Geschäft mit Wort und Meinung: Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1996 und 1997 [Reprint 2019 ed.] 9783486831061, 9783486563702

Der vorliegende Band faßt die Büdinger Tagungen der Jahre 1996 und 1997 zusammen. In 16 Beiträgen werden Medienschaffend

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German Pages 385 [388] Year 1999

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Unternehmer im Medienbereich: Historische Entwicklungen, Kennzeichen, Fragen
Medienunternehmer zwischen Kunst und Kommerz
Verlegerisches „Know-how" im 18. und frühen 19. Jahrhundert: Die Verlagsstrategie Johann Friedrich Cottas 1787-1795
Rudolf Mosse: Vom Werbekönig zum Pressezaren
Hugenberg als politischer Medienunternehmer
Verlegen à fonds perdu: Gustav Kiepenheuer als Unternehmerpersönlichkeit
Samuel Fischer Peter Suhrkamp Siegfried Unseld. Vorüberlegungen zu einer Verlegertypologie im 20. Jahrhundert
Filmwirtschaft als medienpolitische Komponente schwerindustrieller Unternehmensstrategien im Stinnes-Konzern während des I. Weltkriegs und der Weimarer Republik
Rundfunk-Intendanten als Medienunternehmer
„Führer der Sender". Rundfunkintendanten im „Dritten Reich"
Zum Selbstbild westdeutscher Werbeunternehmer der Nachkriegszeit. Eine ideologiegeschichtliche Bestandsaufnahme
Verleger der populären Presse in der Bundesrepublik
Axel Springer. Ein Medienunternehmer mit Fortune
Missionare und Evangelisten. Unternehmer der online-Medien 1991 - 1995
Erfahrungen eines Zeitzeugen im Mediengeschäft
Die Autorinnen und Autoren des Bandes
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Geschäft mit Wort und Meinung: Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1996 und 1997 [Reprint 2019 ed.]
 9783486831061, 9783486563702

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Geschäft mit Wort und Meinung

DEUTSCHE FÜHRUNGSSCHICHTEN IN DER NEUZEIT

Band 22

Im Auftrag der Ranke-Gesellschaft Vereinigung für Geschichte im öffentlichen Leben Herausgegeben von Günther Schulz

Harald Boldt Verlag im R. Oldenbourg Verlag

Geschäft mit Wort und Meinung Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert

Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1996 und 1997

Herausgegeben von Günther Schulz

Harald Boldt Verlag im R. Oldenbourg Verlag München 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geschäft mit Wort und Meinung : Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert / hrsg. von Günther Schulz. - München : Boldt im Oldenbourg Verl., 1999 (Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte ; 1996/1997) (Deutsche Führungsschichten der Neuzeit ; Bd. 22) ISBN 3-486-56370-X

© 1999 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D - 81671 München Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Gesamtherstellung: WB-Druck, 87669 Rieden am Forggensee ISBN 3-486-56370-X

Vorwort

Die „Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte" umfassen Vorträge und Gespräche, die seit 1963 alljährlich unter der Schinnherrschaft der „RankeGesellschaft, Vereinigung für Geschichte im öffentlichen Leben e.V." und des „Instituts für personengeschichtliche Forschung (Bensheim)" im Schloß zu Büdingen (Oberhessen) stattfinden. Der Ertrag wird in der Reihe „Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit" publiziert. Die Beiträge des vorliegenden Bandes 22 sind aus der 34. und 35. Tagung 1996 und 1997 hervorgegangen. Sie knüpfen thematisch an die Veranstaltungen über „Christliche Unternehm e r " sowie „Unternehmer und technischer Fortschritt" an, die Frau Professor Dr. Francesca Schinzinger seit 1992 organisiert hatte, bevor sie im Frühjahr 1995 die Leitung der Büdinger Gespräche an mich weitergab. Am 8. November 1995 ist sie plötzlich verstorben. Ihrem Andenken sei dieser Band gewidmet. Die Tagungen 1996 und 1997 brachten Historiker, Medien- bzw. Kommunikationswissenschaftler, Germanisten sowie weitere publizistisch und prosopographisch interessierte Teilnehmer zusammen und führten zu angeregten Diskussionen über die Grenzen der Wissenschaftsdisziplinen hinweg. Daß die Tagung erfolgreich verlief, ist vor allem den Referenten und den Diskutanten zu danken. Der Ranke-Gesellschaft, namentlich Herrn Professor Dr. Michael Salewski und Herrn PD Dr. Jürgen Elvert, sowie Herrn Lupoid von Lehsten vom Institut für personengeschichtliche Forschung bin ich für organisatorische und finanzielle Unterstützung verbunden, ferner Herrn Dr. Klaus-Peter Decker und Herrn Dr. Marcus Schüller für ihre Hilfe bei der Organisation der Tagung. Mein besonderer Dank gilt S.D. Fürst Wolfgang-Ernst zu Ysenburg und Büdingen f ü r seine Gastfreundschaft im Büdinger Schloß, dessen Bibliothek den sehr angenehmen Rahmen für die Gespräche bot. Die Bertelsmann AG, die Ludwig Sievers Stiftung und die Historische Kommission der ARD unter dem Vorsitz von Herrn Dietrich Schwarzkopf haben die Drucklegung des Bandes durch Zuschüsse ermöglicht. Dafür danke ich ihnen sehr. Für Unterstützung bei der redaktionellen Betreuung des Bandes und bei der Herstellung der Druckvorlage danke ich Frau Bettina Hinterthür und Herrn Dr. Marcus Schüller, Frau Monika Wakefield und Frau Julia Franke. Köln, im Juli 1998

Günther Schulz

Inhalt

GÜNTHER SCHULZ

Unternehmer im Medienbereich: Historische Entwicklungen, Kennzeichen, Fragen JOHANNES LUDWIG

Medienunternehmer zwischen Kunst und Kommerz BERNHARD FISCHER

Verlegerisches „Know-how" im 18. und frühen 19. Jahrhundert: Die Verlagsstrategie Johann Friedrich Cottas 1787-1795 ELISABETH KRAUS

Rudolf Mosse: Vom Werbekönig zum Pressezaren FRIEDRICH-WILHELM HENNING

Hugenberg als politischer Medienunternehmer ERNST FISCHER

Verlegen à fonds perdu: Gustav Kiepenheuer als Unternehmerpersönlichkeit HELMUT SCHANZE

Samuel Fischer - Peter Suhrkamp - Siegfried Unseld. Vorüberlegungen zu einer Verlegertypologie im 20. Jahrhundert DANIEL O T T O

Filmwirtschaft als medienpolitische Komponente schwerindustrieller Unternehmensstrategien im Stinnes-Konzern während des I. Weltkriegs und der Weimarer Republik EDGAR LERSCH

Rundfunk-Intendanten als Medienunternehmer ANSGAR DILLER

„Führer der Sender". Rundfunkintendanten im „Dritten Reich"

8

Inhalt

RAINER GRIES

Zum Selbstbild westdeutscher Werbeunternehmer der Nachkriegszeit. Eine ideologiegeschichtliche Bestandsaufnahme

251

A N D R E A S VOGEL

Verleger der populären Presse in der Bundesrepublik

275

R U D O L F STÖBER

Axel Springer. Ein Medienunternehmer mit Fortune

291

D I R K BAVENDAMM

Erfolgsfaktoren in einem Medienkonzem. Die Finna Bertelsmann in Gütersloh unter Leitung von Reinhard Mohn und familienfremden Managern

211

ΝΊΚΟ WAESCHE

Missionare und Evangelisten. Unternehmer der online-Medien 1991-1995

331

O T T O Β . ROEGELE

Erfahrungen eines Zeitzeugen im Mediengeschäft

365

Die Autorinnen und Autoren des Bandes

385

Unternehmer im Medienbereich: Historische Entwicklungen, Kennzeichen, Fragen VON GÜNTHER SCHULZ

Die wichtigsten Dimensionen des Unternehmerbegriffs wurden bereits bei den Biidinger Vorträgen 1992 über „Christliche Unternehmer" skizziert: Francesca Schinzinger erläuterte das Verständnis vom Unternehmer als Risikoträger, wie es erstmals Richard Cantillon um 1730 entwickelte, und stellte heraus, daß Adam Smith als unternehmerische Aufgaben weniger das Dirigieren, Kontrollieren und die Übernahme des Risikos als vielmehr die Kapitalhergabe betonte. Um 1800 „modernisierte" Jean Baptiste Say den Begriff, indem er die unternehmerische Tätigkeit von derjenigen des Kapitalgebers unterschied und als ihr wichtigstes Charakteristikum das Treffen der maßgeblichen Entscheidungen herausarbeitete, namentlich hinsichtlich der Koordination der Produktionsfaktoren. 1 Die Urteile über die Unternehmertätigkeit reichen von Gustav Schmollers zeitkritischer Sicht des Unternehmers 1918 als eines rücksichtslosen Gewinnjägers und Aufkäufers von geschäftlichem Einfluß bis zu Joseph A. Schumpet e r Akzentuierung der kreativen, innovativen und dynamischen Kraft des Unternehmers, der neue Verfahren und Produkte entwickelt und am Markt durchsetzt bzw. neue Kombinationen von Produktionsfaktoren realisiert und so die wirtschaftliche Entwicklung tatkräftig gestaltet. 2 Heute ist das Kriterium der Kapitalhergabe noch weiter in den Hintergrund getreten, denn den gestiegenen Kapitalbedarf vieler Unternehmungen kann eine einzelne Person nur im Ausnahmefall aufbringen. In den großen Aktiengesellschaften dominiert nicht der Eigentümer-Unternehmer, dessen Kennzeichen die Kapitalhergabe ist, sondern der Manager-Unternehmer. Ihn unterscheidet von

