Gemeines Recht: Eine systematische Einordnung der Rechtsfigur und ihrer Funktion sowie die Bestimmung der inhaltlichen Probleme aus der Sicht des 18. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428508853, 9783428108855

Das »Gemeine Recht« (ius commune) hat mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches endgültig an praktischer Bedeutung

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Gemeines Recht: Eine systematische Einordnung der Rechtsfigur und ihrer Funktion sowie die Bestimmung der inhaltlichen Probleme aus der Sicht des 18. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428508853, 9783428108855

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 101

Gemeines Recht Eine systematische Einordnung der Rechtsfigur und ihrer Funktion sowie die Bestimmung der inhaltlichen Probleme aus der Sicht des 18. Jahrhunderts

Von

Andreas Daniel

Duncker & Humblot · Berlin

Andreas Daniel · Gemeines Recht

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 101

Gemeines Recht Eine systematische Einordnung der Rechtsfigur und ihrer Funktion die Bestimmung der inhaltlichen Probleme aus der Sicht des 18. Jahrhunderts

Von

Andreas Daniel

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich V der Universität Trier hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-10885-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meinen Eltern Hans-Jürgen und Ursula

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Zusammenhang mit dem am Fachbereich V (Rechtswissenschaft) der Universität Trier von Herrn Prof. Dr. Peter Krause geleiteten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Aufklärung im Zusammenwirken von Staat, Philosophie und Öffentlichkeit: Die preußische Rechtsreform 1780-1798" und ist im Wintersemester 2001/2002 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen worden. Berichterstatter sind Herr Prof. Dr. Peter Krause (Erstgutachten) und Herr Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Wieling (Zweitgutachten) gewesen. Tag der mündlichen Prüfung war der 14. Dezember 2001. Die Idee zu dem behandelten Thema kam bei der Fragestellung nach der historischen Einordnung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten" und des Allgemeinen Gesetzbuchs (AGB)/Allgemeinen Landrechts (ALR) auf: Als der preußische Großkanzler Johann Heinrich Casimir von Carmer am 3. April 1780 Friedrich dem Großen vorschlug, für alle seiner Herrschaft unterworfenen Gebiete ein einheitliches Gesetzbuch zu erlassen, lehnte der König die dadurch zu befürchtende Veränderung des Rechts ab und ließ allein dessen Klarstellung zu. In seiner Kabinettsorder vom 6. April 1780 bestand er vielmehr darauf, „nach den differenten Gebräuchen in den Provintzien für jede ein besonderes Gesetz zu machen, nehmlich vor Schlesien, vor Preußen, vor Pommern und die Neu=Mark, vor die Chur=Mark, vor das Magdeburgische und Halberstädtische, vor Minden und Ravensberg, vor Cleve und die Grafschaft Mark, und vor Ostfriesland wieder ein anderes." Auch der kurz darauf ergangene Gesetzgebungsauftrag vom 17. April 1780 bestimmte: „Da nun aber fast jede Meiner Provinz ihre besondere Verfassung, Statuten und Gewohnheiten hat, welche sehr von einander unterschieden sind, so muß für jede derselben ein eigenes Gesetzbuch gesammlet und darinn alles eingetragen werden, wodurch sich die Rechte der einen Provintz von den anderen unterscheiden." Erst die Einsicht des Königs, daß „dergleichen Provinzial=Statuta und Gewohnheiten sich nur auf gewisse Gegenstände einschränken, und keine allgemeine noch weniger aber vollständige Rechtsregeln enthalten [...]" führte dann zu dem viel weitergehenden Auftrag, auch ein „subsidiarisches Gesetz=Buch" anzufertigen, das offensichtlich als bloß ergänzendes Hilfsrecht in die Funktion des bisherigen gemeinen Rechts eingerückt sein sollte. Die Absicht des absolutistischen Gesetzgebers, an der Verdopplung des Rechts, nämlich an einem unmittelbar anwendbaren Partikularrecht und einem ergänzenden Hilfsrecht festzuhalten, blieb in der öffentlichen Diskussion nicht unumstritten. Die Meinungen darüber, ob sich der Entwurf eines Allgemeinen Gesetzbuches am tra-

8

Vorwort

dierten Vorbild eines bloß subsidiären Rechts, so wie es das Corpus iuris civilis in seiner Funktion als gemeines Recht über Jahrhunderte hinweg übernommen hatte, orientieren sollte, oder ob nicht besser die Einführung einer einzigen und unmittelbar geltenden Rechtsquelle, wie sie für Österreich bereits im Jahre 1766 der aus acht Bänden bestehende Entwurf des Codex Theresianus vorsah, die modernere und zwingendere Alternative gewesen wäre, gingen auseinander. Trotzdem bestätigte das Publikationspatent zur Einführung des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten am 5. Februar 1794 den Gesetzgebungsauftrag vom 14. April 1780, indem es das „allgemeine Landrecht an die Stelle der [...] bisher aufgenommen gewesenen Römischen, gemeinen Sachsen- und andrer fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze" setzte. Um die sich hier bereits abzeichnende Funktion des Entwurfs eines Allgemeinen Gesetzbuchs und des Allgemeinen Landrechts im Verhältnis zu den einzelnen preußischen Provinzialrechten besser bestimmen zu können, zielte die Aufgabenstellung zunächst auf eine Bestandsaufnahme desjenigen ab, was im 18. Jahrhundert in Preußen inhaltlich unter gemeinem Recht verstanden worden ist. Die Aufgabe hat sich als derzeit kaum lösbar erwiesen. Denn bereits zu Beginn der Arbeit zeigte sich, daß schon der Begriff „Gemeines Recht" selbst den Rechtsgelehrten der damaligen Zeit höchst unklar erschien. Eine genauere inhaltliche und systematische Bestimmung des Begriffs wäre aber schon damals notwendig gewesen. Denn ein Rechtssatz mit gemeinrechtlicher Qualität sollte gegenüber dem oft ungeschriebenen oder unklaren partikularen Recht im Prozeß einen Beweisvorteil besitzen. Blieb die Gemeinrechtlichkeit eines konkreten Rechtssatzes in Ermangelung klarer Abgrenzungskriterien im Verhältnis zu den übrigen Rechtsquellen aber eigentlich angreifbar, wäre der prozessuale Rückgriff auf eine als gemeines Recht nur angenommene Rechtsquelle kaum ausreichend zu rechtfertigen gewesen. Im Ergebnis hätte die Ungewißheit über das partikulare Recht und über das ergänzende Hilfsrecht insgesamt zu einem ius vagum und im Einzelfall zur richterlichen Willkür führen können. Weil bis heute ausführlichere Untersuchungen fehlen, die sich mit einer systematischen Einordnung des Begriffs und der Funktion der Rechtsfigur sowie der Darstellung der inhaltlichen Krise des gemeinen Rechts, insbesondere aus der Sicht des 18. Jahrhunderts, beschäftigen, wurde die ursprüngliche Aufgabenstellung schließlich entsprechend abgeändert. Die Notwendigkeit hierfür ergab sich um so mehr, als sich schließlich herausstellte, daß das heutige Verständnis vom Begriff des gemeinen Rechts in seinem Bezug auf das römisch-kanonische Recht eigentlich erst im 19. Jahrhundert entscheidend geprägt worden ist. Die Arbeit dürfte daher, vor allem aber auch aufgrund der großen Anzahl der angeschnittenen Fragen, die sich bei der Beschäftigung mit dem Gemeinen Recht ergeben, erst am Anfang einer umfassenderen Auseinandersetzung mit dem Thema stehen. Mein Dank gilt in erster Linie dem Betreuer der vorgelegten Arbeit, Herrn Prof. Dr. Peter Krause, der den Anstoß zu dieser Arbeit gab und der mir jederzeit mit großer Geduld und Verständnis zur Seite stand. Ohne seine zahlreichen Anregungen

Vorwort

und Hinweise hätte die Arbeit kaum ihren Abschluß gefunden. Neben einer hier ungenannten Anzahl weiterer Personen möchte ich vorrangig meiner Lebensgefährtin Katrin und unserem gemeinsamen Sohn Julian Francis danken, denen ich viel Zeit schulde und die mir mit ihrer Zuneigung, besonders zum Ende der Arbeit, Mut und Ausdauer gegeben haben. Nicht zuletzt danke ich auch dem Verlag für die bereitwillige Aufnahme der Abhandlung in die Reihe „Schriften zur Rechtgeschichte". Berlin, im Juli 2002

Andreas Daniel

Inhaltsverzeichnis Einführung

17 1. Kapitel

Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh.

29

2. Kapitel Der Begriff „Gemeines Recht" und seine systematische und funktionelle Einordnung 1. Vorbemerkung 2. Abgrenzungsfragen 3. Synopse a) Antike aa) Der Allgemeinbegriff bb) lus commune im Corpus iuris civilis b) Mittelalter aa) Der Universalienstreit bb) Niederschlag des Universalienproblems im Recht c) Späte Neuzeit aa) Der Begriff „Gemeines Recht" im 18. Jh bb) Der Begriff „Gemeines Recht" im 19. Jh (1) Vorbemerkung (2) Horizontal/vertikal (3) Materiell/formell (4) Absolut/hypothetisch (5) Bedingt/unbedingt subsidiär (6) Historisch/juristisch 4. Zwischenergebnis

37 37 38 41 41 41 45 49 49 50 56 56 59 59 65 69 75 77 81 83

3. Kapitel Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh. 1. Inhalte des gemeinen Rechts a) Römisches und kanonisches Recht b) Langobardisches Lehnsrecht c) Einheimisches Recht d) Zusammenfassung

86 86 86 91 92 98

12

Inhaltsverzeichnis

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts a) Vorbemerkung b) Fehlende gesetzliche oder gesetzesähnliche Geltung aa) Translatio imperii bb) Lothar-Legende und andere formelle Gründe cc) Unregelmäßige Gewohnheit in Deutschland (1) Gewohnheit in den Territorialstaaten (2) Umfang des gerichtlichen Gebrauchs (3) Partikularität des römischen Rechts dd) Zusammenfassung c) Lösungsansätze im Bereich des positiven Rechts aa) Ausgangssituation bb) Gleichmäßige Geltung „ex receptione"? (1) Rezeption „in complexu" (2) Exkurs: Der Begriff „Rezeption in complexu" cc) Zusammenfassung d) Lösungsansätze im Bereich des überpositiven Rechts aa) Vorbemerkung bb) Gründe für die Aufnahme des römischen Rechts (1) Ausgangssituation (2) Meinungsstand seit dem 19. Jh (3) Diskussion cc) Metaphysische (umfassende) Geltung (1) Der Geltungsgrund des Naturrechts (a) Antike (b) Spätmittelalter (c) Späte Neuzeit (d) Exkurs: Das moderne Geltungsverständnis (e) Zusammenfassung (2) Römisches Recht ~ Naturrechrt dd) Zusammenfassung e) Zusammenfassung 3. Rechtsanwendungsverhältnisse a) Gemeines und partikulares Recht aa) lus commune habere fundata intentio bb) Diskussion b) Gemeines Recht und gemeines Recht c) Zusammenfassung 4. Zwischenergebnis

98 98 101 101 104 108 108 110 118 122 123 123 125 125 131 133 134 134 137 137 140 158 160 160 160 163 164 168 169 169 183 184 185 185 185 189 194 197 198

4. Kapitel Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz 1. Das Allgemeine Gesetzbuch/Allgemeine Landrecht (1792/1794) 2. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) 3. Zwischenergebnis

201 201 213 216

Inhaltsverzeichnis

13

5. Kapitel

Gesamtergebnis

217

Materialien

223

Literaturverzeichnis

255

Personenregister

275

Sach-und Ortsregister

281

Abkürzungen a. A. ABGB Abt(h). AcP ADB a. E. AGB ALR

a. M. AöR Art. BGB BGBl. Cap. C.C.M.

d. d. ders. DJZ EG EGBGB EuGH f.

am Anfang; oder: andere Auffassung (Österreichisches) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abt(h)eilung Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Biographie am Ende Allgemeines Gesetzbuch für die Preussischen Staaten. Erster und Zweyter Theil, Berlin 1792 bey Joachim Pauli. Allgemeines Landrecht für die Preussischen Staaten. Erster bis Vierter Theil. Zweyte Auflage. Berlin, 1794. in der Buchhandl: des kön: preuß: geh: Commercien-Rathes Pauli, (Frankfurt) am Main Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896, RGBl. 195, BGBl. III 4 Nr. 400-2 Bundesgesetzblatt Caput = Kapitel Corpus Constitutionum Marchicarum Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marek Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta etc. von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, etc. bis ietzo unter der Regierung Friedrich Wilhelms Königs in Preussen etc. ad annum 1736 inclusive [= Bd. 1.]. Mit allergn. Bewilligung colligiret und ans Licht gegeben [...] Berlin und Halle, Zufinden im Buchladen des Waysenhauses (1737) Insgesamt 6 Theile (Teil 4 in zwei Bänden, Teil 5 und 6 mit je einem Band Anhang). Dazu die Fortsetzung von 1737 bis 1740 in vier Jahrgangsteilen mit der Abweichung im Titel. [...] Rescripta [...] von 1737 biß 1740 inclusive. Mit allergn. Bewilligung colligiret, und auf vorgehende Censur ans Licht gebracht, hrsg. von Christian Otto Mylius, Teil I - V I , Cont. I-IV, Suppl. Ad Cont. I—III, Repertorium, Berlin und Halle 1737-1755. de dato derselbe Deutsche Juristen-Zeitung Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof folgende

Abkürzungen ff. fol. funkt. Ggs. HRG Hrsg. i.Br. Jh. JZ K. m. w. Nachw. n.Chr. N.C.C.

NDB NJW No. NS ObTr. OLG Pag. RGBl. RKGO röm. Rz. S. s.o. Sp. sq. sqq. SS. StrA. s.u. syst. usw. u.U.

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fortfolgende folio = Seite funktionell Gegensatz Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte: HRG/hrsg. von Adalbert Erler. Band I (1971) - Band 5 (1998), Berlin Herausgeber oder: hrsg. = herausgegeben im Breisgau Jahrhundert Juristen-Zeitung Kaiser mit weiteren Nachweisen nach Christus Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum, Oder Neue Sammlung Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburgischer, sonderlich in der Chur- und MarekBrandenburg publicirten und ergangenen Ordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten, etc. vom Anfang des Jahres 1751 und folgenden Zeiten [...], Nebst einer Einleitung in die mannigfaltigen Gesetze eines Staats, [...]. [Bd. 1], Zu Berlin und an auswärtigen Orten zu bekommen, bey den Factoren der Königl. Preußischen Academie der Wissenschaften (1752—[1756]). fortgesetzt: Bd. 2-12. Berlin: ebd. 1761-1822 hrsg. von Christian Otto Mylius Neue Deutsche Biographie Neue Juristische Wochenschrift Numero Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747 Obertribunal Oberlandesgericht pagina = Seite Reichsgesetzblatt Reichskammergerichtsordnung von 1495 römisch Randzeichen Seite siehe oben Spalte sequens = folgende sequentes = fortfolgende Seiten Strafrechtsarchiv siehe unten systematisch und so weiter unter Umständen

16 v. Chr. vgl. vol. z.B. ZGB Ziff. ZRG (Rom./Germ. Abt.) ZNR ZRP

Abkürzungen vor Christus vergleiche volumen (Band) zum Beispiel (Schweizer) Zivilgesetzbuch Ziffer Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische/Germanistische Abteilung) Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift für Rechtspolitik

Einführung Der Begriff des gemeinen Rechts (lateinisch: ius commune) 1 ist in Deutschland, beginnend mit den Kodifikationen des Privatrechts 2 des 18. Jahrhunderts und endgültig mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900, zu einem rein historischen geworden. 3 Er hat danach jede praktische Bedeutung verloren. 4 Wolfgang Wiegand hat ihn aber „zu dem schillerndsten und wandelbarsten der Rechtsquellentheorie' 45 gezählt, und so bleibt sein richtiges Verständnis rechtshistorisch und rechtstheoretisch nach wie vor notwendig, weil uns der Begriff des gemeinen Rechts aus der Vergangenheit letztlich als ein gesamteuropäisches Phänomen zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Funktionen und Inhalten entgegen tritt. 6 Daneben war der Begriff des gemeinen Rechts bereits in den Zeitepochen un1

Wenn nachfolgend regelmäßig der Begriff „Gemeines Recht Verwendung findet, so ist damit synonym fast immer auch der Ausdruck ius commune gemeint. Die Bezeichnungen stimmen in ihrer Bedeutung jedenfalls im 18. Jahrhundert überein. Siehe Heinrich Christian Senckenberg, Methodus iurisprudentiae. Ex propriis peregrinis juribus Germaniae Receptae, Cap. I.: Generalia, §11, pag. 8, Anm. 1 : „Hinc vox Iuris communis aut gemeines Recht, [...]." 2 Auf die Bedeutung des gemeinen Rechts für das Strafrecht sowie für das öffentliche Recht, wo der Begriff vor allem für die Entwicklung des Allgemeinen Staatsrechts Bedeutung gewann, soll nicht, oder nur am Rande eingegangen werden. 3 Der erste Schritt zur Abschaffung der gemeinen Rechte wurde in Preußen durch die Einführung des „Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten" von 1794 getan, das mit Publikationspatent vom 5. Februar 1794 in § I bestimmte: „Das gegenwärtige allgemeine Landrecht soll an die Stelle der in Unsern Landen bisher aufgenommen gewesenen Römischen, gemeinen Sachsen- und andrer fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze treten; also von dem oben bemerkten Zeitpunkte, dem 1 sten Junius 1794 an, auf diese bisherigen subsidiarischen Gesetze und Rechte nicht mehr zurückgegangen, sondern in vorkommenden spätem Fällen nur noch nach den Vorschriften des gegenwärtigen Landrechts in allen Unsern unmittelbaren und mittelbaren Gerichtshöfen erkannt werden soll." Zur nur noch unwesentlichen Verbreitung und „Geltung" des Gemeinen Rechts nach Inkraftsetzung des Allgemeinen Landrechts siehe die Übersichtskarte bei Conrad Bornhak, Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, Anhang. Teilweise wurde vorher schon das gemeine Strafrecht aufgehoben. Den Anfang machte hier Bayern im Jahre 1751 durch seinen Codex iuris criminalis. Im Jahre 1768 folgte Österreich mit dem Strafgesetzbuch von Maria Theresia (1717-1780), 1781 Preußen in Betreff des Zivilprozesses durch das Corpus iuris Fridericianum. Das gemeine Recht gilt nach heute allgemeiner Meinung mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am 1. Januar 1900 endgültig, auch in theoretischer Hinsicht, als abgeschafft. 4 Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß in der heutigen Diskussion um die funktionelle Entwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsfigur des ius commune als Muster vereinzelt wieder hingewiesen worden ist. 5 Wolf gang Wiegand, Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, S. 12. 6 In Frankreich hat das römisch-kanonische Recht in der Funktion eines ius commune nie einen solch hohen Stellenwert gehabt, wie in Deutschland. Dort ist die wissenschaftliche Unter2 Daniel

18

Einführung

durchsichtig und dunkel, in denen ihm entscheidende praktische Bedeutung zukam. Er ist auch gegenwärtig keineswegs geklärt. Einer der Gründe ist, daß unsere Zeit nur wenig über die Ursachen weiß, die Rechtswissenschaft und -praxis in Deutschland lange Zeit dazu bewogen haben, das Recht, das ihnen notwendig partikular am jeweiligen Ort entgegen trat, in ein umfassendes, fertiges System eines subsidiär7 geltenden gemeinen Rechts einzubetten, anstatt, wie in einigen anderen europäischen Ländern auch, die Rechtsordnung aus dem tatsächlich geltenden Partikularrecht heraus zu entwickeln. Will man sich dem Begriff des gemeinen Rechts nähern, so stellt sich deshalb zunächst die Frage nach der besonderen Funktion, die diese Rechtsfigur in vergangenen Zeiten übernommen hat. Die Funktion des gemeinen Rechts ist aber, wie Hans Thieme (1906-2000)8 mit einer weitgehend zu beobachtenden methodischen Parallele auch zum englischen common law 9 begründet hat, von dem materiell-rechtlichen Inhalt zunächst streng getrennt zu betrachten.10 Darüber hinaus muß jede Identifizierung eines Rechtssatzes als gemeines Recht unsicher bleiben, solange man die systematische Einordnung des Begriffs und seiner Funktion im Rechtsquellengefüge nicht geklärt hat. Denn solange das Kriterium ungewiß ist, das einer Rechtsquelle die spezifische Eigenschaft eines gemeinen Rechts erst zuweist, bleibt jede Bestandsaufnahme seiner angenommenen Inhalte rein hypothetischer Natur. Weder die Rechtswissenschaft 11 noch die Praxis hatten es über die Jahrhunderte hinweg vermocht, eindeutige Klarheit über das wirklich geltende Recht zu Versuchung und praktische Anwendung der coutumes (Sonderrecht) jedoch auch nie in gleichem Maße vernachlässigt worden. Auch in England ist eine andere Entwicklung als in Deutschland festzustellen, obwohl die Bezeichnung „common law" leicht zu einer anderen Interpretation verleitet. Vgl. hierzu Peter Krause, Die Entwicklung der Juristenfakultät, S. 83 ff. 7 Subsidiär [...] u. subsidiarisch : a) unterstützend, hilfeleistend; b) behelfsmäßig, als Behelf dienend; subsidiäres Recht: Rechtsbestimmungen, die nur dann zur Anwendung gelangen, wenn das übergeordnete Recht keine Vorschriften enthält (entnommen dem Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, S.780). 8 Zur Person siehe den Nachruf von Bernhard Diestelkamp in: NJW 2001, 45 f. 9 Mit common law wurde in England das seit etwa dem 12. Jahrhundert von den königlichen Gerichtshöfen gesprochene Recht im Gegensatz zu den verschiedenartigen Stadt-, Dorf- und Ortsrechten bezeichnet. Auch hierunter ist also ein einheitliches, nach der lex communis ausgerichtetes und dem ganzen Land gemeinsames Recht verstanden worden. Das römische Recht wurde in England nicht als gemeines Recht rezipiert. Dennoch machte man sich die gemeinrechtliche Methode zunutze, um die örtlich verschiedenen Satzungen und Gewohnheitsrechte zum Teil mit Hilfe der Begriffe, die ihnen die Literatur der Glossatoren des römischen Rechts bot, vor allem aber mit einer konsequenten und weitsichtigen Rechtsprechung, mit dem gemeinen Recht zu einer Einheit zu verweben. Deshalb wurde schließlich behauptet, es seien beide, Gemeines Recht und common law, sogenannte „Juristenrechte", das heißt, sie entstanden unter wesentlicher Mitwirkung der Juristen und nicht durch den Gesetzgeber. 10 Hans Thieme, Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 116 f. 11 Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 10: „Ja! Alle unsere Wissenschaft hat uns noch nicht einmal zu sicheren Merkmalen geführt, wie weit die fremde Botanik [Anmerkung des Verfassers: Gemeint sind die fremden Rechte] angenommen ist und

