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German Pages 308 Year 2002
E I N S T E I N
B Ü C H E R
GENEALOGIE UND
GENETIK SCHNITTSTELLEN ZWISCHEN
BIOLOGIE
UND
KULTURGESCHICHTE Herausgegeben von Sigrid Weigel
Akademie Verlag
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 3-05-003572-2
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2002 Alle Rechte vorbehalten Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach D I N / I S O 9706. Umschlaggestaltung: Carolyn Steinbeck Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer« GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany
Inhaltsverzeichn is Sigrid Weigel
Vorwort
9 I. Genealogische Konzepte und ihr Einzug in die Genetik Thomas Macho
Stammbäume, Freiheitsbäume und Geniereligion Anmerkungen zur Geschichte genealogischer Systeme 'J Kilian Heck
Das Fundament der Machtbehauptung Die Ahnentafel als genealogische Grundstruktur der Neuzeit
45 Claudia Castaneda
Der Stammbaum. Zeit, Raum und Alltagstechnologie in den Vererbungswissenschaften
51 Sigrid Weigel
Inkorporation der Genealogie durch die Genetik Vererbung und Erbschaft an Schnittstellen zwischen Bio- und Kulturwissenschaften V
II. Wissenschaftsgeschichtliche Szenarien Susan Squier
Aus der Sicht der Gewebekulturen Neue Lebensspannen fur den Menschen ιοί
5
Inhaltsverzeichnis Henri Atlan
Zellkerntransfer und Klonen Biologische und ethische Aspekte Ψ
Pat Spallone
Wie der Vorembryo zu seinen Flecken kam 'JJ Lee M. Silver
Wirres Erbe und die Absurdität des genetischen »Eigentums«
'79 III. Genetik, Kybernetik, Medien Henri Atlan
DNS — Programm oder Daten? Oder: Genetik ist nicht in den Genen 203
Sigrid Weigel
Der Text der Genetik Metaphorik als Symptom ungeklärter Probleme wissenschaftlicher Konzepte 223
Charlie
Davison
Mutanten, Klone und das Generationenspiel Wie viel Angst haben die Briten vor der Schönen Neuen Welt? 24 7
6
Inhaltsverzeichnis Stephanie Α. Smith
Der Verkauf von Cyber(gen)etik 269
Zu den Autoren 2
93
Bildnachweise 299
von Sigrid Weigel
Reproduktionsmedizin und Gentechnologie stehen seit einigen Jahren im Rampenlicht der Aufmerksamkeit. In der öffentlichen Aufregung, die durch die Erfolgsmeldungen ihrer Forschungen hervorgerufen wird, stehen ethische Probleme im Zentrum. Allzu oft werden diese auf die pure Frage nach den Grenzen von Eingriffen in die sogenannte Natur bzw. auf den Streit darüber, »was man darf«, verkürzt, während die wissenschaftliche Verantwortung fiir ethische Fragen gerne in einer Nische theologischer Kompetenz in der Philosophie gepflegt wird. Die Geistes- und Kulturwissenschaftler sind — in Deutschland jedenfalls — zumeist erst dann gefragt, wenn es um die Abschätzung der Folgen geht, die die Einfuhrung neuer Technologien oder medizinischer Verfahren für die Grundrechte der Individuen und die Befindlichkeit der Gemeinschaft hat. Auf diese Position der Nachträglichkeit festgelegt, kommt der Kommentar der Geisteswissenschaften aber immer schon zu spät; zudem ist ihre Rolle dadurch per se auf die der Kritik, des Bremsens oder gar auf die Stimme der Kassandra festgelegt. Durch die immer zahlreicher werdenden Institutionen von Ethik- und Technikfolgenabschätzungskommissionen ist es zudem zur Dominanz einer wenig kreativen Form des interdisziplinären Gesprächs gekommen. Hier treffen die Vertreter der zwei Wissenskulturen zu Themenstellungen 9
'orwort zusammen, die der eigentlichen wissenschaftlichen Neugier nachgelagert sind. Dass sich das angespannte Verhältnis zwischen den zwei Kulturen und Sprachen, das sich in der Folge der akademischen Etablierung einer systematischen Entgegensetzung von Geistes- und Naturwissenschaften entwickelt hat, durch diese Politik nicht entkrampft hat, ist nicht verwunderlich. In diesem Buch wird der Versuch unternommen, eine andere Form der Interdisziplinarität zu praktizieren. Dabei treten die ethischen Fragen in den Hintergrund. Eher geht es um die epistemologischen, wissenschaftsgeschichtlichen und imaginären Voraussetzungen, die die Entwicklung der gegenwärtigen Genetik und Reproduktionsmedizin ermöglicht haben, und um die Frage, in welcher Weise diese Entwicklung in tradierte Vorstellungen von Erbschaft und Verwandtschaft interveniert. Durch die Techniken der künstlichen Befruchtung sind die biologischen Grenzen der Fortpflanzung und die Zeitstrukturen der Generationenabfolge obsolet geworden. Im Zuge der Dissoziation biologischer, genetischer und sozialer Verwandtschaftsverhältnisse wächst die Bedeutung der Genetik. Diese neue Unübersichtlichkeit im Fortpflanzungsgeschehen konfrontiert die Kultur mit einer Reihe einschneidender Veränderungen tradierter Vorstellungen und Begriffe, die über lange Zeit als gleichsam natürlich angesehen wurden. Die Erörterung der weitreichenden kulturellen Konsequenzen und der weit zurückreichenden Denkmodelle, Phantasien und wissenschaftlichen Verfahren, an die die moderne Genetik anschließen kann, ist bisher weitgehend im Schatten eines verfehlten Streits unter dem Motto »Vererbung versus Erziehung« geblieben, in dem bekannte Wunsch- und Angstbilder einer genetischen Determination oder Steuerung menschlicher Attribute und Verhaltensweisen zirkulieren. Erst vor dem Horizont einer Genese der gegenwärtigen genetischen Konzepte lässt sich die Frage nach jener Zäsur präzisieren, die die forciert vorangetriebenen Praktiken von Reproduktionsmedizin und Gentechnologie bedeuten.
ίο
$igrid "VVeigel
In keinem anderen naturwissenschaftlichen Bereich stehen die Zielvorstellungen, experimentellen Szenarien und Bilder, die den wissenschaftlichen Diskurs begleiten, in so enger Korrespondenz mit jenen Phantasien und Phantasmen, mit denen Medien, Film und Literatur darauf antworten, wie im Diskurs über Erbinformation, Gentherapie, Genressourcen, Klonierungspraktiken, Selbstreplikation, Stammzellenforschung usw. Denn dieser berührt das Bewusstsein anthropologischer »Sicherheiten«, in denen die Historizität selbst der fundamentalsten Regelungen des Lebens vergessen ist. Deshalb geht es hier vor allem um die Voraussetzungen und Effekte des »genetischen Zeitalters« für solche Vorstellungen wie: Herkunft, Erbschaft, Verwandtschaft, Generation, Altern, Leben/Tod, Fortpflanzung, Entwicklung usw. Im Zentrum des Buches steht also der Versuch, das Wissen, die Repräsentationsformen und Praktiken der gegenwärtigen Genetik in einer Geschichte des genealogischen Denkens und der »elementaren Strukturen der Verwandtschaft« zu situieren. Die hier versammelten Beiträge eröffnen einen größeren kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Rahmen für die Diskussion der aktuellen biowissenschaftlichen Entwicklungen. Sie reichen von der Rekonstruktion vormoderner genealogischer Konzepte wie Stammbaum und Ahnentafel und deren Integration in wissenschaftliche Entwürfe der Vererbungslehre und Medizin über verschiedene Szenarien aus der Wissenschaftsgeschichte der gegenwärtigen Praktiken von Organübertragung, künstlicher Befruchtung und Klonen bis zu Untersuchungen zum Programm- und Textbegriff der Genetik und zur Diskussion des imaginären und symbolischen Subtextes im Genetikdiskurs. Beteiligt an diesem interdisziplinären Versuch sind Biowissenschaftler, Anthropologen, Sozial- und Kulturwissenschaftler sowie Vertreter der Science Studies. Der Band geht zurück auf ein Symposium, das im Juni 1999, kurz vor dem Einsetzen einer neuen Konjunktur der Genetikdebatte im Anschluss an den Topos der »Anthropo11
'orwort techniken«, im Einstein Forum Potsdam stattgefunden hat. Die Durchführung des Symposiums, das sich durch ein ungewöhnlich inspiriertes Gespräch zwischen den Disziplinen auszeichnete, wäre nicht möglich gewesen ohne den fachkundigen Rat von Regine Kollek und die perfekte, professionelle Organisation des Symposiums durch das gesamte Team des Einstein Forums. Ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank für die gute Zusammenarbeit. Ferner danke ich Beatrix Bäumer, die sich der Betreuung der teils komplizierten Ubersetzungsarbeiten und der Redaktion angenommen hat, sowie Ulrike Vedder und Sabine Zimmermann vom Zentrum für Literaturforschung Berlin, ohne die die Fertigstellung des Manuskripts nicht möglich gewesen wäre.
