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German Pages 338 Year 2014
Stollenwerk Geschäfte zwischen nahestehenden Personen
Rechtsordnung und Steuerwesen Band 47 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann
Geschäfte zwischen nahestehenden Personen Begriff und Funktion im deutschen Steuer-, Handelsbilanz- und Insolvenzrecht
von
Dr. iur. Ralf Stollenwerk
2014
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64246-4 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany
Meiner Familie
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Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände er schienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Ver hältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den ge wählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschafts recht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Euro parechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhän ge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfah rensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristi schen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellun gen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentref fen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Ge staltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Veranke rung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuer rechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatauto nomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben wer den. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Bonn, im Oktober 2011 Wolfgang Schön
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Geleitwort
Zu dieser Schrift Der Begriff der „nahestehenden Person“ findet sich nicht nur in steuer rechtlichen Vorschriften, sondern auch im Handelsbilanz- und Insolvenz recht. Die parallele Verwendung eines Rechtsbegriffs in unterschiedli chen Normzusammenhängen legt die Frage nahe, ob sich hinter dem Begriff der „nahestehenden Person“ ein einheitliches normatives Kon zept verbirgt. Dies würde dem Rechtsanwender beispielsweise erlauben, bei der Anwendung dieser Rechtsfigur im Kontext einer bestimmten Norm auf Rechtsprechung und Literatur zur „nahestehenden Person“ bei anderen Vorschriften zurückzugreifen. Die Untersuchung von Stollenwerk unterzieht deshalb das Rechtsinstitut der „nahestehenden Person“ erstmals einer übergreifenden Untersuchung, die neben dem Steuerrecht auch das Handelsbilanz- und Insolvenzrecht vergleichend einbezieht. Die Arbeit überzeugt durch die Gründlichkeit und Umsicht, mit der die un terschiedlichen Funktionen der Rechtsfigur der „nahestehenden Person“ im jeweiligen normspezifischen Umfeld herausgearbeitet werden. Bei diesen Detailstudien gerät indes das übergeordnete Ziel der Untersu chung niemals aus dem Blick. Daher liegt das Schwergewicht der Überle gungen bei solchen Fragestellungen, die für die vergleichende Gesamtbe trachtung von besonderer Bedeutung sind. Auf diese Weise macht die Arbeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Verständnis des Be griffs der „nahestehenden Person“ in den verschiedenen Normkontexten sichtbar, die bei einer auf ein einzelnes Referenzgebiet beschränkten Bin nenbetrachtung verdeckt bleiben würden. Im Ergebnis bestätigt die Ar beit die 30 Jahre alte These von Brigitte Knobbe-Keuk, dass das Tatbe standsmerkmal der „nahestehenden Person“ vorrangig im Kontext der jeweiligen Steuerrechtsnorm verstanden werden müsse. Eine ungeprüfte „Transplantation“ eines bestimmten Begriffsverständnisses von einer Rechtsnorm zur anderen kann daher nicht nur de lege lata leicht zu Frik tionen führen. Auch de lege ferenda erschwert die Normbezogenheit der „nahestehenden Person“ eine übergreifende „allgemeine“ steuerrechtli che Definition von „Näheverhältnissen“ zu natürlichen oder juristischen Personen in der Abgabenordnung. Mit seiner innovativen Untersuchung hat Stollenwerk einen wichtigen und weiterführenden Beitrag zum bes seren Verständnis von Begriff und Funktion der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht geleistet. München und Bonn, im Mai 2014 Wolfgang Schön
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem Förderpreis der Esche Schümann Commichau Stiftung ausgezeichnet. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis einschließlich März 2014 berücksichtigt werden. An erster Stelle danke ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann, der meine Idee zu dieser Untersuchung von Beginn an ermutigend unterstützt und durch kluge Wegweisung an entscheiden den Stellen gefördert hat. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Institut habe ich größtmögliche Freiheit und viel Vertrauen genossen. Zugleich danke ich ihm und Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“. Mein Dank gilt auch Herrn Richter am Bundesfinanzhof Prof. Dr. Andreas Herlinghaus für die zügige Erstellung des Zweitgutach tens. Meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen am Institut für Steuer recht der Universität Bonn gebührt Dank für die angenehme Arbeitsat mosphäre und zahlreiche Gespräche. Während der vielen schönen Jahre des Studiums und der Promotion in Bonn hatte ich das Glück, treue Freunde an meiner Seite zu wissen. Insbesondere unsere nahezu tägli chen gemeinsamen Mittagessen waren mir stets größte Freude und ab wechslungsreiche Erheiterung. Ganz besonderer Dank gilt meiner lieben Freundin Bettina Frost. Sie hat nicht nur die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen, sondern mich in allen Phasen der Entstehung dieser Arbeit liebevoll unterstützt. Gewidmet ist diese Untersuchung meiner geliebten Familie. Meine El tern, meine Schwester und meine Großmutter haben – jeder auf seine Art und Weise – Großes zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Durch ihre liebevolle Selbstlosigkeit, ihre Genügsamkeit und ihren Fleiß waren und sind sie mir stets Rückhalt, Vorbild und Ansporn. Meine Heimat trage ich tief im Herzen, wohin ich auch gehe. Bonn, 12. April 2014
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Inhaltsübersicht Seite
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII § 1 Einleitung A. Einführung in die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 § 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO A. Grundlagen des § 138 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO . . . . . . . . . . . . . . 13 C. Zusammenfassende Analyse des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 3 Bilanzrecht: Die Angabepflichten zu „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Zusammenfassende Analyse des bilanzrechtlichen Begriffs verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 § 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht A. Vorüberlegungen zur Einordnung der „nahestehenden Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Verdeckte Gewinnausschüttung: Die Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 XI
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Inhaltsübersicht
D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . . . . 146 E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG . . . . . . . . . . . 209 H. Verlustabzug, § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Exkurs: „besondere Beziehungen“ im Sinne des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA, Art. 12 Abs. 4 OECD-MA und des Art. 4 Abs. 2 EU-Zins-/Lizenz-RL sowie dessen Umsetzung in § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 § 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ de lege ferenda A. Vergleichende Zusammenschau: Vorbildcharakter der insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffsdefinitionen für eine steuerrechtliche Begriffsbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung einer steuerrechtlichen Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition . 269
§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 281
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Seite
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI § 1 Einleitung A. Einführung in die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 § 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO A. Grundlagen des § 138 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Überblick über die Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Bedürfnis für eine insolvenzrechtliche Sonderbehandlung „nahestehender Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Tatbestandssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Insolvenz einer natürlichen Person, § 138 Abs. 1 InsO . . . . . 14 1. Ehegatte und sonstiger Lebenspartner, § 138 Abs. 1 Nr. 1, 1a InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Nahe Verwandte, § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . 15 3. In häuslicher Gemeinschaft lebende Personen und Personen mit dienstvertraglicher Verbindung zum Schuldner, § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4. Gesellschaftsrechtliche Beziehungen, § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Insolvenz einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, § 138 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . 18 1. Organmitglieder, persönlich haftende und qualifiziert beteiligte Gesellschafter, § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO . . . . . . . 18 a) Grundlagen des Absatzes 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 c) Persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 XIII
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d) Zu einem Viertel am Kapital beteiligte Gesellschafter, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Vergleichbare gesellschaftsrechtliche oder dienstvertrag liche Verbindung, § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . 22 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 b) Vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung . . . . . 23 c) Vergleichbare dienstvertragliche Verbindung . . . . . . . . . 26 3. Ausdehnung der gesellschaftsrechtlichen Näheverhält nisse, § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Zusammenfassende Analyse des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 3 Bilanzrecht: Die Angabepflichten zu „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Einordnung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Das bilanzrechtliche Bedürfnis nach einer Offenlegung von Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Die möglichen Auswirkungen auf das berichtende Unter nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Irreführende Wirkung von Abschlussinformationen . . . . . 38 3. Offenlegung als Antwort und als Ziel der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Die handelsrechtlichen Angabepflichten nach §§ 285 Nr. 21, 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Wesentliche Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Marktunüblichkeit der Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Umfang der Einzelangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Überblick über sonstige Angabepflichten von Näheverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Systematik und Überblick über die Begriffsbestimmung in IAS 24.9 bis IAS 24.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Bedeutung der sogenannten „wirtschaftlichen Betrachtungs weise“, IAS 24.10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die von IAS 24.9 bis 24.11 erfassten Näheverhältnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
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1. Eine Person oder ein naher Familienangehöriger dieser Person als nahestehende Person, IAS 24.9 a) . . . . . . . . . . . 51 a) Beherrschung des berichtenden Unternehmens oder Beteiligung an dessen gemeinschaftlicher Führung, IAS 24.9 a) i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Gemeinschaftliche Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Maßgeblicher Einfluss auf das berichtende Unternehmen, IAS 24.9 a) ii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Schlüsselposition im Management des berichtenden Unternehmens oder seines Mutterunternehmens, IAS 24.9 a) iii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 d) Nahe Familienangehörige einer Person . . . . . . . . . . . . . 58 2. Ein Unternehmen als nahestehende Person, IAS 24.9 (b) . 63 3. Negativabgrenzung nach IAS 24.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C. Zusammenfassende Analyse des bilanzrechtlichen Begriffs verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 § 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht A. Vorüberlegungen zur Einordnung der „nahestehenden Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Verdeckte Gewinnausschüttung: Die Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Grundzüge der verdeckten Gewinnausschüttung . . . . . . . . . 77 1. Grundlagen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis . . . . . . . . 81 a) Zentrale Bedeutung des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . 81 b) Feststellung der Veranlassung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Konkrete Veranlassungsprüfung und Veranlassungs prüfung anhand von Hilfskriterien . . . . . . . . . . . . . . 82 (2) Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 i. Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 ii. Angemessenheit, Ernstlichkeit und Üblichkeit einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 iii. Indizwirkung des Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . 87 (3) Sonderregeln für den beherrschenden Gesellschafter 88 II. Verdeckte Gewinnausschüttungen an „nahestehende Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
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1. Grundlagen der verdeckten Gewinnausschüttung an dritte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Kein aliud zur „allgemeinen“ verdeckten Gewinn ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Prüfungsmaßstab für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis bei Leistungen der Gesellschaft an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Vermögensvorteil für den Gesellschafter erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Beweisrechtliche Bedeutung des Näheverhältnisses für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis . . . . . 96 a) Anscheinsbeweis und Indizienbeweis . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Grundlegende Änderung der Rechtsprechung? . . . . . . . 98 4. Überblick über ausgewählte Beziehungen zwischen Gesellschafter und Drittem in der Rechtsprechung . . . . . . 99 a) Zuwendungsempfänger ist eine natürliche Person . . . . 99 (1) Familienrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 99 i. Ehegatten und nichteheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 ii. Sonstige „nahe Verwandte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Sonstige persönliche Näheverhältnisse . . . . . . . . . . . 103 i. Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 ii. Jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit . . . . . 104 iii. Berufsverbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Zuwendungsempfänger ist eine Gesellschaft oder eine sonstige Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Grundlagen der „Gesellschafteridentität“ . . . . . . . . 106 (2) Konzernmäßig verbundene Unternehmen als Hauptanwendungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse . . . . 109 (4) Zuwendungen an „mittelbare Gesellschafter“ . . . . . 112 (5) Zuwendungen an Vereins- und Innungsmitglieder sowie Genossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (6) Spenden und verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . 115 c) Schuldübernahme im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Zusammenfassung und vorläufige Würdigung . . . . . . . . . . . 119 C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Grundzüge des § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Überblick über den Regelungsgehalt des § 1 AStG . . . . . . 124 3. Die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 XVI
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II. Die „nahestehende Person“, § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . 126 1. Überblick über die Regelungssystematik des § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Nahestehen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beteiligung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Wesentliche Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Beherrschender Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Nahestehen mittels einer dritten Person, § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4. Geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten zwischen nahestehender Person und Steuerpflichtigem, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5. Interessenidentität, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG . . . . . . . 137 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 IV. Kritik und Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . 143 D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . . . . 146 I. Grundzüge des § 10 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Einordnung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Grundtatbestand: Entgelt als Bemessungsgrundlage, § 10 Abs. 1 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Die „Ausnahmetatbestände“ in § 10 Abs. 4 und § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal der Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . 151 1. Unionsrechtlicher Kontext der deutschen Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG . . . . . 151 2. Die drei Fallgruppen von Nähebeziehungen in § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Einschränkungen des Anwendungsbereichs des § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Tatbestandliche Einschränkung „auf Grund des Dienstverhältnisses“, § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG . . . . . . . . 154 b) Vereinbarung eines „marktüblichen Entgelts“ . . . . . . . . 155 (1) Teleologische Reduktion der Bemessungsgrundlage auf den Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Die Vereinbarung eines lediglich „symbolischen Preises“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Grundsätzliche Kritik an der Ausgestaltung des § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehen den Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG . . . . . . . . . 160 1. Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Finanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 XVII
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(1) FG Köln v. 20.2.1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) FG München v. 6.10.1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) FG Münster v. 7.9.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (4) FG Düsseldorf v. 26.11.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Grundzüge des § 32d EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Überblick über die Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Regelungsgehalt und Normstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Überblick über die Ausnahmen von der Anwendung des gesonderten Steuertarifs, § 32d Abs. 2 EStG . . . . . . 172 II. Die Missbrauchsvermeidung nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG . 173 1. Bedeutung und Zweck von Abs. 2 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Überblick über die einzelnen Näheverhältnisse des Abs. 2 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Regelungstechnische Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG . . . . . . . . 176 1. Ausgangslage und Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Die verschiedenen Auslegungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . 178 a) Finanzverwaltung (BMF-Schreiben) . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Überblick über Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Die zwei an der Gesetzesbegründung orientierten Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 i. Direkte Anwendung der Kriterien der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 ii. Erfordernis einer „weitgehenden Interessenidentität“ und eines „Gesamtbelastungsvorteils“ . . . 187 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Auslegungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Stiftung als „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 XVIII
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F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Grundzüge des § 8a KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Überblick über die allgemeine Zinsschranke des § 4h EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Normstruktur und Regelungsgehalt der ZinsschrankenRegelung für Körperschaften, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG 199 II. Der Kreis der „schädlichen Geldgeber“: Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal der Rückausnahmen in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Die Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG . 202 1. Begriffliche Folgeprobleme und Korrekturbedarf . . . . . . . . 202 2. Konkurrenzverhältnis zwischen der Rechtsstellung als Anteilseigner und der Rechtsstellung als „nahestehende Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Natürliche Personen als „nahestehende Personen“ im Sinne der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG . . . . . . . . . . . 209 I. Grundzüge des § 8b KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Überblick über den zentralen Regelungsgehalt der Norm . 210 II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal des § 8b Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ in § 8b Abs. 1 Satz 4 und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 H. Verlustabzug, § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Grundzüge des § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Überblick über die Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Normstruktur und Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Grundtatbestand des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
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c) Rechtsfolge des anteiligen oder vollständigen Untergangs der Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 d) Rechtscharakter und Verhältnis zu § 42 AO . . . . . . . . . 225 II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal des § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Erwerberkreis „an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Gleichstellung einer „Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen“, § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG . . . . . . . . 228 III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ in § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG . . 230 1. Ausgangspunkt: unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . 230 2. Auslegungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Exkurs: „besondere Beziehungen“ im Sinne des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA, Art. 12 Abs. 4 OECD-MA und des Art. 4 Abs. 2 EU-Zins-/Lizenz-RL sowie dessen Umsetzung in § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Grundzüge des Art. 11 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Einordnung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Überblick über die Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Fremdvergleichsvorbehalt des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA . . . 241 1. Zweck und Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung . 241 2. Begriff der „besonderen Beziehungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 242 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Die Essenz der untersuchten steuerrechtlichen Institute im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG . . . . . . . 246 4. Abgeltungsteuer, § 32d Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG . . . . . . . . . . . . 248 6. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG . . . . . . 248 7. Verlustabzug bei Körperschaften, § 8c KStG . . . . . . . . . . . 249 II. Versuch einer Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Fremdüblichkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 XX
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2. Bezugspunkt des Nahestehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Zeitbezug des Nahestehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Kritik und Interpretation des steuerrechtlichen Befundes . . 253 § 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ de lege ferenda A. Vergleichende Zusammenschau: Vorbildcharakter der insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffsdefinitionen für eine steuerrechtliche Begriffsbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Verfahrensrechtlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Strukturmerkmale der „nahestehenden Person“ im vergleichenden Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Die Trennung zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften . . . . . 259 2. Marktunübliche Vereinbarung als Voraussetzung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Die Einbeziehung familiärer Beziehungen . . . . . . . . . . . . . 262 4. Der Umgang mit „faktischen Näheverhältnissen“ als Spiegel der bereichsspezifischen Zwecksetzungen . . . . . . 263 a) Persönliche Beziehungen außerhalb des familiären Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Wirtschaftliche Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung einer steuerrechtlichen Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Begrenzung auf Fälle marktunüblicher Vereinbarungen . . . . 266 II. Anforderungen an die Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Elastizität des begrifflichen Anwendungsbereichs: Keine abschließende Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Einbeziehung faktischer Näheverhältnisse . . . . . . . . . . . . 267 3. Abgestufte Begriffsdefinition zur Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit, Praktikabilität und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition . . 269 I. Sprachliche Anlehnung an die Formel aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung (1. Stufe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Widerlegbare Vermutungsregel bei bestimmten Nähe verhältnissen (2. Stufe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Vorzugswürdigkeit einer widerlegbaren Vermutung . . . . . 269 2. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 XXI
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3. Juristische Personen und Personengesellschaften . . . . . . . 271 a) Die 10-Prozent-Grenze als relevante Beteiligungs- und Stimmrechtshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Weitere besondere Näheverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Vorschlag für einen neu zu schaffenden § 15a AO „Nahestehende Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. § 15a AO „Nahestehende Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Folgeänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) „Nahestehende Personen im Sinne des § 15a AO“ . . . . 276 b) Verzicht auf die „nahestehende Person“ in § 8c Abs. 1 KStG und Verweis in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Abschließende Bewertung des Vorschlags . . . . . . . . . . . . . 278
§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 281
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
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§ 1 Einleitung A. Einführung in die Fragestellung Das Verb „nahestehen“ hat wohltuende Wirkung1. Im allgemeinen Sprachgebrauch bringt das Wort menschliche Nähe zum Ausdruck. Stehen zwei oder mehrere Personen einander nahe, so stehen sie in der Diktion des Dudens „in enger Beziehung“ zueinander2. Als Synonyme schlägt das Wörterbuch „ein enges Verhältnis haben, eng verbunden sein, sympathisieren, sich verbunden fühlen“ vor. Es liegt auf der Hand, dass die potentiellen Nähebeziehungen des menschlichen Lebens zahllos und facettenreich sind. In ihren vielfältigen Erscheinungsformen prägen sie nicht nur unsere private Lebenswirklichkeit, sondern spielen auch im Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle. Entfaltet etwa eine Kapitalgesellschaft geschäftliche Aktivität, so geht hiermit regelmäßig ein komplexes Geflecht aus Beziehungen zu Anteilseignern, Organwaltern, Lieferanten, Kreditgebern und sonstigen Interessengruppen einher. Betrachtet man konzernrechtliche Strukturen, so vervielfältigt sich die Anzahl derartiger Einflussmöglichkeiten oder personeller Verflechtungen erheblich. Einen ersten Eindruck von der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Geschäftsvorfällen zwischen einander „nahestehenden“ Parteien vermitteln Schätzungen, nach denen etwa 60 bis 70 Prozent des Welthandels auf konzerninterne Transaktionen entfallen3. Im Ausgangsbefund sind Geschäfte zwischen „nahestehenden“ Unternehmen und Personen somit ein Faktum der wirtschaftlichen Realität, denen nicht per se ein schädlicher Charakter unterstellt werden kann4. Als terminus technicus hat die „nahestehende Person“ im deutschen Steuer-, Handelsbilanz- und Insolvenzrecht Karriere gemacht. Im Un terschied zum allgemeinen Sprachgebrauch verkörpert sie als Rechtsbe-
1 Im Folgenden wird einheitlich die Schreibweise „nahestehend“ zugrunde gelegt. Sofern der Gesetzestext abweichend „nahe stehend“ verwendet, wird dies an entsprechender Stelle kenntlich gemacht. 2 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort „nahestehen“. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 247. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre wurden OECD-Schätzungen zufolge über 60 Prozent des gesamten internationalen Handels zwischen verbundenen Unternehmen abgewickelt, vgl. OECD, Economic Outlook (56) 1994, S. 41 ff. Siehe auch Europäische Kommission, Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt, S. 24. 4 Vgl. McCahery/Vermeulen, Corporate Governance Crises, S. 228: „The received wisdom is that related party transactions play an important and legitimate role in a market economy […] there are many examples of related party transactions that yield benefits for companies.”; vgl. auch Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1062 m. w. N.
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§ 1 Einleitung
griff5 jedoch typisiertes und institutionalisiertes Misstrauen. Während geschäftliche Beziehungen zwischen Nahestehenden gängige Praxis des Wirtschaftslebens sind, hegt das Recht die Befürchtung, dass die Beteiligten aufgrund fehlender Interessengegensätze Geschäfte tätigen, welche unabhängige fremde Dritte überhaupt nicht oder nur zu anderen Konditionen abschließen würden. Aus der Perspektive des deutschen Steuerrechts sind Geschäfte zwischen „nahestehenden Personen“ ein vermeintlich alter Hut. Entwickelt wurde diese Rechtsfigur zunächst von der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter6 und zur verdeckten Einlage. Im Jahr 1972 wurde der Begriff für die Zwecke des Außensteuergesetzes in § 1 Abs. 2 AStG sodann – mit abweichendem Inhalt – legal definiert. Bemerkenswert war schon damals, dass innerhalb des Steuerrechts ein einheitlicher Begriff mit verschiedenen Begriffsinhalten besetzt wurde7. In der Folgezeit hat der Gesetzgeber die „nahestehende Person“ gleich mehrfach als gesetzliches Tatbestandsmerkmal an prominenten Stellen der verschiedenen Steuerrechtsbereiche platziert. Heute findet sich die „nahestehende Person“ auch in der umsatzsteuerrechtlichen Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG, im Rahmen der Abgeltungsteuer in § 32d Abs. 2 EStG, bei der körperschaftsteuerrechtlichen Zinsschranke in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, in § 8b Abs. 1 und Abs. 3 KStG sowie beim Verlustabzug bei Körperschaften in § 8c Abs. 1 KStG. Da das Steuerrecht im Ausgangsbefund keine einheitliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ kennt, tendiert der Steuergesetzgeber in jüngerer Zeit – in bedenklicher Art und Weise – zu dem Versuch, die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG in neuere Vorschriften zu „transplantieren“. So verweisen die Regelungen der §§ 8a und 8b KStG ausdrücklich auf die außensteuerrechtliche Legaldefinition8. Deren Kriterien sollen nach der Gesetzesbegründung zu 5 Zum Begriff der „Person“ im Ertragsteuerrecht umfassend Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013. 6 Monographisch Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, 1999. 7 Wassermeyer, BB 1984, 1501, 1505: „So bedeutet das Abweichen des Gesetzgebers vom herkömmlichen System, dass man, spricht man heute von einer ‚nahestehenden Person‘, jeweils klarstellend hinzufügen muss, ob man eine solche im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG oder eine solche im Sinne der verdeckten Gewinnausschüttung meint. Die Verwendung eines einheitlichen terminus technicus ist letztlich irreführend“. 8 Kritisch gegenüber vergleichbaren Transplantationsversuchen des Gesetzgebers bereits frühzeitig – im Rahmen der Kritik des § 8a KStÄndGE 1982 – Knobbe-Keuk, StuW 1982, 201, 206: „Auf welche Abenteuer man sich einlässt, wenn man unter ein gewachsenes mit festem Inhalt versehenes Rechtsinstitut plötzlich par ordre du mufti ganz anders gelagerte Sachverhalte zwängt, zeigt anschaulich die Analyse der Redewendung von der ‚nahestehenden Person‘“.
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A. Einführung in die Fragestellung
§ 32d Abs. 2 EStG – zumindest mittelbar – auch im Bereich der Abgeltungsteuer herangezogen werden. Wie im Verlauf dieser Untersuchung gezeigt wird, leidet die Rechtsanwendung durch Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Schrifttum im Hinblick auf das Merkmal der „nahestehenden Person“ zum Teil unter systematischen Missverständnissen und erheblichen Auslegungsschwierigkeiten. Diesen Unsicherheiten möchte die vorliegende Untersuchung entgegentreten und ein sicheres Fundament für die Anwendung der betroffenen Normen legen. Welche Strukturmerkmale lassen sich im Hinblick auf die „nahestehende Person“ innerhalb der einzelnen Rechtsinstitute identifizieren? Welcher Auslegungsmaßstab muss unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Regelungen Anwendung finden? Empfiehlt sich für das Steuerrecht de lege ferenda eine einheitliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ etwa in Form eines neu zu schaffenden § 15a AO? Modellcharakter für eine solche einheitliche Begriffsbildung könnte den Begriffsnormierungen der benachbarten Rechtsgebiete des Insolvenzund Handelsbilanzrechts zukommen. So enthält das Insolvenzrecht in § 138 InsO eine detaillierte Legaldefinition der dem Schuldner „nahestehenden Personen“, auf die insbesondere die verschiedenen Tatbestände der Insolvenzanfechtung Bezug nehmen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG)9 kennt auch das deutsche Handelsbilanzrecht den Rechtsbegriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“. Erstmals werden nunmehr auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB im Anhang des Jahres- und Konzernabschlusses Angaben zu Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ verlangt. Nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG10 und in Übereinstimmung mit Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Bilanz-RL in der Fassung der Abänderungsrichtlinie ist der Begriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ im Sinne der gemäß der IAS-Verordnung11 übernommenen IFRS – also gegenwärtig IAS 24 – in der von der EU jeweils gebilligten aktuellen Fassung zu verstehen12. Welche Zielsetzung und welche Strukturmerkmale prägen die insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Regelungen? Inwieweit lassen sich ihre Wertungen in die steuerrechtlichen Institute übertragen? 9 Gesetz vom 25. Mai 2009, BGBl. I 2009, S. 1102. 10 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 11 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002, ABl. L 243 vom 11. September 2002, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 297/2008 vom 11. März 2008, ABl. L 97 vom 9. April 2008, S. 62. 12 Zum Konzept der „associated enterprises“ in den IFRS – unter Bezugnahme auf IAS 27 und IAS 24 – Dwarkasing, Associated Enterprises, S. 151 ff.
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§ 1 Einleitung
Geschäfte zwischen „nahestehenden Personen“ im vorgenannten Sinne dieser Untersuchung dürfen keinesfalls gleichgesetzt werden mit der – geradezu klassischen und viel diskutierten – Frage nach der steuerlichen Anerkennung von Vereinbarungen unter Familienangehörigen13. In ständiger Rechtsprechung14 erkennt der Bundesfinanzhof Verträge zwischen nahen Angehörigen an, wenn die Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam15, klar und eindeutig sind, ihre Gestaltung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht und sie auch tatsächlich durchgeführt werden16. Gelegentlich wird der Begriff der „nahestehenden Person“ in Rechtsprechung17 und Schrifttum18 auch dann verwendet, wenn offenbar (lediglich) Familienangehörige bzw. Angehörige im Sinne des § 15 AO gemeint sind. Im Verlauf dieser Untersuchung wird die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen nur insoweit behandelt, als sie für das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ von Bedeutung ist. Aus diesem Umriss des Untersuchungsgegenstandes ergibt sich bereits, dass die vorliegende Untersuchung einen weiten Bogen spannt. Bislang haben monographische Abhandlungen – mit unterschiedlicher Ziel- und Schwerpunktsetzung – vereinzelt den Versuch unternommen, Geschäfte zwischen „nahestehenden Personen“ aus der jeweils isolierten Perspektive eines einzelnen Rechtsbereichs zu beleuchten: Während die insol13 Siehe zur Zurechnung von Einkünften unter Familienangehörigen im Überblick Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 162 ff.; aus jüngerer Zeit Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343 und Gemeinhardt, BB 2012, 739; monographisch Görlich, Die steuerliche Behandlung von Vertragsgestaltungen zwischen Angehörigen – Verfassungsrechtliche, methodische und steuerrechtliche Grundlagen, 1979; Bilsdorfer, Der steuerliche Fremdvergleich bei Vereinbarungen zwischen nahestehenden Personen, 1996; zum Fremdvergleich als Prüfungsmaßstab für derartige Verträge etwa Pezzer, DStZ 2002, 850 und Gosch, DStZ 1997, 1, 6 ff.; praxisnah Schulze zur Wiesche, Vereinbarungen unter Familienangehörigen und ihre steuerlichen Folgen, 9. Auflage, 2006. 14 Instruktiv BFH v. 7.5.1996, IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196 und BFH v. 3.3.2004, X R 14/01, BStBl. II 2004, 826, 827. Siehe hierzu aus jüngerer Zeit mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343 und Gemeinhardt, BB 2012, 739. 15 Aus der zivilrechtlichen Unwirksamkeit von Verträgen zwischen Familienangehörigen kann regelmäßig das Fehlen eines ernsthaften Bindungswillens abgeleitet werden, vgl. BFH v. 22.2.2007, IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20; hierzu Heuermann, DB 2007, 1267. 16 Siehe zu den einzelnen Kriterien nur Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 164 mit weiteren Nachweisen. 17 Jüngst etwa BFH v. 25.5.2012, IX B 20/12, BFH/NV 2012, 1308. 18 Exemplarisch Seeger, Verträge zwischen nahestehenden Personen – Grundsätzliche Überlegungen und Voraussetzungen ihrer steuerlichen Anerkennung, DStR 1999, 1339; Hoffmann, Die BFH-Rechtsprechung zu Verträgen mit Nahestehenden auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, DStR 1997, 649; ebenso Bilsdorfer, Der steuerliche Fremdvergleich bei Vereinbarungen zwischen nahestehenden Personen, 1996.
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A. Einführung in die Fragestellung
venzrechtlichen-19 und bilanzrechtlichen20 Untersuchungen durch Detailreichtum und die Lösung von Einzelproblemen geprägt sind, haben im Steuerrecht21 lediglich die Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung monographische Aufmerksamkeit erfahren. Somit fehlt es bislang nicht nur an einer systematischen Auseinandersetzung mit der „nahestehenden Person“ in den §§ 10 Abs. 5 UStG, 32d EStG sowie den §§ 8a, 8b und 8c KStG, sondern auch an einer einheitlichen Untersuchung, die über die Grenzen der einzelnen Rechtsinstitute hinausgeht. Zudem mangelt es an einer rechtsbereichsübergreifenden Perspektive der Thematik. Diese Lücken möchte die vorliegende Untersuchung schließen. Ihr Ziel ist es daher, Begriff und Funktion der „nahestehenden Person“ im deutschen Steuer-, Handelsbilanz- und Insolvenzrecht erstmals in einer einheitlichen Darstellung systematisch zu entwickeln und die Strukturmerkmale dieser Rechtsfigur im Rahmen der einzelnen Rechtsbereiche offenzulegen. Hierbei wird aufgezeigt, wie unterschiedlich gelagert die Problemkonstellationen sind, die sich hinter dem einheitlichen Begriff der „nahestehenden Person“ in den verschiedenen Rechtsinstituten verbergen. Als konkret verwertbare Ergebnisse werden dem Rechtsanwender jeweils verbindliche Auslegungsmaßstäbe an die Hand gegeben. Schließlich wird das praktische Bedürfnis für diese Abhandlung exemplarisch durch drei Verfahren22 belegt, die zurzeit beim Bundesfinanzhof als Revisionen anhängig sind und die Rechtsfrage betreffen, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der einander „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG auszulegen ist. Eine (mögliche) Antwort auf diese Frage wird dem Leser dieser Untersuchung nicht vorenthalten23. Die vorliegende Arbeit endet nicht im geltenden Recht. Durch ihre Reformüberlegungen zu den Möglichkeiten einer vereinheitlichenden Neukonzeption der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht wagt sie sich zu ihrem Abschluss auf ein Terrain vor, welches bislang nicht betreten worden ist. Sie versteht sich damit zugleich – gewiss lediglich en miniature – als ein Beitrag zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des deutschen Steuerrechts. Da diese Untersuchung auf dem Weg zu einer steuerrecht19 Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider nach § 138 Abs. 2 InsO, 2002; Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, 2000; Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, 1991. 20 Gattung, Berichterstattung über Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen, 2007; Spadin, Nahestehende Personen nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS (IAS 24), 2008. 21 Zur verdeckten Gewinnausschüttung Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, 1999; zum Teil auch Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GmbH, 2001. 22 Die anhängigen Verfahren werden unter BFH, VIII R 31/11, BFH, VIII R 9/13 und BFH, VIII R 35/13 geführt. 23 Siehe hierzu die folgenden Ausführungen unter § 4 E.
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§ 1 Einleitung
lichen Begriffsbildung Inspiration im Insolvenz- und Handelsbilanzrecht sucht, könnte ihre Methode schlagwortartig – gleichsam in reziproker Anlehnung an Brigitte Knobbe-Keuk24 – als „Das Insolvenz- und Handelsbilanzrecht als erwünschte Rechtsquelle des Steuerrechts“ skizziert werden.
B. Gang der Untersuchung Im ersten Teil der Untersuchung erfolgt eine kritische Würdigung der insolvenz- (§ 2) und handelsbilanzrechtlichen (§ 3) Begriffsdefinitionen der „nahestehenden Person“. Zu diesem Zweck wird jeweils nach einer kurzen Einordnung und einem Überblick über den Anwendungsbereich des § 138 InsO bzw. der §§ 285 Nr. 21 HGB, 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB in Verbindung mit IAS 24 das spezifische Regelungsbedürfnis für die „nahestehende Person“ hergeleitet. Hieran schließt sich in beiden Kapiteln eine nähere Bestandsaufnahme der beiden Legaldefinitionen an, die darauf abzielt, das insolvenz- und handelsbilanzrechtliche Begriffsverständnis der „nahestehenden Person“ in kompakter Darstellung zu entwickeln, einzelne kritische Auslegungsprobleme aufzuzeigen und konkrete Auslegungsvorschläge zu unterbreiten. In diesem Rahmen werden die beiden Begriffsdefinitionen als Spiegel der Grundwertungen der Insolvenz anfechtung bzw. der handelsbilanzrechtlichen Offenlegung durch Anhang angaben präsentiert und der Zuschnitt der Begriffe als (zwingende) Folge ihrer Funktion dargelegt. Der zweite Teil der Untersuchung wendet sich dem Merkmal der „nahestehenden Person“ in den verschiedenen Bereichen des Steuerrechts (§ 4) zu. Aus dieser Perspektive werden die ausgewählten Rechtsinstitute erstmals im Rahmen einer einheitlichen Abhandlung untersucht. In den Einzeldarstellungen wird besonderer Wert auf die Einbettung der „nahestehenden Person“ in den jeweiligen tatbestandlichen Kontext gelegt. Nur eine solche vereinheitlichende Darstellung ermöglicht einen ungehinderten Blick auf Funktionsweise, Strukturmerkmale und Begriffsinhalt dieser Rechtsfigur in den einzelnen Regelungen des Steuerrechts. Nach einigen kurzen Vorüberlegungen werden zu diesem Zweck zunächst die Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter und die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG im Detail dargestellt und kritisch gewürdigt. Aus Darstellungsgründen werden die Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung anhand des Tatbestands des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entwickelt. Selbstverständlich ist zu 24 Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Quelle des Gesellschaftrechts?, 1986.
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B. Gang der Untersuchung
beachten, dass es die verdeckte Gewinnausschüttung auch als Beteiligungsertrag eines Gesellschafters gibt, wie sie in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelt ist. Hieran schließen sich die ausführlichen Einzeldarstellungen zur „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 UStG, in § 32d Abs. 2 EStG, in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, in § 8b Abs. 1 und Abs. 3 KStG sowie im Rahmen der Verlustabzugsregelung bei Körperschaften in § 8c Abs. 1 KStG an. Im Zuge dieser Ausführungen wird der Meinungsstand zur Auslegung der „nahestehenden Person“ in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum erstmals umfassend aufbereitet, um sodann jeweils im Wege einer argumentativen Stellungnahme einen konkreten Auslegungsmaßstab zu präsentieren. Der Vollständigkeit halber schließen sich hieran im Wege eines Exkurses Ausführungen zum Begriff der „besonderen Beziehungen“ an, wie er abkommensrechtlich in Art. 11 Abs. 6 OECD-MA (Zinsen) und Art. 12 Abs. 4 OECD-MA (Lizenzgebühren) verwendet wird und mit gleicher Formulierung in Art. 4 Abs. 2 der EU-Zins-/Lizenzrichtlinie25 (Zins-/Lizenz-RL) – sowie in dessen Umsetzung in § 50g Abs. 2 EStG – Niederschlag gefunden hat. Eine zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ rundet die Ausführungen zum Steuerrecht ab. Hierzu erfolgt zunächst eine Aufnahme des Befundes aus den steuerrechtlichen Einzeluntersuchungen, an welche sich der Versuch einer Systematisierung der steuerrechtlichen Vorschriften anschließt. Im Rahmen der folgenden Kritik werden die Friktionen bezüglich der „nahestehenden Person“ im geltenden Recht und der hiermit verbundene Reformbedarf aufgezeigt. Im dritten Teil wendet sich die Untersuchung Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ de lege ferenda (§ 5) zu. Hierbei werden die Erkenntnisse aus den drei untersuchten Rechtsbereichen unter der Fragestellung zusammengeführt, ob und inwieweit sich de lege ferenda auch für das Steuerrecht eine einheitliche Begriffsbildung der „nahestehenden Person“ empfiehlt. Zu diesem Zweck werden im Rahmen einer bereichsübergreifenden Betrachtung die Begriffsbildungen des Bilanz- und Insolvenzrechts auf ihren möglichen Vorbildcharakter für eine steuerrechtliche Regelung hin überprüft. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse und vor dem Hintergrund der ausführlichen Einzeluntersuchungen werden die Anforderungen an eine steuerrechtliche Begriffsbildung und deren Grenzen identifiziert. Als Ergebnis schließt ein Vorschlag für einen neu zu schaffenden § 15a AO „Nahestehende Personen“ die Arbeit ab.
25 Richtlinie 2003/49/EG v. 3. Juni 2003, ABl. EG 2003 Nr. L 157, 49.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO A. Grundlagen des § 138 InsO I. Einordnung der Vorschrift Für die Effektivität des Gläubigerschutzes durch das Insolvenzrecht ist dessen Umgang mit Transaktionen zugunsten von „nahestehenden Personen“ so bedeutsam26, dass sich die Insolvenzordnung nicht mit der für die Zivilgerichte bestehenden Möglichkeit begnügt, Näheverhältnisse im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO als verdachterregenden Umstand zu berücksichtigen27. Vielmehr enthält § 138 InsO eine eigene Legaldefinition der dem Schuldner „nahestehenden Personen“. Dieser Begriff ersetzt und erweitert den der „nahen Angehörigen“ im Sinne von § 31 Nr. 2 KO und §§ 108 Abs. 2, 4 Abs. 2 VglO28. Eine Vielzahl von Vorschriften der Insolvenzordnung und auch des Anfechtungsge setzes verwendet unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 138 InsO den Begriff der „nahestehenden Personen“ im Zusammenhang mit Beweislastregeln29 oder auch als Tatbestandsvoraussetzung30. Als Hauptanwendungsfälle erleichtern die verschiedenen Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff. InsO, die Anfechtung gegenüber diesem Personenkreis durch eine Umkehr der Beweislast erheblich. Betrachtet man etwa die Tatbestände der allgemeinen Deckungsanfechtung in §§ 130, 131 InsO, so wird gemäß § 130 Abs. 3 InsO vermutet, dass die nahestehende Person die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder – soweit schon erfolgt – die Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kannte. Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt eine solche Vermutung auch für die Kenntnis der Benachteiligung des Insolvenzgläubigers. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den von der typisierenden Regelung des § 138 InsO erfassten Personen ein „institutionalisiertes Misstrauen“31 entgegenbringt. Die Vorschrift stellt lediglich auf ein bestehendes Näheverhältnis und die dadurch begründete besondere Informationsmöglichkeit ab, sodass es für die Anwendbarkeit des § 138 InsO 26 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 330 f. 27 Siehe hierzu Kirchhof, ZInsO 2001, 825, 826 f. 28 Näher zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 3 f. 29 § 130 Abs. 3 InsO, § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO, § 132 Abs. 3 InsO und § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO. 30 § 133 Abs. 2 InsO, § 145 Abs. 2 Nr. 2 InsO und § 162 Abs. 1 Nr. 1 InsO; aus dem Anfechtungsgesetz § 3 Abs. 2 Satz 1 AnfG und § 15 Abs. 2 Nr. 2 AnfG. 31 Paulus, WM 2000, 2225.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
gerade nicht darauf ankommt, ob die „nahestehende Person“ von ihrer potentiellen Informationsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat32. Vergegenwärtigt man sich die Interessenlagen der an der Insolvenzanfechtung Beteiligten, so wird das Spannungsfeld deutlich, in welchem sich die gesetzgeberische Abgrenzung des Kreises der „nahestehenden Personen“ bewegt: Letztlich geht es um eine Abwägung zwischen den Interessen der Anfechtungsgegner (hier der „nahestehenden Personen“), die aufgrund von gesetzlichen Vermutungen unter Umständen eine Einbuße ihrer rechtlich geschützten Positionen hinnehmen müssen, und dem Interesse der Gläubigergesamtheit auf eine Gleichbehandlung. Hierbei erscheint die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs grundsätzlich in dem Maße schwieriger, in dem das Näheverhältnis lockerer wird33.
II. Überblick über die Anwendungsfälle Zu Lasten der „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 138 InsO ist für die Tatbestände des § 130 Abs. 3 InsO, § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO, § 132 Abs. 3 InsO und § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO jeweils eine spezielle Vermutung geregelt worden, deren Bezugspunkt die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder die Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist. Gesetzessystematisch verweisen die letzten drei genannten Vorschriften auf § 130 Abs. 3 InsO. Der Tatbestand des § 130 InsO eröffnet die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Nach § 130 Abs. 3 InsO wird gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand, vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Über die Verweisung in § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO findet § 130 Abs. 3 InsO auch im Falle einer inkongruenten Deckung Anwendung.
32 Vgl. Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 2. 33 Vgl. Ehricke, KTS 1996, 209, 213.
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A. Grundlagen des § 138 InsO
Für das schuldnerbezogene Anfechtungsrecht ordnet § 132 Abs. 3 InsO die entsprechende Anwendung des § 130 Abs. 3 InsO für Fälle unmit telbar nachteiliger Rechtshandlungen an und § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO zieht § 130 Abs. 3 InsO für Wechsel- und Scheckzahlungen entsprechend heran. Wie wirkmächtig die Beweislastumkehr in der Praxis ist, zeigt sich wohl am deutlichsten im Falle der Anfechtbarkeit wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 InsO. Ohne die Regelung des § 133 Abs. 2 InsO könnte der Insolvenzverwalter den notwendigen Benachteiligungsvorsatz regelmäßig nicht nachweisen. Nach Absatz 2 wird zumindest für einen Zeitraum von 2 Jahren vor dem Eröffnungsantrag die Beweislast zu Ungunsten der „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 138 InsO umgekehrt, wobei diesen Personen insbesondere auch der Nachweis für die Vertragsdatierung obliegt. Außerhalb der Insolvenzanfechtung findet sich schließlich die Regelung des § 162 InsO, wonach eine Betriebsveräußerung durch den Insolvenzverwalter an Personen, die dem Schuldner im Sinne des § 138 InsO nahestehen, nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig ist.
III. Bedürfnis für eine insolvenzrechtliche Sonderbehandlung „nahestehender Personen“ Der Zuschnitt des Personenkreises nach § 138 InsO auf den Regelungsbereich der Insolvenzanfechtung wird auch in der Gesetzesbegründung zu § 138 InsO deutlich, dessen Regelungsgehalt im Regierungsentwurf ursprünglich auf drei verschiedene Paragraphen, §§ 153 bis 155 InsO RegE, verteilt war. Im Vordergrund dieser Begründung steht der Informationsvorsprung bestimmter Akteure, weshalb von § 138 InsO solche Personen erfasst werden sollen: „[…] die zur Zeit der anfechtbaren Rechtshandlung aus persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder ähnlichen Gründen eine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners hatten.“34 Ob der Grund für die Sonderbehandlung insolvenzrechtlicher Insider35 tatsächlich allein durch das Abstellen auf die gegenüber anderen Gläubigern erweiterte Informationsmöglichkeit vollständig erfasst wird, wird in
34 BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 35 Zur Begriffsbildung des insolvenzrechtlichen „Insiders“ Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, S. 21 ff.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Rechtsprechung36 und Schrifttum37 bezweifelt. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 31 Nr. 2 KO neben dem Informationsvorsprung naher Angehöriger auch auf deren gesteigerte Missbrauchsbereitschaft zu Lasten der Gläubiger abgestellt. Die Berechtigung der Benachteiligung in der Insolvenzanfechtung sei darin zu sehen: „[…] dass nahe Angehörige in der Regel die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners kennen, daher seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger mit ihm Verträge zu schließen.“38 Diese gesteigerte Unterstützungsbereitschaft kann zum einen darauf geführt werden, dass nahestehende Personen im Sinne einer zurück Schicksalsgemeinschaft häufig bereit sind, dem Schuldner in einer wirtschaftlichen Notsituation beizustehen. Dies gilt umso mehr, falls die nahestehende Person ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung des schuldnerischen Vermögens hat, was gerade bei Familienmit gliedern regelmäßig der Fall sein wird39. Aus Sicht des Schuldners besteht nach der Weggabe einer Sache an eine nahestehende Person oftmals die Möglichkeit, weiterhin an deren Nutzung partizipieren zu können40. Im Einzelfall können die beiden Begründungsstränge von unterschiedlichem Gewicht sein. Während im Falle der Gläubigerkonkurrenz wohl eher auf den Informationsvorsprung abzustellen ist, der dem Insider einen raschen und rechtzeitigen Zugriff auf das Vermögen des Schuldners ermöglicht, dürfte bei haftungsvermeidenden Vermögensverschiebungen eher die Bereitschaft des Insiders in den Vordergrund gerückt werden, dem Schuldner – unter Umständen im wohlverstandenen Eigeninteresse – den Vermögenswert zu erhalten41. Gleichwohl dürften in der Rechtswirklichkeit nur wenige Fälle vorstellbar sein, in denen Informationsvorsprung und Unterstützungsbereitschaft der nahestehenden Person nicht
36 Insbesondere BGH v. 20.10.1965, VIII ZR 168, 63, BGHZ 58, 20 und BGH v. 12.12.1985, IX ZR 1/85, NJW 1986, 1047. 37 Ehricke, KTS 1996, 209; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO § 138 Rn. 5; Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 28 ff.; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 2; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 331 f.; weitgehend Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 9 ff., der die Sonderbehandlung persönlich nahestehender Personen allein mit deren Unterstützungsbereitschaft gegenüber dem Schuldner begründet. 38 BGH v. 12.12.1985, IX ZR 1/85, NJW 1986, 1047, 1049. 39 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 15: „familiärer Instinkt“. 40 Vgl. Ehricke, KTS 1996, 209, 212; Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 29. 41 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 332.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
mit Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft einhergehen42. Konkrete Bedeutung erlangt die Begründung der Sonderbehandlung zum Beispiel für die Auslegung des offen gefassten Tatbestands in § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO oder für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt geschiedene Ehegatten insolvenzrechtlich noch als einander „nahestehende Personen“ gelten können. Tendenziell müsste dieser Zeitraum vom Gesetzgeber länger ausgestaltet sein, falls man davon ausgeht, dass auch zwischen ehemaligen Ehegatten weiterhin eine persönliche Beziehung Verbundenheit besteht, die zumindest zur Rettung des Schuldnervermögens vor dem Gläubigerzugriff nutzbar gemacht werden kann43. Stellt man hingegen allein auf die Möglichkeit der Informationserlangung ab, so müsste der Zeitraum wohl kürzer bemessen werden oder ganz entfallen.
B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO I. Tatbestandssystematik Der Tatbestand des § 138 InsO unterscheidet in seinen beiden Absätzen danach, ob es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt (Absatz 1) oder ob der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist (Absatz 2). Für die insolvenzrechtlichen Begrifflichkeiten muss auf § 11 InsO verwiesen werden. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO umfasst die „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Partenreederei sowie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung. Der nicht rechtsfähige Verein wird nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Zwecke des Insolvenzverfahrens einer juristischen Person gleichgestellt. Während die Struktur des § 138 InsO auf den ersten Blick übersichtlich und intuitiv erfassbar wirkt, wird der Anwendungsbereich tatsächlich durch die Vielzahl möglicher Nähebeziehungen erheblich ausgedehnt. So können sowohl Absatz 1 als auch Absatz 2 jeweils Beziehungen zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen bzw. Personen ohne Rechtspersönlichkeit erfassen. Aufgrund der Spiegelbildlichkeit der Regelungen von § 138 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 und Abs. 1 Nr. 4 InsO zu § 138 Abs. 2 InsO können diese im Folgenden einheitlich im Rahmen des Absatzes 2 erörtert werden.
42 Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, S. 161; zustimmend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 331. 43 Vgl. hierzu Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 5.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
II. Insolvenz einer natürlichen Person, § 138 Abs. 1 InsO 1. Ehegatte und sonstiger Lebenspartner, § 138 Abs. 1 Nr. 1, 1a InsO Nach Absatz 1 Nr. 1 ist „nahestehende Person“ der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist. Für die Beurteilung, ob eine wirksam geschlossene Ehe vorliegt, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich44. Der Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestimmt sich nach den Grundsätzen des § 140 InsO. Unerheblich ist für den Tatbestand des Absatzes 1 Nr. 1, ob der Schuldner zur Zeit der Handlung mit dem späteren Ehegatten verlobt war45. In Betracht kommt in diesem Fall aber ein mögliches Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft nach Absatz 1 Nr. 3. Auch frühere Ehegatten werden von § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO in den Kreis der nahestehenden Personen einbezogen. Wird eine Ehe aufgelöst, kommt es entscheidend darauf an, ob das gerichtliche Gestaltungsurteil im letzten Jahr vor der Handlung rechtskräftig geworden ist46. In den Gesetzesmaterialien wird die auch für die Verwandten des Ehegatten geltende Begrenzung der erleichterten Anfechtbarkeit auf den Zeitraum eines Jahres damit begründet, dass nach noch längerem Zeitablauf eine besondere Informationsmöglichkeit nicht mehr unterstellt werden könne47. Offensichtlich stellt der Gesetzgeber hier allein auf die Möglichkeit der Informationserlangung ab. Kritisch ist hiergegen eingewandt worden, dass auch über diesen Zeitraum hinweg eine persönliche Verbundenheit zwischen den ehemaligen Ehegatten fortbestehen kann, die zumindest auch zur Rettung des Schuldnervermögens vor dem Zugriff der Gläubiger wirken kann48. Eine strukturell gleiche Regelung wie § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO enthält Absatz 1 Nr. 1a für Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, sodass auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden kann. Lebenspartner im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1a sind nur solche gleichen Geschlechts, § 1 LPartG. Wie der Bundesgerichtshof in einem Beschluss49 aus jüngerer Zeit deutlich gemacht hat, stellt der Wortlaut des § 138 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a InsO auf die rechtsverbindliche Schließung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft ab und kann daher nicht auf faktische 44 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 3 f.; näher zu den familienrechtlichen Voraussetzungen Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 5. 45 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 5. 46 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 4; Riggert in Braun, InsO § 138 Rn. 4; Dauernheim in FK-InsO § 138 Rn. 5. 47 BT-Drucks. 12/2443, S. 162. 48 Siehe nur Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 5. 49 BGH v. 17.3.2011, IX ZA 3/11, NZI 2011, 448; näher zu diesem Beschluss Helms, KTS 2011, 506.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
Lebensgemeinschaften erstreckt werden. Im Rahmen des Absatzes 1 Nr. 1 bzw. 1a kommt der nichteheliche Partner des Schuldners somit nicht als nahestehende Person in Betracht. 2. Nahe Verwandte, § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO Nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind als „nahestehende Personen“ auch Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen anzusehen. Der Begriff der Verwandtschaft ist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beurteilen, sodass die Vorschrift des § 1589 BGB und im Falle der Adoption die §§ 1754, 1770 BGB maßgeblich sind50. Zwei Aspekte sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden: Zum einen kann aus der eigenständigen Aufführung der voll- und halbbürtigen Geschwister gefolgert werden, dass Seitenverwandte wie Onkel oder Tanten gerade nicht als nahestehende Personen klassifiziert werden können51. Zum zweiten ergibt sich aus der Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine auf den ersten Blick nicht offensichtliche Unterscheidung zwischen den Verwandten und voll- und halbbürtigen Geschwistern des Schuldners einerseits und denen des Ehegatten oder Lebenspartners andererseits: Unbefristet werden nur die Verwandten und Geschwister des Schuldners selbst erfasst. Hingegen verweist die Regelung für Verwandte des Ehegatten oder des Lebenspartners als Anknüpfungspunkt auf Absatz 1 Nr. 1 bzw. 1a und somit auch auf die dort geregelte zeitliche Einschränkung52. Aus diesem Verweis folgt zum einen, dass Verwandte und Geschwister des Ehegatten des Schuldners sowie deren Ehegatten für den Nachwirkungszeitraum eines Jahres auch dann noch als nahestehende Personen anzusehen sind, wenn die Ehe des Schuldners aufgelöst wurde53. Zum anderen muss bei den Ehegatten dieses Personenkreises – im Gegensatz zu Absatz 1 Nr. 1 bzw. 1a – die Ehe oder die Lebensgemein-
50 Dauernheim in FK-InsO § 138 Rn. 8; Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 7; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO § 138 Rn. 10; ausführlich zu den einzelnen Verwandtschaftsverhältnissen im Rahmen des § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 7 bis 12. 51 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 8; Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 109; Riggert in Braun, InsO § 138 Rn. 6; kritisch jedoch Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 72 ff. 52 Vgl. hierzu Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 109. 53 Zum Wertungswiderspruch nach der früheren gesetzlichen Regelung Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 9.
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schaft zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestanden haben54. 3. In häuslicher Gemeinschaft lebende Personen und Personen mit dienstvertraglicher Verbindung zum Schuldner, § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfasst solche Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit diesem gelebt haben („Hausgenossen“55) sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können. Von der „häuslichen Gemeinschaft“ ist jede Art der Haus- und Lebensgemeinschaft erfasst, soweit diese zu einer persönlichen Nähe führt, auf Grund derer der Austausch von Informationen über wirtschaftliche Verhältnisse zu erwarten ist56. Ursprünglich sollten mit der Vorschrift in erster Linie die Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften erfasst werden, um im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG eine Benachteiligung von Ehegatten zu verhindern57. Der Gesetzgeber wollte demnach vor allem solche Personen erfassen, die sich besonders leicht über die wirtschaftliche Lage des Schuldners informieren können58. Für die Auslegung der „häuslichen Gemeinschaft“ liegt es deshalb nahe, eine enge und beständige Gemeinschaft zu fordern, die strukturell mit einer Ehe oder der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vergleichbar ist59. Neben nichtehelichen Lebensgemeinschaften können hierunter auch andere häusliche Gemeinschaften wie „[…] nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die Aufnahme von Pflegekindern oder klösterliche Gemeinschaften […]“60 fallen. Hingegen genügt das bloße Zusammenleben mit dem Schuldner in derselben Wohnung als reine Zweckgemeinschaft regelmäßig nicht, da im Falle einer solchen Wohngemeinschaft im Grundsatz keine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners geboten wird61. Folglich ist der Begriff enger als im Rahmen des § 2028 Abs. 1 BGB auszulegen. Als untauglich62 zur Konkretisierung des Näheverhältnisses 54 Anschaulich OLG Hamm v. 18.10.2007, 27 U 213/06, ZInsO 2008, 457; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 6. 55 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 74. 56 Riggert in Braun, InsO § 138 Rn. 6. 57 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 162. 58 Vgl. Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 7. 59 Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 110; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 7. 60 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 11; näher Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 74 ff. 61 Zutreffend Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 13. 62 Vgl. Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 76.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist zudem die auf Ehegatten gemünzte Negativdefinition des „Getrenntlebens“ im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB anzusehen63, auf welche sich auch in den Gesetzesmaterialien kein Hinweis findet. Um eine bestehende Regelungslücke zu schließen64, wurde § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf solche Personen ausgedehnt, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können: Zuvor begründeten nach dem Wortlaut des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO dienstvertragliche Verbindungen nur ein Näheverhältnis zu Gesellschaften, nicht aber zu natürlichen Personen. Wegen der Spiegelbildlichkeit der Regelungen kann auf die folgenden Ausführungen zu § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO verwiesen werden, die entsprechend Anwendung finden. 4. Gesellschaftsrechtliche Beziehungen, § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO Auch die Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO wurde im Jahr 2007 nachträglich eingefügt65, um eine bestehende Regelungslücke zu schließen. Während das Gesetz vor Einfügung des Absatzes 1 Nr. 4 im Rahmen des § 138 Abs. 2 InsO nur festlegte, wer im Verhältnis zu einer insolventen juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit als nahestehend galt, wird nun in Absatz 1 Nr. 4 strukturell gespiegelt auch geregelt, in welchen Fällen diese zu einer insolventen natürlichen Person als nahestehend anzusehen sind. Gleichwohl war für diese Konstellationen auch schon vor der Einfügung des Absatzes 1 Nr. 4 von einem Näheverhältnis auszugehen66. Nach § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO wird nunmehr für den Fall einer natürlichen Person als Schuldner eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit als eine dem Schuldner nahestehende Person eingeordnet, wenn der Schuldner oder eine in den Nummern 1 bis 3 genannte Person Mitglied des Vertretungs- und Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder der Schuldner aufgrund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten67. Auch für die Erörterung des Absatzes 1 63 So aber Dauernheim in FK-InsO § 138 Rn. 9 und Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO § 138 Rn. 11. 64 Vgl. BT-Drucks. 16/3227, S. 20. 65 Eingefügt durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509. 66 Vgl. BGH v. 12.12.1985, IX ZR 1/85, NJW 1986, 1047. 67 Zutreffend weist Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 12c auf den wenig gelungenen Wortlaut der Vorschrift hin. So lasse sich dem Gesetzestext nur mit Mühe entnehmen, dass mit dem Wort „oder“ vor „auf Grund einer dienstvertraglichen Bindung […]“ ein gänzlich neuer Fall angesprochen werde und nicht bloß eine weitere Variante der Einfluss- bzw. Einblicksmöglichkeit des Schuldners. Durch die Einfü-
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Nr. 4 kann aus Darstellungsgründen auf die spiegelbildlichen Ausführungen zu § 138 Abs. 2 InsO verwiesen werden.
III. Insolvenz einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, § 138 Abs. 2 InsO 1. Organmitglieder, persönlich haftende und qualifiziert beteiligte Gesellschafter, § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO a) Grundlagen des Absatzes 2 In Absatz 2 des § 138 InsO wird der Kreis nahestehender Personen für den Fall geregelt, dass der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist68. Als juristische Personen werden insbesondere die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die eingetragene Genossenschaft, sowie der eingetragene Verein und der ihm für das Insolvenzverfahren durch § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO gleichgestellte nicht rechtsfähige Verein erfasst. Als Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit benennt § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO für insolvenzrechtliche Zwecke die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft, die (Außen-) Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, die Partenreederei und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung. Im Unterschied zu den Regelungen des Absatzes 1 muss die Nähebeziehung im Rahmen des Absatzes 2 stets im Zeitpunkt der Rechtshandlung nach § 140 InsO bestanden haben, da nach Absatz 2 eine Person oder ein Verband nicht mehr als nahestehend angesehen wird, wenn das Gesellschafts- oder Dienstverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht69. b) Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO Gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO sind als nahestehende Personen zunächst die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans des Schuldners anzusehen. Als Vertretungsorgane sind für die juristischen Personen insbesondere Vorstand oder Geschäftsführer relevant70. Auf deren wirksame Bestellung kommt es nicht an, sodass es ausreicht, dass die Person das Unternehmen tatsächlich wie ein Geschäftsführer leitet und gung des Wortes „diese“ könne dies deutlich gemacht werden. Textkritisch auch Bork, ZIP 2008, 1041, 1042. 68 Monographisch zur Regelung des § 138 Abs. 2 InsO Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider nach § 138 Abs. 2 InsO, 2002. 69 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 13; Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 21; kritisch jedoch Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 138 ff. 70 Siehe hierzu im Einzelnen Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 44 f.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
sich damit als „faktischer Geschäftsführer“ darstellt71. Aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft haben hingegen Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit – mit Ausnahme der EWIV – von Gesetzes wegen kein Vertretungs- oder Aufsichtsorgan. Falls auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage jedoch für diese – insbesondere in Publikums-Kommanditgesellschaften – Aufsichtsgremien bestehen, findet § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ebenso wie auf ausländische Gesellschaften und supranationale Gesellschaftsformen Anwendung72. Unter dem Aufsichtsorgan im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist nicht nur der obligatorische oder fakultative Aufsichtsrat zu verstehen, sondern auch jedes andere Aufsichtsgremium wie etwa ein „Beirat“ oder ein „Verwaltungsbeirat“ bei einer GmbH oder einer Kommanditgesellschaft73. Kein Aufsichtsorgan in diesem Sinne bildet jedoch die Gesellschafterversammlung der GmbH74. Die Regelung des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO begründet ein Näheverhältnis nur für das Organmitglied selbst. Da Mitglieder von Aufsichtsräten oder anderen Aufsichtsorganen regelmäßig formal von Dritten – etwa von Banken – entsandt werden, stellt sich in diesem Zusammenhang die praktisch relevante Frage, ob auch gegenüber diesen Institutionen gemäß Absatz 2 Nr. 3 ohne weiteres von einem relevanten Näheverhältnis auszugehen ist75. Wird eine Bank allein dadurch zur nahestehenden Person, dass sie ein Mitglied in den Aufsichtsrat des Schuldners entsendet? Gegen eine solche Ausdehnung der Nähebeziehung spricht entscheidend, dass das Aufsichtsratsmitglied gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 AktG i. V. m. § 404 AktG76 strafbewehrt seiner entsendenden Gesellschaft gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist77 und damit im Ergebnis jedenfalls auch die Ausnahmeregelung des § 138 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 InsO greift78. Eine andere Wertung kann sich aber
71 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 22; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO § 138 Rn. 14; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 17. 72 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 15. 73 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 22; Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 116; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 18. 74 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 14. 75 Vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 16 und 29; zur Einbeziehung von Banken Paulus, WM 2000, 2225. 76 Für den GmbH-Geschäftsführer gilt nach § 85 GmbHG Entsprechendes. 77 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 16. 78 Nach Paulus WM 2000, 2225, 2226 kann die Verschwiegenheitspflicht zeitlich aber nur so weit reichen, wie das Gesetz keine Pflicht zur Offenbarung der Krise (für den Geschäftsleiter des Schuldners) statuiert. Nach § 93 AktG ist Stillschweigen zu bewahren über „vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft“. Die Insolvenzantragspflicht besteht nach § 92 Abs. 2 AktG, wenn drei Wochen seit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verstrichen sind. Spätestens zu diesem Zeitpunkt handele es sich bei der Krise der Gesellschaft nicht mehr um ein geschütztes Geheimnis und der Bankenvertreter im Aufsichtsrat des Schuldners ist
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dann ergeben, wenn das Entsenden eines Aufsichtsratsmitglieds neben eine zusätzliche gesellschaftliche Beteiligung tritt79. c) Persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO Im Verhältnis zu einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit als Schuldnerin des Insolvenzverfahrens sind nach § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO auch deren persönlich haftende Gesellschafter als nahestehende Personen anzusehen. Erfasst sind damit die Komplementäre der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft sowie die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wobei es auf die Vertretungsmacht beim persönlich haftenden Gesellschafter nicht ankommt80. Für den Fall, dass eine juristische Person persönlich haftender Gesellschafter in einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist, sind – wie im Regierungsentwurf noch ausdrücklich vorgesehen – auch die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans dieser juristischen Person sowie die an deren Kapital zu mehr als einem Viertel beteiligten Gesellschafter als nahestehend anzusehen sein81. d) Zu einem Viertel am Kapital beteiligte Gesellschafter, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 InsO Im Verhältnis zu sämtlichen Gesellschaften sind auch solche natürlichen oder juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit als nahestehende Personen anzusehen, die am Kapital des Schuldners zu mehr als einem Viertel beteiligt sind, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 InsO, wobei auch mittelbare Beteiligungen bei der Berechnung der relevanten Beteiligungsschwelle zu beachten sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich bei dieser Beteiligungsquote um eine starre Grenze82. Als Grund für die 25-Prozent-Schwelle führt die Begründung des Regierungsentwurfs für die Aktiengesellschaft die damit verbundene Sperrminorität gemäß § 179 Abs. 2 AktG an, welche dem Aktionär eine be sondere Informationsmöglichkeit biete, die über das Auskunftsrecht
als Repräsentant seiner entsendenden Bank anzusehen, die über eine Wissenszurechnung nahestehende Person des Schuldners wird 79 Vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 16 und 20 f. 80 Siehe zu Gründen für die Nennung dieser Gesellschafter trotz persönlicher Haftung Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 23. 81 Vgl. Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 20; siehe zu den einzelnen Fallgestaltungen Ropohl, NZI 2006, 425, 432. 82 Für eine ausführliche Diskussion der 25%-Schwelle siehe Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 333 ff.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
des § 131 AktG hinausgehe83. Für die GmbH stellt die Regierungsbegründung darauf ab, dass ansonsten die besondere Informationsmöglichkeit im Sinne der Anfechtungsnormen nicht allgemein angenommen werden könne84. An diesen Bezugnahmen wird zugleich die unzulängliche gesetzgeberische Verengung des Normzwecks auf den potentiellen Informationsvorsprung der nahestehenden Person deutlich, da gerade die Sperrminorität Rechte zur Einflussnahme vermittelt, die über den bloßen Bezug von Informationen hinausgehen85. Nimmt man die Entscheidung des Gesetzgebers für eine 25-Prozent-Grenze ernst, so ist die Einbeziehung von Beteiligungen ausgeschlossen, die zwar unter dem Erfordernis „zu mehr als einem Viertel“ zurückbleiben, aber aus anderen Gründen86 das Einflusspotential und Informationsmöglichkeiten vermitteln, die im Regelfall nur mit einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent verbunden sind87. Da das Gesetz ausdrücklich auf diese Beteiligungsschwelle abstellt, kann sie de lege lata im Grundsatz auch nicht im Wege einer teleologischen Auslegung durch Einbeziehung faktisch gleichwertiger Einfluss- und Informationsmöglichkeiten unterschritten werden88. Systematisch wird dieser Befund dadurch gestützt, dass der Tatbestand des § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO zusätzlich die Alternative der „vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung“ enthält. Im Schrifttum ist die Grenzziehung bei einer Beteiligung von 25 Prozent auf vehemente Kritik89 gestoßen. Sie stehe etwa in einem deutlichen Wertungswiderspruch zu der – inzwischen durch das MoMiG aufgehobenen – Regelung in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG, wonach die Befreiung geringfügig beteiligter Gesellschafter von der Kapitalersatzhaftung eine Beteiligung von nicht mehr als 10 Prozent voraussetzte. Heute findet sich die 10-Prozent-Grenze in § 39 Abs. 5 InsO. Daneben wird auch auf § 50 Abs. 1 GmbHG abgestellt, der schon einer mit nur 10 Prozent beteiligten Minderheit das Recht einräumt, eine Gesellschafterversammlung einzu-
83 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 162. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 334, geht unter Hinweis auf diese Gesetzesbegründung davon aus, dass der Gesetzgeber bewusst hinter dem erreichten gesellschaftsrechtlichen Erkenntnisstand zurückgeblieben ist. 84 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 162. 85 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 334. 86 In Betracht kommen etwa Stimmrechtsbindungsvereinbarungen oder die satzungsmäßige Herabsetzung der Sperrminorität unter 25%. 87 Vgl. Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 26. 88 Für eine teleologische Auslegung des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO und Einordnung als allgemeiner Auffangtatbestand aber ausdrücklich Ropohl, NZI 2006, 425, 428. 89 Insbesondere Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 23 ff.; schon frühzeitig Ehricke, KTS 1996, 209, 227; eingehend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 334 f.
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berufen90. De lege lata bleibt es jedenfalls trotz aller Kritik bei dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Grenzziehung bei 25 Prozent und damit die Verantwortung für eine entsprechende Änderung beim Gesetzgeber91. 2. Vergleichbare gesellschaftsrechtliche oder dienstvertragliche Verbin dung, § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO a) Grundlagen Nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO92 ist eine Person oder eine Gesellschaft nahestehend, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit hat, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten. Im Gegensatz zur Regelung des Absatzes 2 Nr. 1 macht der Wortlaut des Absatzes 2 Nr. 2 nicht ohne weiteres deutlich, welche konkreten Fallkonstellationen von der Vorschrift erfasst sein sollen93. Wegen des offeneren Wortlauts wird auch die Frage in den Vordergrund gerückt, inwieweit § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO als allgemeiner Auffangtatbestand aufzufassen ist, der eine lückenfüllende Auslegung erlaubt94. „Vergleichbar“95 muss die gesellschaftsrechtliche oder dienstvertragliche Verbindung jedenfalls mit derjenigen der Organe und Personen sein, die in Absatz 2 Nr. 1 genannt sind. Zusätzlich muss für die betreffende Person gerade „auf Grund“ dieser Verbindung tatsächlich die Möglichkeit bestehen, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten, wofür die bloß zufällige Informationsmöglichkeit nicht ausreicht96. Somit belastet die tatsächliche Möglichkeit zur Unterrich90 Differenzierend für geschlossene GmbH und Publikumsgesellschaft Hirte in Uhlen bruck, InsO § 138 Rn. 23 ff. 91 So auch Kirchhof, ZInsO 2001, 825, 826; Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 27; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 21. 92 In der Vorschrift finden sich zwei Regelungen zusammengefasst, die im Regierungsentwurf noch in zwei verschiedenen Bestimmungen enthalten waren: § 154 Abs. 1 Nr. 3 InsO RegE (voneinander abhängige Unternehmen) und § 155 Nr. 1 InsO RegE (Tätigkeit im Unternehmen des Schuldners). Diese Zusammenfassung beruht in erster Linie auf redaktionellen Gründen, was für die Auslegung der Norm von Bedeutung ist. Vgl. hierzu näher Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 27. 93 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 83: „[…] inhaltlich weitaus schwieriger zu erfassen als § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO“. 94 Für eine solche Einordnung als allgemeinen Auffangtatbestand Ehricke, KTS 1996, 209; Ropohl, NZI 2006, 425; im Ergebnis auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 341 ff. 95 Näher zum Merkmal der Vergleichbarkeit Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 51. 96 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 37 unter Hinweis auf die entsprechende Rechtslage bei den Primärinsidern des Wertpapierrechts nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
tung die betreffende Person mit der Obliegenheit, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten, da deren Verletzung mit der Beweislastumkehr sanktioniert wird97. Klarstellungsbedürftig ist schließlich der personale Anwendungsbereich der Regelung: Während das Tatbestandsmerkmal „Person“ natürliche und juristische Personen umfasst, sind mit „Gesellschaft“ die Verbände gemeint, die das Gesetz in Absatz 2 Nr. 1 zuvor als „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ bezeichnet98. Handelt es sich bei der betreffenden Person nicht um eine natürliche Person, so ist für die Frage der Wissenszurechnung § 166 BGB entsprechend anzuwenden99. Entscheidend kommt es dann auf die Unterrichtungsmöglichkeit der Vertreter der Gesellschaft an, bei denen es sich nicht notwendig um organschaftliche Vertreter handeln muss100. b) Vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des § 138 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO101, so ist ursprünglich allein die Anwendung bei konzernrechtlichen Konstellationen zwischen abhängigen und herrschenden Gesellschaften im Sinne von § 17 AktG bezweckt worden102. Unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Norm hat auch der Bundesgerichtshof § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO so ausgelegt, dass als „vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung“ allein die Konstellation nach § 17 AktG zu verstehen sei103. Folgt man diesem Ansatz, so verbleibt für die Regelung des § 138 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO lediglich ein erheblich eingeschränkter Anwendungsbereich, da der typische Fall der herrschenden Gesellschaft, welche regelmäßig mit mehr als 25 Prozent am Kapital beteiligt ist, bereits von Absatz 2 Nr. 1 Alt. 3 InsO erfasst wird. Sofern man am Erfordernis einer gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme festhält104, um Einflussmöglichkeiten Außenstehender auszuschließen, kommen für § 138 97 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 28. 98 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 28. 99 Hierzu Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 38. 100 Anschaulich BGH v. 6.4.1995, IX ZR 61/94, BGHZ, 129, 236, 245 für einen „Betriebsführer“. 101 Nach der entsprechenden Vorschrift des Regierungsentwurfs § 154 Abs. 1 Nr. 3 InsO RegE waren als Personen, die dem Schuldner gesellschaftsrechtlich nahe stehen, anzusehen: „Unternehmen, die von dem Schuldner abhängig sind oder von denen der Schuldner abhängig ist (§17 des Aktiengesetzes).“ 102 Vgl. Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 50; derselbe, NZI 2006, 425, 426; ebenso Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 83 f.; Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 29; Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 39; Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 120; Leithaus in Andres/Leithaus, InsO § 138 Rn. 6; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 28. 103 BGH v. 23.11.1995, IX ZR 18/95, BGHZ 131, 189. 104 Vgl. Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 29.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Abs. 2 Nr. 2 InsO dann nur die Fälle in Betracht, in denen sich konzernrechtliche Abhängigkeit aus einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung unter 25 Prozent ergibt. Von einem Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG ist darüber hinaus auszugehen, wenn ein Unternehmen auf anderer gesicherter Grundlage beständig und umfassend einen beherrschenden, der Möglichkeit einer Mehrheitsbeteiligung entsprechenden Einfluss ausüben kann, was vor allem durch Beherrschungsverträge oder eine Eingliederung im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG möglich ist. Für den Anwendungsbereich des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO sind die Konstellationen eines Beherrschungsvertrages aber kaum relevant105, da eine Beteiligung unter 25 Prozent praktisch nicht dazu ausreichen dürfte, um eine Gesellschaft zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags zu bewegen. In der Praxis wäre der unmittelbare Anwendungsbereich des § 138 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO damit im Wesentlichen auf die seltenen Fälle beschränkt, in denen bei einer Aktiengesellschaft eine Hauptversammlungsmehrheit trotz einer Kapitalbeteiligung von unter 25 Prozent besteht106. Als Reaktion auf diesen erheblich eingeschränkten Anwendungsbereich und die „starren“ Regelungen des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist im Schrifttum gefordert worden, § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO „[…] nicht allein im Schlepptau der Entwürfe“107 auszulegen, sondern vielmehr als Auffangtatbestand aufzufassen und entsprechend weit zu begreifen108. So wird vorgeschlagen, dass die Regelung einen Auffangtatbestand für alle Fälle bilden solle, in denen der Schutz der Gläubiger durch effektive Anfechtungsmöglichkeiten verbessert werden müsse. Deshalb müsse jeder qualifizierte Informationsvorsprung genügen, der dem entspricht, den ein Gesellschafter mit über 25 Prozent der Anteile habe109. Gegen eine derart weite Ausdehnung des Tatbestands sind – wohl zu Recht – Bedenken geäußert worden110. Schon nach dem Wortlaut muss es sich jedenfalls um eine „gesellschaftsrechtliche Verbindung“ handeln, sodass der Anwendungsbereich auf beteiligungsgestützte Verbindungen beschränkt bleiben sollte. Soweit aber diese Grenze respektiert wird, sprechen unter funktionalen Gesichtspunkten in der Tat gute Gründe 105 So auch Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 40; Ropohl, NZI 2006, 425, 427. 106 Vgl. Ropohl, NZI 2006, 425, 427. 107 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 88. 108 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 88 f.; Dauernheim in FK-InsO § 138 Rn. 16: „Auffangnorm“; Ehricke, KTS 1996, 209, 227; Ropohl, Gesellschaftsrechtliche Insider, S. 65 f.; derselbe, NZI 2006, 425, 427; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 341 ff. 109 Vgl. Ehricke, KTS 1996, 209, 228 f. 110 Gegen eine solche Ausdehnung ausdrücklich Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 27 und Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 29.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
dafür, § 138 Abs. 2 Nr. 2 behutsam als Auffangtatbestand herauszubilden, sodass im Einzelfall auch Beteiligungen unter der 25-Prozent-Schwelle des Absatzes 2 Nr. 1 erfolgreich unter Absatz 2 Nr. 2 subsumiert werden könnten111. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Tochtergesellschaften im Verhältnis zu Muttergesellschaften und Schwestergesellschaften untereinander112 gerade nicht in den von § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO erfassten Personenkreis einzubeziehen sein. Im Hinblick auf Tochtergesellschaften hatte der ursprüngliche Regierungsentwurf in § 154 Abs. 1 Nr. 3 InsO RegE zu den nahestehenden Personen zwar auch alle Unternehmen gezählt „[…] die von dem Schuldner abhängig sind oder von denen der Schuldner abhängig ist (§ 17 des Aktiengesetzes)“. Vom Rechtsausschuss wurde diese Annahme eines Näheverhältnisses auch „von unten nach oben“113 jedoch ausdrücklich abgelehnt. Schwestergesellschaften wurden schon in der Gesetzesbegründung selbst explizit vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen: „Die Vorschrift erfasst dagegen nicht das Verhältnis zwischen abhängigen Unternehmen, die von demselben Unternehmen beherrscht werden, weil im Verhältnis der abhängigen Unternehmen zueinander nicht unterstellt werden kann, dass ein Unternehmen eine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines anderen hat.“114 Dieser Ausschluss von Tochter- und Schwestergesellschaften aus dem Anwendungsbereich des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist auf Kritik gestoßen. Nach verbreiteter Ansicht im Schrifttum115 sollen Tochtergesellschaften jedenfalls dann einzubeziehen sein, sofern es sich nicht um einen Fall des gesetzeskonform geführten „einfachen“ Abhängigkeitsverhältnisses handelt. Insbesondere in Fällen einheitlicher Leitung nach § 18 Abs. 1 AktG sei auch das abhängige im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen als nahestehend anzusehen. Der Ausschluss von Schwestergesellschaften ist darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber einseitig auf die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse abstellt und übersieht, dass enge Verbundenheit im 111 Zur Herausbildung von möglichen Kriterien unter Berücksichtigung rechtsvergleichender Aspekte Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 341 ff. 112 Ausführlich Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 32. 113 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 41. 114 BT-Drucks. 12/2443, S. 163. 115 Ausführlich Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 40; Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 29; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 28; Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 83; Ehricke, KTS 1996, 209, 222. Gegen eine Einbeziehung Ropohl, NZI 2006, 425, 428.; für eine Einbeziehung im Ergebnis auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 337 f.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Vorfeld der Krise zur Verschiebung von Vermögensgegenständen verleiten kann, um den Zugriff durch den Gläubiger zu verhindern116. Da derart verlagerte Vermögensgegenstände wirtschaftlich im Vermögensbereich der Muttergesellschaft verbleiben, besteht in diesen Fällen aber tatsächlich ein praktisches Bedürfnis für die Erleichterung der insolvenzrechtlichen Anfechtung117. Schließlich muss in beiden Fällen jeweils nach Absatz 2 Nr. 2 zusätzlich die Möglichkeit bestehen, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin zu unterrichten, was für Tochtergesellschaften aber in vielen Fällen nicht möglich sein wird. c) Vergleichbare dienstvertragliche Verbindung Als nahestehende Personen kommen auch diejenigen Personen in Betracht, die auf Grund einer dienstvertraglichen Beziehung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten. Da die dienstvertragliche Verbindung vergleichbar sein muss mit der Verbindung eines Mitglieds eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans der Gesellschaft, sind schon aus systematischen Gründen hohe Anforderungen zu stellen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 155 InsO RegE sollen von der Regelung nur solche Personen erfasst sein: „[…] die durch ihre Tätigkeit innerhalb des Unternehmens, z. B. als dessen Prokurist, eine besondere Informationsmöglichkeit über seine wirtschaftlichen Verhältnisse haben. Eine durch geschäftliche Beziehungen begründete Stellung zum Unternehmen, die z. B. Hausbanken oder Großlieferanten haben, wird nicht erfasst.“118 Neben dem Prokuristen können sonstige leitende Angestellte daher nur dann ein Näheverhältnis begründen, wenn sie kraft ihres Aufgabenbereichs Zugang zu den relevanten Informationen haben. Dies wird regelmäßig eher für leitende Angestellte im kaufmännischen Bereich oder aus der Finanzabteilung der Fall sein119. Unter Rückgriff auf die Gesetzesbegründung sollen nach verbreiteter Ansicht auch externe Wirtschaftsberater, wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die selbstständig tätig sind, nicht in den Anwendungsbereich der Regelung fallen120. Auch enge Geschäftspartner, 116 Vgl. Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 32; Ehricke, KTS 1996, 209, 219 ff. 117 Näher hierzu Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 32. 118 BT-Drucks. 12/2443, S. 163. 119 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 31. 120 Dauernheim in FK-InsO § 138 Rn. 15; Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 31; Kirchhof in MünchKomm-AnfG § 3 Rn. 124; Gehrlein in MünchKomm-InsO § 138 Rn. 34. Vgl. hierzu auch BGH v. 30.1.1997, IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 516.
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B. Tatbestandliche Ausgestaltung des § 138 InsO
von denen in der Gesetzesbegründung beispielhaft die Hausbanken und Großlieferanten genannt werden, sollen keine Berücksichtigung finden. Diese enge Auslegung kann sich auf den Wortlaut der Regierungsbegründung zu § 155 InsO RegE stützen, wonach es ausdrücklich auf eine Tätigkeit „innerhalb des Unternehmens“ ankommen soll. Zudem sei ein Dienstvertrag nicht mit einem Geschäftsbesorgungsvertrag gleichzusetzen121. Gegen eine solche Begrenzung des Anwendungsbereichs ist jedoch eingewendet worden, dass diese im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze finde, wonach grundsätzlich jede dienstvertragliche Beziehung zum Schuldner ausreiche122. Auch sachlich lässt sich eine solche Trennung zwischen unternehmensinternen und -externen Personen nicht rechtfertigen. Gerade bei den benannten freiberuflichen Beratern erscheint die Möglichkeit zur Unterrichtung über die wirtschaftlichen Verhältnisse in besonders starkem Maße ausgeprägt123. So hat auch der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012124 eine „vergleichbare Verbindung“ für den Fall eines Steuerberaters angenommen, dem alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, so dass er über den gleichen Wissensvorsprung verfügt, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte. De lege ferenda ist vorgeschlagen worden125, im Rahmen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO auf eine „innerbetriebliche“ statt auf eine „dienstvertragliche“ Verbindung abzustellen. Aus den gleichen Gründen sollen zukünftig auch sonstige Geschäftspartner, wie Hausbanken oder Großlieferanten, die im Vergleich zu den in § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO bezeichneten Nahestehenden entsprechende Informationsmöglichkeiten haben, in den Anwendungsbereich der „innerbetrieblichen Verbindung“ einbezogen werden können126. Doch auch unter dem geltenden Recht lässt sich ein zweckmäßiges Ergebnis erzielen, indem man die Trennung zwischen „unternehmensintern“ und „unternehmensextern“ aufhebt, aber einschränkend fordert, dass mit der besonderen Informationsmöglichkeit auch ein Mindestmaß an Handlungsmacht korrelieren muss127. Hiernach wären 121 Vgl. Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 31. 122 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 48; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 344; für einen weiteren Anwendungsbereich auch Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 91 ff. 123 Für eine Einbeziehung der freiberuflichen Berater daher Riggert in Braun, InsO § 138 Rn. 15. 124 BGH v. 15.11.2012, IX ZR 205/11, NZI 2013, 39; siehe zur Einordnung dieser Entscheidung näher Plathner, DStR 2013, 1349, 1354 f. 125 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 169. 126 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 91 ff. und 169. 127 So zutreffend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 345.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Banken und Kreditgeber (nur dann) in den Kreis der „nahestehenden Personen“ einzubeziehen, wenn sie eine auf der vertraglichen Beziehung beruhende Einflussmöglichkeit auf die Führung der Geschäfte hätten128. 3. Ausdehnung der gesellschaftsrechtlichen Näheverhältnisse, § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO Eine personelle Ausdehnung erhält der Tatbestand schließlich durch § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Danach sind zunächst solche Personen als nahestehend anzusehen, die zu einer in Absatz 2 Nr. 1 oder 2 bezeichneten Person in einer in Absatz 1 bezeichneten persönlichen Verbindung stehen. Strukturell werden damit natürliche Personen erfasst, denen eine besondere Informationsmöglichkeit durch andere Personen vermittelt wird129. Konkret berücksichtigt werden die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den im Sinne des Absatzes 2 gesellschaftsrechtlich nahestehenden Personen. Den weitreichenden Anwendungsbereich der Regelung verdeutlichen zwei Beispiele130: So wäre hiernach sowohl der Vater der vor weniger als einem Jahr geschiedenen Ehefrau eines Mitglieds des im Gesellschaftsvertrag installierten Aufsichtsrats einer GmbH als auch der in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit der Prokuristin der Schuldnergesellschaft lebende Mann als nahestehende Personen anzusehen. Durch die Bezugnahme auf Absatz 1 Nr. 4 werden auch juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit einbezogen. Eine entscheidende Einschränkung erfährt die Regelung jedoch in § 138 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 InsO. Danach ist eine von Absatz 2 Nr. 3 erfasste Person nicht als nahestehend anzusehen, soweit die in Nummer 1 oder 2 des Absatzes 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Ange legenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Hauptanwendungsfall der privilegierenden Ausnahme dürften damit GmbH-Geschäftsführer sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft sein, die einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Hierbei muss die Verschwiegenheitspflicht gerade die Tatsachen umfassen, deren Kenntnis die Anfechtungstatbestände beim Anfechtungsgegner voraussetzen131. Erforderlich ist zudem, dass die Verschwiegenheitspflicht tatsächlich eingehalten worden ist132. Der Regelungsgrund für die privilegierende Ausnahme soll ausweislich der Geset128 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 345 unter Hinweis auf BGH, ZIP 1990, 1593, 1594. 129 Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 49; hierzu auch Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 100. 130 Beispiele nach Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 33. 131 Henckel in Jaeger, InsO § 138 Rn. 34; Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 51. 132 Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 101; Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 50; so auch OLG Düsseldorf v. 18.11.2004, 12 U 45/04, ZInsO 2005, 215.
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C. Zusammenfassende Analyse des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses
zesbegründung133 darin liegen, dass den in Absatz 2 Nr. 1 und 2 genannten Personen, soweit sie kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, nicht unterstellt werden dürfe, dass sie ihre Schweigepflicht verletzt und Familienangehörige über die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin unterrichtet hätten. Im Schrifttum ist diese Vermutung gesetzestreuen Verhaltens im Vorfeld des Insolvenzverfahrens für den benannten Personenkreises zu Recht als wenig lebensnah kritisiert worden134. Da die Ausnahme des Absatzes 2 Nr. 3 Halbsatz 2 schließlich nur so weit wie die Geheimhaltungspflicht reicht, trägt die von Absatz 1 erfasste Person die Beweislast für Tatsachen, die nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.
C. Zusammenfassende Analyse des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses Die vorangegangene Untersuchung des § 138 InsO hat den Zuschnitt seiner Legaldefinition auf die Bedürfnisse der Insolvenzanfechtung deutlich gezeigt. So verwenden verschiedene Vorschriften der Insolvenzordnung und auch des Anfechtungsgesetzes unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 138 InsO den Begriff der „nahestehenden Personen“ im Zusammenhang mit Beweislastregeln oder auch als Tatbestandsvoraussetzung. Insbesondere im Rahmen der Insolvenzanfechtung kommt der Abgrenzung dieses Personenkreises erhebliche Bedeutung zu, da sich die Umkehr der Beweislast zum Nachteil der „nahestehenden Personen“ praktisch als scharfes Schwert darstellt. Aus Sicht des Gesetzgebers liegt der Ausgestaltung des § 138 InsO maßgeblich die Frage zugrunde, welche Personen zur Zeit der anfechtbaren Rechtshandlung aus persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder ähnlichen Gründen eine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners hatten. Neben der gesteigerten Informations- und Einsichtsmöglichkeit von Insidern als Hauptargument für die Sonderbehandlung dieses Personenkreises sind auch eine potentiell gesteigerte Unterstützungsbereitschaft und eine damit einhergehende Missbrauchsbereitschaft zu Lasten der (fremden) Gläubiger durch „nahestehende Personen“ zu bedenken. Fällt eine Nähebeziehung zum Schuldner nicht unter den Katalog des § 138 InsO, so kann das Gericht dieses Näheverhältnis dennoch als verdachtserregenden Umstand im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO berücksichtigen. 133 BT-Drucks. 12/2443, S. 163. 134 Exemplarisch Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 51: „[…] nicht gerade lebensnah“. Zur Rechtfertigung der Privilegierung siehe aber Paulus in Festschrift Fischer, 2008, S. 445, 454 ff.
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Strukturell unterscheidet der Tatbestand des § 138 InsO zunächst danach, ob der Schuldner eine natürliche Person (Absatz 1) oder eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (Absatz 2) ist. Da jedoch § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO die Fälle beschreibt, in denen einem Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit nahesteht, findet sich der Tatbestand entsprechend spiegelbildlich in § 138 Abs. 2 InsO wieder. Im Rahmen der natürlichen Personen werden durch § 138 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a und Nr. 2 InsO familiäre Beziehungen im weitesten Sinne umfassend einbezogen: Neben Ehegatten und Lebenspartnern werden auch Verwandte des Schuldners und des Ehegatten bzw. Lebenspartners in aufund absteigender Linie sowie voll- und halbbürtige Geschwister dieser Personen erfasst. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Nahestehens erscheint bemerkenswert, dass Ehegatten und Lebenspartner auch dann als „nahestehende Personen“ im Sinne des § 138 InsO eingestuft werden, wenn die Ehe bzw. die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist. Eine solche zeitliche „Nachwirkung“ der Ehe oder der Lebenspartnerschaft erscheint im Grundsatz konsequent, da auch zwischen bereits geschiedenen Ehegatten nicht nur ein Informationsvorsprung, sondern auch die Bereitschaft dahingehend bestehen kann, zum Schaden (dritter) Gläubiger zusammenzuwirken. Die zeitliche Beschränkung dieser Nachwirkung auf ein Jahr dient der Rechtssicherheit und wird in der Regierungsbegründung damit gerechtfertigt, dass die erleichterten Informationsvorsprünge des ehemaligen Ehegatten bzw. Lebenspartners nach Ablauf dieses Zeitraums typischerweise entfallen sind. Ist diese Jahresfrist verstrichen, kann das Gericht eine aufgelöste Ehe bzw. Lebenspartnerschaft im Rahmen der freien Beweiswürdigung weiterhin berücksichtigen. Die vorangegangene Untersuchung hat zudem deutlich gemacht, dass für ein Nahestehen kraft häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 InsO erhöhte Anforderungen zu stellen sind, da der Gesetzgeber durch diese Regelung ursprünglich die – inzwischen von Nr. 1a erfassten – Lebenspartner einbeziehen wollte. Deshalb kann das bloße Zusammenleben im Sinne einer reinen Zweckgemeinschaft hierfür nicht genügen. Für die Zwecke einer vorläufigen Bewertung der Regelung kommt man nicht umhin, auf die unter funktionalen Gesichtspunkten wohl größte praktische Schwäche des § 138 InsO im Bereich der natürlichen Personen hinzuweisen. Diese ist darin zu sehen, dass die praktisch sehr bedeutsamen Fälle der „real nahestehenden“ Personen von der Norm nicht erfasst werden. Nach der Lebenserfahrung können insbesondere enge Freunde 30
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C. Zusammenfassende Analyse des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses
des Schuldners diesem für die Belange des Insolvenzrechts näher stehen als die Mitglieder seiner Familie. So liegt es auf der Hand, dass befreundete Personen häufig frühzeitig von den wirtschaftlichen Problemen des Schuldners erfahren und potentiell auch gewillt sind, diesen in der Notzeit einer drohenden Insolvenz zu unterstützen. Zudem weisen Vermögensverschiebungen an Freunde gegenüber familieninternen Transaktionen aus Sicht des Schuldners den praktischen Vorteil auf, dass es sich bei den Beteiligten formal um „fremde“ Personen handelt und die bestehende freundschaftliche Beziehung – anders als die Familienzugehörigkeit – für Außenstehende nur schwierig zu erkennen und nachzuweisen ist. Trotz ihrer erheblichen Bedeutung für die Praxis der Insolvenzanfechtung können bestehende Freundschaften daher lediglich vom Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung als verdachtserregende Umstände berücksichtigt werden. Soweit es darum geht, ein Näheverhältnis zu einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit festzustellen, nimmt § 138 InsO in erster Linie die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen in den Blick, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind, § 138 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 1 InsO. Erheblich erweitert wird der Anwendungsbereich der Norm jeweils dadurch, dass auch Personen und Gesellschaften einbezogen werden, die auf Grund einer „vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung“ zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten, § 138 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 InsO. Im Unterschied zu Absatz 1 muss das Näheverhältnis hier immer zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestanden haben. Obwohl im Schrifttum weitgehende Einigkeit darüber besteht, dass die vom Gesetzgeber gewählte 25-Prozent-Beteiligung-Schwelle nicht dem gesellschaftsrechtlichen Erkenntnisstand entspricht, führt nach hier vertretener Auffassung de lege lata kein Weg am eindeutigen Wortlaut des § 138 Abs. 2 Nr. 1 bzw. des Abs.1 Nr. 4 InsO vorbei. Wünschenswert erscheint aber eine behutsame Herausbildung eines Auffangtatbestands unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO, als dessen Grenze der Wortlaut der „gesellschaftsrechtlichen“ Verbindung anzusehen ist. Schließlich hat die vorangegangene Untersuchung gezeigt, dass sich im Rahmen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO für das Merkmal der „vergleichbaren dienstvertraglichen Verbindung“ die Unterscheidung zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Personen weder durch den Wortlaut des Gesetzes noch durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Trennung aufzuheben und stattdessen zu fordern, dass mit der besonderen Informationsmöglichkeit stets auch ein 31
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§ 2 Insolvenzrecht: Die Normierung der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO
Mindestmaß an Handlungsmacht korrelieren muss. Folglich wären etwa Banken und Kreditgeber (nur) dann in den Kreis der „nahestehenden Personen“ einzubeziehen, wenn sie über eine auf der vertraglichen Beziehung beruhende Einflussmöglichkeit auf die Führung der Geschäfte des Schuldners verfügen. Für die Zwecke der weiteren Untersuchung ist festzuhalten, dass der klare Zuschnitt der insolvenzrechtlichen Legaldefinition in § 138 InsO auf die spezifischen Bedürfnisse der Insolvenzanfechtung in einem ersten Zugriff gegen die Möglichkeit einer unmittelbaren Übertragbarkeit auf die steuerrechtliche Begriffsbildung spricht. Dies gilt jedenfalls für die Konstellationen, in denen § 138 InsO zur Begründung eines Näheverhältnisses (lediglich) auf die besondere Informationsmöglichkeit einer Person abstellt.
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§ 3 Bilanzrecht: Die Angabepflichten zu „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 A. Grundlagen I. Einordnung der Regelung Während Angabepflichten über Beziehungen zu „nahestehenden Unternehmen und Personen“135 unter der Bezeichnung „Related Party Disclosures“ in Form der IAS 24 und SFAS 57136 seit langem zum gesicherten Bestand der internationalen Rechnungslegung gehören137, stellen sie im deutschen Handelsrecht eine recht moderne Erscheinung dar138. Erst seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG)139 werden auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB140 im Anhang des Jahres- und Konzernabschlusses Angaben zu Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ verlangt. Bis dahin bestand im deutschen Handelsrecht keine Vorschrift vergleichbaren Inhalts141. Insbesondere gehen die neuen Angabepflichten deutlich über die bisherigen handelsrechtlichen Vorschriften hinaus, die den Zweck verfolgen, 135 § 285 Nr. 21 HGB und § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB verwenden die getrennte Schreibweise „mit nahe stehenden Unternehmen und Personen“. Aus Gründen der einheitlichen Darstellung wird im Folgenden jedoch an der Schreibweise „mit nahestehenden Unternehmen und Personen“ festgehalten. 136 Ergänzt wird SFAS 57 durch zusätzliche Vorschriften der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC; zu den Grundzügen dieser Regelung Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 40 ff. 137 Ausführlich zur historischen Entwicklung dieser Angabepflichten Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 7; Spadin, Nahestehende Personen, S. 57 ff.; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 4 ff. Siehe zur Bedeutung dieser Vorschriften in den USA die Erhebung von Kohlbeck/Mayhew aus dem Jahr 2004, nach der im Geschäftsjahr 2001 von 1261 untersuchten Unternehmen aus dem US-amerikanischen Standard&Poor’s 1500-Index immerhin 790 Unternehmen über Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Unternehmen und Personen berichteten. 138 Siehe hierzu den Pionierbeitrag von Niehus, „Related Party Transactions“ – Anmerkungen zu einem (künftig auch für deutsche Unternehmen geltenden?) internationalen Bilanzierungsgrundsatz, in Festschrift für Kropff, 1997, S. 533. 139 BGBl. I 2009, S. 1102 bis 1137. 140 Da § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB abgesehen von der Konzerndimension der Regelung des § 285 Nr. 21 HGB enspricht, kann für die Zwecke der folgenden Untersuchung auf die Ausführungen zu dieser Norm verwiesen werden, vgl. nur Merkt in Baumbach/Hopt, HGB § 314 Rn. 13. 141 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72.
