201 32 43MB
German Pages 204 Year 1983
Linguistische Arbeiten
129
Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert EBrekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Bernd Gregor
Genuszuordnung Das Genus englischer Lehnwörter im Deutschen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gregor, Bernd:
Genuszuordnung : d. Genus engl. Lehnwörter im Dt. / Bernd Gregor. — Tübingen: Niemeyer, 1983. (Linguistische Arbeiten; 129) NE:GT ISBN 3-484-30129-5
ISSN 0344-6727
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
2.
FORSCHUNGSÜBERBL ICK
3
2.1.
Geschlechtswandel
3
2.2.
Korpusanalysen englischer Lehnwörter
4
2.3.
Versuche
6
2.4.
Diskussion
7
3.
GENUS
3.1.
Die grammatische Kategorie Genus
11
3.2.
Genus im Deutschen
12
3.2.1.
Genusrektion
12
3.2.2.
Genusklassifikation
13
3.2.2.1.
Die Grundlagen der Genusklassifikation
13
3.2.2.2.
Genus und Semantik (Sexus)
16
3.2.2.3.
Oppositive
17
3.2.2.4.
Dialektale Varianten der
3.2.2.5.
Genusschwankung
18
3.2.3.
Genuskennzeichnung und Genuskongruenz
19
3.2.4.
Genus und Substantivflexion
20
3.3.
Genus im Englischen
21
3.4.
Genusentlehnung
22
3.5.
Schlußfolgerung
24
4.
ENTLEHNUNG
25
5.
DAS SPRACHLICHE ZEICHEN
28
5.0.
Vorbemerkungen
28
5.1.
Die Fertigkeit der Konzeptualisierung
29
5.2.
Die Übermittlung von Konzeptualisierungen
30
. . . . 11
Genusklassifikation Genusklassifikation
18
VI
5.3.
Durchsichtigkeit und Motivierung
31
6.
INTERLINGUALE IDENTIFIKATION
35
6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5.
Fremdsprachenerwerb
35
Die Motivierung fremdsprachlicher Zeichen
35
Interlinguale Äquivalenz Mehrfache interlinguale Identifikation
37
Die Möglichkeiten interlingualer Identifikation
38
7.
GENUSASSIGNATION
7.1. 7.2. 7.3.
Replikation
41
Beispiele
43
Versuch
45
8.
GENUSSCHWANKUNG Mehrfache interlinguale Identifikation
47
Das Auftreten von Genusschwankung Unsicherheit durch Genusschwankung
49
Die Vereinheitlichung von Genusschwankung Integrationsphasen Monolinguale Motivierung
50
Reduktion der
52
8.1. 8.2. 8.3. 8.4. 8.4.1. 8.4.2. 8.4.3. 9.
9.1. 9.2. 9.3. 10.
10.1. 10.2. 10.3. 10.4. 11.
11.1. 11.2. 11.3. 12.
12.1. 12.2.
37
,
47 49 50 51
Identifikationsbasen
GENUSSELEKTION Imitation
54
Konventionalisierung des Genus Genusassignation und Genusselektion
55
DIE K R I T E R I E N DER GENUSSELEKTION Die Grundlagen der Genusselektion Beispiele Regelschema der Genusselektion
54 55 ,
57 58 59
Weitere Gesichtspunkte POLYSEMIE UND GENUSSELEKTION Entlehnung polysemer Sprachzeichen
57
60 ,
66 66
Beispiele
67
Oppositive Genusselektion und Genusschwankung
69
DOPPELENTLEHNUNG UND GENUSSELEKTION Doppelentlehnung Genuszuordnung bei Doppelentlehnung
,
70 70 70
VJI
12.3.
Beispiele
71
13.
DIE VARIABLEN DER GENUSSELEKTION
74
13.1.
Vorbildsetzender Gebrauch
74
13.2.
Integrationsgrad (Schriftaussprache)
76
13.3.
Kontakt zu einer dritten Sprache
77
13.4.
Indirekte Entlehnung
78
13.5.
Varietätenspezifische
14.
DAS AUSLANDSDEUTSCHE
82
14.1.
Die Sprachkontaktsituation
82
14.2.
Genuszuordnung
83
14.3.
Feminine Tendency
84
14.4.
Varietätenspezifische Genusselektion
85
15.
PRAKTISCHE ANWENDUNG DER ERKENNTNISSE
87
16.
MATERIALTEIL
90
16.0.
Vorbemerkungen
90
16.1.
Explizite Ableitungen
91
16.2.
Implizite Ableitungen
139
16.3.
Simplizia und Komposita
145
17.
SCHLUSSWORT
170
Genusselektion
80
LITERATUR
171
LEHNWDRTREGISTER
192
IX
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1982/83 von der Fakultät 14 "Sprach- und Literaturwissenschaft versität München als
Philosophischen
II" der Ludwig-Maximilians-Uni-
Dissertation angenommen. Für die V e r ö f f e n t l i c h u n g habe
ich den theoretischen Teil fast unverändert übernommen, den Materialteil
je-
doch erheblich gekürzt. Ich habe vielen zu danken, die mir bei der Anfertigung dieser Arbeit behilflich waren: meinem Doktorvater Prof. Dr. Harald Weinrich für
umsichtige
Betreuung und viel Verständnis und meinen Lehrern Prof. Dr. Helmut Gneuss, Prof. Dr. Hans Altmann, Prof. Dr. Leonhard Lipka und P r o f . Dr. Kurt R e i n , der mich auf die Problematik aufmerksam machte. Besonders danken möchte ich Prof. Dr. Peter F. Ganz für seine freundliche Unterstützung. AuQerden gilt mein Dank Günter Eberl und Thomas Becker, der mir unermüdlich zugehört hat. Schließlich möchte ich auch dem Verlag und Prof. Dr. Hans Altmann, dem Mitherausgeber dieser Reihe, für die Aufnahme meiner Arbeit meinen Dank aussprechen.
München, im November 1982
Bernd Gregor
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ae.
altenglisch
Akk.
Akkusativ
COD
The Concise Oxford Dictionary
Dat.
Dativ
DE
Duden Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache
DF
Duden Fremdwörterbuch
dt.
deutsch
engl.
englisch
f.
feminin
Gen.
Genitiv
Kluge
F. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
LEW
Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch der englischen und deutschen Sprache
m.
maskulin
me.
mittelenglisch
mhd.
mittelhochdeutsch
n.
neutral
Nom.
Nominativ
Paul/Betz
H. Paul/W. Betz: Deutsches Wörterbuch
Sb.
Substantiv
Schulz/Basler
H. Schulz u . a . : Deutsches Fremdwörterbuch
SOED
The Shorter Oxford English Dictionary
Vb.
Verb
Wahrig
G. Wahrig: Deutsches Wörterbuch
WEB
Webster's Third International Dictionary of the English Language
Die phonetischen Transkriptionen folgen mit kleinen Vereinfachungen dem System der IPA.
1.
Seit
EINLEITUNG
es
kulturelle,
politische
und wirtschaftliche
deutschsprachigen und englischsprachigen
Beziehungen zwischen
Ländern gibt, stehen auch die beiden
Sprachen miteinander in Kontakt. Nach ersten Berührungen im Zusammenhang der angelsächsischen Mission und der Hanse kommt es ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, insbesondere aber ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu immer ausgedehnteren Kontakten, die in der Zeit nach 1945 ihren einstweiligen Höhepunkt erreicht haben. In diesem ganzen Zeitraum zeigte das Deutsche immer eine sehr viel größere Aufnahmebereitschaft
als
das Englische,
da sich in den
deutschsprachigen Ländern im Gegensatz zu den englischsprachigen
eine Geistes-
haltung herausbildete, die alles Englische als vorbildhaft und somit nachahmenswert erscheinen ließ (vgl. Stanforth 1968). Das Deutsche hat als Folge des Kontakts mit dem Englischen in erster Linie englische Substantive entlehnt, deren Anteil an der Gesamtzahl aller Entlehnungen mit mindestens 75? sicherlich nicht zu hoch angesetzt ist. Sicht des Deutschen ergibt sich aus dieser Bereitschaft
Aus der
zur Entlehnung von
Substantiven nicht nur der Fragenkreis um die Erweiterung des Wortschatzes, sondern auch das Problemfeld der morphosyntaktischen Integration, da jedes englische Substantiv,
das in einer deutschen syntaktischen Konstruktion ver-
wendet wird, wie jedes andere deutsche Substantiv nach den deutschen grammatischen Kategorien gekennzeichnet sein muß. Die Numerus- und Kasuskennzeichnung stellt dabei nur ein geringes Problem dar, da - insbesondere jüngere - englische Lehnwörter das Flexionssuffix
-s
im Deutschen behalten oder mit einem
Nullallomorph gebraucht werden; nennenswerte Schwierigkeiten treten in diesem Bereich meist nur in der Orthographie auf (vgl. Carstensen 1981,
1982). Weit
komplexer sind hingegen die Verhältnisse beim Genus. Das Deutsche verlangt als Genussprache von jedem Substantiv, daß es einer der drei vorliegenden Genusklassen angehört. Nicht zuletzt weil das Englische kein Genus kennt, muß deshalb jedem englischen Substantiv, das ins Deutsche entlehnt wird, ein Genus zugeordnet werden (vgl. Job m . , Bar f.,
Girl n . ) .
Diese Genuszuordnung erfolgt ohne präskriptive Norm einer zuständigen Institu-
tion. Zwar postulierte die Sprachpflege über lange Zeit hinweg unter Annahme eines sexusbasierten Genussystems des Englischen, daß die Genuszuordnung dem ursprünglichen 190 : 11),
Genus entsprechen
solle
(vgl. Ganz 1950:
46ff.,
Holzgraefe
doch fand diese Forderung nicht die zur Durchsetzung nötige breite
Anerkennung. Heute d ü r f t e sie nur den wenigsten bekannt sein. Es stellt sich somit die Frage, wie die Genuszuordnung englischer Lehn2 Wörter vor sich geht und welche Kriterien dabei wirksam werden. Über das Interesse an einer Klärung des Phänomens hinaus gilt es natürlich herauszufinden, ob sich ein Regelschema erarbeiten läßt, das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Genuszuordnungen erfassen kann und das auch in Zweifelsfällen
der
Genuszuordnung neuer englischer Lehnwörter als Entscheidungshilfe herangezogen werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage geht die vorliegende Studie vorrangig den Prinzipien
nach, denen die Genuszuordnung englischer Lehnwörter unterliegt.
Eine anschließende
Korpusanalyse soll dann der Exemplifizierung der aufge-
stellten Thesen dienen und allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Genuszuordnung englischer
Lehnwörter
grundsätzlich
im Deutschen belegen.
Der Schwerpunkt
liegt
jedoch
auf einer Analyse des Wesens der Genuszuordnung und nicht auf
einer etymologischen Untersuchung eines Korpus konkreter Einzelfälle. Ein derartiges Ziel kann nur angestrebt werden, wenn man nicht, wie so viele, an Willkür und Zufall bei der Genuszuordnung glaubt. Deshalb: Das Genus eines jeden englischen Lehnworts im Deutschen hat einen Grund; es gilt n u r , diesen Grund zu finden. I n der v o r l i e g e n d e n A r b e i t w i r d n i c h t z w i s c h e n b r i t i s c h e m u n d a m e r i k a n i schem E n g l i s c h d i f f e r e n z i e r t , d a diese U n t e r s c h e i d u n g f ü r etymologische u n d k u l t u r g e s c h i c h t l i c h e F r a g e n r e l e v / a n t ist, nicht jedoch für Fragen der ( m o r p h o s y n t a k t i s c h e n ) I n t e g r a t i o n . Vgl. h i e r z u Carstensen (1965: 1 7 f f . ) . Der T e r m i n u s L e h n w o r t w i r d i n d e r v o r l i e g e n d e n A r b e i t im S i n n e v o n ' e n t l e h n t e s W o r t 1 v e r s t a n d e n . E r steht somit n i c h t i n O p p o s i t i o n z u m T e r m i n u s F r e m d w o r t oder a n d e r e n T e r m i n i , d i e einen b e s t i m m t e n ( p h o n o l o g i s c h e n , morp h o l o g i s c h e n , u s w . ) I n t e g r a t i o n s g r a d e r f a s s e n . V/gl . h i e r z u G n e u s s ( 1 9 5 5 : 19). Der v o r l i e g e n d e n A r b e i t l i e g t ein K o r p u s z u g r u n d e , das die im DF und die i n der m i r b e k a n n t e n L i t e r a t u r a u f g e f ü h r t e n e n g l i s c h e n L e h n w ö r t e r u m f a ß t . Das DF erschien mir f ü r die Problematik die geeignetste G r u n d l a g e ; allerdings folge ich dem DF n u r d a n n , . wenn die E i n t r ä g e mit meinen eigenen ( m e h r j ä h r i g e n ) B e o b a c h t u n g e n ü b e r e i n s t i m m e n . - Bei der p h o n e t i s c h e n Umschrift der englischen L e h n w ö r t e r im Deutschen wurde v e r s u c h t , " N o r m a l formen" m i t den t y p i s c h e n d e u t s c h e n I n t e r f e r e n z e n w i e d e r z u g e b e n ; d a m i t soll n a t ü r l i c h k e i n e s w e g s a u s g e s c h l o s s e n w e r d e n , daß a u c h a n d e r e A u s s p r a c h e n v o r k o m m e n . Diese V a r i a t i o n ist hier jedoch nicht r e l e v a n t .
2.
FORSCHUNGSÜBERBLICK
Das Genus englischer Lehnwörter hat in der Forschung nur verhältnismäßig wenig Beachtung gefunden. Zwar enthält eine Vielzahl won Arbeiten Ausführungen dazu, doch handelt es sich dabei meist nur um Kommentierungen einer mehr oder weniger großen Zahl englischer Lehnwörter und nicht um eine systematische Untersuchung der Problematik. Dieser Mangel an Interesse ist
vor allem dadurch be-
gründet, daß sich die Sprachkontaktforschung von jeher vorrangig mit der Beeinflussung des Deutschen durch andere Sprachen beschäftigt hat, wobei die lexikologische
Erfassung und die Klassifikation des Lehnguts nach formalen und
semantischen Gesichtspunkten im Vordergrund stehen. Da das Genus englischer Lehnwörter nicht eigentlich ein Faktum fremdsprachlicher Einflußnahme auf das Deutsche ist,
sondern eine Erscheinung der (morphosyntaktischen) Integration,
gehört es auch nicht zum unmittelbaren Untersuchungsgegenstand und wird deshalb auch bei der Analyse vernachlässigt.
2.1.
Geschlechtswandel
Das Phänomen, daß Lehnwörter im Deutschen häufig ein anderes Genus haben als in der Ursprungssprache, wurde zuerst von der historisch orientierten Sprachwissenschaft
des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich
analysiert. Ihrem Wissen-
schaftsverständnis entsprechend betrachtete sie auch die Genusproblematik als eine Erscheinung der Sprachveränderung und untersuchte sie unter dem Gesichtspunkt d e s
G e s c h l e c h t s w a n d e l s . E s sollte ermittelt werden,
unter welchen Umständen und nach welchen Richtlinien Geschlechtswandel erfolgt bzw.
unterbleibt. Grimm (1831;1890: 545) kommt dabei zu der Erkenntnis, daß
bei Übereinstimmung mit dem natürlichen Geschlecht kein Geschlechtswandel vor sich geht, ansonsten aber eine Neuzuordnung nach formalen oder semantischen Kriterien vorgenommen wird. Diese Erkenntnis, daß sowohl die Form als auch die Bedeutung der Lehnwörter für die Genuszuordnung relevant ist
(bzw. sein k a n n ) ,
wird dann auch von der weiteren Forschung fast ausnahmslos übernommen und mitunter stärker differenziert. Da die allgemeinen Prinzipien des Geschlechtswandels im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses standen, unterschied man die Lehnwörter nicht nach ihrer Ursprungssprache; bisweilen wurde auch der Geschlechtswandel deutscher Substantive in diesem Zusammenhang behandelt. Englische Lehnwörter fanden dabei jedoch kaum Beachtung, da ihre Zahl im Verhältnis zu Entlehnungen aus anderen Sprachen (noch) gering war. Die wohl prägnanteste Darstellung im Rahmen dieser Forschung bietet ein Schema der Kriterien des Geschlechtswandels von Michels (1889: 6 f . ) . Wie viele seiner Zeitgenossen und die Mehrzahl der Forscher nach ihm führt er den Geschlechtswandel auf Assoziationen zurück: I. Assoziation an K l a n g v e r w a n d t e . ("Äussere S p r a c h f o r m " ) . 1. K l a n g g l e i c h h e i t . 2. Klangähnlichkeit. a) Stammgleichheit oder Ä h n l i c h k e i t . (Dazu auch Assoz. r e i m e n d e r oder all i t t e r i r e n d e r W o r t e ) . b) Bildungsgleichheit. (Überleitend zu I I ) . II.
Assoziation an Begriffsverwandte. 1. Angehörige gleicher Begriffskategorieen 2. Angehörige gleicher Begriffsreihen. a) Übergeordnete und Untergeordnete. b) Gleichgeordnete: Synonyma-Opposita.
(z.B. Verbalabstrakta).
Während die genannten Arbeiten formale und semantische Kriterien - mit unterschiedlicher Gewichtung allerdings - als Gründe des Geschlechtswandels nennen, tritt Polzin (1903) ausschließlich für das formale Kriterium der Klangassoziation ein, die er als "Reimassoziation" nach dem Wort(aus)laut versteht. 2.2.
Korpusanalysen englischer Lehnwörter
Da im 19. Jahrhundert Sprachursprungsfragen viel Interesse beigemessen wurde, beschäftigte man sich sehr ausführlich mit Genus, da gerade sein Ursprung mit sehr vielen Aspekten des Entstehens und früher Formen von Sprache in Beziehung gesetzt werden kann. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die erste Arbeit,
S i e h e u n t e r v i e l e n a n d e r e n : B l u m e r (1890: 9 f f . ) , H o l z g r a e f e (1908: 9 ) , K a u f m a n n (1939: 5 1 f . ) , M i l l e r (1933: 4 5 f f . ) , P a u l ( 1 B 8 0 ; 1 9 7 5 : 2 6 5 - 2 6 8 ) , Seiler (1912: 5 1 5 f . ) , W a c k e r n a g e l (1861;1874: 303-310).
5
die sich eingehend mit dem Genus englischer Lehnwörter auseinandersetzt, auf diese Problematik Bezug nimmt. Wilson (1899) geht in seiner Studie ganz explizit auf die Frage ein, inwieweit die damals konkurrierenden Theorien zum Ursprung des grammatischen Geschlechts auf die Genuszuordnung englischer Lehnwörter im Deutschen angewendet werden können. Auch sehr viel später noch findet sich ein ähnliches Vorgehen (Ganz 1950, Hennig 1963). Wilsons Arbeit begründet aber darüber hinaus die Tradition der Untersuchung des Genus englischer Lehnwörter anhand einer induktiven Korpusanalyse, die, von einigen wenigen Versuchen einmal abgesehen (vgl. 2.3.), von allen 2 weiteren Studien durchgeführt wird. Die beste Untersuchung ist dabei die Arbeit von Ganz (1950), deren besondere Qualität in einer sehr sorgfältigen und umfassenden Quellenanalyse liegt, während sich fast alle anderen Arbeiten auf Wörterbucheinträge und Zufallsbelege beschränken. Ganz stellt die geschichtliche Entwicklung des Genus englischer Lehnwörter des Zeitraums von 1500-1885 vollständig dar und kommt dabei zu folgenden Erkenntnissen (leicht vereinfacht wiedergegeben): (1)
N o u n s r e f e r r i n g t o h u m a n b e i n g s a r e u s u a l l y m a s c u l i n e i r r e s p e c t i v e of sex unless they r e f e r e x c l u s i v e l y to a woman ... (380)
(2)
Names of a n i m a l s are u s u a l l y m a s c u l i n e as in G e r m a n , a l t h o u g h in some cases t h e n e u t e r i s u s e d t o r e f e r t o b o t h t h e m a l e a n d t h e f e m a l e . (380f.)
(3)
N o u n s w h i c h , b y e x t e n s i o n o f t h e i r m e a n i n g , are used t o r e f e r sons a r e m a s c u l i n e . . . ( 3 8 1 )
to
per-
(4)
Personal names w h i c h are used as nouns to denote objects are mascul i n e . . . (381)
(5)
The gender is determined by a German synonym ... The synonym which d e t e r m i n e s the gender sometimes a p p e a r s as the second element in a compound ... Under the influence of what Brugmann has called a "Leit-
Zum B i n n e n d e u t s c h e n : A n d e r s o n (1960), C a r s t e n s e n (1965: 6 6 f . ) , C a r s t e n s e n ( 1 9 8 0 b ) , C a r s t e n s e n ( 1 9 8 0 c ) , L e o p o l d (1967: 5 5 ) , L i p c z u k ( 1 9 7 4 ) , H a c k e n s e n ( 1 9 7 2 : 1 3 f . ) , M o s e r ( 1 9 6 4 : 131), H ü l l e r ( 1 9 8 2 : 2 2 5 f f . ) , S c h ö n f e l d e r (1954: 3 2 4 f . ) , S i m m o n s (1971), T e s c h (1978: 1 8 4 f f . ) , Thiel (1959), U r b a n o v ä (1966: 1 0 3 ) , K . V i e r e c k ( 1 9 : 2 3 0 f f . ) , W e r n e r ( 1 9 7 5 : 3 6 ) , W o l l m a n n (1953: 3 6 0 f f . ) , Z i n d l e r (1959: 1 8 ) , Z i n d l e r ( 1 9 7 5 : 8 6 ) . V g l . a u c h d i e A u s f ü h r u n gen in deutschen Grammatiken, (Fremdwörter-) Lexika, Stilistiken, usw. Z u m A u s l a n d s d e u t s c h e n : A r o n ( 1 9 3 0 ) , B u f f i n g t o n (1941: 8 4 f . ) , C l y n e ( 1 9 6 7 a : 1 5 , 4 2 - 4 7 ) , C l y n e (1968: 8 8 f . ) , C l y n e ( 1 9 7 2 : 1 5 , 7 4 ) , C l y n e ( 1 9 7 5 : 3 2 f . ) , Goheen (1967: 326), Haldeman (1872: 2 4 f f . ) , H o f f m a n n (1977;1980), K l a e b e r (1940·: 1 2 9 f . ) , L e w i s ( 1 9 7 3 : 2 2 2 ) , M a r t i n ( 1 9 7 7 ) , M c C l i n t o c k (1933: 4 2 f . ) , M o s e r (1959: 2 0 4 - 2 0 7 , 2 1 7 , 2 1 9 ) , R e e d ( 1 9 4 2 ) , R e e d ( 1 9 4 8 a : 2 4 0 f . ) , R e e d ( 1 9 4 8 b ) , R o t h e n b e r g ( 1 9 4 4 : 9 8 f . ) , S a c h s ( 1 9 5 3 ) , W a c k e r (1964: 109-116), W a c k e r (1965: 6 0 - 6 4 , 1 1 2 f . ) .
wort" whole series are formed among this g r o u p ...
(381)
(6)
If a l o a n w o r d has a s u f f i x which is n o r m a l l y associated w i t h a d e f i n i t e g e n d e r in G e r m a n , t h e n i t a d o p t s t h a t g e n d e r . ( 3 8 3 )
(7)
A loanword may adopt the gender of a German h o m o n y m w h e t h e r it e t y m o l o g i c a l 1 y r e l a t e d t o i t or n o t . ( 3 B 5 )
(8)
I n some cases p o p u l a r e t y m o l o g y i n t e r p r e t s t h e w o r d a s a c o m p o u n d n o u n , t h e s e c o n d p a r t o f w h i c h i s f e l t t o b e a G e r m a n w o r d . T h e second element w i l l then determine the gender of the n o u n . (386)
(9)
The gender of the l o a n w o r d may be d e t e r m i n e d by the g r a m m a t i c a l cate g o r y t o w h i c h it b e l o n g s . ( 3 8 6 f . )
is
(10) The gender may be determined by foreign influences: a) An English l o a n w o r d may either be borrowed again in a s l i g h t l y different form from another language and keep the gender it had there ... or the word may be a direct borrowing from E n g l i s h , but may hav/e passed i n t o German via a n o t h e r language k e e p i n g the g e n d e r it had t h e r e . .. b) Words borrowed straight from English are sometimes treated as if they were F r e n c h w o r d s ... and then took the gender t h e y or t h e i r corresponding forms had in French ... (387) ( 1 1 ) Some w o r d s w h i c h w e r e t a k e n o v e r v i a L o w G e r m a n m a y b e u s e d b o t h m a s c u l i n e and as f e m i n i n e n o u n s . (388)
2.3.
as
Versuche
Im Gegensatz zu den Arbeiten, die ausschließlich bereits erfolgte Genuszuordnungen analysieren, versuchen Arndt, Carstensen, Clyne, Lang und Simmons durch Tests zu Erkenntnissen zur Genuszuordnung zu gelangen, indem sie Versuchspersonen Genuszuordnungen in der Art von Ad-hoc-Entlehnungen vornehmen lassen. Carstensen (1980b) und Simmons (1971) wollen neben einer Analyse der genusdeterminierenden Kriterien vor allem überprüfen, inwieweit die Einträge zum Genus englischer Lehnwörter in Wörterbüchern dem tatsächlichen Sprachverhalten entsprechen. Arndt (1970) will über die Genuszuordnung englischer (Lehn-) Wörter näheres erfahren "about gender distribution in the present Standard German noun inventory and about its
quantitative relation to noun morphology" ( 2 4 4 ) .
Clyne (1969) geht einerseits der Frage nach, inwiefern "sich das 'Genusgefühl 1 für deutsche Wörter (wenn es so etwas überhaupt gibt) bei der zweisprachigen Familie"
-
deutschsprachige
Nachkriegseinwanderer in Australien
-
erhält
(219). Andererseits interessiert er sich für "lautliche Faktoren", die (möglicherweise)
die Genuszuordnung englischer Lehnwörter durch monolinguale Spre-
cher des Deutschen in deutschsprachigen Gebieten bedingen ( 2 2 0 ) . Lang (1976) schließlich versucht mit einem Test einen Beitrag zu leisten zu "the present discussion in the field of generative grammar on the priority of syntax over
7
semantics (or vice versa) as the underlying structure in generative grammar." (56) Dabei soll anhand der Genuszuordnung englischer Lehnwörter die Frage beantwortet werden, ob das Genus im Deutschen eine morphologische oder semantische "Grundlage" ("'deep' gender") hat. Die Versuchsergebnisse können jedoch nur sehr wenig zu einer Systematik der Genuzuordnung englischer Lehnwörter beitragen; die Autoren beziehen die Frage nach den systematischen Kriterien zwar mit ein, doch sind die Versuche nicht sq aufgebaut, daß sie diese Frage endgültig klären könnten. Mitunter ist die Genuszuordnung der Testwörter - wie die genannten Zielsetzungen zeigen auch nur mittelbar von Interesse, da sie zu Erkenntnissen zu anderen Fragen verhelfen soll. Hinzu kommt, daß in den Versuchen auch Kunstwörter verwendet werden, über deren Nutzen man sehr geteilter Meinung sein kann. Auf jeden Fall sind diese Kunstwörter nach morphosemantischen Kriterien nicht immer voll geglückt, so daß sich die unumgängliche Unnatürlichkeit jeder Versuchssituation durch die "ungewohnten" Wörter bzw. Wortgebilde noch verstärkt. Auch die Befragung von Informanten nach ihrem Vorgehen bei der Genuszuordnung englischer Lehnwörter in alltäglicher Kommunikation blieb - zwangsläufig - ohne wesentliche Ergebnisse. Da die Genuszuordnung englischer Lehnwörter in der Regel "automatisch" und ohne Reflexion vor sich geht, erfährt man von den Informanten nichts oder nur sehr wenig über ihr tatsächliches Vorgehen, sondern nur ihre Thesen bzw. Hypothesen zur Genuszuordnung, die - so hat sich gezeigt (vgl. Sachs 1953: 257) - oftmals weit an der Realität vorbeigehen. 2.4.
Diskussion
Alle mir bekannten Arbeiten zur Genuszuordnung - nicht nur die zum Genus englischer Lehnwörter im Deutschen - interessieren sich im wesentlichen nur für die Kriterien der Genuszuordnung, ohne daß sie der Frage nachgehen, wann und wie die Genuszuordnung vor sich geht und wie die Integration und Konventionalisierung des Lehnworts und seines Genus abläuft. Vereinzelt finden sich (Neben-) Bemerkungen zum Prozeß der Genuszuordnung, die aber nicht überzeugen
Die Studien zur Genuszuordnung von Lehnwörtern in anderen Sprachen wurden nur am Rande b e r ü c k s i c h t i g t , da U n t e r s c h i e d e der S p r a c h s t r u k t u r e n , der S p r a c h k o n t a k t s i t u a t i o n e n , usw. eine Ü b e r t r a g u n g auf die deutschen V e r h ä l t nisse nicht oder nur bedingt zulassen. Vgl. Baetens Beardsmore (1971), D o d g e ( 1 8 9 7 ) , F i l i p o v i c (1961: 9 3 - 9 8 ) , F i s i a k ( 1 9 7 5 ) , H a u g e n ( 1 9 5 3 : 4414 4 9 ) , Royen (1929: 560-579), W e i n r e i c h (1953;1977: 6 7 f . ) .
können. So geht etwa Polzin (1903: 6 f . ) davon aus, daß nach einer Reimassoziation das Genus in Form des entsprechenden Artikels "anklingt", nach Hennig (1963: 59) "denkt" der Sprecher bei der Verwendung des englischen Lehnworts an ein deutsches Wort und nach Thiel (1959: 266) ist die "Geschlechtsvorstellung" nicht nur mit dem deutschen Wort, sondern auch mit dem Begriff "verbunden, die auch besteht, wenn er durch ein Fremdwort ausgedrückt wird." Dies hat zur Folge, daß die Kriterien der Genuszuordnung (fast) immer nur als Möglichkeiten dargestellt werden, nach denen sich die Genuszuordnung richten kann (z.B. "Das Geschlecht kann sich nach der Endung richten", "kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten übergeordneten Gruppe auch geschlechtsbestimmend sein" Urbanovä 1966: 103). Denn erst wenn man klärt, unter welchen Bedingungen welches des potentiell genusdeterminierenden Kriterien wirksam wird, kommt man über eine reine Deskription hinaus zu einer Analyse und Erklärung der Problematik. Diese Abgrenzung der einzelnen Kriterien ist aber nur möglich, wenn die Frage nach der Lokalisierung und dem Ablauf der Genuszuordnung im Entlehnungs- und Integrationsprozeß der englischen Lehnwörter beantwortet ist. Bezüglich der Kriterien der Genuszuordnung der englischen Lehnwörter im Deutschen gibt es in der Forschung bei viel Übereinstimmung doch auch große Unterschiede, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, daß eine grundlegende Erfassung des Prozesses der Genuszuordnung fehlt. Hier eine kleine Auswahl unterschiedlicher Interpretationen: Urbanovä (1966: 103) gibt beispielsweise eine etymologische und phonologische Erklärung für das maskuline Genus des Lehnworts Drink, wenn sie feststellt, daß es in Trunk "ein stammverwandtes klangliches Gegenstück im Deutschen" besitzt und deshalb dessen Genus erhält. Nach Ganz (1950: 386f.) hingegen wird Drink als deverbale Stammableitung empfunden und entsprechend im Deutschen maskulin seligiert. Während Ganz (1950: 386f.) auch das maskuline Genus des englischen Lehnworts Tip auf diese Art bestimmt wissen will, glaubt Hennig (1963: 6 2 f . ) , daß sich bei derartigen einsilbigen Wörtern mit kurzem Vokal "de rigueur das Maskulin einstellt", worin er eine Bestätigung von Grimms Theorie sieht, wonach "das Maskulinum "das Raschere, Tätige, Bewegende 1 bezeichnet". Polzin (1903: 68) wiederum begründet das maskuline Genus des englischen Lehnworts Flanell mit einer Reimassoziation mit dem deutschen Wort Gesell. Nach Ganz (1950: 381f.) - und ähnlich bei Thiel (1959: 265) - fungiert hingegen der deutsche Gattungsbegriff Stoff bzw. Zeug (damals m.) in diesem und ähnlichen Fällen als genusdeterminierendes "Leitwort". Da keine der Arbeiten - mit Ausnahme von Polzin (1903) - ein einheitliches
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System als Grundlage der Interpretation hat, muß dann auch jeder der Autoren eine Reihe von Ausnahmen nennen, die den mehr oder weniger ad hoc aufgestellten Regeln nicht entsprechen, was nicht unwesentlich zu der weitverbreiteten Auffassung der Willkürlichkeit und Zufälligkeit der Genuszuordnung englischer Lehnwörter beigetragen hat. Wie noch zu zeigen sein wird, sind diese "Ausnahmen" nicht unsystematische Sonderfälle, sondern Fälle, auf die eine inadäquate Regel angewendet wurde. Es werden beispielsweise sehr häufig alle englischen Lehnwörter auf -er ungeachtet ihrer unterschiedlichen morphologischen Struktur in einer Gruppe zusammengefaßt, so daß neben Nomina agentis wie Trainer auch unanalysierbare Lexeme wie Aster, Blazer und Cover in einer Gruppe erscheinen. Aster ( f . ) und Cover ( n . ) stellen dabei dann natürlich Ausnahmen dar, da sie nicht maskulin seligiert sind wie die entlehnten Nomina agentis. Bezieht man jedoch die Analysierbarkeit der Lehnwörter unter Berücksichtigung weiterer Kriterien mit ein, so ist die Genuszuordnung von Aster und Cover ebenso regelmäßig wie die von Manager, Trainer, usw. Des weiteren muß kritisch angemerkt werden, daß die Korpusanalyse weitgehend - mit Ausnahme der Arbeiten von Ganz - rein synchronisch erfolgt. Ohne die Verhältnisse zur Zeit der Entlehnung zu berücksichtigen, wird die Genuszuordnung vom Untersuchungszeitpunkt aus interpretiert, was zwangsläufig zu unbefriedigenden Ergebnissen führt bzw. führen kann, da Sprachwandel des Deutschen und auch Veränderungen des über längere Zeit im Deutschen üblichen englischen Lehnworts die ursprünglich relevanten Erscheinungen oft unkenntlich gemacht haben. Eine immer wieder auftretende Frage ist beispielsweise, warum das englische Lehnwort Team im Deutschen neutrales Genus hat und nicht feminines Genus nach dem (heute) nächsten Äquivalent Mannschaft ( f . ) (vgl. Carstensen 1980b: 56: "Aber warum heißt es «Jas Team? Die nächste lexikalische Entsprechung ist sicher die Mannschaft, und kein einziges deutsches Wort sächlichen Geschlechts scheint als Entsprechung in Frage zu kommen."). Man übersieht dabei allerdings, daß Mannschaft erst im Laufe der Zeit durch die um Eindeutschung bemühte Sprachpflege diese Bedeutung angenommen hat, daß es aber zum Entlehnungszeitpunkt Anfang des 20. Jahrhunderts die Bedeutung 'Soldaten einer Einheit, Abteilung; Besatzung 1 hatte und eine viel größere Anzahl von Personen bezeichnete als das Lehnwort Team zu dieser Zeit (vgl. S. 168). Ein Festhalten an dieser bisher üblichen Untersuchungsmethode erlaubt keine systematische Analyse der Genuszuordnung englischer Lehnwörter im Deutschen, da sie den Prozeß der Genuszuordnung vernachlässigt und somit auch keine Möglichkeit bietet, die potentiell genusdeterminierenden Kriterien zueinan-
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der in Beziehung zu setzen und gegeneinander abzugrenzen. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle auch keine Diskussion der von der Forschung postulierten Kriterien der Genuszuordnung; sie folgt auf die in dieser Arbeit vertretene Position (siehe 10.4.)· Im folgenden wird aus den genannten Gründen der Schwerpunkt auf einer Analyse des Prozesses der Genuszuordnung liegen, wobei dann eine Korpusanalyse auf der Basis der erarbeiteten Systematik die gewonnenen Erkenntnisse exemplifizieren soll.
