Polyc. 17—18.

Märtyrerkult.

Katakomben

135

nicht nur des Polykarp und der wohl aus der gleichen Zeit stammen­ den Pergamener Märtyrer Karpus und Genossen, sondern auch des alten antiochenischen Bischofs Ignatius \ So scheint doch die kirchliche Feier des Martyriums am Jahrestage im Osten und auch in Afrika erheblich früher zur Sitte geworden zu sein als in Rom, wo sie erst kurz vor der Mitte des dritten Jahrhunderts sich Geltung verschafft. Der Totenkult ist auch das Gebiet, wo für unser Auge zuerst die Kirche mit der Kunst in ernsthafte Berührung tritt. Die Aus­ schmückung der uns erhaltenen Grabanlagen liefert uns die ältesten und auf längere Zeit auch die wichtigsten Denkmäler der christlichen Kunstgeschichte: freilich nur spärlich für das zweite und dann all­ mählich und örtlich sehr verschieden sich mehrend für das dritte Jahrhundert. Im großen und ganzen scheinen sich die Christen überall den Landessitten angepaßt zu haben, wo diese nicht ihren Anschauungen zuwider waren. Noch in den späteren Jahrhunderten ist das leicht festzusiellen, und für die früheren besitzt der Rückschluß innere Wahrscheinlichkeit. Aber die im Beginn der Kaiserzeit in Rom und bald auch im übrigen Westen auftommende Sitte der Leichenverbrennung fand bei ihnen einmütige Ablehnung. So folgten sie in Rom dem Brauch der dort ansässigen Juden und legten unterirdische Grabkammern an, deren Wände mit recht­ eckigen Vertiefungen (Loculi) als Grabstellen versehen waren. In diese legte man, jüdischer Gewohnheit auch hierin folgend, die in Tücher gehüllten Leichen ohne Sarg und verschloß die Öffnung durch Platten von Ziegeln oder Marmor2. Bald verband man mehrere solcher Kammern, indem man sie an einen wagerechten Stollen anschloß, dessen Wände gleichfalls mit reihenweise über­ einanderliegenden Loculi ausgestattet wurden; diese Gänge mehrten sich, wurden unter sich wieder verbunden, und bald entwickelte sich aus einer kleinen Anfangsanlage ein immer weiter wucherndes *) H. Achelis Die Martyrologien S. 17s. Texte bei Lietzmann Die ältesten Martyrologien (Kl. Texte 2). 2) Hipp. KO c. 61 gebraucht das griechische Wort Keramos (Horner Statutes of the Apostles p. 327,19).

136

$. Der Kultus

System von kreuz und quer angeordneten Stollen und Kammern, die zuweilen sogar in mehreren Stockwerken übereinander lagen und auf diese Weise nach allen drei Dimensionen erweitert werden konnten. Die Kammern waren die bevorzugten Räume. Hier fanden die Mitglieder vornehmer Familien ihre gemeinsame Ruhe­ stätte, hier setzte man Würdenträger der Gemeinde und bald auch Märtyrer bei. Für solche Persönlichkeiten bevorzugte man die Grabform des sogenannten Arkosols: unter einem in die Wand getieften Halbkreisbogen wird ein sargförmiger Raum ausge­ arbeitet, welcher die Leiche aufnimmt und dann durch eine wage­ rechte Platte oben abgeschlossen wird. Jedem Besucher der römischen Katakomben sind diese Grab­ formen, Gänge und Kammern bekannt, und sie begegnen mit mancherlei Varianten überall wieder, wo sich derartige unterirdische Friedhofsanlagen befinden: und das ist fast in allen Ländern der alten Welt der Fall *. In Rom sind uns aber die ältesten datier­ baren Anlagen dieser Art erhalten. Hier begegnen uns auch die frühesten Beispiele künstlerischer Ausschmückung der Kammern und einzelner Gräber. Da wir in Rom zugleich die analoge Gestaltung der jüdischen Katakomben studieren können, wird uns der Zu­ sammenhang des Bestattungswesens beider Religionsgemein­ schaften unmittelbar anschaulich, und andererseits lassen die zahl­ reichen Denkmäler antiken Totenkultes uns die Anlehnung an römische Kunstübung leicht erkennen. Aus diesen Gründen ist Rom die klassische Stätte christlicher Archäologie geworden und hat durch seine von einem Jahrhundert zum andern ununterbrochen fortschreitende Denkmälerreihe ein eindruckvolles und in sich geschlossenes Bild christlicher Kunstent­ wicklung geboten, mit deut kein andrer Ort in Wettbewerb treten kann. Aber dieses Überragen Roms hat eine Verallgemeinerung der hier gewonnenen Erkenntnisse zur notwendigen Folge gehabt, und es ist eine der wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben

*) Liste bis 1900 von N. Müller in Hauck Realenc? 10, 804—813. Cabrol-Leclercq Diction. d'archeol. chret. 2,2441—2447.

Katakombenkunst

137

der neuere» Forschung, das künstlerische Eigenleben der übrigen,

insbesondere der östlichen Länder ju erfassen. Die dazu notwendigen Denkmäler wachsen allmählich aus dem Boden oder treten aus dem Dunkel der Vergessenheit ans Licht. Für die ersten Anfänge der Kunst dürften aber die römischen Verhältnisse typisch sein. Sie entsprechen dem, was um 200 der alexandrinische Klemens als seine Lehrmeinung von sich gibt, daß

der Christ für seinen Siegelring keine heidnischen Götterbilder oder Symbole des Krieges oder der Erotik verwenden solle, sondern etwa eine Taube, einen Fisch, ein Schiff, eine Lyra, einen Anker oder einen Fischer, also Bilder, denen sich ein christlicher Sinn abgewinnen lasse *. Hier wie sonst zeigt sich Klemens der antiken Kultur nicht feindlich, soweit sie eben seinen Glauben und seine Sittlichkeit nicht

gefährdet. Ganz entsprechend ist in den römischen Katakomben überall da, wo es die Mittel erlaubten, ganz unbefangen Bild­ schmuck auf weißer Stuckunterlage zur Verzierung des kahlen Tuffgesteins verwendet worden. Ein Gerüst von Linien täuscht eine Laube aus Rohrstäben oder Holzlatten vor, und von einer Stange zur andern winden sich Blumeagerank, bunte Bänder und Kränze. Dazwischen sprießen Wunderblumen aus phantastischen Kelchen, grinsen Masken oder lächeln zierliche Köpfe, hüpfen Del­ phine graziös über einen Dreizack und gaukeln schillernde Schmetter­

linge von Blume zu Blume. Die ganze fröhliche Welt hellenistischer Dekorationskunst, die wir in Pompeji bewundern, aber auch in den heidnischen Grabkammern der römischen Campagna und Jsola sacra wieder­ finden, begrüßt uns in den Räumen der christlichen Katakomben.

Es fehlen nur, wie es Klemens verlangt und wie es ganz selbst­ verständlich ist, erotische Darstellungen und heidnische Götterbilder.

Aber man ist da nicht überängstlich gewesen: die niedlichen Flügel­ wesen der alexandrinischen Kunst, die man Eroten oder Amoretten

nennt, schweben unbehelligt mit ihren Brüdern, den Vögeln und Schmetterlingen, zwischen dem bunten Gerank, und selbst Amor

*) Clemens Paed. 3, 59, 2.

iz8

5. Der Kultus

und Psyche1 werden nicht unbedingt aus der Katakombenwelt verbannt. Klemens würde bei diesem Anblick doch die Stirn gerunzelt haben. Aber diese Figuren waren im allgemeinen Bewußtsein längst zu rein dekorativen Elementen geworden: wer hatte noch ein lebendiges Empfinden dafür, daß diese geflügelten Menschlein

eigentlich

Abbilder

abgeschiedener

Seelen

waren,

die dem Toten in der Kammer freundliche Gesellschaft leisten

sollten? Unter den traditionellen Elementen hellenistischer Herkunft finden wir seit dem zweiten Jahrhundert das Bild einer schleier­ geschmückten Frau, die ihre Hände betend erhebt, und die Gestalt eines Hirten, der ein Lamm auf dem Nacken trägt. Beide find uns nicht fremd und begegnen in der antiken Formenwelt in mannigfachen Variationen, aber hier an christlicher Stätte heben

fie sich bedeutsam aus dem Gewimmel der Ziermotive heraus: sie wollen etwas sagen, sind Symbole. Jeden christlichen Beschauer mußte der Lammträger an das Gleichnis vom „guten Hirten" er­ innern, der das verlorene Schaf heimträgt zu der Herde und der kein anderer ist als Christus selbst2. Und späte Liturgien haben uns den Gedanken aufbewahrt, der dies Bild in die Gräber malen hieß. „Herr, laß diesen Entschlafenen vom Tode erlöst, von Schuld befreit, dem Vater verflhnt, auf den Schultern des guten Hirten heimgebracht, im Gefolge des ewigen Königs immerwährende Seligkeit im Kreise der Heiligen genießen" heißt es bei den Lateinern2; die Griechen * beten noch heute im Totenamt: „das verlorene Schaf bin ich: rufe mich zurück, 0 Heiland, und rette mich". Kata­ kombenbilder aus dem vierten Jahrhundert bestätigen uns diese Deutung des guten Hirten5. Die betenden Frauen begegnen uns gleichfalls immer wieder auf den christlichen Denkmälern des zweiten und dritten Jahrhunderts, bis fie — ganz wie der lamm­

tragende Hirt — nach dem vierten Jahrhundert in den Hintergrund ') Wilpert Malereien d. Katakomben Taf. 52. -) £uf. 15,4 7. Joh. 10, ii—16. ?) The Gelasian Sacramentary ed. Wilson p. 298 s. j) Griech. Enchologion (Athen 1899) p. 427. s) Wilpert Malereien Taf. 190. 222. 236.

Symbolik

139

treten. Gelegentlich finden wir den Gestalten die Namen der Ver­ storbenen beigeschrieben und die Figuren selbst von dem bunten Gerank des Paradiesgartens umgebenl: das zeigt, daß sie als symbolische Darstellung der vor Gott anbetenden Seligen im Himmelreich verstanden werden sollen. Ähnliche Gestalten finden wir im linken Seitenschiff des rätsel­ haften Kultraums von Porta Maggiore in Rom. Man wird auch da die Möglichkeit einer symbolischen Bedeutung der betenden Frauen ernstlich zu erwägen haben, zumal die meisten übrigen Darstellungen zu allegorischer Sinngebung aus orphisch-pythagoreischen Gedankengängen heraus auffordern. Vielleicht sind es auch hier die Seelen der Abgeschiedenen?? Dann hätten wir Vorläuferinnen christlicher Figuren aus frühester Kaiserzeit vor uns. Neben diese dem antiken Figurenschatz entlehnten und nur durch symbolische Deutung christianisierten Gestalten tritt nun aber schon im zweiten Jahrhundert eine Reihe biblischer Szenen, die dem Alten Testament entlehnt sind und sämtlich Errettungen aus Todesnot zum Inhalt haben: Isaaks Opferung, Noah in der Arche, Daniel in der Löwengrube, die drei Männer im feurigen Ofen, Susanna. Dazu tritt die Geschichte des Jonas in einem dreiteiligen Zyklus: er wird ins Meer geworfen und vom Walfisch verschlungen, er wird aufs Land ausgespien, er ruht gerettet unter seiner Laube. Auch hier gibt uns die Liturgie des Abend- und des Morgenlandes Aufschluß über den Sinn der Bilder. Noch heute betet der katholische Priester am Bett des Sterbenden unter ande­ rem, Gott möge seine Seele befreien, wie er Noah aus der Sintflut, Isaak vom Opfertod, Daniel aus der Löwengrube, die drei Jüng­ linge aus dem Feuerofen, Susanna von falscher Anklage befreit habe. Das Gebet geht auf älteste Wurzeln zurück und hat in griechi­ schen wie in orientalischen Formeln seine Parallelen^. Seinen ‘) Wilpert Malereien Taf. uof. C. M. Kaufmann Handb. d. altchristl. Epigraphik S. 19. 34. 54. 55. 73. 74. 82. 2) Bendinelli Jl monumento sotten raneo di Porta Maggiore (Monument! antichi 31,1927) p. 747. 3) Rituale Romanum: Commendatio animae; vgl. Ps. Cyprian oratio II (3,147 Härtel), dazu Schermann Oriens christianus 3,303—323, Baumstark ebenda N. S. 4,298—305.

140

5. Der Kultus

jüdischen Ursprung bezeugt die Auswahl der Beispiele, und die

Mischna hat uns auch wirklich ein Bußgebet jur Fastenzeit auf­

bewahrt, das den gleichen Typ aufweist'. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Christen vielleicht nicht nur diese Gebete, sondern auch ihre bildliche Darstellung den Juden entlehnt haben. Seit die genauere Kenntnis der Malereien in römischen Judenkatakomben und östlichen Synagogen, vor

allem aber die Ausgrabung der Synagoge in der Euphratfestung Dura uns über das Vorhandensein einer jüdischen Bildkunst auf­ geklärt haben, dünkt uns eine solche Fragestellung durchaus nicht mehr so abwegig wie noch vor kurzem. Wir stellen fest, daß um 200 die Stadt Apamea in Phrygien unter dem Einfluß der dort vor­

handenen jüdischen Kolonie Münzen mit dem Bilde Noahs und der Arche prägte, die mit der christlichen Noahdarstellung engste Verwandtschaft aufweisen2. In einer palästinensischen Synagoge, die man ins dritte Jahrhundert setzt, fand sich auf dem Mosaik­ fußboden das uns bekannte Bild des Daniel zwischen den Löwen3. In Dura treffen wir in derselben Zeit Isaaks Opferung als Wand­ bild an4, und dasselbe begegnet uns in einer palästinensischen Synagoge5. Das verstärkt die Wahrscheinlichkeit der Vermutung, daß die christlichen Bilder des alttestamentlichen Rettungszyklus ebenso wie die Gebete der Totenliturgie auf jüdische Vorlagen zurückgehen oder vielmehr ohne erhebliche Änderungen aus der

Welt der Synagoge herübergenommen und mit christlicher Sinn­

gebung verwendet sind. Beliebt ist schon in früher Zeit das Bild des Moses, der aus dem Felsen Wasser schlägt: auch dies wohl nach jüdischer Vorlage geformt, wenn auch nicht ebenso sicher dem Rettungszyklus ange­ hörend. Die Christen mögen dabei an das seelenrettende Tauf­ wasser gedacht haben, und vielleicht ist auch der antike Gedanke ') Mischna Taanith 2, 4. 2) Head Historia Numorum2 667, CabrolLeclercq Diktion. 1,2515. 3) Revue biblique N.S.16 (1919), 53511.30(1921), 442. *) Jllustrated London News 1933, 23. Juli S. 189 Fig. 10. 6) Gu­ ten jk The ancienl Synagogue of Beth Alpha Taf. 19.

Bilder aus dem Alten und Neuen Testament

I4i

an das im Paradies sprudelnde Lebenswasser nicht fern gewesen:

dem Johannesevangelium1 *ist diese Bildersprache vertraut.

Un­

sicher ist die Bedeutung der Gruppe von Adam und Eva mit Lebensbaum und Schlange, die im 3. Jahrhundert erscheint und sich lange als beliebtes Motiv gehalten hat: ob es nur ein Symbol

des Paradieses sein soll, das dem Entschlafenen winkt? Diesem alttestamentlichen Bestand gesellt sich bereits

im

zweiten Jahrhundert eine Reihe neutestamentlicher Bilder zu,

die ebenfalls im Dienst der Erlösungssymbolik stehen und im

besonderen die todüberwindende Kraft der Sakramente ins Be­ wußtsein rufen. Da steht voran die Darstellung der Taufe Christi als des Urbildes der Chrisientaufe.

Aber auch ein Fischer, der

mit der Angel einen Fisch aus dem Wasser zieht, kann unter beson­ deren Bedingungen — nämlich wenn er in der Nähe anderer Sinnbilder sieht — als apostolischer „Menschenfischer" gelten; wie denn nach einem Wort des Tertullian die Christen als Fischlein im Wasser geboren werden nach dem Vorbild ihres Meisters, des „Fisches" Jesus Christus3. Dieser Christusfisch erscheint an der Wand einer der ältesten römischen Grüfte in San Callisto in Verbindung mit einem Körbchen voll Broten, in deren Mitte ein Glas mit rotem Wein leuchtet: die Abendmahlssymbolik ist

nicht zu verkennen. In derselben Zeit ist das Abendmahl auch dargestellt worden

unter der Form der Speisung der Fünftausend. Diese biblische Erzählung galt um der Deutung willen, die ihr das Johannes­ evangelium gibt und die in den Worten3 gipfelt „Wer mein Fleisch

isset und mein Blut trinket, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage erwecken", als Urbild des Abendmahls. Die Maler lassen in der Regel sieben Personen als Repräsentanten der Fünftausend auf halbkreisförmigem Polster um eine Tisch­ platte liegen, auf der sich Brote und die aus den Evangelien* bekannten zwei Fische befinden, und helfen dem Verständnis des i) Joh. 4, 14. 7, 38. 19, 34; vgl. i. Joh. 5, 6. ") Tertullian baptism. i; vgl. dazu S. 101. ’) Joh. 6, 54. ') Mark. 6,38 u. Parall. Joh. 6,9.

142

5. Der Kultus

Beschauers dadurch nach, daß sie die am Ende der Mahlzeit ge­ füllten i2 Körbe mit Brocken1 vollzählig oder andeutungsweise

neben den Tisch gruppieren.

In San Sebastiano an der Via

Appia ist uns ein anderer und anscheinend älterer Typ erhalten, wenn auch das Bild erst nach 200 gemalt sein mag. Da ist eine

größere Anzahl solcher Tischgesellschaften dargestellt, wie es das Evangelium auch schildert3, während Jesus mit den Jüngern durch die Reihen schreitend die Brote verteilt; am untern Rande des Bildes steht man Diener mit den Körben herbeieilen3. Sakramentsbeziehung wird man auch in den Darstellungen der Samariterin am Brunnen finden, die auf das Lebenswasser Christi4 Hinweisen soll, sowie in den besonders beliebten Bildern des Gichtbrüchigen, der sein Bett schultert: er beweist ja augen­ scheinlich, daß des Menschen Sohn Macht hat, auf Erden Sünden

zu vergeben3, nämlich im Sakrament der Taufe. Schon die wunderbare Speisung enthielt entsprechend der altkirchlichen Abend­ mahlslehre einen Hinweis auf die Auferstehung: aber die klassische Auferstehungsverheißung der alten Kunst ist die Szene der Aufer­

weckung des Lazarus. Mit dem Zauberstab in der Hand steht Jesus vor einem tempelartigen Grabmonument, in dessen Türe der noch in Binden gehüllte Lazarus erscheint. Alle bisher besprochenen Bilder sind aus der Bibel hervor­ geholt worden, um durch ihre symbolische Bedeutung belehrend und erhebend auf den Beschauer zu wirken, und wir haben Grund zu der Annahme, daß schon in der Malerei des hellenistischen Judentums das gleiche Motiv wirksam gewesen ist. Wir müssen aber feststellen, daß auch in dieser frühen Zeit schon neutestamentliche

Szenen komponiert werden, die man nur mit Schwierigkeiten in eine der genannten theologischen Reihen einordnen kann, und die man lieber als rein gegenständlich interessierte Darstellungen auffassen wird. Hier wollen die Maler wirklich nur biblische Ge*) Mark. 6, 43 u. Parall. Joh. 6,13. 2) Mark. 6, 39—40 u. Parall. 3) Lietzmann Petrus u. Paulus3 Taf. 9 u. S. 301 f. *) Joh. 4, 14; vgl. 0. S. 140.141. 5) Mark. 2, 10 u. Par.

Neutestameatliche Bilder

143

schichte erzählen und überlassen es dem Beschauer, mit welcher religiösen Empfindung er darauf antworten will. Das gilt von dem Wunder der Blindenheilung und der Heilung der Blut-

flüsstgen, die beide wohl durch die Lazaruserweckung angeregt sind und einen Zyklus von Heilungswundern eröffnen, der in den folgenden Jahrhunderten mit Liebe ausgestaltet wird. In eine ganz andere Richtung weist die beliebte Gruppe der Magier aus

dem Morgenland, die dem Christuskind und seiner Mutter huldigen. Hier begegnet uns die erste Madonnendarstellung, die aber in der nächsten Folgezeit wohl Variation, aber keine ernstliche Weiter­ bildung erfahren hat. Bemerkenswert ist nur, daß daneben ein anderer Madonnentypus auftaucht *: da steht der Prophet Bileam2 vor der Mutter, die das göttliche Kind auf dem Schoß hält, und

weissagt von dem „Stern, der aus Jakob aufgehen wird" — seine Hand deutet auf einen Stern, der zu Häupten der Maria leuchtet.

Dies Motiv verschwindet für unser Wissen und wird erst erheblich später wieder ausgenommen. Von der Passtonsgeschichte findet sich in dieser Zeit nur eine vereinzelte Spur: ein Bild der Prätextat­ katakombe2 zeigt vielleicht den dornengekrönten Jesus, wie er

von zwei Soldaten mit Rohrstäben geschlagen wird. Damit ist im Großen und Ganzen der Kreis der biblischen Szenen erschöpft, die in der christlichen Kunst des zweiten und beginnenden dritten Jahrhunderts geschaffen sind. Deutlich er­ kennbar ist die lehrhafte Forderung einer symbolischen Bedeutung als erstes Prinzip der Auswahl, aber nicht minder klar tritt das Bestreben nach Lockerung der theologischen Fesseln und freier Dar­ stellung bildhaften Stoffes zutage. Die Maler streben danach, eine biblische Geschichte um ihrer selbst willen zu schildern. Dies Motiv wirkt weiter und erzeugt die Bildserien der nächsten Jahr­

hunderte.

Aber die Symbolik wird nicht beseitigt, sondern nimmt

nur andere Formen an, denn sie ist von religiöser Kunst jeder Art schlechthin unabtrennbar. Wir haben gesehen, daß sie schon der *) Wilpert Malereien d. Katakomben Taf. 22. 3) Wilpert Malereien d. Katakomben Taf. 18.

2) Num.

24,

17.

144

5. Der Kultus

jüdischen Kunst eignet. Die Basilika von Porta Maggiore in Stom1 hat uns zu unserer Überraschung gelehrt, in welch gewaltigem Um­ fang die allegorische Deutung griechischer Mythen die ganz in antiken Formen lebende Dekoration dieses Kultraumes beseelt. Noch

ist es uns nicht bekannt, welche religionsphilosophische Sekte sich in den Anfangsdezennien unserer Zeitrechnung dies prächtige Heim geschaffen hat: mit dem Hinweis auf Orphik und Pythagoreismus ist noch nicht genug gesagt. Aber daß wir für das Ver­ ständnis der Bilder zur Allegorie und symbolischen Deutung

greifen müssen, ist allseitig anerkannt. Dasselbe gilt für die bald nach 200 entstandene Aureliergruft am Viale Manzoni2. Sie ist die künstlerisch ausgeschmückte Grab­ stätte einer gnostischen Sekte, die allerlei rätselhafte Szenen ihres

Kultes und ihres Mythos an den Wänden abgeschildert hat. Aber es begegnen auch Adam und Eva nebst der Schlange, der gute Hirt mit dem Lamm auf der Schulter, und ein großes Bild scheint die Bergpredigt zu symbolisieren. Auf einem Hügel sitzt ein bärtiger Mann und liest aus einer Rolle vor, während am Hang um ihn

und unter ihm Schafe weiden; ein ähnlicher Hirtentyp begegnet uns später im kirchlichen Bilderschatz. Hier sehen wir also auf einem Denkmal, das zwischen den Religionen steht, die gleiche Anwendung der dekorativen Kunst und zum Teil sogar die gleichen

Gegenstände in analoger Bedeutung. Und wir lernen aus alledem, daß die junge Kirche die Kunst sich zunächst zwar als halb spielerische Dekoration gefallen läßt, dann aber sie ernsthaft ergreift und im Sinne der Zeit zu einem Ausdruck religiösen Empfindens gestaltet. Das Christentum gewann auf diese Weise in der Kunst ein neues und kräftiges Mittel der Dolkserziehung, die Kunst bekam in kritischer

Zeit einen neuen Inhalt geschenkt, der sich langsam entfaltete und ihr bis auf den heutigen Tag unerschöpfliches Leben einhaucht. *) G. Berrdtnelli Jl Monumento sotterraneo di Porta Maggiore in Roma 1927 (aus Monumenti Anttchi Dol. 31—1927). Dazu Vorträge d. Bibl. Warburg 1922/23 I S. 66—70 und Gnomon 1929 S. 190—195. 2) G. Bendinelli 3l Monumento sepolcrale deglt Aurelt 1923 (aus Monumenti Antlchi Dol. 28—1922); vgl. S. 30 Fig. 12, S. 51—56 Fig. 20. 2i. 22, Taf. 9.

Das Christentum und die Welt. Der Sand Ägyptens, der unserer Wissenschaft schon so viel Neues und Lehrreiches beschert hat, ist uns noch einige Privat­ briefe schuldig, in denen Menschen aus verschiedenen Bildungs­

kreisen ihren Angehörigen die Gründe darlegen, die sie zum Eintritt in die christliche Kirche bewogen haben. Das würden für uns sichere Dokumente zur Prüfung der Frage sein, welchen Anreiz das Christen­ tum auf die Menschen des zweiten und dritten Jahrhunderts 677/ 7). 77/ 3 (p. 835,20). 78,1 (p. 836,14). *) s. 0. S. 225.

Ordines minores.

Die Lapsifrage

257

Kodizes die biblichen Lektionen im Gottesdienst mit melodischer und rhythmischer Korrektheit vorzulesen. Die Ostiarier find die Küster der Gotteshäuser und sonstigen kirchlichen Gebäude. Diese niederen Ordines finden wir mit den gleichen Bezeichnungen um dieselbe Zeit in Karthago, was wieder dm engen Zusammen­ hang beider Städte und Roms führende Stellung beweist: im

Orient erscheinen fie erst erheblich später. Fabians tatkräftiges und für die Zukunft bedeutsames Wirken fand sein Ende in der Verfolgung des Decius: er starb als eins ihrer ersten Opfer am 20. Januar 250. Man ließ den Stuhl unbe­ setzt, weil die Hand des Verfolgers sofort auch den neuen Papst beseitigt haben würde, und ließ die Gemeinde einstweilen durch die

vereinigten Kollegien der Presbyter und der Diakonen leiten: beide führen gemeinsam den schon früher1 geschilderten Briefwechsel mit Karthago, beide eröffnen ihn durch Übersendung des Berichtes über Fabians Martyrium. Aber nur die Diakonen werden mit der bedenklichen Aufgabe betraut, das Verhalten Cyprians in einem formlosen Brief zu kritifieren2. In der Frage der Lapsi find die Römer mit Cyprian in der Grundanschauung einig, daß nämlich die Rückkehr der Verleugner zur Kirche grundsätzlich möglich ist. Nachdem man in Rom wie in Afrika diese Milde bereits früher gegenüber Fleischessündern be­ tätigt 3 und damit die altkirchliche Unbedingtheit aufgegeben hatte, war eine andere Auffassung in der Not der Gegenwart nicht wohl denkbar. Einig ist man stch auch darin, daß eine Bußzeit den Sün­ dern aufzuerlegen ist und daß dem Bischof, nicht den Konfessoren, die Entscheidung über die Wiederaufnahme zusteht. Und da in Rom der Bischof fehlt, in Karthago abwesend ist, so ergibt stch auch Einigkeit darüber, daß bei währender Verfolgung nur in besonderen Fällen von Todesnot die Kommunion gereicht wird, im allgemeinen aber die Reuigen auf die Zukunft verwiesen werde». Das betonte s. 230. a) Cypr. ep. 8,3 (p. 488, iof.) und dazu ep. 9 tit. und §§ i und 2 (p. 489,1.12). Vgl. Caspar Gesch. d. Papsttums 1,62 gegen Harnack Mission 2,850. 3) s. 0. S. 253 und Cypr. epist. 55,20f. Ltetzmann, Gesch. t>. Alten Kirche 2

258 Zusammenarbeiten

ii. Rom

Cyprians mit Rom erhält von dem feder,

führenden Presbyter Novatian hohes Lob, nicht ohne leises Mit, klingen des Bewußtseins römischer Überlegenheitl. Die römischen

Kovfessoren haben aber auch im Gegensatz ju ihren karthagischen Leidensgefährten einen Kampf gegen das reguläre Kirchenamt vermieden und sich den Beschlüssen der einstweiligen Kirchenleitung Roms und den Maßregeln Cyprians zustimmend angeschlosse» So schien die Lage in der Hauptstadt innerlich und äußerlich völlig beruhigend zu sein, als man sich im März 251 entschloß3,

die aufgeschobene Bischofswahl vorzunehmen. Der führende Mann im römischen Presbyterkollegium war Novatian. Er hatte sich in dem abgelaufenen kritischen Jahr bewährt und war nicht nur ein gewandter Schriftsteller, sondern auch ein gebildeter Theolog: und er hat den Ruhm, als erster Römer diese beiden Eigenschaften in lateinischer Sprache bewährt zu haben. In der Schrift4 „von der Trinität" hatte er bereits mit besserem Erfolg als Hippolyt gegen marcionitische und monarchianische Theologie gekämpft, indem er in übersichtlicher Zusammenfassung die Gedanken und Formulierungen Tertullians an der Hand der Glaubensregel demonstrierte. Das sagte dem abendländischen Denken zu und hat auch noch in der Folgezeit seine Wirkung geübt. Für die Gegen­ wart eröffnete das alles dem Verfasser die Hoffnung, daß man ihn zum Bischof wählen werde — was in dieser Verfolgungszeit übrigens ebenso ehrenvoll wie lebensgefährlich war. Die Er, Wartung trog: er wurde ganz wie einst der gelehrte Hippolyt übergangen, und die überwältigende Majorität des Klerus einigte sich auf den Presbyter Cornelius, der in Anwesenheit von 16 Bischö, fett konsekriert wurde5. Novatian und fünf seiner Freunde im Presbyterkollegium6 waren empört und verweigerten ihre Zu, stimmung. *) Cypr. epiff- 30,1. 36,1.4. 2) Cypr. ep. 28. 31. 30,4. 3) Har, nack Chronologie 2,351. 4) Novatian de trinitate ed. Faustet 1909; vgl. besonders cap. 29—31 und 21. 24. Hieron. vir. int. 70. 5) Cypr. epist. 55, 8. 24. •) Cornelius bei Euseb S@ 6,43,20.