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§ 3 Bilanzrecht
Beziehungen zu verbundenen Unternehmen transparenter zu gestalten142. Zum anderen existierten bereits Pflichten für Angaben zu Mitgliedern der Unternehmensführung und der Kontrollorgane143, Angaben zu Unternehmen, deren Anteile gehalten werden144 sowie Angaben zu Unternehmen, die in den Konzernabschluss einzubeziehen sind145. Neben den handelsrechtlichen Vorschriften ist insbesondere § 312 AktG zu nennen, wonach der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages verpflichtet ist, einen Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen aufzustellen146. Nunmehr sind gemäß § 285 Nr. 21 HGB im Anhang zumindest die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte, soweit sie wesentlich sind, mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“, einschließlich der Angaben zur Art der Beziehung, zum Wert der Geschäfte sowie weiterer Angaben, die für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind, aufzuführen. Ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgt der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Angabepflichten eine Annäherung der handelsrechtlichen Berichtspflichten an die internationale Rechnungslegung, womit ein „Mehr an Information für die Abschlussadressaten“ verbunden sein soll147. Unionsrechtlich beruht die deutsche Vorschrift auf Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Bilanz-RL in der Fassung der Abänderungsrichtlinie. Die Regelung des § 285 Nr. 21 HGB ermöglicht es den Unternehmen, entweder nur die wesentlichen marktunüblichen Geschäfte anzugeben oder aber über alle Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen zu berichten148. Ein entscheidender Unterschied zum internationalen Standard IAS 24 besteht darin, dass eine Berichterstattung nach HGB somit nur zwingend ist, falls die Vereinbarung zu marktunüblichen Bedingungen zustande gekommen ist und es sich um ein wesentliches Geschäft handelt. Die handelsrechtliche Berichterstattungspflicht besteht für alle großen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a Abs. 1 HGB, für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB). Mit142 So etwa § 271 Abs. 2 HGB in Verbindung mit §§ 266, 268, 275, 285 Nr. 3 und 14 HGB; vgl. Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180. 143 § 285 Nr. 9 und Nr. 10 HGB. 144 § 285 Nr. 11 und Nr. 11a HGB. 145 §§ 313, 314 HGB. 146 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72. Siehe hierzu auch den Abschnitt „Überblick über sonstige Angabepflichten von Näheverhältnissen“ an später Stelle. 147 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. Siehe zum Zweck des Anhangs im Allgemeinen nur Hüttemann/Meyer in Staub, Großkommentar HGB, § 284 Rn. 7 f. 148 Dies wird in den Gesetzesmaterialien gerade im Hinblick auf die internationalen Rechnungslegungsvorschriften besonders hervorgehoben BT-Drucks. 16/10067, S. 71 f.
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A. Grundlagen
telgroße Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a Abs. 1 HGB müssen die Angaben gemäß § 288 Abs. 2 Satz 4 HGB nur machen, soweit sie Aktiengesellschaften sind. Für alle kleinen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a Abs. 1 HGB besteht gemäß § 288 Abs. 1 keine Berichterstattungspflicht149. Daneben haben börsennotierte Aktiengesellschaften auch Ziffer 3.10 DCGK zu beachten, wonach in den Geschäftsbereich Angaben zu nahestehenden Personen aufzunehmen sind150. Obwohl der Begriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ durch das BilMoG in das Handelsgesetzbuch eingeführt wurde, enthält dieses keine entsprechende eigene Begriffsdefinition. Nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG151 und in Übereinstimmung mit Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Bilanz-RL in der Fassung der Abänderungsrichtlinie ist der Begriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ im Sinne der gemäß der IAS-VO übernommenen IFRS (also gegenwärtig IAS 24) in der von der EU jeweils gebilligten aktuellen Fassung zu verstehen. Somit ergibt sich der infrage kommende Personenkreis nach einhelliger Ansicht ausschließlich aus IAS 24.9 bis 24.11152. Aufgrund dieser dynamischen Verweisung folgt die Offenlegungspflicht bei genauer Betrachtung also erst aus § 285 Nr. 21 HGB in Verbindung mit IAS 24. Zumindest bezüglich der Definition des Nahestehens begibt sich das BilMoG somit in das „Fahrwasser von IAS 24“153. Zwar bestehen zwischen der IFRS-Vorschrift des IAS 24 und der deutschen Regelung in § 285 Nr. 21 HGB i. V. m. IAS 24 entscheidende Unterschiede, wie im Verlauf der Untersuchung gezeigt wird. Gleichwohl kann für die grundsätzlichen Aspekte der Offenlegung auf IAS 24 Bezug genommen werden. Der folgenden Untersuchung liegt IAS 24 in seiner aktuell gültigen und von der EU übernommenen Fassung154 zugrunde. Diese entspricht im Wesentlichen der grundlegend überarbeiteten Form des Standards, die der 149 Vgl. Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 226; Grottel in Beck‘scher BilKomm § 285 Rn. 361. 150 Vgl. hierzu Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 349. 151 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 152 Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 363; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 21; Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 1; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm-BilanzR § 285 Rn. 137; Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 231; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB § 285 Rn. 20; Niehus, DB 2008, 2493, 2494; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 349; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 182; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 72; Zülch/Popp, PiR 2011, 89. 153 Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 1. 154 Übernommen durch VO (EU) Nr. 632/2010 vom 19. Juli 2010, in: Amtsblatt der Europäischen Union vom 20.7.2010, L 186. Zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 475/2012 vom 5. Juni 2012, in: Amtsblatt der Europäischen Union vom 6. Juni 2012, L 146.
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§ 3 Bilanzrecht
IASB im November 2009 veröffentlichte155. Neben kleineren inhaltlichen Änderungen, die zuvor bestehende Inkonsistenzen beheben sollte, erfuhr die Regelung hierdurch eine generelle Restrukturierung der Definition der „nahestehenden Unternehmen und Personen“. Nach einer ersten Einschätzung im Schrifttum hat sich die Lesbarkeit des Standards durch die Reform deutlich verbessert156. An der Zielsetzung des Standards hat auch die Überarbeitung nichts verändert. So heißt es weiterhin in IAS 24.1: „Dieser Standard soll sicherstellen, dass die Abschlüsse eines Unternehmens alle Angaben enthalten, die notwendig sind, um auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass die Vermögens- und Finanzlage und der Gewinn oder Verlust des Unternehmens u. U. durch die Existenz nahestehender Unternehmen und Personen sowie durch Geschäftsvorfälle und ausstehende Salden (einschließlich Verpflichtungen) mit diesen beeinflusst worden sind.“
II. Das bilanzrechtliche Bedürfnis nach einer Offenlegung von Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ 1. Die möglichen Auswirkungen auf das berichtende Unternehmen Wie zu Beginn der Untersuchung bereits näher dargelegt wurde, sind Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Unternehmen und Personen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen ein „normales Kennzeichen wirtschaftlicher Tätigkeit“157. Dies erkennt auch der Standardsetter an und erläutert dementsprechend in IAS 24.5 einführend: „Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen sind in Handel und Gewerbe gängige Praxis“158. Da derartige Nähebeziehungen einen erheblichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines berichtenden Unternehmens haben können, der für den Bilanzadressaten aus den bloßen Geschäftszahlen nicht ohne weiteres erkennbar ist, besteht aus der Perspektive des Bilanzrechts ein Regelungsbedürfnis. Bevor dieses näher erörtert wird, empfiehlt es sich zunächst, die möglichen 155 Häufig wird die neue Fassung als „IAS 24 revised 2009“ bezeichnet. 156 Siehe zu den wesentlichen Neuerungen durch die Überarbeitung Busack/Scharr, IRZ 2011, 395 und Zülch/Popp, PiR 2011, 89. 157 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 1; ebenso Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 1: „[…] ein übliches Geschäftsgebaren“; Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 1: „üblicher Teil der Tätigkeit vieler Gesellschaften“. Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 1: „Unternehmen agieren nicht in einem Umfeld vollkommen unabhängiger Marktteilnehmer. Sie unterliegen vielmehr unterschiedlichsten Einflüssen der auf sie wirkenden Interessengruppen“. 158 IAS 24.5.
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A. Grundlagen
Auswirkungen von Geschäften zwischen nahestehenden Unternehmen und Personen noch einmal zu betrachten. Deren potentielle Effekte werden in IAS 24.5 bis 24.8 nähererläutert. Danach können Nähebeziehungen nicht nur das Zustandekommen und den Umfang von Transaktionen beeinflussen, sondern sich insbesondere auch auf deren Preise und Konditionen auswirken159. Darüber hinaus kann schon die bloße Existenz solcher Beziehungen ausreichen, um die Geschäfte des berichtenden Unternehmens mit Dritten zu beeinflussen. Besonders naheliegend sind Fallkonstellationen, in denen zwischen nahestehenden Unternehmen und Personen Geschäfte getätigt werden, die mit fremden Dritten nicht oder nicht zu den konkreten Bedingungen getätigt würden. Exemplarisch führt IAS 24.5 an, dass ein Unternehmen, das seinem Mutterunternehmen Güter zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten verkauft, diese möglicherweise nicht zu den gleichen Konditionen an andere Kunden abgibt. Etwas anschaulicher lässt sich dies am folgenden Beispiel verdeutlichen160: Unternehmen A bezieht Rohstoffe von seiner 100 prozentigen Tochter B zur Weiterverarbeitung. B liefert die Rohstoffe zum Selbstkostenpreis an A, könnte aber zu marktüblichen Konditionen auch an das außenstehende Unternehmen C liefern. Im Ergebnis führt die Nähebeziehung zwischen A und B bei B zu einem geringeren Ertrag als aus der Transaktion am Markt zu erzielen wäre. Praktischer Hauptanwendungsfall derartiger Konstellationen dürften zwar Konzernsachverhalte sein. Doch auch in allen anderen Fällen, in denen unternehmerische Aktivität dadurch in gestaffelten Strukturen entfaltet wird, dass einzelne Fertigungsstufen rechtlich auf mehrere Unternehmensträger aufgeteilt werden161, besteht eine erhöhte Gefahr für markt unübliche Vereinbarungen. In umgekehrter Richtung kann ein Nahestehen aber auch dazu führen, dass Geschäfte zwischen nahestehenden Unternehmen und Personen überhaupt nicht stattfinden oder gar abgebrochen werden. Hierzu führt IAS 24.7 aus, dass die bloße Existenz einer Nähebeziehung ausreichen kann, um die Geschäfte des berichtenden Unternehmens mit Dritten zu beeinflussen. So könne beispielsweise ein Tochterunternehmen seine Beziehungen zu einem Handelspartner beenden, wenn eine Schwestergesellschaft, die im gleichen Geschäftsfeld wie der frühere Geschäftspartner tätig ist, vom Mutterunternehmen erworben werde. Wiederum lassen sich die Effekte plastisch an einem Beispiel darstellen: Unternehmen A 159 Vgl. Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1062; Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 1 ff.; aus dem Blickwinkel der US-amerikanischen Wirtschaftsprüfungspraxis Levine/Fitzsimons/Siegel, The CPA Journal Mar 1997, 46. 160 Die im Folgenden aufgeführten Beispiele finden sich jeweils bei Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 3 ff. 161 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 1.
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§ 3 Bilanzrecht
erwirbt alle Anteile an Unternehmen B. Unternehmen C bricht daraufhin alle Lieferungen an A ab, woraufhin sich A aus der Produktion zurück zieht und diese vollständig von B übernommen wird. Im Ergebnis führt die Nähebeziehung zwischen den Unternehmen A und B bei A zu einem Umsatz, der geringer ist als es durch das technische Know-how und die verfügbare Kapazität möglich wäre. In ähnlicher Weise können sich Näheverhältnisse selbst dann auswirken, wenn keine Geschäftsvorfälle zwischen den nahestehenden Unternehmen stattfinden. So weist IAS 24.7 darauf hin, dass eine Partei aufgrund des maßgeblichen Einflusses eines Dritten eine Handlung unterlassen könnte. Exemplarisch könnte ein Tochterunternehmen die Anweisung erhalten, keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auszuführen. Diese Konstellation lässt sich durch ein drittes Beispiel veranschaulichen: Wie im vorgenannten Fall erwirbt Unternehmen A alle Anteile am Unternehmen B. Obwohl nun A kostengünstiger produzieren kann als Unternehmen B, wird A das günstige Angebot einer Rohstofflieferung des „fremden“ Unternehmens C nicht annehmen, wenn der Absatzmarkt begrenzt und nur auf Kosten von B zu bedienen wäre. Im Ergebnis führt das Näheverhältnis zwischen A und B hier dazu, dass A die günstige Trans aktion mit C nicht tätigt. So unterschiedlich sich die vorgenannten Fallkonstellationen im Einzelnen darstellen, so sehr drängt sich in allen Fällen doch zumindest die Vermutung einer extra-ökonomischen Einflussnahme auf das unternehmerische Verhalten der berichtenden Einheit162 auf. 2. Irreführende Wirkung von Abschlussinformationen Worin aber liegt nun das spezifische bilanzrechtliche Regelungsbedürfnis für eine Offenlegungspflicht zu Geschäften zwischen nahestehenden Unternehmen und Personen? Wie bereits angedeutet können derartige Beziehungen die Entscheidungsnützlichkeit von Abschlussinformationen erheblich beeinträchtigen. Diese steht in einer direkten Abhängigkeit zur Verlässlichkeit der gewährten Informationen163. Nach Ansicht des IASB ist letztere nicht mehr gegeben, wenn die Abschlussinformationen „verzerrenden Einflüssen“ unterliegen oder sie nicht „glaubwürdig darstellen, was sie vorgeben darzustellen oder was vernünftigerweise von ihnen erwartet werden kann“. In Anlehnung an die Arbeiten von Cottingham164 lassen sich zwei möglichen Ursachen einer solchen irreführenden Wirkung der Abschlussinformationen unterscheiden: Die erste Möglichkeit ist darin zu sehen, dass 162 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 9. 163 Vgl. Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 2. 164 Cottingham, The Perceived Impact of FRS 8 `Related Party Disclosures’, 1996.
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A. Grundlagen
die Abschlussadressaten von sich aus (einfach nur)165 falsche Schlüsse aus den dargestellten Daten ziehen. In der Terminologie Cottinghams handelt es sich um „innocently misleading accounts“166. Die zweite mögliche Ursache liegt darin begründet, dass das berichtende Unternehmen absichtlich Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen zur Falschdarstellung instrumentalisiert. Hierfür wird die Bezeichnung „fraudulently misleading accounts“167 verwendet. Zum Zwecke der Bilanzmanipulation eignen sich Geschäftsvorfälle mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ schon deshalb besonders gut, weil derartige Geschäfte für die berichtende Einheit leicht zu nutzen, aber nur mit Mühe nachzuweisen sind168. Empirisch gestützt wird dieser Befund durch eine ältere US-amerikanische Studie aus dem Jahr 1998, wonach etwa 20 Prozent der durch die Börsenaufsichtsbehörde SEC im Zeitraum zwischen 1982 bis 1995 untersuchten Verdachtsfälle der Bilanzmanipulation im Zusammenhang mit Geschäften zwischen nahe stehenden Unternehmen und Personen standen169. Instrumentalisiert werden können diese auf unterschiedliche Art und Weise, etwa zur Beeinflussung der Umsatzhöhe, der Verbindlichkeiten, der Vermögenswerte und der Profitabilitätskennzahlen170. Auch in der jüngeren Vergangenheit waren zahlreiche medienwirksame Vorfälle Beleg für die Gefahr, die von (bewusst) irreführenden Abschlussinformationen ausgehen kann. Als prominentester Fall dürfte die Insolvenz des US-amerikanischen Energieunternehmens Enron Corp. im Jahr 2001 gelten. Nach Expertenmeinung wurde diese maßgeblich dadurch ermöglicht, dass durch Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Unternehmen und Personen Perioden ergebnisse zu hoch ausgewiesen, das Eigenkapital überbewertet und die Verbindlichkeiten zu niedrig dargestellt wurden171. 165 Dieser Klammerzusatz findet sich zur Verdeutlichung bei Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 2: „[…] können von sich aus aufgrund der dargelegten Daten (einfach nur) falsche Schlüsse ziehen“. 166 Cottingham, The Perceived Impact of FRS 8, S. 4. 167 Cottingham, The Perceived Impact of FRS 8, S. 4, wobei der Begriff “fraud” im Sinne von Kapnick, Responsibility and Detection in Management Fraud, CPA Journal May 1976, 21 zu verstehen sein soll. 168 Vgl. Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 3. 169 Bonner/Palmrose/Young, Fraud Type and Auditor Litigation: An Analysis of SEC Accounting and Auditing Enforcement Releases. The Accounting Review, 503, 515. 170 Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 3. 171 Eindrucksvoll die exemplarische Auswahl aus einem US-amerikanischen Experten-Bericht bei Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 2 f..: „Den Mit arbeitern […] gelungen sein, alleine durch Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Unternehmen und Personen von 1997 bis zum zweiten Quartal 2001 das Perioden ergebnis um 1,5 Milliarden US-$ zu hoch auszuweisen, das Eigenkapital im ersten Halbjahr 2001 um 1,9 Milliarden US-$ überzubewerten und die Verbindlichkeiten zum 31. Dezember 2000 um 828 Million US-$ zu niedrig darzustellen.“
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3. Offenlegung als Antwort und als Ziel der Rechnungslegung Den vorgenannten Beeinflussungsmöglichkeiten der Vermögens-, Finanzund Ertragslage des berichtenden Unternehmens versucht das IASB und nun auch der Gesetzgeber des BilMoG durch eine reine Offenlegungspflicht zu begegnen172: So geht es in IAS 24 lediglich darum, auf mögliche Auswirkungen auf das berichtende Unternehmen aufmerksam zu machen. Konkret soll der Adressat des Abschlusses in die Lage versetzt werden, sich ein Bild von möglichen Auswirkungen von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen auf die berichtende Einheit zu machen173. Hingegen ist es für den Ersteller des Abschlusses gerade nicht erforderlich aufzuzeigen, ob und zu welchen Bedingungen die Geschäfte mit fremden Dritten abgeschlossen worden wären174. Diese Konzeption erschließt sich besonders deutlich, wenn man sich die bereits oben zitierte Zielsetzung der Regelung, wie sie in IAS 24.1 ausgeführt wird, noch einmal vor Augen führt. „Dieser Standard soll sicherstellen, dass die Abschlüsse eines Unternehmens alle Angaben enthalten, die notwendig sind, um auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass die Vermögens- und Finanzlage und der Gewinn oder Verlust des Unternehmens u. U. durch die Existenz nahestehender Unternehmen und Personen sowie durch Geschäftsvorfälle und ausstehende Salden (einschließlich Verpflichtungen) mit diesen beeinflusst worden sind.“ Der materielle Regelungsgrund für die Angabepflichten liegt also darin, auf die bloße „Möglichkeit“ der Auswirkungen von Nähebeziehungen auf die Geschäfte des berichtenden Unternehmens hinzuweisen. Somit kommt es gerade nicht darauf an, dass eine tatsächliche Beeinflussung stattgefunden hat175. Wie oben bereits näher dargestellt, weist IAS 24.7 deshalb auch darauf hin, dass schon die bloße Existenz von Nähebeziehungen ausreichen kann, um die Geschäfte des berichtenden Unternehmens mit Dritten zu beeinflussen. Wertungsmäßig enthält sich die IAS 24 jeder Qualifizierung: Die Existenz von Nähebeziehungen ist unabhängig davon offenzulegen, ob sie sich für das berichtende Unternehmen positiv oder negativ ausgewirkt hat. Die Ausgestaltung des Standards ist
172 Zur Ausgestaltung des IAS 24 als reine Offenlegungspflicht Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 1. 173 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 176 weist in diesem Zusammenhang auf die “decicion usefulness“ für den Investor als Charakteristikum der internationalen Rechnungslegung hin. 174 Vgl. Küting/Seel, KoR 2008, 227, 228; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 6 kommt es gerade nicht auf eine „at arm’s length-als-ob-Betrachtung“ an. 175 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 7.
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„wertneutral“176. Der Vollständigkeit halber muss darauf hingewiesen werden, dass über die tatsächliche Wirkweise der Angabepflichten im Jahresabschluss bislang keine eindeutigen Untersuchungsergebnisse vorliegen. Auch über die Auswirkungen derartiger Angabepflichten auf Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt existieren keine aussagekräftigen Studien177.
III. Die handelsrechtlichen Angabepflichten nach §§ 285 Nr. 21, 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB 1. Wesentliche Geschäfte Nach § 285 Nr. 21 HGB sind von den oben bezeichneten Unternehmen im Anhang zwingend zumindest solche „Geschäfte“ mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ anzugeben, die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen sind, soweit sie „wesentlich“ sind178. Der Begriff „Geschäft“ ist ausweislich der Gesetzesbegründung in einem umfassenden funktionalen Sinn zu verstehen179. Neben dem Hauptanwendungsfall des Rechtsgeschäfts180 kommen deshalb auch andere Maßnahmen in Betracht, die eine unentgeltliche oder entgeltliche Übertragung oder Nutzung von Vermögensgegenständen oder Schulden zum Gegenstand haben. Der Begriff des Geschäfts umfasst für die Zwecke des § 285 Nr. 21 HGB somit letztlich „[…] alle Transaktionen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art, die sich auf die Finanzlage eines Unternehmens auswirken können“181. Um den weiten Anwendungsbereich des Begriffs182 zu verdeutlichen, benennt der Gesetzesentwurf in einer langen Aufzählung exemplarische Anwendungsfälle: 176 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 11. 177 Näher zu diesem Aspekt aber der frühe Beitrag von Schredelseker, Der Nutzen von Bilanzinformationen für Kapitalanlageentscheidungen, in Festschrift Wysocki, 1985, S. 129. 178 Siehe hingegen zu den nach IFRS offenzulegenden Geschäftsvorfällen nur Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 23 ff. 179 BT-Drucks. 16/10067, S. 72: „[…] im weitesten – funktionalen – Sinne zu verstehen“. Somit geht der handelsrechtliche Begriff des „Geschäfts“ über den engeren Begriff des „Geschäftsvorfalls“ in IAS 24.21 hinaus, vgl. Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 362; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 75. 180 Näher zum Begriff des „Rechtsgeschäfts“ und der „Maßnahme“ Rimmelspacher/ Frey, WPg 2010, 180, 184 f. 181 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 182 Ebenso weit und funktional wird der „Geschäftsvorfall“ im Rahmen des IAS 24 definiert: „Ein Geschäftsvorfall mit nahestehenden Unternehmen und Personen ist eine Übertragung von Ressourcen, Dienstleistungen oder Verpflichtungen zwischen einem berichtenden Unternehmen und einem nahestehenden Unter nehmen / einer nahestehenden Person, unabhängig davon, ob dafür ein Entgelt in Rechnung gestellt wird.“
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„Käufe oder Verkäufe von Grundstücken und/oder Gebäuden oder fertigen oder unfertigen Waren oder Erzeugnissen, der Bezug oder die Einbringung von Dienstleistungen, die Nutzung oder Nutzungsüberlassung von Vermögensgegenständen, Finanzierungen, die Gewährung von Bürgschaften oder anderen Sicherheiten, Produktionsverlagerungen, Produktionsänderungen, Investitionen, Stilllegungen von Betriebsteilen, Abstimmungen im Ein- oder Verkauf, oder die Übernahme der Erfüllung von Verbindlichkeiten“183. Nach dem Wortlaut des § 285 Nr. 21 HGB besteht eine Angabepflicht nur für die „zustande gekommenen Geschäfte“. Im Unterschied zum Abhängigkeitsbericht sind unterlassene Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen damit nicht angabepflichtig184. In jedem Fall darf der Gesetzeswortlaut „zustande gekommen“ nicht so verstanden werden, dass nur der Abschluss von Verträgen zu einer Angabepflicht führt. Im Sinne des § 285 Nr. 21 HGB ist etwa auch die Kündigung eines bestehenden Vertrages als „zustande gekommenes“ einseitiges Rechtsgeschäft und damit als „Geschäft“ anzusehen185. Berichtspflichtig sind nur Geschäfte „mit“ nahestehenden Unternehmen und Personen. Es reicht daher nicht aus, dass das Geschäft bloß auf Veranlassung des Nahestehenden oder in seinem Interesse zustande gekommen ist186. Angabepflichtig sind nach § 285 Nr. 21 Halbsatz 1 HGB zumindest „wesentliche“ Geschäfte. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich hierbei um solche Geschäfte, die sich auf die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens auswirken können187. Auf die Auswirkungen auf die Vermögens- und die Ertragslage des Unternehmens kommt es danach nicht an. Unter der „Finanzlage“ ist stichtagsbezogen die vorhandene Liquidität der Gesellschaft (gegenwärtige Finanzlage) sowie die erwarteten künftigen Finanzmittelzuflüsse und -abflüsse (künftige Finanzlage) zu verstehen188. Da weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbe gründung das Merkmal „wesentlich“ quantifiziert189 wird, ist im Einzelfall aus der Perspektive eines verständigen Abschlussadressaten zu beurteilen, ob eine Angabepflicht vorliegt190. Als Indizien für die Wesentlichkeit des Geschäfts sind insbesondere der Umfang des Geschäfts, das Ausmaß der Marktunüblichkeit und der Zeitpunkt bzw. Zeitraum des Geschäfts 183 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 184 So auch ausdrücklich BT-Drucks. 16/10067, S. 72.: „Unterlassene Rechtsgeschäfte und unterlassene Maßnahmen sind von der Angabepflicht nicht umfasst.“ 185 Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 184. 186 Vgl. Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 371. 187 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 188 Vgl. Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 186; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 81 ff. 189 Für eine Beteiligungs-Schwelle in Höhe von 10 Prozent Niehus, DStR 2008, 2282. 190 Vgl. Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 233.
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A. Grundlagen
zu beachten191. Da sich das Geschäft gerade im Hinblick auf die Finanzlage des Unternehmens als wesentlich darstellen muss, dürften tendenziell höhere Anforderungen zu stellen sein. 2. Marktunüblichkeit der Geschäfte Im Unterschied zu IAS 24 besteht nach § 285 Nr. 21 HGB eine zwingende Angabepflicht für Geschäfte mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nur dann, wenn diese nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen sind. Finden hingegen marktübliche Geschäfte statt, so entfällt die Angabepflicht nach § 285 Nr. 21 HGB, wobei eine Negativ erklärung in diesem Fall nicht verlangt werden kann192. Ob ein Geschäft zu marktunüblichen Bedingungen abgeschlossen wurde, ist im Wege eines Drittvergleichs festzustellen193. Nach den Gesetzesmaterialien sind marktunübliche Bedingungen anzunehmen, wenn „[…] die dem Geschäft zugrunde liegenden Konditionen mit einem unabhängigen fremden Dritten – im positiven wie im negativen Sinne – nicht zu erreichen gewesen wären“194. Zwar kommt es danach gerade nicht darauf an, ob die vereinbarten Bedingungen für das berichtende Unternehmen vorteilhaft oder nachteilig sind. Praktisch dürfte ein Verlust durch das Geschäft für das berichtende Unternehmen jedoch regelmäßig eine fehlende Drittüblichkeit indizieren195. Obwohl die Vorschrift im Wortlaut von „Bedingungen“ spricht, dürfte die Angabepflicht bereits dann ausgelöst werden, wenn nur eine einzige Bedingung des Geschäfts nicht marktüblich ist, da schon ihre Durchführung ein Gefährdungspotenzial für die Finanzlage des berichtenden Unternehmens entfalten kann. Als Maßstab für die Beurteilung der Markt üblichkeit kommt es auf die Angemessenheit von vereinbarter Leistung und Gegenleistung an196. Diese Angemessenheit ist unter Beachtung regulärer Geschäfts- und Marktbedingungen festzustellen. Bei Umsatzgeschäften im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs ist – soweit möglich – auf betriebsinterne Maßstäbe abzustellen. In Betracht kommen hierfür Geschäfte, die gleiche Güter oder Dienstleistungen betreffen und 191 So auch Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 381; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 186. Wenig hilfreich für die Konkretisierung des Maßstabs erscheint das plakative Beispiel bei Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 17, die dem Kauf eines Schokoriegels durch den Vorstandsvorsitzenden in der Unternehmenskantine den Erwerb einer Immobilie gegenüberstellen. 192 Vgl. Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 228; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 186. 193 BT-Drucks. 16/10067, S. 72; näher hierzu Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 374; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 83. 194 BT-Drucks. 16/10067, S. 72. 195 So auch Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 229; Kirsch, StuB 2008, 883. 196 Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 374.
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mit (anderen) Abnehmern oder Lieferanten abgeschlossen werden. Für Geschäfte außerhalb des regulären Geschäftsverkehrs sind regelmäßig betriebsexterne Maßstäbe anzulegen, wie sie sich zum Beispiel aus Markt erhebungen oder sonstigen Gutachten ergeben197. Die praktischen Fälle marktunüblicher Bedingungen sind vielfältig: Zu nennen sind hier insbesondere nicht marktgerechte Verkaufspreise, die Gewährung von Zahlungszielen über das normale Maß hinaus sowie die Vereinbarung nicht marktkonformer Zinsen, das Fehlen oder die nur unzureichende Bestellung von Sicherheiten, das Fehlen von Tilgungsvereinbarungen oder die Vereinbarung unüblicher Zinsbindungsfristen198. Ohne Bedeutung ist für die Angabepflicht schließlich, ob für das nahestehende Unternehmen oder die nahestehende Person das Geschäft insgesamt oder aufgrund einer einzelnen Bedingung einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt oder ob das Geschäft überhaupt im Interesse des Nahestehenden liegt. Nach dem Wortlaut erfasst die Berichterstattungspflicht des § 285 Nr. 21 HGB nur Geschäfte, die zu nicht „marktüblichen Bedingungen“ zustande gekommen sind. Da die Gesetzesbegründung hierfür wie dargestellt einseitig auf die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung abstellt, stellt sich die Frage, ob auch solche Geschäfte mit Nahestehenden zu erfassen sind, bei denen zwar ein angemessenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, die aber mit einem fremden Dritten aus Gründen, die in dessen Person liegen, nicht getätigt würden. In Betracht kommen etwa Fälle verminderter Kreditwürdigkeit der nahestehenden Person. Nach dem Zweck der Vorschrift sind derartige Geschäfte jedenfalls dann berichtspflichtig, wenn dem berichtenden Unternehmen zum Zeitpunkt ihres Zustandekommens Informationen über die Situation der nahestehenden Person bekannt waren199. 3. Umfang der Einzelangaben Nach § 285 Nr. 21 Teilsatz 1 HGB umfasst die Angabepflicht die benannten Geschäfte einschließlich der Angaben zur Art der Beziehung (zu den „nahestehenden Unternehmen und Personen“), zum Wert der Geschäfte sowie weiterer Angaben, die für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind200. Unter der „Art der Beziehung“ ist die Art des Näheverhältnisses gemeint, wie es sich aus der Klassifizierung des IAS 24.9 ergibt. Das berichtende Unternehmen hat also zum Beispiel lediglich anzugeben, ob es sich um ein Näheverhältnis aus „Beherrschung“, durch „maßgebli-
197 Vgl. Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 370. 198 Beispiele nach Grottel in Beck‘scherBil-Komm § 285 Rn. 374. 199 Vgl. Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 376. 200 Näher zu diesen Einzelangaben Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 86 ff.
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A. Grundlagen
chen Einfluss“ oder „familiäre Beziehungen“ handelt. Hingegen ist eine Namensnennung gerade nicht erforderlich201. Im Hinblick auf die Wertangabe des Geschäfts bietet der Gesetzestext Auslegungsspielräume. Die Angabe des „Werts der Geschäfte“ setzt wohl zumindest die Angabe des vereinbarten Entgelts voraus202. Nach zutreffender Ansicht203 sollten nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aber auch Leistung und Gegenleistung separat angegeben werden, da der Bilanzadressat nur auf diese Weise Informationen über die Nachhaltigkeit des Geschäfts und seine Konsequenzen für die Finanzlage der Gesellschaft erhalten kann. Dies gilt umso mehr, als die Vorschrift gerade keine Benennung von solchen Nachteilen anordnet, die für die Gesellschaft aus den einzelnen Geschäften resultieren. Da Maßnahmen wie Produktionsverlagerungen oder Stilllegungen einer Betriebsstätte regelmäßig nicht bezifferbar sind, sind diese Geschäfte so ausführlich zu erläutern, dass die Auswirkungen auf die Finanzlage des Unternehmens hieraus ersichtlich werden204. Diese Maßnahmen fallen dann unter das Tatbestandsmerkmal „weitere Angaben, die für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind“. Daneben kommen hierfür etwa Geschäfte mit ungewöhnlich großem Volumen oder Dauerschuldverhältnisse mit ungewöhnlich langer Bindungsdauer oder ungewöhnlichen Kündigungskonditionen in Betracht205. § 285 Nr. 21 Teilsatz 3 HGB gestattet dem berichtenden Unternehmen die Zusammenfassung von Geschäften nach Geschäftsarten, sofern die getrennte Angabe für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Finanzlage nicht notwendig ist. Mit dieser Erleichterung, die sich allein auf die „Art der Geschäfte“ bezieht, wird eine Zusammenfassung nach Vertragstyp oder Gegenstand des Geschäfts ermöglicht. Diese Möglichkeit der Bündelung findet ausweislich der Gesetzesbegründung ihre Grenze aber dort „[…] wo die zur Verfügung gestellten Informationen dem Abschluss adressaten eine Beurteilung der Finanzlage noch nicht oder – wegen Verwässerung – nicht mehr erlauben“206. Vielmehr müssen die Informationen den Abschlussadressaten in die Lage versetzen, die Finanzlage des Unternehmens selbstständig zu beurteilen. Während Rechtsgeschäfte 201 Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 378; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm-BilanzR § 285 Rn. 142; Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 233; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 187; zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine solche Namensnennung Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 201 f.; für das Erfordernis der Namensnennung soweit ersichtlich allein Wulf, Stbg 2009, 497, 504. 202 Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 188. 203 Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 233; Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 379. 204 Vgl. Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 188. 205 Vgl. Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 380. 206 BT-Drucks. 16/10067, S. 72.
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regelmäßig als gleichartig klassifiziert werden können, sind Maßnahmen oftmals so unterschiedlich, dass die Zusammenfassung mehrerer Maßnahmen in vielen Fällen nicht zulässig sein dürfte207.
IV. Überblick über sonstige Angabepflichten von Nähe verhältnissen Bis zum Inkrafttreten des BilMoG enthielt das Handelsrecht keine dem § 285 Nr. 21 HGB vergleichbare Vorschrift208. Gleichwohl kennt das Handelsgesetzbuch seit langem Angabepflichten, die den Zweck verfolgen, im weiteren Sinne bestimmte Näheverhältnisse transparenter zu gestalten209. Zu nennen sind hier insbesondere die Ausweisvorschriften im Hinblick auf verbundenen Unternehmen nach § 271 Abs. 2 HGB in Verbindung mit §§ 266, 268, 275, 285 Nr. 3 und 14 HGB, wie zum Beispiel der separate Ausweis von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten in der Bilanz sowie von bestimmten Erträgen und Aufwendungen in der GuV. Weitere Angabepflichten zu Mitgliedern des Geschäftsführungs- und Kontrollorgans und ihren Organbezügen finden sich in § 285 Nr. 9 und 10 HGB, während § 285 Nr. 11 und 11a HGB solche Unternehmen in den Blick nehmen, an denen Anteile gehalten werden. Die Angabepflicht des § 285 Nr. 14 HGB bezieht sich auf Mutterunternehmen. Für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht bestehen vergleichbare Angabepflichten, die insbesondere um gesonderte Angaben zu assoziierten Unternehmen ergänzt werden, §§ 311 Abs. 1 Satz 1, 312 Abs. 4 Satz 2 HGB. Neben den handelsrechtlichen Vorschriften finden sich auch in anderen Gesetzen einzelne Bestimmungen zu Angabepflichten über Beziehungen zu Unternehmen oder Personen, zu denen ein bestimmtes Näheverhältnis besteht. So ist der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages nach § 312 AktG verpflichtet, einen Abhängigkeitsbericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen aufzustellen210. Von den handelsrechtlichen Angaben zu nahestehenden Unternehmen und Personen nach § 285 Nr. 21 HGB unterscheidet sich der Abhängigkeitsbericht sowohl hinsichtlich seiner Zielsetzung als auch hinsichtlich seines Adressatenkreises211. Ziel des § 312 AktG ist, 207 Näher zu den Voraussetzungen einer Zusammenfassung Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 188 f. 208 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72; siehe auch Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 7 f. 209 Vgl. hierzu Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 181. 210 Zum Verhältnis zwischen Anhangberichterstattung und Abhängigkeitsbericht Petersen/Zwirner/Busch, BB 2009, 1854 und Schmidt, IRZ 2011, 111, 113. 211 Vgl. Petersen/Zwirner/Busch, BB 2009, 1854, 1856 f.; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 182.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
eine Benachteiligung von Minderheitsaktionären und Gläubigern aufgrund der Beherrschung durch ein anderes Unternehmen auszuschließen. Der Abhängigkeitsbericht ist gerade nicht offenzulegen, sondern lediglich dem Aufsichtsrat vorzulegen. Lediglich die Schlusserklärung des Vorstands ist nach § 312 Abs. 3 Satz 3 AktG in den Lagebericht aufzunehmen. Darüber hinaus finden sich eine Reihe bestimmter Mitteilungspflichten in §§ 20 f. AktG und §§ 21 f. WpHG. Im Deutschen Corporate Governance Kodex finden sich die „nahestehenden Personen“ im Rahmen der Verhaltensvorschriften für die Organe212. Im Unterschied zum Handelsrecht stehen hier jedoch lediglich die den Mitgliedern der Unternehmensorgane nahestehenden Personen im Fokus213.
B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11 I. Systematik und Überblick über die Begriffsbestimmung in IAS 24.9 bis IAS 24.11 Ob eine Partei im Verhältnis zum berichtenden Unternehmen für die Zwecke der §§ 285 Nr. 21, 314 Nr. 13 HGB als „nahestehend“ zu betrachten ist, richtet sich – wie bereits dargestellt – allein nach der entsprechenden Begriffsbestimmung in IAS 24.9 bis 24.11214. In der Grunddefinitionsnorm IAS 24.9 wird der Kreis der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ in Form einer Liste präsentiert, während sich der Standardsetter in der Vorgängernorm IAS 24.5 (1994) noch einer prinzipienbasierten Darstellung bediente. Die neue überarbeitete Begriffsdefinition in IAS 24.9 unterscheidet im Grundsatz zwischen nahestehenden natürlichen Personen und nahestehenden Unternehmen: So erfasst IAS 24.9 a) Näheverhältnisse zu natürlichen Personen und nahen Familienangehörigen dieser Personen, wohingegen IAS 24.9 b) verschiedene Fallkonstellationen aufzählt, in denen ein Unternehmen dem berichtenden Unternehmen nahe steht. Diese Unterscheidung geht auf die strukturelle Überarbeitung des IAS 24 aus dem Jahre 2009 zurück, die darauf abzielte, die Verständlichkeit und Eindeutigkeit des Standardtextes zu erhöhen und insbesondere Klarheit bei der Definition „nahestehender Unternehmen und Personen“ zu schaffen. In der Praxis war die bisherige Definition 212 Ausführlich zum Vergleich zwischen den Angabepflichten nach Handelsrecht und dem Deutschen Corporate Governance Kodex Niehus, DB 2008, 2493; 213 Vgl. Niehus, DB 2008, 2493, 2500. 214 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72; Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 363; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 21; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm-BilanzR § 285 Rn. 137; Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 231; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB § 285 Rn. 20; Niehus, DB 2008, 2493, 2494; Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 182; Zülch/Popp, PiR 2011, 89.
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auch aufgrund der vielen Querverweise allgemein als zu komplex und schwer verständlich empfunden worden215. Als Folge der Überarbeitung finden sich die drei Varianten des institu tionalisierten Nahestehens „Beherrschung“, „Beteiligung an der gemeinschaftlichen Führung“ und „maßgeblicher Einfluss“ nunmehr im Rahmen des IAS 24.9 a) und damit innerhalb der Nähebeziehungen des berichtenden Unternehmens zu natürlichen Personen. Mit Blick auf die Übersichtlichkeit des IAS 24.9 ergibt sich hieraus der Vorteil, dass für die von IAS 24.9 b) vi) und vii) erfassten Fallkonstellationen, in denen sich zwei Unternehmen allein aufgrund einer natürlichen Person als „Verbindungsglied“ nahestehen, auf IAS 24.9 a) verwiesen werden kann: So betrifft IAS 24.9 b) vi) Fälle, in denen ein Unternehmen von einer in IAS 24.9 a) genannten Person beherrscht wird oder unter einer gemeinschaftlichen Führung steht, an der sich eine in IAS 24.9 a) genannte Person beteiligt. Auch IAS 24.9 b vii) nimmt wiederum auf Konstellationen des IAS 24.9 a) Bezug. Im Anschluss an die Aufzählung der einzelnen Näheverhältnisse in IAS 24.9 a) und b) liefert der Standard eine ganze Reihe von Begriffsbestimmungen zu den zuvor verwendeten Tatbestandsmerkmalen: So werden zum Beispiel die Begriffe „nahe Familienangehörige einer Person“ oder „Beherrschung“ standardspezifisch definiert. Im Gegensatz zur positiv formulierten Begriffsbestimmung der nahestehenden Unternehmen und Personen in IAS 24.9 enthält IAS 24.11 eine Negativabgrenzung und benennt Fallkonstellationen, in denen die Beteiligten im Rahmen des Standards gerade nicht als nahestehende Unternehmen und Personen anzusehen sind. Wie im Verlaufe der Untersuchung noch gezeigt wird, hat die Regelung des IAS 24.11 aber bloß klarstellenden Charakter, da die bezeichneten Fälle regelmäßig ohnehin nicht unter IAS 24.9 subsumiert werden können216. Schließlich ist auch für die handelsrechtliche Begriffsdefinition der nahestehenden Unternehmen und Personen und deren Abgrenzung die Regelung des IAS 24.10 von Bedeutung217, die bei der Auslegung des Standards die Beachtung des wirtschaftlichen Gehalts der Beziehung in den Vordergrund rückt. Bevor die einzelnen Näheverhältnisse des IAS 24.9 näher betrachtet werden können, ist im Folgenden daher zunächst Bedeutung und Tragweite des IAS 24.10 zu untersuchen.
215 Vgl. Böckem, WPg 2009, 645; näher zu den einzelnen Änderungen Zülch/Popp, PiR 2011, 89, 91 ff. 216 So auch Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 77. 217 Vgl. Rimmelspacher/Frey, WPg 2010, 180, 183.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
II. Bedeutung der sogenannten „wirtschaftlichen Betrachtungs weise“, IAS 24.10 Ausdrücklich hebt IAS 24.10 hervor, dass bei der Betrachtung aller möglichen Beziehungen zu „nahestehenden Unternehmen und Personen“ auf den wirtschaftlichen Gehalt der Beziehung und nicht allein auf die rechtliche Gestaltung abgestellt wird. Diese besondere Erwähnung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise muss zunächst überraschen, da das Prinzip „substance over form“ bereits als qualitativer Sekundärgrundsatz der IFRS-Rechnungslegung Geltung beansprucht218. Weitgehende Einigkeit besteht im Ergebnis jedenfalls darüber, dass eine „kleinliche Standardinterpretation“ als unangebracht erscheint219. Aus rechtlicher Perspektive ist die sogenannte „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ schlicht Teil der teleologischen Gesetzesinterpretation220. Fragt man nach dem Telos der Regelung, so bietet es sich an, auf die Zielsetzung des Standards Bezug zu nehmen, wie sie in IAS 24.1 sowie 24.5 bis 24.8 beschrieben wird. Methodisch unbedenklich ist dies insoweit, als sich die IFRS/IAS aufgrund der Übernahme durch die EU als Teil der Unionsrechtsordnung darstellen und somit auch den allgemeinen europarechtlichen Auslegungsrundsätzen unterliegen221. Allerdings ist zu beachten, dass die Teleologie neben Grammatik, Historie und Systematik lediglich ein Element des tradierten Auslegungskanons darstellt und die anderen Auslegungselemente im Grundsatz nicht einfach zu übertrumpfen vermag. Vielmehr endet die Reichweite der teleologischen Auslegung dort, wo der Wortsinn einer Vorschrift oder die Entstehungsgeschichte einer Norm oder auch die systematische Abgrenzung zu anderen Vorschriften desselben Normgefüges eine Grenze ziehen222. Wendet man diese allgemeine Erkenntnis konkret auf die Auslegung der Begriffsdefinition der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ in IAS 24.9 an, so lassen sich die Konsequenzen mit den zutreffend formulierten Worten von Hennrichs/Schubert aufzeigen: „Die Wortlautgrenze der Auslegung kann auch durch den Grundsatz substance over form nicht überwunden werden. Wo der Wortlaut des Gesetzes endet, endet die Auslegung und beginnt die Rechtsfortbildung. Daran ändert IAS 24.10 nichts. Namentlich darf die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht dahin missverstanden werden, 218 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 8. 219 Siehe nur Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 18 und 21. 220 So zutreffend deutlich Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 8; Arbeitskreis Bilanzrecht, BB 2008, 152, 155 f; Lang in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 5 Rn. 77; Schulze-Osterloh ZHR 150 (1986), 532, 541 f. 221 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 8. 222 Vgl. Schön, DStJG 33 (2010), S. 50 f.
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dass unter Rückgriff auf den wirtschaftlichen Gehalt der Katalog der Nähebeziehungen gemäß IAS 24.9 beliebig ausgedehnt werden dürfte. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kann keine neuen Fälle von nahestehenden Unternehmen und Personen schaffen, sondern nur helfen, den abschließenden Katalog des IAS 24.9 richtig zu verstehen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise strahlt also in die teleologische Auslegung des IAS 24 ein, erweitert diesen Standard aber nicht.“223 Wenngleich die Auslegung des Gesetzes an der Grenze des möglichen Wortsinns endet, käme für Fallkonstellationen schließlich noch eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie in Betracht. Denkbar ist dies vor allem für Fallkonstellationen, die nicht von IAS 24.9 erfasst sind, aber nach der Zielsetzung des Standards doch als berichtswürdig erscheinen. Von der ganz herrschenden Auffassung224 wird der Katalog von „nahestehenden Unternehmen und Personen“ in IAS 24.9 aber als abschließend angesehen. Zwar ist die analoge Rechtsanwendung im Bilanzrecht nicht per se ausgeschlossen. Im Rahmen des IAS 24.9 spricht gegen eine solche aber schon entscheidend das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. Die bewusste Aufzählung in Listenform – anstelle einer prinzipienbasierten Definition – soll für Unternehmen und Abschlussprüfer Rechtssicherheit gewährleisten225. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die in Frage stehenden Angabepflichten als Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingeordnet werden muss und auch deshalb einer gewissen restriktiven Handhabung unterliegen. Daher erscheint es vorzugswürdig, die genaue Abgrenzung des Personenkreises dem Gesetzgeber bzw. dem Standardsetter zu überlassen, statt sie dem Rechtsanwender „zuzumuten“226.
223 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 9; ebenso Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1065. 224 Buschhüter in Buschhüter/Striegel, IFRS, IAS 24 Rn. 19; Grottel in Beck‘scher BilKomm § 285 Rn. 364; Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1065; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 13; Spadin, Nahestehende Personen, S. 237; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 12. 225 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 13. 226 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 13; gegen die Möglichkeit einer Analogie auch Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 12: „Eine Ausdehnung dieser Aufzählung zur Bildung von Analogien ist allerdings nicht möglich“.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
III. Die von IAS 24.9 bis 24.11 erfassten Näheverhältnisse im Einzelnen 1. Eine Person oder ein naher Familienangehöriger dieser Person als nahestehende Person, IAS 24.9 a) a) Beherrschung des berichtenden Unternehmens oder Beteiligung an dessen gemeinschaftlicher Führung, IAS 24.9 a) i) (1) Beherrschung Gemäß IAS 24.9 a) i) steht eine natürliche Person oder ein naher Familienangehöriger dieser Person einem berichtenden Unternehmen nahe, wenn er oder sie das berichtende Unternehmen beherrscht oder an dessen gemeinschaftlicher Führung beteiligt ist. Nach der angefügten Definition ist „Beherrschung“ als die Möglichkeit zu verstehen, die Finanz- und Geschäftspolitik227 eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen. Die beiden Elemente dieser Definition, Entscheidungsmacht und Nutznießung228, müssen stets kumulativ vorlie gen229. Da schon die „Möglichkeit“ der Beeinflussung genügt, kommt es nicht auf die tatsächliche Ausübung der rechtlich bestehenden Macht an230. Eine wortgleiche Definition der „Beherrschung“ findet sich im Rahmen des Standards IAS 27 „Konzern- und separate Abschlüsse“ in IAS 27.4, auf den bei Zweifelsfragen nach ganz vorherrschender Auffassung zurückzugreifen ist231. Als hilfreich erweisen sich insbesondere die Positivindikatoren232 einer „Beherrschung“ in IAS 27.13 Satz 2, die auf die natürlichen Personen des IAS 24.9 a) i) entsprechend anzuwenden sind. Zu beachten ist im Rahmen des IAS 24.9 a) i) jedoch, dass eine natürliche Person generell nur als herrschende Person in Frage kommt233. Da „Beherrschung“ nicht nur direkt sondern auch indirekt über eine oder mehrere Zwischenstufen ausgeübt werden kann, bestehen in mehrstufigen Konzernstrukturen folglich Be227 Näher zum Begriff der „Finanz- und Geschäftspolitik“ Spadin, Nahestehende Personen, S. 94 ff. 228 Näher zum „Kriterium der Möglichkeit“ und zum „Nutzenkriterium“ Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 205 ff. 229 Vgl. Watrin/Hoehne/Lammert in MünchKomm-BilanzR IAS 27 Rn. 29. Im internationalen Schrifttum haben sich die Bezeichnungen „power criterion“ und „benefit criterion“ eingeprägt. 230 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 59. 231 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 37; Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 11; Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 59; Küting/ Gattung, WPg 2005, 1061, 1068; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 349; Spadin, Nahestehende Personen, S. 93. 232 So die Terminologie bei Watrin/Hoehne/Lammert in MünchKomm-BilanzR IAS 27 Rn. 38. 233 Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1068.
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herrschungsbeziehungen entlang der gesamten vertikalen Kette234. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist für eine Beherrschungsmöglichkeit eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung nicht unbedingt notwendig235. Gemäß IAS 27.13 Satz 1 ist „Beherrschung“ zunächst immer dann anzunehmen, wenn das Mutterunternehmen direkt oder indirekt über Tochterunternehmen über mehr als die Hälfte der Stimmrechte eines Unternehmens verfügt (kapitalanteilsbedingte Stimmrechtsmehrheit)236. Diese Schwelle dürfte in erster Linie auf die besondere Bedeutung zurückzuführen sein, die der Mehrheitsbeteiligung zur Begründung einer Beherrschung in der Praxis zukommt237. Ausnahmsweise gilt dies nur dann nicht, wenn sich unter außergewöhnlichen Umständen eindeutig nachweisen lässt, dass ein derartiger Besitz keine Beherrschung begründet238. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber auch dann von einer Be herrschungsvermutung auszugehen, wenn keine kapitalanteilsbedingte Stimmrechtsmehrheit gegeben ist, das Mutterunternehmen also nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte der Stimmrechte an einem Tochterunternehmen hält239. Wegweisung bieten in diesem Fall die Positivindikatoren des IAS 27.13 Satz 2: Danach ist zur Annahme einer „Beherrschung“ alternativ erforderlich, dass das Mutterunternehmen gleichzeitig die Möglichkeit hat, kraft einer mit anderen Anteilseignern abgeschlossenen Vereinbarung über mehr als die Hälfte der Stimmrechte zu verfügen (a), gemäß einer Satzung oder einer Vereinbarung die Finanz- und Geschäftspolitik des Unternehmens zu bestimmen (b), die Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführungs- und/oder der Aufsichtsorgane zu ernennen oder abzuberufen, wobei die Verfügungsgewalt über das andere Unternehmen bei diesen Organen liegt (c) oder die Mehrheit der Stimmen bei Sitzungen der Geschäftsführungs- und/oder der Aufsichtsorgane oder eines gleichwertigen Leitungsgremiums zu bestimmen, wobei die Verfügungsgewalt über das andere Unternehmen bei diesen Organen liegt (d). Daneben kommt eine Beherrschungsvermutung auch aufgrund potentieller Stimmrechte 234 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 38. 235 Anschaulich für die folgenden Ausführungen das schematisches Schaubild zur „Beherrschung“ bei Watrin/Hoehne/Lammert in MünchKomm-BilanzR IAS 27 Rn. 76; zu möglichen praktischen Beispielen siehe Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 11 ff. 236 Näher zur Problematik der Zurechnung von Beherrschung bei mehreren Beteiligten und möglichen Stimmrechtskooperationen Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 41 und Küting/Gattung, WPg 2005, 1061, 1069. 237 Vgl. Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 209. 238 Zur Widerlegung der Vermutung in diesen Fällen Spadin, Nahestehende Personen, S. 122 ff. 239 Näher zu den Konstellationen, in denen „control ohne Stimmenmacht“ anzunehmen ist, Spadin, Nahestehende Personen, S. 135 ff.; Watrin/Hoehne/Lammert in MünchKomm-BilanzR IAS 27 Rn. 33 ff.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
gemäß IAS 27.14 f. in Betracht240, wenn etwa Aktienoptionsscheine gehalten werden. Als vierte Variante ist möglich, dass es Indikatoren für das Bestehen einer konsolidierungspflichtigen Zweckgesellschaft gibt. Abgeschlossen wird die Prüfung des Vorliegens einer „Beherrschung“ durch die Berücksichtigung von „Negativindikatoren“: Diese können sich entweder explizit aus IAS 27.21 oder alternativ aus IAS 27.4 ergeben. Zusammenfassend führen also neben der kapitalanteilsbedingten Stimmrechtsmehrheit in IAS 27.13 Satz 1 auch die alternativen Positivindikatoren des IAS 27.13 Satz 2, die potenzielle Stimmrechtsmehrheit der IAS 27. 14 ff. sowie die Indikatoren für das Bestehen einer konsolidierungspflichtigen Zweckgesellschaft (SIC 12) zu einer Beherrschungsvermutung, die im Einzelfall unter Beachtung der Negativindikatoren widerlegt werden kann. (2) Gemeinschaftliche Führung Alternativ zur „Beherrschung“ steht gemäß IAS 24.9 a) i) Alt. 2 eine natürliche Person dem berichtenden Unternehmen auch nahe, wenn sie an dessen „gemeinschaftlicher Führung“ beteiligt ist. Ausweislich der angeführten Definition meint „gemeinschaftliche Führung“ die vertraglich vereinbarte Teilhabe an der Führung einer wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit. Erfasst werden Fälle, in denen sich eine Person mittelbar oder unmittelbar die Beherrschung über die Berichtseinheit mit einer anderen Partei teilt. Zur Konkretisierung kann auf IAS 31.3 zurückgegriffen werden, wo das Kriterium der gemeinschaftlichen Führung in Einklang zu IAS 24.9 definiert wird241. Hiernach meint „gemeinschaftliche Führung“ die vertraglich vereinbarte Teilhabe an der Kontrolle der wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit, die nur existiert, wenn die mit dieser Tätigkeit verbundene strategische Finanz- und Geschäftspolitik die einstimmige Zustimmung der die Kontrolle teilenden Partner erfordert242. Entscheidend kommt es für das Kriterium der Gemeinsamkeit also darauf an, dass Entscheidungen nur bei Einstimmigkeit der Partner zustande kommen. Da sich die gemeinsame Führung lediglich auf die strategischen Entscheidungen bezieht, steht dem Erfordernis der Gemeinsamkeit nicht entgegen, dass operative Entscheidungen auch von einem Partner allein getroffen werden können. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass die Partner an der Mehrheit des Nutzens oder der Risiken paritätisch partizipieren243. Ebenso wenig wie das Merkmal „Beherrschung“ setzt die „gemeinschaft240 Ausführlich zur Berücksichtigung potenzieller Stimmrechte Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 224 ff. 241 Vgl. Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 24. 242 Näher hierzu Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 31 Rn. 24 ff. 243 Vgl. Spadin, Nahestehende Personen, S. 168.
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liche Führung“ den Besitz von Anteilsrechten voraus244. Hierin besteht ein Unterschied zum Merkmal des „maßgeblichen Einflusses“. Im Übrigen kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden. b) Maßgeblicher Einfluss auf das berichtende Unternehmen, IAS 24.9 a) ii) Nach IAS 24.9 a) ii) steht eine Person oder ein naher Familienangehöriger dieser Person dem berichtenden Unternehmen nahe, wenn sie „maßgeblichen Einfluss auf das berichtende Unternehmen“ hat. „Maßgeblicher Einfluss“ wird von IAS 24.9 als die Möglichkeit definiert, an den finanzund geschäftspolitischen Entscheidungen eines Unternehmens mitzuwirken, ohne diese Prozesse beherrschen zu können. Sodann wird in der Definition ausgeführt, dass ein maßgeblicher Einfluss durch Anteilsbesitz, Satzung oder durch vertragliche Vereinbarungen begründet werden kann. Die entscheidende Abgrenzung zum Control-Konzept erfolgt hier also durch den Zusatz „ohne diese Prozesse beherrschen zu können“. Nahezu wortgleich findet sich der erste Teil dieser Definition in IAS 28, der die Rechnungslegung bei einer assoziativen Beteiligung zum Gegenstand hat245. In Auslegungsfragen ist daher auf die einschlägigen Bestimmungen des IAS 28 zurückzugreifen, der in IAS 28.6 bis 28.10 spezifische Indikatoren bereit hält246. Ausgangspunkt des Standards IAS 28 ist die Definition in IAS 28.2: „Maßgeblicher Einfluss ist die Möglichkeit, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen des Beteiligungsunternehmens mitzuwirken, nicht aber die Beherrschung oder die gemeinschaftliche Führung der Entscheidungsprozesse.“ Wie auch im Rahmen der „Beherrschung“ in IAS 24.9 a) i) reicht auch für den „maßgeblichen Einfluss“ die bloße „Möglichkeit“ aus, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen mitzuwirken, sodass es auf eine tatsächliche Einflussnahme bzw. Mitwirkung im Grundsatz nicht ankommt. Hierin besteht ein substantieller Unterschied zur handelsrechtlichen Regelung zu assoziierten Unternehmen, § 311 Abs. 1 Satz 1 HGB, die nach ihrem Wortlaut eindeutig auf eine tatsächliche Einflussnahme abstellt247. 244 Vgl. Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1107 f. 245 Näher zum Merkmal des „maßgeblichen Einlfusses“ im Rahmen des IAS 28 Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 28 Rn. 11 ff. 246 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 63; Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 20; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 43; Spadin, Nahestehende Personen, S. 191: „Diese geringfügige Abweichung hat keine materielle Bedeutung“; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 23. 247 § 311 Abs. 1 Satz 1 HGB: „Wird […] ein maßgeblicher Einfluss […] ausgeübt“; vgl. hierzu Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 28 Rn. 11; Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 64.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
Die obigen Ausführungen zur „Beherrschung“ haben gezeigt, dass die Festlegung einer konkreten Schwelle, ab wann von einer Beherrschungsmöglichkeit auszugehen ist, zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Für eine Beherrschungsvermutung zieht IAS 27.13 Satz 1 die Grenze zunächst bei der Mehrheit der Stimmrechte. Für das Vorliegen eines „maßgeblichen Einflusses“ dürfte sich das Problem der Grenzziehung aufgrund der vielfältigen Einflussmöglichkeiten wohl als noch schwieriger dar stellen248. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu überwinden249, hat sich der Standardsetter auf eine mehr oder minder willkürliche Grenze von 20 Prozent der Stimmrechte festgelegt. So wird in IAS 28.6 zunächst die folgende widerlegbare Vermutung aufgestellt: „Hält ein Eigentümer direkt oder indirekt (z. B. durch Tochterunternehmen) 20 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem Beteiligungsunternehmen, so besteht die Vermutung, dass ein maßgeblicher Einfluss des Eigentümers vorliegt, es sei denn, dies kann eindeutig widerlegt werden.“ Wie dieser Beweis des Gegenteils im Einzelnen zu führen ist, erläutert der Standard nicht näher. Ab der Schwelle von 20 Prozent sind jedenfalls keine Indizien für eine tatsächliche Ausübung von maßgeblichem Einfluss erforderlich250. Für den Fall, dass ein Stimmrechtsanteil von weniger als 20 Prozent vorliegt, enthält IAS 28.6 daneben eine zweite negativ formulierte Vermutung251: „Umgekehrt wird bei einem direkt oder indirekt (z. B. durch Tochter unternehmen) gehaltenen Stimmrechtsanteil des Eigentümers von weniger als 20 Prozent vermutet, dass der Eigentümer nicht über maßgeblichen Einfluss verfügt, es sei denn, dieser Einfluss kann eindeutig nachgewiesen werden. Ein erheblicher Anteilsbesitz oder eine Mehrheitsbeteiligung eines anderen Eigentümers schließen nicht notwendigerweise aus, dass ein Eigentümer über maßgeblichen Einfluss verfügt.“ Sodann listet IAS 28.7 fünf Indikatoren auf, die trotz eines bestehenden Stimmrechtsanteils von unter 20 Prozent auf einen maßgeblichen Einfluss hindeuten252: die Zugehörigkeit zum Geschäfts- und/oder Auf248 So auch Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 28 Rn. 13: „[…] erscheint dieses Unterfangen beim maßgeblichen Einfluss nahezu aussichtslos“. 249 Näher zu den möglichen Problemfeldern Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar § 33 Rn. 9. 250 Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar § 33 Rn. 10; Spadin, Nahestehende Personen, S. 201. 251 Terminologisch unterscheidet Spadin, Nahestehende Personen, S. 199 im Hinblick auf die 20%-Schwelle zwischen der „positiven und negativen Vermutung“. 252 Ausführlich zu den einzelnen Indikatoren Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 28 Rn. 17 ff.
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sichtsorgan oder einem gleichartigen Leitungsgremium des Beteiligungsunternehmens, die Teilnahme an Entscheidungsprozessen, wesentliche Geschäftsvorfälle zwischen dem Anteilseigner und dem Beteiligungsunternehmen, der Austausch von Führungspersonal und die Bereitstellung von bedeutenden technischen Informationen. Nach dem Wortlaut genügt in der Regel bereits das Vorliegen eines einzelnen Indikators, um auf einen maßgeblichen Einfluss zu schließen. Aufgrund der offenen Formu lierung des Wortlauts („in der Regel“) und der vielfältigen möglichen Einflusswirkungen bleibt im Einzelfall stets eine sachgerechte Ermessen entscheidung erforderlich253. Wie schon im Rahmen der „Beherrschung“ können sich auch potentielle Stimmrechte als Indikator für „maßgeblichen Einfluss“ darstellen254. Die detaillierten Regelungen hierfür finden sich in IAS 28.8 bis 28.9. Entscheidend kommt es darauf an, dass sie am Bilanzstichtag ausgeübt oder umgewandelt werden können255. Zusammenfassend kommt der 20-Prozent-Schwelle bezüglich der Stimmrechte aufgrund ihrer Vermutungswirkung für den „maßgeblichen Einfluss“ eine zentrale Bedeutung zu. Wird diese Grenze unterschritten kann ein „maßgeblicher Einfluss“ gleichwohl vorliegen, insbesondere wenn einer der Positivindikatoren des IAS 28.7 vorliegt oder potenzielle Stimmrechte in die Betrachtung einzubeziehen sind. c) Schlüsselposition im Management des berichtenden Unternehmens oder seines Mutterunternehmens, IAS 24.9 a) iii) In den Kreis der dem berichtenden Unternehmen nahestehenden Personen werden gemäß IAS 24.9 a) iii) auch Personen einbezogen, die im Management des berichtenden Unternehmens oder eines Mutterunternehmens des berichtenden Unternehmens eine Schlüsselposition bekleiden. Nach der ergänzenden Definition in IAS 24.9 sind unter „Mitgliedern des Managements in Schlüsselpositionen“ Personen zu verstehen, die direkt oder indirekt für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens zuständig und verantwortlich sind, was Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einschließt. Mit dieser Regelung nimmt der Standard Personen in den Blick, deren Einflussmöglichkeit sich strukturell aus ihrer Stellung im Unternehmen ergibt. Ziel der Vorschrift ist es, ein mögliches „self-dealing“ der Manager aufzuzeigen256, womit sich IAS 24.9 a) iii) als handelsrechtliches Pendant zu den kapitalmarktrechtlichen directors‘ dealings in § 15a WpHG erweist. 253 Vgl. Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar § 33 Rn. 15; Köster in MünchKomm- BilanzR IAS 28 Rn. 18, zur Gewichtung der einzelnen Kriterien Spadin, Nahestehende Personen, S. 195 f. 254 Näher zur Berücksichtitung potenzieller Stimmrechte Lüdenbach in Haufe IFRS- Kommentar § 33 Rn. 16 ff. 255 Köster in MünchKomm-BilanzR IAS 28 Rn. 23. 256 Vgl. Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1109.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
Zum Management in Schlüsselpositionen sind in erster Linie die Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sowie deren Vertreter zu zählen. Obwohl sich das IASB bei der Formulierung offensichtlich an den im angloamerikanischen Bereich vorrangig anzutreffenden Unternehmensformen orientiert hat, bei denen das Board als Simultanorgan der Unternehmensführung und Unternehmensbeaufsichtigung agiert257, bereitet die Identifizierung dieser Personen auch im dualen System des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts keine besonderen Schwierigkeiten: So sind bei der Aktiengesellschaft alle Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Vorstands (§§ 76 ff. AktG) und des Aufsichtsrats (§§ 95 ff. AktG) und bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung alle Geschäftsführer (§§ 35 ff. GmbHG) sowie die Mitglieder eines etwaigen Aufsichtsrats (§ 52 GmbHG) als nahestehende Personen anzusehen. Die Mitglieder eines Beirats sind jedenfalls einzubeziehen, soweit diesem Planungs- und Überwachungsaufgaben zugewiesen sind258. Während bei den Personengesellschaften die Geschäftsführer (§§ 114, 164 HGB) stets einbezogen sind, kann ein Kommanditist jedenfalls dann zu erfassen sein, wenn er mit wesentlichen Beteiligungsrechten ausgestattet ist259. Im Hinblick auf die zeitliche Zugehörigkeit zum Personenkreis der Schlüsselkräfte schweigt sich der Standard aus. Wie im Rahmen der Berichterstattung gemäß § 285 Nr. 9 HGB wird daher eine Einbeziehung für den Zeitraum von der Bestellung der jeweiligen Person bis zu ihrer Abberufung befürwortet260. Eine beträchtliche Ausweitung erfährt der Kreis der „Personen in Schlüsselpositionen“ schließlich dadurch, dass auch Mitarbeiter eines Mutterunternehmens einzubeziehen sind. Folglich kann die Offenlegungspflicht nicht dadurch umgangen werden, dass eine Anstellung des betreffenden Führungspersonals nicht beim berichtenden Unternehmen sondern bei einer Muttergesellschaft erfolgt261. In der alten Fassung des Standards war noch vom Management „seines Mutterunternehmens“ („its parent“) die Rede, was zu der Auslegungsfrage führte, ob die Regelung lediglich die Personen in Schlüsselpositionen des Managements des nächsthöheren Mutterunternehmens umfasste oder zudem auch die des Managements sämtlicher höherrangiger Muttergesellschaften262. Durch die neue Fassung („a parent“) wurde nun klargestellt, dass auch das Management sämtlicher höherrangiger Muttergesellschaften einzubeziehen ist.
257 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 77. 258 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 55. 259 Kirsch, KoR 2003, 267, 274. 260 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 88. 261 Niehus, DB 2008, 2493, 2495. 262 Näher hierzu Busack/Scharr, IRZ 2011, 395, 399.
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§ 3 Bilanzrecht
Abgrenzungsprobleme ergeben sich erst auf der Hierarchieebene darunter, etwa bei der Einordnung von Abteilungsleitern: Leitende Angestellte können im Einzelfall als Schlüsselkräfte im Sinne des IAS 24.9 a) iii) qualifiziert werden, falls sie tatsächlich für Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens verantwortlich und zuständig sind263. Im Grundsatz geht der Anwendungsbereich des § 285 Nr. 21 HGB i. V. m. IAS 24.9 a) iii) damit über den Begriff der „Führungskräfte“ in § 285 Nr. 10 HGB hinaus, wonach lediglich über Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zu berichten ist. Wegen des substance-over-form-Prinzips ist für die Einordnung als „Schlüsselkraft“ in jedem Fall nicht allein der formal zugewiesene Kompetenzbereich maßgebend, sondern es ist auch zu berücksichtigen, welcher Person die erforderlichen Beeinflussungsmöglichkeiten faktisch zustehen264. Gleichwohl sind an die Qualifikation eines leitenden Angestellten als „Person in einer Schlüsselposition“ hohe Anforderungen zu stellen. Diese ergeben sich schon aus dem Wortlaut der ergänzenden Definition in IAS 24.9, wonach gerade nicht auf die Beeinflussung von einzelnen Geschäftsvorfällen abstellt wird, sondern vielmehr die Zuständigkeit und Verantwortung für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des (gesamten) Unternehmens erforderlich ist. Diese Hürde dürfte in der Praxis nur in Einzelfällen genommen werden, da auch leitende Angestellte in der Regel letztlich doch der Verantwortung eines Vorstands oder Geschäftsführers unterliegen und damit gerade nicht eigenverantwortlich für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens zuständig sind. Im Ergebnis wird ganz überwiegend eine enge Auslegung der „Person in einer Schlüsselposition“ befürwortet265. Hierfür lassen sich neben der Begrenzung übermäßiger Berichtspflichten auch Gründe der praktischen Handhabung ins Feld führen. d) Nahe Familienangehörige einer Person Soweit aufgrund der vorgenannten Kriterien eine natürliche Person als „nahestehende Person“ einzuordnen ist, sind nach IAS 24.9 a) auch die „nahen Familienangehörigen dieser Person“ („close members of the family“) im Verhältnis zum berichtenden Unternehmen als nahestehend 263 Andrejewski/Böckem, KoR 2005, 170, 173; Buschhüter in Buschhüter/Striegel, IFRS, IAS 24 Rn. 17; Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 364; Hauptmann/ Sailer/Benz, Der Konzern 2010, 112, 114; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 57; Kessler in MünchKomm-BilanzR § 285 Rn. 232; Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1109; Niehus, DB 2008, 2493, 2494; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 356. 264 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 56; Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 86; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 356. 265 Niehus, DB 2008, 2493, 2494 f.; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 57; Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1109.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
anzusehen. Nach dem ergänzenden Hinweis in IAS 24.9 fallen unter den Oberbegriff der „nahen Familienangehörigen einer Person“ solche Familienmitglieder, von denen angenommen werden kann, dass sie bei ihren Transaktionen mit dem Unternehmen auf die Person Einfluss nehmen oder von ihr beeinflusst werden können. Als Beispiele für diesen Personenkreis („include“) nennt der Standard Kinder und den Ehegatten oder den Lebenspartner dieser Person (a), die Kinder des Ehegatten oder des Lebenspartners dieser Person (b) sowie abhängige Angehörige dieser Person oder des Ehegatten oder Lebenspartners dieser Person (c), wobei die Aufzählung keinesfalls abschließend zu verstehen ist266. Erkennbar liegt der Regelung die Annahme zugrunde, dass bei bestimmten Familienmitgliedern Handlungen der einzelnen Personen nicht getrennt bewertet werden können und zwischen diesen letztlich eine „wirtschaftliche Einheit“267 vorliegt. Trotz dieser doppelten Absicherung der Begriffsdefinition führt die Identifikation der „nahen Familienangehörigen“ im Einzelfall zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Bemerkenswert erscheint auf den ersten Blick die ausdrückliche Nennung des Lebenspartners („domestic partner“) neben dem Ehegatten („spous“). Die Einbeziehung des Lebenspartners ver deutlicht die wirtschaftliche Zwecksetzung des Standards besonders nachdrücklich und lässt erkennen, dass der Oberbegriff der „nahen Familienangehörigen“ in IAS 24.9 a) keinesfalls an den zivilrechtlichen Familienbegriff und die bürgerlichrechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse der §§ 1589 ff. BGB gebunden ist: Unabhängig von der formalrechtlichen Betrachtung der familiären Bindung werden damit auch nichteheliche und gleichgeschlechtliche Partnerschaften vom Anwendungsbereich erfasst268. Einen genaueren Blick verdient jedoch die zum Teil im Schrifttum269 geforderte Einschränkung, dass Lebenspartner grundsätzlich nur dann einzubeziehen seien, soweit eine häusliche Gemeinschaft bestehe. Danach wäre zum Beispiel die langjährige Lebensgefährtin des Vorstandsvorsitzenden des berichtenden Unternehmens nach IAS 24.9 a) iii) nicht zu erfassen, falls die beiden Personen nicht verheiratet sind und – aus welchen Gründen auch immer – nicht in einer häuslichen Gemeinschaft leben. Dem deutschen Begriff „Lebenspartner“ lässt sich ein solches Erfor266 Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 18; Buschhüter in Buschhüter/ Striegel, IFRS, IAS 24 Rn. 14; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 60; Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1109. 267 Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 27. 268 Andrejewski/Böckem, KoR 2005, 170, 172; Niehus, DB 2008, 2493, 2495; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 61; 269 So ausdrücklich Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 61; Andrejewski/Böckem, KoR 2005, 170, 172.
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§ 3 Bilanzrecht
dernis nicht unmittelbar entnehmen270. Hingegen scheint die englische Sprachfassung „domestic partner“ daraufhin zu deuten, dass es tatsächlich auf einen gemeinsamen Haushalt ankommt. Unabhängig vom Gesetzeswortlaut ist im vorgenannten Beispiel nicht recht einzusehen, dass die langjährige Partnerin nur deshalb weniger potentielle Einfluss möglichkeit auf den Vorstandsvorsitzenden haben soll, weil die beiden nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben. Zwar entspricht es der Lebenspraxis, dass erwachsene Lebensgefährten oftmals schon allein aus wirtschaftlich-materiellen Gründen einen gemeinsamen Haushalt begründen271. Die hiermit verbundene „Entscheidungseinheit der Bedarfsdeckung“272 kann letztlich aber nicht das entscheidende Unterscheidungskriterium sein273. Möchte man das Potenzial enger Verhältnisses der nahestehenden natürlichen Person (zum Beispiel der Führungskräfte) zu anderen Personen vollständig erfassen, so müssen im Ergebnis deshalb auch der Lebenspartner und dessen Kinder in den Anwendungsbereich des IAS 24 unabhängig davon einbezogen werden, ob sie im gemeinsamen Haushalt leben oder nicht274. Gegen die Einbeziehung sämtlicher Lebensgefährten unabhängig von einer gemeinsamen Haushaltsführung lassen sich auch keine Praktikabilitätsgründe anführen, da den betreffenden Personen – etwa den Managern in Schlüsselpositionen – der eigene Lebensgefährte bekannt ist und es sich hierbei regelmäßig auch nur um eine Person handelt. Hier ist zu beachten, dass das berichtende Unternehmen ohnehin auf die Auskunft und Mitwirkung der Beteiligten angewiesen ist. Unter umgekehrten Vorzeichen wird bei getrennt lebenden Ehegatten der aufgelöste gemeinsame Haushalt im Regelfall ein Indiz dafür sein, dass eine gegenseitige Einflussnahmemöglichkeit, die für IAS 24.9 ausreicht, gerade nicht mehr anzunehmen ist275. In diesem Punkt besteht ein interessanter Unterschied zu den dargestellten insolvenzrechtlichen Wertungen. In keinem Fall verlangt IAS 24.9 eine häusliche Gemeinschaft für die Einordnung von Kindern als „nahe Familienangehörige“. 270 Niehus, WPg 2003, 521, 524; kritisch daher Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1109. 271 So die pragmatische Sicht bei Niehus, DB 2008, 2493, 2495. 272 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 101. 273 Gleichwohl kann ein häusliches Zusammenleben im Einzelfall als Indiz wirken, vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 101: „[…] kann die Zugehörigkeit zum Haushalt des Nahestehenden jedoch das entscheidende Kriterium sein“; Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 18: „Bei […] gemeinsamer Haushaltsführung […] ist ein Nahestehen fast immer gegeben“. 274 So im Ergebnis auch Niehus, DB 2008, 2493, 2496; Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 28; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 357; Schmitt/ Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 16. 275 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 61; Andrejewski/ Böckem, KoR 2005, 170, 172.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
Hierfür lässt sich anführen, dass Kinder nach allgemeiner Lebenserfahrung irgendwann das Elternhaus zu verlassen, ohne dass die Nähebeziehung hiervon aufgehoben wird276. Wie im Fall der geschiedenen Ehegatten kann es jedoch auch zwischen Eltern und Kindern zu nachhaltigen Zerwürfnissen kommen, die im Einzelfall eine gegenseitige Beeinflussung bei Unternehmensgeschäften ausschließen. Weniger eindeutig konturiert erscheint innerhalb der Definition der „nahen Familienangehörigen“ hingegen der Begriff der „abhängigen Angehörigen“. Nach einem sehr weiten Verständnis des Wortlauts277 ließen sich hierunter alle wirtschaftlich Abhängigen der natürlichen Person verstehen, sodass etwa auch das „Hauspersonal“ erfasst wäre und es auf eine formale Familienzugehörigkeit gar nicht ankäme. Indes sprechen die besseren Argumente dafür, den Begriff der „Angehörigen“ enger zu verstehen und zumindest Familienzugehörigkeit zu fordern278. Im Ergebnis sind danach sämtliche unterhaltsberechtigte Personen mit Familienbezug in den Anwendungsbereich einzuordnen279. Aus systematischen Gründen ist nicht einzusehen, warum „nahe Familienangehörige“ exemplarisch mit der sehr weitgefassten Kategorie der wirtschaftlich Abhängigen zu definieren sein sollen, obwohl IAS 24.11 wirtschaftlich abhängige Geschäftspartner ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Norm ausschließt. Auch ein Blick in die anderen Sprachfassungen bestärkt diesen Befund. Während in der englischen Sprachfassung von „dependants of that person“ die Rede ist, lautet die französische Wendung „les personnes à la charge“ und die italienische Variante „le persone a carico“. Alle drei Sprachfassungen lassen sich einheitlich jedenfalls auch mit „unterhaltsberechtigte Personen“ übersetzen280. Soweit im Schrifttum281 für die Einordnung als „abhängiger Angehöriger“ im Sinne des IAS 24.9 das Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt als zwingende Voraussetzung gefordert wird, können dieser Auffassung die bereits im Kontext der Lebenspartner vorgetragenen Argumente entgegengesetzt werden. Richtig ist aber, dass bei wirtschaftlicher Abhängigkeit und einem gemeinsamen Zusammenleben in einem Haushalt, eine
276 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 62. 277 So wohl Andrejewski/Böckem, KoR 2005, 170, 172. 278 Niehus, WPg 2003, 521, 524: „Die Zugehörigkeit zu der Familie des Betreffenden ist der Auslöser.“; für eine enge Auslegung auch Senger/Prengel in IFRS-Hdb § 20 Rn. 27. 279 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 63; Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1110. 280 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 63. 281 Andrejewski/Böckem, KoR 2005, 170, 172; Grottel in Beck‘scher Bil-Komm § 285 Rn. 365.
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§ 3 Bilanzrecht
starke Indizwirkung zugunsten des Nahestehens anzunehmen ist und praktisch ein solches fast immer gegeben sein wird282. Unmittelbar hieran schließt sich die Frage an, welche sonstigen „nahen Familienangehörigen“ („close members of the family“) neben den beispielhaft aufgeführten Kindern, Ehegatten, Lebenspartnern und abhängigen (Familien-) Angehörigen von IAS 24 erfasst sein sollen, da der Standard nicht mitteilt, was unter einer „Familie“ zu verstehen ist und was die Einschränkung „nahe“ konkret bedeutet. Da auch das deutsche Zivilrecht keine unmittelbare Regelung zum Begriff des „Angehörigen“ enthält283, ist im Schrifttum vorgeschlagen worden, zur Bestimmung der „Familie“ auf das Verfassungs- oder Steuerrecht Bezug zu nehmen284. In Anlehnung an das Grundgesetz käme hiernach als Maßstab die „Kleinfamilie in Form der Hausgemeinschaft von Eltern und ehelichen wie nicht ehelichen Kindern einschließlich der Adoptiv- und Pflegekinder“285 in Betracht. Im Ergebnis wäre damit die „Großfamilie“, welche Großeltern und Enkel umfasst, nicht in den Anwendungsbereich einbezogen. Eine solche Begrenzung auf nur zwei Generationsebenen scheint im Wortlaut des IAS 24 jedoch keine Stütze zu finden und erscheint unter Beachtung der Zielsetzung der Norm auch wenig funktional. Recht weit reicht hingegen der steuerrechtliche Begriff des „Angehörigen“ im Sinne des § 15 AO. Dieser umfasst neben Verlobten, Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten gerader Linie auch Geschwister und Kinder der Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Geschwister der Eltern sowie Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind. Aus diesem Grund bevorzugt Niehus286 für die Zwecke des IAS 24 den steuerrechtlichen Begriffs des „nahen Angehörigen“287, wie ihn der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 25.5.1976288 verwendet hat und wonach Ehegatten, Eltern, Großeltern und Kinder unabhängig von ihrem Alter erfasst werden sollen. Auf eine 282 Vgl. Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 18. 283 Nach § 530 Abs. 1 BGB kann eine Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig gemacht hat. Für den „nahen Angehörigen“ in diesem Sinne kommt es aber nicht auf den Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft an, sondern maßgeblich ist allein das tatsächliche persönliche Verhältnis zum Schenker, vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB § 530 Rn. 2. 284 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 96 ff. 285 Vgl. Niehus, DStR 2008, 2280, 2281 unter Hinweis auf Tilch, Münchener Rechtslexikon, Bd. B, R-Z, 1987, S. 258. 286 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 98. 287 Näher zu diesem Begriff mit weiteren Nachweisen aus jüngerer Zeit Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343. 288 BFH v. 25.5.1976, IV R 226-227/71, BStBl. II 1976, 561.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
solche engere Auslegung des Familienbegriffs und ein daraus folgender Ausschluss von Verschwägerten scheint der Wortlaut des IAS 24.9 hinzudeuten, wonach es sich gerade um „nahe“ („close“) Familienangehörige handeln muss. Unter funktionalen Gesichtspunkten und der vielfältigen familiären Organisationsformen erscheint eine solche pauschale Begrenzung wiederum nicht notwendig geboten. Letztlich wird im Schrifttum289 aber doch gefordert, dass aufgrund des substance-over-form-Prinzips im Zweifel nach dem Inhalt der Transaktion zu forschen und zu prüfen ist, ob von dem jeweiligen Familienmitglied angenommen werden kann, dass es bei Transaktionen mit dem Unternehmen auf die Person Einfluss nehmen oder von ihr beeinflusst werden kann. Kritisch bleibt festzuhalten, dass sich eine solche Prüfung insbesondere im Bereich der Familie und ihren vielfältigen individuellen Organisationsformen regelmäßig als schwierig erweisen wird, da sich diese leicht der Offensichtlichkeit entziehen. Eine Grenze der Auslegung zieht in jedem Fall der mögliche Wortsinn der „Familie“, sodass außerhalb familiärer Beziehungen keine „real nahe stehenden“290 Personen einbezogen werden. Im Ergebnis sprechen gute Gründe für eine restriktive Auslegung der „nahen Familienangehörigen“, sodass im Regelfall Ehegatten bzw. Lebenspartner, Eltern, Großeltern, Geschwister und Kinder erfasst sein sollten. Insbesondere befreundete Personen fallen damit nicht unter den Anwendungsbereich des IAS 24.9, obwohl hier in der Praxis häufig eine Missbrauchsgefahr bestehen dürfte. Aufgrund der erheblichen Abgrenzungs- und Bewertungsfragen, zu denen das substance-over-form-Prinzip im Rahmen familiärer Verhältnisse führt, erscheint es vorzugswürdig, im Ausgangspunkt stets an einen bestimmten bzw. rechtssicheren Familienbegriff – wie etwa § 15 AO – anzuknüpfen und nur im Einzelfall Korrekturen vorzunehmen. Unter funktionalen Gesichtspunkten ließe sich für § 285 Nr. 21 HGB eine Anknüpfung an den Angehörigenbegriff des § 15 AO und das damit verbundene tendenziell weitere Familienverständnis schon damit rechtfertigen, dass hier nur marktunübliche Geschäfte zu benennen sind. 2. Ein Unternehmen als nahestehende Person, IAS 24.9 (b) Wenig weiterführend für die Zwecke dieser Untersuchung ist die Vielzahl von einzelnen Fallkonstellationen, in denen ein Unternehmen einem berichtenden Unternehmen nahe steht, IAS 24.9 (b) i) bis vii). Keine 289 So Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 64; Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009) Rn. 93 und 20; Poelzig in MünchKomm-HGB § 285 Rn. 357: „Im Einzelfall ist stets zu prüfen, ob in der konkreten Beziehung die Möglichkeit zur Einflussnahme tatsächlich ausgeschlossen ist […]“. 290 Vgl. Niehus, WPg 2003, 521, 524.
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Probleme bereitet insbesondere der wichtigste und in IAS 24.9 b) i) geregelte Fall, in dem ein Unternehmen und das berichtende Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören. Hier stellt schon der Standard durch einen Klammerzusatz klar, dass folglich alle Mutterunternehmen, Tochterunternehmen und Schwestergesellschaften einander nahestehen. Sodann erfasst IAS 24.9 (b) ii) den Fall, dass eines der beiden Unternehmen ein assoziiertes Unternehmen oder ein Gemeinschaftsunternehmen des anderen Unternehmens ist. Das gleiche gilt, wenn eines der beiden Unternehmen ein assoziiertes Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen eines Unternehmens einer Gruppe ist, der auch das andere Unternehmen angehört. Sind beide Unternehmen Gemeinschaftsunternehmen desselben Dritten, so handelt es sich um nahestehende Unternehmen, IAS 24.9 b) iii). Nach IAS 24.9 b) iv) gilt dies auch für den Fall, dass eines der beiden Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen eines dritten Unternehmens und das andere ein assoziiertes Unternehmen dieses dritten Unternehmens ist. IAS 24.9 b) v) nimmt wiederum in verschiedenen Varianten ein Nahe stehen für den Fall an, dass es sich bei einem Unternehmen oder dem berichtenden Unternehmen selbst um einen „Plan für Leistungen nach Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses zugunsten von Arbeitnehmern handelt. Interessant sind schließlich die von IAS 24.9 b) vi) und vii) erfassten Fallkonstellationen, in denen eine natürliche Person das Verbindungsglied zwischen zwei Unternehmen ist: Gemäß IAS 24.9 b) vi) ist auch von einem Näheverhältnis auszugehen, wenn das Unternehmen von einer unter Buchstabe a) genannten Person beherrscht wird oder unter gemeinschaftlicher Führung steht, an der eine unter Buchstabe a) genannte Person beteiligt ist. Gleiches gilt schließlich nach IAS 24.9 b) vii), wenn eine unter Buchstabe a) Ziffer i) genannte Person maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen hat oder im Management des Unternehmens (oder eines Mutterunternehmens des Unternehmens) eine Schlüsselposition inne hat. Hierfür kann auf die vorangegangenen Ausführungen zu IAS 24.9 a) verwiesen werden. 3. Negativabgrenzung nach IAS 24.11 In IAS 24.11 a) bis d) werden verschiedene Unternehmen und Personen aufgelistet, die im Rahmen des Standards „[…] nicht als nahestehende Unternehmen und Personen anzusehen sind“291. Durch diese Negativab291 In der englischen Sprachfassung wird IAS 24.11 eingeleitet mit: „In the context of this Standard, the following are not related parties […]“.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
grenzung wird die positive Umschreibung der nahestehenden Unternehmen und Personen in IAS 24.9 konzeptionell ergänzt. Gegenstand der Regelung sind unter anderem Beziehungen zu Kreditgebern, Gewerkschaften und Lieferanten des berichtenden Unternehmens. Wie im Folgenden gezeigt wird, hat die Regelung in IAS 24.11 jedoch allein klarstellenden Charakter, da sich die bezeichneten Fälle im Regelfall schon nicht unter IAS 24.9 subsumieren lassen292. Entscheidend für das richtige Verständnis des IAS 24.11 ist zunächst die Feststellung, dass die aufgelisteten Parteien aber nur insoweit aus der Definition der nahestehenden Unternehmen und Personen ausgeschlossen werden, als sie ihre originären Funktionen als Kreditgeber, Tarif partner etc. wahrnehmen. Tatbestandlich kommt dies im wiederholt aufgeführten Merkmal „lediglich“293 zum Ausdruck. Ohne weiteres sind die Parteien als nahestehende einzustufen, falls zusätzlich ein anderer Tatbestand des IAS 24.9 erfüllt ist. So ist zum Beispiel ein Fremdkapi talgeber trotz der Regelung des IAS 24.11 c) i) als nahestehende Person anzusehen, wenn dieser zusätzlich noch eine Beteiligung am berichtenden Unternehmen hält, welche ihm einen maßgeblichen Einfluss gewährt294. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Partei auch allein aufgrund der in IAS 24.11 dargelegten Einflussmöglichkeiten als nahestehende Person anzusehen sein kann. Gegen diese Möglichkeit spricht nunmehr der eindeutige Wortlaut des aktuellen IAS 24.11, wonach die Parteien „[…] nicht als nahestehende Unternehmen und Personen anzusehen sind“. Durch diesen expliziten Ausschluss grenzt sich die Neufassung des IAS 24.11 bewusst von der Vorgänger-Norm IAS 24.11 (2003) ab. Diese legte in abgeschwächter Formulierung fest, welche Parteien „[…] nicht notwendigerweise als nahestehende Unternehmen und Personen anzusehen“ seien295. Im Schrifttum296 wurde aus dieser offenen Formulie292 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 77; Schmitt/Stürke in HdJ, Abt. VI/3 (2012), Rn. 42: „Die Aufzählung in IAS 24.11 kann daher allein als Konkretisierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach IAS 24.10 verstanden werden“. 293 Dem entspricht in der englischen Sprachfassung „simply because“ in IAS 24.11 a) und b) bzw. „simply by virtue“ in IAS 24.11 c) und d). 294 Beispiel nach Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1112 Fn. 180. 295 Hingegen entsprach schon IAS 24.6 (ref. 1994) der aktuellen Fassung, insoweit als er formulierte, dass die aufgelisteten Parteien „keine nahestehenden Unternehmen und Personen im Sinne dieses Standards“ sind. Als mögliche Ausnahme der Ausnahme war nach IAS 24.6 a) (ref. 1994) „die Möglichkeit […] jedoch in Betracht zu ziehen und die Wahrscheinlichkeit zu beurteilen, ob das Mitglied des Geschäftsführungs- und/oder Aufsichtsorgans die Geschäftspolitik der beiden Unternehmen bei Geschäften untereinander beeinfluss.“ 296 So etwa Buschhüter in Buschhüter/Striegel, IFRS, IAS 24 Rn. 20: „nicht automatisch“; Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 77; Küting/Gat-
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rung der alten Regelung gefolgert, dass IAS 24.11 (2003) die Annahme von Nähebeziehungen nicht zwingend ausschließe, sondern im Sinne von Regelbeispielen Fälle bezeichne, die unter normalen Umständen keine Nähebeziehungen begründen. Danach konnten also auch Parteien allein aufgrund der in IAS 24.11 (2003) aufgelisteten Einflussmöglichkeiten zu nahestehenden Unternehmen und Personen werden, wenn je nach Lage des Einzelfalles in den Fällen des IAS 24.11 (2003) die Voraussetzungen des IAS 24.9 gegeben waren. Entscheidend blieb nach der alten Regelung damit allein der Prüfungsmaßstab IAS 24.9, sodass IAS 24.11 (2003) nur klarstellenden Charakter hatte. Soweit ersichtlich hat die neue Fassung im Schrifttum bislang noch keine Aufmerksamkeit erfahren. Gemäß IAS 24.11 a) stehen sich zwei Unternehmen nicht nahe, die lediglich ein Geschäftsleitungsmitglied oder ein anderes Mitglied des Managements in einer Schlüsselposition gemeinsam haben, oder bei denen ein Mitglied des Managements in einer Schlüsselposition bei dem einen Unternehmen maßgeblichen Einfluss auf das andere Unternehmen hat. Als Hauptanwendungsfälle sind die in der Wirtschaftswelt häufig anzutreffenden Konstellationen anzusehen, in denen bei Publikumsgesellschaften Aufsichtsräte zugleich mehrere Mandate bei voneinander unabhängigen Unternehmen innehaben oder Vorstände zugleich Aufsichts- oder Beiratsmandate in einem anderen Unternehmen wahrnehmen. Auch für die Großunternehmen der Bundesrepublik ist eine solche personale Verzahnung charakteristisch und hat in der Begriffsbildung „Deutschland AG“ in den vergangenen Jahrzehnten eine anschauliche Bezeichnung gefunden. Da die entsprechenden Sachverhalte ohne das Hinzutreten weiterer Umstände297 allerdings schon nicht unter IAS 24.9 subsumiert werden können, hat IAS 24.11 a) lediglich klarstellenden Charakter. Offenbar geht der Standardsetter für die Belange des IAS 24 davon aus, dass ein einzelner gemeinsamer Entscheidungsträger im Regelfall nicht ausreicht, um Transaktionen zwischen den betreffenden Unternehmen nachhaltig zu beeinträchtigen. Auf den ersten Blick könnte dies zumindest insofern verwundern, als bei den personal begründeten Beziehungen des IAS 24.9 a) schon das bloße Innehaben einer solchen Schlüsselposition zu einer Offenlegungspflicht führt298. Allerdings sind in IAS 24.9 b) vi) und vii) die qualifizierten Voraussetzungen normiert, unter denen zwei Unternehmen durch eine natürliche Person als Verbindungslied einander nahestehen können. Aus tung, WPg 2005, 1105, 1112; Spadin, Nahestehende Personen, S. 237: „[…] nicht per se als nahestehend außer Betracht fallen und eine Einzelfallprüfung unabdingbar bleibt“. 297 In Betracht kommt hier insbesondere ein maßgeblicher eigener Anteilsbesitz der Organperson. 298 Vgl. auch Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 148 ff.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
IAS 24.9 vii) lässt sich folgern, dass Organidentität einer Person nur dann ausreicht, wenn diese Person das berichtende Unternehmen beherrscht oder an dessen gemeinschaftlicher Führung beteiligt ist. Die Sinnhaftigkeit der Klarstellung in IAS 24.11 a) erschließt sich bei einem Blick auf die praktischen Auswirkungen einer möglichen Einbeziehung auf Publikumsgesellschaften. Aufgrund der bestehenden personalen Verzahnung würden die Berichtspflichten gerade für größere Publikumsgesellschaften (und ihre Tochtergesellschaften) so erheblich ausgedehnt, dass der Wesentlichkeitsgrundsatz des IAS 24 praktisch ausgehöhlt würde299. Es verbietet sich aber, im Umkehrschluss aus IAS 24.11 a) zu folgern, dass die Identität von zwei oder mehreren Organpersonen in verschiedenen Unternehmen regelmäßig zur Annahme einer Nähebeziehung führt, da Prüfungsmaßstab auch hier die Einwirkungsmodalitäten des IAS 24.9 bleiben. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände wird auch in Fällen mehrfacher Organidentität nur selten die Intensität einer „Beherrschung“ erreicht werden. Unabhängig hiervon ist die Organperson selbst als natürliche Person ohne weiteres nach IAS 24.9 a) als nahestehende Person anzusehen. Die zweite Klarstellung trifft IAS 24.11 b) für zwei Partnerunternehmen, die lediglich die gemeinschaftliche Führung eines Gemeinschaftsunternehmens ausüben. Schon nach IAS 24.9 b) führen die horizontalen Beziehungen der Partnerunternehmen untereinander nicht zur Annahme eines Nahestehens300. Der Vollständigkeit halber ist hier in Erinnerung zu rufen, dass eine gemeinsame Beherrschung nicht in Betracht kommt, wenn die beteiligten Partner zueinander in einem Beherrschungsverhältnis stehen oder von derselben dritten Person beherrscht werden301. IAS 24.11 c) stellt klar, dass Kapitalgeber, Gewerkschaften, öffentliche Versorgungsunternehmen, Behörden und Institutionen einer öffentlichen Stelle, die das berichtende Unternehmen weder beherrscht noch gemeinschaftlich führt noch maßgeblich beeinflusst, lediglich aufgrund ihrer gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen mit einem Unternehmen nicht als Nahestehende anzusehen sind. In einem Klammerzusatz weist IAS 24.11 c) ausdrücklich darauf hin, dass dies auch dann gilt, wenn die aufgelisteten Parteien den Handlungsspielraum eines Unternehmens einengen oder am Entscheidungsprozess mitwirken können. Damit kommt in der klarstellenden Regelung die Grundwertung des Standardsetters zum Ausdruck, dass die Annahme einer Nähebeziehung im Sinne des IAS 24 mehr erfordert als den bloßen Geschäftskontakt, selbst wenn sich daraus 299 So auch die Einschätzung bei Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1112. 300 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 82; Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1112; Spadin, Nahestehende Personen, S. 239. 301 Näher hierzu Spadin, Nahestehende Personen, S. 171 ff.