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Ι. GENEALOGISCHE KONZEPTE UND IHR E I N Z U G IN DIE G E N E T I K
STAMMBÄUME, FREIHEITSBÄUME UΝD
GENIERELIGION ANMERKUNGEN ZUR GESCHICHTE GENEALOGISCHER SYSTEME von Thomas Macho
VORBEMERKUNG
S e i t Foucault gehört der Ausdruck »Genealogie« zum methodologischen Repertoire der Geschichtswissenschaft. Nichtsdestoweniger zählt eine Darstellung der Geschichte genealogischer Systeme — seit »Les mots et les choses« — zu den wesentlichen Desideraten einer Wissenschaftsgeschichte der Historie selbst. An Stelle einer solchen Wissenschaftsgeschichte, die im übrigen noch verfasst werden muss, will ich drei Kapitel einer Genealogie der genealogischen Systeme skizzieren, die allesamt mit historischen Umbrüchen in Zusammenhang gebracht werden können. Ich werde mich (erstens)
l5
^tammbäume, rEreiheitsbäume und Qeniereligion mit der Transformation des Stammbaums (auch in seiner Gestalt als arbor porphyriana) zum Baum der spanischen ars combinatoria (im 12. und 13. Jahrhundert) befassen, (zweitens) mit der Transformation des Stammbaums zum Freiheitsbaum (in der Amerikanischen und Französischen Revolution), sowie (drittens) mit der Transformation der »Geniereligion« (im 19. und frühen 20. Jahrhundert) zur modernen Eugenik. I. DIE SPANISCHEN BÄUME
Das Buch Genesis zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, dass es eine Reihe von Elementen aus babylonischen oder assyrischen Schöpfungsgeschichten übernimmt, um sie zugleich signifikant zu verändern. Einer solchen Veränderung wurde auch die Erzählung vom Paradiesbaum unterworfen. Während die babylonische Tradition nur eine Sorte von Paradiesbäumen zu kennen scheint — nämlich die Lebensbäume, die von den Keruben, seltsam geflügelten Zwischenwesen, gepflegt und bewacht werden —, berichtet das erste Buch Moses von zwei Bäumen: vom Baum des Lebens und vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, d.h. vom Baum der Unsterblichkeit und vom Baum des Wissens. Tatsächlich werden die Stammeltern ja nicht nur aus dem Paradies vertrieben, weil sie vom verbotenen Baum der Erkenntnis gegessen haben, sondern auch, damit sie nicht mehr vom Baum des Lebens essen können (Gen, 3,22). Zu Recht hat daher Kafka spekuliert, ob der Sündenfall darin bestanden haben könnte, vom Baum des Lebens nicht gegessen zu haben: » W i r sind nicht nur deshalb sündig, weil wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, sondern auch deshalb, weil wir vom Baum des Lebens noch nicht gegessen haben.« 1 Der Genuss der Früchte vom falschen
1 Franz Kafka: Betrachtungen über Sünde, Leid, H o f f n u n g u n d den wahren W e g . In: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Schriften aus dem ΝαώΙφ. Hrsg. von M a x Brod, Frankfurt a. Μ . 1 9 8 6 , § 8 3 .
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Thomas Jiacho
Arbor Affinitatis. üfiultA dies, variüjque labos huiufie parauit Artit notitiam: qu* modo clara fat et. J.T A~D PEMONSTRAKPV GENvs
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Abb. I - Arbor Affinitatis.
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Arbor Confanguinitatis. Non gigrumt dcxtros, qui ßant in parte ßnifira. Ltm dat vxores,dat tibi dextra mar es.
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Treiheitsbäume und Qeniereligion
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Abb. 5 — Generationenbaum, basierend auf Matthäus I, Entwicklung von Adam bis zu Christus. Joachim de Floris, Liber figurarum, 13./14. Jahrhundert.
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Thomas Macho vel insensibile), animal (rationale vel irrationale), animal ratio~ nah (mortale vel immortale), homo (sortes vel Plato). Petrus Hispanus wurde in Lissabon geboren. Dieses Detail ist nicht unwichtig, weil es die räumliche Nähe des Autors zu einer Kultur indiziert, die bis ins späte 14. Jahrhundert durch ein bemerkenswertes Klima religiöser und intellektueller Toleranz gekennzeichnet blieb. Just unter arabischer Herrschaft — was hervorzuheben ist, um der scheinbaren Zwangsläufigkeit aktueller Prognosen vom »Clash of Civilizations« alternative Erinnerungsbilder entgegenzuhalten — erlebte die spanische Halbinsel eine Blütezeit, in der Ubersetzerschulen (Toledo) gegründet und philosophisches, medizinisches oder astronomisch-technisches Wissen quer über die kulturell-religiösen Grenzen zwischen Juden, Christen und Moslems vermittelt werden konnten. Dieser Blütezeit, die nicht einmal durch Kreuzzüge, Intrigen katholischer Adelseliten und eine immer rabiater agierende Reconquista ernsthaft in Frage gestellt wurde, verdanken wir die abendländische Aristoteles-Rezeption, die durch den arabischen Richter und Arzt Ihn Ruschd, genannt Averroes (1126— 1198), aber auch durch den jüdischen Arzt und Philosophen Moses Maimonides (1135—1204) vorangetrieben wurde; Averroes wie Maimonides — oder dessen großer Vorgänger Salomon Ihn Gahirol (1020—1070) — stammten aus Cordoba. In Saragossa wurde dagegen Abraham hen Samuel Äbuhfia (1240—1291) geboren, dessen Werk der prophetischen Kabbala galt, die seit 1 2 0 0 in Spanien und Südfrankreich eine rasch wachsende Zahl von Anhängern gefunden hatte; in Kastilien wurde etwa um 1 2 7 5 der Sohar — das kabbalistische »Buch des Glanzes« — verfasst. Aber nicht nur die jüdische Mystik fand in Spanien einen fruchtbaren Boden, sondern auch die islamische oder christliche Mystik: als hätte die Erfahrung friedlicher Koexistenz eine Art von universalreligiöser Bewegung in den drei Weltreligionen ausgelöst. Vielleicht war es just diese Mystik, die auch eine bemerkenswerte Reform der traditionellen Abstammungsbäume
$tammbäume;
Treiheitsbäume und (geniereligion
Thomas
Jiacho
auslöste. Im Austausch der Kulturen wurde es offenbar wichtiger, ein dynamisches Modell der Kombinatorik zwischen den unterschiedlichen Traditionen zu entwerfen, als am hierarchischen Schematismus der Genealogie oder der porphyrischen Bäume allein festzuhalten. Insbesondere der katalanische Philosoph Ramon Llull oder Raimundus Lullus (1232—1316), der sich geradezu als Protagonist der spanischen convivencia verstand, erarbeitete in seinem »Liber de gentili et tribus sapientibus« die Konturen eines Dialogs zwischen den Religionen, der auch den Bäumen eine strukturell neue Bedeutung zuweisen sollte. Nicht umsonst lassen sich in dieser Schrift die drei Vertreter der Religionen des Judentums, des Christentums und des Islam unter fünf Bäumen nieder, um ihr Gespräch mit dem »Heiden« — gleichsam dem griechischen Philosophen — aufzunehmen; die Bäume, unter denen die Gesprächsteilnehmer lagern, repräsentieren ihre jeweiligen Traditionen, der fünfte Baum dagegen vertritt den Versuch der Synthese, die lullische ars combinatoria. Diese ars combinatoria — Llull hat sie auch als ein System konzentrischer Scheiben konzipiert, die sich wie ein begriffsanalytisches Astrolabium einstellen ließen — transformierte die Bäume in Tabellen, mit deren Hilfe kategoriale Strukturen ohne hierarchische Ableitungszwänge, im Sprung von der vertikalen Diachronizität von Klassen und Generationen zur horizontalen Synchronizität tabellarischer Kombinatorik, gewonnen werden konnten. Die lullische ars ermöglichte eine beachtliche Komplexitätssteigerung der Kategorienbildung, die noch die Wunderkammern der Barockwissenschaft prägen sollte; diese Komplexitätssteigerung verdankte sich der Abwendung vom Stamm- und Deduktionsbaum, dessen außerordentlicher Einfluss lediglich daran ermessen werden kann, dass Llull — gegen alle Evidenz späterer Tabellen und Kataloge — am Erscheinungsbild des Baumes festzuhalten versuchte. Diese Treue zum Baum kennzeichnet auch die sogenannten sephirotischen Bäume, die in der spanischen Kabbala (unter Bezug auf das Sepher Jezira, einen zahlen- und buchstaben-
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inwraweivf» Abb. 7 — Sephirotischer Baum, Athanasius Kircher: Oedipus aegyptiacus, Stich von 1652.
mystischen Traktat aus dem 6. Jahrhundert) eine Fülle von Querverbindungen zu neuplatonischen Elementenlehren, medizinischen und kosmologischen Wissensfeldern eröffneten. Auch die sephirotischen Bäume sehen mitunter nicht mehr wie Bäume aus: Sie gleichen komplizierten mental maps, die dennoch die Illustratoren immer wieder dazu verführten, sie in die Umrisse eines Baumes einzuzeichnen. Die spanischen, lullischen oder sephirotischen, Bäume, so lautet meine erste These, wurzelten in einer kulturell manifest gewordenen Kritik am genealogischen Baum, an den intellektuellen wie politischen Implikationen der arbor porphyriana. Nicht umsonst gelang es freilich erst dem calvinistischen Kritiker politisch-
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Thomas J/lacko
Abb. 8 — Wurzel Jesse, Miniatur aus dem Psalter des Henry v. Blois, Winchester, 1140—1160.