2

Francesca Schinzinger: Zur Einfuhrung In: Dies (Hg .): Christliche Unternehmer. Biidinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1992 und 1993 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 19) Boppard 1994, S 13-22, hier 14 f. Ebd., Joseph A Schumpeter: Unternehmer In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 4 A u f l , Band 8 Jena 1928, S 476-487, ders : Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Zuerst Leipzig 1911

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Günther Schulz

den übrigen unselbständig Beschäftigten die größere Reichweite seiner Entscheidungsgewalt. So definieren wir heute den Unternehmer gemeinhin als denjenigen, der in der Unternehmung die Entscheidungen von weitreichender, von „strategischer" Bedeutung fällt, sei er nun arbeitsrechtlich in selbständiger oder in unselbständiger Position tätig. Die Angestellten unterhalb der Unternehmerebene hingegen fallen Entscheidungen von kürzerer Reichweite, von „taktischer" Bedeutung. 3 Wir haben es hier mit Unternehmern im Bereich der Medien bzw. der Medienbranche zu tun, und diese hat sich in den letzten 300 Jahren grundlegend gewandelt 4 Auflage und Anzahl der bereits im 18. Jahrhundert vorhandenen Printmedien (Bücher, Zeitungen und Zeitschriften) vervielfachten sich vor allem auf der Grundlage des technischen Fortschritts bei der Herstellung und im Zusammenhang mit dem Rückgang des Analphabetentums. Zudem diversifizierte sich die Medienlandschaft seit Anbrach des industriellen Zeitalters zunehmend, und zugleich verflochten sich die Medien selbst immer weiter (z.B. Literatur und Film in der Literaturverfilmung, Literatur und Zeitungen durch Fortsetzungsromane, Buchrezensionen etc.). In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts kam es dann zur massenhaften Verbreitung der damals so genannten „neuen Medien" Rundfunk und Film und nach dem Zweiten Weltkrieg auch des Fernsehens. Seit Mitte der siebziger Jahre entwickelten sich Video und Compact Disc zu weit verbreiteten und vielseitig nutzbaren Medien. Die Zulassung von privatem Rundfunk in der Bundesrepublik 1984 und der Beginn von privatem Satellitenfernsehen 1985 brachten grundlegende Veränderungen der Medienlandschaft. 5 Mit der Entwicklung preiswerter Personal Computer durchbrach die elektronische Datenverarbeitung die Grenze zwischen kommerzieller und privater Nutzung. In jüngster Zeit sind wir mit zahlreichen neuartigen Medien aus dem online-Bereich konfrontiert, deren künftige Entwicklungsdimensionen - weltweite Networks, „Datenautobahnen", Digitalisierung, „Cyberspace" - noch nicht abzusehen sind, von den gesellschaftlichen und politischen Folgen ganz zu schweigen. Hier seien nur als Stichwörter genannt: die Doppelgesichtigkeit der Medien als kontrollierende wie als unkontrolliert anmaßende

3

Für die historische Entwicklung siehe Jürgen Kocka: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung Göttingen 1975, insbes S 14 Vgl auch Hans Jaeger: Unternehmer. In: Geschichtliche Grundbegriffe Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Band 6 Stuttgart 1990, S 707-732 Die Auswertung von 1 662 Unternehmerbiographien in der Bundesrepublik bei M a x Kruk Die großen Unternehmer. Woher sie k o m m e n - Wer sie sind - Wie sie aufstiegen. Frankfurt a M. 1972. Siehe den Literaturüberblick von Axel Schildt: Zur Historisierung der massenmedialen Revolution Neue Literatur über Massenkommunikation, Film und Fernsehen. In: Archiv fur Sozialgeschichte 36 (1996), S. 443-458 Siehe dazu im einzelnen Alphons Silbermann/Albin Hänseroth: Medienkultur, Medienwirtschaft, Medienmanagement. Frankfurt a M etc 1989, S 51 ff et passim.

Unternehmer im Medienbereich

11

vierte Gewalt im Staat; die Gefahren der Telekratie, der Meinungsherrschaft durch große Verbünde von Print- und audiovisuellen Medien und von ihnen affilierten weiteren wirtschaftlichen und gesellschaftlich-politischen Kräften; neuerdings die Möglichkeiten der digitalen Manipulation, die es erlaubt, alles mit allem täuschend echt zusammenzubringen, so daß das Bild seine Eigenschaft als zuverlässige Informationsquelle überhaupt zu verlieren droht. 6 Die Medien sind, so Gablers Wirtschaftslexikon, Einrichtungen „zur Übermittlung von Informationen, Meinungen etc., vor allem Funk, Fernsehen und Presse". 7 Damit hat es jedoch nicht sein Bewenden. Die Kommunikationswissenschaften haben einen weit differenzierteren Zugriff entwickelt, der nicht nur die Elemente Sender, Information bzw. Botschaft und Empfänger umfaßt, sondern auch die vielfältigen Formen und Kontexte der Codierung, Übertragung und Decodierung. Wenn wir hier der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Perspektive den Vorzug geben, finden wir in Gablers Wirtschaftslexikon eine Definition von „Massenmedien", die die Problematik erahnen läßt. Massenmedien seien, so heißt es dort ein wenig sibyllinisch, „Möglichkeiten der Produktion und Darstellung von Mitteilungen, ihrer Speicherung, Vervielfältigung, Verbreitung und Rezeption an eine Vielzahl anonymer Rezipienten". 8 Damit ist das große Potential der Medien hervorgehoben. Unternehmer im Medienbereich - bislang noch wenig erforscht 9 - nehmen unter den Unternehmern eine Sonderstellung ein. Diese ist durch einen Dualismus geprägt. Auf der einen Seite sind sie dem ökonomischen Erfolg verpflichtet - sie müssen die wirtschaftliche Basis ihres Unternehmens aufbauen und erhalten und zu diesem Zweck aus dem Verkauf ihrer - im wesentlichen „geistigen" - Produkte Gewinn erzielen. Auf der anderen Seite spielen beim Vertrieb von Medien neben kommerziellen Zielen willentlich oder unwillentlich auch andere, nichtkommerzieller Faktoren eine Rolle: z.B. das Bemühen um politische Wirkung,

6

7 8 9

Einen soziologischen Überblick über Märkte, Produktion, Publikum und Wirkung von Film, Rundfunk und Fernsehen vornehmlich in den U S A , doch ohne nähere Thematisierung der Medienunternehmer, gibt Dieter Prokop: Medien-Macht und MassenWirkung Ein geschichtlicher Überblick (Rombach Wissenschaft - Reihe Litterae, Band 34) Freiburg i. Br 1995 Gablers Wirtschaftslexikon, 14 Aufl. Wiesbaden 1997, Stichwort „Medium", S 2 581 Ebd , Stichwort „Massenmedien", S. 2 567. Vgl. Hans-Jürgen Jakobs/Uwe Müller: Augstein, Springer & Co. Deutsche Mediendynastien Zürich/Wiesbaden 1990, S 7 Pionierarbeiten hat Heinz-Dietrich Fischer publiziert, u.a. (als Hg.): Deutsche Presseverleger des 18 bis 2 0 Jahrhunderts (Publizistik-historische Beiträge 4) Pullach 1975; ders. (Hg .): Pioniere der Nachkriegspublizistik Berichte von Initiatoren des Kommunikationssystems nach 1945 Köln 1986