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faktisch beachtliche Einschränkungen für das Unternehmen ergeben302. Mit anderen Worten beschränkt sich die Ausnahmeregelung des IAS 24.11 c) i) bis iv) auf die „originären Funktionen“303 bzw. die „angestammten Funktionen“304 der benannten Institutionen und Einrichtungen und kommt nicht zur Anwendung, falls die Einflussmöglichkeiten nicht auf die gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen zurückzuführen sind305. Verfehlt wäre jedoch ein Umkehrschluss dahingehend, dass ein Nahestehen immer dann anzunehmen sei, falls ein Kapitalgeber die Grenze der gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen überschreitet306. Wo aber verläuft bei Kreditverträgen die Grenze der „gewöhnlichen Geschäftsbeziehung“? Damit ist die Frage aufgeworfen, wann im Einzelfall zwischen üblichen Kreditverträgen und solchen Sondervereinbarungen zu unterscheiden ist, die den Banken „über das normale Maß hinausgehende Rechte“ einräumen307. Erschwert wird diese Grenzziehung durch die heute gängige Praxis, dass Fremdkapitalgeber den Kreditnehmern über sogenannte „Covenants“ bestimmte Pflichten auferlegen308. In Anlehnung an Forstmoser lassen sich solche Einflussmöglichkeiten des Kreditgebers als „gewöhnlich“ ansehen, die bei objektiver Betrachtung als durch sein Interesse an der Verfolgung eigener Ziele aus einer schuldvertraglichen Position gerechtfertigt erscheinen309. So kann der Kreditgeber die Gewährung des Kredits von Bedingungen abhängig machen oder den Kreditnehmer auf die Grundzüge einer bestimmten Geschäftspolitik oder eine konkrete Zusammensetzung des Geschäftsleitungsorgans verpflichten. Unbedenklich erscheinen selbst Genehmigungsvorbehalte mit Bezug auf solche Entscheidungen, die unmittelbar mit der Verwendung der Kreditmittel zusammenhängen310. Die Grenze soll jedoch überschritten sein, 302 Vgl. Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 83. 303 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 153. 304 Lück/Hayn in Baetge, IAS-Kommentar, 2. Auflage, 2002, IAS 24 Rn. 21. 305 Diese immanente Begrenzung des IAS 24.11 c) scheint Hoffmann in Haufe IFRS- Kommentar § 30 Rn. 19 offenbar zu übersehen, soweit dieser unter Bezugnahme auf die ältere Sprachfassung IAS 24.11 (2003) eine mögliche Einbeziehung allein auf den Zusatz „nicht notwendigerweise“ stützen möchte. 306 So auch Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 84. 307 Vgl. Senger/Prengel in IFRS-Hdb § 20 Rn. 24, die jedoch keinen Versuch der Konkretisierung unternehmen. 308 Bei Covenants handelt es sich um Klauseln oder Nebenabreden in Kreditverträgen oder Anleihebedingungen, die schuldrechtlich bindende Zusicherungen des Kreditnehmers oder Anleiheschuldners während der Laufzeit eines Kredits enthalten. Umfassend hierzu Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008. 309 Vgl. hierzu die grundlegenden Überlegungen zur Qualifikation eines Kreditgebers als „faktisches Organ“ bei Forstmoser in Festschrift für Meier-Hayoz, 1982, S. 125, 148 f.; derselbe, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 662; Spadin, Nahestehende Personen, S. 240 f. 310 Vgl. Maurenbrecher, AJP 7 (1998), 1327, 1336; Spadin, Nahestehende Personen, S. 241.
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B. Die „nahestehenden Unternehmen und Personen“ nach IAS 24.9 bis 24.11
sobald der Kreditgeber in die Lage versetzt wird, an der Willensbildung des Kreditnehmers „wie ein Organ“ mitzuwirken und auf diese Weise gesellschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Dies soll der Fall sein, wenn der Gläubigerbank ein Genehmigungsvorbehalt bei (sämtlichen) wichtigen Unternehmensentscheidungen des Kreditnehmers oder gar ein Mitspracherecht in dessen Verwaltungsorgan zustehe311. Anders als im Rahmen des IAS 24.11 d) ist in IAS 24.11 c) gerade nicht von „wirtschaftlicher Abhängigkeit“ die Rede, während in IAS 24.11 d) die Kapitalgeber nicht aufgeführt werden. Dies deutet daraufhin, dass für Kapitalgeber eine Befreiung nach IAS 24.11 c) wohl nicht mehr gegeben wäre, falls zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eine wirtschaftliche Abhängigkeit hinzukäme312. Denkbar erscheint die Annahme einer solchen Abhängigkeit gerade in der Krise des Unternehmens. Die Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften, wie sie sich aus der deutschen Unternehmensmitbestimmung ergeben, machen zwar die einzelnen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu nahestehenden Personen, nicht aber die entsendenden Gewerkschaften313. Übernimmt also zum Beispiel ein Vertreter der IG Metall ein Aufsichtsratsmandat in einer Aktiengesellschaft, so wird nur er selbst nach IAS 24.9 a) iii) zur nahestehende Person314. Durch die Nennung von Behörden und Institutionen einer öffentlichen Stelle wird zum Ausdruck gebracht, dass die Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen selbst dann kein Näheverhältnis begründet, wenn diese existentiell für das Unternehmen sind315. Schließlich sind nach IAS 24.11 d) auch einzelne Kunden, Lieferanten, Franchisegeber, Vertriebspartner oder Generalvertreter, mit denen ein Unternehmen ein erhebliches Geschäftsvolumen abwickelt, lediglich aufgrund der daraus resultierenden wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Über die Motive der Befreiung von den Angabepflichten für diese Konstellationen lässt sich IAS 24 nichts entnehmen. Für den Ausschluss lassen sich gewiss Praktikabilitätsgründe ins Feld führen316, da sich die Einflussmacht, die auf derartigen Geschäftsbeziehungen beruht, oftmals noch schwieriger bewerten lässt als die der Kapitalgeber. Auf der anderen Seite stellen Identifikations- und Dokumentationsprobleme in vielfältiger Hinsicht gerade das charakteristische Grundproblem der Berichterstattung über Geschäfte mit naheste311 Spadin, Nahestehende Personen, S. 241; in diese Richtung auch Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1112: „[…] oder bei dessen Entscheidungsfindung mitwirken“. 312 Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1113. 313 Vgl. Gattung, Berichterstattung über Beziehungen, S. 34. 314 Beispiel nach Küting/Gattung, WPg 2005, 1105, 1113 Fn. 189; dieses Beispiel aufnehmend Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 84. 315 Vgl. Spadin, Nahestehende Personen, S. 243. 316 Vgl. Hoffmann in Haufe IFRS-Kommentar § 30 Rn. 19.
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henden Personen dar, wie die vorangegangene Untersuchung gezeigt hat. Im Schrifttum317 wird die Regelung vielmehr auf die Überlegung gestützt, dass es sich bei derartigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten um ein normales Phänomen jedes Wirtschaftens handelt. So sieht Niehus den Grund des Ausschlusses in dem Umstand begründet „[…] dass die Unter nehmensführung den Auswirkungen dieser Art von Beziehungen gar nicht oder nur schwer ausweichen kann. Sie sind ein Datum, ein Element der Volkswirtschaft. Mit ihnen muss ein Investor rechnen“318. Zugleich bekräftigt der Befund, dass wirtschaftliche Abhängigkeit von Geschäftspartnern für sich betrachtet kein Nahestehen begründet, die oben entwickelte These, nach der wirtschaftlich Abhängige ohne Verwandtschafts verhältnis nicht als „nahe Familienangehörige“ im Sinne des IAS 24.9 a) anzusehen sind319. Dieses Ergebnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Rechtswirklichkeit der Einfluss von Geschäftspartnern von schwerem Gewicht sein kann320.
C. Zusammenfassende Analyse des bilanzrechtlichen Begriffs verständnisses Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass aus der (bloßen) Informationsfunktion der handelsbilanzrechtlichen Angabepflichten ein eingeschränkter Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ im Sinne der §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 folgt, der im Grundsatz Zustimmung verdient. Im Ausgangspunkt ist die Feststellung entscheidend, dass sich der Kreis der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ für die handelsrechtlichen Anhangangaben allein aus IAS 24.9 bis 24.11 ergibt. Aus der Perspektive des berichtenden Unternehmens stellt die Grunddefinitionsnorm IAS 24.9 den Kreis der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ in Form einer Liste dar, die durch verschiedene angefügte Begriffsbestimmungen ergänzt wird. Abgerundet wird die Definition durch die Negativabgrenzung in IAS 24.11, die verschiedene Unternehmen und Personen auflistet, die nicht als nahestehende Unternehmen und Personen anzusehen sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit unterscheidet die Begriffsdefinition in IAS 24.9 – ebenso wie § 138 InsO – im Grundsatz zwischen nahestehenden natürlichen Personen und nahestehenden Unternehmen: So erfasst IAS 24.9 a) Näheverhältnisse zu natürlichen Perso317 Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 85; Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 151 f. 318 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 152. 319 Vgl. auch Hennrichs/Schubert in MünchKomm-BilanzR IAS 24 Rn. 86. 320 Vgl. Spadin, Nahestehende Personen, S. 244; aus der konzernrechtlichen Perspektive Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 127 ff. und 152 ff.
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C. Zusammenfassende Analyse des bilanzrechtlichen Begriffsverständnisses
nen und nahen Familienangehörigen dieser Personen, wohingegen IAS 24.9 b) verschiedene Fallkonstellationen aufzählt, in denen ein Unternehmen dem berichtenden Unternehmen nahe steht. Es bereitet keine Schwierigkeiten, das Spannungsverhältnis zu identifizieren, in dem sich die tatbestandliche Erfassung potentiell „nahestehender Unternehmen und Personen“ durch das Bilanzrecht bewegt: Dem Bestreben nach einer möglichst vollständigen Erfassung von Personen mit – wie auch immer gearteten – Einflussmöglichkeiten auf das berichtende Unternehmen stehen das Gebot der Operationalisierbarkeit der Regelung und auch der Wunsch nach Rechtssicherheit gegenüber. Die Begriffsdefinition des IAS 24.9 bis 24.11 wählt den Weg, sowohl für natürliche Personen als auch für Unternehmen in erster Linie eigentumsund managementbasierte Einflussmöglichkeiten in den Blick zu nehmen und darüber hinaus lediglich „nahe Familienangehörige“ der Gesellschafter oder Führungskräfte zu berücksichtigen. Somit wird bewusst in Kauf genommen, dass bestimmte Personen oder Unternehmen, die faktisch die Entscheidungen der berichtenden Einheit stark beeinflussen können, formal nicht unter die Definition der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ fallen. Aus der Gruppe der Unternehmen sind hier insbesondere verhandlungsstarke Lieferanten oder Großkunden zu nennen. Für die natürlichen Personen ist auf befreundete Personen hinzuweisen, die als Nicht-Familienmitglieder aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen. Als ein Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass „befreundete Personen“ weder von § 138 InsO noch von IAS 24.9 erfasst werden, obwohl sie nach der Lebenserfahrung den Zielpersonen tatsächlich häufig näher stehen als die Mitglieder der eigenen Familie321. Als Kategorien des Nahestehens finden sich in IAS 24.9 a) „Beherrschung“, „Beteiligung an der gemeinschaftlichen Führung“, „maßgeblicher Einfluss“ sowie das Innehaben einer „Schlüsselposition“ im Management des berichtenden Unternehmens, wobei die Einbeziehung „naher Familienangehöriger“ eine erhebliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs bewirkt. Nach IAS 24.9 b) stehen sich Unternehmen nicht nur dann nahe, wenn sie etwa zur selben Unternehmensgruppe gehören oder es sich um assoziierte Unternehmen handelt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn sich eine von IAS 24.9 a) erfasste Person als Verbindungsglied zwischen den beiden Unternehmen darstellt. Wendet man sich ausgewählten Tatbestandsmerkmalen der Begriffsdefinition in IAS 24.9 zu, so ist im Verlauf der Untersuchung deutlich gewor321 So auch Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 178.
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den, dass die Merkmale entscheidend durch die „wirtschaftliche“ Zielsetzung des Standards geprägt werden. Besonders klar spiegelt sich diese in den ergänzenden Begriffsbestimmungen des IAS 24.9 wider. Es darf daher nicht verwundern, dass Tatbestandsmerkmale wie „Beherrschung“ oder „nahe Familienangehörige“ nicht streng im Sinne des deutschen Zivilrechts aufzufassen sind. So ist Beherrschung im Sinne des Standards als die Möglichkeit zu verstehen, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen. Als ein wichtiges Ergebnis ist hier festzuhalten, dass eine Beherrschungsvermutung im Rahmen des IAS 24 gerade nicht zwingend eine kapitalanteilsbedingte Stimmrechtsmehrheit voraussetzt, sondern – unter Rückgriff auf die Kriterien des IAS 27 – auch in bestimmten Fällen „faktischer Beherrschung“ angenommen werden kann. In einem engen Zusammenhang mit dem Merkmal der „Beherrschung“ steht der „maßgebliche Einfluss“, den der Standard als die Möglichkeit versteht, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen eines Unternehmens mitzuwirken, ohne die Prozesse beherrschen zu können, wobei ein solcher Einfluss durch Anteilsbesitz, Satzung oder durch vertragliche Vereinbarungen begründet werden kann und für dessen Auslegung im Einzelnen auf IAS 28 zurückzugreifen ist. Wie schon im Rahmen der „Beherrschung“ reicht auch für den „maßgeblichen Einfluss“ die bloße „Möglichkeit“ aus, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen mitzuwirken, sodass es auf eine tatsächliche Einflussnahme bzw. Mitwirkung im Grundsatz gerade nicht ankommt. Hierin besteht ein substantieller Unterschied zu der handelsrechtlichen Regelung der as soziierten Unternehmen in § 311 Abs. 1 Satz 1 HGB, die nach ihrem Wortlaut eindeutig auf eine tatsächliche Einflussnahme abstellt. In Anbetracht erheblicher Abgrenzungsschwierigkeiten hat sich der Standardsetter in IAS 28.6 für eine Vermutungsregel entschieden, die an das Innehaben von mindestens 20 Prozent der Stimmrechte anknüpft. Während ab dieser Schwelle keine Indizien für eine tatsächliche Ausübung des Einflusses erforderlich sind, muss der Einfluss im Falle einer niedrigeren Beteiligung eindeutig nachgewiesen werden. Aus der Perspektive des deutschen Gesellschaftsrechts muss die gewählte 20-Prozent-Schwelle als mehr oder minder willkürlich erscheinen, da diese Beteiligungsgrenze nach deutschem Recht keine besonderen Rechtsfolgen auslöst. Als Mitglieder des Managements in Schlüsselpositionen sieht der Standard Personen an, die direkt oder indirekt für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens zuständig und verantwortlich sind, was die Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans einschließt. Eine Ausdehnung auf sonstige leitende Angestellte kann nach hier vertretener Auffassung nur sehr eingeschränkt erfolgen. Der entscheidende Maßstab muss die Zuständigkeit und die Verantwor72
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C. Zusammenfassende Analyse des bilanzrechtlichen Begriffsverständnisses
tung für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des (gesamten) Unternehmens sein, da gerade nicht auf die Beeinflussung von einzelnen Geschäftsvorfällen abgestellt wird. Diese hohe Hürde dürfte ein leitender Angestellter nur in Ausnahmefällen nehmen. Zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führt schließlich der Begriff der nahen Familienangehörigen, den der Standard gerade nicht in Anknüpfung an formal-zivilrechtliche Verwandtschaftsverhältnisse verwendet. Nach der ergänzenden Begriffsbestimmung in IAS 24.9 sollen solche Familienmitglieder erfasst werden, von denen angenommen werden kann, dass sie bei ihren Transaktionen mit dem Unternehmen auf die Person Einfluss nehmen oder von ihr beeinflusst werden können. Für den vom Standard beispielhaft genannten „Lebenspartner“ ist entgegen einer verbreiteten Ansicht die Haushaltszugehörigkeit keine Voraussetzung. Unabhängig davon, wie weit man den Kreis der Familienangehörigkeit für die Zwecke des Standards ziehen möchte, endet die Auslegung am Wortlaut bzw. möglichen Wortsinn des Standards, sodass IAS 24.9 nicht über das „familiäre“ Beeinflussungspotential hinausgehen kann. Deshalb werden befreundete Personen der Eigentümer oder Entscheider auch dann nicht vom Standard erfasst, wenn sie diesen im Einzelfall näher stehen als ein Mitglied der eigenen Familie. Nach hier vertretener Auffassung sprechen im Hinblick auf die Operationalisierbarkeit der Definition gute Gründe dafür, im Ausgangspunkt an den steuerrechtlichen Begriff des Angehörigen in § 15 AO anzuknüpfen und eine Ausdehnung auf weitere Personen nur im Einzelfall zuzulassen. Konzeptionell abgerundet wird IAS 24.9 durch die spezifischen Ausschlussgründe in IAS 24.11 a) bis d), die sich jeweils unterschiedlich begründen lassen. Während etwa für die Fälle des IAS 24.11 a) insbesondere Praktikabilitätsgründe ins Feld geführt werden, soll die Befreiung von Angaben bei wirtschaftlicher Abhängigkeit nach IAS 24.11 d) damit gerechtfertigt werden, dass derartige Beziehungen typische Elemente des Wirtschaftslebens seien und jeder Investor bzw. Bilanzadressat ohnehin mit ihnen rechnen müsse322. Wichtig ist in jedem Fall, dass die aufgelisteten Parteien nur insoweit aus der Definition der nahestehenden Unternehmen und Personen ausgeschlossen werden, als sie ihre originären Funktionen als Kreditgeber, Tarifpartner etc. wahrnehmen, was tatbestandlich im Merkmal „lediglich“ zum Ausdruck kommt. Für die Einbeziehung von Kreditgebern sind nach hier vertretener Auffassung deshalb erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Grenze ist erst überschritten, sobald der Kreditgeber in die Lage versetzt wird, an der Willensbildung des Kreditnehmers „wie ein Organ“ mitzuwirken und auf diese Weise gesellschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Dies ist der der Fall, wenn 322 Vgl. Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 152.
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§ 3 Bilanzrecht
der Gläubigerbank ein Genehmigungsvorbehalt bei (sämtlichen) wichtigen Unternehmensentscheidungen des Kreditnehmers oder gar ein Mitspracherecht in dessen Verwaltungsorgan zusteht. Ebenso wie im Rahmen des Insolvenzrechts folgt auch der Zuschnitt des handelsbilanzrechtlichen Begriffs der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ im Sinne der §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 den spezifischen Bedürfnissen des Regelungszusammenhangs. Es konnte gezeigt werden, dass der eingeschränkte Anwendungsbereich der Norm aus der (bloßen) Informationsfunktion der Angabepflichten resultiert.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht A. Vorüberlegungen zur Einordnung der „nahestehenden Person“ Gegenstand der folgenden steuerrechtlichen Untersuchung ist das Merkmal der „nahestehenden Person“ im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter, in § 1 Abs. 2 AStG, § 10 Abs. 5 UStG, § 32d Abs. 2 EStG, § 8a Abs. 2 und Abs. 3, § 8b Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5 sowie in § 8c Abs. 1 KStG. Zu diesem Zwecke werden Begriff und Funktion dieser Rechtsfigur jeweils in ausführlichen Einzeldarstellungen systematisch erläutert. Bereits zu Beginn wurde festgestellt, dass Vereinbarungen zwischen „nahestehenden Personen“ in diesem Sinne keinesfalls mit Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen323 gleichgesetzt werden dürfen. Gleichwohl kommt es vielfach zu Überschneidungen und zu der Frage, inwieweit der Kreis der „nahestehenden Person“ auch Familienangehörige umfasst. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder deutlich gemacht, dass Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG es gebieten, Verträge zwischen Familienangehörigen im Grundsatz anzuerkennen und nicht gegenüber Beziehungen zwischen fremden Dritten zu diskriminieren324. Allerdings ist danach eine Diskriminierung familiärer Beziehungen insoweit nicht anzunehmen, als an die Vertragsgestaltungen Anforderungen gestellt werden, welche die Verdeckung privater Einkommensverwendung durch die Beteiligten ausschließen sollen. Besonderer Beachtung bedürfen vor diesem Hintergrund die Oder-Konto-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts325, denen eine erhebliche beweisrechtliche Bedeutung zukommt. Im Grundsatz bestätigen die beiden Beschlüsse die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach Verträge zwischen Familienangehörigen ernstlich vereinbart und durchgeführt sein müssen und wonach an den Beweis dieser Anforderungen auch strenge Anforderungen gestellt werden dürfen. Gleichwohl forderte die 1. Kammer des Zweiten 323 Siehe zur Zurechnung von Einkünften unter Familienangehörigen etwa Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 162 ff.; aus jüngerer Zeit mit umfangreichen Nachweisen zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen unter Familienangehörigen Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343 und Gemeinhardt, BB 2012, 739; praxisnahe Schulze zur Wiesche, Vereinbarungen unter Familienangehörigen und ihre steuerlichen Folgen, 9. Auflage, 2006. 324 BVerfG v. 24.01.1962 - 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290; BVerfG v. 08.07.1963, 1 BvR 319/60, BVerfGE 16, 241; BVerfG v. 22.07.1970, 1 BvR 285/66, 1 BvR 445/67 und 1 BvR 192/69, BVerfGE 29, 104; siehe hierzu etwa Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 162 ff. 325 Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats v. 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 und v. 19.12.1995, NJW 1996, 834; vgl. zur folgenden Analyse Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 163.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Senats, dass die Beweisanzeichen und -mittel ausgewogen gewürdigt werden müssten. Im vorgelegten Rechtsstreit hätte die steuerliche Anerkennung eines Ehegattenvertrages nicht allein deshalb versagt werden dürfen, weil das Entgelt auf ein Gemeinschaftskonto der Ehegatten gezahlt worden war, über welches jeder der beiden – und damit auch der Arbeitgeber- bzw. Vermieter-Ehegatte – verfügen durfte. Damit rügte das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs326, der die steuerliche Anerkennung der Ehegatten an einem einzigen Indizmerkmal scheitern ließ und damit auf eine Gesamtwürdigung der Beweislage auch zu Gunsten einer Anerkennung verzichtete327. Unter Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben erkennt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung328 Verträge zwischen nahen Angehörigen an, wenn die Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam329, klar und eindeutig sind, ihre Gestaltung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht und sie auch tatsächlich durchgeführt werden330. Um die Frage zu beantworten, ob ein zwischen Familienangehörigen geschlossener Vertrag trotz gewisser Abweichungen vom Fremdüblichen bzw. vertraglich Vereinbarten der Besteuerung zugrunde zu legen ist, ist als Maßstab die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten331 heranzuziehen. Im Laufe dieser Untersuchung wird auf die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze an verschiedenen Stellen Bezug genommen, soweit sie im Rahmen der einzelnen Rechtsinstitute von Bedeutung sind. Auch im Hinblick auf spezialgesetzliche Missbrauchsvermutungen sind die Oder-Konto-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts von hoher Bedeutung. So werden Missbrauchsvermutungen aufgrund des (potentiell) fehlenden Interessengegensatzes zwischen Familienangehörigen von Art. 6 GG nicht grundsätzlich ausgeschlossen, solange sie widerlegbar ausgestaltet sind332. Hingegen sind unwiderlegliche Missbrauchsvermutungen für Geschäfte zwischen Familienangehörigen mit Art. 6 GG unvereinbar. Einigkeit besteht darüber, dass die vorgenannten Fremdvergleichsgrundsätze gegenüber § 42 AO vorrangig anzuwenden sind. Folglich bewegt 326 BFH v. 27.11.1989, GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160. 327 Zu den steuerrechtlichen Konsequenzen der Oder-Konto-Beschlüsse etwa Fichtelmann, EStB 2004, 452. 328 BFH v. 7.5.1996, IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196; BFH v. 3.3.2004, X R 14/01, BStBl. II 2004, 826, 827. Siehe hierzu aus jüngerer Zeit mit umfangreichen Nachweisen Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343 und Gemeinhardt, BB 2012, 739. 329 Aus der zivilrechtlichen Unwirksamkeit von Verträgen zwischen Familienangehörigen kann regelmäßig das Fehlen eines ernsthaften Bindungswillens abgeleitet werden, vgl. etwa BFH, BStBl. 2011, 20 330 Siehe zu den einzelnen Kriterien nur Hey in Tipke/Lang21, Steuerrecht § 8 Rn. 164 mit weiteren Nachweisen. 331 BFH v. 7.5.1996, IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196; BFH v. 03.03.2004, X R 12/02, BStBl. II 2004, 722, 724. 332 Vgl. Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 169 f.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
sich eine Gestaltung erst dann im Anwendungsbereich des § 42 AO, wenn sich die Verträge als fremdvergleichsgerecht erweisen333. Eine ganz andere Frage ist wiederum, inwieweit die Möglichkeit des Rückgriffs auf § 42 AO besteht, wenn der Tatbestand einer spezialgesetzlichen Missbrauchsnorm nicht erfüllt ist334. Offensichtlich kommt es hierfür aber zunächst entscheidend darauf an, dass die betreffende Vorschrift überhaupt als spezialgesetzliche Vorschrift eingeordnet werden kann. Im Hinblick auf die „nahestehende Person“ kann dieser Aspekt in Fallkonstellationen Bedeutung erlangen, in denen der personale Anwendungsbereich des Nahestehens nicht eröffnet. Da dieser Untersuchung bewusst der Ansatz zugrunde liegt, Begriff und Funktion der „nahestehende Person“ jeweils im Normkontext der verschiedenen Vorschriften anhand von Einzeldarstellungen zu entwickeln, werden die hier angestellten Vorüberlegungen insoweit behandelt, als sie für die jeweiligen Komplexe von Bedeutung sind.
B. Verdeckte Gewinnausschüttung: Die Rechtsprechungsgrund sätze zur „nahestehenden Person“ I. Grundzüge der verdeckten Gewinnausschüttung 1. Grundlagen und Einordnung Zu den „Selbstverständlichkeiten des Rechts der verdeckten Gewinnausschüttung“335 gehört es, dass eine solche336 auch dann vorliegen kann, wenn nach dem äußeren Geschehensablauf die Leistung nicht unmit telbar an den Gesellschafter erfolgt, sondern an einen Dritten337. Unter 333 Siehe nur BFH v. 19.10.1999, IX R 39/99 und IX R 30/98, BStBl. II 2000, 224; Koenig in Pahlke/Koenig, AO § 42 Rn. 38; Ratschow in Klein, AO § 42 Rn. 122; Drüen in Tipke/Kruse, AO § 42 Rn. 55. 334 Näher hierzu Drüen in Tipke/Kruse, AO Vor § 42 Rn. 11 ff.; Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 142 ff.; grundlegend zu kodifizierten und rechtsprechungstypisierten Umgehungsgestaltungen Crezelius, StuW 1995, 313. 335 Schön, Die verdeckte Gewinnausschüttung – eine Bestandsaufnahme, in Festgabe Flume, S. 265, 295. 336 Aus Darstellungsgründen werden die Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung (und zur verdeckten Einlage) im Folgenden anhand des Tatbestands des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entwickelt. Selbstverständlich ist zu beachten, dass es die verdeckte Gewinnausschüttung auch als Beteiligungsertrag eines Gesellschafters gibt, wie sie in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelt ist. Auf diese wird im Folgenden nur insoweit Bezug genommen, als es das Verständnis der „nahestehenden Person“ erfordert. 337 So schon RFH v. 9.7.1935, I A 37/34, RStBl. 1935, 1128, 1131; grundlegend zu den Voraussetzungen der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in diesen Fällen nunmehr BFH v. 22.2.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631 und BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; siehe daneben zuvor etwa BFH
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
welchen Voraussetzungen eine verdeckte338 Gewinnausschüttung anzunehmen ist, wenn eine dritte Person Leistungsempfänger ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum regelmäßig unter der Sammelbezeichnung „verdeckte Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen“ erörtert339. Diese Terminologie darf jedoch nicht in die Irre führen, da es bei genauer Betrachtung um verdeckte Gewinnausschüttungen an Personen geht, die einem Gesellschafter nahe stehen. Eine Definition der verdeckten Gewinnausschüttung findet sich im Gesetz nicht340. Weder § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG noch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG machen Angaben dazu, unter welchen Voraussetzungen eine solche anzunehmen ist. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG enthält lediglich die Rechtsfolgenbestimmung, sodass sich ihr Verständnis allein aus der Rechtsprechung entwickelt hat341. Schon der Reichsfinanzhof hat das Wesen einer verdeckten Gewinnausschüttung darin erblickt, dass von der Gesellschaft Gewinn auf den Gesellschafter oder auf eine ihm nahestehende Person in einer Form verlagert wird, in welcher er nicht als Gewinn erscheint, sondern unter einer anderen Bezeichnung verborgen ist342. Nach der ständigen Spruchpraxis des für das Körperschaftssteuerrecht zuständigen I. Senats des Bundesfinanzhofs343 wird die verdeckte Gewinnausv. 6. 4. 1977, I R 86/75, BStBl. II 1977, 569; BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; BFH v. 1.2.1989, I R 73/85, BStBl. II 1989, 522, aus jüngerer Zeit etwa BFH v. 18.3.2009, I R 63/08, GmbHR 2009, 1118 und BFH v. 18.9.2007, I R 73/06, BStBl. II 2008, 314. Wassermeyer, DB 1987, 1113, 1120: „In der Rechtsprechung wird schließlich nicht ernsthaft darüber gestritten […]“. 338 Das Wort „verdeckt“ macht deutlich, dass sich die verdeckte Gewinnausschüttung nicht an die gesetzlichen Schranken für offene Gewinnausschüttungen hält, vgl. Wassermeyer, FR 1989, 218, 220. 339 Exemplarisch die Terminologie bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, 1999 und Schuhmann, Die nahestehende Person – Bindeglied zur verdeckten Gewinnausschüttung?, GmbHR 2008, 1029. 340 Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GmbH, S. 17: „gesetzliche (Nicht-)Regelung“. 341 Vgl. nur Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 166 unter Hinweis auf Pezzer, DStR 2004, 525, 530: „Seit 70 Jahren hat sich der Steuergesetzgeber nicht getraut, diesen Gesetzestatbestand zu konkretisieren und dies lieber der Rechtsprechung überlassen.“ 342 RFH v. 9.7.1935, I A 37/34, RStBl. 1935, 1128, 1131 rechte Spalte: “Das Wesen einer verdeckten oder verschleierten Gewinnausschüttung besteht vielmehr darin, dass den Gesellschaftern – unter bestimmten Voraussetzungen auch anderen Personen – von der Gesellschaft Gewinn in einer Form zugeführt wird, dass er nicht als Gewinn erscheint, sondern unter anderen Bezeichnungen verborgen ist.” 343 Grundlegend für die heutige Struktur der Definition BFH v. 1.2.1989, I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 und BFH v. 22.2.1989, I R 9/58, BStBl. II 1989, 631; aus jüngerer Zeit etwa BFH v. 18.3.2009, I R 63/08, GmbHR 2009, 1118 ; BFH v. 18.9.2007, I R 73/06, BStBl. II 2008, 314; BFH v. 7.8.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, 131. Ein Überblick über die Entwicklung der aktuellen Definition und ihre Gründe findet sich bei Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 100. Hingegen stellt der für die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter zuständige VIII. Senat darauf
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
schüttung heute definiert als eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und die in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht344. Schließlich erfordert die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene der Körperschaft nunmehr zusätzlich, dass die Minderung des Unterschiedsbetrags (objektiv345) die Eignung besitzt, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen („Vorteilseignung“)346. Durch dieses Merkmal der Vorteilseignung „[…] schlägt der BFH die Brücke zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilseigner“347. Obwohl der allgemeine Sprachgebrauch dies nahe legen könnte, kommt es für die verdeckte Gewinnausschüttung schließlich weder auf ein subjektives Element im Sinne einer Verdeckungs- oder Verschleierungsabsicht348 noch auf eine Ausschüttungsabsicht349 an. Anknüpfungspunkt für die Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ ist das Tatbestandsmerkmal der „Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis“. Im Ausgangspunkt geht die Rechtsprechung davon ab, ob es sich um eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Zuwendung eines Vermögensvorteils der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung handelt, vgl. BFH v. 13.12.2006, VIII R 31/05, BStBl. II 2007, 393. 344 Im Schrifttum wird diese Definition des BFH, welche auf BFH v. 1.2.1989, I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 und BFH v. 22.2.1989, I R 9/58, BStBl. II 1989, 631 basiert, häufig als die „neue Definition“ bezeichnet, exemplarisch etwa Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I, S. 644, und Schön in Festgabe Flume, S. 265, 273. 345 Folglich handelt es sich um eine „objektivierte Korrespondenz“ zwischen Unterschiedsbetragsminderung und Vorteilseignung, vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 170. 346 Seit BFH 7.8.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; BFH v. 31.3.2004, I R 83/03, BFHE 206, 58, 61; BFH v. 14.7.2004, I R 57/03, BFHE 206, 431, 432. Weitere Nachweise bei Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei beherrschenden Gesellschaftern, S. 38 Fn. 183. 347 Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 170. Vgl. zur Notwendigkeit des Merkmals der Vorteilsgeneigtheit schon früher Wassermeyer, FR 1997, 563. 348 So schon RFH v. 15.10.1929 I A a 144/29, RStBl. 1929, 665,666; aus der BFH-Judikatur etwa BFH v. 25.10.1963, I 325/61 S, BStBl. III 1964, 17, 20; BFH v. 28.1.1992, VIII R 207/85, BStBl. II 1992, 605; BFH v. 29.4.2008, I R 67/06, BStBl. II 2011, 55; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I, S. 645; Schwedhelm in Streck, KStG § 8 Rn. 147; Wassermeyer, StVj 1993, 208, 221. Umfassend zum Erfordernis subjektiver Elemente bei der verdeckten Gewinnausschüttung Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 46 ff. 349 Instruktiv BFH v. 29.4.2008, I R 67/06, BStBl. II 2011, 55 für eine Leistung im Falle einer irrtümlichen Annahme einer vertraglichen Leistungspflicht; vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 276.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
aus, dass einer unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter die Zuwendung an einen Dritten gleichsteht, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Entscheidend ist nun, dass die Rechtsprechung es heute als Indiz für die „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“ wertet, falls es sich beim Dritten um eine einem Gesellschafter „nahestehende Person“ handelt350. Bezugspunkt dieser Untersuchung ist allein die steuerrechtliche Figur der verdeckten Gewinnausschüttung, wohingegen das Gesellschaftsrecht einen eigenen Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung kennt351 und hierunter „[…] jede außerhalb der förmlichen Gewinnverwendung vorgenommene Leistung der Gesellschaft aus ihrem Vermögen an einen ihrer Gesellschafter, der keine gleichwertige Leistung gegenübersteht“352 versteht. Trotz gleicher Bezeichnung unterscheiden sich Interessen und Schutzzwecke des Rechtsinstituts in Steuer- und Gesellschaftsrecht deutlich353. Über das Verbot der Einlagenrückgewähr zielen die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften darauf ab, dass Vermögens übertragungen von der Gesellschaft auf den Gesellschafter nur in den dafür vorgesehenen Formen der Gewinnausschüttung, Kapitalherabsetzung oder der Liquidation erfolgen: Während alle anderen Formen des Vermögenstransfers bei der Aktiengesellschaft generell unzulässig sind (§ 57 AktG), gilt dies bei der GmbH jedenfalls insoweit, als hierdurch das Stammkapital beeinträchtigt wird. Hingegen ist Schutzzweck der steuerrechtlichen Regelung, die Besteuerung der Körperschaft nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicherzustellen: Diese soll nach § 8 Abs. 3 KStG so besteuert werden, wie es ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohne Berücksichtigung der Gewinnverwendung entspricht. Mithin geht es um die „richtige“ Ermittlung der Einkünfte. Im Ergebnis wird das Vermögen der Körperschaft steuerrechtlich somit nur insoweit geschützt, als es im Bereich der Ertragsteuern zur Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herangezogen wird354.
350 Grundlegend BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 351 Siehe zum Verhältnis der verdeckten Gewinnausschüttung zu anderen Rechtsgebieten Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8 Rn. 600 ff. 352 BGH v. 13. 11. 95, II ZR 113/94, DStR 1996, 271. 353 Ausführlicher zum Verhältnis zwischen steuerrechtlichem und gesellschaftsrechtlichem Institut der verdeckten Gewinnausschüttung Klingebiel in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8 Abs 3 Teil C Rn. 600 ff.; Wassermeyer, DB 1997, 1113; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 15 ff; Hahnhäuser, Verdeckte Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter, S. 5 f. 354 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 17; Rengers in Blümich,§ 8 KStG Rn. 243; Wassermeyer, FR 1989, 218, 220; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach,, § 8 KStG Rn. 100.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
Ihre rechtssystematische Grundlage findet das steuerrechtliche Institut355 der verdeckten Gewinnausschüttung im handels- und gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip, wonach zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene zu unterscheiden ist356. Zivilrechtlich betrachtet kann der Gesellschafter erst aufgrund der Rechtssubjektivität der Kapitalgesellschaft357 mit dieser selbstständige schuldrechtliche Rechtsbeziehungen begründen, welche im Rahmen der §§ 40 ff. AO und des Fremdvergleichs auch steuerrechtlich anzuerkennen sind358. Steuerlich korrespondiert mit dieser Trennung die separate Besteuerung der Körperschaft einerseits und des Gesellschafters andererseits359. 2. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis a) Zentrale Bedeutung des Tatbestandsmerkmals Anknüpfungspunkt für die Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ ist das Tatbestandsmerkmal der „Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis“. Hierbei handelt es sich um ein finales Element360 zur Feststellung, dass die Intention des beanstandeten Vorgangs darauf gerichtet war, im Interesse des Gesellschafters tätig zu sein361. Zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung ist somit mehr erforderlich als ein bloß allgemeiner Ursachenzusammenhang zwischen der Gesellschafterstellung einer Person und dem Vermögensver-
355 Zur Entstehung des „Rechtsinstituts“ der verdeckten Gewinnausschüttung Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 20, unter Hinweis auf die Judikatur des Reichsfinanzhofs. 356 Dazu Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 157ff. ; Schallmoser in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 8 KStG Rn. 52; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 100. Näher zur Verortung der vGA im Spannungsfeld zwischen Zivil- und Steuerrecht Thiel, DStR 1993, 1801. 357 Für die GmbH und die Aktiengesellschaft findet sich diese grundsätzliche Trennung von Vermögen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft von dem Vermögen und den Verbindlichkeiten des Gesellschafters in § 13 Abs. 2 GmbHG und § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG normiert. Näher zum Trennungsprinzip als prägendem Grundsatz des Kapitalgesellschaftsrechts etwa Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 13 Rn. 3; grundlegend für die in den 1950er Jahren einsetzende Diskussion um Rechtfertigung und Durchbrechung des Trennungsprinzips monographisch Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955. 358 Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 100 359 Vgl. zu dieser „scharfen Trennung zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter“ auch Hahnhäuser, Verdeckte Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter, S. 35. 360 Vgl. BFH v. 14.8.1985, I R 149/81, BStBl. II 1986, 86, 87; BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195; BFH v. 2.3.1988, I R 103/86, BStBl. II 1988, 786, 787; BFH v. 28.11.1991, I R 13/90, BStBl. II 1992, 359, 360; vgl. zustimmend Schön in Festgabe Flume, S. 265, 282. 361 Vgl. Schön in Festgabe Flume, S. 265, 282.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
lust der Gesellschaft: Veranlassung meint nicht bloß Verursachung362. Als zentrales Tatbestandselement dient das Erfordernis der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis der Abgrenzung verdeckter Einkommensverwendung von betrieblich veranlasstem Aufwand363. Damit wird die Funktion der verdeckten Gewinnausschüttung realisiert, bei der Körperschaft die Einkommensverwendung von der Einkommenserzielung abzugrenzen364. Vielfach wird die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) deshalb als „die dogmatische Grundlage“ des Rechtsinstituts der verdeckten Gewinnausschüttung angesehen365. b) Feststellung der Veranlassung durch die Rechtsprechung (1) Konkrete Veranlassungsprüfung und Veranlassungsprüfung anhand von Hilfskriterien Aus der Perspektive der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis366 um ein finales Element, einen inneren Vorgang, welcher durch äußere Indizien festgestellt werden muss367. Die Annahme einer solchen Veranlassung kommt hiernach nicht in Betracht, wenn sich aufgrund tatsächlicher Umstände ein konkreter und ausschließlich betrieblicher Veranlassungszusammenhang nachweisen lässt368. Ist im Einzelfall eine solche konkrete Veranlassungsprüfung möglich, schließt sie eine Veranlassungsprüfung anhand von Hilfskriterien aus369. Von einer konkreten Veranlassung der Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis ist zum Beispiel auszuge-
362 Vgl. Gosch KStG § 8 Rn. 285: „Veranlassung, keine bloße Verursachung“. 363 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Rn. 98; Schulte in Erle/Sauter, KStG § 8 Rz 175. 364 Vgl. Schön in Festgabe Flume, S. 265, 268 und 295. 365 So Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 120; Rengers in Blümich,§ 8 KStG Rn. 243; Schulte in Erle/Sauter, KStG § 8 Rz 175: „[…] kennzeichnet das Wesen einer vGA“. Demgegenüber sieht Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GmbH, 2001, S. 39 ff., 44 das Fremdvergleichsprinzip „als die dogmatische Grundlage des Rechtsinstituts der verdeckten Gewinnausschüttung“ an. 366 Für einen schematischen Überblick zur Veranlassungsprüfung siehe Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 284 und Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 215. 367 BFH v. 14.8.1985, I R 149/81, BStBl. II 1986, 86, 87; BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195; BFH v. 2.3.1988, I R 103/86, BStBl. II 1988, 786, 787; BFH v. 28.11.1991, I R 13/90, BStBl. II 1992, 359, 360; vgl. zustimmend Schön in Festgabe Flume, S. 265, 282. 368 BFH v. 13.7.1994, I R 43/94, BFH/NV 1995, 548, 549; BFH v. 15.9.2004, I B 92, 93/04, BFH/NV 2005, 387, 388; vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 130. 369 Siehe Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
hen, wenn der Gesellschafter Aufwand auf die Gesellschaft verlagert, den er – wenn überhaupt – hätte persönlich tragen müssen370. Da in der Praxis eine solche konkrete Veranlassungsprüfung aufgrund der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der (subjektiven) Beweggründe nur selten zu einem Ergebnis führt, ist ihre praktische Bedeutung gering. Deshalb bedarf es objektiver Prüfungskriterien, um zu erkennen, ob das Gesellschaftsverhältnis die Vereinbarung veranlasst hat371. In der weit überwiegenden Anzahl der entschiedenen Fälle zieht die Rechtsprechung stattdessen verschiedene Hilfskriterien heran, um die gesellschaftliche Veranlassung widerlegbar vermutet festzustellen: Folglich ist die praktische Bedeutung der Veranlassungsprüfung durch Fremdvergleich erheblich höher372, obwohl dieser systematisch nur eine Auffangfunktion zukommt373. (2) Fremdvergleich i. Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle zieht der Bundesfinanzhof einen Fremdvergleich374 als Kriterium zur Untersuchung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis heran375. So nimmt der I. Senat eine widerlegbar vermutete Veranlassung der Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis regelmäßig an, wenn die zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Vereinbarung nicht dem entspricht, was fremde Dritte miteinander vereinbart haben oder vereinbart hätten376. Im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite muss zwischen Vermutungen, die eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach377 auslö370 BFH v. 2.2.1994, I R 78/92, BStBl. II 1994, 479. 371 Vgl. etwa BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. 372 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 277 ; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 130. 373 Vgl. Wassermeyer, DB 2001, 2465, 2467. 374 Grundsätzlich zum Fremdvergleich im Steuerrecht Wassermeyer, StbJb 1998/99, 157; derselbe, GmbHR 1998, 157; derselbe in Festschrift Offerhaus, 1999, 405, 407. 375 Siehe etwa BFH v. 2.2.1994, I R 78/92, BStBl. II 1994, 479, 481; BFH v. 6.3.2003, IV R 21/01, BFH/NV 2003, 1542, 1544; BFH v. 19.11.2003, I R 42/03, BFH/NV 2004, 669, 670; BFH v. 6.4.2005, I R 27/04, BFH/NV 2005, 1633; BFH v. 19.12.2007, VIII R 13/05, BStBl. II 2008, 568, 569; jüngst BFH, v. 24.08.2011 - I R 5/10, BFH/NV XXX; ausführlich zum Fremdvergleich im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 284 ff.; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132; Wassermeyer, DB 1994, 1105; vergleichend mit § 1 AStG derselbe IStR 2001, 113; monographisch Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GmbH, 2001. 376 Zu den Einzelmerkmalen des Fremdvergleichs etwa Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 310. 377 Auch als „totale“ oder „qualitative“ verdeckte Gewinnausschüttung bezeichnet.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
sen und solchen Vermutungen, welche lediglich zu einer quantitativen Umqualifizierung378 führen, unterschieden werden379. Als Maßstab zur Konkretisierung des Fremdvergleichs im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung verwendet die Rechtsprechung im Regelfall das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters380: Danach ist die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte381. Hierbei handelt es sich um einen hypothetischen Fremdvergleich, der das vermutete Verhalten anderer Unternehmer in Betracht zieht382. Anhand dieser Prüfung lässt sich in der Mehrzahl der Fälle entscheiden, ob die Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst wurde383. Exemplarisch lassen sich einige Leitlinien384 für das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nennen. Ein solcher würde keine Kosten im Verhältnis zu Gesellschaftern übernehmen, zu deren Tragung die Gesellschaft nicht verpflichtet ist385 und würde Verträge nur zu Bedingungen abschließen, die für die Gesellschaft nicht nachteilig sind. Weiterhin würde der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter Vorteile und Chancen nicht ohne angemessenen finanziellen Ausgleich aus der Hand geben und Verlustgeschäfte zugunsten eines Gesellschafters nur tragen, falls hierfür ein Ausgleich vom Gesellschafter geleistet wird.
378 Auch als „partielle“ oder „quantitative“ verdeckte Gewinnausschüttung bezeichnet. 379 Näher dazu Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 312 ff. und 350. 380 Ausführlich zum „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 300 ff; vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I, S. 645; Wassermeyer, DB 1994, 1105, 1106; derselbe, DB 1987, 1113, 1118; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132. 381 Ständige Rechtsprechung seit BFH v. 19.3.1967, I 261/63, BStBl. III 1967, 626, 627; BFH v. 23.5.1984, I R 294/81, BStBl. II 1984, 673, 675; BFH v. 2.12.1992, I R 54/91, BStBl. II 1993, 311, 312; BFH v. 5.10.1994, I R 50/94, BStBl. II 1995, 549, 550; BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; BFH v. 30.8.1995, I R 155/94, BFHE 178, 371, 373; BFH v. 13.11.1996, I R 53/95, BFH/NV 1997, 622; BFH v. 5.3.2008, I B 171/07, BFH/NV 2008, 1060, 1061; BFH v. 29.4.2008, I R 67/06, DB 2008, 1777, 1778; BFH v. 20.8.2008, I R 19/07, BStBl. II 2011, 60; BFH v. 24.08.2011, I R 5/10; für Zuwendungen an Nichtgesellschafter BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 382 Vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132. 383 Vgl. BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204, 205. 384 Siehe Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8 Rn. 426. 385 BFH v. 11.02.1997, I R 42/96 und I R 42/96, BFH/NV 1997, 711.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
Allerdings ist der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Die abstrakte Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und der Vergleich mit Drittgeschäften kann nur auf solche Geschäfte bezogen werden, die auch mit dritten Personen (Nichtgesellschaftern) abgeschlossen werden könnten. Weder passend noch erforderlich ist dieser Maßstab bei Geschäften, die nur zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Gesellschafter vorgenommen werden können386. So hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 17.5.1995 ergänzend entschieden, dass der Fremdvergleich im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht nur aus der Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft, sondern auch aus der Sicht eines fremden, dritten Geschäftspartners der Gesellschaft zu beurteilen sein kann387. In diesen Fällen wird der jeweilige Geschäftspartner vom Gericht in den Fremdvergleich einbezogen und hierdurch eine Angleichung an den Fremdvergleichsmaßstab des § 1 Abs. 1 AStG erreicht388. Im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG zwingt schon der Wortlaut „unabhängige Dritte“ durch die Verwendung des Plurals dazu, alle Partner der einzelnen Geschäftsbeziehung in den Fremdvergleich einzubeziehen389. Neben diesem hypothetischen Fremdvergleich greift die Rechtsprechung gelegentlich auch auf das tatsächliche Verhalten desselben Unternehmens390 (innerbetrieblicher Fremdvergleich) oder anderer Unternehmen391 (außerbetrieblicher Fremdvergleich) als Maßstab des Vergleichens zurück. Gegenseitig schließen sich ein solcher tatsächlicher392 und ein hypothetischer Fremdvergleich jedoch keinesfalls aus. Da Leistungsbeziehungen jedoch nie völlig identisch sind, ist auch der tatsächliche Fremdvergleich in einer Gesamtbetrachtung durch einen hypothetischen Fremdvergleich zu ergänzen, wodurch der Fremdvergleich verobjektiviert wird, um Zufallsergebnisse zu vermeiden393.
386 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I, S. 645. 387 BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; näher zu diesem „doppelten Fremdvergleich“ Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 360 ff. 388 Hierzu eingehend unter Zustimmung für das Urteil Wassermeyer, IStR 2001, 633, 636; aus 389 Vgl. Wassermeyer, GmbHR 1998, 157; derselbe, IStR 2001, 633, 636. 390 BFH v. 4.6.2003, I R 38/02, BStBl. II 2004, 139, 141; BFH v. 14.7.2004, I R 111/03, BStBl. II 2005, 307, 308; für die Finanzverwaltung BMF v. 14.10.2002, IV A 2 – S 2742 – 62/02, BStBl. I 2002, 972 Tz. 20. 391 BFH v. 4.6.2003, I R 38/02, BStBl. II 2004, 139, 141. 392 Auch als „konkreter Fremdvergleich“ bezeichnet, vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633, 636. 393 Vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132; Herlinghaus, GmbHR 2002, 397, 406.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
In der Praxis sind die Formen des konkreten Fremdvergleichs selten und scheitern regelmäßig an dem Fehlen vergleichbarer Verhältnisse394. Auch in den hier interessierenden Konstellationen der verdeckten Gewinnausschüttungen an „nahestehende Personen“ wurde der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters regelmäßig herangezogen395. ii. Angemessenheit, Ernstlichkeit und Üblichkeit einer Vereinbarung Ausgehend vom Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hat die Rechtsprechung weitere Kriterien entwickelt, anhand derer die Vermutungsmaßstäbe „greifbarer“396 gemacht werden sollen. So zieht der Bundesfinanzhof im Rahmen der Veranlassungsprüfung als sonstige Hilfskriterien die Angemessenheit397, die Ernstlichkeit398 und die Üblichkeit399 einer Vereinbarung heran, welche ihrerseits für einzelne Anwendungsfälle weiter aufgefächert und ausdifferenziert werden400. Ob man diese Faktoren systematisch neben den Fremdvergleich stellt oder sie lediglich als Unterformen des Fremdvergleichs versteht, stellt sich nach Gosch letztlich als „[…] Geschmacksache und weniger [als] Sache der dogmatischen Stringenz“ dar401. Die Rechtsprechung scheint jedenfalls von einem Unterfall des Fremdvergleichs auszugehen402. In einschlägigen Fällen können diese einzelnen Kriterien schon isoliert die widerlegbare Vermutung für fremdvergleichswidriges Verhalten begründen, aber auch nebeneinander stehen, sich 394 Wassermeyer, IStR 2001, 633, 637. 395 So etwa auch im grundlegenden Urteil BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 396 Gosch KStG § 8 Rn. 310. 397 Näher zur Angemessenheit einer Vereinbarung mit weiteren Nachweisen Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 345; Schön in Festgabe Flume, S. 265, 289 f. 398 BFH v. 12.10.1995, I R 127/94, BFHE 179, 258, 260; BFH v. 25.10.1995, I R 9/95, BStBl. II 1997, 703, 704; BFH v. 22.11.1995, I R 45/95, BFH/NV 1996, 645, 646; BFH v. 6.12.1995, I R 88/94, BStBl. II 1996, 383, 384; BFH v. 13.11.1996, I R 53/95, BFH/NV 1997, 622, 623. Näher zur fehlenden Ernstlichkeit einer Vereinbarung Gosch KStG § 8 Rn. 345 ff.; Schön in Festgabe Flume, S. 265, 285 ff. 399 Etwa BFH v. 2.12.1992, I R 54/91, BStBl. II 1993, 311, 314; BFH v. 25.10.1995, I R 9/95, BStBl. II 1997, 703, 705. Näher zur Üblichkeit einer Vereinbarung Gosch KStG § 8 Rn. 345 ff.; Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 152 ff.; Schön in Festgabe Flume, S. 265, 289 f.; zum Verhältnis von Ernstlichkeit und Üblichkeit zueinander Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei beherrschenden Gesellschaftern, S. 31 f. 400 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 310. 401 Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 345. 402 Exemplarisch BFH v. 6.12.1995, I R 88/94, BStBl. II 1996, 383: Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis „aus anderen Gründen des Fremdvergleichs“; BFH, 30.3.1994, I B 185/93, BFH/NV 1995, 164, 165: „[…] oder auf einen Fremdvergleich, d. h. auf die Üblichkeit der Vertragsvereinbarung […]“. Ebenso Gosch KStG § 8 Rn. 345 und Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 152 ff.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
überschneiden und ergänzen. Es bleibt jedoch zu beachten, dass im Grundsatz auch eine unangemessene oder unübliche Vereinbarung dem Fremdvergleich standhalten kann, sofern der Steuerpflichtige diese in objektiv nachvollziehbarer Weise als sinnvoll erklärt403. Unterschiede zwischen den Kriterien ergeben sich durchaus im Hinblick auf die Rechtsfolge. Während die Feststellung der fehlenden Ernstlichkeit einer Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter regelmäßig zu einer „totalen“ verdeckten Gewinnausschüttung führt und sich Angemessenheitsbetrachtungen der Höhe nach erübrigen404, gibt die fehlende Üblichkeit lediglich „Anlass für eine kritische Angemessenheitsprüfung“405. iii. Indizwirkung des Fremdvergleichs Das Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab innerhalb des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG spricht nur indiziell für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, sodass der Gegenbeweis – anders als im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG – zulässig ist406. In neueren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof betont, dass die Feststellung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis in erster Linie Aufgabe des Finanzgerichts als Tatsacheninstanz sei und stets durch eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen habe407. Daher handelt es sich bei dem Fremdvergleich unter Berücksichtigung des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters keinesfalls um ein absolutes Tatbestandsmerkmal der verdeckten Gewinnausschüttung408. Vielmehr bedarf es im Einzelfall einer kritischen Würdigung der Indizien409 dahingehend, ob sie den Rückschluss auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zulassen410. Gleichwohl wird die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung regelmäßig gerechtfertigt sein, wenn sich ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt, sofern nicht gewichtige und nachprüfbare Gründe gegeben sind, welche geeignet sind, diese Annahme zu widerlegen411. Diese Gründe müssen von der Gesellschaft objektiv nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden.
403 Vgl. Gosch KStG § 8 Rn. 310. 404 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 348. 405 BFH v. 28.10.1987, I R 22/84, BFH/NV 1989, 131. 406 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633, 636. 407 Vgl. BFH v. 4.9.2002, I R 48/01, BFH/NV 2003, 347 und BFH v. 19.10.2005, I R 40/04, BFH/NV 2006, 822. 408 Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132. 409 Kritisch zur Begriffswahl „Indiz“ Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Rn. 105a. 410 BFH v. 29.10.1997, I R 24/97, BStBl. II 1998, 573; vgl. Wassermeyer, DB 2001, 2465, 2467. 411 Vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 132
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
(3) Sonderregeln für den beherrschenden Gesellschafter Praktisch äußerst bedeutsam sind die strengen Sonderanforderungen, denen Leistungen der Gesellschaft an einen beherrschenden Gesellschafter – oder eine diesem „nahestehende Person“ – seit jeher von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis unterworfen werden412. Im Schrifttum werden diese Sonderbedingungen gelegentlich auch als „formeller Fremdvergleich“413 bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs414 kann eine verdeckte Gewinnausschüttung danach auch schon dann anzunehmen sein, wenn an den beherrschenden415 Gesellschafter eine Leistung erbracht wird, für die es an einer klaren und eindeutigen sowie im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung fehlt, wenn die entsprechende Vereinbarung zivilrechtlich unwirksam ist oder der Leistungsaustausch tatsächlich nicht durchgeführt wird416. Diesen Sonderbedingungen liegt zum einen der Gedanke der Missbrauchsvermeidung zugrunde, da der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer es sonst in der Hand hätte, frei über den Gewinn der Kapitalgesellschaft zu befinden und diesen zu „manipulieren“417. Zum zweiten steht dem beherrschenden Gesellschafter ex ante ein Wahlrecht darüber zu, ob er mit „seiner“ Kapitalgesellschaft auf schuldrechtlicher oder aber auf gesellschaftsrechtlicher Ebene „kommunizieren“ möchte418. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist somit festzuhalten, dass Leistungen an „nahestehende Personen“ zusätzlich formalen Voraussetzungen unterliegen, soweit Bezugspunkt des Nahestehens ein beherrschender Gesellschafter ist.
412 Monographisch Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttung bei beherrschenden Gesellschaftern, 2011. 413 So etwa Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 318. 414 Grundlegend BFH v. 11.10.1955, I 47/55, BStBl. III 1955, 397; instruktiv BFH v. 17.12.1997, I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; aus jüngerer Zeit etwa BFH v. 18.9.2007, I R 73/06, BStBl. II 2008, 314, 315; siehe im Übrigen die umfangreichen Nachweise bei Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 2 Fn. 9. 415 Ausführlich zum Begriff der „Beherrschung“ in diesem Kontext Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 151 ff.; Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 220 ff.; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8 Rn. 369 ff; Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8 Abs. 3 Teil D Rn. 300 ff. 416 Näher zu den einzelnen Voraussetzungen etwa Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8 Rn. 393 ff. 417 BFH, I R 58/05, BStBl. 2006, 928; vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 318. 418 So etwa BFH v. 17.12.1997, I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; näher zur Rechtfertigung der Sonderregeln auch Schön in Festgabe Flume, S. 265, 291.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
II. Verdeckte Gewinnausschüttungen an „nahestehende Personen“ 1. Grundlagen der verdeckten Gewinnausschüttung an dritte Personen Ausgehend von der oben dargestellten allgemeinen Definition kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch im Falle der Leistung an einen Dritten nur dann vorliegen, wenn die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis (zwischen Gesellschaft und Gesellschafter) veranlasst ist. Zum ersten ist diese Verbindung zu der Ebene des Gesellschafters schon begrifflich notwendig: Eine „Ausschüttung“ setzt voraus, dass ihr Empfänger ein mitgliedschaftliches oder mitgliedschaftsähnliches Verhältnis zu der gewährenden Körperschaft hat.419 Zum zweiten erklärt sich dieses Erfordernis auch aus der Funktion der verdeckten Gewinnausschüttung, die Sphäre von Gesellschaft und Gesellschafter abzugrenzen420 und eine getrennte Besteuerung zu sichern. Wenn sich auch nach dem äußeren Geschehensablauf ein Dritter als unmittelbarer „Leistungsempfänger“421 darstellt, der nicht selbst Gesellschafter ist, kann „Zurechnungsempfänger“ der verdeckten Gewinnausschüttung gleichwohl nur der Gesellschafter selbst sein. Folglich handelt es sich um eine gesellschafterbezogene Zurechnung des Vorteils beim Dritten422. Kennzeichen verdeckter Gewinnausschüttungen an Nichtgesellschafter ist somit die Personenverschiedenheit von „Leistungsempfänger“ (Nichtgesellschafter) und „Zurechnungsempfänger“ (Gesellschafter)423. 419 Vgl. BFH v. 25.10.1963, I 325/61 S, BStBl. III 1964, 17, 19; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 59b; Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 26; Pezzer, Die verdeckte Gewinnausschüttung im Körperschaftssteuerrecht, S. 34; Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 225. Wassermeyer, FR 1989, 218, 221: „Gesellschaftsrechtlich gibt es Ausschüttungen nur im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter.“ 420 Hüttemann, DStJG 34 (2011), S. 291, 314: „Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG über verdeckte Gewinnausschüttungen betrifft die Sphärenabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern und sichert das Trennungsprinzip gegen verdeckte Einkommensverwendungen ab.“ 421 Begriffsbildung nach Felix, StbJb 1954, 277, 279, der aus Klarstellungsgründen im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung zwischen „Leistungsempfänger“ (Nichtgesellschafter) und „Zurechnungsempfänger“ (Gesellschafter) unterscheidet. „Zurechnung“ meint hier die steuerrechtliche Zurechnung der Leistung beim Gesellschafter. 422 Vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 125. 423 So Felix, StbJb 1954, 277, 279. Ergänzend Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 6: Früher wurde ausgehend von RFH v. 23.5.1933, I A 326/32, RStBl. 1933, 910 eine verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Personen auch bejaht, wenn ein Nichtgesellschafter ohne angemessene Gegenleistung eine Leistung der Gesellschaft erhält und aufgrund vertraglicher Regelung oder tatsächlicher Gegebenheiten steuerrechtlich wie ein Gesellschafter zu behandeln ist. In dieser Konstellation wären Leistungsempfänger und Zurechnungsempfänger identisch. Seit BFH v. 25.10.1963, I 325/61 S, BStBl. III 1964, 17 wird diese Konstellation aber nicht mehr zur Kategorie „nahestehende Personen“ gerechnet.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Hingegen kann eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht vorliegen, wenn die Gesellschaft selbst ein eigenes, ausschließlich unternehmerisches Interesse an der Leistung an den Dritten hat424: Der Grund für die Zuwendung wäre dann allein die betriebliche Beziehung zwischen Gesellschaft und Nichtgesellschafter425. Falls die Leistung der Körperschaft an die dritte Person im Interesse des Gesellschafters erfolgt, entspricht dies bei wirtschaftlicher Betrachtung einer mittelbaren Leistung der Körperschaft an den Gesellschafter426, welche diesem folglich auch steuerlich zuzurechnen ist: Die Zuwendung ist von der Gesellschaft an den Gesellschafter und von diesem an den Dritten geflossen, obgleich sie zur Abkürzung des Zuwendungswegs direkt von der Gesellschaft an den Dritten erfolgt ist. Diese Leistung beruht auf zwei Beziehungen: Zum ersten auf der Beziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (Gesellschaftsverhältnis) und zum zweiten auf der Beziehung zwischen Gesellschafter und Drittem427. Diese Beziehung zwischen Gesellschafter und Drittem ist der Bezugspunkt des im Folgenden näher zu untersuchenden „Nahestehens“. Ihr Dasein verdankt die Rechtsfigur der „nahestehenden Person“ letztlich der Tatsache, dass die Rechtsprechung den Begriff der „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“ bisher nicht definiert hat und somit darauf angewiesen ist, anhand von Indizien und Hilfskriterien Fallgruppen zu entwickeln, in welchen der Schluss auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung zulässig sein soll428. Im Falle der Zuwendung an Dritte bedient sich die Rechtsprechung der „nahestehenden Person“ als Indiz für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis429. Daher ist zunächst festzustellen, dass der „nahestehenden Person“ nicht die Bedeutung eines eigenständigen (echten) Tatbestandsmerkmals zukommt. Ebenso wenig liegt im Falle des Drei-Personen-Verhältnisses der Regelungsgrund für die Annahme 424 Vgl. Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 125 unter Bezugnahme auf BFH 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; so auch schon BFH v. 3.7.1968, I 149/65, BStBl. II 1969, 15. 425 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 62. 426 Vgl. BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195; zustimmend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 62: „Diese Annahme einer mittelbaren Leistung der Körperschaft an den Gesellschafter durch unmittelbare Leistung der Körperschaft an den Dritten ist keine Fiktion, sondern folgt der wirtschaftlichen Realität.“ 427 Vielfach werden die strukturellen Wertungen des Kondiktionsrechts für die sogenannten „Anweisungsfälle“ herangezogen. Auch die im Folgenden verwendete Bezeichnung „Drei-Personen-Verhältnis“ ist dem Kondiktionsrecht entnommen. 428 Ausführlich zur Rechtsprechungs-Entwicklung Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 33 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 429 BFH v. 22.2. 1989 I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
einer verdeckten Gewinnausschüttung in der Tatsache begründet, dass es sich bei den unmittelbar begünstigten Personen um „nahestehende Personen“ handelt. Vielmehr ist der Grund darin zu sehen, dass die Leistung an die dritte Person im Interesse des Gesellschafters erfolgt und damit auf dem Gesellschaftsverhältnis (zwischen der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft und dem Gesellschafter) beruht.430 Letztlich dient die Konstruktion der „nahestehenden Person“ allein dazu, die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis in widerlegbarer Weise zu vermuten431. In der Praxis bereitet die verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Personen aufgrund ihrer „doppelten Tarnung“432 besondere Schwierigkeiten: Zum einen wird durch die Form der Zuwendung verschleiert, dass die Körperschaft Gewinn ausschüttet, indem sie unentgeltlich Vorteile gewährt. Zum zweiten tritt nach außen erkennbar nicht der Ge sellschafter als Empfänger der Zuwendung in Erscheinung, sondern ein Nichtgesellschafter. 2. Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen a) Kein aliud zur „allgemeinen“ verdeckten Gewinnausschüttung Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass die Merkmale der „allgemeinen“ Definition auch dann erfüllt sein müssen, wenn es sich beim Begünstigten um einen Dritten handelt, der nicht selbst Gesellschafter ist. Voraussetzung ist somit das Vorliegen einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt, in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht und schließlich die Eignung besitzt, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen. Da die Fälle von Zuwendungen an Dritte wie gezeigt über das Merkmal der „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“ erfasst werden können, muss es verwundern, wenn der Bundesfinanzhof in zahlreichen Urteilen433 bereits im Rahmen seiner „allgemeinen“ Definition der verdeckten Gewinnausschüttung die Möglichkeit, 430 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 63; vgl. Schön in Festgabe Flume, S. 265, 295; Schulte in Erle/Sauter, KStG § 8 Rn. 169; Schwedhelm in Streck, KStG § 8 Rn. 182. 431 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 232. 432 Hahnhäuser, Verdeckte Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter, S. 11; an diesen anknüpfend Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 4 ff. 433 Exemplarisch BFH v. 18.2.1979, I R 12/67, BStBl. II 1970, 526: „Unter einer vGA sind alle Vorgänge zu verstehen, durch die eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter bzw. einer diesem nahestehenden Person geldwerte Güter zuführt […]“.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
den Vorteil einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zuzuwenden, unter besonderer Betonung hervorhebt. Eine solche Hervorhebung ist in der Definition der verdeckten Gewinnausschüttung überflüssig und verfehlt434. Die Suche nach den besonderen Voraussetzungen im DreiPer sonen-Verhältnisses konkretisiert sich im Wesentlichen in zwei Fragestellungen, die im Folgenden beantwortet werden sollen: Welchen Prüfungsmaßstab legt die Rechtsprechung für die Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung bei Zuwendungen an Dritte an? Ist es im Falle der Leistung an einen Dritten für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderlich, dass dem Gesellschafter selbst ein unmittelbarer Vorteil zukommt? b) Prüfungsmaßstab für die Veranlassung durch das Gesellschafts verhältnis bei Leistungen der Gesellschaft an Dritte Den Prüfungsmaßstab für das Merkmal der „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“ im Dreipersonenverhältnis hat der Bundesfinanzhof in seinem grundlegenden Urteil vom 18.12.1996435 dargelegt. So stellte der I. Senat zunächst noch einmal fest, dass es im Falle von Leistungen an Dritte für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung entscheidend darauf ankomme, dass die Zuwendung der Gesellschaft an die dritte Person durch das Gesellschaftsverhältnis (zwischen Gesellschaft und Gesellschafter) veranlasst sei. Diese Veranlassung sei anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft der nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahe steht, nicht gewährt hätte436. Im Wortlaut wird dazu ausgeführt: „Im Regelfall ist eine Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Der unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter steht die an einen Dritten gleich, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Falls der Dritte eine einem Gesellschafter nahestehende Person ist, wertet die Rechtsprechung dies als Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und ge434 Zutreffend Wassermeyer, FR 1989, 218, 221. 435 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 436 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
wissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahe steht, nicht gewährt hätte.“437 Maßfigur des Fremdvergleichs bleibt also auch hier der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter. Während im Grundfall (Gesellschafter als Leistungsempfänger) darauf abzustellen ist, ob der Vorteil einem Nichtgesellschafter gewährt worden wäre, wird der Maßstab im Drei-Personen-Verhältnis dahingehend modifiziert, dass danach zu fragen ist, ob auch ein „Nicht-Nahestehender“ den Vorteil empfangen hätte. Sodann wendet sich der Senat dem Begriff des „Nahestehens“ zu und begründet dessen weites Verständnis mit der beschränkten Funktion als Indiz für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung: „Da das ‚Nahestehen‘ lediglich ein Indiz für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist, reicht zur Begründung des ‚Nahe stehens‘ jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.“438 Für den Verlauf der Untersuchung ergibt sich hieraus, dass es von entscheidender Bedeutung ist, in welchen Fällen die Rechtsprechung vom Vorliegen einer „nahestehenden Person“ ausgeht. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ausgangspunkt einer Prüfung für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung stets eine wirtschaftlich unausgewogene Leistung der Gesellschaft ist439. Im Falle einer wirtschaftlich ausgewogenen Leistung an eine „nahestehende Person“ liegt schon keine Vermögensminderung vor. Schließlich stehen Fremdvergleich und „nahestehende Person“ in einer engen Wechselwirkung, die es zu konkretisieren gilt. c) Vermögensvorteil für den Gesellschafter erforderlich? Nach heute vorherrschender Auffassung440 setzt die verdeckte Gewinnausschüttung nicht voraus, dass dem Gesellschafter ein unmittelbarer 437 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 301 f. 438 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 301 f. 439 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 64. 440 Grundlegend BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 59d; Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 227; Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 28; Rengers in Blümich,§ 8 KStG Rn. 243; Schwedhelm in Streck, KStG § 8 Rn. 183; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 125; frühzeitig bereits Wassermeyer, DB 1987, 1113, 1120. Anders aber Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 71, für die der Vorteil für den Gesellschafter notwendige Voraussetzung für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis ist.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Vermögensvorteil zufließt. Vielmehr kann auch eine nur mittelbare – materielle oder immaterielle – Vorteilsverschaffung und damit der unmittelbare Vorteil bei einer dem Gesellschafter „nahestehenden Person“ genügen441. Im Hinblick auf diese Frage markiert das Urteil vom 18.12.1996442 einen Wendepunkt in der Rechtsprechung des Bundes finanzhofs: Zuvor rechnete das Gericht einen solchen Vorteil bei Zu wendungen an einen Dritten stets zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG443. Unter ausdrücklicher Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung444 ließ der Bundesfinanzhof im Urteil vom 18.12.1996 für den konkreten Streitfall offen: „[…] ob eine verdeckte Gewinnausschüttung, die einer einem Gesellschafter nahestehenden Person zufließt, dem Gesellschafter nur dann steuerrechtlich zugerechnet werden darf, wenn er selbst durch sie einen Vermögensvorteil erlangt“. Hiermit schloss sich das Gericht letztlich der Auffassung Franz Wassermeyers445 an. Als grundlegende Erwägung für den Verzicht führt der I. Senat ins Feld, dass die verdeckte Gewinnausschüttung bei einer Kapitalgesellschaft nicht voraussetze, dass die Vermögensminderung bei der Gesellschaft zum Zufluss eines entsprechenden Vermögensvorteils beim Gesellschafter führe446. Vielmehr trete die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch ein, wenn der Vermögensminderung bei der Gesellschaft eine „Vermögensmehrung beim Gesellschafter von 0 DM“ entspreche. Für eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung aufgrund einer Zuwendung an eine nahestehende Person könne aber nichts anderes gelten447. Der Bundesfinanzhof erkennt in seinem Urteil zwar an, dass es die Indizwirkung des Nahestehens erhöhe, falls die Zuwendung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person für den betreffenden Gesellschafter selbst (vermögenswirksam) vorteilhaft ist. Als Beispiele werden Fälle angeführt, in denen die Zuwendung den Gesellschafter von einer Schuld befreit oder ihm eigene Aufwendungen erspare. Doch auch Zuwendun441 Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 227. 442 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 443 BFH v. 27.01.1972, I R 28/69, BStBl. II 1972, 320, BFHE 104, 353; BFH v. 31. 7. 1974, I R 238/72, BStBl. II 1975, 48; BFH v. 1. 12. 1982, I R 69-70/80, BStBl II 1983, 152; BFHv. 23. 4. 1986, I S 2/86, BFH/NV 1987, 811. 444 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302: “Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsansicht aus folgenden Gründen nicht mehr fest: […]”. 445 Soweit ersichtlich hatte Wassermeyer zuvor als erster und einziger gefordert, auf die Voraussetzung des Vorteils für den Gesellschafter bei verdeckten Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen zu verzichten: Wassermeyer, DB 1987, 1113, 1120; derselbe StbJb 1988/89, 231, 237ff; derselbe, FR 1989, 218, 221. 446 Vgl. BFH v. 22.2.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631, BFHE 156, 428. 447 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
gen, die ausschließlich für die nahestehende Person vorteilhaft seien, wie etwa Geschenke, oder gar für den Gesellschafter nachteilig seien, könnten unzweifelhaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Im Blick hat das Gericht insbesondere Fälle, in denen die Gesellschaft einer nahestehenden Person einen Preisnachlass gewährt, den sie anderen Kunden nicht einräumt und der Gesellschafter kein eigenes vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Schrifttum und Kommentarliteratur haben sich dem Verzicht weitgehend angeschlossen448, der auch in jüngerer Rechtsprechung449 bestärkt wurde. Eine Bestätigung dieser Auffassung durch den Gesetzgeber wird zudem im neuen § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG gesehen450. Der Verzicht auf das Erfordernis eines Vermögensvorteils beim Gesellschafter verdient Zustimmung. Vergegenwärtigt man sich den Zweck des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, bei der Körperschaft die Grenzen zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung einzuhalten, so kann es für die Vorteils-Frage lediglich darauf ankommen, ob die Körperschaft Zwecke außerhalb ihrer Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Entscheidend ist dabei allein die Veranlassung der Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis, also die Frage, ob die Leistung im Interesse des Gesellschafters erfolgte451. Hierfür können der unmittelbare finanzielle Vorteil für den Gesellschafter und das Nahestehen zwischen Gesellschafter und dem begünstigten Dritten immer nur ein Indiz bieten452. Im Grundsatz muss für die (aus Sicht des Gesellschafters) private – und damit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste – Zuwendung die Befriedigung jedes, auch eines immateriellen Interesses des Gesellschafters genügen können453. Entschärfend hat daher Wolfgang Schön zum Verhältnis von gesellschaftsrechtlicher Veranlassung und Vorteils-Erfordernis zutreffend festgestellt454: „Erkennt man aber, dass ein Vorteil für den Gesellschafter schon darin liegen kann, dass auf seine Veranlassung und gemäß seinen Wün448 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 59d; Gosch KStG § 8 Rn. 227; Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 28; Rengers in Blümich,§ 8 KStG Rn. 243; Schwedhelm in Streck, KStG § 8 Rn. 183; Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rn. 125. Anders aber Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 71, für die der Vorteil für den Gesellschafter notwendige Voraussetzung für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis ist. 449 BFH v. 6.12.2005, BFH VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722. 450 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 227. 451 Vgl. Schön in Festgabe Flume, S. 265, 295. 452 So auch Frotscher, GmbHR 1998, 23, 28. 453 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 59d. Ebenso Gosch in Gosch, KStG § 8 Rn. 227: „Auch eine nur mittelbare (materielle oder immaterielle) Vorteilsverschaffung und damit der unmittelbare Vorteil bei einer dem Gesellschafter nahestehenden Person kann genügen.“ 454 Schön in Festgabe Flume, S. 265, 295.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
schen über Vermögen der Gesellschaft verfügt wird, so dürfte es schwer fallen, eine Situation zu finden, in welcher zwar die gesellschaftsrechtliche Veranlassung, aber kein derartiger Gesellschaftervorteil festgestellt werden können.“ Schließlich bleibt dennoch festzuhalten, dass ein eigener Vermögensvorteil des Gesellschafters – etwa in Fällen einer Schuldbefreiung oder der Ersparnis eigener Aufwendungen – regelmäßig die Indizwirkung für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis verstärken wird. 3. Beweisrechtliche Bedeutung des Näheverhältnisses für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis a) Anscheinsbeweis und Indizienbeweis Bevor die Voraussetzungen und Fallgruppen des „Nahestehens“ näher untersucht werden, empfiehlt sich zunächst ein kurzer Blick auf die beweisrechtliche Bedeutung455 der verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“, soweit sie für die Zwecke dieser Untersuchung von Bedeutung sind. Nach den allgemeinen Regeln trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast für die Tatsachen, die den Steueranspruch begründen. Sind diese festgestellt, so trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast dafür, dass der Steueranspruch trotz der steuerbegründenden Tatsachen dennoch nicht entstanden ist456. Gewendet auf die verdeckte Gewinnausschüttung hat also die Finanzbehörde die Feststellungslast dafür zu tragen, dass die Körperschaft eine Vermögensminderung oder verminderte Vermögensmehrung erlitten hat, dass diese zu einer Minderung der Einkünfte geführt hat und dass dies durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist457. Allerdings ist es in der Praxis für die Finanzbehörde regelmäßig kaum oder nur mit großem Aufwand möglich, nachzuweisen, dass die Zuwendung an den Dritten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist458. Um diesem erheblichen praktischen Problem der Beweisführung zu begegnen, behandelt die Rechtsprechung die Tatsache des „Nahestehens“ als Anscheinsbeweis459 oder – seit einiger Zeit zumindest terminologisch regelmäßig – als 455 Eingehend zum Nachweis der verdeckten Gewinnausschüttung Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 278 ff. 456 Vgl. etwa BFH v. 15.7.1986, VII R 145/85, BStBl. II 1986, 857. 457 BFH v. 20.3.1974, I R 197/72, BStBl. II 1974, 430; BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 278a. 458 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 72. 459 BFH v. 27.1.1972 I R 28/69, BStBl. II 1972, 320, 322; BFH v. 31.7.1974, I R 238/72, BStBl. II 1975, 48, 49; BFH v. 13.4.1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395, 396; weite-
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
Indiz460 für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis461. Allgemeine Voraussetzung für einen Anscheinsbeweis462 ist, dass sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzel umstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt463. Dann kann von einer feststehenden Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder umgekehrt geschlossen werden. Somit stützt sich der Anscheinsbeweis auf Erfahrungssätze464. Für die Belange dieser Untersuchung bleibt aber entscheidend festzuhalten, dass der Anscheinsbeweis nicht auf individuelle Verhaltensweisen in bestimmten Lebenslagen anzuwenden ist465. Graduell muss der Erfahrungssatz so stark sein, dass für die Überzeugungsbildung vorrangig auf ihn abzustellen ist und die Umstände des Einzelfalles in den Hintergrund treten. In diesen Fällen wird der streitige Geschehensablauf nicht in seinen Details aufgeklärt, sondern von vorneherein als gegeben angenommen466. Hierfür kann die bloße Berufung auf die einfache Lebenserfahrung aber nicht ausreichen. Hingegen ist der Indizienbeweis467 auf tatbestandsfremde Tatsachen gerichtet, aus denen der Schluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Tatbestandsmerkmals gezogen werden soll468. Zu den Indizien gehören auch die Hilfstatsachen des Beweises, welche die Zulässigkeit oder die Beweiskraft eines Beweismittels betreffen. Überzeugungskräftig ist der Indizienbeweis, wenn andere Schlüsse aus den Indizientatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen469. Folglich hat der Richter in zwei Schritten zu prüfen: Zunächst ist zu untersuchen, ob die tatbestandsre Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 74. 460 Insbesondere BFH v. 18.12.1996 I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302: “Da das Nahestehen lediglich ein Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist […]“; BFH v. 22.2. 1989 I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; BFH v. 22.2.1989 I R 172/86, BFH/NV 1989, 669, 670; BFH v. 8.8. 1996 I B 115/95. 461 Vgl. zum Folgenden insbesondere Pezzer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 81 bis 90, sowie die ausführliche Darstellung bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 72 bis 86. 462 Dieser wird häufig auch als „Prima-facie-Beweis“ bezeichnet. Näher zum Anscheinsbeweis etwa Reichold in Thomas/Putzo, ZPO § 286 Rn. 12ff.; monographisch für das Steuerrecht Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung im Ertragsteuerrecht, 2006. 463 BGH v. 5.4.2006, VIII ZR 283/05, NJW 2006, 2262. 464 Diese Erfahrungssätze werden häufig auch als „tatsächliche Vermutungen“ bezeichnet. 465 BGH v. 26.1.1983, IV b ZR 344/81, NJW 1983, 1548, 1551. 466 BGH v. 18.3.1987, IV a ZR 205/85, BGHZ 100, 214, 216. 467 Monographisch Hintze, Indizien in der Finanrechtsprechung, 2008; zur Bedeutung von Indizien in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch Spindler, StbJb 2002/2003, 61. 468 Reichold in Thomas/Putzo, ZPO Vorbem § 284 Rn. 11. 469 Vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO Vorbem § 284 Rn. 11.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
fremde Tatsache (das Indiz), unterstellt man ihre Erwiesenheit, logisch überhaupt den Schluss auf das Tatbestandsmerkmal zulässt470. Wird dies bejaht, so ist mit den üblichen Beweismitteln zu untersuchen, ob die Indiztatsache bewiesen ist471. Somit besteht der entscheidende Unterschied zum Anscheinsbeweis darin, dass beim Indizienbeweis in jedem einzelnen Fall die Beweiskraft des Erfahrungssatzes im Rahmen der Feststellung des logischen Beweiswerts neu erforscht werden muss. Hingegen treten beim Anscheinsbeweis die Einzelumstände in den Hintergrund zugunsten der auf der Lebenserfahrung beruhenden Vermutung, welche die fehlenden Glieder in der Beweisführung überbrückt472. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die verdeckte Gewinnausschüttung, so ist zunächst festzustellen, dass die Beweislast für deren Vorliegen die Finanzbehörde trägt. Aus Sicht der Finanzverwaltung stellt die Annahme eines Anscheinsbeweises offensichtlich als günstiger dar: In diesem Fall ist die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nämlich schon dann bewiesen, wenn das Bestehen des Näheverhältnisses und die Unangemessenheit der Leistung bewiesen sind. Im Falle des Indizienbeweises aber hat der Richter darüber hinaus in jedem Einzelfall die Beweiskraft der Lebenserfahrung zu prüfen, dass das konkret betroffene Näheverhältnis die Leistung der Gesellschaft tatsächlich beeinflusst bzw. veranlasst hat. b) Grundlegende Änderung der Rechtsprechung? In der früheren Rechtsprechung sprach bei Zuwendungen an „nahestehende Personen“ der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Gesellschaft geleistete Vorteil mittelbar dem bzw. den Gesellschaftern selbst zugewendet wurde473. In den einschlägigen Fällen wurde im Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und der dritten Person die Grundlage eines Anscheinsbeweises gesehen, durch welchen das – damals noch von der Rechtsprechung für erforderlich gehaltene – Merkmal des Vorteils für den Gesellschafter bewiesen werden konnte. Durch den Anscheinsbeweis sollte zugleich die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nachgewiesen werden474. Im Urteil vom 18.12.1996475, welches bereits im Kontext des Vorteils-Erfordernisses für den Gesellschafter erörtert wurde, sieht der Bundesfinanzhof – soweit ersichtlich zum ersten Mal in die470 Folglich muss der „logische Beweiswert“ festgestellt werden. 471 Vgl. BGH v. 4.7.1989, VI ZR 309/88, NJW 1989, 2947. 472 Vgl. Pezzer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 83 f.; für den Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung siehe Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 84. 473 BFH v. 27.1.1972 I R 28/69, BStBl. II 1972, 320, 322; BFH v. 31.7.1974, I R 238/72, BStBl. II 1975, 48, 49; BFH v. 13.4.1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395, 396 474 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 75. 475 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301.
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ser Terminologie – im Nahestehen lediglich ein „Indiz“ für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis476. Ob hierin tatsächlich eine grundlegende Abkehr der Rechtsprechung vom Anscheinsbeweis zu sehen ist, scheint jedoch sehr fraglich, da sich bei genauer Betrachtung die Bedeutung der neuen Terminologie relativiert. Zum ersten verweist der I. Senat in seiner Entscheidung mehrfach ausdrücklich auf frühere Entscheidungen im Zeichen des Anscheinsbe weises. Zum zweiten erscheint es in Anbetracht der konkreten Sachverhaltskonstellation im Urteil vom 18.12.1996 durchaus denkbar, dass das Gericht hinsichtlich der konkreten Nähebeziehung477 keinen hinreichend gesicherten Erfahrungssatz dafür sah, dass die Zuwendung an die dritte Person durch das Nahestehen beeinflusst war478. Zum dritten lässt sich aus der Terminologie jüngerer Entscheidungen ableiten, dass der Bundesfinanzhof auch zukünftig zumindest für solche Näheverhältnisse von einem – im Vergleich zum Indiz stärkeren – Anscheinsbeweis ausgehen möchte, die schon nach der „alten“ Rechtsprechung einen Prima-facie-Beweis für den mittelbaren Vorteil für den Gesellschafter darstellten479. Anzeichen für eine grundlegende Rechtsprechungsänderung sind somit nicht ersichtlich480. Gesichert scheint allein die Annahme, dass Näheverhältnisse jedenfalls als Indizien für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis in Betracht kommen, wenn ein ausreichend gesicherter Erfahrungssatz für den Anscheinsbeweis nicht anzunehmen ist481. 4. Überblick über ausgewählte Beziehungen zwischen Gesellschafter und Drittem in der Rechtsprechung a) Zuwendungsempfänger ist eine natürliche Person (1) Familienrechtliche Beziehungen i. Ehegatten und nichteheliche Lebensgemeinschaft Die praktisch wichtigste Fallgruppe des „Nahestehens“ stellen familienrechtliche Verhältnisse in ihren vielfältigen Erscheinungsformen dar. So werden Ehegatten seit jeher von der Rechtsprechung482 als einander „na476 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 477 Hier ging es um Leistungen einer Gesellschaft an die Witwe des Stiefsohns der beherrschenden Gesellschafterin. 478 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 75. 479 Vgl. etwa BFH, v. 19. 6. 2007, VIII R 54/05, BStBl II 2007, 830; BFH, v. 30.11.2010, VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449. 480 So schon die frühere Einschätzung bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 83 f. 481 Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 85. 482 Für die Systematisierung der umfangreichen Judikatur kann im Folgenden auf die sorgfältige Untersuchung von Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 86 ff. zurückgegriffen werden.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
hestehende Personen“ angesehen483. Auch durch den Betriebsaufspaltungs-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.3.1985484, welcher die Zusammenrechnung von Ehegattenanteilen ohne weitere zusätzliche Begründung untersagt, wurde die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur verdeckten Gewinnausschüttung an Ehegatten und ihre Annahme eines Anscheinsbeweises nicht in Frage gestellt. Zu Recht weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass es hier entscheidend darauf ankomme, dass die Ehe nur ein Fall unter vielen sei, in welchem von einem „Nahestehen“ ausgegangen werde485. Zudem wird hier gerade nicht allein an die Angehörigeneigenschaft angeknüpft, sondern Ausgangspunkt ist regelmäßig ein wirtschaftlich unausgeglichenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Unproblematisch nimmt der Bundesfinanzhof ein ausreichendes Näheverhältnis auch zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an486. Ob auch geschiedene Ehegatten als nahestehende Personen anzusehen sind, lässt sich der bisherigen Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen487. Bedenkt man jedoch, dass gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO auch geschiedene Ehegatten als Angehörige gelten, so spricht insbesondere unter Berücksichtigung möglicher Unterhaltspflichten488 vieles dafür, dass die Rechtsprechung auch hierin ein Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschafsverhältnis sieht. Doch selbst die Annahme eines Anscheinsbeweises würde den Gesellschafter nicht unverhältnismäßig belasten: Im Einzelfall könnte dieser darlegen, dass er gar nicht unterhaltsverpflichtet ist und aufgrund eines Zerwürfnisses auch keine freiwilligen Leistungen an den geschiedenen Partner erbringen würde489. Zwar ist eine Entscheidung zur Verlobung als Grundlage des „Nahestehens“ soweit ersichtlich bisher noch nicht ergangen. Exemplarisch zeigte sich aber der IV. Senat im Umgang mit Verlobten sehr zurückhaltend: So 483 So schon RFH v. 11.1.1927, I A 409/26, RFHE 20, 169; besonders anschaulich im Hinblick auf die beweisrechtliche Würdigung BFH v. 27.1.1972, I R 28/69, BStBl. II 1972, 320. Vgl. im Übrigen die zahlreichen Fundstellen bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 88, Fußnote 4. 484 BVerfG v. 12.3.1985, 1 BvR 571/81 u. a., BStBl. II 1985, 475. 485 BFH v. 2.3.1988, I R 103/86, BStBl. II 1988, 786, 788. 486 In BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302 ausdrücklich aufgeführt. 487 Zwar behandeln sowohl BFH v. 16.2.1977, I R 132/75, BStBl. II 1977, 444 als auch BFH v. 6.2.1985, I R 80/81, BStBl. II 1985, 420 Pensionsrückstellungen einer GmbH zugunsten einer geschiedenen Ehefrau. In beiden Fällen konnte aber unabhängig vom Begriff des „Nahestehens“ entschieden werden. Hierzu näher Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 96 ff. 488 Zutreffend Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 98: „Es entspricht der Lebenserfahrung, dass geschiedene Ehegatten einander regelmäßig Vorteile nur insoweit zukommen lassen (wollen), als sie dazu verpflichtet sind oder sich dazu verpflichtet fühlen“. 489 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 96 f.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
wurde zu einem über zwei Jahre vor der Heirat begonnenen Arbeitsverhältnis entschieden, dass bei Verlobten nicht wie bei Ehegatten generell vom Fehlen gegenläufiger Interessen ausgegangen werden könne. Vielmehr begründe das Verlöbnis anders als die Ehe von Rechts wegen weder eine Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft noch eine Rechtsgrundlage für Dienstleistungen. Es müssten vielmehr besondere Anhaltspunkte für eine private Veranlassung vorliegen490. Für die Zwecke der verdeckten Gewinnausschüttung wird einer solchen restriktiven Behandlung von Verlobten jedoch nicht gefolgt werden können. Unabhängig davon, ob diese später tatsächlich heiraten, dürfte nach dem großzügigen Prüfungsmaßstab der Rechtsprechung ohne weiteres von einem ausreichenden Näheverhältnis auszugehen sein. Dies erscheint zum einen schon durch einen Vergleich mit den im Folgenden dargestellten sonstigen Verwandtschaftsverhältnissen geboten. Zum zweiten ist zu beachten, dass auch Verlobte gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 AO „Angehörige“ sind. ii. Sonstige „nahe Verwandte“ Darüber hinaus sieht die Rechtsprechung auch in anderen familiären Bindungen491 eine hinreichende Grundlage des „Nahestehens“. In einer Vielzahl von Entscheidungen wurden Eltern492 ohne weiteres als nahestehende Personen anerkannt. Als weitere Näheverhältnisse hat der Bundesfinanzhof die Beziehung zu Geschwistern493, Tanten494 und Schwägern495 anerkannt. In diesen Fällen dienten die Nähebeziehungen sogar als Grundlage für einen Anscheinsbeweis. Eine größere Anzahl von Entscheidungen findet sich zu der Frage, ob auch Kinder496 als Zuwendungsempfänger ein „Nahestehen“ begründen. 490 BFH v. 17.1.1985, IV R 149/84, BFH/NV 1986,148. Kritisch zu diesen Ausführungen schon BFH v. 22.4.1998, X R 163/94, DStRE 98, 950, 951. 491 Siehe hierzu Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 100 ff. 492 Soweit ersichtlich beziehen sich die Entscheidungen weit überwiegend auf die Mütter der Gesellschafter. Exemplarisch verpflichtete sich in BFH v. 11.3.1952, I 3/52 U, BStBl. III 1952, 119 die beschwerdeführende GmbH, an die Mutter ihrer beiden Gesellschafter, die mit je 50 % am Stammkapital beteiligt und auch Geschäftsführer der Gesellschaft waren, für den Bau von zwei Einfamilienhäusern verlorene Baukostenzuschüsse bis zu 60.000 DM zu geben; BFH v. 11.10.1955, I 47/55 U, BStBl. III 1955, 397; BFH v. 10.7.1963, I 299/61, HFR 1963, 441; BFH v. 17.7.1963, I 11/61, HFR 1963, 443; BFH v. 29.9.1981 VIII R 8/77, BStBl. II 1982, 248; BFH v. 13.4.1988, I R 284/82, BFH/NV 1989, 395; BFH v. 27.7.1988, I R 68/84, BStBl. II 1989, 57. 493 BFH v. 21.1.1970, I R 125/67, BStBl. II 1970, 466; BFH v. 5.7.1990, I B 38/90, BFH/ NV 1991, 121. 494 BFH v. 17.7.1963, I 11/61, HFR 1963, 443. 495 BFH v. 28.1.2004, I R 50/03, BStBl. II. 2005, 524. 496 Schon RFH v. 9.1.1931, I e A 160/30, StuW 1931 Nr. 315; RFH v. 15.11.1932, I A 124/32, RFHE 32, 85; BFH v. 3.4.1974, I R 241/71, BStBl. II 1974, 497 (Sohn); BFH
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Bei unbefangener Betrachtung ließe sich durchaus eine Differenzierung zwischen minder- und volljährigen Kindern erwägen: Regelmäßig sind Minderjährige in Ermangelung ausreichender Lebens- und Geschäftserfahrung in stärkerem Maße persönlich und wirtschaftlich von ihren Eltern abhängig als volljährige Kinder. Diese verfügen aufgrund ihrer fortgeschrittenen Lebenserfahrung im Idealfall über ein größeres Maß an persönlicher Unabhängigkeit, die nicht zuletzt in weitgehender wirtschaftlicher Selbstständigkeit zum Ausdruck kommt. Einer solchen Differenzierung ist der Bundesfinanzhof jedoch entschieden entgegen getreten und erklärte ausdrücklich, dass der Beweis des ersten Anscheins nicht durch die Volljährigkeit und die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Kindes entkräftet werden könne497. Auch in diesen Fällen könne der Anscheinsbeweis allein durch die Feststellung entkräftet werden, dass die Zuwendung ihre Ursache allein in den (eigenen) Beziehungen der Gesellschaft zum volljährigen Kind habe498, was im zu entscheidenden Fall nicht gelang. Im seinem bereits häufig angesprochenen Urteil vom 18.12.1996499 wertete der Bundesfinanzhof das Verhältnis zwischen der Witwe des Stief sohns und der beherrschenden Gesellschafterin als Indiz für eine Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis. Hiernach sei die familienrechtliche Beziehung eines Ehegatten zur Stiefmutter des anderen Ehegatten eine solche, die den Schluss zulasse, sie habe Vorteilszuwendungen einer von der Stiefmutter beherrschten Kapitalgesellschaft an den Ehegatten des verstorbenen Stiefkindes beeinflusst. Wenngleich die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung den Begriff der „Angehörigen im Sinne des § 15 AO“ nicht ausdrücklich verwendet und stattdessen terminologisch auf „nahe Verwandte“500 abstellt, so bleibt doch offen, wer als naher Verwandter in diesem Sinne anzusehen ist. Der anscheinend bewusste Verzicht der Rechtsprechung auf den Angehörigen-Begriff des § 15 AO könnte darauf hindeuten, dass im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung ein engeres Begriffs verständnis zugrunde gelegt werden soll. Hingegen führt der Bundesfinanzhof im Urteil vom 18.12.1996501 auch ausdrücklich aus, dass ein Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht nur aufgrund von Angehörigenverhältnissen im Sinne des § 15 AO in Bev. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306 (Tochter); BFH v. 6.4.1977, I R 86/75, BStBl. II 1977, 569 (Sohn); BFH v. 8.10.1985, VIII R 284/83, BStBl. II 1986, 481 (Sohn); BFH v. 13.7.1994, I R 43/94, BFH/NV 1995, 548 (Sohn). 497 BFH v. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306, 307. 498 BFH v. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306, 307. 499 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 500 BFH v. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306, 307; BFH v. 6.4.1977, I R 86/75, BStBl. II 1977, 569, 570. 501 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
tracht kommt502, sondern auch durch sonstige familienrechtliche Beziehungen möglich ist. Folglich reicht die Fallgruppe des „nahen Verwandten“ zum Teil auch weiter als der Anwendungsbereich des § 15 AO. Ob es schließlich auch Angehörige im Sinne des § 15 AO gibt, welche die Rechtsprechung nicht ohne weiteres als „nahestehende Personen“ wertet, lässt sich den bisher ergangenen Entscheidungen nicht entnehmen. Für die Zukunft ist also davon auszugehen, dass die Rechtsprechung zumindest alle Angehörigenverhältnisse im Sinne des § 15 AO als Grundlage des Anscheinsbeweises für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis anerkennen wird, während sonstige familienrechtliche Beziehungen zumindest ein Indiz hierfür bieten503. (2) Sonstige persönliche Näheverhältnisse i. Freundschaft Neben familienrechtlichen kommen auch sonstige persönliche Beziehungen als Grundlage des „Nahestehens“ in Betracht. Beurteilungsmaßstab für derartige Näheverhältnisse „rein tatsächlicher Art“504 soll sein, ob die persönliche Beziehung so eng ist, dass der Gesellschafter Gründe haben kann, seine Kapitalgesellschaft zu veranlassen, der anderen Person Vermögenswerte zuzuwenden505. Besonders praxisrelevant erscheint die Frage, ob hierfür eine Freundschaft in Betracht kommen kann. In seinem Urteil vom 18.12.1996 hat der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung506 ausdrücklich ausgeführt, dass jedenfalls enge persönliche Freundschaften durchaus taugliche Grundlage des „Nahestehens“ sein können507. Hingegen sollen „gewöhnliche freundschaftliche Beziehungen“ für eine solche Annahme per se nicht ausreichen können508. Treffsicher hat die Klägerin dieses Verfahrens in ihrem Vortrag vor dem Finanzgericht die Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich aus einer solchen Differenzierung zwangsläufig ergeben, auf den Punkt gebracht, indem sie ausführt: „[…] dass zwischen ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer, Herrn A., und Herrn Dr. B. ein Verhältnis bestanden habe, das die Prüfer ruhig Freundschaft nennen mögen, das man aber ebenso gut auch vertrauensvoll nennen könne“509. 502 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302: „Zu ihnen gehören z. B. […] auch familienrechtliche Beziehungen zu Personen, die keine Angehörigen i. S. des § 15 AO 1977 sind“. 503 So bereits Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 102. 504 So die Terminologie in BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 505 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8 KStG Anhang Rn. 64. 506 BFH v. 25.10.1963, I 325/61 S, BStBl. III 1964, 17. 507 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301, 302; zustimmend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 64. 508 Vgl. FG des Landes Brandenburg v. 2.9.2003, 2 K 1263/01, EFG 2004, 1859. 509 FG des Landes Brandenburg v. 2.9.2003, 2 K 1263/01, EFG 2004, 1859, 1860.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Die Problematik derartiger Differenzierungen liegt auf der Hand: Wo endet ein vertrauensvolles Verhältnis und wo beginnt eine Freundschaft? Wann ist eine Freundschaft als „gewöhnlich“ und unter welchen Umständen als „eng“ zu bewerten? Schon auf einer abstrakten Ebene fällt es schwer, die sehr individuelle und höchstpersönliche Struktur einer (engen) Freundschaft zu erfassen. Es liegt gerade im emotionalen Wesen der Freundschaft, dass ihr Bestehen nicht von nach außen erkennbaren und greifbaren Strukturelementen wie etwa regelmäßigen Treffen oder der Dauer gemeinsam verbrachter Zeit abhängig gemacht werden kann. Allerdings ist daran zu erinnern, dass es gerade nicht darum geht, ein Tatbestandsmerkmal „enge Freundschaft“ abstrakt zu definieren. Vielmehr prüft das Gericht im Einzelfall stets lediglich, ob die (konkrete) Beziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Bedenkt man jedoch aus der praktischen Perspektive, dass die Finanzverwaltung die Darlegungs- und objektive Beweislast für das Vorliegen der „engen Freundschaft“ trägt, so erscheint ein solcher Nachweis in vielen Fällen als hohe Hürde. ii. Jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit In die Kategorie der persönlichen Näheverhältnisse sind ebenfalls zwei Urteile des Bundesfinanzhofs einzuordnen, in welchen ein „Nahestehen“ aufgrund jahrelanger geschäftlicher Zusammenarbeit510 angenommen wurde. Den beiden Urteilen lag jeweils ein Sachverhalt zugrunde, in welchem sich infolge der jahrelangen Zusammenarbeit intensive persönliche Beziehungen entwickelt haben, die über das Maß bloßer Kooperation hinausgehen. Im ersten Fall gewährte der Gesellschafter-Geschäftsführer seiner Haushälterin wegen ihrer Tätigkeit als Hausgehilfin eine Versorgungszusage511. Bemerkenswert erscheint, dass der Bundesfinanzhof den Arbeitsvertrag zwischen den beiden nicht ausdrücklich ansprach und stattdessen seine Entscheidung allein darauf stützte, dass die Haushälterin die Versorgungszusage wohl aufgrund der persönlichen Verbundenheit infolge ihrer langjährigen Tätigkeit im Hause des Gesellschafter-Geschäftsführers erhielt. Im zweiten Urteil aus den 1960er Jahren512 wird sehr anschaulich festgestellt, wie aus wechselseitiger, jahrelanger geschäftlicher Zusammenarbeit in den schwierigen Zeiten des Krieges sowie des Wiederaufbaus in den Nachkriegsjahren auch persönliche Bezie510 Hierzu Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 164 ff. 511 BFH v. 5.7.1961, I 117/61, DB 1961, 1216. 512 BFH v. 25.10.1963, I 325/61 S, BStBl. III 1964, 17: „Dadurch, dass Y. während des Krieges und danach als Vertreter der Eheleute X. tätig war, den Aufbau der zerstörten Betriebe leitete, seine Erfahrungen als Techniker zur Verfügung stellte, sind auch enge persönliche Beziehungen zu den Eheleuten X nicht von der Hand zu weisen […]“.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
hungen zwischen den Beteiligten entstanden sind. Auch hier bejahte das das Gericht folglich ein „Nahestehen“. Im Ergebnis ist dieser Rechtsprechung jedenfalls insofern zuzustimmen, als die jahrelange geschäftliche Kooperation nach allgemeiner Lebenserfahrung zumindest die Möglichkeit eröffnet, über die Geschäftsbeziehung hinausgehende zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen, die dazu führen können, dass die eine Person der anderen Vorteile zukommen lassen möchte513. In seiner Judikatur übersieht der Bundesfinanzhof auch nicht, dass kein Automatismus zwischen jahrelanger Zusammenarbeit und einer persönlichen Beziehung besteht. Zutreffend wurde in beiden Fällen auf die besonderen Umstände der konkreten Zusammenarbeit abgestellt: Während im erstgenannten Fall die langjährige Tätigkeit als Haushälterin im privaten und damit besonders persönlichen Bereich des Gesellschafters erfolgte, stand im zweiten Fall im Vordergrund, dass der Zuwendungsempfänger schon durch frühere Vertrauensbeweise in „Notzeiten“ und das besondere Engagement in der schwierigen Nachkriegszeit ein besonderes persönliches Verhältnis begründet hatte. iii. Berufsverbundenheit Unter dem Schlagwort „Berufsverbundenheit“ fasst Stolze unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung Konstellationen zusammen, in welchen die Nähebeziehung zwischen Gesellschafter und Zuwendungsempfänger allein darin bestehen soll, dass beide denselben Beruf ausüben oder zumindest Verbindungen zu demselben Beruf haben und Kunden derselben Gesellschaft sind514. In seinem Urteil vom 11.12.1956515 lehnte es der Bundesfinanzhof ausdrücklich ab, die Zuwendungsempfänger allein deshalb als den Gesellschaftern nahestehende Personen einzuordnen, da sie „demselben Berufsstand angehören“ wie die Gesellschafter. Hier ging es um die Entscheidung der Frage, ob Milchgeldzahlungen, welche eine Molkereigenossenschaft ihren Milchlieferanten zahlte, zu denen sowohl Genossen als auch Nichtgenossen gehörten, als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen waren. In den Urteilsgründen beschränkte sich der Bundesfinanzhof darauf, festzustellen, dass der vom Reichsfinanzhof abweichend entschiedene „Eisenbahnerfall“516 keine Verallgemeinerung zulasse, da dieser einen Sonderfall betroffen habe: Auch im „Eisenbahnerfall“ ging es um Leistungen einer Genossenschaft, deren Gegenstand 513 Zutreffend Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 165. 514 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 158; terminologisch angelehnt an Felix, StbJb 1954/55, 277, 283 und v. Wallis, DStR 1963, 349, 350. 515 BFH v. 11.12.1956, I 179/55, DB 1957, 275. 516 RFH v. 18.1.1938, I 226/37, RStBl. 1938, 581 („Eisenbahnerfall“).