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fyammbaume, Treiheitsbäume und Cjeniereligion theologischer Repräsentationsordnungen, dem Humanisten Pierre de la Kamee oder Petrus Ramus ( 1 5 1 5 — 1 5 7 2 ) , die Begriffsbäume endgültig zu horizontalisieren. Ramus wurde in der Bartholomäusnacht ermordet; seine methodische Polemik gegen die aristotelische Logik wie gegen die euklidische Geometrie sollte dagegen noch die französische Enzyklopädistik des 18. Jahrhunderts beeinflussen. 2. FREIHEITSBÄUME UND WEIHNACHTSBÄUME
Der Baum ist gleichwohl im L a u f der Bild- und Ideengeschichte genealogischer Systeme das prägende Strukturmodell geblieben: Bis heute werden Datenbanken gelegentlich wie Bäume organisiert, und auch die Evolutionsgeschichte oder die Entwicklung von Kunst- und Stilrichtungen lässt sich nach wie vor leicht mit dem Bild eines Baumes in Einklang bringen. N o c h Norbert Elias behauptete überzeugt: »In der Tat kann man das Wachstum des Wissens mit dem eines Baumes vergleichen: Im H o l z des älteren Baumes bleibt seine Oberflächengestalt als junger Baum immer noch als eine innere Schicht oder ein Ring innerhalb der größeren Gestalt sichtbar.« 2 Selbst Deleuze und Guattari gelangten bekanntlich bei ihrem Versuch, konservative Modelle der Wissenssystematik zu überwinden, lediglich vom Baum zum Wurzelwerk der Flechten und Pilze: zum Rbizom. Bäume sind offenbar geeignete Modelle zur Darstellung komplexer Beziehungen, wofür ich zumindest drei Gründe angeben will. Erstens sind Bäume Doppelverzweigungssysteme; sie verästeln sich in den Wurzeln und in der Krone. Diese Eigenschaft lässt sich beispielsweise gut auf temporale Ordnungen übertragen: Die Wurzeln repräsentieren die Vergangenheit, die Blätter oder Früchte die Zukunft, der Stamm die aktuelle Gegenwart, welche Vergangenheit und Zukunft verbindet. Bäume sind darüber hinaus ihrerseits
N o r b e r t Elias: Engagement und Distanzierung. Arbeiten zur Wissenssoziologie 1. Hrsg. von Michael Schröter, Frankfurt a. Μ . 1 9 8 3 , S. 1 0 4 .
2
2«
Thomas Jlacho
Abb. 9 — Freiheitsbaum I, Die Errichtung eines Freiheitsbaumes zu Speyer, 1798.
»Zeitmesser«: An ihren »Jahresringen« lassen sich Chronologien veranschaulichen. Zweitens sind Bäume dreidimensionale Gestalten, die auch in ihrer flächigen Projektion gleichsam einen Komplexitätsüberschuss transportieren: Jeder Strukturbaum lädt sich wie von selbst mit einem Mehrwert an Bedeutungen auf, die nicht seiner aktuellen,
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tammbäume; Treiheitsbäume
und
Qeniereligion
Abb. 10 — Freiheitsbaum 2, Der Kölner Freiheitsbaum, 1794.
zweidimensionalen Darstellung, sondern vielmehr einer vorgängigen Wahrnehmung seiner dreidimensionalen Gestalt entspringen. Drittens schließlich sind Bäume selbstreferentiell: Die Prinzipien der Bäume lassen sich am besten auf Bäume selbst anwenden. Die Differenzierung unterschiedlicher Gattungen und Arten (Nadelbäume, Laubbäume) gestattet die Perzeption einer bemerkenswerten morphologischen Vielfalt, die dennoch das einheitliche Prinzip der Gestalt, der Kategorie des Baums, nicht in Frage stellt: Fast jeden Baum erkennen wir sofort als Baum, gleichgültig, ob er in Kanada, im brasilianischen Regenwald, im Berliner Grunewald oder in einem japanischen Bonsai-Garten steht. Umso weniger kann verwundern, dass die Bäume auch in der Geschichte der Begründung moderner Nationalstaaten eine prominente Rolle gespielt haben: nämlich als Freiheitsbäume (trees of liberty). Im Zuge der eskalierenden Konflikte zwischen den englischen Kolonien in Nordamerika und dem Mutterland kam es im Sommer des Jahres 1 7 6 5 zu
3°
Thomas
Jiacho
Abb. 11 — Freiheitsbaum 3, Der Mainzer Freiheitsbaum, o. J.
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JJtammbäume,
Treiheitsbäume
und
Qeniereligion
Abb. 12 — Freiheitsbaum 4, Die Carmagnole, Tanz um den Baum, o. J.
ernsten Unruhen in Boston; dabei ging es bekanntlich um die Durchsetzung der vom englischen Parlament beschlossenen Stempelsteuer. Am Morgen des 14. August 1765 fanden die Bostoner Lord Bute, den englischen Ministerpräsidenten, und Andrew Oliver, den für Massachusetts vorgesehenen Steuereintreiber, in e f f i g i e erhängt an einem Baum. Das Beispiel machte rasch die Runde, und sobald die Namen der zuständigen Steuereintreiber für die benachbarten Provinzen durchsickerten, wurden überall Strohpuppen an markante Ulmen oder Buchen gehängt. Am 11. September 1765 wurde an der Bostoner Ulme eine Tafel angebracht, mit der Aufschrift: »The Tree of Liberty, August I4 th 1765«. Ab diesem Augenblick deklarierten auch zahlreiche andere Orte ihre »Galgenbäume« als Freiheitsbäume. Initiiert wurden die meisten Tafeln und Demonstrationen von einer Vereinigung, die sich »Sons of
cThomas
Macho
Abb. 13 - Gerichtsbaum, Jacques Callot, Kriegsgericht. Aus der großen Folge » D i e Schrecken des Krieges«, 1 6 3 3 .
Liberty« nannte; diese Vereinigung war kurz nach Einführung der Stempelsteuer in New York gegründet worden, um später auch in den anderen Provinzen zu reüssieren. Die alte Ulme in Boston wurde gar zum Versammlungsort der »Sons o f Liberty« ernannt; der umliegende Platz erhielt den Namen »Liberty Hall«. Am 17. Dezember 1 7 6 5 wurde schließlich Andrew Oliver gezwungen, vor dem Baum zu schwören, dass er keine Schritte unternehmen werde, um die Steuer durchzusetzen. Als die Steuerverordnung im Mai 1 7 6 6 widerrufen wurde, kam es zu einem Freudenfest unter der Ulme. Der Freiheitsbaum diente als patriotisches Zentralsymbol: »Personen, die zu wenig patriotischen Eifer zeigten, wurden auf einer Schwarzen Liste aufgeführt, die man dann in die Zweige der Ulme steckte.« 3 Vielleicht brachten die französischen Truppen, die an den amerikanischen Kämpfen um die Unabhängigkeit teilgenommen hatten, den Freiheitsbaum nach Frankreich, vielleicht aber auch Benjamin Franklin, Thomas Paine oder Thomas Jefferson, der 1 7 8 5 zum Nachfolger Franklins am französischen H o f ernannt worden war — und in einem berühmt gewordenen Brief (an Colonel Smith) geschrieben hatte: »Der Baum der Freiheit muß von Zeit zu Zeit mit Patriotenblut und Tyrannenblut gewässert werden; das ist sein natürlicher Dung.« Jedenfalls setzte sich der Freiheits3 Suzanne Anderegg: Der Freibeilsbaum. Ein Rechtssymbol im Zeitalter des Rationalismus. Jur. Diss. Zürich 1 9 6 8 , S. 8 2 .
33
$tammbäume;
Treiheitsbäume und Qeniereligion
Abb. 14 — Maibaum, Tänzer zelebrieren den Neubeginn/die Verjüngung des Kosmos im Frühjahr.