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Günther Schulz

zumindest aber der Effekt einer politischen Wirkung im Bereich der Presse sowie kulturelle Interessen im Bereich belletristischer Verlage.10 Seit dem 18. Jahrhundert variiert das Gewicht der beiden charakteristischen Seiten der Unternehmertätigkeit im Medienbereich vielfaltig, doch insgesamt erfuhr auch der Mediensektor mit seiner explosionsartigen Ausweitung eine zunehmende Kommerzialisierung, die insbesondere kulturelle Interessen immer weiter zurückzutreten lassen scheint. In der Presse begann sich seit der Aufklärung ein selbständiges Verlegertum unter Trennung von der journalistischen Arbeit herauszubilden, wenngleich im 19. Jahrhundert noch viele Verleger auch Redakteure waren. Seit etwa 1830 nahm die Zahl der hauptberuflichen Journalisten stark zu. Der geschäftliche Bereich wurde vom redaktionellen getrennt, wobei dem Verleger als Drucker und Kaufmann die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens oblag. Damit waren jedoch Anpassungsschwierigkeiten verbunden: Hatte der Verleger-Redakteur mit seiner Person für die Haltung seiner Zeitung eingestanden, mußte sich jetzt der hauptberufliche Journalist dem Konzept des Verlegers unterordnen." Mit dem Aufkommen des Anzeigenwesens und der Massenpresse („Generalanzeiger-Presse") in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandelte sich das Berufsbild des Presseverlegers erneut. Die handwerklich-technische Komponente der Verlegertätigkeit' 2 verlor an Bedeutung. Statt dessen wurde die kaufmännische Seite immer wichtiger bei der Auseinandersetzung mit den neuen, gewinnorientierten Geschäftsmethoden der Massenpresse seitens der herkömmlichen, politisch-orientierten Meinungspresse. 13 Ermöglicht wurde das Aufkommen der Massenpresse durch den technischen Fortschritt bei der Herstellung, insbesondere durch die zunehmende Mechanisierung. Mit der Kommerzialisierung ging der Trend zur Konzentration in großen Pressekonzernen einher (Mosse, Ullstein, Scherl). Damit bildete sich erneut ein neuer Verlegertyp im Pressewesen heraus, der (angestellte) ManagerVerleger, der vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgt. So trat denn auch die

Kurt Koszyk: Deutsche Presse im 19 Jahrhundert Geschichte der deutschen Presse, Teil II (Abhandlungen und Materialien zur Publizistik 6) Berlin 1966, S. 2 2 8 Ebd , S 2 1 8 ff , 225, 228 Seit etwa 1840 fand zudem eine Politisierung statt: Aus der Nachrichtenpresse w u r d e eine an den Parteiströmungen orientierte Meinungspresse im ständigen Konflikt mit der Zensur Die erste Organisation der Zeitungsverleger nannte sich „Deutscher BuchdruckerVerein" (1869), ebd , S. 223. Eberhard Henze: Verlagskonzerne bis 1945 In: Verband der Verlage und Buchhandlungen in Baden-Württemberg e.V. (Hg .): N e u e Lehrbriefe für den Buchhandel (NLB), Lehrbrief V / 9 Stuttgart 1978, S 53-58, hier 53; Koszyk: Deutsche Presse (wie Anm. 10), S 223 f

Unternehmer im Medienbereich

13

publizistisch-politische Funktion der Zeitungen seit etwa 1880 immer mehr in den Hintergrund.14 Eine andere Entwicklung nahmen die Buchverlage. Bei Ihnen kam es im 19. Jahrhundert zu einer Spezialisierung: Hatte es zuvor überwiegend Universalverlage gegeben, die alle Arten von Büchern anboten und denen häufig eine Druckerei oder eine Sortimentsbuchhandlung angeschlossen war, so bildeten sich nun Spezialtypen heraus, z.B. wissenschaftliche Verlage, Roman-, Fachund Schulbuchverlage. 15 Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Welle von Gründungen literarischer Verlage, die sich durch starken kulturellen Einsatz ihrer Inhaber auszeichneten. Diese verband die Leidenschaft für „schöne" und „gute" Bücher, ihr Geschäftssinn hingegen war unterschiedlich stark ausgeprägt.' 6 Diese sogenannten literarischen, Individual- oder Kulturverleger, deren Führungsstil von ihrer starken Persönlichkeit bestimmt und meist patriarchalisch, ja autoritär war, 17 konzentrierten sich auf die Vermittlung von Literatur, die ihnen bedeutsam erschien. Beispiele sind Gustav Kiepenheuer, Samuel Fischer, Ernst Rowohlt, Anton Kippenberg, Georg Müller und Albert Langen. Ihr Interesse galt der Bildung, ihre politisch-gesellschaftliche Einstellung war in der Regel liberal.18 Die technische Entwicklung führte seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch im Buchhandel zu einer außerordentlich starken Ausdehnung, was die Auflagen wie die Vielfalt der Produkte angeht. In der Weimarer Republik gewannen im Zuge amerikanischer Einflüsse Bestsellerlisten und billige Buchausgaben 19 an Bedeutung. Kulturelle Ziele traten gegenüber dem Streben nach hohen Verkaufszahlen und wirtschaftlichem Erfolg in den Hintergrund.20 Die Indivi14

"

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17

18 19

20

Koszyk ebd., S 228. Wolfgang R. Langenbucher: Der Verlag im gesellschaftlichen Kommunikationsfeld, in: Peter Meyer-Dohm/Wolfgang Strauß (Hg ): Handbuch des Buchhandels, Band II: Verlagsbuchhandel Hamburg 1975, S 33-36, hier 36, Eduard Schönstedt: Der Buchverlag Geschichte, Aufbau, Wirtschaftsprinzipien, Kalkulation und Marketing Stuttgart 1991, S 15-26. Ernst Rowohlt beispielsweise „verstand als gelernter Bankier recht viel vom Geld"; vgl Kurt Pinthus: Vorwort In: Mara Hintermeier/Fritz J Raddatz ( H g ) : RowohltAlmanach 1908-1962 Reinbek 1962, S 9-40, hier 29; Bruno Cassirer dagegen hatte nur wenig Sinn fur die kaufmännischen Notwendigkeiten des Verlagsgeschäfts, vgl Bernd Abele: Zur Geschichte des Verlages Bruno Cassirer 1928-1932 In Buchhandelsgeschichte 1989/4, S B121-B135, hierB126. Vgl Abele ebd., S Β125; Gottfried Bermann Fischer: Bedroht - Bewahrt Weg eines Verlegers Frankfurt a M 1967, S 31. Helga Abret: Albert Langen Ein europäischer Verleger München 1993, S 259 ff Z.B. im Verlag Thomas Knaur, vgl. Bermann Fischer: Bedroht (wie Anm 17), S 65 Zur Geschichte siehe Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels Ein Überblick München 1991 Dazu trug nicht zuletzt der Kampf um das wirtschaftliche Überleben in den Krisenjahren bis 1924 und 1929 bis 1933 bei, der zu Konzessionen an den Massengeschmack zwang

14

Günther Schulz

dualverleger versuchten nun, sich bewußt von der „Buchindustrie" abzusetzen. Außerdem gewannen politische Positionen parallel zur Politisierung der Weimarer Gesellschaft auch im Buchverlag Bedeutung. Zu nennen sind Gewerkschafts-, Partei- bzw. Weltanschauungsverlage wie Langen-Müller 21 und Malik. Die persönliche Verbindung zwischen Autor und Verleger, die häufig über das berufliche Zusammenwirken hinausging und die Individualverlage kennzeichnete, nahm mit zunehmender Größe und mit der Anonymität der Unternehmungen ab. 22 Die Vielfalt der Verlagslandschaft ging zurück. Nicht melir der individuelle Eigentümer-Unternehmer bestimmt das Profil eines Verlages, sondern viele der früher selbständigen Häuser gehören mittlerweile zu großen Konzernen, wenn auch der Verlagsname erhalten blieb, und das Verlagsprofil wird in deren Führangsetagen entwickelt. So gehören z.B. S. Fischer, Rowohlt und andere Verlage heute zur Holtzbrinck-Gruppe, und der Medienriese Bertelsmann vereinigt unter seinem Dach u.a. die Verlage Siedler und Gabler. Bei den audiovisuellen Medien ist der Typus des Eigentümer-Unternelimers, anders als bei den Printmedien, nicht weit verbreitet. Insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten dominiert der Typus des Manager-Unternehmers, was hauptsächlich mit der anders gearteten Rechtsform und dem gewaltigen Kapitalbedarf dieser Medien zusammenhängt. Ob sich trotz dieser Vielfalt der Unternehmertypen im Medienbereich Züge eines „Medienunterneluners" als eines spezifischen Unternehmertyps herausarbeiten lassen, ob es über die historischen Epochen und die Grenzlinien zwischen den Medien hinweg eine „äußere" oder eine „innere" Einheit der Medien gab und gibt, das ist eine der zentralen Fragen dieser Büdinger Gespräche. Deren Konzeption speist sich aus zwei Quellen. Zum einen dienen die Tagungen der Erforschung der „Führungsschichten in der Neuzeit", wie es seit 1965 im Untertitel der Publikationsreihe heißt. Damit ist vornehmlich ein prosopographischer Zugriff verbunden, wie er auch in der Beteiligung des Instituts für personengeschichtliche Forschung zum Ausdruck kommt. Zum anderen liegt den aktuellen Büdinger Geprächen auch ein Unternehmens- bzw. wirtschaftshistorischer Ansatz zugrunde. Die mit den Referenten abgesprochene Fragestellung verbindet beide Aspekte. Es werden Unternehmer der Print-, der audio-/visuellen sowie der elektronischen bzw. digitalen Medien untersucht. Ziel ist es, Fragen und Informationen, methodische Ansätze und konzeptionelle