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
die Versorgung von Eisenbahn-Mitarbeitern mit günstigen Brennstoffen war. Unter bestimmten Voraussetzungen sollte nach der Satzung auch der Verkauf an Nichtgenossen zulässig sein, sofern es sich um Eisenbahner im Dienst oder im Ruhestand bzw. um deren Witwen handelte. Der Reichsfinanzhof sah die Nichtgenossen als den Genossen „nahestehende Personen“ an, da sie „[…] durch ein enges Band gemeinschaftlicher dienstlicher und beruflicher Interessen zusammengehalten“517 würden. Im Ergebnis erkennt die Rechtsprechung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe somit ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht als ausreichendes Näheverhältnis an. b) Zuwendungsempfänger ist eine Gesellschaft oder eine sonstige Körperschaft (1) Grundlagen der „Gesellschafteridentität“ Die dargestellten Grundsätze über „nahestehende Personen“ können nach der Rechtsprechung auch dann unmittelbare Anwendung finden, wenn nach dem äußeren Geschehensablauf der Empfänger der Zuwendung keine natürliche Person ist: Als „nahestehende Personen“ kommen danach Kapitalgesellschaften518, Personenhandelsgesellschaften519 sowie rechtsfähige Vereine520 in Betracht. Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit ist jedoch, dass es sich überhaupt um eine „Person“ im Sinne des Steuerrechts handelt, die also nach deutschem Zivilrecht zumindest teilrechtsfähig ist521. Nur auf diese Weise kann eine von den Gesellschaftern verschiedene Person – also die Gesellschaft selbst – den Vorteil erhalten. Diese Voraussetzung erfüllt inzwischen auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, seit ihr die Zivilrechtsprechung Teilrechtsfähigkeit zubilligt522. Als überholt anzusehen ist daher ein entgegenstehendes älteres Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1990523, wonach eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine „nahestehende Person“ sein kann. Von großer Bedeutung für die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung sind seit langer Zeit die verschiedenen Fallkonstellationen, 517 RFH v. 18.1.1938, I 226/37, RStBl. 1938, 581, 582. 518 Schon RFH v. 28.4.1932, I A 466/31, RStBl. 1932, 713 (GmbH); BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195; BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, BFHE 223, 131; weitere Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 119 Fn. 32; mit Fallbeispielen Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 29. 519 Grundlegend BFH v. 1.10.1986, I R 54/83, BStBl. II 1987, 459 (OHG und KG); BFH v. 22.2.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631 (KG); weitere Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 120 Fn. 33. 520 BFH v. 6.12.1967, I 98/65, BStBl. II 1968, 322. 521 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 69a. 522 Grundlegend BGH v. 29.1.2001, II ZR 331/00, NJW 2001, 1056. 523 BFH v. 5.12.1990, I R 106/88, BFH/NV 1991, 841.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
in denen an der leistenden und der empfangenden Gesellschaft jeweils dieselben oder nahezu dieselben Personen beteiligt sind („Gesellschafter identität“)524. Schon vor knapp 100 Jahren prägte das Preußische Oberverwaltungsgericht für derartige Fälle die Bezeichnung „Gewinnausschüttung auf dem Umweg über eine andere Gesellschaft“525. Schließt eine Gesellschaft mit einer zweiten Gesellschaft einen Vertrag ab, durch welchen diese eine unangemessen hohe Leistung erhält, so nimmt die Rechtsprechung in Höhe dieses Vorteils eine verdeckte Gewinnausschüttung der zuwendenden Gesellschaft an ihre in der empfangenden Gesellschaft zusammengefassten Gesellschafter an, wenn an beiden Gesellschaften dieselben (oder nahezu dieselben) Gesellschafter beteiligt sind526. Nach Auffassung der Gerichte stellen sich die angesprochenen Sachverhalte stets so dar, dass die erste Gesellschaft Gewinn an ihre Gesellschafter ausschüttet, welche diesen Vorteil wiederum in Form einer verdeckten Einlage an die zweite Gesellschaft weitergeben. Indem die zuwendende Gesellschaft den Vorteil unmittelbar an die empfangende Gesellschaft erbringt, wird dieser Leistungsweg abgekürzt. Der Vorteil für die an beiden Gesellschaften beteiligten Gesellschafter ist darin zu sehen, dass sie für ihre Einlagen bei der empfangenden Gesellschaft keine privaten Mittel aufwenden müssen527. Von entscheidender Bedeutung ist zum einen, dass die begünstigte zweite Gesellschaft selbst als „nahestehende Person“ behandelt wird528. Zum zweiten geht die Rechtsprechung immer davon aus, dass die Gesellschafter die Vorteile unmittelbar von der zuwendenden Gesellschaft erhalten und sie anschließend in die zweite Gesellschaft einlegen.529 Vor diesem Hintergrund könnte die traditionelle Terminologie „auf dem Umweg über eine andere Gesellschaft“ leicht in die Irre führen. Es handelt sich jedoch bloß um eine andere Perspektive auf denselben Vorgang. Ausgangspunkt des Preußischen Oberverwaltungsgerichts war, dass formaler Vorteilsempfänger die empfangende Gesellschaft ist und die Gesellschafter den Vorteil lediglich mittelbar über die Werterhöhung ihrer Beteiligung an der empfangenden Gesellschaft oder höhere Gewinnausschüttungen erhalten. Folglich kam es zu der Formu524 Siehe hierzu Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 110 ff. 525 Preuß. OVG v. 23.4.1918 VII. E. St. 115/17, Bd. 18, 96, 102. 526 Vgl. BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986; BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504.Zu den erforderlichen Beteiligungsverhältnissen sogleich. 527 BFH v. 23.10.1968, I 228/65, BStBl. II 1969, 243, 244; BFH v. 18.7.1985, IV R 135/82, BStBl. II 1985, 635, 636; BFH v. 1.10.1986, I R 54/83, BStBl. II 1987, 459, 461; vgl. auch Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 29. 528 So schon RFH v. 22.11.1938, I 372/38, RFHE 45, 198, 199 f. 529 Dies ergibt sich nach zutreffender Ansicht von Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 113 aus den Ausführungen in BFH v. 3.2.1971, I R 51/66, BStBl. II 1971, 408, 409 und BFH v. 18.7.1985, IV R 135/82, BStBl. II 1985, 635, 636.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
lierung, die Gewinnausschüttung erfolge „auf dem Umweg über die zweite Gesellschaft“. Unter welchen Voraussetzungen die Rechtsprechung von einer solchen Gesellschafteridentität in zuwendender und empfangender Gesellschaft ausgeht, soll im Folgenden skizziert werden. (2) Konzernmäßig verbundene Unternehmen als Hauptanwendungsfall Leistungen können auch dann als verdeckte Gewinnausschüttungen an den oder die gemeinsamen Gesellschafter beurteilt werden, wenn es sich bei den Gesellschaftern wiederum selbst um juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften handelt. In diesen Fällen ist die Beteiligungsstruktur „mehrstufig“, wodurch lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass es zumindest eine Beteiligungsstufe mehr gibt als bei Gesellschaften, deren Gesellschafter nur natürliche Personen sind. Die Beteiligungsverhältnisse sind mittelbar ausgestaltet. In der Rechtswirklichkeit handelt es sich bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen häufig um konzernrechtliche Strukturen, deren besondere Bedeutung sich auch in der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung widerspiegelt. Soweit ersichtlich waren sämtliche Fälle mehrstufiger Beteiligungen, in welchen der Bundesgerichtshof eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht zog, im konzernrechtlichen Kontext verortet530. Den Entscheidungen lagen stets Leistungen zwischen „verbundenen Unternehmen“ im Sinne des § 15 AktG zugrunde, da es sich bei den Beteiligten um Mutter-, Tochter-, Enkel und Schwestergesellschaften handelte531. Zwar bereitet die konzernrechtlich relevante Verbindung der Unternehmen der Rechtsprechung keine zusätzlichen Schwierigkeiten532. Hiernach drängt sich aber die Frage auf, ob nach An-
530 Vgl. exemplarisch BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 zur verdeckten Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft und der anschließenden Einlage in die Schwestergesellschaft; mit weiteren Nachweisen Stolze, Verdeckte Gewinn ausschüttung und nahestehende Person, S. 125 Fn. 53. 531 RFH v. 22.11.1938, I 372/38, RFHE 45, 198; BFH v. 21.12.1972, I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; BFH v. 6.4.1977, 571; BFH v. 28.1.1981, I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; BFH v. 19.5.1982, I R 102/79, BStBl. 1982, 631; BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195; BFH v. 23.10.1985, I R 248/81, BStBl. II 1986, 178; BFH v. 20.8.1986, I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; BFH v. 20.8.1986, I R 151/82, BFH/NV 1987, 468; besonders anschaulich der Beschluss des Großen Senats BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; aus jüngerer Zeit BFH v. 9.1.2007, I B 78/06, BFH/NV 2007, 1189; BFH v. 20.8.2008, I R 19/07, BStBl. II 2011, 60. Vgl. auch Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 114, die auf § 290 Abs. 2 HGB als Referenznorm für die Beteiligungsverhältnisse abstellt. 532 Siehe zu den möglichen Konstellationen zwischen verbundenen Unternehmen näher Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlagen bei Kapi talgesellschaften, S. 50 ff. und Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 114 ff.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
sicht des Bundesfinanzhofs eine beherrschende Stellung533 der Gesellschafter in beiden Gesellschaften erforderlich ist, was dieser im Ergebnis verneint hat, wie im Folgenden gezeigt wird. (3) Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse Bevor man sich den Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse im Falle der „Gesellschafteridentität“ zuwendet, ist daran zu erinnern, dass bei einer direkten Vorteilsgewährung an einen Gesellschafter dessen Beteiligungsquote für den allgemeinen Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung nicht von Bedeutung ist. Dementsprechend legt der Bundesfinanzhof seiner Judikatur auch ein weites Verständnis der „Gesellschafteridentität“ zugrunde und setzt nicht voraus, dass es sich formal um eine „echte Gesellschafteridentität“ handelt. Eine solche läge bei formaler Betrachtung nur dann vor, wenn an der den Vorteil gewährenden und der den Vorteil empfangenden Gesellschaft ausschließlich dieselben Gesellschafter beteiligt wären. Vielmehr hat das Gericht festgestellt, dass es ohne Bedeutung ist, wenn an der begünstigten Gesellschaft auch andere Personen beteiligt sind, die nicht Gesellschafter der leistenden Kapi talgesellschaft sind534. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der den Vorteil empfangenden Gesellschaft um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt535. Folglich können die Grundsätze über die nahestehende Person auch im Falle eines nur teilweise übereinstimmenden Gesellschafterbestandes Anwendung finden. Ebenso wenig setzt die Rechtsprechung voraus, dass die Beteiligungsverhältnisse an beiden Gesellschaften nach Gesellschafter und Höhe identisch sein müssen. Während sich dies der älteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht immer mit Sicherheit entnehmen ließ536 und nicht positiv festgestellt wurde, finden sich doch mehrere Entscheidungen537, denen ein Sachverhalt mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen zugrunde lag. Ein solches Kriterium darf jedoch nicht entscheidend sein. Dies ergibt sich schon daraus, dass es letztlich nur um eine Beteiligung gehen muss, welche es als möglich erscheinen lässt, dass die eine Gesellschaft der anderen im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis zu dem gemeinsamen Gesellschafter einen Vorteil gewährt538. Hierfür erscheint es aber 533 Vgl. dazu Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 66, der für die erforderliche Beteiligungshöhe eine Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 AStG empfiehlt. 534 BFH v. 1.10.1986, I R 54/83, BStBl. II 1987, 459; BFH v. 18.7.1985, IV R 135/82. 535 BFH v. 1.10.1986, I R 54/83, BStBl. II 1987, 459. 536 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 66. 537 BFH v. 25.10.1960, I 62/59 S, BStBl. III 1961, 69; BFH v. 22.4.1964, I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; BFH v. 3.2.1971, I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; BFH v. 28.1.1981, I R 10/77, BStBl. II 1981, 612. 538 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 66.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
keinesfalls notwendig, dass die Beteiligungsverhältnisse an beiden Gesellschaften nach Gesellschafter und Höhe identisch sind. Schon der Reichsfinanzhof hat es zudem genügen lassen, wenn an der empfangenden Gesellschaft nicht die Gesellschafter der zuwendenden Gesellschaft, sondern deren Angehörige beteiligt sind539. Für die Frage, wer im Kontext der verdeckten Gewinnausschüttung als „Angehöriger“ behandelt wird, kann auf die vorangegangene Darstellung der familienrechtlichen Beziehungen verwiesen werden. Gesellschafteridentität wurde sogar in „Misch fällen“540 angenommen, in welchen die Gesellschaften einen nur teilwei se übereinstimmenden Gesellschaftertatbestand hatten und an zumindest einer Gesellschaft außerdem Angehörige eines Gesellschafters beteiligt waren541. Schließlich macht es keinen Unterschied, ob ein oder mehrere Gesellschafter mittelbar oder unmittelbar an den Gesellschaften beteiligt sind542. Da auch eine mittelbare Beteiligung ausreicht, wird Gesellschafteridentität auch dann angenommen, wenn die zuwendende Kapitalgesellschaft selbst neben ihren Gesellschaftern an der empfangenden Gesellschaft beteiligt ist543: Hauptanwendungsfall einer solchen Konstellation ist offensichtlich die typische GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die zuwendende GmbH ist und deren Kommanditisten die Gesellschafter der GmbH sind544. Dementsprechend muss Gesellschafteridentität ebenso angenommen werden, wenn der unmittelbare Alleingesellschafter der zuwendenden Gesellschaft an der empfangenden Gesellschaft nur mittelbar zu 100 Prozent beteiligt ist545. Auch hieran zeigt sich, dass es nicht um eine formale Betrachtung der Gesellschafteridentität geht.
539 RFH v. 15.11.1932, I A 124/32, RFHE 32, 85; BFH v. 31.7.1974, I R 238/72, BStBl. II 1975, 48; BFH v. 5.7.1990, I B 38/90, BFH/NV 1991, 121; vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 123 f. 540 Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 124. 541 RFH v. 4.7.1932, I A 3/32, RStBl. 1933, 1031; RFH v. 13.3.1934, I A 240/32, RStBl. 1934, 668; BFH v. 14.3.1961, I 37/61 U, BStBl. III 1961, 460; BFH v. 3.4.1962, I 152/60; BFH v. 1.2.1966, I 121/63, BStBl. III 1966, 285; BFH v. 31.3.1971, I R 111/69, BStBl. II 1971, 536; BFH v. 27.1.1972, I R 28/69, BStBl. II 1972, 320; BFH v. 12.6.1974, I R 247/72, BStBl. II 1975, 21; BFH v. 31.3.1976, I R 123/74, BStBl. II 1976, 510. 542 Siehe oben die Ausführungen zu mehrstufigen Beteiligungen. 543 BFH v. 23.10.1968, I 228/65, BStBl. II 1969, 243; BFH v. 17.1.1973, I R 46/71, BStBl. II 1973, 418; BFH v. 14.8.1975, IV R 30/71, BStBl. II 1976, 88; BFH v. 22.2.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 544 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 122 unter Verweis auf BFH v. 17.1.1973, I R 46/71, BStBl. II 1973, 418 und BFH v. 22.2.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 545 BFH v. 20.8.1986, I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; BFH v. 20.8.1986, I R 151/82, BFH/NV 1987, 468; BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 und der entsprechende Vorlagebeschluss BFH v. 20.8.1986, I R 41/82, BStBl. II 1987, 65
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
Wie bereits dargestellt lagen den Urteilen zur verdeckten Gewinnausschüttung bei „Gesellschafteridentität“ im Wesentlichen Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen zugrunde546. Diese konzernrechtliche Einbettung der ergangenen Rechtsprechung könnte zu der Annahme verleiten, dass Voraussetzung für das Nahestehen eine beherrschende Stellung der betreffenden Gesellschafter sowohl in der vorteilsgewährenden als auch in der empfangenden Gesellschaft sei547. Einer solchen Annahme hat der Bundesfinanzhof in jüngerer Zeit ausdrücklich widersprochen548 und festgestellt, dass eine beherrschende Stellung in beiden Gesellschaften grundsätzlich nicht erforderlich ist549. Die beherrschende Stellung wird nur dann vorausgesetzt, wenn das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung allein auf das Fehlen einer vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung – also auf die nicht erfüllten Sonderbe dingungen für beherrschende Gesellschafter – gestützt werden soll550. Hingegen bedarf es einer solchen beherrschenden Stellung nicht, wenn sich – wie im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall – die verdeckte Gewinnausschüttung schon aus dem Vergleich mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ergibt. In diesem Fall kann auch eine Beteiligung unterhalb der Schwelle der beherrschenden Stellung ausreichen. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer direkten Vorteilsgewährung an einen Gesellschafter, bei welcher die Beteiligungsquote für den allgemeinen Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung ebenfalls nicht von Bedeutung ist551: Denn auch der allgemeine Tatbestand setzt nicht voraus, dass der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender ist oder dass er bestimmte Mindestbeteiligungsquoten erreicht. Potentieller Begünstigter der verdeckten Gewinnausschüttung ist auch der Minderheitsgesellschafter, der lediglich einen „Zwerganteil“ innehat552. Wenngleich eine beherrschende Stellung der Gesellschafter somit nicht erforderlich ist, können die Beteiligungsverhältnisse an zuwendender und empfangender Gesellschaft doch Bedeutung für den Beweis eines gesellschaftsrechtlichen Grundes der Leistung haben. Nach der Rechtsprechung besagt die Beteiligungsquote daher „[…] allenfalls etwas über die 546 Vgl. dazu die Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 125 Fn. 53. 547 So das Vorbringen der Klägerin in BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504. 548 BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 505. 549 Auch aus älterer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs lasse sich ein solches Erfordernis nicht ableiten, BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 506: “[…] dem lässt sich nicht entnehmen, dass die beherrschende Stellung des Gesellschafters in beiden Kapitalgesellschaften Voraussetzung für die Annahme eines Nahestehens ist“. 550 BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 505. 551 BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 505. 552 Gosch KStG § 8 Rn. 212.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Intensität des wirtschaftlichen Interesses der Gesellschafter an der Vorteilsgewährung“553. Ist ein Gesellschafter in erheblichem Umfang an beiden Gesellschaften beteiligt, so kann bei unausgewogener Leistung die Vermutung bestehen, dass die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis (zum Gesellschafter) veranlasst ist. Als besonders stark erscheint diese Vermutung zum Beispiel, wenn der Gesellschafter an der bevorteilten Gesellschaft zu einer deutlich höheren Quote beteiligt ist als an der zuwendenden: In diesem Falle erwächst dem Gesellschafter ein höherer Vorteil als der Nachteil, den er in der leistenden Gesellschaft erleidet554. Zum umgekehrten Fall einer „geringen Beteiligungshöhe“ hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 8.10.2008 ausgeführt, dass die Indiz wirkung des Nahestehens für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis dann zwar abgeschwächt sei, den Tatbestand des Nahestehens jedoch nicht beseitige. Von einer solchen „geringen Beteiligungshöhe“ könne im Falle einer 25-prozentigen Beteiligung allerdings keine Rede sein555. Wenn auch keine konkreten Beteiligungsquoten benannt werden, so lässt sich aus dieser Aussage doch ableiten, dass die Rechtsprechung für die Zwecke des Nahestehens zu Recht keine hohen Anforderungen an die (Mindest-)Beteiligungsquote legt. Im Schrifttum ist als Höchstgrenze für eine unschädliche geringfügige Beteiligung 5 Prozent vorgeschlagen worden, da der Gesellschafter in diesem Fall die leistende Gesellschaft auf gesellschaftsrechtlicher Basis nicht beeinflussen könne556. (4) Zuwendungen an „mittelbare Gesellschafter“ Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien, ergeben sich auch für Zuwendungen an „mittelbare Gesellschafter“ keine besonderen Anforderungen557, da sich diese regelmäßig als Fälle der „Gesellschafteridentität“ in einem weiteren Sinne verstehen lassen. So spricht der Bundesfinanzhof die mittelbare Beteiligung in den Urteilsgründen häufig gar nicht an. Lediglich in Einzelfällen hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass es sich beim mittelbaren Gesellschafter um eine dem unmittelbaren Gesellschafter „nahestehende Person“ handelt. Ein Großteil der einschlä gigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Leistungen an mittelbare Gesellschafter behandelt Vorteilszuwendungen zwischen konzernmäßig verbundenen Unternehmen, deren Gegenstand zumeist Leistungen einer Enkelgesellschaft an die Muttergesellschaft sind558: Die Rechtspre553 BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 505 f. 554 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 67a. 555 BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504, 506. 556 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 67a. 557 Für die Einordnung als eigenständige Fallgruppe aber wohl Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 132 ff. 558 Vgl. BFH v. 9.5.1985, IV R 76/83, BStBl. II 1985, 683; vgl. auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 66.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
chung nimmt in diesen Fällen eine verdeckte Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft an ihre Tochtergesellschaft (als Gesellschafterin) und eine weitere Ausschüttung der Tochtergesellschaft an ihre Gesellschafterin (Muttergesellschaft) an. Dies gilt auch dann, wenn es sich beim mittelbaren Gesellschafter um eine natürliche Person handelt559. Soweit ersichtlich560 beherrschte in sämtlichen entschiedenen Fällen der mittelbare Gesellschafter seine Gesellschaft und diese selbst wiederum beherrschte die zuwendende Gesellschaft561. Gleichwohl lässt sich der Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen, ob der Anscheinsbeweis562 eine solche „doppelte Beherrschung“ voraussetzt. Hierfür ließe sich ins Feld führen, dass erst eine beherrschende Beteiligung in beiden Gesellschaften es dem mittelbaren Gesellschafter ermöglicht, gegen den Willen der übrigen Mitgesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung durchzusetzen563. (5) Zuwendungen an Vereins- und Innungsmitglieder sowie Genossen Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann in Betracht, wenn ein Verein564, eine Genossenschaft565 oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts566 (unmittelbarer) Gesellschafter der zuwendenden Gesellschaft ist und diese den Mitgliedern beziehungsweise Genossen einen Vorteil zuwendet567. In allen entschiedenen Fällen waren Verein, Genossenschaft oder Innung jeweils beherrschende Gesellschafter der vorteilsgewährenden Gesellschaft. Zwar sind in diesen Fällen die Zahlungsempfänger natürliche Personen, doch rechtfertigt die strukturelle Vergleichbarkeit mit Zuwen559 BFH v. 13.12.1961, I 321/60 U, BStBl. III 1962, 243; BFH v. 17.7.1963, I 11/61, HFR 1963, 443; BFH v. 28.10.1964, I 198/62 U, BStBl. III 1965, 119; BFH v. 10.11.1965, I 178/63 U, BStBl. III 1966, 73; BFH v. 9.5.1985, IV R 76/83, BStBl. II 1985, 683; BFH v. 17.9.1992, I R 24/92, BFH/NV 1994, 578; BFH v. 12.12.1990, I R 73/89, BStBl. II 1991, 593; BFH v. 4.12.1996, I R 54/95, BFH/NV 1997, 190. 560 Zu den Schwierigkeiten bei der Auswertung des Fallmaterials vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 134 f. 561 BFH v. 13.12.1961, I 321/60 U, BStBl. III 1962, 243; BFH v. 17.7.1963, I 11/61, HFR 1963, 443; BFH v. 28.10.1964, I 198/62 U, BStBl. III 1965, 119; BFH v. 10.11.1965, I 178/63 U, BStBl. III 1966, 73; BFH v. 9.5.1985, IV R 76/83, BStBl. II 1985, 683; BFH v. 17.9.1992, I R 24/92, BFH/NV 1994, 578; BFH v. 12.12.1990, I R 73/89, BStBl. II 1991, 593; BFH v. 4.12.1996, I R 54/95, BFH/NV 1997, 190. 562 Den soeben aufgeführten Urteilen liegt erkennbar die „alte“ Terminologie zugrunde, welche die „nahestehende Person“ allein unter dem Aspekt des Anscheinsbeweises behandelt und nicht hinreichend zwischen Indiz und Anscheinbeweis unterscheidet. 563 So Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 136. 564 BFH v. 13.9.1967, I 82/64, BStBl. III 1967, 791; BFH v. 19.3.1975, I R 137/73, BStBl. II 1975, 722. 565 BFH v. 9.2.1972, I R 29/70, BStBl. II 1972, 361. 566 BFH v. 2.2.1994, I R 78/92, BStBl. II 1994, 479 (Handwerkerinnung). 567 Hierzu Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 137 ff.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
dungen an „mittelbare Gesellschafter“ die Behandlung an dieser Stelle der Darstellung. Im Urteil vom 13.9.1967 führte der Bundesfinanzhof ausdrücklich aus, dass die Leistungsempfänger dem Verein allein schon deshalb nahe stünden, weil sie Mitglieder des Vereins seien, der an der zuwendenden GmbH mit 76 Prozent beteiligt war568. Eine solche allein auf das Mitgliedschaftsverhältnis gestützte Begründung des Nahestehens blieb jedoch ein Einzelfall. In den übrigen Entscheidungen konnte das Gericht auf eine Erörterung des Näheverhältnisses verzichten und begründete die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vielmehr stets damit, dass der vermögenswerte Vorteil für den Dritten zugleich einen Vorteil für den unmittelbaren Gesellschafter (den Verein, die Genossenschaft oder die Innung) darstellte. Der Vermögensvorteil für den Gesellschafter kann wie dargelegt auch darin bestehen, dass durch die Leistung an den Dritten eine Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber dem Dritten erfüllt wird. Da in den übrigen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs konkret eine solche Aufgabenübernahme und damit die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis festgestellt wurde, musste das Gericht regelmäßig nicht mehr untersuchen, ob das jeweilige Näheverhältnis im Grundsatz ein Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis darstellt569. In seinem Urteil vom 2.2.1994 führte der Bundesfinanzhof aus, dass er keine Bedenken habe, das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen einer Innung und ihren Mitgliedern als ein „Näheverhältnis im steuerlichen Sinne“ anzusehen570. Gegenstand der Entscheidung waren Umsatzrückvergütungen einer GmbH, deren Alleingesellschafterin eine Handwerkerinnung war. Welche Anforderungen der Senat an die Beteiligungsverhältnisse stellt, lässt das Urteil jedoch offen. Auch im vorliegenden Fall war die Handwerkerinnung beherrschende Gesellschafterin der zuwendenden GmbH. Neben der Beteiligungsquote der Innung an der GmbH erscheint es aber auch von Interesse, ob die Gesellschaft der Mehrzahl der Mitglieder ihres beherrschenden Gesellschafters Vorteile zuwendet oder ob lediglich einzelne Mitglieder profitieren. So fordert Stolze in diesen Fällen als Voraussetzung für den Anscheinsbeweis eine „doppelte Beherrschung“571 und verlangt, dass Verein, Genossenschaft oder Innung die leistende Gesellschaft beherrschen und die Leistung der Gesellschaft zugleich an die Mehrheit der Mitglieder ihres Gesellschafters erfolgt. Der Rechtsprechung lässt sich ein solches Erfordernis jedoch nicht entnehmen.
568 BFH v. 13.9.1967, I 82/64, BStBl. III 1967, 791, 792. 569 Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 139. 570 BFH v. 2.2.1994, I R 78/92, BStBl. II 1994, 479, 482. 571 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 142.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
(6) Spenden und verdeckte Gewinnausschüttung An ihre Grenzen stößt die vom I. Senat entwickelte Dogmatik der verdeckten Gewinnausschüttung – insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ – bei der Frage, wann bei Körperschaften eine Zuwendung als verdeckte Gewinnausschüttung einzustufen ist572. Denn es liegt in der Natur von Spenden, dass diese „[…] typischerweise aus einer ideellen Nähe des Spenders zum Empfänger heraus geleistet“573 werden574. Dies erkennt – im Grundsatz – auch der I. Senat an, indem er in einem Beschluss aus dem Jahr 2007 ausführt, dass aus diesem Grund: „[…] der praktische Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG allzu sehr eingeschränkt würde, wenn allein aus der Identifikation des Gesellschafters mit den Zielen des Begünstigten eine Veranlassung der Spende durch das Gesellschaftsverhältnis und in der Folge das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung abgeleitet würde“ 575. Hintergrund dieser Abgrenzungs-Problematik ist, dass der Spendenabzug bei Körperschaften nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG unter dem Vorbehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG steht. Danach setzt die steuerliche Absetzbarkeit einer Zuwendung als Spende der Körperschaft voraus, dass es sich bei den Aufwendungen nicht um eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung handelt. Im Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung, die durch das Verhältnis zum Gesellschafter veranlasst ist, sind Spenden als freiwillige Einkommensverwendung der außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft zuzurechnen und lediglich auf Grund der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG steuerlich abzugsfähig576. 572 Ausführlich zu dieser Problematik Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 65 ff. mit weiteren Nachweisen; monographisch Zimmermann, Spenden als verdeckte Gewinnausschüttung, 2011; Gollan in Non Profit Law Yearbook 2008, S. 103 - 127. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung der letzten Jahre BFH v. 19.12.2007, I R 83/06, BFH/NV 2008, 988 und BFH v. 10.6.2008, I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704. 573 So BFH v. 19.12.2007, I R 83/06, BFH/NV 2008, 988 unter Hinweis auf Gosch, StBp 2000, 125. 574 Expressis verbis Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 67: „Es gibt praktisch keine Unternehmensspende, die nicht ‚durch das Gesellschaftsverhältnis‘ veranlasst ist. Denn keine gemeinnützige Einrichtung wird von einer Kapitalgesellschaft eine größere Zuwendung erhalten, ohne dass zwischen der Empfängereinrichtung und dem (Haupt-)Gesellschafter ein gewisses ideelles ‚Näheverhältnis‘ besteht“. 575 BFH v. 19.12.2007, I R 83/06, BFH/NV 2008, 988 (zur Spende an eine Kirchengemeinde). 576 Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 65.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
In vorgenannten Beschluss vom 19.12.2007 – betreffend die Spende einer Kapitalgesellschaft an eine Kirchengemeinde – hat der I. Senat jedoch zugleich klargestellt, dass sich auch Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen, die nicht zum Gesellschafterkreis gehören, als verdeckte Gewinnausschüttung darstellen können, wenn ein „besonderes Näheverhältnis“ gegeben ist: „Andererseits würde jedoch eine Handhabung, die allein auf das Vorliegen einer Spendenmotivation abstellt, den in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG vorgegebenen Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG weitgehend aushöhlen. Das kann ebenfalls nicht richtig sein, weshalb eine Spende jedenfalls dann als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden kann, wenn sie durch ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Empfänger und dem Gesellschafter der spendenden Kapitalgesellschaft veranlasst ist. Das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch im Zusammenhang mit Spenden an eine juristische Person des öffentlichen Rechts […] Ob das Handeln einer Kapitalgesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen.“577. In einem zweiten Beschluss vom 10.06.2008578 hat der Bundesfinanzhof den Prüfungsmaßstab seines Beschlusses vom 19.12.2007 ausdrücklich bestätigt579 und aufgezeigt, wie in einem konkreten Fall eine allzu ausgeprägte „Nähe“ des Spenders zur Mittelverwendung einer Stiftung dem Spendenabzug entgegensteht. In diesem Fall war eine rechtfähige Stiftung bürgerlichen Rechts von zwei GmbHs errichtet worden und trug den Namen des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers und dessen Ehefrau. Satzungsmäßig war die Stiftung befugt, den Gesellschafter-Geschäftsführer und dessen nächste Angehörige im Sinne des § 58 Nr. 5 AO zu unterhalten und zu unterstützen. Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer wiederum war Vorsitzender des Stiftungsvorstandes und Mitglied auf Lebenszeit. Die GmbHs leisteten etwa 80 Prozent des Gründungskapitals der Stiftung und machten diese Zuwendungen im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG geltend. Erstinstanzlich qualifizierte das Finanzgericht Hamburg die Stiftung als eine dem Gesellschafter „nahestehende Person“ mit der Begründung, dass die Stiftung durch den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer geprägt werde, was am 577 So BFH v. 19.12.2007, I R 83/06, BFH/NV 2008, 988 unter Hinweis auf Gosch, StBp 2000, 125. 578 BFH v. 10.6.2008, I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704 und Vorinstanz FG Hamburg v. 12.12.2007, 6 K 131/06, EFG 2008, 634. 579 BFH v. 10.6.2008, I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704 : „Insoweit sind die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Spendenabzug und Ansatz einer vGA als ausreichend geklärt anzusehen.“
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
Stiftungsnamen und der Stiftungsorganisation – in Form der personellen Besetzung des Vorstands und der Mittelverwendung – deutlich werde. Durch das darin zum Ausdruck kommende persönliche Stiftungsinteresse des Gesellschafter-Geschäftsführers würden die Stiftungsleistungen gesellschaftlich überlagert580. Diese Auffassung bestätigte der Bundesfinanzhof. Bis zu diesen beiden Beschlüssen hatte sich die Rechtsprechung zur Abgrenzung der Spende von der verdeckten Gewinnausschüttung insbesondere mit Spenden von Sparkassen an ihre Gewährträger gefasst. Die Frage, wann Spenden an den Gewährträger als verdeckte Gewinnausschüttung einzustufen sind581, stellt sich hier deshalb, weil das Rechtsverhältnis des Gewährträgers zur Sparkasse aus steuerrechtlicher Perspektive wie das Verhältnis eines Gesellschafters zu seiner Kapitalgesellschaft behandelt wird. Um im Wege des Fremdvergleichs zu prüfen, ob ein „ordentlicher und gewissenhafter“ Geschäftsleiter die Spende ebenfalls getätigt hätte, entscheidet der Bundesfinanzhof insoweit nach dem „Gießkannenprinzip“582: Danach ist eine verdeckte Gewinnausschüttung regelmäßig zu bejahen, wenn die an den Gewährträger geleisteten Spenden den durchschnittlichen Spendenbetrag übersteigen, der an fremde Dritte innerhalb der letzten drei Jahre geleistet wurde583. Als entscheidendes Argument für diesen Fremdspendenvergleich führt der Bundesfinanzhof die Schwierigkeit an, dass eine Abgrenzung anhand der sonst üblichen Angemessenheitsprüfung von Leistung und Gegenleistung bei Spenden nicht möglich sei. Im Schrifttum ist dieses Prinzip des Fremdvergleichs zu Recht auf Kritik gestoßen, da der Umstand, dass Spenden an andere Einrichtungen ganz fehlen oder einen vergleichsweise geringen Umfang aufweisen, keine unwiderlegbare Vermutung für eine Veranlassung der Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis darstellen darf. Stattdessen sollte es der Körperschaft im Einzelfall möglich sein, eine überwiegende Spendenmotivation auch dann darzulegen, wenn Fremdspenden in gleichem Umfang fehlen584. Wenngleich die beiden Beschlüsse des I. Senats aus den Jahren 2007 und 2008 – vom Ergebnis des Einzelfalls her betrachtet – gewiss Zustimmung verdienen, so verbleiben aus dogmatischer Sicht hinsichtlich zweier As580 FG Hamburg v. 12.12.2007, 6 K 131/06, EFG 2008, 634, 635. 581 Zur verdeckten Gewinnausschüttung bei Sparkassen Zimmermann, Spenden als verdeckte Gewinnausschüttung, S. 65 ff. 582 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 65. 583 Ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH v. 8.4.1992, I R 126/90, BStBl. II 1992, 849; BFH v. 9.8.1989, I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; BFH v. 12.10.1978, I R 149/75, BStBl. II 1979, 126. 584 Siehe nur Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 66.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
pekte dennoch grundsätzliche Bedenken. Erstens dürfte es schon zweifelhaft sein, ob sich die Fremdvergleichs-Maßstäbe der verdeckten Gewinnausschüttung – im Sinne der Marktunüblichkeit einer Vereinbarung – überhaupt sinnvoll auf altruistisches Handeln in Form von Zuwendungen an gemeinnützige Empfänger übertragen lassen. Zweitens weist Hüttemann zutreffend darauf hin, dass die vom I. Senat entwickelte Dogmatik der verdeckten Gewinnausschüttung auch deshalb an ihre Grenzen stoße, da die immer wieder betonte „Vorteilsgeneigtheit“ einer Zuwendung bei Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen auf Grund der Mittelbindung pure Fiktion sei. Nähme man dieses Kriterium wirklich ernst, so bliebe für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Spenden nur noch dort Raum, wo der Gesellschafter durch die Spende seiner Gesellschaft nachweislich eine eigene Spende erspare585. De lege ferenda sei es daher konsequent, den Vorbehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG gänzlich zu streichen. Für die Zwecke dieser Untersuchung bleibt festzuhalten, dass der Bundesfinanzhof zwar auch im Rahmen der Abgrenzung zwischen verdeckter Gewinnausschüttung und Spende auf die Figur der „nahestehenden Person“ zurückgreift. Da aber Spenden typischerweise aufgrund ideeller Nähe verhältnisse getätigt werden, erscheint der Rückschluss von der Identifikation des Gesellschafters mit den Zwecken der empfangenden Gesellschaft auf die Veranlassung der Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis kritisch. Dies gilt umso mehr, als der wenig zweckmäßige Fremdspendenvergleich des Bundesfinanzhofs nach dem „Gießkannenprinzip“ im Einzelfall zur unberechtigten Versagung der Einordnung als Spende führen kann. In jüngerer Zeit hat der Bundesfinanzhof nicht gezögert, ein „besonderes Näheverhältnis“ in einem Fall anzunehmen, in dem zwischen zuwendender Kapitalgesellschaft und dem Spendenempfänger eine personelle Verflechtung bestand und eine Mittelverwendung im Sinne des § 58 Nr. 5 AO gegeben war. c) Schuldübernahme im weiteren Sinne Regelmäßig wird die Leistung an einen Nichtgesellschafter einem Gesellschafter auch dann als verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnet, wenn es sich um eine „Schuldübernahme im weiteren Sinne“586 handelt. Unter diese Sammelbezeichnung fasst Stolze alle Fälle, in denen die Gesellschaft eine Schuld des Gesellschafters tilgt587, eine Schuld des Gesell585 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 8 Rz. 67. 586 So die Terminologie bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 169 ff. 587 Besonders anschaulich BFH v. 6.12.1967, I 98/65, BStBl. II 1968, 322, 323 f.; BFH v. 23.10.1985, I R 247/81, BStBl. II 1986, 195, 199; weitere umfangreiche Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 171.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
schafters übernimmt588 oder für den Gesellschafter eine Verpflichtung eingeht589. In all diesen Fällen liegt die Leistung der Gesellschaft offensichtlich (allein) im Interesse des Gesellschafters und ist damit auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Ein eigener Leistungsgrund der Gesellschaft wird hier überhaupt nicht vorgeschoben. Im Falle der Schuldentilgung und der Schuldübernahme ist das maßgebliche Näheverhältnis in der gesetzlichen oder vertraglichen Leistungsverpflichtung des Gesellschafters gegenüber dem Dritten zu sehen. Soweit die Gesellschaft eine Verpflichtung eingeht, deren Eingehung Angelegenheit des Gesellschafters gewesen wäre, ist das Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und Drittem durch den Inhalt des Vertrages vermittelt, den die Gesellschaft mit der dritten Person eingeht590. Anzumerken bleibt, dass die Konstellationen der „Schuldübernahme im weiteren Sinne“ insofern als Sonderfall gegenüber den zuvor erörterten „tatsächlichen“ Nähebeziehungen wie etwa Verwandtschaft oder gesellschaftrechtlicher Beteiligung betrachtet werden können, als Rechtsprechung und Schrifttum diese nicht immer konsequent als Fälle des Nahestehens klassifizieren. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass wegen der unproblematischen Vorteilhaftigkeit für den Gesellschafter häufig keine Auseinandersetzung mit dem Vorliegen des Näheverhältnisses stattfindet. Im Ergebnis erfüllt die „Schuldübernahme im weiteren Sinne“ jedenfalls die zu Beginn entwickelten Kriterien und fügt sich nahtlos in das hier entwickelte Verständnis der Rechtsfigur der „nahestehenden Person“ ein. So wird der Befund bestärkt, dass es letztlich nicht darauf ankommt, dass sich Gesellschafter und Dritter im Wortsinn „nahestehen“ oder sich persönlich wie auch immer verbunden fühlen: Da es nur darum geht, ob die Leistung im Interesse des Gesellschafters erfolgt, wird auch ein ansonsten „fremder“ Gläubiger des Gesellschafters auf diesem Wege zu dessen „nahestehender Person“.
III. Zusammenfassung und vorläufige Würdigung Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass eine verdeckte Gewinn ausschüttung auch dann anzunehmen sein kann, wenn nach dem äußeren Geschehensablauf die Leistung nicht an einen Gesellschafter, son588 BFH v. 19.3.1969, I R 31/67, BStBl. II 1969, 497, 498; BFH v. 5.7.1990, I B 38/90, BFH/NV 1991, 121 ff.; hierzu auch Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen, S. 47. 589 BFH v. 28.11.1991, I R 34-35/90, BFH/NV 1992, 560; BFH v. 28.11.1991, I R 13/90, BStBl. II 1992, 359; auch schon RFH v. 19.12.1935, I A 166/35, RStBl. 1936, 252 f.; weitere Nachweise bei Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 174. 590 Vgl. Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 176.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
dern an eine dritte Person erfolgt. Erforderlich ist in diesem Fall, dass die Zuwendung an den Dritten, die bei der Gesellschaft zu der Vermögensminderung oder der verhinderten Vermögensmehrung führt, durch das Gesellschaftsverhältnis (zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter) veranlasst ist und somit im Interesse des Gesellschafters getätigt wird. Hiervon ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auszugehen, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Leistung an den Dritten aus dem eigenen Interesse der Gesellschaft heraus so nicht erbracht hätte. Handelt es sich beim Leistungsempfänger um eine dem Gesellschafter „nahestehende Person“, so indiziert dies nach ständiger Rechtsprechung die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis, soweit nicht die Gesellschaft selbst ein eigenes, ausschließlich unternehmerisches Interesse an der Leistung an die „nahestehende Person“ hat. Die Darlegungslast für die Motivation ihrer Leistung trifft die Gesellschaft, sodass diese im Zweifel darzulegen hat, dass die Zuwendung doch aus betrieblichen Gründen erfolgt ist. Seit dem grundlegenden Urteil vom 18.12.1996591 sieht es der Bundesfinanzhof – in Abkehr von seiner bis dahin ständigen Rechtsprechung – nicht mehr als zwingend erforderlich an, dass der Gesellschafter selbst einen unmittelbaren oder mittelbaren Vermögensvorteil durch die Zuwendung an den Dritten erzielt. Vielmehr genügt für ihn schon die Befriedigung jedes materiellen oder ideellen Interesses. Gleichwohl muss sich das Interesse des Gesellschafters an der Leistung seiner Gesellschaft an den Dritten gerade aus einer tatsächlich bestehenden Beziehung zwischen ihm und dem Dritten, dem „Nahestehen“, ergeben. Für dieses Verhältnis reicht nach ständiger Rechtsprechung jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und einem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Hierbei zieht der Bundesfinanzhof den Begriff des Nahestehens in realistischer Weise sehr weit, sodass derartige Beziehungen familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein können. Die (vermeintlich) ernüchternde Essenz der Untersuchung lässt sich so zusammenfassen, dass es die „nahestehende Person“ an sich nicht gibt, sondern ein Dritter zur „nahestehenden Person wird, wenn die unmittelbare Zuwendung an ihn im Interesse des Gesellschafters erfolgt“592. Aus den vorangegangenen Überlegungen ist zudem deutlich geworden, dass ein solch weites und flexibles Verständnis des „Nahestehens“ im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung im Grundsatz Zustimmung verdient. Hierzu muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass 591 BFH v. 18.12.1996, I R 139/94, BStBl. II 1997, 301. 592 Vgl. Knobbe-Keuk, StuW 1982, 201, 206.
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B. Verdeckte Gewinnausschüttung
in den einschlägigen Fällen Ausgangspunkt der Prüfung stets eine wirtschaftlich unausgewogene Leistung der Gesellschaft ist. Erhält die Gesellschaft nämlich eine angemessene und vollwertige Gegenleistung, so ist die Leistung regelmäßig nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da die Gesellschaft eine vergleichbare Leistung auch an einen fremden Dritten erbracht hätte593. Fehlt es aber an einer solchen Gegenleistung, so sind entsprechend dem Grundsatz, dass ein Kaufmann nichts verschenkt, Zweifel an der betrieblichen Veranlassung der Leistung angezeigt. Tritt zu diesem Umstand noch eine tatsächlich bestehende – wie auch immer geartete – Beziehung zwischen Gesellschafter und Drittem hinzu, so erscheint durch dieses Zusammentreffen die Waagschale zuungunsten der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft erheblich vorbelastet. Im Hinblick auf den Zeitbezug der Anteilseignerstellung kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann angenommen werden, wenn das Gesellschaftsverhältnis noch nicht oder nicht mehr besteht, solange die Leistung der Gesellschaft in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem (später tatsächlich erfolgten) Eintritt oder dem Ausscheiden des Anteilseigners steht. Zugleich hat die vorangegangene Untersuchung auch deutlich gemacht, dass die „nahestehenden Person“ aus Sicht des Gesellschafters auch eine „fremde“ Person sein kann. Dies zeigen etwa die Fälle, in denen eine Gesellschaft die Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber einem Dritten erfüllt oder eine bestehende Schuld des Gesellschafters übernimmt. Hier wird – im Unterschied zu § 138 InsO und § 285 Nr. 21 HGB – gerade nicht vorausgesetzt, dass die dritte Person potentiell Einfluss auf die Entscheidungen des Gesellschafters ausüben kann oder über besondere Informationsmöglichkeiten verfügt. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass sich Gesellschafter und Dritter tatsächlich im Wortsinne – etwa durch emotionale Verbundenheit – nahestehen müssen oder ein gutes Verhältnis zueinander pflegen. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass der Regelungsgrund für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Leistungen an einen Dritten nicht im (tatsächlichen) „Nahestehen“ nach dem eigentlichen Wortsinn liegt, sondern darin zu sehen ist, dass die Leistung an den Dritten im Interesse des Gesellschafters erfolgt. Der weite Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ spiegelt sich besonders deutlich im Bereich der natürlichen Personen wider. Hier ist hervorzuheben, dass familiäre Beziehungen auch über den Anwendungsbereich des Angehörigen in § 15 AO hinaus erfasst werden. Zudem begründen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch enge Freundschaf593 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, Anhang zu § 8 KStG Rn. 64.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
ten ein ausreichendes Näheverhältnis. Wenngleich ein „tatsächliches“ Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und Drittem nicht vorausgesetzt wird, so muss es sich doch um eine individuelle Beziehung handeln, wofür etwa die bloße Zugehörigkeit zur selben Berufsgruppe nicht ausreicht. Die vorangegangene Untersuchung hat aber auch deutlich gemacht, dass die Rechtsprechung auch im Bereich gesellschaftsrechtlicher Verbindungen ein weites Verständnis des „Nahestehens“ an den Tag legt. Insbesondere werden keine hohen Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse in Konstellationen gestellt, in denen an der leistenden und der empfangenden Gesellschaft jeweils dieselben oder zum Teil dieselben Personen beteiligt sind. Als ausreichend wird erachtet, wenn an der empfangenden Gesellschaft nicht die Gesellschafter der zuwendenden Gesellschaft, sondern deren Angehörige beteiligt sind. Deshalb darf die im Schrifttum geläufige Fallgruppenbezeichnung „Gesellschafteridentität“ nicht in die Irre führen. Die absolute Mehrzahl der Entscheidungen aus diesem Bereich betraf eindeutige und unproblematische Konzernsachverhalte, in denen eine Beteiligungsschwelle von 50 Prozent regelmäßig überschritten war. In einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2008594 hat der Bundesfinanzhof aber deutlich gemacht, dass eine andere Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter auch dann nahestehen kann, wenn dieser weder in der leistenden noch in der empfangenden Gesellschaft eine beherrschende Stellung inne hat. Insoweit dürfe nichts anderes gelten als bei einer direkten Vorteilsgewährung an einen Gesellschafter, bei welcher die Beteiligungsquote für den allgemeinen Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung ebenfalls nicht von Bedeutung ist. Im selben Urteil wies der Senat im Hinblick auf die maßgebliche Beteiligungshöhe darauf hin, dass allenfalls eine „geringfügige“ Beteiligungshöhe zu einer abgeschwächten Indizwirkung führen könne, wovon bei einer Beteiligung von 25 Prozent aber keinesfalls auszugehen sei. Doch selbst im Falle einer geringen Beteiligung sei die Indizwirkung nicht aufgehoben, sondern lediglich abgeschwächt. Im Schrifttum ist daraufhin vorgeschlagen worden, eine solche Höchstgrenze bei 5 Prozent zu ziehen. Dennoch kann die Höhe der Beteiligungsquote im Einzelfall etwas über die Intensität des wirtschaftlichen Interesses des Gesellschafters an der Vorteilsgewährung aussagen. Besonders nahe dürfte der Verdacht einer Veranlassung der Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis liegen, wenn der Gesellschafter an der empfangenden Gesellschaft zu einer deutlich höheren Quote beteiligt ist als an der zuwendenden Gesellschaft.
594 BFH v. 9.10.2008, I R 61/07, BFH/NV 2009, 504.
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C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG
C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG I. Grundzüge des § 1 AStG 1. Einordnung Bei § 1 AStG handelt es sich um eine Einkünftekorrekturvorschrift595, welche die Rechtsgrundlage für die Berichtigung von Einkünften596 aus grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen, insbesondere zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften, darstellt. Die Norm trägt der Gefahr Rechnung, dass Steuersubjekte durch geeignete Gestaltung ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen zu ihnen „nahestehenden Personen“ in die Lage versetzt werden, Besteuerungssubstrat auf eben diese zu verlagern und damit in Jurisdiktionen zu verschieben, die aus der Gesamtbetrachtung der Beteiligten eine günstigere Steuerlast begründen597. Zum Zweck der Vorschrift lässt sich der Regierungsbegründung598 entnehmen, dass in das innerstaatliche deutsche Steuerrecht eine Gewinnkorrekturvorschrift eingefügt werden sollte, die den Art. 9 Abs. 1 OECD-MA599 ausfüllt. Während die verdeckte Gewinnausschüttung bei Inlands- und Auslandsbeziehungen anwendbar ist, gilt § 1 AStG nur bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen. Flankiert wird § 1 AStG durch die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 3 AO, wonach ein Steuerpflichtiger bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen hat. In jüngerer Zeit wird die Vorschrift des § 1 AStG im Schrifttum vor allem im Lichte einer möglichen Europarechtswidrigkeit diskutiert600. Das Verhältnis zu anderen Vorschriften, insbesondere zur 595 Vgl. zur Einordnung der Norm Debatin RIW 1975, 596, 598; Kaminski in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 1; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 20; Pohl in Blümich § 1 AStG Rn. 1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.104; Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 160; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 5 und 78. 596 Terminologisch präzise ist deutlich zu machen, dass nicht die Einkünfte (Gewinn) korrigiert werden, sondern dem Unterschiedsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ein Korrekturbetrag hinzugerechnet wird. Unter „Einkünfte“ ist damit hier der Endbetrag zu verstehen, der sich durch die Korrektur ergibt., vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 5. 597 Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 10. 598 Vgl. BT-Drucks. VI/2883, S. 14 ff. 599 Ausführlich zum Konzept der „associated enterprises“ in Art. 9 OECD-MA Dwarkasing, Associated Enterprises, S. 102 ff. 600 Aus jüngerer Zeit insbesondere Englisch IStR 2010, 139 und Schönfeld, IStR 2011, 219; Überblick bei Pohl in Blümich, AStG § 1 Rn. 6 mit zahlreichen Nachweisen; schon frühzeitig etwa Herlinghaus, FR 2001, 240; Schaumburg, DB 2005, 1129;
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
verdeckten Gewinnausschüttung bzw. zur verdeckten Einlage, lässt sich seit dem Jahr 2007 § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG601 entnehmen: Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (des § 1 AStG) zu weitergehenderen Berichtigungen als die anderen Vorschriften, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen. Somit stehen die verschiedenen Tatbestände im Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz und sind nebeneinander anwendbar. Entscheidend ist aber, dass diese Rechtsfolge nur eintritt, wenn § 1 AStG zu einer „weitergehenden Berichtigung“ der Einkünfte führt602. 2. Überblick über den Regelungsgehalt des § 1 AStG Die umfangreiche Vorschrift des § 1 AStG setzt sich aus fünf Absätzen zusammen. Tatbestandlich setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG voraus, dass ein Steuerpflichtiger inländische Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person dadurch mindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), wodurch im Inland steuerpflichtige Einkünfte gemindert werden. Im tatbestandlichen Fokus der Vorschrift stehen die in Satz 1 hervorgehobenen und in der Rechtspraxis äußerst bedeutsamen Verrechnungspreise. Als Rechtsfolge sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG die Einkünfte des Steuerpflichtigen unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Es handelt sich um eine nur steuerlich wirkende Korrektur des aus der einzelnen Geschäftsbeziehung zum Ausland erzielten Entgelts: Berichtigt wird die steuerliche Bemessungsgrundlage, während kein Eingriff in die zivilrechtlich bestehenden Beziehungen erfolgt603. In Abweichung von der Regel, dass Einkünftetatbestände nur durch ein tatsächliches oder rechtliches, nicht aber durch ein vorgestelltes Geschehen verwirklicht werden können, fingiert § 1 AStG also Einkünfte, womit im Ergebnis Soll-Einkommen der Besteuerung zugeführt wird604. Schön, IStR 2004, 289; Wassermeyer, GmbHR 2004, 616; monographisch Mann, Einkünftekorrekturnormen im deutschen Internationalen Steuerrecht – Die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2008. 601 Eingeführt durch Gesetz v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 630. 602 Näher hierzu Frotscher in Frotscher/Maas, KStG Anhang zu § 8 Rn. 29 ff. 603 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 4. 604 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.104; BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348: „Soweit in § 1 AStG angeordnet ist, dass Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Unternehmen im Ausland so angesetzt werden, wie sie zwischen unabhängigen Dritten vereinbart worden wären, enthält diese Fiktion
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C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG
Die zentrale Bedeutung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Normstruktur zeigt sich schon daran, dass sowohl Tatbestand als auch Rechtsfolge des § 1 AStG Bezug auf das sich aus dem Fremdvergleich ergebende angemessene Entgelt nehmen605. Die entsprechenden umfangreichen Vorgaben zur Verrechnungspreisbestimmung werden in § 1 Abs. 3 AStG geregelt. Es verwundert daher nicht, dass juristische606 und insbesondere betriebswirtschaftliche607 Untersuchungen zu § 1 AStG ihr Hauptaugenmerk regelmäßig auf die Methoden zur Ermittlung der Verrechnungspreise legen. Im Vordergrund der folgenden Untersuchung steht hingegen das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“: Allein für die Zwecke der Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG enthält § 1 Abs. 2 AStG eine abschließende Legaldefinition der dem Steuerpflichtigen „nahestehenden Person“, die im Folgenden näher beleuchtet wird. Konzeptionell abgerundet wird die Vorschrift des § 1 AStG durch Regelungen für den Fall, dass mangels Dokumentation von Verrechnungspreisen eine Schätzung durchzuführen ist (Absatz 4) und einer Definition der „Geschäftsbeziehung“ (Absatz 5). 3. Die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AO hat ein Steuerpflichtiger bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen608. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 AO umfasst diese Aufzeichnungspflicht auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden. Falls es sich um „außergewöhnliche Geschäftsvorfälle“609 handelt, ordnet Satz 3 an, dass die Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen sind. Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen sind sehr detailliert in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverord-
keinen allgemeinen für das Ertragsteuerrecht geltenden Grundsatz; die Vorschrift versteht sich als Ausnahmebestimmung für Auslandsbeziehungen“. 605 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 4; derselbe, IStR 2001, 633, 637. 606 Exemplarisch Bilsdorfer, Der steuerliche Fremdvergleich bei Vereinbarungen unter nahestehenden Personen, 1996. 607 Siehe etwa den aktualisierten Titel der 3. Auflage (2011) von Vögele/Borstell/Engler „Verrechnungspreise: Betriebswirtschaft. Steuerrecht“. 608 Ausführlich zu den Dokumentationspflichten bei internationalen Verrechnungs preisen Wassermeyer, DB 2003, 1535. 609 Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründung Umstrukturierungen im Konzern, vgl. BT-Drucks. 15/481, S. 18; näher hierzu Kraft in Kraft, AStG § 1 Rn. 705; kritisch zum Begriff „Geschäftsvorfall“ Wassermeyer, DB 2003, 1535, 1539.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
nung (GAufzV)610 geregelt, zu deren Erlass das Bundesministerium der Finanzen durch § 90 Abs. 3 Satz 5 AO ermächtigt ist. Systematisch werden durch § 90 Abs. 3 Satz 1 AO die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO insofern erweitert, als er nicht nur existierende Beweismittel zu sichern und zu beschaffen hat, sondern selbst zu erstellen hat611. Rechtsfolge der Verletzung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 AO ist im Grundsatz die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde bezüglich der Auslandssachverhalte, die von der Aufzeichnungspflicht betroffen sind612. Die Regelung stellt sich als Reaktion auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs613 aus dem Jahr 2001 dar, wonach die objektive Beweis- und Feststellungslast für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug die Finanzbehörde trifft. Der I. Senat stellte klar, dass der Steuerpflichtige trotz erhöhter Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO nicht verpflichtet war, Aufzeichnungen über Vorgänge mit Auslandsbezug im Zusammenhang mit einer verdeckten Gewinnausschüttung zu führen. Das Ziel der Dokumentations- und Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 3 AO ist darin zu sehen, bei grenzüberschreitenden Geschäften, bei denen zwischen den Parteien (möglicherweise) kein natürlicher Interessengegensatz besteht, die Beurteilung zu erleichtern, inwieweit bei der Preisfestlegung der Fremdvergleichsgrundsatz befolgt wurde. Somit dient die Regelung letztlich dem Zweck des § 1 AStG, die vermeintliche Verlagerung von Steuersubstrat in das Steuerausland zu vermeiden614.
II. Die „nahestehende Person“, § 1 Abs. 2 AStG 1. Überblick über die Regelungssystematik des § 1 Abs. 2 AStG Eine Definition der nahestehenden Person findet sich in Form einer abschließenden615 Aufzählung in § 1 Abs. 2 AStG. Danach kann ein „Nahestehen“ auf verschiedene Weise begründet werden. Durch die unterschiedlichen Kriterien soll eine umfassende Möglichkeit der Einkünfte 610 Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) vom 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, geändert durch Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 611 Vgl. Wünsch in Pahlke/König, AO § 90 Rn. 26. 612 Ausführlich zu Rechtsfolgen Kraft in Kraft, AStG § 1 Rn. 720 ff.; Wassermeyer, DB 2003, 1535, 1535 f. 613 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 614 Kraft in Kraft, AStG § 1 Rn. 641. 615 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl II 1994, 725; Kaminski in Strunk/Kaminski/ Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 318; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 160; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.113 mit klarstellendem Hinweis in Fn. 8; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 826.
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korrektur geschaffen werden616. Beim Vorliegen der Voraussetzungen der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit eines Gegenbeweises. So führt etwa jede Beteiligung von mindestens zu einem Viertel zu einem Nahestehen, ohne dass der Steuerpflichtige einwenden könnte, dass er tatsächlich keine Einflussmöglichkeiten gehabt habe. Ihm steht allein der Weg offen, den Nachweis zu erbringen, dass er sich fremdüblich verhalten hat617. In § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG wird jeweils ein Nahestehen auf der Grundlage einer wesentlichen (gesellschaftsrechtlichen) Beteiligung und ein Nahestehen aufgrund „beherrschenden Einflusses“ normiert. Während § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG dabei auf das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigem und der potentiell nahestehenden Person abstellt, erfasst § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG die Konstellation, dass eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (Nahestehen mittels einer dritten Person, § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Schließlich enthält auch § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG zwei Alternativen: § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG betrifft den Fall der „geschäftsfremden Einflussnahmemöglichkeit“ zwischen nahestehender Person und Steuerpflichtigem und § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG den Fall der Interessenidentität. Letztere soll gegeben sein, wenn ein Beteiligter ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Die Tatbestandsvarianten des § 1 Abs. 2 AStG und ihr Zusammenspiel werden im Folgenden ausführlich betrachtet. Im Ausgangspunkt reicht der Anwendungsbereich des § 1 AStG insofern weiter als die verdeckte Gewinnausschüttung, als hier kein Gesellschaftsverhältnis zu einem Gesellschafter vorausgesetzt wird und nach § 1 AStG auch Einkünftekorrekturen bei Geschäftsbeziehungen zwischen natürlichen Personen möglich sind. 2. Nahestehen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beteiligung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG a) Wesentliche Beteiligung Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 kommen für ein Nahestehen auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Beteiligung insgesamt vier Varianten in Betracht: So kann die Person an dem Steuerpflichtigen mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder aber zu einem Viertel mittelbar beteiligt sein („wesentlich beteiligt“). Reziprok sind in der Gegenrichtung auch die unmittelbar wesentliche und die mittelbar wesentliche Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Person erfasst. Als Beteiligungs616 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 332. 617 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 826.
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objekte kommen zunächst Körperschaften in Betracht, deren Rechtsnatur eine vermögensmäßige Beteiligung ihrer Mitglieder bzw. Gesellschafter im konkreten Einzelfall vermittelt: Nach deutschem Recht sind hier insbesondere die Kapitalgesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die Genossenschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG sowie der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 KStG zu nennen.618 Daneben sollen nach neuerer vorherrschender Auffassung619 auch Personengesellschaften im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG taugliche Beteiligungsobjekte sein: Wegen der heute vorherrschenden Annahme der Rechtssubjektivität der Gesamthand stehe einer solchen Einbeziehung nichts im Wege620. Einer solchen Auffassung wird entgegen gehalten, dass es sich bei § 1 Abs. 2 AStG um eine steuerliche Regelung handele, sodass auch für die „Beteiligung“ auf steuerliche Kriterien abgestellt werden müsse. Aus der steuerrechtlichen Perspektive sei eine Personengesellschaft – in Abweichung vom Handels- und Gesellschaftsrecht – jedoch als transparentes Gebilde zu betrachten621. Über die Form der Beteiligung schweigt sich der Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG aus. Entscheidend kommt es hier auf den Anteil in Höhe von 25 vom Hundert am gezeichneten Kapital – bzw. im Falle der Personengesellschaften am Festkapital – an. Hierbei sind Beschränkungen im Innenverhältnis aufgrund einer Treuhand ebenso unbeachtlich wie Stimmrechtsbeschränkungen622. Während ein Viertel der Stimmrechte ohne entsprechenden Anteil am Nennkapital allein nicht ausreichen soll, um eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG zu begründen623, könne die Vermögensbeteiligung in Höhe von mindestens 25 vom Hundert ohne die entsprechenden Stimmrechte hingegen
618 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 833 unter Hinweis darauf, dass bei ausländischen Rechtsgebilden zweckmäßigerweise im Wege des Rechtsvergleichs mit Körperschaften des deutschen Rechts zu ermitteln sei, ob sie beteiligungsfähig seien. 619 Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 169; Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 207; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 833. 620 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 833 unter Hinweis darauf, dass in diesen Fällen aus Konkurrenzgründen weniger § 1 AStG als vielmehr die „Einlage und Entnahme“ als Korrekturvorschrift in Betracht komme; zur Rechtssubjektivität der Gesamthand siehe im übrigen statt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 III Nr. 2 mit weiteren Nachweisen. 621 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 335. 622 BFH v. 10.4.2013, I R 45/11 Rz. 21. 623 Vgl. Debatin, DStZ 1972, 265; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 834; Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 207.
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sehr wohl genügen624. Schließlich kann auch eine bloße Beteiligung am Reingewinn bzw. am Liquidationserlös in entsprechender Höhe nicht zur Annahme einer wesentlichen Beteiligung führen625. Die Auffassung der Finanzverwaltung626, nach der die Beteiligung auch in einer stillen Beteiligung oder in einem beteiligungsähnlichen Darlehen bestehen kann, stößt im Schrifttum auf entschiedenen Widerspruch627. Im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG wird die mittelbare der unmittelbaren Beteiligung im Ergebnis gleichgestellt. Erstere kann sowohl durch eine andere Personengesellschaft als auch durch eine andere Kapitalgesellschaft vermittelt werden, an welcher der Steuerpflichtige beteiligt ist. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 23.2.1983628 sind bei der mittelbaren Beteiligung einer Person an einer Gesellschaft für die Berechnung des Beteiligungsumfangs die Beteiligungen, die eine vermittelnde Gesellschaft hält, in dem Verhältnis zu berücksichtigen, das der mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Person an der vermittelnden Gesellschaft zur Gesamtheit der Beteiligungen an dieser vermittelnden Gesellschaft entspricht. Bestehen unmittelbare und mittelbare Beteiligungen neben einander, so stellt sich die Frage nach einer Zusammenrechnung dieser Positionen. Ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG „zu einem Viertel unmittelbar oder [Hervorhebung des Verfassers] mittelbar“ hat sich ein Streit entzündet: Bei einer buchstabengetreuen Anwendung des Gesetzeswortlautes muss entweder die mittelbare oder die unmittelbare Beteiligung mindestens ein Viertel betragen. Folgerichtig ist es nach dem – von den Befürwortern629 dieser Ansicht für eindeutig erachteten – Wortlaut der Norm nicht zulässig, mittelbare und unmittelbare Beteiligungen an
624 Vgl. Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 170 mit weiteren Nachweisen; a. A. Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 207, die nur solche Gesellschaftsanteile berücksichtigt wissen wollen, welche mit Stimm- und Vermögensrecht ausgestattet sind. 625 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 835. 626 BMF vom 23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983, 218 Rdnr. 1.3.2.2 Satz 2. 627 Gegen eine solche Einbeziehung Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/ DBA, § 1 AStG Rn. 337; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 170; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.114; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 834: „Soweit in Tz. 1.3.2.2 VWG 1983 eine andere Rechtsauffassung vertreten wird, handelt es sich um eine offensichtlich rechtswidrige Verwaltungsanweisung.“; Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 208. 628 BMF vom23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983, 218Tz. 1.3.2.3. 629 So Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 339; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 838.
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einer Gesellschaft zusammenzurechnen. Nach der Gegenansicht630 zielt die Formulierung nicht auf eine Trennung zwischen verschiedenen Beteiligungssträngen ab, sondern dient lediglich als Aufzählung der verschiedenen potenziellen Beteiligungsformen. Unter der Annahme, dass § 1 AStG auf eine (umfassende) Berichtigung von Einkünften abziele, die aufgrund eines fehlenden Interessengegensatzes zustande gekommen seien, sei nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber die 100 prozentige Tochtergesellschaft anders behandeln sollte als den Fall einer Gesellschaft, an welcher der Steuerpflichtige nur 20 Prozent unmittelbar, die restlichen Anteile in Höhe von 80 Prozent aber mittelbar über vier zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften zu je 20 Prozent hält. Nach der erstgenannten Auffassung läge im zweiten Fall keine Konstellation einer „wesentlichen Beteiligung“ vor. Praktisch kommt dem Streit, ob das „oder“ als alternative oder kumulative Regelung zu sehen ist, aber lediglich eine geringe Bedeutung zu, da die übrigen Tatbestände des § 1 Abs. 2 AStG regelmäßig zur Anwendbarkeit der Norm führen werden. b) Beherrschender Einfluss Als alternatives Kriterium zur wesentlichen Beteiligung benennt § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 AStG den „beherrschenden Einfluss“, welcher in seinen tatbestandlichen Konturen wesentlich unschärfer geformt ist als die erste Tatbestandsalternative631. Ein Nahestehen wird danach begründet, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss oder reziprok der Steuerpflichtige auf die Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Da das Kriterium der „wesentlichen Beteiligung“ bereits die Fälle erfasst, die auf einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in Höhe von mindestens 25 Prozent beruhen, verbleiben für das Tatbestandsmerkmal des „beherrschenden Einflusses“ als eigenständiger Anwendungsbereich solche Einflussnahmemöglichkeiten, welche nicht auf einer solchen Stellung als Gesellschafter beruhen632. Zu denken ist insbesondere an Fallkonstellationen, in welchen dem Steuerpflichtigen oder der nahestehenden Person ein beherrschender Einfluss in der Form eines entsprechenden Stimmrechtes zukommt. Daneben sind auch die Fälle kombinierter Einflussnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen, in welchen eine Beteiligung zwar nicht die 25-Pro630 Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 171. 631 Expressis verbis unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 4 AStG Wassermeyer in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840: „Es hat keiner eine klare Vorstellung über die Grenzen der Vorschrift. Dies gilt auch für § 1 Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative.“; ebenso deutlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.115 in Fn 1: „misslungene Regelung“. 632 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 345.
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C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG
zent-Grenze erreicht, aber aufgrund des Hinzutretens weiterer Umstände in der Summe dennoch ein beherrschender Einfluss angenommen werden muss. Aufgrund der Tatbestandssystematik sollte die Intensität der beherrschenden Einflussnahmemöglichkeit mit der eines wesentlich beteiligten Gesellschafters vergleichbar sein. Im Übrigen entspricht die Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG hinsichtlich des „beherrschenden Einflusses“ nach bewusster Vorstellung des Gesetzgebers633 dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG. Folglich soll zur Auslegung „beispielhaft“634 auf § 17 Abs. 1 AktG zurückgegriffen werden. Nach ganz vorherrschender Ansicht im konzernrechtlichen Schrifttum soll Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG im Grundsatz aber nur dann vorliegen, wenn es sich um eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit handelt, diese also in die Innenstruktur der AG eingreift635. Spätestens seit der höchst richterlichen Entscheidung im Urteil „BuM / WestLB“636 gelte die Frage zumindest insoweit als geklärt, als zur Begründung von Abhängigkeit allein die Ausübung wirtschaftlicher Machtpositionen außerhalb gesellschaftsrechtlich vermittelter Herrschaftsmacht nicht ausreiche637. Gleichwohl bleibt eine rechtssichere Subsumtion unter das Merkmal im Einzelfall schwierig. Unter dem beherrschendem Einfluss anderer können juristische Personen sowie aufgrund der Rechtssubjektivität der Gesamthand auch die Personengesellschaften stehen, wohingegen die Beherrschung einer natürlichen Person regelmäßig nicht in Betracht kommen dürfte, da es an einer strukturellen Grundlage fehlt638. Die Verflechtung wird bereits durch die bloße Möglichkeit begründet, einen beherrschenden Einfluss auszuüben: Entscheidend ist also nicht die tatsächliche Beeinflussung, sondern allein die potenzielle Einflussnahme. Das BMF-Schreiben vom 23.2.1983639 wendet sich in Tz. 1.3.2.5 den möglichen strukturellen Grundlagen des beherrschenden Einflusses zu und benennt exemplarisch beteiligungsähnliche Rechte, Unternehmensverträge im Sinne des Aktiengesetzes, unmittelbare oder mittelbare Beteili633 Vgl. BT-Drucks. VI/2883 v. 2.12.1971, 23 Nr. 50. 634 So Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840. 635 Hüffer AktG § 17 Rn. 8; Emmerich in Emmerich/Habersack § 17 Rn. 16; Vetter in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 15; Bayer in MünchKommAktG § 17 Rn. 29; im Grundsatz auch Schall in Spindler/Stilz, AktG § 17Rn. 20ff.; Ulmer, ZGR 1978, 457, 470ff; Koppensteiner, Über wirtschaftliche Abhängigkeit, in Festschrift Stimpel, 1985, S. 811; Martens, Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 53 ff.; Hommelhoff, Zur Haftung bei unternehmerischer Beteiligung, 1984, S. 41 ff. 636 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 395ff. 637 Vgl. Bayer in MünchKommAktG § 17 Rn. 23. 638 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 842. 639 BMF vom 23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983, 218.
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gungen derselben Personen an der Geschäftsleitung oder der Kontrolle zweier Unternehmen und die Unterstellung zweier Unternehmen unter den beherrschenden Einfluss eines dritten Unternehmens. Unerwähnt bleiben in dieser Aufzählung hingegen die abhängigen und herrschenden Unternehmen im Sinne des § 17 AktG. Die beteiligungsähnlichen Rechte werden somit gerade nicht der wesentlichen Beteiligung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 AStG gleichgestellt: Während eine Beteiligung zumindest in Höhe von 25 Prozent vorliegen muss, kommt es im Tatbestandsmerkmal des „beherrschenden Einflusses“ gerade nicht auf die Höhe der Beteiligungsquote an. Beurteilungsmaßstab für die graduelle Frage, ob ein Einfluss ein „beherrschender“ ist, soll zum einen der Sprachgebrauch und zum anderen der Zusammenhang sein, in welchem die Vorschrift steht640. Nach dem Sprachgebrauch setzt „beherrschender Einfluss“ ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis voraus, sodass ein lediglich mitbestimmender Einfluss gerade nicht ausreicht. Bezugspunkt dieses Abhängigkeitsverhältnisses müssen die Geschäftsbeziehungen sein, welche zwischen fremden Dritten untereinander üblicherweise vereinbart werden641. Entscheidend kommt es also darauf an, dass die beherrschende Person ihren Einfluss gerade auf diese Bedingungen ausüben kann, sodass der beherrschten Person insoweit kein relevanter eigener Entscheidungsspielraum bei der Vereinbarung der konkreten Geschäftsbedingungen mehr verbleibt. Es muss die Möglichkeit bestehen, der nahestehenden Person die Bedingungen für das jeweilige Geschäft gleichsam „aufzuzwingen“642, wobei es nicht darauf ankommt, ob der herrschenden Person (rechtliche) Zwangsmittel zur Verfügung stehen. Vielmehr reicht es aus, dass sich die beherrschte Person vernünftigerweise dem Einfluss nicht entziehen wird643. Schließlich kann nach Auffassung der Finanzverwaltung – entgegen der oben skizzierten Rechtslage zu § 17 AktG – ein beherrschender Einfluss im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG sowohl auf rechtlicher, als auch auf tatsächlicher Grundlage oder dem Zusammenwirken beider beruhen: Kann jemand rein tatsächlich auf den Steuerpflichtigen einwirken, so soll dies bereits zur Annahme eines beherrschenden Einflusses ausreichen644. Hingegen soll nach ganz überwiegender Auffassung im 640 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840. 641 BMF vom23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983, 218Tz. 1.3.2.6. 642 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 363. 643 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840 644 BMF vom23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983, 218Tz. 1.3.2.4.Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht Rn. 567. Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/ Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 238 will es ausreichen lassen, dass ein „[…] anderweitiger Geldgeber […] den Unternehmer völlig in der Hand hat“. Lizenzgeber
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steuerrechtlichen Schrifttum645 entsprechend dem Konzernrecht im Ergebnis ein rein faktischer Einfluss nicht genügen. Vielmehr bedürfe ein potentiell beherrschender Einfluss stets einer strukturellen Grundlage, welche ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis begründe. 3. Nahestehen mittels einer dritten Person, § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG Von § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG werden solche Konstellationen erfasst, in denen zwischen den an den Geschäftsbeziehungen beteiligten Personen weder ein Verhältnis wesentlicher Beteiligung noch ein Verhältnis beherrschenden Einflusses im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG existieren: Hier kommt eine Einflussnahmemöglichkeit lediglich aus einem Abhängigkeitsverhältnis beider zu einer dritten Person in Betracht. Wer als „Dritter“ anzusehen ist, definiert das Gesetz nicht. Nach einhelliger Auffassung liegt der Zweck der Regelung aber darin, alle Fälle zu erfassen, in denen eine Beherrschung oder Bündelung von Stimmrechten bei Dritten erfolgt646. Folgerichtig sind an die „dritte Person“ keine spezifischen Anforderungen zu stellen647: So kann sie juristische oder natürliche Person sein. Sie kann als Körperschaft, Vermögensmasse oder Personengesellschaft auftreten. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob sie im Inland oder Ausland ansässig oder gar im Inland steuerpflichtig ist. Streitbehaftet scheint im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG allein die Frage, ob ein Nahestehen begründet wird, wenn bezüglich einer Person eine wesentliche Beteiligung und gegenüber der anderen ein beherrschender Einfluss vorliegt. Unter Berufung auf den Wortlaut des Gesetzes („oder“) ließe sich die Frage verneinen648. Eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm weist jedoch eindeutig in die andere Richtung. Dies gilt umso mehr, als die „wesentliche Beteiligung“ wie gesehen eine Einflussmöglichkeit unwiderlegbar fingiert649. In der Praxis sind Konstellationen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG eher selten650 und finden im Wesentlichen bei Schwestergesellschaften Anwendung: Typischeroder Rohstofflieferanten hingegen sollen nur einbezogen werden, wenn eine Abhängigkeit auf der Eigen- oder Fremdkapitalseite hinzutrete. 645 Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttung bei beherrschenden Gesellschaftern, S. 160; Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 348; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 175; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840; unter Hinweis auf die Beweis problematik in der Praxis wohl auch Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 216. 646 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 368. 647 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 849. 648 So Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 250. 649 Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 184. 650 So die Einschätzung bei Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 849.
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weise kann hier die Muttergesellschaft (als „dritte Person“) sowohl Einfluss auf die sich im Inland befindende Kapitalgesellschaft als auch auf die im Ausland ansässige andere Tochtergesellschaft ausüben. 4. Geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten zwischen nahestehender Person und Steuerpflichtigem, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG Eine erhebliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs erfährt § 1 Abs. 2 AStG durch die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG. Erfasst werden Fälle, in denen die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen der Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Grund und tatbestandliche Grenzen dieses Auffangtatbestands bereiten jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Mit den Worten Wassermeyers ist die Regelung „[…] wenig klar und kaum nachvollziehbar“651. Zwar muss es sich anders als in Nr. 1 und Nr. 2 gerade nicht um eine beherrschende Einflussnahmemöglichkeit handeln. Tatbestandssystematisch wird man aus einem Vergleich der Nr. 3 mit den beiden anderen Varianten aber folgern müssen, dass auch eine Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG von einem besonderen Gewicht sein muss652. Da aber gerade kein absolutes Abhängigkeitsverhältnis erforderlich ist, soll im Gegensatz zu Nr. 1 Alt. 2 bereits ein faktisch bestehender Einfluss zur Begründung des Nahestehens genügen können653, solange sich dieser auf die zu beurteilende Geschäftsbeziehung auswirkt. Zweitens folgt hieraus, dass im Rahmen des Auffangtatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG nicht zwischen mittelbarer und unmittelbarer Einflussnahme unterschieden wird654. Auslegungsprobleme ergeben sich aus dem Wortlaut „einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben“. Nach einer kritischen Auffassung ist der Gesetzeswortlaut als „nicht geglückt“655 anzusehen: Für das Nahestehen bedürfe es stets eines neben oder hinter der Geschäftsbeziehung stehenden strukturellen Elements, welches die Geschäftspartner zusammenbinde. Da der Wortlaut „außerhalb dieser Geschäftsbeziehung“ nicht die wahre Absicht des Gesetzgebers wiedergebe, sei folglich im Rahmen des möglichen Wortsinnes eine sinnvolle 651 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 854; Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 371: „konturenlos“. 652 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 854. 653 Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 190. 654 So auch FG Kassel v. 23.3.2011- 4 K 419/10, BeckRS 2011, 95805. 655 Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 240; Vögele/ Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 217: „verunglückt“.
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Auslegung zu finden. Deren einzig mögliches Resultat sei, dass die Regelung als „außerhalb finanzieller Beziehungen“ oder „außerhalb kommerzieller Beziehungen“ begründete Einflussmöglichkeit zu lesen sei656. Danach müssen sich die Einflussmöglichkeiten folglich aus Tatsachen ergeben, welche gänzlich außerhalb der finanziellen und kommerziellen Beziehungen und damit außerhalb jeglicher Geschäftsbeziehung zwischen den Beteiligten stehen657. In diesem Falle müsste die Einflussnahmemöglichkeit gewissermaßen nichtgeschäftlicher Natur sein. Belässt man es hingegen beim Gesetzeswortlaut, so muss die Einflussmöglichkeit lediglich außerhalb „dieser“ konkret zu beurteilenden Geschäftsbeziehung liegen658, welche Gegenstand des Fremdvergleichs ist. Hiernach könnte die Einflussnahmemöglichkeit also auch durch eine andere Geschäftsbeziehung begründet sein. Unbestritten sind aber die sich hieraus ergebenden Abgrenzungsprobleme: Wann ist eine Einflussmöglichkeit durch diese und wann durch eine andere Geschäftsbeziehung begründet? Berücksichtigt man ferner, dass im modernen grenzüberschreitenden Wirtschaftsleben Kunden- und Geschäftsverbindungen oftmals vielschichtig sind und zwischen denselben Geschäftspartnern – wie den hier in Frage stehenden international tätigen Großunternehmen – regelmäßig eine Vielzahl verschiedener Geschäftsbeziehungen besteht, so erscheint eine sinnvolle Abgrenzung nahezu unmöglich. Um der hierdurch geschaffenen Rechtsunsicherheit entgegen zu wirken, soll schon aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips659 eine enge Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG geboten sein. Eine wichtige Fallgruppe der faktisch bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten stellen persönliche Beziehungen wie Verwandtschaftsverhältnisse oder die Ehe dar. Obwohl im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt.1 AStG bereits ein faktisch vermittelter Einfluss ausreichen kann, wird doch unterschiedlich beurteilt, ob im Rahmen der Nummer 3 Alternative 1 schon das bloße Vorliegen derartiger familiärer Verhältnisse ein Nahestehen begründen kann. Nach einer Auffassung660 zielt die Regelung gerade auf solche persönlichen Verhältnisse ab: Versteht man nämlich § 1 656 Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 245. Ein solches Verständnis des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG als echtes aliud zu den Nummern 2 und 3 hat insbesondere Auswirkungen auf die Frage, ob persönliche Be ziehungen als strukturelles Element im Rahmen der Nummer 3 ausreichen, was sogleich Erörterung findet. 657 Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 217. 658 So im Ergebnis Debatin, DStZ/A 1972, 265, 268; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 188; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 854 659 So Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 371. 660 Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 242; zustimmend unter Einschränkungen Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 218.
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Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG als ein echtes tatbestandliches aliud zu den Nummern 1 und 2661, so verbietet es sich, Nummer 3 als eine Art Auffangvorschrift aufzufassen. Fordert man danach in Abgrenzung zu den Nummern 1 und 2, dass das strukturelle Element auf nicht-kommerziellem Gebiet liege, so verbleiben nur die persönlichen Beziehungen für den Anwendungsbereich der Regelung. Als einschlägiges Beispiel wird der Fall662 angeführt, in dem der Inhaber eines inländischen Großhandelsunternehmens („Steuerpflichtiger“) seinen im Ausland lebenden und dort ein Einzelhandelsunternehmen betreibenden Sohn zu besonders niedrigen Preisen beliefert. Hier genüge es nämlich, dass der Vater imstande sei, den Sohn so zu beeinflussen, dass dieser die für ihn günstigen Bedingungen annehme. Dies gelte nicht nur für den Fall, dass beide Einzelkaufleute seien, sondern stets auch dann, wenn der verwandtschaftliche Einfluss zusätzlich durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen „verkleidet“ sei. Allerdings sei eine Ausdehnung auf „Freundschaft, Lehrer-Schüler-Beziehung u. ä.“ abzulehnen, da man allzu leicht in den „Bereich der Spekulation“ verfalle663. Gründe für eine solche Abgrenzung werden gleichwohl nicht angeführt. Wie allerdings bereits mehrfach im Verlauf der Untersuchung festgestellt, können freundschaftliche Beziehungen im Einzelfall enger sein als familienrechtliche Verbindungen. Hingegen lässt die vorherrschende Auffassung – unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Januar 1994664 – derartige persönliche Beziehungen jedenfalls im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG als alleiniges strukturelles Element nicht ausreichen665. In diesem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gewährte eine deutsche Kommanditgesellschaft, deren Kommanditisten die Ehefrau und die vier Söhne des Komplementärs waren, einer Kapitalgesellschaft kanadischen Rechts, deren Gesellschafter allein die vier gemeinsamen Söhne waren, ein erheblich vergünstigtes Darlehen. Hier bestätigte der I. Senat das Ergebnis der Vorinstanz, wonach zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG hier nicht gegeben waren, aber durchaus ein Fall des § 1 661 So wie bereits oben dargestellt Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/ Runge AStG § 1 Rn. 242. 662 Beispiel bei Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 243. Dieses Beispiel nehmen Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 218 auf: „Der inländische Kaufmann A gibt seinem im Ausland als Kaufmann tätigen Sohn B ein zinsloses Darlehen, das als Betriebsschuld zu behandeln ist.“ Entscheidend ist aber die Einschränkung, welche dem Beispiel vorangestellt wird. Danach handele es sich bei verwandtschaftlichen oder ehelichen Beziehungen nämlich um solche: „[…] die für Verrechnungspreise international tätiger Unternehmen keine Rolle spielen“. 663 Brezing in Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG § 1 Rn. 242. 664 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725 = BFHE 174, 61. 665 Vgl. Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 372; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 190.
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Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG anzunehmen war666. Im Einzelnen führte das Gericht hierzu aus, dass die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG nicht in Betracht komme, weil auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, an die der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sei, weder Vater und Mutter noch die Gesellschaft kanadischen Rechts imstande gewesen seien, bei der abgeschlossenen Darlehensvereinbarung auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Obwohl der Komplementär und seine Ehefrau die Eltern der Gesellschafter der H-Ltd. waren, folge daraus für sich genommen noch nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme außerhalb der Darlehensbeziehung. Vielmehr sollen diese Fälle in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG, also der „Interessenidentität“, verwiesen werden667. Aufschlussreich und dankbar ist dieses Urteil also insofern, als selbst das Eltern-Kind-Verhältnis als engster Verwandtschaftsgrad nicht per se die Annahme einer Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG begründen soll. Im Wege des Erst-Recht-Schlusses müsste dieser zurückhaltende Ansatz folglich wohl auch für alle anderen Verwandtschaftsverhältnisse gelten. 5. Interessenidentität, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG wird ein Nahestehen zwischen zwei Personen begründet, wenn einer der beiden (Person oder Steuerpflichtiger) ein „eigenes Interesse“ an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Diese geforderte Interessenidentität wird jedoch nicht näher de finiert, insbesondere lassen sich Angaben über die Art des Interesses dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen. Wie in Nummer 3 Alt. 1 muss das Interesse außerhalb der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung selbst liegen668. Da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift das Ziel verfolgt, missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten in Konstellationen zu erfassen, bei denen eine konkrete Einflussnahme nicht festzustellen ist, begibt er sich in die Gefahr einer ausufernden Ausdehnung des „Nahestehens“669, was eine besonders behutsame Auslegung der Regelung erforderlich macht. Richtiger Bezugspunkt des „eigenen Interesses“ ist die Erzielung der – im kon-
666 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 667 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 668 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856. 669 Vgl. Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 194; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 855.
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kreten Fall zu berichtigenden – Einkünfte des jeweils anderen670. Schon der Gesetzeswortlaut legt eine solche Interpretation nahe, welche entstehungssystematisch durch den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages anlässlich der Beratung des AStG eindeutig und ausdrücklich bestärkt wird671. Für das Eigeninteresse im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG sollen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs672, der Auffassung der Finanzverwaltung673 sowie der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum674 – anders als im Rahmen der Nummer 3 Alt. 1 – auch persönliche Interessen ausreichen können. Für deren Berücksichtigung neben rechtlichen, geschäftlichen und finanziellen Interessen spricht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der Regelungszusammenhang innerhalb des § 1 Abs. 2 AStG: Aus der Abgrenzung zwischen dem Auffangtatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG und den Nummern 1 und 2 folge, dass im Rahmen der Nr. 3 Alt. 2 schon ein persönliches Interesse genügen könne675. Folglich kommt es nicht darauf an, dass der Vorteil der Verlagerung dem Steuerpflichtigen zukommt. Hierdurch würde das persönliche Interesse doch wieder in ein wirtschaftliches umqalifiziert676. Entscheidend ist vielmehr das Eigeninteresse des Steuerpflichtigen gerade an der Einkünfteverlagerung. Damit ist die Auslegung des „eigenen Interesses“ in einem Spannungsfeld verortet: Zum einen hat der Bundesfinanzhof im oben dargestellten Urteil vom 19.1.1994 die Subsumtion unter § 1 Abs. 2 Nr. 3 ausdrücklich nicht auf wirtschaftliche Interessen begrenzt. Zum anderen kann man aus einem tatbestandssystematischen Vergleich zwischen den Nummern 1 bis 3 untereinander wohl folgern, dass nur ein Interesse von einigem Gewicht im Rahmen der Nummer 3 ausreichen kann677: Es kann eben nicht genügen, dass „[…] der Steuerpflichtige dem anderen ‚wohlgeson-
670 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726; BMF vom23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983 Tz. 1.3.2.7.; aus dem Schrifttum etwa Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.115. 671 Vgl. BT-Drucks. VI/3537, S. 3. 672 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 673 BMF vom 23.2.1983IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl I 1983 Tz. 1.3.2.7; äußerst kritisch zu Tz. 1.3.2.7 des BMF-Schreibens Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856: „Die Formulierung in Tz. 1.3.2.7 VWG 1983 ist nichtssagend und deshalb unbrauchbar.“ 674 Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 373 f.; Kraft in Kraft AStG § 1 Rn. 195; Pohl in Blümich, AStG § 1 Rn. 69; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 18.115; Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 219; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856 675 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 676 Vgl. Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 374. 677 Vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856.
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nen‘ ist und ihm ‚Gewinne‘ und ‚Reichtum‘ wünscht“678. Schließlich genügt die Wahrnehmung eines Fremdinteresses gerade nicht, da die Vorschrift ein „eigenes Interesse“ erfordert. Gleichwohl darf aus der Verfolgung von Fremdinteressen nicht ohne weiteres auf das Fehlen von Eigeninte resse rückgeschlossen werden679. Schließlich begründet auch ein gemeinsames Gewinnstreben, welches vielen erfolgreichen Geschäftsbeziehungen zu Grunde liegt, noch keine Interessenidentität680. An diesem unsicheren Maßstab müssen sich auch familiäre Beziehungen als praktisch bedeutsamer Anwendungsfall persönlicher Interessen messen lassen. Im oben dargestellten Fall681 hatte der Bundesfinanzhof letztlich darüber zu entscheiden, ob allein aus dem Vorliegen eines Eltern-Kind-Verhältnisses eine Interessenidentität im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG gefolgert werden kann. Das Finanzgericht Münster hatte in der Vorinstanz den allgemeinen Erfahrungsgrundsatz angenommen, dass von einer allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zwischen Eltern und Kindern auszugehen sei. Im Ergebnis hat es der Bundesfinanzhof offen gelassen682, ob dieser Erfahrungssatz so bestehen kann, es aber als genügend angesehen: „[…] wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen nahen Familienangehörigen in Betracht gezogen werden kann. In einem solchen Fall verfolgt der Steuerpflichtige nicht nur fremde Vermögens-, sondern auch eigene persönliche Interessen. Dies reicht aus, um die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG auszulösen.“683 Dem lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung des I. Senats ein nahes Verwandtschaftsverhältnis für sich allein zwar noch keine Interessen identität begründet. In Ermangelung erkennbarer (anderer möglicher) Gründe soll eine Ursache für die Vereinbarung von zu niedrigen Vergütungen aber durchaus in der familiären Beziehung verbunden mit der schädlichen „Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung“ liegen
678 So die jokose Wendung bei Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856. 679 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 856. 680 Vögele/Raab in Vögele, HB der Verrechnungspreise A 220. 681 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725. 682 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726: „[…] ohne dass es darauf ankäme, ob der vom FG angenommene Erfahrungssatz betreffend einer zwischen Eltern und Kindern allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zutrifft oder nicht“. 683 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726.