1.1
3.
GENUS
Da es sich bei der Genuszuordnung englischer Lehnwörter um eine Erscheinung der
(ungesteuerten)
Integration in die deutsche Sprache handelt, muß davon
ausgegangen werden, daO diese Anpassung der Systematik der deutschen Genusklassifikation entsprechend e r f o l g t . Bevor somit die Frage beantwortet werden kann, nach welchen Prinzipien die Eingliederung der englischen Lehnwörter in die deutsche Systematik vor sich geht, muß die grammatische Kategorie Genus in ihrer Ausprägung im Deutschen analysiert werden. Als Grundlage der Diskussion von Genusentlehnung soll dann eine Kontrastierung mit dem Englischen dienen.
3.1.
Die grammatische Kategorie Genus
Genus ist
eine sekundäre grammatische Kategorie. Es subkategorisiert in den
indogermanischen Sprachen primäre grammatische Kategorien ("Lexemklassen") in zwei oder drei (Sub-) Klassen. Hinsichtlich dieser Subklassifizierung unterscheiden sich die a f f i z i e r t e n Lexemklassen immer danach, daß sie entweder genusvariabel sind und in syntaktischen Konstruktionen jeweils einer Genusdetermination bedürfen oder Genusinvarianz aufweisen und Genusdetermination bewirken. Letzteres gilt dabei immer nur für die Lexemklasse der Substantive. Die grammatische Kategorie Genus greift somit sowohl in den Bereich der Lexik als auch in den der Syntax und den der Morphologie. Eine Beziehung zur Lexik besteht, da die jeweilige Genusdetermination der Substantive im Lexikon festgelegt ist
("Genusrektion"), was gleichzeitig auch eine K l a s s i f i k a t i o n des
Substantivbestands der betreffenden Sprache mit sich bringt. Genus reicht in den Bereich der Syntax, da es als Kategorie nur in syntaktischen Konstruktionen in Erscheinung t r i t t ("Genuskongruenz" und "Genusrektion"). Morphologisch wirkt sich Genus schließlich insofern aus, als die genusvariablen
Konstituen-
ten in syntaktischen Konstruktionen morphologisch nach dem Genus gekennzeichnet werden ("Genuskongruenz"). Die (syntaktische) Funktion der grammatischen Kategorie Genus liegt in der Verdeutlichung von Beziehungen. Da die Genusdetermination immer aufgrund einer
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syntaktischen Abhängigkeitsbeziehung der beteiligten Konstituenten erfolgt, kennzeichnet sie dieses Abhängigkeitsverhältnis zusätzlich (zu anderen Faktoren wie Wortstellung). Diese Zusätzlichkeit wirkt sich im wesentlichen als Redundanz aus. Nur in einigen wenigen Fällen - insbesondere bei Pronominalisierung - dient Genus einer tatsächlichen Beziehungsmarkierung. Alles in allem muß die grammatische Kategorie Genus als eine Verkomplizierung einer Sprache gewertet werden, da ihre Funktionalität in keinem Verhältnis zum morphosyntaktischen Aufwand steht; dies vor allem dann, wenn man an die denkt, die Deutsch oder eine andere Genussprache als Fremdsprache lernen. 3.2.
Genus im Deutschen
Die grammatische Kategorie Genus bildet im Deutschen eine ternäre Opposition zwischen einer (sogenannten) maskulinen, einer (sogenannten) femininen und einer (sogenannten) neutralen Genusklasse. Auf diese drei Klassen sind die Substantive alternativ verteilt, so daß jedes Substantiv einer und in der Regel nur dieser einen Genusklasse angehört, z.B. Abend ( m . ) , Aussicht ( f . ) und Futter ( n . ) . Des weiteren a f f i z i e r t Genus die Lexemklassen der Artikel, Adjektive und Pronomina, die jedoch im Gegensatz zu den Substantiven genusvariabel sind und im Genus jeweils von einem Substantiv in einer syntaktischen Konstruktion determiniert werden. Verben, Adverbien und Partikeln schlieQlich werden im Deutschen nicht von der Kategorie Genus erfaßt. 3.2.1. Genusrektion Wenn im Deutschen genusvariable Konstituenten in einer syntaktischen Konstruktion zu einem Substantiv in ein syntaktisches Abhängigkeitsverhältnis treten, werden sie von diesem Substantiv (unter anderem auch) im Genus determiniert, z.B. der ( m . ) Wein ( m . ) . Das Substantiv Wein determiniert in diesem Syntagma das maskuline Genus des definiten Artikels ebenso wie Abfluß, Lehrer und Mann in der ( m . ) Abfluß ( m . ) , der ( m . ) Lehrer ( m . ) und der ( m . ) Mann ( m . ) , im Gegensatz zu einer femininen Genusdetermination bei die ( f . ) Tafel ( f . ) , die ( f . ) Halskrause ( f . ) , die ( f . ) Badehose ( f . ) und einer neutralen Genusdetermination bei das ( n . ) Hemd ( n . ) , das ( n . ) Schnitzel (n.) und das ( n . ) Tafelsilber ( n . ) . Da hierbei Elemente einer primären grammatischen Kategorie Elemente anderer primärer Kategorien bezüglich einer sekundären grammatischen Kategorie determinieren ohne selbst nach dieser sekundären grammatischen Kategorie zu variieren ("movieren"), wird d i e Genusdetermination hier a l s G e n u s -
13
r e k t i o n
aufgefaßt. Das Substantiv regiert nach dieser Auffassung im
Deutschen das Genus genusvariabler
Konstituenten auf dieselbe Art und Weise
wie beispielsweise Präpositionen die Kasus kasusvariabler Konstituenten regieren, etwa durch ( A k k . ) den Maid ( A k k . ) , aus ( D a t . ) dem Wald ( D a t . ) und außerhalb (Gen.) des Waldes ( G e n . ) ( v g l . Bech 1962: 4, Dal 1969: l l f . , F. Palmer 1971;1974: 95-98).
3.2.2.
Genusklassifikation
3.2.2.1. Die Grundlagen der Genusklassifikation Die Genusklassenzugehörigkeit der Substantive läßt sich im Deutschen nicht auf der Basis von offenkundigen Klassifikationsmerkmalen ("Klassemen") motivieren, etwa in der Art, daß es drei (oder auch Potenzen von drei) Merkmale(n) a, b und c zu drei Genusklassen A, B und C gibt, so daß mit Vorliegen von a auch gleich die Genusklassenzugehörigkeit zu A und entsprechend i zu 5 und c zu C gegeben ist.
Schon allein die kleine Anzahl der folgenden maskulinen Substan-
tive hat weder ein formales noch ein semantisches Merkmal gemeinsam, das ihre gleiche Klassenzugehörigkeit Wind, Abend, Pfau,
(in synchroner Sicht) motivieren könnte:
Mann,
Verstärker, Streit, Garten, Reichtum. Zum Vergleich eine
Gruppe von femininen und eine Gruppe von neutralen Substantiven: Frau,
Luft,
Nacht, Kuh, Aufregung (alle f . ) , Haus, Kind, Kamel, Gleichnis, Brot (alle n . ) . Andererseits gehören vielfach Substantive, die sich formal und/oder semantisch sehr stark ähneln, verschiedenen Genusklassen an, wie etwa Sanftmut ( f . ) vs. Hochmut ( m . ) , Bürger ( m . ) vs. Wimper ( f . ) vs. Messer ( n . ) , Finsternis ( f . ) vs. Ärgernis ( n . ) , Frau ( f . ) vs. Weib ( n . ) und Laster 'Lastkraftwagen'
( m . ) vs.
Laster 'schlechte Angewohnheit' ( n . ) . Wenn das Deutsche auch keine Genusklasseme kennt, so kennt es doch das Phänomen der Gruppenbildung von Substantiven, wobei dann alle Elemente einer solchen Gruppe derselben Genusklasse angehören, wie beispielsweise die Gruppe der Nomina agentis auf -er
( z . B . Fahrer, Lehrer, Taucher', alle m . ) . Das glei-
che Genus aller Elemente solcher Gruppen geht auf eine Gesetzmäßigkeit zurück, die als die entscheidende Regularität der Genusklassifikation zusehen ist.
im Deutschen an-
Sie b e t r i f f t jedoch wohlgemerkt nicht die jeweiligen Gruppenbil-
dungen als solche, sondern vielmehr ein einheitliches und durchgängig gültiges Grundprinzip der Klassenbildung. Dieses Grundprinzip besagt, daß das morphologische Element, auf dem die Klassenbildung beruht, auch das Genus der Elemente seiner Klasse determiniert. Die gleiche Genusklassenzugehörigkeit ist
somit
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immer sekundär gegenüber der morphologischen Äquivalenz. Dies hat zur Folge, daß bei synchroner Betrachtung die Klassifikation von morphologischen
Simplizia nicht systematisiert werden kann,
wohl aber
die
Klassifikation von Morphemgefügen. Da in Morphemgefügen das klassenbildende Element
immer das letzte des Stamms ist,
gilt, daß das letzte Morphem des
Stamms das Genus des gesamten Gefüges determiniert. Zum Beispiel: Simplex: Kompositum: Derivativum:
Haus Hausvater Vaterschaft
(n.) (m.) (f.)
vs. vs. vs.
Vater Vaterhaus Väterchen
(m.) (n.) (n.)
Unter Annahme von Nullmorphemen bzw. Nullallomorphen gilt dies auch für dungen wie die
Bil-
folgenden:
M i t Nullmorphem: Mit Nullallomorph:
Lauf-0 ( m . ) , Wurf-0 ( m . ) Koch-0 ( m . )
(Zum V/ergleich:
Lauf-erei
f. vs. Lauf-en n. bzw. Träg-er m . )
In erweiterter Form läßt sich dieser Grundsatz auch anwenden, wenn Z i r k u m f i gierung vorliegt, d.h. Morphemgefüge mit diskontinuierlichem Morphem: Simplex: Zirkumfigierung:
Berg ( m . ) Ce-birg-e ( n . ) , Ge-schoß-Q ( n . )
Hinzu kommen noch einige Fälle, bei denen sich die Gruppenbildung nach diesem Grundprinzip nur historisch erklären läßt, da sie heute kaum oder gar nicht als Morphemgefüge kenntlich sind, so etwa die Bildungen mit -e, -s und -t: Tief-e
( f . ) , Schnap-s
( m . ) und Fahr-t
(f.).
Insbesondere bei -e führt dies
sehr h ä u f i g zu einer rein formalen Gruppenbildung, der eine reguläre morphologische Motivation fehlt (z.B. Eck-e f. vs. Eck n . ) . Die Entscheidung über die Gruppenbildung liegt hierbei jedoch bei den Sprechern und nicht bei den Wissenschaftlern. Man kann um der Genauigkeit willen in solchen Fällen von einem "Pseudonorphem" sprechen, da es von den Sprechern als ein Morphem angesehen w i r d , ohne strenggenommen ein Morphem zu sein. Morphemgefüge
werden aber
in einer Reihe von Fällen aus Gründen der
sprachlichen Ökonomie vereinfacht, wobei insbesondere bei Determinativkomposita der Gattungsbegriff weggelassen
und nur der Artbegriff
genannt wird. So
findet sich beispielsweise neben dem Kompositum Moselwein ( m . ) sehr häufig das Simplex Mosel
( m . ) mit derselben Bedeutung und demselben (maskulinen) Genus.
Die These, daß das Morphem »ein ( m . ) hier das Genus von Mosel ( m . ) bedingte, w i r d unter anderem auch dadurch gestärkt, daß das homonyme Wort Mosel als Be-
15 Zeichnung für einen bestimmten Wasserlauf im Gegensatz zu der Weinsorte Mosel der femininen Genusklasse angehört. Man muß sich im Deutschen somit bei Simplizia immer auch die Frage stellen, ob sie auf ein Morphemgefüge zurückgehen, das dem Grundprinzip der Genusklassifikation entsprechend
das
Genus
bedingt
haben könnte. Dem G r u n d p r i n z i p der Genusfestlegung entspricht auch eine Gruppe von Wörtern, die die Besonderheit zu haben scheinen, daß ihr Genus variieren kann. Sie können jeweils Versprochene
alle drei Genera "regieren", wie etwa Neue, Ruhende und
(alle m. oder f. oder n . ) . Bei näherer Betrachtung zeigt sich je-
doch, daß diese Wörter dem wesentlichen Kriterium für das A u f t r e t e n von Genusinvarianz nicht entsprechen, nämlich dem, Substantiv zu sein. Denn diese Wörter
sind nur nach syntaktischen Definitionskriterien
Substantive, nicht aber
nach morphologischen. Und es sind ja gerade die morphologischen K r i t e r i e n , die Lexemklassen, d . h . die Klassen der Wortschatzelemente, definieren ( v g l . Bergenholtz/Mugdan 1979a: 137-141). Bei Wörtern wie Neue, Ruhende und Versprochene handelt es sich unter morphologischen ( d . h . flexivischen) Gesichtspunkten um Adjektive, wie sich an ihrer D i f f e r e n z i e r u n g zwischen starker und schwacher Flexion sehr einfach zeigen läßt: der/die/das ein eine ein
Neue/Ruhende/Versprochene
(m./f./n.)
vs.
Neuer/Ruhender/Versprochener ( m . ) Neue/Ruhende/Versprochene ( f . ) Neues/Ruhendes/Versprochenes ( n . )
Der Wechsel zwischen -e
und -er/-e/-es entspricht genau dem der
(syntakti-
schen) A d j e k t i v e , zum Beispiel: der gute Kuchen ( m . ) vs. die gute Platte ( f . ) vs. das gute Gebäck ( n . ) vs.
ein guter Kuchen ( m . ) eine gute Platte ( f . ) ein gutes Gebäck ( n . )
Morphologisch definierte Substantive weisen eine derartige Variation der Flexion nicht auf ( v g l . der/ein Tag, die/eine Frage, das/ein Haus}. Diese Wörter, die nach syntaktischen Kriterien Substantive, nach morphologischen Kriterien jedoch Adjektive sind, sind wie alle Adjektive genusvariabel und unterliegen auch denselben Mechanismen der Genusdetermination. Ob die syntaktische Konstruktion nun lautet Der Neue betrat den Raum ("Substantiv") oder Der neue betrat den Raum ( A d j e k t i v ) , macht für die Genusdetermination keinen Unterschied. In beiden Fällen regiert ein Substantiv das Genus des (morpholo-
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gischen) Adjektiv/s; dieses Substantiv wird in der Äußerung nur nicht genannt; es wird aber mitverstanden. Auf die gleiche Art und Weise determiniert ein mitverstandenes Substantiv das Genus von "freien" Artikeln, d . h . von definiten Artikeln, die in der Funktion von Demonstrative verwendet werden, z . B . Der gefällt m i r / , Die ist vielleicht teuer!, Schau dir das mal an!. Immer dann, wenn mit diesen Demonstrative nicht auf einen Sachverhalt Bezug genommen wird, sondern auf etwas Individuiertes, das mit einem einzelnen Substantiv sprachlich erfaßt ist, regiert dieses Substantiv das Genus der Artikel formen. Der Grund hierfür liegt in dem für Kommunikation wesentlichen Erkenntnisprozeß der Konzeptualisierung des Ausschnittes der Welt, über den gesprochen wird (vgl. 5.1.). Eine Konzeptualisierung der Welt, die im Hinblick auf Kommunikation vorgenommen wird, folgt auch den sprachlichen Zeichen, die hierbei als gelernte und konventionalisierte Richtlinien der Konzeptualisierung fungieren. Wenn jedoch aus der Situation und dem Kontext (und eventuellen Zeigegesten) die Referenz der Äußerung klar zu sein scheint, dann braucht der Sprecher nicht zu einer expliziten Verbalisierung zu greifen, die in ihrer Explizitheit ohnehin sehr stark redundant wäre. So genügt es beispielsweise, wenn man in einem Haushaltwarengeschäft bei der Auswahl zwischen einer größeren Anzahl von Kochtöpfen äußert: Der gefällt mir.'; ein Hinzufügen von Kochtopf ist für die Referenz nicht nötig, sondern sogar eher störend. Die der Äußerung unterliegende Konzeptualisierung benötigt dieses verbale Konzept jedoch, was sich dann auch im Aufbau der Äußerung (d.h. auch in der Genusdetermination) niederschlägt. 3.2.2.2. Genus und Semantik (Sexus) Die Problematik der Beziehung zwischen Genus und Semantik im Deutschen gehört eigentlich zum Problemkreis der Genusklassifikation, da sie im wesentlichen die Frage b e t r i f f t , inwieweit semantische Kriterien als Klasseme der Genusklassen in Erscheinung treten. Sie ist deshalb mit den einleitenden Bemerkungen dieses Kapitels bereits abgehandelt. Eine gesonderte Behandlung rechtfertigt sich jedoch dadurch, daß ein Teilbereich der Semantik seit Anbeginn des Nachdenkens über Genus den Kern fast aller Diskussionen gebildet hat und als Beschreibungsgrundlage aller möglichen Aspekte von Genus herangezogen worden ist: das biologische Geschlecht, der Sexus. Die Frage nach der Beziehung zwischen Genus und Semantik in den indogermanischen Sprachen ist in ihrem Kern die Frage nach der Beziehung von Genus und Sexus (vgl. Royen 1929, Wienold 1967).
17
Eine Interdependenz zwischen Genus und Sexus würde im Deutschen dann bestehen, wenn die Opposition der Genusklassen (maskulin,
feminin,
neutral) in eine
Eins-zu-eins-Entsprechung mit der ternären Opposition des biologischen Geschlechts (männlich, weiblich, unbelebt) gebracht werden könnte (selbst metaphorische Zuweisungen wären dabei zugelassen). Das heißt somit, alle Bezeichnungen männlicher Lebewesen müßten einer Genusklasse (und nur dieser) zugeordnet sein, genauso wie auch die Bezeichnungen von weiblichen Lebewesen und von Unbelebtem. Eine derartige oppositive Genusklassifikation gibt es im Deutschen nur als Ausnahmeerscheinung bei einigen wenigen Substantiven ( z . B . Mann m . , Frau f . , Haus n . ) . Ihr steht die bei weitem überwiegende Mehrzahl von Substantiven gegenüber, für die dies nicht gilt. Es finden sich in allen drei Genusklassen Bezeichnungen für Unbelebtes ( z . B . Tisch m . , Gabel f., verschiedene
Bezeichnungen für
Wasser n . ) , wie auch
Lebewesen desselben biologischen
Geschlechts
unterschiedlich klassifiziert sind ( z . B . Mädchen n., Frau f . , Backfisch
m.).
Außerdem sind viele Bezeichnungen für Lebewesen ohnehin nicht nach den Sexus spezifiziert ( z . B . Mensch, Lehrer, Gans). Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß es sich bei weiblicher und männlicher Movierung von Substantiven um eine Erscheinung handelt, die die Wortsemantik b e t r i f f t ,
die sich aber bezüglich des Genus nach dem gleichen
grundlegenden Prinzip richtet wie alle anderen Morphemgefüge. So wird in der movierten Bildung Gänserich ( m . ) das sexusneutrale Wort Gans ( f . ) nach dem männlichen Sexus determiniert; die Gehusklassifikation geht jedoch von dem Morphem -rieh aus. Dasselbe gilt für weibliche Movierung mit dem Morphem -in (z.B. Lehrerin f. zu Lehrer m . ) .
3.2.2.3. Oppositive
Genusklassifikation
Dem grundlegenden .Kriterium des deutschen Genussystems, daß jedes Substantiv einer und nur dieser einen Genusklasse angehört, entsprechen auch die Substantive, die bei gleicher Form und unterschiedlicher Bedeutung verschiedenen Genusklassen zugeordnet sind. Sie s»ind als homonyme Wörter verschiedene Sprachzeichen mit einer dem jeweiligen Sprachzeichen eigenen Genusklassenzugehörigkeit. Um die Besonderheit o p p o s i t i v e r
der Formgleichheit zu erfassen, kann man hier von
Genusklassifikation sprechen. Hier einige Beispiele:
Sand
( n . ) 'Fessel, Gewebestreifen; enge Beziehung'
Band
(m.)
'Eingebundenes, Buch 1
18
See ( m . ) See ( f . )
'Binnengewässer' 'Meer 1
Steuer ( n . ) 'Lenkvorrichtung 1 Steuer ( f . ) 'Abgabe'
3.2.2.4. Dialektale Varianten der Genusklassifikation Die im vorigen Abschnitt besprochene oppositive Genusklassifikation bezog sich auf homonyme Substantive der deutschen Standardsprache. Eine ähnliche Erscheinung unterschiedlicher Genusklassifikation gibt es im Deutschen auch mit dialektaler Varietätengebundenheit, d . h . einige Substantive haben in einem (oder mehreren) D i a l e k t ( e n ) ein anderes Genus als in der Standardsprache oder in einem (oder mehreren) anderen D i a l e k t ( e n ) . Hier eine kleine - keineswegs vollständige - Auswahl der Abweichungen von den standardsprachlichen Konventionen: Butter ( m . ) Butter ( f . )
Schwäbisch (vgl. Ammon/Loewer 1977: 64) Standardsprache
Gatter ( m . ) Gatter ( n . )
Bairisch ( v g l . Zehetner 1977: 96) Standardsprache
Bach ( f . ) Bach ( m . )
Hessisch ( v g l . Hasselberg/Wegera 1976: 54) Standardsprache
Kies ( n . ) Kies ( m . )
Alemannisch ( v g l . Besch/Löffler 1977: 62) Standardsprache
Fenster ( f . ) Fenster ( n . )
Rheinisch ( v g l . Klein/Mattheier/Mickartz 1978: 104) Standardsprache
Brezel ( n . ) Brezel ( f . )
Alemannisch ( v g l . Besch/Löffler 1977: 62) Standardsprache
3.2.2.5. Genusschwankung Ganz ohne Ausnahmen ist
das Grundprinzip der alternativen Genusklassifikation
im Deutschen jedoch nicht. Einige wenige Substantive schwanken im Genus, d . h . sie können mehr als
ein Genus regieren, ohne, daß diese verschiedenen Genera
semantisch, stilistisch oder varietätenspezifisch markiert sind. Schwanken des Genus bedeutet
für die Sprecher demnach im wesentlichen,
daß man "so, aber
auch so sagen kann". Sehr häufig jedoch variieren die Sprecher nicht frei, sondern "entscheiden" sich für eines der möglichen Genera, so daß ein Schwanken im individuellen Gebrauch nicht besonders häufig a u f t r i t t . Und somit sollte von dieser Erscheinung auch nicht gleich auf eine Unsicherheit im Gebrauch geschlossen werden. Unsicherheit kommt eigentlich nur dann a u f , wenn man beginnt, über das Genus eines Wortes nachzudenken und dann keine "logische" bzw.
19 befriedigende Erklärung findet. Die Genusschwankung bewegt sich in der Regel zwischen zwei Genera
(z.B.
Versäumnis n . / f . , Klunker m . / f . , Dotter m . / n . ) . Ganz selten einmal sind drei Genera möglich wie bei Zigarillo ( m . / f . / n . ) . Auf die Genusschwankung bei (englischen) Lehnwörtern wird an späterer Stelle noch a u s f ü h r l i c h e r e i n z u g e h e n sein ( v g l . 8.). An dieser Stelle mag g e n ü g e n , daß es n a t ü r l i c h vor allem die neu entlehnten Lehnwörter sind, die im gesamten S u b s t a n t i v / b e s t a n d des Deutschen am h ä u f i g s t e n s c h w a n k e n . Nach meinen Beobachtungen treten diese Schwankungen dennoch sehr viel seltener auf als man in der L i t e r a t u r h ä u f i g lesen k a n n .
3.2.3.
Genuskennzeichnung und Genuskongruenz
Das Genus der Substantive wird im Deutschen am Stamm nicht gekennzeichnet; es ist
nur an den im Genus von den Substantiven determinierten genusvariablen
Konstituenten formal (n.)
angezeigt, so etwa bei der ( m . ) , eine ( f . ) und schönes
in der Tag, eine Karte und schönes Wetter. Die Genusdetermination der
Substantive führt jedoch nur im Singular zu einer unterschiedlichen Genuskennzeichnung,
da die genusvariablen Konstituenten im Plural in allen drei Genera
homonyme Flexive haben, zum Beispiel: PLURAL
SINGULAR der ( m . ) Abend die ( f . ) Freiheit das ( n . ) Überbleibsel
die ( m . ) Abende die ( f . ) Freiheiten die ( n . ) Überbleibsel
Aber auch im Singular sind die Flexive vielfach homonym. Da die Formen der Genuskennzeichnung mit den Formen der Kasuskennzeichnung synkretiert a u f t r e t e n , können die
Formen verschiedener Genera im selben Kasus zusammenfallen ( z . B .
dem Mann m . / K i n d n . , D a t . ) , Genus
(z.B.
das
Kind
n.,
ebenso wie Formen verschiedener Kasus im selben Nom./Akk.)
und Formen verschiedener
Kasus
in
verschiedenen Genera (z.B. der Mann m . , Nom. - der Frau f . , G e n . ) . Wenn mehr als eine genusvariable Konstituente von demselben Substantiv im Genus regiert werden, dann kommt e s z u Konstituenten, d.h. scheidet
sich somit
(oder mehr) Elemente
G e n u s k o n g r u e n z
zu übereinstimmender von Genusrektion
dieser
Genusrektion. Genuskongruenz unter-
dadurch,
daß bei
Genuskongruenz zwei
k o v a r i i e r e n , während b e i Genusrektion e i n Ele-
ment (mindestens) e i n anderes i m Genus
d e t e r m i n i e r t . Z u m Beispiel:
20 der ( m . ) die ( f . ) das ( n . )
saubere ( m . ) saubere ( f . ) sauiere ( n . )
Fluß ( m . ) Anlage ( f . ) Viertel ( n . )
K O V A R I A T I O N (Kongruenz) DETERMINATION (Rektion) Grundsätzlich gilt dabei, daß eine differenzierende Kennzeichnung nur bei einer
der genusvariablen Konstituenten vorgenommen wird. So lautet im obigen
Beispiel die Adjektivform in allen drei Genera saubere, da der definite Artikel die Genera formal differenziert.
Im Gegensatz dazu hat das Adjektiv nach
dem indefiniten Artikel in den drei Genera verschiedene Flexive, da der indefinite Artikel Maskulinum und Neutrum nur im Akkusativ unterscheidet. Zum Beispiel: ein-0 ( m . ) eine ( f . ) ein-0 ( n . )
sauberer ( m . ) saubere ( f . ) sauberes ( n . )
Fluß ( m . ) Anlage ( f . ) Viertel ( n . )
Nur der Akkusativ kennt eine doppelte Kennzeichnung:
3.2.4.
den ( m . ) die ( f . ) das ( n . )
sauberen ( m . ) sauiere ( f . ) saniere ( n . )
Fluß ( m . ) Anlage ( f . ) Viertel ( n . )
einen ( m . ) eine ( f . ) ein-0 ( n . )
sauieren ( m . ) sauiere ( f . ) saufceres ( n . )
Fluß ( m . ) Anlage ( f . ) Viertel ( n . )
Genus und Substantivflexion
Das Substantiv flektiert im Deutschen nach Numerus und Kasus. Da eine formale Genuskennzeichnung nicht
vorliegt,
gibt es bei zwei Numeri und vier Kasus
theoretisch ein Paradigma mit acht Stellen, das jedoch durch Homonymie auf ein Maximum einer fünffachen formalen Differenzierung
reduziert ist
(vgl. Bergen-
holtz/Mugdan 1979a: 149-154). Die verschiedenen Flexive unterliegen dabei einem sehr komplexen Regelsystem; oft sind sie auch idiosynkratisch. Sie werden im Deutschen nicht aufgrund der Genusklassenzugehörigkeit des Substantivs determiniert, etwa in der A r t , daß alle Feminine ihren Plural mit einem bestimmten Flexiv bilden und die anderen beiden Genera ebenfalls. Die wenigen Gesetzmäßigkeiten, kaum ins
die
existieren, fallen bei der Komplexität
des ganzen Systems
Gewicht, so zum Beispiel, daß Feminina im Gegensatz zu den anderen
21
beiden Genera den Genitiv nicht kennzeichnen ( d . h . im Genitiv ein Nullallomorph haben). Zum Beispiel: die Klagemauer (Nom., f . )
-
der Klagemauer (Gen., f . )
Im Gegensatz dazu:
der Topf (Nom., m.) - des Topfes (Gen., m . ) das Kleid (Nom., n.) - des Kleides (Gen., n.) Dieser Gesichtspunkt braucht hier nicht eingehender behandelt zu werden, da eine Beziehung zwischen Genus und Substantiv/flexion, soweit sie überhaupt besteht, im Deutschen immer vom Genus ausgeht und somit für die Problematik der Genuszuordnung englischer Lehnwörter ohne Bedeutung ist. Denn da bei einer vorliegenden Interdependenz das jeweilige Flexiv auf die Genusklassenzugehörigkeit zurückgeht, ist es in Relation zum Genus sekundär und kann somit auch nicht als Kriterium der Genuszuordnung fungieren, da sein Auftreten bereits eine bestimmte Genuszuordnung voraussetzt. 3.3.