Siehe dazu Andreas Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller Zur Buchmarkt- und Kulturpolitik des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes ( D H V ) in der Endphase der Weimarer Republik In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 32 (1989), S. 1-271. Vgl Fritz H Landshoff: Amsterdam, Keizersgracht 333 Querido Verlag Erinnerungen eines Verlegers Mit Briefen und Dokumenten Berlin/Weimar 1991, S 23 f

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Unternehmer im Medienbereich

Überlegungen aus den interessierten Disziplinen zusammenzuführen. Die Wirtschafts- und Sozial- bzw. Unternehmensgeschichte, die Germanistik und die Kommunikationswissenschaften,

Publizistik,

Rundfunkökonomie,

Film-

und

Fernsehwissenschaft etc. haben eine umfangreiche Literatur hervorgebracht, die sich in der Regel auf die jeweiligen fachwissenschaftlichen Aspekte konzentriert, seien es die Wirtschaftstätigkeit und der unternehmerische Erfolg, sei es die gesellschaftliche Rezeption, seien es Fragen der Ästhetik. D i e Tagung soll dazu beitragen, Kooperation und Austausch unter den Fachwissenschaftlern zu verbessern, über Ergebnisse aus den Disziplinen zu informieren, neue Fragen zu formulieren und Anregungen zu geben, um so dem Gegenstand durch die Präsentation ausgewählter, typischer Beispiele und verallgemeinernder Fragen aufzuschließen. Unter Einbeziehung von Ergebnisse im Bereich der Eliteforschung, Prosopographie und Unternehinergeschichte geht es bei diesen Büdinger Gesprächen insbesondere um folgende Fragen: woher stammten Interesse Kapital und K n o w - h o w der Medienunternehmer und welches waren Bedingungen für Erfolg und Mißerfolg. Standen kaufmännische oder politische, aufklärerische

oder

andere

Interessen

im

Vordergrund?

Gab

es

typische

Ausbildungsgänge, familiäre Konstellationen und Hintergründe, typische politische Orientierungen und Zugänge zu Kenntnissen, Kapital sowie persönlichen Verbindungen? Eine spezifische Theorie des Medienunternehmers gibt es bislang nicht, und viele Mediengeschichten unternehmen noch nicht einmal den Versuch, den Typus des Medienunternehmers näher zu bestimmen - dies gilt nicht nur aber gerade auch für viele Verlagsgeschichten, die das Leben und Werk von Verlegern und Verlegerfamilien darstellen und die für sich genommen wichtig und verdienstvoll und keineswegs gering zu veranschlagen sind. Häufig fehlen hier eine Reflexion des Unternehmerbegriffs und eine vergleichende Einordnung der individuellen Befunde. Folgende Leitfragen sind den Referaten vorangestellt: •

Gibt es den Typus „Medienunternehmer"? Oder gibt es nur den Unternehmer schlechthin, bei dem es wenig Unterschied macht, ob er Eisen oder Teppiche, Butter oder Getreide, Informationen oder Dienstleistungen herstellt, beschafft oder verkauft? Sind die unternehmerischen Eigenschaften und Prägungen

unabhängig

vom

Produkt?

Immerhin

unterscheidet

die

Unternehmergeschichte deutlich den Agrarier vom Kaufmann, den Schwerindustriellen vom Chemieunternehmer, den Industriellen vom Bankier. Sie arbeitet dabei insbesondere Unterschiede hinsichtlich

Know-how-Erwerb,

politischer Orientierung, kultureller und Wertorientierung heraus. Gibt es solche Charakteristika auch für „ d e n " Medienunternehmer?

16

Günther Schulz



Ist für den Medienunternehmer der Unternehmer als Typus die Referenz im Allgemeinen, so ist es der Unternehmer in den einzelnen Sparten im Besonderen. Gibt es dann überhaupt, so die zweite Leitfrage, den Medienunternehmer schlechthin - oder gibt es nur die unterschiedlichen Typen des Buch-, Zeitschriften-, Zeitungs-, Rundfunk-, Film- bzw. Fernsehverlegers? Braucht man überhaupt einen die Einzelmedien umspannenden Unternehmerbegriff? - Dann wäre der Begriff „Medienunternehmer" in Relation zum Zeitungsverleger und Filmproduzenten so etwas wie der Begriff „Angestellter" in Relation zum Buchhalter, Verkäufer und Ingenieur. Die Frage nach dem Medienunternehmer scheint die Frage nach der Einheit der Medien zur Voraussetzung zu haben.



Welche Bedeutung hat die eigene Familie für die Leitung der Medienunternehmen? Welcher Art sind die Einflüsse der personenbezogenen Rechtsformen? Familienhafte Regelwerke scheinen wichtig, aber nicht entscheidend zu sein. Was sind ihre Vorteile - Zuverlässigkeit, Vertrauen, Leistungsbereitschaft? Was ihre Nachteile - Niedergang des Unternehmens bei Inkompetenz der Familienangehörigen? Wie wirkten sich die elementaren betriebswirtschaftlichen und betriebstechnischen Veränderungen der Medienwelt seit dem 18. Jahrhundert auf Herkunft, Know-how-Erwerb, Anforderungen an den Unternehmer, auf Erfolg oder Mißerfolg aus? Hier sind insbesondere die Entfaltung des kaufmännischen Rechnungswesens, die Ausdifferenzieaing von Kalkulation und Buchhaltung und die Revolutionen in der Drucktechnik sowie bei den Techniken der audiovisuellen Medien zu nennen. Auch eröffneten z.B. die neuen Annoncenbüros und die zunehmende Werbung den Zeitungsverlegern neue, weitergehende Möglichkeiten innerhalb und außerhalb ihres Geschäftsfeldes. Genügte es da weiterhin, wenn der Verleger, wie etwa Helga Abret über Albert Langen schreibt, beweglich, lebhaft, liebenswürdig, anregend, behende, eilig, aufgeschlossen, anpassungs- und leistungsfähig - und wohl auch kapitalkräftig - war? 23 Mußte er selbst über betriebswirtschaftliche oder technische Fähigkeiten verfügen, oder konnte er solche Aufgaben delegieren? Gibt es trotz der dominierenden Tendenz zum angestellten Unternehmer noch den Typus des Eigentümers - als Kaufmann, kommunikativen Vermittler etc.?





Wie wirkten sich Änderungen der politischen Rahmenbedingungen auf Herkunft, Know-how-Erwerb, Erfolg oder Mißerfolg der Medienunternehmer aus? In diesem Zusammenhang sind z.B. folgende Aspekte zu berücksichtigen: der Weg aus der Kleinstaaterei des 18. Jahrhunderts zum deutschen Nationalstaat und in die Europäischen Union, das Entstehen politischer Abret: Albert Langen (wie Anm. 18), S 133 f.

Unternehmer im Medienbereich

17

Parteien und ihrer Presse, Eingriffe des Staates, seien diese ordnungspolitischer Natur (Wettbewerb), fiskalischer (Steuern) oder rechtlicher (Zensur). Das Raster dieser Fragen kann natürlich nicht bei allen Aufsätzen gleichermaßen angelegt werden, zumal die Themen nicht enzyklopädisch, sondern exemplarisch ausgewählt wurden. Johannes Ludwig entwirft in seinem Beitrag über den Zusammenhang und die Widersprüche von Kunst und Kommerz den medienökonomischen Bezugsrahmen des Themas. Er analysiert die typischen kommerziellen Probleme von Medienmärkten, systematisiert die monetären und nichtmonetären Interessen und Motive der Unternehmer und skizziert wichtige historische Veränderungen. Er entwickelt eine Typologie der Medienunternehmer, bei der er - an Gedankenstriche Fritz Redlich anknüpfend - Neuland betritt. Dabei ordnet er viele der von den weiteren Autoren des vorliegenden Bandes untersuchten Unternehmer ein und stellt so eine Verbindung zwischen der systematischen und der historischen Betrachtung her. Ein „klassischer" Buchverleger war Johann Friedrich Cotta, dessen Knowhow und unternehmerische Strategie Bernhard Fischer untersucht. In der Umbruchsituation des späten 18. Jahrhunderts wurde Cotta in kurzer Zeit Marktfülirer und setzte Maßstäbe hinsichtlich der Verträge, Honorare und der Vermarktung auf einem weiten „nationalen" Markt - eine Erfolgsgeschichte, die auf kaufmännischer Behutsamkeit und auf raschem Aufgreifen von Chancen gründete. Vornehmlich wirtschaftlich ambitioniert war Rudolf Mosse, der eine bekannte Geschäftsidee im Anzeigengeschäft geschickter als andere vermarktete, Neueningen (wie das Pachtsystem von Anzeigenraum) entwickelte und vom Anzeigenwerber zum bedeutenden Buch- und Zeitungsverleger aufstieg. Als Ursachen seines Erfolgs arbeitet Elisabeth Kraus das Erkennen günstiger Gelegenheiten heraus, ferner kaufmännische Raffinesse, Risikostreuung und behutsame Expansion, geschickte Personalfíihrung unter Einsatz der Familie, eine starke Persönlichkeit, Fleiß und Bescheidenheit bis zur Askese. Spezifisch jüdische Faktoren, so Kraus, hätten bei Mosses Aufstieg zum Werbekönig keine Rolle gespielt. Politisches Engagement stand bei Alfred Hilgenbergs unternehmerischer Tätigkeit im Vordergrund. Auch er war zunächst im Anzeigengeschäft tätig, bevor er den Verlag Scherl erwarb. Friedrich Wilhelm Henning beschreibt den politischen und unternehmerischen Werdegang Hugenbergs und betont, wie stark dieser das Medium Presse politisch instrumentalisiert habe, wenngleich auch wirtschaftlicher Erfolg für ihn wichtig gewesen sei. Gustav Kiepenheuer war ein Vollblutverleger. Seine verlegerische Tätigkeit wurde von literarischem Interesse getragen. Ernst Fischer kann durch Auswertung von Archivalien des Gustav Kiepenheuer Verlags einen Blick hinter die