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können. Praktisch führt die Auffassung des Bundesfinanzhofs damit zu einer widerlegbaren Vermutung zu Lasten des Steuerpflichtigen. Ausdrücklich offen lässt der Bundesfinanzhof jedoch, ob es einen allgemeinen Erfahrungsgrundsatz gibt, dass von einer allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zwischen Eltern und Kindern auszugehen sei, wie vom Finanzgericht Münster als Vorinstanz angenommen. Ausdrücklichen Bezug nimmt der Bundesfinanzhof auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1985684 zur persönlichen Verflechtung in Fällen der Betriebsaufspaltung. Anders als in diesem Beschluss gehe es aber hier nicht um die Verfolgung gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen durch Eheleute, sondern um die Frage des Nahestehens und der Gefahr der Verlagerung von Einkünften685, sodass der erkennende Senat wegen des anderen Sachverhalts nicht vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts abweiche. Nicht berücksichtigt wird die etwa ein Jahr später ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten „Oder-Konto“686, die bereits skizziert wurde: Danach darf ein Indizmerkmal nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn ein Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Hierüber dürfte zumindest die allgemeine Formulierung des FG Münster im Hinblick auf den Erfahrungssatz weit hinausgehen687. Schließlich stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit des Urteils auf andere persönliche Beziehungen: Wie ist nach den Wertungen des Bundesfinanzhofs etwa in Fällen einer enger Freundschaft zu entscheiden? Dem Urteil selbst lässt sich eine strenge Begrenzung auf familiäre Näheverhältnisse als strukturelle Grundlage nicht entnehmen und zunächst spricht kein zwingender Grund dagegen, dass etwa auch im Falle einer bestehenden Freundschaft oder sonstiger persönlicher Verbundenheit von einer Interessenidentität im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG auszugehen wäre, wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung etwa zwischen nahen Freunden in Betracht gezogen werden kann. Denn auch in diesem Fall würde eine enge persönliche Beziehung als strukturelle Grundlage um den zusätzlichen Anhaltspunkt der „Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung“ ergänzt.
684 BVerfG v. 12.3.1985 1 BvR 571/81, 494/82, 47/83 = BVerfGE 69, 188 = BStBl. II 1985, 475. 685 Vgl. BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 686 BVerfG v. 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34. 687 So Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 376.
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III. Zusammenfassung Für die Zwecke des § 1 Abs. 1 AStG enthält § 1 Abs. 2 AStG eine abschließende gesetzliche Definition der dem Steuerpflichtigen „nahestehenden Person“. Liegen die Voraussetzungen des Nahestehens im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG vor, so wird – unabhängig von tatsächlicher Einflussnahme oder Einflussnahmemöglichkeit – unwiderlegbar von einem Näheverhältnis ausgegangen. In diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen allein der Weg offen, den Nachweis zu erbringen, dass er sich fremdüblich verhalten hat. Hierin liegt ein erster wesentlicher Unterschied zur „na hestehenden Person“ im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung. Ein zweiter Unterschied ist darin zu sehen, dass für § 1 AStG die Person dem Steuerpflichtigen selbst und nicht wie im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung dem Anteilseigner der Körperschaft nahe stehen muss. Im Ausgangspunkt reicht § 1 AStG insofern weiter, als für das Näheverhältnis kein Gesellschaftsverhältnis vorausgesetzt wird und im Ergebnis auch Einkünftekorrekturen bei Geschäftsbeziehungen zwischen natürlichen Personen möglich sind. Strukturell wird ein Näheverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und „nahestehender Person“ im Rahmen der § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG entweder durch eine unmittelbare oder mittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu mindestens einem Viertel („wesentliche Beteiligung“) oder die Möglichkeit der Ausübung von „beherrschendem Einfluss“ vermittelt. Hierbei erfasst Nummer 1 jeweils die wechselseitige Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und der anderen Person in beide Richtungen, während im Falle der Nummer 2 eine dritte Person sowohl an der potentiell nahestehenden Person als auch dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt sein oder auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben können muss. Für die Annahme einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG genügt jede Vermögensbeteiligung in Höhe von 25 Prozent auch ohne die entsprechenden Stimmrechte. Hingegen reicht weder ein Viertel der Stimmrechte ohne entsprechenden Anteil am Nennkapital noch eine bloße Beteiligung am Reingewinn bzw. am Liquidationserlös in entsprechender Höhe aus, um eine wesentliche Beteiligung zu begründen. Hier besteht ein weiterer Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung, die im Grundsatz unabhängig von der Beteiligungshöhe angenommen werden kann und insofern weiter reicht als § 1 AStG. Da das Kriterium der „wesentlichen Beteiligung“ bereits die Fälle erfasst, die auf einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in Höhe von min destens 25 Prozent beruhen, verbleiben für das Tatbestandsmerkmal des „beherrschenden Einflusses“ als eigenständiger Anwendungsbereich ledig lich solche Einflussnahmemöglichkeiten, welche nicht auf einer 141
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entsprechenden Gesellschafter-Stellung beruhen. Insbesondere sind hier Fallkonstellationen zu nennen, in welchen dem Steuerpflichtigen oder der nahestehenden Person ein entsprechender Einfluss in Form eines Stimmrechtes zukommt. Daneben sind auch sonstige Fälle kombinierter Einflussnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen, in welchen eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zwar nicht die Schwelle in Höhe von 25 Prozent erreicht, aber aufgrund des Hinzutretens weiterer Umstände in der Summe ein Einfluss angenommen werden muss, dessen Intensität mit einer wesentlichen Beteiligung vergleichbar ist. Nach bewusster Vorstellung des Gesetzgebers entspricht die Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG hinsichtlich des „beherrschenden Einflusses“ dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG. Hieraus wird im Schrifttum gefolgert, dass für Auslegungsfragen auf § 17 Abs. 1 AktG zurückgegriffen werden kann. Eine erhebliche – und wenig geglückte – Ausdehnung erfährt der Anwendungsbereich der Vorschrift durch die beiden Alternativen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG, denen in der Rechtsprechungs-Praxis bislang nur geringe Bedeutung zugekommen ist. Nach diesen wird ein Nahestehen begründet, wenn die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben (Alternative 1) oder einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (Alternative 2). Wie die vorangegangene Untersuchung deutlich gemacht hat, führen beide Tatbestandsalternativen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG zu erheblicher Unsicherheit in der Rechtsanwendung und zu vielfältigen Auslegungsschwierigkeiten, weshalb nach hier vertretener Auffassung eine tendenziell engere Auslegung geboten erscheint. Für § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG kommt es zunächst auf die bloße Möglichkeit an, einen „außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss“ auszuüben, sodass eine tatsächlich erfolgte Einflussnahme nicht erforderlich ist. Nimmt man den Gesetzeswortlaut ernst, so muss diese Einflussmöglichkeit lediglich außerhalb „dieser“ konkret zu beurteilenden Geschäftsbeziehung begründet sein, sodass als Quelle auch andere Geschäftsbeziehungen zwischen Steuerpflichtigem und demselben Geschäftspartner genügen können und im Grundsatz auch faktische Einflussmöglichkeiten in Betracht kommen. Aus einem tatbestandssystematischen Vergleich mit den Nummern 1 und 2 lässt sich das Erfordernis ableiten, dass die Einflussmöglichkeit von einigem Gewicht sein muss. Erhöhte Anforderungen lassen sich auch dem – für die Auslegung des § 1 Abs. 2 AStG bedeutsamen – Urteil des Bundesfinanzhofs 19.1.1994688 ent688 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725.
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nehmen, in welchem der I. Senat entschied, dass selbst das Verhältnis zwischen Eltern und (volljährigen) Kindern ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht für die Annahme eines „außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einflusses“ ausreiche. Dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG liegt der riskante Versuch des Gesetzgebers zugrunde, missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten in Konstellationen zu erfassen, bei denen eine konkrete Einflussnahme nicht festzustellen ist. Bezugspunkt des „eigenen Interesses“ ist die Erzielung der – im konkreten Fall zu berichtigenden – Einkünfte des jeweils anderen. Im Hinblick auf die Art des Interesses kann hierfür schon jedes persönliche Interesse genügen, was insbesondere bei familiären Verbindungen relevant sein kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Vorteil der Einkünfteverlagerung dem Steuerpflichtigen zugute kommt, da das persönliche Interesse des Steuerpflichtigen in diesem Fall in ein wirtschaftliches Interesse umqualifiziert würde. In seinem oben genannten Urteil hat der Bundesfinanzhof deutlich gemacht, dass nicht jede familiäre Bindung den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG erfüllt und selbst im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung nicht zwangsläufig von einem „eigenen Interesse“ an der Erzielung der Einkünfte (der Kinder) ausgegangen werden kann. Zur Annahme eines „eigenen Interesses“ genügt aber, wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Nahestehenden in Betracht kommt und hieran ein eigenes Interesse des Steuerpflichtigen oder der anderen Person besteht.
IV. Kritik und Überlegungen de lege ferenda Zieht man die Summe aus den vorangegangenen Überlegungen, so ist deutlich geworden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Legaldefinition der „nahestehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG keine glückliche Hand hatte689. Zu erheblichen Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten führt insbesondere die „schwammig“690 gefasste Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG. Doch auch das Merkmal des „beherrschenden Einflusses“ ermöglicht in der Praxis kaum einen rechtssicheren Umgang mit der Vorschrift. Obwohl die eindeutige Beteiligungsgrenze der § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG in Höhe von mindestens 25 Prozent de lege lata als gesetzgeberi689 Vgl. Podewils/Zink, StBW 2012, 603, 609: „[…] handwerklich gravierende Schwächen“. 690 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 827.
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sche Entscheidung zu akzeptieren ist, haben bereits die vorangegangenen Ausführungen im Rahmen des § 138 Abs. 2 InsO und der verdeckten Gewinnausschüttung gezeigt, dass diese Schwelle nicht dem gesellschaftsrechtlichen Erkenntnisstand entspricht und eine Absenkung durchaus möglich erscheint. Zum ersten sind aufgrund der technischen Unzulänglichkeiten berechtigte Zweifel anzumelden, ob die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG überhaupt als Regelungsmodell der „nahestehenden Person“ für andere steuerrechtliche Normen geeignet erscheint. Zum zweiten drängt sich vor diesem Hintergrund aber auch die Frage auf, ob für die Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG überhaupt ein gesetzliches Regelungsbedürfnis besteht691 oder ob der Gesetzgeber vielleicht besser daran getan hätte, das Nahestehen wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung überhaupt nicht gesetzlich zu definieren692. Gute Gründe sprechen für einen Gleichlauf der „nahestehenden Person“ im Rahmen der beiden Rechtsinstitute, wie zwischen den Zeilen der bisherigen Untersuchung bereits deutlich geworden ist. Schon aus dem systematischen Gesamtzusammenhang hätte man eine einheitliche Regelung der Rechtsfigur für § 1 AStG und verdeckte Gewinnausschüttung erwarten können693. Blendet man das grenzüberschreitende Element des § 1 AStG einmal aus, so entspricht die Interessenlage des Gesetzgebers bei § 1 AStG im Hinblick auf die „nahestehenden Personen“ seiner Interessenlage bei der verdeckten Gewinnausschüttung. Entscheidend geht es in beiden Fällen um eine Einkünftekorrektur, deren Regelungsgrund darin liegt, dass eine Leistung aufgrund eines – wie auch immer beschaffenen – Näheverhältnisses zwischen den Beteiligten zu marktunüblichen Bedingungen erfolgt. Obwohl in der Praxis des § 1 AStG die Verrechnungspreisproblematik zwischen verbundenen Unternehmen zahlenmäßig ganz deutlich überwiegt, besteht dieses Korrekturbedürfnis grundsätzlich unabhängig von einer bestimmten gesellschaftsrechtlichen Beteiligungshöhe. Anknüpfungspunkt der Korrektur ist lediglich die Verbilligung aufgrund einer Nähebeziehung, sodass im Ergebnis ein rein persönliches Näheverhältnis ebenso zu einer Einkünftekorrektur führt wie eine Mehrheitsbeteiligung. Mit anderen Worten ist auch im Rahmen des § 1 AStG eine (grenzüberschreitende) konzernrechtliche Beziehung nur ein Näheverhältnis inter pares. Zudem haben die Ausführungen zur verdeckten Gewinnausschüttung deutlich gemacht, dass konzernrechtliche Sachverhalte einer Vielzahl von Urteilen zugrunde liegen und der Recht691 Hierzu schon frühzeitig Wassermeyer, BB 1984, 1501, 1506: „Dies lässt es als fraglich erscheinen, ob für § 1 Abs. 2 AStG überhaupt ein Regelungsbedürfnis bestand. In jedem Fall lassen sich für die Bedeutung des § 1 AStG aus dessen Absatz 2 keine besonderen Erfolgsmeldungen ableiten“. 692 So Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 827. 693 Vgl. Wassermeyer, BB 1984, 1501, 1505.
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C. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG
sprechung wegen der eindeutigen Beteiligungsverhältnisse regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Einem einheitlichen Verständnis der „nahestehenden Person“ im Rahmen der beiden Rechtsinstitute steht weder der Auslandsbezug des § 1 AStG noch der Umstand entgegen, dass § 1 AStG anders als die verdeckte Gewinnausschüttung gerade kein Gesellschaftsverhältnis voraussetzt. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Rechtsanwendung durch die wenig gelungene tatbestandliche Ausgestaltung des § 1 Abs. 2 AStG unnötig erschwert wird und die Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG gegenüber den Rechtsprechungsgrundsätzen zur „nahestehenden Person“ im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung weder technisch noch sachlich einen Mehrwert aufweist. In materieller Hinsicht stehen einem Gleichlauf des Nahestehens in den zwei Rechtsinstituten keine gewichtigen Bedenken gegenüber, da sich das gesetzgeberische Interesse an der Einkünftekorrektur bei beiden im Grundsatz entspricht. De lege lata rechtfertigt sich die Einschränkung des personalen Anwendungsbereichs der „nahestehenden Person“ somit lediglich damit, dass dem Steuerpflichtigen keine Möglichkeit des Gegenbeweises offensteht, wenn die Existenz einer „nahestehenden Person“ und das Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz festgestellt worden sind. De lege ferenda ließen sich die für § 1 AStG materiell erwünschten Ergebnisse durch eine entsprechend modifizierte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung erzielen. Zur Begründung eines Na hestehens käme für § 1 AStG danach jede Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und einem Dritten in Betracht, die den Schluss zulässt, sie habe die Marktunüblichkeit der Geschäftsbedingungen beeinflusst. Derartige Beziehungen können – wie schon nach geltendem § 1 Abs. 2 AStG – familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Die Vorteile einer solchen Lösung, die den Anwendungsbereich des Nahestehens erheblich erweitert, liegen auf der Hand. So könnten die Rechtsanwendungsschwierigkeiten im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG umgangen und die Problematik wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung auf die beweisrechtliche Ebene verlagert werden. In der Folge hätte die Finanzverwaltung zunächst zu beweisen, dass ein entsprechendes Näheverhältnis vorliegt und die getroffenen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten von den zwischen fremden Dritten üblichen Konditionen abweichen. Um die Rechtsfolge der Korrektur abzuwenden, hätte der Steuerpflichtige im Einzelfall darzulegen, dass die vergünstigten Bedingungen aus betrieblichen Gründen erfolgt sind.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Gleichwohl dürfte der praktische Mehrwert einer solchen Lösung gering sein, da die ganz überwiegende Mehrzahl der Fälle des § 1 AStG Beziehungen zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Unternehmen betrifft, welche auch de lege lata ohne weiteres vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 AStG erfasst werden. Zudem dürfen die hier aufgezeigten Vorteile nicht darüber hinwegtäuschen, dass der angestrebte Gewinn von Einzelfallgerechtigkeit letztlich wiederum mit einem Verlust an Rechtssicherheit einhergeht.
D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG I. Grundzüge des § 10 UStG 1. Einordnung und Überblick Auch im unionsrechtlich geprägten Umsatzsteuerrecht694 begegnet dem Rechtsanwender die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der sogenannten Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG. Sie ist damit im dritten Abschnitt des Umsatzsteuergesetzes verortet, welcher sich der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage widmet. Im Ausgangspunkt setzt ein Umsatz nach dem Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG voraus, dass die Leistung „gegen Entgelt“, das heißt im Wege eines Leistungsaustauschs, erfolgt. Von dieser vorrangigen Frage, ob eine Leistung (überhaupt) gegen Entgelt695 erbracht und damit steuerbar ausgeführt wird, muss die Frage unterschieden werden, welche Zahlungen zur Gegenleistung („Entgelt“) gehören696. Hiermit ist die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage angesprochen, für deren Bestimmung § 10 UStG die zentrale Vorschrift bei Lieferungen, sonstigen Leistungen und innergemeinschaftlichen Erwerben darstellt. § 10 UStG enthält zudem Regelungen für unentgeltliche Leistungen und Entnahmen. Auf die hiernach ermittelte Bemessungsgrundlage ist der jeweilige Steuersatz des § 12 UStG anzuwenden. Ergänzt wird die Norm durch § 11 UStG, welcher bei der Einfuhr von Nichtgemeinschaftswaren die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach dem Zollwert vorsieht.
694 Zum unionsrechtlichen Kontext und seinen Konsequenzen für die Anwendung des Umsatzsteuergesetzes Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU, S. 18 ff.; Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 6 ff.; Stadie, Umsatzsteuerrecht Rn. 1.49 ff.; Widmann, Die Entwicklung der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 219; aus der Kommentarliteratur etwa Klenk in Sölch/Ringleb, UStG Vor § 1 Rn. 12 ff.; Robisch in Bunjes, UStG Vor § 1 Rz 12 ff.; grundlegend zur Auslegungsmethodik Schön, Die Auslegung des europäischen Steuerrechts, 1993. 695 Näher zum umsatzsteuerrechtlichen Begriff des „Entgelts“ sogleich. 696 Vgl. Stadie, UStG § 1 Rn. 74.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
Bei bestimmten Näheverhältnissen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger geht der Gesetzgeber davon aus, dass regelmäßig eine zu niedrige Gegenleistung vereinbart wird. Für diese Fälle sieht die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG eine Korrekturmöglichkeit vor. Diese Regelung zielt darauf ab, eine möglichst vollständige und gleichmäßige Belastung jedes Endverbrauchers mit Umsatzsteuer zu erreichen697. Die umfangreiche Norm des § 10 UStG gliedert sich in sechs Abschnitte, wobei Absatz 3, welcher Geschäftsveräußerungen zum Gegenstand hatte, inzwischen weggefallen ist. Ausgangspunkt und Grundtatbestand ist § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG, wonach der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) im Grundsatz nach dem „Entgelt“ bemessen wird. Für die Belange der Bemessungsgrundlage ist unter „Entgelt“ gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles zu verstehen, was der Leistungsempfänger abzüglich der Umsatzsteuer aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Sodann stellt Satz 3 fest, dass zum Entgelt auch gehört, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer gewährt. Während § 10 Abs. 2 Satz 1 UStG die Übertragung von Rechten in den Blick nimmt, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, regelt Satz 2 die Bestimmung des Entgelts beim Tausch (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UStG), beim tauschähnlichen Umsatz (§ 3 Abs. 12 Satz 1 UStG) und bei Hingabe an Zahlungs statt. Zwei wichtige Ersatztatbestände zum Grundtatbestand des § 10 Abs. 1 UStG enthält die Norm in § 10 Abs. 4 und Abs. 5 UStG. Für bestimmte unentgeltliche Leistungen und Entnahmen bestimmt § 10 Abs. 4 UStG, dass sich die Bemessungsgrundlage698 regelmäßig nach Ersatzwerten richtet. So wird der Umsatz im Falle von Lieferungen (Gegenstandsentnahmen) gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis699 zuzüglich der Nebenkosten oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten bemessen. Für sonstige Leistungen (Leistungsentnahmen) sind nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 3 UStG sinngemäß die entstandenen Ausgaben zugrunde zu legen. Die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG ordnet eine entsprechende Anwendung des Absatzes 4 für Fälle an, in welchen zwar ein (niedriges) Entgelt vereinbart wurde, der Gesetzgeber 697 Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 520. 698 Hingegen spricht Art. 11 der 6. EG-Richtlinie von der „Besteuerungsgrundlage“. Aufgrund der Legaldefinition des § 199 Abs. 1 AO ist dieser Begriff im deutschen Steuerrecht jedoch mit einem anderen Inhalt besetzt 699 Einkaufspreis, Kosten und Selbstkosten sowie Ausgaben sind als pagatorische Aufwendungen für die erfolgte unentgeltliche Wertabgabe zu verstehen, die keine lediglich kalkulatorischen Kosten umfassen, vgl. Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 138.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
aufgrund bestimmter Näheverhältnisse zwischen den Beteiligten aber von einer ungewöhnlichen und zu niedrigen Bemessung ausgeht. Im Ergebnis wird durch die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG die Bemessungsgrundlage mindestens auf den Wert angehoben, welcher für die Leistung im Falle der Unentgeltlichkeit anzusetzen wäre. Schließlich behandelt § 10 Abs. 6 UStG den speziellen Fall der Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind. 2. Grundtatbestand: Entgelt als Bemessungsgrundlage, § 10 Abs. 1 UStG Um sich der Auslegungsproblematik der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 UStG zu nähern, empfiehlt sich zunächst ein genauerer Blick auf das systematische Zusammenwirken der Absatzes 1 einerseits sowie der Absätze 4 und 5 andererseits, welches als Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgestaltet ist. Im Grundsatz wird gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb nach dem Entgelt bemessen. Nach der Definition des Entgelts in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Erfasst sind hiervon nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG auch die Aufwendungen eines Dritten für den Leistungsempfänger700. Der Begriff des Entgelts ist also aus Sicht des Leistungsempfängers701 zu bestimmen. Abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch und der bürgerlich-rechtlichen Preisgestaltung wird das Entgelt durch § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG als Gegenleistung abzüglich der Umsatzsteuer und damit als reine Rechengröße verstanden702. Als solche kann das „Entgelt“ im Sinne des § 10 Abs. 1 UStG strenggenommen entgegen irreführender Formulierungen des Umsatzsteuergesetzes aber nicht „vereinnahmt“703 oder „vereinbart“704 werden. Richtigerweise geht es um die Vereinnahmung bzw. Vereinbarung der „Gegenleistung“705. Terminologisch zutreffend spricht daher auch die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 700 Anschaulich hierzu aus jüngerer Zeit BFH v. 6.5.2010, V R 15/09, BStBl. II 2011, 142. 701 Für den besonders anschaulichen Fall einer irrtümlichen Doppelzahlung eines Kunden bei einem Versandhandelsunternehmen BFH v. 13.12.1995, XI R 16/95, BStBl. II 1996, 208; vgl. Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 4. 702 Stadie, UStG § 10 Rn. 4; ausführlich Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 45 ff. 703 So aber § 13 Abs. 1 Nr. Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 5 UStG, § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG, § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG. 704 So aber § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG, § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG, § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG. 705 Eingehend zur Terminologie Stadie, UStG § 10 Rn. 4 ff.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
(MwStSystRL)706 in Art. 73 vom „Wert der Gegenleistung“. Zu unterscheiden ist der Entgeltbegriff des § 10 Abs. 1 UStG von dem des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. § 1 Abs. 1 UStG betrifft die vorrangige Frage, ob eine Leistung überhaupt „gegen Entgelt“ erbracht und damit überhaupt steuerbar im Sinne von § 1 Abs. 1 UStG ausgeführt wird. Dies ist der Fall, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist707. Somit ist das Entgelt im Rahmen des § 1 Abs. 1 UStG eher als Gegenleistung im Sinne des Sprachgebrauchs zu verstehen und entspricht im Regelfall dem zivilrechtlichen Synallagma708. Sehr deutlich kommt in der Definition des Entgelts in § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG der Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer zum Ausdruck: Es wird nur der tatsächliche Aufwand für die erbrachte Leistung besteuert, indem aus diesem Wert die Umsatzsteuer heraus gerechnet wird709. Für die Charakterisierung als Entgelt ist kein innerer synallagmatischer Zusammenhang erforderlich und es bedarf keiner Finalität des Handelns in dem Sinne, dass der Leistende leistet, um die Gegenleistung zu erhalten. Vielmehr kommt es auf das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und der empfangenen Gegenleistung an710. Für den Umfang des Entgelts ist auf die tatsächlich verfügbaren Einnahmen ohne Umsatzsteuer abzustellen, sodass es gerade nicht auf den objektiven Wert der erbrachten Leistung ankommt. Zum einen ist es daher unerheblich, ob dem Leistenden wegen der Durchführung der Leistung Kosten entstanden sind oder ihm diese möglicherweise sogar einen Verlust eingebracht hat. Zum zweiten stellt die Ge genleistung auch dann das Entgelt dar, wenn sie im Verhältnis zum Marktpreis weit überhöht ist711. 3. Die „Ausnahmetatbestände“ in § 10 Abs. 4 und § 10 Abs. 5 UStG Den bisherigen Ausführungen lassen sich somit zwei Grundsätze zur Systematik der Umsatzbemessung entnehmen: Erstens unterliegen im 706 Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. EG 2006 Nr. L 347, 1. 707 Vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG § 1 Rn. 36; Robisch in Bunjes, UStG § 1 Rn. 13; ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH v. 16.12.2010, Rs. 270/09 Macdonald Resorts Ltd., DStR 2011, 119, Rn. 16 mit weiteren Nachweisen; EuGH v. 3.3.1994, Rs. 16/93 Tolsma, UVR 1994, 152; zustimmend BFH v. 15.4.2010, V R 10/08, BStBl. II 2010, 879; BFH v. 20.12.2001, V R 81/99, BStBl. II 2003, 213, 214. 708 Vgl. Stadie, UStG § 1 Rn. 74 f., der dem Erfordernis eines „Rechtsverhältnisses“ kritisch gegenüber steht. 709 Stadie, UStG § 10 Rn. 7; Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 136. 710 Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 5. 711 Vgl. Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 12.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Grundsatz zunächst nur Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer, die im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG „gegen Entgelt“ ausgeführt werden. Zum zweiten bildet im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG nur das tatsächlich aufgewendete und nicht etwa das objektiv angemessene Entgelt die Besteuerungsgrundlage712. Zu diesen beiden Grundsätzen verhalten sich die § 10 Abs. 4 und 5 UStG systematisch als Ausnahmen713. Während Absatz 4 unentgeltliche Abläufe zum Gegenstand hat, ist Absatz 5 auf entgeltliche und damit regulär steuerbare Vorgänge bezogen. § 10 Abs. 4 regelt eine Besteuerungsgrundlage für bestimmte unentgeltliche Vorgänge, die insoweit als „gegen Entgelt ausgeführt“ gelten und damit der Umsatzsteuer unterliegen. Durch diese Fiktion wird der Grundsatz umgangen, dass nur entgeltliche Leistungen steuerbar sind. Schlagwortartig lässt sich die Vorschrift also zutreffend mit „fiktive Leistungen gegen Entgelt“714 überschreiben. Hingegen stellt § 10 Abs. 5 UStG eine Ausnahme715 zu dem Grundsatz dar, wonach nur das tatsächliche Entgelt Besteuerungsgrundlage ist716. Das Erfordernis für die Regelung einer Mindestbemessungsgrundlage liegt darin begründet, dass in den möglichen Anwendungsfällen des § 10 Abs. 5 UStG wegen des Vorliegens eines (wenngleich niedrigen) Entgelts keine unentgeltlichen Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG vorliegen, sondern ein echter Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG717. In der Folge wäre aber die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 UStG niemals anwendbar, wenn von den Beteiligten ein zumindest niedriges Entgelt vereinbart würde718. Von § 10 Abs. 5 UStG werden Fallkonstellationen erfasst, in denen der Gesetzgeber vermutet, dass die zu niedrige Gegenleistung durch ein Näheverhältnis zum Leistungsempfänger und damit durch nichtunternehmerische Motive verursacht worden ist719. Mit anderen Worten geht der Gesetzgeber davon aus, dass in diesen Fällen der Erwerbspreis nicht „[…] auf dem freien Markt im Interessenwiderstreit zwischen Unternehmer (Steuerpflichtiger) und Verbrau712 Vgl. Korn in Bunjes, UStG § 10 Rz 73. 713 Näher zur systematischen Einordnung Weiß, UR 1986, 83, 92. 714 So die Überschrift bei Stadie, UStG § 10 Rn. 93. 715 § 10 Abs. 5 UStG kann in einem doppelten Sinne als „Ausnahme“ bezeichnet werden: Häufig wird die Vorschrift auch deshalb als Ausnahmeregelung bezeichnet, da die Bundesrepublik von einer Ausnahme-Ermächtigung gemäß Art. 27 Abs. 1 der 6. RL bzw. Art. 395 MwStSystRL Gebrauch gemacht hat, vgl. hierzu ausführlich Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 472 ff. 716 Weiß, UR 1986, 83, 92: „Die Regelung in § 10 Abs. 5 UStG 1980 durchbricht den in § 10 Abs. 1 UStG verankerten Grundsatz der Maßgeblichkeit der von den Parteien des Leistungsaustausches getroffenen Entgeltsvereinbarung.“ 717 Vgl. Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 140. 718 Näher zur Bedeutung eines lediglich „symbolischen Preises“ Wagner in Sölch/ Ringleb, UStG § 10 Rn. 540 ff. 719 Stadie, UStG § 10 Rn. 120.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
cher vereinbart […]“720 bzw. zustande gekommen ist721. Materiell handelt es sich bei § 10 Abs. 5 UStG somit um eine Ergänzungsvorschrift zur Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben722.
II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal der Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG 1. Unionsrechtlicher Kontext der deutschen Mindestbemessungs grundlage in § 10 Abs. 5 UStG Als unionsrechtliche723 Rechtsgrundlage der deutschen Mindestbemessungsgrundlage ist allein die der Bundesrepublik im Jahre 1978 erteilte Ausnahme-Ermächtigung724 gemäß Art. 27 Abs. 1 der 6. MwSt-RL725 anzusehen. Eine Protokollerklärung zu der Richtlinienbestimmung erläutert diese dahingehend, dass die einzelnen Mitgliedstaaten auch Mindestbemessungsgrundlagen festsetzen können726. Nur wenige Monate vor Inkrafttreten der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL)727 wurde dem Art. 11 Teil A der 6. MwSt-RL mit Wirkung vom 13.8.2006 durch die Richtlinie 2006/69/EG eine konkretisierte Ermächtigungsbestimmung für den Bereich der Mindestbemessungsgrundlage beigefügt728. Gegenstand dieser neuen Ermächtigung waren verbilligte Leistungen des Unternehmers an bestimmte Gruppen „nahestehender Personen“. Seit 2007 gilt diese neue Ermächtigung in Art. 80 MwStSystRL729 fort. Aus der Perspektive der MwStSystRL handelt es sich bei der deutschen Mindestbemessungsgrundlage nunmehr um eine zulässige Sondermaßnahme im
720 Söhn, StuW 1977, 352, 358 und erneut derselbe, DStZ 1987, 367, 376. 721 Weiß, UR 1986, 83, 92: „Es gibt Lebensbereiche, in denen empirisch feststellbar eine Neigung besteht, an bestimmte Personen oder Personenkreise Waren oder Dienstleistungen im Vergleich zum sonst verlangten Marktpreis billiger abzugeben“. 722 Vgl. Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 140. 723 Ausführlich zum europarechtlichen Kontext des § 10 Abs. 5 UStG Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 472 ff.; Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG § 10 Rn. 581 ff.; Schwarz, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 521 f. 724 Zur Frage, ob die Ausnahmegenehmigung ordnungsgemäß ergangen ist, Möhlenkamp/Maunz, UR 2006, 1, 2 ff. 725 6. MwSt-RL v. 17.5.1977, 77/388/EWG, ABl. EG 1977 Nr. L 145, 1. 726 Vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 472 ff.; näher zu der entsprechenden Protokollerklärung Schlienkamp, UR 1984, 221. 727 Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. EG 2006 Nr. L 347, 1. 728 Dieser Absatz 6 Satz 1 lautet: „Zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder – umgehung können die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen oder bei Dienstleistungen der Normalwert ist“. 729 Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. EG 2006 Nr. L 347, 1.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Sinne des Art. 394 MwStSystRL730. Die Regelung des Art. 80 Abs. 1 MwStSystRL lautet wie folgt: „Zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder -umgehung können die Mitgliedstaaten in jedem der folgenden Fälle Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferungen von Gegenständen oder für Dienstleistungen, an Empfänger, zu denen familiäre oder andere enge persönliche Bindungen, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften, sowie eigentumsrechtliche, finanzielle oder rechtliche Bindungen, gemäß der Definition des Mitgliedstaats, bestehen, der Normalwert ist […]“ Sodann heißt es in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL weiter: „Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 kann als rechtliche Bindung auch die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Familie des Arbeitnehmers oder anderen diesem nahestehenden Personen, gelten.“ Hier zeigt sich, dass der Begriff der „nahestehenden Person“ wörtlich allein in Satz 2 verwendet wird. Doch enthält auch Art. 80 MwStSystRL keine eigene Begriffsdefinition. Obgleich inzwischen mit Art. 80 MwStSystRL eine speziellere Ermächtigungsbestimmung zur Einführung von Mindestbemessungsgrundlagen bei Umsätzen zwischen „eng verbundenen Personen“ geschaffen worden, ergibt sich doch schon aus Art. 80 Abs. 3 MwStSystRL, dass der deutsche § 10 Abs. 5 UStG unabhängig vom neueren Art. 80 MwStSystRL weiter gilt und auch weiterhin allein auf der nach Art. 27 Abs. 1 der 6. MwSt-RL erteilten Ermächtigung basiert731. Diese Feststellung hat handfeste Konsequenzen für die Auslegung der deutschen Norm: Zum ersten folgt hieraus, dass Art. 80 MwStSystRL lediglich als Auslegungshilfe732 für § 10 Abs. 5 UStG herangezogen werden kann. Zum zweiten bedeutet dies zugleich, dass der Anwendungsbereich der deutschen Mindestbemessungsgrundlage auf den Rahmen der nach Art. 27 der 6. MwSt-RL erteilten Ermächtigung begrenzt sein muss: So hat der EuGH in der Rechtssache Skripalle733 klargestellt, dass § 10 Abs. 5 UStG insoweit nicht durch die Sonder-Ermächtigung gedeckt ist, 730 Vgl. Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95; ausdrücklich auch BFH v. 24.1.2008, V R 39/06, BFHE 221, 388, 389. 731 Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 475: „Der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 UStG bleibt damit grundsätzlich durch den Anwendungsbereich der ursprünglichen Ermächtigung bestimmt“. 732 Vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 472 ff. 733 EuGH v. 29.5.1997, Rs. 63/96 Skripalle, BStBl. II 1997, 841. Ausführlicher zum Merkmal „marktüblichen Entgelt“ sogleich.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
als bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen eine das marktübliche Entgelt übersteigende Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. 2. Die drei Fallgruppen von Nähebeziehungen in § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG Den Tatbeständen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG lassen sich insgesamt drei Konstellationen von Näheverhältnissen734 entnehmen, für welche der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die zu niedrige Gegenleistung typischerweise Resultat dieser Näheverhältnisse zwischen den Beteiligten ist und somit aufgrund eines nichtunternehmerischen Motivs ausgelöst worden ist735. Das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ wird hierbei allein im Rahmen der § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 UStG – und nicht in Nummer 2 – verwendet. Terminologisch sollte daher sorgfältig zwischen den drei Näheverhältnissen des § 10 Abs. 5 UStG und der „nahestehenden Person“ unterschieden werden, was im Schrifttum nicht immer beachtet wird736. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 5 UStG ist in allen Fällen stets, dass die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das „vereinbarte“ Entgelt nach Absatz 1 übersteigt. Als Rechtsfolge wird das Entgelt auf den Wert aufgestockt, der für die betreffenden Leistungen bei Unentgeltlichkeit gemäß § 10 Abs. 4 UStG in Betracht käme. Als erste Konstellation umfasst der Tatbestand des § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen „nahestehenden Personen“ ausführen. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass das typisierende Merkmal der „na hestehenden Person“ verwendet wird, um strukturell ein Näheverhältnis der Anteilseigner, Gesellschafter, Mit-glieder oder Teilhaber zu dritten Personen zu beschreiben. Es geht also nicht unmittelbar um das Näheverhältnis zwischen Körperschaft und dritter Person. Dies erinnert stark an die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung, wo es ebenfalls um ein Näheverhältnis zwischen Gesellschaftern und Dritten geht. Das zweite Näheverhältnis findet sich in § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 UStG, wonach eine entsprechende Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 4 734 Im Einzelnen finden sich diese drei Konstellationen in § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 und § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG. 735 Vgl. Stadie, UStG § 10 Rn. 120; Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95. 736 Exemplarisch für einen unpräzisen Sprachgebrauch Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen der Einzelunternehmer an die ihnen „nahestehenden Personen“ angeordnet wird. Strukturell geht es hier also um Nähebeziehungen zwischen der „nahestehenden Person“ und dem Leistenden (Einzelunternehmer) selbst. Hierin besteht ein Unterscheid zu Alternative 1, wo der Bezugspunkt des Nahestehens der Anteilseigner des Leistenden ist737. Die dritte Fallgruppe von Näheverhältnissen betrifft den Unternehmer in seiner Funktion als Arbeitgeber: So trifft § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG die Anordnung der entsprechenden Anwendung des § 10 Abs. 4 UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt. Anders als in Nummer 1 wird hier schon begrifflich nicht auf die „nahestehende Person“, sondern ausdrücklich auf „Angehörige“ Bezug genommen. Es ist davon auszugehen, dass hiermit auf den abgabenrechtlichen Begriff des § 15 AO Bezug genommen wird738. Hierdurch wird der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG im Vergleich zur Nummer 1 deutlich verengt. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal lediglich in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG verwendet wird und zwischen ihrem Gebrauch in Alternative 1 und Alternative 2 strukturelle Unterschiede bestehen. 3. Einschränkungen des Anwendungsbereichs des § 10 Abs. 5 UStG a) Tatbestandliche Einschränkung „auf Grund des Dienstverhältnisses“, § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG Anhand der Arbeitnehmerzuwendungen nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG zeigt sich besonders deutlich, dass die Mindestbemessungsgrundlage als Ausnahmeregelung nur auf der widerlegbaren Vermutung beruht, dass in den aufgeführten typisierten Näheverhältnissen ein Steuerhinterziehungsrisiko oder eine Steuerumgehungsgefahr besteht739: Verbilligte Leistungen an das Personal des Unternehmers oder an Angehörige des Personals sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nur dann mit der Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen, soweit sie „auf Grund des Dienstverhältnisses“ ausgeführt werden. Voraussetzung für den Ansatz mit der Mindestbemessungsgrundlage ist jedoch, dass die erfassten Umsätze auch ohne Entgeltvereinbarung als unentgeltliche Leistung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG steuerbar wären und sich die Bemessungs-
737 Vgl. Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 532. 738 So auch Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 535. 739 Vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 476.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
grundlage dann nach § 10 Abs. 4 UStG richtete740. Andernfalls käme es zu einem Wertungswiderspruch, wenn eine unentgeltliche, ausschließlich aus unternehmerischen Gründen erbrachte Leistung an das Personal nicht steuerbar wäre, hingegen im Falle der „teilentgeltlichen“ Überlassung wegen § 10 Abs. 5 UStG die Bemessungsgrundlage mit den gesamten Kosten anzusetzen wäre741. Von der Rechtsprechung wird das Merkmal „auf Grund des Dienstverhältnisses“ tendenziell restriktiv ausgelegt: So geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass die Mindestbemessungsgrundlage nicht anzusetzen ist, wenn die Verbilligung vorrangig im unternehmerischen Interesse erfolgt742. In diesen Fällen wird das Dienstverhältnis als typisiertes Näheverhältnis zwischen den Beteiligten gerade nicht kausal für die zu geringe Gegenleistung. In einer jüngeren Entscheidung743 hat der Bundesfinanzhof zudem klargestellt, dass eine Leistung „auf Grund des Dienstver hältnisses“ grundsätzlich auch zu bejahen sei, wenn die Leistung des Arbeitgebers zwar aus betrieblichem Anlass erfolge, jedoch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer befriedige. Eine Leistung „auf Grund des Dienstverhältnisses“ läge nur dann nicht vor, wenn die persönlichen Vorteile der Arbeitnehmer den Bedürfnissen des Unternehmers untergeordnet seien. b) Vereinbarung eines „marktüblichen Entgelts“ (1) Teleologische Reduktion der Bemessungsgrundlage auf den Marktpreis Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 UStG ist lediglich erforderlich, dass ein Näheverhältnis vorliegt und dass die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt. Danach kommt es gerade nicht darauf an, dass die Verbilligung der Leistung tatsächlich durch eines der speziellen in § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG aufgelisteten Näheverhältnisse zwischen Leistendem und Leistungsempfänger veranlasst ist. Folglich wäre nach dem Wortlaut der höhere Wert für den Eigenverbrauch gemäß § 10 Abs. 4 UStG selbst dann anzusetzen, wenn die Beteiligten ein marktübliches Entgelt vereinbaren.
740 Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95. 741 So auch Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rn. 516. 742 BFH v. 15.11.2007, V R 15/06, BStBl. II 2009, 423 zur verbilligten Arbeitnehmer beförderung der Arbeitnehmer zur Arbeitsstätte; BFH v. 27.2.2008, XI R 50/07, BStBl. II 2009, 426 zur verbilligten Überlassung notwendiger Arbeitskleidung; vgl. Stadie, UStG § 10 Rn. 127: „eigenunternehmerische Gründe“. 743 BFH v. 19.6.2011, XI R 08/09, SteuK 2011, 508.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Nach heute einhelliger Auffassung in Schrifttum744, Rechtsprechung745 und Finanzverwaltung746 ist die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG allerdings teleologisch auf das marktübliche Entgelt zu begrenzen. Vereinbaren die Beteiligten also ein marktübliches Entgelt, kommt die Bemessung des Umsatzes nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG auch dann nicht in Betracht, wenn es sich beim Leistungsempfänger um eine „nahestehende Person“ handelt und die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG höher ist als die sich aus § 10 Abs. 1 UStG ergebende Bemessungsgrundlage. In diesem Fall kann die Prüfung, ob es sich um eine „nahestehende Person“ handelt, gänzlich dahin stehen. Obwohl im Schrifttum schon frühzeitig747 unter systematischer Bezugnahme auf den Gesetzeszweck für eine solche Begrenzung des § 10 Abs. 5 UStG plädiert wurde, vermochten sich Finanzverwaltung und der Bundesfinanzhof lange Zeit nicht über den Wortlaut von § 10 Abs. 4 und 5 UStG hinwegzusetzen748. Erst durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 1997 ließen sie sich von der Notwendigkeit einer solchen teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 5 UStG überzeugen: So entschied der EuGH in der Rechtssache Skripalle749, dass die deutsche Regelung des § 10 Abs. 5 UStG insoweit nicht durch die der Bundesrepublik nach Art. 27 der 6. MwSt-RL erteilte Ermächtigung gedeckt sei, als bei Leistungen zwischen einander „nahestehenden Personen“ eine das marktübliche Entgelt übersteigende Bemessungsgrundlage anzusetzen sei. Über die richtlinienkonforme Auslegung verlangt § 10 Abs. 5 UStG daher die Beachtung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals des „marktüblichen Entgelts“. Im Anschluss entschied sodann der Bundesfinanzhof750, dass der Umsatz nicht nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG bemessen werden darf, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt marktüblich ist. Erst durch diese Urtei744 Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95; Reiß in Tipke/Lang20, Steuerrecht § 14 Rn. 140; Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG § 10 Rn. 590 ff.; Stadie, Umsatzsteuerrecht Rn. 11.61; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rn. 493 f.; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 539h; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 520 ff.; Widmann, UR 1997, 301, 303 f. Aus dem früheren Schrifttum bereits: Boeker, BB, 1983, 2049; Reiß, BB 1985, 1724, 1726 f.; Söhn, DStZ 1987, 367, 376; Widmann, BB 1987, 522; Knobbe-Keuk, DB 1993, 403. 745 EuGH v. 29.5.1997, Rs. 63/96 Skripalle, BStBl. II 1997, 841 im Anschluss BFH v. 8.10.1997, XI R 8/86, BStBl. II 1997, 840. 746 Nunmehr ausdrücklich UStAE 10.7 Abs. 1 Satz 4: „Dies gilt nicht, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt marktüblich ist (vgl. EuGH-Urteil vom 29. 5. 1997, C-63/96, BStBl. II S. 841, und BFH-Urteil vom 8. 10. 1997, XI R 8/86, BStBl. II S. 840).“ 747 Hervorzuheben sind Boeker, BB, 1983, 2049; Reiß, BB 1985, 1724, 1726 f.; Söhn, DStZ 1987, 367, 376; Widmann, BB 1987, 522. 748 Vgl. hierzu auch Widmann, UR 1997, 301, 303. 749 EuGH v. 29.5.1997, Rs. 63/96 Skripalle, BStBl. II 1997, 841 im Anschluss sodann BFH v. 8.10.1997, XI R 8/86, BStBl. II 1997, 840. 750 BFH v. 8.10.1997, XI R 8/86, BStBl. II 1997, 840.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
le konnte die Finanzverwaltung von einer teleologischen Reduktion der Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG auf den Marktpreis überzeugt werden und begrenzt diese nun ausdrücklich in 10.7 des Umsatzsteueranwendungserlasses751. Besonders anschaulich zeigt sich an diesem Vorgang die unionsrechtliche Prägung des Umsatzsteuerrechts: Während die (nationale) gesetzessystematische Argumentation über lange Zeit nicht auf Gehör in Rechtsprechung und Finanzverwaltung stieß, führte erst die europarechtliche Argumentationslinie zum gewünschten und richtigen Ergebnis. (2) Die Vereinbarung eines lediglich „symbolischen Preises“ Voraussetzung für die Annahme eines „marktüblichen Entgelts“ im Rahmen des § 10 Abs. 5 UStG ist, dass es sich überhaupt um ein „Entgelt“ im umsatzsteuerrechtlichen Sinne handelt. Bedeutung kommt deshalb der Frage zu, wie niedrig das tatsächlich vereinbarte Entgelt sein darf, um umsatzsteuerrechtlich noch „Entgeltcharakter“ zu haben. Nach dem Wortlaut der Norm könnten die Parteien selbst durch Vereinbarung einer minimalen Gegenleistung die Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 10 Abs. 4 UStG, deren Bezugspunkt unentgeltliche Leistungen sind, umgehen und in den engeren Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 UStG gelangen. Zumindest für den Fall, dass die Beteiligten nicht von den Fallgruppen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 UStG erfasst werden, käme es zu einem abweichenden Ergebnis in Form einer niedrigeren Bemessungsgrundlage. Als untere Grenze, bis zu der ein vereinbartes Entgelt noch als solches anzuerkennen ist, zieht der Bundesfinanzhof den bloß „symbolischen Preis“ in Betracht752, dessen Höhe von den Umständen des jeweiligen Leistungsaustauschs abhängig ist. Dieser „symbolische Preis“ ist nicht als Entgelt anzuerkennen mit der Folge, dass die Leistung (allein) nach § 10 Abs. 4 UStG als unentgeltliche Leistung steuerbar ist und § 10 Abs. 5 UStG keine Anwendung findet. Als Rechtsgrundlage für eine solche „Korrektur“ der Entgeltvereinbarung kommt nur das allgemeine Missbrauchs- oder Umgehungsverbot des § 42 AO in Betracht. Im Hinblick auf die konkrete Höhe der „Symbol-Grenze“ hat sich die Rechtsprechung bisher nicht festgelegt.
751 UStAE 10.7 Abs. 1 Satz 4: „Dies gilt nicht, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt marktüblich ist (vgl. EuGH-Urteil vom 29. 5. 1997, C-63/96, BStBl. II S. 841, und BFH-Urteil vom 8. 10. 1997, XI R 8/86, BStBl. II S. 840).“ 752 BFH v. 15.11.2007, V R 15/06, BStBl. II 2009, 423: „[…] handelt es sich nicht um eine symbolische Vergütung, der umsatzsteuerlich kein Entgeltcharakter zukommt […]“. Zustimmend Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 540 ff.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
In zwei Entscheidungen aus jüngerer Zeit zeigte sich der Bundesfinanzhof aber recht großzügig und stellt keine hohen Anforderungen an das tatsächlich gezahlte Entgelt: Im ersten Fall ging es um die Nutzungsüberlassung von Arbeitskleidung an die Arbeitnehmer, deren gezahltes Entgelt nur etwa 30 bis 46 Prozent der tatsächlich entstandenen Kosten abdeckte. Das Gericht nahm hier unproblematisch ein Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 UStG an753. Gegenstand der zweiten Entscheidung war die umsatzsteuerliche Entgeltlichkeit einer Arbeitnehmersammelbeförderung. Hier leisteten die Arbeitnehmer Zahlungen von 1 DM pro Arbeitstag, womit sich die Zahlungen auf 8,5 Prozent der Beförderungskosten beliefen. Selbst in diesem Fall lehnte der 11. Senat ausdrücklich einen bloß symbolischen Preis ab: „Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um eine symbolische Vergütung, der umsatzsteuerlich kein Entgeltcharakter zukommt, da sich die von den Arbeitnehmern zu leistenden Zahlungen auf 8, 5 v. H. der Beförderungskosten beliefen.“754 Im Schrifttum ist unter Beachtung der großzügigen BFH-Judikatur vorgeschlagen worden, auf die 5-Prozent-Bagatellgrenze zurückzugreifen, wie sie zur Frage der ausschließlichen Verwendung bei § 9 Abs. 2 UStG durch UStR 148a Abs. 3 praktiziert wird755. Zwar hat sich der EuGH bislang nicht ausdrücklich zum „symbolischen Preis“ geäußert. Gleichwohl deuten seine Erwägungen im Urteil in der Rechtssache Hotel Scandic Gåsabäck756 wohl darauf hin, dass auch nach seiner Auffassung ein bloß symbolischer Preis als Umgehung der Eigenverbrauchsbesteuerung zu bewerten und in der Folge nicht als Entgelt anzuerkennen ist. Da das Gericht im konkreten Fall ohne weitere Angabe von Gründen das Vorliegen eines symbolischen Preises ablehnte, finden sich im Urteil keinerlei Ausführungen zu den Voraussetzungen oder der konkreten Höhe einer möglichen „Symbol-Grenze“. 4. Grundsätzliche Kritik an der Ausgestaltung des § 10 Abs. 5 UStG Die gesetzliche Ausgestaltung der Mindestbemessungsgrundlage ist im umsatzsteuerrechtlichen Schrifttum – auch unabhängig vom Aspekt des marktüblichen Entgelts – auf grundsätzliche Kritik gestoßen757. Die Kritik zielt darauf ab, dass es auf das Vorliegen eines der in § 10 Abs. 5 Nr. 1 753 BFH v. 27.2.2008, XI R 50/07, BStBl. II 2009, 426. 754 BFH v. 15.11.2007, V R 15/06, BStBl. II 2009, 423. 755 So Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 10 Rn. 544. 756 EuGH v. 20.1.2005, Rs. 412/03 Hotel Scandic Gåsabäck Rn. 25, UR 2005, 98. 757 Besonders deutlich Stadie, UStG § 10 Rn. 124: „Die Vorschrift ist überflüssig.“; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 525 f.; Weiß, UR 1986, 83, 99.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
und Nr. 2 UStG aufgelisteten Näheverhältnisse – und damit auch auf das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ – gar nicht ankommen dürfe. Grundsätzlich sei im Ergebnis jede unentgeltliche Leistung und damit grundsätzlich auch jede unter den Kosten liegende verbilligte Lieferung zu besteuern. Nach Stadie ist die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG schon als solche „überflüssig“758. Gehe man davon aus, dass Unternehmer üblicherweise nichts verschenkten, folge bereits aus dem Umstand, dass für die Leistung ein Entgelt gefordert werde, das unter den Kosten liege, die Vermutung, dass die Verbilligung aus Gründen erfolge, die außerhalb des Unternehmens liegen. Schon aus § 3 Abs. 1b und Abs. 9a i. V. m. § 10 Abs. 4 UStG ergebe sich aber, dass derartige Leistungen wie voll unentgeltliche zu behandeln seien. Denn es mache keinen Unterschied, ob eine Leistung unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt erbrachte werde, das nicht kostendeckend sei. Schwarz formuliert seine Bedenken gegen die Regelung als Kritik759 an der kasuistischen Ausgestaltung der § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG und spricht sich für eine allgemeine Mindestbemessungsgrundlage aus. Es sei nicht verständlich, warum nicht auch in allen anderen Fällen des zu niedrigen Entgelts eine Korrektur auf eine Mindestbemessungsgrundlage vorgenommen werden solle. Hierdurch hätte der Gesetzgeber nicht nur den Vorwurf einer möglichen Verletzung des Gleichheitssatzes und des Art. 6 GG vermeiden können760. Die Anordnung einer allgemeinen Mindestbemessungsgrundlage hätte auch einer vollständigen umsatzsteuerrechtlichen Erfassung und Belastung jeder Wertabgabe gedient. Die Beibehaltung der kasuistischen Ausgestaltung des § 10 Abs. 5 UStG sei umso weniger verständlich unter der Annahme, dass der Anwendungsbereich des Absatz 5 auf solche Fälle begrenzt sei, in denen das Entgelt zum Zwecke der Steuerhinterziehung oder –umgehung vereinbart wurde761. Hingegen sei ein möglicher Vorwurf der Nivellierung der Entgelte unzutreffend, da oberhalb der Mindestbemessungsgrundlage liegende Entgelte ohne Rücksicht auf ihre Angemessenheit anzusetzen seien762. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bestehende Regelung in ihrer kasuistischen Ausgestaltung und die damit einhergehende Sonderbehandlung der aufgezählten Näheverhältnisse ließen sich schließlich nur dann zer-
758 Stadie, UStG § 10 Rn. 124. 759 Vgl. Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 525 ff. 760 Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 525 unter Hinweis auf BVerfG v. 12.3.1985, 1 BvR 571/81, BVerfGE 69, 188. 761 Vgl. hierzu Möhlenkamp/Maunz, UR 2006, 1. 762 Vgl. Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 526. Hierzu näher Boeker, BB 1983, 2049.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
streuen, wenn man in Zustimmung zu Reiß763 und Söhn764 stets fordere, dass im konkreten Fall das spezielle Näheverhältnis tatsächlich die causa für die Verbilligung sei765. Trotz aller Kritik an der Regelung der Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG besteht de lege lata die Notwendigkeit, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG auszulegen. Im Folgenden werden die verschiedenen Auslegungsvarianten vorgestellt.
III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1. Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung legt ihrer Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG ein sehr weites Verständnis zugrunde. In offensichtlicher Anlehnung an den körperschaftsteuerrechtlichen Auslegungsmaßstab im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung heißt es nunmehr in UStAE 10.7 Abs. 1 Satz 2: „Als ‚nahestehende Personen‘ sind Angehörige im Sinne des § 15 AO sowie andere Personen und Gesellschaften anzusehen, zu denen ein Anteilseigner, Gesellschafter usw. eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung hat.“ Diese Definition entspricht der Auslegung, welche die Finanzverwaltung früher zu dem gleich lautenden Begriff des vor dem 1.4.1999 geltenden § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG angewendet hatte766. 2. Rechtsprechung a) Finanzgerichte (1) FG Köln v. 20.2.1986 Nur vereinzelt haben sich die Finanzgerichte bislang näher mit der umsatzsteuerrechtlichen Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 10 Abs. 5 UStG beschäftigt. Soweit ersichtlich formulierte erstmals das Finanzgericht Köln767 Maßstäbe für die Auslegung des Tat763 Reiß, BB 1985, 1724, 1727. 764 Söhn, DStZ 1987, 367, 376. 765 Vgl. Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 525. 766 Abschnitt 11 Abs. 3 UStR 1996; kritisch Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 531 ff., der insbesondere darauf hinweist, dass diese Begriffsbestimmung der Regelung in § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 UStG nicht gerecht werde. 767 FG Köln v. 20.2.1986, II K 143/84, EFG 1986, 314.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
bestandsmerkmals der „nahestehenden Person“: Danach müsse zumindest das Merkmal der „besonderen Einflussnahmemöglichkeit“ einerseits oder der „Interessenidentität zwischen den Beteiligten“ andererseits vorliegen, um vom Bestehen eines hinreichenden Näheverhältnisses ausgehen zu können. Beim Erfordernis der „besonderen Einflussnahmemöglichkeiten“ könne auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung zurückgegriffen werden. Dort hatte der Bundesfinanzhof zuvor eine personelle Verflechtung zwischen Vermieter und Mieter dergestalt verlangt, dass die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen „einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen“ hätten768. Unter Anwendung dieser Maßstäbe verneinte das Finanzgericht Köln für den konkreten Fall das Vorliegen eines Näheverhältnisses. Eine GmbH sei auch dann keine „nahestehende Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG, wenn deren Anteilseigner die Ehefrau und der volljährige Sohn des Einzelunternehmers sind und deren Geschäftsführung der Ehefrau obliegt769. Zunächst prüfte das Finanzgericht das Merkmal der „besonderen Einflussnahmemöglichkeit“. Entscheidend sei hier, dass der Kläger seinen geschäftlichen Betätigungswillen nicht in der GmbH durchsetzen könne. Zum einen fehle ihm die (mehrheitliche) gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Kapitalgesellschaft. Zum zweiten sei zu beachten, dass zwischen Eltern und volljährigen Kindern keine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe und es der Lebenserfahrung widerspreche, dass sich volljährige Kinder in persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten stets den Wünschen des Vaters unterordneten770. Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.3.1985771 könne zudem auch bei Ehegatten ohne nähere Anhaltspunkte nicht einfach von der Vermutung ausgegangen werden, sie verfolgten im Hinblick auf ihre persönlichen Beziehungen gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen. Im Streitfall sei auch das alternative Merkmal der „Interessenidentität“ zwischen den Beteiligten nicht erfüllt. Eine solche bestehe nicht schon deshalb, weil zwischen dem Kläger und der GmbH Mietverträge abgeschlossen worden seien und die GmbH im wohl verstandenen eigenen Interesse gehalten sei, Rücksicht auf die Vorstellungen, Wünsche und Interessen des Klägers zu nehmen. Bei den Vertragspartnern handele es sich nicht um gleichgerichtete, sondern um gegenläufige Interessen.
768 Vgl. BFH v. 26.7.1984, IV R 11/81, BStBl. II 1984, 714. 769 Zum gegenteiligen Ergebnis kommt aber ohne nähere Begründung in einem ganz ähnlich gelagerten Fall BFH v. 13.12.1995, XI R 8/86, BFHE 179, 457, vgl. unten. 770 FG Köln v. 20.2.1986, II K 143/84, EFG 1986, 314, 315 unter Hinweis auf BFH v. 26.7.1984, IV R 11/81, BStBl. II 1984, 714. 771 BVerfG Beschluss v. 12.3.1985, I BvR 571/81, BStBl. II 1985, 475.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
(2) FG München v. 6.10.1988 Zwei Jahre später wählte das Finanzgericht München einen abweichenden Maßstab für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals. In seinem Urteil vom 6.10.1988772 entschied das Gericht, dass der Begriff „nahestehende Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG nicht an allgemeine (bzw. familiäre) Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger anknüpfe, sondern allein an die „auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden“773. Streitig war im konkreten Verfahren, ob bei der steuerpflichtigen Vermietung von Praxisräumen durch eine Ehefrau an ihren Ehemann die Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG statt der vereinbarten ortsüblichen Miete zugrunde zu legen sei. Die Richter nahmen im Ergebnis kein Näheverhältnis in der Form eines von der Mindestbemessungsgrundlage erfassten Bevorzugungsverhältnisses an, da die Vereinbarung einer unter den Kosten des Vermieters liegenden Miete grundsätzlich keine Bevorzugung des Mieters darstelle, wenn sie wie im Streitfall marktüblich sei. Ausgangspunkt für die Erwägungen des Finanzgerichts ist zunächst ein einschränkendes Verständnis der „nahestehenden Person“: „Der Wortsinn dieses Tatbestandsmerkmals umfasst alle Personen, die zueinander in einem Näheverhältnis stehen. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG betrifft aber nicht alle denkbaren Näheverhältnisse, sondern nur diejenigen, die seiner Zielsetzung entsprechen. […] Aus diesem Sinn und Zweck der Vorschrift folgt, dass sie nur Naheverhältnisse erfassen soll und kann, die durch das wesensbestimmende Merkmal des Eigenverbrauchs gekennzeichnet sind, nämlich durch außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke (unternehmensfremde Zwecke) für die Wertabgabe.“ Sodann wendet sich das Gericht dem Auslegungsmaßstab zu, der für die Frage der Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage entscheidend sein soll: „Die Näheverhältnisse, die das Merkmal ‚unternehmensfremde Zwecke‘ besitzen, lassen sich nicht durch allgemeine, von dem zu beurteilenden Vorgang unabhängige (z. B. familiäre) Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger bestimmen. Vielmehr muss bei jeder Leistung gegen ein Entgelt, das unter den Bemessungsgrundlagen für den entsprechenden Eigenverbrauch liegt, geprüft werden, ob die Abweichung von dieser Bemessungsgrundlage Zwecken dient, die außerhalb des Unternehmens liegen. Ist dies 772 FG München v. 6.10.1988, XIII (XIV) 308/84 U, EFG 1989, 258. 773 Zustimmend Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG § 10 Rn. 239/53.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
zu bejahen, so steht der Leistungsempfänger zum Leistungsempfänger in einem – durch unternehmensfremde Gründe bestimmten – Bevorzugungsverhältnis, das stets die Anwendung der Mindestbe messungsgrundlage rechtfertigt und erfordert. Dieses aus den zu beurteilenden Leistungsbeziehungen abgeleitete Bevorzugungsverhältnis erweist sich somit als das entscheidungserhebliche Näheverhältnis, das den Kreis der in § 10 Abs. 5 Nr. 1 zweite Alternative UStG angesprochenen nahestehenden Personen bestimmt.“ (3) FG Münster v. 7.9.2006 Das Finanzgericht Münster hatte die Frage zu beantworten, ob es sich bei einer GmbH um eine „nahestehende Person“ handelt, wenn der die Lieferung ausführende Einzelunternehmer zu zwei Dritteln am Kapital der empfangenden GmbH beteiligt ist, die Stimmrechte entgegen den Beteiligungsverhältnissen an der GmbH aber hälftig verteilt sind. Als Ausgangspunkt für seine Erwägungen zur Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 UStG wählte das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 7.9.2006 die außensteuerrechtliche Regelung des § 1 Abs. 2 AStG: „Das UStG selbst definiert den Begriff ‚nahestehende Person‘ nicht. Fraglich ist, ob auf den hinsichtlich anderer Zielsetzung zugeschnittenen Definitionskatalog des § 1 Abs. 2 AStG, der z. B. in Nr. 1 auch bereits allein die wesentliche Beteiligung ausreichen lässt, zurückgegriffen werden kann. Der Zweck des § 10 Abs. 5 UStG, eine Ungleichbehandlung zu normal berechneten Leistungen zu vermeiden, legt es nahe, zumindest solche Personen hierunter zu verstehen, die auf ihre Geschäfts- bzw. Leistungsbeziehungen einen ‚außerhalb dieser Geschäftsbeziehungen begründeten Einfluss ausüben‘ können (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG).“774 Sodann stellt das Gericht in Kürze die vom Finanzgericht Köln und vom Finanzgericht München aufgestellten Maßstäbe zur Auslegung der umsatzsteuerrechtlichen „nahestehenden Person“ dar und nimmt Bezug auf die Auslegung durch die Finanzverwaltung. Der Auslegungsmaßstab des Finanzgerichts München wird dabei durch den Hinweis ergänzt, dass § 1 Abs. 2 Nr. 3 e. E. AStG es auch ausreichen lasse, dass entweder der Steuerpflichtige oder die nahestehende Person ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Hingegen erteilt das Gericht der Auffassung des Klägers eine deutlich Absage, wonach die zur verdeckten Gewinnausschüttung ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hinsichtlich des „beherrschenden Gesellschafters“ auch im Rahmen des 774 FG Münster v. 7.9.2006, 5 K 754/04 U, EFG 2007, 467; im Fortgang BFH v. 31.3.2008, XI B 208/06, BFH/NV 2008, 1217.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
§ 10 Abs. 5 UStG maßgeblich sei775: Die Zielsetzung des Umsatzsteuerrechts sei keinesfalls mit der des Ertragsteuerrechts identisch. Da sich im zu entscheidenden Fall die GmbH nach allen aufgezeigten Auslegungsmöglichkeiten als „nahestehende Person“ darstellte, war es für das Finanzgericht Münster nicht erforderlich, sich auf einen konkreten Auslegungsmaßstab festzulegen: „Unter Zugrundelegung der dargestellten Auslegungsvarianten stellt sich die W GmbH als eine dem Kl. nahestehende Person dar. Es besteht eine enge personelle Verflechtung, weil der Kl. 2/3 der Anteile an der GmbH hält und 50 Prozent der Stimmrechte innehat. Er hat hiermit auch zugleich besondere Einflussmöglichkeiten auf die W GmbH und kann auf sie auch einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehungen begründeten Einfluss ausüben.“ Dieses Ergebnis bestätigte der Bundesfinanzhof776 als Revisionsinstanz, ohne sich jedoch selbst zum Auslegungsmaßstab der umsatzsteuerrechtlichen Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ zu äußern. Der 11. Senat beschränkte sich auf die Feststellung, dass bei einer Personen identität des Einzelunternehmers und des Mehrheitsgesellschafters der GmbH von einem „Gleichklang der Interessenlagen der an der Lieferung beteiligten Unternehmen“ auszugehen sei. (4) FG Düsseldorf v. 26.11.2008 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 scheint das Finanzgericht Düsseldorf777 den Erwägungen des Finanzgerichts Münster zuzuneigen und orientiert sich ebenfalls am Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG, ohne jedoch ausdrücklich Bezug auf diese außensteuerrechtliche Norm zu nehmen. Nach Auffassung der Richter meine der im UStG nicht definierte Begriff der „nahestehenden Person“ solche Personen, „[…] die auf ihre Geschäfts- bzw. Leistungsbeziehungen einen außerhalb dieser Beziehung begründeten Einfluss ausüben können“. Im zu entscheidenden Verfahren war der Antragsteller mit einem Kapitalanteil von 90 Prozent alleiniger Komplementär und Geschäftsführer des Pächterunternehmens in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft und verpachtete einen Schweinemaststall verbilligt an die Gesellschaft. Ohne weiteres ging das Finanzgericht davon aus, dass es sich bei der Verpachtung um ein Geschäft zwischen „nahestehenden Personen“ handelte.
775 So aber noch die Kommentierung Bunjes/Geist, UStG § 1 Rn. 119 in der 6. Auflage. 776 BFH v. 31.3.2008, XI B 208/06, BFH/NV 2008, 1217; näher hierzu sogleich. 777 FG Düsseldorf v. 26.11.2008, 1 V 2477/08 A (U).
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
(5) Zwischenergebnis Terminologisch stellen die Finanzgerichte auf unterschiedliche Auslegungsmaßstäbe ab. So forderte das Finanzgericht Köln in einer älteren Entscheidung das Vorliegen „besonderer Einflussnahmemöglichkeiten oder Interessenidentität zwischen den Beteiligten“. Das Finanzgericht München stellt auf die „auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden ab“. In zwei Entscheidungen aus jüngerer Zeit orientieren sich das Finanzgericht Münster und das Finanzgericht Düsseldorf an § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG und wollen solche Personen erfassen, „die auf ihre Geschäfts- bzw. Leistungsbeziehungen einen außerhalb dieser Beziehung begründeten Einfluss ausüben können“. Trotz abweichender Terminologie wird nicht ersichtlich, dass die verschiedenen Ansätze konkret zu unterschiedlichen Ergebnissen zu führen. Zumindest in den hier aufgeführten Fällen hätten alle Auslegungsmaßstäbe zum gleichen Resultat geführt. b) Bundesfinanzhof Anders als die Instanzgerichte hat sich der Bundesfinanzhof bislang nicht ausdrücklich zum Auslegungsmaßstab für die umsatzsteuerrechtliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG geäußert. Soweit ersichtlich ging das Gericht in einschlägigen Entscheidungen vielfach wie selbstverständlich davon, dass es sich bei den Beteiligten um „nahestehende Personen“ handelte und verzichtete auf eine nähere Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals. Ausführungen des Bundesfinanzhofs zur Auslegung der „nahestehenden Person“ sind daher die Ausnahme geblieben. So ging der 11. Senat in seinem Beschluss vom 13.12.1995778 ohne weiteres davon aus, dass eine GmbH im Verhältnis zu einem Einzelunternehmer als „nahestehende Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 UStG anzusehen sei, wenn deren Gesellschafter je zur Hälfte der volljährige Sohn und die Ehefrau des Einzelunternehmers sind. Unter Hinweis auf diese 13 Jahre ältere Entscheidung beschränkte sich der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 31.3.2008779 auf die knappe Feststellung: „Damit ist ‚erst recht‘ geklärt, dass eine GmbH als ‚nahestehende Person‘ in diesem Sinne anzusehen ist, wenn der die Lieferung ausführende Einzelunternehmer wie im Streitfall zu 2/3 am Kapital der die Lieferung empfangenden GmbH beteiligt und damit deren Mehr778 BFH v. 13.12.1995, XI R 8/86, BFHE 179, 457. Zum gegenteiligen Ergebnis für eine gleich Konstellation kam aber wie oben dargestellt FG Köln v. 20.2.1986, II K 143/84, EFG 1986, 314. 779 BFH v. 31.3.2008, XI B 208/06, BFH/NV 2008, 1217. Vorinstanz: FG Münster v. 7.9.2006, 5 K 754/04 U, EFG 2007, 467.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
heitsgesellschafter ist. Denn bei einer Personenidentität des Einzelunternehmers und des Mehrheitsgesellschafters der GmbH ist von einem Gleichklang der Interessenlagen der an der Lieferung beteiligten Unternehmen auszugehen.“ Ob das Gericht auch für andere Fallkonstellationen im Merkmal „Gleichklang der Interessenlagen der an der Lieferung beteiligten Unternehmen“ den entscheidenden Prüfungsmaßstab zur Auslegung der „nahestehenden Person in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG sieht, lässt sich der Entscheidung nicht mit Gewissheit entnehmen. Die im Streitfall bestehende Beteiligung zu 2/3 am Kapital der die Lieferung empfangenden GmbH dürfte jedenfalls nach allen bereits dargestellten Auslegungsmaßstäben zu einem „Nahestehen“ führen. Gegenstand einer zweiten Entscheidung aus dem Jahr 2008780 war ein Grundstücksverkauf durch eine Kommanditgesellschaft an eine GbR. Die Gesellschafter der GbR waren zugleich die Gesellschafter der alleinigen Kommanditistin der Kommanditgesellschaft. Auch in diesem Fall zögerte der 5. Senat des Bundesfinanzhofs nicht, die GbR als „nahestehende Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu betrachten. Auch diesem Urteil lassen sich keine Ausführungen zum anzuwendenden Auslegungsmaßstab entnehmen. c) EuGH Aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Skripalle lassen sich keine Rückschlüsse auf den Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ in deutschen § 10 Abs. 5 UStG ziehen. In dieser Entscheidung zur Ermächtigung nach Art. 27 der 6. MwSt-RL beschränkte sich das Gericht auf die formelhafte Feststellung, dass bei Geschäften zwischen Angehörigen derselben Familie oder zwischen einander nahestehenden Personen unstreitig eine gewisse Gefahr der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung bestehen könne781. Der Fokus der Entscheidung liegt aber auf der Fragestellung, wie im Falle der Vereinbarung eines marktüblichen Entgelts zu verfahren ist. 3. Schrifttum Ungeachtet der dargestellten Kritik an der Ausgestaltung der Regelung der Mindestbemessungsgrundlage wird im umsatzsteuerrechtlichen Schrifttum die Frage nach der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterschiedlich beurteilt. Allerdings werden die jeweils favorisierten Auslegungsmaßstäbe 780 BFH v. 24.1.2008, V R 39/06, BStBl. II 2009, 786. 781 Vgl. EuGH v. 29.5.1997, Rs. 63/96 Skripalle, BStBl. II 1997, 841, 842 (Rn. 25).
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
weitgehend ohne ausreichende argumentative Herleitung präsentiert und eine fallgruppenorientierte Aufarbeitung des Begriffs ist in der Kommentarliteratur nicht ersichtlich. Erschwert wird die Systematisierung der Diskussion durch die uneinheitliche Terminologie, die nicht präzise zwischen dem konkreten Tatbestandsmerkmal „nahestehende Person“ im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG und der gesamten Fallgruppenauflistung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 UStG unterscheidet782. Eine erste Gruppe von Autoren783 spricht sich im Ergebnis für die Begriffsdefinition der Finanzverwaltung in UStAE 10.7 Abs. 1 Satz 2 aus, wonach „nahestehende Personen“ Angehörige im Sinne des § 15 AO sowie andere Personen und Gesellschaften sind, zu denen ein Anteilseigner oder Gesellschafter eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung hat. Korn stützt diese Auffassung auf die Überlegung, dass die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG im Grundsatz der Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen im Ertragsteuerrecht entspreche784. Lediglich der Vergleichsmaßstab sei nicht ein unter fremden Dritten üblicher Preis, sondern der Betrag der nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelten Ausgabe. Daneben hat auch die Definition des Finanzgerichts München785 beachtlichen Zuspruch786 gefunden, wonach nicht an allgemeine, zum Beispiel familiäre Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger anzuknüpfen sei, sondern an die auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden. Nach Widmann787 erscheine diese Sicht deshalb zutreffend und gegenüber der Verwaltungsdefinition vorzugswürdig, da die Anbindung der Mindestbemessungsgrundlage an die unentgeltliche Wertabgabe es nahe lege, die unternehmensfremden Gründe, welche auch die unentgeltliche Wertabgabe kennzeichneten, für die Beurteilung heranzuziehen, warum im Einzelfall ein Entgelt niedriger sei als die Bemessungsgrundlage für ein unentgeltliches Geschäft, das als Lieferung gemäß § 3 Abs. 1b UStG oder sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a UStG zu behandeln wäre. Trotz aller Kritik an der Regelung des § 10 Abs. 5 UStG als solcher788 scheint diesem Auslegungsmaßstab de lege lata auch Stadie zuzuneigen, wenn er 782 Exemplarisch die unpräzise Terminologie bei Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95. 783 Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 95 f. und Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG § 10 Rn. 605. Ohne eigene Stellungnahme beschränkt sich etwa Tehler in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rn. 516 auf die wörtliche Wiedergabe des UStAE 10.7. 784 Vgl. Korn in Bunjes, UStG § 10 Rn. 96. 785 FG München v. 6.10.1988, XIII (XIV) 308/84 U, EFG 1989, 258. 786 Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG § 10 Rn. 239/53; ebenso zustimmend Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG § 10 Rn. 607, obwohl sich dieser ausdrücklich für die Definition der Finanzverwaltung ausspricht (Rn. 605). 787 Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG § 10 Rn. 239/53. 788 Siehe oben den Abschnitt „Grundsätzliche Kritik an der Ausgestaltung der Mindestbemessungsgrundlage“.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
ausführt, dass es sich um Fälle handele „[…] in denen typischerweise ein Näheverhältnis zum Leistungsempfänger, d. h. ein nichtunternehmerisches Motiv („ein Kaufmann verschenkt nichts“) die zu niedrige Gegenleistung ausgelöst hat“. Gegen den Auslegungsmaßstab des Finanzgerichts München hat Schwarz die Kritik ins Feld geführt, dass Ursache und Folge vertauscht würden, ohne dass ein gleich zu beurteilender Zusammenhang in beiden Richtungen zwingend gegeben sei. Eine Vergünstigung ohne unternehmerischen Anlass könnte auch: „[…] aus ganz anderen Gründen als wegen des Nahestehens gewährt werden“789. Als Beispiel wird der verbilligte Verkauf an eine gemeinnützige Körperschaft genannt. Im Ergebnis gehe die vom Finanzgericht München vertretene Auffassung zu weit und aus ihr folge ein Übergang der Feststellungslast dazu, ob eine „nahestehende Person“ vorhanden sei, vom Finanzamt auf den leistenden Unternehmer790.
IV. Stellungnahme Wie auch im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung und des § 1 AStG ist Ausgangspunkt für die Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG zunächst ein wirtschaftlich unausgewogener Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten. Allerdings ist der Vergleichsmaßstab für die Mindestbemessungsgrundlage nicht der unter fremden Dritten übliche Preis, sondern der Betrag der nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelten Ausgaben. Die zweite strukturelle Ähnlichkeit zu verdeckten Gewinnausschüttungen an „nahestehende Personen“ ist darin zu sehen, dass auch im Rahmen des § 10 Abs. 5 UStG das maßgebliche Näheverhältnis gerade zu den Anteilseignern, Gesellschaftern, Mitgliedern oder Teilnehmern („diesen“) bzw. im Falle des Einzelunternehmers zu diesem selbst bestehen muss. Weitere Anforderungen an die Nähebeziehung lassen sich dem Gesetz selbst nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck der Mindestbemessungsgrundlage deuten auf ein tendenziell weites Begriffsverständnis der „nahestehenden Person“ hin. Da § 10 Abs. 5 UStG auf die vollständige und gleichmäßige Belastung jedes Endverbrauchers mit Umsatzsteuer abzielt, darf die Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage nicht davon abhängig gemacht werden, ob das Näheverhältnis, das zur Vergünstigung führt, familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuld rechtlicher oder lediglich rein tatsächlicher Natur ist. Danach verbleibt auch kein Raum für zusätzliche einschränkende Voraussetzungen, wie sie sich etwa aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG ergeben.
789 Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 534. 790 Vgl. Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 10 Rn. 534.
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D. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG
Schließlich weist auch das Unionsrecht in diese Richtung, das hier in Form des Art. 80 MwStSystRL als – wenngleich nicht verbindlicher – Indikator herangezogen werden kann. Hiernach kommen „[…] familiäre oder andere enge persönliche Bindungen, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften, sowie eigentumsrechtliche, finanzielle oder rechtliche Bindungen“ in Betracht. Somit sprechen die strukturelle Vergleichbarkeit zur verdeckten Gewinnausschüttung, der Sinn und Zweck der Mindestbemessungsgrundlage sowie Art. 80 MwStSystRL für eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehenden Personen“ im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG. Bei genauer Betrachtung bedeutet eine solche entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze aber nichts anderes als – in der Terminologie von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums – auf die „auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden“ abzustellen. Denn auch eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt trotz Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und Drittem nicht in Betracht, wenn die Vergünstigung auf unternehmerischen bzw. betrieblichen Gründen beruht. So ist auch für § 10 Abs. 5 UStG zu fordern, dass die Vergünstigung gerade aufgrund des Näheverhältnisses gewährt worden ist. Zum zweiten wird der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 UStG auch durch das marktübliche Entgelt begrenzt: Vereinbaren die Beteiligten ein solches, kommt die Bemessung des Umsatzes nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG auch dann nicht in Betracht, wenn es sich beim Leistungsempfänger um eine „nahestehende Person“ handelt und die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG höher ist als die sich aus § 10 Abs. 1 UStG ergebende Bemessungsgrundlage. Auch hierin besteht kein Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung, da eine solche regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn sich die Parteien fremdüblich verhalten haben. Im Ergebnis sind zur Auslegung des Begriffs der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG somit die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ entsprechend heranzuziehen. In der Folge eines solchen Begriffsverständnisses ist auch das Beweisrecht entsprechend auszugestalten: Liegt das vereinbarte Entgelt unter den Kosten im Sinne des § 10 Abs. 4 UStG und besteht zudem zwischen den Anteilseignern, Gesellschaftern, Mitgliedern oder Teilhabern Steuerpflichtigen und dem Dritten ein – wie auch immer ausgestaltetes – Näheverhältnis familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art, so ist hierin ein Indiz für die auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden zu sehen. Dem Steuerpflichtigen obliegt es 169
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
dann, darzulegen, dass die Vergünstigung aus unternehmerischen bzw. betrieblichen Gründen erfolgt ist. Wie auch im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung ist das Näheverhältnis einer Einzelfallprüfung zu unterziehen und muss zumindest über ein bloßes In-Kontakt-Stehen hinausgehen.
V. Ergebnis Sinn und Zweck der Mindestbemessungsgrundlage gebieten es, zur Auslegung der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG die zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze entsprechend heranzuziehen. Vergleichsmaßstab ist hierbei nicht der unter fremden Dritten übliche Preis, sondern der Betrag der nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelten Kosten. Entscheidend kommt es darauf an, dass die Vergünstigung gerade aufgrund des Näheverhältnisses gewährt worden ist. Liegt das vereinbarte Entgelt unter den Kosten im Sinne des § 10 Abs. 4 UStG und besteht zudem zwischen den Anteilseignern, Gesellschaftern, Mitgliedern oder Teilhabern Steuerpflichtigen und dem Dritten ein Näheverhältnis familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art, so ist hierin ein gewichtiges Indiz für die auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden zu sehen. Dem Steuerpflichtigen obliegt es dann, darzulegen, dass die Vergünstigung aus unternehmerischen bzw. betrieblichen Gründen erfolgt ist.
E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG I. Grundzüge des § 32d EStG 1. Einordnung der Vorschrift Mit Einführung der Abgeltungsteuer791 hat die „nahestehende Person“ nun auch an prominenter Stelle im Einkommensteuergesetz Bedeutung erlangt und findet sich als gesetzliches Tatbestandsmerkmal gleich mehrfach in § 32d Abs. 2 EStG wieder792. § 32d EStG793 stellt eine der zentralen Normen der gesonderten einkommensteuerrechtlichen Behandlung der 791 Einführung der Abgeltungssteuer durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BStBl. I 2007, 630. 792 Innerhalb des § 32d Abs. 2 EStG finden sich unterschiedliche Schreibweisen: Während in Absatz 2 Nr. 1 a) und b) „nahe stehende“ verwendet wird, lautet es in Absatz 2 Nr. 1 c) sowie in Nr. 4 „nahestehend“. Aus Gründen der einheitlichen Darstellung wird im Folgenden an der Schreibweise „nahestehend“ festgehalten. 793 Näher zur Entwicklung der Vorschrift Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 3.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
Erträge aus Kapitalanlagen dar. Die Vorschrift regelt den gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen und führt die Kapitalerträge an, bei denen der die Einkommensteuer abgeltende Steuertarif keine Anwendung findet. Zudem beinhaltet sie Ausführungen zur Pflichtveranlagung von Kapitalerträgen, zur Wahlveranlagung sowie zur Anrechnung ausländischer Steuern794. Während es für die übrigen sechs Einkunftsarten bei dem allgemeinen, progressiven Steuertarif bleibt, kann die Einführung eines gesonderten, linearen Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen in § 32d Abs. 1 EStG zu Recht als „Kernstück der Abgeltungsteuer“795 bezeichnet werden. Die hiernach abgegoltenen Kapitalerträge werden gemäß § 2 Abs. 5b Satz 2 EStG für steuerliche Zwecke grundsätzlich nicht weiter berücksichtigt. Somit beinhaltet die Abgeltungsteuer eine abschließende Besteuerung der erfassten Kapitaleinkünfte in einem pauschalierenden Steuerabzugsverfahren796. Rechtspolitisch verfolgte der Gesetzgeber mit der Einführung einer Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen das Ziel, den privaten Transfer von Kapitalvermögen in das Ausland zu bremsen, um auf diese Weise mittelfristig das Steueraufkommen aus Kapitaleinkünften in Deutschland zu erhöhen797. Dem liegt die Idee zugrunde, mit Hilfe eines auch im internationalen Vergleich attraktiven Steuertarifs die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes verbessern zu können798. Zudem soll durch die abgeltende Wirkung des Kapitalertragssteuerabzugs das Veranlagungsverfahren entlastet und zugleich die Wahrung der Anonymität der Anleger ermöglicht werden. 2. Überblick über die Vorschrift a) Regelungsgehalt und Normstruktur Die umfangreiche Vorschrift des § 32d EStG setzt sich aus sechs Absätzen zusammen, deren Gehalt im Wesentlichen durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Absätze 1 und 2 bestimmt wird. Für die Belange dieser Untersuchung ist insbesondere die Regelung des § 32d Abs. 2 EStG von 794 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, S. 60. Für eine umfangreiche systematische Darstellung der Abgeltungsteuer siehe auch Strohm, Abgeltungsteuer, S. 31 ff. 795 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 3. 796 Vgl. Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 1; Weber-Grellet in Schmidt,EStG § 32d Rn. 1. Näher zur Einordnung der Abgeltungsteuer im gesamtsteuerlichen Kontext Lang in Tipke/Lang20, Steuerrecht, § 9 Rn. 492 ff. 797 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 33; zu rechtspolitischen Aspekten der Abgeltungsteuer etwa Weber-Grellet, NJW 2008, 545; aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zu den Auswirkungen der Abgeltungsteuer auf die Unternehmensfinanzierung Homburg, DStR 2007, 686. 798 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 33; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 3.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Interesse. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG legt fest, dass die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sine des § 20 EStG, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, grundsätzlich einheitlich 25 Prozent der Bemessungsgrundlage beträgt. Satz 2 stellt klar799, dass die nach Maßgabe des Absatzes 5 anrechenbare ausländische Quellensteuer die Einkommensteuer nach Satz 1 mindert. Sodann ordnet § 32d Abs. 1 Satz 3 EStG weitere Ermäßigungen im Falle der Kirchensteuerpflicht an, worauf in Satz 4 der Norm eine Berechnungsformel800 folgt, deren Einzelangaben in Satz 5 erläutert werden. Als Ausnahme zu Absatz 1 legt Absatz 2 durch Nennung zahlreicher Fallkonstellationen den Kreis solcher Kapitalerträge fest, die nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 Prozent fallen, sondern für die gemeinsam mit den Einkünften aus den anderen Einkunftsarten der progressive Einkommensteuertarif gilt. Im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ver wendet der Gesetzgeber gleich mehrfach das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“, sodass hier der Schwerpunkt der folgenden Untersuchung verortet ist. Schließlich werden in den Absätzen 3, 4 und 6 verschiedene Fälle geregelt, in denen Einkünfte aus Kapitalvermögen ausnahmsweise im Veranlagungsverfahren zu erklären sind oder vom Steuerpflichtigen erklärt werden können. In Absatz 5 findet sich die bereits erwähnte Anrechnung ausländischer Quellensteuern. b) Überblick über die Ausnahmen von der Anwendung des gesonderten Steuertarifs, § 32d Abs. 2 EStG In vier Nummern zählt § 32d Abs. 2 EStG eine Mehrzahl von Fallkon stellationen auf, in denen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht dem gesonderten Steuertarif des Absatz 1 unterliegen. Hierbei ist hervorzuheben, dass sich die drei Nummern im Hinblick auf ihren Regelungszweck durchaus unterscheiden801. So soll nach der Gesetzesbegründung § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG, der besondere Nähebeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger zum Gegenstand hat, der Missbrauchsvermeidung dienen. Hingegen hat Nr. 2 Versicherungsleistungen, die nach einer bestimmten Vertragsdauer ausgezahlt werden, zum Gegenstand und zielt (lediglich) auf die Verhinderung einer doppelten Begünstigung ab. Schließlich sollen durch Nr. 3 Härten abgemildert werden, welche sich typischerweise bei unternehmerischen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ergeben kön-
799 Zum lediglich klarstellenden Charakter dieser Regelung BT-Drucks. 16/4841, 60; vgl. Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 6. 800 Näher zur Erforderlichkeit der Berechnungsformel BT-Drucks. 16/4841, 60. 801 Vgl. Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 15.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
nen. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG802 gilt Absatz 1 auch nicht für sonstige Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und für Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 HS 2 EStG, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Dies gilt jedoch nicht, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person erhöht hat und § 32a KStG auf die Veranlagung dieser nahestehenden Person keine Anwendung findet. Mit der Regelung des Absatz 2 Nr. 4 wird im Bereich der Abgeltungsteuer die materielle Korrespondenz zwischen der Besteuerung im Rahmen des § 20 Nr. 1 EStG sowie der steuerlichen Behandlung bei der leistenden Körperschaft gesichert803. Da die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal jedoch im Wesentlichen in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG beheimatet ist, liegt hier der Fokus der folgenden Betrachtungen.
II. Die Missbrauchsvermeidung nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG 1. Bedeutung und Zweck von Abs. 2 Nr. 1 In § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG werden die Fallkonstellationen aufgeführt, in denen der Gesetzgeber grundsätzlich die Gefahr sieht, dass die Steuerpflichtigen die Spreizung der Steuersätze bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einerseits und bei den übrigen Einkunftsarten andererseits ausnutzen „[…] ohne dem Sinn und Zweck der Einführung des Abgeltungsteuersatzes zu entsprechen“804. Bezugspunkt des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG sind nur Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 und 7 EStG. Aus Sicht des Gesetzgebers liegt das Bedürfnis für eine Regelung nach dem Muster des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG auf der Hand. Für die Steuerpflichtigen wird durch die Schedularisierung der Ertragsbesteuerung ein Anreiz geschaffen, nach Möglichkeit Einkünfte in der Schedule anfallen zu lassen, auf welche der günstigere Steuertarif Anwendung findet. Liegt der individuelle Steuersatz höher als der pauschale Steuersatz in Höhe von (nur) 25 Prozent, sind rational handelnde Steuerpflichtige geneigt, sich so zu verhalten, dass sie in den Genuss der Steuersatzspreizung zwischen Kapitaleinkünften und den übrigen Einkunftsarten kommen805. Die Motivation hierfür ist umso stärker, je größer die Differenz zwischen den beiden Sätzen ausfällt. Gerade bei substanziellen Einkünften aus Ka802 Eingefügt durch das Jahressteuergesetz 2010, Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. 2010, S. 1768. 803 BT-Drucks. 17/2249, S. 86; vgl. hierzu Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 16a. 804 BT-Drucks. 16/4841, 61; eingehend hierzu Behrens/Renner, BB 2008, 2319; Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rn. 6. 805 Vgl. Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 16; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG § 32d Rn. 24.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
pitalvermögen dürfte in der Praxis häufig der Spitzensteuersatz Anwendung finden806. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Ausnahme des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG geboten, um Gestaltungen zu verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne zum Beispiel in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und auf diese Weise die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz reduziert wird807. Danach wird mit dieser Regelung erreicht, dass unternehmerische Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens steuerlich möglichst unverzerrt bleiben, weshalb sich die Vorschrift nach dem Verständnis des Gesetzgebers als ein „Beitrag zur Finanzierungsneutralität“ darstellt. Im Grundsatz erscheinen zwei Arten der Einkünfteverlagerung denkbar808. Zum einen kann ein einzelner Steuerpflichtiger seine Einkünfte zwischen den einzelnen Einkunftsarten verschieben, indem er vermehrt Fremdkapital in der progressiv besteuerten Sphäre einsetzt und zugleich Liquidität im Privatvermögen anlegt, um sie als sonderbesteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen zu beziehen809. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass mehrere Personen Einkünfte zwischen sich verschieben, indem sie miteinander Darlehensbeziehungen eingehen. In diesem Falle ergibt sich der Vorteil erst aus einer Gesamtbetrachtung der Steuerlast der beteiligten Personen. Während der Schuldner seine progressiv besteuerten gewerblichen Einkünfte durch Zinsaufwand in seiner betrieblichen Sphäre reduzieren kann, unterfällt der Zinsertrag beim Gläubiger lediglich dem Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG. Im Ergebnis überwiegt die Entlastungswirkung durch Abzug der Schuldzinsen beim Schuldner die ertragsteuerliche Belastung beim Gläubiger.810 Der Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG nimmt allein ein solches Zusammenwirken mehrerer Personen in den Blick. 2. Überblick über die einzelnen Näheverhältnisse des Abs. 2 Nr. 1 EStG Im Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG findet sich der Begriff der „nahestehenden Person“ gleich mehrfach wieder. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 a) EStG werden Einkünfte vom gesonderten Steuertarif des Absatz 1 ausgenommen, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Per806 Vgl. nur Lambrecht in Kirchhof,EStG § 32d Rn. 10. 807 BT-Drucks. 16/4841, 60; vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rn. 6; mit anschaulichen Beispielen Worgulla, ErbStB 2010, 151, 152. 808 Vgl. zum Folgenden Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 16. 809 Näher zu den Auswirkungen der Abgeltungsteuer auf die Unternehmensfinanzierung unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung Homburg, DStR 2007, 686. 810 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 16.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
sonen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwen dungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 2. HS EStG keine Anwendung findet811. Sodann erfasst § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG die gesellschaftsrechtliche ligung des Steuerpflichtigen am Schuldner und begründet eine Betei Ausnahme vom Abgeltungsteuersatz für Kapitalerträge, die von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, welcher zumindest zu 10 Prozent an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) Satz 2 EStG gilt dies auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Schließlich nimmt § 32d Abs. Nr. 1 c) EStG Kapitalerträge in den Blick, die aus einer Kapitalanlage resultieren, welche im Zusammenhang mit einer Kapitalüberlassung durch einen Dritten steht. So gilt der Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) Satz 1 EStG nicht, soweit ein Dritter die Kapitalerträge schuldet und diese Kapitalanlage im Zusammenhang mit einer Kapitalüberlassung an einen Betrieb des Gläubigers steht. Satz 2 ordnet eine entsprechende Anwendung der Ausnahme an, wenn Kapital überlassen wird an eine dem Gläubiger der Kapitalerträge nahestehende Person (aa) oder an eine Personengesellschaft, bei der der Gläubiger der Kapitalerträge oder eine diesem nahestehende Person als Mitunternehmer beteiligt ist (bb) oder an eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, an der der Gläubiger der Kapitalerträge oder eine diesem nahestehende Person zu mindestens 10 Prozent beteiligt ist (cc), sofern der Dritte auf den Gläubiger oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann. 3. Regelungstechnische Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG Im Regelfall erscheint ein abgestimmtes Verhalten von Gläubiger und Schuldner zur Ausnutzung der Steuersatzspreizung nur denkbar, wenn zwischen den Beteiligten ein besonderes Näheverhältnis besteht812. Hinter dem Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG verbirgt sich die Frage, in welchen Fällen eine solche Verlagerung von Einkünften durch den Gesetzgeber typisiert unterstellt wird. Wird das Merkmal bejaht, so hat dies weitreichende Folgen: Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die schuldrechtli811 Diese Präzisierung wurde erst mit dem Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010, BStBl. I 2010, 1394 eingeführt. 812 So auch Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 16; Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rn. 6.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
che Beziehung zwischen den beteiligten Personen durch das Ziel der Ausnutzung der Steuersatzspreizung motiviert ist813. Regelungstechnisch steht der Gesetzgeber durch seine Entscheidung für die „nahestehende Person“ vor der schwierigen Aufgabe, die unterschiedlichsten Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger bzw. zum Anteilseigner in einem einzigen Tatbestandsmerkmal erfassen zu wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass innerhalb des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG gleich mehrere verschiedene Konstellationen durch denselben Begriff geregelt werden sollen.
III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehen den Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG 1. Ausgangslage und Gesetzesmaterialien Gleich mehrfach verwendet das Gesetz in § 32d Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 EStG den Begriff der „nahestehenden Person“, ohne diesen jedoch zu definieren. Im Unterschied zur Neufassung der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG sowie des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG verweist die Vorschrift auch gerade nicht auf die außensteuerrechtliche Legaldefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Im Ausgangspunkt handelt es sich somit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der Auslegung bedarf. Weitgehende Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass der Begriff nicht mit dem des Angehörigen im Sinne des § 15 AO identisch ist814. Da das Einkommensteuergesetzbuch auch an keiner anderen Stelle eine Definition der „nahestehenden Person“ enthält815, kann als erste Orientierungshilfe816 lediglich die Gesetzesbegründung herangezogen werden, die ausführt, in welchen Fällen in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG vom Vorliegen einer „nahestehenden Person“ auszugehen sein soll: „Ein derartiges Verhältnis liegt vor, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuer pflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer 813 Vgl. Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 152. 814 Siehe nur Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20. 815 Vgl. Boochs in Lademann, EStG § 32d Rn. 18a. 816 Zur fehlenden Bindungswirkung der Gesetzesmaterialien bei der Auslegung von Gesetzen jüngst Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 329 ff.; siehe auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 123: „Hilfsmittel der Forschung“; F. Schmidt, Zur Methode der Rechtsfindung, S. 19: „Anleitungsfunktion“.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.“817 Hiernach kommen zur Begründung eines Näheverhältnis strukturell drei Möglichkeiten in Betracht: beherrschender Einfluss, geschäftsfremde Einflussnahmemöglichkeit und ein eigenes Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen. Offensichtlich ist die enge Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG, dessen Wortlaut zum Teil nahezu wörtlich wieder gegeben wird, ohne dass sich in den Gesetzesmaterialien des § 32d EStG jedoch ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Norm findet. Gleichwohl lassen sich zwei wichtige Unterschiede zu § 1 Abs. 2 AStG ausmachen. Zum ersten wird der in § 1 Abs. 2 AStG geregelte Fall der „wesentlichen Beteiligung“ (in Höhe von mindestens 25 Prozent) der Person an dem Steuerpflichtigen oder umgekehrt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG) sowie der Fall der wesentlichen Beteiligung eines Dritten sowohl an der Person als auch am Steuerpflichtigen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 AStG) nicht genannt. Zum zweiten ist nach der Gesetzesbegründung zu § 32d EStG ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen erforderlich, während im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG schon ein persönliches Interesse genügt, wie bereits oben dargestellt wurde. Die Gesetzesbegründung geht von einer einheitlichen Auslegung der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG aus. Zwar treffen die Gesetzesmaterialien keine ausdrückliche Aussage dazu, ob das dargestellte Begriffsverständnis über § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG hinaus auch für die übrigen Verwendungen der „nahestehenden Person“ in § 32d Abs. 2 EStG gelten soll. Doch lässt sich dies aus dem Umstand folgern, dass der Begriff mehrfach verwendet, aber nur einmal erläutert wird. Auch in der Literatur wird nach wohl einhelliger Ansicht von einer einheitlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmals im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ausgegangen818. Auszuklammern ist lediglich § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG, der voraussetzt, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person erhöht hat und § 32a KStG auf die Veranlagung dieser nahestehenden Person keine Anwendung findet.