Genus im Englischen
In altenglischer Zeit besaß das Englische ein Genussystem, das dem des heutigen Deutschen sehr ähnlich war. Zum Neuenglischen hin ist dann jedoch die grammatische Kategorie Genus im Zusammenhang mit einer sehr starken Reduktion der Flexion verlorengegangen. Es gibt heute weder eine formale Genuskennzeichnung der Substantive noch die Möglichkeit der Determination genusvariabler Konstituenten, wie das folgende Beispiel verdeutlicht: a/the/that black/ugly/ nice man/woman/knife (zum Vergleich das Deutsche: ein schwarzer Mann, eine schwarze Frau, u s w . ) . Allerdings differenzieren die Personal-, Possessiv- und Reflexivpronomina der dritten Person drei Klassen: he, she, it; his, her, its; himself, herself, itself. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um die grammatische Kategorie Genus, da keine Rektion genusinvarianter Substantive vorliegt. Dies zeigt sich vor allem daran, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl von Substantiven nicht nur mit einer, sondern mit zwei oder sogar allen drei Pronominalklassen pronominalisiert werden kann (z.B. teacher ... he/she, cat ... he/she/it). Eine derartige Bezugsvarianz läuft der Konzeption einer grammatischen Kategorie zuwider, es sei denn, man geht von einer Unzahl homonymer Lexeme aus, die dann jeweils ein bestimmtes Genus regieren (z.B. cat m . , cat f . , cat n . ) . Diese Annahme läßt sich aber wohl nicht ausreichend begründen. Die Pronomina sind vielmehr als Lexeme aufzufassen, die sich weitgehend wie Substantive mit sehr geringer semantischer Intension verhalten. Man hat
22
sich die Pronominalisierung etwa so vorzustellen wie in dem folgenden - konstruierten - deutschen Beispiel: _Ein_Arzt trug die Krankenschwester ins Freie. Dieses_männliche_Wesen rettete mit seiner mutigen Aktion dieses weibliche Wesen.
Hierbei entspricht dieses männliche Wesen in Bedeutung und Funktion dem englischen Pronomen he, dieses weibliche Wesen dem englischen Pronomen her (d.h. she). Im Gegensatz zur Pronominalisierung im Deutschen, bei der auch Pronomina im Genus von Substantiven regiert werden - man denke nur an die "unlogischen" Fälle wie Mädchen ... es bzw. ihm - ähnelt die Pro-Fortführung im Englischen einer textuellen Wiederaufnahme mit lexikalischen Elementen. Zum Beispiel: A physician and a nurse . . . The^jnan and the girl bzw. He and she . . .
Wie bereits kurz angesprochen, kann die Pronominalisierung je nach der Bedeutung des Substantivs (auch bei "metaphorischer" Interpretation) variieren. So kann beispielsweise friend, das lexikalisch nicht nach dem Sexus spezifiziert ist, je nach dem Sexus der gemeinten Person mit he oder she pronominalisiert werden. Prinzipiell lassen sich dabei sieben Möglichkeiten der Pronominalisierung(svarianten) unterscheiden (nach Hockett 1958: 233): he: she: it: he oder she: he oder it: she oder it: he oder she oder it:
John, boy, man Mary, girl, woman road, street, paper citizen, president, dean, doctor billy-goat, ram, drake nanny-goat, boat, car, ship baby, child, cat, dog, robin
Bei einem Wort wie baby richtet sich die Art der Pronominalisierung (d.h. he, she oder it) demnach danach, ob man dem biologischen Geschlecht in der jeweiligen Äußerung Relevanz beimißt oder nicht. Eine grammatische Determination (d.h. baby ... he, baby ... she, baby ... it) liegt ganz offensichtlich nicht vor. 3.4.
Genusentlehnung
Wenn man sich mit der Problematik der Genuszuordnung von Lehnwörtern beschäftigt, stellt man sich unweigerlich die Frage, warum denn eigentlich bei Entlehnung eine Neuzuordnung zu einer Genusklasse erfolgt und warum nicht einfach das Genus bei der Entlehnung des Substantivs mitentlehnt (d.h. beibehalten)
23
wird. Einleitend
ist
ja bereits erwähnt worden, daß es in Deutschland sogar
lange Zeit Stimmen gab, die eine Beibehaltung des Genus ausdrücklich forderten (vgl. Holzgraefe 1908: 11). Für englische Lehnwörter propagierte man dabei natürlich eine Genusklassifikation nach dem Sexus. Ein erster wichtiger Gesichtspunkt ist
in diesem Zusammenhang, daß die
Sprecher das Genus nur mitentlehnen können, wenn sie die Fremdsprache beherrschen, d . h . das Genus der Substantive kennen. Diese Kenntnisse besitzt aber nur ein kleiner
Teil der am Entlehnungs- und Integrationsprozeß beteiligten
Sprecher: die Bilingualen. Der größte Teil jedoch hat nur geringe oder überhaupt keine Kenntnisse der Fremdsprache (vgl. 8.4.1.) und kann deshalb die Lehnwörter auch nicht der Ursprungssprache entsprechend den deutschen Genusklassen zuordnen (man denke nur an die französischen Lehnwörter im Deutschen). Selbst
wenn die
entlehnten
Substantive eine formale Genuskennzeichnung im
Stamm hätten, könnte sie von den Monolingualen nicht als Kriterium der Genuszuordnung herangezogen werden, da sie die Konvention nicht kennen, die diese formalen Elemente zu Zeichen der Genusklassenzugehörigkeit macht. Eine Möglichkeit der Genusentlehnung wäre natürlich, das Genus der Lehnwörter bei der "offiziellen" Entlehnung "offiziell" festzulegen und als Norm zu präskribieren. Da das Lehngut aber ohne institutionelle Lenkung ins Deutsche gelangt, entfällt diese Möglichkeit. Die einzige realistische Möglichkeit für eine Genusentlehnung auf breiter Basis wäre dann gegeben, wenn es "in" wäre, so zu verfahren, d . h . wenn ein anderes Vorgehen als ungebildet, altmodisch, usw. gelten würde. Daß dieser Gedanke nicht ganz abwegig bzw. utopisch ist, zeigt sich daran, da!? eine nicht unbeträchtliche
Zahl Deutschsprachiger bei
Lehnwörtern aus den klassischen
Sprachen - mitunter auch bei französischen Lehnwörtern - diesem Grundsatz der Beibehaltung des Genus folgt. Für englische Lehnwörter gilt dies jedoch nicht. Sicherlich hängt das auch damit zusammen, daß eine Klassifikation nach dem Sexus, von der man auszugehen hätte, nicht den deutschen Klassifikationskriterien
entspricht. Den englischen
Lehnwörtern würde dabei innerhalb des deutschen Substantivbestands ein Sonderstatus zukommen, der- keine fundierte Begründung hat und der der Integration entgegenstünde, da Integration gerade zu Systemkonformität führen soll. Damit soll natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß der eine oder andere Sprecher oder auch ganze Sprechergruppen eine Klassifikation der englischen Lehnwörter nach dem Sexus vornehmen. Dies ist ersten Integrationsstufe
aber grundsätzlich nur in der
des Entlehnungs- und Integrationsprozesses möglich.
Im Laufe der Integration wird eine solche Klassifikation,
die dem deutschen
24
Klassifikationssystem kation ersetzt. 3.5.
zuwiderläuft, immer durch eine systemkonforme Klassifi-
Schlußfolgerung
Den ins Deutsche entlehnten englischen Substantiven muß ein Genus zugeordnet werden, da jedes Substantiv im Deutschen einer Genusklasse angehören muß. Diese Genuszuordnung wirkt sich dann wie bei den deutschen Substantiven als Genusrektion aus, d.h. das englische Lehnwort determiniert dann ebenso wie deutsche Substantive das Genus von deutschen genusvariablen Konstituenten, die in einem syntaktischen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen. Man kann davon ausgehen, daß es für die Genuszuordnung englischer Lehnwörter keine generellen Kriterien gibt, da einerseits Genusentlehnung ausscheidet und andererseits auch das Deutsche keine Klasseme der Genusklassen kennt. Allerdings kann angenommen werden, daß das im Deutschen vorliegende Grundprinzip der Genusklassifikation auch für die englischen Lehnwörter Gültigkeit hat. Da es keine normative Steuerung der Entlehnung und Genuszuordnung englischer Lehnwörter gibt, setzt die folgende Analyse der Problematik der Genuszuordnung beim Entlehnungsprozeß an, in dessen Zusammenhang die Genuszuordnung erfolgt.
25
4.
ENTLEHNUNG
Die Entlehnung englischer Substantive erfolgt ungesteuert aufgrund kommunikativer Bedürfnisse deutschsprachiger
gewisser
Personen. Die dabei nötige Genus-
zuordnung geht in der Regel vor sich, ohne daß die Sprecher etwas davon wissen, geschweige denn, daß sie ihr Vorgehen bewußt überdenken. Daraus läßt sich schließen, daß den englischen Substantiven nicht schon vor der Verwendung im Deutschen ein Genus zugeordnet wird bzw. daß sie nicht zuerst "entlehnt" und dann einer Genusklasse zugeordnet werden. Es kommt somit dem V o r g a n g des Entlehnens eine entscheidende Rolle bei der Genuszuordnung zu. Dem Vorgang des Entlehnens sprachlicher Zeichen liegt der Kontakt zweier Sprachen in Form einer beide Sprachen sprechenden Person zugrunde, die mit Sprechern, die ebenso - mehr oder weniger gute - Kenntnisse beider Sprachen besitzen kommuniziert (vgl. Weinreich 1953;1977: 15). Wenn in dieser Kommunikation die beiden Sprachen in den Äußerungen getrennt bleiben, dann handelt es sich u m bilinguale Kommunikation m i t
S p r a c h w e c h s e l
(vgl. Clyne
1967a: 1 5 f f . ) . W e n n jedoch Sprachzeichen einer Sprache im Ko-Text der anderen Sprache verwendet werden, dann handelt es sich um E n t l e h n u n g . Der Vorgang des Entlehnens läßt sich somit bestimmen als die Verwendung sprachlicher
Zeichen in anderssprachigem Ko-Text in der Kommunikation bilingualer
Sprecher (vgl. Haugen 1950: 212). So liegt beispielsweise Entlehnung vor, wenn geäußert wird: Dieses Horse gefällt mir besonders gut!; das englische Substantiv horse 'Pferd 1 ist hier in eine deutsche Äußerung integriert und somit entlehnt. Was hier als Vorgang des Entlehnens bezeichnet wurde, muß vom Vorgang der Integration abgegrenzt werden. Beim Vorgang des Entlehnens geht es um die Mechanismen einer bestimmten Art der Produktion sprachlicher Äußerungen, wogegen Integration einen vielschichtigen Prozeß der Konventionalisierung entlehnter Sprachzeichen darstellt, der auf dem Hintergrund von Produktion und Rezeption der Entlehnungsäußerungen abläuft (vgl. Coseriu 195 ;1974: 68). Der sich bei der Integration vollziehende Konventionalisierungsprozeß kennt natürlich keine scharfe Unterscheidung zwischen integriert und nicht-integriert; sinnvoller-
26
weise spricht man dabei so lange von Entlehnung wie Kenntnisse der Fremdsprache zu einer störungsfreien Kommunikation erforderlich sind. Wenn somit in einer deutschen Äußerung das englische Wort horse 'Pferd 1 vorkommt, dann handelt es sich um Entlehnung, da es für dieses Wort im Deutschen (noch) keine Konvention gibt; demgegenüber sind Wörter wie Boot, Streik und Playboy integrierter Bestandteil des deutschen Wortschatzes mit für die Verwendung im Deutschen gültigen Konventionen. Im IntegrationsprozeO befindliche englische Lehnwörter sind heute etwa Pub, Guinness und Dressing. Die EntlehnungsäuOerung Dieses Horse gefällt mir besonders gut! macht deutlich, daß jedes ins Deutsche entlehnte englische Substantiv schon bei seinem ersten Auftreten in deutschem Ko-Text eine Genusdetermination bewirken muß, wenn die Äußerung genusvariable Konstituenten enthält, die syntaktisch von ihm abhängen (hier: dies-). Anders als bei den deutschen Substantiven, die in der Regel von dem Sprecher mit einem Genus gelernt werden, bevor er sie zum erstenmal verwendet, geht der Genusdetermination durch das englische Lehnwort kein gelerntes Wissen voraus. Die zentrale Frage der Problematik der Genuszuordnung konzentriert sich somit auf den Gesichtspunkt, wie es möglich ist, daß das englische Substantiv ein Genus regieren kann, ohne vorher nach dem Genus klassifiziert worden zu sein. Es darf insbesondere nicht übersehen werden, daß die Genuszuordnung ohne Verzögerung der Äußerung geschieht, mit einer Sicherheit, wie sie sonst nur bei sehr stark automatisierten Tätigkeiten auftritt. Auch wenn die Notwendigkeit einer Genuszuordnung des englischen Substantivs erst aus den Gegebenheiten der Genusdetermination in einem deutschen Ko-Text erwächst, muß dennoch die Grundlage hierfür schon zuvor gelegt worden sein. Vor der Entlehnungsäußerung liegt (nur) die Kompetenz des Sprechers und ihr Erwerb. Nach den bisherigen Schlußfolgerungen muß sie in ein weiteres Verständnis von Entlehnung einbezogen werden, da sie ganz offensichtlich mehr ist als nur die Bedingung der Möglichkeit des Entlehnens. Die bilinguale Kompetenz zeichnet sich nicht so sehr dadurch aus, daß sie es dem Sprecher ermöglicht, in zwei Sprachen Äußerungen zu produzieren und zu verstehen; diese Fähigkeit wäre nur das "Doppelte" einer einsprachigen Kompetenz. Die ("folgenschwere") Besonderheit der bilingualen Kompetenz besteht vielmehr darin, daß der Bilinguale die beiden Sprachen mit einer DominanzabV g l . F i l i p o v i c ( 1 9 7 4 : 1 3 5 ) . D i e s w i r d a u c h v o n H a u g e n ( 1 9 5 0 : 212) b e t o n t ; s e i n e D a r s t e l l u n g v o n E n t l e h n u n g i s t j e d o c h sehr s t a r k v o m B e h a u i o r i s m u s b e e i n f l u ß t , s o daQ er w i c h t i g e k o g n i t i v e E r s c h e i n u n g e n n i c h t e r f a s s e n kann.
27
s t u f u n g beherrscht, die - insbesondere bei Bildungsbilinqualen
- darauf zu-
rückgeht, daß die beiden Sprachen nacheinander im Abstand von ein paar Jahren gelernt wurden. Die erste Sprache ("Muttersprache") ist nant, als
dabei insofern domi-
sie die Grundlage für den Erwerb der zweiten bildet. Dies hat zur
Folge, daß die zweite Sprache nur in Abhängigkeit von der ersten gekonnt w i r d , da sich ihr Erwerb über interlinguale I d e n t i f i k a t i o n mit der ersten v o l l z i e h t . Da die Genusdetermination englischer Lehnwörter mit derselben Automatizität
und Selbstverständlichkeit erfolgt wie die deutscher Substantive und da
andererseits die englischen Substantive mittels interlingualer I d e n t i f i k a t i o n gelernt und beherrscht werden, liegt somit der Schluß nahe, daß die interlinguale Identifikation der entscheidende Faktor bei der Genusdetermination ( d . h . der Genuszuordnung) englischer Lehnwörter
ist.
Im folgenden wird demgemäß zunächst das sprachliche
Zeichen behandelt, da
sich das A u f t r e t e n und die Möglichkeiten interlingualer Identifikation aus seinen Wesensmerkmalen ergeben.
28
5.
DAS SPRACHLICHE ZEICHEN
5.0.
Vorbemerkungen
Eine Sprache ist
ihrem Wesen nach eine bestimmte Technik des Sprechens, und
nur die technischen Hilfsmittel der Fixierung
von Äußerungen erlauben es,
Sprache als etwas Produziertes - und somit als Produkt - zu sehen und zu analysieren (vgl. Coseriu 1958;1974: 38, Gauger 1976a: 21, Lüdtke 1980b: 2 f . ) . Dies ist auch für viele Fragestellungen ein durchaus legitimes Vorgehen,
ins-
besondere für die, die sich mit den statischen Aspekten der Technik beschäftigen. Die dynamischen Aspekte der Technik des Sprechens müssen demgegenüber jedoch auch in ihrer Dynamik erfaßt werden. Hierzu gehören auch alle Entlehnungsphänomene, da es bei ihnen gilt zu untersuchen, wie sich in der Wechselwirkung von Produktion und Rezeption der Entlehnungsäußerungen eine Konvention, d.h. eine in der Gesellschaft gültige und verbindliche Technik des Sprechens herausbildet. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, Entlehnung und Integration im Rahmen einer strukturalistischen Zeichen(system)konzeption zu analysieren und darzustellen, da sie die (bereits vorhandene) Konventionalität des sprachlichen Zeichens als unabdingbare Voraussetzung hat (vgl. Clyne 1975: 40f., Haugen 1950: 213, Lüllwitz 1970: 648). Im Gegensatz zu einer statischen bilateralen Zeichenkonzeption, wie sie von Saussure und einer langen philosophischen Tradition propagiert wird (vgl. S.-J. Schmidt 1969), wird das sprachliche Zeichen im folgenden in seiner Dynamik beschrieben, und zwar als eine gelernte Fertigkeit der Konzeptualisierung der Welt (5.1.) und als eine gelernte Fertigkeit/Möglichkeit der Übermittlung dieser Konzeptualisierung an Kommunikationspartner ( 5 . 2 . ) . Abschließend folgen dann noch einige Bemerkungen zu Durchsichtigkeit und Motivierung sprachlicher Zeichen ( 5 . 3 . ) .
29
5.1.
Die Fertigkeit der Konzeptualisierung
Im Sozialisierungsprozeß lernt der Mensch in die unendliche Vielfalt der Welt in seiner Gesellschaft gültige Konstanten zu setzen. Er lernt Bündelungen definierender Kriterien, die es ihm als Klasseneigenschaften erlauben,
Individu-
elles als zu einer Klasse gehörig zu erkennen, in einem Lernprozeß, der in der Interaktion mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft abläuft und somit neben nonverbaler auch sehr stark ausgeprägter verbaler Instruktion unterliegt ( v g l . Coseriu 1968;1979f: 99, Engelkamp 1976: 32, Kamlah/Lorenzen 1967;1973: 45-52). In dieser verbalen Kommunikation konstituiert sich dann auch die essentielle Verbindung zwischen Konzeptualisierung und Wortform und damit auch die Möglichkeit
und Fertigkeit
der
Intersubjektivierung
der
Konzeptualisierungen
(vgl. 5 . 2 . ) . Während die Konzeptualisierung der Welt beim Kind anfangs noch ein regelrechtes Abfragen von Merkmalen benötigt, gewinnt sie mit der Zeit ein solches Maß an Automatizität, daß sie dem erwachsenen Sprecher nicht mehr als solche bewußt wird. An die Stelle des klassifikatorischen Abstraktionsprozesses t r i t t dann für den erwachsenen Sprecher die Benennung eines Dings, mit der Wortform als dem Namen dieses Dings. Für ihn gibt es bestimmte einheitliche Dinge, weil es ja auch bestimmte einheitliche Wörter (sprich: Namen) dafür gibt. Daß dabei ein Individuum als Element einer Klasse von Individuen eingestuft wird, wird nicht in Betracht gezogen (vgl. Lipka 1981:
124f.).
Ein wesentlicher Grund h i e r f ü r liegt in der Tatsache, daß die Konzeptualisierung dem Prinzip der abstraktiven Relevanz folgt. Bei weitem" nicht alle Eigenschaften, die einem Individuum zukommen, spielen bei der Konzeptualisierung eine Rolle, sondern nur eine verhältnismäßig kleine Zahl, die als für
das Konzept gelernt worden ist.
weiteren
definierend
Und auch hierbei kommt es noch zu einer
Reduktion je nach der Disposition, mit der die Konzeptualisierung
vorgenommen wird. So kann beispielsweise der Größenunterschied zwischen Pferden und Ponys in einer bestimmten Situation irrelevant sein, wenn es darum geht, diese Tiere von Tigern, Schlangen u.a. zu differenzieren,
so daß man
verallgemeinernd einfach von Pferden sprechen kann. Andererseits kann der Größenunterschied wesentlich sein, wenn ein Reittier für eine übergewichtige Person gesucht wird; man differenziert dann auch sehr deutlich zwischen Pferden und Ponys. Aber diese Tatsache allein würde noch nicht genügen, die Vielfalt der Welt zu bewältigen. Dies ist
nur möglich, weil die Konzeptualisierung nicht nach
einem Alles-oder-nichts-Schema a b l ä u f t ,
das jeweils eine ideale ("prototy-
30
pische") Ausprägung der definierenden Kriterien des Konzepts verlangt. Vielmehr handelt es sich um ein Mehr-oder-weniger-Schema, das eine graduelle Abs t u f u n g von der idealen Ausprägung bis hin zu vagen G r e n z f ä l l e n kennt (vgl. Stachowiak 1979: 170). Es gibt immer Gegenstände, die "prototypischer" Tassen, Flüsse, usw. sind als andere. Da dies den Normalfall darstellt, entstehen auch keine Kommunikationsschwierigkeiten, bis auf den Bereich der G r e n z f ä l l e natürlich, da sie in ihrer Unscharfe mehrere verschiedene Konzeptualisierungen zulassen (vgl. Lenneberg 1967;1977: 407). Ein letzter wichtiger Grund für die Automatizität der Konzeptualisierung besteht darin, daß sich der Mensch grundsätzlich immer in einem Wechselspiel zwischen dem A u f b a u und der E r f ü l l u n g bzw. der Enttäuschung von Erwartungen in seinem Lebensraum o r i e n t i e r t . Nur mittels eines sehr komplexen Systems von Normalformerwartungen ist
es ihm möglich, die über die Sinnesorgane aufgenom-
menen Daten von ihrer Vielzahl auf ein zu bewältigendes Maß zu reduzieren. Das heißt aber auch, daß wegen dieser Erwartungshaltung nicht jede Situation von Grund auf neu interpretiert werden muß, sondern daß die Bestätigung der Erwartung ohne großen Aufwand "abgehakt" werden kann, so daß nur das Unerwartete der vollen Aufmerksamkeit
bedarf.
Dieses "Abhaken" von Erwartetem ist
die
G r u n d f o r m der Konzeptualisierung des Erwachsenen. Nur wenn - aus welchen Gründen auch immer - eine R e f l e x i o n der Konzeptualisierung erfolgt, kommt es auch zum Überdenken der Eigenschaften und ihrer speziellen Bündelung. Auch diese Normalformerwartung ist
natürlich gesellschaftlich gebunden.
Und immer dann, wenn man den eigenen Kulturkreis verläßt und mit einem neuen in Kontakt kommt, ist
es gerade die Unmöglichkeit - oder die nur begrenzte
Möglichkeit - der Anwendung dieses Systems der Normalformerwartung, die die Unsicherheit
und Desorientierung,
aber natürlich auch den Reiz der Eremde,
ausmacht. Es gilt dabei immer zu lernen, inwieweit die Grunddisposition
der
Anwendung des eigenen Systems der Normalformerwartung an die neuen Verhältnisse angepaßt werden m u ß . Je unterschiedlicher die Kulturkreise,
desto kompli-
zierter auch diese Problematik der Normalformerwartung.
5.2.
Die Ü b e r m i t t l u n g von Konzeptualisierungen
Die W o r t f o r m - die materielle Seite des sprachlichen Zeichens - wird zusammen •nit der jeweiligen Konzeptualisierung in der Interaktion mit den anderen Sprechern gelernt, und sie existiert ebenso wie die Konzeptualisierung primär als eine F e r t i g k e i t des Sprechens, die in kommunikativer Interaktion zur Anwendung kommt (vgl. Lenneberg 1967;1977: 4 0 6 f . ) . Eine "Anhäufung" virtueller bilatera-
31
ler Sprachzeichen im Gehirn der Sprecher, wie sie von manchen sprachwissenschaftlichen Modellen angesetzt w i r d , gibt es nicht. Das sprachliche Zeichen existiert in seiner Interaktionsgebundenheit nur im Spannungsfeld der dynamischen Komponenten des Meinens und Verstehens. Es manifestiert sich in der Äußerung des Sprechers,
der damit dem Hörer etwas zu verstehen geben will und
dem Verstehen des Hörers (vgl. Hörmann 1976;1978). Damit ist
verbunden, daß das Sprachzeichen nicht ein Mittel der Objekti-
vierung von Erkenntnis ist,
sondern ein Mittel der Intersubjektivierung von
Erkenntnis. Eine O b j e k t i v i e r u n g wäre nur dann (annähernd) gegeben, wenn das Sprachzeichen als historisch-kulturell übermittelter, unveränderlicher Gegenstand zwischen Sprechern "ausgetauscht" würde, die auf es keinen E i n f l u ß nehmen können. In der Interaktionsgebundenheit bei konkreten Personen u n t e r l i e g t das sprachliche Zeichen jedoch wie diese Personen selbst dem Subjektiven; allerdings mit der Einschränkung, daß sich die Personen um die E i n h a l t u n g von Konventionen bemühen, da Konventionen kommunikative Interaktion erst ermöglichen, (vgl. Cherubim 1980: 126f., Coseriu 1958;1974:· 65). Die das Sprachzeichen mitkonstituierende
Konvention ist
aber nur insofern
statisch, als sie nicht
willkürlich beeinflußt werden kann. Sie ist dynamisch im Wesen, da sie bei jeder erfolgreichen Anwendung eine Bestätigung erfährt und somit nicht unbeeinflußbar ein für allemal ohne Bekräftigung feststeht (vgl. Coseriu 1958;1974: 39f.). In dieser Dynamik des sprachlichen
Zeichens liegt aber auch die Möglich-
keit des Sprachwandels, der sich über die graduelle Veränderung der Konventionen vollzieht; Sprachwandel stellt somit nicht eine Abnormität dar, sondern einen wesenhaften Grundzug von Sprache (vgl. Cherubim 1980: 128, Lüdtke 1980b: 3).
Wie noch zu zeigen sein w i r d , beruht gerade der Vorgang der
Integration
entlehnter Sprachzeichen auf diesem Charakteristikum der Interaktionsgebundenheit des sprachlichen Zeichens ( v g l . 9 . ) .
5.3.
Durchsichtigkeit und Motivierung
Die Konzeptualisierung der Welt erfolgt aber nicht solcherart, daß jedes Konzept völlig distinkt von allen anderen gesehen wird. Vielmehr sind für die Orientierung des Menschen gerade die Bezüge zwischen den einzelnen Konzepten von entscheidender Bedeutung. Denn mit dem Erkennen von Gemeinsamkeiten ergibt sich Redundanz, die sich u n t e r Gesichtspunkten der Ökonomie auswerten läßt. Wenn man beispielsweise das Konzept 'Vogel' kennt (mit den Eigenschaften 'hat
32
F l ü g e l 1 , 'kann f l i e g e n 1 , u s w . ) » dann genügt für die Konzepte aller Vogelarten ein Verweis auf das übergeordnete Konzept ' V o g e l ' , um zu wissen, daß ihnen die Eigenschaften
'hat
Flügel',
'kann
fliegen', usw. zukommen. Eine gesonderte
Speicherung dieser Eigenschaften bei jedem Konzept ist nicht nötig; lediglich eine individuelle Besonderheit muß festgehalten werden, z . B . daß es sich um eine Vogelart handelt, die nicht fliegen kann ( v g l . Kamlah/Lorenzen 1967;1973: 49f.). Wesentlich ist nicht mit all
in diesem Zusammenhang nun auch, daß ein neues Konzept
den Eigenschaften gelernt werden muß, die ihm "isoliert" zukom-
men. Der Sprecher versucht beim Erwerb immer möglichst viele Anknüpfungspunkte zu finden, über die er das Neue mit dem Alten, ihm Bekannten verbinden kann, so daß er zu seinem schon vorhandenen Vorwissen nur noch die definierenden Eigenschaften lernen muß, die das neue Konzept von den ähnlichen bekannten unterscheiden.
Dies entspricht dem Prinzip des "Going Beyond the Information
Given" ( v g l . Bruner 1957, Fill 1980b, Gauger 1971: 180). Bei einer Vielzahl von Sprachzeichen müssen diese Gemeinsamkeiten ohne formale "Gedächtnisstütze" gelernt werden, d . h . die Gemeinsamkeit e r f ä h r t keine formale ( d . h . morphologische) Kennzeichnung (wie z.B. bei Amsel, Fink, Star - Vogel). Daneben gibt es aber auch Sprachzeichen, die Gemeinsamkeiten formal anzeigen
( v g l . Lenneberg
d u r c h s i c h t i g e n
1967;1977:
409f.).
Es sind dies die sogenannten
Wörter ( v g l . Fill 1980a, Gauger 1971). Dabei han-
delt es sich um - regelmäßig analysierbare - Morphemgefüge, deren Durchsichtigkeit darin besteht, daß sie sich sinnvoll in Komponenten zerlegen lassen und über die Zusammensetzung der Komponenten eine Bezeichnungsmotivation zu erkennen geben. Der Sprecher kann auf diesem Wege der Komponentenanalyse
das
durchsichtige Sprachzeichen für sich - relativ, d . h . in Abhängigkeit von weiteren Morphemen und Morphemgefügen - motivieren. So läßt sich das Morphemgefüge Haustür
in die Komponenten Haus und Tür segmentieren, wodurch auch formal
angezeigt wird, daß dieses Konzept dem Konzept ' T ü r ' in wesentlichen
Eigen-
schaften sehr ähnlich ist. In anderen Worten:-Alle Elemente, die den Kriterien des "Haustür-Seins"
genügen, genügen auch den Kriterien des "Tür-Seins", aber
nicht umgekehrt. Dies gilt entsprechend auch für Gartentür, Eisentür, Schwing-
tür, usw. Neben durchsichtigen Komposita gibt es im Deutschen auch noch durchsichtige Derivativa, d . h . Morphemgefüge, deren klassenbildende Komponente ein gebundenes Morphem ist
( z . B . Freiheit zu frei, Dunkelheit zu dunkel, Schönheit zu
schön, u s w . ) . Die Durchsichtigkeit eines sprachlichen Zeichens ist
somit die Bedingung
33
d a f ü r , daß der Sprecher das Zeichen ( f ü r sich) motivieren kann. Allerdings macht sich der Sprecher nur selten Gedanken über die Durchsichtigkeit und Motivierung von Sprachzeichen; von Wortspielen einmal abgesehen, in der Regel nur bei neuen, unbekannten Zeichen (vgl. Coseriu 1956;1979c: 28, Gauger 1971: 13). Denn nur beim Erwerb des Sprachzeichens spielt es eine Rolle, ob es über bereits bekannte motiviert werden kann oder nicht. Beherrscht man es einmal, so tritt die Frage der Motivierung zurück hinter die der Benennung. Die zur Motivierung nötigen Wortbildungsregeln kennt der Sprecher zwar nicht aktiv,
doch verfügt er über ein "passives Normempfinden" (Burgschmidt
1973: 76), d.h. er kann die Wohlgeformtheit einer vorliegenden Bildung bewerten ohne seine Entscheidung über Gesetzmäßigkeit (vollständig)
begründen zu
können. Es geht für den Sprecher aber auch nicht um die Formulierung einer Gesetzmäßigkeit,
sondern lediglich um die Unterscheidung zwischen motivierbar
und nicht-motivierbar. Natürlich läßt sich keine scharfe Grenzlinie zwischen durchsichtigen und undurchsichtigen Morphemgefügen ziehen (vgl. Fill 1980a: 49). Es sind zwar die Extreme sehr deutlich voneinander geschieden,
doch gibt es dazwischen eine
breite Übergangszone, bei der es beim Sprecher liegt, ob er diese Sprachzeichen für durchsichtig und motivierbar oder für undurchsichtig und nicht-motivierbar hält. Hierzu gehören sehr viele Zeichen, die aufgrund von Lexikalisierung den Syntagmacharakter verloren haben ( z . B . Eisenbahn und Bildung) Dokulil 1968: 211, Gauger 1971: 155f., Lipka 1981:
(vgl.
120).