Einführung

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schaffen. Die Klage über beider Hilflosigkeit 1 2 verdichtete sich i m 18. Jahrhundert schließlich zu scharfer Kritik am Zustand der Rechtsgelehrsamkeit insgesamt. 13 Lange Zeit war nämlich nur behauptet worden, daß allein das römische Recht in der Gestalt des Corpus iuris civilis 1 4 (oder auch Corpus iuris Justiniani) mit einer Reihe von Einschränkungen als wesentlicher Teil der geschriebenen gemeinen Reichs- oder Kaiserrechte 15 und damit als (gemeines) Hilfsrecht zu gelten hätte. Als sich i m späten 17. und frühen 18. Jahrhundert mehr und mehr die Erkenntnis von der Unrichtigkeit dieser Annahme durchsetzte, nahm unmittelbar danach die bis weit in das 19. Jahrhundert hinein äußerst kontrovers geführte Diskussion über die Existenz eines ius [commune] germanicum ihren Anfang, die selbst bis heute Wurzel gefasst hat: noch zu festen Regeln, wie die sich widerstehenden fremden und einheimischen Elemente organisch zu vereinigen sind." 12 Siehe hierzu die zusammenfassende Darstellung der Probleme, die die Übernahme der fremden Rechte mit sich gebracht hatte, bei: Samuel von Cocceji, Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preussen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht [...], Teil 1, Vorrede (pag. 3-14). 13 Siehe zum Beispiel die Äußerung von Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr (in: Anmerkungen über den Codicem Juris Bavarici Criminalis, worinn derselbe sowohl mit den gemeinen, als ehemalig statutarischen Criminal-Rechten genau collationirt [...] von einem unbenannten Authore, Ad Mandatum électorale Praemissum, S. 1: „Verwirrt= und mangelhaften Zustand. Von dem großen Verfall der heutigen Rechtsgelehrsamkeit überhaupt wäre viel zu reden;...."). 14 Während der Begriff des Corpus iuris schon bei Justinian (Codex 5, 13, 1 pr (De rei uxoriae actione in ex stipulata actionem transfusa et de natura dotibus praestita)) vorkommt und dort die Gesamtheit des Rechts bezeichnet (vgl. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 60), ist die Bezeichnung „Corpus iuris civilis" eine Schöpfung des 16. Jahrhunderts. Sie findet sich erstmals als Titel einer Gesamtausgabe der justinianischen Gesetzgebung aus dem Jahre 1583 des Dionysius Gothofredus (1549-1622) (vgl. Wolf gang Kunkel, Römische Rechtsgeschichte, S. 150). Das Gesamtwerk Kaiser Justinians (Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus (ca. 482-565)), das vor allem von seinem Justizminister Tribonian vorangetrieben wurde, gliedert sich in die Institutionen (es handelt sich dabei um ein in Anlehnung an Gaius (ca. 120-180) von den beiden Rechtslehrern in Konstantinopel Theophilos und Dorotheos (beide 6. Jh.) erstelltes amtliches Einführungslehrbuch für den Rechtsunterricht; vollendet und publiziert am 21. November 533 n. Chr.), die Digesten (oder Pandekten: Kompilationen aus klassischen Juristenschriften, bestehend aus 50 Büchern; 530/33 n. Chr.), den Codex repetitae praelectionis (Sammlung von kaiserlichen Reformkonstitutionen, die in zwölf Bücher eingeteilt ist; 528/529 n. Chr.; publiziert am 16. November 534 und am 29. Dezember des gleichen Jahres in Gesetzeskraft getreten) und die Novellen (535-582 n. Chr.). Zur Entstehung und Wirkungsgeschichte siehe Heinrich Dernburg, Pandekten, Erster Band, S. 17-23; Wolf gang Kunkel, Römische Rechtsgeschichte, § 11. Die justinianische Gesetzgebung, S. 146ff.; Okko Behrends, Zur Wirkungsgeschichte des Corpus iuris civilis, in: Corpus Iuris Civilis, Band II, S. XIII-XXII. 15 Zahlreiche Nachweise zu den Begriffen finden sich bei Johann Philipp Datt, Volumen rerum germanicarum novum, sive de pace imperii publica, Lib. IV., Cap. I. (H istoria Cameraiis Judicii in Comitiis Wormatianis anno 1495. Constituti ), pag. 713, Rz. 117 sq.; pag. 714, Rz. 133 sq., 136 sqq.; pag. 715 sq., Rz. 140 sqq., 144 sqq. Unter dem Begriff des gemeinen Rechts wurde im 17. Jahrhundert noch vielfach das Kaiserrecht „beider" Quellen verstanden, was sich aus der Terminologie der Zeit ergibt. 2*

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nicht mit einem eindeutigen Ergebnis beigelegt werden konnte.16 Bei dieser Auseinandersetzung war eine der zentralen Fragen, ob man verschiedenen einheimischen Rechtsquellen des Mittelalters eine ähnliche, gemeine Verbindlichkeit 17 beilegen könne, wie sie für das römische Recht in Deutschland, abgeschwächt auch in anderen europäischen Ländern, über die Jahrhunderte hinweg angenommen worden war. 18 Wenn man auch dem einheimischen Recht einen gemeinrechtlichen Charakter beilegen wollte, 19 mußte allerdings vorweg geklärt sein, was die Ge16 Zur Dogmengeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts siehe die ausführliche Darstellung bei Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 15-105. Gerber ist der Ansicht, daß zumindest bei weiter Auslegung des Begriffes keine Einwände gegen seine Existenz zu finden seien, S. 109 f.: „Es ist nicht selten die Behauptung aufgestellt worden, daß zu der Zeit der Rechtsbücher des Mittelalters in Deutschland ein wirklich gemeines einheimisches Recht gegolten habe, und man denkt bei dieser Behauptung regelmäßig an die weitverbreitete Auctorität des Sachsenspiegels und seines Seitenstückes, des Schwabenspiegels. Faßt man den Begriff des gemeinen Rechts nicht streng in der Bedeutung auf, daß es ein in allen einzelnen Bezirken eines geographischen Ganzen aus dem Grunde anwendbares Recht sei, weil es durch eine für alle Theile dieses Ganzen gleichmäßig verbindende Norm eines Centralorganes sanctionirt worden, sondern begnügt man sich, hier unter gemeinem Rechte ein aus historischen Gründen überall anerkanntes Recht zu verstehen, so läßt sich gegen jene Ansicht im Ganzen wohl kein erheblicher Einwand finden." Siehe hierzu auch S.21, Fußn.21. 17 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 274: „Man ist nun zu leicht geneigt, die Aufgabe der Darstellung des deutschen Privatrechts in der Verfolgung des Zwecks erfüllt zu finden, eine mit dem Vortrage des römischen Rechts durchaus gleichartige Größe zu liefern. Diese Idee hat vom Anfange an den Bearbeitern des deutschen Privatrechts vorgeschwebt, und es haben dieselben die ihrer Ausführung entgegenstehenden Umstände auf eine bald feinere, bald plumpere Art zu überwinden gesucht...." 18 Heute folgern hieraus einige, daß vom Spätmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Länder des europäischen Kontinents durch ein gemeines Recht, das sogenannte ältere gemeine Recht, verbunden gewesen seien. Dieses habe auf dem antiken (sie!) römischen und dem kanonischen Recht beruht. Die Rechtswissenschaft, die diese Verbindung im Ergebnis vermittelt habe, sei damals nämlich keine national gebundene, sondern eine europäische Disziplin gewesen. Siehe zum Beispiel bei Reinhard Zimmermann, Das römisch-kanonische ius commune als Grundlage europäischer Rechtseinheit, S. 8 ff. (10). Zur Kritik an Helmut Coing (1912-2000) [zur Person siehe den Nachruf in: NJW 2000, 3480f. und ausführlich in: NJW 2001, 1029 ff.] siehe diesbezüglich bei Wilhelm Brauneder, Europäisches Privatrecht - aber was ist es?, S. 225 ff., S. 226. 19 Siehe zur Intention bei Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S.243: „Ehe jedoch diese selbst begonnen wird, möge noch die Bemerkung Raum finden, daß das Princip, welches wir suchen, diejenigen Eigenschaften besitzen muß, durch welche dem dargestellten Stoffe der Charakter eines gemeinrechtlichen verliehen wird." S.244f.: „Uebrigens kann an dieser Stelle unserer Untersuchung noch nicht entschieden werden, ob der Begriff der Gemeinrechtlichkeit bei dem von uns zu suchenden Principe [des angenommenen gemeinen deutschen Privatrechts] in der Art angewandt werden könne, daß er sich auf ein unmittelbar anwendbares Recht bezieht, oder ob nicht vielmehr nur von allgemeinen, überall sichtbaren Grundlagen und Principien der Rechtsbildung gesprochen werden kann, welche auf dem Wege einer künstlichen Analyse und mittelst anatomischer Operationen aus den positiven Rechtsstoffen zu einem anderen Zwecke entwickelt werden, als um ein unmittelbar praktisches und zur Anwendung geeignetes Recht zu schaffen. Von selbst versteht es sich übrigens, daß hier nur von einem in geographischer Hinsicht gemeinen Rechte

Einführung meinrechtlichkeit eines Rechtssatzes überhaupt ausmachte. 20 Die Fragestellung ist also nicht nur für das ius [commune] germanicum von besonderer Bedeutung, also in dem Bereich, in dem sie besonders i m 19. Jahrhundert sehr ausführlich diskutiert wurde, sondern sie hat grundsätzliche Tragweite für den Begriff des gemeinen Rechts insgesamt. Die rechtsgeschichtlich bis heute nur wenig geklärte systematische Einordnung des Begriffs vom gemeinen Recht und seiner Funktion führt dazu, daß immer wieder nur ungenau von einem gemein-römischen oder einem gemein-deutschen Recht die Rede ist. Oft findet sich zwar auch die etwas genauere Beschreibung, daß das römische und das kanonische Recht, das langobardische Lehnsrecht, in einigen Teilen Deutschlands 21 auch das Sächsische, 22 das Preußische, das Pfälzische und das Würtdie Rede ist (man spricht auch von einem gemeinen Rechte im Gegensatze des für besondere Stände geltenden), dessen Ausdehnung auf rein historischen Gründen beruht und nicht auf einer fortdauernden juristischen Nothwendigkeit, da sich unter den dem deutschen Privatrechte zufallenden Stoffen nur wenige nachweisen lassen, deren Quellen auf der Wirksamkeit eines für ganz Deutschland als solchen geltenden Factors der Rechtsüberzeugung beruhte." 20 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 137 f.: „Vielmehr ist das römische Recht nur als ein subsidiarisch gültiges Recht recipirt worden, d. h. nur in dem Sinne, daß es die Lücken des einheimischen Rechts ergänze und stets nur mit den Modificationen angewandt werden solle, welche die Existenz entgegenstehender deutschrechtlicher Institute fordert. Die Aufgabe der Wissenschaft und Gesetzgebung wäre es nun gewesen, diese vorhandenen einheimischen Rechtssätze zu fixieren und zu schützen, und nach dem auf diese Weise gewonnenen Maßstabe eine Vereinigung des römischen Rechts mit dem einheimischen herzustellen, in welcher das System des Letzteren als das Principale und jenes nur als ein Complement sich dargestellt hätte; diese Aufgabe war jedoch eine überaus schwierige und setzte voraus, daß man die innere Natur der beiden Rechte klar erfaßt, und die gegenseitigen Wahlverwandtschaften derselben vollständig begriffen hätte." [...] S. 143: „Anstatt aber diese Pflicht zu erfüllen, überließ man das einheimische Recht seinem Schicksale, und berücksichtigte allein das römische Recht, dem man auf diese Weise den größeren Theil des Bodens zutheilte." 21 Die Behauptung, das sächsische Recht sei Ausdruck eines in ganz Deutschland geltenden gemeinen Rechts deutsch-rechtlichen Inhalts gewesen, konnte bis heute nicht bewiesen werden. Die Vertreter dieser These berufen sich zu einem großen Teil auf die weite Verbreitung des Sachsenspiegels. Die Debatte über ein gemeines Recht deutsch-rechtlichen Inhalts, die etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts emsthafter geführt wurde und im Gefolge der Historischen Rechtsschule ihren Höhepunkt dann im 19. Jahrhundert fand, übersieht allerdings, daß bei den entsprechenden Nachforschungen nur Territorien untersucht wurden, die das Sachsenrecht als gemeines Recht auch nachweislich übernommen haben. Zutreffend ist sicherlich, daß es sich in räumlicher Hinsicht um einen bedeutenden Teil Deutschlands (so nachweisbar auch für Preußen und Schlesien) gehandelt hat. Die weitere Behauptung aber, es habe sich dann sogleich auch um den Ausdruck eines in ganz Deutschland inhaltlich verbindlichen gemeinen Rechts gehandelt, konnte bisher jedoch nicht einmal nachvollziehbar begründet werden. Dazu vgl. Gunter Gudian, Gemeindeutsches Recht im Mittelalter?, S. 33-42 und Notker Hammerstein, Jus Publicum Romano-Germanicum, S. 717-753. 22 Aufgezeichnet im sogenannten Sachsenspiegel des ostsächsischen Ritters Eike von Repgow aus Reppichau (um 1200). Die Entstehung des Sachsenspiegels wird auf die Zeit zwischen 1220 und 1230 datiert.

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tembergische Landrecht, und darüber hinaus sogar das Lüneburgische, das Magdeburgische oder das Kulmische Stadtrecht,23 zu gewissen Zeiten an verschiedenen Orten inhaltlich als gemeine Rechte24 verstanden und behandelt worden sind. Welche Rechtssätze sich im Fall einer Kollision konkret als dauerhaft gemeinrechtlich erwiesen haben, bleibt aber in allen Fällen unklar. 25 Darüber hinaus ließ sich jedenfalls im 18. Jahrhundert über die anzunehmenden Inhalte des gemeinen Rechts neben dem römischen Recht wegen des teilweise sachlich nur begrenzten Umfanges und den mehr oder weniger vorhandenen inhaltlichen Diskordanzen innerhalb der einen oder anderen Rechtsquelle auch noch trefflich streiten. Aber selbst das römische Recht, das bis dahin geradezu als das Paradigma des gemeinen Rechts angenommen worden war, ist nach und nach unter Druck geraten. Denn die Rückführung eines allumfassenden und einheitlichen (positiven) Geltungsgrundes in complexu26 auf einen historischen Gesetzgebungsakt konnte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eigentlich kaum noch ernsthaft vertreten werden. Gegen den beträchtlichen Widerstand der damals herrschenden Meinung konnte nachgewiesen werden, daß das römische Recht nicht aufgrund eines Gesetzes, sondern allein über die wissenschaftliche Forschung und Lehre an den Universitäten und später über den Gebrauch an den Gerichten Eingang in das einheimische Rechtsleben der Territorien gefunden hatte. Damit war der Geltungsgrund und -umfang allerdings fraglich geworden. Denn die Aufnahme des römischen Rechts in den gerichtlichen Gebrauch war inhaltlich und örtlich offenkundig nur unvollständig und darüber hinaus auch unterschiedlich erfolgt. So war immer unbestritten, daß beispielsweise das Statusrecht in Deutschland nie geltendes Recht geworden ist; 27 ähn23

So wurde beispielsweise das „Magdeburgisch Willkür=Recht" von der Stadt Breslau im Wege des Herkommens als ergänzendes Hilfsrecht schon seit uralten Zeiten herangezogen. Vgl. Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzialgesetze zum täglichen Gebrauch, Einleitung, S.IVf. Zum ius culumnese und seiner ebenso überregionalen Verbreitung siehe bei Janusz Sondel, Elemente des römischen Rechts in den Kodifikationsprojekten des Kulmer Rechts, S. 25 f. 24 Das Publikationspatent vom 5. Februar 1794 sprach in § I von einer Vielzahl der bisher aufgenommenen fremden „subsidiarischen" Rechte und Gesetze. Siehe dazu auch den auf S. 17 in Fußn. 3 wiedergegebenen Wortlaut. 25 Hans Thieme, Art. „Gemeines Recht", Sp. 1506; ders., Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111. Die zahlreichen Belege im Deutschen Rechts Wörterbuch [(Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache), Art.: „Gemeines Recht", XIII. Sp. 103-106] lassen völlig offen, was unter dem Begriff des gemeinen Rechts inhaltlich eigentlich verstanden wurde. 26 Ab wann der Begriff der Rezeption in complexu gebräuchlich wird, ist nicht geklärt. 27 Vgl. für alle Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Zweyter Theil, XXVI. Wie die Rechtskraft der in Teutschland üblichen fremden Gesetzbücher zwar im Grunde auf irrigen Meynungen beruhe, aber doch noch fest bestehe?, S.63, Rz. 12: „Nur gewisse Dinge blieben übrig, wo die Römische Denkungsart und Verfassung von der Teutschen so unterschieden war, daß Römische Gesetze, die sich darauf bezogen, entweder gar nicht, oder doch nicht durchgängig in Teutschland in Gang gebracht werden konnten. (Rz. 13) Solche Knechte, wie sie in Rom gewöhnlich waren, hatte der Teutsche nicht. Und die bloß willkührliche Einschränkung der Verbindlichkeit eines mündlichen Versprechens auf gewisse feierlich ausgesprochene Worte hat in Teutschland nie Beyfall gefunden."

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liches galt für den besonderen Bereich des Bergrechts, das von Theorie und Praxis des gemeinen Rechts fast gänzlich unberührt blieb.28 Daneben war die Anwendung des römischen Rechts in einigen Territorien grundsätzlich selten oder kann teilweise sogar überhaupt nicht festgestellt werden. Auch eine gewohnheitsrechtlich umfassende Geltungsbegründung des römischen Rechts bereitete plötzlich Schwierigkeiten grundsätzlicher Natur. Denn gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte man erkannt, daß sich die positive Geltung gemeinen Rechts nur bezogen auf ein bestimmtes Gebiet für das es gelten soll, also im strengen Sinne partikular, behaupten ließ. 29 Wenn damit beispielsweise für die ostfriesischen, kur- und neumärkischen sowie westpreußischen Stände im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts aber nahe lag, 30 daß das gemeine Recht in Ansehung seiner nur partikularen Geltung auch selbst nur bloß partikularer Natur war, wurde das übliche Verständnis vom Verhältnis des gemeinen zum partikularen Recht auf eine ernsthafte Probe gestellt. Weil ein positiver Geltungsgrund unter verschiedener Betrachtung also mehr als fragwürdig erscheint, stellt sich die Frage, ob und mit welcher Begründung man in Deutschland dann überhaupt noch von einem gemeinen Recht sprechen konnte. Das Bewußtsein von einem „Corpus Christianorum" 31 macht zwar verständlich, warum die universitäre Rechtswissenschaft im Mittelalter auf das Corpus iuris civilis und nicht irgend ein anderes geschlossenes Rechtssystem als Hilfsrecht zurückgriff; zumal solange sie damit die Anwendung des einheimischen Rechts in der Praxis noch unberührt ließ. Warum dieser Rückgriff aber schon kurz darauf dazu führen konnte, daß das römische Recht in die Position eines praktischen gemeinen Rechts eingerückt war, bleibt rätselhaft, und führt zu der Frage nach den eigentlichen Ursachen der theoretischen und praktischen Rezeption. 32,33 Ein unterschiedlicher rechtlicher Status kommt bei den Römern beispielsweise mit der üblichen Unterscheidung in cives und peregrini zum Ausdruck (Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 14, S. 229). 28 Abgesehen vom gelehrten Darstellungsstil der Juristen. Vor allem war das Bergregal mit der römischen Auffassung der Bergbaumineralien als viscera fundi und somit als Eigentum des Grundeigentümers nicht vereinbar. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 14, S.237. 29 Vgl. Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 198. 30 Dazu ausführlich unten S. 118f. 31 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §3, S.55. 32 Die Zeit vom 12. bis 14. Jahrhundert gilt als Epoche der theoretischen und das 15. und 16. Jahrhundert als Epoche der sogenannten praktischen Rezeption des römisch-kanonischen Rechts. Vgl. Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 124. Die praktische Rezeption gilt nach allgemeiner Meinung erst zum Ende des 16. Jahrhunderts als im wesentlichen abgeschlossen (dersebenda, S. 125, Fußn.2). 33 Zum Begriff der Rezeption, auf den weiter unten noch ausführlich eingegangen wird, siehe bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 124ff.; insbesondere §7, S. 124, Fußn. 1 m. w. Nachw.

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Franz Wieacker (1908-1994) hat neben anderen angemerkt, „daß alle Parteien im römischen Recht [im Mittelalter] das Recht der menschlichen Rechtsgemeinschaft schlechthin erblickten". 34 „Für sie alle war [das römische Recht] Naturrecht kraft geschichtlicher und metaphysischer Autorität und nahm im Gesamtentwurf des mittelalterlichen Rechtsdenkens den Rang einer allgemein verbindlichen Moral ein: all dies freilich, ohne auch nur in Italien selbst eine unmittelbare Anwendung durch die Rechtsprechungskörper zu fordern. So beriefen sich nicht nur die Juristen, sondern auch Kanonisten und die Moraltheologen selbst auf das römische Recht, seit die Dekretisten den [...] Gedanken des ius naturale gerade aus Institutionen und Digesten abgeleitet hatten."35

Es liegt also nahe, den Grund für eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Verbindlichkeit des römischen Rechts weniger im Bereich des positiven Rechts, als vielmehr im Bereich der (wissenschaftlich nur unpräzisen36) Metaphysik des Rechts zu suchen, die wegen der nur ungenügenden menschlichen Erkenntnismittel 37 allerdings auf schwieriges Gebiet führt. Wieacker hat hierzu festgestellt, daß jedenfalls für den mittelalterlichen Juristen zunächst weniger die Übernahme von Inhalten als vielmehr die wissenschaftliche Methode im Vordergrund stand. Die Rechtswissenschaft des Spätmittelalters habe nämlich „weder die „Richtigkeit" der Textaussage vor dem Forum einer voraussetzungslosen Vernunft erweisen, noch sie historisch begründen oder verstehen, noch auch sie für das „praktische Leben nutzbar" machen wollen. Sondern sie habe vielmehr versucht, sich mit dem Organ der Vernunft - und das ist für sie die Schullogik - der unumstößlichen Wahrheit der Autorität erst zu vergewissern." 38 [Die] „Überzeugung der mittelalterlichen Juristen, daß im Corpus iuris die Vernunft selbst Wort, daß sie ratio scripta geworden ist, kann [allerdings nicht nur] von uns nicht mehr nachvollzogen werden," 39 sie war auch schon im späten 18. Jahrhundert kaum mehr tragfähig. Wenn man nämlich den subsidiären Geltungsanspruch des römischen Rechts mit der älteren Naturrechtslehre auch weiterhin allein mit seinen 34 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 51. Auch Friedrich Wilhelm Ludwig Bornemann hat im römisch-kanonischen Recht im 19. Jahrhundert eine abstrakte und von nationalen Besonderheiten unabhängige Größe gesehen (in: Systematische Darstellung des preussischen Civilrechts mit Benutzung der Materialien des Allgemeinen Landrechts, S. 30: „V. Das römische Recht. §. 8. [...] Statt dessen schreite ich vielmehr zu der Behauptung fort, daß das Grundprincip des römischen Lebens und Rechts die Verwirklichung des, von jeder anderen menschlichen Geistesrichtung abstrahirten und namentlich der Liebe entbehrenden, absoluten oder eisernen Willen ist"). 35 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §3, S.51. 36 Johann Nicolaus Tetens, Gedancken über einige Ursachen, warum in der Metaphysik nur wenige ausgemachte Wahrheiten sind, pag. 13 f. 37 Johann Heinrich Lambert, Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein, Alethiologie, 1. Hauptstück, §§58-61 (S.490-493). 38 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 54. 39 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 55.