817 BT-Drucks. 16/4841, S. 61. 818 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 21: „identisch“; Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 12; Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2194. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber innerhalb des Tatbestandes zwei verschiedene Schreibweisen verwendet, da die Unterscheidung zwischen „nahestehende“ und „nahestehende“ Person erscheint eher zufällig erscheint.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
2. Die verschiedenen Auslegungsvorschläge a) Finanzverwaltung (BMF-Schreiben) Die Auslegungsprobleme und Abgrenzungsschwierigkeiten des Begriffs der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d EStG hat auch die Finanzverwaltung frühzeitig erkannt und in einem Verwaltungsschreiben entsprechend reagiert. So wird in Randzeichen 136 des BMF-Schreibens vom 22.12.2009819 der Versuch unternommen, den Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ zu definieren: „Das Verhältnis von nahestehenden Personen liegt vor, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Sind Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i. S. des § 15 AO oder ist an einem Personenunternehmen der Steuerpflichtige und/oder ein Angehöriger beteiligt, liegt ein derartiges Verhältnis vor. Liegt kein Angehörigenverhältnis i. S. dieser Vorschrift vor, ist von einem nahestehenden Verhältnis auszugehen, wenn die Vertragsbeziehungen einem Fremdvergleich entsprechend der Grundsätze der Rzn. 4 bis 6 des BMF-Schreibens vom 1. Dezember 1992 (BStBl. I S. 729) nicht entsprechen. Für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale ist regelmäßig auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum abzustellen.“ Auf den ersten Blick wird deutlich, dass der erste Satz dieses Definitionsversuchs lediglich den Wortlaut der Gesetzesbegründung zu § 32d EStG wiedergibt. Sodann wird danach unterschieden, ob es sich bei Schuldner und Gläubiger um Angehörige im Sinne des § 15 AO handelt bzw. ob an einem Personenunternehmen der Steuerpflichtige und/oder sein Angehöriger beteiligt ist. Dabei werden Angehörige im Sinne des § 15 AO ausdrücklich in den Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ einbezogen820. Für den Fall, dass kein Angehörigenverhältnis vorliegt, soll nach Ansicht der Finanzverwaltung von einem „Nahestehen“ ausgegangen werden, wenn die Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht entsprechen. 819 BMF-Schreiben v. 22.9.2009, IV C 1 – S 2252/08/10004, BStBl. 2010 I, S. 94. 820 Zustimmend Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rn. 8.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
b) Rechtsprechung Da es sich bei § 32d EStG um eine recht junge Vorschrift handelt, hat sich bislang noch keine gefestigte Rechtsprechungspraxis zur Auslegung der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG entwickelt. Soweit ersichtlich hat sich allein das Niedersächsische Finanzgericht in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2011821 und 2012822 ausführlich mit der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals befasst. Beide Verfahren sind zurzeit beim Bundesfinanzhof als Revision anhängig. In jüngster Zeit hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 20.09.2013 klargestellt, dass nicht jedes Näheverhältnis die günstige Zinsbesteuerung per Abgeltungsteuer ausschließt823. Nach Auffassung des 4. Senats (aus dem Jahre 2011) soll die „nahestehende Person“ gerade nicht in Anlehnung an die Begriffsbildung des § 1 Abs. 2 AStG bestimmt werden. Vielmehr sollen die Kriterien im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG denjenigen entsprechen, die der Feststellung verdeckter Gewinnausschüttungen bei Vorteilsgewährungen der Kapitalgesellschaft an Nichtgesellschafter zugrunde gelegt werden824. Ebenso wie dort könnten auch die Beziehungen, welche das Näheverhältnis nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG begründen, familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein825. Ausgangspunkt für die Erwägungen des Finanzgerichts sind neben dem Gesetzeszweck insbesondere die tatbestandssystematische Nähe zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG, welcher den Fall regelt, dass die Darlehensgewährung an die Gesellschaft durch einen Anteilseigner erfolgt, der zu mindestens 10 Prozent an dieser beteiligt ist. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG immer dann als gerechtfertigt an: „[…] wenn zwischen dem Gläubiger der Kapitalerträge und dem Anteilseigner eine Beziehung besteht, durch die der zwischen Fremdkapitalgeber und -nehmer normalerweise bestehende Interessengegen821 FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242. Das Verfahren ist zurzeit beim Bundesfinanzhof als Revision anhängig (BFH, VIII R 31/11). 822 FG Niedersachsen v. 18.06.2012, 15 K 417/10, EFG 2012, 2009. Das Verfahren ist zurzeit ebenfalls beim Bundesfinanzhof als Revision anhängig (BFH, VIII R 9/13). 823 FG Münster v. 20.9.2013, 4 K 718/13 E (Revision zugelassen). 824 FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242. Zustimmend unter ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses Urteil Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 11: „Dieses Näheverhältnis bestimmt sich […] nach den vergleichbaren Kriterien im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG“. 825 FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242, 243 unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung in BFH v. 8.10.2008, I R 61/07, BStBl. II 2011, 62, BFHE 223, 131.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
satz in ähnlicher Weise eingeschränkt oder aufgehoben wird, wie dies im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Anteilseigner selbst der Fall wäre“ 826. Unter Anwendung dieses Maßstabs bejahte das Gericht sodann ohne weiteres die streitentscheidende Frage, ob es sich bei der darlehensgebenden Mutter bzw. Großmutter der jeweils mit 36 Prozent an einer GmbH beteiligten Anteilseigner um eine „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG handele. Denn hier stehe die Klägerin als Mutter bzw. Großmutter in einer engen familienrechtlichen Beziehung, die typischerweise dazu geeignet sei, den zwischen fremden Dritten bestehenden Interessengegensatz einzuschränken oder aufzuheben.827 Auf einen auch tatsächlich aufgehobenen Interessengegensatz zwischen den Parteien wiesen im konkreten Fall ein besonders niedriger Zinssatz, der Verzicht auf jede Besicherung des Darlehens sowie die Tatsache hin, dass keinerlei Absprachen über die Tilgung getroffen worden waren. Zudem wurden von den Parteien überhaupt keine Tilgungszahlungen geleistet und das Darlehen ohne ausdrückliche Vereinbarung über den Endtermin hinaus verlängert. Gleichwohl lässt sich der Entscheidung nicht mit Sicherheit entnehmen, ob im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG von einer einheitlichen Auslegung der „nahestehenden Person“ auszugehen ist und somit auch in den übrigen Varianten ein Rückgriff auf die Grundsätze der „verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen“ erfolgen soll. Ausdrücklicher Bezugspunkt des Urteils ist zunächst allein die „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG. Gegen eine Anwendbarkeit auf alle Varianten könnte sprechen, dass sich die Argumentation des Gerichts gerade auf den tatbestandsystematischen Vergleich mit Nr. 1 Buchst. b Satz 1 stützt. Hingegen scheint der 15. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2012828 zu der Auffassung zu neigen, dass der Begriff der „nahe stehenden Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG an die Begriffsbildung des § 1 Abs. 2 AStG angelehnt ist. Dies geht aus den Entscheidungsgründen hervor, die allerdings stärker unter dem Eindruck der allgemeineren Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 32d Abs. 2 EStG stehen. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hatten die Kläger als Eheleute ihrem Sohn und ihren beiden Enkeln Darlehen gewährt. Nach Auffassung des Finanzgerichts seien die Eheleute als Darlehensgeber und Gläubiger auf der einen Seite und der Sohn sowie die Enkel als Darlehensnehmer und Schuldner auf der anderen Seite im Ergebnis 826 FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242, 243. 827 FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242, 243. 828 FG Niedersachsen v. 18.06.2012, 15 K 417/10, EFG 2012, 2009.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
als einander „nahestehende Personen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen: „[…] und zwar auch dann, wenn man nicht auf den Angehörigenbegriff des § 15 AO abhebt, sondern der von Teilen der Literatur vertretenen einengenden Auffassung folgt. Aus den Vereinbarungen, die in den Darlehensverträgen getroffen worden sind, geht hervor, dass es an dem bei Verträgen zwischen fremden Dritten üblichen Interessengegensatz fehlt. Der Verzicht auf Kreditsicherheiten und auf Vorfälligkeitsentschädigungen zeigen, dass es den Klägern bei der Darlehensgewährung nicht nur darum geht, die Rückzahlung der Darlehensbeträge zu sichern und Zinsen mindestens zum festgeschriebenen Zinssatz zu vereinnahmen. Vielmehr wollen sie ihren Sohn und ihre beiden Enkel erkennbar unter Hintanstellung eigener wirtschaftlicher Interessen und Risiken auch dabei unterstützen, Mietwohngrundstücke anzuschaffen und hieraus eigene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erwirtschaften (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG)“829. Hier wird deutlich, dass der 15. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts als Entscheidungsmaßstab das Merkmal des „eigenen wirtschaftlichen Interesses“ aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG heranzieht und somit einen anderen Weg wählt als der 4. Senat im Jahre 2011. Da beide Verfahren zurzeit beim Bundesfinanzhof anhängig sind830, bietet sich diesem eine günstige Gelegenheit zur höchstrichterlichen Feststellung, nach welchen Kriterien der Begriff der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG zu bestimmen ist und ob die „nahestehende Person“ in den verschiedenen Fällen des § 32d Abs. 2 EStG einheitlich auszulegen ist. Jüngst hat sich auch das Finanzgericht Münster mit der Auslegung der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG befasst831. Hierbei orientiert sich das Gericht als Auslegungsmaßstab an den in der Begründung zum Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 angeführten Definitionsmerkmalen eines Näheverhältnisses im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG. Gleichwohl betont das Finanzgericht Münster, dass der Senat nicht darüber zu befinden brauche, ob dieser Maßstab geeignet sei, der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Abgeltungsteuersatzes zu begegnen. Da die Anwendung dieser Definitionsmerkmale auf den vom Gericht zu entscheidenden Fall nicht zu einem „Nahestehen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG führt, weist der Senat zum Abschluss klarstellend darauf hin, dass der 829 FG Niedersachsen v. 18.06.2012, 15 K 417/10 Rn. 25. 830 BFH, VIII R 31/11 und BFH, VIII R 9/13. 831 FG Münster v. 20.9.2013, 4 K 718/13 E.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Begriff des Nahestehens eng am Zweck des § 32d Abs. 2 EStG auszurichten sei: „Sofern die an dem Darlehensverhältnis beteiligten Personen und die näheren Umstände des Vertragsverhältnisses nicht den sicheren Schluss zulassen, dass Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkommensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz von 25% ist, können Gläubiger und Schuldner keine ‚nahestehenden Personen‘ im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG sein. Im Streitfall liegen solche Anhaltspunkte nicht vor […]“832 Hiermit macht der Senat noch einmal deutlich, dass nicht jedes Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber und Schuldner den Ausschluss der günstigeren Besteuerung per Abgeltungsteuer rechtfertigt. c) Schrifttum (1) Überblick über Meinungsstand Im Schrifttum ist die Auslegung der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG bereits frühzeitig als Problemfeld identifiziert worden833. Obwohl die Definition der Gesetzesbegründung vielfach auf grundsätzliche Kritik834 gestoßen ist, spricht sich die bislang wohl herrschende Meinung im Ergebnis dennoch für ein solches Begriffsverständnis aus, das sich strukturell an § 1 Abs. 2 AStG orientiert, wobei verschiedene Einschränkungen gefordert werden835. Weitgehende Einigkeit besteht nämlich darüber, dass es sich bei der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 32d EStG um einen eigenständigen Begriff handelt, der eine am Zweck des § 32d Abs. 2 EStG ausgerichtete Auslegung und gewisse Korrekturen
832 FG Münster v. 20.9.2013, 4 K 718/13 E Rz. 53. 833 Hervorzuheben sind Homburg, DStR 2007, 686; Fischer, DStR 2007, 1898; Schulz/ Vogt, DStR 2008, 2189; Behrens/Renner, BB 2008, 2319. Exemplarisch Schulz/ Vogt, DStR 2008, 2189, 2191: „Insbesondere die vom Gesetzgeber vorgesehene Bedeutung der ‘nahestehenden Person’ ist unklar.“; Strohm, Abgeltungsteuer, S. 272: „Im Schrifttum […] heftig umstritten“. 834 Kritisch insbesondere Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321; Storg in Frotscher, EStG § 32d Rn. 20; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20: „[…] nahezu wörtliche Wiedergabe des § 1 Abs. 2 AStG, ohne dass die Besonderheiten des jeweiligen normativen Kontexts berücksichtigt worden wären“. 835 Eingeschränkt Behrens/Renner, BB 2008, 2319; Baumgärtel/Lange in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20 wollen aus der Parallelität zu § 1 Abs. 2 AStG das Erfordernis einer „weitgehenden Interessenidentität“ abstrahieren; Boochs in Lademann, EStG § 32d Rn. 18a; Fischer, DStR 2007, 1898, 1899; Koss in Korn, EStG § 32d Rn. 46; Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rn. 8; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG § 32d Rn. 27; Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189; Worgulla, ErbStB 2010, 151; im Ergebnis wohl auch Treiber in Blümich, EStG § 32d Rn. 69 f.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
gegenüber § 1 Abs. 2 AStG gebietet836. Allerdings offenbart ein genauerer Blick auf die Fundstellen, dass sich viele Autoren837 argumentativ ohne weiteren Begründungsaufwand auf die bloße Wiedergabe der Gesetzesbegründung beschränken. Soweit also überhaupt eine nähere Diskussion um die richtige Auslegung stattfindet, zeichnen sich im Wesentlichen zwei methodische Ansätze mit unterschiedlichen Argumentationslinien ab, die sich jedoch nicht völlig scharf trennen lassen838. Ein erster Ansatz839 sucht eine nähere Auseinandersetzung mit den drei Einzel-Merkmalen der Gesetzesbegründung (beherrschender Einfluss, Einflussnahme außerhalb der Geschäftsbeziehung, eigenes Interesse). Auf diesem Wege offenbart sich besonders deutlich die Problematik der Übertragung des „beherrschenden Einflusses“ aus dem unternehmerischen Kontext des § 1 AStG in den Bereich des § 32d EStG, wo der Gläubiger stets eine Privatperson ist. Stattdessen möchte ein zweiter Ansatz840 aus den Fallgruppen des § 1 Abs. 2 AStG abstrahieren, dass Personen einander nahe stehen, wenn zwischen ihnen eine „weitgehende Interessenidentität“ besteht. Zusätzlich hierzu wird ein Gesamtbelastungsvorteil gefordert, um den Besonderheiten der Abgeltungsteuer gerecht zu werden. Ein solches Verständnis führt zu einem wesentlich engeren Anwendungsbereich des Begriffs als im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung. Schließlich wird einhellig davon ausgegangen, dass den verschiedenen Varianten in § 32d Abs. 2 EStG ein einheitlicher Begriff der „nahestehenden Person“ zugrunde liegt841. Hingegen wird im Schrifttum bislang nur vereinzelt eine Heranziehung der Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an
836 Vgl. Koss in Korn, EStG § 32d Rn. 50; exemplarisch Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20: „Unseres Erachtens sollte sich die Auslegung in erster Linie an dem Zweck der Norm orientieren.“; Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2191: „Insoweit ist daher von einem eigenen Nahestehend-Begriff auszugehen, der den speziellen Missbrauchsgefahren im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer genügen muss.“ 837 Exemplarisch Boochs in Lademann, EStG § 32d Rn. 18a; Schlotter in Littmann/ Bitz/Pust, EStG § 32d Rn. 27; ohne nähere Argumentation auch Weber-Grellet in Schmidt,EStG § 32d Rn. 8. 838 Vgl. die schematische Darstellung des Meinungsstandes bei Strohm, Abgeltungsteuer, S. 273. 839 Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2191 ff.; im Wesentlichen auch Behrens/Renner, BB 2008, 2319. 840 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20; zustimmend Worgulla, ErbStB 2010, 151, 155 f. 841 So auch Lambrecht in Kirchhof,EStG § 32d Rn. 12; Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2194. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber innerhalb des Tatbestandes zwei verschiedene Schreibweisen verwendet. Die Unterscheidung zwischen „nahestehende“ und „nahestehende“ Person erscheint eher zufällig.
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„nahestehende Personen“ befürwortet842. Hierfür wird zum einen der von § 32d Abs. 2 EStG verfolgte Gesetzeszweck ins Feld geführt, missbräuchlichen Gestaltungen zum Erreichen der Abgeltungswirkung entgegenzuwirken843. Daneben wird vorgetragen, dass der Bundesfinanzhof für den Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen seiner Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung bereits einen Begriff der „nahestehenden Person“ entwickelt habe und es aus systematischen Gründen zutreffend erscheine, den Begriff bei der Bestimmung des Steuersatzes genauso zu definieren wie bei der Einkunftsart, um die es dabei gehe844. Nicht in die Irre führen darf die gelegentlich anzutreffende Behauptung845, dass im Schrifttum alternativ ein Verständnis der „nahestehenden Person“ entsprechend § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG oder § 138 InsO vorgeschlagen werde. Tatsächlich wird eine solche Auslegung von keinem Autor befürwortet. Gestützt wird diese Behauptung auf einen zurückhaltend formulierten Ausblick im Beitrag von Homburg aus dem Jahre 2007846, welcher im Wortlaut lediglich ausführt: „Ob dieser neue Begriff wie im Außensteuerrecht auszulegen ist, in Anlehnung an die zu § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG ergangene Rechtsprechung oder gemäß der Legaldefinition in § 138 InsO wird die Zukunft zeigen.“847 Während im Schrifttum zu § 32d EStG eine nähere Auseinandersetzung mit § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG überhaupt nicht stattfindet, wird § 138 InsO als Referenznorm ausdrücklich abgelehnt848.
842 Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 11 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts: „Dieses Näheverhältnis bestimmt sich […] nach den vergleichbaren Kriterien im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG“ (andere Auffassung aber wohl noch in der Vorauflage); Storg in Frotscher, EStG § 32d Rn. 19 ff.; Strohm, Abgeltungsteuer, S. 296; in Ansätzen auch Treiber in Blümich, EStG § 32d Rn. 69. 843 Lambrecht in Kirchhof,EStG § 32d Rn. 11. 844 So Treiber in Blümich, EStG § 32d Rn. 69, der sodann ohne weitere Argumente dennoch § 1 Abs. 2 AStG heranziehen möchte. 845 So etwa bei Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20, Strohm, Abgeltungsteuer, S. 273 und FG Niedersachsen v. 6.7.2011, 4 K 322/10, EFG 2012, 242. 846 Homburg, DStR 2007, 686. 847 Homburg, DStR 2007, 686, 690. 848 Koss in Korn, EStG § 32d Rn. 51; Treiber in Blümich, EStG § 32d Rn. 68: „[…] nicht nahe liegend […]“; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154: „[…] da die Vorschrift insolvenzrechtlich geprägt ist und damit einen völlig anderen Zweck verfolgt als der einkommensteuerliche Anwendungsbereich“
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(2) Die zwei an der Gesetzesbegründung orientierten Ansätze i. Direkte Anwendung der Kriterien der Gesetzesbegründung Ein erster Ansatz849 orientiert sich bei der Auslegung der „nahestehenden Person“ methodisch eng an der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 EStG, die als Kriterien alternativ einen beherrschenden Einfluss, eine geschäftsfremde Einflussnahme oder ein eigenes Interesse an der Einkünfteerzielung der anderen Person fordert. Diese Merkmale werden im Kontext der Abgeltungsteuer diskutiert und auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Konsequenterweise sollen demnach etwa auch Angehörige im Sinne des § 15 AO nur dann in den Regelungsbereich fallen, sofern zusätzlich die anderen vom Gesetzgeber ausdrücklich genannten Kriterien vorliegen850. Im Ergebnis führt dieser an § 1 Abs. 2 AStG orientierte Ansatz zu einem eingeschränkten Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG, wie im Folgenden gezeigt wird. Zur Annahme eines „beherrschenden Einflusses“ fordern Schulz/Vogt auch im Rahmen der Abgeltungsteuer einen Einfluss aufgrund struktureller, rechtlicher oder organisatorischer Gegebenheiten im betrieblichen Bereich851. Hieraus müsse sich ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis in Bezug auf Geschäftsbeziehungen ergeben, weshalb ein rein faktisch bestehender Einfluss nicht genügen könne. Folglich müsse die beherrschende Person ihren Willen bei der beherrschten Person durchsetzen können, welcher insoweit kein wesentlicher eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleiben dürfe. Zum Beispiel solle danach ein beherrschender Einfluss vorliegen, wenn über 50 Prozent der Stimmrechte gehalten würden, ein Beherrschungsvertrag bestehe oder Zustimmungsvorbehalte, Weisungsrechte oder Benennungsrechte bezüglich der Geschäftsführung vereinbart seien. Wie unzweckmäßig sich das Kriterium des „beherrschenden Einflusses“, welches dem unternehmerischen Kontext des § 1 AStG entspringt, im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG darstelle, zeige sich bei der Frage nach der Erfassung natürlicher Personen. Da natürliche Personen im vorgenannten außersteuerrechtlichen Sinne im Regelfall nicht „beherrscht“ werden könnten852, schieden sie aus dem Anwendungsbe849 Siehe zum Folgenden Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2191 ff.; im Wesentlichen so auch Behrens/Renner, BB 2008, 2319. 850 Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2192. Ausführlicher zum Verhältnis von familiären Nähebeziehungen und Nahestehen siehe unten. 851 Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2192 unter Hinweis auf Wassermeyer in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 840 ff. 852 Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 155; Schulz/ Vogt, DStR 2008, 2189, 2192 lehnen ausdrücklich auch einen „beherrschenden Einfluss“ von Eltern auf ihre minderjährigen Kindern ab, die aufgrund gesetzlicher Anordnung der §§ 1626, 1629 BGB vertreten werden, da die Eltern nicht den eigenen Willen, sondern grundsätzlich den Willen des Kindes wahrnehmen.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
reich jedenfalls aus, soweit es um ihre Stellung als beherrschte Gläubiger ginge. Auch Eltern übten auf ihre nach §§ 1626, 1629 BGB vertretenen minderjährigen Kinder keinen beherrschenden Einfluss aus, da sie im Rahmen der elterlichen Vermögensvorsorge nicht ihren eigenen Willen, sondern im Grundsatz den Willen der Kinder wahrnähmen853. Bedenkt man nun, dass der steuerpflichtige Gläubiger im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG stets eine Privatperson ist und Kapitalgesellschaften keine Kapitaleinkünfte sondern gewerbliche Einkünfte generieren, kommen als „beherrschte“ Gläubiger somit allein Personengesellschaften in Betracht. Im umgekehrten Fall kommt eine natürliche Person aber durchaus als beherrschender Gläubiger in Betracht. Ebenfalls kann ein Dritter, der einen beherrschenden Einfluss auf Schuldner und Gläubiger ausüben kann sowohl natürliche oder juristische Person als auch Personengesellschaft sein. Als weniger bedeutsam stellt sich nach diesem Ansatz das zweite Kriterium der geschäftsfremden Einflussnahmemöglichkeit dar. Gemeint ist eine beherrschende Einflussnahme, deren Entstehungsgrund außerhalb der eigentlichen Geschäftsbeziehung (Darlehen oder stille Beteiligung) liege, diesen Geschäftsabschluss aber gleichwohl beeinflusst habe. Schließt man nämlich familienrechtliche Beziehungen – wie zuvor auf gezeigt – grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich aus, so wird der Anwendungsbereich dieser Variante erheblich eingeschränkt. Als Fallkonstellationen benennen Schulz/Vogt Monopolstellungen und Vertriebsbindungen854. Schließlich wird für das Merkmal des „eigenen wirtschaftlichen Interesses an der Einkünfteerzielung des anderen“ gefordert, dass ein über die konkrete Geschäftsbeziehung hinausgehendes Interesse vorliegt. In Betracht komme hier aber zum Beispiel schon das Interesse an der Einkunftsverlagerung selbst. Auch für dieses Merkmal sei ein Rückgriff auf § 1 Abs. 2 AStG geboten: Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum eigenen persönlichen Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen sehen Schulz/ Vogt als weitestgehend übertragbar an und sprechen sich dafür aus, dass auch im Bereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG persönliche Interessen im Familienbund mit einzuschließen sein können855. Zugleich wird unter Bezugnahme auf dieses Urteil betont, dass nicht jede familiäre Beziehung notwendigerweise zu einem Nahestehen führt: Vielmehr könne – wie im Bereich des § 1 Abs. 2 AStG – eine „nahestehende Person“ nur angenommen werden, wenn als einziger Grund für die Einkünfteverlagerung die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Beteilig853 Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2192. 854 Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2193. 855 Unter Hinweis auf BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725.
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ten in Betracht komme und daran ein eigenes Interesse bestehe. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass unter Angehörigen, Lebensgemeinschaften oder Freundschaften regelmäßig der zwischen fremden Dritten charakteristische Interessengegensatz fehle. Allerdings sei – unter Bezugnahme auf die Angehörigenrechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichts856 – ein automatischer Rückschluss auf eine missbräuchliche Gestaltung verfehlt857. Kritisch weisen Behrens/Renner jedoch darauf hin, dass aus ihrer Sicht die Variante des „eigenen wirtschaftlichen Interesses“ hier keinen Sinn mache, da sie nur in solchen Fällen einschlägig sei, in denen nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Verrechnungspreise vereinbart würden858. Die Anwendung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG setze aber – anders als § 1 Abs. 1 AStG – gerade nicht voraus, dass die Zinsvereinbarungen oder Gewinnverteilung von dem abweichen, was voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten, was sich schon aus der systematischen Stellung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Satz 5 EStG ergebe. Da nach ihrer Auffassung natürliche Person auch dem Anwendungsbereich des Kriteriums „beherrschenden Einflusses“ entzogen sind, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Fremdfinanzierungen zwischen natürlichen Personen im Grundsatz überhaupt nicht anwendbar ist859. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass bei unmittelbarer Anwendung der in der Gesetzesbegründung genannten Kriterien kein ernstzunehmender Anwendungsbereich für das Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG verbleibt. ii. Erfordernis einer „weitgehenden Interessenidentität“ und eines „Gesamtbelastungsvorteils“ Um die aufgezeigten Probleme zu umgehen, die sich aus der direkten Anwendung der Kriterien aus der Gesetzesbegründung – insbesondere des „beherrschenden Einflusses“ – ergeben, verfolgen Baumgärtel/Lange einen flexibleren Ansatz860. Dieser orientiert sich am Erfordernis einer „weitgehenden Interessenidentität“ in Verbindung mit einem „Gesamtbelastungsvorteil“ bei einer Zusammenschau der Beteiligten. 856 Grundlegend BVerfG v. 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34; instruktiv zum Fremdvergleich bei Angehörigenverhältnissen zuletzt BFH v. 22.2.2007, IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20. 857 Vgl. Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, 2193. 858 Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321. 859 Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 155. 860 Siehe zum Folgenden Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20; im Erbebnis ebenso Worgulla, ErbStB 2010, 151.
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Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass sich die Auslegung in erster Linie am Zweck der Norm orientieren sollte, wofür durchaus auf die in der Gesetzesbegründung herangezogene Parallelität zu § 1 Abs. 2 AStG zurückgegriffen werden könne. Sodann lasse sich aus den Fallgruppen des § 1 Abs. 2 AStG abstrahieren, dass Personen einander nahe stehen, wenn zwischen ihnen eine „weitgehende Interessenidentität“ bestehe861. Dies sei insbesondere der Fall, wenn eine Person ein eigenes Interesse an der Einkünfteerzielung durch die andere Person habe. Davon sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 1 Abs. 2 AStG etwa auszugehen, wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen nahen Familienangehörigen in Betracht gezogen werden könne862. Für den Kontext der Abgeltungsteuer möchten Baumgärtel/Lange eine solche Absicht aber nur annehmen, wenn die Einkünfteverlagerung durch Abschluss eines Darlehensvertrags aufgrund der Anwendung des gesonderten Tarifs nach § 32d Abs. 1 EStG zu einem Gesamtbelastungsvorteil bei einer Zusammenschau der Beteiligten führe. Auch im Falle von Darlehen zwischen nahen Angehörigen könne eine weitgehende Interessenidentität aber nicht ohne weiteres angenommen werden. Vielmehr müsse stets geprüft werden „[…] ob sich die Beteiligten aufgrund ihrer Interessenidentität nahe stehen“863. Schließlich wird gefordert, dass im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG eine Kapitalüberlassung an Familienangehörige nicht gegenüber einer Anlage bei einem Geldinstitut diskriminiert werden dürfe. Deshalb müsse § 32d Abs. 2 EStG teleologisch reduziert werden, wenn das Privatdarlehen einem Fremdvergleich standhalte. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass im Schrifttum gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine automatische Einbeziehung864 von Angehörigen im Sinne des § 15 AO in den Kreis der „nahestehenden Personen“ bestehen, wie sie von der Finanzverwaltung865 und einem Teil der Literatur866 befürwortet wird. 861 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20 unter Hinweis auf Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 1 AStG Rn. 614. 862 Vgl. BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726. 863 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20; so auch Schönfeld in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 2007, 645. 864 Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rn. 20 und Schulz/ Vogt, DStR 2008, 2189, 2192: „[…] kann nicht per se unterstellt werden […]“; ebenso kritisch Fischer, DStR 2007, 1898, 1899; Koss in Korn, EStG § 32d Rn. 47; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, EStG § 32d Rn. 27; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154. 865 BMF-Schreiben v. 22.9.2009, IV C 1 – S 2252/08/10004, BStBl. 2010 I, S. 94. 866 Für eine solche Einbeziehung offenbar Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 32d Rz 8; wohl auch Lambrecht in Kirchhof, EStG § 32d Rn. 11 unter Bezugnahme auf das Merkmal des beherrschenden Einflusses: „Dies betrifft etwa Ehegatten oder Eltern-Kind-Beziehungen.“
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IV. Stellungnahme 1. Auslegungsmaßstab Im Ausgangspunkt enthält das Gesetz selbst weder eine Definition der „nahestehenden Person“ noch einen ausdrücklichen Verweis auf die außensteuerrechtliche Legaldefinition in § 1 Abs. 2 AStG, wie ihn die ebenfalls jüngeren Regelungen in § 8a und § 8b KStG kennen. Allein die Gesetzesbegründung benennt ausdrücklich die Kriterien, deren Vorliegen zur Annahme eines Näheverhältnisses führen soll. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden aufgezeigt, warum de lege lata richtigerweise der Auslegungsmaßstab der Gesetzesbegründung zu § 32d EStG Anwendung finden muss, wenn man die allgemeinen Auslegungsgrundsätze auf die „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG anwendet. Von dieser Frage ist eine mögliche (rechtspolitische) Kritik an der gesetzgeberischen Entscheidung sorgfältig zu trennen. Zunächst zeigt sich, dass der Rückgriff auf den Wortlaut bzw. den Wortsinn des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ keinen Erkenntnisgewinn verschafft und allenfalls eine äußere Grenze des An wendungsbereichs ziehen könnte. Bedeutsamer und weiterführend ist hingegen der Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Indem die Gesetzesbegründung ausführt „Ein derartiges Näheverhältnis liegt vor, wenn […]“867 macht sie die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die sodann aufgelisteten Kriterien für die Annahme eines Näheverhältnisses deutlich. Entscheidend kommt es also darauf an, welche Bedeutung die Gesetzesbegründung des § 32d EStG entfaltet. Zwar ist zuzugeben, dass der Rechtsanwender an die Ausführungen und Erläuterungen in Gesetzesmaterialien nach heute vorherrschender Auffassung nicht im Sinne einer unbedingten Befolgungspflicht gebunden ist868. Allerdings besteht ein breiter Konsens darüber, dass ihnen eine wichtige Bedeutung für die Suche nach dem Willen des Gesetzgebers und damit eine „Anleitungsfunktion“869 zukommt870. Zudem ist davon auszugehen, dass der Wille des Gesetzgebers bei jüngeren Gesetzen schwerer ins Gewicht fällt als bei älteren871. Auch das Bundesverfassungsgericht misst den Rege867 BT-Drucks. 16/4841, S. 61. 868 Siehe hierzu jüngst Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 329 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 869 F. Schmidt, Zur Methode der Rechtsfindung, S. 19. 870 Vgl. Fleischer, AcP 211 (2011), 317, 333; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 123: „Hilfsmittel der Forschung“; Cramer, AJP 2006, 515, 517 betrachtet die Gesetzesmaterialien als „Fährten“ auf der Suche nach dem historischen Willen des Gesetzgebers. 871 Vgl. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 136 f.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 34; anschaulich Schluep, Einladung zur Rechtstheorie, Rn. 1119: „Ist nämlich ein Gesetz […] vorgestern entstanden, gestern in Kraft getreten und heute
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lungsabsichten des Gesetzgebers bei zeitlich neueren Gesetzen „erhebliche Bedeutung“872 bei, was umso mehr gelten soll, wenn es sich um sachlich neuartige Regelungen handelt. Zieht man nun die Summe aus den vorangegangenen Überlegungen, so muss der Entstehungsgeschichte – und damit der Gesetzesbegründung – des § 32d EStG eine entscheidende Bedeutung für die Auslegung der „nahestehenden Person“ zukommen, da es sich um eine junge Regelung aus dem Jahr 2007 handelt, die eine sehr technisch ausgestaltete, neuartige Vorschrift darstellt. Bestärkt wird diese Überlegung durch den eindeutigen Wortlaut der Gesetzesbegründung, die ausdrücklich ausführt, wann von einem Näheverhältnis auszugehen ist. Somit spricht die Entstehungsgeschichte zugleich gegen eine Heranziehung des weiten Begriffsverständnisses aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung, gegen welches auch die Gesetzessystematik ins Feld geführt werden muss. Wie dargestellt setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ eine Vorteilsgewährung voraus, die einem Fremdvergleich nicht standhält. Allerdings zeigt die systematische Stellung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Satz 5 EStG, dass die Anwendung des § 32d Abs. 2 EStG im Übrigen nicht voraussetzt, dass die Zinsvereinbarungen von dem abweichen, was voneinander unabhängige Dritte vereinbart hätten873. Ohne das Element der nicht fremdüblichen Vorteilsgewährung macht es jedoch wenig Sinn, auf ein Näheverhältnis abzustellen, das den Schluss zulässt, es habe die Vorteilszuwendung an die dritte Person beeinflusst874. Wenn aber Entstehungsgeschichte und Gesetzessystematik eindeutig gegen eine Heranziehung des Begriffsverständnisses aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung sprechen, so kann dieser Befund nicht einfach – wie für die „nahestehende Person“ des § 32d Abs. 2 EStG vereinzelt von Rechtsprechung und Schrifttum gefordert – durch einen Hinweis auf den Gesetzeszweck umgangen werden. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt darin, dass die Teleologie neben Grammatik, Historie und Systematik lediglich ein Element des tradierten Auslegungskanons darstellt und im Grundsatz nicht in der Lage ist, sämtliche andere Auslegungselemente zu überspielen. Vielmehr endet anzuwenden, ist unter Vorbehalt höherer Gewalt nicht einzusehen, weshalb der Rechtsanwender von vorgestern bis heute eine neue Verständniswelt schaffen sollte.“ 872 Vgl. BVerfGE 54, 277, 297: „Zumal bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen kommt den anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offen lassen. Über die erkennbare Regelungsabsicht darf die Auslegung in solcher Lage nicht hinweggehen.“ 873 Zutreffend Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321. 874 So auch Strohm, Abgeltungsteuer, S. 293 ff.
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die Reichweite der teleologischen Auslegung dort, wo die Entstehungsgeschichte oder die Systematik eine Grenze ziehen875. Es ist zudem nicht einzusehen, dass die Vorschrift des § 32d EStG ihren Zweck der Herstellung von Finanzierungsneutralität nicht verfolgen kann, wenn man im Hinblick auf die „nahestehende Person“ dem Begriffsverständnis der Gesetzesbegründung folgt. Richtig ist zwar, dass sich hieraus ein eingeschränkter Anwendungsbereich des Merkmals ergibt. Man darf aber nicht aus dem Auge verlieren, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG eine abschließende Sonderregelung für die Fälle der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen am Schuldner der Kapital erträge enthält, die den praktisch bedeutsamen Fall erfasst, dass die Vergütungen von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter gezahlt werden, der zu mindestens 10 Prozent an der Gesellschaft beteiligt ist. Praktisch führt dies im Ergebnis dazu, dass für § 32d Abs. 2 EStG die Problematik der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aus dem Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ herausgeschnitten und auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG verlagert wird. Somit ist die unmittelbare Anwendung der in der Gesetzesbegründung zu § 32d EStG formulierten Kriterien auch mit dem Gesetzeszweck vereinbar, sodass kein Raum und kein Bedürfnis für eine korrigierende Auslegung in Form des Abstellens auf eine „weitgehende Interessenidentität“ besteht. Im Hinblick auf die Folgen, die sich aus einer solchen unmittelbaren Anwendung der Kriterien der Gesetzesbegründung ergeben, kann im Einzelnen auf die vorangegangenen Darstellungen verwiesen werden. Festzuhalten ist jedoch, dass sich hieraus insbesondere für natürliche Personen ein erheblich eingeschränkter Anwendungsbereich ergibt. Insoweit kann auch auf die Parallelen zu § 1 Abs. 2 AStG zurückgegriffen werden. Natürliche Personen sind im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG danach regelmäßig nur dann als „nahestehende Personen“ anzusehen, wenn sie bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben können oder wenn einer der Beteiligten ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Da jedoch beide Alternativen im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG, der ja gerade nicht die Vereinbarung fremdunüblicher Bedingungen voraussetzt, schwer vorstellbar sind und erhöhte Anforderungen stellen, kommt ihnen praktisch keine Bedeutung zu876. Insbesondere führt – wie schon für § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG aufgezeigt – wegen Art. 6 GG nicht jede familiäre Beziehung notwendigerweise zu einem Nahestehen. Vielmehr kann auch hier eine „nahestehende Person“ nur angenommen 875 Schön, DStJG 33 (2010), S. 50 f. 876 So auch die zutreffende Einschätzung bei Behrens/Renner BB 2008, 2319, 2321.
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werden, wenn als einziger Grund für die Einkünfteverlagerung die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Beteiligten in Betracht kommt und daran ein eigenes Interesse besteht. Dieses wirtschaftliche Interesse muss die Finanzverwaltung konkret nachweisen, was insbesondere für den Fall aussichtslos erscheint, dass die Darlehensvereinbarungen dem entsprechen, was fremde Dritte vereinbart hätten. Im Ergebnis ist das Merkmal der „nahestehenden Person“ des § 32d Abs. 2 EStG zwar im Grundsatz auf natürliche Personen anwendbar. Regelmäßig dürfte es der Finanzverwaltung jedoch nicht gelingen, das wirtschaftliche Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen nachzuweisen, sodass die Vorschrift im Hinblick auf natürliche Personen (und insbesondere Familienangehörige) praktisch leer läuft. 2. Stiftung als „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG Soweit ersichtlich ist bislang im Schrifttum die Frage noch nicht erörtert worden, wann eine Stiftung als eine dem Darlehensgeber „nahestehende Person“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG einzustufen ist. Im Ausgangspunkt müssen sich auch Stiftungen am zuvor entwickelten Auslegungsmaßstab messen lassen. Bei der Anwendung der Definitionsmerkmale aus der Gesetzesbegründung ist auch im Falle der Beteiligung von Stiftungen der Gesetzeszweck des § 32d Abs. 2 EStG im Auge zu behalten, sodass die Umstände des Vertragsverhältnisses den Schluss zulassen müssen, dass Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkomensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz ist. Wie im Folgenden aufgezeigt wird, dürfte für (rechtsfähige) Stiftungen im Ergebnis ein Näheverhältnis im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG nur im Falle einer engen personellen Verflechtung von Darlehensgeber und Stiftungsvorstand in Betracht kommen. Eine solche wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, wenn der Darlehensgeber – oder im Einzelfall bei Hinzutreten weiterer Umstände auch einer seiner Angehörigen im Sinne des § 15 AO – zugleich Mitglied des Stiftungsvorstands ist und Einfluss auf den Abschluss konkreter Darlehensvereinbarungen nehmen kann. Wendet man sich der Ausgangsfrage unbefangen zu, so kommen für das Verhältnis zwischen Darlehensgeber und einer Stiftung in einem ersten Ansatz drei Bezugspunkte einer möglichen Nähebeziehung in Betracht: die Stellung einer Person als Stifter, die von der Stiftung verfolgten Zwecke und das Innehaben einer Organposition. Offensichtlich ist es nicht zweckmäßig, für ein mögliches Näheverhältnis auf die Stellung als Stifter abzustellen, da mit der Gründung der Stiftung der Einfluss des Stifters – jedenfalls im Sinne rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten für konkrete Darlehensvereinbarungen – verloren geht. Ebenso wenig dürfte es 192
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
mit der Zweckrichtung des § 32d Abs. 2 EStG vereinbar sein, dass ein besonderes Näheverhältnis durch eine gewisse Nähe zu den Zwecken der Stiftung begründet wird, da es im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG lediglich auf die vorgenannte (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit für einzelne Geschäfte ankommt. Hier dürfte ein Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung bestehen, in deren Rahmen das Abstellen auf die Nähe zu den Zwecken bzw. der Mittelverwendung der Stiftung zwar im Grundsatz berechtigt, aber – wie im Rahmen der Abgrenzung zur Spende aufgezeigt – keinesfalls unkritisch ist877. Als einziger sinnvoller Anknüpfungspunkt für ein Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber und Stiftung im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG verbleibt daher das Innehaben einer Position im Stiftungsvorstand. Wie aber lässt sich eine solche personelle Verflechtung vom zuvor entwickelten Auslegungsmaßstab und dessen einzelnen Kriterien erfassen? Mangels gesellschaftsrechtlicher Beteiligung erscheint ein „beherrschender Einfluss“ für die Stiftung wenig passend. Aus dem Kriterienkatalog kommt damit zum einen die Möglichkeit, einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben, und zum anderen das eigene wirtschaftliche878 Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen in Betracht. Für das Merkmal „einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben“ kann auf die vorangegangene ausführliche Darstellung im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG verwiesen werden879. Auf die Zwecke der Stiftung innerhalb des § 32d Abs. 2 EStG gewendet dürften die Voraussetzungen jedenfalls im Falle der „echten Personen identität“ erfüllt sein, wenn also der Darlehensgeber zugleich selbst Mitglied des Stiftungsvorstands ist. Restriktiver sind hingegen die Angehörigenverhältnisse im Sinne des § 15 AO eines Vorstandsmitglieds zu handhaben. Hier dürfte insoweit ein Gleichlauf zur Rechtslage im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG bestehen: Wie dort das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.01.1994880 gezeigt hat, darf selbst das Eltern-Kind-Verhältnis als engster Verwandtschaftsgrad ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht per se die Annahme einer Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG begründen. Exemplarisch wäre danach im Rahmen der Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 32d Abs. 2 EStG das Merkmal „einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben“ nicht erfüllt, wenn die Ehefrau des Darlehensge877 Zu den Friktionen im Rahmen der Abgrenzung von Spende und verdeckter Gewinnausschüttung siehe jedoch oben § 4 B. II. 4. b) (6). 878 Im Unterschied zu § 1 Abs. 2 AStG muss es sich hier gerade um ein „eigenes wirtschaftliches Interesse“ handeln. Siehe für die Auslegung im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG oben § 4 C. II. 5. Im Unterschied 879 Siehe oben § 4 C. II. 4. 880 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
bers – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – als Stiftungsvorstand der darlehensnehmenden Stiftung fungiert. Andernfalls käme es zu einem nicht gerechtfertigten Wertungswiderspruch von der Behandlung natürlicher Personen und Stiftungen. Als weitere Umstände, die auf eine mögliche Beeinflussung hindeuten, kommen allerdings etwa ganz atypische oder jedenfalls marktunübliche Konditionen der Vereinbarung in Betracht. Auch für das letzte Auslegungsmerkmal der Regierungsbegründung „ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen“ kann – unter Bezugnahme auf die dargestellte grundlegende Kritik an der Ausgestaltung und Funktionsfähigkeit der Norm – im Wesentlichen auf die vorangegangen Ausführungen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG zurückgegriffen werden881. Allerdings besteht der entscheidende Unterschied zu § 1 Abs. 2 AStG darin, dass im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG ein eigenes „wirtschaftliches“ Interesse gefordert wird. An diesem – wie bereits für § 1 Abs. 2 aufgezeigt – unsicherem Maßstab müssen sich auch familiäre Beziehungen als praktisch bedeutsamster Anwendungsfall persönlicher Interessen messen lassen. In dem zuvor benannten Fall882 hatte der Bundesfinanzhof für § 1 Abs. 2 AStG letztlich darüber zu entscheiden, ob allein aus dem Vorliegen eines Eltern-Kind-Verhältnisses eine Interessenidentität im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG gefolgert werden kann. Recht weitgehend hatte noch das Finanzgericht Münster in der Vorinstanz den allgemeinen Erfahrungsgrundsatz angenommen, dass von einer allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zwischen Eltern und Kindern auszugehen sei. Im Ergebnis hat es der Bundesfinanzhof offen gelassen883, ob dieser Erfahrungssatz so bestehen kann, es aber als genügend angesehen: „[…] wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen nahen Familienangehörigen in Betracht gezogen werden kann. In einem solchen Fall verfolgt der Steuerpflichtige nicht nur fremde Vermögens-, sondern auch eigene persönliche Interessen. Dies reicht aus, um die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG auszulösen“884.
881 Siehe für die Auslegung im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG oben § 4 C. II. 5. 882 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725. 883 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726: „[…] ohne dass es darauf ankäme, ob der vom FG angenommene Erfahrungssatz betreffend einer zwischen Eltern und Kindern allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zutrifft oder nicht“. 884 BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 726.
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E. Abgeltungsteuer, § 32d EStG
Dem lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung des I. Senats für § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG ein nahes Verwandtschaftsverhältnis für sich allein zwar noch keine Interessenidentität begründet. In Ermangelung erkennbarer (anderer möglicher) Gründe soll eine Ursache für die Verein barung von zu niedrigen Vergütungen aber durchaus in der familiären Beziehung verbunden mit der schädlichen „Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung“ liegen können. Praktisch führt die Auffassung des Bundesfinanzhofs damit zu einer widerlegbaren Vermutung zu Lasten des Steuerpflichtigen. Ob sich diese Rechtsprechung auch auf die Zwecke von Stiftungen im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG übertragen lässt, muss bezweifelt werden. Denn selbst im Falle der personellen Verflechtung fällt es nicht leicht, das Interesse eines Stiftungsvorstands, der zugleich Darlehensgeber ist, mit dem Interesse „der Stiftung selbst“ an der Erzielung der Einkünfte gleichzusetzen. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Stiftung durch ihre Satzung in erster Linie an den Willen des Stifters „gebunden“ ist. Wie aus den vorangegangenen Ausführungen bereits deutlich geworden ist, sollte vielmehr auf das Merkmal der Möglichkeit, einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben, abgestellt werden, um die hier einschlägigen Fallkonstellationen personeller Verflechtung zu erfassen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine Stiftung einem Darlehensgeber nur im Falle der personellen Verflechtung von Stiftungsvorstand und Darlehensgeber im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG „nahesteht“. Nur in dieser Konstellation hat der Darlehensgeber regelmäßig die Möglichkeit, auf die Geschäfte der Stiftung einen „außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss“ auszuüben. Soweit es um Angehörigen-Beziehungen im Sinne des § 15 AO geht, darf ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht von einem Näheverhältnis im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG ausgegangen werden. Treten neben das Angehörigenverhältnis im Sinne des § 15 AO jedoch zusätzliche Anhaltspunkte, wie etwa die Vereinbarung ganz atypischer oder zumindest marktunüblicher Bedingungen, kann im Einzelfall gleichwohl von einem besonderen Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber und Stiftung ausgegangen werden.
V. Ergebnis Für die Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 32d Abs. 2 EStG enthält das Gesetz selbst weder eine Definition dieses Begriffs noch einen ausdrücklichen Verweis auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Als Maßstab sind im Ergebnis die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich formulierten Definitionskriterien heranzuzie195
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
hen, bei deren Vorliegen von einem Näheverhältnis auszugehen ist. Danach liegt eine „nahestehende Person“ nur dann vor, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Bei der Anwendung dieser Definitionsmerkmale ist stets der Gesetzeszweck des § 32d Abs. 2 EStG im Auge zu behalten, sodass die Umstände des Vertragsverhältnisses den Schluss zulassen müssen, dass Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkomensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz ist. Der Begriff der „nahestehenden Person“ wird dadurch erheblich entlastet, dass im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen am Schuldner nach der Sonderregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Anteil in Höhe von 10 Prozent ausreicht, um den Abgeltungsteuersatz auszuschließen. Natürliche Personen sind im Ergebnis regelmäßig nur dann als „nahestehende Personen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG anzusehen, wenn als einziger Grund für die Einkünfteverlagerung die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Beteiligten in Betracht kommt und die Finanzverwaltung dieses wirtschaftliche Interesse konkret nachweisen kann. In der Praxis dürfte dies dazu führen, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensvereinbarungen zwischen natürlichen Personen regelmäßig nicht anwendbar ist.
F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG I. Grundzüge des § 8a KStG 1. Einordnung der Vorschrift Anders als im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung findet sich die „nahestehende Person“885 im Rahmen des § 8a KStG als echtes Tatbe885 Trotz des Verweises auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG verwendet § 8a KStG die getrennte Schreibweise „nahe stehende Person“. Aus Gründen der einheitlichen Darstellung wird im Folgenden jedoch an der Schreibweise „nahestehende Person“ festgehalten.
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F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG
standsmerkmal im Gesetzestext verankert. Für das Verständnis dieses Begriffs verweisen hier sowohl § 8a Abs. 2 KStG als auch § 8a Abs. 3 Satz 2 KStG durch einen Klammerzusatz ausdrücklich auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG in der jeweils geltenden Fassung. Der wesentliche Gehalt der körperschaftsteuerrechtlichen Zinsschranken-Regelung des § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG liegt in der Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs von Zinsaufwendungen eines Betriebes. Hierbei regelt § 8a KStG besondere Bedingungen, unter denen die „allgemeine“ Zinsschranke des § 4h EStG bei Körperschaften anwendbar ist und steuert so die Zinsabzugsbeschränkungen bei Körperschaften886. Für die Zwecke dieser Untersuchung lässt sich die Wirkung der Zinsschranken-Regelung auf Körperschaften und das Zusammenspiel der § 8a KStG und § 4h EStG in einem ersten Zugriff wie folgt skizzieren: Im Ausgangspunkt findet die „allgemeine“ Zinsschranke des § 4h EStG über § 8 Abs. 1 KStG auch für Körperschaften vollumfänglich Anwendung und ordnet im Grundsatz eine Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsauf wendungen auf 30 Prozent des steuerlichen EBITDA an, soweit diese die Zinserträge des Betriebs überschreiten. Allerdings enthält § 4h Abs. 2 EStG drei Ausnahmen von dieser Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs. Bedeutsam ist nun, dass § 8a KStG die Regelung des § 4h EStG für Körperschaften modifiziert und ergänzt. So beschränken insbesondere die § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, in denen sich die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal findet, für die Fälle einer „schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung“ die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG und führen als Rückausnahmen im Ergebnis zu einer Erweiterung der Zinsschranke für Körperschaften887. Rechtsfolge der Norm ist schließlich nicht etwa die Umqualifikation in eine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern die Nichtabziehbarkeit der Zinsaufwendungen verbunden mit einem Zinsvortrag. 2. Überblick über die allgemeine Zinsschranke des § 4h EStG Im Folgenden soll das Zusammenwirken des § 8a KStG und der allgemeinen Zinsschranke des § 4h EStG näher beleuchtet werden. Hierzu empfiehlt es sich, zunächst die Regelung des § 4h EStG in ihren Grund strukturen darzustellen. Bei § 4h EStG handelt es sich um eine Gewinnermittlungsvorschrift, die den Betriebsausgabenabzug betrieblich 886 Ein anschaulicher schematischer Überblick zur Wirkweise der Zinsschranke findet sich bei Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 1. Ausführlich zur Rechtsentwicklung des § 8a KStG Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8a Rn. 2. 887 Vgl. Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 2.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
veranlasster Zinsaufwendungen beim Betrieb in Abhängigkeit vom steuerlichen Ergebnis beschränkt. Die Zinsschranke greift grundsätzlich unabhängig davon, wer der Fremdkapitalgeber ist und führt zu einer Gewinnkorrektur außerhalb der Steuerbilanz. Sie ersetzt die Bestimmungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung in § 8a KStG a. F. und gilt für Gewinneinkünfte aller Unternehmensformen und für jede Art von Fremdfinanzierung, wie etwa auch Bankdarlehen888. Die Grundregel der allgemeinen Zinsschranke findet sich in § 4h Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG. Nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG sind Zinsaufwendungen eines Betriebs nur abziehbar in Höhe des Zinsertrags, darüber hinaus nur bis zur Höhe eines modifizierten Betriebsergebnisses, des „verrechenbaren EBITDA“889, welches in Satz 2 näher bestimmt wird. Hierbei handelt es sich um 30 Prozent des um die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Absatz 2 Satz 1 EStG abzuziehenden, nach § 6 Abs. 2a Satz 2 EStG gewinnmindernd aufzulösenden und der nach § 7 abgesetzten Beträge erhöhten und um die Zinserträge verminderten „maßgeblichen Gewinns“, der in § 4h Abs. 3 Satz 1 EStG legal definiert wird. Die Sätze 3 und 4 enthalten Bestimmungen zum EBITDA-Vortrag, woran sich in den Sätzen 5 und 6 Regelungen zum Zinsvortrag anschließen. § 4h Abs. 2 EStG regelt drei Ausnahmen zur Abzugsbeschränkung des Absatzes 1890. In dieser Begrenzung kommt der rechtspolitische Zweck der Zinsschranke zum Ausdruck, asymmetrische Finanzierungsstrukturen von Konzernen zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, zugleich aber kleine und mittelständische Unternehmen zu schonen891. Als erste Ausnahme beinhaltet die „Kleinbetriebsklausel“ des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG eine Freigrenze für den Fall, dass der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als drei Million Euro beträgt. Als zweite Ausnahme sieht die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG eine Befreiung von Betrieben vor, die nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehören. Schließlich eröffnet § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG für konzernzugehörige Betriebe die Möglichkeit eines Eigenkapitalvergleichs892: Ist die Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtags gleich hoch oder höher als die des Konzerns, so findet die Zinsschranke des Absatzes 1 keine Anwendung, wobei ein Unterschreiten der 888 Hierzu Loschelder in Schmidt, EStG § 4h Rn. 1. 889 Ausführlich zum „verrechenbaren EBITDA“ mit schematischer Darstellung Förster in Gosch, KStG Exkurs § 4h EStG Rn. 40 ff.; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 50 ff.; Loschelder in Schmidt, EStG § 4h Rn. 10; Prinz, FR 2008, 441. 890 Näher zu den einzelnen Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG Loschelder in Schmidt, EStG § 4h Rn. 14 ff. 891 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 31, 35 und 48. 892 Hierzu Förster in Gosch, KStG Exkurs § 4h EStG Rn. 70 ff.
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F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG
Eigenkapitalquote des Konzerns um bis zu zwei Prozentpunkte gemäß § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG unschädlich ist. Nur die beiden letztgenannten Ausnahmeregelungen werden für Körperschaften durch § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG eingeschränkt. In § 4h Abs. 3 EStG finden sich Legaldefinitionen zu verschiedenen der in § 4h Abs. 1 und Abs. 2 EStG verwendeten Begriffe, insbesondere auch des „maßgeblichen Gewinn“ und der „Zinsaufwendungen“. Die Absätze 4 und 5 halten besondere Vorschriften für die gesonderte Feststellung des EBITDA-Vortrags und des Zinsvortrags sowie deren Untergang im Falle der Betriebsaufgabe oder Betriebsübertragung und bei Ausscheiden eines Mutterunternehmens bereit. 3. Normstruktur und Regelungsgehalt der Zinsschranken-Regelung für Körperschaften, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG Betrachtet man das Zusammenwirken der beiden Vorschriften, so stellt sich im Hinblick auf die „nahestehende Person“ der Regelungsgehalt der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG am wichtigsten dar, wonach für Körperschaften die Ausnahmen des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b und c EStG nur dann anwendbar sind, wenn die Körperschaft den Nachweis erbringt, dass keine „schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung“ vorliegt. Im Einzelnen gliedert sich die Vorschrift des § 8a KStG in drei Absätze. § 8a Abs. 1 KStG hält für Körperschaften ergänzende Bestimmungen zur allgemeinen Zinsschranke des § 4h EStG bereit, sodass sich die Zinsschranken-Grundregel für Körperschaften aus § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 4h Abs. 1 EStG ergibt. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erweitern die Absätze 2 und 3 des § 8a KStG für Körperschaften den Anwendungsbereich der Zinsschranke, indem sie für Körperschaften die Anwendbarkeit der in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b und c EStG geregelten allgemeinen Ausnahmen von der Zinsschranke einschränken. Gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG ist die Zinsschranke des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG bei Körperschaften mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des maßgeblichen Gewinns das maßgebliche Einkommen893 tritt. Da sich die Anwendbarkeit des § 4h EStG auf Körperschaften aber bereits aus dem generellen Verweis des § 8 Abs. 1 KStG auf die Vorschriften des EStG ergibt, wird sie gerade nicht durch § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG begründet. Unter dem maßgeblichen Einkommen ist nach § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG das nach den Vorschriften des EStG und des KStG ermittelte Einkommen mit Ausnahme der § 4h und des § 10d EStG und des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG zu verstehen. § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG ordnet eine ent893 Kritisch zum Rückgriff auf das maßgebliche Einkommen Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 16 ff.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
sprechende Geltung des § 8c für den Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG an. Schließlich ist nach § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG die Regelung des § 4h EStG sinngemäß auf Kapitalgesellschaften anzuwenden, die ihre Einkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG ermitteln. § 8a Abs. 2 KStG betrifft Gesellschafter-Fremdfinanzierungen nichtkonzernangehöriger Körperschaften und nachgeordneter Mitunternehmerschaften. Liegen die Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 KStG vor, so findet die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG keine Anwendung. Eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung liegt nach Absatz 2 vor, wenn die Vergütungen einer Körperschaft für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grundoder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahestehende Person im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG oder einen Dritten, der auf den zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder einem diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, mehr als 10 Prozent des Zinssaldos der Körperschaft betragen oder die Körperschaft das Fehlen mindestens einer dieser Voraussetzungen nicht nachweist. Im Unterschied zu Absatz 2 nimmt der ähnlich konzipierte § 8a Abs. 3 KStG Gesellschafter-Fremdfinanzierungen konzernangehöriger Körperschaften und nachgeordneter Mitunternehmerschaften von außerhalb des Konzerns in den Blick. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 3 vor, so wird die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG ausgeschlossen894. Nach § 8a Abs. 3 KStG liegt eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vor, wenn die Vergütungen für Fremdkapital einer konzernanhängigen Körperschaft oder eines anderen Rechtsträgers desselben Konzerns an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Kapital beteiligten Gesellschafter irgendeiner konzernzugehörigen Gesellschaft, eine diesem nahestehenden Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG oder einen Dritten, der auf den zu mehr als einem Viertel am Kapital beteiligten Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, mehr als 10 Prozent des Zinssaldos des Rechts trägers betragen, die Körperschaft das Fehlen mindestens einer dieser Voraussetzungen nicht nachweist und die Zinsaufwendungen aus Verbindlichkeiten resultieren, die im voll konsolidierten Konzernabschluss nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG ausgewiesen sind und bei Finanzierung durch einen Dritten einen Rückgriff gegen einen nicht zum Konzern gehörenden Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person auslösen.
894 Näher zu den Rechtsfolgen im Konzern etwa Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 74 ff.
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F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG
II. Der Kreis der „schädlichen Geldgeber“: Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal der Rückausnahmen in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 KStG Im Folgenden soll zunächst die tatbestandssystematische Verankerung der „nahestehenden Person“ im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG dargestellt werden. Als Empfänger von Vergütungen für Fremdkapital kommen nach den Rückausnahme-Tatbeständen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG jeweils drei Personenkategorien in Betracht: der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar895 am Grund- oder Stammkapital beteiligte Anteilseigner (wesentlich beteiligter Anteilseigner), die diesem Anteilseigner nahestehende Person sowie ein Dritter, der auf den wesentlich beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann (rückgriffsberechtigter Dritter). Tatbestandlich stehen diese drei potentiellen „schädlichen Geldgeber“ bei genauer Betrachtung weder unabhängig voneinander noch gleichrangig nebeneinander. Im Zentrum des Tatbestands steht vielmehr der wesentlich beteiligte Anteilseigner896, der den Bezugspunkt897 sowohl für die nahestehende Person als auch den rückgriffsberechtigten Dritten bildet und dessen Existenz stets zwingende Voraussetzung für eine schädliche Fremdfinanzierung nach § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG ist898. Rückgriffsberechtigter Dritter hingegen kann nur sein, wer nicht schon Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person ist. Ob eine Person als „nahestehende Person“ im Sinne des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG anzusehen ist, ergibt sich allein aus ihrem Verhältnis zum wesentlich beteiligten Anteilseigner899: Erfolgen also Zinszahlungen an Personen, die dem wesentlich beteiligten Anteilseigner potentiell nahe stehen, muss deshalb nicht der Zahlungsempfänger selbst, sondern der Anteilseigner, dem der Empfänger nahe stehen soll, wesentlich beteiligt sein. In Anbetracht dieser Systematik sind bei der Prüfung der Schädlichkeitsgrenze die Vergütungen zusammenzufassen, die jeweils an eine der vorgenannten Personen-
895 Alle mittelbaren Beteiligungen sind mit der durchgerechneten Quote zu berücksichtigen, vgl. Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 42. 896 Näher zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 41 ff.; Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 19 ff.; Möhlenbrock/ Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 109; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8a Rn. 20. 897 Zur tatbestandlichen Bedeutung Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 217: „Grundfall des schädlichen Fremdkapitalgebers“. 898 Unter Hinweis auf die begriffliche Problematik von „Anteilseigner“ und „Grundoder Stammkapital“ im Rahmen der Zinsschranke Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 180. 899 Vgl. Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 23; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8a Rn. 107.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
gruppen gezahlt werden, da die Vorschrift andernfalls allzu leicht umgangen werden könnte900. Der Nachweis des Nichtüberschreitens der tatbestandlichen 10-Prozent-Grenze obliegt der Körperschaft, wobei der Norm selbst nicht zu entnehmen ist, wie dieser zu erfolgen hat901. Hieraus ist zu schließen, dass im Grundsatz alle Nachweise als zulässig zu erachten sind, aus denen sich ergeben kann, dass kein Fall einer schädlichen Fremdfinanzierung im Sinne der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG vorliegt.
III. Die Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffs definition des § 1 Abs. 2 AStG in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG 1. Begriffliche Folgeprobleme und Korrekturbedarf Für den Begriff der dem Anteilseigner „nahestehenden Person“ verweisen § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG im Wege einer Rechtsgrundverweisung auf die Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers diente die Einführung dieser Verweisung der Rechtsklarheit902 und als Antwort auf die Gefahr einer inhaltlichen Unbestimmtheit der Rechtsfigur903. Gleichwohl ergeben sich aus dieser vermeintlich klaren und eindeutigen Regelungstechnik Folgeprobleme904. Unabhängig von konkreten Auslegungsfragen ist auf den ersten Blick bemerkenswert, dass die körperschaftsteuerrechtlichen § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG auf die außensteuerrechtliche Legaldefinition verweisen und nicht an die Begriffsbildung anknüpfen, wie sie im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung geprägt worden ist905. Dies mag umso mehr verwundern, als die Verweisung des § 8a Abs. 2 KStG auf § 1 Abs. 2 AStG schon begrifflich nicht unmittelbar greifen kann: Während § 1 Abs. 2 AStG die „dem Steuerpflichtigen“ nahestehende Person betrifft, geht es im Rahmen des § 8a Abs. 2 KStG um die „dem Anteilseigner des Steuerpflichtigen“ nahestehende Person. Daher ist der Begriff des Steuerpflichtigen bei sinngemäßer
900 Vgl. Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 202. 901 Siehe zu den praktischen Erfordernissen Dörfler in Erle/Sauter, § 8a Rn. 99. 902 Vgl. BT-Drucks. 12/5016, S. 92. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung Herzig, DB 1994, 110, 115: „[…] um neue Abgrenzungsprobleme durch den Hinweis auf eine bekannte und bewährte Regelung zu vermeiden“. 903 Siehe etwa die Befürchtung bei Knobbe-Keuk, StuW 1982, 201, 206 f. 904 Exemplarisch die Einschätzung bei Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 110: „Die Verweisung in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG auf § 1 Abs. 2 AStG ist problematisch.“ 905 Diese nahe liegende Beobachtung findet sich soweit ersichtlich allein bei Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8a Rn. 109.
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F. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG
Anwendung durch den Begriff des wesentlich beteiligten Anteilseigners im Sinne des § 8a Abs. 2 KStG zu ersetzen906. Eine zweite Korrektur des Anwendungsbereichs ist im Hinblick auf die kreditnehmende Kapitalgesellschaft notwendig. Diese kann selbst nicht „nahestehende Person“ nach § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG sein907. Nach dem Wortlaut der Verweisung wäre die kreditnehmende Gesellschaft stets vom Kreis der „nahestehenden Personen“ erfasst, da sie aufgrund der bestehenden Beteiligung per se dem wesentlich beteiligten Anteilseigner nahe steht. Ohne eine solche teleologische Reduktion der Verweisung fiele jede Kreditaufnahme einer Kapitalgesellschaft, an der zumindest ein Anteilseigner wesentlich beteiligt ist, stets unter § 8a KStG. Die Kreditvergabe würde selbst dann von der Vorschrift erfasst, wenn sie gänzlich ohne Mitwirkung des wesentlich beteiligten Anteilseigners erfolgte. 2. Konkurrenzverhältnis zwischen der Rechtsstellung als Anteilseigner und der Rechtsstellung als „nahestehende Person“ Im Einzelfall kann es für Anteilseigner zu Konkurrenzproblemen zwischen ihrer Rechtsstellung als Anteilseigner und ihrer möglichen Stellung als „nahestehende Person“ kommen. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die lediglich mittelbar aber insgesamt nicht zu mehr als einem Viertel an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Zum einen kann eine bloß mittelbare Beteiligung nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG ausreichen908. Zum anderen werden mittelbare Beteiligungen auch ohne weiteres vom Kreis der „nahestehenden Personen“ nach § 1 Abs. 2 AStG erfasst. Eine erste Klarstellung betrifft die Beurteilung, in welcher Höhe ein Anteilseigner an der Körperschaft beteiligt ist und ob es sich folglich um einen wesentlich beteiligten Anteilseigner handelt. Hierfür rechnet die Finanzverwaltung unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammen909. Für die Zwecke dieser Rechnung darf der mittelbar beteiligte Anteilseigner nicht gleichzeitig als „nahestehen906 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8a Rn. 109; Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 234; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 110. 907 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8a Rn. 110; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 112. 908 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 81. Hierin besteht ein Unterschied zur Vorgängervorschrift des § 8a Abs.1 KStG a. F. 909 BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 81. Hingegen ist Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8a Rn. 100 unter Hinweis auf den Wortlaut („oder“) der Auffassung, dass umittelbare und mittelbare Beteiligungen nicht zusammengerechnet werden dürfen; verschiedene mittelbare Beteiligungen dürfen nach seiner Auffassung jedoch zusammengerechnet werden.
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de Person“ im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG behandelt werden910. Somit findet keine Addition der Anteile aus seiner Rechtsstellung als mittelbar beteiligter Anteilseigner und seiner möglichen Rechtsstellung als „nahestehende Person“ statt. Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob ein Anteilseigner im Falle einer mittelbaren Beteiligung, die nicht zu mehr als einem Viertel besteht und damit nicht wesentlich im Sinne des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG ist, überhaupt zugleich als „nahestehende Person“ in Betracht kommen kann oder ob eine solche Einordnung aus systematischen Gründen gesperrt sein soll. Relevanz kann diese Frage insbesondere im Hinblick auf die zwei unterschiedlichen Beteiligungsgrenzen für eine „wesentliche Beteiligung“ entfalten. Nach dem Wortlaut der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG muss der Anteilseigner „zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar“ beteiligt sein, sodass eine 25-Prozent-Beteiligung für ihn nicht ausreicht. Im Unterschied hierzu genügt für ein Nahestehen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG schon eine Beteiligung von mindestens einem Viertel. Aufgrund der Rechtsgrundverweisung auf § 1 Abs. 2 AStG finden sich innerhalb der Tatbestände der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG also zwei unterschiedliche Schwellen für die Höhe einer wesentlichen Beteiligung. Hierbei ist wichtig zu erkennen, dass diese beiden Beteiligungsschwellen zwei unterschiedliche Fragestellungen betreffen. Im ersten Fall geht es um die kritische Höhe der Beteiligung des Anteilseigners an der Körperschaft, die Vergütungen für Fremdkapital zahlt. Hingegen wird § 1 Abs. 2 AStG lediglich für die Frage herangezogen, ob eine Person diesem so definierten Anteilseigner der Körperschaft nahe steht. Im Einzelfall können diese unterschiedlichen Beteiligungsschwellen für nur mittelbar an der Kapitalgesellschaft Beteiligte zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen ihrer Rechtsstellung als (mittelbare) Anteilseigner und ihrer möglichen Rechtsstellung als „nahestehende Person“ führen911. Hier kommt es somit entscheidend darauf an, ob die betreffende Person als Anteilseigner oder (auch) als „nahestehenden Person“ zu beurteilen ist912. Am folgenden Fallbeispiel einer „Downstream-Finanzierung“913 lässt sich diese Problematik veranschaulichen: Die A-GmbH ist zu 25 Prozent an der B-GmbH beteiligt, die wiederum 26 Prozent der Anteile an der C-GmbH hält. Die A-GmbH ge910 Vgl. auch Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 113. 911 Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 23 f.; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 113. 912 Für eine klare Abgrenzung Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8a Rn. 21: „Die Begriffe […] müssen überschneidungsfrei voneinander abgegrenzt werden“. 913 Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen eine Obergesellschaft einer Untergesellschaft ein Darlehen gewährt und von dieser Vergütungen empfängt. Fallbeispiel in Anlehnung an Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 24.
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währt der C-GmbH ein Darlehen, sodass die C-GmbH in der Folge Vergütungen an die A-GmbH zahlt. Hier ist A zwar mittelbar an C beteiligt. Da die durchgerechnete Quote aber deutlich kleiner als 25 Prozent ist, liegt im Verhältnis A zu C kein Fall einer wesentlichen Beteiligung vor. Allein B ist aufgrund ihres 26-Prozent-Anteils wesentlich an C beteiligt. In Betracht käme aber eine Rechtsstellung der A als eine der wesentlich beteiligten Anteilseignerin B „nahestehende Person“ im Sinne des § 8a Abs. 2 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG, da im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG bereits eine Beteiligung von mindestens einem Viertel ausreicht. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 2 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG liegen die Voraussetzungen einer der wesentlich beteiligten Anteilseignerin B „nahestehenden Person“ für A eindeutig vor. Dieses Ergebnis wird im Schrifttum vereinzelt kritisiert. So geht Heuermann davon aus, dass im vorliegenden Fall tatbestandssystematische Gründe dagegen sprechen, in A – neben ihrer Stellung als mittelbare Anteilseignerin – zugleich eine „nahestehende Person“ zu sehen914. Im Ausgangspunkt sieht diese Auffassung die unterschiedlichen Beteiligungsschwellen als problematisch an und zielt darauf ab, eine weitgehende „Konkordanz der Wesentlichkeitsgrenzen“915 herbeizuführen. Hier bestehe ein systematischer Vorrang der Rechtsstellung als mittelbarer Anteilseigner: Ob eine Person als „nahestehende Person“ anzusehen sei, beurteile sich allein aus ihrem Verhältnis zum Anteilseigner. Der wesentlich beteiligte Anteilseigner stelle den tatbestandlichen Bezugspunkt sowohl der „nahestehenden Person“ als auch des rückgriffsberechtigten Dritten dar. Folgt man dieser Auffassung so könnten im Ergebnis „nahestehende Personen“ nur solche sein, die in der Seitenlinie mit der Gesellschaft verbunden sind, wie zum Beispiel Schwestergesellschaften916. Praktische Konsequenz einer solchen Auffassung ist ein erheblich eingeschränkter Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 8a KStG. Wandelt man den vorgenannten Fall in die entsprechende Konstellation einer „Upstream-Finanzierung“917 ab, so kommt schon nach dem Wortlaut der Verweisung keine „nahestehende Person“ im Sinne des § 8a Abs. 2 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG in Betracht:
914 Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 23 f.; im Ergebnis ebenso Möhlenbrock/ Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 113. 915 Heuermann in Blümich, KStG § 8a Rn. 24. 916 Vgl. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 113. 917 Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen eine Untergesellschaft einer Obergesellschaft ein Darlehen gewährt und von dieser Vergütungen empfängt.
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Die A-GmbH ist zu 25 Prozent an der B-GmbH beteiligt, die wiederum 26 Prozent der Anteile an der C-GmbH hält. C gewährt der B ein Darlehen und in der Folge zahlt B Vergütungen an C. Hier fließen die Vergütungen nicht an einen Anteilseigner, da C nicht an B beteiligt ist. B könnte aber als „nahestehende Person“ der Anteilseignerin A anzusehen sein, da A mittelbar Anteile an C hält. Die durchgerechnete Quote der A genügt hier jedoch schon nicht für eine „wesentliche Beteiligung“, sodass es sich bei B nicht um eine Person handeln kann, die einem wesentlich beteiligten Anteilseigner nahe steht. Gleichwohl können im Grundsatz auch Upstream-Darlehen von § 8a Abs. 2 KStG erfasst sein, sofern nicht die finanzierte Kapitalgesellschaft und die finanzierende Tochtergesellschaft zum selben Konzern gehören918. In der Praxis dürfte diese Frage aber kaum von Bedeutung sein, da bei Up-stream-Darlehen regelmäßig eine Konzernzugehörigkeit bestehen wird919. 3. Natürliche Personen als „nahestehende Personen“ im Sinne der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG Nach den bisherigen Ausführungen führt eine Heranziehung des § 1 Abs. 2 AStG im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG wegen der Merkmale „Beteiligung“ und „beherrschender Einfluss“ dazu, dass insbesondere Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaften des Anteilseigners als „nahestehende Personen“ zu betrachten sind. Insoweit kann im Einzelnen auf die Ausführungen zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG verwiesen werden. Als schädliche Darlehensgeber können im Grundsatz aber auch natürliche Personen in Betracht kommen, falls im Einzelfall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG erfüllt sind920. Da dieser Tatbestand in seinen beiden Alternativen jedoch ersichtlich auf andere Konstellationen zugeschnitten ist, bereitet seine Anwendung im Bereich der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG ernsthafte Probleme. Hierzu muss man sich noch einmal vor Augen führen, dass § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG verlangt, dass die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Im Unterschied zu § 1 AStG geht es bei 918 Näher hierzu Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 239. 919 So auch die Einschätzung bei Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8a Rn. 114. 920 Förster in Gosch, KStG § 8a Rn. 46; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8a Rn. 21: „[…] Angehörige (§15 AO) […] nicht per se nahestehend“. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8a Rn. 109 und 116; unzutreffend ist deshalb die Behauptung bei Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 238 Fußnote 6, wonach Frotscher (a.a. O.) der Auffassung sei, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen des § 8a KStG schon überhaupt keine Anwendung finde. Vgl. zur alten Regelung auch BMF v. 15.12.1994, BStBl. I 1995, 25, 176 Tz. 18.
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§ 8a KStG aber weder um die Berichtigung von Einkünften noch um die Feststellung der Angemessenheit von Darlehensvereinbarungen im Sinne eines Fremdvergleichs. Im Ergebnis erscheint § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG somit unanwendbar921. Ebenso problematisch ist die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG, der ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen voraussetzt. Auch dieses Kriterium dient letztlich dazu, Einkünfte zu berichtigen und nicht fremdübliche Vertragsbedingungen zu sanktionieren, worauf es im Rahmen des § 8a KStG gerade nicht ankommt. Unabhängig von diesen systematischen Bedenken bleibt zu beachten, dass das Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen von der Finanzbehörde konkret nachgewiesen werden muss. Ein solcher Nachweis dürfte jedoch umso schwerer fallen, wenn – im Unterschied zu § 1 AStG – gerade keine fremdunübliche Vorteilsgewährung zwischen den Beteiligten festgestellt werden kann. Deshalb wird es selbst bei Angehörigen im Sinne des § 15 AO ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht gelingen, die erforderliche Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung nachzuweisen922. Im Ergebnis dürfte der Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG somit keine relevante Bedeutung zukommen, sodass natürliche Personen regelmäßig nicht als „nahestehende Personen“ einzustufen sein dürften. 4. Stellungnahme Als gesicherter Ausgangsbefund ist festzuhalten, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG bewusst für die Inanspruchnahme der außensteuerrechtlichen Legaldefinition in § 1 Abs. 2 AStG entschieden hat, sodass deren Kriterien aufgrund der Rechtsgrundverweisung – unter Beachtung der notwendigen begrifflichen Anpassung – unmittelbar anzuwenden sind. Gleichwohl sollte man sich vergegenwärtigen, dass § 1 AStG und § 8a KStG unterschiedliche Zwecke verfolgen. So geht es bei § 8a KStG im Unterschied zu § 1 AStG gerade nicht darum, die Angemessenheit von Darlehensbeziehungen im Sinne eines Fremdvergleichs festzustellen und Einkünfte zu berichtigen. Besonders deutlich spiegelt sich diese unterschiedliche Ausrichtung der beiden Rechtsinstitute in der Frage nach der 921 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8a Rn. 116; kritisch auch Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 238: „Fraglich ist, ob dieser Tatbestand im Rahmen des § 8a überhaupt Anwendung findet“. In dieselbe Richtung auch Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 111, die lediglich § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG in Betracht ziehen wollen. 922 So auch die Einschätzung bei Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8a Rn. 111: „In der Regel dürfte somit eine Darlehensgewährung durch einen Angehörigen des Anteilseigners nicht von § 8a Abs. 2 KStG erfasst werden.“
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG wider. Hier ist den Stimmen im Schrifttum beizupflichten, wonach die Vorschrift im Grundsatz zwar anwendbar ist, aber praktisch ohne Anwendungsbereich bleibt, sodass auch nach hier vertretener Auffassung natürliche Personen und insbesondere Angehörige im Sinne des § 15 AO regelmäßig nicht als dem wesentlich beteiligten Anteilseigner „nahestehende Personen“ erfasst werden. Für die Kriterien der § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG „wesentliche Beteiligung“ und „Beherrschung“ ergeben sich im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG soweit ersichtlich keine Besonderheiten. Insbesondere entfaltet die Stellung als mittelbar beteiligter Anteilseigner unterhalb der relevanten Beteiligungsschwelle von mehr als 25 Prozent richtigerweise keine Sperrwirkung für die Rechtsstellung als „nahestehende Person“. Hierfür spricht schon der eindeutige Wortlaut der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG. Zudem ist nicht einzusehen, warum die beiden unterschiedlichen Beteiligungsschwellen einen Wertungswiderspruch begründen sollen, da sie unterschiedliche Bezugspunkte haben: Während die Voraussetzung „zu mehr als einem Viertel“ das Verhältnis der Körperschaft zum Anteilseigner betrifft, geht es bei dem Erfordernis „mindestens zu einem Viertel“ des § 1 Abs. 2 AStG im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG um das Verhältnis eines wesentlich beteiligten Anteilseigners zu einer dritten Person. In jedem Fall bleibt die Existenz eines zu mehr als einem Viertel an der Körperschaft beteiligten Anteilseigners Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG. Andere Gründe für einen zwingenden Gleichlauf der beiden Beteiligungsschwellen sind nicht ersichtlich. Schließlich hat die Untersuchung zu Tage gefördert, dass die Überlegungen zum materiellen Begriff der „nahestehenden Person“ im Kontext der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG im Zusammenhang mit der Nachweismöglichkeit der Nichtüberschreitung der 10-Prozent-Grenze gesehen werden müssen. Dieser kommt eine umso wichtigere Bedeutung zu, als sich die Körperschaft – anders als die Beteiligten im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung, des § 1 AStG, des § 10 Abs. 5 UStG und wohl auch des § 32d Abs. 2 EStG – gerade nicht darauf berufen kann, dass die Darlehensvereinbarung einem Fremdvergleich standhalten. Hier erscheint der richtige Weg, zu fordern, dass bei der Existenz eines wesentlich beteiligten Anteilseigners positiv nachgewiesen wird, ob und in welcher Höhe schädliche Fremdkapitalvergütungen gezahlt worden sind923.
923 Zutreffend Mattern in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8a Rn. 264.
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IV. Ergebnis Durch die dynamischen Rechtsgrundverweisungen in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG findet die außensteuerrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG unmittelbare Anwendung. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der Vorschriften läuft die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG praktisch leer, sodass allein die Merkmale der „wesentlichen Beteiligung“ und des „beherrschenden Einflusses“ von Bedeutung sind. Somit kommen als „nahestehende Personen“ insbesondere Mutter-, Tochter-, und Schwestergesellschaften in Betracht. Da § 8a KStG nicht auf die Korrektur von unangemessenen Kreditbeziehungen zielt, kann sich die Körperschaft gerade nicht auf die Fremdüblichkeit der Darlehensvereinbarung berufen. Sie kann die Rechtsfolge allein durch den ihr obliegenden Nachweis abwenden, dass die schädlichen Fremdkapitalmittel nicht mehr als 10 Prozent der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft (bzw. des Rechtsträgers im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG) betragen.
G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG I. Grundzüge des § 8b KStG 1. Einordnung der Vorschrift Die Vorschrift des § 8b KStG924 verwendet die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal sowohl in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG als auch in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG925. Somit hat der Gesetzgeber der Rechtsfigur im „Herzstück des neuen Körperschaftsteuerrechts“926 gleich zwei Plätze zugebilligt. Bei § 8b KStG handelt es sich um eine Regelung zur Ermittlung des Einkommens, welche die allgemeine Steuerbefreiung insbesondere von in- und ausländischen Dividenden zum Gegenstand hat und sich als zentrale Norm im Rahmen der Umstellung des Körperschaftsteuerrechts vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren darstellt. Bei der Einkommensermittlung nach § 8b KStG werden bestimmte Einnahmen (Absatz 1) bzw. Veräußerungsgewinne (Absatz 2) abgezogen bzw. 924 Ausführlich zur Rechtsentwicklung der Vorschrift etwa Pung in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 1 und Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 3. 925 Überraschenderweise wird in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG die getrennte Schreibweise „nahe stehende Person“ verwendet, während es in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG „nahestehende Personen“ lautet. Aus Gründen der einheitlichen Darstellung wird im Folgenden an der Schreibweise „nahestehende Person“ festgehalten. 926 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 1.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
bestimmte Gewinnminderungen (Absatz 3) hinzugerechnet und dadurch aus der Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung ausgeschieden927. Der Zweck der Regelung lässt sich vereinfacht so umschreiben, dass zwischengesellschaftliche Gewinnausschüttungen nur auf der Ebene der am Ende einer Kette von Gesellschaften stehenden natürlichen Personen besteuert werden sollen928. Aufgrund seiner zentralen Bedeutung für die Körperschaftsteuer und seiner weiten Ausstrahlung auf unterschiedliche Besteuerungsfragen stellen sich im Rahmen des § 8b KStG unzählige und vielschichtige Einzelprobleme. Es versteht sich von selbst, dass die Regelung im Folgenden nur in ihren Grundzügen erfasst werden kann und sich die Darstellung auf solche Aspekte begrenzt, die für das Verständnis des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ von unmittelbarer Bedeutung sind. 2. Überblick über den zentralen Regelungsgehalt der Norm Die äußerst komplexe929 Vorschrift des § 8b KStG setzt sich aus zehn umfangreichen Absätzen zusammen, wobei Absatz 4 inzwischen weggefallen ist. Für die Zwecke dieser Untersuchung sind insbesondere die Absätze 1 bis 3 von Bedeutung, während die Spezialregelungen der Absätze 5 bis 10 hier im Wesentlichen vernachlässigt werden können930. Der zentrale Regelungsgehalt der Vorschrift findet sich in § 8b Abs. 1 KStG, der die Steuerfreiheit der laufenden Beteiligungserträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9, 10 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG regelt: So haben § 8b Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 KStG die allgemeine Steuerbefreiung insbesondere von in- und ausländischen Dividenden zum Gegenstand. Einschränkungen erfährt diese Befreiung jedoch durch die § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG. Nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG gilt § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG für sonstige Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und die Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 HS 2 sowie des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a) HS 2 EStG nur, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben. Eine – für die Zwecke dieser Untersuchung bedeutende – Rückausnahme931 hiervon enthält wiederum § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG: Hiernach gilt Satz 2 nicht, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person erhöht hat und § 32a KStG
927 Näher zur systematischen Stellung der Norm Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 1. 928 So eingängig Binnewies in Streck, KStG § 8b Rn. 1. 929 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 5: „[…] vielschichtig und kompliziert aufgebaut“. 930 Für einen Überblick über den Regelungsgehalt der gesamten Vorschrift siehe Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 5 sowie Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 1. 931 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 149: „Rückausnahme zur 1. Ausnahme“.
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G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG
auf die Veranlagung dieser nahestehenden Person keine Anwendung findet. Sodann regeln die § 8b Absätze 2 und 3 KStG die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Anteilsveräußerungen an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen: Hierzu bestimmt § 8b Abs. 2 KStG den tatbestandlichen Umfang der Befreiung, während § 8b Abs. 3 KStG unter bestimmten Voraussetzungen die steuerliche Berücksichtigung von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Anteilen im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG ausschließt. Im Einzelnen werden durch § 8b Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Satz 6 KStG auch Veräußerungsgewinne freigestellt, soweit nicht die Ausnahmen der § 8b Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 KStG greifen. Entsprechend sind gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG Gewinnminderungen aus Kapitalbeteiligungen im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG nicht abzugsfähig. Dieses Abzugsverbot erfährt durch § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG932 unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausdehnung auf Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten, die für ein Darlehen hingegeben wurden933: Entscheidend kommt es nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG darauf an, dass das Darlehen oder die Sicherheit von einem Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen beteiligt wurde, beteiligt ist oder „war“934. Rechtsfolge des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG ist, dass die Gewinnminderungen außerhalb der Bilanz in voller Höhe dem Einkommen des Anteilseigners wieder hinzuzurechnen sind. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG erweitert den personalen Anwendungsbereich auf die dem wesentlich beteiligten Gesellschafter nahestehenden Personen sowie rückgriffsberechtigte Dritte. Gemäß § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG findet eine solche Ausdehnung des Abzugsverbots nicht statt, wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte. Wegen dieser Beweislastumkehr trägt somit die darlehensgewährende Körperschaft die objektive Beweislast für die Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung935.
932 Die § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG wurden erst durch das Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150, BStBl. I 2008, 218 eingefügt. 933 Näher zu den §8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG als „rechtsprechungsbrechender Eingriff des Steuergesetzgebers“ Gocke/Hötzel in Festschrift Herzig, S. 89; Urbahns, StuB 2008, 561. 934 Kritisch zur Einbeziehung früherer Beteiligungsverhältnisse („war“) Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279c. 935 Näher zur praktischen Durchführung dieses Fremdvergleichs Hahne, StuB 2008, 299; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 503.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Die weiteren Regelungen der folgenden Absätze 5 bis 10 können für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung vernachlässigt werden.
II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal des § 8b Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5 KStG 1. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG Wie dargestellt findet sich die „nahestehende Person“ an zwei Stellen des umfangreichen § 8b KStG als gesetzliches Tatbestandsmerkmal wieder. Erstaunlich erscheint zunächst, dass zwischen den beiden Verwendungen des Rechtsbegriffs beachtliche strukturelle Unterschiede bestehen. Nach der Rückausnahme des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG ist der Körperschaft die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG doch zu gewähren, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Anteilseigner „nahestehenden Person“ erhöht hat und bei der „nahestehenden Person“ § 32a KStG nicht anzuwenden ist. Hierfür kommt es entscheidend darauf an, dass § 32a KStG auf die Veranlagung der nahe „stehenden Person“ konkret – und nicht bloß abstrakt-tatbestandlich – keine Anwendung findet936. Schließlich ist nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG nicht maßgeblich, bei welcher „nahestehenden Person“ die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen erhöht937. Zweck des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG ist es, eine ansonsten wegen § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden938. Tatbestandlicher Bezugspunkt des Nahestehens ist hier also der Anteilseigner, der – im Unterschied zu § 8a KStG und auch zu § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG – nicht wesentlich oder in einer bestimmten Höhe an der Körperschaft beteiligt sein muss. Ein zweiter Unterschied zu § 8a KStG besteht darin, dass das Gesetz in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG gerade nicht auf die Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG verweist. 2. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG Zum zweiten findet sich die „nahestehende Person“ in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG und damit inmitten der Vorschriften für Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen. Deren Grundtatbestand § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG erfasst den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft selbst Gesellschafterin einer anderen Kapitalgesellschaft ist, dabei zu mehr als einem Viertel mittelbar oder unmittelbar an dieser beteiligt ist 936 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 149b. 937 Vgl. Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG § 8b Rn. 96. 938 Vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 91.
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G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG
(oder war) und ihr ein Darlehen gewährt. Systematisch fügt sich die Vorschrift insofern in die Beteiligungsfälle des § 8b KStG ein, als auch Satz 4 als Grundtatbestand ein Gesellschaftsverhältnis voraussetzt939. Satz 5 setzt diese Verbindung zwischen der darlehensempfangenden Gesellschaft und einem wesentlich beteiligten Anteilseigner ebenfalls voraus und erweitert lediglich den Kreis der Kreditgeber auf solche Personen, die dem wesentlich beteiligten Anteilseigner („diesem“) nahe stehen. Einschränkend ist jedoch § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG zu beachten, wonach die Sätze 4 und 5 nicht anzuwenden sind, wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder nicht zurückgefordert hätte, wofür nur die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft zu berücksichtigen sind940. Ausweislich der Gesetzesbegründung941 soll eine Darlehensüberlassung im Grundsatz insbesondere dann nicht als fremdüblich angesehen werden, wenn das Darlehen nicht verzinslich ist, das Darlehen zwar verzinslich ist, aber keine Sicherheiten vereinbart wurden oder zwar verzinslich ist und Sicherheiten vereinbart wurden, das Darlehen bei Eintritt der Krise der Gesellschaft aber nicht zurückgefordert wird942. Eine bedeutsame zeitliche Zäsur stellt hierfür der Eintritt der Krise des Unternehmens dar: So leuchtet ein, dass die Führung eines Fremdvergleich nach § 8b Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 1 Alt. 1 KStG im Grundsatz nur möglich ist, falls die Darlehensgewährung vor dem Eintritt der Krise erfolgte. Hingegen kann für den Fall, dass das Darlehen erst nach Eintritt der Krise gewährt wurde, der Nachweis der Fremdüblichkeit regelmäßig – wenn überhaupt – nur unter erschwerten Bedingungen in Betracht kommen. In Betracht käme hier etwa die Konstellation, dass eine For derung andernfalls auszufallen oder eine profitable Geschäftsbeziehung verlorenzugehen droht943. Wichtig für die Belange dieser Untersuchung ist die Feststellung, dass im Hinblick auf die beweisrechtliche Konzeption der § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG ein grundlegender Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung bzw. zu § 1 AStG besteht. Während für § 8b Abs. 3 KStG schon allein die Darlehensgewährung durch eine „nahestehende Person“ eine Beweislastumkehr in Bezug auf die Fremdüblichkeit des Geschäfts bewirkt, folgt für die verdeckte Gewinnausschüttung 939 Näher zur Systematik der § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG Urbahns, StuB 2008, 561, 562 f. 940 Siehe zu Einzelfragen dieses Fremdvergleichs Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 231; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279e; Nöcker in Herrmann/ Heuer/Raupach, KStG (Jahresband 2008) § 8b J 07-8; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 494 ff. 941 BT-Drucks. 16/6290, S. 74. 942 Näher zum Ausschluss der Fremdüblichkeit Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279e; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 496 ff. 943 Vgl. Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279e.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
und § 1 AStG die Indizwirkung bzw. die Vermutungsregel erst aus dem Zusammentreffen von Näheverhältnis und einer Vereinbarung, die einem Drittvergleich nicht standhält. Wendet man den Blick wieder zurück auf die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal, so ist deutlich geworden, dass unersetzbarer Bezugspunkt des Nahestehens in jedem Fall der zu mehr als einem Viertel mittelbar oder unmittelbar beteiligte Anteilseigner bleibt. Da § 8b Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 KStG keine zeitliche Begrenzung dahingehend enthält, wann diese Beteiligung vorgelegen haben muss („beteiligt ist oder war“), ist die Norm nach dem Wortlaut auch dann anwendbar, wenn der Inhaber der Forderung zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Forderungserwerbs noch nicht Gesellschafter war oder zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Forderungserwerbs zwar Gesellschafter war, zwischenzeitlich jedoch ausgeschieden ist. Nach wohl vorherrschender Auffassung ist die Vorschrift daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Eigenschaft als Anteilseigner im Zeitpunkt der Darlehensgewährung bzw. der Gestellung der Sicherheit vorliegen muss944. Eine Gegenposition verweist auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und sieht die Lösung darin, dass in diesen Konstellationen regelmäßig der Drittvergleich nach Satz 6 erfüllbar sein dürfte945. Unabhängig hiervon verbietet es sich jedenfalls, für die Zwecke des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG die Beteiligungen einander nahestehender Anteilseigner im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG zusammenzurechnen946. Sinn und Zweck der § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG ist zum einen, Gestaltungen zu unterbinden, bei denen durch Hingabe von Gesellschafterdarlehen das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG umgangen wird. Zum zweiten soll durch die Regelung sicher gestellt werden, dass die Gesellschafterfinanzierung durch Eigenkapital und nicht fremdübliches Fremdkapital hinsichtlich der Berücksichtigung von Gewinnminderungen gleich behandelt wird947. Im Unterschied zu § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG verweist § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG – ebenso wie § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG – ausdrücklich auf die au944 So im Ergebnis Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 227; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 60g; Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57, 63; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2008, 1233, 1243. 945 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279c: „[…] sie tun dem Regelungswortlaut jedoch (allzu sehr) Gewalt an“; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 485. 946 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 227; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279c; Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57, 63; Schnitger in Schnitger/ Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 482. 947 BT-Drucks. 16/6290, S. 73; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279a: „Dem Gesetzgeber waren die […] Ausweichgestaltungen über die Gewährung kapitalersetzender Darlehen, aus fiskalischer Sicht ein Dorn im Auge.“; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 449.
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G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG
ßensteuerrechtliche Legaldefinition der „nahestehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG. Als Zwischenfazit lässt sich somit festhalten, dass die Verwendung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ im Rahmen des § 8b KStG nicht einheitlich erfolgt und eine unterschiedliche Auslegung geboten erscheint. Strukturell entspricht die Verwendung des Rechtsbegriffs im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG dem Gebrauch des Nahestehens in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, da sein Bezugspunkt der wesentlich beteiligte Anteilseigner ist und für die Auslegung des Begriffs ausdrücklich auf § 1 Abs. 2 AStG verwiesen wird.