Mit der graduellen Abstufung der Durchsichtigkeit korreliert eine Gradierung der Möglichkeit der Motivierung. Nicht alle Sprachzeichen lassen sich gleich gut motivieren, und so ist der Sprecher daran gewöhnt, sich mit unterschiedlichen Graden der Motivierung zu begnügen bzw. begnügen zu müssen. In einigen Fällen bleibt es jedoch nicht bei einer Motivierung einer vorliegenden Wortform. Der Versuch der motivierenden Interpretation über Bekanntes kann dazu führen, daß die Sprecher nach einer Segmentierung einer W o r t f o r m ein ihnen unbekanntes Segment durch ein ihnen bekanntes ersetzen, wodurch ein höherer Grad der Durchsichtigkeit
und späterer Motivierbarkeit erreicht w i r d
(grundsätzlich können natürlich auch mehrere Segmente ersetzt werden). So hat beispielsweise mhd. sinvluot 'allgemeine Überschwemmung 1 eine Reinterpretation zu Sündflut
erfahren, als sin
'immer, umfassend' nicht mehr geläufig w a r . Auf
dem Hintergrund der biblischen Geschichte von der großen Überschwemmung,
die
die sündige Menschheit verschlingt, ist dabei das unbekannte Segment sin durch das gebräuchliche und in den Kontext passende Wort Sünde ersetzt worden, das sich auch wegen seiner formalen Ähnlichkeit
anbietet. Das Ergebnis
Sündflut
34
stellt eine gelungene Reinterpretation dar, die eine durchaus
befriedigende
Bezeichnungsmotivation zu erkennen gibt, so daß im folgenden ein hoher Grad der Motivierung erreicht werden kann (vgl. Kluge, s . v . Sündflut). Nach dem in diesem Kapitel Gesagten ist die Entlehnung und Integration eines sprachlichen Zeichens aufzufassen als der Erwerb und die Konventionalisierung einer bestimmten Art der Konzeptualisierung der Welt nach dem Vorbild einer in einer anderen Sprache bzw. Sprachgemeinschaft gültigen Konvention. Die Besonderheit dieser Erscheinung liegt in den Bedingungen, unter denen diese Fertigkeit erworben w i r d , vor allem in der besonderen Art der Motivierung des fremdsprachlichen
Zeichens:
der interlingualen
Identifikation.
Mit ihr be-
schäftigt sich das folgende Kapitel.
Zu Volksetymologie v g l . Baidinger (1973), B e r g e n h o l t z (1975), B l o o n f i e l d (1933;1976: 4 2 3 ) , Fill (1980a: 2 4 f . ) , Haugen (1956;1968: 4 4 ) , Mayer (1962); dort auch w e i t e r e L iteraturapgaben.
35
6.
INTERLINGUALE I D E N T I F I K A T I O N
Ausgangspunkt für die bisherigen Überlegungen zur Genuszuordnung englischer Lehnwörter im Deutschen war die Beobachtung, daß englische Substantive ab ihrem ersten Auftreten in einem deutschen Text bereits ein Genus regieren (können), obwohl eine gelernte Genusklassifikation nicht vorliegt. Dies führte zu der Schlußfolgerung, daß die Grundlage für die Genuszuordnung bereits im Erwerb der englischen Substantive gelegt sein muß. Mit den Besonderheiten des Erwerbs fremdsprachlicher Zeichen setzt sich deshalb das folgende Kapitel auseinander. 6.1.
Fremdsprachenerwerb
Der Erwerb einer Fremdsprache erfolgt normalerweise nach dem Ende der natürlichen Sprachlernperiode. Zu dieser Zeit verfügt der Lerner mit seiner Muttersprache bereits über ein sehr elaboriertes System der Konzeptualisierung der Welt und der .Intersubjektivierung dieser Konzepte (vgl. Burgschmidt/Götz 1974: 115). Mit dem Erwerb einer Fremdsprache erweitert er dann auch nicht eigentlich seine Kommunikationsfähigkeit, sondern er vergrößert nur den Kreis seiner potentiellen Kommunikationspartner, da die Fremdsprache für ihn nur eine andere Art sich auszudrücken darstellt. Alle mentalen Vorstufen einer Äußerung laufen, soweit sie sprachlicher Natur sind, in der Muttersprache ab, was zu einem nicht unwesentlichen Teil darauf zurückgeht, daß für den Sprecher die verschiedenen Sprachen isomorph sind. Der Sprecher geht zunächst immer davon aus, daß zu einem Wort der Muttersprache auch ein Äquivalent in der Fremdsprache existiert, das er in einer Eins-zu-eins-Relation lernen und verwenden kann (vgl. Martinet 1960;1971: 19, Wandruszka 1969: ). 6.2.
Die Motivierung fremdsprachlicher
Zeichen
Ebenso wie der Sprecher beim Erwerb eines neuen muttersprachlichen Zeichens versucht, dieses über Gemeinsamkeiten mit Bekanntem im Gedächtnis zu verankern
36
und für sich zu motivieren, so bemüht er sich auch um eine Motivierung eines (neuen) fremdsprachlichen Zeichens. Doch während beim muttersprachlichen Zeichen die Motivierung im wesentlichen als Eingliederung in ein Netzwerk ähnlicher bekannter Zeichen vor sich geht, wird das fremdsprachliche Zeichen erst gar nicht als ein tatsächlich neues Konzept aufgefaßt. Aufgrund der Vorstellung von der Isomorphie der Sprachen betrachtet und behandelt der Sprecher das fremdsprachliche Zeichen vielmehr als einen lediglich zusätzlichen Namen für ein bereits bekanntes Konzept. Dies hat zur Folge, daO er anstelle einer Konzcptualisierung eine Zuordnungsrelation zwischen einer fremdsprachlichen Lautfolge und einem muttersprachlichen Konzept lernt. Er erwirbt das fremdsprachliche Zeichen somit über i n t e r l i n g u a l e I d e n t i f i k a t i o n , was für ihn eine deutliche Minderung der Gedächtnisleistung bedeutet (vgl. Clyne 1975: 18f., 90, Haugen 1956;1968: 43-46, Weinreich 1953;1977: 2326). So lernt der Sprecher beispielweise "engl. horse heißt/bedeutet dt. Pferd". Aus dieser Identifikation folgt für ihn, daß er immer dann, wenn er im Deutschen Pferd sagen würde, im Englischen horse sagt bzw. zu sagen hat. Das Wort horse hat demnach bei diesem Vorgehen keine eigenen, von dem Wort Pferd unabhängigen Verwendungsbedingungen. Auch wenn diese Art des Erwerbs mit fortschreitender Kenntnis der Fremdsprache zugunsten einer stärkeren Eigenständigkeit der Fremdsprache zurückgeht, stellt sie doch auch noch bei sehr fortgeschrittenen Lernern das Grundmuster des Erwerbs dar. Es macht bei diesem Vorgehen der interlingualen Identifikation keinen Unterschied, ob der Erwerb gesteuert erfolgt ( z . B . mittels Vokabellisten) oder ungesteuert in natürlichen Kommunikationssituationen. Ein Unterschied besteht lediglich darin, daß in der Schulsituation die Identifikationsbasis vorgegeben und normiert ist, während der Sprecher beim ungesteuerten Erwerb diese Grundlage der Motivierung ohne Lenkung selbst sucht. Ein Sprecher etwa, der in England unter Zuhilfenahme einer Zeigegeste darauf hingewiesen wird, daß ein bestimmtes Tier in einer Koppel ein horse ist, nimmt daran anschließend keine eigene Konzeptualisierung vor; er beherrscht bereits eine Regel, die ihn dieses Tier als Pferd konzeptualisieren läßt, so daß er lediglich die Zuordnuncsrelation zwischen der Wort form horse und dt. Pferd zu erstellen hat, um zu wissen, was horse bedeutet bzw. wie er das Wort horse - seiner Ansicht nach zu verwenden hat (vgl. Slagle 1975: 334). In jedem Fall führt interlinguale Identifikation dazu, daß das englische Wort für den deutschen Sprecher keine eigene Gebrauchsregel hat, sondern an eine Identifikationsbasis gebunden deren Gesetzmäßigkeiten unterliegt, was mitunter zu nicht unbeträchtlichen Abweichungen vom englischen Modell führt.
37
6.3.
Interlinguale Äquivalenz
Daß Sprachen v/erschieden sind und nie tatsächliche Äquivalente aufweisen,
ist
einer der prominentesten Gemeinplätze kontrastiver Sprachbetrachtung. Für den Sprecher, der eine Fremdsprache lernt, hat diese Tatsache kaum Bedeutung, da er den Erwerb, wie erwähnt, mit der Auffassung der Isomorphie der Sprachen angeht. Hinzu kommt, daß eine interlinguale Identifikation für ihn eine erste grundlegende Verankerung im Gedächtnis bedeutet, die es ihm als eine erste Einordnung ermöglicht, über diesen Gegenstand zu sprechen, das eigene Verhalten entsprechend einzustellen und ihn in seine Erfahrungswelt einzuordnen. So ist zum Beispiel sicher klar, daß ein pub nicht mit einer Hirtschaft
gleichge-
setzt werden d a r f , worauf jeder Lehrer oder native speaker aufmerksam machen wird. Doch für den Erwerb des Worts sind Öffnungszeiten und Sitzmöglichkeiten nicht-definierende Kriterien gegenüber der Tatsache, daß es sich um ein Haus handelt, in dem man Bier trinken kann. Und diese letzte Information läßt sich am besten und einfachsten über eine interlinguale Identifikation mit Wirtschaft o.a. festhalten. Dieser Gesichtspunkt ist für die weiteren Ausführungen von entscheidender Bedeutung: Interlinguale Identifikation ist
ein Vorgehen, das den Sprechern
zur Motivierung fremdsprachlicher Zeichen dient. Dieses Vorgehen weist bei den einzelnen Sprechern Unterschiede auf und genügt auch nicht immer wissenschaftlichen Ansprüchen an die Genauigkeit. Wesentlich ist hierbei jedoch das Verhalten der Sprecher; eine Bewertung der Angemessenheit dieses Vorgehens steht nicht zur Diskussion.
6.4.
Mehrfache interlinguale Identifikation
In vielen Fällen bietet der muttersprachliche Wortschatz dem Sprecher mehrere Möglichkeiten
der Identifikation,
die sich alle mehr oder weniger gut als
Identifikationsbasen für das fremdsprachliche Wort eignen. Wenn nun nicht eine davon normativ vorgegeben ist - wie im Unterricht oftmals -, kann der Sprecher frei auswählen, wobei allerdings immer auch eine Rolle spielt, daß es idiosynkratische Nuancen der einzelnen deutschen Konzepte, individuelle Präferenzen und momentane Dispositionen gibt, die Einfluß auf die Wahl nehmen. So kann beispielsweise Finte wegen einer Konnotation der Zwanglosigkeit von einem Sprecher, als Identifikationsbasis für engl. pub anderen möglichen wie Gaststätte, Wirtshaus, Gasthaus, Wirtschaft, usw. vorgezogen werden, wogegen ein anderer Sprecher Kneipe für geeigneter hält, ein dritter kann sich demgegen-
38 über f ü r Stehausschank entscheiden. Ebenso kann natürlich auch ein einzelner Sprecher für verschiedene pubs auch verschiedene deutsche Identifikationsbasen heranziehen, wenn sie ihm wegen der Unterschiedlichkeit der gemeinten pubs jeweils angemessen erscheinen.
6.5.
Die Möglichkeiten interlingualer
Identifikation
Die bisher
in den Vordergrund gestellte Identifikation des englischen Worts
mit
deutschen Äquivalent
einem
ist
zwar die wichtigste
Art motivierender
Gleichsetzung, bei weitem jedoch nicht die einzige. Neben, verschiedenen Möglichkeiten der semantischen Motivierung gibt es noch eine Reihe von Möglichkeiten der Motivierung der fremdsprachlichen Wortform über muttersprachliche Zeichen. Da die jeweilige I d e n t i f i k a t i o n - zumindest außerhalb der Schulsituation - immer individuell ist,
kann sie weder durch einen Sprachvergleich noch
durch lernpsychologische Gesetzmäßigkeiten in allgemeingültige Prinzipien gefaßt werden. Aus diesem Grund sind zur Veranschaulichung im folgenden lediglich die theoretischen die zu einer
Möglichkeiten von Arten der Ähnlichkeit aufgelistet,
I d e n t i f i k a t i o n führen können. Diese Zusammenstellung ist
so zu
lesen, daß für den Fall eines in der jeweiligen Hinsicht ähnlichen Sprachzeichens im Deutschen die Möglichkeit besteht,
daß der Sprecher eine
derartige
Identifikation vornimmt. Damit sollen natürlich andere (und weitere) Identifikationen nicht ausgeschlossen werden. (1) Rangäquivalenz (1-1) Unanalysierbare Lexeme (1-1-1) (1-1-2) (1-1-3) (1-1-4) (1-1-5)
l Homologes Lexem: Synonymes Lexem: Homophones Lexem: Homographes Lexem: Supernymes Lexem:
dt. dt. dt. dt. dt.
Brot Nebel Krieg Kind Hund
zu zu zu zu zu
engl. engl. engl. engl. engl.
2 bread fog creek kind dingo
(1-1-6) Der Bedeutungsumfang des englischen Lexems kann auch durch mehrfache I d e n t i f i k a t i o n e r f a ß t werden: dt. Platz und Quadrat zu engl. square Diese D a r s t e l l u n g l e h n t sich an H a u g e n s (1956;1968: 4 6 f f . ) K o n z e p t i o n der Diamorphe ( ä h n l i c h e Zeichen in zwei Sprachen) an. So sind etwa homologe D i a m o r p h e Z e i c h e n z w e i e r S p r a c h e n , d i e sich i n B e d e u t u n g u n d F o r m s e h r ä h n l i c h s i n d , u s w . ( U g l . C l y n e 1975: I B f . ) In den t h e o r e t i s c h e n A u s f ü h r u n g e n w e r d e n in der v o r l i e g e n d e n A r b e i t w e i t gehend englische W ö r t e r als Beispiele herangezogen, die nicht als integrierte L e h n w ö r t e r im Deutschen üblich sind. I n t e g r i e r t e englische Lehnwörter werden als solche immer gekennzeichnet.
39 (1-2) Analysierbare Lexeme (1-2-1) Derivativ/a (1-2-1-1) (1-2-1-2) (1-2-1-3) (1-2-1-4)
Homologes S u f f i x : Synonymes S u f f i x : Homophones S u f f i x : Homographes S u f f i x :
dt. dt. dt. dt.
Lehrer Onbesonnen-heit Erleb-nis Blam-age
zu zu zu zu
engl. engl. engl. engl.
teacher headi-ness hairi-ness stor-age
(1-2-1-5) Der Bedeutungsumfang des englischen Lexems ( b z w . S u f f i x e s ) kann auch durch eine mehrfache I d e n t i f i k a t i o n e r f a ß t werden: dt.
Ausfütter-ung
und Anstreich-en zu engl. coat-ing.
(1-2-2) Komposita (1-2-2-1) Homologes Lexem: (1-2-2-2) Synonymes Lexem:
dt. Zugbrücke dt. Aktentasche
zu engl. drawbridge zu engl. briefcase
(1-2-2-3) Das englische Lexem kann auch durch eine wörtliche Übersetzung motiviert werden: dt. "Butterfliege"
zu engl. butterfly
(2) Rangdivergenz (2-1) Monoseme Lexeme (2-1-1) Dt. Simplex dt. Star
zu engl. Derivativum: zu engl. starling
(2-1-2) Dt. Simplex
zu engl. Kompositum:
dt. Amsel
zu engl. blackbird
(2-1-3) Dt. D e r i v a t i v u m
zu engl. Simplexe
dt. Hündin (2-1-4) Dt. Derivativ/um dt. Verkäufer (2-1-5) Dt. Kompositum dt. Dampfkraft (2-1-6) Dt. Kompositum dt. Rudersmann
zu engl. bitch, . zu engl. Kompositum: zu engl. salesman zu engl.
Simplex:
zu engl. steam zu engl. Derivativum: zu enal. steerer
(2-2) Polyseme Lexeme (2-2-1) Engl. Simplex (2-2-1-1) Engl. Simplex engl.
staff
zu dt. Derivativum: zu dt. Stütze
'Schmetterling'.
40 (2-2-1-2) Engl. Simplex engl. staff
zu dt.
Kompositum:
zu dt. Flaggenstock
(2-2-1-3) (Rangäquivalenz: Simplex): engl. s t a f f
zu dt. Stab
(2-2-2) Engl. Derivativum (2-2-2-1) Engl. Derivativ/um zu dt. engl. glazing
Simplex:
zu dt. Glas
(2-2-2-2) Engl. Derivativum zu dt. Kompositum: engl. glazing
zu dt. Glaserarbeit
(2-2-2-3) (Rangäquivalenz: Derivativum): engl. glazing
zu dt.
Verglasen
(2-2-3) Engl. Kompositum (2-2-3-1) Engl. Kompositum zu dt. Simplex: engl. staircase
zu dt.
(2-2-3-2) Engl. Kompositum zu dt. engl. staircase
Treppe Derivativum:
zu dt. Stiege
(2-2-3-3) (Rangäquivalenz: Kompositum): engl. staircase
zu dt.
Treppenhaus
Nachdem der Sprecher die englischen Sprachzeichen über interlinguale Identifikation gespeichert hat,
kann er englische Äußerungen erzeugen, aber auch
Entlehnungen vornehmen. Den Auswirkungen der Identifikationen bei der Entlehnung wendet sich das folgende Kapitel zu.
41
7.
GENUSASSIGNATION
Da die grammatische Kategorie Genus im Deutschen immer nur dann in Erscheinung t r i t t , wenn in einer syntaktischen Konstruktion genusvariable Konstituenten im Genus determiniert werden müssen, kann man davon ausgehen, daß die englischen Lehnwörter nicht etwa wegen einer von einzelnen Äußerungen unabhängigen Forderung der deutschen Sprache eine Genuszuordnung erfahren, sondern wegen benötigter Genusdeterminationen in konkreten Äußerungen. Dies deckt sich auch mit der Beobachtung, daß die Genuszuordnung nicht außerhalb der Entlehnungsäußerung(en) erfolgt. Es gilt nun im folgenden zu klären, wie diese Genusdetermination der englischen Lehnwörter vor sich geht.
7.1.
Replikation
Im letzten Kapitel ist
festgestellt worden, daß eine über interlinguale Iden-
t i f i k a t i o n gelernte und beherrschte Fremdsprache für den Sprecher immer in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis wesentlichen
zu seiner Muttersprache steht. Alle
Konzeptualisierungen und Denkprozesse,
soweit sie
sprachlicher
Natur sind, vollziehen sich in der Muttersprache, worauf dann eine Übersetzung in die Fremdsprache erfolgt, als Aktivierung einer beim Erwerb gespeicherten Zuordnungsrelation
zwischen der
fremdsprachlichen
Wortform und der
mutter-
sprachlichen Identifikationsbasis. Nach diesem Schema läuft auch die Produktion der Entlehnungsäußerung ab. Der Sprecher konzipiert die Äußerung in der Muttersprache, setzt dann jedoch an einer Stelle - aus welchen Gründen auch immer - nicht eine muttersprachliche, sondern eine fremdsprachliche Horse gekauft
Wortform ein, etwa Ich habe mir das braune
und nicht Ich habe mir das braune Pferd
gekauft.
Und damit
ist
der Vorgang des Entlehnens vollzogen. Diese Art der Sprachproduktion, die in Abhängigkeit einer anderssprachigen Identifikationsbasis abläuft,
soll
R e p l i k a t i o n
genannt u n d v o n
R e p r o d u k t i o n a l s einer Sprachproduktion ohne anderssprachige Iden-
42
tifikation differenziert werden. Muttersprachliches Sprechen ist somit als Reproduktion aufzufassen im Gegensatz zu fremdsprachlichem Sprechen, das durch Replikation zustande kommt, da dabei normalerweise immer übersetzt wird. Entlehnung stellt hierbei nur einen (quantitativen) Sonderfall dar, insofern nur bei einem geringen Teil des Textes Replikation vorliegt, während der übrige Text durch Reproduktion entsteht. Bei Sprachwechsel erfolgt die Produktion der Äußerung zu mehr oder weniger gleich großen Teilen nach beiden Arten. Die grundsätzlich muttersprachliche Konzipierung der EntlehnungsäuQerung wirkt sich nun auch auf das Genus des englischen Lehnworts aus. Da im Deutschen die attributiven genusvariablen Konstituenten dem genusdeterminierenden Substantiv in der linearen Abfolge des Textes immer vorausgehen (z.B. das braune Pferd}, muß die Konzipierung der Äußerung immer schon soweit vorgreifen, daß eine Genusdetermination der genusvariablen Konstituenten gewährleistet ist (hier: bis Pferd). So auch bei Replikation. Der genusdeterminierende Vorgriff erfaßt dabei immer die deutsche Identifikationsbasis, da sie für die Konzipierung der Äußerung wesentlich ist. Im Anschluß daran kann dann als replikatives Vorgehen die fremdsprachliche Form für die der deutschen Identifikationsbasis eingesetzt und das Wort somit entlehnt werden. Zum Vergleich nochmals die Beispielsätze: Reproduktion:
Ich habe mir das braune Pferd
gekauft.
Replikation:
Ich habe mir das braune Horse
gekauft.
Dies läßt nun deutlich werden, daß dem englischen Lehnwort bei der Replikation nicht eigentlich ein Genus zugeordnet wird, da ja keine entsprechende Klassifikation nach dem Genus erfolgt. Vielmehr geht die Genusdetermination in der Entlehnungsäußerung von der deutschen Identifikationsbasis des englischen Lehnworts aus, sogar ohne daß diese spezielle Genusdetermination dabei auf das englische Lehnwort (endgültig) übertragen würde. Diese besondere Art d e r Genuszuordnung soll G e n u s a s s i g n a t i o n genannt werden. Sie tritt immer dann a u f , wenn Replikation des be-
Der T e r m i n u s R e p l i k a t i o n l e h n t sich an W e i n r e i c h s B e g r i f f der r e p l i c a language an, mit dem er die e n t l e h n e n d e Sprache b e z e i c h n e t . Das L e h n w o r t ist in dieser - d y n a m i s c h e n - Sicht replica zum f r e m d s p r a c h l i c h e n model (vgl. W e i n r e i c h 1953;1977: 5 1 f . , H a u g e n 1956;1968: 3 9 ) . R e p l i k a t i o n e n t spricht als kommunikationsdynamischer Begriff dem statischen Begriff des Uerbundbilingualismus (compound bilinqualism). Der Terminus Reproduktion e r f a ß t die E r s c h e i n u n g , daß die S p r a c h z e i c h e n in jeder S u G e r u n g nach einer bestimmten Technik wiedergeschaffen werden (vgl. Coseriu 1956;1979c: 19f. ) .
43
treffenden Substantivs vorliegt. Wie noch zu zeigen ist, Genusassignation
im wesentlichen
sind Replikation und
Erscheinungen der ersten ( d . h . bilingualen)
Integrationsphase der englischen Lehnwörter. In späteren Phasen wird Replikation dann von Reproduktion abgelöst, was dann auch zu der Konventionalisierung des Genus - der Genusselektion - beiträgt (vgl. 9 . ) . Mit dem Gesagten e r k l ä r t sich nun auch die verblüffende Sicherheit und Automatizität, mit der die Genusdetermination (neuer) englischer Lehnwörter erfolgt. Dies ist
einzig und allein deshalb möglich, weil es sich bei Genusas-
signation um eine Genusdetermination durch eine deutsche Identifikationsbasis handelt. Jede andere Art der Genusdetermination hätte mehr oder weniger große Verzögerungen zur Folge. Ebenso findet die Unmöglichkeit der Sprecher, über ihre Genuszuordnung englischer Lehnwörter A u s k u n f t zu geben, eine plausible Erklärung. Sie reflektieren ja die Genusdetermination deutscher Substantive nicht, wie sie auch nur sehr wenig über die
Mechanismen interlingualer I d e n t i f i k a t i o n wissen. Ihre
Aussagen zur Problematik basieren somit auch nicht eigentlich auf Beobachtungen des eigenen Sprachverhaltens, sondern sind vielmehr eigene Hypothesen über die Genuszuordnung englischer Lehnwörter. Der Aussagewert ist entsprechend gering.
7.2.
Beispiele
Das bilinguale Vorgehen der Genusassignation soll nun an einigen Belegbeispielen verdeutlicht werden. Das englische Lehnwort ist dabei so gewählt, daO mehrere Möglichkeiten der Identifikation im Deutschen zur Verfügung stehen, die bei einer Gleichsetzung auch unterschiedliches Genus des Lehnworts bedingen. Denn es ist
gerade diese "Konkurrenz" verschiedener Identifikationsbasen, die
die bilinguale
Entlehnungsphase von späteren Integrationsstufen unterschei-
det. Wie erwähnt, kommt es nur dann zu einer Genusassignation, wenn in einer deutschen syntaktischen Konstruktion genusvariable Konstituenten von dem englischen Lehnwort im Genus determiniert werden müssen. Es t r i t t demnach keine Genusassignation a u f , wenn (1) die Elemente der beiden Sprachen klar voneinander getrennt sind ("Sprachwechsel")
oder wenn (2) die deutsche syntaktische
Konstruktion keine Genusdetermination verlangt. Zum Beispiel (meine Hervorhebungen, B.C. ):
44 (1) Deshalb müsse die L i n g u i s t i k "always start from the phonetic form and not from the m e a n i n g " . Ein Teil der Bedeutungen ist e r f a ß b a r "by the arrangement of its f o r m s " . ( H e l b i g 1971;1973: 75) (2) Aber g r u n d s ä t z l i c h soll eine strenge L i n g u i s t i k von " m e a n i n g " n i c h t sprechen, solange wir nicht eine vollkommene wissenschaftliche Beschreibung der O b j e k t e der W e l t h a b e n , weil wir dann e r s t e x a k t von der B e d e u t u n g sprechen k ö n n e n . ( H e i b i g 1971;1973: 7 5 )
Das englische Wort meaning ist im ersten Beispiel in eine englische syntaktische Konstruktion eingebettet - mit dem englischen Artikel the -, im zweiten Beispiel ist meaning zwar als Lehnwort in einen deutschen Satz integriert, doch verlangt die Konstruktion keine Genusdetermination. Gelegentlich werden die beiden Sprachen beim Sprachwechsel nicht gänzlich voneinander getrennt, sondern interlingual morphosyntaktisch einander angepaßt wie in dem folgenden Beispiel, in dem ein deutscher definiter Artikel zur Integration der englischen Bestandteile herangezogen wird (und dabei natürlich auch im Genus von einem englischen Wort - hier: distribution - determiniert werden m u ß ) : (3) Die H a u p t a u f g a b e der d e s k r i p t i v e n L i n g u i s t i k ist f ü r H a r r i s die E r k e n n t n i s der " d i s t r i b u t i o n or a r r a n g e m e n t w i t h i n t h e f l o w o f s p e e c h o f some p a r t s o r f e a t u r e s r e l a t i v e l y t o e a c h o t h e r " . ( H e l b i g 1971;1973: 8 0 ; m e i n e H e r vorhebung , B.C.)
Eine Genusdetermination durch das Lehnwort meaning liegt dagegen in den folgenden vier Beispielen vor (meine Hervorhebungen, B . C . ) : (4)
I h r W e s e n b e s t e h t v o r a l l e m d a r i n , daß d i e G r a m m a t i k n i c h t m e h r v o n subj e k t i v e n E l e m e n t e n des "meaning", sondern von objektiven und meßbaren Einheiten der Form ausgeht ( H e l b i g 1971;1973: 2 5 4 f . )
(5)
Folglich e n t h a l t e n die Transformationen überhaupt kein "meaning" mehr, f o l c i l i c h müssen a l l e s e m a n t i s c h r e l e v a n t e n E i g e n s c h a f t e n b e r e i t s im gener a l i s i e r t e n P - M a r k e r e n t h a l t e n sein, der d u r c h d i e B a s i s - R e g e l n g e n e r i e r t w i r d . ( H e l b i g 1 9 7 1 ; 1 9 7 3 : 311)
(6) Das spiegelt sich auch d a r i n , daß B l o o m f i e l d eine Bestimmung von s y n t a k t i schen K a t e g o r i e n d u r c h i h r " c l a s s - m e a n i n g " a b l e h n t . . . ( H e l b i g 1971;1973: 75) (7)
Aus diesen F o r m k l a s s e n kann man nicht ohne weiteres auf " c l a s s - m e a n i n g " s c h l i e ß e n . . . ( H e l b i g 1971;1973: 7 7 )
ein
gemeinsames
Es zeigt sich, daQ Helbig das Lehnwort meaning im Deutschen mit neutralem Genus verwendet, was ganz offensichtlich auf eine Genusassignation aufgrund einer Identifikation mit den deutschen deverbalen Ableitungen auf -en (vgl.
45
lauf-en
- Lauf-en n . ) zurückgeht. Heibig "entschied" sich somit für eine Moti-
vierung der Form des Lehnworts und nicht für eine Motivierung über ein deutsches Äquivalent (hier: Bedeutung f . ) , obwohl er im Text mehrmals eine Gleichsetzung der beiden Wörter vornimmt (meine Hervorhebungen, B . C . ) : (8)
Daß d i e S ä t z e , d i e T r a n s f o r m a t i o n e n v o n e i n a n d e r d a r s t e l l e n , m e h r o d e r w e niger die gleiche Bedeutung ( " m e a n i n g " ) haben ... ( H e i b i g 1971;1973: 2 6 4 )
(9)
Die grammatische Beziehung Subjekt - Verb entspricht einer allgemeinen "strukturellen Bedeutung" ("structural meaning") von Handlungsträger H a n d l u n g . . . ( H e i b i g 1971;1973: 2 7 8 )
Im Gegensatz zu Heibig "entscheidet" sich S.-J. Schmidt (1969) für feminines Genus von meaning, wobei die feminine Genusassignation ganz offensichtlich von dem deutschen Äquivalent Bedeutung ( f . ) ausgeht (meine Hervorhebungen, B . C . ) : (10)
. . . der d e n B l o o m f i e l d s c h e n B e g r i f f der " c e n t r a l m e a n i n g " w e i t e r e n t w i k k e l t h a t . ( S . - J . S c h m i d t 1969: 9 0 )
(11)
Die dominante 1969: 91)
7.3.
Versuch
Rolle
der
Zentralbedeutunq zeigt sich
...
(S.-J.
Schmidt
Ausgehend von der Beobachtung, daß die Genusassignation der Bilingualen gegebenenfalls aufgrund verschiedener Identifikationen erfolgt, wurde ein Versuch durchgeführt,
der dieses Vorgehen unter kontrollierten
Bedingungen belegen
sollte. Ausgangspunkt dieses Versuchs war die Annahme, daß Bilinguale bei Vorliegen mehrerer Identifikationsmöglichkeiten dazu tendieren, einer Genusassignation nach einem deutschen Äquivalent den Vorzug zu geben vor einer Motivierung der Form des englischen Lehnworts. Außerdem sollte ganz generell die Variation im Vorgehen der Bilingualen nachgewiesen werden. Da nur Versuchsergebnisse in dem eben beschriebenen Allgemeinheitsgrad angestrebt wurden, blieb der Versuch auf eine sehr kleine Zahl von Wörtern (15) und Versuchspersonen (20 Anglisten der Universität München) beschränkt; ein größerer Aufwand war hierzu nicht nötig, da die einzelnen Genusassignationen als solche nicht näher untersucht werden sollten. Wegen der ungenügenden Repräsentativität für Einzelfragen kann deshalb auch auf eine genaue Dokumentation verzichtet werden. Den Versuchspersonen wurden 15 Testsätze vorgelegt, bei denen jeweils in eine Leerstelle eine genusvariable Konstituente zu einem englischen Wort ein-
46
gesetzt werden sollte, das nach meinen Beobachtungen im Deutschen nicht als Lehnwort gebräuchlich ist.
Die Versuchspersonen bestätigten mir nach dem Ver-
such, daG es sich um englische Wörter handelte,
die sie bisher im Deutschen
nicht als Lehnwörter verwendet hatten. Durch einen monosemierenden Kontext wurden die Identifikationsmöglichkeiten auf ein überschaubares Maß reduziert und auf die Konkurrenz von Motivierung der Form und Identifikation
mit einem deutschen Äquivalent beschränkt.
Zur Veranschaulichung hier zwei der Testsätze: ...
nächst... Instalment ist am Montag f ä l l i g .
...
Baptism wurde besonders festlich begangen.