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inneren 40 · 41 Qualitäten begründet hätte, wäre der mehr und mehr anerkannte positivistische Gesetzesbegriff in eine „Schieflage" geraten. Denn eine subsidiarische Geltung neben dem Gesetz war bestenfalls für das natürliche Recht anzuerkennen. Damit stimmte das römische Recht aber bestenfalls nur teilweise überein. Darüber hinaus war auch unklar, in welcher Eigenschaft die übereinstimmenden Rechtssätze des Naturrechts und des römischen oder kanonischen Rechts tatsächlich zur Anwendung kamen. Die Begründung eines inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen subsidiären Geltungsanspruchs des römischen Rechts mit bloß inneren Qualitäten konnte im späten 18. Jahrhundert also nur noch gelingen, wenn und soweit man das gesamte römische Recht nach wie vor als das ius scriptum mit der ratio naturalis identifizierte. Neben der Schwierigkeit, den Inhalt des gemeinen Rechts und seinen Geltungsgrund und -umfang zu klären, war im 18. Jahrhundert auch noch das richtige Anwendungsverhältnis der verschiedenen Rechtsquellen zueinander zu bestimmen. Die als „rechtspolitisch ausgewogene Theorie" 42 gepriesene Lehre des „habere fundatam intentionem"43 hatte für die Praxis in diesem Zusammenhang zwar eine zentrale Bedeutung. Tatsächlich war sie jedoch nur noch juristische Hilfskonstruktion zur Überwindung und Vermeidung einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem unsicheren Begriff und Inhalt des gemeinen Rechts. Der Beweisvorteil, den ein Rechtssatz des römischen Rechts hierdurch nach wie vor genoß, schaffte nämlich keine Begründung für seine subsidiäre Gemeinverbindlichkeit, sondern setzte sie bereits voraus. Weil also zusammengefaßt die zahlreichen Schwierigkeiten im Umgang mit dem Begriff des gemeinen Rechts, als auch die Unsicherheiten über seine Inhalte, deren Geltungsgrund und -umfang, sowie das unklare Vorrangverhältnis für den Fall des Konflikts inhaltlich verschiedener gemeiner Rechte im Verhältnis zum Partikularrecht nicht autoritativ außer Streit gestellt waren, blieb im Ergebnis auch das in con40

Die inneren Eigenschaften des römischen Rechts zogen schon die Legisten in Frankreich im 13. und 14. Jahrhundert als Geltungsgrund heran. Siehe Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 108. 41 So zum Beispiel Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Zweyter Theil, XXVI. Wie die Rechtskraft der in Teutschland üblichen fremden Gesetzbücher zwar im Grunde auf irrigen Meynungen beruhe, aber doch noch fest bestehe?, S. 61, Rz. 8,9: „Alle diese Gesetzbücher haben überdies, ein jedes in seiner Art, doch hauptsächlich freylich das Römisch Justinianische, solche beträchtliche Vorzüge, daß man ihnen die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß sie besonders in Ansehung der Menge einzelner Fälle, die sich darinn bestimmt und entschieden finden, bisher nicht ihres Gleichen haben. (Rz. 9) Das Römische Gesetzbuch hat insonderheit einen wahren innem Werth in Ansehung solcher Fälle, wo es nur darauf ankam, die wahren Grundsätze des Rechts der Natur in Anwendung auf ganz besondere oft sehr verwickelte Vorfälle genau und richtig zu bestimmen." Daß diese Auffassung gegen Ende des 18. Jahrhunderts allerdings nicht unumstritten ist, zeigt die Ansicht des Carl Christoph Gossler, Kurze Geschichte des bisherigen Gemeinen Rechts in den Preußischen Staaten, S. 302-340. 42 So Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 12, S. 208. 43 Dazu Wolfgang Wiegand, Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem", S. 126 ff.; und ausführlich ders., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, S. lOff.

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creto geltende Recht ungewiß. Die Forderung nach einer Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz wurde demzufolge immer dringender erhoben. Preußen hat sich dieser Forderung im 18. Jahrhundert zu stellen gesucht. Im Ergebnis hat es dabei einen eigenartigen Weg gewählt, das Nebeneinander eines vorrangig geltenden partikularen Rechts und eines, wenn auch gesetzlich klargestellten und einheitlichen gemeinen Rechts beizubehalten. Die Gesetzesredakteure hatten dieses jedoch nicht, wie zu zeigen ist, von vorneherein angestrebt. Dem Ansatz nach sollte nämlich in einem Gesetzeswerk aus allgemeinen und provinziellen Gesetzbüchern unter Wahrung der lokalen Rechtstraditionen ein gesetzlich bestimmtes Rechtssystem geschaffen werden. Das Ziel wurde aber letztlich nicht realisiert, weil der preußische Staat nach Erlaß des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten im Jahre 1794 nicht mehr in der Lage war, die partikularen Sonderrechte als Ausnahmen und Ergänzungen in die Kodifikation einzustellen. Das Allgemeine Landrecht wurde so zu einem Kompromiß zwischen den tradierten Vorstellungen des gemeinen Rechts und dem ebenfalls hergebrachten partikularen Recht, während es den Forderungen des ,,radikale[n] Vernunftrecht[s des 18. Jahrhunderts], die Autorität des positiven Rechts ganz neu aus dem Herrschaftsbefehl des Souveräns oder der politischen Willensgemeinschaft der Nation [zu legitimieren.]", 44

nicht mehr gerecht wurde. Im Widerstreit jeglicher Rechtsreform, die gegebene Rechtswirklichkeit zu wahren und sie zugleich zu bessern, hatten sich die Gesetzesredakteure aber bewußt nicht auf die Seite der radikalen Neuerung, 45 sondern auf die der vorsichtigen Anpassung geschlagen. Das ist zunächst wertungslos anzuerkennen, denn die Unterschiede in der Rechtswirklichkeit der verschiedenen Staaten einerseits und andererseits die Möglichkeiten voneinander abweichender Zielsetzung der Anpassung können unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen territorialen Gegebenheiten zu höchst unterschiedlichen Lösungen führen. 46 44

Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 55, Fußn.41. Er weist jedoch darauf hin, daß der Versuch von Friedrich Carl von Savigny, die kulturelle Autorität des römischen Rechts aus dem Geist des Zweiten Humanismus zu erneuem, daran nichts geändert habe. Savigny habe nur als eine Art Kulturstimmung die Begründung des rechtswissenschaftlichen Formalismus begleitet, der seit den Kodifikationen (s. o. S. 17, Fußn. 3) der Jahrhundertwende auch in Mitteleuropa in den Gesetzespositivismus überging. 45 In Österreich strebte man nicht erst seit Kaiser Joseph II. (1741-1790) die vollständige Beseitigung der räumlich territorialen Partikularität des geltenden Rechts bewußt an, und beschritt damit echtes Neuland. Der Grund bedürfte durchaus einer Erklärung. Vgl. Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.74. 46 Als man in Bayern dem Beispiel der Cocceji sehen Gesetzgebungsarbeit folgte, verzichtete Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr bewußt auf einschneidende Neuerungen und konzentrierte sich in dem dreiteiligen „Codex Juris Bavarici" (1751-1756) fast durchgängig auf die Positivierung des Gemeinen Rechts, Systematisierung und Rechtsvereinheitlichung. Die fortgeschrittene Verrechtlichung des öffentlichen und privaten Lebens in Bayern gebot ihm diese Behutsamkeit: „[...] Wir berühmen uns keineswegs viel Neu= und Seltenes, was nicht auch

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Der Begriff „Gemeines Recht" oder „ius commune" findet häufig im Zusammenhang mit der Darstellung der Rezeptionsgeschichte des römischen Rechts in materieller und prozessualer Hinsicht Erwähnung. Dennoch fehlt bis heute eine Darstellung, die sich mit einer genaueren systematischen Einordnung der synonymen Begriffe und ihrer Funktion beschäftigt, 47 und damit im Zusammenhang die Gründe aufzeigt, warum sich Rechtswissenschaft und -praxis des 18. Jahrhunderts mit einer näheren Bestimmung, und zwar nicht nur in inhaltlicher Hinsicht, schwer taten. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Arbeit geringer werden. Natürlich ergeben sich bei der Lösung der Aufgabenstellung Probleme. „Denn der innere Vorgang einer Begriffserzeugung entzieht sich jeder unmittelbaren Wahrnehmung. Liegt er in der Vergangenheit, so scheint jedes Mittel zu seiner Erkenntnis verloren, da keine Urkunde von der Entstehung oder Veränderung eines Rechtsbegriffes meldet. Und am wenigsten scheint ein Punkt, von dem aus eine sichere Erkenntnis gewonnen werden könnte, gegeben zu sein, wenn die Frage dahin formuliert wird, wie ein ganzes Volk in einer bestimmten Richtung gedacht habe oder denke. In der That kann bei Fragen, bei deren Gegenstand das Werden des Geistes berührt ist, nicht von einer Lösung, sondern nur von einer Annäherung an die Lösung die Rede sein."48 Im ersten Kapitel zeigen Stellungnahmen verschiedener Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts, welch große Unsicherheit der Begriff des gemeinen Rechts bei ihnen auslöste, und welche praktischen Folgen diese Unsicherheit für die Rechtswissenschaft und -praxis ihrer Zeit hatte. Im zweiten Kapitel geht es um die systematische Einordnung des Begriffs. Die Untersuchung geht dazu zunächst auf die verschon anderwärts dort und da anzutreffen seyn möchte, hierunter gesagt und auf die Bahn gebracht zu haben [...]. Diesemnach eignen wir uns selbst von dem ganzen Werck nicht viel mehr zu, als den beschwerlichen Auszug und Selectum, samt der Digestion, Ordnung und Methode, worauf es bey der ungeheuren Menge Schriften und Büchern, womit man heut zu Tag in omni scibili, sonderbar aber in Juridico gleichsam überschwemt ist, gewiß am allermeisten ankommt." (Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem. Erster Theil, Vorrede). An anderer Stelle heißt es etwas genauer: Während das römische Recht weiterhin subsidiär verbindlich sein sollte, „... soll in Sachen, welche etwan durch einheimisches Recht nicht genug bestimmt seynd, auf schicklich- und thunliche Weis zur Hülf gebraucht werden." (in: Codex Maximilianeus Bavaricus civilis oder Neu Verbessert- und Ergänzt- Chur- Bayerisches Land-Recht, 1. Teil, Cap. II, § 9). Zur allgemeinen Aussage vgl. Walther Gose, V. Das Ausgreifen der Kodifikationsidee, in: Peter Krause, Aufklärung und Gesetzgebung, S.27. 47 Carl Eduard Georg Bruns hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (in: Art.: „Gemeines Recht, S.208, Fußn. 1) festgestellt: „Eine vollständige und allseitige Abhandlung über diesen Gegenstand gibt es gar nicht." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bruns hat auf die seiner Meinung nach zu seiner Zeit noch vollständigste Abhandlung von Carl Georg von Wächter (in: Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, dort insbesondere S.4-17) hingewiesen. 48 Otto von Gierke , Das Deutsche Genossenschaftsrecht, Zweiter Band, Einleitung S. 1. Die Äußerung Gierkes steht zwar hier im Zusammenhang mit der Klärung des Körperschaftsbegriffes in Deutschland, jedoch ist kein Zweifel daran, ihn für eine Art allgemeingültig zu erachten. Und so gelten seine weiteren Äußerungen in entsprechender Weise durchaus auch für die vorliegende Arbeit (Einleitung S. 1-20).

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schiedenen Bedeutungen des lateinischen Wortes „communis, -e", insbesondere in seiner Beziehung zum objektiven Recht ein. Danach wendet sie sich synoptisch und schlaglichtartig der geistes- und rechtsgeschichtlichen Herkunft sowie der historischen Fortentwicklung des Begriffs seit der Antike zu, die erst in der späten Neuzeit ihren Abschluß findet. Wie zu zeigen ist, stammt erst aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ein wirklich systematischer Begriff des gemeinen Rechts, der eine Reihe der bereits im späten 17. und 18. Jahrhundert erkannten und darzustellenden Probleme des gemeinen Rechts aufgreift und einer Lösung zuzuführen versucht. Da der Begriff des gemeinen Rechts aus dem 19. Jahrhundert nicht zuletzt als unentbehrliche Verständnishilfe für frühere Epochen dienen kann - ohne allerdings hierfür eine bestimmte Bedeutung unterlegen zu wollen - , schließt die ausführliche Darstellung des Begriffs auch aus dieser Zeit das Kapitel ab. Das dritte Kapitel beschäftigt sich anschließend ausführlich mit den Inhalten, dem Geltungsgrund und -umfang sowie den Rechtsanwendungsverhältnissen des gemeinen Rechts im 18. Jahrhundert. In allen Bereichen werden die in dem vorstehenden kurzen Überblick angesprochenen Probleme näher beleuchtet. Eine inhaltliche Klarstellung unter funktioneller Beibehaltung des gemeinen Rechts erschien gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Preußen nur noch über die Verstaatlichung der Inhalte durch das Gesetz möglich zu sein. Hiermit beschäftigt sich im Kern das vierte Kapitel, bevor das fünfte Kapitel die Untersuchung mit dem Gesamtergebnis abschließt.

1. Kapitel

Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh. Der Wunsch nach einer klarstellenden Kodifikation des im heiligen römischen Reich deutscher Nation geltenden Rechts ist alt1 und wurde schon kurz nach Erlaß der Reichskammergerichtsordnung von 1495, im Jahre 1506 und 1521, in Briefen des Freiburger Humanisten Ulrich Zasius (1461-1535) geäußert, und durch das ganze 16. Jahrhundert in zahlreichen Schreiben und Widmungen an Kaiser KarlV. (1500-1558), Ferdinand I. (1503-1564) und Maximilian II. (1527-1576) wiederholt. 2 Es sind insbesondere Rechtsgelehrte wie Viglius Zuichemus ab Aytta (1507-1577), Joachim Mynsinger von Frundeck (1514-1588), Georg Schönborner (1579-1637) oder Peter Heinrich Stralendorff (1580-1637), die sich für eine autoritative Klarstellung des Rechts im Wege der Gesetzgebung einsetzen. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wird die Kritik an dem generell als mangelhaft empfundenen Rechtszustand und dem damit offensichtlich einhergegangenen „großen Verfall der Rechtsgelehrsamkeit"3 in Deutschland dann zunehmend energischer artikuliert. Es sind jetzt eine Reihe von namhaften Rechtsgelehrten wie beispielsweise Hermann Conring ( 1606-1681)4·5 oder Gottfried Wilhelm Leibniz 1 Vgl. Helmut Coing, Zur Vorgeschichte der Kodifikation: Die Diskussion um die Kodifikation im 17. und 18. Jahrhundert, S. 797 ff. und insbesondere zur Kritik am römischen Recht S. 800 ff. 2 E.[rnst Karl Berthold] Schwartz , Die Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen in Deutschland und die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 1 ff., 38 ff. 3 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr als: Anonymus, Anmerkungen über den Codicem Juris Bavarici Criminalis, S. 1.: „Verwirrt und mangelhaften Zustand, Von dem großen Verfall der heutigen Rechtsgelehrsamkeit überhaupt wäre viel zu reden; [...] man verweist aber den Leser kurz auf das, was bereits [...] die Vorrede des königlich=preußischen Codicis Fridericiani [von Samuel von Cocceji], mit mehreren hiervon angeführet hat." 4 Hermann Conring wird am 9. November 1606 in Norden (Ostfriesland) geboren. Nach überstandener Pest-Erkrankung besucht er dort die Lateinschule. 1620 erregt er die Aufmerksamkeit eines Helmstedter Professors, der ihn an die dortige Universität holt. 1625 setzt er das zwischenzeitlich begonnene Medizinstudium in Ley den fort. 1632 übernimmt er den Lehrstuhl für Naturphilosophie in Helmstedt. 1634 Lizentiat der Medizin. 1636 Promotion zum Dr. phil. und Dr. med.; kurz darauf Professor für Medizin. 1650 Professor für Politik, nachdem er vorher eine Reihe von staatsrechtlichen, historischen und politischen Studien betrieben hat. Conring verstirbt am 12. Dezember 1681 in Helmstedt. Aufgrund seiner vielseitigen Bildung wird Conring oft als einer der letzten Polyhistoren bezeichnet. Als Protestant war er ein Gegner des habsburgischen Kaisertums. Daher bedeutete für

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1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh.

(1646-1716),6 aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie Philipp Burghard (1627-1688),7 Ernst Joachim von Westphalen (1700-1759)8 oder Heinrich Ernst Kestner (1671-1723),9 die die Ursachen für die Unklarheit und Mangelhaftigkeit des geltenden Rechts ausführlich darlegen und Wege zu seiner Reform, insbesondere im Wege der Gesetzgebung, aufzeigen. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts ist es in besonderem Maße der damalige preußische Großkanzler Samuel Freiherr von Cocceji (1679-1755),10 der in dem von ihm ihn Herrschersouveränität nicht Zentralgewalt des Kaisers, sondern Absolutismus der Territorialherren. Entnommen aus: Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 99-102. Zur Person siehe auch bei H.-J. Becker, Art. „Conring, Hermann", Sp.633f.; Michael Stolleis, Hermann Conring und die Begründung der deutschen Rechtsgeschichte, S. 256ff. Grundlegend ist die Vita des Helmstedter Kollegen Melchior Schmid (in: Hermann Conring, Operum, Tomus I, pag. XiX sqq.). 5 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXV., pag. 177 ff. Zur Übersetzung siehe auch bei Ernst von Moeller, Hermann Conring der Vorkämpfer des Rechts (1606-1681), S. 88 ff. und Hans Hattenhauer/Arno Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, S. 147-149. 6 Bereits im Jahre 1666 wies er in seiner juristischen Dissertation „Disputatio inauguralis de casibus perplexis in iure" (S. 231 ff.) daraufhin, durch das Naturrecht zu einem jus certum gelangen zu wollen. In der 1667 herausgegebenen kleinen Arbeit „Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae ex artis didactiae principiis" äußerte er (S. 299 f., S. 355 f.), daß unter den juristischen Schriftstellern fast nur die Verfasser von Konsilien die Rechtswissenschaft wahrhaft erweitert und durch die Beobachtung neuer Fälle bereichert hätten, und verlangte deshalb, daß eine Gesellschaft von etwa dreißig Juristen durch Ausziehung alles wahrhaft Praktischen und Eigentümlichen aus den neueren Schriften ein kurzes, deutliches, umfassendes Gesetzbuch, einen Codex Leopoldinus, verfasse, wodurch die Dunkelheit der Gesetze und die zahlreichen Kontroversen beseitigt würden. Siehe hierzu die Übersetzung bei Hans Hattenhauer/Arno Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit mit Übersetzungen, S. 149-152. 7 Philipp Burghard, Discursus de hodierne Jurisprudentiae naevis & remediis, pag. 169 ff. Die Abhandlung von Philipp Burghard aus dem Jahre 1682 ist der Dissertation von Heinrich Emst Kestner „De Defectibus juris communis in Republica germanica" aus dem Jahre 1708 und ihren Folgeauflagen mit dem Zusatz im Titel beigedruckt worden: „... Accedit Philippii Burchardi, IC. Discursus de hodiernae Iurisprudentiae Naevis & Remediis." 8 Ernst Joachim von Westphalen, De origine et medela corruptae Jurisprudentiae et justitiae, historica et dogmatica consideratio; accedit bibliotheca consiliorum ab A. 1555. usque ad A. 1726. De Emendantis justitiae et jurisprudentiae naevis, Rostochii 1727. Die hier zitierte Arbeit von Ernst Joachim von Westphalen hat bei der Bearbeitung nicht vorgelegen. 9 Heinrich Ernst Kestner, Problemata de Defectibus juris communis in Republica germanica, quibus prodomus conclusionum ad reformandam iurisprudentiam spectantium continetur, Problema I. De Reformanda Jurisprudentiae, pag. 1-18. Heinrich Ernst Kestner wird am 23. Juni 1671 in Detmold geboren. Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt (Oder) und Halle, Promotion in Rinteln im Jahre 1696. Danach ebenda Professor der Rechte. Kestner verfaßt über die verschiedensten Materien (Naturrecht, römisches, kanonisches, deutsches Recht usw.) eine Reihe von Dissertationen. Kestner verstirbt am 5. Juli 1723 in Rinteln. Entnommen aus: ADB, Fünfzehnter Band, Kähler-Kircheisen, S.664. 10 Samuel von Cocceji wird im Oktober 1679 in Heidelberg geboren. Er studiert in Frankfurt (Oder) und wird dort nach dreijähriger Bildungsreise Professor iuris Ordinarius. 1703 wird er von seinem Vater, Heinrich von Cocceji (1644-1719), Professor des Natur- und Völkerrechts,

1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh. verfaßten „Eingang zum Land=Recht" des „Project[es] des Corporis Juris Fridericiani" die Ursachen für die unbefriedigende Situation des allgemeinen Rechtszustandes aus seiner Sicht zusammenfaßt. Zunächst einmal seien die Ungenauigkeiten und Widersprüche 11 innerhalb des römischen Rechts zu nennen, das inhaltlich über die Jahrhunderte hinweg als gemeines Recht angenommen worden war. Darüber hinaus ließen sich eine Reihe von Normen des römischen Rechts auf die geltenden Sitten- und Verfassungszustände i m deutschen Reich nicht ohne weiteres übertragen, so daß auch erhebliche Zweifel an dem Geltungsumfang des römischen Rechts bestünden. „Da aber in Teutschland das confuse Corpus Iuris Romani (welches in lauter ohne Ordnung, und öfters ohne genügsames Nachdenken gemachten und zerstümmelten Excerptis aus derer alten Rechts=Gelahrten Schriften bestehet, auch eine Menge von solchen Gesetzen in sich hält, die bloß auf den Zustand der Römischen Republic gerichtet gewesen,) beybehalten worden; so haben nothwendig verschiedene Inconvenientzien daher entstehen müssen."12 Daneben trage zum beklagenswerten Zustand des geltenden Rechts auch das wenig geklärte Rechtsanwendungsverhältnis des Corpus iuris civilis zum ebenso gemeinhin anerkannten ius canonicum bei, 1 3 und schließlich hätten einige „Privat=Doctoren" neben dem schon ungewissen römischen und kanonischen Recht auch noch ein „imaginaires Teutsches Recht" mit der Folge behauptet, daß „nunmehro dreyerley Jura aequa incerta von denen Rechts=Gelahrten propria autoritate etabliret, gantze Bücher darüber geschrieben, bey Decision derer Processe darauf provocirt, und dadurch denen Advocatis ein neuer Anlaß gegeben worden, die Unterthanen um das Ihrige zu bringen." 1 4 promoviert. 1704 Rat und 1710 Direktor der Regierung zu Halberstadt. 1714 Geheimer Justizund Oberappellationsgerichtsrat. Mitwirkung am Landrecht von 1721, 1722 Präsident des Kammergerichts, 1727 Etats- und Kriegsminister, 1731 Präsident des Oberappellationsgerichts, 1738 Chef der gesamten Justiz. Er wird 1741 mit der Neuordnung des schlesischen Justizwesens beauftragt und 1747 unter Verleihung des schwarzen Adlerordens zum Großkanzler ernannt. Cocceji verstirbt am 4. Oktober 1755. Entnommen bei: Gerd Kleinhey er!Jan Schröder·, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 95-99. 11 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, §2. 12 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 3. 13 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 5. 14 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 6.

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1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh.