Novation und Kallist

259

Und nun wurde dem persönlichen Gegensatz ein grundsätzlicher Inhalt gegeben, der die Kirche weithin auseinanderriß. Daß gegen beide Männer von der Gegenseite allerlei Klatsch vorgebracht wurde, darf als natürliche Begleiterscheinung einer solchen Spaltung gebucht werden. Dabei ist bedeutsam höchstens die Anklage, daß Cornelius die Wiederaufnahme Gefallener leichtfertig bewilligt habe. In einem Falle zeigt die entschuldigende Verteidigung Cyprians1 deutlich, daß er eine Konzession machte, um die Masse zu gewinnen, und man kann mit einiger Wahrscheinlichkeit ver­ muten, daß man ihn auch in der Erwartung solchen Entgegen­ kommens gewählt hat. Dem gegenüber ging Novatian auf die Seite des Radikalismus, verleugnete die bisher vertretenen Richt­ linien und lehnte die Wiederaufnahme Gefallener nunmehr über­ haupt ab. Damit wurde er der Führer der auch in Rom nicht fehlenden strengen Gruppe und sie wählten ihn — unter Ablehnung des laxen Cornelius — zum Bischof3. Und die römischen Konfessoren, die bisher seine mit Cyprian gleichlaufende Politik gestützt hatten, gingen mit. Das war für Cornelius eine böse Gegnerschaft, und wir ver­ stehen, warum Cyprian mit der Anerkennung dieses neuen Kollegen zuerst zögerte3. Aber das änderte sich schnell. Der Radikalismus war für Cyprian nicht durchführbar, und die Konfessoren traten bald wieder zu Cornelius über4. Dieser versammelte in Rom eine große, von 60 Bischöfen und vielen andern Klerikern und Laien besuchte Synode, die seiner Bußpraxis beistimmte und den Novatian exkommunizierte5. Aber die Strenge des Urteils war auf der ande­ ren Seite auch wieder ein Anreiz für alle, die nicht geneigt waren, von der altkirchlichen Forderung abzuweichen: und Novatian zögerte nicht, unter dieser Parole Anhänger zu werben. In Afrika fand er mehr Beifall, als Cyprian zugeben mag6. Im Orient sind ganze *) Cypr. epist. 55,11. 2) Cypr. epist. 44,1. Euseb KG 6,43,1. Corne­ lius ebd. 6, 4z, 7—10. 3) s. 0. S. 236. 4) Cyprian epist. 46. 53. 54. übertreibend Cornelius bei Euseb KG 6,43,6. Dgl. ebd. 6,46,5. 5) Euseb KG 6, 43, r. Cyprian epist. 55,6. °) s. 0. S. 237.

26o

ii. Rom

Kirchenprovinzen auf seine Seite getreten, und Fabius von Anti­ ochia bereitete schon eine große Synode vor, die sich in diesem Sinne äußern sollte: nur sein plötzlicher Tod verhinderte, daß es dazu kam. Dionys von Alexandria kämpfte tapfer für Cornelius und schrieb nach allen Seiten Briefe, um eine allgemeine Absage des Ostens ju verhüten: endlich ist ihm das nach schweren Mühen gelungen *. Aber Novatianergemeinden haben sich doch weithin im Westen und

im Osten gebildet, und noch im 5. Jahrhundert finden wir sie lebendig: in Konstantinopel hatten sie damals drei Kirchen zu eigen, in Rom noch mehr?, und jahlreiche Nachrichten melden von ihrem Fortleben in andern Gegenden Ein deutlicher Beweis

für die frühe Gültigkeit des Gesetzes, daß Kirchentrennungen, die nicht sehr bald rückgängig gemacht werden, unheilbar sind und weiterbestehen, auch wenn der ursprüngliche Trennungsgrund wesen­ los geworden ist. Wenn man das Schreiben an Bischof Fabius von Antiochia liest, in dem sich Cornelius gegen Novation verteidigt*4, so bekommt man keinen günstigen Eindruck von persönlicher Vornehmheit des Briefschreibers — und versteht es, daß Cyprian ihn gelegentlich sehr von oben herunter behandelt6. Aber sein schnell erfolgender Tod in der durch Gallus verfügten Verbannung wob den Glanz des Martyriums um sein Haupt. In der Kallistkatakombe ist er an besonderer Stätte außerhalb der Papstgruft, also wohl erst in späterer Zeit, beigesetzt: seine Grabschrift ist die erste, die einem Papst in lateinischer Sprache gewidmet worden ifl6. Sein Nachfolger Lucius war 8 Monate im Amt, dann wurde im Frühjahr 254 Stephanus zum Papst gewählt. Cyprian setzte den Verkehr mit ihm ganz unbefangen in der gleichen Weise fort, die er Cornelius

gegenüber gepflegt hatte: er fühlte sich als der ältere und erfahrenere von zwei gleichgestellten Kollegen. Als er aber die Frage der Ketzer*) Euseb KG 6, 45—46,5. 7,5,1. 2) Socrates 2, 38,26. 7,9. 11. ’) Harnack in Haucks RE 14,241. *) bei Euseb KG 6,43,5—22. 5) s. 0. S. 237. ') Diehl Jnscr. lat. u. 956 a. Cabrol-Leclercq Dict. 3, 2969. Catal. Liber, im Lib. pontif. 22 p. 28.

Die Novatianer.

Lucius.

Stephanus

261

laufe ebenso behandeln wollte, kam es jum Bruch, der die grund­ sätzlich verschiedene Auffassung ihrer Stellung bei beiden Kirchen­

fürsten scharf jum Ausdruck brachte. Den Gegenstand und Verlauf des Streites haben wir bereits kennen gelernt \

Stephanus bestritt der afrikanischen Kirche das

Recht, die Frage nach eigenem Ermessen zu entscheiden, und schrieb ihr vor, wie sie sich zu verhalten habe. Die Wiedertaufe rückkehrender

Ketzer bezeichnet er als eine traditionswidrige Neuerung — was sachlich zweifellos nicht richtig war, wenn man unter Tradition die allgemeine Praxis der Kirchen verstand. Stephanus meinte damit aber den Brauch der römischen Kirche, den er auf Petrus zurück­ führte. Und da Christus diesen als ersten Apostel bestellt und für den Fels erklärt habe, auf den er seine Kirche (Matth. 16,18) bauen wolle, müsse sein Primat anerkannt und seine Tradition allent­ halben befolgt werden. Der Verwalter dieser petrinischen Autorität sei aber niemand anders als sein Nachfolger, der Bischof von Rom2. Folgerichtig dehnte er den Anspruch auf Annahme seiner Entscheidung in der Ketzertauffrage denn auch auf den Osten aus und erregte damit einen heftigen Sturm der Entrüstung. Es gelang Stephanus so wenig wie einst dem Viktor, seinen Anspruch durchzusetzen. Aber was er wollte, war das Gleiche: und diesmal erfahren wir auch die amtliche Begründung, welche mit

voller Deutlichkeit die Linie erkennen läßt, die durch die Jahrhunderte hindurch zum Vatikanischen Dogma von 1870 führt. Die Orientalen hielten der römischen Tradition ihre eigene entgegen, die auf Christus und die Apostel zurückgehe3, genau so wie es die Kleinastaten im

Osterstreit gemacht hatten. Cyprian allein hat der römischen Be­ gründung eine eigene Theorie entgegengesetzt, in der die Auffassung der frühkatholischen Kirche einen klaren Ausdruck findet. Und diese seine Theorie ist nicht erst im Kampf gegen Stephanus ent­ standen — oder gar verändert worden — sondern ist im Zusammen­ uz s. S. 240 f. *) Cyprian ep. 74,1. 71,3. 75,17. von Caesarea bei Cypr. ep. 7$, 19.

3) Firmilian

262

ii. Rom

Hang seiner Lehre von der Einheit der Kirche erwachsen und wird in ihren wesentlichen Gedanken schon 251 vorgetragen. Die Kirche ist eine Einheit, die in dem einträchtigen Zusammen­ wirken der Bischöfe auch anschaulich zum Ausdruck kommt: wie es nur eine einzige Kirche gibt, die in vielen Einzelkirchen sichtbar wird,

so gibt es nur ein einziges Bischofsamt, das sich in seinen einzelnen Trägern verkörpert x. Und ein Bischof, der sich aus diesem einträch­ tigen Kreis der Bischöfe löst, scheidet damit aus der Kirche aus, weil er sich von der Einheit trennt. Diese Einheit ist für Cyprian eine geistgewirkte, mystische Wirklichkeit: wäre die Kirche eine irdische Einrichtung, so könnten ja die tausend Bischöfe hundert verschiedene Meinungen haben und alle miteinander im Streit liegen. Es ist das göttliche Wunder, daß sie immer einig sind und Meinungs­ verschiedenheiten freundschaftlich regeln. Und eben darum ist es klar, daß ein Bischof, der diese Einheit stört, von Gott verlassen

ist und den Eingebungen des Bösen folgt, also außerhalb der Kirche tritt. Diese Einheit hat ihren Grund darin, daß die Bischöfe Nach­ folger der Apostel sind, die eine einheitliche Schar von Männern gleicher Vollmacht und gleichen Ranges bildeten. Aber damit nicht genug: Christus wollte diese Einheit der kirchlichen Wurzel ganz unzweideutig zum Ausdruck bringen und berief darum einen Apostel, den Petrus, zuerst und erklärte ihn für den Grundstein seines KirchenbaueS. Damit ist dem Petrus kein rechtlicher Vorrang gegeben, alle Apostel sind gleich: aber seine Berufung ist ein Symbol für die Einheit des Grundes, auf dem die Kirche steht, und der das Wesen der Kirche durch alle Zeiten hindurch kennzeichnet Daraus ergibt sich die dem dritten Jahrhundert noch weithin unbe­ zweifelte Gleichheit der Vollmacht für alle Träger des bischöf­ lichen Amtes, von denen jeder einzelne Nachfolger der Apostel ist, und die runde Ablehnung aller Primatsansprüche, von welcher Seite *) Cypr. de eccl. uait. 5 (p. 214, 1—7) epist. 55, 24 (p. 642, 12—15). 2) Cyprian ep. 45,3 (p. 602,18—19), de eccl. unit. 4 (p. 212—213). Ausge­ zeichnet Hugo Koch Cathedra Petri (Beiheft z. ANW. Nr. 11) 1930.

Cyprians Kirchenbegriff.

Dionysius von Rom

263

sie auch kommen mögen. Die Abweisung eines „Bischofs der Bischöfe" ist ihnen selbstverständliche Pflicht, und Cyprian hat das mit aller Festigkeit durchgekämpft: die letzten Konsequenzen sind ihm durch den Tod des Stephanus und sein eigenes Martyrium erspart wor­ den. Aber der Primatsanspruch Roms war vernehmlich angemeldet — und was wurde aus Cyprians Theorie, wenn die sichtbare Ein­ heit des Episkopats einmal in weitem Umfang in die Brüche ging? Das vierte Jahrhundert hat darauf Antwort gegeben. Der Ketzertaufsireit schlief ein. Tystus von Rom und Cyprian von Karthago starben zu gleicher Zeit. Wieder mußten die Römer ihren Bischofsstuhl lange leer stehen lassen. Erst am 22. Juli 260 konnte der bisherige Presbyter Dionysius ordiniert werden. Er hatte schon unter Stephanus aktiv an den Verhandlungen über die Ketzertaufe teilgenommen und mit dem alexandrinischen Bischof Dionysius korrespondiert^. Jetzt wurde er von dort aus in die Kämpfe hineingezogen, die in Ägypten durch das Vorgehen des dortigen Dionysius entstanden waren, und er durfte in deren Verlauf der römischen Kirche zu einem Erfolg verhelfen, der noch in späterer Zeit Früchte tragen sollte. Diese theologischen Auseinander­ setzungen wurden nämlich, was damals noch niemand ahnen konnte, das Vorspiel zu dem großen arianischen Streit, der im Beginn des vierten Jahrhunderts die ganze Kirche erschütterte. Es wird deshalb zweckmäßig sein, auch diese Verhandlungen der beiden Dionyse in jenen Zusammenhang hineinzustellen. l) Euseb KG 7, 5, 6.

Syrien und sein Hinterland. Die Großstadt Antiochia ist das militärische und politische Zentrum Syriens; sie hat viele Kaiser und Kronprätendenten in ihren Mauern gesehen und die Schläge der Weltgeschichte meist

am eigenen Leibe verspürt. Sie ist auch der Ausgangsort des hellenisterten Christentums gewesen, und die Bedeutung der Stadt hat immer wieder den Einfluß ihrer Christengemeinde gehoben. Was üppige Fruchtbarkeit des Bodens und die Gunst der handels­ politischen Lage der Provinz Syrien an Reichtum spendete, das floß in der Hauptstadt Antiochia zusammen und schuf dort eine bauliche Pracht und einen Luxus der Lebenshaltung, mit denen nicht einmal Alexandria wetteifern konnte. Die oberen Tausend der Fabrikanten und Handelsleute, die Zehntausende der Halb­

welt des Schauspiels, des Vergnügens und des Lasters, die un­ zählbaren Scharen der Arbeiter und Nichtstuer bildeten eine im Grunde doch einheitliche Bevölkerung, die durch maßloses Selbst­ bewußtsein, unbändige Genußsucht und hemmungslose Spottlust

zusammengehalten wurde. Was ihr fehlte, war edler Ernst und schöpferischer Geist. Völkisch war die Stadt ein Gemisch aus der griechisch redenden makedonischen Herrenschicht, die seit den Tagen der seleukidischen Gründung durch Zuwanderung hellenischer und Hellenisierter Familien mannigfachster Herkunft buntscheckig ge­ worden war, und der syrisch redenden Volksmasse der Eingebornen, mit denen dann Sklaven und Proletarier aller Länder sich mischten. Die Juden hielten, wie überall, eng zusammen x. Wie aus ihrem Kreis das Christentum sich aussonderte, haben wir gesehen. Wir wissen auch schon von dem Schicksal und der eigenartigen Theologie des Bischofs Ignatius, der unter Trajan zu Rom den *) C. tz. Kraeling in Journ. Bibl. Lit. 1932, 130—160.

Antiochia

265

Märtyrertod starb *. Aber wie es damals in seiner Gemeinde aus­

sah und welche Strömungen in den folgenden Jahrzehnten die antiochenische Kirche bewegten, das wissen wir nicht. Die bloßen Namen der überlieferten Bischofsliste sagen uns nichts. Nur so viel hören wir, daß für eine Reihe führender Männer innerhalb der gnostischen Bewegung Antiochia Ausgangspunkt gewesen ist, und wir dürfen daraus zum mindesten auf gnostische Konventikel, vielleicht auch auf größere Gemeinden schließen, die mit der katho­ lischen Gruppe rangen und ihre innere Entwicklung zu beeinflussen

suchten2. In dem benachbarten Rhoffos benutzt man in der Kirche ahnungslos das gnostische Petrusevangelium, bis endlich der antiochenische Bischof Serapion nach dem Rechten steht und das Buch verbietet: aber sein Verhalten bei der ganzen Angelegen­ heit läßt zugleich erkennen, daß er selbst der Problematik der Zeit auch nicht gewachsen ist2. Sein Dorvorgänger Theophilus war Schriftsteller: wir haben ihn schon als Apologeten kennen gelernt und auch seine Evangelienharmonie genannt*, die vielleicht als

ein katholisches Gegenstück gegen das in Antiochia in Aufnahme kommende Diatessaron Tatians zu werten ist. Er hat auch gegen Marcion und gegen jenen Hermogenes geschrieben, den Hippolyt und der Alexandriner Klemens kennen, und dem Tertullian eine Streitschrift gewidmet hat2. Was wir von Theophilus erhalten haben, läßt ihn als einen Mann von bescheidenster Urteilskraft erscheinen: wenn er so reichlich zur Feder griff, so wird ihn die Not seiner Gemeinde zum Streiter gegen die zahlreichen Einflüsse gemacht haben, die damals in der Christenheit Antiochias wirksam waren. Vielleicht ist es richtig gesehen, wenn man neuerdings behauptet hat6, die Unsicherheit der inneren Lage sei daran schuld, daß An­ tiochia nach Ignatius während des ganzen zweiten Jahrhunderts nicht mehr hervortrete: wir vermissen seinen Bischof sogar unter Bd. i, 251—264. 2) Walter Bauer Rechtgläubigst u. Ketzerei i. ältesten Christentum (1934) 70. 3) s. S. 64. 92. Cuseb 6,12. 4) s. S.9Z. 188. 6) s. S. 225 und Hilgenfeld Ketzergeschichte 553—560. c) W. Bauer Rechtgläubigkeit u. Ketzerei 67.

266

i2. Syrien und sein Hinterland

den Teilnehmern der orientalischen Kundgebung in der Osterfrage gegen Viktor. Aber bald danach ist jedenfalls diese Schwäche über­ wunden. Im Jahre 251 ruft der antiochenische Bischof Fabius den ganzen Osten in seine Stadt zusammen, um die Sache Novatians zu stützen, und seitdem sehen wir Antiochia stets im Vorder­ grund kirchenpolitischer Aktionen. Zwanzig Jahre später ist der Bischof Paulus bereits ein Grandseigneur von mächtigem Einfluß auch in weltlichen Dingen. Es darf nun also nicht wundernehmen,

daß wir im zweiten Jahrhundert auch von dem Christentum in der Umgebung Antiochias kaum etwas hören. Die Steigerung der Missionserfolge ist im dritten Jahrhundert deutlich, und um 300 finden wir Bischöfe ziemlich in allen bedeutenden Städten Syriens und weit darüber hinaus auf dem Lande'. Dieses um Antiochia fich scharende Christentum ist griechisch an Sprache und Denkungsart. Aber in Syrien, und wohl hier zuerst, beginnt auch ein national gestaltetes Christentum fich zu entfalten: und zwar sehen wir vorerst zwei Ausgangspunkte, Arbela und Edessa. Näher bei Antiochia liegt Edessa: hier hatte fich in den Stürmen der römisch-parthischen Kämpfe ein einheimisches Fürstengeschlecht an der Regierung ge­ halten, und um 200 finden wir einen Abgar IX. auf dem Thron, der christliche Gelehrte an seinen Hof zieht und von ihnen als ein „heiliger Mann" bezeichnet wird, der „gläubig geworden" fei2. Und damals gab es auch ein „Heiligtum der Christengemeinde" in Edessa, von dem wir erfahren, daß es im September 201 durch eine Überschwemmung zerstört worden ist3. Man darf diese Nach­ richten nicht übertreiben und behaupten, Abgar habe das Christen­ tum in seinem kleinen Reich zur Staatsreligion gemacht. Aber sie

sind auch nicht ohne Bedeutung. Das Christentum hat um diese Seif4 in Edessa Fuß gefaßt, *) Haraack Mission 2,672s. 2) Julius Africanus in den Kestoi (beiSyncellus Chronogr. 1,676,13 ed. Bonn) Bardesanes p. 607, 11 ed. Nau. Dazu aber W. Bauer Rechtgläubigkeit u. Ketzerei 10. Felix Haase Altchristl. Kirchengeschichle (1925) 85 f. 3) Chron. Edessenum p. 86 — 146,5 cd. Hallier. Irrig beiweifeltvon Dauer 18, Haase 89. 4) Don der Abgarlegende sehe ich ab: vgl. ©.168.

Edessa.

Bardesanes

267

und sein richtungweisender Lehrer ist Bardesanes. Er ist aus der Stadt gebürtig, ein vornehmer Mann, der am Hof des Fürsten lebt und auch in weltlichen Künsten wohl bewandert ist: ein Augen­

zeuge erzählt staunend von seiner Meisterschaft im Bogenschießen \ Aber er ist auch der erste Syrer, von dem wir wissen, daß er in seiner Muttersprache wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben und Gedichte geformt hat: er ist der Schöpfer der syrischen Literatur, die sich auf dem Christentum aufbaut. Euseb spricht von ihm mit großer Achtung, nennt ihn einen vortrefflichen Mann und rühmt ihn als Kämpfer gegen Marcion und andere Häretiker, weiß auch, daß diese Streitschriften ins Griechische übersetzt stnd2. Aber die Syrer der Folgezeit schelten ihn heftig und rechnen ihn unter die

gnostischen Ketzer: und da steht er bis auf den heutigen Tag. Diese Polemik hat eine Fülle von halb und ganz falschen Nachrichten über ihn verbreitet und sein Bild so entstellt, daß es gründlicher Arbeit bedurft hat, ehe die Grundzüge seines Christentums aus einwandfreien Quellen deutlich zutage treten konnten: aber jetzt sehen wir klar2. Außer ein paar griechischen Fragmenten liegt uns der auch von Euseb benutzte „Dialog vom Schicksal" im Urtext vor: dazu tritt noch das Bruchstück eines Gedichtes über die Weltschöpfung, dessen Lücken sich durch einen guten Prosabericht ergänzen lassen, und aus dem wir entscheidende Aufschlüsse gewinnen. Zunächst ist es nicht überflüssig festzustellen, daß Bardesanes sich keineswegs als Sektenhaupt fühlt, sondern sich ganz unbefangen zur großen, die Welt erfüllenden Christenheit rechnet. „Was sollen wir von uns, dem „neuen Geschlecht" der Christen sagen, das Christus an allen Orten und in allen Landen durch sein Kommen hat erstehen lassen? Die wir alle, wo wir auch sein mögen, nach dem einen

Namen Christi Christen genannt werden. An einem Tage, dem Sonntag, kommen wir zusammen, an den bestimmten Tagen fasten *) s. S. 266 Sinnt. 2. 2) Euseb KG 4,30. ’) Grundlegend H. H. Schaeder in ZKG 1932, 21—74. Ausgabe des Textes von F. Na« in der Patrologia Syriaca 2 (1907), 492—657.

268

i2. Syrien und sein Hinterland

wir" — und dann redet er weiter von den Brüdern in Gallien, Parthien, Judaea, Persien und Mesopotamien ohne irgend einen Unterschied zu machen x. Diese Einheit der christlichen Sitte, die unter dem Gesetz Christi steht, tritt bei ihm in Gegensatz zu den mannigfachen Gesetzen der Völker, die der menschlichen Freiheit

entspringen. Bardesanes leugnet nicht die Bedeutung des „Schick­ sals", das im Sternenlauf seine Zeichen hat, beschränkt sie aber auf die körperlichen Dinge und äußeren Lebensumstände: alles sittliche Handeln erfolgt durch die Entscheidung des Willens zum Guten oder zum Bösen. Der Mensch kann sich von allem Schicksals­

zwang lösen und die Freiheit gewinnen, Gottes guten Geboten zu folgen, die dem Wesen des Menschen entsprechen und von ihm freudig ergriffen werdend Das ist ein sittlicher Optimismus, der vom Griechentum her bestimmt ist und auch der ständigen Haltung der griechischen Kirche

entspricht. Erst das Abendland hat in Augustin wieder die paulinische Ablehnung aller menschlichen Leistungsfähigkeit ins christliche Bewußtsein gerufen. Im Dialog des BardesaneS ist das Christen­ tum eine neue, alle völkischen Unterschiede unter sich lassende Lebens­ ordnung, der sich die Menschen von sittlichem Willen freudig unter­ stellen: das haben die Apologeten nicht anders gemeint, und die Lehre des Bardesanes geht hier durchaus mit der gemeinchrisilichen Anschauung, wenn auch über die Anerkennung bestimmter Wir­ kungen des „Schicksals" die meisten Theologen (nicht die Laien!) pflichtmäßig den Kopf schütteln. Aber ein ernsthafter Gegensatz zur katholischen Kirchenlehre war das nicht, und Eusebs Freude an diesem Dialog ist ganz in der Ordnung. Diese Auffassung vom Ziel der sittlichen Willensfreiheit als

einer Lösung des Menschen vom Zwang irdischer Bindungen und als einer Rückkehr zu seinem wahren Wesen hat nun aber eine spekulative Unterlage, die uns aus dem Gedicht von der Welt­

schöpfung klar wird. x) Nau § 46 p. 607s.

Danach waren im Anfang fünf Elemente a) Nau § 11—12 p. 550—553.

Dardesanes

269

Lichtäther, Feuer, Wind, Wasser und die mit der dunkeln Erde

gleichgesetzte Finsternis; durch einen Zufall wurde ihr ursprüng­ liches Gleichgewicht erschüttert, sie vermischten sich alle miteinander, „und sie begannen einander zu beißen wie reißende Tiere". Da

sandte Gott seinen Logos herab, beruhigte durch ihn die toben­ den Elemente und bannte die Finsternis wieder in die Tiefe. Die vier andern Elemente kehrten auch an ihre Örter zurück: nach dem Kampf erstand als neue Ordnung der Dinge der Kosmos, der nun

aber nicht mehr dem ursprünglichen Zustand entspricht, sondern als Restwirkung jenes Kampfes eine Mischung der Elemente darstellt. Insbesondere ist die Helle Klarheit der oberen Elemente durch die Überbleibsel der Finsternis, der Materie, getrübt. „Darum eilen die Naturen alle und die Geschöpfe, sich zu reinigen und das zu tilgen, was ihnen beigemischt ist von der Natur des Bösen". Der Sinn der Weltschöpfung und das Ziel der Weltentwickelung ist also die Ausscheidung der noch übriggebliebenen „Finsternis" — und Finsternis ist, wie wir jetzt merken, das Element des Dösen. Ihre Ausscheidung erfolgt nach den Worten des Dialogs durch einen sittlichen Prozeß, der den Menschen und mit ihm den Kosmos wieder zu seinem lichten und reinen Urzustände zurückführt. Der Mythus ist, wie die uns von den Gnostikern her bekannten Gebilde ähnlicher Art, nur die bildhafte Einkleidung einer spekula­ tiven Weltanschauung. Auf die Frage nach dem Ursprung des Bösen antwortet Bardesanes, das Böse sei Widerstand gegen Gott und Störung seiner Ordnung, entstanden durch Ursachen, die im Wesen der Welt liegen, jedenfalls außerhalb menschlichen Willens und Verschuldens, aber auch außerhalb des göttlichen Wollens, denn — die Clemente sind nicht von Gott geschaffen, sondern mit

ihm gleich ewig. Aber Gott beherrscht sie durch seinen Logos und weist der Menschheit den Weg zur Befreiung vom Bösen durch den

dem Gebot des Logos folgenden guten Willen. Das konnte man alles bei geschickter Auslegung im Alten und Neuen Testament bewiesen finden, und Bardesanes hat es dort auch gefunden und sich mit gutem Glauben Christ genannt. Er befreite Gott von dem

270

i2. Syrien und sein Hinterland

ständigen Vorwurf, daß der Allmächtige das Böse nicht verhindert habe und demnach dafür verantwortlich sei. Aber er tat das, indem er Gott zum Ordner der Welt degradierte und ihm das Schöpferamt abnahm. Und das konnte ihm die Kirche nicht

nachsehn. Dasselbe Problem hatte auch Marcion zu lösen versucht, aber in einer Weise, die dem Vorwurf einer Zweigötterlehre nicht aus

dem Wege ging und in der Gesamthaltung eine Ablehnung der Welt bedeutete: die Weltschöpfung wurde rein negativ als Werk

des minderwertigen, um nicht zu sagen bösen, Demiurgen einge­ schäht, und die Befreiung von ihr durch strenge Askese war der Weg der Erlösung \ Für Bardesanes ist die Weltschöpfung die entscheidende Gottestat, welche die Möglichkeit zur Erlösung schafft: er bejaht die Welt mit ihrem Licht und Glanz und findet in der

menschlichen Seele die stttlichen Kräfte, die fie von der Macht der Finsternis befreien. So ist es begreiflich, daß er gegen die Marcioniten geschrieben hat, deren Sendboten also auch damals schon in Edessa tätig waren. Wenn wir uns aber erinnern, daß um 180 der antiochenische Bischof Theophilus gegen den Ketzer Hermogenes geschrieben hat, den wir aus anderen Quellen leidlich kennen, und daß dieser bereits das Problem des Bösen in der Welt durch die Lehre von der Ewigkeit der Materie zu lösen versuchte, so werden wir vielleicht auf eine Quelle der Spekulation des Bardesanes geführt. Hermogenes redet von der Materie als einer ordnungsund formlosen Masse, die in wilder Bewegung einem brodelnd überschäumenden Kochtopf geglichen habe, bis Gott durch seinen Logos fie beruhigte und den geordneten Kosmos von der un­ geordneten Materie trennte2. Das klingt an die Lehren des Bar­ desanes so deutlich an, daß eia Zusammenhang sehr wahrscheinlich ist: und Hermogenes muß in Syrien Einfluß geübt haben, sonst hätte der antiochenische Bischof schwerlich gegen ihn geschrieben. Aber Hermogenes redet die abstrakte Sprache des Philosophen, *) Bd. i, 268ff. 39- 4i- 44-

2) Hippol. Refirt. 8,17, 2. Tertull. adv. Hermog.

Bardesanes.