34
Thomas J/Lacho bäum bereits während der Bauernaufstände 1 7 8 8 und 1 7 8 9 in ganz Frankreich durch; unter seinen Asten wurden Grundbücher verbrannt, und gelegentlich hing man feudale Embleme an seine Zweige. Ab 1 7 9 2 wurde der Freiheitsbaum als revolutionsoffizielles Kultsymbol verbreitet: Anfang Juni 1 7 9 2 wurde in den kleinsten Dörfern und beinahe an jeder Straßenecke ein solcher Baum aufgestellt, nach groben Schätzungen mehr als sechzigtausend Bäume im ganzen Land. Natürlich versuchten die Royalisten während der Nacht, die Freiheitsbäume abzusägen oder wenigstens mit Vitriol zu bespritzen: Fortan wurden die Bäume durch Holzzäune, Eisengitter und Wächter geschützt, und die Verletzung eines Freiheitsbaums wurde mit schweren Strafen geahndet. Am 5. September 1 7 9 3 verurteilte man neun Personen in Rouen zum Tode, weil sie einen Freiheitsbaum gefällt hatten; und noch bis 1 7 9 6 wurden alle »Verbrechen« gegen einen Freiheitsbaum als konterrevolutionäre Aktionen eingestuft und hart bestraft. Prinzipiell hielt man übrigens die meisten Bäume für geeignet, um als Freiheitsbäume zu fungieren: Eichen, Ulmen, Linden oder Kastanien. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich allerdings die Pappeln, deren N a m e »peuplier« an »peuple« ( V o l k ) erinnerte. Die Volkskunde und Geschichtswissenschaft hat die Freiheitsbäume häufig auf den Typus der Gerichts- und Erinnerungsbäume (»Friedenslinde«), aber auch auf die Maibäume zurückgeführt. Dabei erscheint es doch viel näher liegend, den Freiheitsbaum als manifeste Kritik an den hierarchischen Strukturen der Feudalgesellschaft, als evidentes Symbol des Protests gegen die Geltung von Stammbäumen, wahrzunehmen. Für eine solche Interpretation spricht insbesondere die amerikanische Vorgeschichte der trees of liberty. M i t Hilfe von Strohpuppen und Effigies wurden die Bäume doch geradezu zu »Stammbäumen« präpariert, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen. Denn jetzt bezeichnete der Stammbaum, an den die Würdenträger appliziert wurden, gerade nicht mehr das genealogische System, sondern dessen Suspendierung; an Stelle der Geburtsregister traten die
3J
Stammbäume,
Träheitsbäume
und
(jeniereligion
Abb. 15 - Maibaum 2, Stich aus der »Gartenlaube« von 1874. Die Dorfjugend stellt den Maibaum auf.
»Schwarzen Listen«. Während der Stammbaum die Diversität der Geburten artikulierte, unterstrich der Freiheitsbaum das Ideal eines gemeinsamen Ursprungs, einer kollektiv geteilten Neugeburt der Gesellschaft. In solchem Sinne hatte schon Rousseau, in seinem berühmten Brief an d'Alembert von 1758 (über dessen Vorschlag, ein Theater in Genf zu errichten), energisch die Bäume propagiert: »Mit der Freiheit herrscht überall, wo viele Menschen zusammenkommen, auch die Freude. Pflanzt in der Mitte eines Platzes einen mit Blumen bekränzten Baum auf, versammelt dort das Volk, und ihr werdet ein Fest haben. Oder noch besser: stellt die Zuschauer zur Schau, macht sie selbst zu Darstellern, sorgt dafür, daß ein jeder sich im andern erkennt und liebt, daß alle besser miteinander verbunden sind.« Freilich wusste auch schon Rousseau, worin der militärische Sinn solcher Verbundenheit — gewissermaßen die kollektive Bereitschaft, den Baum der Freiheit mit »Patriotenblut« zu wässern — bestehen könnte, denn er fuhr fort: »Wir haben alle Jahre Musterungen, öffentliche Wettbewerbe, und im Armbrust- und Geschützschießen sowie im Segeln werden
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Thomas J/Lacho Könige ermittelt. Man kann so nützliche und angenehme Veranstaltungen gar nicht genug vermehren, man kann gar nicht genug von solchen Königen haben.« 4 Die Bäume des Wissens (die genealogischen Bäume) wurden vordergründig von den Bäumen des geteilten Ursprungs und einer national imaginierten Unsterblichkeit abgelöst: als säkulare Bäume des Lebens. Nach Deutschland wurden diese Lebensbäume allerdings kaum importiert. An Stelle der trees of liberty etablierten sich in der »verspäteten Nation« — die Christ- und Weihnachtsbäume. Nationale Empfindungen wurden zwar auch mit Hilfe eines Festes generiert: aber eines Festes, das gerade im Rückzug auf die Intimität der Familie zelebriert werden sollte. In seinem programmatisch platonisierenden Dialog über »Die Weihnachtsfeier« (von 1 8 0 6 ) pries Friedrich Schleiermacher die »Innigkeit« dieses Festes als Indiz eines »verlorenen Ursprungs«, der gleichsam im Kreise der bürgerlichen Familie restituiert werden müsse.5 Von selbst verstand sich, dass dieser »Ursprung« im Namen seines Verlustes jeweils neu »erfunden« wurde: als Familiengesang, als geschmückter Tannenbaum, als Praxis der kollektiven »Bescherung«. Die Mehrzahl der erwähnten Bräuche war wenig älter als das 19. Jahrhundert; selbst die mit Kerzen besteckten und geschmückten Bäume verbreiteten sich im deutschen Sprachraum kaum vor 1 8 2 0 . Der Weihnachtsbaum reüssierte als Festsymbol, in dem die revolutionäre Kritik an den Stammbäumen reduziert wurde auf die Inszenierungen einer Familie, die sich in ihren Ritualen mit einer phantasmatischen christlichen »Menschheit« zu identifizieren versuchte. Ich behaupte darum — als zweite These zur Geschichte genealogischer Systeme —, dass einerseits die Freiheitsbäume der Amerikanischen und der Französischen Revolution eine Parodie und Kritik des feudalen Prinzips der Stammbäume artikulierten, während die
Jean-Jacques Rousseau: Brief an Herrn d'Alembert. In: Schriften, Bd. I. Hrsg. von Henning Ritter, Frankfurt a. Μ . 1 9 8 8 , S. 4 6 2 f. 4
5
Vgl. Friedrich Schleiermacher: Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch, Halle 1 8 0 6 .
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$tammbäumt) Treiheitsbäume und Qeniereligion kulturgeschichtlich durchaus erfolgreichen Weihnachtsbäume deutscher Provenienz ihrerseits zu einer Parodie und Abwendung vom revolutionären Prinzip der Freiheitsbäume beitrugen. 3. Z Ü C H T U N G DER GENIES
Als Gegenmodell zu einer genealogisch verfassten Gesellschaft, in der alle Mitglieder ihren Status durch ihre Herkunft erlangen, wurde an der Wende zum 19. Jahrhundert die Natur proklamiert: N o c h jene Freiheitsbäume, die schlicht — wie Stäbe — ohne Wurzeln in die Erde gesteckt wurden (um danach bald zu verdorren), fungierten als Symbole einer als ursprünglich imaginierten Natürlichkeit. Den Heros einer solchen, scheinbar von genealogischen Vorbehalten entlasteten Gesellschaft hatte bereits Rousseau konzipiert: das »Wunderkind«, das Genie. Genies sind die säkularen Götter des 19. und frühen 2 0 . Jahrhunderts, die »Selfmademen« der Natur und eines glücklichen Geschicks. S o hat sie auch schon Immanuel Kant charakterisiert: »Genie ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel gibt. D a das Talent, als angebornes produktives Vermögen des Künstlers, selbst zur Natur gehört, so könnte man sich auch so ausdrücken: Genie ist die angeborne Gemütsanlage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt.« 6 Genies sind »Günstlinge der Natur« 7 , und als solche sind sie notwendig originell; sie ahmen nicht nach, sondern schaffen neue, durch keine Vorbilder antizipierten Werke. In dieser Qualität stehen sie (worauf Kant hinweist) in denkbar schärfstem Gegensatz zu ihrem antiken Namensvetter, dem römischen Genius. Denn der Genius, römische Version des agathos daimon der Griechen, wurde gerade nicht als individuelle Eigenschaft vorgestellt, sondern als die transindividuelle Personifikation des Namens, der Verbundenheit mit Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Werkausgabe, Bd. X . Hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a. Μ . 1 9 7 7 , S. 2 4 1 f. [Β 1 8 1 ] . 6
7
Ebd., S. 2 4 4 [B 1 8 4 ] ,
Thomas Ji/Lacho einer Ahnenreihe. Zu jedem antiken Geburtstagsfest (das übrigens lange Zeit monatlich gefeiert wurde) statteten die »Jubilare« ihrem Genius Dank ab und ehrten ihn durch ihre Opfergaben. Der Genius der Römer fungierte gleichsam als eine Art von Schutzengel, als Ahnengeist und Repräsentant vergangener Generationen. 8 Die modernen Genies sind dagegen nicht vergangenheits-, sondern zukunftsorientiert. Sie sind die Helden einer parareligiösen Strömung, die der später dem » W i e n e r Kreis« nahe stehende Wissenschaftshistoriker Edgar Zilsel in einer 1 9 1 8 (bei Braumüller) publizierten, hellsichtigen Analyse unter den Begriff der »Geniereligion« fasste. Als Dogmen dieser »Religion« des 19. Jahrhunderts und insbesondere des Fin de siech — einer Gläubigkeit, in der nationale Heroenkulte, bürgerliche Träume von »welthistorischen Individuen«, von Künstlern und Wissenschaftlern, mit einem schwärmerischen, naturverliebten Mystizismus verschmolzen —, charakterisierte Zilsel: erstens die Vorstellung von der Seltenheit der Genies, die sich gegenüber der Masse durch »beinahe göttliche Schöpferkraft« auszeichnen und »sich zum Unterschied von allen anderen Menschen alle ihre Gedanken, Meinungen und Werturteile ganz selbständig bilden«; zweitens die Vorstellung von einem »ewigen Bund« aller Genies, die sich — trotz ihrer jeweiligen Originalität — als »zusammengehörig« empfinden, »als Brüder einer erlauchten Gemeinde« (in der womöglich der Geheimrat Goethe und der Professor Hegel dem Konsul Bonaparte huldigen); drittens die Vorstellung von einer höheren Unsterblichkeit aller Genies, die sich gerade daraus ergebe, dass sie zu Lebzeiten »verkannt« werden. Denn die »Mitwelt, die ja nur zur Menge gehört, versteht in ihrer Urteilslosigkeit die Genies nicht, sie kann zwar die Genialität gar nicht von Flachheit unterscheiden, aber trotzdem haßt sie, wie von dunklen Ahnungen angeleitet, ihre Genies und scheint bemüht, die großen Männer durch stumpfe Gleichgültigkeit oder durch 8
V g l . W i l h e l m S c h m i d t : Geburtstag im Altertum, Gießen 1 9 0 8 .