Diese schwierigen Umstände, die schon für sich allein zur erheblichen Verwirrung über das im 18. Jahrhundert geltende Recht geführt hätten, würden noch dadurch erschwert, daß schon vor der Einführung des römischen und kanonischen Rechts in einigen Territorialstaaten das „ius saxonicum" aufgenommen worden sei, das in vielen Fällen von dem „iure communi" abweiche. Wo dieses festzustellen ist, würden oft schon allein deshalb langatmige Prozesse geführt, weil nicht mehr ohne weiteres zu klären sei, ob im konkreten Fall das ius saxonicum oder das ius civile anzuwenden ist. 15 Und dann habe zu allem Überfluß auch noch jede Provinz, ja fast eine jede Stadt, ihre besonderen „Willkühre und Statuta", die den Untertanen zum größten Teil unbekannt seien, so daß unzählige Streitigkeiten und Prozesse auch darüber geführt würden, ob und wie weit diese Rechte und Gewohnheiten überhaupt gingen.16 Hinzu komme, „daß die unzählige Menge der Edicté" die „Unterthanen confus gemacht [hätten], weil es fast nicht möglich [ist], so viele besondere Casus, die in denen Special-Edicten decidirt worden, und sich erst contradiciren, im Gedächtnis zu behalten."17 Aufgrund dieser für die Rechtspraxis kaum noch überschaubaren Gemengelage an verschiedenen (allgemeinen und besonderen) Rechtsquellen und ihren Anwendungsverhältnissen zueinander stand die Rechtswissenschaft bereits seit einiger Zeit in der Pflicht, zur Vermeidung eines ius vagum den jeweiligen Geltungsumfang, Geltungsgrund und die Geltungsverhältnisse zueinander näher zu bestimmen. Wenn nämlich die Praxis im Zweifel auf das gemeine Recht zu „recurrieren" hatte, war zwingende Voraussetzung, daß zumindest das als gemein angenommene Recht klargestellt war. Die Rechtswissenschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts tat sich damit aber keinesfalls leicht. Auch für sie war systematisch und inhaltlich eigentlich kaum noch zu erfassen, was man unter dem gemeinen Recht schlechthin eigentlich zu verstehen hatte. Die Klage des Freiherrn auf Offenstetten Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr (1705-1790)18 aus dem Jahre 1768 ist für seine Zeit beispielhaft: 15

Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, §7. 16 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 8. 17 Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 9. 18 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr wird am 14. Dezember 1705 in München geboren. Studium der Philosophie in Salzburg, der Rechtswissenschaft in Ingolstadt und des Staatsrechts und der allgemeinen Geschichte in Leyden und Utrecht. Anschließend praktische Ausbildung am Reichskammergericht in Wetzlar. 1725 tritt er als Hofrat in bayrische Dienste. 1740 Beisitzer im rheinischen Vikariatshofgericht und 1742 Reichshofrat. Später wird er erneut Beisitzer des Vikariatsgerichtshofs. 1745 Hofratskanzler in München, 1749 Vizekanzler und Kon-

1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh. „I. Was unter dem gemeinen Recht eigentlich verstanden seye, darüber seynd die Rechtsgelehrten selbst noch nicht einmal einig." 19

Auch Johann Georg Schlosser (1739-1799)20 spottet noch im Jahre 1789 mit Blick auf den Entwurf eines Allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten: „Das ius commune ist wie der Archeus 21 der Alchemisten, der überall ist, und nirgends gefunden wird." 22 ferenzminister, 1758 wirklicher geheimer Kanzler und oberster Lehnspropst. 1790 noch einmal Mitglied des Reichsvikariatshofgerichts als Kanzler. Am 27. Oktober 1790 verstirbt Kreittmayr in München. Kreittmayr ist Schöpfer der ersten umfassenden Kodifikation des Naturrechtszeitalters. Die drei Gesetze der bayrischen Kodifikation sind sämtlich von Kreittmayr allein verfaßt. Anliegen der bayrischen Kodifikation ist Rechtssicherheit, die Überschau- und damit Berechenbarkeit der Rechtspflege für den Bürger einerseits, und die stärkere Bindung des Richters an den gesetzgeberischen Willen des Landesheim andererseits. Entnommen aus Gerd Kleinhey er!Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 234-238. 19 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem. Erster Theil, §.XII, S.41. Er verweist insbesondere auf die 28 Seiten umfassende Habilitationsschrift des Wilhelm Friedrich Link, Ad Orationem Inauguralem De Dubia atque diffidili iuris communis definitione benevole audiendam ea qua par est humanitate et observantia invitât nonnulla de fatis pie relictorum ex utroque iure praevatus..., Altorfii 1750. Die Schrift des Wilhelm Friedrich Link (1725-1788), die als 24ter Band der „Disputationes ad successionem spectantes" erschienen ist, wird von Hans Thieme (in: Art.: „Gemeines Recht", Sp. 1509, Literatur) versehentlich unter dem Namen seines Vaters Heinrich Link mit dem Hinweis zitiert, daß das Werk aus dem Jahre 1680 stamme. Wilhelm Friedrich Link wird am 12. Juli 1725 in Altdorf geboren. Promotion zum Doktor der Rechte 1749. Anschließend ist er zunächst als Rechtsanwalt in Nürnberg tätig. Habilitation 1750 und danach Professor der Rechte in Altdorf. 1768 legt er seine akademischen Ämter nieder und kehrt nach Nürnberg zur Anwaltschaft zurück. Zur Person siehe ADB, Achtzehnter Band, Lassus-Litschower, S.660f. 20 Johann Georg Schlosser wird am 9. Dezember 1739 in Frankfurt am Main geboren. Studium der Rechte in Gießen, Jena und zuletzt Altdorf, wo er 1762 die Promotion erreicht. Kurz darauf wird er Rechtsanwalt in Frankfurt am Main. 1766 folgt er einem Ruf des Prinzen Eugen von Württemberg (1732-1802) als Geheimsekretär und Leiter der Erziehung seiner Kinder nach Treptow. Schlosser steht von da an ständig mit dem ihm verwandten Johann Wolf gang von Goethe (1749-1832) in Verbindung. 1769 Rückkehr nach Frankfurt, wo er nach nur kurzer Fortsetzung der anwaltlichen Tätigkeit wieder schriftstellerisch tätig wird. Nach kurzer praktischer Tätigkeit in Karlsruhe wird er Oberamtmann der Markgrafschaft Hochberg mit Wohnsitz in Emmendingen, wohin er sich später auch versetzen läßt, und wo eine Reihe von philosophischen, moralischen und politischen Aufsätzen entstehen. 1783 nimmt er an Konferenzen über eine Gesetzesverbesserung in den österreichischen Staaten teil. 1787 Versetzung nach Karlsruhe als Geheimer Hofrat, wo er zunächst beim Staatsarchiv und später beim Landeskollegium beschäftigt ist. 1790 bis 1794 Direktor des Hofgerichts und als Wirklicher Geheimer Rat Mitglied des geheimen Rats. Nach längerem Aufenthalt in Ansbach geht er 1796 nach Eutin. 1798 Syndikus in Frankfurt am Main. Plötzlicher Tod am 17. Oktober 1799. In einem „Vorschlag zur Verbesserung des deutschen bürgerlichen Rechtes ohne Abschaffung des Römischen Corpus juris" zeigt er sich im Jahre 1773 als Vorläufer der Historischen Rechtsschule. Entnommen aus: ADB, Einunddreißigster Band, Scheller-Karl Schmidt, S. 544-547. 21 Archeus [...] der; [...] Bezeichnung für eine als schaffend und gestaltend vorgestellte Naturkraft in der humanistischen Naturphilosophie (entnommen dem Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, S. 81). 3 Daniel

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1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh. Die allgemeine Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts findet auch

noch in der bekannten Auseinandersetzung ihren Niederschlag, die der preußische Großkanzler

und Chef

de Justice Johann Heinrich

Casimir

von

Carmer

(1721-1801) 23 i m Jahre 1793 über die Suspension 24 des Allgemeinen Gesetzbuchs 25 und deren Fortdauer mit dem damaligen schlesischen Justizminister A d o l f Albrecht Heinrich Leopold von Danckelmann (1736-1807) führte. Anlaß war die Frage nach dem in der gerade erst (1795) neu erworbenen Provinz Südpreußen einzuführenden Recht. Carmer machte deutlich, daß sich die Rechtslage von Westpreußen, das trotz der Zugehörigkeit zu Polen i m deutschen Rechtskreis verblieben war, von der in Südpreußen, das nie zum Reich gehört hatte, so nachdrücklich unterschied, daß ihm die einfache Übertragung des westpreußischen Rechts auf die rechtlichen Verhältnisse in Südpreußen nicht ohne weiteres möglich erschien. Vor allem sei die Möglichkeit verwehrt, bei der Ausfüllung rechtlicher Lücken des dortigen Provinzialrechts auf ein subsidiarisches gemeines Recht zu verweisen. Denn die Hoffnung Danckelmanns, hierzu auf ein für alle preußischen Staaten einheitlich geltendes, klares gemeines Recht zurückgreifen zu können, sei trügerisch, weil es daran gerade fehle. 2 6 Da das natürliche Recht inhaltlich ebenfalls überaus umstritten war, bliebe 22 Johann Georg Schlosser, Briefe über die Gesetzgebung überhaupt, und den Entwurf des preußischen Gesetzbuches insbesondere, Fünfter Brief, S. 134. 23 Johann Heinrich Casimir von Carmer wird am 29. Dezember 1721 in Kreuznach, Grafschaft Sponheim in der Pfalz, geboren. Er studiert die Rechte in Gießen, Jena und Halle (1739-1743) und wird kurz zur Ausbildung am Reichskammergericht, dann bei einem Verwandten, dem bayrischen Außenminister Baron Hüsch, als Sekretär tätig, von wo er über Zweibrücken 1748 nach Berlin kommt. Am 13. Februar 1749 ist er dort Referendar. 1750 übernimmt er die Oberleitung der Breslauer Oberamtsregierung. Im gleichen Jahr begleitet er Samuel von Cocceji zusammen mit dessen beiden anderen Nachfolgern im Großkanzleramt (Philipp Joseph Pandin de Jariges (1706-1770) und Carl Joseph Maximilian Freiherr von Fürst und Kupferberg (1717-1790)) auf eine Visitationsreise nach Schlesien, wo er als Rat der Oberamtsregierung in Oppeln bleibt. Ein Jahr später wird er Direktor bei der Oberamtsregierung in Breslau. 1763 Aufstieg zum Präsidenten sämtlicher schlesischer Oberamtsregierungen. 1768 wird er schlesischer Staats- und Justizminister. 1779 wird Carmer zum Großkanzler und zum Chef de Justice als Folge der Müller-Arnold-Affäre. 1788 wird er mit dem schwarzen Adlerorden ausgezeichnet, und am 12. Oktober 1791 mit der Erhebung in den Freiherrenstand geehrt. Das Amt des Großkanzlers übt Carmer bis 1795 allein aus, bis Heinrich Julius von Goldbeck und Reinhart (1733-1818) als zweiter Großkanzler neben ihn tritt und die meisten der Funktionen übernimmt. Im Jahre 1798 scheidet Carmer ganz aus dem Amt aus und zieht sich auf sein Gut zurück. 1798 wird er in den Grafenstand erhoben. Carmer ist Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und ordentliches Mitglied der Märkischen ökonomischen Gesellschaft in Potsdam. Er verstirbt am 23. Mai 1801 in Rützen, Schlesien. 24 Hierzu siehe Thomas Finkenauer, Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht - preußische Gesetzgebung in der Krise, S.88ff. und Carola Barzen, Die Entstehung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, S. 244ff. 25 Allgemeines Gesetzbuch für die Preussischen Staaten. Erster Theil. Berlin, 1792. bey Joachim Pauli. 26 Ebenso schon Johann Georg Schlosser, Briefe über die Gesetzgebung überhaupt, und den Entwurf des preußischen Gesetzbuches insbesondere, Fünfter Brief, S. 134: „Ich meyne in ei-

1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh.

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aus seiner Sicht als einzig denkbare Alternative nur die Einführung des Allgemeinen Gesetzbuches übrig. „Denn da doch die Einwohner dieser Provinz sich mit neuen Gesetzen und Rechten einmal bekannt machen müssen, so muß ihnen, wie schon oben bemerkt worden, das Studium derselben aus einem vollständigen und zusammenhängenden System unendlich leichter werden, als wenn man sie in so unbestimmten und schwankenden Terminis auf die natürlichen und gemeinen, in den übrigen Königlichen Landen geltenden Rechte verweisen wollte." 27 A u f diese Stelle nahm Danckelmann in einem Immediatbericht vom 5. November 1793 Bezug, als er gegenüber dem preußischen König sogar eingestehen mußte, daß neben den unklaren Inhalten nicht einmal der systematische Begriff des gemeinen Rechts genügend geklärt sei. „Der Großkanzler Herr Carmer hält nicht ohne Grund dafür, dass der Begriff des natürlichen sowohl als gemeinen in Euer Majestät Staaten hergebrachten Rechts zu schwankend und unbestimmt sei, [,..]" 28 Carmer suchte die Ursachen für die teilweise sogar als gemeinschädlich empfundene Ungewißheit, was in „dieser oder jener Lehre unter ius commune überhaupt zu verstehen sei", wie Samuel von Cocceji vor ihm zunächst bei den Unzulänglichkeiten des rechtlichen Inhalts, der mit dem Begriff des gemeinen Rechts lange Zeit eng verbunden worden war. Denn schließlich seien es doch in erster Linie die i m „Corpus iuris civilis vorkommenden vielen dunklen Stellen", die sowohl unter den Rechtsgelehrten als auch in den Gerichten schon immer zu den größten Meinungsverschiedenheiten über das richtige Verständnis vom gemeinen Recht geführt hätten. 29 Obwohl Carmer damit vordergründig nur auf die Mangelhaftigkeit einer Rechtsquelle aufmerksam machte, hatte er gleichzeitig aber auch angedeutet, daß es bei der Klärung des Begriffs eigentlich weniger um die Inhalte, als vielmehr um die Eigenschaften gehen mußte, die eine bestimmte Rechtsquelle zu einer gemeinrechtlichen erst werden ließen. Die notwendigen Eigenschaften des materiell-rechtlichen Inhalts des nem so weitläufigen, aus so verschiedenen Provinzen zusammengesetzten Reich, wie das preußische ist; da wäre gar kein jus commune möglich." 27 Schreiben Carmers' an Danckelmann vom 21. September 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 26 [07.88.0026]\ abgedruckt bei Adolf Stölzel, Carl Gottlieb Svarez, Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, S. 377; siehe auch den Abdruck des Briefwechsels bei den Materialien zu dieser Arbeit. 28 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7, ,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 39 ff. [07.88.00397; abgedruckt bei Rodgero Prümers, Das Jahr 1793. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreußens, S. 388; siehe auch den Abdruck des Briefwechsels bei den Materialien zu dieser Arbeit. 29 Schreiben vom 24. April 1792 an den Regierungspräsidenten von Berlin und gleichzeitigen ständischen Deputierten des Lebusschen Kreises Graf Friedrich Ludwig Karl Fink von Finckenstein (1745-1818) Ziff. 3). Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in BerlinDahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 109 r -l 10r [03.05.0109]. 3*

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1. Kap.: Die Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jh.

gemeinen Rechts, die eigentlich nur über eine systematische Einordnung der Funktion der Rechtsfigur bestimmbar sind, hatten sich in der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung bisher allerdings nur in geringem Maße herausgebildet. Die gleichwohl unternommenen Versuche der Bestimmung, was inhaltlich unter dem Begriff des gemeinen Rechts eigentlich konkret zu verstehen ist, mußten in Ermangelung eindeutiger Kriterien folglich um so mehr an Klarheit verlieren, je mehr Rechtsquellen man einen gemeinrechtlichen Geltungsanspruch beilegte. Ein Zitat aus dem „Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts" von Christian Friedrich Koch (1798-1872)30 aus dem Jahre 1845 führt das wenig brauchbare Ergebnis schließlich mit aller Deutlichkeit vor Augen. Nach ihm habe Gemeines Recht in Preußen im Unterschied zum dortigen Provinzialrecht bedeutet: „der Inbegriff aller derjenigen, in dem Preußischen Staate bekannten Rechtsanstalten und Regeln, welche entweder durch Herkommen in den verschiedenen Landestheilen entstanden, oder durch die vaterländische Gesetzgebung geordnet und bestimmt worden sind; das in den Rheinprovinzen und in Neu-Vorpommern mit Rügen geltende französische und Gemeine Recht [sie!] wird darunter nicht begriffen. Die meisten Rechtsinstitutionen äußern sich überall in den nämlichen Formen, welche in den Preußischen Landen durch eine besondere allgemeine und umfassende Gesetzgebung geregelt sind. Der Inbegriff dieser allgemein geltenden Vorschriften und Bestimmungen machen das Preußische Gemeine Recht aus. In einigen Gegenden oder Landestheilen aber finden sich entweder gewisse an sich allgemeine Verhältnisse nur unter andern Modalitäten und Erfordernissen, welche durch natürliche Lage, Klima, Volkssitte oder Beschäftigung der Einwohner bedingt sind oder doch ursprünglich bedingt waren, oder wenn auch nicht durch Eigenthümlichkeiten bedingt, doch von Alters her in Uebung und aus Rücksicht für die bestehende Ordnung der Dinge und Familien-Verhältnisse von der Gesetzgebung bisher geschont worden sind; oder esfinden sich Einrichtungen, die nur hier bekannt sind und anderswo nicht vorkommen. Hieraus entstehen die Provinzial- und Orts-Rechte." 31

Damit ist inhaltlich alles als auch nichts über einen konkreten Rechtssatz des gemeinen Rechts ausgesagt. Denn die streitentscheidende Norm, die im Einzelfall zur Ausfüllung rechtlicher Lücken einer partikularen Rechtsquelle zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden durfte, konkretisierte sich offensichtlich ebenfalls erst über den autoritativen Widerstreit verschiedener Normen im Prozeß. Ob ein derartiges Verständnis vom gemeinen Recht in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts zur Rechtsklarheit entscheidend beigetragen hat, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Für den weiteren Gang der Untersuchung des zu behandelnden Themas stellt sich vielmehr die Aufgabe, den Begriff und die Funktion des gemeinen Rechts genauer zu bestimmen. 30 Christian Friedrich Koch war preußischer Jurist. 1835 wird er Rat am OLG Breslau, 1841 Direktor des Fürstentumsgerichts in Neiße. Daneben ist Koch zeitweise Hilfsarbeiter am preußischen Obertribunal. Er beschäftigt sich ausführlich mit der Darstellung des preußischen gemeinen Privatrechts. Entnommen aus Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.490. 31 Christian Friedrich Koch, Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts, S. 8 f.

2. Kapitel

Der Begriff „Gemeines Recht" und seine systematische und funktionelle Einordnung 1. Vorbemerkung Will man sich einem historischen oder fremden Rechtsbegriff nähern, darf man ihm nicht ohne weiteres eine eigene mehr oder minder gefestigte Vorstellung unterlegen. Man muß ihn vielmehr aus dem Kontext seiner Zeit und seines Systems zu verstehen suchen, um der Gefahr zu begegnen, Rückschlüsse auf wenig tragfähige Fundamente zu gründen, und letztlich wenigstens zu vertretbaren Ergebnissen zu gelangen. Weil jedes kulturelle Artefakt, und damit auch jede Rechtsfigur einer vergangenen Epoche, im Fluß der Geschichte den Kontext zu seiner Herkunft und seinen Ursprüngen zunehmend verliert, und darüber hinaus immer wieder in einen jeweils neuen Zusammenhang eintritt, muß ein solcher Rechtsbegriff auch denknotwendig der jeweiligen Zeit gemäß und damit variierend interpretiert werden. Nicht selten hat der Begriff des gemeinen Rechts in der Geschichte, wenn schon nicht eine allgemein politische, so zumindest aber für viele eine rechtspolitische1 Funktion übernommen, und weist damit manchmal durchaus auch tendenziöse Züge auf. Ein Nachweis für eine bestimmte Bedeutung des Begriffs „Gemeines Recht", den rechtlichen Inhalt und Geltungsgrund, den eine Epoche glaubte gefunden zu haben, kann also kaum für eine generelle Beurteilung herangezogen werden. Der Versuch einer systematischen Einordnung und funktionellen Bestimmung eines abstrakten Rechtsbegriffs ist in seiner grundsätzlich generalisierenden Tendenz andererseits mit der Gefahr verbunden, zu einer wenig historischen Aussage über den Gegenstand der Untersuchung zu führen. Diese gegenläufigen Momente können darstellerisch nur dadurch in Einklang gebracht werden, daß die Schilderung systematischer Anknüpfungspunkte epochenübergreifend erfolgt. Die Darstellung einer geschichtlichen Entwicklung trägt einmal zum besseren historischen Verständnis des Begriffs „Gemeines Recht" bei, und zum anderen ermöglichen Übereinstimmungen in der Historie bei der abstrakten systematischen Einordnung in den ver1

Das wird bei einer Vielzahl der Autoren deutlich, die sich zum Begriff des gemeinen Rechts geäußert haben. Ganz besonders tritt die rechtspolitische Intention z.B. bei August Ludwig Reyscher hervor, den Roderich Stintzing und Ernst Landsberg (in: Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Noten: „August Ludwig Reyscher", S. 223 ff.) zu den sogenannten Einheitsdenkern gezählt haben. Zur Person siehe unten S.71, Fußn. 149.

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

schiedenen Epochen allgemeine Aussagen, die von der Geschichte dann letztlich unabhängig bleiben.

2. Abgrenzungsfragen Das lateinische Wort „communis, -e" hat bei seiner Verwendung in der Rechtssprache offensichtlich eine Vielzahl von Bedeutungen gehabt. Neben der einfachen Umschreibung mit dem deutschen Adjektiv „gemein(sam)", bei der ein Sinn in mehr örtlicher oder gegenständlicher Hinsicht anklingt, findet sich oft auch die Übersetzung mit dem Begriff „allgemein", 2 die zu einer mehr systematischen Bedeutung führt, die sinngemäß auch in den nicht selten synonym verwendeten Begriffen „universalis " 3 oder generalis " 4 enthalten ist. Während Carl Eduard Georg Bruns (1816-1880) 5 i m 19. Jahrhundert in der Beziehung zum objektiven Recht eine Übersetzung mehr in erster Hinsicht befürwortete, weil „der Ausdruck „gemeines Recht" [...] seinem Wortlaut nach an sich nichts anderes als gemeinsames, gemeinschaftliches Recht" bedeute, und „[...] daher ein Recht [bezeichne], welches als solches für einen gewissen größern Umkreis von Menschen oder Verhältnissen gilt, sie verbindet, ihnen gemein ist", 6 legen andere und teilweise ältere Quellen eher eine systematische Bedeutung in zweiter Hinsicht nahe: 7 2 Karl Ernst Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Erster Band, S. 1328: „communis, e [...] I) mehreren od. allen gemeinsam, =gemein, gemeinschaftlich, öffentlich, allgemein, gewöhnlich" mit zahlreichen Textbeispielen und lateinischen Zitaten. 3 Universell: umfassend, weitgespannt (entnommen dem Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, S. 836). 4 Generell: allgemein, allgemeingültig, im allgemeinen, für viele Fälle derselben Art zutreffend; Ggs. speziell (entnommen dem Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, S. 287). 5 Carl Eduard Georg Bruns wird in Helmstedt am 24. Februar 1816 geboren. Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten in Göttingen, Heidelberg und Tübingen. Promotion zum Doktor der Rechte und Preis der Juristenfakultät im Jahre 1838. Advokatenprüfung 1839. Mit Beginn des Wintersemesters 1839/40 Privatdozent in Tübingen. Dort Ernennung zum ordentlichen Professor im Jahre 1844 und 1849 Berufung an die Universität Rostock. 1851 wechselt Bruns nach Halle, wo er Mitglied des Spruchkollegiums wird. 1859 kurzfristige Rückkehr nach Tübingen und anschließend Ruf an die Universität Berlin im Jahre 1861 als Nachfolger des Friedrich Ludwig Keller von Steinbocks (1799-1860) und Friedrich Carl von Savigny. Bruns stirbt am 10. Dezember 1880 (zur Person: Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Noten: „Karl Georg Bruns", S. 323 f. und NDB, Zweiter Band, Behaim-Bürkel, S. 685). Bruns wird zur Spitze der sogenannten mediävistischen Forscher gezählt, die sich innerhalb der Historischen Rechtsschule seit Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795-1877) nicht auf die deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte beschränken, sondern auf die Auffassung des gemeinen und römischen Rechts zurückwirken suchen (vgl. Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Text: S.750f.). 6 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S.208; vgl. Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 6: „Im Allgemeinen bedeutet gemeines Recht in örtlicher oder geographischer Beziehung ein Recht, das bestimmten Bezirken gemeinsam ist [...]."

2. Abgrenzungsfragen

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„Die gemeinen Rechte, die Sammlung der römischen Gesetze, zuweilen auch die alten sächsischen Rechte, im Gegensatze des Landrechts. In anderen Fällen braucht man dafür lieber das Wort allgemein." 8

Ein Blick in die „Oeconomische Encyklopädie (, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus u. Landwirtschaft)" des Johann Georg Krünitz (1728-1796) aus dem Jahre 1779 zeigt die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes „gemein" genauer auf. Dort heißt es: „Gemein r ) , welches eigentlich den Begriff der Menge ausdrückt, aber mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen. I. [...]. II. Den größten Theil einer Art ausmachend. 1) [...]. 2) Figürlich. a) Was dem größten Theile unter den Dingen einer Art zukommt, bey denselben angetroffen wird. Ein Mensch von gemeiner Größe. Die gemeine Sprechart. Der gemeine Menschenverstand, den alle Menschen besitzen. Eine gemeine Höflichkeit, welche man einem jeden erweiset. Ein gemeines Sprichwort. Es ist eine gemeine Rede, ein allgemeines, öffentliches Gerücht. b) Was allen Dingen einer Art zukommt, sich auf alle Dinge einer Art erstreckt. Das gemeine Wesen, die Verbindung einzelner Glieder oder Gesellschaften, ihre Wohlfahrt mit vereinigten Kräften besser zu befördern. Das gemeine Beste, der gemeine Nutzen, der Nutzen, das Beste einer solchen Gesellschaft. Die gemeine Casse, wozu alle Glieder das Ihrige beytragen, und woraus ihre gemeinschaftlichen Bedürfnisse bestritten werden. Der Tod ist allen Altem gemein. [...] Das Nieders. Meen wurde ehedem für gesamt, all, gebraucht. De meene Koopmann, alle Kaufleute, die gesamte Kaufmannschaft. Mene Borger, alle Bürger [...]. 7 Siehe zum Beispiel bei Carolus Molinaeus [oder Charles Dumoulin] (1500-1566), zitiert bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. II., § VI, pag. 30: „additque Carolus Molinaeus Jus Romanum tam aequum esse & ratione consentaneum, ut omnium fere Christianorum gentium usu & approbat i o n commune sit effectum, [...]." [Übersetzung, S. 38: „und Carolus Molinaeus fügt hinzu: Das römische Recht ist so gerecht und vernunftgemäß, daß es durch den Gebrauch und die Billigung fast aller christlichen Völker schon zu einem allgemeinen Recht geworden ist."]. 8 Johann Georg Krünitz, Artikel: „Gemein", S. 133 ff. Die Wiedergabe in Sperrschrift stammt zur Hervorhebung vom Verfasser. Schon im salischen Gesetze chamin, im Isidor [von Sevilla (ca. 560-636); genauer in seiner aus 20 Bänden bestehenden ,JLtymologiae"] chimein, bey dem Ottfried gimein, bey dem Notker [unklar welcher: entweder der Benediktiner und Dichter Balbulus der Stammler (ca. 840-912) oder der benediktinische frühscholastische Theologe Labeo der Deutsche (ca. 950-1022)] kemein, im Angels. Gemaene, im Holländ. Ghemeyne, im Dän. Gemeen. Das einfache meen, mein, kommt noch im Nieders. vor, wo es sowohl publicus als auch communis bedeutet, Angels. Maene, Schwed. Men. im Engl, ist Main das Ganze, und main, mittelmäßig. Es gehört zu dem Geschlechte der Wörter manch und Menge, welches letztere noch bey dem Ottfried Meina lautet. Auch das Latein, communis gehört seiner letzten Hälfte noch hierher.