Palut

271

Bardesanes gibt den philosophischen Gedanken seiner Theologie als

Dichter lebendige Form. So war man also in Antiochia mit der Lehre von der Ewigkeit der Materie schon zusammengestoßen und kannte ihre Gefahren, und es hat große Wahrscheinlichkeit, daß man hier schneller als anderswo die Ketzerhaftigkeit des Bardesanes begriff. Eine um 400 entstandene edessenische Quelle * behauptet, freilich in

legendärer Verbrämung, Bischof Serapion von Antiochia habe einen Mann namens Palüt jum Bischof von Edessa geweiht. Das

wird jutreffen. Serapion ist antiochenischer Bischof um 200, und wenn er die Bedeutung des Bardesanes richtig erkannte, so mag ihm die Sammlung der Rechtgläubigen in Edessa als wichtige Aufgabe erschienen sein, möglich auch, daß man ihn von dort aus um Hilfe gebeten hat. Er weihte ihnen in der Person des Palüt einen Bischof und sandte ihn an den gefährdeten Ort mit ent; sprechendem Auftrag. Die Gemeinde wurde gebildet, aber sie war eine kleine Minderheit gegenüber der Masse der Christen, die zu Bardesanes hielten und den Christennamen mit Erfolg für sich in Anspruch nahmen. Umgekehrt wie anderswo galt hier die „katho­ lische" Gemeinde als Sekte und mußte sich nach ihrem Haupt und Gründer „Palutianer" nennen lassen: das ist noch bis hoch ins vierte Jahrhundert so geblieben8 und gibt uns die Gewähr, daß Palüt wirklich der erste katholische Bischof der Stadt gewesen ist. Unser Material reicht nicht aus, um die Auswirkung der Theo­ logie des Bardesanes auf das Gemeindeleben und die kirchliche

Praxis in Kultus und Sitte zu erkennen: von Bedeutung sind seine 150 Hymnen gewesen, deren Zahl dem Psalter nachgebildet ist8. Wir hören, daß sein Sohn Harmonios die dichterische Tätigkeit des Vaters eifrig fortgesetzt und seine Metrik unter griechischem Einfluß weitergebildet habe. Und diese Poesie fand freudige Auf*) Doctrina Addai ed. Phillips p. 52,10 = 50. F. C. Burkitt Urchristen­ tum im Orient iof. 27. 2) Ephraem Syrus übers, v. Rücker (Bibl. d. Kirchenväter Bd. 61) 2, 8if. (2, 485s ed. Rom). 3) Ephraem 2, 554 ed. Rom.; vgl. 2,66 ed. Lamy = 2, i8if. Rücker.

272

i2. Syrien und sein Hinterland

nähme im Volk und verbreitete die Ideen ihres SchöpfersAber der Sohn blieb nicht bei der Schlichtheit des Vaters, sondern neigte zu der spielerischen Phantastik der Gnostiker, und so wird auf diesem Wege allerlei gnostisches Gedankengut in die edessenische Gemeinde eingezogen sein. Übrigens ging es um die gleiche Zeit mit der Selbständigkeit des edessenischen Fürstentums zu Ende.

Caracalla

setzte auf seinem Partherzug 216 Abgar IX. ab und gliederte die Stadt als römische Kolonie der Provinz Mesopotamia ein. Auch außerhalb der Stadt Edessa gab es Christen in der Landschäft Osroene — im Osterstreit stnd Briefe aus mehreren Städten dieser Landschaft nach Rom gegangen2 — aber wir finden keine erheblichen Spuren von ihnen in der nächsten Folgezeit. Edessa blieb das Zentrum. Gemeinden in Mesopotamien3 find um 250 dem alexandrinischen Dionysios bekannt3: für Nifibis ist das Vorhandensein von Christen wahrscheinlich, für Hatra ist es bezeugt5, und in der kleinen Grenzfeste Dura hat man jüngst ein Haus mit christlicher Kapelle ausgegraben, das um 230 erbaut sein mag. Und ein ebendort gefundenes Pergamentblatt bezeugt uns, daß als Evangelienbuch Tatians Diatessaron in Gebrauch war, und zwar im griechischen Urtext3. Dadurch wird uns urkundlich be­ stätigt, was uns so viele Zeugnisse der Literatur versichern, daß dies Werk Tatians im syrischen Osten das Evangelium schlechthin war. Aber wir dürfen aus dieser Tatsache auch den Schluß ziehen, daß seine asketischen Anschauungen vom Wesen des Christentums7 hier weitverbreitet waren. Und tatsächlich haben auch bestimmte Kreise katholischer Syrer noch im 4. Jahrhundert die Ehelosigkeit

für die echte Form des Christentums gehalten und die Taufe nur solchen gespendet, die zur Enthaltsamkeit entschlossen waren ®. Das ist alte Tradition des zweiten Jahrhunderts, und man kann Höch*) SozomenoS 3,16, 5—7; dazu Schaeber ZKG 1932, 57. 61 f. und Nau p. 504 f. 2) Euscb KG 5,23,4. 3) Harnack Mission 2,678—698. 4) Cuseb KG 7, 5, 2. 5) Dardesanes p. 608, 8 Nau. •) Excavations at DuraEuropos, Report 5, 238ff.; Kraelmg s. S. 93 Anm. 3. ’) s. S. 186. “) Durkitt Urchristentum im Orient 86ff.

Osroene.

Adiabene.

Einfluß des Judentums

27z

stens darüber streiten, ob Tatian oder Marcion den größeren Anteil an der Ausbreitung dieser Stimmung hat. Aber das Christentum ist auch über den Tigris in die Land­ schaft Adiabene gebracht worden, hat zunächst in Arbela Wurzel gefaßt und stch dann erstaunlich weit ausgebreitet. Wir besitzen eine Chronik dieser Stadt *, die auf Grund älterer Quellen um 550 verfaßt ist und trotz mancherlei Legenden eine ungewöhnlich gute historische Überlieferung auch aus früherer Zeit aufbewahrt hat. Hier wird als Missionar von Arbela derselbe Addai genannt, dessen Name auch in der legendären Urgeschichte der edessenischen Ge­ meinde auftaucht. Der Name ist jüdisch und eine Verkürzung von Adonija, der „Apostel Addai" also jüdischer Herkunft. Das Juden­ tum war in Arbela besonders einflußreich, und zur Zeit des Claudius ist sogar das Königshaus zum Judentum übergetreten2. Die Chronik setzt die Gründung der Christengemeinde in die Zeit Trajans. Man hat die Frage aufgeworfen, ob nicht in diesen Gegenden das Judentum den Anknüpfungspunkt für die christliche Mission ge­ liefert habe, und es ist allerdings eine recht hohe Wahrscheinlichkeit für eine solche Annahme vorhandens. Wir besitzen in den Traktaten des Afrahat ausgiebige Zeug­ nisse für die Verhältnisse des syrischen Christentums um 340, die uns erlauben, Rückschlüsse auf die früheren Perioden zu machen. Diese Christen leben in engster Berührung mit den Juden, werden von ihnen gescholten und verfolgt, aber sie disputieren auch mit ihnen und verteidigen ihre Lehren mit biblischen Beweisen. Und wenn man dies syrische Christentum ansieht, so hat es charakteri­ stische Züge, die nicht nur seine hohe Altertümlichkeit, sondem auch seine Verbindung mit jüdischer Art erweisen. Von Spekulation und Logostheologie ist keine Rede, die Grunddogmen sind in *) E. Sachau Die Chronik von Arbela. Abh. Akad. Berlin 1915 Nr. 6, i7ff. 6if. mit Karte. Felix Haase Altchristl. Kirchengeschichte (1925) 94—109. *) Josephas A. 20, i/ff. Schürer Gesch. 3,169. 3) Sachau Chronik v. Arbela 30.42. Derselbe Zur Ausbreitung des Christentums in Asten (Abh. Akad. Berlin 1919 Nr. 1, 5f.) Ltetzmann, Gesch. b. Alten Kirche 2

274

i2. Syrien und sein Hinterland

wenigen Worten zusammenzufassen und gipfeln in dem Bekenntnis1 zu Gott, dem Welt- und Menschenschöpfer, der Moses das Gesetz gegeben hat, zu Christus und seinem heiligen Geist, der bei der Taufe in den Menschen eingeht und ihm zur Auferstehung verhilft.

Aber damit man diesen Geist behält, muß man die christlichen Tugenden üben, unter denen die Askese einen besonderen Platz

einnimmt. Dies Christentum ist nicht einfach dem Moralismus der hellenistischen Synagoge gleichzusetzen, wie etwa das des ersten Klemensbriefes, aber es ist in seiner betont gesetzlichen Grund­ haltung nur wenig davon verschieden und hat von Paulus zwar

reichliche Zitate, aber keinen Hauch seines Geistes ausgenommen: die betonte Askese führt sogar noch weiter vom Judentum ab. Nur die Geistlehre zeigt ein hellenistisches Element und paulinische Konstruktion. Während aber von dem Streben nach der Unsterblich­ keit auf griechischem Kulturgebiet die ganze Problematik der Trini­ tätsspekulation befruchtet wird, kommt hier eine primitive und mit rabbinischer Phantasie aufgebaute Auferstehungslehre heraus, wobei die religiösen Motive sich auf moralischem Gebiet erschöpfen2. Afra­ hat selbst ist in rabbinischer Gelehrsamkeit nicht unbewandert, und auch die syrische Kirchenbibel zeigt in ihrem Text die Abhängigkeit von jüdischer Tradition. Alles das berechtigt zu der Vermutung, daß in diesen östlichen Gebieten das Judentum im zweiten und dritten Jahrhundert eine ähnliche Rolle als Träger der christlichen Mission wider seinen Willen gespielt hat wie das Judentum der Mittel­ meerländer im ersten und zweiten Jahrhundert. Aber das Christen­ tum ist nicht durch Jerusalem oder das ausgewanderte Juden­ christentum vermittelt worden, sondern hat von Anfang an antiochenische Prägung getragen. Die Verbreitung der Christen ist auch im Osten merkwürdig

stark gewesen. Die Chronik von Arbela zählt uns eine Liste von 17 Bischofssitzen auf, die am linken Tigrisufer liegen und im Jahre 225 bei der Errichtung der Sassanidenherrschaft vorhanden

*) Aphraates Hom. i, 19 ed. Parisot p. 44s. 292ff. Parisot.

2) Aphraates Hom. 6,14 P.

Christentum und Judentum in Syrien.

Ostsyrien

275

waren. Die Reihe beginnt oben im Gebirg in der Nähe des heutigen Diarbekr und steigt bis zum persischen Golf hinab. Dann wird uns ergänzend mitgeteilt, daß Nisibis und Seleukia-Ktesiphon in parthischer Zeit noch keine Bischöfe gehabt hatten „aus Furcht vor

den Heiden", daß dieser Mangel aber unter der Perserherrschaft beseitigt sei. Daß es um 220 Christen im Gebiet der Parther, in

Medien, Persien, Baktrien gegeben habe, versichert uns Bardesanes \ und die Angaben der Chronik von Arbela bestätigen das für das östliche Tigrisufer. Von da aus wird das Christentum nach Osten gewandert sein: eine andere Chronik? erzählt ganz glaubwürdig, daß der Perserkönig Schapur nach der Gefangen­

nahme Kaiser Valerians (260) die von diesem verbannten Bischöfe ins Grenzgebiet habe zurückkehren lassen und römische

Gefangene in Babylonien, der Sustana und der Persis an­ gesiedelt habe: durch diese sei das Christentum kräftig verbreitet worden. Wenn wir hören, daß bald danach in Rew-Ardaschir, dem Sitz des Erzbischofs der Persis (nördlich des persischen Golfes), zwei Kirchen gebaut wurden, eine für griechisch redende, die andere für syrische Christen, so wird uns dadurch ein kultureller Gegensatz klar, der für die Geschichte der Folgezeit von einschneidender Be­

deutung geworden ist. Neben den einheimischen Religionen der Syrer und Jranier breiten sich also im beginnenden 3. Jahrhundert das Judentum und das Christentum weithin nach Osten aus. Das Judentum befindet sich in dem kritischen Stadium einer letzten Auseinander­ setzung mit dem Hellenismus. Noch einmal sehen wir diese Groß­ macht des Abendlandes ihre Kraft eindrucksvoll entfalten: die Synagoge von Dura zeigt uns mit ihren prächtig bemalten Wänden, wie weit diese Juden bereit waren, eigene Tradition dem Reiz hellenischer Kultur zu opfern. Und das war in dieser Gegend ein neues Streben: unter dem Bau des Jahres 245 hat sich eine ältere Synagoge gefunden, die in der bunten Dekoration die völkische x) Bardesanes Nau p. 607s. ’) Chronik von Seert ed. Scher (Patrol. oticnt. 4) p. 222. Sacha» Sitzungsber. Akad. Berlin 1916, 961s. 18*

276

i2. Syrien und sein Hinterland

Sitte noch ängstlich wahrt ’. Das läßt uns auch in diesen Ländem

in einen Kampf zwischen Griechentum und Talmud hineinsehen, dessen Akten der Geschichte verloren gegangen stvd und der zur Tragik im Schicksal des Volkes Israel gehört.

Der Talmud von

Babylon blieb Sieger und gab der Geschichte der Juden die geistigen Richtlinien. Aber wir begreifen, daß auch das Christentum aus diesem Ringen Gewinn hatte und unbefriedigte Seelen an sich zog. Reben dem sich langsam festigenden katholischen Kirchentum blühten Gemeinden der Marcioniten und die in und außer der Kirche wirk­ samen Kreise der Gnostiker — der Osten war nicht minder von religiösen Kräften aufgewühlt als das Abendland. Und in diesem vielgestaltigen Leben wurde eine neue Weltreligion geboren. Ihr Stifter Mani, ein Jüngling aus dem Blut der iranischen Herrscherfamilie, war in Südbabylonien herangewachsen, wo sich sein Vater einer Täufersekte angeschlossen hatte, die einem aske­ tischen Leben huldigte. Hier müssen auch allerlei gnostische Lehren unter christlichem Namen an den Sohn herangetreten sein und sich mit den Grundgedanken seiner angestammten persischen Religion verbunden haben: denn als er mit 24 Jahren auszog, die Welt zu bekehren, war seine Lehre schon in den Grundzügen fertig. Er reiste zunächst nach Indien und gründete dort eine Gemeinde.

Wenn er es nicht schon vorher wußte, hat er jedenfalls hier erfahren, wer Buddha war, und daß der Buddhismus eine große Religion sei: aber Neues hat ihn Indien sichtlich nicht gelehrt2. Zur Zeit der Thronbesteigung Schapurs I. (241) erschien er wieder in der Heimat und begann, vom König gnädig empfangen, seine entscheidende Missionstätigkeit. Mehr als 30 Jahre hat er im Sassanidenreich ungestört wirken und seine Jünger in alle Weltgegenden senden

können. Dann traf ihn eines neuen Königs Zorn, und der Haß der Parsenpriester lieferte ihn ans Kreuz: 276 ist er so gestorben. Er hat seine Lehre in einer Reihe von Schriften zusammenJ) Rostovtzeff in Röm. Qnartalschrist 1934, 206. 2) C. Schmidt Sitznngsber. Akad. Berlin 1933, 47 s. Schaeder Urform u. Fortbildungen d. manich. Systems 87 (in Dorträge d. Bibliothek Warburg 1924/25).

Mani.

Seine Mission

277

gefaßt, über die eine verwirrende Fülle von Nachrichten erhalten ist und die neuerdings auch in Bruchstücken aus Höhlen und Schutthaufen aufzutauchen beginnen.

Und an die Werke des

Meisters hat sich die fortsetzende und erklärende Tätigkeit der Schüler geheftet, die liturgischen Bücher der Gemeinden haben sich weiter entwickelt, und so ist eine Fortbildung der Lehre entstanden, an der sich Generationen moderner Forscher müde gearbeitet haben, bis uns die Entdeckungen der Gegenwart den Schlüssel in die

Hände spielten \ Früher hat man zuweilen gemeint, Mani als christlichen Ketzer auffassen zu können und ihn unter die Gnostiker eingereiht: und das ist insofern richtig, als seine Lehre die charakte-

ristischen Kennzeichen der Gnosis hat. Wenn man will, kann man den Mani als den geschichtlich bedeutendsten aller Gnostiker be­ zeichnen. Aber er selbst will mehr sein und ist auch mehr geworden.

Er will eine Religionsgemeinschaft gründen, welche zum erstenmal die ganze Welt umspannen soll. Alle bisherigen Reli­ gionen sind im Raum beschränkt2: „die im Westen verbreiteten (also das Christentum) sind nicht nach dem Osten gelangt, und die im Osten verbreiteten (Parsismus und Buddha) sind nicht nach dem Westen gelangt. Meine Hoffnung aber wird gehen nach dem Westen und wird gehen auch nach dem Osten, und man wird hören die Stimme ihrer Verkündigung in allen Sprachen, und man wird sie verkündigen in allen Städten. Meine Kirche ist überlegen in diesem ersten Punkte den früheren Kirchen". Und dies Programm einer weltweiten Missionstätigkeit ist Wirklichkeit geworden. Der Manichäismus ist bis Nordafrika im Westen und bis China im Osten vorgedrungen und in einer Fülle von Sprachen gepredigt worden. Im Westen hat er freilich bald sein Ende gefunden, aber in Mittelasien hat er etwa ein Jahrtausend gelebt. Und die Rücksicht auf die Eigenart der Völker hat schon den Meister zu entsprechender Gestaltung der Lehrform veranlaßt: vor den Ohren der Jranier *) S. vorige Anm. und jetzt die Zusammenfassung von Polotsky bei PaulyWissowa Suppl. 6, 240—271* H. H. Schaeder Manichaeismus und spätantike Religion (Zeitschr. f. Missionskunde 50 (1935), 65—85). 2) C.Schmidt S.45.

i2. Syrien und sein Hinterland

278

erklingen Namen, die ihnen aus dem Avesta vertraut sind, in hellenistischen Gebieten treten philosophische Begriffe an die Stelle

mythischer Bezeichnungen, und vor Christen werden die neutestamentlichen Elemente verstärkt. Er verwirft die früheren Re­ ligionen nicht schlechthin, sondern erkennt sie als Vorstufen an und weiß Buddha, Zoroaster und Jesus als gottgesandte Vorläufer zu würdigen. Sich selbst fügt er als den von Jesus geweissagten Parakleten in die dem Christen heilige Reihe der Gottesmänner

ettt1. Der Ausgangspunkt seines theologischen Denkens ist wie bei Bardesanes das Problem des Bösen in der Welt, aber er löst es nicht in dem vermittelnd-optimistischen Sinne des Syrers, sondern

durch das Dogma vom absoluten Bösen, das ewig dem absoluten Guten gegenübersteht: dieser Dualismus ist die Grunderkenntnis, auf der sich alles Weltverstehen aufbauen muß, der sich in dem Gegensatz von Licht und Finsternis, Gott und Materie zum Be­ wußtsein bringt. Und ganz in den Bahnen der Gnosis fortschreitend lehrt Mani weiter, daß diese Welt das Ergebnis einer Katastrophe ist. Die Finsternis strebte nach dem Licht, und aus dem Ringen beider gegensätzlicher Mächte entstand eine Welt der Mischung, in der wir Lichtsubstanz in den Fesseln der Finsternis gefangen sehen. Auch der Mensch ist ein solches Mischgebilde. Aber Gott bedient sich seiner, um die Erlösung des Lichts zu erreichen. Er sendet seinen Gesandten auf die Erde, der den Menschen zum Bewußtsein seines Wertes bringt und ihn den Weg lehrt, auf dem er seine göttliche Lichtsubstanz freimachen und sie zu ihrem Ursprung zurückführen kann. Dieser Weg ist die Askese, die Loslösung von den mate­ riellen Banden des Reiches der Finsternis: vor allem gilt es, auf die Fortpflanzung zu verzichten, welche immer neue Lichtseelen in neue Körper bannt. Aber auch kein Tier darf man quälen oder töten, keine Pflanze abreißen, auch nicht feste Wohnung an einem Ort dieser Welt nehmen. *) ebd. S. 56s.

Wandem muß der „Auserwählte", der

vollkommene Jünger des Meisters, und das neue Evangelium

predigen: für seine bescheidene vegetarische Nahrung sorgt der weitere Kreis der Anhänger Manis, die „Katechumenen", die in

dieser Welt bleiben und durch ihre „Almosen" den Auserwählten den Weg der Erlösung ermöglichen. Die Katechumenen begnügen stch mit der intellektuellen Zustimmung und tätigen Unterstützung

des Glaubens, dem die Auserwählten die Wirklichkeit ihrer Lebens­ haltung weihen. Die eigene Kultbetätigung der Gemeindeglieder beschränkt sich auf die Leistung vorgeschriebener Gebete und Fasten sowie auf das Beichten der Sünden *, das als Selbstbesinnung der Seele auf ihr Wesen heilende Kraft hat. Sakramente und Mystik irgendwelcher Art gibt es im Manichäismus nicht, und da­ durch scheidet er sich von der hellenistischen Gnosis und auch vom Christentum. Diese in ihren Grundzügen klare und einfache Erlösungs­ lehre wird aber nun in Form eines Mythus vorgetragen, der in seinem komplizierten Aufbau und in der Mannigfaltigkeit seiner von überall her entlehnten Bestandteile alles hinter stch läßt, was die frühere Gnosis hervorgebracht hat. Im Lichtreich herrscht der höchste Gott, der „Vater der Größe", dessen Wesen sich in fünf Denkformen entfaltet: ihm gegenüber steht das Land der Finsternis mit den fünf „dunkeln" Elementen Rauch, Feuer, Wind, Wasser, Finsternis, und im gleichen Fünftakt ist die ganze materielle Welt gegliedert, die in unruhigem Drängen sich in sich selbst bekämpft und erst dann ihre Kräfte zusammenfaßt, als sie von ihrer Grenze aus die Herrlichkeit des Lichtreichs erblickt und es zu erobern be­ schließt. Gott sendet zur Abwehr seine personifizierten Kräfte, vor allem aber den „Urmenschen" mit den fünf „lichten" Elementen Luft, Wind, Licht, Wasser, Feuer. Im Kampfe gibt der Urmensch die Lichtelemente preis: sie werden von der Finsternis verschlungen

und so mit ihr vermischt, daß sie mit den ftemden Elementen zu Lebenseinheiten zusammenwachsen und ihre Heimat vergessen. l) Bang Manlch. Laien-Beichtspiegel im Muston 36 (1923), 137—242.

ü8o

i2. Syrien und sein Hinterland

Auch der Urmensch verfällt jeitweilig dieser Bewußtlosigkeit, wird aber — und in ihm der Nus, die himmlische Vemunft — durch

den von oben gesandten „Lebendigen Geist" gerettet. Sodann wird jum Zweck der Erlösung der gefangenen Lichtelemente die Welt geschaffen: ein reich ausgebildeter Mythus schildert daö Straf­

gericht, das der Lebendige Geist an den Dämonen (Archonten) der Finsterniswelt vollzieht, aus deren Haut, Fleisch und Knochen der

Kosmos gebaut wird. Aus rein gebliebenen Lichtteilen werden Sonne und Mond geschaffen als die „Lichtschiffe", in denen sich alle weiteren frei werdenden Lichtteile zur Heimkehr ins Reich ver­

sammeln sollen. Man kann die Zunahme der einströmenden Licht­ menge allmonatlich an der wachsenden Rundung der Mondscheibe

beobachten. Nun steigt der „Dritte Gesandte" hernieder, um das Erlösungs­ werk zu beginnen, dessen ersten Akt die sexuelle Verführung der Dämonen-Archonten durch reizende Lichtwesen bildet: große Lichtmengen werden dadurch frei und machen die Finsternis um den Rest ihres Raubes besorgt. So schafft sie auf phantastisch wilde Weise das Menschenpaar Adam und Eva, die bestimmt sind, den in ihnen wohnenden Lichtkern durch sexuelle Fortpflanzung immer wieder an das Fleisch, also die finstere Materie zu binden und da­ durch weitere Befreiungen unmöglich zu machen. Aber auch dieser Abwehrplan wird zunichte. Jetzt steigt als neue Figur des mythi­

schen Dramas „Jesus der Glanz" zu Adam herab, und lehrt ihn die Lichtart seiner Seele und ihre göttliche Herkunft kennen: damit weckt er in ihm den Widerstand gegen die Fesseln der Materie und die Sehnsucht nach Befreiung. Jesus bringt den „Nus", die göttliche Vernunft, als wirkenden Faktor der Menschheit — etwa das, was die christlichen Apologeten den Logos nennen — und dieser schafft in den Seelen der Menschen die fünf „Glieder der Seele" — d. h. Verstandeskräfte — und die fünf Tugenden Liebe,

Glaube, Vollendung, Geduld und Weisheit: das sind die erlösenden Waffen der Seele im Kampf für ihre Befreiung. Aber die Wirkungen des Nus werden mit der Zeit vergessen.

Der Mythus des Manichäismus

281

und immer neue Boten erscheinen auf Erden, um die Menschen an den rechten Weg zu mahnen: das sind die großen Religions­ stifter, die Mani als seine Vorläufer anerkennt, und deren letzter

Jesus ist. Jesus kann in dem Zusammenhang dieses Mythos natürlich nur als Prediger des Nus gewürdigt werden, er wird auch vielfach mit dem Urmenschen gleichgesetzt oder als sein Sohn bezeichnet, auch wohl dem Dritten Gesandten beige­

ordnet oder an seine Stelle gesetzt — aber sein Leiden und sein Tod erscheinen nicht als historische Ereignisse, als echtes Erleben Jesu. Die Passionsgeschichte ist für die Manichäer ein mythisches Bild und Jesus am Kreuz stellt die an die Materie gefesselte Seele dar. Wenn Mani sich in seinen Briefen nach dem Vorbild des Paulus regelmäßig als „Apostel Jesu Christi" bezeichnet, so stellt er sich damit bewußt in die lange Reihe der gottgesandten Boten des Nus als der letzte und abschließende Verkünder der Lichterlösung. Was nun noch kommt, ist das bereits im Neuen Testament vorausgesagte und geschilderte Ende dieser Welt und der Triumph

des Lichts über die Finsternis. Wenn man sich die mythischen Züge, die hier nur in ganz groben Umrissen wiedergegeben sind, durch zahllose Einzelheiten und Ausmalungen vermehrt und immer wieder durch den Rhyth­ mus der Fünf und der Zwölf gegliedert denkt, so hat man einen Begriff von der Buntheit des manichäischen Weltbildes, das obenein noch durch eine Fülle von Querlinien, unlogischen Einschüben, Gleichungen und Vertauschungen von Bildern, Namen und Be­ griffen ins Unübersehbare verwirrt wird. Und während die Grund­ linien der neuen Religion durch die Jahrhunderte unverrückt ge­ blieben sind, hat sich schon bei Lebzeiten des Meisters die Phantasie der Schule der mythischen Bilder bemächtigt, sie hier weiter aus­ geführt, dort vereinfacht und neue Farben bis zum völligen Ver­ schwinden des Untergrundes aufgetragen. Das ist unseres Wissens

eine charakteristische Erscheinung aller gnostischen Schulen gewesen,

tritt aber beim Manichäismus besonders deutlich in die Erscheinung und hat nicht wenig dazu beigetragen, die Erkenntnis seiner ur-

282

i2. Syrien und sein Hinterland

sprünglichen Gestalt zu erschweren.

Jetzt aber sehen wir, daß schon

in Manis eigenem Denken die gaukelnden Gestalten gnostischer

Phantasie die Herrschaft üben und ihn von nüchterner Beobachtung und einfacher Erkenntnisweise abziehen. Seine Religion ist aus dem Christentum und der Gnosis er­ wachsen und knüpft an beides mit vollem Bewußtsein an: aber der griechische Geist verstandesmäßiger Klarheit ist von ihr ge­ wichen, und die mythischen Erlösergestalten haben die Stimme des Predigers von Galiläa verstummen gemacht. Die historische Verwurzelung der Religion ging verloren, übrig geblieben ist allein die unfaßbare Gottheit, deren Funke in der Menschenseele nach Er­

lösung schreit — und der Mensch, der durch Verneinung dieser Welt sich und Gott erlöst. Einer echten Entwicklung ist diese Religion

nicht fähig gewesen: so hat sie im Randgebiet der Weltgeschichte ein Jahrtausend hindurch mumiengleich ihre Form bewahrt und ihren Geist verloren. Das Christentum fügte sich in den lebendigen Strom der abendländischen Geistesgeschichte und wandelte sich mit ihm durch alle Jahrhunderte: aber unverändert klangen zu jeder Zeit in seinen Kirchen die alten schlichten Worte des Evange­ liums.

Ägypten. Es ist und bleibt eine auffällige Tatsache, daß während der ersten hundert Jahre christlicher Mission, ja noch erheblich darüber hinaus, Ägypten nicht in unsern Gesichtskreis tritt, und daß die spätere Kirchengeschichtschreibung sich bemühen muß, die Lücke mühsam mit einer erdichteten Bischofsliste von Alexandria und einer den Marcus heranziehenden Gründungslegende zu stopfen. Und doch steht Ägypten in regstem Verkehr mit dem schon stark vom Christentum durchströmten Osten und Rom. Das muß einen besonderen Grund haben, und man hat ihn neuerdings1 darin finden wollen, daß in ältester Zeit in Ägypten ein Christentum

geblüht habe, welches in einer schon der nächsten Periode unerträg­ lichen Weise von der kirchlichen Art abwich, mit andern Worten

häretisch war. Davon zu schweigen hatte dann freilich die Ge­ schichtschreibung der Orthodoxie allen Grund. Es ist wirklich so, daß alle Nachrichten über Christen in Ägypten, die sich auf die ersten drei Viertel des zweiten Jahrhunderts beziehen, Ketzer betreffen. In Hadrianischer Zeit beginnt Basilides, in früher Antoninenzeit Valentin seine Lehrwirksamkeit, und um diese großen Gnostiker

schart sich ein Schwarm von Schülern und Gleichstrebenden: auch den Marcioniten Apelles finden wir vorübergehend hier2. Und als ringsum in der Mittelmeerwelt die Gnosis von der Kirche zurückgeschlagen ist, hat sie in Ägypten noch Jahrhunderte lang Nachtriebe gezeitigt, die vor allem in der koptischen Übersetzungs­

literatur, aber auch in griechischer Urform auf Papyrus er­ halten sind. Es kommt dazu, daß ein durch und durch gnostisches Erzeugnis3 durch seinen Namen „Ägypterevangelium" als das in Ägypten schlechthin und zwar im Gegensatz zu unsern vier kano-

309.