39
$tammbäume; Treiheitsbäume und Qeniereligion brutalen Widerstand zu unterdrücken«; 9 erst die Nachwelt erkenne plötzlich den glänzenden Genius, um ihn fortan in den Himmel zu erheben und geradezu zeremoniell zu verehren. Genies werden posthum in Sterne verwandelt — Stars, die mit ihren längst erloschenen Strahlen die Gegenwart erleuchten. Nicht umsonst zählten Astralmetaphern zu den beliebtesten rhetorischen Figuren der »Geniereligion«. Aus Houston Stewart Chamberlains monumentaler Abhandlung über Immanuel Kant (und eine Reihe weiterer Genies) zitiert Zilsel die Behauptung, das Genie sei »ein kosmisches Phänomen, genau so wie die Sonne oder der Sirius«; 10 Genies sind Sterne, die ihre unvergänglichen Werke »nur für die Nachwelt« schaffen, und da sie also »nur für die Nachwelt produzieren«, resümiert Zilsel, »so sind sie alle Zukunftsmusiker, Zukunftsmaler, Zukunftsdichter und Zukunftsphilosophen: Futuristen«. 11 Schon Ralph Waldo Emerson, der mit seinem Werk »Representative M e n « geradezu eine Art von Bibel der »Geniereligion« verfasst hatte, zog aus diesem »futuristischen« Richtungswechsel der Genies einen neuartigen Schluss: 1850, fast ein Jahrzehnt vor der Publikation von Darwins » O n the origin of species by means of natural selection«, schrieb er von den Wünschen nach künftigen Genies: »Welche Entschädigung ist ein großer Mann für ganze Generationen von Pygmäen: Jede Mutter wünscht, daß doch einer ihrer Söhne ein Genie werde, wenn auch alle übrigen mittelmäßig bleiben sollten.« 12 Denn wir »haben die letzte und wahre Bedeutung eines Genies nicht erkannt, so lange wir ihm eine originale und selbständige Bedeutung zuschreiben. In dem Augenblick, in dem er aufhört, uns als Edgar Zilsel: Die Ceniereligion. Ein kritischer Versuch über das moderne Persönlichkeitsideal, mit einer historischen Begründung. Hrsg. von Johann Dvorak, Frankfurt a. Μ . 1990, S. 5 9 - 6 1 . 9
10
Ebd., S. 2 3 9 .
11
Ebd., S. 60.
Ralph Waldo Emerson: Repräsentanten der Menschheit. Sieben Essays. Ubersetzt von Karl Federn, Zürich 1989, S. 2 5 . 12
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Thomas Jicubo eine Ursache zu nützen, nützt er uns noch weit mehr als eine Folgeerscheinung« — nämlich als Produzent einer geistigen Weiterentwicklung. »Es gibt große Männer, damit noch größere werden mögen. Die Bestimmung der organischen Natur ist Veredlung — wer kann die Grenze der Veredlung sagen?«13 Plötzlich erscheint das Genie als Zukunftsprodukt einer Anstrengung der Natur, die an ihrer von allen Ursprungs- und Herkunftsphantasmen suspendierten Gegenwart lediglich den Anlass zu neuer Expansion und Entwicklung wahrnimmt. Genies sind die Menschen, die nicht aus ihrer Vergangenheit abgeleitet werden können; daher müssen sie gleichsam in die Zukunft projiziert werden: als Vorläufer »noch größerer Männer«, die einer »natural selection« der »representative men« entspringen werden. Die futuristische Genealogie der Genies träumt von deren künftiger Erzeugung — gröber gesagt: von ihrer »Züchtung«, und zwar gleichgültig, ob diese »Züchtung« als Projekt der Natur oder einer kulturellen Erziehungsinstanz verstanden wird. Unter dem Gesichtspunkt der »Veredelung« entwerfen wir gleichsam die »Stammbäume« der Zukunft. »Es gibt große Männer, damit noch größere werden mögen.« Die Futurisierung der Genealogie im Zeichen des Genies lässt sich an einer Vielzahl einschlägiger Texte — nicht nur aus dem Umfeld der sogenannten »Schwarzen Pädagogik« — demonstrieren. Wilhelm Ostwald begann seine ehemals viel gelesene Sammlung naturwissenschaftlicher Biographien, die unter dem Titel »Große Männer« 1 9 0 9 in Leipzig publiziert wurde, mit der Frage eines (angeblich japanischen) Studenten, wie sich bedeutende Geister »herausfinden« lassen, und er schließt sein Buch mit einer Reflexion zum Status der Universität als »Züchtungsanstalt« wissenschaftlicher Genies; 14 kurze Zeit später
13
Ebd., S. 3 1 .
Vgl. Wilhelm Ostwald: Große Männer, Leipzig 1909, S. 1 - 2 0 und 4 I 2 f f . Vgl. etwa den Satz: »Am schlechtesten haben sich die allgemeinen Einrichtungen fur die Züchtung der großen Forscher in Frankreich bewährt . . . « (S. 3 9 5 ) . 14
4'
^tammbäumtTreiheitsbäume
und
Qentereligion
wurde — gleichfalls in Leipzig, bei Klinkhardt — die deutsche Erstübersetzung von Francis Galtons »Hereditary Genius« (aus dem Jahre 1 8 6 9 ) veröffentlicht. Als Ubersetzer fungierte das Ehepaar Neurath aus Wien. Otto Neurath wirkte in späteren Jahren bekanntlich als Kultusminister der Münchner Räterepublik, als Mitglied des »Wiener Kreises« und Vertreter der »Protokollsatzlehre«, als Soziologe, Bildstatistiker und — in dieser Funktion — Propagandist der Alphabetisierungsbewegung in Afrika. Umso mehr mag nachträglich verwundern, was die Übersetzer als ein enthusiastisches Vorwort zu Galtons Buch drucken ließen: Bei seinen (Galtons) Untersuchungen über Vererbung hatte er von Anfang an ein Problem vor Augen: Wie kann man eine menschliche Rasse züchten, die unseren Idealen am meisten entspricht? [ . . . ] Das Ergebnis eines reichen Lebens war eine neue Disziplin, die Eugenik, die Lehre von der guten Zeugung. Galtons Untersuchungen über Eugenik sind in erster Reihe in den >Sociological PapersEugenic as a Factor in Religions W i r hoffen, auch diese Arbeiten bald dem deutschen Publikum vorlegen zu können.
Das Vorwort Schlussabsatz:
kulminierte
schließlich
in
folgendem
W e r mit offenem Auge die Entwicklung der Z u k u n f t vorauszuschauen versucht, sieht als die größten Probleme, welche die Menschheit in immer stärkerer Weise bewegen werden, die Verbesserung der sozialen Ordnung und die Verbesserung unserer Rasse, zwei Ziele, die eng miteinander zusammenhängen. Der R u h m aber, in entscheidendem M a ß e die Bewegung für die systematische Verbesserung der Rasse in unserem Zeitalter eingeleitet zu haben, gebührt Francis Galton und seiner Eugenik.15
Die hier vorgestellten Ausschnitte aus einer Geschichte genealogischer Systeme seien abschließend noch einmal 15 Vorwort der Ubersetzer zu Francis Galton: Genie und Vererbung. Ubersetzt von Otto Neurath und Anna Schapire-Neurath, Leipzig 1910, S. V i f .