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Günther Schulz

Kulissen des Literaturbetriebs werfen. Dabei wird ein Wirtschaftsunternelunen sichtbar, das bei anhaltender Finanznot versuchte, dem Konkurs zu entgehen, der schließlich 1933 doch eintrat. Fischer entwirft das Bild eines Literaturverlegers, der mit Charisma und Vorschüssen unternehmerische Strategien entwikkelte, die wirtschaftlich überaus problematisch, doch literarisch produktiv waren. Der Beitrag von Helmut Schanze nimmt - inhaltlich an der Schnittstelle der Print- mit den audiovisuellen Medien - Überlegungen zur Typisierung auf. Schanze macht die Spannung zwischen der verlegerischen Individualität und den Versuchen zur Typologisierung fiir seine Überlegungen nutzbar. Am Beispiel Samuel Fischers skizziert er die hinter verlegerischen Prinzipien - den Versuchen, das „ganze Werk" seiner Autoren zu verlegen, dieses in eine „Universalbücherei" einzubinden und durch eine Hauszeitschrift und einen „Almanach" zu verbreiten - liegende Programmatik und geht auf den Wandel ein, den die verlegerische Arbeit bei Sulirkamp und Unseld mit der Ausweitung vom Medium Buch über das Medium Hörspiel/Rundfunk zum Medium Film/Fernsehen erfuhr Hugo Stinnes' weithin unbekannte Beteiligung an privaten Filmgesellschaften untersucht Daniel Otto. Stinnes begann etwa 1918, sich bei Werbe- bzw. Propagandafilmen zu engagieren. 1923 gründete er mit Wladimir Wengeroff, einem frühen russischen Filmproduzenten, die „Westi" als europäische Filmgesellschaft mit weltweiten Ambitionen. Stinnes' Engagement im Filmgeschäft war, so Otto, vornehmlich ökonomisch motiviert. Nach seinem Tod trieben seine Söhne die Expansion des Filmvertriebs- und -Verleihgeschäfts voran und kooperierten u.a. mit Hugenbergs Deulig GmbH. Die Westi expandierte stark, ging aber 1925 im Strudel der Liquiditätskrise des Stinneskonzerns unter. Ob die Intendanten der öffentlichen Rundfunkanstalten Medienuntemehmer waren und sind, ist die Leitfrage von lidgar Lersch. Er stellt die Handlungsspielräume der Intendanten in der Weimarer Republik („Programmleiter") und in der Bundesrepublik dar: Programmauftrag, Organisations- und Führungsstrukturen sowie öffentliche Erwartungen. Er skizziert exemplarisch das Selbstverständnis und die Führungstätigkeit von Intendanten und bildet Typen, vornehmlich nach deren Herkunft. Lersch zieht das Fazit, daß die Intendanten Führungskräfte sui generis seien, da sie nicht das volle ökonomische Risiko tragen, und er formuliert weiterführende Fragen zu den unternelunerischen Eigenschaften des Intendantenberufs. Die rasche umfassende Eroberung des Rundfunks durch die Nationalsozialisten untersucht Ansgar DUler. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels wechselte mit einer Ausnahme alle Intendanten aus. Diller beschreibt die Karrieren und stellt die Rolle der Intendanten in der Rhetorik und der Praxis

Unternehmer im Medienbereich

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des NS-Regimes dar, das sie zu Erfüllungsgehilfen ohne eigenen Handlungsspielraum machte. Mentalitätsgeschichtliche Aspekte untersucht Rainer Gries mit einem kollektivbiographischen Ansatz bei der Erforschung von Medienunternehmern. Er analysiert das Selbstverständnis von Unternehmern der Werbebranche in den fünfziger und sechziger Jahren. Dieses war auf Grund gesellschaftlicher Geringschätzung und Kritik (als „geheime Verführer") vom Gefühl der Minderwertigkeit geprägt. Gries zeigt, wie die Werbefachleute dies kompensierten, indem sie sich als entscheidende Mittler für die Güterwirtschaft, als schöpferische Künstler bzw. als Aufklärer und Anwalt des Verbrauchers stilisierten. Auf dem Feld der „Populärpresse" - der Freizeit- oder Unterhaltungszeitschriften - in der Bundesrepublik prüft Andreas Vogel die Frage, ob es den Typus des „Medienunternehmers" gibt. Er gliedert die etwa 570 bestehenden, ungemein vielfältigen Verlage, die rund 1.100 Titel herausbringen, nach dem Umsatz in vier Segmente und stellt jeweils typische Verleger (Herkunft, Prägung, Konzepte etc.) näher dar. Er argumentiert, daß der „klassische" Zeitschriftenverlag gegenwärtig mehr und mehr durch netzartig konfigurierte Arbeitsteilung ergänzt bzw. umstrukturiert und der „klassische" Verleger durch funktionale Kooperation mehrerer Produzenten abgelöst werde. Das verlegerische Engagement Axel Springers, dessen publizistische Neigung vor allem dem Zeitschriftenmarkt galt, untersucht Rudolf Stöber. Er stellt erfolglose sowie erfolgreiche Projekte Springers vor und analysiert dessen Motive. Er arbeitet heraus, daß hinter vielen politisch gedeuteten Entscheidungen wirtschaftliche Erwägungen standen. Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren Springers rechnet er neben dem früh erworbenen Know-how die Förderung durch Jolin Jahr, die Übereignung einträglicher Lizenzen, einen guten „Riecher" für Chancen, Schnelligkeit, eine glückliche Hand in Personalfragen und effiziente Organisationsstrukturen. Dirk Bavendamm untersucht die Entwicklung von Bertelsmann in Hinblick auf die verlegerischen Strategien, die das Unternehmen von einer Bielefelder Druckerei zu einem der weltweit größten Medienkonzerne führten. Dazu analysiert und systematisiert er die Biographien der Vorstandsmitglieder seit der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft 1971 in Hinblick auf Ausbildung, Lebens-, Dienstalter und Karriereverläufe. Ferner stellt er die verlegerischen Motive und Visionen dar, die aus Wurzeln in der ostwestfälischen Erweckungsbewegung stammten und eine spezifische BertelsmannUnternehmenskultur hervorbrachten. Niko Waesches Beitrag über Pioniere der online-Medien ist selbst ein Pionierbeitrag. Er wendet sich der unmittelbaren Gegenwart zu, skizziert die Entwicklung dieser jungen, hochinnovativen Branche und arbeitet die Motivationen, die Wege des Know-how-Erwerbs sowie die spezifischen Schwierig-