’) W. Bauer Rechtgläubigkeit u. Ketzerei 49—64. 2) Bd. 1, 279. 301. 3) Klostermann Apokrypha II (Kl. Texte 8)a S. 12s.

284

iz. Ägypten

nischen übliche bezeichnet wird — das heißt doch aber, daß „die Ägypter" oder genauer gesagt die ägyptischen Christen Gnostiker sind. Nicht minder gnostisch ist aber auch das in Ägypten umlaufende

„Hebräerevangelium", welches von Klemens und Origenes zitiert wird und von dem Text der syrischen Judenchristen1 wohl zu unter­ scheiden ist: möglich, daß es in den Kreisen jüdisch-christlicher Gnostiker in Gebrauch war. Alles das stützt die Annahme, daß in Ägypten —

ähnlich wie in Syrien — das Christentum zuerst in gnostischen Formen Fuß faßte, und daß ein katholisches Kirchentum sich hier erst spät und in härterem Kampf gegen die Gnosis durchsetzte: vermutlich hat Rom dabei entscheidende Hilfe geleistet. Möglich,

daß auch die merkwürdige Selbständigkeit der alexandrinischen Pfarrgemeinden und die späte Entwicklung des Episkopats2 da­ mit zusammenhängen. Jedenfalls ist die katholische Kirche für uns erst in der Person

und mit der Zeit des Bischofs Demetrius (189—231) faßbar, und ihr erster großer Vertreter ist Klemens der Alexandriner. Der war

— aller Wahrscheinlichkeit nach — aus Athen gebürtig, und man gewinnt aus seinen Schriften den Eindruck, daß er ein echter Grieche gewesen ist. Seine Familie hat das römische Bürgerrecht durch einen Flavier bekommen, wie sein voller Name Titus Flavius Clemens lehrt: man hat an den von Domitian Hingerichteten Consular Flavius Clemens2 als Patron gedacht2. Wie der Apologet Justin2 so ist auch er Weisheit suchend durch die Welt gezogen und hat Lehrer in Hellas, Unteritaliea und dem Orient mit Nutzen gehört: aber die Erfüllung alles Sehnens brachte ihm Pantainos, den er in Ägypten fand2. Dieser gehört zu der nicht kleinen Zahl ausgezeichneter Lehrer, deren Gedächtnis nur die dankbare Erinnerung eines überragenden Schülers der Geschichte aufbewahrt hat. Euseb weiß darüber hinaus T) Bd. i, 193. Klostermann Apokrypha II S. sf. Nr. 5. 27. 2) s. 0. S. 54s. 3) s. S. 158. 4) O. Stählin in der vorzüglichen Einleitung zu seiner Übersetzung: Bibl. d. Kirchenväter 2. Reihe Bd. 7 S. 10. °) Justin dial. 2. ®) Clem. Strom. 1, ii, 1—2.

Klemens und die Katechetenschule zu Alexandria

285

noch das Gerücht zu melden, er sei Stoiker gewesen und habe eine

Missionsreise nach Indien \ Die modernen Versuche, seine Vorlesungen aus den Schriften des Klemens herauszuschälen, dürfen als gescheitert geltend Wir müssen Pantainos zu einer

von Klemens öfter zitierten Gruppe von „Presbytern", also zu Männern der älteren Generation, rechnen, die nur mündlich auf ihn gewirkt haben und ihm als verehrungswürdige Träger alt­ christlicher Überlieferung gelten. Jrenaeus weiß sich von einem ganz ähnlichen Kreis von „Presbytern" abhängig. Aber Pantainos war schon darum der Einflußreichste unter ihnen, weil er der Leiter der „alexandrinischen Katechetenschule" war3. Über diese erfahren

wir auch erst in späterer Zeit Genaueres: unter Origenes ist sie ein Zentrum christlicher Wissenschaft und wird von Angehörigen aller Konfessionen und Philosophien besucht, hat auch die Methode des antiken Wissenschaftsbetriebes im Aufbau des Lehrplans

angenommen. Man ist geneigt, diese Weite des Gesichtskreises, welche dem Geist der in Alexandria seit der frühen Ptolemäerzeit heimischen griechischen Wissenschaft entspricht, auch schon den An­ fängen der christlichen Schule zuzuschreiben und sie mit philoso­ phisch-biblisch gerichteten Strömungen innerhalb der ägyptischen Gnosis jusammenzubringen, welche Fühlung mit dem erstarkenden Katholizismus suchten. Mögen nun die Anfänge gewesen sein, welche sie wollen: Klemens wurde der Nachfolger des Pantainos und hat der Schule den Stempel seines Wesens aufgedrückt, und der ist klar und ein­ deutig durch die Formel einer in bewußt katholischem Sinn christ­ lichen Gnosis bezeichnet. Was wir von Lebensschicksalen des Kle­ mens sonst wissen, ist schnell gesagt. Er hat sich zuerst bekannt ge­ macht unter Kaiser Commodus (180—192)4. Die Verfolgung unter Septimius Severus (202/3) sprengte die christlichen Lehrer *) Zusammenstellung aller Nachrichten bei Harnack altchristl. Litt. 1, ryi—296. *2) I. Munck Unters, über Klemens v. Alex. (1933) 173—204. 3) Euseb KG 5, 10, 1. 4. *) Euseb KG 5, 11, 1, dazu E. Schwartz in Euseb KG Dd. 3, 29. Julius Africanus fr. 52 (Routh reliquiae sacrae2 2, 307).

286

IZ. Ägypten

der Stadt auseinander und im Jahre 211 begegnen wir Klemens wieder als dem Überbringer eines bischöflichen Schreibens vom

kappadokischen Caesarea nach Antiochia.

Etwa fünf Jahre später

wird er als tot beklagt2. Ausgiebiger sind die Nachrichten von seiner schriftstellerischen Tätigkeit, die in wünschenswerter Weise unsere Kenntnis über die

erhaltenen Werke hinaus erweitern: Euseb gibt in seiner Kirchen­ geschichte eine Zusammenstellung der ihm bekannten, und der ge­ lehrte Konstantinopeler Photios hat sich (c. 850) die Hauptwerke hei Klemens vorlesen lassen und seinem Sekretär in die Feder

diktiert, was er daran ausjusetzen fand: und das war nicht wenig3. 4 Erhalten sind drei große Werke und ein kleiner Traktat, von anderem nur kurze Nachrichten und Bruchstückes Die drei Hauptschriften stehen in einem inneren Zusammenhang miteinander, und man darf sie trotz aller gegen diese Bezeichnung vorgebrachten Bedenken getrost eine Trilogie nennen. Die erste will den Leser für das Christentum werben, die zweite in christlicher Lebenshaltung unter­ richten, die dritte das Idealbild des in die Tiefen des Wissens ein­ geweihten vollkommenen Christen zeichnen. Der Plan steht dem Klemens schon früh fest, aber in der Ausführung des dritten Teils ist er schwankend geworden und hat ihn nach mannigfachen Ver­ zögerungen schließlich unvollendet hinterlassen müssend Klemens steht mitten in dem bewegten geistigen Leben seiner Zeit und schaut die Fülle der Gesichte, die nirgendwo so bunt ent­ faltet wurde wie in Alexandria. Hier war exakte Wissenschaft zu Hause, und noch lag der Abglanz versinkender Herrlichkeit über ihr. Als Klemens die Stadt betrat, war der Astronom Claudius Ptole­

maios, der Schöpfer des über das folgende Jahrtausend hinaus maßgebenden Weltbildes, vor kurzem gestorben. Die Philologie s. S. 163 Euseb KG 6, 3,1. 2) Euseb KG 6,11,6. 14,9. Harnack Chronologie 2,6. 3) Euseb KG 6,13,1—7. Photios bibl. cod. 109—ui. 4) Ausgabe von O.Stählin 1905 bis 1909. Übersetzung des Protr. und Paedag. in Dibl. d. Kirchenväter, 2. Reihe Dd. 7. 8 (1934); ein weiterer Band sieht bevor. 5) Clem. Paed. 1, 1—2. Strom. 4, 3.

Klemens als Schriftsteller

287

wahrte noch ihre Tradition, und Apollonios Dyskolos schrieb über griechische Formenlehre und Syntax. In dem benachbarten Naukratis saß Athenaios und komponierte aus dem Inhalt mehrerer Handbücher und jahlreicher Zettelkästen ein platonisches Gastmahl, wie es Aulus Gellius ähnlich dem Abendland vorsetzte: und das gebildete Publikum ließ sich gerne dazu einladen. Tot waren damals

auch schon die großen Gnostiker, aber ihre Schulen lebten und wirkten auf Christen und Heiden.

Lebendig war vor allem aber im Kreise

philosophisch Suchender Plato, und sein kommender Prophet Ammonios trug noch unentdeckt die Lastsäcke in die Magazine am

Hafen. In dieser Welt war Klemens zu Hause: für sie hat er geschrie­ ben und hat auch seine Leser gefunden, denn er besaß ihr Bürger­ recht und brauchte nicht um Anerkennung zu kämpfen, wie etwa

Justin und seine apologetischen Gefährten. In Alexandria war die Geschichte des Geistes schneller vorangeschritten als anderswo, und

das bedeutete bessere Bahn für das Christentum. Klemens ist Philosoph und Gnostiker, Philosoph am Anfang, Gnostiker am Ende, aber beides als Christ: und er will der Welt beweisen, daß eben in dieser Vereinigung die Lösung ihrer Rätselfragen liegt und zugleich die vollendete Einsicht in die scheinbar so einfachen und grobschlächtigen Lehren der katholischen Kirche erschlossen wird. Und er trägt diese Meinung seinen Lesern vor in der Sprach- und Stilform, die man von einem eleganten Schriftsteller forderte. Er gibt sich Mühe, attisch zu schreiben, braucht, wo es ihm gut scheint, den in der Sprache des Lebens schon sterbenden Optativ

und flicht gelegentlich auch schöne Dualformen und andere gramma­ tische Leckerbissen ein. Die Sätze werden rhetorisch wirkungsvoll gebildet, und gleichgebaute Glieder zu zweien, zu dreien oder in längeren Reihen, gern auch mit rhythmischem Gleichklang, erfreuen den Hörer. Dann wieder rollen künstliche Perioden rauschend dahin, erfüllt mit Worten einer pathetischen Sprache. Was die Zeit an

Mitteln wirkungsvoller Redekunst liebt, wendet Klemens an, um zu siegen, und er versäumt auch nicht, ab und zu seine „ungekünstelte"

288

i3. Ägypten

und „nur der Sache dienende" „schlichte Sprache" in Gegensatz zu stellen gegen das „gezierte Turteltaubengirren" des üblichen „sophi­

stischen Ohrenkitzels": auch diese Phrase gehört zum Handwerk Wie Tertullian im Westen, so ist Klemens im Osten (wo es schwerer war) -er erste Christ gewesen, den die literarische Welt als vollwertigen modernen Schriftsteller anerkennen mußte. Klemens war ihr ein Sophist so gut wie Aristides oder Philostrat, und man konnte seine Schriften mit ihrem sonderbaren Inhalt zur Hand nehmen, ohne

den guten Geschmack zu verletzen. Da gab es zunächst einen „Protreptikos", eine „Werberede": das war ein beliebter Titel für rednerische Erzeugnisse, welche die Menschen ermuntern wollten, einen bestimmten Entschluß zu fassen, sowohl in der politischen Rhetorik wie im philosophisch-sittlichen Wirkungsgebiet: Aristoteles hatte einen Protreptikos geschrieben, dann auch Epikur und eine ganze Reihe Stoiker, darunter Kleanthes, Chrystpp und Poseidonios. Klemens wählt den gleichen Titel, um dem Leser anzudeuten, daß er für das Christentum gewonnen werden soll, aber hier so gut wie in den andern Schriften vermeidet er mit gutem Grund den trockenen Ton des philosophischen Schul­ meisters und redet als eleganter und moderner Sophist: den Ernst des Zuspruchs bringt die Sache schon von selber zum Bewußtsein. Amphion, Arion und Orpheus lassen ihre Zauber­ lieder klingen, und auf die Leier des Cunomos fliegt die hilfreiche Zikade — aber was bedeuten die alten Weisen? Irrtum und bakchische Raserei, Knechtschaft unter der Dämonen Tyrannei. Jetzt tönt der Wahrheit ewige Weise im neuen Lied des göttlichen Logos „lösend Kummer und Groll und macht des Leides vergessen". Dies reine Lied der Harmonie klingt bis an der Welt Enden und schließt alles fügsam ineinander nach Gottes väterlichem Willen. Leier und Kithara stnd seelenlose Instrumente, die der Logos ver­ schmäht. Sein vielstimmiges Instrument ist die große Welt und der Mensch, die kleine Welt, zu dessen geistgewirkter Harmonie er 1) Clem. Strom, i, 22, 4—5. 2, 3,1 u. ö.

Klemens: Protreptikos

289

Gott sein Loblied singt. Das ist des neuen Liedes Sinn, daß dieser Logos, der im Anfang war und die Welt geschaffen hat, uns leuch­ tend erschienen ist als Christus der Helland und Lehrer rechten Lebens, das zum ewigen Leben führt. Wir spüren in solchen Worten der Einleitung ein christliches Lebensgefühl, wie es uns bisher noch nicht begegnet ist. Nicht die trotzige Kampfstimmung der Apologeten, die Unrecht abwehren

und mit bitteren Worten Gerechtigkeit fordern, nicht der fanatische Haß und die advokatorische Schärfe Tertullians, sondern über­

legenes Selbstbewußtsein und ruhige Sicherheit formen die Gedanken

mit dichterischer Kraft zu einem triumphierenden Hymnus auf Christus als den Bringer der letzten und ewigen Wahrheit. Gleich die ersten Abschnitte des Buches führen den Leser auf die Höhe: vom Logos der Welt soll die Rede sein, und dieser Logos ist als Christus erschienen, in der Bibel geweissagt, vom Täufer Johannes verkündet. Und dann fpürt der Leser mit scharfem Unbe­ hagen, wie es bergab geht, wenn Klemens ihn zu den verstummten Orakeln vergessener Götter, zu den Schamlosigkeiten obfturer Mysterien führt. Nun mündet Klemens fteilich in den Strom der üblichen Polemik gegen den antiken Götterkult ein, es werden die

unvermeidlichen Themata ausgiebig abgehandelt, und die Sibylle tritt als Zeugin der biblischen Wahrheit zur Seite. Die Philo­ sophen werden abgehört und Plato, der hart vor der Tür der letzten Gotteserkenntnis stehen bleibt, muß bekennen, daß die Hebräer seine Lehrmeister gewesen sind. Auch Xenophon, Kleanthes und

am eindringlichsten Pythagoras werden als Verkünder einer wahren Gotteslehre aufgerufen. Ihnen folgt die Schar der Dichter in ausgewählten Zitaten, die einer uns auch sonst faßbaren Blumen­ lese entnommen sind, und dann schließen sich mit eindrucksvoller

Selbstverständlichkeit die Propheten des Alten Testaments an,

denen die Sibylle beigegeben wird, als könnte es gar nicht anders sein. Dieses absichtliche Verwischen der Grenze zwischen hellenischem und biblischem Schrifttum erhebt die Einheitlichkeit der göttlichen Offenbarung in der ganzen Welt zu einer unausgesprochenen UberLietzmann, Gesch. t>. Alten Kirche 2

19

13- Ägypten

290

jeugung, der sich im Folgenden die Lehren der neutestamentlichen Schriften zwanglos anfügen. Und wenn sich dann die tausend

Stimmen aus aller Welt mit göttlicher Harmonie zur Einheit

zusammenfinden, dann wird es ein einziger, gemeinsamer Gesang, den als Chormeister der Logos leitet, bis er in das Thema der letzten Wahrheit ausklingt, das da lautet „Abba, lieber Vater" P Soweit geht die Darlegung im großen Zug. Nun kommen Bedenken der Angeredeten zu Wort, und eindringliche Ermahnungen

häufen Ernst und Spott dawider, um die noch schwankenden Herzen zum heilbringenden Entschluß zu treiben: immer neue Gründe findet die Rede des Seelsorgers, bis sie endlich in lichte Bilder ausmündet. Auf der Tod drohenden Klippe sitzen die Sirenen und singen das verführerische Lied von der Lust der Welt. Bleib im Schiff, das der Logos sieuert, und binde dich wie Odysseus an den Mast: dann läufst du sicher in den himmlischen Hafen ein, wirst auf Gottes heiligem Berg die Mysterien des Logos feiern,

mit den Gerechten und Engeln den Reigen tanzen um den ungewordenen, unvergänglichen, wahrhaft einzigen Gott. Jesus ruft der Menschheit zu, allen die Vemunft besitzen, Barbaren und Hellenen, dem ganzen Menschengeschlechte, das er schuf nach dem Willen des

Vaters: Höret, ihr tausend Stämme, kommt zu mir — und nun folgt ein rhetorisches Finale von auserlesener Kunst: Jesu Rede gewinnt immer mächtigere Klänge, kurze Satzglieder hämmern mit scharfen Akzenten auf den Hörer ein; Unsterblichkeit, Aphtharsia, Gnosis leuchten auf und klingen aus in den Heilandsruf „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch er­ quicken!" Es folgt des Klemens Abgesang: erst noch im siürmischenTempo, dann langsamer werdend nimmt er Christi Mahnung auf und stellt den philosophischen Hörer vor die Wahl „Wahrheit des Logos oder Wahn der Massen?" Zu Gottes Freund macht dich der Logos und

so wird alles dein, wie alles Gottes ist, denn gemeinsam ist der Freunde

*) Siem. Protr. 88, g.

Klemens: Protreptikos. Paidagogos

291

Habe. Nun darf es ausgesprochen werden: Allein der Christ ist fromm und reich und hochgeboren, Gottes Ebenbild; wir glauben, daß, wer mit Vernunft gerecht und heilig ward durch Christus Jesus, auch schon in solchem Maß Gott ähnlich ist. Don dieser Gnade kündet des Propheten Wort „Ich sprach: ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten". Das ist das Letzte, was Klemens dem Griechen zu sagen hat: er will ihm den Weg zur Vergottung zeigen; die Erfüllung tiefster Menschensehnsucht ist Christi Ver­ heißung. So schließt der Protreptikos. Das zweite Werk des Klemens knüpft unmittelbar an das erste an und entwickelt zunächst dem Leser den Plan einer Trilogie.

Hat der Logos das sittliche Streben eines Menschen gewonnen — und das war das Ziel des Protreptikos — so tritt er nun als Er­ zieher an ihn heran, um beratend und tröstend seine Seele zu bilden: so ist das Thema des nun beginnenden Werkes Christus als Erzieher (Paidagogos). Einer künftigen Abhandlung soll die Darstellung Christi als des Lehrers (DidaskaloS) vorbehalten bleiben, worin von theologischer Lehre und Offenbarung die Rede sein wird. Hatte sich Klemens im ersten Werk wesentlich an die Heiden gewendet und auf ihre Meinungen und Vorurteile Rücksicht genommen, so grenzt er im Paidagogos seine Lehre deutlich von den Theorien der Gnostiker ab, denen zwischen Glauben und Erkenntnis die tren­ nende Kluft liegt. Auf der einen Seite stehen ihnen die Psychiker, die Durchschnittschristen der katholischen Kirche, die mit blindem Glauben vorlieb nehmen und die Bibel wörtlich verstehen, auf der andern die Pneumatiker, denen der Geist die Erkenntnis göttlicher Geheimnisse zeigt, und die durch den Buchstaben des Schrtstwortes zum tieferen Sinn durchdringen. Sie, und sie allein, sind die voll­ kommenen Christen. Davon will Klemens nichts wissen.

Wer getauft wurde, ist dadurch vollkommener Christ geworden: erleuchtet, Sohn Gottes,

vollendet, unsterblich — wie Christus durch seine Taufe uns das Vorbild gab. Die Taufe versetzt den Christen mit einem Schlage aus dem Reich der Finsternis in die lichte Helle der Erkenntnis

19*

292

i3. Ägypten

Gottes, die Sünden fallen wie ein dunkler Nebel von ihm ab, und mit des Geistes reinem Auge blickt er himmelwärts, Göttliches

zu schauen. Wir alle, die getauft stnd, haben die irdischen Begierden abgelegt und sind geistliche Menschen, Pneumatiker, vor dem Herrn. Glaube ist das Wesen des Christenlebens in der Zeit, er nimmt voraus, was künftig sein wird und ist insoweit allumfassend und vollendet — denn was kann höher stehen als das ewige Leben,

das der Glaube ergreift, und das doch erst nach der Auferstehung Wirklichkeit wird. Gnosis ist vom Glauben nicht wesensverschieden, sondern ist nur das Bewußtwerden des neuen Lichts'. Wenn man den Paidagogos liest, so ahnt man nicht, was Klemens später aus dem Schlagwort Gnosis zu gewinnen weiß. Wir haben gesehen, wie die Frage nach dem Ursprung des Bösen, der Sünde, die Seelen christlicher Denker immer neu be­ unruhigt hat. Klemens reduziert mit gelegentlichen Seitenblicken auf gnostische Meinungen bas Problem auf die Untersuchung, ob

Gerechtigkeit mit Güte, Zorn und Strafe mit freundlicher Ver­ heißung bei Gott vereinbar sei, und hat in seinem Zusammenhang

die Lösung vom Standpunkt der göttlichen Erziehung aus leicht zur Hand: er kann sich nicht bloß auf Bibelstellen berufen, sondern hat auch Platos Gorgias zum Zeugen, und stellt falschen Vor­ stellungen von Gottes Zorn bas Bild des gerechten Gottes ent­ gegen: „Wer die Wahl hat, trägt die Schuld, Gott ist schuldlos" sagt Plato, und Paulus stimmt ihm zu. Im freien Willen des

Menschen liegt die Ursache der Sünde2 — abet in dem Hauch des Gottesgeistes, den der Mensch bei der Schöpfung empfing, liegt der Wert des Menschen, den Gott liebt und der ihn seinen eingebornen Sohn auf die Erde senden hieß3. Da berührt sich Klemens mit der Gnosis, die von dem im Menschen ruhenden und Gott zur Erlösung drängenden Lichtfunken oder Pneumakeim zu reden weiß4. Den Menschen, den er aus Staub gebildet, gebiert Gott neu *) Clem. Paed. 1, 25—31; vgl. 32—52. 2) Clem. Paed, i, 62—70; vgl. Plato rep. iop. 617«. 3) Clem. Paed. 1, 7—8. *) s. S. 282 und Dd. 1, 312.

Klemens: Paidagogos

2YZ

durch Wasser, läßt ihn wachsen durch den Geist, erzieht ihn durch das Wort, leitet ihn durch seine Gebote zur Sohnschaft und zum Heil, damit er den Erdgebornen durch sein Hinzutreten umbilde zum heiligen und himmlischen Menschen «nd so das Schriftwort erfülle: „Lasset uns einen Menschen machen «ach unserm Bild und

Gleichnis." Und was Gott da gesagt hat, das ist in Christus voll­ kommen erfüllt, bei der übrigen Menschheit bleibt es bei dem „Bilde".

So wollen wir denn den Willen des Vaters erfüllen,

das Wort des Logos-Paidagogos hören und das heilbringende Leben unseres Heilandes nachleben. Er gibt uns die Gebote und beschreibt ihre Art, sodaß wir sie erfüllen können. Dies Leben ist schlicht und anspruchslos, selbstgenügsam und wandert ohne Sorgen­

last der Ewigkeit entgegen. Der Logos lenkt es mit seinen vernunft­

gemäßen Weisungen. Was der rechten Vernunft zuwider ist, das ist Sünde und wirkt sich aus in Leidenschaften. Gehorsam gegen die Logosvernunft ist das, was wir Christen Glauben nennen, und das führt von selbst zur Erfüllung der von den stoischen Philosophen so genannten „Pflichten". Das Christenleben, zu dem der Paidagogos uns jetzt anweist, ist eine Summe vernunftgemäßer Handlungen, die sich mit den Geboten des Herrn deckt, göttlichen Sätzen, die uns zur geistigen Anleitung in der heiligen Schrift ausgezeichnet sind*.

Damit ist die Grundlage der christlichen Sittenlehre gegeben: Christus der Logos, das Weltprinzip der Vernunft, hat die Erziehung des jungen Christenvolkes selbst in die Hand genommen. Er hat seine Gebote in der Bibel Alten und Neuen Testaments aus­ gezeichnet, wirkt ihre Erfüllung im einzelnen Christen durch seinen heiligen Geist, bestimmt aber auch sonst ringsum in der Welt alles pflichtmäßige Handeln, weil „Pflicht immer der Ausfluß eines vernunftgemäßen, also vom Logos stammenden, Grundsatzes ist. So ist es nicht wunderbar, sondern eine innerliche Notwendigkeit, daß christliche und stoische Ethik zusammenstimmen. Das wird *) Clem. Paed, i, 98—103.

294

iz. Ägypten

schon in den Schlußkapiteln des ersten Buches des Paidagogos deutlich und zeigt flch auf Schritt und Tritt in den beiden folgenden

Büchem, die nun die praktische Ausführung der Grundsätze bringen. Klemens ist auch darin Schüler der Stoa, daß er Ethik nicht nur in allgemeinen Wendungen entwickelt, sondern auch systematisch die Lebensgebiete durchgeht und an einzelnen Beispielen seine Lehren

klarmacht — was wir Kasuistik nennen. So führt denn das Werk mit dem Beginn des zweiten Buches sofort in das tägliche Leben herein. Nacheinander wird gehandelt vom Essen, vom Trinken, von kostbarem Hausrat, von Mustk und Tanz und sonstiger Unterhaltung bei Gastmählem, vom Lachen, vom Zotenreißen, vom anständigen Benehmen in Gesellschaft, von Salben und Kränzen, vom Schlaf, vom Geschlechtsverkehr, vom Kleiderluxus, von der Fußbekleidung, von kostbarem Schmuck

— das sind die Themata des ersten Buches. Es ist bezeichnend, daß sittliche Mahnung und Anstandsregel hier Hand in Hand geht, biblische Begründungen mit philosophischen Erwägungen und dem typisch stoischen Hinweis auf das Naturgemäße und darum Ver­

nünftige in engster Verbindung stehen. Einfache Nahrung ist gesund, Schwelgerei verdirbt den Magen

und macht den Menschen krank. Die Prasserei der reichen Genießer ist verächtlich mit ihrer unersättlichen Jagd nach neuen Leckerbissen.

Und wenn ein solches Gelage mit seinen duftenden Braten und leckeren Ragouts gar ein christliches Liebesmahl genannt wird, so ist das eine Lästerung des Logos. Cs ist wohl zu unterscheiden zwischen dem Liebesmahl der Agape und jeder anderen geselligen Mahlzeit, die übrigens durchaus gestattet und von Christus selbst gebilligt ist. Wir müssen die Gaben der Nahrung als Herren ge­

brauchen, aber nicht als Sklaven von ihnen abhängig werden. Sind wir einer Einladung gefolgt, so müssen wir auch von den darge­ botenen Speisen nehmen, aber stets mit Maß, ohne Gier und warten, bis die Reihe an uns kommt. Es ist unanständig und unver­ nünftig, sich aufzurichten und die Nase über die Schüsseln zu halten, um den Duft zu riechen, mit den Händen in den Speisen zu wühlen,

Klemens: Paidagogos.

Dom Reichtum

295

mit vollen Backen zu kauen, daß die Kopfadern anschwellen und der Schweiß herunterläuft. Man muß sich auch hüten, seine Hand, das Tischtuch oder den Bart zu beschmutzen, mit vollem Munde ju reden oder zugleich zu essen und zu trinken. Vom Übel sind auch die Speisen, deren Zweck es ist, den Appetit zu reizen: reizvolle Abwechslung kann auch ein einfaches Mahl darbieten. Gut ist der Mittelweg in allen Dingen und nicht zum wenigsten bei der Tafel­ frage: die Extreme sind gefährlich, die Mitte ist gut. Mitte ist aber da, wo nichts Notwendiges fehlt. Denn die natürlichen Begierden In dieser Belehrung stimmen Moses und Platon überein *. Das ist nur ein Beispiel, aus dem sich die Art ersehen läßt, wie Klemens seine christliche Ethik schreibt; es zeigt aber zugleich

finden ihre Grenze am genügenden Maß.

auch, für wen er schreibt. Nicht für den Christen schlechthin, sondern für die Reichen und Gebildeten unter ihnen, denen Luxus der Tafel, der Kleider, des Schmuckes tägliche Verlockungen sind, und die mit Leuten verkehren, denen der Lebensstil der oberen Zehntausend in der reichen Handelsstadt Alexandria eine Selbst­ verständlichkeit ist. Es sind dieselben Kreise, für die er auch seinen Traktat vom reichen Jüngling geschrieben hat, Kreise, denen das Wort vom Kamel und dem Nadelöhr bitter im Ohre klang, und die zwar dem Herrn nachfolgen wollten, aber so wenig wie der reiche Jüngling Lust hatten, alle ihre Habe zu verkaufen und den Armen zu schenken. Klemens tröstet sie mit der Versicherung, das sei auch nicht wörtlich zu verstehen. Nicht wirkliches Veräußern des Ver­ mögens befiehlt der Herr, sondern das Herz vom Besitz zu lösen und sich von allem Begehren und Sorgen danach zu besteien. Armut allein bringt nicht zu Gott und Verschenken der Habe macht noch keinen Christen. Entscheidend ist die Haltung der Seele. Wer seinen Besitz weggibt, aber ihn nachher schmerzlich entbehrt und sich nach ihm sehnt, hat nur Schaden von seinem Tun. Viel besser isss, selber genug zu haben, nicht darum sorgen zu müssen ) Clem. Paed. 2, 1—18.