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Thomas J/Lacho resümiert: Die Kritik dieser genealogischen Systeme wurde zunächst während der spanischen convivencia im 12. und 13. Jahrhundert, im Zuge der Transformation von Stammbäumen in die Bäume der lullischen oder der kabbalistischen ars combinatoria artikuliert. Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde diese Kritik radikalisiert: in der Utopie eines gesellschaftlich geteilten, »natürlichen« Ursprungs, der exemplarisch durch den Freiheitsbaum — eine Parodie des Stammbaums — symbolisiert wurde. Diese Freiheitsbäume reüssierten in Deutschland allerdings bloß als Weihnachtsbäume, denen gleichsam die Last einer politischen Famiiiarisierung (von Schleiermachers »Weihnachtsfeier« bis zum NS-Kult um die » J u l b ä u m e « ) aufgebürdet wurde. Die Romantisierung des »verlorenen« oder in der Natur »wiederentdeckten« Ursprungs bereitete indes eine Art von temporaler Umkehrung der Perspektiven vor: Spätestens im Zeichen des Geniekults, einer säkularen Pseudoreligion des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wurde die Genealogie futurisiert: zugunsten der »Züchtung« großer Männer oder »representative men«. Diese Perspektivenumkehrung halte ich für eine entscheidende Implikation der neuen Beziehungen zwischen Genetik und Genealogie, die uns gewiss im gerade angebrochenen Jahrhundert noch intensiv beschäftigen werden. 15
43
D A S FUNDAMENT DER
MACHTBEHAUPTUNG D I E AHNENTAFEL ALS GENEALOGISCHE CIRUNDSTRUKTUR DER NEUZEIT von Kilian Heck
E s kann zu den Hauptmerkmalen des europäischen Familienbildnisses der beginnenden Neuzeit gezählt werden, die lebenden Mitglieder eines Familienverbandes zusammen mit ihren bereits verstorbenen Verwandten in einem einzigen Bild darzustellen. Sind bei einem mittelalterlichen Altarbild solche diachronen Erzählstrukturen durchaus die R e g e l s o erstaunt zunächst bei frühneuzeitlichen Familienbildnissen das gemeinsame Abbilden lebender Eltern und Kinder neben ihren bereits verstorbenen Angehörigen. Denn 1 Vgl. dazu Wolfgang Kemp: Sermo corporeus. Die Erzählung der mittelalterlichen jrnster, München 1987, bes. S. 3 4 ff.
45
Clas-
'Das Tundament
derjlachtbehauptung
bei einer solchen Zusammenstellung mehrerer Personen innerhalb derselben bildlichen Einheit wird nichts anderes in Frage gestellt als die uns gewohnte Vorstellung einer zeitlichen Kohärenz der gemeinsam auf einem Bild versammelten Personen und Dinge. Diese bewusste Akzeptanz von Diachronizität, und als Konsequenz das Auseinandertreten von Anschauungsform und Inhalt, das wir so häufig erst wieder als Charakteristikum der modernen Kunst wahrnehmen, ist in der europäischen Kunst demzufolge ein bereits weitaus früher zu beobachtendes Phänomen. Rudolf Preimesberger hat für die dem neuzeitlichen Familienbildnis verwandte Gattung des Historienbildes ähnliches erkannt, denn auch hier wird die abgebildete Zeitlichkeit bis weit an die Grenze des Wahrscheinlichen ausgedehnt und damit die Fiktionalität in der Gleichzeitigkeit des Dargestellten offenbar. 2 An der oft mehrere Generationen umfassenden Darstellung miteinander verwandter Personen in den Familienbildern wird eine Gliederung erkennbar, wie sie bei erstaunlich vielen Bildern der Frühen Neuzeit auftritt: Die zeitübergreifende Präsenz und memoriale Dauerhaftigkeit einer Familie veranschaulichen sich erst durch das Aufzeigen der zyklischen Abfolge der einzelnen Generationen. U n d dieses Wissen um die verwandtschaftliche Verbundenheit der einzelnen Generationen kann mit dem Begriff der Genealogie bezeichnet werden. Seit dem Spätmittelalter umfasste genealogia einen Geschlechterverband verstorbener und lebender Personen — sowohl in ihrer biologischen Abfolge wie in ihren sozialen Relationen. 3 Genealogie wandelte sich erst im 18. Jahrhundert zu einer akademischen Lehre von den verwandtschaft-
Preimesberger sieht diese Eigenschaft insbesondere beim neuzeitlichen Historienbild: Caravaggio im «Matthäusmartyrium« der Cappella Contarelli. In: Zeitenspiegelung. Zur Bedeutung von Tradition in Kunst und Kunstwissenschaft. Festschriftßir Konrad Hoffmann. Hrsg. von Peter K. Klein/Regine Prange, Berlin 1998, S. 135— 149, h i e r S . 137. 2
Vgl. hierzu die Definition von E. Freise, in: Lexikon des Mittelalters, München/Zürich 1989, Sp. I 2 I 5 - I 2 2 2 , h i e r S p . 1215. 3
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Bd. IV,
"Kilian
Jieck
liehen Beziehungen der Familien und Geschlechter.4 Seitdem war Genealogie zugleich auch als epistemologischer Terminus eingeführt und auf die allgemeine Wissenschaftsgeschichte übertragen worden.5 Genealogisches Denken findet sich in den unterschiedlichsten Formen literarischer, juristischer oder auch musikalischer Registrierungen. Genealogie ist aber auch jenseits dieser universellen Bedeutungen immer ein Strukturelement für bildliche Realien geblieben, deren besonders für die beginnende Neuzeit wichtige Form der Ahnentafel bzw. Ahnenprobe nachfolgend untersucht werden soll. Bei der Ahnentafel sind mehrsträngige Linien im Hinblick auf eine einzelne Person zusammengefasst. Ausgehend von einem Probanden werden hier alle direkten Vorfahren bis zu einer bestimmten, vorher festzulegenden Generation fortgeschrieben: zunächst die beiden Eltern, dann die Großeltern und die Urgroßeltern. Weitere Vorfahrengenerationen können ergänzt werden. Die Menge der Ahnen verdoppelt Stellvertretend dafür sind etwa Johann Christoph Gatterer: Handbuch der neuesten Genealogie und Heraldick. Worinnen aller jezigen Europäischen Potentaten, Stammtafeln und Wappen enthalten sind. Nebst einer kurzen Vorstellung aller jetzt regierenden Kaiser, Könige, Cbuifürsten, geistlicher und weltlicher Fürsten und Grafendes H. R. Reichs ..., wie auch einiger auswärtiger Fürsten, des Pahst, Nürnberg 1759; ders.: Abrtß der Heraldik, Nürnberg 1766. Die Untersuchungen Gatterers unterscheiden sich von der umfangreichen genealogischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts (etwa Elias Reusner: Opus genealogicum catholicum de praeeipuis Jamiliis imperatorum, regum, princioum, aliorumque procerum, Orbis Christiani, Frankfurt 1592; Nikolaus Ruttershausen: Genealogiae imperatorum, regum, dueum, comitum praeeipuorumque aliorum procerum Orbis christiani, Altdorf 1 6 5 3 ff). 4
In Zedlers Universallexikon von 1 7 3 5 wird der Artikel zur Genealogie wie folgt eingeleitet: »Genealogie, heißt die Wissenschafft die Vorfahren eines Geschlechts in gehöriger Folge anzugeben. Dahero wirds auch die GeschlechtsKunde genennet.« Vgl. Johann Heinrich Zedier: Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 10, G-Gl, Halle/Leipzig 1735, Neudruck Graz 1994, S. 8 3 2 . Wilhelm Schulz definiert Genealogie 1 8 4 7 als »die wissenschaftliche Darstellung des Ursprungs, der Fortpflanzung und des hierdurch begründeten Zusammenhangs der Geschlechter«, vgl. Wilhelm Schulz: Genealogie. In: Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschafien für alle Stände. Hrsg. von Carl von Rotteck/Carl Welcker, Bd. 5, Altona 1847, S. 537; zur Verwendung des Begriffs in der Wissenschaftsgeschichte etwa bei Nietzsche und Foucault vgl. Rudi Visker: Michel Foucault. Genealogie ah Kritik, München 1991. 5
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Τ>Λ5 Tundament der J&acktbehaupung sich entsprechend mit jeder neu hinzutretenden Generation, so dass regelmäßige Anzahlen mit den spezifischen Zahlenverbänden von vier, acht, sechzehn oder auch zweiunddreißig und mehr Vorfahren auftreten (Abb. I). Eine genealogische Struktur wie die Ahnentafel »verfährt enthistorisierend, sie übersetzt zeitliche Prozesse in räumliche Konstellationen«, so Wolf Lepenies. 6 Die Ahnentafel von Herzog Albrecht V von Bayern aus dem Jahre 1578 kann veranschaulichen, wie eine Anzahl von Personen in den Bildraum gestellt wird und dadurch die vertikale Zeitachse, die historische Linie, in den horizontal im Raum sich ausbreitenden Verband der lebenden und bereits verstorbenen Familienmitglieder überführt wird (Abb. 2). Die Holztafel zeigt die Familie des Herzogs im Vordergrund und die herzoglichen Ahnen über vier Generationen in den Loggien eines imaginären Palastgebäudes dahinter. Die Ahnenwappen sind hier nicht in der klassischen Form der Ahnentafel angeordnet (Abb. I), wohl aber wird die Funktion der Ahnentafel, die Aszendenz des Probanden zu ermitteln und aufzuzeigen, inhaltlich übernommen. Die Vorfahren der bayerischen Herzogsfamilie sind auf der Tafel als Brustbilder abgebildet und mit den Wappen der jeweiligen Dynastie versehen, der sie entstammen. Ein Salvator mundi in einem Tondo ist dem Giebelfeld eingeschrieben und bekrönt das Haus. Die Selbstständigkeit des gegenwärtigen Regenten mit seiner Familie im Vordergrund wird aus den beiden räumlich getrennten Bereichen ersichtlich: Das aufsteigende Haus der Ahnen wird als Fläche wahrgenommen, die Familie des Herzogs mit den beiden wappenhaltenden Allegorien steht hingegen auf einer prospekthaften Ebene und ist somit dem Tiefenraum eingeschrieben, der hinter ihnen in den kassettierten Tonnengewölben beginnt. Ungeachtet dieser deutlichen Trennung bleibt zwischen diesen beiden Sphären eine enge Beziehung bestehen, denn W o l f Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, M ü n c h e n / W i e n 1976, S. 12.