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keiten (u.a. beim Zugang zu Venture-Kapital) am Beispiel eines führenden online-Medienunternehmers heraus. Als Zeitzeuge berichtet Olio Β. Roegele über seine Erfahrungen im Mediengeschäft. Er kam als „Seiteneinsteiger" bald nach Kriegsende zum „Rheinischen Merkur" und leitete die Koblenzer Wochenzeitung lange als Chefredakteur (1949 - 1963), Herausgeber (1963 - 1973) und seither als Mitherausgeber. Seine Schilderung vermittelt einen Eindruck von den Schwierigkeiten beim Start nach Kriegsende und ermöglicht einen Blick in die Innenwelt eines Medienunternehmers. Roegele formuliert abschließend Fragen und Anregungen an die Forschung zur Pressepolitik der Alliierten und zum Übergang der Lizenz- zur Wettbewerbspresse. Ein Resümee der Büdinger Vorträge im Sinne des größten gemeinsamen Nenners der Unternehmerkarrieren unter dem eingangs skizzierten Frageraster ist nicht möglich. Dazu waren die Biographien und die Überliefeningen zu unterschiedlich. Es kennzeichnet den Wissensstand auf diesem Feld, daß viele Autoren neben den Befunden auch Desiderate und weiterführende Fragen herausarbeiten. Auch dies war ein Ziel der Büdinger Gespräche. Doch lassen die Beiträge eine Reihe allgemeiner Entwicklungen der Medienunternehmer seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erkennen. Zu den wichtigsten gehört, daß - in idealtypischer Betrachtung - an die Stelle des tätigen (Allein-)Inhabers der angestellte Manager trat und daß der „Publizist" - der ambitionierte Verleger, der literarisch bzw. an Bildung Interessierte - vom Betriebswirt abgelöst wurde. Die Märkte weiteten sich bedeutend aus, Kommunikationsbarrieren schwanden. Der Gesichtspunkt der kurzen Wege, einst entscheidend für die Orientierung des Verlegers und seinen Kontakt zum Autor, wurde bedeutungslos. Die Betriebsgrößen, die Konzentration und die Diversifikation innerhalb des Medienbereichs nahmen zu. Familienstrukturen traten zurück. Akademische Ausbildung gewann an Bedeutung. Allerdings zog bei den meisten dieser Faktoren die Unternehmensgröße Unterscheidungslinien. Klein- und Mittelbetriebe und ihre Unternehmer wurden und werden von der Forschung notorisch nicht genügend betrachtet. Das gilt auch für erfolglose Unternehmer - die Quellenlage für sie ist besonders schlecht. Sehr gering war und blieb der Anteil von Frauen an der Spitze von Medienunternehmen. 24 Bei den meisten dieser Punkte unterscheidet sich der Medienbereich nicht von anderen Branchen. Wichtige Bestimmungsfaktoren scheinen die Enge bzw. Weite des Marktes zu sein, ferner der Kapitalbedarf und die Intensität des Wettbewerbs. Bei den Buchverlagen gab und gibt es noch den publizistischen Verleger. Viele Zeitungen waren und blieben in Familieneigentum; für einige Vgl Knik: Unternehmer (wie Anm 3), S 241

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wenige wurde eine Stiftung geschaffen. In den Zeitungsverlagen waren und sind viele Verleger Erben. Der Zeitscliriftenmarkt, ähnlich auch die Werbebranche und die neuen Medien, war stets besonders stark in Bewegung - mit zahlreichen Neuzugängen, Jungunternehmern und Konkursen. Für das Privatfernsehen ist bislang die Konzern- bzw. Konsortialstruktur typisch, da es das kapitalintensivste Medium ist und da Einzelunternehmer bis Anfang 1997, bis zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrags, nicht zugelassen waren. Die meisten Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß sich der Unternehmer im Medienbereich nicht prinzipiell von demjenigen in anderen Branchen unterscheidet. Überall sind offenbar die Eigenschaften des dynamischen Unternehmers im Schumpeterschen Sinn ausschlaggebend. Doch die Verfasser räumen ein, daß die Medien Besonderheiten aufweisen, die freilich - auch dies eine Konstante seit dem 18. Jahrhundert - zwischen Kommerz und Kunst weit gespannt sind. Die Herkunft der Unternehmerpersönlichkeiten war unterschiedlich. Mosse und Kiepenheuer stammten aus dem Buchhandel, Cotta, Stinnes und Hugenberg waren Quereinsteiger. Aus einer „Verlegerdynastie" stammte Axel Springer, ähnliches galt für Mohn/Bertelsmann. Die Intendanten hatten eine Sonderstellung. Offenbar ist die Unterscheidung nach Herkunft nicht so wichtig wie die Unterscheidung zwischen dem Nur-Medienunternehmer (der das Unternehmen erhalten und weitergeben will) und dem AuchMedienunternehmer, der sich im Medienbereich zur Ergänzung oder Abrundung anderer Aktivitäten engagiert, wie es bei Hugenberg und Stinnes der Fall war. Eine weitere Hauptunterscheidungslinie trennt offenbar den „tätigen" Unternehmer, der selbst entscheidet, vom „koordinierenden" (delegierenden) Unternehmer, der indirekt lenkt. Auch die Motivation der Unternelimer war unterschiedlich. Für Stinnes, Mosse, Hugenberg und - zumindest in der Anfangsphase - auch für Springer war offenbar das ökonomische Interesse dominant, für Kiepenheuer hingegen das literarische. Die Ursachen des Erfolgs der hier vorgestellten Unternehmer lagen hauptsächlich im Erkennen von Chancen, im persönlichen Fleiß, im virtuosen Umgang mit Kapital und im Charisma. Hinzu kamen Risikobereitschaft, Schnelligkeit, Spekulations- und Innovationsfreudigkeit sowie der Riecher für sich bietende Chancen, nicht zuletzt auch Glück. Von Belang waren auch das Erkennen und Ausnutzen der Spezifika der föderalen und regionalen Märkte. Typische Verlegerkarrieren gab es offenbar nicht.

Medienunternehmer zwischen Kunst und Kommerz VON J O H A N N E S L U D W I G

1.

Vorbemerkung

Die Problemstellung dieses Themas impliziert einen Gegensatz. Auf der einen Seite: die Welt der Künste, in der die Freiheit des Denkens und Schaffens ungeachtet aller Zwänge dominiert, in der Selbstverwirklichung und Ästhetik eigenständige Ziele darstellen, ungeachtet allen (ökonomischen) Aufwands. Dem gegenüber stünden die Sphäre des Kommerzes bzw. die Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie: Produktion unter wirtschaftlich bedeutsamen Restriktionen wie Zeit und Kosten, weshalb die Optimierung solcher ökonomischen Zwänge ein Handeln unter dem Primat der Zweckrationalität bedeutet. So gesehen könnten die beiden Sphären nicht gegensätzlicher sein. Um freilich das Verhalten von Akteuren - konkret von Unternelimern - zu untersuchen, welche die „Kunst" „kommerzialisieren", d.h. marktfähig machen (wollen), damit diese ihren Weg vom Anbieter, Produzenten bzw. Künstler zum Nachfrager, Käufer bzw. Rezipienten findet, muß dieser vermeintliche Gegensatz schärfer ausgeleuchtet werden. Genauer betrachtet stellt das potentielle Spannungsfeld „KunstKommerz" zwei polare Fallsituationen dar: Fall 1 : Fall 2:

Kunst ist gleich Kommerz, d.h. Kunst ist wirtschaftlich erfolgreich. Kunst und Kommerz fallen nicht zusammen: die fragliche Kunst stellt sich (zunächst) als ökonomisch erfolglos heraus.

Die erste Situation erweist sich für einen Unternehmer als vergleichsweise komplikationslos - der kommerzielle Erfolg ist praktisch vorprogrammiert. Als ungleich schwieriger stellt sich der zweite Fall dar: Der „Unternehmer" ist in seiner ureigensten Eigenschaft gefordert, nämlich etwas zu unternehmen, um für diesen Problemfall eine Lösung zu suchen, zu finden und diese dann auch durchzusetzen. Übersetzt man „Kommerz" nicht nur mit wirtschaftlichem Erfolg, sondern bezieht man auch den dahinterstehenden Mechanismus mit ein, berücksichtigt man also potentielle Marktzwänge, finanzielle Verwertungsprobleme usw. und engt man, zweitens, das weite Feld der Kunst mit ihren eigenen

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Gesetzen der Ästhetik auf den hier zur Diskussion stehenden Ausschnitt der Literatur, der Publizistik, des Films usw. bzw. ganz allgemein auf den Bereich der Medien ein, so läßt sich die vorgegebene Themenstellung präziser umschreiben: Medienunternehmer zwischen eigenem Anspruch und ökonomischen Anpassungszwängen. Ebenso lassen sich die beiden polaren Fälle genauer beschreiben: Entweder setzen sich Medien von vornherein durch, oder sie behaupten sich nicht 'automatisch' auf ihrem Markt. Zwischen diesen beiden Extremen liegt die Realität mit ihren sehr unterschiedlichen Situationen der Kunst- bzw. der Medienwelt. In der Bereitschaft und der Fähigkeit, auch solche Medienangebote marktgängig zu machen, deren marktliche Angebots- und/oder Nachfragemechanismen nicht ausreichend funktionieren - Ökonomen sprechen in solchen Fällen von Marktversagen -, liegt das innovatorische Herausforderungspotential von Medienunternehmern. Aus der Art und Weise der Bewältigung solcher unterschiedlichen Problemlösungslagen wie auch aus der Intensität des Engagements können die jeweiligen Interessen und Ziele von „Unternehmern" rekonstruiert werden. Daraus wiederum läßt sich eine Typologie von Medienunternehmern ableiten. Dies soll im folgenden aus drei Blickwinkeln geschehen: unter einer medienwissenschaftlichen, einer historischen und einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive. Konkret sollen im ersten Schritt die spezifischen Besonderheiten auf einzelnen Kunst- bzw. Medienmärkten skizziert werden: Vor welchen Problemen stehen Medienunternehmer? Im zweiten Schritt werden ökonomische Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, solche Produkte marktfähig bzw. Märkte funktionsfähig zu gestalten. Oder anders formuliert: Wie sahen bzw. sehen die innovatorischen Antworten der Unternehmer aus? Dies soll anhand einiger typischer Beispiele gezeigt werden, von denen einige in anderen Beiträgen dieses Bandes vertieft werden. In der dritten und letzten Runde werden die Betrachtungen im historischen Längsschnitt komprimiert, um aus den spezifischen Problemlösungen bzw. unterschiedlichen Interessen und Verhaltensweisen eine Typologie von Unternelunern auf Medienmärkten herauszukristallisieren. Die relevanten Kriterien werden dabei auf die dominierenden Interessen (unternehmerische Aktivitätsfelder) sowie auf die dabei intendierten Ziele abstellen.