2y6

iz. Ägypten

und andern helfen zu können. Wie sollte denn die menschliche Gesellschaft bestehen, wenn keiner etwas besäße? Reichtum ist bei rechtem Gebrauch ein Helfer zur (Sitttytstelt1. Was am Ende des zweiten Jahrhunderts in allen größeren

Städten Tatsache war, nämlich das Eindringen des Christentums in die Oberschichten, hat in Alexandria die Theologie auf den Plan gerufen und ihr die Frage nach dem Gesamtverhältnis von Kultur und Christentum gestellt: und Klemens hat nicht gezögert, die Frage in positivem Sinne zu beantworten. Das hatten die Gnostiker vielfach auch getan, aber Klemens ist nicht gesonnen, von den sittlichen Forderungen der Religion irgend etwas abzulassen und damit die Freundschaft der Kultur zu erkaufen. Ebensowenig billigt er den fanatischen Haß gegen diese Welt und die rauhen

Formen der Askese, die ihn zuweilen zum Ausdruck bringen. Die stoisch-kynischen Philosophen sind nicht selten auch diesen Weg der Weltablehnung in drastischer Weise gegangen, und Klemens hatte die Beispiele vor Augen. Er bejaht die Welt und die Formen der Gesellschaft als ein Wirkungsfeld der christlichen Nächsten­ liebe^ und will sie nur als Gegenstand des Begehrens aus der Seele gelöst wissen: und damit trifft er als Christ die gleiche Ent­

scheidung, die wir auch bei den vornehmsten Vertretern der Stoa finden. Der Unterschied ist nur der, daß der kühle Unterton dieser Philosophie einer warmherzigen Liebe und Hilfsbereitschaft Im Dienste Gottes weicht: und bas ist entscheidend. Auf diesem Wege ist der Gedanke einer Christianisterung der Welt aus den

Regionen apokalyptischer Phantasie in den Wirkungsbereich ge­ schichtlicher Kräfte überführt worden.

Die beiden ersten Schriften der Trilogie sind Mahnungen, die eine an Heiden, die andere an Christen gerichtet. Die dritte sollte lehrhaften Inhalts sein, von christlicher Wissenschaft und

Offenbarung handeln. Klemens hat die Kraft dazu nicht gehabt, dieses Buch zu schreiben. Er hätte da straff disponieren und seine

*) Giern, quis dives salvetur 11—14. 30-35.

4) Giern, quis dives salvetirr

Klemens und die Kultur.

Die Stcomaleis

297

leitenden Gedanken über die Lehren des Christentums in syste­ matischem Zusammenhang und übersichtlicher Darstellung bis ins einzelne vorlegen müssen. Das konnte er nicht, denn er war kein Systematiker. Das zeigt sich schon mit völliger Deutlichkeit in den

beiden vorausgegangenen Werken. Feine Ausführung von Einzel­ heiten, glückliche Formulierungen, überraschende Übergänge, pracht­ volles Pathos auf den Höhepunkten mit rhetorischer Meisterschaft zur Wirkung gebracht — das alles steht ihm zur Verfügung. Aber ein umfangreiches Material übersichtlich zusammenfassen und mit logischer Klarheit disponieren kann er nicht. Er freut sich an der Fülle des ihm zufließenden Stoffes, aber er beherrscht ihn nicht. Und darum konnte er den geplanten Didaskalos nicht schreiben. Aber seine Not wird ihm zur Tugend. Denn ihm ist feste Überzeugung, daß in der heiligen Schrift der Grundsatz durch­

geführt sei, die letzten Wahrheiten über göttliche Dinge zu ver­ bergen, und daß es darum auch für den Theologen der Gegenwart Pflicht sei, diesem Beispiel zu folgen und das Beste und Tiefste an Erkenntnis zu verstecken, so daß es nur der unverdrossene Sucher finden kann. Dafür war die Form einer lehrhaften Zusammen­ fassung, wie sie der Didaskalos hätte bieten müssen, ungeeignet. So wählt er für die nun folgenden umfangreichen Darlegungen die ihm nach seiner Veranlagung auch besser liegende Literatur­

form des „Stromateus", d. h. des „Teppichs". Der Titel ist einer von den in der zweiten Sophistik beliebten Namen, zu denen auch „die Wiese", „der Musenberg", „die Honigwabe" und die uns schon bekannten „Gastmähler", „Attischen Nächte" und dergleichen gehören. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, daß ein bunter und mit den mannigfachsten Reizen ausgestatteter Inhalt in lockerer Form und anmutigem Wechsel dargeboten werden soll.

Es wird der leichte und unterhaltende Stil des journalistischen Essays angekündigt, und der Leser soll wissen, daß er vor dem

trockenen Ton des pedantischen Gelehrten sicher ist. Das trifft denn auch manchmal zu, aber unter den erhaltenen Beispielen gibt es auch solche, welche auf unsern Geschmack nicht eben reizvoll wirken.

2y8

13. Ägypten

Der schriftstellerischen Art des Klemens liegt diese Literatur­ gattung vorzüglich. Er ist aller Fesseln einer systematischen Dis­ position ledig, kann seine reiche Belesenheit und seine ernsthafte Denkergabe zur Geltung bringen, wo und wann und wie es ihm beliebt, kommt von einem Thema auf das andere und findet sich dann nach langen Umwegen plötzlich wieder zum Hauptweg seiner Wanderung zurück, bringt einen Leser, der mit dem Stift in der Hand den logischen Zusammenhang seiner Erörterungen aufzu­ spüren strebt, zur Verzweiflung und eröffnet sich nur dem, der Zeit hat, ihn ganz ausreden zu lassen, und Geduld, das Gelesene

immer wieder durchzuprüfen und nach den Samenkörnern, den Goldadern, den Nußkernen, den Kohlenfunken zu suchen, die in der scheinbar so wirren Fülle des Gebotenen klüglich versteckt sind. Klemens will das Auffinden seiner tiefsten Wahrheiten dem Leser

schwermachen und Unberufene vom Besuch des heiligen Bezirks abschrecken. Das erklärt er ausdrücklich für seine Pflicht, weil er die Perlen der christlichen Wahrheit nicht vor die Säue werfen darf'. Wenn man sich erinnert, daß Gellius? in der Vorrede zu seinen „Attischen Nächten" gleichfalls feierlich die Unberufenen von dem Eintritt in die Mysterien seines gelehrten Sammelsuriums zurückweist, so merken wir, daß solche Wendungen zum Stil der

Literaturform gehören und an sich nicht allzu ernst genommen werden. Aber bei Klemens ist damit theologisch Ernst gemacht. Freilich: in Wirklichkeit hat er keine Geheimnisse versteckt, sondern lediglich die ihm besonders am Herzen liegenden Gedanken theo­

logischer Erkenntnis mit tausend andern Dingen vermischt und dem Leser überlassen, sie sich selbst zu suche». Diese Grundtendenzen heben sich denn auch bei einer zusammen­ fassenden Betrachtung deutlich aus der Fülle der Erörterungen heraus. Da ist zunächst seine Verteidigung der Philosophie gegen den Borwurf, sie sei dem Christen nichts nütze und gefährde nur den Glauben. Damit hebt sein Buch gleich an und stellt die These auf, *) Strom, i, 18. 20—21. 55—56. 2,3,3—5. 4,4,i—3. 6,2,1. 7, 110 bis in. 2) Gellius Noct. attic. praef. 19—21.

Klemens: Die Stromateis.

Christentum und Philosophie

2YY

daß die Philosophie ein Gottesgeschenk sei, das den Griechen von der göttlichen Vorsehung gespendet wurdet Es gibt allerdings nur eine Wahrheit, das ist die durch Christus erfolgte Offenbarung des göttlichen Logos: und die kann man ohne Philosophie, ja ohne alle Bildung durch den Glauben erfassen. Aber wie ein und dieselbe Münze je nach ihrer Beziehung zur Wirtschaft sowohl als Fährgeld wie als Zins wie als Miete wie als Lohn wie als Kauft preis wirksam werden kann, so kann die Wahrheit in der Form der Mathematik oder der Musik oder der Philosophie erscheinen. Es werden dann im Cinzelfall nicht alle Funktionen der Wahrheit erfaßt, so wenig wie im einzelnen Fall des Beispiels alle Funktionen der Münze, aber so wie es hier stets echte Münze ist, so dort stets echte Wahrheit. Und darum kann die griechische Philosophie dem Christen entscheidende Dienste leisten, wenn er auf vernünftigem Wege zur Erkenntnis des Glaubensinhalts vordringen will. Die Philosophie macht die christliche Wahrheit nicht wahrer, aber sie offenbart die Haltlosigkeit der gegen sie gerichteten sophistischen Angriffe und blldet so eine Schutzmauer für den Weinberg des Herrn. Die im Glauben erfaßte Wahrheit ist das zum Leben nötige Brot: die Philosophie ist die Zukost, die es schmackhafter macht und das Essen zum Genuß werden läßt. Ihre Klarheit hilft bei der Weitergabe der Wahrheit, ihre Dialektik schützt vor dem Einbruch der Häresie-. Diese Überzeugung durchzieht still­ schweigend oder in immer neuen Wendungen ausgesprochen alle Teile der Stromateis, und so tritt denn auch das praktische Ziel einer Abwehr der Häretiker, und damit sind im wesentlichen die Gnostiker gemeint, deutlich in die Erscheinung. Der Auseinander­ setzung mit ihren Ansichten über die Ehe ist sogar ein ganzes Buch, das dritte, gewidmet, und ihre Stellung zum Martyrium wird im folgenden Buch ausführlich bekämpft. Mit diesen Tendenzen verbinden sich nun zwei andere aufs engste: im Kampf gegen die Gnosis wird das Alte Testament Strom, i, i8, 4. 20, 2.

2) Strom. 1, 97—100; vgl. 6, 156.

iz. Ägypten

3oo

verteidigt, und den Philosophen wird immer wieder die uns wohl­

bekannte These vorgetragen, daß ihre Weisheit letzten Endes von den Propheten des Alten Testamentes entlehnt sei. Die Deutung der heiligen Bücher erfolgt selbstverständlich nach allegorischer

Methode, wie sie von Anfang an in der Kirche eingebürgert war, und Klemens liegen auch ältere Schriftkommentare vor, die er gelegentlich zu Rate zieht: so sind uns in seinen hinterlassenen Papieren reichhaltige Exzerpte zu einzelnen Bibelstellen, darunter auch solche aus einer Erklärung von Psalm 17—19 erhalten *, und in den Stromateis spürt man an mehr als einer Stelle die Verwertung überlieferten Materials. Gerade die von ihm be­ kämpften Gnostiker haben ja die allegorische Exegese mit Vorliebe gepflegt und sie insbesondere auf das Neue Testament ausgedehnt: so muß Klemens sie mit ihren eigenen Waffen schlagen und stellt

ihrer unberechenbaren Willkür sein Kriterium für die exegetische Methode entgegen, nämlich den „kirchlichen Kanon" der Überein­ stimmung von Gesetz und Propheten mit dem durch die Erscheinung Christi uns übergebenen Vermächtnis2. Daher nähert er sich der gnostischen Praxis durch die Anerkennung der Allegorie auch für das Neue Testament: sie ist durch die Gleichnisse Christi authentisch gerechtfertigt. Und in der evangelischen Erörterung über den Zweck der Gleichnisrede (Matth. 13,10—17) findet er auch die Bestätigung seiner Lieblingsthese von der Notwendigkeit, die Geheimnisse der christlichen Erkenntnis vor profanen Augen zu verhüllen: und er freut sich des Nachweises, daß auch bei den Kulten der Heiden ebenso wie bei ihren Philosophen dieselbe Geheimhaltung letzten Wissens um das Göttliche gepflegt wird2.

Von

seinen

Grundsätzen

der Schrifterklärung

geben

die

Stromateis fast auf jeder Seite Zeugnis: alle seine Erörterungen werden nach Kräften mit Bibelworten in Verbindung gebracht, und die Allegorie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Klemens hat aber auch ein besonderes Werk exegetischer Art verfaßt, die *) Giern. Eclog. 42—64.

2) Strom. 6,125, 3.

3) Strom. 5, 32—66.

Klemens: Die Stromateis.

Hypotyposen

301

„Hypotyposen": sie sind dem Photios1 noch in die Hände ge­

kommen und er hat mit Entrüstung festgestellt, daß außer manchen richtigen auch bedenkliche und geradezu lästerliche Meinungen darin ausgesprochen seien, von denen er einige aufzählt: man kann die meisten der von ihm gerügten Ketzereien gut als Übertreibungen echt klementinischer Spekulation begreifen und wird geneigt sein, das Buch in die Frühzeit des Verfassers anzusetzen. Aber das

Werk ist doch um dieser theologischen Mängel willen von der späteren Orthodoxie dem Untergang geweiht worden. Wir haben nur winzige Bruchstücke des Urtextes und eine verkürzte und gereinigte lateinische Übersetzung der Erklärung zu den katholischen Briefen

erhaltend Daraus lernen wir immerhin, daß Klemens fleißig Traditionen der „Presbyter" mitteilt, die vielfach anekdotenhaften Charakter tragen, vor allem aber, daß seine Exegese trotz gelegent­ licher Allegorie in der Hauptsache das religiös Entscheidende fein aus dem Text herauszuholen versteht und ihm dabei auch wissen­ schaftlich gerecht zu werden weiß. Dadurch wird nur bestätigt, was uns auch die Stromateis reichlich bezeugen. Das Hauptanliegen der Stromateis ist aber letztlich doch die Schilderung des wahren Gnostikers — nicht der wahren Gnosis. Er nimmt das Schlagwort der Zeit und der Gegner bereitwillig auf und will auch ein Gnostiker sein und Gnosis lehren, aber eine kirchliches an der Bibel ausgerichtete Gnosis. Wir haben schon gesehen, wie er im Paidagogos die wesenhafte Unterscheidung von Psychikern, welche nur Glauben kennen, und Pneumatikern, welche die Erkenntnis besitzen, bekämpft. Den heiligen Geist be­ sitzen alle getauften Christen. Aber es besteht doch ein Unterschied zwischen ihnen, nur daß er nicht durch substanzielle Verschiedenheit verursacht wird, sondern durch den Grad des freiwilligen Strebens nach höherer Vollkommenheit, also durch Ungleichheit der sittlichen

Der Heide wendet sich dem Christentum zu und gewinnt den Glauben; das ist eine „kurzgefaßte Erkenntnis des Notwen-

Kraft.

*) S. 286.

2) Siem. et). StLhlin 3, 195—215.

3) Strom. 7, 41, 3.

302

digsten".

IZ. Ägypten

Der Gläubige aber strebt nach Gnosis, das ist „eine

sichere und juverlässige Darlegung des im Glauben Erfaßten, die sich auf dem Glauben nach Anleitung der Lehre Christi austaut und zu einem unbezweifelbaren und vernunftgemäßen Begreifen führt". Diese Gnosis vervollkommnet sich in der Liebe und leitet zur letzten Vollendung in der verheißenen Gottschau, die uns den Engeln gleich macht'. Gnosis ist inhaltlich nichts anderes als Gotteserkenntnis

und hat bei Klemens gar nichts zu tun mit phantastischen Speku­ lationen einer Neugierde, die Genaueres über alle Geheimnisse der großen und kleinen Welt erfahren möchte. Gnosis ist vor allem

aber auch kein verstandesmäßiges Kenntnisnehmen von theo­ logischen Lehrsätzen oder exegetischen Wahrheiten. Gnosis haben

bedeutet eine Lebenshaltung und Gnosis lehren heißt ein Vorbild christlichen Lebens aufstellen. Wenn die Philosophie das Muster­ bild des „Weisen" als Symbol ihrer Erziehungsarbeit am Men­ schengeschlecht geschaffen hat, so arbeitet Klemens ein neues Bil­ dungsideal in der Gestalt des christlichen Gnostikers auS Bibel und Philosophie heraus. Gnosis ist nicht ein Stück spekulativer Philosophie, auch nicht magische Mystik, sondern ist Ethik. Der vom bewundernden Anstaunen der Natur zum Glauben an Gott und seine Vorsehung geführte Christ strebt nach tieferem Wissen: und jeder Fortschritt steigert seine Sehnsucht, indem er

„den Willen Gottes zu kosten bekommt". Das hebt ihn hinaus über das schlichte Verständnis der einfachen Gläubigen, und er begreift immer besser, was eigentlich die zehn Gebote im letzten Grunde bedeuten2. So wird die Gesetzesvorschrift durch Erkenntnis des Evangeliums vollendet2. Es gilt eben nicht nur, sich vom Bösen fernzuhalten — das ist eine Selbstverständlichkeit für jeder­ mann — sondern auch, sich von den Motiven freizumachen, die beim schlichten Gläubigen* die vorherrschenden sind, der Furcht vor

*) Strom. 7, 55, 1—7. 57, 1—5. 149, 8. 3) Strom. 4,130, 4. *) Strom. 7, 21, 2. 69, 8.

2) Strom. 7, 60, 1—4.

Klemens: Die Stromateis.

Der wahre Gnostiker

303

Der wahre Gnostiker hat alle Selbstsucht abgelegt und lebt nur in der Liebe zu Gott als Strafe und der Hoffnung auf Lohn.

dem Schlüssel seiner Erkenntnis. Wenn es möglich wäre, die Gottes,

erkenntnis zu trennen von der ewigen Seligkeit und den Gnostiker zwischen beiden wählen zu lassen, so würde er die Gotteserkenntnis ohne Zaudern wählen \ In dieser letzten Hingabe an Gott erlangt

er die Einstcht in die tiefsten Zusammenhänge der Welt und das Wesen des Menschen, seiner Tugenden und Laster, und erfaßt damit die absolute Wahrheit, zu der alle griechische Philosophie nur die Vorschule liefert2. Sein Ziel aber ist „Gott gleich werden" (er wendet dies Schlag, «ort der modernen Platoniker gern an), das heißt die para, diestsche Gottähnlichkeit wiedergewtnnen oder „Gott werden": das ist aber nach Psalm 82, 6 gemeint als ein Gleichwerden mit den Engeln, die Gottes Angesicht schauen, also auch an der Gottschau teilhaben, die der Gnostiker ersehnt3. Und mit paulinischer Lehre wird das in Einklang gebracht, wenn wir daneben als Ziel die Angleichung an Christus genannt finden und hören, daß Christus als Gottes Abbild seinen Stempel dem Gnostiker aufdrückt, so daß dieser nun das „dritte Bild Gottes" wird4. Der Gnostiker spaltet mit seinem Wissen den Himmel, schreitet durch alle Geister, wesen und Engelscharen hindurch und rührt an Gottes Thron: der Hohepriester Christus führt ihn dahin, und er redet mit Gott5. Die mit der fortschreitenden Gnosis zusammenhängende Weltentfremdung braucht nicht unbedingt äußerliche Askese zu sein; nicht einmal die Ehelosigkeit ist notwendige Form der Ent, sagung, obwohl sie sich nach des Apostels Wort (1. Kor. 7, 38) empfiehlt: entscheidend ist die Abwendung der Seele von dem Sinnlichen und die Hinwendung zum Jntelligiblen, das heißt i) Strom. 4,135s. ’) Strom. 7, 17, 1—20, 2. 3) Strom. 2, 131, 2—133, 3; vgl. Plato Leg. 4 p. 7161>, Theaetet p. 176 a. Strom. 4, 149,8. 148,1. 7,13,2—4. 56,6—57,1. 4) Strom. 7,13, 2.16, 6. ') Strom. 7, 82, 5. 13, 2.

304

i3. Ägypten

zu den geistigen Werten und der göttlichen Wesenheit'. Der Gnostiker lebt in steter Gemeinschaft mit Gott, sein Leben ist ein

beständiges Gebet, ein immerwährender Feiertags Und der Abglanz dieser Seligkeit fällt auf die irdischen Brüder zurück in

ständiger Güte, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die den Gnostiker

zum Helfer in allen leiblichen und geistigen Nöten macht.

Im

Hause und im Freundeskreis, in der Gemeinde und im Beruf, im Glück und im Leid ist er das Vorbild edler Lebensführung8, und mit paulinischem Klang sagt Klemens4* *von ihm: „der Gnostiker tut unbedingt auch die pflichtmäßigen Werke: aber wer die Werke tut, ist darum noch kein Gnostiker. Die Werke jedoch folgen der Gnosis wie dem Leibe der Schatten". Äußerlich ist der Unterschied

zwischen einem Glaubens-Christen und einem christlichen Gnostiker gering und kaum zu merken. Der entscheidende Fortschritt des Gnostikers liegt in seiner inneren Haltung, letztlich in der Über­ windung der Selbstsucht durch reine Gottesliebe. Damit hat Klemens den Weg gefunden, der in seinem weiteren Verlauf zu einer auf johanneischen Gedanken aufbauen­ den Mystik führt: aber er hat ihn nicht betreten. Den Logos­ begriff hat er von den Apologeten übernommen, ohne ihn weiter auszugestalten. In den Hypotyposen finden sich Äußerungen,

die auf spekulative Formeln hindeuten °, aber sie bleiben vereinzelt und ohne Einfluß auf die Gedankenwelt, die uns in den erhaltenen Hauptwerken vor Augen liegt. Da ist der Logos einfach der sich offenbarende Gott, der als Jesus Christus in Menschengestalt er­ schienen ist, und der schon vor seinem Erdenleben bei Griechen und Barbaren, in den Lehren der Philosophen und im Alten Testament alle Wahrheit gewirkt hat, der das Prinzip der Weltvernunft und zugleich Gegenstand des christlichen Glaubens ist. So wenig wir eine Theorie des Verhältnisses des Logos zum Vater und zum

x) Strom. 4, 146, 2—147, i* 7, 36. 69, 8—70, 8. 2) Strom. 7, 35—40. 49/ 3—83) Strom. 7, 16, 4. 19, 1. 36. 66,1. 67, 4. 69—70. 4) Hypotyp. zu 1. Joh. 2, 3 p. 2i2 Stählin. Strom. 7, 82,7. 8) Clem. Hypotyp. p. 2ioz 5. 211,15 Stählin.

KlemenS: der wahre Gnostiker. Origenes

305

heilige» Geist erhalten, so wenig werden wir über das Wese» der Menschlichkeit Jesu belehrt: Klemens hat gar nicht das Bedürfnis, sich in diese Probleme zu stürzen, da er Wichtigeres erkannt hat

und davon zu reden weiß. Diese Fragen brauchen ihn schon darum nicht zu kümmern, da er keine substanzielle Erlösung durch sakra­ mentale Wandlung der Menschlichkeit kennt. Die Gedankenwelt

des Jrenaeus steht ihm gänzlich fern, so fern wie die naturreligiöse Frömmigkeit der Massen. Erlösung liegt für ihn auf dem Gebiet des sittlichen Willens, und die wirkende Kraft ist der Logos als Führer und Spender geistiger Gaben. Die Nachwelt ist dem Klemens nicht gerecht geworden, und die Kirche hat ihm für seine überragende Leistung nur spärlichen Dank abgestattet. Es ist sein Schicksal gewesen, daß er nur als Vorläufer eines Größeren erschien, der ihn völlig überschattet hat: und dieser Größere war Origenes, der gewaltigste Lehrer, den die östliche Kirche kennt, den sie zwei Jahrhunderte hindurch leidenschaftlich geliebt und verehrt hat, um ihn dann im dritten zu verketzern. Und diese kirchliche Verurteilung hat auch sein Werk in Trümmer geschlagen und bewirkt, daß von der fast unübersehbaren Menge seiner Schriften nur ein ganz kleiner Teil im Urtext, ein etwas größerer in Übersetzungen auf uns gekommen ist. Die wertvollsten Dokumente für die Kenntnis seiner Persönlichkeit, die Briefe, sind verschwunden, und wir müssen noch dankbar sein, daß wenigstens

eine Skizze seines Lebensganges im 6. Buch der Kirchengeschichte des Euseb' erhalten ist, der die Briefe gesammelt und sie nebst anderen zuverlässigen Quellen mit Liebe ausgeschöpft hat. Danach ist Origenes 185 geboren: er war der älteste Sohn in einer kinderreichen und wahrscheinlich auch wohlhabenden christ­ lichen Familie, genoß eine sorgfältige Erziehung und zeigte schon früh ungewöhnliche Gaben. Als in der Verfolgung des Severus 202 sein Vater Leonidas eingekerkert wurde, faßte auch den kaum er­ wachsenen Sohn leidenschaftliche Sehnsucht nach dem Martyrium. *) Euseb KG 6,1—8,6.14,10—19, iy- 23,1—2.23,4—33.36s. 39,5.7,1. Ltetzmann, Gesch. d. Alten Kirche 2 20

go6

iz. Ägypten

Die besorgte Mutter versteckte seine Kleider, so daß er das Haus nicht verlassen konnte: so schrieb er wenigstens dem Vater und mahnte ihn zu standhaftem Bekenntnis. Leonidas starb unter dem Schwert den Tod des römischen Bürgers: sein Vermögen verfiel dem Fiskus. Da nahm sich eine vornehme Dame des hochbegabten Jünglings an, und er kam dadurch in ein Haus, in dem sich die religiöse Geistigkeit der Stadt lebendig widerspiegelte. Der Adoptiv­ sohn jener Dame war ein aus Antiochia gebürtiger Gnostiker Paulus, dessen anerkannte Bedeutung zahlreiche Besucher sowohl aus dem gnostischen wie aus dem katholischen Lager anzog. Es ist zweifellos, daß dieser Verkehr nicht ohne Einfluß auf Origenes gewesen ist: jedenfalls hat er ihm den religiösen Gegensatz zum gnostischen Wesen ins Bewußtsein gerufen. Seine vortreffliche wissenschaftliche Ausbildung verwertete er jetzt zum Erteilen von Unterricht und machte sich dadurch finanziell unabhängig. Und da unter dem Druck der Verfolgung die christliche Katechetenschule sich aufgelöst hatte, begann er jetzt auf Bitten lernbegieriger Heiden auch Unterricht im Christentum zu geben. Er blieb bei dieser Tätigkeit trotz aller Anfeindungen und polizeilichen Bedrohungen und hatte steigenden Erfolg. Die Schule des kaum Achtzehnjährigen wurde vom Bischof amtlich anerkannt und hatte bald solchen Zulauf, daß er nicht mehr imstande war, daneben noch die profanen Wissenschaften zu lehren, die ihm bisher den Lebensunterhalt verschafft hatten. Er gab diese Stunden auf und verkaufte seine liebevoll gesammelte Bibliothek gegen eine laufende Rente von täglich 4 Obolen, d. h. von einem Denar1 für die Woche. Das war buchstäblich ein Hungerlohn, und Origenes hat tatsächlich die nächstfolgenden Jahre in strengster Askese gelebt, die er mit letzter Bedürfnislosigkeit in bezug auf Nahrung und Kleidung durch­ führte und durch Schlafenthaltung verschärfte. Diese „Philosophie" machte tiefen Eindruck und fand Nachahmung, gewann auch ge­ bildete Heiden, welche hier das Ideal des Kynismus mit einem T) f. 0. S. 9 und Wilcken Grundzüge I, I, LXVI.

Die Jugend des Origeaes

lebendigen Gottesglauben vereint sahen.

307

Und unser Gewährs­

mann Evseb1 erzählt mit berechtigtem Stolz, wie aus dieser strengen Schule des jungen Meisters sechs Märtyrer hervorgegangen stnd, die ihren Glauben mit dem Leben bezeugten. Während dieser

Periode gesteigerter Askese hat Origenes — in wörtlicher Befolgung von Matth. 19,12 — sich selbst entmannt, was schließlich trotz seiner Bemühungen nicht unbekannt blieb. Bischof Demetrius hat es ihm damals verziehen, aber es nicht vergessen. Euseb behauptet auch, Origenes sei Schüler des Klemens ge­ wesen, der seinerseits den Pantainos in der Leitung der Katecheten­

schule abgelöst habe. Ob dies Schülerverhältnis wirklich bestanden hat, ist aber keineswegs sicher3: Origenes erwähnt den Klemens

trotz aller theologischen Berührungspunkte niemals, auch an solchen

Stellen nicht, wo wir es erwarten müßten. Gehört mag er ihn haben, aber näher ist er ihm nicht getreten. Dagegen gedenkt er des Pantainos

mit Verehrung und nennt den Ammonios Sakkas als seinen Lehrer in der Philosophie3. Die berühmte „Katechetenschule" haben wir uns überhaupt nicht als eine organisierte Unterrichtsanstalt mit dotierten Professuren zu denken, sondern als freie Vorlesungen solcher Männer, die sich dazu berufen fühlten und gewillt waren, ohne klingenden Lohn in die Geheimnisse des Christentums einzu­ führen. Entsprach ihre Wirksamkeit den kirchlichen Wünschen, so wurden sie vom Bischof amtlich anerkannt und empfohlen. Erst Origenes hat so etwas wie eine Organisation begonnen, indem er zur Bewältigung der zudrängenden Schülermenge den Unterricht teilte und seinem Freunde Heraklas die Einleitungskurse überwies4. Diesen hatte er in den Vorlesungen des Ammonios kennengelernt, die er beim Eintritt des Origenes schon seit fünf Jahren besuchte. Ammonios, der aus einem Sackträger zum Philosophen geworden war, beherrschte damals mit seiner auf Plato zurückgehenden Lehre die Geister und gründete eine Schule, aus der die beiden größten *) Euseb KG 6,4. 2) 3. Munck Unters, über Klemens S. 224s. Alex. v. Jerusalem bei Euseb 6,14,9. ’) Orig, bei Euseb 6,19,13 (vgl. 19, 5—6). ‘) Euseb 6,15.