2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

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3) Mehr als einem Dinge zukommen. Etwas mit einem gemein haben, eben dieselbe Eigenschaft haben, sich in eben dem Umstände befinden. Gemeine Sache mit jemanden machen, einerley Absicht in Verbindung mit ihm zu erreichen suchen."9

Danach soll das Adjektiv „gemein" also den größeren Teil innerhalb eines Mengenverhältnisses zu einem noch nicht näher bestimmten Bezugspunkt beschreiben. Figürlich betrachtet deuten sich örtliche, gegenständliche, aber auch systematische Anknüpfungspunkte an, ohne allerdings bei Krünitz scharf getrennte Konturen aufzuweisen. Weil dem Wort „allgemein" aber offensichtlich ebenfalls örtliche, gegenständliche und systematische Merkmale unterlegt werden können, ist davon auszugehen, daß die Begriffe „gemein" und „allgemein" in ihrer Bedeutung weitgehend ineinander aufgehen. Nimmt man nun wie Carl Eduard Georg Bruns das Wort „Recht" zum Bezugspunkt, könnte unter dem Begriff des „gemeinen Rechts" mit Krünitz inhaltlich also die gesamte Masse oder der Inbegriff des Rechts einer Art an sich („sich auf alle Dinge einer Art erstreckt") verstanden werden, was der vorgestellten Definition des Begriffs vom gemeinen Recht von Christian Friedrich Koch durchaus sehr nahe kommt. 10 Der Begriff „Recht" hat allerdings ebenfalls mehrere Bedeutungen, so daß unklar bleibt, auf welchen Teil des Rechts sich der Begriff „gemein" eigentlich beziehen soll. Recht soll „der Zustand [sein], da etwas recht ist, und dasjenige, was recht ist. ζ. B. der Zustand, da jemandes Worte oder Handlungen mit der Sache selbst, mit der Wahrheit übereinstimmen. Sie haben Recht, sagt man, wenn man zu erkennen geben will, daß jemand die Wahrheit sage. Das moralische Vermögen, etwas zu thun, zu lassen, und von dem andern zu fordern. Als ein Concretum bedeutet dieses Wort ein Gesetz, die Richtschnur menschlicher Handlungen, und zwar a) objective, die Sammlung, der Inbegriff der Gesetze einer Art. Das göttliche Recht, der Inbegriff der göttlichen Gesetze. Das geistliche, päpstliche oder kanonische Recht. Das bürgerliche Recht. Das Völkerrecht, das Naturrecht, das Staatsrecht, das Lehenrecht. Das gemeine oder deutsche Recht, im Gegensatz des römischen Rechtes. b) Subjective, die wissenschaftliche Kenntnis der Gesetze, die Wissenschaft von dem Verhältnisse der Handlungen gegen die Gesetze, die Rechtswissenschaft. Das römische Recht studiren. Beyder Rechte Doctor, des geistlichen und bürgerlichen Rechts. [...]" 11

Carl Eduard Georg Bruns vertrat hierzu die Auffassung, der Begriff gemeines Recht werde „aber [...] nur vom objectiven Rechte, nicht aber auch von gemeinschaftlich subjectiven Rechten gebraucht [...]." 12 Setzt man die Worte „gemein" und „Recht" in diesem Sinne zusammen, so sind also inhaltlich verschiedene Rechtsmassen des objektiven Rechts denkbar, wenn man das Recht in lediglich sachlicher 9

Johann Georg Krünitz, Artikel: „Gemein", S. 133 ff. Siehe oben S. 36. 11 Johann Georg Krünitz, Artikel: „Recht", S. 343 ff. 12 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 208. 10

3. Synopse

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Hinsicht trennen wollte: nämlich ein gemeines geistlich, päpstlich oder kanonisches (als das gesamte geistlich, päpstlich, oder kanonische) Recht, ein gemeines bürgerliches (als das gesamte bürgerliche) Recht, ein gemeines Völkerrecht (als das gesamte Völkerrecht) usw. Bei anderer Zusammensetzung der Begriffe wäre gemeines Recht der Inbegriff der wissenschaftlichen Kenntnis von den Gesetzen. U m den Begriff des gemeinen Rechts systematisch genauer einordnen zu können, bedarf es nun einer näheren Betrachtung der Funktion, die das gemeine Recht in der Geschichte übernommen hat. Hierzu bietet sich eine synoptische Darstellung an, die aber, um den Rahmen der Arbeit nicht zu überspannen, allenfalls Schlaglichter setzen kann.

3. Synopse a) Antike aa) Der Allgemeinbegriff Der Begriff des gemeinen Rechts soll sich so oder ähnlich bereits in der Literatur der Antike finden. 13 Schon damals habe er in mehr oder weniger starker Deutlichkeit das bei allen Völkern gleichmäßig geltende ius gentium 1 4 als auch das allen Bürgern einer Rechtsgemeinschaft gemeinsame Recht als Gegensatz zum Sonderrecht bezeichnet. 15 Und tatsächlich scheint es bereits zu dieser Zeit eine aus der Natur der 13 Hans Thieme, Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111: Lateinisch als ius commune oder griechisch als χοιγόγ γόγιγόυ. 14 Carl Eduard Georg Bruns, Art. „Gemeines Recht", S.214: Im römischen Reich bildete sich für die Peregrinen in „dem jus gentium eine Art gemeines Recht, unter welchem die alten Volksrechte die Stellung von Particularrechten einnahmen. Anfangs war das jus gentium im praktischen Sinne zwar nur das allgemeine Peregrinenrecht, welches der praetor peregrinus in Rom bei seiner Jurisdiction über die Peregrinen zur Anwendung brachte. Allmälig muß dasselbe aber unter Vermittlung der Provinzialedicte und der allgemeinen Gesetze und Senatusconsulte für alle Provinzen zu einem allgemeinen Rechte ausgebildet worden sein und man hat in demselben mit ein Hauptmittel zu der allmäligen Anbahnung der vollen Rechtseinheit im ganzen Reiche zu sehen. Lange Zeit behielten indessen die alten Volksrechte in der Stellung von Particularrechten daneben noch eine größere oder geringere Bedeutung." Siehe zum Begriff des ius gentium bei den Römern beispielsweise Digesten 1,1,9 [(De iustitia et iure): „[...] quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes peraeque custoditur vocaturque ius gentium, quasi quo iure omnes gentes utuntur"] und bei Max Käser, Römisches Privatrecht, § 3 III 3 b (S. 29). 15 Hans Thieme, Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111; ders., Art. „Gemeines Recht", Sp. 1506. Anderer Auffassung ist Carl Eduard Georg Bruns (in: Art. „Gemeines Recht", S.213), der darauf hinweist, daß das Altertum die Begriffe des gemeinen und des partikularen Rechts „zu keiner großen Ausbildung gebracht" habe. Der Gegensatz von gemeinem und partikularem Recht finde sich in größerer oder geringerer Ausdehnung und Ausbildung erst in der modernen Zeit. Jedenfalls in Griechenland sei die Getrenntheit der einzelnen Stämme und Staaten zu

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

Sache folgende Selbstverständlichkeit gewesen zu sein, daß die Gesetze in „besondere und allgemeine"16 einzuteilen sind. Ein Zitat aus der „Nikomachischen Ethik" des Aristoteles (384-322) 17 kann diesen Umstand belegen: „Die Gesetze nun treffen Bestimmungen über den ganzen Lebensbereich. Ihr Ziel dabei ist der gemeinsame Vorteil für das gesamte Volk oder nur für die Adelsgeschlechter oder nur für die Gruppe, die ausschlaggebend ist entweder gemäß ihrer persönlichen Trefflichkeit oder nach sonst einem ähnlichen Wertmaßstab."18

Die von Aristoteles hier nur angedeuteten, aber damals offensichtlich durchaus unterschiedlichen Rechtsverhältnisse innerhalb des griechischen Volkes sind im Einzelnen bis auf den heutigen Tag nur wenig geklärt, 19 was in erster Linie auf die geringe Anzahl an überlieferten Quellen zurückzuführen ist. Für eine systematische überwiegend gewesen. Deshalb hätten die Griechen auch überhaupt kein eigentlich gemeinsames oder gemeines Recht, sondern nur eine gewisse größere oder geringere materielle Ähnlichkeit ihrer verschiedenen Stammes- und Stadtrechte, und ansonsten verschiedenen Bundesrechte gehabt. Auch in Rom habe es anfangs völlig an den Elementen zur Ausbildung eines Gegensatzes von gemeinem und partikularem Recht gefehlt. Diese Elemente seien erst im Verlaufe der Republik, teils durch Aufnahme verschiedener Städte und Völker in die Civität, teils durch Unterwerfung verschiedener Peregrinenvölker unter die römische Jurisdiktion, entstanden. Ebenso Max Käser, Römisches Privatrecht, § 3 V I (S. 33). 16 Aristoteles, Rhetorik, Erstes Buch, S. 1368b(S.48), No. 10. 17 Aristoteles wird 384 v. Chr. im thrakischen Stagira geboren. Schon mit 18 Jahren kommt er nach Athen und wird Schüler von Piaton (427-347), in dessen „Akademie" er fast zwei Jahrzehnte zuerst als Lernender und danach als Lehrender verbleibt. Nach Piatons Tod weilt Aristoteles eine Zeitlang zu Assos in Kleinasien bei Hermias, einem früheren Mitschüler, der zum Fürsten von Atameus geworden war und dessen Nichte (und Adoptivtochter) er später heiratete. Philip II. (etwa 382-336), König von Makedonien, berief ihn 342 an seinen Hof als Erzieher seines Sohnes Alexander (356-323), der später der Große genannt werden sollte. Nach dem Regierungsantritt Alexanders kehrt Aristoteles nach Athen zurück, gründet die „Peripatetische Schule" und entfaltet in der attischen Metropole eine ausgedehnte Forschungs- und Lehrtätigkeit, wofür ihm wahrscheinlich neben seinem eigenen Vermögen, reiche Mittel zur Verfügung standen, die er von Alexander erhielt. Aristoteles legte sich eine große Privatbibliothek an, dazu eine naturwissenschaftliche Sammlung mit Pflanzen und Tieren aus der ganzen damals bekannten Welt. Zu Vergleichszwecken ließ er auch alle bekannten Staatsverfassungen sammeln, insgesamt 158. Nach dem Tod Alexanders war er in Athen, das sich gegen die makedonische Herrschaft erhob, gefährdet. Er zog sich auf die Insel Euböa zurück, wo er 322 starb. Aristoteles gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Philosophie und ihrer Einzelwissenschaften wie Metaphysik, Logik und Ethik sowie als einflußreichster Denker für die gesamte abendländische Philosophie. Außerdem kann seine Lehre von der Seele, die als den Körper formende Kraft verstanden wurde, als Beginn psychologischer Fragestellungen gewertet werden. Ausgangspunkt seines philosophischen Denkens ist die Ideenlehre Piatons, zu dessen Gegner er sich entwickelte, da er sich nicht an der Mathematik als eigentliche Wissensgrundlage, sondern an der Erfahrung orientierte. Der Kern der Philosophie des Aristoteles lag daher in der Metaphysik, in der er das Göttliche als oberste Wirklichkeit bestimmte. Ebenso grundlegend waren die Entwicklung der formalen Logik sowie der Ethik. 18 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1129b (S. 121). 19 Carl Eduard Georg Bruns, Art. „Gemeines Recht", S.213: „Genaueres wissen wir überhaupt nicht darüber."

3. Synopse

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Einordnung des Begriffs sind aber weniger die konkreten Rechtsverhältnisse, als vielmehr die grundsätzlichen Funktionen entscheidend, die das allgemeine Gesetz in der antiken Rechtstheorie übernommen hat. Aristoteles stellte hierzu grundsätzlich fest, daß das Verhältnis des Gesetzes zum Einzelfall mit dem Verhältnis des Allgemeinen zum Einzelnen völlig übereinstimme. „Jede Rechts- und Gesetzesbestimmung steht zum Einzelfall im selben Verhältnis wie das Allgemeine zum Einzelnen: f...]." 20

Denn „[...] die Formen des Handelns [seien] mannigfach, die Bestimmung aber ist jeweils nur eine, da sie (die Einzelfälle) als Allgemeines umfaßt." 21 Mit dieser Gleichstellung schaffte Aristoteles eine Verbindung zwischen der Rechtstheorie und seiner philosophischen Grundvorstellung von den Allgemeinbegriffen, die im Ergebnis die erkenntnistheoretische Gegenthese zur älteren Ideenlehre seines Lehrers Piaton (427-347) bildete. Die Schaffung von und das Denken in Allgemeinbegriffen geht bereits auf Sokrates (469-399) zurück. 22 Nach ihm gehen wir in unserem Erkennen methodisch von den konkreten Einzelfällen der Erfahrung aus, studieren sie in ihrer Eigentümlichkeit, stoßen dabei auf immer Gleiches und heben anschließend, was an gleichen Merkmalen vorliegt, heraus. Damit habe man den Allgemeinbegriff, der gleichzeitig zu einem Umreißen, Umgrenzen, Bestimmen (definire) des Einzelnen mit Hilfe des Allgemeinen führe. 23 Hierauf aufbauend versuchte später Piaton als Schüler des Sokrates Probleme wie Ordnung, Strukturiertheit und Gesetzmäßigkeit in der Welt zu lösen, indem er urtypische ewige Einheiten von allgemeiner Geltung postulierte, die er mit den „Ideen" beschrieb. Diese Ideen sollten einerseits abgetrennt von den singulären Dingen existieren, aber andererseits als ihr unmittelbares Ordnungsprinzip dienen.24 Die platonische Ideenlehre verdoppelte also konsequent die reale Welt und löste das reale Wechselverhältnis von Allgemeinem, Einzelnem und Besonderem in den Wechselbezug metaphysischer Entitäten auf. Die Welt der „Ideen" sollte eine Welt von transzendenten begrifflichen Verallgemeinerungen von Dingen, Eigenschaften, Relationen und Werten sein, die man letztlich hierarchisch gliedern könne. Das Grundproblem von Piatons Philosophie bestand dann darin, die Teilhabe (methexis) der Dinge aus der Welt der „Vielheit" an den „Ideen" und der „Ideen" untereinander zu erklären 25 und dadurch letztlich eine korrekte Verknüpfung von Spezies- und Genusbegriffen herbeizuführen. Aristoteles kritisierte seinen Lehrer Piaton, indem er ihm zunächst dessen eigenen Lehrer Sokrates als positives Vorbild vorhielt. Dieser habe nämlich das Ver20

Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1135a (S. 139). Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1135a (S. 139). 22 Aristoteles, Metaphysik, XIII. Buch (M), S. 1078b (S. 334). 23 Aristoteles in seiner „Topik". Zitiert nach: Johannes Hirschberger, sophie, Band I: Altertum und Mittelalter, S. 62 und 63. 24 Aristoteles, Metaphysik, XIII. Buch (M), S. 1078bf. (S. 334f.). 25 Aristoteles, Metaphysik, I. Buch (A), S.987 b ff. (S.34ff.). 21

Geschichte der Philo-

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

dienst, die Definition und das Allgemeine ohne ihre Transzendierung erklärt zu haben.26 Anders als bei Piaton ist für Aristoteles die Natur der Dinge selbst der entscheidende Erklärungsgrund ihres konkreten Verhaltens, ihres Wesens und der allgemeinen Strukturen, die ihnen zugrunde liegen. Die Ideenlehre sei abzulehnen, denn weder das „Allgemeine noch die Gattung [sei] Wesen",27 das heißt, etwas Unabhängiges und selbständig für sich Existierendes. Ein damit im Zusammenhang stehendes Problem der Erkenntnistheorie war für Aristoteles anschließend die Frage, wie es dann möglich ist, ausgehend von den Einzeldingen Wissen zu erwerben. Denn zu unübersichtlich, zu unstet, zu dynamisch sei das Einzelne. Wenn aber die Ideenlehre des Piaton richtigerweise zu verwerfen sei und deshalb „nichts neben den einzelnen Dingen existiert und wenn aber die einzelnen Dinge unbegrenzt sind, wie kann man dann eine Wissenschaft von diesen unbegrenzten Dingen erlangen?" 28 Aristoteles folgte bei der Lösung dieses Problems Sokrates und sah allein in der Verallgemeinerung den Weg, Rückschlüsse auf die Einzeldinge ziehen zu können.29 Denn „das Allgemeine ist [...] gemeinsam, denn wir nennen das bei den meisten Obwaltende allgemein."30 Der gemeinsame Besitz von bestimmten Merkmalen war für Aristoteles also konstitutiv für die Existenz von Genera und Spezies, die später auch für die klassischen römischen Juristen über die Rezeption der aristotelischen Logik Voraussetzung für eine systematische Vereinheitlichung des Rechts in seiner Gesamtheit, insbesondere über die Entwicklung allgemeiner Regeln und Begriffe, werden sollten. Dabei diente den späteren römischen Juristen gerade die Unterscheidung der einzelnen Arten von den Allgemeinbegriffen der genaueren Abgrenzung der einzelnen Rechtsinstitute, so daß die Gesamtheit des Rechts im Ergebnis zunehmend nach dem Zusammenhang der Begriffe, und damit wissenschaftlich dargestellt werden konnte.31 Auf diese Weise ist der Allgemeinbegriff zum festen Bestandteil der Methode auch der romanistischen Jurisprudenz geworden, 32 die im materiellen Recht in verschiedener Hinsicht ihre Entsprechung findet.

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Aristoteles, Metaphysik, XIII. Buch (M), S. 1078b (S.334). Aristoteles, Metaphysik, VIII. Buch (H), S. 1042a (S.207). 28 Aristoteles, Metaphysik, III. Buch (B), S.999a (S.70). 29 Aristoteles, Von den Theilen der Thiere, Buch I., Kap. I-V, S. 1115-1149. 30 Aristoteles, Von den Theilen der Thiere, Buch I., Kap. IV, S. 1142 f. 31 Helmut Coing , Zum Einfluß der Philosophie des Aristoteles auf die Entwicklung des römischen Rechts, S. 29 f. 32 Helmut Coing , Zum Einfluß der Philosophie des Aristoteles auf die Entwicklung des römischen Rechts, S. 57 f. 27

3. Synopse

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bb) lus commune im Corpus iuris civilis Im Corpus iuris civilis, 33 dem Gesetzbuch des Kaisers Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus (ca. 482-565), das geradezu als Konglomerat einer fast ebenso langen römischen Rechtsgeschichte aufgefaßt werden kann, finden sich rund tausend Jahre nach Aristoteles zahlreiche Beispiele für die verschiedenen Verhältnisse, in denen das Allgemeine im Verhältnis zum Besonderen im Bezug auf das objektive Recht Bedeutung gewinnt. Sie führen besonders plastisch den ständig mitschwingenden Gedanken des Umreißens, Umfassens und Bestimmens der einzelnen rechtlichen Verhältnisse mit dem Mittel der Unterscheidung des (all)gemeinen von dem besonderen Recht vor Augen: Die Römer waren trotz ihrer völkischen Verbundenheit aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen gesellschaftlichen Schichten rechtlich durchaus getrennt. Patrizier und Plebejer lebten nach verschiedenen Rechten und selbst die Plebejer untereinander gehörten rechtlich, je nach ihrer Volksabstammung, wiederum verschiedenen Volks- und Stammesgewohnheiten an. Unterschiede und rechtliche Konflikte ergaben sich nicht zuletzt auch für unterworfene Völker, die in das römische Reich aufgenommen wurden. Demzufolge waren zur Bewahrung der völkischen Identität und einer rechtlichen Einheit an eine gemeinsame Rechtsordnung unter Berücksichtigung aller Unterschiedlichkeiten hohe Anforderungen zu stellen. Es mußten „Verschiedenheiten gegeneinander [ausgeglichen], miteinander in ein übereinstimmendes Ganzes verschmolzen, mithin mußte auf der einen Seite weggenommen, auf der anderen zugelegt, dort etwas aufgehoben, hier etwas beigefügt, dort das Widerstreitende durch ein Drittes vermittelt, alles dem gegenwärtigen Zeitbedürfnis mit Weisheit angepaßt werden." 34

Das Institut des gemeinen Rechts scheint den klassischen römischen Juristen dazu in besonderem Maße Mittel zum Zweck gewesen zu sein: 1. So verwendeten die Römer für die nähere Bezeichnung des gemeinen Rechts in örtlich-geographischer Hinsicht die Begriffe des ius commune und des ius generale. a) Der erste Begriff (ius commune) betont hierbei mehr das gemeinsame und findet sich vor allem dann, wenn von mehreren an sich selbständigen Gebieten ausgegangen wird, was aber in Hinsicht auf das römische Reich eigentlich nur 33 Zum Begriff Corpus iuris civilis siehe oben S. 19, Fußn. 14. Zur Verwendung des Begriffs ius commune im Corpus iuris civilis siehe neben der hier unternommenen Darstellung auch die zahlreichen Nachweise bei Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, § 16, S. 57-66. 34 Paul Johann Anselm von Feuerbach, II. Historische Rechtswissenschaft und deutsche Gesetzgebung, S. 20 f. Die Schrift erschien unter dem Titel „Einige Worte über historische Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung" als Vorrede zu der Schrift von Nepomuk Bart, Über die Beweislast im Zivilprozeß, Leipzig 1816. Erneut abgedruckt in: „Anselm Feuerbachs kleine Schriften vermischten Inhalts", Nürnberg 1833.

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung theoretisch bei dem ius commune omnium hominum 3 5 der Fall ist. Den begrifflichen Gegensatz bildet hier das ius proprium civium. 3 6 b) Der zweite Begriff (ius generale) begreift mehr das allgemein generische, und wurde vor allem dann verwendet, wenn von dem praktischen gemeinen Recht des römischen Reichs die Rede ist. A n verschiedenen Stellen werden die jeweils hierzu gehörigen Gesetze durch edictum generale, 37 praeceptum, 38 rescriptum 3 9 oder generalis lex, 4 0 epistola, 41 constitutio 4 2 bezeichnet. Für das partikulare Recht fehlt ein entsprechender technischer Ausdruck. Das Partikularrecht wird ganz allgemein nur als lex municipalis, 4 3 consuetudo civitatis oder provinciae und ähnliches bezeichnet.