Bei instalment wurde eine mögliche Konkurrenz zwischen deutschen Äquivalenten wie Rate
( f . ) , Teil-, Ratenzahlung ( f . ) , (Teil-) Lieferung
und Fortsetzung ( f . )
und dem deutschen S u f f i x
-ment
baptism entsprechend eine Konkurrenz zwischen Taufe
( f . ) , Folge ( f . )
( n . ) angenommen,
bei
( f . ) , Einweihung ( f . ) und
dem deutschen S u f f i x -ismus ( m . ) . Der Versuch ergab, daß die Versuchspersonen in ihrer Genusassignation meist divergieren. Die größte Übereinstimmung lag bei 95% (19 von 20), die geringste bei einer Verteilung auf die drei Genera von 40?i (8) zu 30?n (6) zu 25? ( 5 ) und 5?o (1) Schwankung zwischen zwei Genera. Bezüglich der Konkurrenz zwischen "Form" und "Bedeutung" zeigte sich, daß sich keine der Versuchspersonen in allen Fällen für das eine oder das andere "entschied", womit bezeugt
ist,
daß bei der Genusassignation nicht nach durchgängig gültigen Strategien vorgegangen w i r d . Darüber hinaus waren die Prozentsätze der Genusassignation nach der Form und nach der Bedeutung ausgewogen (53?i zu 47?i), wodurch die Variation im Vorgehen der Bilingualen belegt ist.
Allerdings fiel der Anteil der Genus-
assignationen nach deutschen Äquivalenten geringer aus als erwartet. Alles in allem bestätigte der Versuch somit die Vorannahmen. Wichtig ist dabei vor allem der Beleg der Konkurrenz der Faktoren "Form" und "Bedeutung" im Vorgehen der Bilingualen, der den wesentlichen Unterschied zum Vorgehen der Monolingualen ( v g l . 8 . 4 . ) bezeugt. Die unterschiedliche Vorgehensweise der Bilingualen bei der Genusassignation bedingt,
daß viele englische Lehnwörter in der ersten Entlehnungsphase
mit zwei oder sogar allen drei Genera verwendet werden. Diesem Phänomen der Genusschwankung wendet sich nun das folgende Kapitel zu.
47
8.
GENUSSCHWANKUNG
Nach
den bisherigen Ausführungen
kann festgehalten
werden,
daQ bilinguale
Sprecher zur Motivierung eines englischen Substantivs nicht nur eine, sondern jede der theoretisch möglichen Identifikationsbasen heranziehen (können), woraus sich dann auch Unterschiede in den Genusassignationen ergeben ( k ö n n e n ) . Mit ihnen beschäftigt sich das folgende Kapitel.
8.1.
Mehrfache interlinguale Identifikation
Da es bei der Genusassignation nicht zu einer Genusklassifikation der englischen Lehnwörter kommt, sondern ( n u r ) zu einer Genusdetermination durch die deutsche
Identifikationsbasis,
besteht die Möglichkeit, daQ dem englischen
Lehnwort wegen des unterschiedlichen Genus mehrerer Identifikationsbasen auch unterschiedliches
Genus zukommt. Man spricht in diesem Fall von Genusschwan-
kung. Es lassen sich bei mehrfacher interlingualer I d e n t i f i k a t i o n ( b z w . bei der Genusassignation) zwei Fälle unterscheiden,
wobei es sich nur beim ersten
strenggenommen um Genusschwankung handelt: (1) Ein Sprecher identifiziert ein monosemes englisches Substantiv mit zwei oder mehr ("synonymen") deutschen und zieht in verschiedenen Äußerungen verschiedene dieser Identifikationsbasen heran. Haben sie unterschiedliches Genus,
dann kommt es auch zu Genusschwankung bei der Genusassignation. Zum Bei-
spiel: engl. constraint
-
dt. Zwang ( m . )
vs. Nötigung
engl. car
-
dt. Wagen ( m . )
vs. Auto ( n . )
engl. starch
-
dt. Stärke ( f . )
vs. Stärkemehl ( n . )
engl. mess
-
dt. Wirrwarr ( m . ) vs. Durcheinander ( n . ) vs. Unordnung (f.)
(f.)
48 Dies gilt natürlich auch, wenn nicht nur ein Sprecher, sondern zwei oder mehr Sprecher verschiedene Identifikationsbasen - und natürlich nicht nur deutsche Äquivalente - wählen. Auch hierbei kommt es in der beschriebenen Weise zu Genusschwankung. (2)
Ein Sprecher (oder mehrere) Sprecher identifiziert ein polysemes engli-
sches Substantiv mit zwei oder mehr deutschen Substantiven, um den gesamten Bedeutungsumfang des englischen Substantivs zu erfassen. Es kommt dann auch hierbei bei unterschiedlichem Genus der deutschen Identifikationsbasen zu unterschiedlicher Genusassignation. Zu beachten ist
hierbei jedoch, daß es sich um eine regelhafte mehrfache
I d e n t i f i k a t i o n h a n d e l t , die bei der jeweiligen Identifikation keine Variation kennt, im Gegensatz zu der oben beschriebenen variierenden. Genusschwankung im eigentlichen Sinne liegt damit auch nicht vor. Dieser Fall wird hier auch nur angesprochen, da er mit dem ersten einige Ähnlichkeiten aufweist und außerdem vom ersten nicht immer deutlich genug differenziert wird, wie eine Reihe von Lexikoneinträgen ( z . B . im DF) zeigen (vgl. 11.). Beispiele für Möglichkeiten derartiger oppositiver Genusassignationen sind: engl. pie
- dt. Kuchen ( m . ) und Pastete ( f . )
engl. square
- dt. Platz ( m . ) und Quadrat ( n . )
engl. lining
- dt. Verkleidung
engl. change
- dt.
( f . ) und Futter ( n . )
Geldwechsel
( m . ) und Veränderung ( f . ) und Klein-
geld ( n . ) Damit soll natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß bei oppositiver Genusassignation
innerhalb
einer
oder mehrerer
der
oppositiven
Identifikationen
Schwankungen a u f t r e t e n ( k ö n n e n ) , wie etwa bei engl. mess
- dt. Durcheinander ( n . ) , Unordnung ( f . ) , Wirrwarr ( m . ) vs.
Gericht ( n . ) , Gang C m . ) , Speise
vs.
PatscAe ( f . ) , Klemme ( f . )
vs.
Messe ( f . )
vs.
Kasino ( n . )
(f.)
49
8.2.
Das Auftreten von Genusschwankung
Ein englisches Lehnwort kann im Deutschen theoretisch mit allen drei Genera v/erwendet werden.
Diese theoretische Möglichkeit wird jedoch in der P r a x i s
durch die zur Verfügung stehenden Identifikationsbasen
sehr stark reduziert.
Das heißt, die Wahrscheinlichkeit von Genusschwankung ist mehr Möglichkeiten der Identifikation werden können. So ist
um so größer,
ja
gegeben sind und sinnvoll herangezogen
bei einem Wort wie engl. mess in der Bedeutung 'Unord-
nung' mit größerer Wahrscheinlichkeit mit Genusschwankung zu rechnen als
bei
Nomina agentis wie engl. teacher, da sie in den formgleichen deutschen Nomina agentis eine eindeutige
Identifikationsbasis haben (vgl. Fahrer, Lehrer, Tau-
cher) . Genusschwankung t r i t t auch nicht in allen Integrationsphasen in gleichem Ausmaß a u f . Sie ist
charakteristisch für die erste Integrationsphase, in der
Bilinguale miteinander kommunizieren. Der Grund d a f ü r ,
daß gerade bei ihnen
Genusschwankung am häufigsten vorkommt, liegt in den Prinzipien der interlingualen Identifikation und natürlich auch in der Tatsache, daß es für das Genus der (neuen) englischen Lehnwörter (noch) keine Norm gibt. Je weiter jedoch der Integrationsprozeß durchlaufen w i r d , desto seltener wird auch die Genusschwankung. Unter den integrierten englischen
Lehnwörtern findet sie sich nur bei
einer sehr kleinen Zahl. Fast alle a n d e r e n A r b e i t e n z u r G e n u s z u o r d n u n g sind i n diesem P u n k t a n d e r e r A n s i c h t ; f ü r s i e i s t G e n u s s c h v u a n k u n g d a s C h a r a k t e r i s t i k u m der G e n u s z u o r d n u n g schlechthin. Sie w ä h l e n dazu n a t ü r l i c h auch die Beispiele e n t s p r e c h e n d .Dem muO e n t g e g e n g e h a l t e n w e r d e n , daß z u r B e u r t e i l u n g v o n G e n u s s c h w a n k u n g n i c h t n u r die erste I n t e g r a t i o n s s t u f e relevant ist, sondern daß auch die L e h n w ö r t e r ber ü c k s i c h t i g t w e r d e n m ü s s e n , d i e s c h o n s e i t J a h r z e h n t e n u n d J a h r h u n d e r t e n im Deutschen i n t e g r i e r t sind. Das ergibt aber dann andere s t a t i s t i s c h e W e r t e . Ich möchte b e h a u p t e n , daß t a t s ä c h l i c h e S c h w a n k u n g d e s G e n u s i n n i c h t m e h r a l s 20% a l l e r Fälle vorkommt (unter Berücksichtigung d e r Verwendungshäufigkeit i m Deutschen).
8.3.
Unsicherheit durch Genusschwankung
Es wird kaum einmal etwas über die Genuszuordnung von Lehnwörtern geschrieben, ohne daß nicht auf die durch Genusschwankung verursachte Unsicherheit Bezug genommen würde ( v g l . z . B . Holzgraefe 1908: 11). In dem postulierten Ausma3 tritt Unsicherheit jedoch nicht a u f . Da es sich bei
Genusassignation um eine Genusdetermination durch eine
deutsche Identifikationsbasis handelt, kann so lange keine Unsicherheit a u f -
50
kommen als sich der Sprecher diesem Automatismus "überläßt", den er ja mit absoluter Sicherheit beherrscht. Nur dann, wenn er davon abgeht und sich Gedanken über das Genus des Lehnworts macht, kann auch Unsicherheit aufkommen, da das Lehnwort (noch) kein konventionalisiertes Genus hat wie die deutschen Substantive und außerdem, da die Systematik der Genusklassifikation im Deutschen sehr komplex ist.
Nach meinen Beobachtungen kommt es jedoch nur sehr selten zu
einer derartigen Reflexion des Genus englischer Lehnwörter. Wichtig ist
in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung, daß Genusschwan-
kung in alltäglicher Kommunikation in der Regel nicht bemerkt bzw. beachtet wird. Da das Genus für das Verständnis einer Äußerung nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, wird ihm auch nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ich konnte an einigen Unterhaltungen teilnehmen, in denen zwei Sprecher k u r z hintereinander ein englisches Lehnwort jeweils mit einem anderen Genus verwendeten (z.B. Level m . / n . ) , ohne dies zu bemerken, wie eine anschließende Nachfrage ergab. Lediglich Sprachwissenschaftlern, die sich schon öfter zuvor mit der Frage beschäftigt hatten, fiel der unterschiedliche Gebrauch a u f . Wirkliche Unsicherheit oder gar Kommunikationsstörungen a u f g r u n d von Genusschwankung englischer Lehnwörter sind mir nie aufgefallen.
8.4.
Die Vereinheitlichung von Genusschwankung
Genusschwankung t r i t t , wie bereits erwähnt, vor allem in der ersten Integrationsphase a u f , nimmt dann aber mit fortschreitender Integration im Zuge der Konventionalisierung des englischen Lehnworts immer mehr ab. Dabei spielt natürlich Imitation eine entscheidende Rolle, da ja auch das Genus deutscher Substantive zu einem nicht unwesentlichen Teil durch Nachahmung gelernt wird. Doch Imitation allein könnte nicht Vereinheitlichung aller Genusschwankungen bewirken.
Deshalb
trennt die
folgende
Argumentation Imitation von weiteren
Faktoren, die an der Vereinheitlichung beteiligt sind; sie wird
dann im an-
schließenden Kapitel zur Genusselektion behandelt.
8.4.1.
Integrationsphasen
Die Integration eines Lehnworts beginnt mit den Entlehnungsäußerungen Bilingualer und endet, wenn neben Sprachgemeinschaft
Bilingualen auch monolinguale Sprecher einer
dieses Sprachzeichen in mehr oder weniger uniformer Weise
gebrauchen und ein davon abweichender Gebrauch als unrichtig eingestuft würde. Aufgrund der Fülle der Möglichkeiten von Entlehnungsgruppen, Entlehnungswegen,
51
Einflußnahmen,
usw. haben wohl kaum zwei Lehnwörter dieselbe Integrationsge-
schichte; doch eine solche Genauigkeit der Analyse ist nur sehr selten nötig, wenn es um die Erfassung allgemeiner Sachverhalte geht. So genügt es in diesem Zusammenhang auch, von einer - natürlich idealtypischen - Dreiteilung des Integrationsvorgangs auszugehen, und zwar von einer bilingualen, einer gemischt bilingual-monolingualen
und einer monolingualen Integrationsphase. Es stehen
somit auch hier Aspekte der Sprachkompetenz und des Spracherwerbs im Vordergrund. Das Wesentliche zur ersten Phase ist
bereits gesagt worden und braucht
deshalb an dieser Stelle auch nicht wiederholt zu werden. Die weitere Integration vollzieht sich nun d e r a r t , daß immer mehr Sprecher das Lehnwort aus den Äußerungen anderer Sprecher lernen bzw. sich angewöhnen, dieses Sprachzeichen in deutschem Ko-Text zu verwenden. Parallel zur wachsenden Verwendungshäufigkeit in deutschen Texten nimmt aber auch der Kontakt zur Modellsprache immer mehr ab, zum einen, da mit der Verwendung im Deutschen eigene Gebrauchsbedingungen entstehen, zum anderen, weil mit zunehmender Verbreitung Sprecherkreise einbezogen werden, die die Modellsprache immer schlechter beherrschen, bis hin zu echten Monolingualen. Im Hinblick auf das Genus ist
nun wichtig, daß mit zunehmender Verwendung
im Deutschen die Auswirkung einer deutschen
Identifikationsbasis zurückgeht,
da sich das Lehnwort allmählich zu einem "deutschen" Wort entwickelt. Insbesondere monolinguale Sprecher lernen das Lehnwort nun wie ein deutsches Wort ohne interlinguale Identifikation. Unter anderem führt dies auch zu einer Reduktion der möglichen genusdeterminierenden Faktoren.
8.4.2.
Monolinguale Motivierung
Der bilinguale Sprecher tendiert dazu, das englische Substantiv über ein möglichst treffendes deutsches Äquivalent zu speichern, da es ihm darum geht,
si-
cherzustellen, daß er seine kommunikativen Absichten in der Fremdsprache adäquat verbalisieren kann. Die morphologische Struktur spielt in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz dazu nimmt im Zuge der Integration des Lehnworts die Bedeutung der morphologischen Struktur zuungunsten deutscher Äquivalente zu. Der Sprecher erwirbt das englische (Lehn-) Wort nun nicht, um seine Kompetenz einer anderen Sprache zu verbessern (d.h. um mehr übersetzen zu können), sondern um seine deutsche Sprachkompetenz zu erweitern. Für ihn hat nun die Frage nach der Beziehung des Namens zum Ding - die Bezeichnungsmotivation - Vorrang vor der Frage nach dem treffendsten Überset-
52
zungsäquiv/alent. Er analysiert nun die Wortform um über die Bezeichnungsmotivation eine Erleichterung des Memorierens des neuen Wortes zu erreichen. Die Analyse kann dabei, wie grundsätzlich bei
sogenannter Volksetymologie, zu
recht "eigenartigen" Ergebnissen führen; aber auch hier ist der Sprecher letzte
Bewertungsinstanz. Ein derartiges Vorgehen wird belegt durch "Lehnüberset-
zungen" wie Butterfliege
zu engl. butterfly
Segmentierung in butter und fly
'Schmetterling 1 , aufgrund einer
und anschließender wörtlicher Übersetzung.
Dasselbe gilt auch für Honigmond zu engl. honeymoon 'Flitterwochen 1 . Während Komposita im Deutschen so gut wie keinen Bildungsbeschränkungen unterworfen
sind,
unterliegen Derivativa verhältnismäßig, strikten Komposi-
tionsbeschränkungen, die vom Sprecher auch als ein passives Normempfinden der Wohlgeformtheit beherrscht werden. Dieses passive Normempfinden kommt nun beim Erwerb des englischen Lehnworts zur Auswirkung, indem es bewertet, ob dieses als regelmäßig gebildetes Wort analysierbar ist
und als durchsichtiges Wort
motiviert werden kann oder nicht. Bewertungsgrundlage sind dabei natürlich die Wortbildungsregularitäten friendliness Freundlichkeit
in
die
des Deutschen.
So läßt
Komponenten friendly
sich
zum Beispiel engl.
und -ness zerlegen und wie dt.
motivieren, nicht jedoch das formal ähnliche englische Wort
business /'biznis/ ' G e s c h ä f t ' , das eine Segmentierung nicht erlaubt. Dieses motivierende Vorgehen wird belegt durch die Fälle, bei denen es nicht bei der Analyse bleibt, sondern bei denen darüber hinaus das Suffix durch das äquivalente deutsche, das als Bewertungsgrundlage der Durchsichtigkeit diente, ersetzt wird, wie engl. -ity
durch dt. -ität: engl. sentimen-
tality - dt. Sentimentalität, engl. -ship durch dt. -schaft: engl. Lordship dt. Lordschaft, usw.
8.4.3.
Reduktion der Identifikationsbasen
Dieses Streben nach einer Motivierung des englischen Lehnworts bringt auch eine Reduktion der Anzahl der Identifikationsbasen mit sich. Während in der bilingualen Phase ein Wort wie engl. glazing eine Vielzahl von Identifikationsbasen haben kann (Verglasen n . , Glaserarbeit
f . , Glaserei f . , Glas n., Glas-
scheibe f . , Glasur f . , Glasieren n . , Positur f . , Polieren n . , Glätten n . , Schmirgeln n., Satinieren n . , u s w . ) , woraus sich auch unterschiedliche Genusassignation ( d . h . Genusschwankung) ergibt, reduziert sich die Identifikation in der Integration auf die Bewertung der morphologischen Wohlgeforntheit. Bildungen wie Glätten, Glasieren, Schmirgeln, usw. dienen nun nicht mehr als
in-
dividuelle Lexeme als Identifikationsbasen, sondern als Exponenten eines Wort-
53 bildungsprogramms. Über die Identifikation von glaz(e) plus -ing mit X plus -en (z.B. Glätt-en) wird das Lehnwort zu einem eigenständigen, d.h. unabhängigen Bestandteil des deutschen Wortschatzes. Damit geht die Genusdetermination auch nicht mehr won einer Identifikationsbasis aus, sondern vom genusdeterminierenden Morphem des Lehnworts.
Auf diese Art des Übergangs von Replikation zu Reproduktion des englischen Lehnworts lassen sich all die Vereinheitlichungen von Genusschwankung zurückführen, die sich nicht aufgrund von Imitation und Normstreben ergeben. Den letztgenannten Gesichtspunkten wendet sich nun das folgende Kapitel zu.
54
9.
GENUSSELEKTION
Im vorherigen Kapitel sind die wesentlichen Phasen der Integration englischer Lehnwörter und die Vereinheitlichung von Genusschwankung behandelt worden. Mit dem dabei ausgeklammerten Aspekt der Imitation setzen sich nun die folgenden Ausführungen auseinander.
9.1.
Imitation
Die Sprachfähigkeit des Menschen konstituiert sich im Wechselspiel von Sprachproduktion und Sprachrezeption ständig aufs neue. Unter dem jede Kommunikation leitenden
Grundprinzip der Kooperation trachtet der Sprecher
danach, sein
Sprechen so zu gestalten, daß er seine kommunikativen Absichten am besten verfolgen kann. Er beobachtet dazu unentwegt das Sprachverhalten seiner Kommunikationspartner und sein eigenes, bestätigt, was in Ordnung scheint und korrigiert, was einer Revision bedarf. Jede Anpassung an das Sprachverhalten anderer Sprecher bedeutet dabei ein Lernen durch Imitation. Und es ist im wesentlichen ein solches imitatives Lernen, mit dem jeder Sprecher das Genus deutscher
Substantive
öfters
erwirbt
und bekräftigt.
beobachten, wie mangelnde
An Auswanderern läßt sich dazu
Übung bzw. Ausübung die
Sprachfähigkeit
schlechter werden läßt: sie vergessen oft das Genus deutscher Substantive. Revision und Hinzulernen scheinen immer dann angebracht, wenn der eigene Sprachgebrauch vom mehrheitlichen oder dem einer vorbildlichen Person bzw. Institution abweicht. Man ist
insbesondere sehr darauf bedacht, im Lehnwortge-
brauch (oder an dieser Stelle vielleicht besser: Fremdwortgebrauch) keine Fehler nis,
zu machen, da korrekter Lehnwortgebrauch Bildung zeigt, wogegen Unkenntfalsche Aussprache, usw. Prestigeverlust nach sich ziehen. Diese beson-
ders starke Sensibilität h i l f t sicherlich auch nicht unwesentlich bei der Konventionalisierung des Genus englischer Lehnwörter.
55
9.2.
Konventionalisierung des Genus
Aus dem Bestreben nach Anpassung an den mehrheitlichen Sprachgebrauch, der in seiner Mehrheitlichkeit vorbildlich erscheint, resultiert neben der Konventionalisierung des Lehnworts auch die Konventionalisierung seines Genus. Ob sich in diesem mehrheitlichen Sprachgebrauch ein Genus gegenüber einem oder zwei anderen durchgesetzt hat, oder ob die Genusassignation von Anfang an einheitlich war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle; für die Konventionalisierung zählt nur das Mehrheitliche, das es in den Augen der Sprecher zum Richtigen macht. Ist ein mehrheitliches Genus vom Sprecher als das richtige registriert, und wird es danach in der Folgezeit durch das Sprachverhalten anderer Sprecher bestätigt und bekräftigt, so wird es zu einem inhärenten Merkmal des englischen Lehnworts und haftet ihm an wie jedem anderen deutschen Substantiv. Dieser Vorgang der Konventionalisierung des Genus eines (englischen) Lehnworts soll in Abhebung vom Vorgang der Genusassignation G e n u s s e l e k t i o n genannt werden. Durch Genusselektion wird dem dem (englischen) Lehnwort im eigentlichen Sinne des Wortes ein Genus zugeordnet. 9.3.
Genusassignation und Genusselektion
Genusassignation und Genusselektion sind im wesentlichen korrelative Begriffe zu Replikation und Reproduktion. Sie wurden im Zuge der Darstellung eingeführt, um gewisse Erscheinungen terminologisch erfassen zu können. Es soll an dieser Stelle betont werden, daß diese Erscheinungen in ihren Unterschieden nicht am Sprachverhalten der Sprecher beobachtet werden können. Man kann es einer Äußerung nicht ansehen, ob ein Wort repliziert oder reproduziert wurde bzw. ob das Genus eines Substantivs auf Genusassignation oder Genusselektion zurückgeht. Vergleiche: Genusassignation ( R e p l i k a t i o n ) :
Dieses Horse gefällt mir besonders
Genusselektion (Reproduktion):
Dieses Team gefällt mir besonders
gut!
Genusselektion (Reproduktion):
Dieses Kind gefällt
gut!
mir besonders
gut!
In der Unmöglichkeit der Beobachtung liegt ja gerade auch die Schwierigkeit der Untersuchung der Genuszuordnung englischer Lehnwörter. Es dürfte im Laufe der Ausführungen deutlich geworden sein, daß eine induktive Korpusanaly-
Der T e r m i n u s l e h n t s i c h lose a n d i e T e r m i n o l o g i e W i e n o l d s ( 1 9 6 7 : 3 ) a n .
56 se, die den Unterschied zwischen Genusassignation und Genusselektion in ihrer "Oberflächengebundenheit" nicht machen kann, eine adäquate Erklärung der Problematik nicht erlaubt. Natürlich muQ ein deduktives System wie das hier erstellte won Extrempunkten ausgehen und die zweifelsohne vorhandenen Übergänge und Mischformen etwas in den Hintergrund stellen. Das besagt jedoch keineswegs, daO diese Erscheinungen nicht ebenfalls sehr wichtig sind. Ihre Relevanz liegt jedoch weit stärker im Bereich des konkreten Individuellen, während die Extrempunkte für die (abstrahierende) Systematik entscheidend sind. Auch soll damit nicht ausgesagt werden, daß zunächst nur Genusassignation auftritt und später dann nur noch Genusselektion. Auf einige Lehnwörter t r i f f t dies zwar zu, bei weitem jedoch nicht auf alle. Insbesondere ist häufig zu beobachten, daß Bilinguale oft noch lange Genusassignationen vornehmen, wenn ein englisches Lehnwort im monolingualen Gebrauch bereits integriert ist und ein konventionalisiertes Genus hat (vgl. Clyne 1973a). Gerade dieses Nebeneinander kann aber am besten mit der Differenzierung in Genusassignation und Genusselektion erfaßt werden. Genusassignation und Genusselektion müssen in diesem Sinne als Extrempunkte einer Klasse sprachlicher Tätigkeiten aufgefaßt werden, deren Auftreten fließend ineinander übergeht. Dieser Übergang ist ein Wandel vom Individuellen zum Kollektiven in Form einer Konventionalisierung, die von idiosynkratischem Sprachverhalten ausgeht.
57
10.
DIE K R I T E R I E N DER GENUSSELEKTION
In den vorangehenden Kapiteln wurde das Ablaufschema erarbeitet, nach dem die Genuszuordnung englischer Lehnwörter im Deutschen erfolgt. Auf dieser Grundlage laut sich nun ein Regelschema der Genusselektion erstellen.
10.1.
Die Grundlagen der Genusselektion
Es hat sich gezeigt, daO der Kern der Problematik der Genuszuordnung englischer Lehnwörter in der Problematik der Motivierung der englischen Lehnwörter liegt. Das Bestreben nach Konsoziation mit Bekanntem bringt Identifikationen mit sich, die dann der Systematik der Genusklassifikation des Deutschen entsprechend zu Genusselektionen führen. Um ein Regelschema der Kriterien der Genusselektion erstellen zu können, müssen demnach die Arten und Möglichkeiten der Motivierung der englischen Sprachzeichen zueinander in Beziehung gesetzt und gegeneinander abgegrenzt werden. Man erhält dann zu einem Raster der systematischen Identifikationskriterien auch ein Raster der systematischen Kriterien der Genusselektion. Die Arten und Möglichkeiten der Motivierung der Sprachzeichen hängen, wie bereits besprochen, sehr eng mit der morphologischen Struktur zusammen. Während für ein Simplex (z.B. Tag, Weg) keine Möglichkeit der Konsoziation (d.h. Klassifikation) besteht, kann ein durchsichtiges Morphemgefüge ( z . B . Freiheit) problemlos einer Gruppe zugeordnet werden ( z . B . Dunkelheit, Klugheit, Schönheit, u s w . ) , was die Gedächtnisleistung erheblich mindert. Motivierung eines Sprachzeichens heißt somit relative Motivierung im Sinne einer Begründung der Form des Sprachzeichens bezüglich seiner Bedeutung über eine Gruppierung mit anderen Sprachzeichen. In anderen Worten: (1) Ein morphologisch undurchsichtiges Sprachzeichen kann nur über semantisch nahestehende Sprachzeichen im Gedächtnis festgemacht werden. Natürlich können auch undurchsichtige Sprachzeichen formale Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachzeichen aufweisen (z.B. in der Silbenstruktur); diese Ähnlichkeiten sind je-
58
doch im Zusammenhang der Motivierung der morphologischen Struktur ohne Bedeutung. (2)
Ein morphologisch durchsichtiges Sprachzeichen wird über morphologisch
ähnliche motiviert, wobei insbesondere das genus proximum eine entscheidende Rolle spielt.
10.2.
Beispiele
Diese abstrakt formulierten Grundlagen sollen nun an einigen Beispielen konkretisiert werden. Das englische Wort story
"account given of an incident or series of
1
events; piece of narrative (COD) ist ein morphologisches Simplex, das nicht in Segmente zerlegt werden kann, aus denen sich eine sinnvolle Form-Bedeutungs-Relation bilden ließe. Für den deutschen Sprecher besteht somit nur die Möglichkeit der Motivierung über deutsche Äguivalente, hier also Geschichte ( f . ) und/oder Erzählung ( f . ) . Aufgrund dieser Identifikation erhält das Lehnwort Story im Deutschen feminines Genus. Anders dagegen das englische Wort trainer One who trains horses,
ath-
letes, etc.' (COD). Es ist durchsichtig in seinem Aufbau train plus -er und regelmäßig in seiner Bedeutungsstruktur 'jemand, der das im ersten Bestandteil Genannte (gewohnheitsmäßig) t u t ' . Entsprechend der Genusdetermination des äquivalenten Morphems -er im Deutschen (vgl. Fahrer, Lehrer, Taucher, usw.) erhält das Lehnwort Trainer ' j m d . , der Sportler od. auch Pferde auf einen Wettkampf vorbereitet 1 (DF) im Deutschen maskulines Genus. In zwei Einheiten zerlegen läßt sich auch das englischen Wort business /'biznis/ "task, duty, province, trade' (COD); es handelt sich jedoch bei den beiden Segmenten busi /biz/ und -ness nicht um bedeutungstragende Einheiten. So ist die Lautfolge /nis/ nicht identisch mit dem Suffix -ness in Wörtern wie fitness, darkness und gladness. In seiner Durchsichtigkeit erlaubt business deshalb nur eine Identifikation mit einem deutschen Äquivalent; das Lehnwort Busineß 'vom Profitstreben bestimmtes Geschäft, profitbringender Geschäftsabschluß' hat deshalb im Deutschen neutrales Genus wie sein deutsches Äquivalent Geschäft ( n . ) . Demgegenüber ist das Lehnwort Fitness 'gute körperliche Verfassung, Bestform' ( D F ) im Deutschen feminin seligiert, da es als durchsichtige Bildung mit dem äquivalenten
deutschen Bildungsmuster auf -heit/-keit
(z.B.
Freiheit, Müdigkeit, Eitelkeit] identifiziert wird. Weder ein deutsches Äquivalent noch eine auf Durchsichtigkeit zurückgehende
59
I d e n t i f i k a t i o n bedingten schließlich das feminine Genus des Lehnworts Crimson Rambler 'eine winterharte Schlingrose' ( D F ) . Da es sich um eine metaphorische Bezeichnung für eine bestimmte Rosenart handelt (engl. crimson rambler -flowered straggling or climbing rose with
or
without
definite
route'
1
COD zu ramble
C O D ) , besteht
'walk
nur
die
d.h.
dt.
Personenbezeichnung
der
..."
der
Bedeutung
'Umherstreichender, Wanderer, Bummler'
'jmd.,
( L E W ) als
pleasure,
Möglichkeit
gedächtnismäßigen Verankerung beim G a t t u n g s b e g r i f f , mit
for
'redder
Rose ( f . ) . Als hat
rambler
(relativ seltenes) Lehnwort
im Deutschen als Nomen agentis maskulines Genus. Wie bei allen der sogenannten volksetymologischen Motivierungen muß auch die Motivierung englischer Lehnwörter nicht unbedingt plausiblen E r k l ä r u n g b z w . Bezeichnungsmotivation
bis
zu einer völlig
f ü h r e n . Ist
das bei einer
vorliegenden Bildung nicht möglich, so begnügt man sich damit, wenigstens bekannte Teile h i n e i n z u i n t e r p r e t i e r e n , auch wenn sich daraus nur schwerlich eine sinnvolle Kombination ergibt. recruit, simpleton' hörn
So etwa bei
engl. greenhorn 'ignoramus, raw
( C O D ) , das bei der Entlehnung ins Deutsche in green und
segmentiert w u r d e , was die
gelegentlich auftretende
Bildung
Grünhorn
belegt. Auch wenn sich daraus keine brauchbare Bezeichnungsmotivation ergibt, erreicht man doch eine gewisse I d e n t i f i k a t i o n und K l a s s i f i k a t i o n mit Bekanntem. Über die I d e n t i f i k a t i o n von engl. hörn mit dt. Hörn ( n . ) erhält das Lehnwort Greenhorn
' N e u l i n g , Unerfahrener, Grünschnabel'
( D F ) im Deutschen dann
auch neutrales Genus.
10.3.