13. Ägypten

308

Denker der griechischen Spätantike hervorgegangen sind: der Christ Origenes und der Klassiker des Neuplatonismus, Plotin.

enge persönliche Berührung mit einem namhaften philosophischen Schulhaupt bejeugt wird, und die Philosophen haben das auch nicht vergessen. Porphyrios erzählt, wie er in seiner Jugend mit Origenes ist

der erste Christ,

von

dem

uns eine

dem berühmten Origenes bei Ammonios zusammengetroffen sei, und daß Ammonios sein von den Eltern ererbtes Christentum auf­ gegeben habe, Origenes jedoch in seiner Lebenshaltung zwar Christ, in seiner Lehre über Gott und die Dinge der Welt aber Grieche geworden sei. Und sein ständiges Studium habe Plato und den neueren Platonikern und Pythagoreern gegolten \ Die Schriften

des Origenes bestätigen diese Nachrichten. Sein Studium bei Ammo­ nios ist wirklich von entscheidender Bedeutung für ihn geworden, denn es machte ihn schulmäßig mit den Methoden und der gesamten Weise des Fühlens und Denkens vertraut, die im Anfang des dritten Jahrhunderts als moderne Wissenschaft galt. Wir können uns ein gutes Bild davon machen, wenn wir etwa -en glücklich erhalte­ nen Auszug aus der platonischen Dogmatik des Albinos lesen2, der uns in der Form eines nüchternen Kompendiums und schemati­ scher Definitionen das Platoverständnis der Antoninenzeit vor die Augen stellt. Und nehmen wir die verstreuten Nachrichten über

den „neupythagoreischen" Syrer Numenios von Apamea hinzu, so wird uns eine wertvolle Ergänzung nach der religiösen Seite geboten. Dieser Mann hatte sich dem Einfluß jüdischer Religions­ philosophie, vermutlich des Philo in erster Linie, so weit hingegeben, daß er sogar die These von Plato als einem „attisch redenden Moses" aufnehmen und weitergeben konnte. Das haben ihm die Christen gedankt3. Schon bei Plutarch finden wir die meisten charakteristischen Kennzeichen dieses „mittleren Platonismus": die gesteigerte Erhal) Porphyr, bei Euseb KG 6, 19,5—8. 2) Albinos Eisagoge in Plato opera ed. C. F. Herman« 6,152—189. Dazu Hal Koch Pronoia n. Paideusis S. 243—268. 3) Clem. Strom. 1, 150, 4. Euseb Praep. ev. n, 10, 14 (7)..

Origenes und der mittlere Platonismus

309

benheit Gottes über diese Welt und ihre Körperlichkeit, und im Zu­ sammenhang damit die Neigung zum phantasievollen Ausbau der bereits bei Plato vorhandenen Vorstellungen von dämonischen Mittelwesen, die eingehende Behandlung des Problems der gött­ lichen Vorsehung und der Gerechtigkeit Gottes, die Behauptung der

Unsterblichkeit und Selbstverantwortlichkeit der Seele, die Lehre von ihrem Anteil am göttlichen Wesen, und gelegentlich auch Spu­ ren eines mystischen Empfindens. Der Ausbau der Ethik erfolgt unter der platonischen Weisung, „Gott nach Kräften ähnlich zu werden". Die allegorische Exegese wird fleißig geübt, um in Worten

des Meisters und vor allem in religiösen Mythen und Sprüchen der Dichter und Denker der Vorzeit die eigene philosophische Erkennt­ nis zu finden. Und bei allem Bestreben nach dem Ausbau einer rein platonischen Tradition nimmt man doch Methoden und Lehrsätze der Aristoteliker und der Stoiker unbefangen auf, weil man sich mit diesen Schulen verbündet weiß im Kampf gegen die Negationen der Skeptiker und den Atheismus Epikurs. Wir haben die Apolo­ geten bereits im Bann dieser Gedankenreihen gefunden. Klemens steht dank seiner höheren Bildung stark unter ihrer Einwirkung und hat sie durch fleißiges Platostudium vertieft. Aber erst Origenes tritt voll in die schulmäßige Tradition ein und setzt sich im Nehmen

und Geben ganz in den Besitz des um jene Zeit lebendigen und in steigender Mächtigkeit begriffenen platonischen Erbes *.

Der Ruhm dieses Mannes als eines alle Wissenschaften mei­ sternden Gelehrten breitete sich weithin a«S und zog auch Ketzer und heidnische Philosophen in seinen Wirkungskreis. Von persönlicher Bedeutung für ihn wurde die Bekehrung eines Valentinianers namens Ambrosius. Der war ein reicher Mann und besaß die Mittel, dem begeistert verehrten Origenes eine literarische Tätigkeit

ohne wesentliche Veränderung seiner bisherigen Arbeitsweise zu ermöglichen. Das Bücherschreiben war nämlich für die Gelehrten des alexandrinischen Kreises keineswegs eine aus ihrem Beruf *) Vgl. tzal Koch Pronoia u. Paideusis (Arbeiten jur Kirchengesch. 22, 1932) S. 163—304.

3io

iz. Ägypten

fließende Selbstverständlichkeit: ihnen war der mündliche Vortrag das Gebiet lebendigen Wirkens, und Männer wie Ammonios Sakkas und Plotin haben ebensowenig wie Epiktet eigene Schriften hinter­ lassen. Das war durch das klassische Vorbild des Sokrates geheiligt,

und nur den Nachschriften des Arrian und des Porphyrios ist es zu danken, daß wir über die Lehren des Epiktet und des Plotin ge­ nauere Kunde haben. Ambrosius setzte dem Origenes sieben und mehr sich ablösende Stenographen in den Hörsaal und ließ auf diese

Weise seine Vorlesungen aufzeichnen und zur buchmäßigen Ver­ öffentlichung bringen'. Dadurch ist es ihm tatsächlich gelungen, dem Lebenswerk des Meisters in einer fast unübersehbaren Fülle von Schriften Dauer zu verleihen. Aber ehe wir uns dazu wenden, wollen wir erst die weiteren Daten seines äußeren Lebensganges dem Euseb entnehmen. Wir

hören, daß er unter Papst Zephyrin für kurze Zeit in Rom gewesen ist und später den kaiserlichen Statthalter von Arabien auf dessen Wunsch besucht hat. Die furchtbaren Metzeleien, die der in seiner Eitelkeit gekränkte Caracalla 215 in Alexandria anrichtete, veran­ laßten Origenes zum Verlassen der Stadt. Er ging nach Caesarea und hielt dort auf Wunsch des Bischofs der Stadt, Theoktistos, und des Jerusalemer Bischofs Alexander biblische Vorträge für die Gemeinde. Dies Heraustreten aus der Sphäre der Gelehrsamkeit in den Bereich des kirchlichen Lebens mißfiel aber dem alexandrini­ schen Oberhirten, und er mahnte ihn dringlich zur baldigen Heim­ kehr. Origenes gehorchte. Aber als er fünfzehn Jahre später auf einer Reise nach Griechen­ land Caesarea berührte, haben ihn seine beiden bischöflichen Freunde dort zum Presbyter geweiht. Eine solche Weihe in fremdem Sprengel war ungewöhnlich, und die Ordination eines Eunuchen verstieß

gegen weitverbreitete Anschauungen. Demetrius verweigerte auf einer alexandrinischen Synode die Anerkennung seiner Presbyter­ würde und wies ihn aus der Stadt. Das Lehramt wurde ihm gex) Euseb KG 6, 18, i. 23,1—2.

Origenes in Caesarea.

Sein Tod

zu

nommen und seinem Kollegen Heraklas übertragen, der bald im Bistum der Nachfolger des Demetrius wurde. So siedelte Origenes im Jahre 230/231 nach Caesarea über, wo er seine gewohnte Lehr­ tätigkeit mit unvermindertem Erfolg fortsetzte \ Er ist von da aus noch mehrfach gereist, auch zweimal als theologischer Gutachter nach Arabien berufen worden, wo er in einer Disputation den

zum Monarchianismus neigenden Bischof von Bostra, Beryllos, „wieder zu seinen ftüheren gesunden Ansichten zurückführte". Als die Verfolgung des Decius ansbrach, schlug für den Lehrer und Lobredner des Martyriums auch die Stunde des eigenen Bekennt­ nisses. Er ist grausam gefoltert worden und hat in den — uns leider

nicht erhaltenen — Briefen aus dem Gefängnis von seinem un­ beugsamen Mut standhaft und herzerhebend Zeugnis abgelegt. Man sorgte mit Fleiß, den berühmten Mann nicht zu töten: aber

die Kraft des Körpers hat man doch gebrochen, und bald danach, 253/254 ist Origenes im Alter von 69 Jahren zu Tyrus gestorben. Noch lange hat man dort sein Grab gezeigt3. Die literarische Hinterlassenschaft des Origenes hat schon früh die bewundernde Fürsorge seiner Freunde erfahren. Von Ambrosius haben wir bereits erzählt. Gegen Ende des Jahrhunderts hat der Presbyter Pamphilus als Lehrer an der Schule von Caesarea von überall her die Schriften des Origenes zusammengebracht und eigen­ händig abgeschriebev. Seinem Eifer verdanken wir die bei Euseb und Hieronymus erhaltenen Verzeichnisse der in Caesarea vorhande­ nen Werke3. Durchaus im Vordergründe stehen die Schrifterklärungen, welche sich über sämtliche Bücher des Alten und Neuen Testa­ mentes erstrecken, teils in der Form groß angelegter wissenschaft­ licher Kommentare, teils als Predigten (Homilien) oder vielmehr Bibelstunden vor der Gemeinde von Caesarea — diese sämtlich den letzten 9 Jahren seines Lebens entstammend4. Im Urtext sind uns *) Euseb KG 6, 14,10.19,15—19. 23,4. 26; vgl. Pholios bibl. cod. 118. 2) Euseb KG 6,33,1—3. 37. 39,5. 7,1 (dazu Schwartz Bd. 3,38). Photios cod. 118 HIeron. vir. int 54, und Holl zu Epiphan. harr. 64,3,3. 3) Euseb KG 6,24. 28. 32. Hieron. vir. int 75, epist. 33.34,1. 4) Euseb KG 6,36,1.

312

i3. Ägypten

davon Teile der Kommentare jtt Matthäus und ju Johannes sowie Predigten über die Hexe von Endor und Stücke aus Jeremias erhalten: dazu zahllose kleine Bruchstücke zu allen Bibelbüchern in den byzantinischen Sammelwerken, die wir Catenen zu nennen pflegen. Darüber hinaus hat uns die übersetzende, aber leider auch umgestaltende und „reinigende" Tätigkeit des um 400 wirken­ den Rufinus zahlreiche alttesiamentliche Predigtreihen und die Kommentare zum Hohenlied und zum Römerbrief in lateinischer Sprache gerettet; von Hieronymus ist uns eine lateinische Über­ setzung ausgewählter Homilien zu Lukas aufbewahrt. Eine Ver­ teidigung des Christentums gegen die Angriffe des Platonikers Celsus liegt uns in 8 Büchern vollständig vor: das Werk gehört ebenso wie der Matthäuskommentar in die letzte Lebenszeit des Meisters \ Der alexandrinischen Periode entstammen die für uns verlorenen 10 Bücher „Stromateis", die er durch den Titel in Parallele zu dem Werk deö Klemens stellte, und „in denen er die Lehren der Christen und der Philosophen miteinander verglich und alle Sätze unserer Religion aus Plato, Aristoteles, Numenios und Comutus bewies"2. In ziemlichem Umfang erhalten ist uns dagegen das Haupt­ werk dieser früheren Zeit, die 4 Bücher „Grundlehren" (peri Archon). Das Ganze hat Rufin übersetzt und gelegentlich von bedenklichen Aussprüchen gereinigt: aber sein Kritiker Hieronymus hat auf diese Korrekturen de» Finger gelegt und über sämtliche beanstandeten Stellen einem Freunde berichtet3. So können wir durch Vergleich beider Texte den vom Verfasser gewollten Sinn wiederherstellen. Schließlich find große Teile des dritten und vierten Buches im Urtext erhalten. Dies Werk ist die erste christliche Dogmatik, der erste kühne Versuch, die Aussagen des Christentums über Gott, Welt und Mensch in einem geschlossenen Lehrgebäude von streng wissen­ schaftlicher Art zu vereinigen, und es steht innerhalb der Alten T) Euseb KG 6,36,2. 2) Hterou. epist. 70,4, 3 Euseb KG 6,24,3. 3) Steten, epist. 124. Dgl. Koetschau in seiner Ausgabe von Orig, de princ. v. L XXXVIII ff.

Origenes' Schriften

313

Kirche in einsamer Größe. Keiner von den Theologen des Morgen­

landes und keiner ans dem Abendland hat sich wieder an diese ge­ waltige Aufgabe herangewagt. Ihre wissenschaftliche Arbeit richtete sich auf Einzelfragen, ihre Zusammenfassungen stiegen nicht über

die Höhenlage eines guten katechetischen Unterrichts hinaus: das gilt auch für Theodorets fünftes Buch der „Häretikerfabeln" und

Augustins Schrift von der Christenlehre. Erst die „Erkenntnis­ quelle" des Johannes von Damaskus will mehr sein und ist auch wirklich mehr: es ist eine systematisch geordnete und umfassende Sammlung der um 750 anerkannten Lehrtraditionen der griechischen Kirche: ein wissenschaftliches Museum, kein in lebendigem Kampf sich entfaltender Organismus.

Von kleineren Schriften des Origenes können wir hier absehen. Aber noch einer Arbeit muß gedacht werden, die seinem organisatori­ schen Planen entsprang und für das Verständnis seiner Arbeits­ weise von allerhöchster Bedeutung ist: seines großen Bibelwerkes. Origenes hat sich bei seinem Studium des Alten Testaments auch um jüdische Auslegung gekümmert und jüdische Gelehrte um Rat gefragt; hat auch vielleicht einen Versuch gemacht, Hebräisch zu lernen. Aber er ist damit schwerlich weiter als bis zum Buchstabieren gekommen, denn seine Schriften verraten keinerlei eigene Kenntnis auf diesem Gebiet *. So blieb ihm eine Unsicherheit, sobald über Wortlaut oder Sinn des Urtextes und sein Verhältnis zur kirch­ lichen Übersetzung der Septuaginta gestritten wurde, und das war besonders im Disput mit den Juden der Fall. Er fand ein anderes Mittel, um näher an den Urtext heranzukommen und ihm die letzten Geheimnisse göttlicher Offenbarung zu entlocken. Er begann alle vorhandenen griechischen Übersetzungen des Alten Testaments zu sammeln, und es gelang ihm durch unablässiges Suchen, nicht nur die in weiteren Kreisen verbreiteten des Aquila, des Symmachos ') v. Harnack der kirchengeschichtl. Ertrag d. exeg. Arbeiten des Orig, i, 22—30 (Texte u. Unters. 42,3). Wutz Onomastika sacra 1,36 (Texte u. Unters. 41). Euseb KG 6,16,1. Orig, epist. ad. Afric. 7 (17,28 £0.) in psalt. (11, 352 Lo.) de princ. 1, 3, 4. 4, 3,14. Hieron. adv. Rufin. 1,13.

3i4

iz. Ägypten

und des Theodotion zu erwerben, sondern auch noch zwei Psalmen­ übersetzungen unbekannter Verfasser aufzuspüren. Und nun wurde ein Riesenwerk unternommen, das eben nur durch die reichen Geld­ mittel des Ambrosius ausführbar war. In 6 Parallelspalten wurden nebeneinander geschrieben: der hebräische Urtext in hebräischer,

also unvokalisierter Schrift, der hebräische Urtext in griechischen Buchstaben zur Festlegung der Aussprache, und dann in je einer Spalte die Übersetzungen des Aquila, des Symmachos, der Septua­ ginta und des Theodotion. Die Zeilen waren ganz kurz: Im hebräischen Text stand meist nur ein Wort unter dem andern, und entsprechend waren auch die Zeilen der Übersetzer angeordnet: mit einem Blick konnte man feststellen, wie jeder Übersetzer das hebräische

Wort wiedergab. Im Psalter kam zu diesen 6 Kolumnen, welche dem Werk den Namen der „Hexapla", d. h. der sechsfachen Bibel, verschafften, noch weitere Spalten für eine fünfte, sechste und teil­ weise sogar siebente Übersetzung.

Das Ganze muß ein Riesenwerk von vielen Dutzenden großer

Folianten gewesen sein, und es hat schwerlich mehr als ein einziges Exemplar davon gegeben. Nur von einzelnen Teilen hat man Ab­ schriften ausgewählter Kolumnengruppen hergestellt, und es haben sich Reste solcher Handschriften gelegentlich gefunden. Für den allgemeinen wissenschaftlichen Gebrauch hat Origenes aber dadurch gesorgt, daß die Bibliothek zu Caesarea Sonderausgaben des Septuagintatextes verbreitete, die am Rande mit den wichtigsten Ergebnissen der Parallelenvergleichung ausgestattet waren. Die im hebräischen Urtext fehlenden Verse und Worte waren durch einen Strich (Obelos -?) am Rande bezeichnet. Wenn die Septuaginta dagegen Textteile ausließ, die im Hebräischen vorhanden waren, so fand man diese im Text an ihrer Stelle nach einer andern Über­

setzung eingefügt, aber durch vorgesetzte Sternchen (Asteriskoi X) kenntlich gemacht. Sodann waren die wichtigsten Abweichungen des Aquila, Symmachos und Theodotion zu den betreffenden Stellen am Rande beigeschrieben, so daß der Benutzer schnell eine klare Übersicht über den Tatbestand gewinnen konnte. In späterer

Origenes' Hexapla.

Sein Unterricht

315

Zeit haben der schon genannte Pamphilus und sein Freund Eusebius sich eifrig um die Verbreitung solcher „hexaplarischen Ausgaben" der Septuaginta bemüht, und unsere Bibliotheken bewahren noch zahl­ reiche Handschriften, denen solche Exemplare zugrunde liegen'. Wir dürfen uns durch die riesenhafte Schriftenmenge des Origenes nicht darüber täuschen lassen, daß seine eigentliche Lebens­

arbeit nicht im Schreiben, sondern im mündlichen Unterrichten be­ stand, daß also seine Bücher nur der Niederschlag dieser lebendigen Lehrtätigkeit sind. Don dieser Erkenntnis muß jede Würdigung seiner Persönlichkeit ausgehen. Da ist es nun ein besonderer Glücks­ fall, daß wir eine eingehende Schilderung seiner Lehrweise und ihrer methodischen Ausgestaltung in der Abschiedsrede besitze», die ein

dankbarer Schüler, Gregorios, der nachmalige Bischof von Neocaesarea im Pontus, beim Scheiden aus der Schulgemeinde zu Caesarea vor seinen Kameraden und dem Meister gehalten hat2. Da schlagen nun freilich die von dankbarer Hingabe und echter Be­ geisterung aufgepeitschten Wogen der Rhetorik hoch empor, aber sie lassen uns doch die Tatsachen mit aller wünschenswerten Deutlich­ keit erkennen. Am Anfang der Unterweisung steht ein regelrechter „Protreptikos" zur Philosophie als der hohen Kunst, die einzig und allein für denkende Wesen wahres Leben bewirken kann, allein auch rechten Gottesdienst ermöglicht. Es ist bezeichnend, daß Gregor bekennt, wie hier schon seine anfangs widerstrebende Seele nicht nur durch die zwingenden Gründe, sondern zugleich durch die herzgewin­ nende Freundlichkeit des großen Lehrers in unzerreißbare Fesseln geschlagen sei. Dann hebt eine vorbereitende Schulung an, die mit sokratischer Methode die Geistesart und Leistungsfähigkeit jedes einzelnen erforscht und ihn durch ständige Denkzucht für wissen­ schaftliche Ausbildung geschickt macht. Diese selbst beginnt mit Logik und Dialektik, dann folgt Naturkunde mit Geometrie und ') H. B. Swete An Introduktion to the Old Testament in Greek 3. ed. und dazu Gotting. Gel. Anzeigen 1902, 329—338. 2) Gregorios Thaumaturgos' Dankrede Hrsg. v. P. Koetschau (G. Krügers Sammlung 9); dazu A. Brink­ mann im Rhein. Museum N. F. 56, 55—76.

3i6

iz. Ägypten

Astronomie. Auf dieser Grundlage erheben sich dann als Krönung die Gebäude der Ethik und der Theologie. Unter Ethik ist aber keineswegs nur die verstandesmäßige Erörterung fittlicher Probleme zu verstehen, sondern ihr Wesen ist Schulung der Seele zur prakti­ schen Betätigung philosophischer Tugend — und eben dafür er­

scheint Origenes als leuchtendes Vorbild, weil seine eigene Lebens­

führung den Worten seiner Lehre vollkommen entspricht. Das Studium der Theologie beginnt mit ausgedehnter Durch­ musterung aller erreichbaren Philosophen und Dichter. Ihre Mei­

nungen über die Gottheit werden dargestellt, miteinander verglichen und auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft, und nur die atheistischen Schriftsteller werden als nutzlos, ja, als schädlich von dieser Über­

schau ausgeschlossen.

Die letzte Wahrheit aber lehrt er da finden,

wo Gott durch seine Propheten in de« heiligen Schriften redet.

Er ist ihr rechter Ausleger, mag er nun dunkle Stellen deuten oder in einfachen Worten tiefen Sinn finden, weil er von demselben

Gottesgeist erfüllt ist, der aus den Propheten spricht. So gipfelt alle Weisheit in der aus der Bibel fließenden Erkenntnis Gottes. Das Bild ist mit sichtlicher Treue gezeichnet: dieser Unterricht entspricht in seinem Aufbau den Traditionen der Philosophen­ schulen der modernen Richtung und schildert die theologische Eigen­ art des Origenes in einer Weise, die durch seine Schriften bestätigt wird. Aus diesem Jneinanderfließen von Philosophie und Bibel ist das System erwachsen, das uns der in den frühen Mannes­ jahren stehende Origenes in dem Werk Peri Archon entwickelt, dessen Titel mit seiner wohl beabsichtigten Doppeldeutigkeit „von den Grundlehren" oder „von den Urdingen" übersetzt werden kann. Er legt entscheidenden Wert darauf, alle hier vorgetragenen Lehr­ sätze aus der heiligen Schrift zu belegen, und das gelingt ihm, weil die von ihm gesuchten Denkformen wirklich zum großen Teil in der spät­ jüdischen und neutestamentlichen Gedankenwelt vorhanden sind und nur der systematischen Zusammenfassung harren. Aber das Gesamt­ bild der Weltkonstruktion, in welches er diese biblischen Elemente

hineinbaut, entstammt der Philosophie des „mittleren" Platonismus.

Ocigenes' Unterricht und System

zi7

Ocigenes leistet hier jum erstenmal das, was seitdem alle

schöpferischen Dogmatiker getan haben, nämlich eine der Bildung der Zeit entsprechende christliche Weltschau zu schaffen. Das System ist von eindrucksvoller Geschlossenheit und klarer Durchsicht der

Linienführung. Seine Grundlagen sind die uns schon seit den Tagen der Apologeten geläufigen Vorstellungen von Gott, dem Logos, der Vorsehung und der Willensfreiheit der Geister: aus deren

Zusammenspiel entwickelt sich das ewige Drama der Welten. Gott, die letzte Einheit, der Urquell alles Seienden, ist dem menschlichen Denken schlechthin unfaßbar, unvorstellbar: wir können von ihm

außer der Anerkennung seiner Allmacht nur negative oder indirekt gewonnene Aussagen machen. Und da ist die erste und für Ocigenes wichtigste die gut platonische Behauptung seiner Unkörperlichkeit: was sowohl gegen stoische Anschauungen wie gegen grobsinnliche Laienvorsiellungen geht *. Aber die positive Erkenntnis, daß Gott die letzte Ursache alles Geschaffenen sei, wird in die lebendige An­ schauung einer absoluten Güte Gottes verwandelt, der die Kreatu­

ren schafft, weil er ihnen Gutes erweisen will. Und da dieser Wille

Gottes zu seinem Wesen gehört und also ewig ist, so muß auch seine Folge, also die geschaffene Welt, ewig sein*2. Hier wird schon eine Besonderheit der origenistischen Denkweise deutlich, die zum Verständnis seiner Konstruktion unentbehrlich ist. Er weiß, daß der Zeitbegriff auf Gott und Göttliches nicht anwend­ bar ist, und daß neben der horizontalen Gliederung des Geschehens in zeitlicher Folge eine vertikale steht, die eine Reihe von Ursachen und Wirkungen ohne Zeitbegriff kennt3. So ist der Sohn Gottes ewig vom Vater gezeugt, wie der Glanz stets vom Licht erzeugt

wird — der Platoniker würde sagen als ewig notwendige Wirkung dessen, der ewig Ursache ist, aber Ocigenes redet lieber biblisch nach Hebr. i, 3. Er ist deshalb eines Wesens mit dem Vater, weil er aus Gott geboren und nicht aus dem Nichts erschaffen ist^. *) de princ. 1,1,1—5; vgl. Hal Koch Pronota u. Paidensis S. 20s. 2) de princ. 4,4,8. 1,2,10. 1,4, 3 p. 65 mit Anm. 3) vgl. de princ. 1,2,2 p. 29,14. *) de princ. 1,2,4—7 p. 33 mit Anm. p. 37.

iz. Ägypten

318

Er ist aus dem Vater hervorgegangen, ohne dessen Wesenheit zu mindern, wie der Wille aus dem Geist heraustritt: aber er ist eine

eigene Persönlichkeit und kann als ein dem Vater untergeordneter „zweiter Gott" bezeichnet werden \ Und dieser Sohn ist der „Mittler" zwischen Gott und Welt. Zunächst ist er das in der Richtung auf die

Welt gesehen, denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen.

Aber er

ist es auch bei der umgekehrten Betrachtung, denn nur durch ihn ist den Geschöpfen die Erkenntnis des Vaters möglich: nur soweit von uns der Sohn erkannt wird, haben wir Gotteserkenntnis, die also immer nur eine relative und nie eine absolute sein fotm2.

Während die Vorstellung eines Logos-Sohnes mit dem pla­ tonischen Weltbild der Zeit übereinstimmt, ist das Wissen um die dritte göttliche Persönlichkeit, den heiligen Geist, nur aus der Bibel zu gewinnen.

Das betont Origenes und beginnt dann, eine den

Aussagen der Schrift angemessene Lehre in sein System einzubauen. Der Geist ist vom Sohne ausgegangen, wie dieser vom Vater, und bildet die dritte Stufe in der Entfaltung der Gottheit. Die Wirk­ samkeit des Vaters umfaßt alles, die des Sohnes beschränkt sich auf die vernünftigen Wesen, der heilige Geist wirkt nur in den Heiligen. Alle drei Personen aber bilden die eine körperlose Gottheit, der die geschaffene Welt gegenübersteht3. Es ist deutlich, wie hier Origenes bewußt der Kirchenlehre einen systematischen Unterbau zu geben bemüht ist, dem doch die organische Zugehörigkeit nicht beschafft werden kann. Dagegen ist eine unmittelbar einleuchtende Folgerung aus der göttlichen Grundeigenschaft der Güte und Wohltätigkeit die Not­ wendigkeit der Schöpfung einer Welt als des Gegenstandes der gött­ lichen Liebe. Diese Welt besteht aus einer zwar unausdenkbar großen, aber doch nicht unendlichen Zahl vernünftiger Wesen, die als Kern ihres Daseins den Anteil an der ewigen Natur des göttlichen Lichtes haben und somit im tiefsten Grunde trotz alles Abstandes der Schöpfung vom Schöpfer mit der Gottheit „einerlei

Anm.

*) c. Cels. $, 39. 7,57. 2) de princ. 1, r. 6—7. 13 p. 35—37. 46 mit 3) de princ. 1,3,1. 5. 8 p. 55 mit Anm.

Das System des Origenes

319

Wesens" (homousioi), also in gewissem Sinne mit Gott verwandt

und somit unsterblich sind *. In diesem Punkte teilt Origenes die gnostische Meinung vom göttlichen Lichtfunken im Menschen.

Diese Wesen haben nun aber sämtlich einen freien Willen, nach dem sie ihre Lebensbahn gestalten können, und dadurch entsteht die bunte Mannigfaltigkeit der Welt mit all ihren Gegensätzen und Entwicklungsstufen. Gottes Vorsehung ist es, die das für uns unübersehbare und unbegreifliche Durcheinander in vollkommener

Ordnung und abgewogenem Gleichmaß erhält und unbeschadet der unbedingten Willensfreiheit der Einjelwesen seinen allumfassen­ den Plan einer Erziehung Aller zur Heimkehr ins Vaterhaus durch­ führt. Unter diesem Gesichtspunkt kann Origenes von Gottes Logos als der Weltseele sprechen-, wie es auch die Philosophen tun. Die Willensfreiheit wird nämlich von sämtlichen Wesen dazu benutzt, sich von Gott abzuwenden und dem Antigöttlichen, also Bösen, das heißt aber- dem „Nichtseienden", zuzustreben. Der geringere oder größere Grad dieses Sündenfalles entscheidet über ihr weiteres Geschick. In ihrer ursprünglichen Schönheit waren sie ihrem Wesen nach göttliche Vernunft, Nus. Jetzt kühlen sie ab und werden „Seelen" — Psyche, die Seele, leitet Origenes ab von psychein, abkühlen4. Sie erhalten Körper aus Materie, und je stärker die gottentfremdende Abkühlung fortschreitet, das heißt je mehr der eigene Wille sich gegen Gott stellt, um so masstver wird die

Materie, um so widerwärtiger die Gestalt des Körpers. Von den leuchtenden Sphären der himmlischen Sterne durch die ätherischen Gestalten des Geisterreichs zu den Menschen auf Erden in ihren mannigfachen Rassen und tausendfältigen Zuständen, schließlich hinab zu den Dämonen und Teufeln der Unterwelt schauen und ahnen wir die Vielfältigkeit der körperlichen Formen. Und je nach dem Grad der sittlichen Entwicklung der einzelnen Seele führt sie

ihr Weg empor zu feineren Gebilden oder bannt sie zur Strafe selbst *) de princ. 2,9, i. 4,4,9 p. 962ff. mit Anm. ’) de princ. 2,9,2 p. 166,2 in Joh. 2,13,94 p. 69,6. p. i$7 mit Anm.

2) de priltc. 2,1, 3. 4) de princ. 2,8,3

320

in tierische Leiber.