6
4&
TQliati Jieck
Abb. I — Güstrow, Dom. Grabmonument für Ulrich zu Mecklenburg (t 1603) und Gemahlinnen, 1575—1599.
das aufragende Haus der Ahnen und das tiefenräumliche Tableau mit der Familie bedingen sich gegenseitig. Ohne die Familie wäre das Haus eine Hülse ohne Erdgeschoss, ohne das Haus würde sich die Familie auf einer weiten und leeren Ebene wiederfinden, die nur wenig zu ihrer Absicherung und Reputation herhalten könnte. Ein schmales Band mit Wappen ist zwischen die beiden Bereiche mit den lebenden Regenten und ihren Ahnen gelegt. Hier wird derjenige Bereich eingefasst, um den es eigentlich geht, jener der ein-
49
T)as Fundament der J/Lachtbehauptung
Abb. 2 — Berlin, Kunstgewerbe-Museum. Ahnentafel für Herzog Albrecht V von Bayern und seine Gemahlin Anna von Osterreich. Holzintarsie, 1578.
zelnen bayerischen Herrschaftsgebiete. In der Evozierung eines historischen Raumes, weniger einer historischen Linie, wird im Verbund mit dem aktuellen Regenten die bayerische Landesherrschaft mit dem personalen Bestand der Dynastie der Wittelsbacher unkündbar verklammert und augenscheinlich gemacht. An dieser herzoglich-bayerischen Ahnentafel lässt sich ein Vorgang beobachten, den R.Howard Bloch so beschreibt: »Along with the linearity, temporality, and verticality o f
5°
"Kilian
Meek
lineage is a general sense of fixity both in the family's relation to property and in the relation to other families. A dynasty or house is rooted in the soil of its ancestral home, it is grounded by a sacred bond to the land and the castle«. 7 Das komplexe System der Ahnenwappen verknüpft die lebenden und toten Mitglieder der Dynastie mit dem spezifischen Ort ihrer Herrschaft. Die Wappen stellen mit ihrer unmittelbaren Zeichenhaftigkeit die notwendige Prägestruktur bereit, um einen solchen dynastischen Raum, ein »topographisches Dispositiv« (Wolfgang Schäffner) herzustellen. 8 Das viele Einheiten umfassende Netzwerk einer Dynastie ist mittels seiner Wappen in der Lage, das gleichfalls komplexe Netzwerk eines flächenmäßig ausgedehnten Landes unmittelbar zu veranschaulichen. Am deutlichsten zeigt sich die Verbindung von Ahnentafel und Topographie an den zahlreichen Implementierungen von Ahnentafeln in Landkarten, etwa bei der Freseschen Landtafel aus dem Jahre 1588 (Abb. 3). 9 Die viereinhalb mal fünf Meter große Tafel zeigt die Herrschaft Pinneberg als Teil der Grafschaft Holstein aus der Vogelperspektive in leichter Schrägsicht. Auf der gemalten Holztafel befinden sich die beiden über je fünf Generationen reichenden Ahnentafeln des Herzogs Adolf von Holstein-Schauenburg und seiner Gemahlin Elisabeth zu Braunschweig-Lüneburg. Das gräfliche Ehepaar ist in Brustbildern und zusätzlich mit ihrem Vollwappen links und rechts in den unteren Ecken vertreten. Die Fresesche Landtafel entspricht damit ziemlich genau dem »topographischen Dispositiv« als einem für den R . Howard Bloch: Etymologiis and Genealogies. A Literary Anthropology of the French Middle Ages, Chicago 1983, S. 85. 7
Vgl. Wolfgang Schäffner: Operationale Topographie. Repräsentationsräume in den Niederlanden um 1600. In: Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur. Hrsg. von Hans-Jörg Rheinberger/Bettina Wahrig-Schmidt/Michael Hagner, Berlin 1997, S. 6 3 - 9 0 , hier S. 6 4 ff. 8
Vgl. dazu Doris M e y n : Daniel Freses »Landtafel« der Grafschaft Holstein (Pinneberg) aus dem Jahre 1588. In: Die Heimat 7 0 ( 1 9 6 3 ) , S. 3 0 1 - 3 1 2 , hier S. 3 0 1 . — Eine Kopie der Holztafel befindet sich im Altonaer M u s e u m in H a m burg.
9
J'
"Das ^Fundament der jlachtbehauptung
Abb. 3 — Hamburg, Museum Altona. Fresesche Landtafel, unterer Abschnitt.
Frieden wie für den Krieg tauglichen Operationsfeld. Die Genealogie arbeitet mit quantifizierbaren Daten; sie überzieht wie die Längen- und Breitengrade ein vorgefundenes Stück Land mit ihrer Semiotik. Je nach der argumentativen Position kann die topographische Wirklichkeit etwa durch eine tendenziöse Grenzziehung zwar zurechtgeschnitten werden, gleichwohl sind die Karten ein kognitives Beweisfeld, das sich gleichartiger logischer Kriterien wie etwa dem Maßstab bedient. Die Ahnenwappen, wie sie zusammen mit den portraitierten Vorfahren der herzoglichen Familie in den Loggien des Palastgebäudes aufscheinen oder bei der Freseschen Landtafel evident werden, ergänzen das ältere genealogische Prinzip der Ahnenreihe. 10 An die Stelle der progressiven und narrativen Fortschreibung tritt bei dem System der Ahnenprobe die analytische Erschließung der bis zu ihrer 10 Z u r Ahnentafel bzw. Ahnenprobe vgl. Klaus Schreiner: Ahnenprobe. In: Lexikon des Mittelallers, Bd. I, München/Zürich 1 9 8 0 , Sp. 2 3 3 .
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"Kilian J{eck
genealogischen Erforschung unbekannten Menge der Vorfahren. Figurierten Genealogien jahrhundertelang einsträngige, additive Ketten, so kam ihnen im Spätmittelalter mit den Ahnentafeln eine grundsätzliche Kompetenzerweiterung zu: Sie wurden zu perspektivischen, raumerfassenden Systemen ausgebaut, die gleichwohl durch die Abfolge der Generation immer auch »vertikal«, synchron zur Zeitachse organisieren konnten. Das Gefühl für Alterität und Diskontinuität sieht Aleida Assmann im Mittelalter wegen der kulturelle Kontinuität verbürgenden mythisch-genealogischen Modelle der Assimilation und der Übertragung noch nicht als gegeben.11 Wenn die neue analytische Rückwendung der Ahnentafeln dem älteren Verfahren der Ahnenreihe und deren System einer narrativen Historisierung nachfolgt oder zumindest an die Seite tritt, dann ist das auch ein Hinweis auf ihre genuin neuzeitliche Struktur. In diesem Sinne veranschaulichen erst die Ahnentafeln am Beginn der Neuzeit — und nicht schon die beiden älteren genealogischen Systeme der Ahnenreihe und der Stammtafel — das für Klaus Heinrich maßgebliche Prinzip der Genealogie, eine »ursprungsmythische Geisteslage« mit der rationalisierten Form der deduktiven Logik zu verbinden.12 Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen gab es verschiedene Voraussetzungen, die das System der Ahnentafel durchzusetzen halfen. So war hier das Bewusstsein für die kognatische Abstammung im Unterschied zu den romanischen Ländern stets lebendig geblieben. Obwohl das System des familiären Sippenverbandes spätestens seit 11 Vgl. Aleida Assmann: Zur Metaphorik der Erinnerung. In: Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung. Hrsg. von Aleida Assmann/Dietrich Harth, Frankflirt a. Μ . 1991, S. 1 3 - 3 5 , hier S. 2 7 . 12 Klaus Heinrich: Die Funktion der Genealogie im Mythos. In: Parmenides und Jona. Vier Studien über das Verhältnis von Philosophie und Mythologie, Frankfurt a. M . 1966, S. 9—28, hier S. 20. Heinrich beruft sich bei der Begriffsbildung der »ursprungsmythischen Geisteslage« auf die Arbeit von Paula Philippson: Genealogie als mythische Form. Studien zur Theologie des Hesiod, Oslo 1936.