Regelschema der Genusselektion
Aus der Systematik der Identifikationskriterien läßt sich nun folgendes
Regel-
schema für das Genus englischer Lehnwörter im Deutschen a u f s t e l l e n : (1) Handelt es sich bei dem englischen Lehnwort um ein morphologisches
Sim-
plex, so erhält es das Genus des naheliegendsten deutschen Äquivalents. Beispiele: Advantage ( m . ) - Vorteil neß ( n . ) - Geschäft
( m . ) , Band ( f . ) - Kapelle ( f . ) , Busi-
(n.)
(2) Handelt es sich bei dem englischen Lehnwort um eine durchsichtige Morphemkonstruktion, so erhält es das Genus des in einer entsprechenden deutschen Morphemkonstruktion genusdeterminierenden Morphems.
60 Beispiele:
Computer
( m . ) - -er ( m . ) , Fitness ( f . ) - ~heit/-keit ( f . ) ,
Training ( n . ) - -en ( n . ) Background (f.),
( m . ) - Grund ( m . ) , Boarding-school
( f . ) - Schule
Cover-girl ( n . ) - Mädchen ( n . )
/(zcfc ( m . ) - implizite Ableitung ( v g l . Lauf m . ) Knockdown
( m . ) - implizite Ableitung (vgl. Abstoß m.)
Blow-up ( n . ) - -en ( n . )
(3) Handelt es sich bei dem englischen Lehnwort um einen Artbegriff, so erhält es das Genus des entsprechenden deutschen Gattungsbegriffs. Beispiele: Charleston Boxkalf
( m . ) - Tanz
( m . ) , Crimson Rambler ( f . ) - Rose ( f . ) ,
( n . ) - Leder ( n . )
Dieses Kriterium wirkt sich auch auf all die englischen Lehnwörter aus, die morphologisch deutschen Adjektiven entsprechen. Beispiel:
Portable
(m.)
Schreibmaschine
- Verstärker
(m.),
( f . ) , Portable
(n.)
Portable -
(f.)
-
Fernsehgerät
(n.)
Dieses Regelschema erfaßt die systematischen Identifikationskriterien und ist entsprechend abstrakt abgefaOt. Im Materialteil werden die einzelnen Anwendungen dieses Schemas eingehender behandelt ( v g l . 1 6 . ) . Außerdem müssen noch die auf diesem Schema operierenden Variablen berücksichtigt werden ( v g l . 13.).
10.4.
Weitere Gesichtspunkte
Nachdem nun Ablauf und Kriterien der Genuszuordnung erarbeitet sind, bleibt noch die Diskussion einiger weiterer Gesichtspunkte, die die Forschung zur Erklärung des Genus englischer Lehnwörter im Deutschen herangezogen hat.
(1) Sexus Wenn die Forschung eine Genuszuordnung der englischen Lehnwörter nach dem Sexus postuliert, schreibt sie dem Vorgehen der Sprecher eine "Logizität" zu, die die Genuszuordnung zwar "rationaler" machen würde, die aber den Tatsachen
61
nicht entspricht. Englische Lehnwörter wie Vamp ( m . ) und Girl ( n . ) sind keine Ausnahmen einer Genuszuordnung nach dem Sexus, genausowenig wie Lehnwörter wie Manager ( m . ) , Stewardess ( f . ) und Boot ( n . ) nach dem Sexus ihr Genus erhalten haben. Zum einen unterliegen auch diese Lehnwörter den systematischen Identifikationskriterien, bei denen der Sexus keine Rolle spielt, zum anderen kennt ja das deutsche Genussystem keine Klassifikation englischen
nach dem Sexus, so daß den
Lehnwörtern bei einer Genusklassifikation nach dem Sexus ein ganz
besonderer Sonderstatus zukäme, was jedoch den Grundprinzipien jeder Integration widersprechen würde.
(2) Phonologische Kriterien Gelegentlich wird in der Forschung angenommen, daO phonologische Kriterien wie Silbenzahl
und Silbenstruktur
Klasseme der Genusselektion sind
(vgl. Arndt
1970, Carstensen 1980b, Hennig 1963). Diese Annahme stützt sich nicht auf eine Systematik der Genuszuordnung, sondern auf eine induktiv gemachte Beobachtung. Es ist
dabei beispielsweise sicher richtig, daß viele einsilbige englische
Lehnwörter im Deutschen maskulin sind Flirt ... Jazz, Jet,
Job, Lift,
( z . B . Boss, Boy, Coach, Crack,
Fan,
Look, Lunch ... Carstensen 1980b: 64). Daneben
gibt es jedoch auch eine nicht unbeträchtliche Reihe von "Ausnahmen" wie Band, Box, Couch, Crew, Gang, Nurse, usw. (alle f . ) und Cape, Girl, Match, Steak, Team,
usw.
(alle
n.).
Auch
diese
Annahme macht
ein
Kriterium
für
die
Genusselektion geltend, das kein Klassem der Genusklassifikation im Deutschen ist und übergeht damit ein wichtiges Grundprinzip der Integration. Dies gilt auch für die Auffassung, daß Reimassoziation bzw. ( r e i n ) formale Analogie das Genus englischer Lehnwörter bedingt (vgl. Polzin 1903).
Die vie-
len "Ausnahmen" der nicht maskulin seligierten englischen Lehnwörter auf -er sind beispielsweise nur ein Beweis d a f ü r , daß diese Auffassung nicht richtig sein kann ( z . B . Aster f . , Cover n . , Poster n . ) . Diese induktiv gewonnenen Gesetzmäßigkeiten erlauben zwar unter Einbezug der Vorstellung, daß die Genuszuordnung ohnehin sehr unsystematisch ist,
eine
(mehr oder weniger genaue) deskriptive Adäquatheit; sie können jedoch aufgrund fehlender analytischer Erklärungsadäquätheit nicht überzeugen. Man macht dabei eine akzidentielle Erscheinung zum essentiellen Kriterium. E n t s p r e c h e n d e s g i l t a u c h f ü r d a s n i c h t - p h o n o l o g i s c h e K r i t e r i u m der H o m o graphie ( v g l . Arndt 1970). V g l . hierzu die unterschiedlich seligierten homographen Wörter im Deutschen ( 3 . 2 . 2 . 3 . ) und die von ihren homographen deutschen Ä q u i v a l e n t e n unterschiedlich seligierten englischen Lehnwörter (siehe 16.3. ).
62
(4) Statistische Verteilung Gegen eine statistische Auswertung der Verteilung der englischen Lehnwörter auf die drei deutschen Genusklassen ist nichts einzuwenden, solange sie rein beschreibend
verstanden w i r d , wie etwa bei Cars^ensen (1980b: 41), K. Viereck
(1980: 230) und Zindler (1959: 18).
Wird jedoch die Statistik über die Inter-
pretation als Tendenz zur Erklärung der Genuszuordnung herangezogen, wie bei Wilson (1899: 273) und Simmons (1971: 9 7 ) , dann entspricht die Deutung nicht den Tatsachen. Eine Tendenz - etwa zu maskulinem Genus - müßte als ein bewußtes Vorgehen der Sprecher angesehen werden. Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die Verteilung der englischen Lehnwörter auf die drei deutschen Genusklassen aus der im Grunde zufälligen zahlenmäßigen Relation der verwendeten deutschen Identifikationsbasen resultiert. Der Grund für die Distribution auf die
Genusklassen
liegt in entlehnten Wortmaterial und nicht in einer beabsichtigten Vorgehensweise der Genusselektion. Ein solches Vorgehen müßte außerdem den Sprechern in seiner Auffälligkeit bewußt sein. Auch bei der sogenannten feminine tendency, die für das Auslandsdeutsche postuliert wird ( v g l . 14.3.), sind andere Faktoren für das feminine Genus der englischen Lehnwörter maßgeblich als eine Konvention der femininen Genuszuordnung.
(5) Bedeutungsdifferenzierung Aron (1930: 2 7 f . ) nimmt an, daß homonymen bzw. polysemen englischen Lehnwörtern unterschiedliches Genus zugeordnet wird, um die verschiedenen Bedeutungen zu differenzieren, z.B. Trade
'Kundschaft 1
( f . ) vs. Trade
'Tausch' ( m . ) . Was
er dabei als ein K r i t e r i u m der Genuszuordnung ansieht, ist jedoch nichts anderes als
eine zweifache Genuszuordnung, die jeweils einem der systematischen
Identifikationskriterien entspricht (näheres dazu unter 11.). Dahinter steht nicht die Absicht der Differenzierung von englischen Lehnwörtern, sondern die Notwendigkeit, das englische Wort über mehrere deutsche Identifikationsbasen zu motivieren.
Haben diese deutschen
Identifikationsbasen unterschiedliches
Genus, dann erhalten auch die englischen Lehnwörter unterschiedliches Genus; bei gleichem Genus der deutschen Identifikationsbasen wird auch den englischen Lehnwörtern gleiches Genus zugeordnet. Außerdem wäre eine Bedeutungsdifferenzierung nur bei bewußter Reflexion der Genuszuordnung möglich. Da die Genuszuordnung aber ohne Nachdenken folgt, muß diese Annahme zurückgewiesen werden.
er-
63
(6) Assoziation In der Mehrzahl der Arbeiten zur Genuszuordnung englischer Lehnwörter wird Assoziation
als
Grundlage der Genuszuordnung angesehen. Dabei bleibt jedoch
weitgehend ungeklärt, wann es zu dieser angenommenen Assoziation im Entlehnungsprozeß kommt und warum sie
eigentlich a u f t r i t t . Daß Assoziationen bei
Ähnlichkeiten auftreten ( k ö n n e n ) , ist
seit Anbeginn der Assoziationsforschung
bekannt; bezüglich der Genuszuordnung englischer Lehnwörter bleibt aber o f f e n , warum bei Entlehnung englischer Lehnwörter eine Assoziation mit Deutschem vorgenommen w i r d , da man von Assoziation zwar sagen kann, daß sie unter bestimmten Bedingungen a u f t r i t t ,
nicht jedoch, warum Assoziation erfolgte.
ist keineswegs so, daß es immer dann, wenn Ähnlichkeiten vorliegen,
Denn es auch
zu
Assoziation kommt. Hinzu kommt, daß man mit der Annahme von Assoziation meist nicht berücksichtigt, daß Ähnlichkeiten nicht an sich schon gegeben sind, sondern daß sie erst von einem Sprecher als solche erkannt werden müssen. Dieses Erkennen ist jedoch ein Erkenntnisprozeß, der sich nicht allein mittels mechanistischer Reiz-Reaktions-Schemata erfassen läßt, da sie die kognitive Leistung des Sprechers nicht genügend berücksichtigen. Ein weiterer Gesichtspunkt, der gegen die Annahme von Assoziation spricht, ist
der, daß bei assoziativer Gleichsetzung der Wortform eine viel größere
Rolle zukäme als tatsächlich der Fall ist. Dies b e t r i f f t
insbesondere homonyme
Wörter, aber auch Wörter mit einem bestimmten Auslaut, der einem Morphem homonym ist
( z . B . - e r ) . Es hat sich jedoch gezeigt, daß diese Kriterien gerade
keinen Einfluß auf die Genusselektion englischer ist
die kognitive Analyse,
Lehnwörter haben. Vielmehr
Interpretation und Klassifikation
der englischen
Wörter auf dem Hintergrund der deutschen Wortbildungsregularitäten von entscheidender Bedeutung. Bleibt schließlich noch zu erwähnen, daß Assoziationen ihrer Natur nach immer individuell
sein müssen, woraus sich ein viel größeres Maß an Genus-
schwankung ergeben würde als bei einer kognitiven Klassifikation. so sehr in der ersten Integrationsphase,
Dies nicht
vor allem aber im weiteren Inteora-
tionsprozeß. Wie sollte mit Assoziation erklärt werden, daß das Vorgehen immer einheitlicher wird b z w . daß ab einer gewissen Integrationsstufe überhaupt keine Gleichsetzung mit deutschen Elementen mehr erfolgt? Man sollte deshalb nur in dem Bereich von Assoziation sprechen, der die auf die interlinguale Identifikation des englischen Worts mit einem deutschen Element
f o l g e n d e
Speicherung b e t r i f f t . H i e r f ü r kann m a n sinnvoller-
64
weise eine assoziative Verknüpfung des englischen Worts mit seiner deutschen Identifikationsbasis
ansetzen (vgl. Grimm/Engelkamp 1981:
38). Bei der der
Speicherung vorausgehenden interlingualen Identifikation handelt es sich jedoch um eine auf einer kognitiven Aktivität beruhende Klassifikation
(vgl.
Rohrer 1978: 7 9 ) .
(7) Soziologische Aspekte Bei Hennig (1963) findet sich die Auffassung, daß soziologische Kriterien Einfluß auf das Genus englischer Lehnwörter haben, und zwar in dem Sinne, daß die Genusassignation
nach einem deutschen Äquivalent bei sozial höherstehenden
Sprechern erfolgt als eine auf die Motivierung der Wortform zurückgehende Genuszuordnung. Hennig (1963: 58) nennt als Beispiel die maskuline und neutrale Genuszuordnung des Lehnworts tea room, wobei er davon ausgeht, daß das maskuline Genus - bedingt durch eine Identifikation
von engl. room mit dt. Raum
( m . ) - sozial niedriger einzustufen sei als das neutrale Genus, das aus einer Identifikation von engl. room mit dem deutschen Äquivalent Zimmer ( n . ) resultiert. Abcesehen davon, daß dieses Beispiel für die These recht unglücklich gewählt ist,
muß darauf geantwortet werden, daß Hennig ein sekundäres Kriterium
zum primären macht. Nicht die Schichtenzugehörigkeit entscheidet über das Vorgehen bei der Genuszuordnung, sondern der Grad der Bilingualität der Sprecher. Nun ist
es zwar richtig, daß es sich bei uns hauptsächlich um Bildungsbilin-
gualismus handelt, doch ändert dies nichts an der Tatsache, daß Aspekte der Sprachkompetenz entscheidend für verschiedene Genuszuordnungen sind und nicht Gesichtspunkte der sozialen Hierarchie. Daß das tea room, wie er schreibt (Hennig 1963: 58), sogar höhere Preise verlangen kann als der tea room, mag vielleicht für einen von ihm beobachteten Einzelfall Gültigkeit haben; als allgemeine Erscheinung t r i f f t dies jedoch unter keinen Umständen zu. Nach meinen Beobachtungen gibt es überhaupt keine soziologische Markierung bestimmter Genuszuordnungen.
65
(8) Sprachgefühl Bei einer Durchsicht der Literatur gewinnt man den Eindruck, daß die Autoren vielfach, wenn sie sich das Genus eines oder mehrerer englischer Lehnwörter nicht rational erklären können, das "Sprachgefühl" als ein "Refugium" wählen, in das sie sich zurückziehen können. Sie nehmen dabei nicht einmal Bezug auf die Forschung zum Sprachgefühl ( z . B . Kainz 1956), sondern belassen es bei der Unklarheit der umgangssprachlichen Verwendung. Kainz (1956: 328) hat gezeigt, daß die Grundkonstituenten des Sprachgefühls Gedächtnis und Analogie sind, also in etwa das, was in der vorliegenden Arbeit als Konvention und Klassifikation aufgefaßt wird. Entscheidungen nach dem Sprachgefühl lassen sich demnach, auch wenn sie dem Sprecher nicht bewußt sind, bei einer Analyse rational begründen. Wenn somit bei einer Untersuchung der Genuszuordnung keine rationale Begründung für das Genus eines englischen Lehnworts gefunden werden kann, so heißt das noch nicht, daß es keine Begründung gibt. Sprachwandel und die Variablen der Genusselektion machen es oft schwer, die Entlehnungsgeschichte eines englischen Substantivs nachzuvollziehen; man darf jedoch auf keinen Fall bei einer synchronischen Analyse stehenbleiben, wie dies bei einer sehr großen Anzahl der Arbeiten geschieht. Synchronisch ist das Genus vieler englischer Lehnwörter genauso uneinsichtig wie das vieler deutscher Substantive. Da das Genus nach seiner Konventionalisierung jedoch nicht immer wieder neu zugeordnet, sondern in der Kommunikation gelernt wird, muß eine Analyse bei dem Zeitpunkt ansetzen, zu dem die Genusselektion erfolgte. Auf dem Hintergrund eines Ablaufschemas der Genuszuordnung und einer Systematik der Kriterien der Genusselektion ergibt sich dann bei genauem Quellenstudium auch eine rationale Erklärung. Da dem mit "Sprachgefühl" bezeichneten Phänomenen Faktoren zugrundeliegen, die rational erfaßt werden können, sollte man nicht mit diesem vorwissenschaftlichen Begriff operieren, sondern die konstitutiven Faktoren zur Analyse heranziehen. Man entzieht sich damit der Gefahr, zuviel als zufällig, willkürlich und grundlos anzusehen. Nochmals: Das Genus eines jeden englischen Lehnworts in Deutschen hat einen Grund; es gilt nur, diesen Grund zu finden.
66
11.
POLYSEMIE UND GENUSSELEKTION
Bisher wurden vorrangig monoseme englische Lehnwörter behandelt, Sprachzeichen also, deren Bedeutungsumfang mit einer deutschen Identifikationsbasis erfaßt werden kann. Mit den Fällen, in denen mehr als eine Identifikationsbasis zur Erfassung
des Bedeutungsumfangs nötig ist,
setzt sich das folgende
Kapitel
auseinander.
11.1.
Entlehnung polysemer Sprachzeichen
Wenn zwei Sprachen tatsächlich isomorph wären, dann ließen sich die Sprachzeichen der beiden Sprachen einander eineindeutig zuweisen. Die R e a l i t ä t sieht demgegenüber jedoch so aus,
daß sehr oft keine Entsprechungen existieren oder
daß die Zuordnungsrelationen asymmetrisch sind. So benötigt man mindestens folgenden
die
deutschen Identifikationsbasen, um den Bedeutungsumfang des engli-
schen Substantivs change zu erfassen: Änderung, Wechsel,
Verwandlung, Aus-
tausch, Tausch, Abwechslung, Wechsel, Übergang, Umziehen, Wechselgeld, Kleingeld. In einer Entlehnungsäußerung kann ein solches polysemes Wort natürlich in der Regel nur in einer seiner Bedeutungen entlehnt werden, so daß man verallgemeinernd davon ausgehen k a n n , daß für jede der Bedeutungen ein eigener Entlehnungs- und Integrationsprozeß nötig ist b z w . a b l ä u f t . In welcher der Bedeutungen ein polysemes Sprachzeichen entlehnt w i r d , hängt von den k o m m u n i k a t i v e n Bedürfnissen
der Sprecher ab; auf keinen Fall, jedoch bedeutet die Entlehnung
in einer Bedeutung automatisch gen. So ist
auch die Entlehnung in allen anderen Bedeutun-
etwa Hit im Deutschen vor allem in den Bedeutungen
. erfolgrei-
ches Musikstück, Spitzenschlager. 2. etwas, was besonders erfolgreich, allgemein beliebt ist 1 ( D F ) gebräuchlich; in den weiteren Bedeutungen des englischen Worts h i t treffende
'Schlag, Stoß, Streich, Hieb, A u f - , Z u s a m m e n p r a l l , T r e f f e r ,
Bemerkung, u s w . 1
( L E W ) findet es sich dagegen im Deutschen nicht
oder nur ganz vereinzelt. Des weiteren muß die Entlehnung in mehreren der Bedeutungen auch nicht von
67
denselben Sprechern durchgeführt werden. Insbesondere englische Wörter, deren Bedeutungen verschiedenen
Gruppen- bzw. Fachsprachen angehören, werden von
verschiedenen Sprechergruppen in ihren verschiedenen Bedeutungen entlehnt, so daß die Lehnwörter den verschiedenen Sprechergruppen durchaus nicht sein können. Merkmal,
So etwa bei
engl. feature
(das) Charakteristische,
'Gesichtszüge, Grundzug, Aussehen,
(das) Hervorstechende, Haupt-,
besondere Beilage, spezieller A r t i k e l '
geläufig
( L E W ) . Es ist
Spielfilm,
im Deutschen üblich in
der Bedeutung 'aktuell aufgemachter Dokumentarbericht ( f ü r Funk od. Fernseh e n ) , der aus Reportagen, Kommentaren u. Dialogen zusammengesetzt ist' ( D F ) . Daneben wird feature in der Sprachwissenschaft auch in der Bedeutung 'Merkmal' verwendet. Berührungen zwischen beiden Verwendungen d ü r f t e n selten sein. Dies führt insgesamt zu der Schlußfolgerung, daß die Genusselektion polysemer englischer Lehnwörter wie die monosemer englischer Lehnwörter vor sich geht, wobei jede der Verwendungsweisen wie ein monosemes Lehnwort behandelt wird. Die Genusselektion polysemer englischer Lehnwörter läßt sich somit in zwei Gruppen unterteilen, je nachdem ob die verschiedenen deutschen Identifikationsbasen dasselbe Genus haben oder nicht.
11.2.
Beispiele
(1) Gleiche Genusselektion Haben die deutschen Identifikationsbasen dasselbe Genus, dann erhält auch das englische Lehnwort in jeder seiner Bedeutungen dasselbe Genus. Zum Beispiel: Caddie ( m . )
. Junge, der dem Golfspieler die Schläger trägt. 2. zweirädriger Wagen zum Transportieren der Golfschläger. 3. Einkaufswagen (in einem S u p e r m a r k t ) ' ( D F ) E n g l . M o d e l l : caddie " g o l f e r ' s a t t e n d a n t f o r c a r r y i n g c l u b s etc.; light two-wheeled t r o l l e y for t r a n s p o r t i n g golf clubs d u r i n g g a m e " (COD)
In der Bedeutung (1) wird das Lehnwort der maskulinen Genusklasse zugeordnet, da es über eine Identifikation mit dt. Junge ( m . ) motiviert wurde; in der Bedeutung ( 2 ) / ( 3 ) resultiert das maskuline Genus aus einer motivierenden Identifikation mit dem deutschen Gattungsbegriff Wagen ( m . ) . Im folgenden Beispiel erfolgt die Motivation über die deutschen Gattungsbegriffe Stoff ( m . ) und Mantel ( m . ) :
68
Mackintosh ( m . )
. mit Kautschuk imprägnierter Baumwollstoff. 2. Regenmantel aus beschichtetem Baumwollstoff (DF) E n g l . M o d e l l : mackintosh ' w a t e r p r o o f m a t e r i a l o f r u b b e r a n d c l o t h f o r g a r m e n t s ; c l o a k o r coat o f t h i s , or a n y o f w a t e r proof m a t e r i a l ' ( C O D )
(2) Unterschiedliche
Genusselektion
Haben die deutschen Identifikationsbasen unterschiedliches Genus, so erhält auch das englische Lehnwort in jeder seiner Bedeutungen ein anderes Genus. Zum Beispiel: Boston ( n . ) 'amerikan. Kartenspiel 1 (DF) Boston ( m . ) 'langsamer amerikan. Walzer mit sentimentalem Ausdruck 1 (DF) E n g l . M o d e l l : Boston ' a g a m e a t c a r d s , a l l i e d t o w h i s t , o f w h i c h t h e t e c h n i c a l t e r m s r e f e r t o t h e siege o f B o s t o n in t h e A m e r i c a n klar o f I n d e p e n d e n c e ' ( S O E D ) ; ' a w a l t z c h a r a c t e r i z e d b y a h o l d o f two beats on one foot and on occasional dipping t u r n s ' ( W E B )
Die neutrale Genusselektion erfolgt aufgrund einer Motivation über den schen Gattungsbegriff Spiel ( n . ) , die maskuline Genusselektion aufgrund Motivation über den deutschen Gattungsbegriff Tanz ( m . ) . Beim folgenden Lehnwort Cockney entspricht das neutrale Genus der im schen üblichen neutralen Selektion won Bezeichnungen won Sprachen (vgl. zösische n., Fränkische n . , u s w . ) ; das maskuline Genus resultiert aus Motivierung über dt. Mensch ( m . ) :
deuteiner DeutFraneiner
Cockney ( n . ) "die als ungebildet geltende Mundart der alteingesessenen Londoner Bevölkerung 1 (DF) Cockney ( m . ) ' j m d . , der Cockney spricht' (DF) E n g l . M o d e l l : cockney ' n a t i v e o f L o n d o n , e s p . speaking its dialect; this dialect' (COD)
o f t h e E a s t E n d or
Wie bereits erwähnt, ist eine derartige mehrfache Genusselektion grundsätzlich bei allen englischen Lehnwörtern möglich, die morphologisch Adjektive sind. Zum Beispiel: Konservative(r) ( m . )
. Anhänger einer konservativen Partei. 2. jmd., der am Hergebrachten festhält 1 (DF) Konservative ( f . ) "1. weiblicher Anhänger einer konservativen Partei. 2. weibliche Person, die am Hergebrachten festhält'
69
Konservative(s) ( n . ) 'das Erhaltende, auf Erhaltung Bedachte' Engl. Modell: thing' (COD)
conservative
'conservative
person or
(arch.)
Die unterschiedliche Genusselektion dieses Lehnworts ergibt sich aus der motivierenden Identifikation mit den deutschen Gattungsbegriffen Mensch ( m . ) und Frau ( f . ) , sowie einer Einstufung als Abstraktum ( n . ) . 11.3.
Oppositive Genusselektion und Genusschwankung
Die oppositiv/e Genusselektion polysemer englischer Lehnwörter darf nicht mit Genusschwankung verwechselt werden, auch wenn die Differenzierung im Einzelfall schwierig sein kann (vgl. 8.). Genusschwankung liegt immer nur dann vor, wenn ein Wort in derselben Bedeutung mit verschiedenem Genus verwendet wird, ohne daO sich dieser variierende Sprachgebrauch funktionalisieren läßt. So kann beispielsweise das englische Lehnwort Level 'Niveau, Rang, Stufe, Ebene 1 ( D F ) im Deutschen sowohl mit maskulinem als auch mit neutralem Genus gebraucht werden, ohne daß damit irgendein Unterschied zum Ausdruck kommt. Im Gegensatz dazu ist das Genus der oppositiv seligierten Lehnwörter "fest" mit der jeweiligen Bedeutung verbunden, wie etwa auch bei dt. See ( m . ) 'Binnengewässer 1 - See ( f . ) 'Meer' (vgl. 3.2.2.3.).
70
12.
DOPPELENTLEHNUNG UND GENUSSELEKTION
Einige Sprachzeichen werden nicht nur einmal, sondern zweimal oder sogar noch öfter entlehnt. Mit den Auswirkungen dieser Erscheinung auf das Genus der englischen Lehnwörter setzt sich das folgende Kapitel auseinander.
12.1.
Doppelentlehnung
Sprache existiert, wie besprochen, nur im Wechselspiel und Sprachrezeption,
wobei ständig bekräftigt
von Sprachproduktion
und revidiert, vergessen und
hinzugelernt wird. So kann es dazu kommen, daß einmal gebräuchliche Sprachzeichen ab einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verwendet werden und in Vergessenheit
geraten.
Von ihrer
früheren Existenz
weiß man dann nur noch durch
(schriftliche oder elektromagnetische) Aufzeichnungen. Wenn ein Sprachzeichen, nachdem es schon einmal entlehnt worden w a r , aber ungebräuchlich wurde, zu einem späteren Zeitpunkt 'neuerdings entlehnt wird, spricht m a n v o n
D o p p e l e n t l e h n u n g
(vgl. Carstensen 1965:
257f., Duckworth 1977: 5 4 f f . , Tesch 1978: 122f.). Doppelentlehnung existiert somit als solche nur für den (wissenschaftlichen) Betrachter,
der über Zeug-
nisse früherer Sprachstufen v e r f ü g t ; für die Sprecher handelt es sich einfach um eine Entlehnung wie jede andere, da sie definitionsgemäß die frühere Entlehnung und die mit ihr verbundenen Konventionen nicht kennen.
12.2.
Genuszuordnung bei Doppelentlehnung
Die Genuszuordnung - Genusassignation und Genusselektion - läuft bei Doppelentlehnung genauso ab wie bei einfacher Entlehnung, da für die entlehnenden Sprecher die früheren Konventionen, die sie ja ohnehin nicht kennen, keine Bedeutung haben. So wissen die Sprecher heute ja auch nicht, daß beispielsweise Mittwoch
( m . ) in der Form mittewoche feminines, Blume ( f . ) als mhd. bluome
neben femininem auch maskulines und Speer ( m . ) als mhd. sper bzw. spar(e) neutrales Genus hatte.
71
Man kann demnach grundsätzlich davon ausgehen, daß ein englisches Lehnwort bei Doppelentlehnung
derselben
Genusklasse
zugeordnet wird,
wenn
nicht durch
Sprachwandel beeinträchtigende Veränderungen eintreten. Darauf hat auch das Vorliegen Einfluß,
eines
konventionalisierten homonymen englischen Lehnworts keinen
da ein konventionalisiertes Lehnwort wie jedes andere deutsche Sub-
stantiv den Sprechern als Identifikationsbasis dienen kann und dabei denselben Gesetzmäßigkeiten der Systematik der Identifikationskriterien unterliegt. Diese Erscheinung entspricht dann der Entlehnung eines polysemen englischen Substantivs (vgl. 11.).
12.3.
Beispiele
(1) Gleiche Genusselektion bei Doppelentlehnung identischer Sprachzeichen Interferieren bei einer Doppelentlehnung keine besonderen Faktoren, so erhält das englische Lehnwort bei jeder Entlehnung dasselbe Genus. Zum Beispiel: Shop ( m . ) 'Laden, Geschäft' ( D F ) E n g l . M o d e l l : shop ' b u i l d i n g , c o m m o d i t y or s e r v i c e ' ( C O D )
room,
etc.,
for
r e t a i l sale o f some
Das Wort wurde bereits im 19. Jahrhundert einmal entlehnt, geriet aber wieder außer Gebrauch (vgl. Stiven 1936: 60). Nach 1945 wird es dann aber zu einem der häufigsten englischen
Lehnwörter im Deutschen, vor allem als Grundwort in
Komposita ( z . B . Copy-Shop, Postershop). Das maskuline Genus resultiert aus einer I d e n t i f i k a t i o n mit dt. Informellen
als
Laden ( m . ) , das wegen der Bedeutungskomponente des
Identifikationsbasis
geeigneter
( n . ) . Außerdem hat sich die Einstufung als
erschien als
deverbale
dt.
Geschäft
Stammableitung zu dem
Verb engl. shop - dt. shoppen ausgewirkt.
(2)
Unterschiedliche
Genusselektion bei Doppelentlehnung identischer Sprach-
zeichen Bei Entlehnung zu verschiedenen Zeiten können auch - aus welchen Gründen auch immer - verschiedene Identifikationsbasen zur Motivierung herangezogen werden, was bei unterschiedlichem Genus der Identifikationsbasen
zu unterschiedlicher
Genusselektion des englischen Lehnworts f ü h r t (vgl. 13.1.). Zum Beispiel:
72
Square '(Schmuck)platz' (DF) E n g l . M o d e l l : square ' a r e a ( u s u . q u a d r i l a t e r a l ) p l a n t e d w i t h t r e e s e t c . or o r n a m e n t a l l y l a i d o u t a n d s u r r o u n d e d w i t h b u i l d i n g s e s p . d w e l l i n g -houses' ( C O D )
Das Wort wurde bereits im 18. und 19. Jahrhundert im Deutschen verwendet, und zwar vor allem in Reisebeschreibungen Englands (vgl. Ganz 1957: 211f.). Es hatte zu dieser Zeit neutrales Genus, das auf eine Identifikation mit dt. Quadrat ( n . ) - wie Ganz annimmt - oder mit dem französischen Lehnwort Quarre (bzw. Karree) ( n . ) 'Viereck' zurückgeht. Nach 1945 tritt das Lehnwort mit maskulinem Genus a u f , das aus einer Identifikation mit dt. Platz ( m . ) resultiert. (3)
Gleiche Genusselektion bei Doppelentlehnung (nur) Sprachzeichen
formal
identischer
Gelegentlich werden auch homonyme englische Sprachzeichen zu verschiedenen Zeiten entlehnt. Haben dann die deutschen Identifikationsbasen dasselbe Genus, so erhalten auch die englischen Lehnwörter dasselbe Genus. Zum Beispiel: Twist (1) ( m . ) 'mehrfädiges Baumwoll(stopf)garn" (DF) E n g l . Modell: twist ' t h r e a d , rope, etc., made by w i n d i n g two or more s t r a n d s etc. about one a n o t h e r ; fine strong silk t h r e a d used b y t a i l o r s e t c . ' ( C O D )
Das Wort ist seit 1800 im Deutschen belegt; sein maskulines Genus ergibt sich aus einer Identifikation mit dt. Zwirn ( m . ) (vgl. Ganz 1957: 2 2 3 f . ) . Twist (2) ( m . ) 'aus den USA stammender Modetanz im 4/4-Takt' (DF) Engl. (COD)
Modell:
twist
'dance
with
vigorous
bodily
contortions'
Als Bezeichnung für einen Tanz ist das Wort im Deutschen seit 1961 gebräuchlich ( v g l . Carstensen 1965: 195). Das Genus resultiert aus einer Motivierung des Artbegriffs über den deutschen Gattungsbegriff Tanz ( m . ) . Daß das jüngere Lehnwort Twist sein Genus aufgrund einer Identifikation mit dem älteren erhalten hat, kann mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden, da beide semantisch weit voneinander entfernt sind und außerdem verschiedenen Gruppensprachen des Deutschen angehören. Die Einstufung als Doppelentlehnung ist insofern gerechtfertigt, als man davon ausgehen kann, daß den Sprechern, die die Bezeichnung des Tanzes entlehnten, die Bezeichnung des Garnes wohl kaum geläufig war.