IZ. Ägypten

Unsere Erde ist für erlöste Höllenbewohner ein

Himmel, aber den gefallenen Himmelswesen mnß sie als Hölle erscheinen. Origenes weiß für diese platonisch,pythagoreische

Seelenwandernngslehre eine biblische Begründnng jn geben *. Aber das Auf, und Absteigen der Seelen ist nicht dem blinden Spiel des Zufalls anheimgegeben, so oft es auch dem irdischen Blick

so erscheinen mag, sondem wird von Gottes Vorsehung durchwaltet und dem bestimmten Ziel entgegengeführt. Das kann nicht durch Zwang geschehen, denn die Wesen sind frei. So wählt Gott den Weg der Erziehung durch Belehrung, und da der tiefste Kern aller ver­ nünftigen Wesen göttlich ist, darf er der endlichen Wirkung seines Appells an ihre ursprüngliche sittliche Güte sicher sein. Wo immer Gottes Macht und Vorsehung im Lauf der Welt und den Ordnungen der Natur sichtbar wird, da ruft der Logos die Menschenseele zur Gotteserkenntnis, und weithin sind die Philosophen diesem Rufe gefolgt. Aber alle und selbst ihr Bester, Plato, haben vor der letzten Pforte Haltgemacht, keiner hat die Reste des Polytheismus abgeschüttelt und sich zur reinen Gottesverehrung bekannt2. Und alle zusammen haben nicht vermocht, die Menschheit von ihren Sünden abzubringen und sie zu tugendhaftem Leben zu bekehren: und darauf kommt es letztlich doch an2. Dagegen hat Gott dem Volk der Juden eine besondere Offenbarung zuteil werden lassen, indem er es durch

Gesetzesvorschriften des Moses und Predigten der Propheten erzog, ihm Glück verheißende Weissagungen vor Augen stellte, gleichzeitig aber in den zum Alten Testament vereinigten Niederschriften dieser Männer einen tieferen Sinn verbarg, der, zuweilen schon vorher geahnt, seit den Tagen der erfüllten Weissagung dem gottsuchenden Forscher aufzuleuchten beginnt4. Die Menschwerdung des Logos ist die entscheidende Tat zur Erlösung der seufzenden Kreaturen. Der Sohn Gottes erschien auf ') de princ. i, 4,1 (p. 64 mit Anm.). 1,7,1. 1,8,4 (p. 102fr. mit Anm.). 2,9,3. 3,5,4. 4,3, ii (p. 273 ff., p. 339 mit Anm.). 2) c. Self. 6,3—5. de princ. 4,1,1. 3) c. Self. 3,60—61. 4) c. Self. 5,31. 7,7de princ. 4,3,9—14.

Das System des Origenes.

Christologie

321

Erden, indem er sich mit einer Menschenseele verband, die im Gegen­

satz zu allen andern nie in ihrer vollen Hingabe an Gott schwankend geworden war. Diese Seele war das vermittelnde Bindeglied zwi­ schen der Gottheit und der körperlichen Natur der Menschlichkeit, und

ihre unwandelbare Gleichrichtung mit dem göttlichen Willen be­ wirkte die Einheitlichkeit der Person des Gottmenschen. In dieser Vereinigung mit dem Logos wird nun aber die Menschheit Jesu immer stärker vergottet, bis nach der Auferstehung die materielle Leiblichkeit verschwindet und die Seele in einer für uns nicht vor­ stellbaren Weise mit dem Logos eins wird. Damit ist der Weg vor­ gezeichnet, auf dem alle vernünftigen Wesen und insbesondere die Menschen Erlösung finden werden. Die Christen sind Menschen,

deren Seelen sich der gleichen reinen Gottesliebe befleißigen wie die Seele ihres Meisters, und die von der gleichen Kraft des Logos erfüllt der in Christus Wirklichkeit gewordenen Entmaterialisierung

und Vergottung zustreben: dem einen Christus folgen immer neue Scharen von Christussen von dieser Erde zum Himmels Es ist klar, daß bei dieser Auffassung dem Kreuzestod Christi eine wirkliche Heilsbedeutung nicht zugeschrieben werden kann, und in der Tat spricht es Origenes auch mehrfach aus, daß für den voll­ kommenen Christen nur der Erkenntnis spendende Logos gilt. Aber nun macht er sich den von Klemens her wohlbekannten Unterschied zwischen der niederen, aber durchaus anzuerkennenden Stufe des schlichten Gemeindeglaubens und dem Wissen des Fortgeschrittenen zunutze. Die Sünder bedürfen des Arztes, und wer auf dem Standpunkt des bloßen Glaubens verharrt, dem gibt der am Kreuz offenkundig gewordene Sieg über die Dämonen, der Opfertod des Herrn für die Sünden der Welt an unserer Statt und vor allem die Überlistung des Teufels eine handgreifliche Gewißheit von

neugewonnenem Heil und realer Sündenvergebung2. So weiß er *) de princ. 2,6,3 in SRattfj. comm. ser. 33 p. 61,7. hom. in Scrent. 15,6 P. 130,15ff. c. Self. 3,41 p. 237,7ff- de princ. 2,3, 3 p. 117. 3,5,6 p. 277. c. Self. 6,79 p. 150. -) c. Self. 3,62 p. 256,8 comm. in Joh. 1,107. 124 p. 23. 25. Hal Koch Pronoia u. Paideusis 87s. Ltehmann, Gesch. d.Alten Kirche 2

Z22

i3. Ägypten

das historische Geschehen und seine biblische Formung in sein System einjufügen, ohne dessen Hauptlinie umbiegen ju lassen. Er hat diese Kunst im Großen und im Kleinen immer aufs neue geübt und auch

für die Sakramente Raum ju schaffen gewußt — aber unbeirrbar lenkt sein Weg stets wieder dem Ziel der Vergottung durch den Logos ju. Mag er noch so oft und noch so gründlich Formulierungen der Kirchenlehre, biblische Fragen und philosophische Probleme erörtern,

er tut es als Gelehrter mit klarem Verstand, ruhigem Urteil und sachlicher Teilnahme. Aber zutiefst in seiner Seele lodert ein Feuer wie die Sehnsucht eines Menschen, der das Leben in der Alltagsarbeit der Täler zuletzt nicht mehr ertragen kann, und den es unwiderstehlich hinauf, zieht in die reine und stille Klarheit vereister Fime, auf denen der Blick die Erde vergißt und nach den Sternen greift. So versinkt dem Denker Origenes diese Erde, diese Zeit, diese Welt. Wer Christus gewonnen hat, löst sich von der Materie und von der Sünde, braucht nicht nach dem Tode die Höllenqualen des in seinem Ge, wissen brennenden Feuers zu fürchten, sondern ersteht aus dem Grabe mit einem geistlichen Leib von himmlischem Glanz und einer vom Logos entflammten Seele, die nach immer höherer

Erkenntnis dürstet. Solchen ist ein „himmlisches Jerusalem" noch auf dieser Erde beschert, eine „Seelenschule", wo sie den Zusammen, hang aller irdischen Dinge begreifen werden: da wird sich ihnen das Rätsel des Menschen, seiner Seele, seines Nus lösen, sie werden das Wirken des Geistes verstehen und in die Geheimnisse des mosaischen Gesetzes eindringe». Aber auch die verborgenen Kräfte heilsamer Pflanzen werden ihnen offenbar werden, so offenbar wie die Doll, macht der abgefallenen Engel zur Verführung der Menschen. Was hier auf Erden für Zufall galt, wird als rechte Entscheidung gött, licher Vorsehung erscheinen, und sie werden lerne«, wie Gott die Haare auf jedem Menschenhaupt zählt und für die zwei Sperlinge des Evangeliums sorgt, die doch nur einen Groschen kosten. Aber die Seele bleibt nicht hienieden. Sie steigt empor in den Luftraum und erforscht auch dessen Geheimnisse. Dann tun sich

Das System des VrigeneS.

Die letzten Dinge

333

ihr die Himmel auf, und sie schreitet Jesu nach, von Sphäre zu Sphäre. Jetzt eröffnet sich ihrer Einsicht das Wesen der Sterne, ihrer Stellungen, ihrer Bahnen und des himmlischen Gleichgewichtes. Höher geht der Weg in die Regionen des Unsichtbaren: immer mehr vergeistigt sich die Seele und wächst zur vollkommenen Erkenntnis heran, bis sie nicht mehr Seele, sondern ganz Nus und Geist wird und die Welt der vernünftigen Wesenheit „von Angesicht zu Ange, sicht" schaut. Das ist der von den Philosophen als höchstes Gnt geahnte, aber den Christen beschiedene Weg zur Gottähnlichkeit aus dieser Leiblichkeit empor zum reinen Nus, zur „Herrlichkeit der

Gottessöhne, da Gott ist Alles in Allen", da die geläuterten Wesen nichts anderes mehr fühlen, wissen und denken als Gott alleinx.

Es sind nicht nur wenige Auserwählte, die zu diesem höchsten Ziele kommen. Noch ringen die Millionen auf Erden mit Irrtum und Bosheit, noch streiten die Geister der Hölle wider Gott. Aber wie sie alle einst von Gott ausgegangen sind, so können sie letzten Endes auch alle nicht auf ewig von Gott lassen. Immer neu klingt sein Ruf an ihre Ohren, spüren sie seine Führung in ihrem Leben, fühlen sie in Leid und Not seine erziehende Hand, die auch die letzten Wesen in der tiefsten Hölle nicht verläßt. Einer nach dem andern wird ergriffen, läßt sich bekehren, steigt langsam empor, immer mehr schließen sich an, und nach unabsehbaren Zeiträumen kommt der Tag, wo keiner mehr draußen bleibt, wo auch der Fürst der Hölle zu Gott zurückkehrt2. Dann ist die „Wiederbringung des Alls" vollendet, der Zweck und Sinn des Weltlaufs erfüllt, der Tod aus, gelöscht, und Christus legt in und mit sich Alles Gott zu Füßen, „auf daß Gott sei Alles in Allen". Und noch hält Origenes nicht inne: über das Grenzenlose dieser Welt und ihre Zeit hinaus sucht sein Auge die Ewigkeit. Dieser Weltablauf vom ersten Sündenfall durch ungeheure Zeit,

räume bis zur Heimkehr der Verlorenen und der seligen Endvoll, endung ist doch nur ein Geschehen unter vielen, eine Weltperiode, *) de princ. a, 10,4. 11,3—7. 3,6,1. 3. mit Anm.

2) de princ. 1,6,3 p.83

324

IZ. Ägypten

der andere vorangegangen sind und andere folgen werden. Den» ewig bleibt der Wille der Einzelwesen frei und lockt zu neuem Fall, der dann von selbst die weiteren Folgen auslöst und eine neue Periode des Absinkens in die Materie einleitet. Und ewig bleibt

auch Gottes Liebe, die ihn zu barmherzigem Erbarmen und damit zu sorgender und erziehender Fürsorge treibt. Wiederum hebt das

Wechselspiel zwischen dem Trotz des Geschöpflichen und dem Werben des Logos an, bis auch dieses Drama zu seinem Abschluß gelangt und Gott wieder alles bei sich versammelt, was ewig unverlierbar sein ist'. So schaut der Seher Origenes im Lichte der Ewigkeit Gottes die unendliche Reihe seiner Welten. Es ist deutlich, daß dieses „System" uns das Bild einer zur Vollkommenheit gelangenden christlichen Gnosis vor Augen führt, und daß es ebenso wie die Welt des Klemens unter dem Einfluß

außerkirchlicher gnostischer Anschauungen steht. Klar ist auch, daß es in weitem Umfang mit dem Material und den Denkformen der zeitgenössischen Philosophie aufgebaut ist. Und dennoch würde man sehr irren, wenn man seinen Schöpfer als einen rein intellektuell veranlagten Philosophen nähme. Reine Verstandesmenschen waren auch die Philosophen jener Tage nur selten, die Gnostiker schon gar nicht, und Origenes fühlt sich als Christ und wertet die Philosophie nur als Mittel zum Zweck. In seiner großen Verteidigungsschrift gegen den Platoniker Celsus bringt er in anschaulicher Weise zum Ausdruck, was er mit der Weltanschauung seines Gegners gemein­ sam hat — und das ist nicht wenig2 — und wo die entscheidenden Unterschiede zu finden sind: und auf die kommt es ihm an. Sie sind bestimmt durch seine Bindung an Bibel und Kirchenlehre und die daraus folgende Gesamthaltung in der Lebensführung. Dabei wird freilich der einfache Gemeindeglaube in seiner volkstümlichen Derbheit nicht selten vreisgegeben und nur die zur Gnosis entfaltete Auffassung des Christentums geltend gemacht. Aber das entspricht auch sonst der Meinung des Origenes über das ’) de princ. 3,5,3—5 p. 273—276 mit Anm. CelsuS u. Origenes (Beihefte |«r ZNW Nr. 4 1926).

2) 51. Mura-Stange

Origenes als Gnostiker und Exeget

325

Verhältnis von Glauben und Wissen. Ihm ist die Überlegenheit der durchgeistigten Form seiner Religion so selbstverständlich, daß er nur selten Erörterungen darüber anstellt \ Das Wort „Glaube" ist ihm aber keineswegs schlechthin Gegensatz zu Wissen. Er kann auch vom „wirklichen Glauben" reden, der ein Gnadengeschenk Gottes ist, mit sicherem Urteil die Wahrheit ergreift und den vom heiligen Geist in die Bibel gelegten tieferen Sinn versteht2. Schon in der Dankrede des Gregor wurde hervorgehoben, daß alle wissen­ schaftliche Arbeit der Schule in Bibelstudium ausmündete, und das Lebenswerk des Origenes bezeugt durch die Fülle der Kommen­ tare, Homilien und Scholien die Wahrheit dieses Wortes. Auch die Schrift Peri Archon bringt im letzten Buch theoretische Erörte­ rungen über die Notwendigkeit der allegorischen Methode. Wer dem Origenes ins Herz schauen will, muß ihn beim Bibel­ studium aufsuchen. Hier und nur hier eröffnet sich dem Christen -er Weg zur Erkenntnis, hier spricht der Herr durch seinen heiligen Geist zu dem Geist, der in uns Wohnung genommen hat: und ohne die Offenbarung des Logos ist es schlechterdings unmöglich, zu Gott vorzudringen. Origenes hebt die Hände zum Gebet, wenn er um die rechte Deutung ringt, und fühlt den Kuß vom Munde des Logos, wenn sich ihm ohne weltliche Gelehrsamkeit ein göttliches Geheimnis offenbart2. Aber er trifft alle Vorbereitungen nach wissenschaftlichen Grundsätzen, treibt — wie die Anlage der Hexapla zeigt — ernsthafte philologische Arbeit im größten Ausmaß und entwickelt eine sorgfältig durchdachte und auf alexandrinischer Tradition aufbauende Methode der allegorischen Deutung4. Sein Kommentar zum Johannesevangelium zeigt, wie sich seine Arbeitsweise gegenüber der gnostischen Kunst des Valentinianers Herakleon bewährt. Sein Werk ist für die Bibelauslegung der ganzen griechischen Kirche vorbildlich geworden, ist ausgeschrieben *) W. Völker Das Vollkommenheitsideal des Orig. (Beiträge j. histor. Theol. 7,1931) S. 77ff. ") Comm. in Loh. 10, 43, 298—300 p. 221. 20,32,284—286 p. 369. -) Comm. in Cant. prol. p. 63,26 lib. 1 p. 91s. Dgl. Comm. in Matth. 15,30 (3,392 Lo.). *) de princ. 4,3,3—9.

i3. Ägypten

326

und nachgeahmt und hat noch Jahrhundert um Jahrhundert gegolten, als seine Dogmatik längst verdammt war. So geben uns denn diese Bibelkommentare Auskunft über manche Seiten seines

religiösen Lebens und theologischen Denkens, die in seinem syste­ matischen Hauptwerk zurücktreten: bei der Christologie haben wir das bereits zu beobachten Gelegenheit gehabt. Wir steigen in der Gotteserkenntnis stufenweise empor, aber jede Stufe ist Christus: erst erfassen wir ihn als Menschen, dann als

Engel und himmlisches Wesen, erst als Weg, dann als Tür, erst als Herrn und Hirten, dann als König, erst ist er das Lamm, daS unsere Sünde tilgt, dann wird uns sein Fleisch die wahrhaftige

Nahrung:

aber

so

und

nur so

kommen wir zur Erkenntnis

des Vaters'. Im Hoheliedkommentar hören wir von drei Stufen: auf der ersten üben wir uns im Halten der Gebote und sittlichen Lebensführung, auf der zweiten entsagen wir der Welt und ihrer Eitelkeit, die dritte ist Sehnsucht nach dem Schauen des Unsichtbaren und Ewigen: und dies Sehnen findet Erhörung, wenn Gottes Barmherzigkeit in der Seele die Liebe zur Schönheit des Logos entzündet, der diese Liebe erwidertEine ausführliche Beschreibung

des Aufstiegs der Erkenntnis begegnet uns in der Erklärung der Wüstenwanderung Israels und Origenes müht sich im Anschluß

an die Deutung der Ortsnamen, hier den Weg der Seele zu Gott vorgezeichnet zu finden, „mag es nun die Reise aus dieser Welt in den künftigen Aeon sein oder ihre Bekehrung von den Irrtümern des Lebens zur Tugend und Gotteserkenntnis". Origenes weiß also, daß die von Gottes Vorsehung geleitete

Erziehung des Menschengeschlechtes langsam und schrittweise vor sich geht, und braucht dafür Bilder und gelegentlich auch Worte, die von der späteren Mystik ausgenommen und mit neuem Inhalt gefüllt sind. Man muß sich hüten, Origenes mystisch auszudeuten: ihm ist der Gedanke eines Aufgehens der Seele in Gott so fremd wie der eines Einswerdens Gottes mit einem Geschöpf, und auch x) Comm. in Joh. 19,6, 35—39 p. 305. P. 79, iaff. •) tzom. In Numeri 27,9ff. p. 268.

*) Comm. in Cant. prol.

Vrigenes: der Aufstieg der Seele.

Die Sünde

327

Visionen und Ekstase kann man bei richtigem Verständnis der Texte nirgends als Bestandteile seiner Frömmigkeit feststellen'. Seine Seele wandert auf einem vom Licht des Logos erhellten Wege zu Gott «nd trinkt mit offenen Augen den überirdischen Glanz immer neuer Offenbarungen: sie bleibt auch in der seligen Empfindung barmherziger Gottesliebe ein Ich. Der stufenweise Aufstieg seiner Seele zu Gott, von dem er im Hoheliedkommentar redet, ist nicht mit einer technischen Schulung der Meditation verbunden und nicht durch Erzeugung bestimmter Empfindungen geregelt, sondem bildet einfach und klar eine folge­

richtige innere Entwickelung ab. Entscheidend ist für ihn, wie schon sein Schüler Gregor tief empfunden hat, die völlige Einheit von Denken und Handeln. Also steht Erziehung zum sittlichen Tun, zur Befolgung der Gebote am Anfang, und immer wieder warnt er, besonders in seinen Predigten, die Hörer vor Selbstsicherheit und ruft sie zum uner­ müdlichen Kampf gegen die Sünde und die von Dämonen bewirkten Versuchungen. Im Einklang mit den Worten der Bergpredigt stellt er der Durchschnittsmeinung den vertieften Sündenbegriff entgegen, der nach den bösen Gedanken fragt. Es klingt herbe, wenn er den noch immer in Sünden Verharrenden das Recht zur Teil­ nahme an der „Gemeinschaft der Heiligen", das heißt der wahren Christen, absprichtAber er weiß auch, daß vollkommene Gerechtigkeit vor Gott nie zu erreichen ist, und daß die Gerechtigkeit des Menschen stets ein relativer Begriff ist: es fragt sich, woran sie gemessen wird. Und da ist es durchaus möglich und muß gefordert werden, daß der Christ immer dem Heiden überlegen bleibt. Er kann und soll

Gottes Gebote befolgen. Dadurch erwirbt er sich kein Verdienst: das ist unbedingte Pflicht — und auf diesem Gebiet bewegt sich die erste Stufe der religiösen Erziehung. Der Begriff des Verdienst­ lichen tritt erst da auf, wo mehr geleistet wird, als die Gebote ver*) Hal Koch Pronota u. Paibeusis ZZZ—339 gegen W. Völker Vollkommen, heitsideal des Orig. 62—144. 2) Hom. in Levit. 4,4 p. 320. W. Völker Dollkommenheitsideal S. zif.

328

iz. Ägypten

langen; nämlich bei der Askese, und da ist ihm das Entscheidende die geschlechtliche Enthaltsamkeit x: was er in seiner Jugend darüber

hinaus noch geleistet hat, finden wir bei Euseb ausgezeichnet^. Erst dem Asketen, der den Weg der Vollkommenheit beschritten hat, öffnet fich der Zugang zur dritten Stufe, dem Leben in gnostischer Erfassung des Logos. Es trifft zu, daß dieser Weg und sein Aufstieg von sittlich

ernstem Kampf gegen die Leidenschaften über die Askese zur vollen Erkenntnis nicht aus eigentümlich christlicher Anschauung ent# springt, sondern der Zeitanschauung gemäß ist und insbesondere vom Platonismus gepredigt wurde. Hier haben wir nicht bloß in der Theorie, sondern auch in der praktischen Lebensführung des Origenes den Einfluß des Ammonios Sakkas. Und wenn wir uns erinnern, daß im ganzen System die Gottferne in der Materialisierung zum Ausdruck kommt, und daß der Aufstieg zugleich eine Lösung von diesem Leibe bedeutet, so wird uns die Gleichung seiner Lehre mit jener Philosophie noch einleuchtender.

Und doch will Origenes auch hier nicht Philosoph, sondern Christ sein und ist sich mit vollem Recht der Übereinstimmung seiner Meinung mit der Bibel bewußt: er braucht keine Allegorie, um die Elemente seiner Lehre bei Paulus und in den Evangelien zu finden, und wenn er die Philosophie benutzt, um diese Elemente zu einer

Einheit zusammenzufügen, so ist das sein gutes Recht als eines Mannes der Wissenschaft. Freilich hat er nicht den ganzen Paulus, den ganzen Johannes, das ganze Evangelium. Aber wer ist ihm

denn da überlegen? Welcher Theolog bis auf den heutigen Tag kann fich rühmen, alles zu umfassen, was die Quelle des Neuen Testamentes der Welt beschert? Origenes hat in der Bibel gelebt wie nach ihm vielleicht nur noch Luther. Was er an Erkenntnis gewann, verdankte er diesem Buch. Hier standen die Gebote, die sein sittliches Leben regelten, hier klang die Weisung zum Weg der Vollkommenen, und hier vernahm er die Stimme des Logos, *) Comm. in Rom. lib. 3,2—3 (6,178—182 Lo.)lib. 10,14 (7,423 Lo.). Comm. in Matth. 15,13—14 (3,352—354 Lo.) c. Gels. 7,48. 2) s. 0. S. 307.

Origenes und die Bibel

329

der seinen griechischen Wissensdurst stillte und ihm künftige Er­ quickung für seine Seele versprach. Er las in diesem Buch als Philosoph und lernte doch daraus, was höher ist als alle Vernunft,

daß der Weg zu Gott nicht Verdienst ist, sondern Gnade. Als be­ gnadeter Lehrer ist er diesen Weg den Scharen seiner Schüler mit vorbildlicher Tat länger als fünfzig Jahre vorangeschritten und

hat am Ende die Wahrheit seiner Lehre durch den Märtyrertod bezeugt. Und die Spur dieses griechischen Christenlebens leuchtet unvertilgbar dem Kundigen noch heute im Bild seiner Kirche.

Das Ringen zwischen Christentum und synkretistischer Gnosis endet auch auf dem Gebiet der Wissenschaft mit einem Sieg der Ecclesia catholica: ihr größter Denker hat ihr die biblische Gnosis geschaffen.

Literatur. Die in Bd. i S. zi8f. aufgeführte Liste ist für Bd. 2 um die nachfolgenden Bemerkungen zu ergänzen:

bis Eusebius. Zweiter Teil, die Akademieschriften werden abgekürzt ! zitiert: sie gehören stets der philo­ Chronologie. 2 Bde. 1897—1904. sophisch-historischen Klasse an, wenn i Hauck, Realenc. = Realencyklopädie nichts anderes angegeben ist. | für protestantische Theologie und Apologeten werden zitiert nach Edgar j Kirche. 3. Aust, herausgegeben I. Goodspeed, Die ältesten Apo, ; von Albert Hauck. 1896 ff. logeten 1914: deshalb auch Justins : Hippolyt KO (= Kirchenordnung), zweite Apologie als App. ! früher Ägyptische Kirchenordnung Bened. hinter einem Zitat meint ' genannt, wird zitiert nach Didasjeweils die ursprüngliche Benedik­ tinerausgabe. Bernhart, Max, Handbuch zur Münz­ kunde der römischen Kaiserzeit, 2 Bde. 1926. Bonner Jahrbücher = Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im ! Rheinlande. j

Cabrol et Leclercq Dictionnaire d’ar- ; cheologie chretienne et de liturgie. \ Paris 1907 ff. |

Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. ed. Th. Mommsen in Monumenta Germaniae, Auctores antiquissimi Tom. 9. ii. 13. 1892—98. Concilienakten werden, soweit sie nicht in den Acta Conciliorum Oecumenicorum von Ed. Schwartz ediert sind, nach der Sammlung von Labbe-Cossart, Paris 1671 ff., zitiert. Cumont, Franz, Die orientalischen Religionen im römischen Heiden­ tum, bearb. von A. Burckhardt, Brandenberg. 3. Auflage. 1931.

calia et Constitutiones Apostolorum ed. F. X Funk 2 (1905) S. 97—119. Der lateinische Text gelegentlich nach E. Hauler, Didascaliae Apostolorum fragmenta Veronensia Latina 1, 1900, die orientalischen Texte nach G. Horner The Statutes of the Apostles or Canones Ecclesiastici. London 1904. Johannes Chrysostomus wird nach der Ausgabe von Montfaucon, Paris 1718 ff., zitiert.

i | | Jrenaeus Epideixis = Oes hl. Ire, naeus Schrift zum Erweise der apo­ j stolischen Verkündigung, übers, v. j Karapet Ter-Mekerttschian und Er| wand Ter-Minassiantz, mit Nach­ I wort usw. von A. Harnack. 2. Aust. j 1908. Liber pontificalis ed. Th. Mommsen in Mon. Germaniae, Gesta Pontificum Romano rum. Vol. 1. 1898.

Lipstus-Bonnet: Acta apostolorum apocrypha ed. R. A. Lipsius et M. Bonnet. 2 Bde. 1891—1903.

Oeffau, Hermann, Inscriptiones Latinae selectae. 3 Bde. 1892—1914. Origenes wird nach der Berliner Aus­ gabe zitiert, wenn nicht ausdrück­ Harnack, Adolf, Chronologie = Ge­ schichte der altchristlichen Litteratur i lich Lo(mmatzsch) genannt ist.

Literatur

Prosopographia Imperii Romani ed. Elmar Klebs, Dessau, de Rohden. 3 Bde. 1897—1898. 2. ed. pars I ed. Groag et Stein 1933. Tertullian wird nach der Wiener Aus/ gäbe (Bd. 1 ed. Wiffowa, Bd. 3 Kroymann) zitiert, wo diese fehlt, nach Oehler; das Apologeticum nach G. Rauschen, Florilegium patristicum, fase. 6, 1906. Wiffowa, Georg, Religion und KultuS

331

der Römer, 2. Aufl. 1912 (Handbuch d. klaff. Altertumswissen­ schaft V, 4). ZKG = Zeitschrift für Kirchengeschichte. ZNW = Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche. Z. wiss. Theol. = Zeitschrift für wis­ senschaftliche Theologie, herausg. v. A. Hilgenfeld.

Register. Abendmahl 185. Aberkios 193. Abgar von Edessa, Briefwechsel mit Jesus 68. Abgar IX. von Edessa 266. 272. Abnoba 29. abstrakte Begriffe, Personifikationen 20. 21. Achill 19. Acilius Glabrio 158. Adam und Eva 42. 141. 144, zweiter Adam 214. Addai 273. Adel 8. Adiabene 273. Adoptianismus 115. 118. Ägypten 18. 114. 128. 131. 283—329. Ägypterevangelium 64. 283. ägyptische Götter 30. Afrahat 273. Afrika 128. 219—243. Agapen 121. 226. Agrapha 62. Aias 18. Akklamation 100. Akoluthen 256. Albinos 308. Alemannen $. Alexander von Alexandria 55. Alexander von Jerusalem 166. 310. Alexander aus Phrygien 207. Alexander Severus 28. 163. Alexandria 53. 54. 57. 95. 286. Allegorie 300. 309. 325. Altbachtal zu Trier 30. Ambrosius 187. Ambrosius (Valentinianer) 309. 310. 311. Ammianus Marcellinus 12. Ammonios Sakkas 287. 307. 308. 310. 328. Amor u. Psyche in der christl. Kunst 137. Amtsantritt des Bischofs, Feier des 51. Andreasakten 76.

Anenkletus v. Rom 52. Aniket von Rom 246. Anna 66. Anteros v. Rom 254. Antiochia 53. 264 Antitypus (beim Abendmahl) 126. Antoninus Pius 4. 178. Apamea 140. Apelles 283. Aphtharsia 87. 185. 213. 215. Apokalyptik 40. apokalyptische Schriftstellerei 8i. Apokatastasis 323. Apollo 17. 18. Apollonios Dyskolos 287 Apollonius von Tyana 18. 146. Apostel 34. Apostelgeschichte 69. Apostolikum 103. 106. Appian 14. Apuletus i2. 19. 23. 220. Aquila 313. Aquileia 4. 126. Aquilia Severa 22. Arabien 2. 3. 114. 310. Arbela 266. 273. Archaismus 12, archaistische Stim> mung 16. Archonten 87. Ardabau 196. Ardaschir I. 6. Aretalogien 75. Aristides aus Athen 176. 179. Aristides aus Smyrna 14. 17. Aristoteles 186. 312. Aristoteliker 309. Arkosol 136. Armenien 2. 3. 4. 56. Arnufis 21. Arrian 14. 310. asianische Rhetorik 223. Askese 296. 328, asketische Auffassung des Christentums 79. Asklepios 15. 17.