2.

Relevante Besonderheiten auf Medienmärkten: Restriktionen für wirtschaftlichen Erfolg

Problem Nummer 1, das viele Kunst- und Medienmärkte prägt, läßt sich an einem bekannten Beispiel exemplifizieren, an Carl Spitzwegs Gemälde „Der arme Poet" aus dem Jahre 1839. Spitzweg wollte es vom Kunstverein München

Medienunternehmer zwischen Kunst und K o m m e r z

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ausstellen lassen, was dieser ablehnte: Das Bild entsprach nicht dem Zeitgeist. Ökonomisch gesprochen waren zu diesem Zeitpunkt weder Akzeptanz noch Nachfrage vorhanden, d.h. keine Zahlungsbereitschaft und demzufolge auch kein „Markt". Bekannt, akzeptiert und berülunt wurde das Gemälde erst Jahrzehnte später. Solche Beispiele finden sich zuhauf und in allen Epochen. Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps" löste bei der Uraufführung 1913 einen der größten Pariser Theaterskandale aus, der in einer handfesten Schlägerei endete. Das Stück zählt heute zum gängigen Konzertrepertoire. Goethes „Iphigenie auf Tauris" brachte es in den ersten Jahren nach Veröffentlichung 1787 nur auf einen Absatz von 312 Exemplaren. 1 Das Honorar für die Tragödie, an der der „Geheimrat" vier Jahre lang gearbeitet hatte, betrug 104 Thaler und entsprach dem Jahreseinkommen eines Handwerksgesellen; seinen aufwendigen Lebensunterhalt hätte Goethe daraus nicht finanzieren können. 2 Rekonstruiert man den ökonomischen Lebenslauf der Wochenzeitung „Die Zeit", die zu den angesehensten Blättern der deutschen Nachkriegspublizistik zählt, so mußte deren Gründer und Herausgeber, der Medienunternehmer Gerd Bucerius, 30 Jahre warten, bis das Produkt den „break-even-point" durchbrochen, also ausreichend Akzeptanz in Form von Marktnachfrage bzw. Zahlungsbereitschaft gefunden hatte. 3 Dieses Problem der anfänglichen Nichtakzeptanz ist ein Phänomen auf vielen Kunst- und Medienmärkten. Die Kunst- und Wahrnehmungspsychologie erklärt dies damit, daß das, was „neu" ist, „von denen, die es verwenden sollen, erst gelernt werden" muß. Kunst- bzw. Medienrezeption „basiert in der Regel auf 'acquired taste', also auf erlerntem Geschmack. Das bedeutet, daß sich im Erlernen die Persönlichkeit dessen, der da lernt, verändert. Die Person ändert, wirtschaftstheoretisch gesprochen, ihre Präferenzstruktur." 4 Allgemeiner kann man diesen Zusammenhang so formulieren: Je größer der Grad an Einzigartigkeit, z.B. je ungewohnter, j e avantgardistischer usw. - bzw. aus der Sicht mit anderen Produkten verglichen: j e größer der Grad an Inhomogenität-, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein neues Produkt ersteinmal nicht akzeptiert wird. Entsprechend gering fällt die ökonomische Akzeptanz, die Nachfrage aus.

1

2

3

4

Vgl Quellen und Zeugnisse zur Druckgeschichte von Goethes Werken Ergänzungsband in 4 Teilen, hg vom Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der D D R Ergänzungsband 2, Teil 1, Berlin (Ost) 1966, S 4 4 6 Vgl Johannes Ludwig: Zur Ö k o n o m i e der Medien: Zwischen Marktversagen und Querfinanzierung Von J.W Goethe bis z u m Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" Opladen 1998, S 23. Vgl. ders : Wie sich publizistische Hochkultur rechnet. Ein ökonomisches Portrait der „Zeit" In: Publizistik, H 3/1996, S 277-297. Michael Hutter: Verlagsgeschäft und Literatur In: Hans Altenhein (Hg.): Probleme d e s Verlagsgeschäfts Wiesbaden 1995, S 109

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Wovon die Bereitschaft abhängt, sich auf Neues einzulassen, oder allgemeiner formuliert, wovon die Fähigkeit abhängt, „kulturelle C o d e s " zu entziffern und mit Kunst und Kultur, also auch mit Medien umzugehen bzw. daftir ein gewisses (Rezeptions-)Verständnis aufzubringen, darüber hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu 1979 Theorien aufgestellt, die er empirisch belegen konnte. In seinem Werk „ D i e feinen Unterschiede" hat er dies an mehreren Beispielen verifiziert. Seine These lautet verkürzt: Geschmack ist nicht angeboren, sondern sozialisationsbedingt. Er entsteht über die Art und Weise der individuellen Ausbildung (Elternhaus, Schule usw.), die wiederum mit der sozialen Herkunft korreliert: „ D e r gesellschaftlich anerkannten Hierarchie der Künste und innerhalb derselben der Gattungen, Schulen und Epochen korrespondiert die gesellschaftliche Hierarchie der Konsumenten." 5 Erweitert man diese Theorie und die empirischen B e l e g e um die ökonomische Dimension, so kann man einen direkten Zusammenhang zwischen Geschmacksverteilung und Einkommensverteilung herstellen, wenn man als Indikator für die soziale Schichtung die Einkommensschichtung heranzieht, wie in Abbildung 1 präsentiert. Bourdieu hatte beispielsweise Geschmackspräferenzen für drei Musikstücke nach „Klassenfraktion", d. h. nach Benifen bzw. berufsspezifischen Gesellschaftsschichten abgefragt: „ D a s wohltemperierte K l a v i e r " von Johann Sebastian Bach, Gershwins „ R h a p s o d y in B l u e " sowie die Vorliebe fur die Melodie „ A n der schönen blauen D o n a u " von Johann Strauss. D i e s e drei Stücke stellen gleichzeitig die Scheidelinien für die Bourdieu'sche Geschmacksdifferenzierung in „legitimen", „mittleren" und „populären G e s c h m a c k " dar. A u s Gründen der Übersichtlichkeit sind nur die Werte für das „Wohltemperierte K l a v i e r " („Legitimer G e s c l i m a c k " ) und die „Schöne blaue D o n a u " („Populärer G e s c h m a c k " ) in Säulenform dargestellt. Die Einkommensverteilung ist in Abbildung 1 als durchgehende Linie abgebildet, wobei die von Bordieu ermittelten typischen B e r u f s - " K l a s s e n " durch die entsprechenden Einkommensklassen ersetzt wurden, wie sie für westdeutsche Haushalte im Jahre 1992 ermittelt wurden: die Einkommensschichtung (verfügbare Einkommen 6 ) stellt sich empirisch als linksschiefe Verteilung dar, wobei die Einkommensklassen größer 10.000 D M allerdings nur in größeren Klassen erfaßt sind: 7 Die Einkommensgruppe bis 3.000 D M Monatseinkommen stellen

5

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft Frankfurt 1987 (französische Erstveröffentlichung 1979), S 17 f. Umfaßt das um Übertragungen (ζ Β Steuern) und empfangene Leistungen (z.B. Kindergeld) bereinigte Monatsbruttoeinkommen zuzüglich aller Vermögenseinkommen (z.B. Zinseinkünfte) Quelle: Deutsches Institut fur Wirtschaftsforschung, Berlin: DIW-Wochenbericht Nr 45/1994, S. 777.

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33 Prozent, jene bis 4.000 D M monatlich rd. 58 Prozent aller Haushalte und damit die Mehrheit der potentiellen Nachfragemasse dar. 8 Anzahl/EinkominensSchichten in %

Präferenzen in %

Arbeiter

mittlere Verw.Ang.