2. Gegenständlich betrachtet, findet sich bei den Römern das Begriffspaar von commune 4 4 und proprium. Das commune umfaßt dabei gleichmäßig alle Personen, Sachen und sämtliche rechtlichen Verhältnisse, 45 während das proprium sich nur 35

Gaius 1,1 (De iure gentium et civili); Digesten 1,1,9 (De iustitia et iure): „Omnes populi, qui legibus et moribus reguntur, [...], partim communi omnium hominum iure utuntur"; Institutionen 1, 2, 1 (De iure naturali et gentium et civili). Daneben findet sich auch die Wendung (in: Institutionen 2,11,3 (De militari testamento)) des „communi omnium civium Romanorum iure facere debent." 36 Digesten 1,1,9 (De iustitia et iure): „Nam quod quisque populus ipse sibi ius constituit, id ipsius proprium civitatis est vocaturque ius civile, quasi ius proprium ipsius civitatis [...]."; Digesten 1, 6, 3 (De his qui sui vel alieni iuris sunt): „Item in potestate nostra sunt liberi nostri, quos ex iustis nuptiis procreaverimus: quod ius proprium civium Romanorum est." 37 Codex 12, 25,1 (De stratoribus): „Per omnes provincias edictum generale misimus [...]." 38 Codex Th. 1, 1, 4 (De constitutionibus principum et edictis): „Generale praeceptum beneficio speciali anteferendum est." 39 Digesten 47,12,3,5 (De sepulchro violato): „[...] Post rescripta principalia an ab hoc discessum sit, videbimus, quia generalia sunt rescripta et oportet imperialia statuta suam vim optinere et in omni loco valere." 40 Codex 1, 14, 3 (De legibus et constitutionibus principum et edictis): „Sed et si generalis lex vocata est vel ad omnes iussa est pertinere, vim obtineat edicti; [...]." 41 Institutionen 1, 2, 6 (De iure naturali et gentium et civili). 42 Institutionen 2,4,3 (De usu fructu): „...quae omnia nostra statuit constitutio"; Digesten 1, 4, 1, 2 (De constitutionibus principum). 43 Digesten 47,12, 3,5 (De sepulchro violato): „quid tarnen, si lex municipalis permittat in civitate sepeliri?" 44 Anders unterscheidet später Justus Friedrich Runde (in: Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, §. 7., S. 5, Anm. a) gegen Ende des 18. Jahrhunderts das allgemeine und das besondere Recht in gegenständlicher Hinsicht: „Erstlich in Rücksicht auf die Gegenstände braucht man die lateinischen Ausdrücke ius generale und speciale." 45 Zum Beispiel communis alienatio und propria rerum mancipi und nec mancipi [Ulpian 19,3 (De dominiis et adquistionibus rerum): „Mancipatio propria species alienationis est et rerum mancipi: [...]"; Ulpian 19, 7 (De dominiis et adquistionibus rerum): „Traditio propria est alienatio rerum nec mancipi." und Ulpian 19,9 (De dominiis et adquistionibus rerum): „In iure cessio quodque communis alienatio est et mancipi rerum et nec mancipi: quae sit per très personas, in iure cedentis, vindicantis, addicentis: [...]"]; commune beneficium legis corneliae [Gaius 3,124 (Gaii institutionum commentarius tertius): „Sed beneficium legis Corneliae om-

3. Synopse

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auf bestimmte Personen, besondere Sachen oder besondere Rechtsverhältnisse bezieht.46 3. Und endlich systematisch-logisch findet sich der Begriff ius commune ebenfalls, 47 oder - was besonders bemerkenswert ist - auch als ratio iuris. 48 Das anomale objektive Recht ist das ius singulare 49 oder Privilegium, und die speziellen Privilegien werden mit specialis largitas, speciale, privatum Privilegium, 50 beneficium 51 und indulgentia52 oder ähnlich umschrieben. nibus commune est: [...]] und propria actio sponsorum [Gaius 3,127 (Gaii institutionum commentarius tertius): „In eo quoque par omnium causa est, quod si qui pro reo solverit, eius reciperandi causa habet, cum eo mandati iudicium; et hoc amplius sponsores ex lege Publilia propriam habent actionem in duplum, quae appellatur Depensi." Digesten 17, 1,4 (Mandati vel contra); Digesten 47, 10, 6 (De iniuriis et famosis Libellis): „Ceterum si nomen adiectum sit, et iure communi iniuriarum agi poterit: nec enim prohibendus est privato agere iudicio, quod publico iudicio praeiudicatur, quia ad privatam causam pertinet."; Codex 8, 35, 1 (De pactis pignorum et de commissoria lege in pignoribus rescindenda): „Communi itaque iure creditor hypothecam vendere debet."; Institutionen 1,10,7 (De nuptiis); Institutionen 2, 11 pr. (De militari testamento). Das ius commune wird in Digesten 24, 1, 32 (De donationibus inter virum et uxorem) auch ius vulgatum genannt. 46 Zum proprium werden erst im späten Mittelalter in großem Umfange auch die sogenannten Statuten als Teil des ius scriptum gezählt. Albericus de Roxiate (ca. 1290-1360) schreibt im Anschluß an frühere Formulierungen über diese Norm in einem Traktat (zitiert nach Winfried Trusen, Römisches und partikuläres Recht in der Rezeptionszeit, S. 100/101, Fußn. 10/11): „Statutum est ius proprium, quod quilibet sibi populus constituit in scriptis redigendum et hoc separatur a consuetudine." Eingeengt wird das Statut auch als „ius municipale", in deutscher Sprache als „Willkür" oder „Weichbild" bezeichnet. Die deutschen Autoren des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit haben diese Definition meist sinngemäß verwendet. So beschreibt zum Beispiel Melchior Kling (1504-1571) (in: In quatuor institutionum iuris civilis, principis Iustiniani libros enarrationes, fol. 5 a: Kommentar zu Institutionen 1, 1 (De iustitia et iure): „lus Civile Privatum Scriptum, proprie dicuntur Statuta, Est igitur Statutum lus Civile privatum scriptum expresso consensu populi inductum, publicum utilitatem respiciens. Et dicitur alioqui lus municipale. Et in quibusdam Civitatibus Wilkür sive Weychbild") das Statut, das als „ius civile privatum scriptum" nach dem Willen des Volkes eingeführt ist, sei zum öffentlichen Nutzen. 47 Digesten 29, 1,3 (De testamento militis) und Digesten 29, 1, 20 (De testamento militis); Institutionen 2, 19, 6 (De heredum qualitate et differentia). 48 Digesten 1,3, 15 (De legibus senatusque consultis et longa consuetudine): „In his, quae contra rationem iuris constituta sunt, non possumus sequi regulam iuris."; siehe auch Digesten 9, 2, 51, 2 (Ad legem aquiliam). 49 Digesten 29,1,2 (De testamento militis): „De militis testamento ideo separatim proconsul edict, quod optime novit ex constitutionibus principalibus propria atque singularia iura in testamenta eorum observari." 50 Codex Th. 15, 3, 4 (De itinere muniendo): „Dudum quidem fuerat constitutum, ut inlustrium patrimonia dignitatum ab instauratione itinerum haberentur excepta. Verum propter immensas vastitates viarum certatim studia cunctorum ad reparationem publici aggeris conducibili devotione volumus festinare, nulla ad instructum munitionis huiusce dignitate aut privatorum privilegiorum in qualibet [...] studiosius adpetita." 51 Codex 3,28,37 (De inofficioso testamento); Codex 7,51,6 (De fructibus et litis expensis). 52 Codex 9, 51, 2,4, 5 und 7 (De sententiam passis et restitutis).

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

Es zeigt sich also, daß das als ius commune identifizierte Recht in der Rechtssprache der Römer unter verschiedener Betrachtung die Funktion des Allgemeinen in der antiken Philosophie konsequent übernommen hat. In der erstmals i m Jahre 1559 in Paris erschienenen und zwei Foliobände füllenden juristischen Enzyklopädie des Franzosen Barnabé Brisson (1531-1591) 53 „ D e verborum quae ad ius pertinent significatione libri X I X " , das später als „Lexicon iuris" oder „Vocabularium iuris utriusque" bezeichnet worden ist, und auch in Deutschland bis weit in das 18. Jahrhundert hinein eine außerordentlich weite Verbreitung gefunden hat, 5 4 ist die Bedeutung des „Gemeinen Rechts" für die Rechtssprache der Römer ausführlich erschlossen worden. 5 5 Auch Brisson hat dabei den unmittelbaren Einfluß der aristotelischen Logik auf den Begriff des gemeinen Rechts aufgezeigt, indem er funktionell auf den aristotelischen Begriff vom allgemeinen Recht aus dessen „ E t h i k " verweist. 5 6 In örtlich-geographischer und in gegenständlicher Hinsicht umreißt, begrenzt und verbindet es das Recht in seiner Gesamtheit; in systematisch-logischer Hinsicht führt das ius commune oder die ratio iuris zur Erkenntnis vom singulären Recht, die i m Zweifel durch Auslegung der einzelnen Norm anhand eines generellen Gesetzes zu gewinnen ist.

53 Barnabé Brisson wird 1531 in Fontenay-le-Comte geboren. Der hochbegabte Brisson beginnt schon in recht jungen Jahren das Studium der Rechtswissenschaft in Orléans. Er wechselt zunächst nach Bourges und schließlich nach Poitiers, wo er sich auch als Anwalt niederläßt. Zu seinen akademischen Lehrern werden Hugo Donellus (1527-1591) und François Duarenus (1509-1559) gezählt. Brisson geht zwischen 1553 und 1556 nach Paris, wo er sich vor allem antiquarischen Studien widmet und, noch keine dreißig Jahre alt, zwei für die humanistische Rechtswissenschaft grundlegend gewordene Schriften (eine davon ist die hier zitierte) vorlegt. Unter dem französischen König Karl IX. (t 1574) wird er 1573 zunächst Generaladvokat am Parlement de Paris und unter dessen Nachfolger Heinrich III. im Jahre 1575 erster Fiskal. 1580 wird Brisson in den Kronrat berufen und im gleichen Jahr sechster Präsident des Pariser Parlaments. Aufgrund politischer Verstrickungen in den Wirren des Religionskrieges wird er 1591 von einem Ausnahmegericht zum Tode verurteilt und gehenkt. Brisson hat als Rechtsgelehrter historische Bedeutung erlangt. Er gehört zu der in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts geborenen bedeutenden Gruppe französischer Juristen, die die humanistische Rechtswissenschaft auf ihren Höhepunkt gebracht hat. Er wird hierbei der antiquarischen Richtung hinzugezählt, in der er als Philologe hervorgeht. Der begüterte Brisson hat ein akademisches Amt allerdings nie bekleidet, sondern sich der Wissenschaft nur in seinen Mußestunden gewidmet. Unter Heinrich III. hat er in praktischer Hinsicht zahlreiche Verordnungen und Statuten der französischen Könige gesammelt und ediert, und wurde u. a. damit beauftragt, ein Gesetzbuch auszuarbeiten, das die französischen Landschaftsrechte (Coutumes) vereinheitlichen sollte. Entnommen: Juristen. Ein biographisches Lexikon, Art.: „Brissonius (Brisson), Barnabas (Barnabé) (1531-1591), S. 102ff. Zur Person und seinem Werk siehe auch in: Biographie universelle, Tome cinquième, S. 618-620. 54 Das Werk von Brisson ist mehrfach aufgelegt worden. Zuletzt ist es im Jahre 1743 in dem Opus Praestantissimum in Meliorem Commodioremque Ordinem Redactum Innumeris Mendis [Halae] des Gottlieb Heineccius abgedruckt worden. 55 Barnabé Brisson, De verborum quae ad ius pertinent significatione, Lib. III, fol. 98 b -99 und Lib. III, fol. 325b. 56 Barnabé Brisson, De verborum quae ad ius pertinent significatione, Lib. III, fol.98 b a.E.: „[...] Quod & idcircoχοιγόγγόγιγόυ , ab Aristot. in Ethic. appellatur."

3. Synopse

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b) Mittelalter aa) Der Universalienstreit Wie gezeigt worden ist, hat die Philosophie der Spätantike sowohl die Problemstellung, eine Vielzahl von Lösungsansätzen als auch schon die Polarisierung der verschiedenen Meinungen zu den Allgemeinbegriffen hervorgebracht. Bereits im frühen Mittelalter ist es dann anschließend zur Herausbildung von selbständigen Strömungen und nachfolgend auch Schulen gekommen, die das antike Universalienproblem aufgegriffen und in erster Linie zu einem Hauptgegenstand der Philosophie und der Theologie sowie der Naturwissenschaft ihrer Zeit gemacht haben. Darüber, ob der Gegenstand des Universalienproblems seit dem Altertum überhaupt einer historischen Wandlung und Entwicklung unterlag, oder ob er nicht vielmehr ausschließlich als Ausfluß mittelalterlichen Geisteslebens zu betrachten ist, gehen die Meinungen heute zwar auseinander. Weitgehende Übereinstimmung besteht aber darüber, daß der berühmte Universalienstreit problemgeschichtlich auf die dargestellte Auseinandersetzung um die Ideenlehre Piatons zurückgeht, und daß die klassische Polemik des Aristoteles für den weiteren Verlauf der Geschichte des Problems maßgebend geworden ist. 57 Denn mit unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlichem Erfolg, besonders intensiv seit dem 9. Jahrhundert, ist im frühfeudalen Europa die Aufarbeitung und Interpretation antiker Literaturquellen betrieben worden, die schließlich zu einer Rezeption58 des antiken Gedankengutes geführt hat, 59 und die das mittelalterliche Weltbild entscheidend prägen und verändern sollte. Als die wichtigsten Repräsentanten der Antike gelten im Mittelalter schließlich Piaton und Aristoteles, dessen schriftstellerisches Lebenswerk im Abendland allerdings erst im 12. Jahrhundert wieder vollumfänglich bekannt ist. 60 Die ursprünglich rein theologisch motivierte Auseinandersetzung über das Universalienproblem ist für das 10. Jahrhundert mit Quellenmaterial nur wenig belegt. Seit dem frühen 11. Jahrhundert kam es jedoch nachweislich immer häufiger zu Konflikten zwischen Realisten,61 den Anhängern der platonischen Ideenlehre, und 57

Hans-Ulrich Wähler y Nachwort: Zur Geschichte des Universalienstreites. Vom Anfang der Antike bis zur Frühscholastik, S. 307 m. w. Nachw. 58 Vgl. zum Begriff der Rezeption, und speziell zur Rezeption rechtlicher Inhalte der Antike bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 140; ebenda, Fußn.52; Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S.69ff. 59 Hans-Ulrich Wähler, Nachwort: Zur Geschichte des Universalienstreites. Vom Anfang der Antike bis zur Frühscholastik, S. 326. 60 Helmut Coing , Zum Einfluß der Philosophie des Aristoteles auf die Entwicklung des römischen Rechts, S. 28. 61 Die Realisten, auch Ultrarealisten genannt, bezeichneten sich oft selbst als der „alte Weg" (via antiqua realistae oder auch antiqui doctores). 4 Daniel

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

ihren Gegnern, den Nominalisten. 6 2 Der Höhepunkt des Streits, der schließlich die gesamte europäische Wissenschafts weit erfaßt hat, ist zu Beginn des 14. Jahrhunderts erreicht. Erst i m 15. Jahrhundert existieren beide Wege an den Universitäten i m großen und ganzen gleichberechtigt nebeneinander.

bb) Niederschlag des Universalienproblems

im Recht

Zu belegen, daß der Universalienstreit auch auf die Entwicklung der rechtswissenschaftlichen Methode der mittelalterlichen Juristen, und dabei insbesondere auf eine bewußte Entscheidung für die Herausbildung eines von den jeweiligen partikularen Rechtsverhältnissen unabhängigen, selbständigen gemeinen Rechts Einfluß genommen hat, erscheint derzeit kaum möglich zu sein. Der Einfluß der Philosophie auf die mittelalterliche Jurisprudenz ist hierzu bisher nicht hinreichend erforscht. 63 Dennoch sprechen meines Erachtens einige gewichtige Argumente dafür, die mich glauben lassen, daß der Universalienstreit letztlich zu einem guten Stück auch für die Juristen Methodenstreit geworden ist. So ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß bereits für die italienischen Glossatoren, die vor ihrer Beschäftigung mit den L i b r i legales in unterschiedlichem Umfang auch mit dem allgemeinen mittelalterlichen Wissenschafts62

Nominalismus heißt diejenige philosophische Richtung des Mittelalters, welche die Universalien (Allgemeinbegriffe) nicht für etwas Wirkliches (res), sondern nur für Worte (nomina rerum oderflatus vocis) hielt und das Einzelne für das wahrhaft Seiende erklärte. Urheber dieser, in der Isagoge des Porphyrios (232-304) angedeuteten, später dem Aristoteles zugeschriebenen Ansicht ist Roscelinus (11. Jh.). Anhänger derselben ist Petrus Abélard (1079-1142). Im Gegensatz zu ihm hielt der im Anschluß an Piaton, Plotinos (ca. 204-ca. 270) und Johannes Duns Scotus (um 1270-1308) von Anselm von Canterbury (1033-1109) vertretene Realismus daran fest, daß die Universalien selbständige Realität hätten und nicht erst vom Verstände gebildet würden. Die Formel des Nominalismus war: universalia post rem, die des Realismus: universalia ante rem, oder in re. Ersterer wurde, weil er zum Tritheismus zu führen schien, samt Roscellin 1092 zu Soissons verdammt. Der Streit zwischen beiden Parteien zog sich durch das ganze Mittelalter hin. Berühmte spätere Nominalisten sind z. B. Johann Buridan (t 1358) und Gabriel Biel (t 1495) gewesen. Sie wurden meist der Ketzerei beschuldigt, weil die Kirchenlehre, besonders von der Trinität, vom Logos und von der Transsubstantiation, durch sie bedroht schien. Eine vermittelnde Richtung war der Konzeptualismus des Wilhelm von Occam (1270-1347). Der Kampf zwischen Realismus und Nominalismus setzt sich übrigens nur mit veränderter Terminologie bis in die Neuzeit fort: Thomas Hobbes (1588-1679), John Locke (1632-1704), David Hume (1711-1776), George Berkeley (1684-1753) und James Mill (1773-1836) sind neuere Vertreter des Nominalismus und Konzeptualismus, Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Immanuel Kant (1724-1804), Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1831) sind dagegen Vertreter des Realismus. Die Realisten werden jetzt Idealisten, die Nominalisten hingegen Sensualisten oder auch Realisten genannt. Vgl. Friedrich Kirchner, Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe, S. 395 f.; Johannes Hirschberger, Geschichte der Philosophie, Band I, S. 411 f. 63 Helmut Coing , Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Erster Band, S.263.

3. Synopse

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betrieb Berührung gehabt haben, ihre neu begründete Rechtswissenschaft nicht voraussetzungslos gewesen ist. 64 Für sie war wissenschaftliches Ziel, das Recht rational begreifbar zu machen und eine systematisch, organisch zusammenfassende Darstellung zu ermöglichen, sowie die gegen den Offenbarungsinhalt vom Vernunftstandpunkt denkbaren Einwände aufzulösen. 65 Das hierzu aus dem Trivium oder sonstigen allgemein bildenden Schulen erlernte Rüstzeug, nämlich die Logik, entlehnten die Juristen ähnlich wie die Theologen und Mediziner einmal den antiken Schriftstellern, 66 als auch dem Corpus iuris civilis selbst, in dem das Erlernte bereits breit angelegt war. 67 Der Einfluß wird zunächst bei den sogenannten Distinktionen68 bemerkbar, d. h. der systematischen Ausführung von Unterscheidungen innerhalb eines Oberbegriffs oder verschiedener Einzelgestaltungen innerhalb eines Tatbestandes, die für die Glossatoren so charakteristisch sind und auch von den Kommentatoren weiter gepflegt wurden. Ähnliches gilt für die Quaestionen, d. h. der Entwicklung eines Falles unter Gegenüberstellung der verschiedenen Entscheidungen und ihrer Gründe unter Anfügung eine solutio, die Widersprüche aufhebt und die Begründung der Gegenmeinung widerlegt. 69 Damit ist jedoch nur die Methode im Detail angedeutet. Wie stellten sich die Glossatoren den Weg zur Erkenntnis vom Recht aber im großen Zusammenhang vor? Diese Frage ist, soweit ersichtlich, ungeklärt. Ware man der aristotelischen Erkenntnistheorie gefolgt, hätte man eigentlich das partikulare Recht (Einzelerscheinungen), das den Glossatoren durchaus bekannt gewesen ist, untersuchen und durch seine Verallgemeinerung zur Wissenschaft vom Recht in seiner Gesamtheit gelangen müssen. Das ist in der Rechtsschule von Bologna, soweit erkennbar, nicht geschehen. Denn die Glossatoren haben das partikulare Recht als Gegenstand seiner wissenschaftlichen Behandlung weitestgehend vernachlässigt. Selbst dort, wo es Erwähnung findet, dient dies keinem wissenschaftlichen Ziel. 70 Wäre man in der methodischen Umsetzung des Universalienproblems umgekehrt der platonischen Ideenlehre gefolgt, hätte es einer selbständigen, vom realen Recht 64

Für alle vgl. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 112. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 111. 66 Vor allem den logischen Schriften des Aristoteles, von denen man die Kategorien und De interpretatione bereits von alters her kannte. 67 Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 115; Helmut Coing , Zum Einfluß der Philosophie des Aristoteles auf die Entwicklung des römischen Rechts, S.30. 68 Zum Begriff der Distinktion siehe bei Johann Heinrich Zedier, Art. „Distinction" in: Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Sp. 1077: „Distinction, wird in verschiedenem Verstände genommen. Erstlich verstehet man darunter die Erzehlung derer unterschiedenen Bedeutungen eines Wortes welches sonst Diuisio nominalis genannt wird; hemachmahls bedeutet es die Eintheilung derer Sachen selbst; dabey aber einige diesen Unterschied machen, daß die Eintheilung des generis in seine species Distinction, des ganzen in seine Theile Diusion genennet wird; Drittens hat es diese Bedeutung, daß es den Unterschied zwischen zweyen Dingen anzeigt. [...]." 69 Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 113 f. 70 Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 358 f. 65

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

unabhängigen und nicht unbedingt geltenden Rechtsquelle als Paradigma des Rechts bedurft, anhand derer das partikulare Recht umrissen, ergänzt und ausgelegt werden kann. Da es ein solches Recht nicht gab, erscheint mir die Erklärung naheliegend, daß sich die Glossatoren und die nachfolgenden Juristengenerationen zur Aufgabe gemacht haben, gerade dieses allgemeine Recht anhand des wiederentdeckten römischen Rechts erst zu entwickeln. Denn sogar das Corpus iuris civilis selbst bestätigt den Grundsatz, daß die einheitliche Auslegung des Einzelnen anhand des Ganzen zu erfolgen hat. Freilich muß die These eines unmittelbaren Einflusses des Universalienstreits auf die juristische Methode und eine Entscheidung für die bewußte Gewinnung eines (all)gemeinen Rechts vorläufig reine Spekulation bleiben. Die zeitliche Einordnung, ab wann die Unterscheidung von allgemeinem und besonderem Recht auch im konkret feststellbaren, partikularen Recht Bedeutung gewinnt, fällt nicht leicht. Noch im frühen Mittelalter findet sich der lateinische Begriff der lex communis in den überlieferten Quellen des Vulgarrechts und den germanischen Stammesrechten71 kaum. Auch in den uneinheitlich durchgebildeten Kapitularien 72 der fränkischen Kaiser, in denen er ebenfalls nur ganz ausnahmsweise zu finden ist, 73 weist der Begriff des gemeinen Rechts nur in geringem Maße systematische Konturen auf, die mit der gedanklich klaren Funktion eines allgemeinen Begriffs in der Erkenntnistheorie der Antike vergleichbar wäre. Bedeutung und materiell-rechtlicher Inhalt sind für diese Zeit wissenschaftlich nicht geklärt. Erst aus der Zeit des späteren Mittelalters lassen sich dann vermehrt Quellen nachweisen, die eine zunehmende Verwendung der Begrifflichkeit des gemeinen Rechts im Unterschied zum besonderen Recht in der einheimischen Rechtssprache belegen. Die systematische Bedeutung kann allerdings auch für diese Zeit kaum einheitlich beurteilt werden. Hans Thieme (1906-2000) hat behauptet, die Systematik des Begriffs des gemeinen Rechts sei in der oben beschriebenen Vielschichtigkeit und Komplexität des Altertums so oder mit ähnlicher Bedeutung schon früh in die Rechtssprache des Mittelalters übernommen worden. 74 Die frühesten urkundlich belegten Quellen, insbesondere die Benennung zahlreicher positiv geltender Rechtsquellen in Deutschland als gemeine Stadt-75 oder Landrechte, 76 die zumindest schon auf das 12. Jahrhundert datiert werden können,77 legen jedoch eher die Vermutung nahe, daß 71 Zu den Begriffen des Vulgarrechts und den germanischen Stammesrechten im frühen Mittelalter siehe bei Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 5 ff. 72 Reinhard Schneider, Kapitularien, Einleitung, S.7f. 73 Siehe zum Beispiel die Capitula Italica aus dem Jahre 779, abgedruckt in: Monumenta Germaniae Historica, Tomus I, Capitularia I, No. 105, Capit. 14, S. 219: „De ceteris vero causis communi lege vivamus, quam domnus excellentissimus Karolus rex Francorum atque Longobadorum in edicto adiunxit." 74 Hans Thieme, Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111; ders., Art. „Gemeines Recht", Sp. 1506. 75 Im einheimischen Sprachgebrauch wurden sie als sogenannte Weichbilder bezeichnet. 76 Sie sind auch unter dem Begriff der Konstitution bekannt. 77 Zum Beispiel: Speyer (1101); nach Friedrich Keutgen, Der deutsche Staat des Mittelalters, S. 6, Z. 11 und Hans Thieme, Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111; ders., Art. „Ge-