III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ in § 8b Abs. 1 Satz 4 und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG 1. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG Eine eigene Definition der „nahestehenden Person“ enthält § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG nicht. Im Unterschied zu § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG sowie § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG erfolgt auch keine Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Aus dem Fehlen einer solchen Bezugnahme und dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift wird im Schrifttum nach – soweit ersichtlich – allgemeiner Auffassung948 gefolgert, dass für die Auslegung unmittelbar die von der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter entwickelten Grundsätze heranzuziehen sein sollen. Da die Regelung sehr eng mit der verdeckten Gewinnausschüttung zusammenhängt und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG sogar ausdrücklich auf § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verweist, müssen auch die „gleichen Begriffe“949 verwendet werden. Gosch sieht in diesem Verständnis zugleich die gesetzliche Bestätigung der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung im Dreiecksverhältnis950. Folglich soll zur Begründung des „Nahestehens” auch im Rahmen des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG jede Beziehung eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu einer anderen Person ausreichen, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an die andere Person beeinflusst. Wie bereits dargestellt können derartige Beziehungen familien-
948 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 92; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, 8b Rn. 29p; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 149c; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG § 8b Rn. 96; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 246. 949 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 29p. 950 Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 149c.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
rechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Zu korrigieren ist schließlich die in der Kommentarliteratur vereinzelt951 anzutreffende Behauptung, wonach namentlich Strnad eine andere Auffassung vertrete952 und für die „nahestehende Person“ im Rahmen des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG heranziehen wolle. Tatsächlich gibt es keine Anhaltspunkte für eine solche Auffassung Strnads, der in seinem Beitrag lediglich Bezug auf die „nahestehende Person“ im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG nimmt953. 2. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG Da die Verwendung der „nahestehenden Person“ in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG strukturell im Wesentlichen der Konzeption in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG entspricht, wird in der Kommentarliteratur für die Auslegung des Begriffs regelmäßig auf die parallelen Ausführungen zu § 8a KStG verwiesen954, soweit diese überhaupt erörtert wird955. Im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG soll als „nahestehende Person“ auch der nur mittelbar beteiligter Anteilseigner in Betracht kommen, der nicht von Satz 4 erfasst wird, weil seine durchgerechnete mittelbare Beteiligungsquote die 25-Prozent-Hürde nicht überschreitet956. Wie schon bei § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG stellt sich auch für § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG die Frage, ob von der „nahestehenden Person“ auch Konstellationen erfasst werden, in denen Upstream-Darlehen, also Darlehen von nachgeordneten Gesellschaften an Obergesellschaften, gewährt werden. Hier geht die ganz vorherrschende Auffassung davon aus, dass UpstreamDarlehen – ebenso wie Sidestream-Darlehen zwischen Schwesterge sellschaften957 – grundsätzlich von der „nahestehenden Person“ in § 8b 951 So etwa Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 92 und Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 29p. 952 Bezug genommen wird auf Strnad, GmbHR 2006, 1321. 953 Strnad, GmbHR 2006, 1321, 1322. 954 So Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 229; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, 8b Rn. 60e: „Auch dieser Begriff entspricht § 8a Abs. 2 Satz 1 KStG.“; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279d: „[…] siehe dazu § 8a Abs. 2 Satz 1“; Nöcker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG (Jahresband 2008) § 8b J 07-07; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 489. 955 Exemplarisch ohne nähere Erläuterung Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG § 8b Rn. 186: „Bei der nahestehenden Person gilt die Definition des § 1 Abs. 2 AStG“; ebenso Binnewies in Streck,KStG § 8b Rn. 89: „[…] dem qualifizierten Gesellschafter nahestehende Personen im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG“. 956 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 229; Gröbl/Adrian in Erle/ Sauter, KStG § 8b Rn. 183; Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 750; kritisch aber Winhard, FR 2010, 686, 691. 957 Näher zum Verhältnis von § 8b Abs. 3 Satz 5 und § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im Falle einer Darlehensgewährung in der Seitenlinie etwa Gosch in Gosch, KStG
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G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG
Abs. 3 Satz 5 KStG erfasst werden958. Allerdings scheint nur ein Teil des Schrifttums zu erkennen, dass die Finanzierung einer nachgeschalteten Tochtergesellschaft an die oberste Muttergesellschaft eine andere Bewertung rechtfertigen kann: Für den Fall, dass Darlehensnehmer und wesentlich beteiligter Gesellschafter identisch sind, soll eine Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG daher nicht in Betracht kommen. Mit anderen Worten muss der Darlehensnehmer eine andere Körperschaft sein als der wesentlich beteiligte Anteilseigner. Hierbei geht eine Ansicht davon aus, dass schon der Wortlaut959 in diesen Fällen entgegenstehe. Nach anderer Auffassung sind die § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG jedenfalls teleologisch zu reduzieren960. Das Bedürfnis für eine solche differenzierende Wertung bei Upstream-Darlehen lässt sich an einem einfach gelagerten Beispiel verdeutlichen961: Die A-AG ist zu 100 Prozent an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH hält wiederum 100 Prozent an der C-GmbH. Im ersten Fall gewährt die C-GmbH der B-GmbH ein Darlehen. Im zweiten Fall gewährt die C-GmbH der A-AG ein Darlehen. Im ersten Fall, in dem die C-GmbH der B-GmbH ein Darlehen gewährt, besteht keine unmittelbare Beteiligung des Darlehensgebers (C) an dem Darlehensnehmer (B). Vielmehr liegt eine Beteiligung des Darlehensnehmers an dem Darlehensgeber vor. Allerdings erfüllt die C die Kriterien einer „nahestehende Person“ im Verhältnis zur A. Folglich wird das Darlehen von einer dem wesentlich beteiligten unmittelbaren Gesellschafter (A) nahestehenden Person gegeben. Nach Frotscher müsse aus systematischen Gründen § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG auf so gelagerte Upstream-Darlehen anwendbar sein: Es gehe gerade nicht darum, bei einer „nahestehenden Person“ den Ersatz der Beteiligung durch Darlehen bei dem Gesellschafter zu verhindern. Vielmehr sei der Ersatz der Beteiligung des Gesellschafters durch ein Darlehen der
§ 8b Rn. 279h; Nöcker in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG (Jahresband 2008) § 8b J 07-07. 958 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 229; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, 8b Rn. 60e; Gosch in Gosch, KStG § 8b Rn. 279d; Eberhard, DStR 2009, 2226, 2229; Rengers in Blümich, KStG § 8b Rn. 306; Schnitger in Schnitger/ Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 489; Urbahns, StuB 2008, 561, 564 f. Kritisch aber Winhard, FR 2010, 686, 691 und Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848, 861. 959 So Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 60e; Schreiber/Syré, DStR 2011, 1254, 1256; zustimmend Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG § 8b Rn. 229; wohl auch Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 489. 960 So Gocke/Hötzel in Festschrift Herzig, S. 89, 98: „[…] teleologisch zu reduzieren sind, wenn die Darlehensforderung mittelbar zum Gesellschaftsvermögen der Darlehensschuldnerin gehört“. 961 Siehe zum Folgenden Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 60e.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
„nahestehenden Person“ unerwünscht962. Also könne die Zuführung von Eigenkapital durch die Muttergesellschaft (hier A) durch eine Darlehensgewährung der Enkelgesellschaft (hier C an B) ersetzt werden. Im zweiten Fall, in dem die C-GmbH der A-AG ein Darlehen gibt963, soll die recht liche Würdigung anders ausfallen. Zwar erfüllt hier die C im Grundsatz ebenfalls die Voraussetzungen einer der A „nahestehenden Person“. Doch weist Frotscher darauf hin, dass hier schon der Wortlaut der § 8b Abs. 3 Sätze 4 und Sätze 5 KStG diesen Fall nicht abdecke, da Satz 5 gerade nicht eine entsprechende Anwendung des Satzes 4 vorschreibe, sondern die unmittelbare964. Setzt man danach die Bestimmung des Satzes 5 unmittelbar in Satz 4 ein, so ist die Regelung wie folgt zu lesen: „Zu den Gewinnminderungen […] gehören auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung […], wenn das Darlehen […] von einer einem Gesellschafter nahestehenden Person gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war“. Im Ergebnis sei die Vorschrift schon nach dem Wortlaut auf Darlehen an den Gesellschafter, der die wesentliche Beteiligung an dem Darlehensnehmer halte, nicht anzuwenden, da die (oberste) Muttergesellschaft nicht unmittelbar oder mittelbar an sich selbst wesentlich beteiligt sein könne. Da die Vorschrift den Ersatz von Eigenkapital durch Darlehen verhindern wolle, sei dieses Ergebnis auch systematisch richtig965. Denn für den Fall, dass die Muttergesellschaft von der Tochter- oder Enkelgesellschaft ein Darlehen erhalte, werde hierdurch nicht Eigenkapital der Muttergesellschaft ersetzt, da für die Tochter- oder Enkelgesellschaft die Beteiligung durch Nennkapital an der Muttergesellschaft keine Alternative sei. Unter Berücksichtigung des engen Zusammenhangs von § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG mit dem Grundfall in Satz 4 soll auch der Fall aus dem Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG ausgeschlossen werden, dass ein Upstream-Darlehen an eine oberste Muttergesellschaft gewährt wird und an dieser eine natürliche Person beteiligt ist966. Denn in diesem 962 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 60e. 963 Zu dieser Konstellation auch Schreiber/Syré, DStR 2011, 1254. 964 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8b Rn. 60e; ebenso Schreiber/Syré, DStR 2011, 1254, 1256. 965 Im Ergebnis ebenso Gocke/Hötzel in Festschrift Herzig, S. 89, 98: „Beim Darlehen einer Tochtergesellschaft kann weder § 8b Abs. 3 KStG umgangen werden noch kann das Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter haben.“ 966 Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8b Rn. 489. Dieser hält § 8b Abs. 3 Satz 5 auch dann für nicht anwendbar, wenn eine börsennotierte Gesellschaft an der obersten Muttergesellschaft beteiligt ist, da in diesem Fall wegen der nicht nachprüfbaren Gesellschafterstruktur ein Vollzugsdefizit bestehe.
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G. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG
Fall wäre § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG, dessen Umgehung § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG doch gerade diene, als Grundfall bei Darlehensausreichung der natürlichen Person an die Muttergesellschaft ebenso wenig anwendbar gewesen. 3. Stellungnahme Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass im Hinblick auf die „nahestehende Person“ streng zwischen § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG zu unterscheiden ist. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs begegnet insofern keinen Bedenken, als eine abweichende Handhabung auch im Gesetz selbst Niederschlag gefunden hat. So verweist nur § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition. Keine Probleme bereitet die Auslegung des Begriffs in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG. Hier ist der allgemeinen Ansicht im Schrifttum beizupflichten, wonach sich die Rechtsfigur den Rechtsprechungsgrundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung entnehmen lässt. Richtigerweise sprechen hierfür der Gesamtzusammenhang der Regelung, der insbesondere in der Verweisung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zur Geltung kommt, und das systematische Argument, dass der Gesetzgeber andernfalls auf § 1 Abs. 2 AStG verwiesen hätte. Auch die Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG steht auf einem weitestgehend sicheren Fundament. Hier ist die gesetzliche Verweisung auf die Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG als verbindliche Entscheidung des Gesetzgebers zu akzeptieren. Somit sind für die Frage, wann dem „zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Gesellschafter“ ein Darlehen- oder Sicherheitengeber nahesteht, allein die Kriterien des § 1 Abs. 2 AStG heranzuziehen, für deren Auslegung im Einzelnen auf die vorangegangenen Ausführungen zu § 1 AStG verwiesen werden kann. Im Hinblick auf die praktisch bedeutsame Gewährung von Upstream-Darlehen ist festzuhalten, dass diese richtigerweise im Grundsatz vom Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG erfasst werden. Zustimmung verdienen auch die im Schrifttum geforderten Einschränkungen des Anwendungsbereichs für Fälle der Darlehensgewährung von Tochtergesellschaften an oberste Muttergesellschaften, wie sie soeben skizziert worden sind. Der Grund für diese Ausnahme liegt systematisch darin begründet, dass in diesen Konstellationen weder § 8b Abs. 3 KStG umgangen werden kann noch das Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter haben kann. De lege lata erscheint eine restriktive Auslegung der Kriterien des § 1 Abs. 2 AStG im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG schon deshalb gebo219
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
ten, da allein die Annahme des Vorliegens einer „nahestehenden Person“ zu einer Beweislastumkehr führt, die die objektive Beweislast für die Fremdüblichkeit der Gewährung oder das „Stehenlassen“ des Darlehens auf die Körperschaft überwälzt. Zwingend erscheint eine solche Begrenzung des Begriffs des Nahestehens im § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG bei struktureller Betrachtung gleichwohl nicht. Auch hier kann auf die vorangegangenen kritischen Ausführungen zu § 1 AStG verwiesen werden. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift kommt im Grundsatz jedes Näheverhältnis zum wesentlich beteiligten Anteilseigner in Betracht, das den Schluss zulässt, es habe die fremdunübliche Gewährung des Darlehens bzw. dessen „Stehenlassen“ beeinflusst. Wie im Rahmen der Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter kann ein solches Näheverhältnis danach familienrechtlicher, gesellschaftsrecht licher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Wollte man de lege ferenda die „nahestehende Person“ aber im Gleichlauf mit diesen Grundsätzen verstehen, so müsste § 8b Abs. 3 KStG auch beweisrechtlich angepasst werden. Als kompensatorische „Gegenleistung“ für die Ausdehnung der „nahestehenden Person“ müsste die Beweislastumkehr im Hinblick auf die Fremdüblichkeit der Darlehensgewährung entfallen. Folglich hätte die Finanzverwaltung das Näheverhältnis und die Fremd-unüblichkeit darzulegen.
IV. Ergebnis Im Rahmen des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG sind für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ unmittelbar die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ heranzuziehen. Für § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG ist de lege lata die ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG verbindlich. Handelt es sich beim Darlehen- oder Sicherheitengeber um eine „nahestehenden Person“ in diesem Sinne, so bewirkt die Beweislastumkehr des Satzes 6, dass die objektive Beweislast für die Fremdüblichkeit der Vereinbarung die Körperschaft trifft.
H. Verlustabzug, § 8c KStG I. Grundzüge des § 8c KStG 1. Einordnung der Vorschrift Ebenso wie im Bereich der §§ 8a und 8b KStG aber im Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung findet sich die „nahestehende Person“ in § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG als echtes gesetzliches Tatbestands
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
merkmal967. Die Vorschrift des § 8c KStG968 trifft Regelungen über den Verlustabzug von Körperschaften. Regelungszweck des § 8c KStG ist die Einschränkung des Handels und der freien Nutzung steuerlicher Verlustvorträge969, auf welche die angeordnete Rechtsfolge des anteiligen oder vollständigen Untergangs der Verlustvorträge abzielt. Systematisch handelt es sich bei § 8c KStG zum einen um eine besondere Regelung zur Ermittlung des Einkommens: Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen werden Verluste, die im Regelfall bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen werden, nicht berücksichtigt. Zugleich wirkt § 8c KStG aber auch als Gewinnermittlungsvorschrift, da als Rechtsfolge nicht nur der Verlustabzug nach § 10d EStG entfällt, sondern auch solche Verluste des laufenden Geschäftsjahres, die vor dem schädlichen Beteiligungserwerb eingetreten sind, nicht mit den Gewinnen auszugleichen sind, die nach diesem Zeitpunkt erwirtschaftet wurden970. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt der Regelung der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners mit der Folge ändert, dass zuvor erlittene Verluste nicht mehr oder nur noch anteilig abziehbar sind971. 2. Überblick über die Vorschrift a) Normstruktur und Regelungsgehalt In der geltenden Fassung setzt sich die Vorschrift des § 8c KStG aus den zwei Absätzen 1 und 1a zusammen, wobei der entscheidende Regelungsgehalt der Norm in der Verlustnutzungsbeschränkung des Absatzes 1 zu sehen ist. Die innere Konzeption des § 8c Abs. 1 KStG kann als Regel-Ausnahme-Verhältnis verstanden werden972, wobei sich der Grundfall der Gesamtregelung in den Sätzen 1 bis 4 des § 8c Abs. 1 KStG findet.
967 § 8c Abs. 1 KStG verwendet die getrennte Schreibweise „nahe stehende Person“. Aus Gründen der einheitlichen Darstellung wird im Folgenden jedoch an der Schreibweise „nahestehende Person“ festgehalten. 968 Eingehend zur Rechtsentwicklung der Vorschrift Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, KStG § 8c Rn. 2 und Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 8 ff.; unter besonderer Berücksichtigung des früheren § 8 Abs. 4 KStG Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 1 ff. 969 Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 2. 970 Vgl. hierzu Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 2; Dötsch in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 12. 971 BT-Drucks. 16/4841, 34 und 76. Kritisch zur Frage, ob allein ein Anteilseignerwechsel die wirtschaftliche Identität der Verlust-Körperschaft verändert, insbesondere Rödder, Ubg 2008, 595. 972 Vgl. zum Normaufbau auch Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 19.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Die folgenden gesetzgeberischen Ausnahmen setzen zum Teil auf der Tatbestandsebene und zum Teil auf der Rechtsfolgenseite an: Während die „Konzernklausel“ des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verlustabzugsverbot für konzerninterne Übertragungen darstellt, sind die Ausnahmen der Sätze 6 bis 9 des § 8c Abs. 1 KStG auf der Rechtsfolgenseite angesiedelt. Den zweiten Absatz der Vorschrift bildet die „Sanierungsklausel“973 des § 8c Abs. 1a KStG. Sie stellt sich als Ausnahmeregelung zum Grundfall des Absatzes 1 dar und nimmt den Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs vom Anwendungsbereich des § 8c Abs. 1 KStG aus. Zu diesem Zweck findet sich in § 8c Abs. 1a Satz 2 KStG eine Definition der „Sanierung“. Detailreich wendet sich im Anschluss Satz 3 den Voraussetzungen des Merkmals „Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen“ zu. Nachdem die EU-Kommission die Sanierungsklausel rückwirkend als mit dem EU-Beihilferecht nicht vereinbar erklärt hat974, wird § 8c Abs. 1a KStG nach dem BMF-Schreiben vom 30.4.2010975 vorerst nicht mehr angewendet976. Im Folgenden soll daher nur der Regelungsgehalt des § 8c Abs. 1 KStG näher betrachtet werden. Zentrales Tatbestandsmerkmal ist der „schädliche Beteiligungserwerb“, der in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG legal definiert wird. Danach setzt ein „schädlicher Beteiligungserwerb“ voraus, dass innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahestehenden Personen übertragen werden oder dass ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Als Rechtsfolge des schädlichen Beteiligungserwerbs ordnet § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG an, dass insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte („nicht genutzte Verluste“) nicht mehr abziehbar sind. Gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG sind unabhängig von Satz 1 bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen übertragen werden oder ein ver973 Vgl. zur rechtspolitischen Entwicklung dieser Regelung nur Roser in Gosch, KStG Rn. 1. 974 Beschluss v. 26.1.2011, C 7/2010, K [2011]. 975 BMF v. 30.4.2010, BStBl. I 2010, 488. 976 Näher hierzu etwa Drüen, DStR 2011, 289; Jochum, FR 2011, 497; Breuninger/ Ernst, GmbHR 2011, 673.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
gleichbarer Sachverhalt vorliegt. Während Rechtsfolge des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG also ein lediglich quotaler Untergang der Verlustnutzung ist, ergibt sich aus Satz 2 der vollständige Verlust der Verlustnutzung. Ergänzend gilt nach § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG als ein Erwerber im Sinne der Sätze 1 und 2 auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen. Klarstellend ordnet Satz 4 an, dass eine Kapitalerhöhung der Übertragung des gezeichneten Kapitals gleichsteht, soweit sie zu einer Veränderung der Beteiligungsquoten am Kapital der Körperschaft führt. In den Sätzen 5 bis 9 finden sich sodann wie bereits dargestellt Ausnahmen spezielleren Charakters zu den Grundtatbeständen der Sätze 1 und 2. Diese Ergänzungen betreffen unter anderem Kapitalerhöhungen und stillen Reserven. b) Grundtatbestand des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ Anknüpfungspunkt für den schädlichen Beteiligungserwerb ist zunächst die „Übertragung“977 eines prozentualen Anteils des gezeichneten Kapitals der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft978. Ergänzt wird diese Aufzählung durch den generalklauselartigen Auffangtatbestand „oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor“979, wodurch die Regelungsabsicht des Gesetzgebers, alle nur denkbaren Gestaltungen erfassen zu wollen, offensichtlich wird980. Bezugspunkt der Vergleichbarkeit kann hierbei sowohl der Gegenstand der Übertragung als auch die Art der Übertragung sein. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken wegen fehlender Normenklarheit wird weithin eine restriktive Auslegung des „vergleichbaren Sachverhalts“ befürwortet981. Die quantitative Voraussetzung für den schädlichen Beteiligungserwerb legen Absatz 1 Satz 1 mit 25 Prozent und Satz 2 mit 50 Prozent der jeweiligen Bezugsgröße982 fest. Entgegen dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 1 977 Näher zum Merkmal der „Übertragung“ im Sinne des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 27; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 25 ff.; Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 35 ff.; Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, KStG § 8c Rn. 27. Zur Frage, ob die Übertragung auch ohne den Willen des Rechtsträgers stattfinden kann, Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934. 978 Ausführlich zu den einzelnen Varianten etwa Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 31 ff. 979 Hierzu Viskorf/Michel, DB 2007, 2561; anschauliche Beispielsfälle für den Auffangtatbestand bei Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 30; vgl. im Übrigen auch „ABC der Übertragungen“ bei Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 56 ff. 980 Vgl. Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 30. 981 Vgl. Brandis in Blümich, KStG § 8c Rn. 22; Hans, FR 2007, 775, 780; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 2 und 44; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1936. 982 Hier orientiert sich der Gesetzgeber wohl an der gesellschaftsrechtlichen Sperrminoritätsgröße, wie sie sich aus § 53 Abs. 2 GmbHG oder § 179 Abs. 2 AktG ergibt.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
KStG ist diese als Besitzgrenze zu verstehen, sodass im Falle eines zeitlich gestreckten Anteilserwerbs der Erwerber mindestens zu einem Zeitpunkt zu mehr als 25 Prozent bzw. zu mehr als 50 Prozent an der Körperschaft beteiligt gewesen sein muss983. Hier zeigt sich, dass die „neutrale“ Anknüpfung an gesellschaftsrechtliche Einfluss-Quoren in bestimmter Höhe zunächst zu einer Einschränkung des Verlustvortrags aufgrund der bloßen Möglichkeit einer Beherrschung der Verlustnutzung führt984. Die Sätze 1 und 2 stellen die mittelbare Übertragung der unmittelbaren gleich. Eine „mittelbare“ Übertragung bedeutet, dass sich der schädliche Beteiligungserwerb nicht direkt bei den Anteilen an der Körperschaft vollzieht, sondern auf einer höher gelagerten Beteiligungsstufe angesiedelt ist. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts soll auch der Wechsel von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllen985. Zu beachten ist, dass im Falle der mittelbaren Übertragung der Anteile auf die auf die Verlustgesellschaft durchgerechnete Beteiligungsquote abzustellen ist986. In beiden Fällen gilt für eine mögliche Zusammenrechnung der Erwerbsvorgänge die Frist von fünf Jahren. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist dabei bei den Erwerben eine retrospektive Betrachtung zugrunde zu legen987: Rückblickend wird vom letzten Beteiligungserwerb beurteilt, ob vorgelagerte Erwerbe bezogen auf den Tag des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums innerhalb des Fünfjahreszeitraums liegen988. Dieser Zeitraum ist für jeden Erwerberkreis und für jede Verlustart gesondert zu überwachen989. c) Rechtsfolge des anteiligen oder vollständigen Untergangs der Verlust nutzung Wie bereits skizziert ist die Rechtsfolgenanordnung des § 8c Abs. 1 KStG zweistufig konzipiert und unterscheidet zwischen dem quotalen Untergang des Verlusts nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG und dem vollständigen Untergang des Verlusts gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG. Werden innerhalb des Fünfjahreszeitraums mehr als 25 Prozent und bis zu 50 Prozent der Anteile an einen einzigen Erwerber, diesem nahestehende Personen oder eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen übertragen, 983 Siehe nur Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 23. 984 Vgl. Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 2; Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808. 985 Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194, 1200 f.; Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, KStG § 8c Rn. 22. Für ein teleologische Reduktion aber Dieterlen/Winkler, GmbHR 2007, 815, 816. 986 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 76 und BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736 Tz. 12. 987 BT-Drucks. 16/4841, 76. 988 Vgl. zu Einzelfällen Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 21. 989 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 26; Möhlenbrock, Ubg 2008, 595, 602.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
so gehen gemäß Satz 1 die bis dahin nicht genutzten Verluste quotal entsprechend der Höhe der schädlichen Anteilsübertragung unter. Werden mehr als 50 Prozent der Bezugsgröße übertragen, so geht der Verlust nach Satz 2 vollständig unter. Aufbautechnisch unterscheidet sich Satz 2 von Satz 1 dadurch, dass zunächst die Rechtsfolgen genannt werden und sodann die Tatbestands voraussetzungen benannt werden. Obwohl sich die einleitende Formu lierung des Satzes 2 „Unabhängig von Satz 1“ sich sowohl auf die Tatbestands- als auch auf die Rechtsfolgenebene bezieht, kommt ihr keine wesentliche Bedeutung zu, da abgesehen von den quantitativen Anforderungen an die Bezugsgröße die Tatbestandsvoraussetzungen mit denen des Satzes 1 übereinstimmen990. d) Rechtscharakter und Verhältnis zu § 42 AO In seiner geltenden Fassung handelt es sich bei § 8c KStG um eine Regelung zur Verhinderung von Missbräuchen991. Während der Rechtscharakter der Vorschrift zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch unterschiedlich beurteilt wurde992, hat sich spätestens im Jahr 2010 mit Einfügung der Konzernklausel in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG und dem Hinzufügen der Verschonungsregeln in den Sätzen 6 bis 9 die systematische Einordnung als Missbrauchsvermeidungsregelung durchgesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der ursprünglichen Fassung der Norm ein Missbrauchscharakter wohl nicht zu entnehmen, da die Rechtsfolge lediglich an einen Beteiligungserwerb in bestimmtem Umfang oder an gleichgestellte Vorgänge anknüpfte, wobei ein Missbrauch mit diesen Vorgängen weder in objektiver noch subjektiver Hinsicht verbunden war993. Das Anfügen der Sätze 5 bis 9 kann somit zu Recht als „Paradigmenwechsel in der systematischen Bedeutung der Vorschrift“994 bezeichnet werden, der den Geltungsbereich der Vorschrift wieder auf den Zweck der früheren Mantelkaufregelung reduziert. Soweit ersichtlich hat allein Roser noch zur ursprünglichen Fassung des § 8c KStG die folgende Differenzierung vorgeschlagen: So handele es sich bei § 8c Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KStG, also der Übertragung „an einen Erwerber“, um eine neutral gefasste objektive Verlustnutzungsvoraussetzung 990 Vgl. zum Regelungsaufbau der Rechtsfolgenseite nur Suchanek in Herrmann/ Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 34 f. 991 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 4 ff.; Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, KStG § 8c Rn. 3. 992 Für die Einordnung als Missbrauchsverhinderungsvorschrift schon damals Suchanek/Herbst, FR 2007, 863; gegen die Annahme einer Missbrauchsregelung van Lishaut, FR 2008, FR 2008, 789; Möhlenbrock, Ubg 2008, 595, 601. 993 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 4. 994 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 7f.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
ohne inkriminierende Wertung, mit welcher ein Missbrauchsvorwurf nicht erhoben werde. Hingegen könne für den Erwerb durch „nahestehende Personen“, § 8c Abs. 1 Satz 1 2. Alt. KStG und für die Zusammenfassung mehrerer Erwerber nach § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG eine solche Neutralität nicht festgestellt werden. So sei die in der Gesetzesbegründung genannte „Gestaltungsanfälligkeit“995 der Tatbestandsmerkmale ein starkes Indiz für das Ziel einer Missbrauchsverhinderung. Konkrete Bedeutung erlangt die systematische Einordnung der Vorschrift für die Frage nach ihrem Verhältnis zu § 42 AO996. Nach den bisherigen Ausführungen stellt sich § 8c Abs. 1 KStG jedenfalls nach Einführung der Konzernklausel und den Verschonungsregeln in § 8c Abs. 1 Satz 5 bis 9 KStG wohl als spezialgesetzliche und typisierende Missbrauchsvorschrift dar, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht sehr spezielle Anforderungen normiert997. Aus § 42 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich, dass seine Rechtsfolgen somit dem allgemeinen Missbrauchstatbestand des § 42 Abs. 2 AO vorgehen, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nach Suchanek kommt der allgemeine Missbrauchstatbestand des § 42 Abs. 2 AO auch dann nicht zur Anwendung, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 8c Abs. 1 KStG nicht erfüllt sind. Hiergegen spreche entscheidend, dass § 8c Abs. 1 KStG diesen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht präzisiere. Vielmehr sperre die gesetzliche Koppelung von Missbrauchstatbestand und spezieller Rechtsfolge im abstrakten Anwendungsbereich der Spezialvorschrift den Rückgriff auf die Generalsklausel des § 42 AO998. Unter Beachtung der eingangs dargelegten Kriterien muss dieser Auffassung in Anbetracht des speziellen Charakters des § 8c KStG und der erwünschten Schaffung von Rechtssicherheit wohl gefolgt werden. Verweigert man jedoch wie hier den Rückgriff auf die Generalnorm, so gewinnt die Auslegung des spezialgesetzlichen Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ zusätzlich an Bedeutung. Unabhängig hiervon bleibt § 42 AO in jedem Falle innerhalb des § 8c KStG anwendbar, um eine Umgehung der Spezialnorm zu verhindern999.
995 BT-Drucks. 16/4841, 76 996 Grundlegend zum Verhältnis von Spezialgesetzgebung und Typologie zum Gestaltungsmissbrauch insbesondere Crezelius, StuW 1993, 313 und Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 140. 997 Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 15. 998 Vgl. Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 15 unter Hinweis auf die allgemeineren Ausführungen bei Drüen, Ubg 2008, 31, 34. 999 Vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, Vor § 42 AO Rn. 14; Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 146.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
II. Die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal des § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG 1. Erwerberkreis „an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen“ § 8c KStG beurteilt die Übertragung der Anteile nicht aus Sicht der betroffenen Körperschaft, sondern aus dem Blickwinkel des Erwerbers1000. Hierin unterscheidet sich die Vorschrift konzeptionell1001 von ihrer Vorgängernorm § 8 Abs. 4 KStG a. F. So knüpft die Versagung des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG nicht an die Veräußerung von 25 Prozent bzw. mehr als 50 Prozent der Anteile innerhalb der Fünfjahresfrist als solche an. Vielmehr setzt ein schädlicher Beteiligungserwerb nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG zunächst die Anteils- oder Stimmrechtsübertragung an „einen“ Erwerber voraus. Im Ergebnis könnte dies dazu führen, dass zwar 100 Prozent der Anteile an der Verlustgesellschaft übertragen werden, die Rechtsfolge des § 8c KStG aufgrund der erwerberbezogenen Sichtweise nicht ausgelöst werden1002. Während auf Veräußererseite verschiedene Personen beteiligt sein können, ist nur die Übertragung an einen (einzigen) Erwerber schädlich1003. Im Falle verschiedener Übertragungstatbestände muss es sich beim Erwerber also um dieselbe natürliche oder juristische Person oder dieselbe Personengesellschaft handeln. Diesem „Haupterwerber“1004 werden innerhalb des Zeitrahmens allerdings Erwerbe durch Personen zugerechnet, die ihm „nahe stehen“: So rechnet § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG den Anteilserwerb durch den Erwerber und durch „diesem nahestehende Personen“ zusammen. Hierbei stellt sich der Anteilserwerb durch eine dem Erwerber „nahestehende Person“ nicht als ein mittelbarer Erwerb im Sinne des Satz 1 oder Satz 2 dar, welcher dem „Haupterwerber“ unter Umständen nur anteilig zuzurechnen wäre, sondern wird vollumfänglich wie ein Erwerb durch den „Haupterwerber“ selbst behandelt1005. Nach dem Wortlaut kommt es gerade nicht darauf an, dass die Person dem Ver1000 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 60; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 15. 1001 Hierzu Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934; Rödder/Möhlenbrock, Ubg, 2008, 595, 597. 1002 Vgl. Gohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8c Rn. 128. 1003 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, 8c Rn. 45. Probleme bereitet unter diesem Aspekt etwa der kurzfristige Erwerb von Aktien durch Emissionsbanken bei Börsengängen, vgl. hierzu Groß/Klein, AG 2007, 896, 897 ff. und Wild/Sustmann/ Papke, DStR 2008, 851, 853 ff. 1004 Terminologisch angelehnt an Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 64. Alternativ Brandis in Blümich, KStG § 8c Rn. 51: „Zählerwerber“ und Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 26: „eigentlicher Erwerber“. 1005 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 64.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
äußerer der Anteile oder Stimmrechte nahe steht. Entscheidend ist vielmehr allein das Nahestehen zwischen „Haupterwerber“ und der „nahestehenden Person“. 2. Gleichstellung einer „Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen“, § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG Während gesetzestechnisch die Beteiligungsübertragungen „an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen“ bereits zusammengefasst sind und zusammengerechnet werden, fingiert § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG darüber hinaus, dass eine „Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen“ als „ein Erwerber im Sinne der Sätze 1 und 2“ gilt. Bei § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG handelt es sich um eine ergänzende Missbrauchsklausel, welche auf Initiative des Bundesrates in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde1006. Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt die Regelung darauf ab, Erwerber-„Quartette“1007 zu verhindern1008. Gemeint sind hiermit Umgehungsgestaltungen, bei denen mindestens vier Erwerber, welche einander nicht im Sinne der Sätze 1 und 2 „nahe stehen“, gemeinsam Anteile von 25 Prozent oder weniger an einer Verlustgesellschaft zum Zweck der Verlustnutzung erwerben. Aus diesem Regelungszweck und der Tatbestandssystematik ergibt sich, dass die Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG gegenüber den Grundtatbeständen des Absatzeses 1 Satz 1 und Satz 2 subsidiär ist1009. Somit kann es sich um eine „Gruppe von Erwerbern“ im Sinne des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG nur handeln, wenn es nicht zu einem schädlichen Beteiligungserwerb gekommen ist, da die Erwerber einander nicht nahe stehen. Auch für Absatz 1 Satz 3 gilt für die Zusammenrechnung der einzelnen Übertragungsvorgänge der Zeitraum von fünf Jahren. Der Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, worauf die „gleichgerichteten Interessen“ gerichtet sein müssen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff1010, welcher der Auslegung bedarf. Weitgehende Einigkeit besteht im Schrifttum darüber, dass das reine gemeinschaftliche Halten der Beteiligungen, das Vorliegen bloß gleichartiger Interessen sowie das allgemeine Interesse, 1006 BR-Drucks. 220-07, S. 21. 1007 Vgl. hierzu BFH v. 18.7.2001, I R 48/97, BFHE 196, 128. 1008 BT-Drucks. 16/5377, 28; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934: „Angstklausel zur Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten“; vgl. zum gesetzgeberischen Hintergrund auch Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 37; Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 74. 1009 Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194, 1197; Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, KStG § 8c Rn. 38. 1010 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
den wirtschaftlichen oder ideellen Erfolg der Körperschaft zu fördern, zur Begründung „gleichgerichteter Interessen“ nicht ausreichen könne1011. Ebenso wenig soll eine lediglich – wenn auch langjährig praktizierte – übereinstimmende Stimmrechtsausübung in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung genügen1012. Die Finanzverwaltung begegnet der Auslegungsproblematik mit einer kasuistischen Aufzählung von schädlichen Kriterien und Indizien, ohne jedoch einen verlässlichen Maßstab zu definieren1013. Nach ihrer Auf fassung ist regelmäßig von „gleichgerichteten Interessen“ auszugehen, wenn eine Abstimmung zwischen den Erwerbern stattgefunden hat1014. In dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 wird ausgeführt, dass zwar kein Vertrag vorliegen müsse, die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks im Sinne des § 705 BGB aber ausreiche, ohne jedoch Voraussetzung zu sein. Zudem wird ausdrücklich festgestellt, dass sich die Interessen gerade nicht auf den Erhalt des Verlustvortrags der Körperschaft richten müssen1015. Ein Indiz „gleichgerichteter Interessen“ sei auch die gemeinsame Beherrschung der Körperschaft. Systematisch konsequent und zweckmäßig erscheint es, sich bei der Auslegung am Grundfall des einzelnen Erwerbers zu orientieren und zu fragen, wann die Erwerbergruppe „wie ein Erwerber“ zusammenwirkt1016. Nach der zutreffenden Ansicht von Frotscher muss daher Auslegungsmaßstab sein „[…] ob aufgrund konkreter, objektiv überprüfbarer Umstände erwartet werden kann, dass die Gesellschafter ihre Stimmrechte einheitlich ausüben werden.“1017 Dies sei der Fall, wenn die Personen zur Wahrung ihrer eigenen Interessen „gezwungen“ seien, von ihren Stimmrechten in gleicher Weise Gebrauch zu machen, um eine einheitliche Willensbildung herbeizuführen, die ihren Interessen entspricht. Im Hinblick auf die Auslegung der „nahestehenden Person“ lässt sich jedenfalls bereits an dieser Stelle das tatbestandssystematische Argument festhalten, dass der Gesetzgeber bei einem weiten Verständnis der Rechtsfigur – etwa im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter – den Begriff der „gleichgerichteten Interessen“ nicht gesondert in Absatz 1 hätte aufnehmen müssen1018. 1011 Vgl. etwa Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808, 812 f.; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 17; Roser in Gosch KStG §8c Rn. 74; Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 39. 1012 Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 39 unter Hinweis auf das Merkmal des „beherrschenden Einflusses“ in § 8a KStG. 1013 Siehe hierzu auch Dötsch/Pung, DB 2008, 1703, 1708; Gohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8c Rn. 146. 1014 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736 Tz. 27. 1015 Insoweit zustimmend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 86a. 1016 Lang in Ernst&Young, KStG § 8c Rn. 84.0.2. 1017 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 87. 1018 So auch Roser in Gosch, KStG §8c Rn. 72.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
III. Meinungsstand zum Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ in § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG 1. Ausgangspunkt: unbestimmter Rechtsbegriff § 8c Abs. 1 KStG enthält keine Definition der „nahestehenden Personen“ und auch den Gesetzesmaterialien lässt sich eine solche nicht unmittelbar entnehmen. Anders als § 8a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1KStG und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG verweist die Norm gerade nicht auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG. Da der Gesetzgeber einer Bitte um Klarstellung1019 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht nachgekommen ist, ist von einem bewussten Verzicht auf eine solche Verweisung auszugehen. Vergegenwärtigt man sich das Spannungsverhältnis, in dem die Auslegung der „nahestehenden Person“ verortet ist, so wird deutlich, dass ein zu weites Verständnis des Begriffs das Recht der Körperschaft auf ihren Verlustvortrag verletzt, während ein allzu enges Tatbestandsmerkmal die Funktionsfähigkeit der Vorschrift erheblich einschränkt. Schon aus tatbestandssystematischen Gründen ist bei der Auslegung das Verhältnis zu den „gleichgerichteten Interessen“ des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG zu beachten und eine mögliche Wechselwirkung zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen zu bedenken. 2. Auslegungsvorschläge a) Finanzverwaltung Ihrem BMF-Schreiben vom 4.7.20081020 legt die Finanzverwaltung ein sehr weites Begriffsverständnis der „nahestehenden Person“ in § 8c KStG zugrunde, indem sie die zur verdeckten Gewinnausschüttung entwickelten Grundsätze auch im Rahmen des § 8c KStG anwenden möchte. So wird in Tz. 25 im Wortlaut ausgeführt: „Zur Begründung des ‚Nahestehens‘ reicht jede rechtliche oder tatsächliche Beziehung zu einer anderen Person aus (H 36 KStH 2006; ‚Nahestehende Person – Kreis der nahestehenden Personen‘), die bereits vor oder unabhängig von dem Anteilserwerb besteht.“ Im Ergebnis führt eine solche Anlehnung an den Begriff des „Nahestehens“, wie er sich im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung herausgebildet hat, zu einem sehr weiten und flexiblen Anwendungsbereich des Merkmals. Folgt man diesem Ansatz einer Bezugnahme auf H 36 KStG, so müssen sich schon auf den ersten Blick Abgrenzungsschwierig1019 Siehe IDW, IDW-FN 2007, 194, 204. 1020 BMF v. 4.7.2008, IV C 7 – S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
keiten zu den Erwerbern „mit gleichgerichteten Interessen“ aufdrängen: § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG wäre bei Auslegung der „nahestehenden Person“ im vorgenannten Sinne schlichtweg redundant, da gleichgerichtete Interessen ohne eine irgendwie geartete Beziehung tatsächlicher Art wohl ausgeschlossen sind1021. b) Rechtsprechung Soweit ersichtlich hat sich bislang keine finanzgerichtliche Entscheidung näher mit dem Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 8c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG auseinandergesetzt. c) Schrifttum Im Schrifttum wird die Frage nach dem richtigen Auslegungsmaßstab für die „nahestehende Person“ in § 8c KStG unterschiedlich beurteilt. Vereinzelt wird trotz der fehlenden Verweisung auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG deren Heranziehung für die Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 8c KStG befürwortet1022. Auch ohne ausdrücklichen Hinweis sei das außensteuerrechtliche Begriffsverständnis anzuwenden, da das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen diene und zu diesem Zweck § 1 Abs. 2 AStG „weit besser“1023 passe als die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung. Hingegen folgert die ganz überwiegende Auffassung aus dem Fehlen einer Ver weisung, dass die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG gerade nicht zur Anwendung kommen soll1024. Zum Teil wird in der Folge – wie von der Finanzverwaltung – unmittelbar auf die zur verdeckten Gewinnausschüttung entwickelte Begriffsbestimmung der „nahestehenden Person“ zurückgegriffen1025, zum Teil werden normspezifische Interpretationen
1021 Vgl. Gohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8c Rn. 140; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934. 1022 Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808, 812; Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934; Hans, FR 2007, 777; Gohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG § 8c Rn. 140. 1023 Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808, 812. 1024 So im Ergebnis Brandis in Blümich, KStG § 8c Rn. 51; Brendt in Erle/Sauter, KStG § 8c Rn. 15; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 64; Lang, DStZ 2007, 653; Lang in Ernst&Young, KStG § 8c Rn. 26; Neumann/Stimpel, GmbHR 2007, 1194, 1197; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 16; Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 72 f.; zumindest im Ausgangspunkt auch Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 26 und Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 47: „Daher wird auf allgemeine Grundsätze, wie sie insbes. zum Recht der verdeckten Gewinnausschüttung entwickelt worden sind, zurückgegriffen werden müssen“. 1025 So wohl Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock/Witt KStG § 8c Rn. 64; Lang, DStZ 2007, 653; Olbing in Streck, KStG § 8c Rn. 16: : „[…] ist wie bei der vGA und nicht nach § 1 II AStG auszulegen“; Brendt in Erle/Sauter, KStG § 8c Rn. 15.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
vorgeschlagen1026, die im Einzelnen unterschiedliche Ansätze verfolgen. Im Folgenden werden die drei wesentlichen Konzepte normspezifischer Interpretationen skizziert. Nach Suchanek1027 sind im Ausgangspunkt unter „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG grundsätzlich zwar alle natürlichen und juristischen Personen zu verstehen, die im Sinne der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung als „nahestehende Personen“ zu qualifizieren sind. Im Anwendungsbereich des § 8c Abs. 1 KStG sei diese Auslegung aber zu weitgehend und müsse normspezifisch eingeschränkt werden, da ansonsten die „gleichgerichteten Interessen“ in Absatz 1 Satz 3 ohne Anwendungsbereich blieben. Dementsprechend sei das Nahestehen im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG zunächst auf familiäre (§ 15 AO) und gesellschaftsrechtliche Verbundenheit beschränkt. Gegen die grundsätzlich erfasste Zusammenrechnung der Anteile von Familienmitgliedern und Ehegatten werden jedoch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1028 erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG angemeldet. Somit kommt Suchanek zu dem Ergebnis, dass ein Nahestehen im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG ausschließlich bei gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit begründet werden könne. Schließlich sei § 1 Abs. 2 AStG aufgrund der fehlenden Bezugnahme nicht einschlägig, da das KStG stets ausdrücklich auf die außensteuerrechtliche Norm verweise, wenn dies gewünscht sei. Nach Roser1029 ist mangels hinreichend klarer Indikation für eine An wendung des § 1 Abs. 2 AStG oder der Grundsätze aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung ebenfalls eine normspezifische In terpretation vorzunehmen. Maßgeblich müsse eine Nähebeziehung im Sinne des § 15 AO sein, die zwischen dem Erwerber und einer weiteren Person einen Zurechnungstatbestand begründe, der es rechtfertige, Rückschlüsse auf die Gesellschaftssphäre zu ziehen und eine Herrschaftsmacht anzunehmen, die der Qualität von mehrheitlichen Einflussmöglichkeiten entspreche. Die Nähebeziehung könne gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Art sein, soweit sie auf Vermögens- und Ertragspositionen ausgerichtet sei, wohingegen weitergehende rein persönliche Nähebeziehungen auch nicht über die gleichgerichteten Interessen des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG zu erfassen seien. Roser folgert hieraus, dass im Ergebnis durchaus auf die wirtschaftlichen Gesichtspunkte des § 1 Abs. 2 1026 Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 26; Roser in Gosch, KStG §8c Rn. 72; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 45 ff. 1027 Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rn. 26. 1028 Unter Hinweis auf BVerfG v. 3.11.1982, 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319, 346 ff. und BVerfG v. 3.10.1989, 1 BvR 78,86, BVerfGE 81, 1, 6. 1029 Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 73.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
AStG zurückzugreifen sei. Einschränkend fügt er jedoch hinzu, dass für Kapitalgesellschaften eine widerlegliche Vermutung des Nahestehens erst bestehe, wenn die Beteiligung dem Erwerber eine Herrschaft über die Gesellschaft ermögliche. Hierfür erscheine eine 25-Prozent-Grenze aber kaum geeignet. Im Hinblick auf die Berücksichtigung familienrechtlicher Beziehungen im Rahmen des § 8c KStG werden im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Kritisch wird zudem die Berücksichtigung von Beziehungen rein tatsächlicher Art bewertet, da diese auf vagen Kriterien beruhten und immaterielle Ziele oder Affektions- oder Liebesbeziehungen kaum unter § 8c KStG fallen könnten. Wie bereits angedeutet können nach Frotscher1030 die Auslegungsergebnisse zum Recht der verdeckten Gewinnausschüttung aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung im Rahmen des § 8c KStG lediglich einen „Anhaltspunkt“ bieten, aber nicht direkt übernommen werden. Vielmehr müsse Ausgangspunkt der Überlegungen zur Auslegung sein, dass der „Erwerber“ nach dem Gesetzestext im Vordergrund stehe und die „nahestehende Person“ gerade diesem nahe stehen müsse. Diesem müssten die Erwerbe der nahestehenden Person zugerechnet werden können, sodass wirtschaftlich betrachtet letztlich ein Erwerb durch „einen“ Erwerber vorliege. Voraussetzung hierfür soll nach Frotscher sein, dass die Anteile im Interesse des „Haupterwerbers“ erworben werden. Anders formuliert dürfe die Übertragung der Anteile auf die „nahestehende Person“ aus sich allein heraus nicht verständlich erscheinen, sondern dürfe erst verständlich werden, wenn die Beziehung zwischen dem Erwerber und der „nahestehenden Person“ bei der Betrachtung berücksichtigt werde1031. Zwar könne es sich bei der „nahestehenden Person“ im Grundsatz durchaus um einen Familienangehörigen im Sinne des § 15 AO handeln, der sich im Interesse des Erwerbers beteiligt. Unabhängig davon, ob es sich um eine familienrechtliche oder schuldrechtliche Beziehung handele, sei eine Person aber immer nur dann als „nahestehende Person“ zu betrachten, wenn sie aufgrund einer solchen Beziehung im Interesse des Erwerbers handele. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände könne aber die bloße Familienangehörigkeit wegen Art. 6 GG kein Nahestehen begründen. Eine Vermutungsregel, wonach ein Angehöriger stets im Interesse des Erwerbers handele, verstieße selbst dann gegen den Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG, wenn sie widerlegbar wäre1032. Als konkrete Auslegungshilfe möchte Frotscher § 30 WpÜG heranziehen1033, welcher 1030 Siehe zum Folgenden Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 47 ff. 1031 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 50. 1032 Unter Hinweis auf BVerfG v. 12.3.1985, 1 BvR 571/81, BStBl. II 1985, 475. 1033 Zu den einzelnen Varianten näher Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 51.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
sich mit der Zurechnung von Stimmrechten befasst. Bei entsprechender Anwendung des § 30 WpÜG würden insbesondere Fälle erfasst, in denen die Anteile einem Tochterunternehmen gehören, die Anteile für Rechnung des Steuerpflichtigen gehalten werden, die Anteile von einem Dritten zur Sicherheit gehalten werden oder der Steuerpflichtige eine Option zum Erwerb der Anteile hat. Schließlich seien auch Kapitalgesellschaften „nahestehende Personen“, wenn sie im Interesse des Erwerbers handelten, was bei einer mehrheitlichen Beteiligung (mittelbar oder unmittelbar) widerlegbar vermutet werde. Denn in diesem Fall könne der Erwerber die Gesellschaft beherrschen und sie veranlassen, sich in seinem Interesse an der Übertragung der Anteile oder Stimmrechte zu beteiligen1034. Eine Beteiligung von lediglich mehr als 25 Prozent genüge mangels einer Verweisung auf § 1 Abs. 2 AStG aber gerade nicht, um die Gesellschaft zu einer „nahestehenden Person“ zu machen. Zieht man die Summe aus den drei zuvor skizzierten Ansätzen, so kommt für das Nahestehen im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG in erster Linie eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit zwischen dem Erwerber und dem Dritten in Betracht, für die regelmäßig eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft erforderlich sein soll. Hingegen wird der Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ bei natürlichen Personen erheblich eingeschränkt: Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken (Art. 6 Abs. 1 GG) kann für Familienangehörige ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht unterstellt oder vermutet werden, dass diese Personen im Interesse des Erwerbers handeln. 3. Stellungnahme Die vorangegangene Darstellung hat die überragende Bedeutung der „nahestehenden Person“ für den Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG offengelegt und deutlich gemacht, dass der Eintritt der Rechtsfolge nicht in der Hand des „Erwerbers“ liegt. Diesen trifft der quotale oder vollständige Untergang der nicht genutzten Verluste schon dann mit aller Härte, wenn an eine ihm „nahestehende Person“ Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an der Körperschaft in entsprechender Höhe übertragen werden, ohne dass der Erwerber selbst von diesem Übertragungstatbestand Kenntnis haben müsste. Ebenso wenig kommt es im Grundsatz auf ein Zusammenwirken oder eine vorherige Abstimmung zwischen den beiden Personen an. Mit anderen Worten handelt es sich bei § 8c Abs. 1 KStG insofern um eine „fremdbestimmte Steuerwirkung“, 1034 Ergänzend weist Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 53 für abhängige Gesellschaften darauf hin, dass die Regelung über die „nahestehende Person“ gar nicht zur Anwendung kommt, falls § 8c KStG schon aufgrund der unmittelbaren und/oder mittelbaren Beteiligung anwendbar sei.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
als der „Erwerber“ die Rechtsfolge der Norm durch sein eigenes Verhalten nicht abwenden kann. Eine strukturelle Sonderstellung nimmt § 8c KStG auch deshalb ein, weil im Unterschied zur verdeckten Gewinnausschüttung, § 1 AStG oder der umsatzsteuerrechtlichen Mindestbemessungsgrundlage gerade kein Verhalten der Beteiligten verlangt wird, das einem Fremdvergleich nicht standhält. Vor diesem Hintergrund weisen bereits die vorangegangenen tatbestandssystematischen Ausführungen in Richtung eines restriktiven Auslegungsmaßstabs der „nahestehenden Person“ in § 8c Abs. 1 KStG. Im Ausgangspunkt hält das Gesetz keine eigene Begriffsdefinition bereit und auch den Gesetzesmaterialien lassen sich keine entsprechenden Hinweise entnehmen. Zugleich sprechen gewichtige Gründe gegen eine Heranziehung der außensteuerrechtlichen Legaldefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Zum einen verweist § 8c Abs. 1 KStG im Unterschied zu § 8a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1KStG und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG gerade nicht auf § 1 Abs. 2 AStG. Diesbezüglich ist von einem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auszugehen, da dieser im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einer entsprechenden Bitte des IDW um Klarstellung nicht nachgekommen ist. Zum zweiten erschiene eine solche Bezugnahme auch aus systematischen Gründen verfehlt, da für § 8c Abs. 1 KStG natürlichen Personen eine wichtige Bedeutung zukommt, während § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG diesen Personenkreis nur ganz eingeschränkt einbezieht. Somit kommt ein Begriffsverständnis im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nicht in Betracht. Für eine unmittelbare Heranziehung der Grundsätze zur verdeckten Gewinn ausschüttung im Bereich des § 8c Abs. 1 KStG, wie sie von der Finanzverwaltung praktiziert und von einem Teil des Schrifttums befürwortet wird, sprechen zunächst drei Argumente. Erstens geht es auch bei § 8c Abs. 1 KStG strukturell um ein Näheverhältnis zwischen einem Gesellschafter (hier „Erwerber“) und einer dritten Person. Zweitens kann bei unbefangener Betrachtung auch im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG grundsätzlich jede Art von Nähebeziehung genügen, unabhängig davon, ob sie familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art ist. Neben diesen beiden strukturellen Argumenten ist zu berücksichtigen, dass der bewusste Verzicht des Gesetzgebers auf eine Verweisung auf § 1 Abs. 2 AStG ebenfalls darauf hindeutet, auf die bekannte und bewährte Rechtsfigur aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung zurückzugreifen. Gleichwohl sprechen entscheidende Gründe gegen eine unmittelbare Anwendung dieser Grundsätze im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG. Aus tatbestandssystematischer Perspektive hätte der Gesetzgeber bei einem solchen Verständnis den Begriff der „gleichgerichteten Interes235
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
sen“ nicht gesondert in Absatz 1 aufnehmen müssen1035. Weiterhin muss hiergegen ins Feld geführt werden, dass die verdeckte Gewinnausschüttung mit der Verhinderung einer Vorteilsgewährung der Gesellschaft an den Gesellschafter ein von § 8c KStG abweichendes Ziel verfolgt, da im Bereich des § 8c KStG ein solcher Vorteil gerade keine Rolle spielt und zwischen „Erwerber“ und „nahestehender Person“ auch keine Vereinbarung von Bedingungen festgestellt werden muss, die einem Fremdvergleich nicht standhält. Das weite Begriffsverständnis des Nahestehens im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung, wonach jede Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art genügen kann, ist aber letztlich wertlos ohne die faktische Beweislastumkehr zu Lasten der Gesellschaft. Diese Überwälzung rechtfertigt sich erst aus dem Zusammentreffen von einem Näheverhältnis und der Gewährung eines marktunüblichen Vorteils. Im Ergebnis können die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ somit nicht unmittelbar herangezogen en, da sie zu einem ausufernden Anwendungsbereich des § 8c werd Abs. 1 führten, der mit dem Sinn und Zweck der Norm nicht in Einklang steht. Richtet man den Auslegungsmaßstab der „nahestehenden Person“ – im Einklang mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen – an der Zielsetzung des § 8c Abs. 1 KStG aus, so wird deutlich, dass der oben skizzierte Ansatz von Frotscher1036 uneingeschränkte Zustimmung verdient. Demnach ist zu fragen, in welchen Fällen wirtschaftlich betrachtet ein Erwerb durch „einen Erwerber“ vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Anteile „im Interesse“ des Erwerbers erworben werden, was bedeutet, dass die Übertragung der Anteile auf die „nahestehende Person“ aus sich allein heraus nicht verständlich ist, sondern erst unter Berücksichtigung der Beziehung zwischen dem „Erwerber“ und der „nahestehenden Person“ verständlich wird. Richtig ist folglich auch, dass in diesem Sinne eine Person immer nur dann als nahestehend betrachtet werden kann, wenn sie aufgrund der Nähebeziehung im Interesse des „Erwerbers“ agiert. Somit hat die Finanzverwaltung nicht nur das Bestehen der Nähebeziehung, sondern darüber hinaus auch konkret das Handeln der dritten Person im Interesse des „Erwerbers“ nachzuweisen. Insbesondere im Hinblick auf Angehörige im Sinne des § 15 AO kommen der Finanzbehörde dabei keine Vermutungsregeln zur Hilfe. Durch diese hohen beweisrechtlichen Anforderungen wird der Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ in der Praxis somit erheblich eingeschränkt. Eine widerlegbare Vermutung für das Handeln im Interesse des „Erwerbers“ rechtfertigt sich 1035 Siehe zu diesem Argument etwa Roser in Gosch, KStG § 8c Rn. 72. 1036 Siehe Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 47 ff.
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H. Verlustabzug, § 8c KStG
nur dann, wenn der „Erwerber“ die dritte Person beherrscht und sie dementsprechend zu Handlungen veranlassen kann. Hiervon dürfte nur auszugehen sein, wenn der „Erwerber“ an der dritten Person zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist1037.
IV. Ergebnis Im Hinblick auf die „nahestehende Person“ nimmt § 8c Abs. 1 KStG insofern eine strukturelle Sonderstellung ein, als gerade kein Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab vorausgesetzt wird. Der quotale oder vollständige Untergang der nicht genutzten Verluste kann den „Erwerber“ nach dem Wortlaut der Vorschrift schon dann treffen, wenn an eine ihm „nahestehende Person“ Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an der Körperschaft in entsprechender Höhe übertragen werden, ohne dass er selbst von diesem Übertragungstatbestand Kenntnis haben müsste. Ebenso wenig kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift auf ein Zusammenwirken oder eine vorherige Abstimmung zwischen den beiden Personen an: Aus Sicht des „Erwerbers“ kann es sich daher bei § 8c Abs. 1 KStG insofern um eine „fremdbestimmte Steuerwirkung“ handeln, als dieser selbst den Eintritt der Rechtsfolge nicht aus eigenen Kräften verhindern kann. Vor diesem Hintergrund ist eine restriktive Auslegung der „nahestehenden Person“ geboten. Außerdem ist zu fordern, dass diese aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Somit genügt im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG zwar grundsätzlich jede Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art, soweit die Person aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Entscheidend für die Praxis ist aber, dass die Finanzverwaltung die Beweislast für das Näheverhältnis und somit das Handeln „im Interesse des Erwerbers“ trägt. Hierbei kommt der Finanzverwaltung nur für den Fall eine widerlegbare Vermutungsregel zur Hilfe, dass der „Erwerber“ die „nahestehende Person“ (gesellschaftsrechtlich) beherrscht. Insbesondere steht einer Vermutungsregel zu Lasten von Angehörigen im Sinne des § 15 AO der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG entgegen.
1037 Für den Fall, dass die dritte Person als „nahestehende“ qualifiziert wird, wird dem „Erwerber“ deren Beteiligung in voller Höhe und – im Unterschied zur Zurechnung als mittelbare Beteiligung – nicht bloß mit der durchgerechneten Quote zugerechnet.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
I. Exkurs: „besondere Beziehungen“ im Sinne des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA, Art. 12 Abs. 4 OECD-MA und des Art. 4 Abs. 2 EU-Zins-/Lizenz-RL sowie dessen Umsetzung in § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG I. Überblick Wenngleich begrifflich nicht die Rede von „nahestehenden Personen“ ist, sollte der Vollständigkeit halber auf den Begriff der „besonderen Beziehungen“ hingewiesen werden, wie er abkommensrechtlich in Art. 11 Abs. 6 OECD-MA (Zinsen) und Art. 12 Abs. 4 OECD-MA (Lizenzgebühren) Verwendung findet und unionsrechtlich in Art. 4 Abs. 2 der EUZins-/Lizenzrichtlinie1038 (Zins-/Lizenz-RL) sowie in der entsprechenden deutschen Umsetzung in § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG jeweils wortgleich Niederschlag gefunden hat. Da es für die Zwecke dieses Exkurses in erster Linie auf den strukturellen Aufbau der Norm und den tatbestandlichen Kontext der „besonderen Beziehungen“ ankommt, soll der Begriff im Folgenden am Beispiel des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA entwickelt und dargestellt werden. Hingegen erscheinen die Zins-/Lizenz-RL und ihre deutsche Umsetzung aufgrund ihres stark limitierten personalen Anwendungsbereichs („verbundene Unternehmen“) für eine solche Darstellung gegenüber Art. 11 OECD-MA weniger zweckmäßig. Die Ausführungen zu Art. 11 Abs. 6 OECD-MA lassen sich in ihrem strukturellen Kerngehalt – soweit im Folgenden nicht anders kenntlich gemacht – sinngemäß auf die übrigen Normen übertragen. Während Regelungsgegenstand des Art. 11 OECD-MA die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte für Zinsen ist, wendet sich Art. 12 OECD-MA den internationalen Besteuerungsrechten für Lizenzgebühren zu. Durch die Zins-/Lizenz-RL hat der Rat der EU im Jahr 2003 eine Regelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen „verbundenen Unternehmen“ verschiedener Mitgliedstaaten erlassen. In den von der Richtlinie erfassten Fällen gilt – entsprechend der allgemeinen Normenhierarchie – unabhängig von dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen ein Quellensteuersatz von 0 Prozent1039. Somit ordnet die Zins-/Lizenz-RL für bestimmte Zinszahlungen zwischen bestimmten verbundenen Unternehmen inklusive deren Betriebsstätten komplette Quellensteuerfreiheit an. In Form von § 50g EStG wurde die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt.
1038 Richtlinie 2003/49/EG v. 3. Juni 2003, ABl. EG 2003 Nr. L 157, 49. 1039 Siehe zum Verhältnis von EU-Recht und Art. 11 OECD-MA Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 23 ff.; Geurts in Strunk/Kaminski/Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 23 ff.; Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA Art. 11 Rn. 7.
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I. Exkurs
Die Zins-/Lizenz-RL und § 50g EStG leiden an ihrem erheblich eingeschränkten personalen Anwendungsbereich, der auch im Schrifttum als die große Schwäche der Richtlinie und ihrer deutschen Umsetzung identifiziert wird 1040. Gemäß Art. 3 Buchst. b der Zins-/Lizenz-RL ist dieser auf „verbundene Unternehmen“ beschränkt: Hiervon erfasst wird jedes Unternehmen, das wenigstens dadurch mit einem zweiten Unternehmen verbunden ist, dass das erste Unternehmen unmittelbar zu 25 Prozent am Kapital des zweiten Unternehmens beteiligt ist oder (i) das zweite Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 Prozent an dem Kapital des ersten Unternehmens beteiligt ist oder (ii) ein drittes Unternehmen unmittelbar zu 25 Prozent an dem Kapital des ersten Unternehmens und dem Kapital des zweiten Unternehmens beteilig ist (iii). Dabei stellt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten aus guten Gründen frei, das Kriterium einer Mindestkapitalbeteiligung durch das Kriterium eines Mindestanteils an den Stimmrechten zu ersetzen. In der deutschen Umsetzung in § 50 g EStG ist gemäß § 50g Abs. 1 Satz 3 EStG Voraussetzung für die Anwendung der Sätze 1 und 2, dass der Gläubiger der Zinsen oder Lizenzgebühren ein mit dem Schuldner verbundenes Unternehmen oder dessen Betriebsstätte ist. Die Definition des „verbundenen Unternehmens“ in § 50 Abs. 3 Nr. 5 b) EStG entspricht der Richtlinien-Formulierung. Nach § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG wiederum müssen die besonderen Beziehungen „auf Grund von Absatz 3 Nummer 5 Buchstabe b bestehen“ 1041.
II. Grundzüge des Art. 11 OECD-MA 1. Einordnung der Vorschrift Regelungsgegenstand des Art. 11 OECD-MA ist die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte für Zinsen. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es in den meisten Rechtsordnungen üblich ist, dass innerhalb eines Landes erfolgende Zinszahlungen beim Zahlenden vorbehaltlich spezifischer Abzugsverbote – wie etwa der Zinsschranke – steuerlich abzugsfähig sind und beim Empfänger besteuert werden. Durch Art. 11 OECD-MA soll dieses Symmetriekonzept auch in der internationalen Fallkonstellation verwirklicht werden, wozu die Vorschrift grundsätzlich eine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat vorsieht und die grundsätzliche Abzugs1040 Exemplarisch Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 25: „Das zentrale Problem der EU-Zins-/Lizenzrichtlinie […]“. 1041 So lautet § 50g Abs. 2 EStG auszugsweise: „(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden auf die Zahlung von […] 2. Zinsen oder Lizenzgebühren, die den Betrag übersteigen, den der Schuldner und der Gläubiger ohne besondere Beziehungen, die zwischen den beiden oder einem von ihnen und einem Dritten auf Grund von Absatz 3 Nummer 5 Buchstabe b bestehen, vereinbart hätten.“
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
fähigkeit der Zinsen beim Zahlenden unberührt lässt1042. Während dem Staat, aus dem die Zinsen gezahlt werden, die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Quellensteuer in Höhe von bis zu 10 Prozent zu erheben, besteht im Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Zinsen die Möglichkeit der vollen Besteuerung unter Anrechnung der Quellensteuer. Da in der Rechtspraxis eigenkapitalfinanzierte Fremdmittelausreichungen jedoch sehr selten sind, führt der Mechanismus des Art. 11 i. V. m. Art. 23 A/B OECD-MA häufig zu Doppelbesteuerungen1043. 2. Überblick über die Vorschrift Die zentralen Regelungsanordnungen des Art. 11 OECD-MA ergeben sich aus dem Zusammenspiel der Absätze 1 und 2. Gemäß Art. 11 Abs. 1 OECD-MA können Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, im an deren Staat besteuert werden. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz OECD-MA können diese Zinsen jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden. Allerdings darf diese Quellensteuer gemäß Absatz 2 Satz 1 2. Halbsatz der Höhe nach 10 vom Hundert des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist. Ergänzt wird der zentrale Regelungsgehalt der Absätze 1 und 2 durch die Definitionen und Hilfsnormen der Absätze 3 und 5. So enthält Art. 11 Abs. 3 OECD-MA eine Definition des Ausdrucks „Zinsen“1044. Danach sind unter Zinsen im Sinne der Vorschrift Einkünfte aus Forderungen jeder Art zu verstehen, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen. Hingegen gelten Zuschläge für verspätete Zahlung gemäß Absatz 3 Satz 2 nicht als Zinsen im Sinne des Art. 11 OECD-MA. Absatz 5 trifft genauere Regelungen für den Quellenstaat der Zinsen und regelt somit die Frage, wann Zinsen als aus einem Vertragsstaat stammend gelten. 1042 Vgl. Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 1. Ausführlich zu den Grund lagen der Vorschrift Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 1 ff; Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA Art. 11 Rn. 2. 1043 Exemplarisch Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 1: „[…] eines der zen tralen Probleme des Zinsartikels“. Siehe zur Umsetzung der Vorschrift in der deutschen Abkommenspraxis Geurts in Strunk/Kaminski/Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 127 ff. und Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA Art. 11 Rn. 135. 1044 Näher zu dieser Zinsdefinition Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 4.
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I. Exkurs
Neben diesen Ergänzungen enthält die Vorschrift des Art. 11 OECD-MA zwei Ausnahmeregelungen in Form des Betriebsstättenvorbehalts des Absatzes 4 sowie des Fremdvergleichsvorbehalts in Absatz 6. Voraussetzung für die im Folgenden näher betrachtete Öffnungsklausel für Verrechnungspreiskorrekturen bei überhöhten Zinsen des Absatzes 6 ist das Bestehen „besonderer Beziehungen“ zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten.
III. Fremdvergleichsvorbehalt des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA 1. Zweck und Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung Eine Einschränkung erfährt der Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 durch den Fremdvergleichsvorbehalt des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA. Für den Fall, dass zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten „besondere Beziehungen“ bestehen und deshalb die Zinsen, gemessen an der zugrundeliegenden Forderung, den Betrag übersteigen, den Schuldner und Nutzungsberechtigter ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, ordnet Absatz 6 Satz 1 an, dass der Artikel nur auf den letzteren Betrag angewendet wird. Gemäß Absatz 6 Satz 2 kann in diesem Fall der übersteigende Betrag nach dem Recht eines jeden Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass keine Zinsen im abkommensrechtlichen Sinne anzunehmen sein sollen, wenn und soweit die als Zinszahlung deklarierte Leistung wirtschaftlich betrachtet kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung von Kapital, sondern entweder eine Zuwendung oder aber ein Leistungsentgelt anderer Art darstellt1045. Denn in einem solchen Fall verdeckt die Zinszahlung gleichsam die Zuwendung bzw. das anderweitige Entgelt. Anzulegen ist hier ein Fremdvergleichsmaßstab1046, wonach darauf abzustellen ist, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer eine solche Zinsvereinbarung eingegangen wäre. Zu diesem Zweck genügt bereits ein hypothetischer Fremdvergleich. Im Ergebnis sollen Art. 11 Abs. 1 und 2 OECD-MA nur auf den – bei wirtschaftlicher Betrachtung – „angemessenen“ Teil der Zinszahlung Anwendung finden. Hingegen erfasst die Regelung des Art. 11 Abs. 6 OECD-MA nicht den Fall, dass die Parteien aufgrund einer bestimmten Verbundenheit unangemessen niedrige Zinsen vereinbaren und der An1045 Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 141. 1046 Ausführlich zu den Kriterien dieses Fremdvergleichs Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 153; Geurts in Strunk/Kaminski/ Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 125; Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 95.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
sässigkeitsstaat deshalb mit einer § 1 AStG vergleichbaren Vorschrift korrigierend eingreift1047. Als Rechtsfolge des Absatzes 6 sind die Absätze 1 und 2 – und somit zugleich Absatz 4 – auf den unangemessen hohen Teil der Zinsen nicht anzuwenden, was eine präzise Quantifizierung des unangemessen hohen Zinsbetrages voraussetzt. Bestehen Unsicherheiten bezüglich des genauen Betrages, so ist dieser gegebenenfalls gemäß § 162 Abs. 1 AO zu schätzen1048. Im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite bleibt jedoch zu beachten, dass Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA unmittelbar keinen höheren Ansatz von Zinsen gegenüber den als solchen vereinbarten erlaubt, da sich die Vorschrift lediglich auf den Betrag bezieht, der die angemessenen Zinsen übersteigt. Hier kommt unter Umständen die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung oder eine Gewinnkorrektur nach der Art des § 1 AStG in Betracht1049. Während die Beweislast für die Abziehbarkeit der Zinsen als Betriebsausgaben der Schuldner trägt, trifft die Finanzverwaltung die Beweislast für die Zurechnung von Zinserträgen gegenüber dem Nutzungsberechtigten und für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung1050. 2. Begriff der „besonderen Beziehungen“ Dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA lässt sich nicht entnehmen, welche Konstellationen vom Begriff der „besonderen Beziehungen“ erfasst werden. Allerdings finden sich in den Nummern 33 und 34 des OECD-Musterkommentars (OECD-MK)1051 zu Art. 11 Hinweise auf das Begriffsverständnis. In Nummer 33 werden zunächst insbesondere konzernähnliche Abhängigkeitsverhältnisse in den Vordergrund gerückt, die durch unmittelbare oder mittelbare Beherrschung gekennzeichnet sind:
1047 Vgl. Geurts in Strunk/Kaminski/Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 119, der einer Anwendung der Absätze 1 und 2 in diesem Fall skeptisch gegenübersteht; Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 142: „Die Frage ist nach dem innerstaatlichen Recht des Ansässigkeitsstaates zu lösen“. Für eine Geltung des Zinsartikels in diesem Fall aber Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 94. 1048 Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 156; zu dieser Abgrenzungsproblematik auch Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 95. 1049 Siehe zu dieser Berichtigung „nach oben“ Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 157. 1050 Geurts in Strunk/Kaminski/Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 127 ff. 1051 Da es bislang an einer offiziellen Übersetzung des OECD-MK in die deutsche Sprache fehlt, wird im Folgenden ausschließlich auf die englische Sprachfassung zurückgegriffen.
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I. Exkurs
“33. […] There may be cited as examples cases where interest is paid to an individual or legal person who directly or indirectly controls the payer, or who is directly or indirectly controlled by him or is subordinate to a group having common interest with him. These examples, moreover, are similar or analogous to the cases contemplated by Article 9”. Besondere Beachtung verdient die Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die sich sodann aus den Ausführungen in Nummer 34 ergibt. Diese nimmt nicht bloß verwandtschaftliche Verhältnisse in den Blick, sondern enthält – in bewusster Abgrenzung zu rechtlichen Beziehungen – auch einen Hinweis auf tatsächlich bestehende gleichgerichtete Interessenlagen: “34. On the other hand, the concept of special relationship also covers relationship by blood or marriage and, in general, any community of interests as distinct from legal relationship giving rise to the payment of the interest”. Somit führen Art. 11 Nr. 33 und 34 MK als Beispiele „besonderer Beziehungen“ Konzernbeziehungen, verwandtschaftliche Beziehungen und darüber hinaus jede Interessengemeinschaft auf, die neben dem Rechtsverhältnis besteht, auf Grund dessen die Zinsen gezahlt werden. Im Schrifttum wird daraus vereinzelt gefolgert, dass die Definition der des Nahestehens im Sinne des Art. 1 Abs. 2 AStG entspräche1052. Gegen eine unmittelbare Heranziehung dieser innerstaatlichen Legaldefinition als Auslegungsmaßstab der „besonderen Beziehungen“ bestehen jedoch Bedenken. Obgleich zuzugestehen ist, dass für die Belange der Rechtspraxis – insbesondere im Hinblick auf Konzernverhältnisse – eine sehr große Überschneidung mit der Definition des § 1 Abs. 2 AStG bestehen dürfte, sprechen die vorgenannten Hinweise des Musterkommentars in der Tendenz eher für ein Begriffsverständnis, das weiter reicht als das des Außensteuergesetzes. Dies muss insbesondere für die Kategorie „any community of interests“ gelten, da in § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG sehr enge Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Bezieht man schließlich die Überlegung ein, dass auch im Rahmen des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA das „Näheverhältnis“ durch jeden persönlichen oder sachlichen Grund („any community of interests“) ausgelöst werden kann, dürfte im Ergebnis von einer Deckungsgleichheit mit dem Begriff der „nahestehenden Person“ nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung auszugehen sein1053. Dem steht auch nicht entgegen, dass die beson1052 So ausdrücklich Körner in Schönfeld/Ditz, DBA Art. 11 Rn. 93: „Die Definition entspricht daher der des ‚Nahestehens‘ im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG“. 1053 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 151; Geurts in Strunk/Kaminski/Köhler, DBA Art. 11 MA Rn. 122: „Diese Interpreta-
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
deren Beziehungen im Sinne des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA und das Nahestehen einer Person gegenüber dem Gesellschafter einer Körperschaft unterschiedlichen Rechtskreisen angehören1054. Im Ergebnis können die besonderen Beziehungen im Sinne des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA somit mitgliedschaftsrechtlicher, wirtschaftsrechtlicher oder persönlicher Art sein. Dabei werden ein Verwandtschaftsverhältnis oder eine Ehe nicht notwendigerweise vorausgesetzt, sodass derartige Beziehungen auch im Falle von Freundschaft oder eheähnlichen Beziehungen anzunehmen sein können.
IV. Ergebnis Die „besonderen Beziehungen“ im Sinne des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECDMA können mitgliedschaftsrechtlicher, wirtschaftsrechtlicher oder persönlicher Art sein, wobei ein Verwandtschaftsverhältnis oder eine Ehe nicht notwendigerweise vorausgesetzt werden. Dieser weite Anwendungsbereich führt zu einer weitgehenden (tatsächlichen) Deckungsgleichheit mit dem Begriff der „nahestehenden Person“ im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung. Für die Zwecke dieser Untersuchung bleibt festzuhalten, dass in struktureller Hinsicht den Vorschriften des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 OECD-MA und entsprechend des Art. 12 Abs. 4 OECD-MA ein sehr weites Begriffsverständnis der „besonderen Beziehungen“ in Kombination mit dem Merkmal der Vereinbarung marktunüblicher Zins- bzw. Lizenzvereinbarungen zugrunde liegt, wobei die Nähebeziehung gerade kausal für die Marktunüblichkeit der Vereinbarung sein muss.
J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht I. Die Essenz der untersuchten steuerrechtlichen Institute im Überblick 1. Verdeckte Gewinnausschüttung Um den Blick für eine vertiefende Betrachtung von Begriff und Funktion der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht zu schärfen, empfiehlt es sich zunächst, die wesentlichen Ergebnisse zu den sieben Einzeluntersuchungen überblicksartig darzustellen. Ausgangspunkt der steuerrechtlition dürfte am ehesten Deckungsgleichheit mit dem abkommensrechtlichen Verständnis des Ausdrucks ‚besondere Beziehungen‘ erzielen […]“. 1054 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rn. 151.
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J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht
chen Analyse war das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung. Zunächst wurde aufgezeigt, dass eine solche auch dann anzunehmen sein kann, wenn der Leistungsempfänger nach dem äußeren Geschehensablauf ein Nichtgesellschafter ist. So geht der Bundesfinanzhof in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass der unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter die an einen Dritten gleich steht, wenn diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Falls der Dritte eine einem Gesellschafter „nahestehende Person“ ist, wertet die Rechtsprechung dies als Indiz für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis. Hierzu wird der Prüfungsmaßstab angelegt, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahe steht, nicht gewährt hätte. Aus dieser Indiz-Funktion folgt ein weites Begriffsverständnis des „Nahestehens”: So reicht zu seiner Begründung jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. 2. Außensteuergesetz, § 1 Abs. 2 AStG Für die Zwecke des Außensteuerrechts enthält § 1 Abs. 2 AStG eine abschließende gesetzliche Definition der dem Steuerpflichtigen „nahestehenden Person“, als deren Hauptanwendungsfall die Verrechnungspreisproblematik anzusehen ist. Liegen die Voraussetzungen des Nahestehens im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG vor, so ist – unabhängig von tatsächlicher Einflussnahme oder Einflussnahmemöglichkeit – unwiderlegbar von einem Näheverhältnis auszugehen. In diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen allein der Weg offen, den Nachweis zu erbringen, dass er sich fremd üblich verhalten hat. Strukturell wird ein Näheverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und „nahestehender Person“ im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG entweder durch eine unmittelbare oder mittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu mindestens einem Viertel („wesentliche Beteiligung“) oder durch die Möglichkeit der Ausübung von „beherrschendem Einfluss“ vermittelt. Erheblich ausgedehnt wird der Anwendungsbereich der Begriffsdefinition durch § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG wird ein Nahestehen begründet, wenn die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben (Alternative 1) oder
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (Alternative 2). Wie die vorangegangene Untersuchung deutlich gemacht hat, führen beide Tatbestandsalternativen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG zu erheblicher Unsicherheit in der Rechtsanwendung und vielfältigen Auslegungsschwierigkeiten, weshalb nach hier vertretener Auffassung eine restriktive Auslegung geboten erscheint. Insbesondere hat der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung zu Recht deutlich gemacht, dass nicht jede familiäre Bindung den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG erfüllt und selbst im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht zwangsläufig von einem „eigenen Interesse“ an der Erzielung der Einkünfte (der Kinder) ausgegangen werden kann. Zur Annahme eines „eigenen Interesses“ genügt aber, wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Nahestehenden in Betracht kommt und hieran ein eigenes Interesse des Steuerpflichtigen oder der anderen Person besteht. 3. Mindestbemessungsgrundlage, § 10 Abs. 5 UStG Die umsatzsteuerrechtliche Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG zielt auf die vollständige und gleichmäßige Belastung jedes Endverbrauchers mit Umsatzsteuer ab. Bei bestimmten Näheverhältnissen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger geht der Gesetzgeber davon aus, dass regelmäßig eine zu niedrige Gegenleistung vereinbart wird. Für diese Fälle sieht die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG eine Korrekturmöglichkeit vor. Somit sanktioniert die Vorschrift die auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden. Hieraus folgt, dass eine Korrektur nicht erfolgen darf, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Vergünstigung auf unternehmerischen bzw. betrieblichen Gründen beruht. Im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ hat die Untersuchung gezeigt, dass im Ergebnis die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ entsprechend heranzuziehen sind. So reicht zur Begründung eines Näheverhältnisses jede Beziehung zwischen einem Anteilseigner, Gesellschafter; Mitglied oder Teilhaber zu einem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Entscheidend kommt es jedoch darauf an, dass die Vergünstigung gerade aufgrund des Näheverhältnisses gewährt wird.
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J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht
4. Abgeltungsteuer, § 32d Abs. 2 EStG § 32d EStG regelt den gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen und führt in Absatz 2 als Ausnahmeregelungen die Kapitalerträge an, bei denen der die Einkommensteuer abgeltende Steuertarif keine Anwendung findet. Hierzu werden verschiedene Näheverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge erfasst. Für die Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 32d Abs. 2 EStG enthält das Gesetz selbst weder eine Definition dieses Begriffs noch eine ausdrückliche Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Nach hier befürworteter Auffassung sind nach den allgemeinen Auslegungsregeln als Auslegungsmaßstab die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich formulierten Definitionskriterien heranzuziehen. Danach ist von einer „nahestehende Person“ nur dann auszugehen: „[…] wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat“. Bei der Anwendung dieser Definitionsmerkmale ist stets der Gesetzeszweck des § 32d Abs. 2 EStG im Auge zu behalten, sodass die Umstände des Vertragsverhältnisses den Schluss zulassen müssen, dass Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkomensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz ist. Erheblich entlastet wird der Begriff der „nahestehenden Person“ dadurch, dass im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen am Schuldner nach der Sonderregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Anteil in Höhe von 10 Prozent ausreicht, um den Abgeltungsteuersatz auszuschließen. Natürliche Personen sind im Ergebnis regelmäßig nur dann als „nahestehende Personen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG anzusehen, wenn als einziger Grund für die Einkünfteverlagerung die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Beteiligten in Betracht kommt und die Finanzverwaltung dieses wirtschaftliche Interesse konkret nachweisen kann. In der Praxis dürfte dies dazu führen, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensvereinbarungen zwischen natürlichen Personen regelmäßig nicht anwendbar ist. 247
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
5. Zinsschranke, § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG Im Rahmen der körperschaftsteuerrechtlichen Zinsschranke enthalten sowohl § 8a Abs. 2 KStG als auch § 8a Abs. 3 Satz 2 KStG die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal und verweisen ausdrücklich durch einen Klammerzusatz auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG in der jeweils geltenden Fassung. Durch diese dynamischen Rechtsgrundverweisungen findet die außensteuerrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG unmittelbare Anwendung. Allerdings hat die Untersuchung gezeigt, dass die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der Vorschriften praktisch leerläuft, sodass allein die Merkmale der „wesentlichen Beteiligung“ und des „beherrschenden Einflusses“ von Bedeutung sind. Somit kommen als „nahestehende Personen“ insbesondere Mutter-, Tochter-, und Schwestergesellschaften in Betracht. Da § 8a KStG nicht auf die Korrektur von unangemessenen Kreditbeziehungen abzielt, kann sich die Körperschaft gerade nicht auf die Fremdüblichkeit der Darlehensvereinbarung berufen. Sie kann die Rechtsfolge allein durch den ihr obliegenden Nachweis abwenden, dass die schädlichen Fremdkapitalmittel nicht mehr als 10 Prozent der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft (bzw. des Rechtsträgers im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG) betragen. 6. Beteiligung an anderen Körperschaften, § 8b KStG Die Vorschrift des § 8b KStG verwendet die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal sowohl in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG als auch in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG. Allerdings verweist lediglich § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG, sodass im Hinblick auf die „nahestehende Person“ streng zwischen § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG zu un terscheiden ist. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Bezugnahme und unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Vorschrift wird im Schrifttum nach allgemeiner Auffassung richtigerweise gefolgert, dass für die Auslegung unmittelbar auf die von der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter entwickelten Grundsätze zurückzugreifen ist. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs innerhalb des § 8b KStG begegnet keinen Bedenken, da die abweichende Handhabung auch im Gesetz selbst Niederschlag gefunden hat. Für § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG ist die ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG verbindlich. Handelt es sich beim Darlehen- oder Sicherheitengeber um eine „nahestehenden Person“ in diesem Sinne, so bewirkt die Beweislastum248
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J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht
kehr des § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG, dass die objektive Beweislast für die Fremdüblichkeit der Vereinbarung die Körperschaft trifft. Im Hinblick auf die praktisch bedeutsame Gewährung von Up-stream-Darlehen konnte gezeigt werden, dass diese richtigerweise im Grundsatz vom Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG erfasst werden. Aus systematischen Gründen ist eine Einschränkung jedoch für Fälle der Darlehensgewährung von Tochtergesellschaften an oberste Muttergesellschaften geboten, da hier § 8b Abs. 3 KStG nicht umgangen werden kann und das Darlehen keinen eigenkapitalersetzenden Charakter hat. 7. Verlustabzug bei Körperschaften, § 8c KStG Die Regelung zum Verlustabzug bei Körperschaften enthält die „nahestehende Person“ in § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG als gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Allerdings bedient sich die Vorschrift keiner Verweisung auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG. Die Untersuchung hat gezeigt, dass § 8c Abs. 1 KStG im Hinblick auf die „nahestehende Person“ insofern eine strukturelle Sonderstellung einnimmt, als gerade kein Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab vorausgesetzt wird. Der quotale oder vollständige Untergang der nicht genutzten Verluste trifft den Erwerber schon dann, wenn an eine ihm „nahestehende Person“ Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an der Körperschaft in entsprechender Höhe übertragen werden, ohne dass er selbst von diesem Übertragungstatbestand Kenntnis haben müsste. Nach dem Ge setzeswortlaut kommt es auf ein Zusammenwirken oder eine vorherige Abstimmung zwischen den beiden Personen nicht an. Aus Sicht des „Erwerbers“ könnte es sich nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG insofern um eine „fremdbestimmte Steuerwirkung“ handeln, als dieser den Eintritt der Rechtsfolge nicht aus eigenen Kräften verhindern kann. Vor diesem Hintergrund ist eine restriktive Auslegung der „nahestehenden Person“ geboten und zu fordern, dass diese aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Somit genügt im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG zwar grundsätzlich – wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung – jede Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art, soweit die Person aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Entscheidend für die Praxis ist aber, dass die Finanzverwaltung die Beweislast für das Näheverhältnis und das Handeln im Interesse des Erwerbers trägt. Dabei kommt der Finanzverwaltung nur für den Fall eine widerlegbare Vermutungsregel zur Hilfe, dass der „Erwerber“ die „nahestehende Person“ (gesellschaftsrechtlich) beherrscht. Insbesondere steht einer Vermutungsregel zu Lasten von Angehörigen im Sinne des § 15 AO der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG entgegen. 249
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
II. Versuch einer Systematisierung 1. Fremdüblichkeit der Vereinbarung Die bestehenden strukturellen Zusammenhänge und Parallelen zwischen den einzelnen Vorschriften lassen sich am besten aufzeigen, indem man versucht, diese zu systematisieren. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse bietet es sich an, die Regelungen zunächst daraufhin zu befragen, ob sie für den Eintritt ihrer Rechtsfolge die fehlende Fremdüblichkeit der zwischen den Beteiligten vereinbarten Bedingungen voraussetzen. Wählt man dieses Drittvergleich-Erfordernis als Unterscheidungskriterium, so lassen sich anhand dieser Trennlinie zwei Gruppen bilden. Zu der ersten Gruppe sind die verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Personen, § 1 AStG, § 10 Abs. 5 UStG sowie § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG und im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG die Regelung in Nummer 1 Buchst. c) zu zählen. Diese Rechtsinstitute setzen für den Eintritt ihrer Rechtsfolge allesamt voraus, dass die Beteiligten Bedingungen vereinbart haben, die einem Drittvergleich nicht standhalten. Diese Normen sanktionieren letztlich die „Unangemessenheit von Austauschverträgen bei fehlendem Interessengegensatz“1055. Zu der zweiten Gruppe von Normen, in denen es nach dem Wortlaut der Vorschriften nicht auf die fehlende Fremdüblichkeit ankommt, gehören die § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, § 8c Abs. 1 KStG sowie die übrigen Fälle des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und b) EStG. Im Unterschied zur ersten Gruppe kann die Prüfung hier gerade nicht an einen wirtschaftlich unaus gewogenen Leistungsaustausch anknüpfen. Vielmehr wird der Eintritt der Rechtsfolge in diesen Fällen im Grundsatz lediglich an das Vorliegen einer „nahestehenden Person“ geknüpft. So steht dem Steuerpflichtigen bei deren Vorliegen im Rahmen des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG allein der Weg offen, sich durch den Nachweis des Nichtüberschreitens der 10-Prozent-Grenze zu verteidigen. Es darf nicht überraschen, dass der personale Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ in den Fällen der ersten Gruppe tendenziell weiter reicht als innerhalb der zweiten Gruppe. Dies lässt sich damit erklären, dass in den erstgenannten Fällen die missbilligte auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers gerade aus dem Zusammentreffen zweier Umstände abgeleitet wird: Neben die Vereinbarung von nicht marktüblichen Bedingungen tritt ein zwischen den Beteiligten tatsächlich bestehendes Näheverhältnis, das über ein bloßes In-Kontakt-Stehen hinausgeht. Die Waagschale muss in diesen Fällen zuungunsten des Steuerpflichtigen vorbelastet sein, wenn man davon ausgeht, dass „ein Kaufmann nichts verschenkt“. In gewisser Weise wird also – insbesondere im Rahmen der 1055 Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 154.
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verdeckten Gewinnausschüttung und des § 10 Abs. 5 UStG – von einer nicht fremdüblichen Vereinbarung auf das Näheverhältnis rückgeschlossen. In diesen beiden Fällen erscheint dies jedoch weniger kritisch, da die „nahestehende Person“ keinen Selbstzweck erfüllt und der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, substantiiert darzulegen, dass die Vergünstigung auf betriebliche Gründe, Irrtümer oder Fehler zurückzuführen ist1056. Letztlich geht es in diesen Fällen – abstrahiert – allein um die Frage, ob es sich um eine auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevor zugung des Leistungsempfängers handelt. Konsequenterweise muss im Grundsatz (strukturell) jede Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art zur Annahme eines Näheverhältnisses genügen können. Zwar gilt dies im Grundsatz auch für § 1 AStG. Doch sind die Anforderungen an das Näheverhältnis hier de lege lata erhöht, da dem Steuerpflichtigen keine Möglichkeit eines Gegenbeweises offensteht, sobald das Vorliegen eines Näheverhältnisses im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG und das Abweichen von marktüblichen Bedingungen festgestellt worden sind. Eine Sonderstellung nimmt § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG ein, der im Zusammenwirken mit § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG schon beim bloßen Vorliegen einer „nahestehenden Person“ eine Beweislastumkehr zuungunsten des Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Fremdüblichkeit des Vereinbarten anordnet. Auch aufgrund dieser Abweichung von den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung erscheint eine restriktivere Auslegung der Rechtsfigur im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG geboten. Im Unterschied zu dieser Reihe von Rechtsinstituten kann der Rechtsanwender im Rahmen der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, § 8c Abs. 1 KStG sowie den übrigen Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG seine Prüfung gerade nicht an das Vorliegen eines wirtschaftlich unausgewogenen Leistungsaustauschs anknüpfen. Gemeinsam haben diese Regelungen, dass sie das Nahestehen der Personen auch dann sanktionieren, wenn sich die Beteiligten wie fremde Dritte gegenüber gestanden haben. Diesbezüglich erscheint die Regelung des § 8c Abs. 1 KStG insofern besonders rigide, als in deren Rahmen den Steuerpflichtigen die Rechtsfolge des Untergangs der nicht genutzten Verluste nach dem Wortlaut der Vorschrift sogar dann trifft, wenn er keine Kenntnis vom Übertragungstatbestand an die „nahestehende Person“ hatte. Nach dem Wortlaut kommt es im Grundsatz auch weder auf ein Zusammenwirken noch auf eine vorherige Abstimmung zwischen den beiden Personen an („fremdbestimmte Steuerwirkung“). Mit anderen Worten muss es sich bei den von § 8c Abs. 1 KStG erfassten Fällen nicht zwangsläufig um „Geschäfte zwischen nahestehenden Personen“ im eigentlichen Wortsinne handeln. Vor diesem 1056 Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang zu § 8 Rn. 278d.
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§ 4 Die „nahestehende Person“ im Steuerrecht
Hintergrund rechtfertigt sich auch das gefundene Ergebnis der Untersuchung zu § 8c Abs. 1 KStG, wonach der Begriff des Nahestehens bzw. dessen Nachweis restriktiv zu handhaben ist. Hingegen müssen im Falle des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG die Vergütungen für Fremdkapital an eine dem wesentlich beteiligten Anteilseigner „nahestehende Person“ gezahlt werden und auch § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander „nahestehende Personen“ sind, sodass in beiden Fällen zumindest ein unmittelbares (Darlehens-) Verhältnis zwischen den Beteiligten besteht. In die Systematik der hier vorgeschlagenen Gruppenbildung fügen sich auch die zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG gefundenen Ergebnisse nahtlos ein, wonach sich aufgrund der gebotenen Heranziehung der Auslegungskriterien der Gesetzesbegründung nur ein erheblich eingeschränkter Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ ergibt. Insbesondere die auf den ersten Blick überraschend hohen Hürden für natürliche Personen werden verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Norm nach ihrem Wortlaut selbst dann zur Anwendung kommt, wenn sich die Parteien fremdüblich verhalten haben. Zugleich darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG eine Spezial-Regelung für den Fall der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung enthält, wodurch der Begriff der „nahestehenden Person“ für § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG materiell erheblich entlastet wird. 2. Bezugspunkt des Nahestehens Ein weiteres Systematisierungs-Kriterium könnte der Bezugspunkt des Nahestehens sein. Während etwa im Rahmen der § 1 AStG und § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG die Person dem Steuerpflichtigen selbst nahe stehen muss, geht es im Rahmen des Körperschaftsteuergesetzes bei der verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen, § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG sowie § 8b Abs. 1 und Abs. 3 KStG darum, dass eine dritte Person einem Anteilseigner der steuerpflichtigen Körperschaft nahe steht. Auch im § 10 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 UStG muss die Person einem Anteilseigner, Gesellschafter etc. nahe stehen, während es in Alternative 2 um das direkte Verhältnis zwischen Einzelunternehmer und dritter Person geht. Der Erkenntnisgewinn aus einer solchen Unterscheidung ist jedoch gering, da sich diese auf die Struktur von Körperschaften zurückführen lässt und soweit ersichtlich keine Rückschlüsse auf Begriff und Funktion der „nahestehenden Person“ zulässt. Interessant ist aber die Beobachtung, dass der Gesetzgeber sowohl in § 8a KStG als auch in § 8b KStG ausdrücklich auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition Bezug nimmt
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und gerade nicht auf die steuersystematisch näher liegende Begriffsbildung aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung abstellt. 3. Zeitbezug des Nahestehens Im Hinblick auf den Zeitbezug des Nahestehens konnte gezeigt werden, dass dieses in allen Fällen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vereinbarung (bzw. im Falle des § 8c Abs. 1 KStG des Übertragungstatbestands) gegeben sein muss. Dies darf nicht mit der Frage im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung verwechselt werden, ob auch eine zukünftige oder ehemalige Anteilseignerstellung eine ausreichende Verbindung zur Körperschaft begründet, da diese allein das Gesellschaftsverhältnis (zwischen Körperschaft und Anteilseigner) betrifft. Diesbezüglich konnte für die verdeckte Gewinnausschüttung gezeigt werden, dass deren Annahme nicht durch das Ausscheiden des Anteilseigners aus der Gesellschaft verhindert wird und zudem auch ein zukünftiges Gesellschaftsverhältnis genügen kann. Für die ähnlich gelagerte Frage im Rahmen des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG wurde aufgezeigt, dass der insofern offene Wortlaut („beteiligt ist oder war“) einer Einschränkung dahingehend bedarf, dass im Ergebnis die Eigenschaft als Anteilseigner im Zeitpunkt der Darlehensgewährung bzw. der Gestellung der Sicherheit vorliegen muss. Zieht man die Bilanz aus den vorangegangen Überlegungen, so wird deutlich, dass aus einer Systematisierung der einzelnen Normen zwar keine beachtlichen neuen Erkenntnisse im Hinblick auf die Auslegung der „nahestehenden Person“ gewonnen werden können. Gleichwohl verdeutlicht diese Darstellung die unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen des Begriffs im jeweiligen Normkontext.
III. Kritik und Interpretation des steuerrechtlichen Befundes Im Verlauf der Untersuchung ist die Erkenntnis zu Tage gefördert worden, dass der Steuerrechts-Gesetzgeber im Hinblick auf die „nahestehende Person“ als terminus technicus in den letzten Jahren und Jahrzehnten wenig glücklich gehandelt hat. Als Konsequenz sieht sich der Rechtsanwender heute mit erheblichen Auslegungsschwierigkeiten konfrontiert. Diese sind direkte Folge des gesetzgeberischen Versuchs, die „nahestehende Person“ aus ihrem ursprünglichen Regelungskontext der Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung herauszulösen und in andere Regelungsbereiche zu übertragen. Im Rahmen der außensteuerrechtlichen Ausführungen ist aufgezeigt worden, dass ein gesetzliches Regelungsbedürfnis für die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG äußerst fragwürdig ist und der Gesetzgeber wohl besser daran getan hätte, den Begriff der „nahe stehenden Person“ wie im 253
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Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung überhaupt nicht gesetzlich zu definieren1057. Zudem begründen die im Einzelnen dargelegten Mängel1058 der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 1 Abs. 2 AStG erhebliche Zweifel an der Eignung dieser Definition als Regelungsmodell für andere Normen. Gleichwohl greift der Gesetzgeber in §§ 8a und 8b KStG und – zumindest im Hinblick auf die Grundstrukturen – auch in § 32d EStG auf diese Legaldefinition zurück. Akzeptiert man im Ausgangspunkt diese gesetzgeberische Entscheidung für diese Regelungstechnik als geltendes Recht, so hat die vorangegangene Untersuchung gleichwohl deutlich und anschaulich zu Tage gefördert, dass unter dem einheitlichen Begriff der „nahestehende Person“ innerhalb der verschiedenen steuerrechtlichen Vorschriften zum Teil ganz unterschiedlich gelagerte Problemkonstellationen erfasst werden. In der Zusammenschau kann eine einheitliche Behandlung dieser Rechtsfigur im geltenden Recht weder im Hinblick auf den Begriffsinhalt – im Sinne des potentiell erfassten Personenkreises – noch bezüglich der beweisrechtlichen Konzeption der Normen festgestellt werden. Exemplarisch hat sich die Frage nach der Erfassung von Upstream-Darlehen im Rahmen der §§ 8a und 8b KStG als bedeutsam erwiesen, während derartige Konstellationen für die „nahestehende Person“ im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung keine Rolle spielen. Somit ist der entscheidende Befund der vorangegangenen Ausführungen gerade darin zu sehen, dass die personale Reichweite des Begriffs der „nahestehenden Person“ regelmäßig mit dem Normzweck und der beweisrechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Vorschrift in einem untrennbaren Zusammenhang steht, der nicht aufgehoben werden kann und nicht aufgehoben werden darf. Zutreffend ist daher die Feststellung, die Bri gitte Knobbe-Keuk bereits im Jahr 1982 für die verdeckte Gewinnausschüttung auf den Punkt gebracht hat: „Es gibt also nicht die nahestehende Person an sich […]“1059. Mit anderen Worten lebt das steuerrechtliche Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ allein im Kontext der jeweiligen Norm. Außerhalb dieses Umfelds kann die Rechtsfigur hingegen kein Eigenleben führen, ihr fehlt es an der selbstständigen Bedeutung. Da aber die hier untersuchten steuerrechtlichen Institute unterschiedlich ausgestaltet sind und verschiedene Zwecke verfolgen, führt der Versuch der Transplantation eines Begriffsverständnisses bzw. einer Defini1057 So auch bereits frühzeitig Wassermeyer, BB 1984, 1501, 1506: „[…] fraglich erscheinen, ob für § 1 Abs. 2 AStG überhaupt ein Regelungsbedürfnis bestand“. Vgl. auch derselbe in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rn. 827 [Stand: Oktober 2004]. 1058 Siehe § 4 C. IV. 1059 Knobbe-Keuk, StuW 1982, 201, 206.
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J. Zusammenfassende Analyse der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht
tion der „nahestehenden Person“ in eine andere Norm regelmäßig zu Friktionen. Besonders deutlich konnte dies im Verlauf der Untersuchung für den Versuch des Gesetzgebers gezeigt werden, die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG in die §§ 8a und § 8b KStG zu verpflanzen. Ebenso wurde gezeigt, dass die Anlehnung an das außensteuerrechtliche Begriffsverständnis der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 EStG als kritisch anzusehen ist, da es hier – im Unterschied zu § 1 AStG – gerade nicht um einen unternehmerischen Kontext geht. Für die Einzelheiten kann auf die entsprechenden Darstellungen verwiesen werden. Schließlich konnte auch gezeigt werden, dass die „nahestehende Person“ nicht nur in Regelungen zum Einsatz kommt, welche die „Unangemessenheit von Austauschverträgen bei fehlendem Interessengegensatz“1060 sanktionieren. Dies beweist besonders anschaulich die Vorschrift des § 8c Abs. 1 KStG. Im Ergebnis ist als Antwort auf die Ausgangsfrage dieser Untersuchung – und damit zugleich als Antwort auf den „Vereinheitlichungsversuch“ des Gesetzgebers im geltenden Recht – festzuhalten, dass de lege lata einer normspezifischen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ der Vorrang gebührt. Aufgrund der unterschiedlichen funktionalen Zielsetzung der verschiedenen Rechtsinstitute ist de lege lata davon Abstand zu nehmen, die Begriffe durch den Versuch einer vereinheitlichenden Auslegung einander anzunähern.