13
'Das Tundament der J/lacktbebauptung dem 15. Jahrhundert von der Priorität der agnatischen Linie geprägt war, blieb immer auch die Kenntnis der Abstammung von und über weibliche Vorfahren erhalten. Mitunter konnte dieses rezessive Potential der weiblichen Abstammungslinie sogar neu belebt werden, etwa im Erbfall nach dem Aussterben sämtlicher Agnaten einer Dynastie. Der Marien- und der Annenkult am Ausgang des Spätmittelalters unterstützte zudem das Bewusstsein für die matrilineare Abkunft Christi. U n d damit wurden alle diejenigen bestärkt, die sich für ein weltliches Herrscheramt, für eine Regentschaft prädestiniert sahen. 13 Das operative Feld der Ahnentafel, das den Probanden zugleich mit den beiden Kriterien Induktion und Deduktion behandelte, hat den frühneuzeitlichen Fürsten in ein vielschichtiges Beziehungsgefüge eingesetzt. Vor allem war nun seine politische Stellung wissenschaftlich erörterbar geworden, weil man seinen historischen Ort mit den logischen Kriterien der Analyse, der Falsifikation und der Verifikation herleiten und bekräftigen konnte. Je genauer dieser Beweis geführt wurde (etwa über die Anzahl der aufgeführten Generationen), desto glaubwürdiger wurde die Position des Fürsten als Regenten. Erst mit dem System der Ahnenwappen war der Fürst — im Gegensatz zur Einsträngigkeit der Ahnenreihe — zeitlich und räumlich erweitert worden, was ihn gegenüber anderen eventuell um die Herrschaft konkurrierenden Personen insofern hervorhob, als er nun zugleich eine konzentrierte Einheit der Vielheit war (als Substanz), wie auch eine ausgedehnte Vielheit des Einen (als Phänomen und Erscheinung). 1 4 M i t dem Körpergebiet (Helmuth Plessner) seiner Ahnen und Ahnenwappen konnte der Fürst eine Stadt oder auch
L1 Hierzu vgl. Angelika Dörfler-Dierken: Die Verehrung der heiligen Anna in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Göttingen 1 9 9 2 ( = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 50). 14 Zu Leibniz' Begriff des Universums vgl. Hans Heinz Holz: Gottfried Wilhelm Leibniz, Frankfurt a. M . / N e w York 1992, S. 128.
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T^lian
fleck
ein ganzes Territorium umfassen. 15 Hier genau liegt das Potenzial dynastischer Macht geborgen, welche über die Ausbreitung der Wappen den eigenen Herrschaftsbereich zeichenhaft manifestierte. Das Gebiet des eigenen Landes wurde — bis zu seinen äußersten politischen Grenzen — von der Dynastie und ihren heraldischen Marken durchmessen. Ein anschauliches Beispiel für solche body politics bietet Herzog Ulrich zu Mecklenburg (f 1603). Herzog Ulrich und seine Gemahlin Elisabeth setzten in das mecklenburgische Land ihre Wappen, wo immer sie dazu in der Lage waren. Nicht nur ihre Letzte Ruhe im Dom zu Güstrow mit einem aufwendigen Grabmonument wurde über und über mit den Wappen ihrer Ahnen bedeckt (Abb. I), auch im Festsaal im Güstrower Schloss befindet sich eine Ahnenprobe von Herzog Ulrich (Abb. 4). Die Münzprägungen mit dem mecklenburgischen Wappen verteilten zudem die Wappen über die verschiedenen Orte des Landes, wann immer diese Münzen durch die Hände der herzoglichen Untertanen glitten. Auch Abendmahlskelche wie der für die Hospitalkirche zum Heiligen Geist in Bützow wurden vom herzoglichen Paar gestiftet. 16 Jedem Einzelwappen des herzoglichen Paares war somit die Fähigkeit zur symbolischen Emission höher differenzierter genealogischer Systeme wie der Ahnenprobe immanent, ohne sie in jedem Fall mobilisiert zu haben. Allein diese Potenz zur möglichen Auffaltung ließ das Wappen an jedem seiner Anbringungsorte, an den Stadttoren oder am Rathaus, zu einem rhetorischen Zeichen werden: Jeder Rezipient in der Stadt muss sich darüber bewusst sein, dass er hier einer ganz spezifischen »Duftmarke« begegnet, die kompetent genug sein könnte, gleich einen ganzen Bedeutungskomplex aufzufahren. Wenn
15 Helmuth Plessner: Die Stufin des Organischen und der Mensch ( 1 9 2 8 ) , Berlin/New York 1975, S. 158. 16 Vgl. Friedrich Schlie (Bearb.): Die Kunstund Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Bd. IV: Die Amtsgerichtsbezirke Schwann, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz und Plan, Schwerin 1901, S. 69.
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"Das ^Fundament
derjiachtbehauptung
Abb. 4 — Güstrow, Schloss. Decke, Rehfries sowie Ahnenwappen von Herzog Ulrich im Festsaal, Detail.
also das mecklenburgische Wappen an den Grenzen des Territoriums aufgestellt wurde, dann war das auch ein Indiz für die Gegenwart der Dynastie im Lande. Der Proband ist hier zum Fixpunkt in einem hierarchisch gegliederten System geworden, er ist der monumentalisierte Kern in einem räumlich angelegten System. Der erschaute Raum des eigenen Landes wurde — bis zu seinen äußersten politischen Grenzen — durchmessen von der Dynastie und ihren heraldischen Marken.
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D E R STAMMBAUM Z E I T , R A U M UND ALLTAGSTECHNOLOGIE IN DEN VERERBUNGSWLSSENSCHAFTEN von Claudia Castaneda
I n der Genetik weiß man inzwischen allgemein, welche grundlegende Bedeutung der Stammbaum oder »Familienstammbaum« 1 für die Gewinnung genetischer Erkenntnisse sowohl in der Klinik als auch im Labor besitzt. Wie wirken sich also die Konstruktion und Anwendung von Stammbäumen auf das genetische Wissen und seine zugehörigen Praktiken aus? I. DER STAMMBAUM ALS »ALLTÄGLICHE« TECHNOLOGIE
Im Bereich der Genetik sind Stammbäume überall zu finden, und die Genetik selber wird auch in Untersuchungen zu Wissenschaft und Technologie gern als Hightech-Unternehmen dargestellt, in dem die Informatik eine zentrale, 1 Anmerkung zur Ubersetzung: Im Englischen wird sprachlich zwischen dem eher biologischen Terminus pedigree und der eher kulturellen Konnotation von geneohgical tree unterschieden, während man phylogenetic tree in beiden Feldern begegnet.
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'Oer ^tammbaum sogar entscheidende Rolle spielt. In diesem Zusammenhang will ich den Stammbaum nicht bloß als Diagramm, sondern als eine Technologie betrachten, und zwar als ganz alltägliche Technologie (Lowtech), die generativ mit der Produktion wissenschaftlichen Wissens zusammenhängt. Ich werde den Stammbaum zunächst in der besonderen britischen und amerikanischen Geschichte verorten, wo er in unterschiedlichen wissenschaftlichen, medizinischen und breiteren kulturellen Zusammenhängen in Erscheinung trat. Dabei möchte ich drei Beispiele fur veröffentlichte Stammbäume erörtern, die Teil des wissenschaftlichen und medizinischen Diskurses unterschiedlicher geschichtlicher Zeiträume sind. Dabei interessieren mich vor allem die beiden folgenden Aspekte: erstens die verschiedenen, in jedem Stammbaum hervortretenden Informationsarten und die verschiedenen mit ihnen verbundenen Erkenntnis- und Forschungsarten,· und zweitens die Kontinuitäten in der Erscheinung und der Verwendung von Stammbäumen über alle Unterschiede hinweg. 2. STAMMBAUM UND ZUCHT (ENGLAND, M I T T E BIS ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS)
Einer der großen Vorzüge des Stammbaums in Wissenschaft und Medizin bestand im Besonderen darin, dass er ohne großes Spezialwissen konstruiert werden konnte. Nichtfachleute können ihren eigenen medizinischen Stammbaum zu wissenschaftlichen Zwecken erstellen und tun das auch. Zugleich hat die Popularität des Stammbaums diejenigen Wissenschaftler und medizinischen Fachleute immer vor Probleme gestellt, die darauf beharrten, dass die Öffentlichkeit unterscheiden lernen müsse zwischen »wahren« biologischen Informationen bezüglich der Vererbung und unklaren sozialen oder fiktiven Vorstellungen. S o wirft etwa die Adoption Probleme auf, weil hier die sozialen Beziehungen nicht mit den biologischen Erbschaftsverhältnissen übereinstimmen. Untreue wiederum führt zu Schwierigkeiten, weil
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