73
(4) Unterschiedliche Genusselektion bei Doppelentlehnung (nur) formal identischer Sprachzeichen Haben die deutschen Identifikationsbasen homonymer englischer Lehnwörter unterschiedliches Genus, so erhalten auch die Lehnwörter unterschiedliches Genus. Zum Beispiel: Coach (1) ( f . ) 'im 19. Jh. verwendete vierrädrige Kutsche für vier Personen" (DF) Engl. (COO)
Modell:
coach ' S t a t e c a r r i a g e ;
p r i v a t e l y owned c a r r i a g e '
Das Wort wird seit Ende des 17. Jahrhunderts im Deutschen verwendet, und zwar vor allem als Grundwort in den Komposita Hackney Coach und Stagecoach (vgl. Ganz 1957: 89, 212). Nachdem die bezeichneten Fahrzeuge außer Gebrauch gekommen· waren, wird auch das Lehnwort allmählich ungebräuchlich. Das feminine Genus resultiert aus einer Identifikation des Simplex mit dem deutschen Äquivalent Kutsche ( f . ) . Coach (2) ( m . ) "Sportlehrer u. Betreuer eines Sportlers od. einer Sportmannschaft' (DF) E n g l . M o d e l l : coach ' i n s t r u c t o r of a t h l e t i c t e a m e t c . ' ( C O O )
Das Wort kommt mit einer Vielzahl weiterer Wörter aus dem Bereich des Sports gegen Ende des 19. Jahrhunderts ins Deutsche, wird aber erst nach 1945 in besonderem Maße gebräuchlich, vor allem in Österreich (vgl. Stiven 1936: 98, Carstensen 1965: 112). Als Nomen agentis erhält es im Deutschen maskulines Genus. Insbesondere für die Übernahme nach 1945 kann man von Doppelentlehnung sprechen, da zu dieser Zeit Coach "Kutsche" nicht mehr verwendet wird. Es tritt lediglich in englischsprachigen Spielfilmen) auf - dort auch meist nur in schriftlicher Form in Firmenbezeichnungen u.a.
74
13.
DIE VARIABLEN DER GENUSSELEKTION
In den bisherigen Ausführungen wurden die systematischen Identifikationskriterien erarbeitet, die die Grundlage der Genusselektion englischer.Lehnwörter im Deutschen bilden.
Auf dem Hintergrund dieses Rasters können jedoch weitere
Faktoren auf die Genusselektion Einfluß nehmen. Mit diesen Variablen beschäftigt sich das folgende Kapitel.
13.1.
Vorbildsetzender Gebrauch
Da Sprachen nicht isomorph sind, kann es dazu kommen, daQ für ein Sprachzeichen in einer anderen Sprache mehrere Möglichkeiten der Identifikation zur Auswahl stehen. Bei gleicher Denotation ergibt sich natürlich in den meisten Fällen eine Differenzierung der zur Auswahl stehenden deutschen Elemente a u f grund
verschiedener Konnotationen
der
Regionalität, Registerzugehörigkeit,
Stilebene, usw. So gibt es beispielsweise zu dem Wort Pferd
im Deutschen "Sy-
nonyme" wie Gaul und Roß, die jedoch als Motivierungsbasen für engl. horse wegen ihrer pejorativen Bedeutungskomponente weitgehend ausscheiden. Wenn aber trotz aller solcher Differenzierungen immer noch mehrere Möglichkeiten erfolgt
der Identifikation
eine
einheitliche
(mit unterschiedlichem Genus) vorliegen, dann
Genusselektion
"Vorbildsetzender Gebrauch" ist
durch
vorbildsetzenden Gebrauch.
somit insofern eine Variable der Genusselek-
tion, als er sich nicht aus dem System der der Genusselektion zugrundeliegenden Identifikationskriterien
erklären und erfassen läßt.
Zwei Arten des vorbildsetzenden Gebrauchs sind dabei zu unterscheiden, je nachdem ob er sich (mehr oder weniger z u f ä l l i g ) als mehrheitlicher Gebrauch oder gesteuert als nahegelegter ("präskribierter") Gebrauch ergibt. Ein Beispiel für die erste Art ist das englische Lehnwort Flip: Flip
'alkoholisches Mischgetränk mit Ei 1 ( D F ) Engl. Modell: flip ' b e e r and s p i r i t mixed, sweetened, and heated w i t h h o t i r o n ' b z w . e g g - f l i p ' h o t or c o l d b e e r , c i d e r , w i n e , e t c . , w i t h eggs and usu. milk s t i r r e d i n ' ( C O D )
75
Die anfängliche Genusschwankung zwischen Neutrum und Maskulinum war nach Wilson (1899: 277) dadurch bedingt, daß sowohl Bier ( n . ) als auch dt. Mein ( m . ) als Identifikationsbasen herangezogen wurden. Eine weitere Möglichkeit ist außerdem noch die
Einstufung als
deverbale Stammableitung (zu to flip
'mov/e
about with sudden j e r k s ' COD), die Flip als metaphorische Bezeichnung erscheinen läßt. Alle drei Arten der Motivierung wären in etwa gleich plausibel. Man kann deshalb davon ausgehen, daß vorbildsetzender Gebrauch eine Art der Motivierung konventionalisieren h a l f . Da in den (bei Ganz 1957: 75 verzeichneten) zeitgenössischen Quellen Flip als (»arm-) Bier ( n . ) bezeichnet w i r d , ist anzunehmen, daß die Einstufung als metaphorische Bezeichnung für das maskuline Genus verantwortlich ist, da eine Motivierung über dt. Bier ( n . ) neutrales Genus bewirkt hätte und dt.
Mein
( m . ) ganz offensichtlich nur eine untergeordnete
Rolle spielte. In der präskriptiven Ausprägung findet sich der vorbildsetzende Gebrauch vor allem bei den durch die Massenmedien populär gemachten englischen Lehnwörtern. Wird etwa ein neues Produkt auf den Markt gebracht, so dient in der Regel der Sprachgebrauch der Werbespots bzw. der Anzeigen als Vorbild für den Sprachgebrauch der Sprecher. Die Konventionalisierung eines von mehreren möglichen Genera wird dabei vor allem durch Lehnübersetzungen u n t e r s t ü t z t , die die Texter neben das neue Lehnwort stellen, um seine Bedeutung zu erklären (bzw. zu verdeutlichen). So zum Beispiel bei dem Lehnwort Air-bag: Air-bag ( m . ) ' L u f t s a c k , Sicherheitseinrichtxing in K r a f t f a h r z e u g e n zum Schutz der Insassen bei einem Zusammenstoß' ( D F ) E n g l . M o d e l l : air b a g ' s a f e t y d e v i c e f i l l i n g w i t h a i r t o p r o t e c t o c c u p a n t s o f m o t o r car i n c o l l i s i o n '( C O D )
Für das englische Wort bag 'receptacle of flexible material with closable opening at top" (COD) liegen im Deutschen mehrere Äquivalente ( z . T . auch mit unterschiedlichem Genus) v o r , wie Sack ( m . ) , Beutel ( m . ) , Tüte ( f . ) und Tasche ( f . ) . Eine Identifikation mit einem der beiden letztgenannten deutschen Wörtern hätte eine feminine Genusselektion des Lehnworts zur Folge gehabt. Es wurde jedoch die Lehnübersetzung Luftsack
( m . ) im Deutschen gebildet,
die
auch häufig in Texten zusammen mit dem Lehnwort Air-bag erscheint wie in dem folgenden Beleg: ... w i r d der S t u t t g a r t e r A u t o m o b i l h e r s t e l l e r nun auch den "Air-bag" als E r g ä n z u n g z u m S i c h e r h e i t s g u r t e i n f ü h r e n . A n f a n g der BOer J a h r e soll der Luftsack ... ( S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g , 10./ll.11.l 979; m e i n e H e r v o r h e b u n g , B.C. )
76
Dieser
Sprachgebrauch normiert
Luftsack
( m . ) als
Identifikationsbasis
für
Air-bag und bewirkt mit dieser Präskribierung auch die Konventionalisierung des maskulinen Genus des englischen Lehnworts. Theoretisch wäre auf diese Art und Weise auch die Konventionalisierung von femininem Genus möglich gewesen, hätten sich die Texter für eine Lehnübersetzung mit femininem Genus entschie-
den.
13.2.
Integrationsgrad
(Schriftaussprache)
Da es sich bei der Entlehnung des englischen Substantivs um die Replikation und Reproduktion eines englischen Modells durch deutsche Sprecher handelt, unterliegt das englische Lehnwort dem englischen Modell gegenüber in der Regel Veränderungen,
die
sich unter anderem auch aus dem Einfluß des
deutschen
Sprachsystems ergeben ( " I n t e r f e r e n z " ) . Eine für die Genusselektion potentiell relevante Erscheinung ist
dabei,
daß das Lehnwort nach den deutschen Regeln
der Schriftbildinterpretation ausgesprochen wird. Dies kann zur Folge haben, daß das Lehnwort durch die
formale Veränderung einer bestimmten Genusklasse
zugeordnet wird. Wenn diese Genusselektion bei modellgetreuer Wiedergabe nicht erfolgt wäre, dann liegt mit Schriftaussprache eine Variable der Genusselektion vor, da das Auftreten von Schriftaussprache
keinen systematischen Krite-
rien unterliegt. Ein Beispiel h i e r f ü r ist ende fast nie a r t i k u l i e r t ,
das Graphem . Es wird im Englischen am Wortim Deutschen dagegen fast immer. Da sehr viele
auf endende Substantive im Deutschen feminin seligiert sind, wird es von den Sprechern als (Pseudo-) Morphem mit femininer Genusdetermination behandelt (vgl. Eck n.
vs. Ecke f . ) . Wenn nun somit ein englisches Lehnwort mit dem
Wortausgang im Deutschen mit /8 / artikuliert wird und ( n u r ) deshalb feminines Genus erhält, dann ist
die Variable der Schriftaussprache
für das Genus
verantwortlich, da die Genusselektion auf kein systematisches K r i t e r i u m zurückgeht. Das Auftreten dieser Variablen der Genusselektion zeigt sich am deutlichsten bei englischen Lehnwörtern, die zunächst mit unterschiedlichem Genus verwendet wurden, je nachdem ob das artikuliert wurde oder nicht. So finden sich beispielsweise zunächst die Formen Lokomotive / l o k o m o ' t i t v a / ( f . ) und Lokomotiv
/lokomo1ti:f/
( n . ) nebeneinander
(vgl. Mackensen 1956;1971:
(engl. Modell: locomotive / ' l o u k e m o u t i v / 'locomotive engine' COD). sten Form bewirkt ganz offensichtlich die Schriftaussprache
51f.)
In der er-
das feminine Ge-
nus, das dann auch später konventionalisiert wurde. Ebenso hätte aber auch das
77
neutrale Genus (bei Konventionalisierung der zweiten Form) konventionalisiert werden können. Entsprechendes gilt auch für das folgende Lehnwort: Zyklon ( m . ) 'heftiger Wirbelsturm in tropischen Gebieten 1 ( D F ) E n g l . M o d e l l : cyclone / ' s a i k l a u n / ' s y s t e m o f w i n d s r o t a t i n g i n wards to area of low b a r o m e t r i c pressure; violent h u r r i c a n e of limited diameter' (COD)
Es erscheint in frühen Belegen auch in der Form Cyclone / t s y ' k l o r n g / , in der es feminines Genus hat (vgl. Ganz 1950: 278). Diese Form setzte sich jedoch nicht durch. Vielmehr erfolgte eine Motivierung über den deutschen Gattungsbegriff Sturm ( m . ) mit entsprechender maskuliner Genusselektion. Dies bedingte dann auch (indirekt)
die Aufgabe der Schriftaussprache
und den Wegfall von
, da ein auslautendes /a/ bei maskulinem Genus als Pluralform mißverstanden werden könnte. Theoretisch hätte aber auch das feminine Genus (bei Konventionalisierung der Form Cyclone) konventionalisiert werden können. Das Auftreten von Schriftaussprache
ist
jedoch nicht rein willkürlich,
sondern hängt in entscheidendem Maße von den Englischkenntnissen der deutschen Sprecher und Konventionen der (phonetischen) Interpretation englischer Wörter ab. Da Englisch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland nur sehr wenig unterrichtet wurde und außerdem der Sprachunterricht nach dem Muster des Unterrichts der klassischen Sprachen erfolgte, weisen auch die meisten der bis dahin entlehnten englischen Lehnwörter Schriftaussprache auf (vgl. Ganz 1957: l l f . , Seiler 1912:
380f.). Hinzu kommt natürlich, daß abgesehen vom nieder-
deutschen Sprachraum kein direkter Kontakt zum Englischen bestand und Englisches vor allem in schriftlicher Form vermittelt wurde. Außerdem galt eine modellgetreue englische Aussprache zu Zeiten als a f f e k t i e r t , so daß man sich um eine deutsche Aussprache bemühte (vgl. Ganz 1957: 5). Dies hat sich nach 1945 geändert, da der direkte Kontakt zum Englischen durch die modernen Massenmedien, Reisen, aber auch durch verbesserten Sprachunterricht ständig zunimmt. Schriftaussprache tritt natürlich auch heute noch auf, jedoch in einem weit geringeren Maße als f r ü h e r , nicht zuletzt, da heute eine möglichst modellgetreue Aussprache das Ideal
13.3.
ist.
Kontakt zu einer dritten Sprache
Replikation und Reproduktion des englischen Modells können aber nicht nur dem Einfluß des deutschen Sprachsystems unterliegen,
sondern auch dem Einfluß ei-
ner weiteren Sprache. Bei den Entlehnungen aus dem Englischen t r i f f t dies vor allem auf das Französische zu.
78
Der Kontakt mit dem Französischen manifestiert sich insofern als Variable der Genusselektion, als
französisches
als aufgrund von Französischkenntnissen das englische Wort interpretiert und den (vermeintlichen) französischen Aus-
spracheregeln entsprechend a r t i k u l i e r t wird (vgl. Dunger 1899: 242, Ganz 1957: 5, 13). Die Folgen für die Genusselektion sind dabei dieselben wie die deutscher
Schriftaussprache. Die feminine Genusselektion der englischen Lehnwörter Reportage und Ton-
nage
beispielsweise geht
im Gegensatz zu der neutralen Genusselektion von
Image / ' i m i t f / und der maskulinen Genusselektion von Advantage
/£t'va:ntitjY
auf die französisierende Aussprache /-a:ja/ zurück, die als genusdeterminierendes Kriterium wirksam werden läßt. Entsprechend erklärt sich auch, daß Cottage früher in französisierter Form feminines Genus hatte, heute aber bei modellgetreuer Aussprache / ' k o t i t f / neutral seligiert ist ( v g l . 16.1., -age). Als Variable der Genusselektion konstituiert sich diese Erscheinung somit auch durch den Gesichtspunkt des Auftretens,
der sich nicht systematisieren
läßt. Der französische stark,
da Französisch
E i n f l u ß auf englische Lehnwörter war lange Zeit sehr die
dominierende lebende Fremdsprache in Deutschland
w a r , lange bevor es von Englisch abgelöst wurde. Außerdem wurde viel Englisches zunächst über französische Vermittlung in Deutschland bekannt. Heute ist der E i n f l u ß des Französischen stark zurückgegangen, so daß sich diese Variable auch kaum noch auf die Genusselektion englischer Lehnwörter auswirkt. Nicht unter diese Variable fallen jedoch die Fälle, in denen ein konventionalisiertes französisches
Lehnwort als Motivationsbasis
eines englischen
Lehnworts im Deutschen diente und seine Genusselektion bewirkte, da integrierte Lehnwörter
in ihrer F u n k t i o n als
Identifikationsbasen
anderen deutschen
Substantiven in jeder Hinsicht gleichgestellt sind ( v g l . Baby, S. 146). Die Etymologie eines Wortes ist für die Motivierung nicht relevant.
13.4.
Indirekte Entlehnung
Gelegentlich
kommen englische Lehnwörter nicht direkt über den Kontakt des
Deutschen mit dem Englischen ins Deutsche, sondern indirekt, wobei das Deutsche aus einer Sprache entlehnt, die ihrerseits aus dem Englischen entlehnt hat. Wenn der Sprachgebrauch in dieser Vermittlersprache E i n f l u ß auf die Genusselektion
im Deutschen hat und eine Klassifikation
systematischen Klassifikationskriterien
bewirkt, die nach den
nicht erfolgt wäre, dann ist diese in-
79
direkte Entlehnung als Variable der Genusselektion zu werten. Hier sind insbesondere sehr frühe englische Lehnwörter zu nennen, die über den niederdeutschen
Sprachraum vermittelt wurden und im wesentlichen
in den
Bereich der dortigen Seemannssprache gehören, von wo sie über die norddeutschen Handelszentren ins Deutsche gelangten ( v g l . Stanforth 1968: 539). Wichtig für die Genusselektion im Deutschen wurde dabei vor allem die Erscheinung, daß der definite Artikel i m Niederdeutschen f ü r Maskulinum
u n d
Femininum die Form de hatte und in dieser Form dem deutschen femininen d e f i n i ten Artikel sehr ähnlich war ( v g l . Ö'hmann 1966: Genusklassifikation
133f.). Diese niederdeutsche
bzw. Genuskennzeichnung wurde bei einer Reihe von engli-
schen Lehnwörtern von Sprechern des Deutschen als feminine Genusselektion interpretiert und für das Deutsche übernommen. Zum Beispiel: Ketsch ( f . ) 'zweimastiges Segelboot' ( D F ) E n g l . M o d e l l : ketch ' t w o - m a s t e d f o r e - a n d - a f t r i g g e d s a i l i n g - b o a t with mizen-mast stepped f o r w a r d of r u d d e r ' (COD)
Das Wort erscheint im 17. Jahrhundert in der niederdeutschen Form Kits mit dem im Niederdeutschen üblichen femininen Genus im Hochdeutschen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird es dann in der Form Ketsch entlehnt; das feminine Genus der früheren Form w i r d dabei beibehalten
( v g l . Ganz 1950: 184f., Ph. Palmer
1950: 16, Stiven 1936: 18). Ohne die niederdeutsche Vermittlung hätte das Wort wahrscheinlich eine Motivierung über das im Deutschen konventionalisierte englische Lehnwort Boot ( n . ) erfahren und entsprechend neutrales Genus erhalten (vgl. 16.3., s.v. Boot). Bei dem folgenden Lehnwort Bilge kommt zur niederdeutschen Vermittlung noch das Kriterium der Schriftaussprache hinzu: Bilge ( f . ) / ' b i l g a / ' K i e l r a u m des Schiffes 1 (Wahrig) E n g l . M o d e l l : bilge / b i l d j / t o m , i n s i d e or o u t ' ( C O D )
'nearly horizontal part of ship's bot-
Das Wort wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts über niederdeutsche V e r m i t t l u n g ins Hochdeutsche entlehnt. Es tritt zunächst sowohl in der Form Bilg mit maskulinem als
auch in der Form Bilge mit femininem Genus auf ( v g l . Ganz 1950:
84), was auf eine unterschiedliche Interpretation des niederdeutschen Sprachgebrauchs
-
des definiten
Schriftaussprache
Artikels
de -
zusammen mit dem K r i t e r i u m der
zurückgeht. Theoretisch hätte sich anstelle des femininen
auch das maskuline Genus durchsetzen können, wäre (zusätzlich noch) eine Moti-
80
vierung über dt. Kielraum ( m . ) erfolgt (vgl. Stiven 1936: 58). Daß jedoch die feminine Form konventionalisiert wurde, liegt sicherlich an der Rezeption des niederdeutschen Sprachgebrauchs mit dem dortigen Artikel de, der dann zusammen mit der Form Bilge als Femininum interpretiert wurde. Eine weitere
Besonderheit
dort weit häufiger als -ing nicht als
des niederdeutschen
Sprachgebrauchs ist,
daß
im Hochdeutschen englische Lehnwörter mit dem Suffix
Neutra,
sondern als Feminina klassifiziert werden. Bei der
Übernahme ins Hochdeutsche behalten diese englischen Lehnwörter dann das im Niederdeutschen übliche eine
Identifikation
feminine Genus, das zusätzlich natürlich auch durch
von engl. -ing
mit dt.
-ung
(f.)
gestützt wird. Zum
Beispiel: Gräting ( f . ) 'rostartiges Gitterwerk auf Schiffen 1 ( D F ) E n g l . M o d e l l : g r a t i n g ' f r a m e w o r k o f p a r a l l e l o r c r o s s e d w o o d e n or metal bars' (COD)
Muring ( f . ) 'Vorrichtung zum Verankern mit zwei Ankern' (DF) (vgl. Ganz 1950: 239f., Stiven 1936: 58) E n g l . M o d e l l : m o o r i n g ' ( u s u . in p l . ) p e r m a n e n t a n c h o r s a n d c h a i n s laid down for ships to be moored to; what a f l o a t i n g object is moored to' (COD)
13.5.
Varietätenspezifische Genusselektion
Den deutlichsten Beweis für das Wirksamwerden der Variablen der Genusselektion liefert ein Vergleich der Genusselektion englischer Lehnwörter in verschiedenen Varietäten des Deutschen. Denn wenn man davon ausgeht, daß die Systematik der Genusselektion
in allen Varietäten
dieselbe ist, dann muß eine unter-
schiedliche Genusselektion englischer Lehnwörter in den verschiedenen Varietäten auf das Wirken von Variablen zurückgehen. Hier zwei Beispiele: Radio ( n . ) ( u g s . , bes. Schweiz, auch: m . ) ' R u n d f u n k g e r ä t ' ( D F ) Engl. (COD)
Modell:
radio
'apparatus
for
receiving
signals
by
radio'
Das neutrale Genus dieses Lehnworts resultiert aus einer Motivierung über den deutschen Gattungsbegriff Gerät ( n . ) , das maskuline dagegen aus einer Identifikation
mit dem deutschen Gattungsbegriff Apparat
( m . ) . Die Differenzierung
des Sprachgebrauchs in den genannten Varietäten des Deutschen geht dabei auf
81
eine Bevorzugung des als Identifikationsbasis gewählten Wortes in der jeweiligen Varietät zurück. Für das Standarddeutsche kommt noch h i n z u , daQ Gerät als Identifikationsbasis
durch den offiziellen Sprachgebrauch im Fernmeldewesen
nahegelegt wird (vgl. Mackensen 1956;1971: 2 6 0 f . ) . Bei dem folgenden Lehnwort bewirkt der Kontakt zum niederdeutschen
Sprach-
raum die Genusschwankung: Pier ( m . ) (Seemannssprache: f.)
'Hafendamm, Landungsbrücke' ( D F )
E n g l . M o d e l l : pier ' s t r u c t u r e of i r o n or w o o d o p e n b e l o w r u n n i n g o u t into sea and used as p r o m e n a d e and l a n d i n g - s t a g e ' ( C O D )
Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlich werdende englische Lehnwort wird im Hochdeutschen über Äquivalente wie Hafendamm
( m . ) , Landesteg ( m . ) und
Landeplatz
( m . ) motiviert, woraus sich auch das maskuline Genus ergibt ( v g l .
Ganz 1950:
265). Das in der Seemannssprache übliche feminine Genus dürfte da-
gegen auf eine feminine Interpretation des niederdeutschen A r t i k e l s de zurückgehen. Weitere Beispiele varietätenspezifischer Genusselektion finden sich in den Ausführungen zum Auslandsdeutschen (vgl. 14.4.).
82
14.
DAS AUSLANDSDEUTSCHE
Die deutsche Sprache steht mit der englischen nicht nur auf dem europäischen Kontinent in Kontakt, sondern auch in anderen Erdteilen, insbesondere in Nordamerika. Die Sprachkontaktsituation weist in diesen Gebieten einige Besonderheiten a u f , die auch Auswirkungen auf die Genuszuordnung englischer Lehnwörter haben.
14.1.
Die
Sprachkontaktsituation
Das Auslandsdeutsche umfaßt eine Reihe von mitunter sehr unterschiedlichen Varietäten des Deutschen,
die
als
wesentliche Gemeinsamkeit haben, daO hier
Deutsch eine Minderheitensprache im Umfeld einer dominanten Sprache - hier des Englischen - ist.
Es handelt sich bei diesen Sprachgemeinschaften um Gruppie-
rungen von Auswanderern, ihren Nachkommen oder sonstigen dauerhaft im Ausland lebenden Personen, die weiterhin Deutsch sprechen, auch wenn Englisch für
sie
die mehr oder weniger dominante Verkehrssprache darstellt. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Binnendeutschen und dem Auslandsdeutschen besteht nun darin, daß im Gegensatz zum Bildungsbilingualismus im Binnendeutschen der Bilingualismus im Auslandsdeutschen aktiver Natur
ist.
Englisch und Deutsch werden im Bereich des Auslandsdeutschen je nach den kommunikativen Gegebenheiten nebeneinander verwendet, was bedeutet, daß sich der kulturelle Hintergrund der beiden Sprachen viel mehr annähert, da man sich mit beiden Sprachen viel stärker auf den gleichen Lebensbereich bezieht.
Das Eeh-
len einer eindeutigen kulturellen Differenzierung bedeutet aber auch, daß es keine nennenswerten monolingualen Sprechergruppen des Deutschen gibt, da ein ständiger Kontakt aller Sprecher
zum Englischen
kommt es demgegenüber nur zu verhältnismäßig
besteht. Im Binnendeutschen
seltenem Kontakt mit dem Engli-
schen und der mit ihm verbundenen K u l t u r , wobei die k u l t u r e l l e n Zusammenhänge meist auch schon von Interferenzen der deutschen K u l t u r beeinträchtigt sind. V g l . h i e r z u die A u s f ü h r u n g e n B l o o m f i e l d s (1933;1976: 444-475) terschieden von c u l t u r a l und int imate borrowing.
zu den Un-
83
14.2.
Genuszuordnung
Die Notwendigkeit der Genuszuordnung englischer Lehnwörter ergibt sich für das Auslandsdeutsche
ebenso
wie
für
das Binnendeutsche aus der vom deutschen
Sprachsystem geforderten Genusdetermination genusvariabler
Konstituenten in
syntaktischen Konstruktionen. Ebenso gibt es keine wesentlichen Unterschiede bei der Genusassignation, zumindest was Sprecher mit deutscher Muttersprache bzw. dominanter deutscher Sprache b e t r i f f t . Die entscheidenden Differenzen resultieren aus dem ständigen Kontakt mit der englischen Sprache und der mit ihr verbundenen Kultur. Denn während sich im Binnendeutschen durch die Verwendung des englischen Lehnworts in deutschem Ko-Text und Kontext allmählich eine bestimmte Norm herausbilden deutsche
kann,
kennt das Auslandsdeutsche eine
spezifisch
Normierung in sehr viel geringerem Ausmaß, da sich das englische
Lehnwort nie ganz vom englischen
Modell lösen kann. Insbesondere fehlt eine
starke monolinguale Sprechergruppe, endgültigen
Konventionalisierung
die dann durch ihr
Sprachverhalten zur
im Deutschen entscheidend
beiträgt
(vgl.
Clyne 1969: 220). Dies hat zur Folge, daß je nach den sprachlichen Gegebenheiten jeweils mehrere verschiedene Identifikationsbasen
zur Genusassignation he-
rangezogen werden (können), so daß in sehr viel stärkerem Maße als im Binnendeutschen Genusschwankung a u f t r i t t . Hinzu kommt noch, daß die Sprecher
als
Muttersprache verschiedene Varietäten des Deutschen sprechen, wodurch sich die Zahl der möglichen Identifikationen noch weiter erhöht. Im Binnendeutschen erfährt der unterschiedliche
Sprachgebrauch kleinerer Varietäten durch den nor-
mierenden Einfluß der Anpassung an das Mehrheitliche jedoch in der Regel sehr bald eine Vereinheitlichung. Hier einige Stimmen und Beispiele. In einem sehr interessanten Aufsatz schildert Sachs (1953) das Sprachverhalten im Auslandsdeutschen (vor allem von Neueinwanderern). Sie macht besonders auch auf die Unterschiede aufmerksam, die sich aus den Verschiedenheiten der Varietäten des Deutschen ergeben, die die Sprecher vor der Auswanderung sprachen. So berichtet Sachs (1953: 258), daß viele aus Wien stammende Rechtsanwälte und Ärzte das englische Lehnwort Office
mit femininem Genus verwenden, da sie es mit dt. Kanzlei ( f . ) bzw. Or-
dination ( f . ) identifizieren, was ihrem regionalen und professionalen Sprachgebrauch entspricht, und nicht wie man erwarten könnte mit dt. Amt ( n . ) oder Bureau ( n . ) , was neutrales Genus des englischen Lehnworts zur Folge hätte. Die Auswirkung gruppensprachlicher Disposition zeigt sich auch am Beispiel Drugstore, das von den Informanten von Sachs (1953: 258) neben maskulinem und neutralem Genus auch mit femininem Genus verwendet .wird; bei letzteren handelt
84
es sich um Mediziner, die die deutschen Äquivalente Apotheke ( f . ) und Drogerie ( f . ) als Identifikationsbasen heranzogen und das Wort nicht als Kompositum über Identifikationen von störe mit dt. Laden ( m . ) und Geschäft ( n . ) motivierten wie die anderen Sprecher. Idiosynkratisches Vorgehen laut sich an einer Gegenüberstellung zweier weiterer Informantinnen beobachten, von denen eine eine Genuszuordnung über die Identifikation mit einem deutschen Homonym vornimmt, während die andere, obwohl es ihr auch möglich wäre, ein deutsches Äquivalent heranzieht. Im ersten Fall handelt es sich um das englische Lehnwort Traffic, das eine Wienerin nicht über das deutsche Äquivalent Verkehr ( m . ) motivierte, sondern über das in Österreich übliche Wort Trafik ( f . ) 'Kiosk' und entsprechend der femininen - und nicht der maskulinen - Genusklasse zuordnete. Die andere Informantin entschied sich bei dem Lehnwort Brand nicht für das homonyme deutsche Wort Brand ( m . ) , sondern für das deutsche Äquivalent Marke ( f . ) und ordnete entsprechend feminines - und nicht maskulines - Genus zu (Sachs 1953: 260). Die Präsenz des Englischen hat mitunter auch zur Folge, daß Sprecher ausgehend von der Annahme eines sexusbasierten Genussystems des Englischen englischen Lehnwörtern im Deutschen neutrales Genus zuordnen, wenn sie etwas Unbelebtes bezeichnen und Belebtes nach männlichem und weiblichem Sexus mit maskulinem und femininem Genus verwenden (vgl. Sachs 1953: 268). Dies geschieht allerdings meist nur dann, wenn für die Sprecher keine anderen genusdeterminierenden Kriterien erkennbar sind. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Clyne in einem Versuch mit Kindern von Nachkriegseinwanderern in Australien (Clyne 1969: 220). Neben der sexusbasierten Genuszuordnung findet sich der Einfluß englischer Konventionen auch im Bereich des sogenannten "psychologischen" Genus. Hier wird die Konvention Autos, Maschinen, usw. mit she zu pronominalisieren auf englische Lehnwörter im Deutschen übertragen, so daß das Wort car beispielsweise nicht neutrales oder maskulines Genus hat wie seine deutschen Äquivalente Auto ( n . ) und Hagen ( m . ) , sondern feminines (vgl. Clyne 1967a: 63, Sachs 1953: 269, Wacker 1964: 111, Wacker 1965: 63).
14.3.