3. Synopse

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es sich bei dem Begriff des gemeinen Rechts zu dieser Zeit noch um eine einfache Umschreibung für das Volkstümliche, das Gute und Alte, das Ewige, das Normale, eben das Recht i m allgemeinen Sinne gehandelt hat. Vielleicht hat es auch nur den Unterschied zum Vielfältigen betont. Jedenfalls war der Begriff noch nicht Ausdruck der systematischen Funktion einer bestimmten Rechtsquelle in einem vielschichtig angelegten Rechtsquellengefüge, wie es die Antike hervorgebracht hatte. Auch inhaltlich ist der Begriff des gemeinen Rechts für die Zeit des Spätmittelalters in Deutschland bis heute wenig bestimmt. Lange Zeit galt der Glaube, schon i m 12. und 13. Jahrhundert habe es sich inhaltlich um das römische Recht gehandelt. Diese These ist jedoch immer wieder, beispielsweise von Otto Christian Fürchtegott von Franklin (1830-1905) 7 8 zur Mitte des 19. Jahrhunderts, bestritten worden „Was wir vom Kaiserrecht sagen, kann aber nicht auch zugleich vom gemeinen Recht gelten und es ist meiner Meinung nach sehr zu bezweifeln, daß man im dreizehnten Jahrhundert unter ius commune das römische Recht verstand. [Wilhelm] Schäffner 79 [...] glaubt es und meines Recht", Sp. 1506: Kölner Urkunde von 1119: „jus civile et omnibus commune, quod tot annis odiosa questus diligencia Argentinensibus subtractum esse conspeximus, [...] restituimus." Stadtrecht von Ingolstadt (1317): „Wir haben auch in nach altem und gemeinem recht die genad getan, dacz wir nieman deheime gewalt geben sulln weder über ir leib noch über gut, noch dacz sigabpfant noch pfantmezzig sein sullen für dehein unser gelt, daz wir gelten sulen. § 14. Nach gemeinem recht, swelich man oder weip ein aigen zei Ingolstadt gewunnen hat und daz hat gehabt in stiller gewer iar und tach an ansprach, den mag darumb furbaz niemant angesprochen umb daz aigen. §. 29. Daz ist auch ein gemeines recht, daz dehein frowe ziuch mag geseinuber dehainiu dinch, nur über elich heirat und über das lest geschaeft, wan bei den zwain dingen spulgent die rawen allermeist sein."; Zu § 14 entsprechendes findet sich im bayrischen Landrecht in Art. 185 ff., Stadtrecht von München Art. 33, Ruprecht Stadtrecht c. 137 u. a. m.; vgl. auch das Stadtrecht von München (1294) §.13 und 27; Urkunde von 1340, wonach der Graf Berthold von Graisbach erklärt, er werde einen dem Kloster Schönfeld gehörigen Wald schützen, seine Amtleute sollen jeden büßen und strafen „als umb ein recht pauholtz und als um verpotnes wismandt gemains recht ist." Urkunde des Grafen von Arnsberg (1322): „Quod commune jus est omnium Ministerialium nostrorum, quod bona feudalia" etc. und schließlich die Glosse zum Sachsenspiegel, Drittes Buch, Art. LXXIX: „Kiesen se aver en recht, darmete müsen si des landesrichters rechte nicht brechen [...] wen ein wilkoer nyt mog keen gemeyne recht bregken." Magd. Fragen 1.13.1. a.E.: „Aber umb alle andere ding und farende habe, als hievor gefraget, die sind so manchfeltig, dass man das aufif kein gemein Recht geschreiben mag." (Quellen allesamt nach Otto Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des römischen Rechts, S. 142, Fußn. 23; S.271, Fußn. 16. Dort auch nähere Hinweise zu den Fundstellen); Sachsenspiegel, Drittes Buch, Art. LXXIX: „§ 2. Kein auswärtiger Mann ist auch verpflichtet in dem Dorf zu antworten nach ihrem besonderen Dorfrecht, sondern nach gemeinem Landrecht, wenn er nicht auf Erbe oder auf Gut oder wegen Schuld klagt." Vgl. auch die vielen Zitate (ab ca. 1400) in: Deutsches Rechtswörterbuch (Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache), Art.: „Gemeines Recht", XIII. Sp. 103-106. 78 Otto Christian Fürchtegott von Franklin wird am 27. Januar 1830 in Berlin geboren. Studium der Rechte in Breslau und Berlin. Habilitation in Breslau 1860.1863 wird er ordentlicher Professor in Greifswald. 1873 folgt er einem Ruf nach Tübingen, wo er deutsches Privatrecht, Handels- und Wechselrecht liest. Franklin verstirbt am 5. Juni 1905 in Tübingen. Entnommen aus: Deutsches Biographisches Archiv, Neue Folge, Frankenberg v.-Framul, NF 391. 79 Wilhelm Schaeffner, Das Römische Recht in Deutschland während des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts, S. 50.

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung führt eine Urkunde vom Jahre 1280 an: Si vero casus grandinis, seu exercitus supervenerit generalis, quidquid de communi jure pro tali casu faciendum fuerit, hoc nobis conventus faciet antedictus."80 - und gilt erst seit den grundlegenden Untersuchungen von Hermann Krause 81

aus der Mitte des 20. Jahrhunderts als widerlegt. „Unter Kaiserrecht [wurde] vorwiegend gerade nicht das justinianische Recht [verstanden]; als sich diese Bedeutung im 15. Jh. ausbildete, war die praktische Rezeption bereits im Gang und mag ihrerseits diesen Bedeutungswandel begünstigt haben. Erst zu Beginn des 16. Jhs. kam die Lotharische Legende82 auf, welche die Kontinuität des justinianischen und des Gemeinen Rechts in Deutschland verfassungsrechtlich zu begründen suchte."83 Selbst aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, also weit nach Inkrafttreten der R K G O i m Jahre 1495, finden sich noch Hinweise darauf, daß die uneingeschränkte Identität der gemeinen beschriebenen Rechte mit dem römischen Recht auch für diese späte Zeit mit guten Gründen bezweifelt werden darf. I n einer Ratifikationsurkunde aus dem Jahre 1539, i n der Markgraf Johann verschiedene den Landständen i m Jahre 1538 durch Kurfürst Joachim Nestori. (1499-1535) gewährte Rechte bestätigt, heißt es: „Unnd ob woll Inn gemeynen beschriebenen Rechten versehen, Das keyn Prelat des Adels aber anndere der gleichen vortrefflichen Personen, sich Kauffmannschafft untternehmen sollen Dergleichen den Pawern vonn alters nie zugelassen, So ist unns doch furbracht, wie sich etliche vonn Prelaten, Adell, unnd Pawerschafft, Kauffmannschafft zutreyben unterstanden, den Stetten unnd Bürgern, di do Burger recht habenn, unnd burden tragen zu nachteyl unnd abbruch yrer bürgerlichen narunge, welchs wir unnsern Furstenthumb unnd gebieten, unnsern auch unners liebenn hern unnd Brüdern Marggraff Joachims Churfursten Steten unnd Bürgern zu auffnehmen unnd geben, abgethan, Setzenn unnd wollen auch das Inn unnsern Furstenthumb unnd Landen, Niemants vonn Prelaten Adell oder Pawern, sich Kauffmannschafft zutreyben anmasen, sonder solch kauffen unnd verkauffen, den Steten unnd Burgern, als Ihre zugehörige nharunge unnd gewerb alleine pleyben lasenn soll, [...]" 8 4 Da das römische Recht nachweislich keine Bestimmungen darüber enthält, wer das Gewerbe des Kaufmannes ausüben darf, ist kaum zu bezweifeln, daß in der vorbezeichneten Urkunde mit den gemeinen beschriebenen Rechten eine andere Rechtsquelle als die des römischen Rechts gemeint gewesen sein muß. Auch ein anderes Beispiel aus dem 16. Jahrhundert kann die allenfalls nur eingeschränkte Identität des Begriffs vom gemeinen Recht mit dem römischen Recht be80

Otto Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 620, Fußn. 34. 81 Hermann Krause, Kaiserrecht und Rezeption, S. 119 ff. 82 Dazu siehe weiter unten ausführlich S. 104 f. 83 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 140. 84 „No.XXI. Marggraff Johanns ratification des in Anno 1538. von Churf. Joachimen denen Landständen gegebenen Revers. De Anno 1539. Freitages nach omnium Sanctorum", abgedruckt in: C.C.M., Sechster Theil, Erste Abtheilung, Sp. 53-60 (Sp. 60 a. Α.).

3. Synopse

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legen. Im Erbrecht, das in Brandenburg aufgrund dessen Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich allgemein nach dem „Keyser Recht" gesprochen werden sollte, war ausweislich der „Constitutio Joachimica"85 aus dem Jahre 1527 unklar, wie Kinder von voller Geburt und ungleicher Zahl des verstorbenen Bruders oder der Schwester im Verhältnis zu der den Bruder oder die Schwester überlebenden Verwandten erben. Die „beschriebenen Keyser Rechte" hielten für diesen Fall keine Lösung bereit, so daß sich bei den Gelehrten größte Uneinigkeit eingestellt hatte. Die Joachimica, die zwei Jahre später von Kaiser Karl V. (1500-1558) hinsichtlich der dort vorgeschlagenen Lösung in einer kaiserlichen Konstitution wiederholt und damit materiell-rechtlich zur kaiserlichen Satzung erhoben worden ist, 86 entscheidet sich für die bis heute gültige römisch-rechtliche Lösung.87 Danach sollen die Kinder des verstorbenen Bruders oder der Schwester88 allein nach Stämmen und nicht zwischen Bruder und Schwester nach Häuptern mit der Folge erben, daß an die Stelle des Bruders oder der Schwester allein deren jeweilige Kinder treten. 89 Weil damit die römisch-rechtliche Lösung dieses Problems (gesetzlich) erst eingeführt worden ist, kann das römische Recht vorher denknotwendig nicht Gegenstand des als solches beschriebenen gemeinen Kaiserrechts gewesen sein. Denn dort sollte eine Lösung des Problems bis zur gesetzlichen Einführung des römischen Rechts ja gerade gefehlt haben. Es bleibt also festzuhalten, daß der Begriff des gemeinen Rechts zur funktionellen Bezeichnung einer allgemeinen Rechtsquelle im Verhältnis zu einzelnen besonderen Rechten seit dem Spätmittelalter zwar zunehmend Eingang auch in die 85 „No. III. Constitution Wilkör und Ordnung der Erbfälle und andere Sachen, wie damit durch die gantze Marek Brandenburg, und zugehörenden Landten hinführo soll gehalten werden, Mittwochs nach Francisi 1527. [...]: Von gemeinen Erbfällen.", abgedruckt in: C.C.M., Andern (Zweiten) Theils, Erste Abtheilung, Sp. 26. Vgl. Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 16, S.92. 86 „No. IV. Römischer Kayserlicher Meyestät Constitution und Satzung wie Bruder und Schwester Kinder, ungleicher Zahl, ihres Vaters und Mutter, Bruder oder Schwester verlassene Erbschafft unter sich allein theilen sollen, zu Speyer am 23ten des Monats Aprilis anno 1529. auffgericht samd Churfürstl. Sn. zu Brandenburg Publication desselben; von 15. Jun. 1529.", abgedruckt in: C.C.M., Andern (Zweiten) Theils, Erste Abtheilung, Sp.28. 87 Vgl. Institutionen 3, 1, 16 (De hereditatibus quae ab intestato deferuntur): „ita tarnen ut, quemadmonum inter filios et neptotes ex filio antiquitas statuii non in capita sed in stirpes dividi hereditatem, similiter nos inter filios et neptotes ex filia distributionem fieri iubemus, vel inter omnes neptotes et neptes et alias deinceps personas, ut utraque progenies matris suae vel patris, aviae vel avi portionem sine nulla deminutione consequantur, [...]". 88 Vgl. Institutionen 3,1,15 (De hereditatibus quae ab intestato deferuntur), wonach Männern und Frauen im Rahmen der römischen Hauserbfolge der gleiche Rang eingeräumt worden ist. 89 „No. III. Constitution Wilkör und Ordnung der Erbfälle und andere Sachen, wie damit durch die gantze Marek Brandenburg, und zugehörenden Landten hinführo soll gehalten werden, Mittwochs nach Francisi 1527. [...]: Von gemeinen Erbfällen.", abgedruckt in: C.C.M., Andern (Zweiten) Theils, Erste Abtheilung, Sp. 26.

2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

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einheimische Rechtssprache gefunden hat. Damit erhielt die mittelalterliche Rechtsordnung in Deutschland jedoch noch nicht sogleich auch ein ähnlich vielschichtiges Gepräge, wie es i m Corpus iuris civilis beschrieben worden ist, und in Italien anhand des römischen Rechts i m Verhältnis zum dortigen partikularen Recht zum Teil auch praktiziert worden sein mag. Eine Rezeption der italienischen Rechtsquellentheorie, in der der Begriff des ius commune eine zentrale Rolle spielt, macht sich in Deutschland erst in späteren Zeiten bemerkbar.

c) Späte Neuzeit aa) Der Begriff

„Gemeines Recht" im 18. Jh.

Die i m 18. Jahrhundert immer wieder zum Ausdruck kommende Unsicherheit über den Begriff des gemeinen Rechts ist bereits oben ausführlicher geschildert worden. 9 0 Gerade wegen diesen Unsicherheiten überrascht es kaum, daß Stellungnahmen zur systematischen Einordnung des Begriffs vom gemeinen Recht und seiner Funktion eher selten und darüber hinaus auch uneinheitlich sind. Beispiele aus dem zweiten Drittel des Jahrhunderts zeigen aber, daß der Begriff des gemeinen Rechts in dieser Zeit dem antiken Allgemeinbegriff funktionell schon durchaus nahe stand. Ähnlich wie für Aristoteles 91 war es auch für Johann Stephan Pütter (1725-1807) 9 2 selbst i m Jahre 1777 noch kaum vorstellbar, „...; wie [...] ein Staat sein wird, der nicht in diesem Betrachte zweyerley Privatrechte hätte, nehmlich ein gemeines Recht, (ius commune, universale, generale,) das für alle Unterthanen gilt, sofern sie in keiner andern Eigenschaft als nur in so weit, als sie Unterthanen dieses Staates sind, betrachtet werden; und so vielerley besondere Rechte, als es besondere Abtheilungen der Unterthanen gibt, die in ihren Rechten und Verbindlichkeiten besondere Bestimmungen mit sich bringen; es sey nun nach Vertheilung eines Staates in mehrere Provinzen, Städte und Gemeinheiten, deren jede ihr besonderes Recht hat (ius particulare, provinciale, statutarium,) oder nach Verschiedenheit der Stände, so fern jeder Stand gewisse eigne Rechte hat (ius speciale e. g. personarum, illustrium, nobilium, rusticarum, militarum, clericarum etc.)." 93 90

Siehe oben S.29f. Siehe oben S. 42. 92 Johann Stephan Pütter wird am 23. Juni 1725 in Iserlohn geboren. Nach privatem Schulunterricht bezieht er 1738 die Universität Marburg. 1739 wechselt Pütter für zwei Jahre nach Halle, danach für zwei Semester nach Jena, um schließlich nach Marburg zurückzukehren, wo er aufgrund seiner Dissertation das Lizentiat erhält. Pütter hält anschließend Vorlesungen über römische Altertümer, Institutionen, deutsches Privatrecht und Naturrecht. 1746 Ruf an die Universität Göttingen, wo er Vorlesungen über den Reichskammergerichts- und Reichshofratsprozeß halten soll. Nach einjähriger Studienreise beginnt er seine 60 Jahre dauernde Lehrtätigkeit in Göttingen. Pütter gilt als der wohl bedeutendste und erfolgreichste Staatsrechtler seiner Zeit. Pütter verstirbt in Göttingen am 12. August 1807. Zur Person siehe bei Gerd Kleinhey er! Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 331-335. 91

3. Synopse

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Die Teilung der Gesellschaft in örtlicher, gegenständlicher als auch in systematischer Hinsicht schien also auch Pütter eine Selbstverständlichkeit zu sein, denn denknotwendig bedürfe „es erst vielerley Abtheilungen, ehe man in Zergliederung des ganzen Volkes bis auf einzelne Personen und Familien herunter kommt [,..]." 94 Daneben müßte es wohl auch „... nur ein sehr kleines und noch wenig oder gar nicht cultiviertes Volk seyn, wenn es eine so einfache Gesellschaft ausmachen sollte, daß man es nur in einzelne Personen oder Familien zergliedern könnte. Was irgend cultivierte Völker und grössere Staaten sind; da wird man bald Städte und Dörfer, bald ganze Landschaften und Provinzen von einander unterschieden finden; bald wird man wieder verschiedene Gattungen von Ständen des Adels, des Bürgers, des Bauern, des Geistlichen, des Soldaten u. s. f. wahrnehmen." 95 Den Grund für das damit beschriebene Regel-Ausnahme-Verhältnis, also eine von Fall zu Fall von der Regel abweichende rechtliche Behandlung des Einzelfalles, sah Pütter in der Komplexität der zahlreichen rechtlichen Verhältnisse und Verbindungen, in denen sich ein Individuum einmal zur Gesellschaft i m Ganzen und daneben zu seinen Artgenossen i m Einzelnen befinden könne. Hieraus Schloß Pütter weiter, daß es eines gemeinen Rechts als Ausdruck eines geradezu natürlichen Rechtsgedankens immer dann bedürfe, wenn ein trennender Unterschied der Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft auf übergeordneter Ebene wieder zusammengeführt werden muß, um letztlich eine Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsteile in ihrer allgemeinen Verbindung zum Ganzen zu vermeiden. 96 Damit gewann das gemeine Recht für Pütter in der bürgerlichen Gesellschaft ähnlich wie die Allgemeinbegriffe in der Philosophie die Funktion eines Umfassens, Umreißens und Umgrenzens in 93 Johann StephanPütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Zweyter Theil, S. 25, Rz.3. 94 Johann StephanPütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Zweyter Theil, S. 24, Rz.l. 95 Johann StephanPütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Zweyter Theil, S.24, Rz.l. 96 Johann StephanPütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Zweyter Theil, S. 24/25, Rz. 2: Es ist also notwendig, daß „meist jede einzelnen Mitglieder eines Volkes auf mehr als einerley Art betrachtet werden können, sofern sie entweder nur in der allgemeinen Verbindung als Mitglieder des ganzen Volkes, oder welches einerley ist, als Bürger des Staats und Einwohner des Landes, oder Unterthanen überhaupt, anzusehen sind; oder sofern sie noch in einer besonderen Verbindung stehen, die nur den Mitgliedern einer Landschaft, einer Stadt, oder eines Standes, eigen ist." Ähnlich schätzt später Carl Eduard Georg Bruns im 19. Jahrhundert die denkbaren rechtlichen Beziehungen des Bürgers ein (in: Art. „Gemeines Recht", S.210: „Eine solche Scheidung von gemeinem und particulärem Rechte liegt mehr oder weniger fast bei jedem größeren Rechts= oder Volksorganismus aus verschiedenen mehr oder weniger selbständigen Gliedern, die neben ihrer allgemeinen Verbindung doch auch wieder ihr besonderes Rechtsleben, ihre besondern Anschauungen, Bedürfnisse und Verhältnisse haben, und eben darum auch bis auf einen gewissen Grad ihr besonderes Recht neben dem allgemeinen verlangen.").

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

rechtlicher Hinsicht. Die i m Rechtssinne unterschiedlich denkbaren Verhältnisse des Allgemeinen zum Besonderen wurden begrifflich allerdings nur noch teilweise wie in der Antike umschrieben. Während Justus Friedrich Runde (1741-1807) 97 i m letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in örtlich-geographischer Hinsicht nämlich ausschließlich zwischen dem ius universale und dem ius particulare unterscheiden wollte, 9 8 nahm rund ein Jahrzehnt später der junge Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840), 9 9 der ausweislich seines i m Jahre 1803 in Jena in der ersten Auflage erschienenen „Systemfs] des Pandekten-Rechts" 100 zu dieser Zeit noch stark unter dem Einfluß des Naturrechts des ausgegangenen 18. Jahrhunderts stand, nur in systematischer Hinsicht den antiken Begriff des ius commune wieder auf: „In Rücksicht des Umfanges 101 betrachtet, sind die Gesetze entweder I) allgemeine (generales), welche eine Regel aufstellen, und zwar entweder 1) gemeine (ius commune), wenn sie eine Regel aufstellen, welche nicht von dem abweicht, was die strenge Natur des Rechts mit sich bringt, oder 2) besondere (ius singulare, ius exorbitans, auch Privilegium, und sofern es vorteilhaft ist, beneficium legis), wenn sie eine solche Ausnahme wider das strenge Recht ein97 Justus Friedrich Runde wird am 27. Mai 1741 in Wernigerode geboren. 1763 zunächst Studium der Theologie an der Universität Halle. 1764 geht er nach Göttingen, wo er sich ab 1765 der Rechtswissenschaft zuwendet. 1770 Promotion. 1771 folgt er einem Ruf als Professor iuris civilis et publici an das Collegium Carolinum in Kassel, das der Vorbereitung der Studenten auf das Studium dient. 1785 folgt er einem Ruf an die Universität in Göttingen. 1806 erhält er den Titel „Geheimer Justizrat". Runde verstirbt am 28. Februar 1807. Runde versucht die Beweisführung für ein deutsches Privatrecht auf der Grundlage der Natur der Sache, und nicht anhand der Darstellung von Übereinstimmungen in den Partikulargesetzen. Entnommen aus: ADB, Neunundzwanzigster Band, v. Rodde-v. Ruesch, S. 677-679. 98 Justus Friedrich Runde, Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, §. 7., S. 5, Anm. a: „Für die geographischen Verhältnisse braucht man „ius universale und particulare;...". 99 Anton Friedrich Justus Thibaut wird am 4. Januar 1772 in Hameln geboren. 1792 nimmt er das Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen auf. 1793 Fortsetzung des Studiums in Königsberg und ab 1794 in Kiel. 1796 Promotion und Habilitation in Kiel. Dort wird er 1798 außerordentlicher und 1801 ordentlicher Professor für römisches Recht. Ab 1802 Professur in Jena, wo er die Bekanntschaft mit Johann Wolf gang von Goethe (1749-1832) macht. 1805 nimmt er einen Ruf an die Universität nach Heidelberg an, wo Thibaut bis zu seinem Tod am 28. März 1840 wirkt. Thibaut wird vielfach ausgezeichnet (1826 Ernennung zum Geheimrat, 1830 Verleihung des Kommandeurskreuz des Zähringer Löwenordens). Thibaut ist vor allem durch sein Eintreten für die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland im Jahre 1814 bekannt geworden, indem er das Interesse auf den nicht neuen Gedanken einer allgemeinen und nicht nur einzelstaatlichen Kodifikation lenkt. Der Rechtszustand seiner Zeit sei wegen der Zersplitterung und Widersprüchlichkeit der Partikularrechte verworren; das gemeine Recht mit seinen römisch-rechtlichen Grundlagen könne diesem Zustand nicht abhelfen, da das römische Recht, dessen Bedeutung als Kulturschöpfung er an sich voll anerkennt, aus der Gegenwart heraus immer nur unvollkommen verstanden werden könne und man zudem nicht einmal über gesicherte Texte seiner Quellen verfüge. Entnommen bei Gerd Kleinheyerl Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.420-423. 100 Benutzte Ausgabe: „Dritte, durchaus vermehrte und verbesserte Ausgabe. Erster Band, Jena 1809. 101 Zum Anknüpfungspunkt des Mengenverhältnisses siehe oben S.39f.