Dienstpersonal

I Blaue Donau

Freie Berufe

Volksschullehrer Kulturvennittler

Lehrer. Hochschullehrer

E U S ivohlt. Klavier

Führungskräfte Industrielle

-verf Einkommen

Abb. 1 : Geschmacksverteilung für zwei Musikstücke (Bourdieu) und Einkommensverteilung (DIW) Der Zusammenhang von Geschmacks- und Einkommensverteilung repräsentiert das Problem Nummer 2 auf Medienmärkten: unterschiedlich große Marktvolumina für „populäre", „mittlere" und "legitime" Geschmackspräferenzen - Strauss läßt sich besser vermarkten als Bach. Mit einer Tageszeitung, die von vornherein auf den Massengeschmack abstellt wie die „Bild-Zeitung", kann der Axel-Springer-Verlag mehr Absatz realisieren und mehr Geld verdienen als mit einem Blatt wie „Die Welt", die vergleichsweise höhere intellektuelle Ansprüche an ihre Leser stellt. 9 Ähnliches gilt für die Produktsparte Buch: Mit dem Verlegen von Unterhaltungsromanen eines Autors Heinz G. Konsalik konnte man nicht viel falsch machen. Wer hingegen Arno Schmidt verlegte, brachte zwar die Kunst und die Literatur voran, ließ sich aber (zunächst) auf ein unkalkulierbares ökonomisches Abenteuer ein, das im Fiasko hätte enden können. Die unternehmerischen Managementqualitäten beschränken sich daher im einen

9

Betrachtet man die Monatseinkommen bis 5 0 0 0 D M , so sind dies 6 9 % aller Haushalte. Durchschnittliche Auflage nach I V W 1/1997: „Bild-Zeitung" 4,4 M i o Ex ; „Die Welt" 2 1 7 . 0 0 0 Ex.

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Fall im wesentlichen auf die Organisation eines funktionsfähigen Produktionsund Vertriebsablaufs, im anderen Fall setzen sie zusätzlich Gespür für künstlerische Qualität, Risikobereitschaft und unternehmerischen Einfallsreichtum voraus. Die bisher genannten Probleme sind - ökonomisch betrachtet - Charakteristika der Nachfrageseite. Zwei weitere Problemkonstellationen wirken sich auf der Anbieterseite, d.h. auf Seiten der Produzenten aus. Problem Nummer 3 ergibt sich aus einem Kostenphänomen: Die Schaffung eines Kunstwerkes, aber auch die Herstellung vieler Medienprodukte, unabhängig ob Buch, Zeitschrift oder Film, geschieht zu großen Teilen aus einmaligem Zeit- und Kostenaufwand, d.h. die Kosten sind weitgehend fix: So fallen beispielsweise die Kosten eines Autors für die Manuskripterstellung oder auch der Produktionsaufwand für einen Kino- oder Fernsehfilm unabhängig von der letztlich nachgefragten Absatzmenge bzw. Rezeptionsnutzung an und verändern sich nicht mit der Druckauflage oder der Höhe von Einschaltquoten. Dies impliziert einen Degressionseffekt: Je größer die Nachfrage bzw. der Markt, die verkaufte Auflage oder die Zuschauerzahlen, auf umso mehr Absatzmenge können sich die der absoluten Höhe nach fixen Kosten verteilen. Effekt: Die (fixen) Kosten sinken pro Einzelstück bzw. pro nachgefragter (Rezeptions-) Mengeneinheit. Beispielhaft sei diese Fixkostendegression am Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" erläutert, dessen Copypreis 5 D M beträgt. 10 So machen etwa die Kosten für das Papier pro Exemplar ca. 0,80 D M aus und stellen insgesamt variablen Kostenaufwand dar: Je mehr Absatz, umso größer wächst der Papierverbrauch insgesamt bei allerdings konstanten Kosten pro Stück. Anders die Kosten der Redaktion, die wöchentlich, d.h. pro Ausgabe nind 2 Mio. D M betragen. Diese Kosten sind fix, und da der „Spiegel" durchschnittlich rund 1 Mio. Exemplare verkauft, macht der Redaktionsaufwand pro Einzelstück 2 D M aus. Würde das Nachrichtenmagazin die doppelte Auflage absetzen können, so betrüge der redaktionelle Herstellungsaufwand pro Exemplar nur noch 1 DM. Bei einer Verkaufsauflage von 4 Mio. würde er sogar auf 0,50 D M sinken. Diese potentielle Degressionswirkung fixer Kosten hat somit einen angenehmen Effekt. Allerdings kann sich daraus ein ernsthaftes Problem ergeben, wenn nämlich der potentielle Markt zu klein ist, als daß sich eine (notwendige) Fixkostendegression auswirken könnte. Dies wird vor allem dann zum Problem,

Vgl Johannes Ludwig: Kosten, Preise und Gewinne Zur Betriebswirtschaft von Medienunternehmen Das Beispiel „Der Spiegel" In: Klaus-Dieter Altmeppen ( H g ) : Ökonomie der Medien und des Mediensystems Opladen 1996, S 81-99

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wenn sich die vergleichsweise höher auswirkenden Kosten pro Stück nicht über einen höheren Verkaufserlös ausgleichen lassen. Wollte sich „Der Spiegel", der sich zu zwei Dritteln über Werbe- und Anzeigenerlöse ernährt, ausschließlich über den Verkauf des eigentlichen Produktes 'Nachrichtenmagazin', konkret unter Ausnutzung des Fixkostendegressionseffektes finanzieren, so müßte er seine verkaufte Auflage knapp vervierfachen - ein absolut utopisches Unterfangen. 1 1 Problem Nummer 4 auf Medienmärkten hängt eng mit dem vorigen zusammen. Es betrifft zum ersten die absolute Höhe der Kosten von Medienprodukten, die wiederum eng mit der jeweiligen Gattung korrelieren. An der Produktion eines Buches sind außer dem Autor und dem Lektor vergleichsweise wenig Menschen beteiligt, eine Zeitungsredaktion benötigt eine erhebliche Anzahl von inhaltlichen und schreibenden 'Lieferanten', eine Filmproduktion beschäftigt schon aufgrund der Zusammenführung vieler unterschiedlicher Kunst- und Mediengenres mehrere hundert Beteiligte, und ein Fernsehunternehmen, das rund um die Uhr sendet, benötigt weit über 1.000 Mitarbeiter. Zum zweiten wird dieses Problem davon determiniert, in welchem Umfang die absolute Kostenhöhe von Fixkosten geprägt ist. Je höher nämlich der Fixkostenanteil und j e größer die medienspezifischen Herstellkosten, umso größer müssen die jeweiligen Märkte sein, wenn sich Kunst und Medien 'rechnen' sollen. Konkret besteht dieses Problem in der Frage, ob ein Medienunternehmer hinsichtlich des relevanten Marktpotentials überhaupt 'auf seine Kosten kommen' kann. Die Bedeutung dieser Zusammenhänge läßt sich aus Abbildung 2 ablesen, in der die Kostenvolumina unterschiedlicher Mediengattungen verglichen werden: Um einen einheitlichen Maßstab anlegen zu können, wurden die gesamten Kosten in fiktiv-identischen und durchschnittlichen Bruttojahreslöhnen potentieller 'Mitarbeiter' gemessen. 1 2 Die Unterschiede sind immens: Der mediale Herstellungs- und Vertriebsaufwand für einen gutgehenden Roman (Auflage: 10.000 Exemplare; Umsatz bzw. Wertschöpfung für Autor, Druck, Verlag und Buchhandel: rund 327.000 DM) beansprucht 5 Jahresdurchschnittslöhne; eine Tageszeitung wie die „taz" läßt sich mit rund 480 'Mitarbeitern' über alle Produktionsstufen hinweg realisieren, für den „Spiegel" sind dies - ebenfalls über

Die Alternative zur Heftgestaltung ohne Anzeigen und Auflagenausweitung bestünde in einer drastischen Heraufsetzung des Copypreises von derzeit 5 D M auf 11,30 DM; vgl Ludwig: Ökonomie (wie Anm. 2), S 234 ff Vgl Ludwig: Zur Ökonomie (wie Anm. 2), S. 58 Zugrunde gelegt wurde der Durchschnittsjahreslohn in Deutschland 1992 in Höhe von 65 500 D M Da alle Kosten und Vorleistungen eines Unternehmens letztlich immer Wertschöpfüng (Löhne, Gewinne, Zinseinkommen usw.) repräsentieren, läßt sich mit einer solchen Umrechnung der medienspezifische Gattungsaufwand betonen, der beispielsweise nicht durch unterschiedliche Lohnstrukturen beeinträchtigt ist

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ein ganzes Jahr hinweg betrachtet - bereits 6.800 Beteiligte. Der Fernsehsender ZDF benötigt für sein jährliches Medienangebot die Arbeitskraft einer Kleinstadt. 30.000 25.000 20.000 15.000

10000

6.840

6.656

5.000

0

2.307

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