Feminine Tendency
Eine indirekte Auswirkung des Kontakts mit dem Englischen besteht bei dem in der Forschung immer wieder erwähnten und vieldiskutierten Phänomen der
85 feminine tendency. Es wird dabei angenommen, daß die Homophonie des englischen Artikels tne /Äi:/ mit dem deutschen femininen Artikel die /di:/ im Auslandsdeutschen sehr häufig zu einer femininen Genuszuordnung der englischen Lehnwörter führt, z . B . engl. the office - dt. die Office (Wacker 1965: 6 3 f . ) . Solange "Tendenz" hier als ein mehrheitliches Vorgehen verstanden wird, ist diese Annahme sicherlich plausibel, da nach ihr das Genus englischer Lehnwörter im Prinzip ebenso gelernt wird wie das Genus deutscher Substantive. Man sollte aber nicht von einem bewußten Vorgehen der femininen Klassifizierung sprechen, es sei denn, es hat sich eine solche Konvention herausgebildet, wofür allerdings keine schlüssigen Beweise vorliegen. Auf jeden Fall ist eine feminine Genuszuordnung bei länger im Ausland Lebenden häufiger als bei Neueinwanderern, wie eine Analyse von Clyne (1968) zeigt. Clyne stellt fest, daß Neueinwanderer viel häufiger das Genus eines deutschen Äquivalents wählen als die eingesessene Bevölkerung, die sich offensichtlich nach der feminine tendency richtet. Hier eine Übersicht (Clyne 1968: 89) zum Sprachgebrauch in der Siedlung Tarrington (Australien): 2
Tarrington
die Fence die Paddock die Car Motorcar die Y a r d ( K u h y a r d )
14.4.
Nachkriegseinw.
der fence das paddock der paddock der car das car ( s e l t e n : ) die der y a r d
Ot. Ä q u i v a l e n t od. "Entsprechung"
Zaun Feld Paddock Magen Auto car Hof ( G a r t e n )
Varietätenspezifische Genusselektion
Die Genusproblematik englischer Lehnwörter ist für das Auslandsdeutsche besonders dadurch gekennzeichnet, daß sich variable Faktoren wie varietätenspezifischer Sprachgebrauch auswirken und die Normierung durch das Fehlen monolingualer Sprechergruppen des Deutschen erschwert wird. So kommt es auch zu einem vergleichsweise hohen Grad der Genusschwankung. Da variable Faktoren oft Einfluß auf das Genus englischer Lehnwörter nehmen, haben englische Lehnwörter in 2
Vgl. Clyne 130), (1965:
u . a . A r o n (1930: 2 4 f . ) , B u f f i n g t o n (1941: 8 4 ) , C l y n e (1968: 8 8 f . ) , ( 1 9 6 9 ) , C l y n e ( 1 9 7 5 : 3 2 f . ) , H a l d e m a n ( 1 8 7 2 : 2 4 f . ) , K l a e b e r (1940: L e w i s (1973: 2 2 2 ) , R e e d ( 1 9 4 2 : 2 6 - 2 9 ) , W a c k e r ( 1 9 6 4 : 1 1 4 ) , W a c k e r 6 3 f . , 113).
86
verschiedenen Varietäten des Auslandsdeutschen natürlich auch häufig unterschiedliches Genus (wie auch im Binnendeutschen, vgl. 13.5.). Hier eine kleine Auswahl: Bargain 'vorteilhafter K a u f , Gelegenheit(skauf)' Kanadadeutsch: neutral (Martin 1977: 323) Amerikadeutsche Schriftsprache: maskulin (Wacker 1964: 110) College 'höhere Lehranstalt' Kanadadeutsch: neutral (Goheen 1967: 326) Amerikadeutsche Schriftsprache: feminin (Wacker 1964: 114) Porch '(überdachter) Vorbau, Veranda' Kanadadeutsch: maskulin (Martin 1977: 324) Amerikadeutsche Schriftsprache: feminin (Wacker 1964: 110)
87
15.
PRAKTISCHE ANWENDUNG DER ERKENNTNISSE
Nachdem die Prinzipien der Genuszuordnung englischer Lehnwörter beschrieben sind, stellt sich die Frage, inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse über diese Darstellung hinaus nutzbar gemacht werden können. Dies ist somit vor allem die Frage nach den Bereichen, in denen die Genuszuordnung Schwierigkeiten berei-
tet. Die Genuszuordnung englischer Lehnwörter ist problemlos, solange man sich, wie erwähnt, ohne Reflexion dem "natürlichen" Ablaufschema von Genusassignation und Genusselektion "überläßt". Aus diesem Grund erscheint es wenig sinnvoll, diese Mechanismen so bekannt zu machen, daß sie ständig überdacht werden. Für die Fälle jedoch, in denen sich der Sprecher sollten die "Zweifelsfälle
ihm zugänglichen
Arbeiten
informieren möchte,
(d.h. vor allem Fremdwörterlexika,
der deutschen Sprache", Stilistiken, u s w . ) eine Darstellung in
allgemeinverständlicher
Form
enthalten.
Dies
gilt
insbesondere
auch
für
(Deutsch-) Lehrer, die die Korrektheit der Verwendung englischer Lehnwörter in Aufsätzen u.a. zu bewerten haben. Hier, so scheint mir, besteht noch ein großer Nachholbedarf. Die Leser werden sich jedoch nicht mit einer Beschreibung des Vorgangs begnügen, sondern auch ein Regelschema bzw. Anweisungen vorfinden wollen, die es ihnen erlauben, das jeweils "richtige" Genus zuzuordnen, wenn ein Lehnwort nicht bereits mit einem Genus in einem Wörterbuch verzeichnet ist. Aus diesem Grund soll die Problematik im folgenden an einigen Beispielen dargestellt werden, die es ermöglichen sollten, zusammen mit einigen Ratschlägen zur Genuszuordnung solche Anweisungen zu verfassen.
Auch wenn man selbst gegen Präskrip-
tion ist, sollten hier die Bedürfnisse der Verwender mehr Gewicht bekommen als die eigenen Bedenken gegen Eingriffe in das Sprachverhalten. Diese Ausführungen dürfen deshalb unter keinen Umständen als Postulate mißverstanden werden; sie sollen eine Hilfestellung bieten für den, der glaubt, sie zu brauchen. Die Beispiele wurden aus dem Bereich der Generativen Transformationsgrammatik gewählt, da die Problematik in diesem Bereich für am besten nachzuvollziehen ist.
Sprachwissenschaftler
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Der Schlüssel zur Problematik der Genuszuordnung englischer Lehnwörter liegt in der Frage nach der bzw. den Möglichkeit(en) der Motivierung des betreffenden englischen (Lehn-) Worts. Ist sie geklärt, so hat man auch die entscheidende Begründung für ein bestimmtes Genus. Das in 10.3. aufgestellte deskriptive Regelschema läßt sich diesbezüglich folgendermaßen formulieren: (1) Handelt es sich um ein Simplex, so ist das Genus des naheliegendsten deutschen Äquivalents zu wählen. (2) Handelt es sich um ein Derivativum, so wählt man das Genus des entsprechenden deutschen Morphems (wenn man nicht ohnehin das englische Suffix durch das deutsche ersetzt). (3) Handelt es sich um ein Kompositum, so sollte das letzte Morphem mit einem deutschen Äquivalent identifiziert werden und dessen Genus erhalten (auch wenn ein solches Vorgehen volksetymologisch anmutet). (4) Handelt es sich um einen Artbegriff, so wird er mit dem entsprechenden deutschen Gattungsbegriff identifiziert und seiner Genusklasse zugeordnet. (5) Gibt es mehrere Möglichkeiten der Identifikation bzw. Motivierung, so sollte man möglichst die Form des Lehnworts motivieren und entsprechendes Genus zuordnen. Beispiele: Ad (1): Das englische Wort rule 'principle to which action or procedure conforms or is bound or intended to conform' (COD) hat im Deutschen die Äquivalente Regel ( f . ) , Normalfall ( m . ) , Übliche ( n . ) , Richtschnur ( f . ) , Grundsatz ( m . ) , Richtlinie ( f . ) , usw. ( L E W ) . Für Kontexte wie semantic rule, phonological rule und syntactic rule ist dt. Regel ( f . ) das geeignetste Äquivalent von engl. rule. Aus diesem Grund verwendet man dann auch das Lehnwort Rule mit femininem Genus. Ad ( 2 ) : Engl. -ness in markedness, ill-formedness, well-formedness, correctness, usw. Diese Bildungen entsprechen deutschen Konstruktionen mit -hei 11 -keit ( f . ) und werden wie diese mit femininem Genus verwendet. Dt. -nis entspricht diesen Bildungen dagegen nicht. Dieses Vorgehen wird gestützt durch die deutschen Bildungen Markiertheit ( f . ) , (fohlgeformtheit ( f . ) , usw.
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Ad ( 3 ) : Engl. clausemate
'an expression which occurs in the same clause as
another
sich als
expression'
läßt
durchsichtiges Wort in die Komponenten
clause 'distinct part of a sentence including a subject and a predicate 1 (COD) und mate 'companion, one of a p a i r ' (COD) zerlegen. Als deutsche Äquivalente stehen für engl. mate unter anderem Genösse ( m . ) , Gefährte ( m . ) zur Verfügung;
( m . ) und Kamerad
über die Identifikation mit einem dieser Wörter erhält
dann das Kompositum c-Zausemate als Lehnwort im Deutschen maskulines Genus. Ad ( 4 ) : Engl. gapping
(rule)
'a deletion rule leaving a gap in the sentence
containing the deleted constituent 1 . Wird das Wort gapping ohne den Gattungsbegriff rule verwendet, so erhält es dennoch das feminine Genus, das sich aus einer Motivierung über
den deutschen Gattungsbegriff Regel
( f . ) - das dt.
Äquivalent zu engl. rule - ergibt. Ad ( 5 ) : Engl. (NP-) movement. Das Wort läßt sich sowohl über ein deutsches Äquivalent motivieren (dt. Transformation
(dt.
f.)
Bewegung f.)
als auch über einen Gattungsbegriff
als auch über eine Zerlegung in die Komponenten move
und -ment. Da grundsätzlich bei der Integration eine Motivierung der Form vorgenommen wird und der Begriff
auch ohne den Gattungsbegriff
verständlich
ist,
sollte das Wort movement mit dt. -ment ( n . ) identifiziert und als Lehnwort im Deutschen der neutralen Genusklasse zugeordnet werden. Bei engl. constraint 'confinement; limitation imposed on motion or action' (COD) ( z . B . Structure-Preserving Constraint) besteht neben der Identifikation mit einem deutschen Äquivalent (dt. Beschränkung f . ) auch die Möglichkeit der Motivierung der Form als deverbale Stammableitung (vgl. dt. scniag-en - Schlag m . ) , da es mit den deutschen deverbalen Stammableitungen im perfektiven Bedeutungsaspekt übereinstimmt. Constraint "sollte auf der Basis einer derartigen Motivierung der Form im Deutschen mit maskulinem Genus verwendet werden. Über diese sehr spezifischen praktischen Hilfestellungen hinaus können die erarbeiteten Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis der Entlehnung und Integration englischer Lehnwörter beitragen. Dies insbesondere im Deutschunterricht, der bei der heutigen Entlehnungsfreudigkeit
des Deutschen eine Behand-
lung dieser Problematik wohl kaum umgehen kann. Vor allem für Lerner des Deutschen als Fremdsprache ist es wichtig, etwas über die Zuordnung der englischen Lehnwörter zu den deutschen Erscheinung
für
sie
eine
grammatischen Kategorien zu erfahren, da diese zusätzliche
Schwierigkeit
zu der
ohnehin schon
überaus schwierigen Problematik der Flexion im Deutschen darstellt. Sie können das Phänomen der Genuszuordnung englischer Lehnwörter wohl nur über eine explizite Bewußtmachung erfassen.
90
16.
MATERIALTEIL
16.0.
Vorbemerkungen
In den bisherigen Ausführungen zur Genuszuordnung englischer Lehnwörter standen die
Prinzipien, nach denen die
Genuszuordnung vor sich geht im Vorder-
grund. Im folgenden Materialteil sollen diese Ausführungen nun an im Deutschen gebräuchlichen englischen Lehnwörtern illustriert werden. Es handelt sich dabei um eine Auswahl, die als repräsentativ für die auftretenden Erscheinungen gelten kann - Vollständigkeit wird nicht angestrebt. Es dürfte jedoch nicht schwierig sein, ausgehend von diesem Materialteil auch das Genus aller anderen englischen Lehnwörter im Deutschen zu erklären, wenn man gegebenenfalls
die
Entlehnungsgeschichte der englischen Lehnwörter miteinbezieht (vgl. die Arbeiten von G a n z ) . Spezifisch fachsprachliche englische Lehnwörter ( z . B . aus der Genetik, dem Flugwesen und dem Computerwesen) blieben jedoch weitgehend ausgeklammert, da ihre Darstellung mehr Hintergrundinformation benötigt als in diesem Rahmen gegeben werden kann. Da die folgende Auflistung in erster Linie die Prinzipien der Genuszuordnung illustrieren soll, beschränken sich die Angaben zur Etymologie der Wörter auf das Wesentliche; Informationen zur Entlehnungsgeschichte (Bedeutungswandel,
phonetische Integration, usw.) werden nur gegeben, wenn sie für das Ver-
ständnis der Genuszuordnung von Bedeutung sind. Zur weiteren Information werden Stellenangaben gemacht, die auf Studien verweisen, die die Entlehnungsgeschichte eingehender
behandeln. Diese Arbeiten bilden grundsätzlich die Basis
für · die vorliegende Studie, d . h . ein englisches Wort wird nur dann hier
als
Lehnwort behandelt, wenn die Entlehnung in der Forschung bereits erwiesen und beschrieben ist. Aus diesem Grund können Angaben zum Erstbeleg im Englischen und Deutschen u . a . hier weggelassen werden. Der Materialteil ist
den bisherigen Ausführungen zur Motivierung engli-
scher Wörter entsprechend nach morphologischen
Gesichtspunkten untergliedert,
und zwar in explizite Ableitungen (16.1.), implizite Ableitungen (16.2.) und Simplizia und Komposita (16.3.). Das Wortregister am Ende der vorliegenden Studie bietet dazu dann eine Gesamtübersicht.
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16.1.
Explizite Ableitungen
Die folgende Auswahl expliziter Ableitungen behandelt die Suffixe, die bei englischen Lehnwörtern im Deutschen häufig auftreten und bei denen Generalisierungen möglich sind. So ist auch die Darstellung auf Generalisierung ausgerichtet: im Mittelpunkt steht die Kontrastierung der Wortbildungsprogramme des Englischen mit ihren deutschen Entsprechungen, die es ermöglichen soll, die vorliegenden Gesetzmäßigkeiten auf die hier nicht behandelten englischen Lehnwörter zu übertragen. Bei der Zuordnung der Wörter zu den einzelnen Suffixen stand die Einstufung der Sprecher, wie ich sie verstehe, im Vordergrund, so daG sie in einigen Fällen nicht der tatsächlichen Etymologie entspricht. Dies erscheint mir nötig, da das Vorgehen der Sprecher erfaßt werden soll; und dieses Vorgehen orientiert sich ganz offensichtlich nicht an etymologischen Kriterien. -ade, -ad
(1) Englisch -ade /eid/, -ad /ad/, /aed/ Im Englischen liegen Bildungen mit -ade (-ad) vor im Sinne von: (1-1) 'action done 1 (COD) tirade 'long vehement declamation etc.' ( C O D )
speech
esp.
of
censure;
long
passage
of
(1-2) 'body concerned in action or process' (COD) cavalcade ' c o m p a n y or p r o c e s s i o n of r i d e r s , m o t o r cars etc.; sion' ( C O D )
any proces-
(1-3) 'product of material or action' (COD) arcade ' p a s s a g e a r c h e d o v e r ; a l o n g o n e or b o t h s i d e s ' ( C O D )
any covered
walk,
esp.
with
shops
etc.
(1-4) 'collective numeral' (COD) decade ' s e t or s e r i e s o f t e n ; triad ' g r o u p of t h r e e 1 ( C O D )
ten y e a r s ' ( C O D )
(1-5) "person concerned 1 (COD) renegade ' a p o s t a t e , esp. f r o m C h r i s t i a n i t y t o or p r i n c i p l e s , t u r n c o a t " ( C O D )
Islam; deserter of party
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(1-6) Es erscheint auch in Namen literarischer Werke: Iliad ' t i t l e of epic poem a t t r i b u t e d to Homer and d e s c r i b i n g climax of siege o f T r o y ' ( C O O )
(2) Deutsch -ade /a:de/ Das S u f f i x bildet im Deutschen feminine Substantive mit folgenden Bedeutungen: (2-1) ' T ä t i g k e i t , Vorgang' Kanonade ( f . ) (2-2)
'(anhaltendes) Geschützfeuer, Trommelfeuer' (DF)
'Zug, TruppKavalkade
(f.)
'prachtvoller Reiteraufzug, Pferdeschau' (DF)
(2-3) 'Gegenstand aus, Gegenstand f ü r ' Promenade ( f . ) ' S p a z i e r w e g ' ( D F ) (2-4) 'Gruppe bestimmter Anzahl' Triade ( f . )
'Gruppe von drei Göttern
..." (DF)
(2-5) 'Film, Erzählung, Gedicht in der Art von' Harlekinade ( f . ) ' P o s s e n s p i e l ' ( D F ) (2-6) ' ( S p o r t - ) W e t t k a m p f ' Universiade ( f . )
(-lade)
' i n t e r n a t i o n a l e S t u d e n t e n w e 1 1 k ä m p f e ...'
(DF)
(3) Lehnwörter Die formale und semantische Ähnlichkeit der Bildungen im Englischen und Deutschen führt - abgesehen von Personenbezeichnungen - zu Identifikation und entsprechender femininer Genusselektion der englischen Lehnwörter. Diese Identifikation bedingt in den meisten Fällen eine Substitution des Suffixes. Dunciade ( f . )
'literarisch-satirisches Spottgedicht Pope)' ( D F )
(nach einer Satire von
E n g l . M o d e l l : Dunciad ' t h e epic of dunces; a poem by Pope. A l s o , the commonwealth of dunces' (SOED)
Myriade ( f . )
. Anzahl von 10000. 2. (nur Plural) Unzahl, unzählig groOe Menge' ( D F ) ( v g l . Ganz 1957: 148) E n g l . M o d e l l : m y r i a d ' ( p o e t , or r h e t . ) t e n t h o u s a n d ; great number' ( C O D )
indefinitely
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Da das Deutsche keine Personenbezeichnungen mit - a d ( e ) kennt, muß zur Motivierung dieser englischen Wörter eine andere Identifikationsbasis herangezogen werden, was dann auch meist zur Substitution des Suffixes f ü h r t . Am naheliegendsten ist hierfür -at (vgl. engl. renegade und dt. Renegat '(Glaubens)abtrünniger' D F ) ; aus dieser Identifikation ergibt sich dann maskulines Genus des englischen Lehnworts. Aus dieser Gruppe ist aber kein integriertes englisches Lehnwort im Deutschen belegt.
-age (1) Englisch -age /ids/, / a: 5/ Das Suffix bildet im Englischen Substantive mit folgenden Bedeutungen: (1-1) 'aggregate or number of
(COD)
baronage ' b a r o n s or n o b l e s c o l l e c t i v e l y ' ( C O D )
(1-2) 'function or condition' (COD) bondage ' s e r f d o m , s l a v e r y ; s u b j e c t i o n t o c o n s t r a i n t , (COD)
obligation, etc.1
(1-3) 'action' (COD) w r e c k a g e ' a c t i o n or p r o c e s s o f w r e c k i n g ' ( C O D )
(1-4) 'fees payable for, cost of using' (COD) postage ' a m o u n t c h a r g e d f o r c a r r i a g e o f l e t t e r e t c .
b y p o s t '( C O D )
(1-5) 'place, abode 1 (COD) orphanage
' i n s t i t u t i o n f o r o r p h a n s ' e d u c a t i o n e t c . '( C O D )
(1-6) 'product of action' (COD) wreckage ' w r e c k e d m a t e r i a l , r e m n a n t s , f r a g m e n t s ' ( C O D )
(2) Deutsch -age /a:£B/ Das Suffix bildet im Deutschen feminine Substantive mit folgenden Bedeutungen: (2-1) 'Kollektivum 1 Trikotage ( f . ) ' W i r k w a r e 1 ( D F )
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(2-2) 'Vorgang 1 Massage ( f . ) ' ( H e i l ) b e h a n d l u n g d e s K ö r p e r s o d . e i n e s K ö r p e r t e i l s d u r c h mechanische Beeinflussung wie Kneten, Klopfen, Streichen u.a. mit den Händen od. mechanischen Apparaten' ( D F )
(2-3)
'Ergebnis einer Handlung 1 Blamage ( f . ) ' S c h m a c h , S c h a n d e ' ( D F )
(3) Lehnwörter Bezüglich des Genus englischer Lehnwörter ist
zu unterscheiden zwischen Fäl-
len, bei denen Schriftaussprache und Identifikation
a u f t r i t t und solchen, de-
ren unanalysierbare Form in der englischen Aussprache übernommen wurde. (3-1)
Kommt es zu einer (französisierenden) Schriftaussprache, so erhält das englische Lehnwort feminines Genus (vgl. 13.3.):
Dränage ( f . ) / d r e ' n a ^ a / . Entwässerung des Bodens durch Röhren- oder Grabensysteme, die das überschüssige Wasser sammeln und ableiten. 2. Ableitung von Wundabsonderungen ( z . B . Eiter) durch Drains oder einfache Gazestreifen' ( D F ) Engl. Modell: drainage / ' d r e i n i d j / ' d r a i n i n g ; system of drains, a r t i f i c i a l or n a t u r a l ; w h a t i s d r a i n e d o f f , sewage' ( C O D )
Reportage ( f . ) / r e p o r ' t a r g e / 'von einem Reporter hergestellter u. won Presse, Funk od. Fernsehen verbreiteter Bericht vom Ort des Geschehens über ein aktuelles Ereignis' ( D F ) Engl. Modell: reportage / r e p o : ' t a : j / ' ( t y p i c a l style of) report i n g e v e n t s f o r press etc.; f a c t u a l p r e s e n t a t i o n in book e t c . ' (COD)
Tonnage ( f . ) / t o ' n a r j a / 'Tonnengehalt eines Schiffes' ( D F ) E n g l . M o d e l l : t o n n a g e / ' t A n i d j / ' i n t e r n a l c u b i c c a p a c i t y , or f r e i g h t - c a r r y i n g c a p a c i t y , of ship in tons; total carrying cap a c i t y esp. o f c o u n t r y ' s m e r c a n t i l e m a r i n e ; c h a r g e p e r t o n o n cargo or f r e i g h t ' ( C O D )
(3-2) Nicht feminin seligiert sind dagegen (bei modellgetreuer Aussprache) unter
anderem die
Cottage:
unanalysierbaren englischen Lehnwörter Advantage und
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Advantage ( m . ) /s t ' v a : n t i t j / 'der erste gewonnene Punkt nach dem Einstand (40 : 40) beim Tennis' ( D F ) E n g l . M o d e l l : a d v a n t a g e / a d ' u a : n t i d 3 / '1. b e t t e r p o s i t i o n , precedence, superiority. 2. benefit, p r o f i t . 3. (tennis) next point won after deuce' ( C O D )
Da Englisch die internationale Tennissprache ist,
kommt es auch nicht zu einer
französisierenden Aussprache, die feminines Genus des Lehnworts bedingen würde. So wird das Simplex über das deutsche Äquivalent Vorteil
( m . ) motiviert,
dessen Genus es dann auch erhält. Cottage ( n . ) / ' k o t i t / / 'Landhaus, Häuschen 1 ( D F ) E n g l . M o d e l l : c o t t a g e / ' k a t i d j / ' l a b o u r e r ' s or v i l l a g e r ' s s m a l l d w e l l i n g ; s m a l l c o u n t r y or s u b u r b a n h o u s e ' ( C O D )
Das Wort tritt in frühen Belegen mit französisierender Aussprache und entsprechendem femininem Genus auf (vgl. Ganz 1957:
5 3 f . ) . Heute wird es jedoch mo-
dellgetreu a r t i k u l i e r t , so daß sich -age nicht genusdeterminierend auswirken kann. Das heute konventionalisierte neutrale Genus' resultiert aus einer Motivierung über dt. Haus ( n . ) (bzw. Häuschen n . ) .
-al
(1) Englisch -al /9l/ Das Suffix bildet im Englischen Substantive mit der Bedeutung ' a c t , fact
of
(Marchand 1960;1969: 237): proposal ' a c t o f p r o p o s i n g s o m e t h i n g ; o f f e r o f m a r r i a g e ; c o u r s e o f a c t i o n proposed' (COD)
etc.
Daneben existieren auch unanalysierbare Substantive mit diesem Wortausgang: ' o r g a n i z e d b e i n g e n d o w e d ( m o r e or less p e r c e p t i b l y ) w i t h l i f e , s a t i o n , a n d v o l u n t a r y m o t i o n ; ( e s p . ) such b e i n g o t h e r t h a n m a n 1 ( C O D )
sen-
(2) Deutsch -al /a:l/ Von Fachsprachen
abgesehen
fungiert
-al
im Deutschen nicht als
Morphem zur
Bildung von Substantiven. Die vorliegenden Lehnwörter mit diesem Wortausgang sind in der Regel neutral seligiert, z.B. Areal, Futteral, Kapital
(alle n . ) .
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(3) Lehnwörter Die englischen Lehnwörter auf -al haben sehr unterschiedliche
Bedeutung. Da
auch einige von ihnen der im Deutschen üblichen Aussprache von -al angepaßt wurden,
kann angenommen werden,
daß die
neutrale Genusselektion auf einer
Klassifikation nach den neutralen deutschen Substantiven auf -al beruht. Rev/iwal ( n . ) / r i ' v a i v a l / . Wiederbelebung einer Sache, Erneuerung. 2. Wiederaufnahme eines lange nicht gespielten Stücks in den Spielplan 1 (DF) E n g l . M o d e l l : r e v i v a l / r i ' v a i v a l / ' 1 . b r i n g i n g or c o m i n g back i n t o u s e or v o g u e . 2 . ( s p e c i a l e f f o r t w i t h m e e t i n g s e t c . t o p r o mote) reawakening of religious fervour. 3. restoration to bodily o r m e n t a l v i g o u r o r t o l i f e or c o n s c i o u s n e s s ' ( C O D )
Serial ( n . ) / ' s i a r j a l / 'Fernsehserie; Roman, der als Fortsetzungsserie abgedruckt w i r d 1 ( D F ) E n g l . M o d e l l : serial / ' s i a r j e l / cation, periodical' (COD)
'serial
story;
a serial
publi-
Virginal ( n . ) /virgi'na:!/ 'engl. Instrument in der Art des Spinetts, zur Cembalofamilie gehörend' ( D F ) E n g l . M o d e l l : virginal / ' v e r d j i n l / 'legless early in box' (COD)
form of spinet
-an (1) Englisch -an /an/ ( u n d Nebenformen) Das Englische bildet mit diesem Suffix Personenbezeichnungen, vielfach im Sinne von ' ( o n e ) pretending to or characterized by material or spiritual descent from' (Marchand 1960;1969: 246): A u s t r a l a s i a n ' n a t i v e or i n h a b i t a n t o f A u s t r a l a s i a ' ( C O D ) European ' n a t i v e o r i n h a b i t a n t o f E u r o p e ; p e r s o n d e s c e n d e d f r o m Europe; person concerned w i t h Europe as a whole rather than its countries' (COD) Etonian 'past or present member of Eton C o l l e g e 1
natives of individual
(COD)
authoritarian ' ( e s p . p o l i t . ) person favouring obedience to to individual liberty; tyrannical person' (COD)
authority as opp.
politician 'one s k i l l e d in p o l i t i c s , statesman; one i n t e r e s t e d or engaged in p o l i t i c s , esp. as p r o f e s s i o n ; one «ho makes a trade of p o l i t i e s ' ( C O D )
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(2) Deutsch Das formal ähnliche deutsche Suffix -(r)ian, -jan kommt nur in wenigen Wörtern vor und hat eine deutlich pejorativ/e Bedeutungskomponente: Grobian ' g r o b e r , u n f r e u n d l i c h e r , u n h ö f l i c h e r Dunaerjan ' D u m m k o p f , d u m m e r K e r l '
Mensch'
(Wahrig)
(Wahrig)
Die üblichen deutschen Äquivalente der englischen Bildungen sind:
(2-1) -ant ( m . ) : Musikant ( m . ) ' M u s i k e r ' ; v g l . or p r a c t i c e o f m u s i c ' ( C O D )
engl. ausician 'person s k i l l e d i n science
(2-2) -är ( m . ) : Veterinär (COD)
(m.)
'Tierarzt';
vgl. engl.
veterinarian " v e t e r i n a r y surgeon'
(2-3) -e ( m . ) , -in ( f . ) : Russe ( m . ) , R u s s i n ( f . ) ' E i n w o h n e r ( i n ) ' n a t i v e or i n h a b i t a n t o f R u s s i a ' ( C O D )
Rußlands';
vgl.
engl.
Russian
(2-4) -er ( m . ) : Politiker ( m . )
'Staatsmann'; vgl.
engl. politician
(2-5) -aner ( m . ) : Hannoveraner ( m . ) ' E i n w o h n e r v o n H a n n o v e r ' ; v g l . e n g l . Hannoverian ' o n e of British sovereigns from George I to V i c t o r i a ' ( C O D )
(2-6) -ier ( m . ) : Proletarier ( m . ) ' A n g e h ö r i g e r d e s P r o l e t a r i a t s ' tarian ' m e m b e r o f t h e p r o l e t a r i a t '( C O D )
( O F ) ; v g l . e n g l . prole-
(3) Lehnwörter Da das Deutsche dieses Suffix bei Personenbezeichnungen ohne pejorative Bedeutungskomponente nicht kennt, wird bei der Integration der entlehnten Personenbezeichnungen in sehr vielen Fällen ein entsprechendes deutsches Suffix substituiert bzw. addiert. Die Lehnwörter erhalten dabei immer das im Deutschen bei diesen Bildungen übliche maskuline Genus.
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(3-1) Beibehaltung der englischen Form: Custodian ( m . ) /kAs'toudjan/ '(engl. Bez. f ü r ) : Treuhänder1 eines unter fremdstaatlicher Verwaltung gestellten Vermögens (DF) E n g l . M o d e l l : c u s t o d i a n / k * s ' t e u d j a n / ' g u a r d i a n , k e e p e r , esp. public building etc.' (COD)
of
Hooligan ( m . ) / ' h u r l i g n / 'gewalttätiger, roher Mensch, Rowdy. 2. Halbstarker (in Amerika, England, Polen u. in der UdSSR)' (DF) E n g l . M o d e l l : hooligan / ' h u : l i g a n / ' y o u n g r u f f i a n ; of young street roughs' ( C O D )
(3-2)
one of gang
Substitution (z.B. -(ar)ier):
Parlamentarier ( m . ) 'Abgeordneter, Mitglied des Parlaments 1 ( D F ) Engl. Modell: ment' ( C O D )
parlamentarian
'skilled
debater
in parlia-
Rotarier ( m . ) 'Angehöriger des Rotary Club' (DF) Engl.
M o d e l l : Rotarian
'member o f R o t a r y ' ( C O D )
(3-3) Addition ( z . B . -er): Puritaner ( m . )
. Anhänger des Puritanismus. 2. sittenstrenger Mensch' ( D F ) E n g l . M o d e l l : puritan ( P u r i t a n ) ' 1 . member of the p a r t y of English Protestants ... 2. purist member of any non-religious party; person p r a c t i s i n g or affecting extreme strictness in r e l i g i o n or m o r a l s ' ( C O D )
-ance, -ence
(1) Englisch -ance /ens/, -ence /ens/ Das Suffix bildet im Englischen Substantiwe mit folgenden Bedeutungen: (1-1) 'quality or instance of it' (COD) reliance ' t r u s t , c o n f i d e n c e ; thing depended upon' ( C O D ) dependence ' d e p e n d i n g ; b e i n g d e p e n d e n t ; r e l i a n c e , c o n f i d e n c e ,
trust'
(COD)
(1-2)
'action' (COD) penance ' a c t o f s e l f - m o r t i f i c a t i o n a s e x p r e s s i o n o f p e n i t e n c e 1 ( C O D ) reminiscence ' r e m e m b e r i n g , r e c o v e r y of knowledge by mental e f f o r t ' ( C O D )
99
(2) Deutsch -