Register Assyrien 2. 3. Asteriskos 314. Athanasius 55. 57« Atheismus 152. 158. Athenagoras 187. Athenaios 287. Attalos aus Pergamon 207. Attizismus 12. 287. Auferstehung des Fleisches 119. 187* 274. Auferweckung des Lazarus 142. Augustin 187. 313. Aureliergruft am Diale Manzoni 144.

Baal, punischer 27. Babylas von Antiochien 166. Babylon 35. Bäder 150. Barbarenstämme als Söldner 10. Bardesanes 78. 267. 278. Varjesus 70. Barkochba 40. Barnabas 95. 96. 178. Baruch 81. Bafllides 283. Dassianus 22. Bauern 10. bekennen im Sinn von lobpreisen 101. Bellona Pulvinensis 21. Berber 219, berberische Christen 221. Bergpredigt, Darstellung der B. in der christl. Kunst 144. Berufe, verbotene 149. Beryllos von Bostra 311. Beschneidung, Verbot der 34. Besitz, Verzicht auf den eigenen 10. Bileam 143. bischöfliche Traditionsreihe 53, 212. Blasius 247. Britannien i. 3. 4. Buddha 276. 277. 278. Bürgerrecht, römisches 21. 34. Bürgertum 7. 9. Buße 85. Dußpraxis 226. 253.

Caracalla 5. 9. 17. 21. 34. 310. Catenen 312. Celsus 43. 44. 172. 196. 312. 324. Chatten 5. Christenverfolgung 72. 157. 159.

333

Christologie 228. 321. Christus als Titel im Bekenntnis ioi. Christusbild 80. Claudius 1. Commodus 5. Cornelius von Rom 168 f. 236—239. 258—260. Cornutus 312. Cyprian von Karthago 166. 168. 170. 229—243. 258—263. Dacia 2, 3. 6. Dämonen 179. 186. 225. 280. 309. Daniel 39, in der Löwengrube 139. Decius 6. 164. 230, decianische Christenverfolgung 157. 311. Demetrius von Alexandria 55. 284. 307. 310. Diakonen 47. 256. Diatessaron 93. 272. Didache 95. 120. 125. 127. 178. Dio Chrysostomus 13. Diodor 38. Diognetbrief 178. 188. Dionysius von Alexandria 57. 98. 166 f. 169. 241. 260. 263. Dionysius von Rom 263. doketische Anschauungen 104, Doke, tismus 117. Domitian 1. 11. 76. 84. 158. Dougga 27. drei Männer im feurigen Ofen 139. dritte Gesandte, der 280. drittes Geschlecht 41. 177. Drusiana 76. Dura 4. 35. 140. 272. 275. dynamistische Lehre 191. Edessa 77. 266. Che 199. Ehebrecherin, Perikope von der 62. Ehedekret des Kalltst 253. Ehegletchnis des Cpheserbriefs 119. Ehelosigkeit 199. 272. Ckklesia 41. Ekstase 187. 196. 327. Clagabal 20. 22. Cleutherus von Rom 204. 207. 248. Emesa, Baal von 22, Stein von 20. 22. Cmpedokles 186.

334

Register

Cphoros 38. Epiktet 13. 16. 172. zio. Epikur 309. Epiphanienfest 132. Episkopen 47. Epistula apostolorum 86. 105. Epona 30. Eroten in der christl. Kunst 137. Eschmun 20. 225. Esel, in den Thomasakten 78. Esus 30. Euktemon von Smyrna 166. Eulogia 121. Euseb von Cäsarea 96. 315. Eutychian v. Rom 51. Exorzismus 127. 128. Exorzisten 256. Fabian von Rom 166 s. 254. Fabius von Antiochia 167. 266. Fasten 127. 199. Faustinus von Lyon 239. Felicissimus 233. 234. 235. Firmilian von Cäsarea 204. 241. Fisch als Symbol des christl. Glaubens 101. 141, auf Siegelringen 137, bei Aberkios 194. Fischer in der christl. Kunst 141. Flavia Domitilla 158. Flavins Clemens 158. 284. Florinus 248. Fortunatus von Karthago 236. 237. Freitag und Mittwoch als Fasttage 129. Fremde, Teilnahme von Fremden am Gottesdienst 122. 148. Sconto i2. 16. 172. 219. Fructuosus von Tarragona 170.

Galenus 172. Galerius Maximus 242. Gallien 56. 131. Gallienus 6. 171. Gallus 169. 238. 260. Geburt Jesu aus der Jungfrau im Bekenntnis 107, Verbreitung der Lehre 113. Geheimoffenbarungen 46. 297. Gellius 220. 224. 287. 298. germanische Götter 29, Grenzpro­ vinzen 29, Heiligtümer 30. Gesetz, neues 182. Gesetze gegen die Christen 156. Gespenstergeschichten 19.

Glaubensregel 110. 211. Glossolalie 45. 196. 197. Gnofls 47. 63. 81, bei KlemeuS 301, Origenes 324. Gnostiker 110. in. 128. 306. gnostische Denkweise 86, Gedanken in den Apostelakten 79. Goten 6. Gregor von Neocaesarea 166. 315. Greuel 153. 203. griechische Sprache in Afrika 219. 220, in Gallien 206.

Hadrian 3. 7. 13. 18. 33. Hadrianaufstand 34. Harmonius 271. tzatra 272. Hebräerbrief 89. Hebräerevangelium 64. 284. heiliger Geist 318. Heilsökonomie 112. 117. Heilung des Blinden, der Blutflüsstgen 142. Helena 19. Henoch 81. Heraklas von Alexandria 55. 307. 311. tzerakleon 325. Heraklit 181. 186. Herkules 21. 29. 146. 182. tzermas 84. 96. 97. 116. 117. 211. hermetische Schriften 34. Hermogenes 225. 265. 270. tzerodes Atticus 13. 14. 16. tzerodot 37. Heroen 18. Herr, Jesus als der H. 101. 107. tzerrenworte 90. 92. tzexapla 313 ff. Hieronymus 311. 312. Hippolyt von Rom 106. 134. 249, tzippolytische Kirchenordnung 127, Hippolytische Liturgie 104. Hirte, bei Aberkios 194, Hirtenbild bei Hermas 85, der „gute Hirte" in der christl. Kunst 138. 144. Hölle in der Petrusapokalypse 85, Wanderung durch die 78, Höllen­ qualen 322. homoustos 228. 317. 319. Hymnus in den Johannesakten 76, H. des BardesaneS 271.

Register Ignatius 48. 49. 53. 88. 89. 103.135. 159. 235. 264. Jkonium 204. Indien 18. 276. indischer Mythus 78. Jrenaeus 51. 54. 56. 92. 106. in. 131. 207—218. Isaaks Opferung 139. Isis 20. 21. 23. 30. Islam 6. Israel, geistliches 41.

Jabne 35. Jakobus, Protevangelium des 66. Jerusalem 53. Jesaja 115. Joachim 66. Johannes 91,'" Johannesakten 75, Johannesapokalypse 82, Johannes, evangelium 64. Johannes von Damaskus 313. Jonas 139. Juden 152. 245. 264, Judentum 33. 145. 273. 274. 275, jüdische Auf­ stände 33. Julia Domna 8. 17. 22. Julia Mamaea 163. 252. Julius von Rom 57. Jungfräulichkeit der Maria 66. Juppiter Oolichenus 21. 29. Justin 92. 121. i22. 127. 162. 178. 193. 209. 246, Taufbekenntnis bet I. 105, Geburt aus der Jungfrau uz. Juvenal 12. Kaiserkult 21.24.27.152. Kalender 130. Kallist 134. 249. 253. Kallistkatakombe 51. 225. Kanon 90—99. 2ii. Kapitol in Ostia 24, in Timgad 26, in Dougga 27. Karpus und Papylas 135. 162. Karthago 57. 219. Katakomben, jüdische 136, Kallistkata, kombe 51. 255. Katechetenschule 285. 306. 307. Katechumenen 148, Katechumenen­ unterricht 102. in. 127. katholische Briefe 89. 95.

335

keltische Götter 20, Heiligtümer 30, Sprache in Gallien 206. Kerinth 91. Ketzertaufe 229. 240. 261. 263. Keuschheit, Betonung der K. in den Apostelakten 79. Kindheitsevangelien 65. Kirche, Personifikation der 85, bei Hermas 119. Klemens von Alexandria 89. 97. 137. 150. 184. 284—305. 307. 309. Klemens von Rom 52. 89. 96. 125. klementinische Homilien 90. Kleomenes 249. Koinonen 200. Konfessoren 162. 232—237. 258. 259. Konzilien s. Synoden. Kore 114. Korinth 131. Korinther, Briefwechsel mit Paulus in den Paulusakten 74. 90. Kränze 150. Kreta 56. Kreuz im Petrusevangelium 64, Sym­ bolik des 72, Kreuzesmysterium in den Andreasakten 77, Kreuzes­ passah 130, Kreuzestod Christi bei Origenes 321, Lichtkreuz 80. Kriobolium 25. 32. Kultur 150 f. 296. Kybele (Große Mutter) 20. 25. 28. 31. kynische Philosophen 172. 296. 306. Kyrill v. Alexandria 57. Lammträger 138. Laodicenerbrief 90. Lapsi 231. 257. lateinische Bibel 220. Laurentius, Archidiakon in Rom 170. lebendiges Wasser bei der Taufe 128. Leib Christi 41. Leichenverbrennung 135. Lektoren 256. Lentulus, Brief des L. an Kaiser Ti­ berius 68. Leon 238. Leonidas 305. Leptis Magna 21. Lenke, Insel 19. Lessing 211. Leukios Charinos 79.

336

Register

Leviten — Diakonen 125. Libellatici 167. 234. Ltbelli pacis 232. Liber 21. 27. Libertinismus 46. Licinius Serenianus 164. Lichtschiffe 280. Limes 1. 3. 5. Linus 52. Loculi 135. Löwe, in den Panlusakten 73. Logienquelle 61. Logos 118, Göttlichkeit des L. in der epistula apostolorum 86, Logoslehre des Iohannesev. 91. 117, im Bekenntnis 109, bei Justin 180, Tatian 186, Jrenaeus 212, Kle­ mens 289, Origenes 318. Lucius von Patrae 19. Lucius von Rom 260. Lukas 61. 91. Lukian 15. 19. 147. 172. Lyon 54. 134. 159« Macrianus 169. 171. Madonnendarstellung 143. Magier aus dem Morgenland 143. magische Gemmen 34. Makkabäer 40. Mani 78. 276—282. Maranatha 120. Marcia 247. Marcianus von Arles 239. Marcion 88. 94. ui. 220. 246. 265. 267. 270, Marcionitenkirche 170, marcionitischer Presbyter 167. Maria, Geschichte, der 66. Mark Aurel 4. 7. 16. 146. 172. 178. Markomannen 4, Marcomannia 5. Markus 57. 61. 91 Mars 29. Martyrien 146. 159—170. 221. 242. Märtyrer 160. 201. 203. Matronen 30. Matthäus 61. 91. Matthiasevangelium 64. Maximilla 196 s. 202. Maximin 164. 254. Maximus von Karthago 237. Menschensohn 39. Merida 238.

Merkur 28. 29. Mesopotamien 2. 3. 5. 6. 268. 272. Metrodorus 168. Milch und Honig 128. Mtnucius Felix 189. Mischehen 152. Mischna 35. 122. Misdaios 77. Missionare 44. Mithras 25. 28. 29. 30. 32. Mittler 318. Mittwoch und Freitag als Fasttage 129. Monarchianer 248, Monarchianismus 192. 2i2. 311, monarchianische Lehre 191. monarchischer Episkopat 48. 51. 54. Monogenes 108. Monotheismus, im ersten Artikel in, naturreligiöser 23, stoischer 17. Montanismus 58. 196—205. 225. Moses 140. 308. Münzen, Götter auf 20. Münzwert 7. 9. Muratorisches Fragment 97. Musonios 181. Mygdonia 77. Mysterien, der Isis 30, Frömmigkeit der griech. M. 100, Taufriten aus Mysterienbrauch 128, Mysterien­ kulte 30. Mystik 18. 19. 304. 326.

Natalis von Rom 248. Naturalwirtschaft 10. Nepos von Arsinoe 98. Nero 1. 72. 153. Neuplatonismus 176. 308. Neupythagoreismus 144. 308. Nikodemuslegende 67. Nisibis 5. 272. 275. Noah in der Arche 139. Noetos 104. 191. 248. 249. Novatian 170. 236. 237. 258—260. Novatus 230. 233. 237. Numenios von Apamea 308. 312.

Obelos 314. Obrigkeit, Amt einer O. mit d. Christen­ tum nicht vereinbar 149. oedipodeische Liebe 153. Opfer, Abendmahl als O. 125, für Tote 133, Opfergaben 200.

Register

Oranten iz8. Ordines minores 256. Orest 18. Orient 18, Bekenntnis im O. 108, orientalische Götter 20, Stern­ glaube 30, Sonnengott 22. Origenes 163. 164.168.176.305—329. Orphtk 144. Osroene 131. 272. Osterfrage 58, Osterstreit 191. 208, Ostertafel 251. Ostia 24. Ostiarier 257. Otacilia Severa 164.

Palästina 131. Palmyra 6. 35. Palüt von Edessa 271. Pamphtlus 311. 315. Pantainos 284. 307. Pantheos 23. Panthers 174. Papias 62. Papstgruft 255, Papstliste 51. 255. Papyrusreste 63. Paraklet 109. 118. 197. 202. Parthenos 114. Parther 2. 4. Parusie 198. 251. Passah 129. Pasfionsgeschichte in der christl. Kunst M3Paternus 242. Patriarch 34.200, Testamente der zwölf Patriarchen 116. Paulus und Seneca, apokr. Brief­ wechsel 90. Paulus von Antiochia 266. Paulus, Gnostiker aus Antiochia 306. Paulusakten 73. Pausanias 14. Pepuza 198. 200. Peregrinus 44. 147. Perpetua 134. 161. Perfis 275. Pest 4. 6. 198. Petrusakten 71, Petrusapokalypse 85. 97/ Petrusevangelium 64. 92. 265. Pfingsten 129. 132. Philippus 131. Philippus Arabs 164. Ltetzmann. Gesch. d. Alten Kirche 2

337

Philo 114. 183. 308. Philosophie u. Christentum 176. 178. 186. 216. 227. 298. 299. 316. 328. Philostrat 17. 19. Phönizien 44. Photios 286. 301. Pilatusakten 67. Pionius 167. Pius 84. Plato 186. 289. 292. 307. 320, Platoniker 303, Platonismus 178. 182. 328, mittlerer 308. 316. Plinius ii. 153. 172. Plotin 176. 308. 310. Plutarch 13. 17. 113. 179. 308. Pneumatiker 291. 301. Polybius 38. Polykarp 88. 89. 129. 132. 134. 159. 246. Polykrates von Ephesus 131. Pontian von Rom 51. 134. 254. Pontus 56. 131. Porphyrios 308. 310. Porta Maggiore, Kultraum von 139. 144. Potheinos 54. 56. 159. 208. Praxeas 191. 225. 248. Presbyter 50. 53. 55. 256, des Jrenaeus 2ii. 285, des Klemens 285. 301, marcionitischer P. 167. Priska (Priskilla) 196. 198. 199. Propheten 44. 45. 187. Proselyten 34. 174. Provinzen 8. Prüfungswasser 66. Psychiter 291. 301. Ptolemaios (Astronom) 286. punische Sprache 221. Pythagoras 289, Pythagoreismus 144, Pythagoreer 308. Quaden 4. Quadratus 175. Quartodezimaner 130. 247. Quintilian 11. Rabbinen 61, Rabbinensprüche 60. Regenwunder 21. Regionen 255. Rekapitulation 214. 215. Religionsprozesse 156.

338

Register

Rhetorik 12. Rhoffos 56 Y2. 265. Rom 52. 57. 58. 128. 131, röm. Kirche 212. 244—263. Romane, christliche 75. Rosmerta 29. Rufin 312. Sabazius 25. Sabellios 249. Sakramente 192. 193. 214. 215. 305, Sacramentum in. 128. Salbung beim Exorzismus 128, bei der Taufe 128. Samariterin 142. San Sebastiano, Katakombe in Rom 142. Sarapis 17. 20. 21. 100. Sarmatia 5. Sassantden 6. 274. 276. Satanas, feierliche Absage vor der Taufe 128. Saturn 27. Schapur I. 6. 275. 276. Schauspiele 149. 225. Scillt 162. 22i, Scillitaner 134. Seelenwanderung 320 Seleukia, Grab der Thekla 74. Seleukia-Ktesiphon 275. Sendschreiben der Apokalypse 90. Seneca und Paulus, apokr. Brief­ wechsel 90. Septimius Severus 5. 8. 9. 10. 20. 21. 22. 55. 163. 285. 305. Septuaginta 314. Serapion von Antiochia 56. 92. 265. 271. Sibylle 81. 289. Silvanus 25. 26. Simon Magus 70. 71. Skeptiker 309. Sohn Gottes, Jesus als S. G. 101.113. Sokrates 181. 310. Soldaten 8.10, verbotener Beruf 149. 152. Sonnenkult 22. Sophia 180. 212. Sophistik, zweite 13. Soter 51. 132. 246. Spanien 57. 238. Speisung der Fünftausend 141.

Sprüche der DLter 60. Staatstempel 20, Staatswesen: Kirche und Welt wie zwei 43. 85. Städte 7, Gleichnis von den zwei St. bei Hermas 85, städtische Ämter 10, Stadtgenien 26. Statio --- Fasten 129. 199. Stephanus von Rom 238. 239. 240. 241. 260. Sterbegebete 139. Sternglaube, orientalischer 30. 268. Steuerzahlung 9. 151. Stoa 293. Stufen in der Gotteserkenntnis 326. Subdiakonen 256. Südgallien 57. Sündenvergebung im Bekenntnis 119. Sueton i2. 172. Sulpicius Apollinaris 219. Susanna 139. Symbolik in der christl. Kunst 143» Symmachos 313. Synagoge 140. Synedrium 35. Synoden 58. 131. 203. 204. 229. 235. 236. 238. 240. 241. 247. 259. 260. 266. 310. Syrien 44. 264—282. Tacitus 11. 12. 172. Talmud 35. 60. 61. 276. Tanit (punische Himmelsgöttin) 20. 22. 27. 225. Tarvos 30. Tatian 93. 185. 186. 265. 272. Taufe 127. 214. 274. T. Christi 141. Taurobolium 25. 28. 30. 32. Tertullian 52. 106. 141. 151. 191* 222—228. Testamente der zwölf Patriarchen 116. Teufel in der volkstümlichen Christo­ logie 118. 321. Text des Neuen Testaments 94. Thekla 73. 74. Theodoret 313. Theodotion 314. Theodoros 191. 248. Theoktistos von Caesarea 310. Theophilos von Antiochia 93. 185. 188. 265.

Register

Thomasakten 77, Thomasevangelium 64. 65. Thot 21. Thukydides 37. thyesteische Mahlzeiten 153. Tiberias 35. Timgad 26. Titelkirchen 256. Trajan 2. 7. 11. 33. 15$. 159. Trinitas 228, Trinität 184, 318. trojanischer Krieg 19. Tryphon 178. Turm, Symbol für die Kirche 85. Tyche 38. Tymion 198. Tyrus 311. Ulpian 157. Unterricht, der mit dem Christentum nicht vereinbar ist 149 Urban von Rom 254. Urmensch 279.

Valentin 47. 246. 283, Valentinianer 108. 309. 325. Dalerian 6. 169. 170. 241.

339

Verdienstgedanke 327. Vergottung 21. 185. 192. 215. 291 321. 322. 323. Deronikalegende 67. 68. Despasian 1. Viktor von Rom 131. 247. 248. Visionen 161. 327. Visuna 29.

Wasser bei der Taufe 128. Weihnachtsfest 22. Weissagungsbeweis 179. 320. Weltgeschichte 37. Willensfreiheit 213. 268. 292. 319. Wochengöttersteine 30. Xenophon 182. Xerophagien 200. Xystuö von Rom 170. 242.

Zauberpapyri 34. Zephyrin 248. 249. 310. Zeus 17. Zoroaster 278. zweiter Gott 180. 318.

Nachtrag. Auf Seite 342 ist in Zeile 9 v. u. hinter „dem 14. September" einzufügen 258.

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Athanasius Werke. Herausg. im Auftrage der Kirchenväter-Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 40. 3. Band, 1. TI. (Lieferung 1 u. 2): Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites 318—328. Von Hans-Georg Opitz. 2. Band, i.Tl. (in der Reihenfolge des Erscheinens Lieferung 3): Die Apologien: 1. De decretis Nicaenis. Von Hans-Georg Opitz. Gesamtumfang etwa 150 Bogen. Ausgabe erfolgt in Lieferungen zu 5 Bogen. Preis jeder Lieferung RM. 6.50. Ausführl. Prospekt kostenlos.

Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen Herausgegeben von Hans Lietzmann. Die vorliegende Textsammlung umfaßt bisher 167 Bände aus folgenden Gebieten: Theologie und Religionswissenschaft — Alte Philologie — Germanische Philologie — Orientalische Sprachen — Geschichte, Staatswissenschaft. Einausführliches systematisches Verzeichnis steht kostenlos zur Verfügung.

Der Weg der Kirche Herausgegeben von Georg Burghart und Ernst Sellin. Oktav. 1. Abschaffung des Alten Testaments? Von Ernst Sellin. 39 S. 1932. KM —95 2. Kirche und junge Generation im Ringen der Zeit. Von Hans Böhm. 1933KM — 95 3. Kirche und Volk. Von Joh. Eger. 1933. KM —.95 4. Arteigene germanische Religion und Christentum. Von W. Baetke. 1933. RM —.95 5. Paulus. Von H. Lietzmann. 1934. KM —95

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Eine billige theologische Bibliothek! Eine Auswahl der in der Sammlung Göschen erschienenen Bände: Buddhismus von Prof. Dr. Hermann Beckh. 2 Bände................. Nr. 174, 770 K'ungtse und der Konfuzianismus v. Prof. D. Dr. Rich. Wilhelm.......... Nr. 979 Theosophie nebst Anthroposophie und Christengemeinschaft von Pfarrer Lic. Kurt Lehmann-Issel ............................................. Nr. 971 Vergleichende Religionswissenschaft von Prof. D. Dr. Heinr. Frick Nr. 208 Religionsphilosophie von Prof. Dr. Otto von der Pfordten............... Nr. 772 Psychologie der Religion von Dr. Rich. Müller-Freienfels. 2 Bde. .. Nr. 805, 806 Die Religionen der Naturvölker im Umriß von Prof. Dr. Th. Achelis.. Nr. 449 Germanische Religionsgeschichte und Mythologie von Prof. Dr. E. Mogk Nr. 15 Griechische Religiosität von Homer bis Pindar und Äschylos (Die griechische Religiosität I) von Prof. Dr. Wilhelm Nestle............. Nr. 1032 Griechische Religiosität vom Zeitalter des Perikies bis auf Aristoteles (Die griechische Religiosität II) von Prof. Dr. Wilhelm Nestle... Nr. 1066 Griechische Religiosität von Alexander d. Gr. bis auf Proklos (Die grie­ chische Religiosität III) von Prof. Dr. Wilhelm Nestle................. Nr. 1080 Römische Religionsgeschichte von Privatdozent Franz Altheim. I: Die älteste Schicht. Nr. 1035. II: Von der Gründung des kapi­ tolinischen Tempels bis zum Aufkommen der Alleinherrschaft. Nr. 1052. 111: Die Entwicklung der römischen Religion in der Kaiserzeit ......................................................................................... Nr. 1072 Protestantische Theologie. Überblick und Einführung von Lic. theol. Theodor Odenwald.......................................................................... Nr. 983 Theologische Ethik von Privatdozent Dr. G. Wünsch.......................... Nr. 900 Die Entstehung des Alten Testaments von Prof. Lic. Dr. W. Staerk.. Nr. 272 Alttestamentliche Religionsgeschichte von Prof. D. Dr. Max Löhr........ Nr. 292 Geschichte Israels bis auf die griech. Zeit von Prof. Dr. J. Benzinger. .. Nr. 231 Die Entstehung des Neuen Testaments von Prof. Lic. Dr. Carl Clemen.. Nr. 285 Die Entwicklung der christlichen Religion innerhalb des Neuen Testa­ ments von Prof. Lic. Dr. Carl Clemen........................................... Nr. 388 Neutestamentl. Zeitgeschichte von Prof. Lic. Dr. W. Staerk. 2 Bde. Nr. 325, 326 Geschichte der urchristlichen Literatur von Prof. D. Dr. Martin Dibelius. 2 Bände..................................................................................... Nr. 934, 935 Kirchengeschichte von Prof. D. Dr. Karl Aner. I: Altertum. Mit 2 Textkarten. II: Mittelalter. III: Reformation u. Gegenreforma­ tion. IV: Neuzeit, 1. Hälfte (bis ca. 1830) ........ Nr. 985, 986, 987, 988 Geschichte der katholischen Kirche von der Mitte des 18. Jahrh, bis zum Vatikanischen Konzil von Geh. Kons.-Rat Prof. D. Mirbt... Nr. 700 Dogmengeschichte von Prof. D. Dr. Friedr. Wiegand. 3 Bände. Nr.993,994,1007 Altchristliche lateinische Literaturgeschichte des 2.—6. Jahrhunderts von Prof. Dr. A. Gudeman............................................................ Nr. 898 Die christlichen Literaturen des Orients von l)r. Anton Baumstark. 2 Bände................................................................................... Nr. 527. 528 Die Kirche des Morgenlandes von Prof. N. von Arseniew..................... Nr. 918 Symbolik des rörn. Katholizismus von Pfarrer D. Leonhard Fendt.... Nr. 937 Der evangelische Gottesdienst von Prof. Dr. F. Niebergall................. Nr. 894 Die katholischen Missionen von Prof. D. Dr. Jos. Schmidlin............... Nr. 913 Die Entstehung des Talmuds von Dr. S. Funk.................................... Nr. 479 Talmudproben von Dr.8. Funk............................................................... Nr. 583 Jeder Band in Leinen gebunden nur HM 1*62 Verzeichnis kostenlos!

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Freunde des deutschen Buches! Lassen Sie sich unsere Bücher von Ihrem Buchhändler unverbindlich zur Ansicht vorlegcn. Nachstehend finden Sie eine Auswahl für jeden, der sich mit dem deutschen Bliche verbunden fühlt.

Kulturen — Rassen — Völker. (Schuchhardt, Alteuropa.) Mit 43 Tafeln und 186 Textabbildungen. 3. Auflage. Gr.-Okt. XIII, 355 S. 1935. Geb. RM 7.20 . . ist mit Recht vor allem in der neuen Auflage das wichtigste Buch für die heutige breitere Diskussion vorgeschichtlicher Fragen geworden . . ." Deutsche Zukunft. Deutsche Geschichte. Erster Band: Urzeit, Bauerntum und Aristokratie bis um 1100. Von Johannes Bühler. VIII, 413 Seiten. 1934. Geb. RM 7.20 „. . . Bühlers Geschichte ist unentbehrlich für den, der sich ernsthaft und gründlich über Rasse und Volk unterrichten will und kein Lehrbuch, sondern eine lebendige Darstellung zu lesen wünschtBollwerk. Zweiter Band: Fürsten, Ritterschaft und Bürgertum von 1100 bis um 1500. Mit 8 Tafeln. IX, 440 Seiten. 1935. Geb. RM 7.20 Die Formung des griechischen Menschen. (Jaeger, Paideia.) I. Band. 2. Auflage. Gr.-Okt. IX, 513 Seiten. 1936. Geb. RM 8.— ,,W. Jaegers Werk gehört zu den seltenen starken Büchern, die höchsten Gegenwartswert haben, der in der Darstellung selbst nicht gesucht oder betont wird, sondern in der Sache begründet liegt. Damit verbindet sich ein besonderer Vorzug der Dar Stellungskunst.** Deutsche Zukunft. Die Religion der Ägypter. Ihr Werden und Vergehen in vier Jahrtausenden. Von A. Erman. Gr.-Okt. Mit 4 Tafeln und zahlreichen Textabbil­ dungen. XVI, 465 Seiten. 1934. Geb. RM 7.50

. Das Buch ist keineswegs für Fachgelehrte berechnet. Dem gebildeten Laien zeigt es, daß es in Ägypten doch noch sehr andere Dinge gegeben hat, als heilige Katzen und Mumien...“ Postzeitung Augsburg v. 4. 12. 34. Tausend Jahre Deutscher Plastik und Malerei. Von Herbert Freiherrn von Oelsen. Mit 192 Abbildungen. Gr.-Oktav. 51 Seiten Text und 157 Abbildungen. 1934. Steif brosch. RM 3.2a . . Eine erstaunliche Leistung für einen so mäßigen Preis, der das Werk zu einem wirklichen Volksbuch macht. Die aufschlußund kenntnisreiche textliche Bearbeitung, die sorgfältige Auswahl des Abbildungsmatcrials und dessen ausgezeichnete Wiedergabe helfen zu­ sammen, das Buch zu einem genußreichen Lese- und Bilderband zu machen . . . " Kunst- und Antiquitäten-Rundschau. Jan. 1935.

Die Antike. Zeitschrift für Kunst und Kultur des klassischen Altertums. ITerausgegeben von Werner Jaeger. Reich illustriert. Jährlich 4 Hefte zum Preise von RM. 36. — , Einzelhefte RM. 10. —. Die Mit­ glieder der Gesellschaft für antike Kultur erhalten die Zeitschrift gegen Zahlung des Mitgliedbeitrags von jährlich RM. 27.— kosten­ los zugcstcllt.

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