1060 Zu dieser Terminologie Hey, DStJG 33 (2010), S. 139, 154 f.
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§ 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ de lege ferenda A. Vergleichende Zusammenschau: Vorbildcharakter der insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffsdefinitionen für eine steuerrechtliche Begriffsbildung? I. Verfahrensrechtlicher Kontext Nach dem Gang der bisherigen Untersuchung drängt sich die Frage auf, ob sich de lege ferenda auch für das Steuerrecht eine einheitliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person empfiehlt. Damit ist insbesondere zu prüfen, ob und inwieweit einer solchen Begriffsbildung auch die Autorität des Gesetzgebers – etwa in Form eines neu zu schaffenden § 15a AO – verliehen werden könnte. Wendet man sich dieser Frage zu, so bietet es sich an, zunächst die insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffe unter Berücksichtigung der bereits gewonnen Erkenntnisse auf ihre Tauglichkeit als Regelungsmodell für eine steuerrechtliche Begriffsbildung hin zu überprüfen. Im Verlauf der Untersuchung wurde im Rahmen der ausführlichen Einzeldarstellungen gezeigt, dass sich das Begriffsverständnis der „nahestehenden Person“ im Steuer-1061, Handelsbilanz-1062 und Insolvenzrecht1063 nicht ohne den jeweiligen verfahrensrechtlichen bzw. prozessualen Kontext erklären lässt. So ist das allgemeine Steuerverfahrensrecht der §§ 85 ff. AO maßgeblich geprägt vom Untersuchungsgrundsatz, §§ 85 und 88 AO, wonach die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat1064. Gemäß § 88 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde alle für den Einzelfall bedeutsamen und auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Allerdings sind die Beteiligten nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet. Neben den Aufgaben der Finanzbehörden, wie sie sich aus §§ 85 und 88 AO ergeben, enthält das Gesetz verschiedene (echte) Befugnisnormen, welche die Rechtsgrundlagen für Eingriffe der Finanzverwaltung darstellen. Im Einzelnen finden sich diese etwa zu Auskunfts- und Vorlagepflichten in §§ 93, 97, 100 AO, zu Melde- und Anzeigepflichten in §§ 134 ff. AO, zu Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten in §§ 140 ff. 1061 Siehe zu den wesentlichen steuerrechtlichen Ergebnissen die zusammenfassende Analyse unter § 4 J. 1062 Siehe insbesondere die Zusammenfassung unter § 3 C. 1063 Siehe insbesondere die Zusammenfassung unter § 2 C. 1064 Instruktiv insofern die vorangegangenen beweisrechtlichen Ausführungen im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung unter § 4 B. II. 3.
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AO, zu Erklärungspflichten in §§ 149 ff. AO und zu Mitwirkungs- und Duldungspflichten in §§ 200, 208, 211 AO. Diese Befugnisse ermöglichen der Finanzverwaltung die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und stellen insbesondere sicher, dass die Behörde Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen erhält. Während die Finanzverwaltung oftmals über viele Jahre im direkten Kontakt mit einem Steuerpflichtigen steht, tritt der Insolvenzverwalter regelmäßig erst in der Krise – und damit zu einem späten Zeitpunkt – auf den Plan. Auf Grund dieses zeitlich „verspäteten Eintritts“ ist er entscheidend auf die Dokumentation „kritischer“ Geschäftsvorfälle im Unternehmen angewiesen. Ohne eine solche Kenntnisnahmemöglichkeit ist eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung regelmäßig nicht möglich. Betrachtet man die hier relevanten Konstellationen zudem aus gerichtsprozessualer Perspektive – und klammert die nur äußerst eingeschränkt justiziable handelsbilanzrechltiche Offenlegungspflicht vorerst aus –, so stehen sich hier die Dispositionsmaxime des Zivilprozesses1065 und der finanzgerichtliche Amtsermittlungsgrundsatz gegenüber. Der Insolvenzverwalter, der Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner im Wege der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 130 ff. InsO verfolgt, hat entsprechend den allgemeinen zivilprozessualen Verfahrensgrundsätzen die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die seinen geltend gemachten Anspruch stützen. Im finanzgerichtlichen Prozess hingegen gilt weiterhin der Amtsermittlungsgrundsatz. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung nach §§ 130 ff. InsO gleichsam als Kompensationsangebot des Gesetzgebers an den anfechtenden Insolvenzverwalter zu betrachten sind. Wie bereits dargelegt1066 ist dieser Regelungskomplex insofern großzügig ausgestaltet, als diese Anfechtungstatbestände unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere der zeitlichen Nähe einer Rechtshandlung zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – eine erhebliche Beweislastumkehr zuungunsten der „nahestehenden Personen“ bewirken. Für den Insolvenzverwalter bedeutet dies eine deutliche Entlastung bei der Beweisführung. Gerade weil diese Beweislastumkehr als Ausnahme von der Dispositionsmaxime aber in der Praxis so folgenschwer ist, beschränkt der Gesetzgeber den Kreis der natürlichen „nahestehenden Personen“ in § 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO bewusst auf solche Personen, bei denen infolge tatsächlicher Nähe von einer Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und einer gesteigerten Missbrauchsbereitschaft zu Lasten Dritter ausgegangen werden muss. Die Notwendigkeit einer solchen Be1065 Zum prozessualen Kontext der Insolvenzanfechtung siehe oben § 2 A. I. und II. 1066 Siehe zu den einzelnen Tatbeständen der Insolvenzanfechtung oben § 2 A. II.
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grenzung wird insbesondere in den Anfechtungsfällen deutlich, in denen lediglich an die zeitliche Nähe zur Stellung des Insolvenzantrags und nicht etwa an eine fehlende Marktüblichkeit der Vereinbarungen zwischen den Parteien angeknüpft wird. Im Handelsbilanzrecht spielt der (gerichts-) prozessuale Aspekt schließlich keine nennenswerte Rolle. Hier lässt sich der abschließende Charakter der Begriffsdefinition in IAS 24.9 aber mit der Informationsfunktion der Anhangangaben erklären1067. Der Bilanzadressat soll letztlich vor einem Überangebot an Information bewahrt werden. Dies erscheint unkritisch, da diesem bewusst ist, dass § 285 Nr. 21 HGB i. V. m. IAS 24.9 nicht alle nur denkbaren, sondern lediglich die genannten Näheverhältnisse umfasst. Potentiellen Investoren etwa steht es frei, sich im Einzelfall weitergehende Informationen zu beschaffen.
II. Strukturmerkmale der „nahestehenden Person“ im vergleichenden Überblick 1. Die Trennung zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass sowohl die Begriffsdefi nition des § 138 InsO als auch des IAS 24.9 aus Gründen der Übersichtlichkeit strukturell zwischen natürlichen Personen und gesellschaftsrechtlichen Verbindungen unterscheiden. Der Tatbestand des § 138 InsO differenziert in seinen beiden Absätzen danach1068, ob es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt (Absatz 1) oder ob der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist (Absatz 2). Die bilanzrechtliche Begriffsdefinition in IAS 24.9 unterscheidet1069 im Grundsatz zwischen nahestehenden natürlichen Personen und nahestehenden Unternehmen: So erfasst IAS 24.9 a) Näheverhältnisse zu natürlichen Personen und nahen Familienangehörigen dieser Personen, wohingegen IAS 24.9 b) verschiedene Fallkonstellationen aufzählt, in denen ein Unternehmen dem berichtenden Unternehmen nahe steht. Diese Unterscheidung geht auf die strukturelle Überarbeitung des IAS 24 aus dem Jahre 2009 zurück, die darauf abzielte, die Verständlichkeit und Eindeutigkeit des Standardtextes zu erhöhen und insbesondere Klarheit bei der Definition „nahestehender Unternehmen und Personen“ zu schaffen.
1067 Siehe oben § 3 A. II. 1068 Siehe zur tatbestandtlichen Ausgestaltung der Norm oben § 2 B. 1069 Siehe zur tatbestandlichen Systematik der Vorschrift oben § 3 B. I.
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Für eine solche strukturelle tatbestandliche Unterscheidung lassen sich auch inhaltliche Erwägungen ins Feld führen. So ist insbesondere im Rahmen der Ausführungen zum Merkmal der „Beherrschung“ in § 1 Abs. 2 AStG1070 deutlich geworden, dass sich Begrifflichkeiten aus dem gesellschaftsrechtlichen Kontext nicht auf natürliche Personen übertragen lassen. Nach dem hier dargelegten Verständnis kann eine natürliche Person nicht „beherrscht“ werden. Dieser strukturellen Verschiedenheit von Beziehungen zu natürlichen Personen und gesellschaftsrechtlichen Verbindungen kann man nur durch tatbestandliche Trennung und begriffliche Unterscheidung gerecht werden, welche die Vorschrift des § 1 Abs. 2 AStG nicht einhält1071. Somit empfiehlt sich eine derartige Trennung auch für eine mögliche steuerrechtliche Begriffsdefinition. Während im Hinblick auf natürliche Personen keine Schwierigkeiten bestehen dürften, stellt sich die Frage, an welche Begrifflichkeit für die „gesellschaftsrechtlichen“ Beziehungen angeknüpft werden könnte. Für steuerrechtliche Zwecke ist der aus der internationalen Rechnungslegung stammende funktionale Begriff „Unternehmen“ in IAS 24.9 wenig zweckmäßig. Hingegen wird man zugestehen müssen, dass der Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Terminologie „juristische Person und Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ im Grundsatz die mit der angestrebten Begriffsdefinition verbundenen steuerrechtlichen Bedürfnisse befriedigt. Gegen eine Übernahme der Formulierung des § 11 InsO spricht jedoch, dass diese Vorschrift in der jüngeren gesellschaftsrechtlichen Diskussion um die Personengesellschaft1072 auf ausdrückliche Kritik gestoßen ist. So wendet Karsten Schmidt überzeugend ein, dass die Bestimmung die Gesellschaftsinsolvenz den Sondervermögensinsolvenzen zur Seite stelle und nicht den Insolvenzverfahren über natürliche und juristische Personen, und verschweige, dass die zahlreichen Innengesellschaften von ihr gar nicht erfasst seien1073. Zwar erschiene es für die zu schaffende steuerrechtliche Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ in Anbetracht der relevanten Konstellationen eher unbedenklich, dass von diesem Begriff die BGB-Innengesellschaft ebenso wenig erfasst wäre wie die stille Gesellschaft. Im Lichte der voranschreitenden gesellschaftsrechtlichen Diskussion dürfte es sich aber als wenig zweckmäßig – wenn nicht gar kontraproduktiv – erweisen, begrifflich an der „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ festzuhalten und ihre Wirkung auch außerhalb des Insolvenzrechts zu perpetuieren. 1070 Siehe oben § 4 C. II. 2. b). 1071 Siehe zur Kritik an der Ausgestaltung der Norm bereits oben § 4 C. IV. 1072 Siehe nur K. Schmidt, Neuregelung des Rechts der Personengesellschaften? Vorüberlegungen für eine konsistente Reform, ZHR 177 (2013), 712. 1073 K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 717 f.
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Vor diesem Hintergrund erscheint es im Ergebnis vorzugswürdig, im Rahmen einer neu zu schaffenden steuerrechtlichen Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ auf „juristische Personen und Personengesellschaften“ abzustellen. 2. Marktunübliche Vereinbarung als Voraussetzung der Norm Entscheidend setzt zumindest die Mehrzahl der beleuchteten steuerrechtlichen Vorschriften für den Eintritt ihrer Rechtsfolge die fehlende Marktüblichkeit der zwischen den Beteiligten vereinbarten Bedingungen voraus1074. Dies gilt für die verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Personen, § 1 AStG, § 10 Abs. 5 UStG sowie § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG und im Rahmen des § 32d Abs. 2 EStG – nach dem Wortlaut – zumindest für Nummer 1 a). Diese Normen sanktionieren letztlich die Unangemessenheit von Austauschverträgen bei fehlendem Interessengegensatz. So konnte insbesondere für die verdeckte Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter gezeigt werden, dass es nicht darauf ankommt, ob sich Gesellschafter und Dritter im Wortsinn „nahestehen“ oder sich wie auch immer persönlich verbunden fühlen. Da es nur darum geht, ob die Leistung im Interesse des Gesellschafters erfolgt, wird auch ein ansonsten „fremder“ Gläubiger des Gesellschafters auf diesem Wege zu dessen „nahestehender Person“. Besonders anschaulich kommt dies in Konstellationen zur Geltung, in denen die Gesellschaft eine Verbindlichkeit des Gesellschafters erfüllt und in denen es letztlich nicht auf die Person des Dritten ankommt1075. Regelmäßig wird die Frage nach der Person auch dann nicht fallentscheidend, wenn die Beteiligten Vereinbarungen zu marktüblichen Bedingungen geschlossen haben. Insoweit hat das Steuerrecht letztlich kein Interesse an der Identität der „nahestehenden Person“. Hingegen zielt die Funktion des IAS 24 gerade auf die Offenlegung von (ganz bestimmten und konkreten) Nähebeziehungen ab. Anders gewendet besteht also ein tatsächliches Interesse an der Person des Dritten. Da sich der insolvenzrechtliche Begriff der „nahestehenden Person“ in § 138 InsO zumindest auf das Bestehen einer besonderen Informationsmöglichkeit und auf die – unter Umständen – potentiell gesteigerte Missbrauchsbereitschaft der dritten Person stützt, erscheint eine wie auch immer geartete „tatsächliche“ Nähe hier erforderlich. Ohne eine solche dürfte eine besondere Informationsmöglichkeit regelmäßig nicht denkbar sein.
1074 Siehe oben § 4 J. II. 1. 1075 Zu diesen Konstellationen siehe oben § 4 B. II. 4 c)
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§ 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition
3. Die Einbeziehung familiärer Beziehungen Als wesentliches strukturelles Kennzeichen der insolvenzrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ lässt sich insbesondere die weitgehende Einbeziehung der natürlichen Personen aus dem Familienkreis des Schuldners identifizieren. Es konnte aufgezeigt werden, dass sich die insolvenzrechtliche Beweislastumkehr zuungunsten des von § 138 InsO erfassten Personenkreises in der Praxis der Insolvenzanfechtung als besonders scharfes Schwert erweist, da den Betroffenen der Gegenbeweis, etwa von der Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, praktisch nur in Ausnahmefällen gelingen dürfte1076. Einer solchen Konzeption liegt die berechtigte Überlegung zugrunde, dass im persönlichen Umfeld des Schuldners oftmals die Anzeichen einer sich über einen längeren Zeitraum anbahnenden Krisensituation wahrgenommen werden können und gerade in dieser Personengruppe in wirtschaftlichen Notzeiten eine erhöhte Unterstützungsbereitschaft – auch zu Lasten Dritter – besteht. Aus Sicht des Gesetzgebers kann diese Missbrauchsbereitschaft zum Schaden Dritter typischerweise selbst dann fortwirken, wenn eine Ehe aufgelöst ist. Aus diesem Grund wird in § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausdrücklich eine entsprechende zeitliche Nachwirkung von einem Jahr geregelt1077. Dem steht eine in mehrfacher Hinsicht abgeschwächte Funktion der bilanzrechtlichen „nahestehenden Person“ nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i. V. m. IAS 24 gegenüber. Hierbei handelt es sich lediglich um Angabepflichten im Anhang des Jahresabschlusses, wobei eine Offenlegungspflicht nach HGB nur für solche Geschäfte besteht, die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen sind1078. Darüber hinaus bestehen zahlreiche Ausnahmen für kleinere und mittlere Unternehmen. Entsprechend der Zielsetzung des Standards nimmt die Begriffsdefinition in IAS 24.9 bis 24.11 in erster Linie eigentums- und managementbasierte Einflussmöglichkeiten in den Blick. Wichtig ist jedoch, dass IAS 24 – und damit der Katalog des IAS 24.9 – im Unterschied zum HGB gerade nicht die Marktunüblichkeit von Geschäften voraussetzt. Besonders deutlich kommt der im Vergleich zum Insolvenzrecht engere Anwendungsbereich der Begriffsdefinition in der eingeschränkten Erfassung familiärer Beziehungen – in Form der restriktiv auszulegenden „nahen Familienangehörigen“ – zum Ausdruck1079.
1076 Siehe oben § 2 A. II. 1077 Ausführlich zu dieser Nachwirkung siehe oben § 2 B. II. 1. 1078 Näher zu den Voraussetzungen oben § 3 A. III. 1079 Siehe oben § 3 B. III 1. d).
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A. Vergleichende Zusammenschau
Die unterschiedliche Wertung zeigt sich exemplarisch auch darin, dass nach hier entwickelter Auffassung1080 getrennt lebende Ehegatten im Grundsatz nicht von IAS 24.9 erfasst werden. Strukturell haben beide Begriffsdefinitionen gemeinsam, dass im Ausgangspunkt zwischen natürlichen Personen und Unternehmen unterschieden wird. 4. Der Umgang mit „faktischen Näheverhältnissen“ als Spiegel der bereichsspezifischen Zwecksetzungen a) Persönliche Beziehungen außerhalb des familiären Umfelds Die größte praktische „Lücke“ der insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffsdefinitionen dürfte darin zu sehen sein, dass „befreundete“ Personen nicht erfasst werden, obwohl diese nach der Lebenserfahrung den Beteiligten häufig tatsächlich näher stehen können als die Mitglieder der Familie. Dieses Defizit wird im Insolvenzrecht dadurch aufgefangen, dass das Gericht bestehende Freundschaften im Einzelfall als verdachterregenden Umstand im Wege der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO berücksichtigen kann. Zudem ist zu beachten, dass § 138 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 InsO Fälle häuslicher Gemeinschaft erfasst. Hingegen sind derartige sonstige persönliche Beziehungen für die Zwecke des § 285 Nr. 21 HGB i. V. m. IAS 24 im Grundsatz ein „sicherer Hafen“. Obwohl man auch für die Zwecke des Bilanzrechts ins Feld führen könnte, dass auch der Abschlussadressat im Grundsatz vor allen Geschäften ohne ausreichenden Interessengegensatz durch Offenlegung geschützt werden soll, ist die fehlende Einbeziehung letztlich als unkritisch zu bewerten. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Adressaten bekannt und bewusst ist, dass die Offenlegungspflicht nicht alle (potentiell) möglichen Nähebeziehungen erfasst, sondern lediglich eine Auswahl derartiger Verhältnisse1081. Das Steuerrecht kann im Grundsatz nicht auf die Einbeziehung sonstiger tatsächlicher bzw. persönlicher Näheverhältnisse verzichten, soweit es darum geht, die an der Leistungsfähigkeit orientierte Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten. Konkret wird man für die Zwecke der „nahestehenden Person“ in den hier untersuchten steuerrechtlichen Vorschriften insbesondere auf das Veranlassungs- und auf das Trennungsprinzip abstellen müssen. So prägt das Veranlassungsprinzip das System und die Grundbegriffe der Einkünfteermittlung und verwirklicht jene kausalrechtliche Symmetrie, die für die Gleichbehandlung von Einkunftsarten in einem synthetischen Einkommensteuersystem benötigt
1080 Siehe oben § 3 B. III 1. d). 1081 Siehe oben § 3 A. II. und III.
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§ 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition
wird1082. Nach dem Trennungsprinzip, das im Rahmen der Ausführungen zur verdeckten Gewinnausschüttung erörtert wurde1083, stehen sich Körperschaft und Anteilseigner im Grundsatz wie zwei Fremde gegenüber und verfügen über getrennte Vermögenssphären. Um diese Prinzipien auch in Anbetracht der Vielschichtigkeit und Verschiedenheit der Lebenssachverhalte zu sichern, ist die steuerrechtliche Figur der „nahestehenden Person“ gerade im Hinblick auf tatsächliche Näheverhältnisse auf eine gewisse Elastizität angewiesen, da sich allzu „starre“ Regelungen in einem potentiellen Missbrauchsumfeld als unzweckmäßig erweisen. b) Wirtschaftliche Abhängigkeit In dieselbe Richtung weisen die Überlegungen zu den Fällen „wirtschaftlicher Abhängigkeit“, wie sie etwa im Verhältnis zwischen Unternehmen und Kreditgebern oder Großlieferanten bestehen können. Die bilanzrechtliche Negativabgrenzung des IAS 24.11 trifft für diese Konstellationen eine ausdrückliche (klarstellende) Regelung, wonach derartige Beziehungen – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – nicht vom Kreis der „nahestehenden Personen“ erfasst sind. Im bilanzrechtlichen Schrifttum wird diese Wertung zu Recht auf die Überlegung gestützt, dass es sich bei derartigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten um ein normales Phänomen jedes Wirtschaftens handelt. Pointiert hat Niehus den Grund des Ausschlusses in IAS 24.11 auf den Punkt gebracht, den er darin begründet sieht: „[…] dass die Unternehmensführung den Auswirkungen dieser Art von Beziehungen gar nicht oder nur schwer ausweichen kann. Sie sind ein Datum, ein Element der Volkswirtschaft. Mit ihnen muss ein Investor rechnen“1084. Für das Insolvenzrecht wurden diese Näheverhältnisse im Verlauf der Untersuchung im Rahmen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO („dienstvertragliche Verbindung“) erörtert. So wurde zunächst aufgezeigt, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 155 InsO RegE von der Regelung nur solche Personen erfasst sein sollen: „[…] die durch ihre Tätigkeit innerhalb des Unternehmens, z. B. als dessen Prokurist, eine besondere Informationsmöglichkeit über seine wirtschaftlichen Verhältnisse haben. Eine durch geschäftliche Be-
1082 Vgl. Lang in Tipke/Lang20, Steuerrecht, § 9 Rn. 213; Kröger, Zum Veranlassungsprinzip im Einkommensteuerrecht, StuW 1978, 289; monographisch Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1989. 1083 Siehe oben § 4 B. I. 1084 Niehus in HdJ, Abt. VI/3 (2009), Rn. 152.
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A. Vergleichende Zusammenschau
ziehungen begründete Stellung zum Unternehmen, die z. B. Hausbanken oder Großlieferanten haben, wird nicht erfasst“1085. Aus funktionaler Perspektive mag eine solche Begrenzung jedoch nicht einleuchten, soweit die Kreditgeber oder Großlieferanten – wovon regelmäßig auszugehen sein dürfte – über besondere Informationsmöglichkeiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation des Schuldners verfügen. Folglich ist hier vorgeschlagen worden, die Dichotomie unternehmensintern und unternehmensextern aufzuheben, aber zugleich einschränkend zu fordern, dass mit der besonderen Informationsmöglichkeit auch ein Mindestmaß an Handlungsmacht korrelieren muss1086. Danach wären etwa Banken und Kreditgeber dann – aber auch nur dann – in den Kreis der „nahestehenden Personen“ einzubeziehen, wenn sie eine auf der vertraglichen Beziehung beruhende Einflussmöglichkeit auf die Führung der Geschäfte hätten1087. Für den Großteil der hier untersuchten steuerrechtlichen Institute sind derartige Näheverhältnisse aufgrund der unterschiedlich gelagerten Sachverhalte praktisch nicht von Bedeutung und erscheinen lediglich bei den Austauschverträgen des § 1 AStG und des § 10 Abs. 5 UStG relevant. Nach dem hier zugrunde gelegten weiten Begriffsverständnis der „nahestehenden Person“ in § 10 Abs. 5 UStG erscheint eine Einbeziehung von Kreditgebern und Großlieferanten in den Kreis der „nahestehenden Personen“ unkritisch. Im Rahmen des § 1 AStG ist jedoch zu beachten, dass ein „beherrschender Einfluss“ im Sinne der § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG eine strukturelle Grundlage voraussetzt, sodass ein nur faktisch bestehender Einfluss regelmäßig nicht ausreicht. Allerdings kommt eine Einbeziehung der Fälle wirtschaftlicher Abhängigkeit über das Merkmal der „geschäftsfremden Einflussmöglichkeit“ nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG in Betracht. 5. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der verschiedenen Vorschriften eine aus dem jeweiligen normativen Kontext gelöste Betrachtung einzelner Fallgruppen von Näheverhältnissen wenig zielführend erscheint. In zugespitzter Form könnte formuliert werden, dass die „nahestehende Person“ im Steuerrecht lediglich eine „dienende“ Funktion einnimmt, etwa zur Feststellung einer auf unternehmensfremden Gründen beruhenden Bevorzugung des Leistungsempfängers, während sie in der bilanzrechtlichen Offenlegung – und eingeschränkt auch im Insolvenzrecht – einen „Selbstzweck“ 1085 BT-Drucks. 12/2443, S. 163. 1086 Siehe oben § 2 B III. 2. c). 1087 So auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 345.
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erfüllt. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die hier untersuchten steuerrechtlichen Tatbestände durch die Aufnahme der „nahestehenden Person“ gerade in personeller Hinsicht eine besondere Warnfunktion entfalten, die den Rechtsanwender für die potentiell aufgehobenen Interessengegensätze zwischen den Beteiligten sensibilisieren.
B. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung einer steuerrecht lichen Begriffsdefinition I. Begrenzung auf Fälle marktunüblicher Vereinbarungen Zieht man die Summe aus der vorangegangenen analytischen Zusammenschau, so wird deutlich, dass eine (sinnvolle) einheitliche steuerrechtliche Begriffsbildung zum einen nur begrenzt möglich erscheint und zum anderen eine entschlossene Einschränkung des Anwendungsbereichs der Rechtsfigur erforderlich macht. Danach ist als zwingende Voraussetzung für eine Definition der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht die Begrenzung ihres Anwendungsbereichs auf solche Vorschriften zu fordern, welche an die Vereinbarung marktunüblicher Vereinbarungen anknüpfen. Die Notwendigkeit einer solchen Einengung erschließt sich aus einer Betrachtung der aufgezeigten Friktionen im geltenden Steuerrecht1088. Wie in den Einzeldarstellungen erläutert wurde, sind diese maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber bei seinen „Transplantationsversuchen“ Bedeutung und Tragweite der Tatsache übersehen hat, dass die „nahestehende Person“ ihren steuerrechtlichen Ursprung in Instituten hat, welche die Vereinbarung marktunüblicher Bedingungen voraussetzen, um das Trennungs- und das Veranlassungsprinzip zu realisieren1089. Zugleich konnte gezeigt werden, dass sich diese Voraussetzung nicht nur als das wichtigste Systematisierungs- bzw. Unterscheidungsmerkmal zwischen den einzelnen Vorschriften darstellt1090, sondern auch erheblichen Einfluss auf die begriffliche Ausgestaltung der „nahestehenden Person“ hat1091. Als Konsequenz ist daher zu empfehlen, dass der Gesetzgeber vom terminus technicus der „nahestehenden Person“ in solchen Vorschriften Abstand nehmen sollte, die – wie etwa § 8c Abs. 1 KStG – eine Vereinbarung marktunüblicher Vereinbarungen gerade nicht voraussetzen. Im Falle des 1088 Siehe insbesondere oben § 4 J. III. 1089 Siehe bereits oben § 5 I. 2. d); ausführlich zum Veranlassungsprinzip im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung oben § 4 B. I. 1090 Siehe oben § 4 J. II. 1. 1091 Dies wird besonders deutlich im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG, siehe dazu die Ausführungen unter § 4 H. III.
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B. Schlussfolgerungen
§ 8c Abs. 1 KStG wäre exemplarisch an eine Substitution durch das hier befürwortete Auslegungskriterium „im Interesse des Erwerbers“ zu denken, das wiederum konkretisiert werden müsste.
II. Anforderungen an die Regelungstechnik 1. Elastizität des begrifflichen Anwendungsbereichs: Keine abschließende Begriffsdefinition Neben der Begrenzung auf Fälle marktunüblicher Vereinbarungen lassen sich aufgrund der bisherigen Analyse weitere Anforderungen an eine steuerrechtliche Begriffsbildung identifizieren. Als zweites wesentliches Erfordernis ist ein weitreichendes und „elastisches“ Begriffsverständnis der nahestehenden Person geboten. Dies ist erforderlich, um das Veranlassungs- und Trennungsprinzip durch die Rechtsfigur der „nahestehenden Person“ zu realisieren und somit letztlich die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und die Gleichheit der Besteuerung zu gewährleisten1092. Insbesondere durch die vergleichende Zusammenschau mit den abschließenden Begriffsnormierungen des Insolvenz- und Handelsbilanzrecht konnte gezeigt werden, dass für steuerrechtliche Zwecke im Grundsatz ein weiteres Verständnis zugrunde gelegt werden muss1093. Regelungstechnisch folgt hieraus konkret, dass eine zweckmäßige Begriffsbildung gerade nicht durch eine abschließende Aufzählung erreicht werden kann. 2. Einbeziehung faktischer Näheverhältnisse Mit der Elastizität einer möglichen Begriffsdefinition ist das dritte Pos tulat eng verknüpft. Da für die hier untersuchten steuerrechtlichen Vorschriften ein besonderes Interesse an der Einbeziehung tatsächlicher Näheverhältnisse – wie etwa Freundschaften – besteht, kann auf deren Einbeziehung im Grundsatz nicht verzichtet werden1094. Aus Klarstellungsgründen sollte die grundsätzliche Einbeziehung derartiger Näheverhältnisse auch in einem möglichen Gesetzeswortlaut Niederschlag finden. Im Verständnis dieser Untersuchung sind hiermit Nähebeziehungen gemeint, die gerade nicht auf rechtlicher Grundlage vermittelt sind.
1092 Anschaulich insofern die Ausführungen zur verdeckten Gewinnausschüttung unter § 4 B. I. sowie zur allgemeinen Notwendigkeit der Einbeziehung „faktischer“ Näheverhältnisse im Steuerrecht unter § 5 I. 2. d). Zur „Wirkkraft“ des Leistungsfähigkeitsprinzips jüngst Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 152 ff. 1093 Siehe oben § 5 I. 1094 Siehe oben § 5 I. 2. c).
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3. Abgestufte Begriffsdefinition zur Gewährleistung von Einzelfall gerechtigkeit, Praktikabilität und Rechtssicherheit Die bisherige Untersuchung ist von der Erkenntnis geprägt, dass sich jeder Versuch, die „nahestehende Person“ gesetzlich zu normieren, im Spannungsfeld zwischen Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite und Praktikabilität sowie Rechtssicherheit auf der anderen Seite verortet sieht. Unschwer lassen die zuvor benannten Anforderungen an die Ausgestaltung einer möglichen Definition erkennen, dass die „nahestehende Person“ nicht ohne ein erhöhtes Maß an Flexibilität auskommen kann. Wie bereits aufgezeigt wurde, hat sich diese Elastizität im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung im Grundsatz bewährt1095. Aus diesem Grund darf an dieser Stelle auch für die Offenheit des Steuerrechts für den richterlichen Auslegungsspielraum plädiert werden. Regelungstechnisch wird hiermit ein zweistufiger Aufbau1096 einer möglichen Begriffsdefinition nahe gelegt. In einem ersten Schritt müsste schon aus Klarstellungsgründen ein umfassendes Begriffsverständnis zugrunde gelegt werden, das deutlich macht, wie weit – gerade auch im Hinblick auf tatsächliche Näheverhältnisse – die steuerrechtliche Begriffsbildung im Grundsatz reicht. Um dem damit drohenden Vorwurf entgegenzutreten, dass die Definition so weit und allgemein gefasst sei, dass sie keine klaren Abgrenzungslinien mehr aufzeige und ihr Aussagewert daher gering sei1097, empfiehlt es sich, auf einer zweiten Stufe konkrete Näheverhältnisse aufzuführen, die im Wege einer Beweislastumkehr oder in Form von Regelbeispielen den praktischen Umgang mit der Vorschrift erleichtern. Eine solche Aufzählung nimmt letztlich eine Entlastungsfunktion wahr. Im Sinne der Praktikabilität der zu schaffenden Rechtsnorm wäre es daher hilfreich und geboten, zumindest die – tendenziell eher unkritischen – Hauptanwendungsfälle ausdrücklich zu benennen und in den Gesetzestext aufzunehmen. Dies hätte den erheblichen Vorteil, dass für die überwiegende Mehrzahl der Fälle eindeutige Regeln normiert würden, wodurch wiederum die Praktikabilität der Vorschrift gestärkt werden könnte. Zugleich könnte in den verbleibenden – einzelfallabhängigen – problematischen
1095 Siehe oben § 4 B. III. 1096 In eine solche Richtung weisen letztlich auch bereits die Überlegungen von Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 250 f. (Zusammenfassung), die ausgehend von der „Abstufung“ zwischen Anscheinsbeweis und Indiz für den Anscheinsbeweis konkret Vermutungsgrundlagen und Vermutungsfolgen formuliert. 1097 Zu den Bedenken treffend Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 33: „[…] so verschieden und vielschichtig, dass eine Definition so weit und allgemein gefasst werden müsste, dass sie keine klaren Abgrenzungslinien mehr aufzeigen würde und ihr Aussagewert daher gering wäre“.
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C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition
Konstellationen mehr Einzelfallgerechtigkeit durch die Gerichte (bzw. die Finanzverwaltung) gewagt werden.
C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition I. Sprachliche Anlehnung an die Formel aus den Recht sprechungsgrundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung (1. Stufe) Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien zeigt sich, dass der weite Ansatz, den der Bundesfinanzhof im Rahmen seiner Recht sprechungsgrundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung entwickelt hat1098, im Grundsatz Zustimmung verdient und – zumindest in seiner (sprachlichen) Grundstruktur – als Regelungsmodell einer einheitlichen steuerrechtlichen Begriffsdefinition der „nahestehenden Person“ geeignet erscheint. Zur Begründung eines Nahestehens reicht danach jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein1099. Selbstverständlich ist diese Formel grammatikalisch und sprachlich an die Bedürfnisse einer „allgemeinen“ Definition anzupassen. Legt man dieses Verständnis als Ausgangspunkt und erste Stufe einer möglichen Definition fest, so beschränkt sich die Frage der weiteren Ausgestaltung darauf, welche besonderen Näheverhältnisse auf einer zweiten Stufe aufzuführen wären und ob – und inwieweit – in diesen Fällen eine Beweislastumkehr Anwendung finden sollte.
II. Widerlegbare Vermutungsregel bei bestimmten Nähe verhältnissen (2. Stufe) 1. Vorzugswürdigkeit einer widerlegbaren Vermutung Mit der vorangegangenen Weichenstellung für eine „elastische“ Ausgestaltung der steuerrechtlichen Begriffsbildung ist die Entwicklungsrichtung auch auf der zweiten Definitions-Stufe vorgezeichnet. Zwar sollen hier aus Praktikabilitätsgründen gerade die Näheverhältnisse benannt werden, die einen überwiegenden Anteil der praktisch bedeutsamen Fallkonstellationen abdecken. Auf der anderen Seite besteht in Anbetracht der Verschiedenheit und Vielschichtigkeit der zu typisierenden Lebenssachverhalte jedoch die Gefahr, dass eine starre Typisierung zu Ergebnis1098 Siehe dazu im Einzelnen oben § 4 B. I. und II. 1099 Ausführlich zu diesen Rechtsprechungsgrundsätzen oben § 4 B.
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sen führt, die im Einzelfall unbillig aber nicht mehr zu korrigieren sind. Regelungstechnisch vorzugswürdig ist es daher, sich einer widerlegbaren Vermutung zu bedienen. So steht dem Steuerpflichtigen im Einzelfall der Weg offen, darzulegen, dass die Marktunüblichkeit der Vereinbarung bzw. die Vergünstigung gerade nicht auf dem Näheverhältnis beruht. Aufgrund der hohen Anforderungen an diesen Nachweis in den besonders aufgelisteten Näheverhältnissen dürfte ein solcher nur selten und in begründeten Fällen gelingen. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen erscheint eine solche (lediglich) widerlegbare Vermutung geboten. Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht soweit ersichtlich bislang nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, welche Anforderungen an unwiderlegbare Vermutungen im Steuerrecht zu stellen sind. Allerdings dürfte den Oder-Konto-Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts1100 diesbezüglich eine gewisse Ausstrahlungswirkung zukommen1101. Denn bei richtiger Würdigung der Beschlüsse ist danach zumindest eine Beweisregel unzulässig, die im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung keine Abweichung im Einzelfall erlaubt, da dies dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen würde1102. Als unverhältnismäßig dürfte sich danach eine Regelung darstellen, die schon bei geringfügiger Abweichung vom Marktüblichen eine unwiderlegbare Vermutung zu Lasten des Steuerpflichtigen bzw. der nahestehenden Person aufstellte. Zutreffend ist allerdings auch, dass sich den Oder-Konto-Beschlüssen nicht die Rechtsauffassung entnehmen lässt, dass die Feststellung von Tatsachen immer aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden müsste1103. 2. Natürliche Personen Vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen stellt sich nun die Frage, welche konkreten Näheverhältnisse für die hier verfolgten steuerrechtlichen Zwecke besonderes Misstrauen rechtfertigen und Grundlage der Beweislastumkehr sein sollten. Es versteht sich von selbst, dass mit einer solchen Typisierung ein gewisses Maß an (gesetzgeberischem) Ermessen einhergeht. Orientiert man sich aber an der zuvor aufgezeigten Entlastungsfunktion der Vermutungsregel, so folgt hieraus, dass der Großteil der praktisch bedeutsamen Fallkonstellationen von der Auflis1100 Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats v. 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 und v. 19.12.1995, NJW 1996, 834. 1101 Siehe für eine Einordnung der Beschlüsse bereits oben § 4 A.; zur beweisrechtlichen Bedeutung ausführlich Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung, S. 154 ff. 1102 Vgl. Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung, S. 157. 1103 Vgl. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 113 f.
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tung erfasst sein sollte. Zugleich muss dieses Korrektiv jedoch die verhältnismäßige Verteilung der Beweisrisiken im Auge behalten. Im Hinblick auf die Gruppe der natürlichen Personen hat die gesamte bisherige Untersuchung deutlich gemacht, dass der weitreichende – und langjährig bewährte – Begriff des Angehörigen im Sinne des § 15 AO in der Rechtspraxis die ganz überwiegende Mehrzahl der relevanten persönlichen Näheverhältnisse erfasst, sodass auf ihn nicht verzichtet werden sollte. Hingegen lassen sich die übrigen tatsächlichen Näheverhältnisse wie etwa Freundschaft, Nachbarschaft oder jahrelange Zusammenarbeit aufgrund ihres individuellen Charakters1104 kaum zweckmäßig typisieren. Diese Fallkonstellationen müssen – wie bereits dargelegt1105 – zwar vom weiten Begriffsverständnis der ersten Stufe erfasst sein, brauchen aber nicht explizit auf der zweiten Stufe aufgeführt werden. Insofern bleibt es jedoch beim Amtsermittlungsgrundsatz, wonach die Finanzbehörde die steuerbegründenden Tatsachen darzulegen hat. Insofern besteht ein gewisser Gleichlauf mit der Wertung und Ausgestaltung des § 138 InsO, welcher derartige Näheverhältnisse nicht ausdrücklich aufführt, sondern (prozessual) der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO überlässt. Schließlich müssen die Näheverhältnisse des § 15 AO auch Berücksichtigung finden, wenn es darum geht, die Anteilseignerstellung einer Person oder ihre Stellung als Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans in einer Gesellschaft zu erfassen. So sollte exemplarisch einer natürlichen Person auch eine GmbH im Sinne der Norm „nahestehen“, wenn der Vater der Person Geschäftsführer der Gesellschaft ist oder wenn die Schwester der Person in einer bestimmten – noch zu klärenden – Höhe am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist. Diese erhebliche Erweiterung des Personenkreises rechtfertigt sich letztlich aus der Anknüpfung an die Marktunüblichkeit der getroffenen Vereinbarung. 3. Juristische Personen und Personengesellschaften a) Die 10-Prozent-Grenze als relevante Beteiligungs- und Stimmrechts höhe Im Hinblick auf Nähebeziehungen von – bzw. zu – juristischen Personen und Personengesellschaften stellen sich die zu überprüfenden Aspekte etwas vielschichtiger dar. Die praktisch mit Abstand bedeutsamste Frage dürfte sein, welche gesellschaftsrechtliche Beteiligungshöhe (bzw. Quote 1104 Zutreffend bereits für die verdeckte Gewinnausschüttung Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, S. 233 f.: „Freundschaft ist unterschiedlich intensiv. Nachbarn und Arbeitskollegen sind sich – leider – nicht selten ‚feindlich‘ gesonnen“. 1105 Siehe oben § 5 B. II. 2.
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der Stimmrechte) als relevanter Maßstab für die Vermutungsregel einer einheitlichen Begriffsbildung herangezogen werden sollte. Wenngleich zuzugestehen ist, dass es hier in Anbetracht des Ermessensspielraums des Gesetzgebers keine „richtige“ Lösung im Sinne einer zwingend notwendigen Grenzen gibt, wird hier im Ergebnis für eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung in Höhe von 10 Prozent und eine Stimmrechtsquote in dieser Höhe plädiert. Für eine solche Grenzziehung sprechen gute Gründe, wie im Folgenden dargelegt wird. Lässt man die einzelnen Bereiche dieser Untersuchung diesbezüglich noch einmal Revue passieren, zeigen sich ganz unterschiedliche Anforderungen mit einer Tendenz zur 25-Prozent-Schwelle. So stellen § 138 Abs. 1 Nr. 4 und § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 InsO auf eine Beteiligung „von mehr als einem Viertel“ ab1106, wohingegen IAS 24.9 unter Rückgriff auf IAS 28 für den maßgeblichen Einfluss die Grenze im Grundsatz bei 20 Prozent der Stimmrechte zieht1107. Während im Schrifttum zu den Rechtsprechungsgrundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung zum Teil eine Beteiligungshöhe von 5 Prozent als unschädliche Höchstgrenze für ausreichend erachtet wird1108, stellt § 1 Abs. 2 AStG für die wesentliche Beteiligung auf „mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar“ ab. In jüngerer Zeit hat der Steuerrechtsgesetzgeber im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG die Schwelle bei „zu mindestens 10 Prozent an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt“ gezogen. Nach dem Wortlaut der § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG wiederum muss der Anteilseigner, dem eine Person nahestehen muss, „zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar“ beteiligt sein, sodass eine 25-Prozent-Beteiligung für ihn nicht ausreicht. Auf den ersten Blick mag die bestehende Neigung zur 25-Prozent-Grenze ihre Berechtigung haben. So lässt sich argumentieren, dass dieser Schwelle aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive wegen der hiermit vermittelten Sperrminorität – insbesondere für die Aktiengesellschaft und die GmbH – eine besondere Bedeutung zukommt1109. Aus Sicht der Rechts praxis mag zudem richtig sein, dass für die hier dargestellten steuerrechtlichen Vorschriften die überragende Mehrzahl der praktisch einschlä gigen Fallkonstellationen von dieser Beteiligungshöhe abgedeckt wird. Dies gilt insbesondere für die Verrechnungspreisproblematik des § 1 AStG.
1106 Siehe oben § 2 B. III 1. d). 1107 Siehe oben § 3 B. III. 1. b). 1108 Siehe oben § 4 B. II. 4. b) (3); vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 KStG Anhang Rn. 67a. 1109 Zu den Minderheitenrechten von Aktionären und Gesellschaftern etwa Wiesner in Münch-Hdb Gesellschaftsrecht § 18 Rn. 4 m. w. N.
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Soweit ersichtlich gibt es bislang keine steuerrechtliche Diskussion zu der hier in Frage stehenden maßgeblichen Beteiligungshöhe. Für die steuerrechtlichen Belange dürfte die Grenze aber niedriger anzusetzen sein. Erstens ist zu berücksichtigen, dass der angestrebten konzeptionellen Ausgestaltung eine widerlegbare Vermutungsregel zugrunde liegt, wohingegen etwa im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG unwiderlegbar vom Vorliegen eines Nahestehens ausgegangen wird. Die Widerleglichkeit der Vermutung und die Anknüpfung an die Marktunüblichkeit einer getroffenen Vereinbarung rechtfertigen in ihrem Zusammenspiel tendenziell eine Absenkung der relevanten Beteiligungsgrenze. Zweitens ist bereits im Rahmen der Ausführungen zu § 138 InsO gezeigt worden, dass auch im insolvenzrechtlichen Schrifttum die Grenzziehung bei 25 Prozent auf vehemente Kritik stößt und von verschiedenen Seiten – mit gesellschaftsrechtlicher Argumentation – eine Absenkung auf die 10-Prozent-Grenze befürwortet wird1110. Gegen die 25-Prozent-Schwelle wurde dort lange Zeit ins Feld geführt, dass sie in einem deutlichen Wertungswiderspruch zu der – inzwischen durch das MoMiG aufgeho benen – „Zwerganteil“-Regelung in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG stehe, wonach die Befreiung geringfügig beteiligter Gesellschafter von der Kapitalersatzhaftung eine Beteiligung von nicht mehr als 10 Prozent voraussetze. Diese Vorschrift hatte der Gesetzgeber erst im Jahre 1998 eingeführt1111. Heute findet sich die 10-Prozent-Grenze in § 39 Abs. 5 InsO. Daneben wird auch auf die Vorschrift des § 50 Abs. 1 GmbHG abgestellt, die schon einer mit nur 10 Prozent beteiligten Minderheit das Recht einräumt, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Diese Bedenken aus der insolvenzrechtlichen Perspektive lassen sich erst recht auf die hier diskutierten steuerrechtlichen Belange übertragen, wenn man bedenkt, dass hier zusätzlich die Marktunüblichkeit einer Vereinbarung erforderlich ist. Es verwundert daher nicht, dass auch der Steuergesetzgeber im Rahmen des jüngeren § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG die (neue) gesellschaftsrechtliche Bedeutung der 10-Prozent-Grenze erkannt und diese für gesellschaftsrechtliche Beteiligungen zugrunde gelegt hat. Schließlich bleibt auch zu beachten, dass es sich lediglich um eine widerlegbare Vermutung handelt. Nach alledem bietet sich auch für die hier verfolgten Zwecke die 10-Prozent-Schwelle als sinnvolle Kompromisslösung an. Darüber hinaus könnte eine weitere Differenzierung nach Gesellschaftsformen bzw. deren Realtypen in Betracht kommen. Grundsätzlich sind 1110 Siehe oben § 2 B. III 1. d). Eingehend zu dieser Schwelle Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 334 f.; Hirte in Uhlenbruck, InsO § 138 Rn. 23 ff.; schon frühzeitig Ehricke, KTS 1996, 209, 227; 1111 Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz v. 20.4.1998, BGBl. 1998 I, 707.
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derartige Erwägungen begrüßenswert. Gegen eine solche Differenzierung spricht für die hier verfolgten Zwecke einer vereinheitlichenden Begriffsbildung jedoch zum einen das Kriterium der Übersichtlichkeit. Zum anderen verdient die Überlegung Zustimmung, dass den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles – und damit der Gesellschaft bzw. ihrer vorliegenden realtypischen Ausprägung – am besten die gerichtliche Prüfung (bzw. zunächst der Finanzverwaltung) gerecht wird. Im Ergebnis bleibt es somit bei der Voraussetzung, dass die Person zumindest unmittelbar oder mittelbar zu 10 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sein oder über Stimmrechte in dieser Höhe verfügen muss. b) Weitere besondere Näheverhältnisse Wenngleich hier für alle Gesellschaftsformen die einheitliche 10-Prozent-Grenze befürwortet wird, sollte gleichwohl die besondere Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter im Rahmen der Personengesellschaften Aufmerksamkeit finden. Zu ihren Lasten sollte die Vermutungsregel auch dann greifen, wenn ihre formale Beteiligung unter der 10-Prozent-Grenze liegt. Im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Geschäftsleiter sollte eine Gesellschaft auch dann als einer anderen Gesellschaft nahestehend zu betrachten sein, wenn ein Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans an der zweiten Gesellschaft zumindest zu 10 Prozent beteiligt ist oder über Stimmrechte in dieser Höhe verfügt. Für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans wird schon durch das bloße Innehaben einer derartigen Position eine ausreichende Möglichkeit zur (potentiellen) Einflussnahme auf einzelne Geschäftsvorfälle begründet. Es kommt hier nicht darauf an, ob es sich etwa um einen Alleingeschäftsführer handelt oder ob die Person aus eigener Kraft die Gesellschaft zivilrechtlich wirksam vertreten kann. Um die praktisch besonders relevanten Umgehungsmöglichkeiten durch „Zwischenschaltung“ von Familienangehörigen zu verhindern, sollte zudem eine Erweiterung des Personenkreises um Angehörige im Sinne des § 15 AO erfolgen. Wie schon im Rahmen des § 1 Abs. 2 AStG sind in jedem Fall auch Konstellationen zu erfassen, in denen eine dritte Person an beiden Gesellschaften beteiligt ist und Einfluss auf deren Geschäfte nehmen kann. Auch hier bietet es sich für die hier verfolgten Zwecke an, auf die 10-Prozent-Grenze zurückzugreifen, da im Einzelfall die Möglichkeit besteht, die Vermutungsregel zu widerlegen.
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III. Vorschlag für einen neu zu schaffenden § 15a AO „Nahestehende Personen“ 1. § 15a AO „Nahestehende Personen“ Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen wird der folgende Vorschlag für einen neuen § 15a AO gemacht: „§ 15a AO Nahestehende Personen (1) Einer Person ist eine andere Person nahestehend, wenn zu dieser eine Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuld rechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art besteht und dieses Näheverhältnis vernünftigerweise den Schluss darauf zulässt, dass die Marktunüblichkeit einer Vereinbarung auf diesem Näheverhältnis beruht. (2) [Satz 1] In den Fällen der Sätze 2 und 3 wird vermutet, dass es sich um nahestehende Personen im Sinne des Absatzes 1 handelt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Marktunüblichkeit der Vereinbarung nicht auf dem Näheverhältnis beruht. [Satz 2] Einer natürlichen Person stehen nahe 1. Angehörige im Sinne des § 15 AO 2. juristische Personen oder Personengesellschaften, wenn die natürliche Person oder ein Angehöriger im Sinne des § 15 AO dieser Person Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 10 Prozent an deren Kapital beteiligt ist oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt. [Satz 3] Einer juristischen Person oder Personengesellschaft stehen nahe 1. die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, die persönlich haftenden Gesellschafter und Personen, die unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent am Kapital beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 2. die Angehörigen im Sinne des § 15 AO der in Nummer 1 genannten Personen 3. juristische Personen oder Personengesellschaften, an denen die juristische Person oder Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent am Kapital beteiligt ist oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt sowie juristische Personen oder Personengesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar min275
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destens zu 10 Prozent am Kapital der juristischen Person oder Personengesellschaft beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 4. juristische Personen oder Personengesellschaften, an denen die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans oder die persönlich haftenden Gesellschafter der juristischen Person oder der Personengesellschaft oder deren Angehörige im Sinne des § 15 AO unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 5. eine juristische Person oder Personengesellschaft, wenn eine dritte Person an beiden juristischen Personen oder Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar zu 10 Prozent am Kapital beteiligt ist oder bei beiden über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt.“ 2. Folgeänderungen a) „Nahestehende Personen im Sinne des § 15a AO“ Die Einführung eines neu zu schaffenden § 15a AO macht Folgeänderungen der Vorschriften notwendig, welche die „nahestehende Person“ als Tatbestandsmerkmal verwenden. Aus Klarstellungsgründen empfiehlt es sich de lege ferenda insbesondere, einheitlich die Formulierung „nahestehende Personen im Sinne des § 15a AO“ – in der jeweils grammatikalisch korrekten Form – in die betreffenden Normen aufzunehmen. Dies gilt für § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG, sämtliche Fälle des § 32d Abs. 2 EStG sowie § 8b Abs. 1 Satz 4 und Absatz 3 Satz 5 KStG. In der Folge wird die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG und die Bezugnahmen auf diese in anderen Paragraphen ersatzlos gestrichen. Mit Ausnahme des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG enthalten sämtliche der vorgenannten Normen bereits im Wortlaut das Merkmal des Fremdvergleichs, sodass sich im Falle der Bezugnahme auf die „nahestehende Person“ im Sinne des § 15a AO eine „doppelte“ Normierung der Fremdunüblichkeit ergibt. Dies erscheint insofern unschädlich, als das in § 15a Abs. 1 AO normierte Merkmal der „Marktunüblichkeit einer getroffenen Vereinbarung“ bewusst derart allgemein gefasst ist, dass dieses den Gehalt des jeweils spezielleren normspezifischen Fremdvergleichs in sich aufnimmt. Mit anderen Worten ist das Merkmal der „Marktunüblichkeit“ im Lichte des Zwecks der jeweiligen Vorschrift zu lesen und auszulegen. Als Beispiel ist die „Marktunüblichkeit einer Vereinbarung“ des § 15a Abs. 1 AO im Rahmen des § 1 AStG im Sinne des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG aufzufassen. Im Hinblick auf § 32d Abs. 2 EStG besteht zwar keine Notwendigkeit den Wortlaut der Vorschrift über die vorgenannte begriffliche Klarstel276
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C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition
lung hinaus abzuändern. Es ist jedoch zu beachten, dass durch die Bezugnahme auf § 15a AO das Merkmal der Fremdunüblichkeit gleichsam „durch die Hintertür“ in § 32d Abs. 2 EStG eingeführt wird. Dies erscheint nach dem Verlauf dieser Untersuchung begrüßenswert. Der Nachweis der Marktunüblichkeit obliegt beim Handeln von „nahestehenden Personen“ gleichwohl der Finanzverwaltung. Hierbei kann die Marktunüblichkeit entweder schon aus der nicht fremdüblichen Höhe des vereinbarten Zinssatzes folgen oder sich – wie im Rahmen des § 8b Abs. 3 KStG – im Hinblick auf das „Ob“ der Darlehensgewährung ergeben. Entspricht die Höhe des vereinbarten Zinssatzes dem fremdüblichen Niveau, so kommt die Annahme eines Nahestehens nur dann in Betracht, wenn die Umstände des Vertragsverhältnisses aus sonstigen Gründen den sicheren Schluss zulassen, dass das Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkommensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz ist. b) Verzicht auf die „nahestehende Person“ in § 8c Abs. 1 KStG und Verweis in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG Da die Vorschriften § 8a Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 8c Abs. 1 KStG gerade nicht die Marktunüblichkeit einer getroffenen Vereinbarung voraussetzen und sich dieses Merkmal – im Unterschied zu § 32d Abs. 2 EStG – auch nicht zweckmäßig in die Normen implementieren lässt, scheidet de lege ferenda eine unmittelbare Anwendung des § 15a AO auf sie aus. Dies folgt insbesondere auch daraus, dass eine Vermutungsregel zulasten von Angehörigen – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – selbst dann gegen den Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG verstieße, wenn sie widerlegbar wäre1112. Im Ergebnis wird de lege ferenda für § 8c Abs. 1 KStG der Verzicht auf den Begriff der „nahestehenden Person“ und für § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG ein eingeschränkter Verweis auf den Katalog der Näheverhältnisse in § 15a Abs. 2 AO vorgeschlagen. Den gänzlichen Verzicht auf den Begriff – und die damit verbundene beweisrechtliche Konzeption – der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 15a AO im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG hat die vorangegangene Untersuchung bereits nahe gelegt1113. Stattdessen sollte de lege ferenda das engere Tatbestandsmerkmal „Personen, die im Interesse des Erwerbers handeln“ in den Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG eingefügt werden1114. Wie bereits aufgezeigt dürfte auch dieser Begriff restriktiv auszulegen
1112 Vgl. nur BVerfG v. 12.3.1985, 1 BvR 571/81, BStBl. II 1985, 475. 1113 Siehe oben § 4 H. III. und IV. 1114 In Anlehnung an den Auslegungsvorschlag Frotschers in Frotscher/Maas, KStG § 8c Rn. 47 ff.
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§ 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition
sein1115 und sich eine entsprechende Vermutung lediglich im Falle der (gesellschaftsrechtlichen) Beherrschung rechtfertigen lassen. Da für § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG wie schon im geltenden Recht1116 wegen Art. 6 GG eine Vermutung zulasten von Angehörigen – bzw. von durch Angehörigen vermittelten Nähebeziehungen, wie sie § 15a Abs. 2 AO mehrfach vorsieht – nicht in Betracht kommt, scheidet eine direkte Anwendung des § 15a AO zwar aus. Möchte man gleichwohl die Vorzüge der hier entwickelten Begriffsdefinition nutzen, so empfiehlt es sich, de lege ferenda lediglich auf die in § 15a Abs. 2 AO bezeichneten Näheverhältnisse mit der Maßgabe Bezug zu nehmen, dass die durch eine Angehörigenstellung im Sinne des § 15 AO begründeten Näheverhältnisse – wie zum Beispiel § 15a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO – außer Betracht bleiben. Für diese Fallkonstellationen verbleibt jedoch im Einzelfall die allgemeine Korrekturmöglichkeit des § 42 AO. In jedem Fall müssen die für § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG praktisch bedeutsamsten Konstellationen der wesentlichen Beteiligung und des beherrschenden Einflusses auch weiterhin erfasst sein. Dies gewährleistet die hier vorgeschlagene einschränkende Bezugnahme auf den Katalog des § 15a Abs. 2 AO. 3. Abschließende Bewertung des Vorschlags Im Verlauf der Untersuchung ist deutlich geworden, dass sich die Suche nach einer einheitlichen steuerrechtlichen Begriffsbildung der „nahestehenden Person“ – in der Diktion der Mathematik – als Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner erweist. Im bisherigen steuerrechtlichen Schrifttum ist schon für die einzelnen Rechtsinstitute die Frage nach der Einbeziehung und Benennung konkreter Näheverhältnisse äußerst zurückhaltend gehandhabt1117 und in Anbetracht ihrer Komplexität zum Teil ganz ausgespart worden1118. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass sich der hier unterbreitete Vorschlag eines neu zu schaffenden § 15a AO in gewisser Weise als Kompromisslösung darstellt und nicht für alle hier betrachteten Normen eine uneingeschränkte Einheitslösung bieten kann. So könnte sich der Vorschlag dem Vorwurf ausgesetzt sehen, durch seine Begrenzung auf Fälle marktunüblicher Vereinbarungen den Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ erheblich einzuschränken. In der 1115 Siehe oben § 4 H. III. 3. 1116 Siehe oben § 4 F. III. 3. 1117 Positiv hervozuheben für den Bereich der verdeckten Gewinausschüttung aber Stolze, Verdeckte Gewinnausschüttung und nahestehende Person, 1999. 1118 Exemplarisch Strohm, Abgeltungsteuer, S. 296: „Die Beantwortung der Frage, welche Näheverhältnisse diesen Schluss zulassen, hätte den Rahmen dieser Untersuchung gesprengt“.
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C. Konkrete Ausgestaltung einer zweistufigen Begriffsdefinition
Notwendigkeit einer solchen Begrenzung liegt jedoch eine zentrale Erkenntnis dieser Untersuchung. So wurde aufgezeigt, dass mangels „Eigenleben“ der Rechtsfigur jeder Versuch ihrer Übertragung bzw. ihrer Vereinheitlichung besondere Rücksicht erfordert. Bei allem – im Grundsatz berechtigten – Streben nach Vereinheitlichung und Vereinfachung dürfen die im Verlauf der Untersuchung zu Tage geförderten Ergebnisse1119 nicht übergangen werden. Es bleibt zu berücksichtigen, dass die „nahestehende Person“ als bewährte beweisrechtliche Konzeption ihren Ursprung im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung hat, die wiederum ein fremdunübliches Verhalten voraussetzt. Durch die Integration der Marktunüblichkeit in den Begriff der „nahestehenden Person“ wird diesem Umstand Rechnung getragen. Die Folgen einer Verkennung dieser beweisrechtlichen Bedeutung lassen sich im geltenden Recht an den Transplantationsversuchen zu § 1 Abs. 2 AStG durch den Gesetzgeber ablesen. Durch die hier vorgeschlagene Konzeption kann das Merkmal der Fremdunüblichkeit zugleich – wie zuvor als wünschenswert betrachtet1120 – in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a und b EStG hinein getragen werden. Die weiteren Vorzüge einer Definition im vorgeschlagenen Sinne liegen auf der Hand. Nach den im Verlauf der Untersuchung zu Tage geförderten Erkenntnissen ist es begrüßenswert, den im Grundsatz bewährten Rechtsprechungsgrundätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung durch eine an diese (sprachlich) angelehnte Normierung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und ihr somit auch die Autorität des Gesetzgebers zu verleihen. Zugleich verkörpert die vorgeschlagene „abgestufte“ Begriffsbildung die im Laufe der Untersuchung – und insbesondere in der analytischen Zusammenschau mit dem Insolvenz- und Handelsbilanzrecht – identifizierten Anforderungen an eine steuerrechtliche Definition. Diese ist geprägt von der für die Zwecke der „nahestehenden Person“ im Steuerrecht gebotenen – und im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung über Jahrzehnte bewährten – begrifflichen Elastizität und der Offenheit für die richterliche Bewertung des Einzelfalls. Schließlich ist auch die Praktikabilität der Norm durch die (widerlegbare) Vermutungsregel des § 15a Abs. 2 AO sicher gestellt, welche die ganz überwiegende Mehrzahl der praktisch bedeutsamen Konstellationen erfassen dürfte. Gleichsam als erwünschte Nebenfolge wird dem Gesetzgeber durch dieses abgestufte Vorgehen eine weitere Option eröffnet: So besteht im Rahmen anderer Vorschriften stets die Möglichkeit, mit Verweisen auf den abschließenden Katalog der Näheverhältnisse des § 15a Abs. 2 AO eine kleinere Gruppe von besonderen Nähebeziehungen in 1119 Siehe insbesondere oben § 5 C. III. 1120 Siehe oben § 4 E. IV. 1.; ebenso Strohm, Abgeltungsteuer, S. 297.
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§ 5 Überlegungen zu einer steuerrechtlichen Definition
Bezug zu nehmen. Dies kommt in Betracht, falls ein engerer Begriff als der weit und offen ausgestaltete Kreis der „nahestehenden Personen“ im Sinne des § 15a Abs. 1 AO gewünscht oder erforderlich ist. Von dieser Möglichkeit könnte in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG Gebrauch gemacht werden. Im Ergebnis sprechen somit gute Gründe dafür, dem hier unterbreiteten Vorschlag einer behutsamen Normierung der „nahestehenden Person“ in Form eines neu zu schaffenden § 15a AO zu folgen.
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Als terminus technicus findet sich die „nahestehende Person“ im deutschen Steuer-, Handelsbilanz- und Insolvenzrecht an prominenten Stellen wieder. Trotz einheitlicher Bezeichnung unterscheiden sich Begriffsinhalt und Funktion dieser Rechtsfigur im Einzelnen aufgrund unterschiedlicher Zwecksetzungen jedoch erheblich. Eine insolvenzrechtliche Legaldefinition enthält § 138 InsO, während das deutsche Handelsbilanzrecht in den §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB auf die International Accounting Standards zurückgreift und die Definition des IAS 24 heranzieht. Im Steuerrecht wurde die „nahestehende Person“ zunächst durch die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttungen an Nichtgesellschafter (bzw. zur verdeckten Einlage) entwickelt und sodann in § 1 Abs. 2 AStG für die außensteuerrechtlichen Zwecke legal definiert. Als gesetzliches Tatbestandsmerkmal findet sich die „nahestehende Person“ heute auch in der umsatzsteuerrechtlichen Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG, im Rahmen der Abgeltungsteuer in § 32d Abs. 2 EStG, bei der körperschaftsteuerrechtlichen Zinsschranke in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG, in § 8b Abs. 1 und Abs. 3 KStG sowie beim Verlustabzug bei Körperschaften in § 8c Abs. 1 KStG. Insbesondere im Steuerrecht sind zum Teil erhebliche Unsicherheiten im Umgang mit diesem Tatbestandsmerkmal und seiner Auslegung durch Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Schrifttum zu beobachten. 2. § 138 InsO enthält eine Legaldefinition der dem Schuldner „nahestehenden Personen“, als deren Hauptanwendungsfälle die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung anzusehen sind, §§ 129 ff. InsO. Diese erleichtern die Anfechtung gegenüber dem Personenkreis der Nahestehenden durch eine Umkehr der Beweislast erheblich. Der Grund für die insolvenzrechtliche Sonderbehandlung „nahestehender Personen“ liegt in der besonderen Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und in der potentiell erhöhten Missbrauchsbereitschaft zwischen Nahestehenden zulasten der Gläubiger. Dies gilt umso mehr, falls die „nahestehende Person“ ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung des schuldnerischen Vermögens hat, was insbesondere bei Familienmitgliedern häufig der Fall sein dürfte. Regelungstechnisch unterscheidet die Begriffsdefinition des § 138 InsO zwischen der Insolvenz einer natürlichen Person (Absatz 1) und der Insolvenz einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (Absatz 2). Als besonderes Kennzeichen der insolvenzrechtlichen Definition der „nahestehenden Person“ lässt sich 281
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
im Hinblick auf natürliche Personen insbesondere die weitgehende Einbeziehung der Personen aus dem Familienkreis des Schuldners identifizieren. Für Ehegatten und Lebenspartner sieht der Gesetzgeber sogar eine zeitliche Vor- und Nachwirkung vor. Diese werden auch dann noch als Nahestehende betrachtet, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine Missbrauchsbereitschaft zulasten Dritter typischerweise auch über das Ende einer Partnerschaft hinaus gegeben sein kann. Soweit es darum geht, ein Näheverhältnis zu einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit festzustellen, nimmt § 138 InsO in erster Linie die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen in den Blick, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind, § 138 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 1 InsO. Erheblich erweitert wird der Anwendungsbereich der Norm jeweils dadurch, dass auch Personen und Gesellschaften einbezogen werden, die auf Grund einer „vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung“ zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten, § 138 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 InsO. Im Unterschied zu Absatz 1 muss das Näheverhältnis hier immer im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestanden haben. Wird ein Näheverhältnis nicht von § 138 InsO erfasst, so verbleibt dem Zivilgericht im Einzelfall die Möglichkeit, im Wege der freien Beweiswürdigung die Nähebeziehung als verdachtserregenden Umstand zu berücksichtigen. 3. Seit Inkrafttreten des BilMoG werden auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches nach §§ 285 Nr. 21 und 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB jeweils in Verbindung mit IAS 24 im Anhang des Jahres- und Konzern abschlusses Angaben zu Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ verlangt. Im Unterschied zum internationalen Standard IAS 24 ist eine Berichterstattung nach HGB nur zwingend, falls die Vereinbarung zu nicht marktüblichen Bedingungen zustande gekommen ist und es sich um ein „wesentliches Geschäft“ handelt. Obwohl der Begriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ durch das BilMoG in das HGB eingeführt wurde, enthält dieses keine entsprechende eigene Begriffsdefinition. Nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG und in Übereinstimmung mit Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Bilanz-RL in der Fassung der Abänderungsrichtlinie ist der Begriff der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ im Sinne des IAS 24 in der von der EU jeweils gebilligten aktuellen Fassung zu verstehen. Somit ergibt sich der infrage kommende Personenkreis 282
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
ausschließlich aus IAS 24.9 bis 24.11, wobei im Zweifel das inter nationale Verständnis maßgebend ist. Der Regelungsgrund der Offenlegungspflicht ist darin zu sehen, dass Angaben zu Geschäften mit „nahestehenden Unternehmen und Personen“ die Entscheidungsnützlichkeit von Abschlussinformationen verbessern, die in einer direkten Abhängigkeit zur Verlässlichkeit der gewährten Informationen steht. Diese Nützlichkeit ist nicht mehr gegeben, wenn die Abschlussinformationen verzerrenden Einflüssen unterliegen oder sie nicht glaubwürdig darstellen, was sie vorgeben darzustellen oder was vernünftigerweise von ihnen erwartet werden kann. Zwei mögliche Ursachen einer solchen irreführenden Wirkung sind zu unterscheiden. So können die Abschlussadressaten von sich aus (einfach nur) falsche Schlüsse aus den dargestellten Daten ziehen oder das berichtende Unternehmen instrumentalisiert absichtlich Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen zur Falschdarstellung. Regelungstechnisch unterscheidet die überarbeitete Begriffsdefinition in IAS 24.9 im Grundsatz zwischen nahestehenden natürlichen Personen und nahestehenden Unternehmen. So erfasst IAS 24.9 a) Näheverhältnisse zu natürlichen Personen und nahen Familienangehörigen dieser Personen, wohingegen IAS 24.9 b) verschiedene Fallkonstellationen aufzählt, in denen ein Unternehmen dem berichtenden Unternehmen nahe steht. Entsprechend der Zielsetzung des Standards nimmt die Begriffsdefinition in erster Linie eigentumsund managementbasierte Einflussmöglichkeiten in den Blick und beschränkt sich personell daneben im Wesentlichen auf „nahe Familienangehörige“ der Gesellschafter oder Führungskräfte. In bewusster Entscheidung für die Operationalisierbarkeit der Offenlegungsvorschrift wird somit bewusst in Kauf genommen, dass bestimmte Personen oder Unternehmen, die faktisch die Entscheidungen der berichtenden Einheit stark beeinflussen können, formal nicht unter die Definition der „nahestehenden Unternehmen und Personen“ fallen. Die klarstellende Negativdefinition des IAS 24.11 macht insbesondere deutlich, dass Fälle wirtschaftlicher Abhängigkeit – wie etwa Beziehungen eines Unternehmens zu Kreditgebern oder Großlieferanten – nicht von IAS 24.9 erfasst werden. Mit dem Bestehen derartiger Beziehungen muss ein Investor rechnen, da sie reguläres Element des Wirtschaftslebens sind. 4. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Leistungsempfänger nach dem äußeren Geschehens ablauf ein Nichtgesellschafter ist. In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass der unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter die an einen Dritten gleich steht, wenn diese 283
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Falls der Dritte eine einem Gesellschafter „nahestehende Person“ ist, wertet die Rechtsprechung dies als Indiz für die Veranlassung der Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis. Prüfungsmaßstab ist, ob die Kapitalgesellschaft dem Dritten einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Person, die dem betreffenden Gesellschafter nicht nahe steht, nicht gewährt hätte. Da das „Nahestehen” lediglich ein Indiz für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist, reicht zur Begründung des „Nahestehens” jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. 5. Für die Zwecke des § 1 Abs. 1 AStG enthält § 1 Abs. 2 AStG eine abschließende gesetzliche Definition der dem Steuerpflichtigen „nahestehenden Person“. Liegen die Voraussetzungen des Nahestehens im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG vor, so wird – unabhängig von tatsächlicher Einflussnahme oder Einflussnahmemöglichkeit – unwiderlegbar von einem Näheverhältnis ausgegangen. In diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen allein der Weg offen, den Nachweis zu erbringen, dass er sich fremdüblich verhalten hat. Strukturell wird ein Näheverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und „nahestehender Person“ im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG entweder durch eine unmittelbare oder mittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu mindestens einem Viertel („wesentliche Beteiligung“) oder die Möglichkeit der Ausübung von „beherrschendem Einfluss“ vermittelt. Als kritisch ist die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG anzusehen, durch deren zwei Alternativen der Anwendungsbereich der Vorschrift eine erhebliche – und wenig geglückte – Ausdehnung erfährt. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG wird ein Nahestehen begründet, wenn die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben (Alternative 1) oder einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (Alternative 2). Wie die vorangegangene Untersuchung deutlich gemacht hat, führen beide Tatbestandsalternativen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG zu erheblicher Unsicherheit in der Rechtsanwendung und vielfältigen Auslegungsschwierigkeiten, weshalb nach hier vertretener Auffassung eine restriktive Auslegung geboten erscheint. Insbesondere hat der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung zu Recht deutlich gemacht, dass nicht jede familiäre Bindung den Tatbestand des § 1 284
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG erfüllt und selbst im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung nicht zwangsläufig von einem „eigenen Interesse“ an der Erzielung der Einkünfte (der Kinder) ausgegangen werden kann. Zur Annahme eines „eigenen Interesses“ genügt aber, wenn als Grund für die eingetretene Einkünfteverlagerung ins Ausland vernünftigerweise nur die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Nahestehenden in Betracht kommt und hieran ein eigenes Interesse des Steuerpflichtigen oder der anderen Person besteht. Aufgrund des Zuschnitts der Legaldefinition auf den außensteuerrechtlichen Kontext und der dargestellten Schwächen der Begriffsdefinition erscheint es bedenklich, diese als Regelungsmodell für andere Vorschriften heranzuziehen. De lege ferenda ließe sich überlegen, die aufgezeigten Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung durch eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur „nahestehenden Person“ aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung unter Anpassung des Beweisrechts zu überwinden. Zwar führt eine solche Ausdehnung des Nahestehens zu materiell erwünschten Ergebnissen und erhöhter Einzelfallgerechtigkeit. Neben der damit zugleich geschaffenen Rechtsunsicherheit ist jedoch auch der eingeschränkte praktische Mehrwert einer solchen Lösung zu bedenken, da in der Praxis die ganz überwiegende Mehrzahl der Fälle des § 1 AStG Beziehungen zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Unternehmen betrifft. Diese werden schon de lege lata ohne weiteres vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 AStG erfasst. 6. Im Umsatzsteuerrecht begegnet dem Rechtsanwender die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der sogenannten Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG. Obwohl inzwischen mit Art. 80 MwStSystRL eine speziellere Ermächtigungsbestimmung zur Einführung von Mindestbemessungsgrundlagen bei Umsätzen zwischen „eng verbundenen Personen“ geschaffen worden ist, ergibt sich schon aus Art. 80 Abs. 3 MwStSystRL, dass die deutsche Regelung des § 10 Abs. 5 UStG unabhängig vom neueren Art. 80 MwStSystRL weiter gilt und auch weiterhin allein auf der nach Art. 27 Abs. 1 der 6. MwSt-RL erteilten Ermächtigung basiert. Für die Auslegung der deutschen Norm folgt hieraus zum einen, dass Art. 80 MwStSystRL lediglich als Auslegungshilfe herangezogen werden kann und zum anderen, dass der Anwendungsbereich der deutschen Mindestbemessungsgrundlage auf den Rahmen der nach Art. 27 der 6. MwSt-RL erteilten Ermächtigung begrenzt sein muss: Folglich hat der EuGH in der Rechtssache Skripalle klargestellt, dass § 10 Abs. 5 UStG insoweit nicht durch die Sonder-Ermächtigung gedeckt ist, als bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen eine das marktübliche Entgelt übersteigende Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. 285
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ hat die Untersuchung gezeigt, dass im Ergebnis die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung an „nahestehende Personen“ entsprechend heranzuziehen sind. Ein solch weites Begriffsverständnis erscheint geboten, da § 10 Abs. 5 UStG auf die vollständige und gleichmäßige Belastung jedes Endverbrauchers mit Umsatzsteuer abzielt und die Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob das Näheverhältnis, das zur Vergünstigung führt, familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder lediglich rein tatsächlicher Natur ist. Allerdings muss die Vergünstigung gerade aufgrund des Näheverhältnisses gewährt werden, da § 10 Abs. 5 UStG nur die „auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden“ sanktioniert. Folglich darf eine Korrektur nicht erfolgen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Vergünstigung auf unternehmerischen bzw. betrieblichen Gründen beruht. Auch insofern besteht ein systematischer Gleichlauf mit der verdeckten Gewinnausschüttung an dritte Personen. 7. Für die Auslegung der „nahestehenden Person“ in § 32d Abs. 2 EStG enthält das Gesetz selbst weder eine Definition dieses Begriffs noch eine ausdrückliche Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG. Nach hier befürworteter Auffassung sind im Ergebnis als Auslegungsmaßstab die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich formulierten Kriterien heranzuziehen. Danach liegt eine „nahestehende Person“ nur dann vor: „[…] wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat“. Bei der Anwendung dieser Definitionsmerkmale ist stets der Gesetzeszweck des § 32d Abs. 2 EStG im Auge zu behalten, sodass die Umstände des Vertragsverhältnisses den Schluss zulassen müssen, dass das Motiv der Darlehensgewährung vordergründlich die ertragsorientierte Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkomensteuertarif und dem Abgeltungsteuersatz ist. 286
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Erheblich entlastet wird der Begriff der „nahestehenden Person“ dadurch, dass im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen am Schuldner nach der Sonderregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Anteil in Höhe von 10 Prozent ausreicht, um den Abgeltungsteuersatz auszuschließen. Natürliche Personen sind im Ergebnis regelmäßig nur dann als „nahestehende Personen“ im Sinne des § 32d Abs. 2 EStG anzusehen, wenn als einziger Grund für die Einkünfteverlagerung die Absicht einer mittelbaren Vermögensverlagerung zwischen den Beteiligten in Betracht kommt und die Finanzverwaltung dieses wirtschaftliche Interesse konkret nachweisen kann. In der Praxis dürfte dies dazu führen, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensvereinbarungen zwischen natürlichen Personen regelmäßig nicht anwendbar ist. 8. Sowohl § 8a Abs. 2 KStG als auch § 8a Abs. 3 Satz 2 KStG enthalten die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal und verweisen ausdrücklich durch einen Klammerzusatz auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG in der jeweils geltenden Fassung. Durch diese dynamischen Rechtsgrundverweisungen findet die außensteuerrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG in § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG unmittelbare Anwendung. Allerdings hat die Untersuchung gezeigt, dass die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der Vorschriften praktisch leerläuft, sodass allein die Merkmale der „wesentlichen Beteiligung“ und des „beherrschenden Einflusses“ von Bedeutung sind. Somit kommen als „nahestehende Personen“ insbesondere Mutter-, Tochter-, und Schwestergesellschaften in Betracht. Da § 8a KStG nicht auf die Korrektur von unangemessenen Kreditbeziehungen abzielt, kann sich die Körperschaft gerade nicht auf die Fremdüblichkeit der Darlehensvereinbarung berufen. Sie kann die Rechtsfolge allein durch den ihr obliegenden Nachweis abwenden, dass die schädlichen Fremdkapitalmittel nicht mehr als 10 Prozent der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft (bzw. des Rechtsträgers im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG) betragen. 9. Die Vorschrift des § 8b KStG verwendet die „nahestehende Person“ als gesetzliches Tatbestandsmerkmal sowohl in § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG als auch in § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG. Allerdings verweist lediglich § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG, sodass im Hinblick auf die „nahestehende Person“ streng zwischen § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG und § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG zu unterscheiden ist. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Bezugnahme und unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Vorschrift wird im Schrifttum nach allgemeiner Auffassung richtigerweise gefolgert, dass für die Auslegung unmittelbar 287
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auf die von der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an Nichtgesellschafter entwickelten Grundsätze zurückzugreifen ist. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs innerhalb des § 8b KStG begegnet keinen Bedenken, da die abweichende Handhabung auch im Gesetz selbst Niederschlag gefunden hat. Für § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG ist die ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf die außensteuerrechtliche Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 AStG verbindlich. Handelt es sich beim Darlehen- oder Sicherheitengeber um eine „nahestehende Person“ in diesem Sinne, so bewirkt die Beweislastumkehr des § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG, dass die objektive Beweislast für die Fremdüblichkeit der Vereinbarung die Körperschaft trifft. Im Hinblick auf die praktisch bedeutsame Gewährung von Upstream-Darlehen konnte gezeigt werden, dass diese richtigerweise im Grundsatz vom Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ im Sinne des § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG erfasst werden. Aus systematischen Gründen ist eine Einschränkung jedoch für Fälle der Darlehensgewährung von Tochtergesellschaften an oberste Muttergesellschaften geboten, da hier § 8b Abs. 3 KStG nicht umgangen werden kann und das Darlehen keinen eigenkapital ersetzenden Charakter hat. 10. Wie im Bereich der §§ 8a und 8b KStG findet sich die „nahestehende Person“ auch in § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG als gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Allerdings enthält die Vorschrift keine Verweisung auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG. Die Untersuchung hat gezeigt, dass § 8c Abs. 1 KStG im Hinblick auf die „nahestehende Person“ insofern eine strukturelle Sonderstellung einnimmt, als gerade kein Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab vorausgesetzt wird. Der quotale oder vollständige Untergang der nicht genutzten Verluste trifft den Erwerber nach dem Gesetzeswortlaut schon dann, wenn an eine ihm „nahestehende Person“ Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an der Körperschaft in entsprechender Höhe übertragen werden, ohne dass er selbst von diesem Übertragungstatbestand Kenntnis haben müsste. Ebenso wenig kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf ein Zusammenwirken oder eine vorherige Abstimmung zwischen den beiden Personen an. Aus Sicht des „Erwerbers“ kann es sich daher nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG insofern um eine „fremdbestimmte Steuerwirkung“ handeln, als dieser den Eintritt der Rechtsfolge nicht aus eigenen Kräften verhindern kann. Vor diesem Hintergrund ist eine restriktive Auslegung der „nahestehenden Person“ geboten. Außerdem ist zu fordern, dass diese aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Somit genügt im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG zwar grundsätzlich jede Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuld 288
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
rechtlicher oder rein tatsächlicher Art, soweit die Person aufgrund des Näheverhältnisses „im Interesse des Erwerbers“ handelt. Entscheidend für die Praxis ist aber, dass die Finanzverwaltung die Beweislast für das Näheverhältnis und das Handeln im Interesse des Erwerbers trägt und dieser nur für den Fall eine widerlegbare Vermutungsregel zur Hilfe kommt, dass der „Erwerber“ die „nahestehende Person“ beherrscht. Insbesondere steht einer Vermutungsregel für Angehörige im Sinne des § 15 AO der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG entgegen. 11. Als Ergebnis der steuerrechtlichen Untersuchung ist festzuhalten, dass vom einheitlichen Begriff der „nahestehenden Person“ innerhalb der verschiedenen steuerrechtlichen Vorschriften zum Teil ganz unterschiedlich gelagerte Problemkonstellationen erfasst werden. In der Folge kann eine einheitliche Behandlung dieser Rechtsfigur im geltenden Recht weder im Hinblick auf den Begriffsinhalt – im Sinne des potentiell erfassten Personenkreises – noch bezüglich der be weisrechtlichen Konzeption der Normen festgestellt werden. Als gescheitert muss der Versuch des Gesetzgebers gelten, durch eine „Transplantation“ der außensteuerrechtlichen Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG in §§ 8a und 8b KStG sowie – zumindest in ihrer Grundstruktur – in § 32d Abs. 2 EStG im geltenden Recht ein vereinheitlichendes Begriffsverständnis zu schaffen. Entschieden müssen auch die gelegentlich im Schrifttum anzutreffenden Versuche zurückgewiesen werden, in der lex specialis des § 1 Abs. 2 AStG eine für das Steuerrecht „allgemeingültige“ Definition der „nahestehenden Person“ zu erblicken. Ein entscheidender Befund der vorangegangenen Ausführungen ist gerade darin zu sehen, dass es die „nahestehende Person“ an sich – wie es Brigitte Knobbe-Keuk bereits im Jahr 1982 formulierte – überhaupt nicht gibt. Vielmehr steht die personale Reichweite des Begriffs der „nahestehenden Person“ regelmäßig mit dem jeweiligen Normzweck und der beweisrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Vorschrift in einem untrennbaren Zusammenhang, der nicht aufgehoben werden kann und darf. Mit anderen Worten lebt das steuerrechtliche Tatbestandsmerkmal der „nahestehenden Person“ als beweisrechtliche Konzeption allein im Kontext der jeweiligen Norm. Da aber die hier untersuchten steuerrechtlichen Institute zum Teil unterschiedlich ausgestaltet sind und verschiedene Zwecke verfolgen, führt der Versuch der Transplantation eines Begriffsverständnisses bzw. einer Definition der „nahestehenden Person“ in eine andere Norm regelmäßig zu Friktionen. Schon wegen ihrer technischen Unzulänglichkeiten erscheint die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG als Regelungsmodell der „nahestehenden Person“ für andere steuerrechtliche Normen wenig geeignet. 289
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Schließlich konnte auch gezeigt werden, dass die „nahestehende Person“ nicht nur in Regelungen zum Einsatz kommt, welche die „Unangemessenheit von Austauschverträgen bei fehlendem Interessengegensatz“ sanktionieren. Dies beweist § 8c Abs. 1 KStG, der eine Abstimmung zwischen den Beteiligten gerade nicht voraussetzt. Für das geltende Steuerrecht bleibt zudem festzuhalten, dass im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „nahestehenden Person“ einer normspezifischen Auslegung der Vorrang gegenüber einer vereinheitlichenden Auslegung gebührt. 12. Aus bereichsübergreifender Perspektive hat die Untersuchung die Erkenntnis zu Tage gefördert, dass ein isolierter Vergleich der Erfassung einzelner Näheverhältnisse über die Grenzen der verschiedenen Rechtsinstitute hinaus wenig Nutzen verspricht. Vielmehr lässt sich der personale Anwendungsbereich der „nahestehenden Person“ nicht von seinem jeweiligen tatbestandlichen Kontext entkoppeln und ist in erheblichem Maße von der jeweiligen beweisrechtlichen Konzeption der Norm abhängig. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Zwecksetzungen können die insolvenz- und handelsbilanzrechtlichen Begriffsdefinitionen als Regelungsmodelle für das Steuerrecht nur sehr behutsam – und mit bewussten Einschränkungen – fruchtbar gemacht werden. Dabei steht die weit gefasste insolvenzrechtliche Definition in § 138 InsO den steuerrechtlichen Bedürfnissen inhaltlich und strukturell wesentlich näher als die in das deutsche Handelsbilanzrecht übernommene Konzeption des IAS 24. 13. Wendet man sich der Frage zu, ob und inwieweit sich de lege ferenda eine einheitliche steuerrechtliche Begriffsdefinition empfiehlt, so lassen sich drei zentrale Anforderungen an eine solche Begriffsbildung identifizieren: die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Fälle von Vereinbarungen marktunüblicher Bedingungen, die „Elastizität“ des Begriffs und seine Offenheit für die richterliche Würdigung des Einzelfalls sowie die gebotene Einbeziehung faktischer Näheverhältnisse. Die Notwendigkeit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Vorschriften, welche die Vereinbarung fremdunüblicher Bedingungen voraussetzen, erschließt sich aus einer Betrachtung der aufgezeigten Friktionen im geltenden Steuerrecht. Wie in den Einzeldarstellungen erläutert worden ist, sind diese maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber bei seinen „Transplantationsversuchen“ Bedeutung und Tragweite der Tatsache übersehen hat, dass die „nahestehende Person“ ihren steuerrechtlichen Ursprung als beweisrechtliche Konzeption in Instituten hat, die die Vereinbarung marktunüblicher Bedingungen voraussetzen. Es konnte zugleich gezeigt werden, dass diese Voraussetzung erheblichen Einfluss auf die begriffliche Ausgestaltung der „nahestehenden Person“ hat. 290
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Als zweites wesentliches Erfordernis ist ein weitreichendes und „elastisches“ Begriffsverständnis der nahestehenden Person geboten. Dies ist erforderlich, um die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und die Gleichheit der Besteuerung auch in Anbetracht der Verschiedenheit und Vielschichtigkeit der Lebenssachverhalte zu gewährleisten. Insbesondere durch die vergleichende Zusammenschau mit den abschließenden Begriffsnormierungen des Insolvenzund Handelsbilanzrechts konnte gezeigt werden, dass für steuerrechtliche Zwecke im Grundsatz ein weiteres Verständnis zugrunde gelegt werden muss. Regelungstechnisch folgt hieraus, dass eine Begriffsbildung gerade nicht durch eine abschließende Aufzählung erreicht werden kann. Mit dieser Offenheit einer möglichen Begriffsdefinition ist das dritte Erfordernis eng verknüpft. Da für die hier untersuchten steuerrechtlichen Vorschriften ein besonderes Interesse an der Einbeziehung faktischer Näheverhältnisse – wie etwa Freundschaften – besteht, kann auf deren Einbeziehung nicht verzichtet werden. Aus Klarstellungsgründen sollte die grundsätzliche Einbeziehung derartiger Näheverhältnisse auch in einem möglichen Gesetzeswortlaut Niederschlag finden. Im Verständnis dieser Untersuchung sind hiermit Nähebeziehungen gemeint, die gerade nicht auf rechtlicher Grundlage vermittelt sind. 14. Vor dem Hintergrund der vorgenannten Überlegungen und unter Würdigung der im Verlauf der Untersuchung zu Tage geförderten Ergebnisse wird der folgende Vorschlag für einen neu zu schaffenden § 15a AO „Nahestehende Personen“ gemacht: „§ 15a AO Nahestehende Personen (1) Einer Person ist eine andere Person nahestehend, wenn zu dieser eine Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art besteht und dieses Näheverhältnis vernünftigerweise den Schluss darauf zulässt, dass die Marktunüblichkeit einer Vereinbarung auf diesem Näheverhältnis beruht. (2) [Satz 1] In den Fällen der Sätze 2 und 3 wird vermutet, dass es sich um nahestehende Personen im Sinne des Absatzes 1 handelt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Marktunüblichkeit der Vereinbarung nicht auf dem Näheverhältnis beruht. [Satz 2] Einer natürlichen Person stehen nahe 1. Angehörige im Sinne des § 15 AO 2. juristische Personen oder Personengesellschaften, wenn die natürliche Person oder ein Angehöriger im Sinne des § 15 AO dieser Person Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, 291
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§ 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
persönlich haftender Gesellschafter oder unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 10 Prozent an deren Kapital beteiligt ist oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt. [Satz 3] Einer juristischen Person oder Personengesellschaft stehen nahe 1. die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, die persönlich haftenden Gesellschafter und Personen, die unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent am Kapital beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 2. die Angehörigen im Sinne des § 15 AO der in Nummer 1 genannten Personen 3. juristische Personen oder Personengesellschaften, an denen die juristische Person oder Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent am Kapital beteiligt ist oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt sowie juristische Personen oder Personengesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent am Kapital der juristischen Person oder Personengesellschaft beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 4. juristische Personen oder Personengesellschaften, an denen die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans oder die persönlich haftenden Gesellschafter der juristischen Person oder der Personengesellschaft oder deren Angehörige im Sinne des § 15 AO unmittelbar oder mittelbar mindestens zu 10 Prozent beteiligt sind oder über 10 Prozent der Stimmrechte verfügen 5. eine juristische Person oder Personengesellschaft, wenn eine dritte Person an beiden juristischen Personen oder Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar zu 10 Prozent am Kapital beteiligt ist oder bei beiden über 10 Prozent der Stimmrechte verfügt.“
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a. A. andere Ansicht a. E. am Ende a. F. alte Fassung am angegebenen Orte a. a. O. Abl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AJP Aktuelle juristische Praxis (Zeitschrift) AG Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Art. Artikel AStG Außensteuergesetz BB Betriebsberater (Zeitschrift) Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und BC Controlling BFH Bundesfinanzhof BFHE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFH/NV Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) BFH-RR Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen BilMoG Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts Bilanz-RL Bilanz-Richtlinie Bundesministerium der Finanzen BMF BR-Drucks. Bundesrats-Drucksache Bsp. Beispiel bspw. Beispielsweise BStBl. Bundessteuerblatt BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BundesBVerfGE verfassungsgerichts 293
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Abkürzungsverzeichnis
bzw. beziehungsweise DB Der Betrieb (Zeitschrift) ders. derselbe dies. dieselbe/dieselben Diss. Dissertation DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStRE Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) DStZ ebd. ebenda EBITDA Earnings Before Interests, Taxes, Depreciation and Amortisation Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) EFG EStG Einkommensteuergesetz EStH Einkommensteuer-Hinweise EuGH Europäischer Gerichtshof FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote Finanzrundschau (Zeitschrift) FR FS Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR GesR Gesellschaftsrecht GG Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-StB Der GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) GS Gedächtnisschrift HFR Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hs. Halbsatz i. d. F. in der Fassung in der Regel i. d. R. i. S. d. im Sinne des im Sinne von i. S. v. in Verbindung mit i. V. m. IAS International Accounting Standards IFRS International Financial Reporting Standards InsO Insolvenzordnung IRZ Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung 294
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Abkürzungsverzeichnis
IStR Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) IWB Inernationale Wirtschaftsbriefe Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht JbFfStR JStG Jahressteuergesetz JZ Juristenzeitung KG Kommanditgesellschaft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KO Konkursordnung KStG Körperschaftsteuergesetz KStH Körperschaftsteuer-Hinweise KStR Körperschaftsteuer-Richtlinien lit. Buchstabe Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur MoMiG Bekämpfung von Missbräuchen MwStRL Mehrwertsteuer-Richtlinie MwStSystRL Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und WirtschaftsNWB recht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung OFD Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft OHG OLG Oberlandesgericht RAO Reichsabgabenordnung RFH Reichsfinanzhof RFHE Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlungen der Entscheidungen des RGZ Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rn. Randnummer RStBl. Reichssteuerblatt s. siehe s. a. siehe auch SE Societas Europaea Slg. Sammlung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften St. Rspr. ständige Rechtsprechung StB Der Steuerberater (Zeitschrift) Stbg Die Steuerberatung (Zeitschrift) StbJb Steuerberaterjahrbuch 295
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Abkürzungsverzeichnis
SteuK Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) StuB Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuerliche Vierteljahreszeitschrift StVj Tz. Textziffer u. a. unter anderem u. U. unter Umständen Ubg Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) UmwG Umwandlungsgesetz UmwStG Umwandlungssteuergesetz UR Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) UStAE Umsatzsteuer-Anwendungserlass UStG Umsatzsteuergesetz usw. und so weiter v. vom vom Hundert v. H. Var. Variante verdeckte Gewinnausschüttung vGA vgl. vergleiche VO Verordnung Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WM Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WPg WpHG Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZEV Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer Zins-/Lizenz-RL Zins- und Lizenz-Richtlinie Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP zit. zitiert Zivilprozessordnung ZPO
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Stichwortverzeichnis Abgeltungsteuer 170 ff. – Bedeutung der Gesetzesma terialien 176, 189 ff. – Normstruktur 171 – Regelungszweck 171 ff. – Stiftung als nahestehende Person 192 ff. Angehörige – § 1 AStG 130, 135 ff. – Abgeltungsteuer 173 ff. – Angehörigen-Rechtsprechung des BFH 75 ff. – de lege ferenda 262 ff. – Handelsbilanz 58 ff. – Insolvenzanfechtung 14 ff. – Verlustabzug 234 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung 99 ff. Anscheinsbeweis – verdeckte Gewinnausschüttung 96 ff. – de lege ferenda 269 Anhangangaben (Handelsbilanz) – Marktunüblichkeit 43 ff. – Negativabgrenzung des IAS 24.11 64 ff. – Regelungsbedürfnis 36 ff. – Schlüsselposition im Management des berichtenden Unternehmens 56 f. – sonstige Angabepflichten 46 ff. – Systematik des IAS 24 47 f. – wirtschaftliche Betrachtungsweise 49 ff. beherrschender Gesellschafter 88 f. Beherrschung – § 1 AStG 130 ff.
– IAS 24 51 ff. – § 8c KStG 234 f. – verdeckte Gewinnausschüttung 88 f. „besondere Beziehungen“ 238 ff. Beweislast im Rahmen der verdeckten Gewinnaus schüttung 96 f. Bezugspunkt des Nahestehens 252 f. externe Berater 26 f. „faktische Näheverhältnisse“ 263 f., 267 Freundschaft – faktische Näheverhältnisse im Vergleich 263 f. – Handelsbilanz 58 ff., 70 ff. – Insolvenzanfechtung 30 f. – verdeckte Gewinnausschüttung 103 f. – de lege ferenda 270 ff. IAS-Verordnung 35 f. Insolvenzanfechtung – Anwendungsfälle 10 f. – Regelungsbedürfnis 11 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 267 Mindestbemessungsgrundlage – Fallgruppen von Nähebeziehungen 153 f. – marktunübliches Entgelt 155 ff. – „symbolischer Preis“ 157 f. – teleologische Reduktion 155 – unionsrechtliche Grund lagen 151 ff. 315
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Stichwortverzeichnis
Nahestehen (Systematisierung) – Fremdüblichkeit der Verein barung 250 f. – Bezugspunkt 252 – Einbeziehung familiärer Beziehungen 262 – faktische Näheverhältnisse 263 ff., 267, 270 – gesellschaftsrechtliche Beteiligungsgrenze 271 ff. – Trennung zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften 259 ff. – Zeitbezug 253 Oder-Konto-Beschlüsse 75 f. OECD-Musterabkommen – Art. 9 123 f. – Art. 11 und 12 238 ff. Stiftung als nahestehende Person – Abgeltungsteuer 192 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung 115 ff. symbolischer Preis 157 f. Spenden und verdeckte Gewinnausschüttung 115 ff. Strukturmerkmale der „nahestehenden Person“ 259 ff. Trennungsprinzip 81, 263 f., 267 Veranlassungsprinzip 81 f., 263 ff. verdeckte Gewinnausschüttung 77 ff. – Anscheinsbeweis 96 ff. – beherrschender Gesellschafter 88 ff. – Definition 77 f. – familienrechtliche Beziehungen 99 ff.
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– Fremdvergleich 83 ff. – Freundschaft 103 f. – Gesellschafteridentität 106 ff. – mittelbarer Gesellschafter 112 f. – Schuldübernahme 118 – Spenden 115 ff. – Veranlassungsprüfung 82 ff. – Vermögensvorteil 93 ff. vergleichbare gesellschaftsrecht liche oder dienstvertragliche Verbindung 22 ff. verfahrensrechtlicher Kontext des Nahestehens 257 f. Verlustabzug 220 ff. – Erwerberkreis 227 f. – gleichgerichtete Interessen 228 ff. – Normstruktur 221 – Verhältnis zu § 42 AO 225 f. Verrechnungspreise – Dokumentations- und Mitwirkungspflichten 125 f. – beherrschender Einfluss 130 ff. – geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten 134 ff. – Kritik 143 ff. – Interessenidentität 137 ff. – wesentliche Beteiligung 127 ff. wirtschaftliche Abhängigkeit 264 ff. Zeitbezug des Nahestehens 253 f. Zinsschranke – Kreis der „schädlichen Geldgeber“ 201 f. – Normstruktur 199 f. – Verweisung auf außensteuerrechtliche Begriffsdefinition 202 ff.