3. Synopse

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führen. II) Specielle, welche nur für individuelle Fälle und Personen gelten. Diese sind entweder 1) solche, welche keine Ausnahme vom gemeinen Rechte machen, wie z.B. Instructionen in Regierungssachen; oder 2) sie enthalten eine solche. Dann heißen sie Privilegia oder Constitutiones personales, wiewohl die Neueren den Ausdruck Privilegium nur dazu gebrauchen pflegen, wo Jemand für mehrere Fälle vom gemeinen Recht ausgenommen ist." 1 0 2

Besonders hervorzuheben ist, daß Thibaut das gemeine Recht systematisch offensichtlich nur noch als Unterart des allgemeinen oder generellen Gesetzes verstand. In gegenständlicher Hinsicht wird der Begriff des gemeinen Rechts bei ihm nicht mehr verwendet. Für die speziellen Fälle (allgemeiner Natur), die dem gemeinen Recht entsprechen, gebe es vielmehr spezielle Bezeichnungen. Eine örtlich-geographische Betrachtung nahm Thibaut überhaupt nicht vor, was aber wohl allein mit dem Umstand zusammenhängt, daß er das Thema im Vierten Abschnitt seines Werkes unter der Überschrift „Ueber die Gesetze in Rücksicht ihres Umfanges" behandelte. Die Begriffe ius commune und ius generale wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts also vereinzelt in örtlich-geographischer Hinsicht durch den Begriff des ius universale ersetzt, während der im römischen Recht eigentlich fehlende Begriff des Partikularrechts 103 mit dem Begriff ius particulare neu eingeführt wurde. bb) Der Begriff

„Gemeines Recht" im 19. Jh.

(1) Vorbemerkung Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1806 sah es die Rechtswissenschaft als eine ihrer vorrangigen Aufgaben an, die wenig reale nationale Einheit in Deutschland wenigstens juristisch zu bewahren. Bei dem Bemühen, neben dem positiven (partikularen) Gesetz eine für ganz Deutschland wenigstens juristisch vermittelte (all-)gemein(verbindlich)e Rechtsquelle aufzuzeigen, hat sie dem Begriff des gemeinen Rechts schließlich ihr ganz eigenes Gepräge gegeben. Die Diskussion um den Begriff des gemeinen Rechts104 wurde in Teilbereichen äußerst kontrovers geführt. Denn die Rechtswissenschaft hatte sich mit Problemen zu beschäftigen, die sich bereits für die Rechtswissenschaft des späten 18. Jahrhunderts deutlich abgezeichnet hatten und bisher ungelöst geblieben waren. Antike Grundvorstellungen waren für die dem gemeinen Recht nun zugedachte Funktion aber offensichtlich auch im 19. Jahrhundert nach wie vor leitend. Wenn nämlich Bernhard Windscheid (1817-1892),105 der sich selbst gegen Ende des 19. Jahrhun102

Anton Friedrich Justus Thibaut , System des Pandekten-Rechts, Erster Band, § 29, S. 22 f. Siehe oben S.46. 104 Anlaß waren die Germanistentage in Frankfurt am Main (1846) und Lübeck (September 1847), wo über die Rezeption und über den Begriff des gemeinen Rechts intensiv verhandelt wurde. 105 Bernhard Windscheid wird am 26. Juni 1817 in Düsseldorf geboren. Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Bonn. 1837 zweite juristische Staatsprüfung, 1838 Promotion in 103

2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

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derts der Historischen Rechtsschule noch eng verbunden fühlte, feststellte, daß „der Begriff des gemeinen Rechts" letztlich „auf dem, wie überhaupt, [...], so außerordentlich wichtigen Begriff des Ganzen [beruhe], als eines seinen Theilen gegenüber selbständigen Dinges, als eines Dinges, welches nicht die Summe, sondern die Einheit seiner Theile ist," 1 0 6 so ist seine realistisch geprägte Position unverkennbar. Bei der näheren Erläuterung des Begriffs vom gemeinen Recht nimmt das ,,Neue[...], Konversations-Lexikon, ein Wörterbuch des allgemeinen Wissens" aus dem Jahre 1864 zunächst den Gedankengang von Pütter zum Verhältnis der verschiedenen rechtlichen Verknüpfungen des Einzelnen zur Gesellschaft und seinen Gliedern aus dem 18. Jahrhundert wieder auf, und liefert neben dem zu dieser Zeit üblichen nationalen Pathos unter dem Stichwort „Gemeines Recht" folgende Behauptung: „Die Existenz des gemeinen Rechts hat eine geschichtliche Grundlage. Zur Zeit des deutschen Reichs stand jeder Deutsche, der nicht selbst Landesherr war, in einem doppelten Unterthanenverbande: er war Unterthan des Kaisers, dem die höchste Staatsgewalt über ganz Deutschland zustand, und zugleich auch Unterthan desjenigen Landesherrn, in dessen Territorium er wohnte. Dasjenige Recht nun, welches von jener über ganz Deutschland sich erstreckenden Staatsgewalt ausging und für alle Deutsche verbindlich war, oder welches diesem gleich stand, hieß g.[emeines] R.[echt]." 107 Bonn, 1840 dort auch Habilitation und Ernennung zum ordentlichen Professor. 1847 Berufung nach Basel als ordentlicher Professor für römisches Recht. Ab 1852 Professur in Greifswald, 1857 Ruf nach München und 1871 nach Heidelberg. Ab 1874 Professor in Leipzig und Mitglied der Kommission für die Erarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. 1883 scheidet er aus der Kommission aus, um sich wieder ganz seiner Lehrtätigkeit in Leipzig zu widmen. Windscheid verstirbt am 26. Oktober 1892 in Leipzig. Sein „Lehrbuch des Pandektenrechts" enthält die für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts maßgebliche Zusammenfassung der Lehren des gemeinen Rechts. Er sieht rückwärts gewandt im römischen Recht, das der Gegenwart entsprechend zu interpretieren sei, den Idealfall einer Zivilrechtsordnung. Entnommen bei Gerd Kleinhey erIJan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.442-446. 106 Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Erster Band, S. 1, Fußn. 1. Und so versteht er unter dem Begriff des gemeinen deutschen Privatrechts sinngemäß die Umschreibung (S. 1): „[Es] ist dasjenige Privatrecht, welches für Deutschland als Deutschland, für Deutschland als Ganzes, gilt." 107 Stichwort „Gemeines Recht", in: Neues Konversations-Lexikon, S.531; siehe auch unter dem Stichwort „Gemeines Recht" in: Brockhaus' Conversations=Lexikon, S.735: „Gemeines Recht heißt der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, die mutmaßlich in ganz Deutschland, insoweit das einzelne Land= oder Partikularrecht keine gegenteiligen Bestimmungen enthält, zur Anwendung gelangen. Die Schöpfung und Ausbildung des gemeinen Rechts hängt mit den Verfassungszuständen im röm. Reiche deutscher Nation zusammen. Jedes Glied des deutschen Volkskörpers hatte sein berechtigtes Eigenleben, seine besonderen Ordnungen und Gewohnheiten, und der Centraimacht verblieb blos die Regelung derjenigen Verhältnisse, welche den eigentlichen Reichsbestand vermittelten oder dem regelmäßigen Bedarf oder den Einsichten der einzelnen Rechtsgenossenschaften zu fem lagen."

3. Synopse

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Während die Autorität des materiell-rechtlichen Inhalts des Gemeinen Rechts als Bestandteil des positiven Rechts i m 18. Jahrhundert zumindest theoretisch noch von der Kaiserwürde abgeleitet werden konnte, schwenkte die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts nach der Auflösung der Reichsverfassung nun zunehmend auf eine historische Geltungsbegründung um. Man meinte, auf historisch überliefertes Recht subsidiär zurückgreifen zu dürfen, denn „dessen ungeachtet [aber] besteht es seinem Inhalte nach fort, vermöge des Grundsatzes, daß Verfassungsveränderungen an sich in keinem Staate auf die Fortdauer des auf verfassungsmäßige Weise begründeten objektiven Rechts von Einfluß sein können." 108 Glaubte das 18. Jahrhundert noch an die menschliche Erkenntnisfähigkeit und die Kraft der Vernunft 1 0 9 zur Entwicklung des Rechts, entstand i m 19. Jahrhundert in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Naturrecht, dem Rationalismus der Aufklärung und der französischen Revolution als eine Art rechtswissenschaftlicher Gegenbewegung die Historische Rechtsschule, die eine Eignung ihrer Zeit zur Gesetzgebung und damit eine mögliche formelle Grundlage des positiven gemeinen Rechts mit äußerster Skepsis beurteilte. Sie ist Teil einer allgemeinen Hinwendung zum geschichtlichen Denken, die bereits i m 18. Jahrhundert mit Friedrich Schiller (1759-1803), dem Osnabrücker Rechtsgelehrten Justus Moser (1720-1794) und nicht zuletzt mit Johann Gottfried Herder (1744-1803) dem Grunde nach bereits vollzogen war. Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) 1 1 0 hat schließlich i m Sinne Herders die Bedeutung der Tradition hervorgehoben und immer wieder erklärt, daß Entstehung 108 Stichwort „Gemeines Recht", in: Neues Konversations-Lexikon, S.531; vgl. Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 289 f. zur Möglichkeit der zukünftigen Bildung gemeinsamer Gewohnheiten: „So ist femer die Wirksamkeit des deutschen Bundes in dieser Beziehung nicht ohne alle Bedeutung, indem trotz seines ursprünglichen Charakters, als völkerrechtlichen Vereins, doch die Möglichkeit einer indirecten Einwirkung auf gemeinschaftliche Grundlagen des Rechts nicht gänzlich ausgeschlossen ist; ja selbst die alle Zweige des deutschen Rechts umfassende Rechtswissenschaft wirkt auf die Entstehung einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung des Volkes hin, welche dann theils in der Gesetzgebung ihre Berücksichtigung findet, theils durch actuelle Ausübung zum Motive neuer gemeiner Gewohnheitsrechte erhoben wird." 109 Zu den Begriffen Naturrecht und Vemunftrecht siehe den Überblick bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 15, S. 249ff. 110 Friedrich Carl von Savigny wird am 21. Februar 1779 in Frankfurt am Main geboren. Studium der Rechtswissenschaft ab 1795 in Marburg und Göttingen (1796/1797), das er 1799 in Marburg abschließt. 1800 Promotion und anschließend Vorlesungen, zunächst über das Strafrecht und später über römisches Recht, Rechtsgeschichte und Methodenlehre. 1804 Aufgabe der Marburger Lehrtätigkeit und anschließende Studienreisen nach Göttingen, Heidelberg, Paris, Nürnberg, Augsburg, Landshut und Wien. 1808 ordentlicher Professor für römisches Privatrecht in Landshut, 1810 an der Universität in Berlin, wo er 1812/1813 Rektor wird. 1817 Ernennung zum Mitglied des preußischen Staatsrats, 1819 Geheimer Oberrevisionsrat am Revisions- und Kassationshof für die Rheinprovinz. 1841 Ernennung zum Staats- und Justizminister unter Übertragung des Departements der Gesetzrevision. 1847 Ernennung zum Präsidenten des Staatsrats und des Ministeriums. 1848 tritt er von dem Amt zurück. Savigny

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

und Weiterentwicklung des Rechts nichts mit Zufall und Willkür einzelner 111 oder eines Gesetzgebers112 zu tun habe. Denn das Recht entstehe nicht durch staatliche Willkür, sondern „durch innere, still wirkende Kräfte". Alles Recht sei deshalb zunächst Gewohnheits-, nicht Gesetzesrecht, das „organisch" wie die „Sprache, Sitte, Verfassung" wachse, und aus diesem Grund von der Rechtswissenschaft nur geschichtlich, als ein organisch Gewordenes, aufgefaßt werden könne. Ausgangspunkt der hieraus entwickelten historischen Methode zur Gewinnung des Rechts sollte also ein bestimmtes Verständnis vom Verhältnis der Vergangenheit zur Gegenwart sein. Danach könne es keinen Bruch zwischen beiden geben, vielmehr sei das Vergangene die Ursache des Gegenwärtigen und darin letztlich lebendig. Und anders formuliert: Die Gegenwart ist das Ergebnis, die notwendige Konsequenz der Vergangenheit. Neben Friedrich Carl von Savigny waren es auch sein Lehrer Gustav Hugo (1764-1844),113 Georg Friedrich Puchta (1798-1846)114 und die Germanisten Karl Friedrich Eichhorn (1781-1854)115 und Jacob Grimm (1785-1863),116 die das neue Verständnis von Geschichte und Gegenwart auf die Rechtswissenschaft übertrugen, und damit ideologisch zum Kardinalmittel der Erkenntnis des gesamten positiv geltenden Rechts im weitesten Sinne erhoben. Demzufolge legte die Historische Rechtsschule den Schwerpunkt ihrer Untersuchungen zur Vermeidung eines bloßen Imaginierens auf die geschichtliche Entwicklung des Rechts von den Anfängen bis in die Gegenwart. Sie versuchte damit, das ihrer Ansicht nach Spekulative, das allzu Philosophische117 - ein Einwand der vor allem gegen das 18. Jahrhundert zielte - weitestgehend auszuschließen, und wies damit in der Tendenz gewisse positivistische Züge auf. verstirbt am 25. Oktober 1861. Entnommen bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 352-361. 1,1 Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 1, S. 14ff., S.20. 112 Friedrich Carl von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, S. 14. 113 Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 207-211. 114 Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 327-331. 115 Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 119-122. 1,6 Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 168-172. 117 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 310f.: „Die Natur der Sache im Sinne von [Justus Friedrich] Runde [in: Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, §40; siehe hierzu unten S. 180], [Franz Xaver] Gmeiner (siehe hierzu S. 139, Fußn. 224) und anderen Schriftstellern des vorigen Jahrhunderts ist ein Princip, welches die vollkommene Verseichtigung der Wissenschaft eben so sicher herbeiführen würde, als dieß durch den ehemaligen Einfluß des alten Naturrechts geschehen mußte. Das Raisonnement ist dort ebenso oberflächlich und haltlos, als hier, und es beruhte auf einer Täuschung, wenn man glauben wollte, daß der Vertheidiger der Natur der Sache in diesem Sinne auf positivem Rechtsboden stehe."

3. Synopse

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Eine weitergehende Verengung verlangte die mit Georg Friedrich Puchta begründete Begriffsjurisprudenz, die sich zur Lückenfüllung des anzuwendenden Rechts auf eine gewisse innere Logik der historisch zu untersuchenden Rechtsstoffe konzentrierte, so daß als Ergebnis Rechtssätze als reines „Product einer wissenschaftlichen Deduction" 118 gewonnen werden könnten, weil die gesamte Rechtsmaterie aus dem Volksgeist stamme und „vernünftig" sei, also ein System darstelle, in dem sich das eine aus dem anderen entwickeln ließe. Diese Methode, den einen Rechtssatz aus dem anderen zu folgern, diente Puchta schließlich zur Konkretisierung bisher nicht ermittelten Rechts, das durch die Juristen nur noch als bereits Vorhandenes erkannt zu werden brauche. Dieses Juristenrecht, 119 also im wesentlichen das durch Richter und Rechtslehrer nach der skizzierten Methode aus vorhandenen Rechtsquellen deduzierte Recht, sollte dann nach der damaligen Vorstellung als ergänzende (gemeine) Rechtsquelle selbständig neben das Gewohnheitsrecht und das Gesetz treten. In seiner für das geltende Recht dann bestimmenden Art und Weise hätte es dann eine ähnlich ordnende Funktion wie die Ideen in der platonischen Ideenlehre übernommen. Die Volksgeistlehre und die begriffsjuristische „Erkenntnis" vom inneren Zusammenhang der Rechtssätze schaffte andererseits in gewissem Maße aber auch eine Verbindung zwischen der Naturrechtslehre des 18. und der Historischen Rechtsschule des frühen 19. Jahrhunderts. Denn indem man den schwer faßbaren und geradezu metaphysischen Volksgeist und den begriffsjuristischen Zusammenhang an die Stelle der in gleichem Maße metaphysischen Vernunft und die Natur des Menschen oder der Sache setzte, schuf man gleichzeitig einen an sich kritisierten Freiraum für philosophische Überlegungen. Beiden Richtungen ist also gemein, daß sie das Recht nicht zu „setzen", sondern zu „entdecken" suchten, wobei die Gefahr einer bloßen Imagination des Rechts freilich nicht wirklich ausgeschlossen blieb. Selbst die Gesetzgebung ist in ihren Augen nicht Rechtsetzung, sondern lediglich Entdekkung, das Aussprechen des ohnehin vorhandenen Rechts. In beiden Epochen ging es also um eine spezifische Methode zur Erkenntnis vom „geltenden" Recht. Während im 18. Jahrhundert die Übereinstimmung mit einem rationalen Naturrecht als Rechtfertigung für den Rückgriff auf gedachte rechtliche Inhalte gemeinen Rechts herangezogen wurde, war es im 19. Jahrhundert die geschichtliche Überlieferung des „Guten, des Alten, des Ewigen, des Eingebürgerten", das zur Ergänzung und Auslegung des positiv geltenden Rechts herangezogen wurde. Folglich beschäftigten sich auch Romanisten und Germanisten 120 im 19. Jahrhundert mit der inhaltlichen Abgrenzung und dem richtigen Anwendungsverhältnis von gemeinem und partikularem Recht einerseits und dem Verhältnis verschiedener ge118

Georg Friedrich Puchta, Cursus der Institutionen, Band 1, S. 22. Zu dem nicht unproblematischen Begriff Juristenrecht" siehe ausführlich bei Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht, S. 109 ff. Den Gegensatz sollte das sogenannte ,,1Volksrecht" (ebenda, S.73ff.) bilden. 120 Hierbei handelt es sich jeweils um eine besondere Ausprägung der Historischen Rechtsschule. 119

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meiner Rechte untereinander andererseits, wie ein Zitat des Germanisten Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (1823-1891) 1 2 1 aus dem Jahre 1846 verdeutlicht: „das erstere [das römische Recht] ist die wissenschaftliche Darstellung der Lehren eines unmittelbar anwendbaren Rechtsbuches, das letztere [Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Privatrechts] die wissenschaftliche Behandlung eines Ergebnisses, das durch eine eigenthümliche, höhere Auffassung einer Menge wirklich gültiger und anwendbarer Rechtsstoffe gewonnen wird, ohne selbst den Anspruch auf diese Anwendung im praktischen Rechtsleben zu machen. Es können daher wohl Collisionen entstehen zwischen den Sätzen des römischen Rechts und denen der unmittelbar anwendbaren deutschen Particularrechte, nicht aber zwischen dem römischen Rechte und jener sublimirten Größe der Wissenschaft des gemeinen deutschen Privatrechts, welche durch ihr Grundprincip aus jeder Parallele mit jenem entrückt wird." 1 2 2 Natürlich bleiben zahlreiche Fragen. Warum Gerber i m römischen Recht i m Verhältnis zum gemeinen deutschen Privatrecht einerseits die wissenschaftliche Darstellung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsbuches sah, während jenes andererseits die wissenschaftliche Behandlung eines Ergebnisses darstellen soll, das durch eine eigentümliche, höhere Auffassung einer Menge wirklich gültiger und anwendbarer Rechtsstoffe gewonnen wird, bleibt nämlich offen. Offensichtlich war es für Gerber eine ausgemachte Sache, daß allein das römische Recht i m Unterschied zur Gesamtheit des einheimischen Rechts als gesicherter Bestandteil des positiven Rechts aufzufassen war. 1 2 3 Eine nähere Beschäftigung mit dem materiell-rechtlichen Inhalt des gemeinen Rechts und seinem Geltungsgrund soll hier noch zurückgestellt und in einem nachfolgenden Kapitel ausführlich behandelt werden. Wichtig ist hier nur die Feststellung, daß mit den Worten von August Ludwig Reyscher (1802-1880) 1 2 4 die richtige systematische Einordnung des Begriffs „Gemeines Recht" und seine Funktion i m 121 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber wird am 11. April 1823 in Ebeleben geboren. Zunächst studiert er ab 1840 Philologie in Leipzig. Bald danach wendet er sich der Rechtswissenschaft zu. 1841-1843 Studium an der Universität in Heidelberg. Promotion und Staatsexamen 1843.1844 Habilitation in Jena. Gerber hält anschließend Vorlesungen über deutsches Privat- und Lehnsrecht, deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, usw. 1846 wird er ordentlicher Professor in Jena. 1847 folgt er einem Ruf an die Universität in Erlangen. 1851 Wechsel an die Universität Tübingen, wo er Vizekanzler wird. 1855 Kanzler und Sitz im württembergischen Landtag. 1861 württembergischer Kultusminister. 1862 Professor und Oberappellationsgerichtsrat in Jena. 1863 Professor für deutsches Privat-, Staats- und Kirchenrecht in Leipzig. 1867 Abgeordneter im Reichstag des norddeutschen Bundes. 1871 sächsischer Kultusminister. Gerber verstirbt am 23. Dezember 1891. Entnommen aus: ADB, Neunundvierzigster Band, Nachträge bis 1899: Kaiser Friedrich III.-Kanstein, S. 291-297. 122 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S.293. 123 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, einer der führenden Germanisten des 19. Jahrhunderts, ist (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 157) überzeugt, „daß das römische Recht in Deutschland als gemeines subsidiäres, und zwar als positives Recht (lex scripta) gelte [...]." 124 Zur Biographie siehe weiter unten S.71, Fußn. 149.

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19. Jahrhundert nach wie vor - wenn auch aus anderen Gründen - eine äußerst wichtige Fragestellung geblieben war. „Wichtig [erschien auch der Wissenschaft im 19. Jahrhundert] nämlich die Frage von der Natur und dem letzten Grunde des gemeinen Rechts nicht bloß für das [angenommene] deutsche Recht im engeren Sinne, sondern für das gemeine deutsche Recht überhaupt, mit Inbegriff des römischen; denn niemand [könne] behaupten, daß alle Lehrsätze der Pandekten gemeinrechtlich in Deutschland sey. Wo ist nun aber die Grenze des gemeinen Rechts auch in dieser Beziehung, und in wiefem läßt sich überhaupt von einem gemeinen Recht in Deutschland reden?" 125

(2) Horizontal/vertikal Den erkennbar umfassendsten Versuch einer näheren Bestimmung des Begriffs vom gemeinen Recht unter Einbeziehung historischer und gewisser naturrechtlichphilosophischer Gesichtspunkte findet sich in einem zeitlich nicht genau einzuordnenden 1 2 6 Aufsatz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Carl Eduard Georg Bruns mit dem Arbeitstitel „Gemeines Recht" in der „Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste". 1 2 7 Auch Bruns knüpfte dort, ähnlich wie schon Pütter, Runde und Thibaut vor ihm, zunächst an die bereits aus der Antike bekannte Grundvorstellung an, daß das Recht in ein Allgemeines und ein Besonderes zu teilen sei. Er Schloß daraus: „Da indessen alles objective Recht schon seinem Begriffe nach stets einen gewissen Kreis von Menschen, für die es gilt, voraussetzt, so leidet der besondere Begriff eines gemeinen Rechts nur da Anwendung, wo ein Gegensatz eines großem und mehrer in ihm unterschiedener kleinerer Kreise oder wenigstens ein Gegensatz von Regel und Ausnahme stattfindet. Das gemeine Recht ist dann das allen Kreisen oder der Regel nach gemeinsame Recht im Gegensatz zu den besonderen Rechten der einzelnen Kreise oder den besonderen Ausnahmen von der gemeinsamen Regel. Mit dem Begriff der Gemeinsamkeit verbindet sich also hier die Kategorie des Allgemeinen oder Generischen, Generellen im Gegensatz zu dem Besondern der einzelnen Theile oder Arten." 128 Ein konkurrierendes Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen sei nach Bruns in dreifach 1 2 9 verschiedener Beziehung immer dann anzunehmen, wenn und soweit 125 August Ludwig Reyscher, Ueber das Daseyn und die Natur des deutschen Rechts, S. 13/14. 126 Der Aufsatz ist undatiert. 127 J.[ohann] S.[amuel] Ersch -J.[ohann] G. Gruber, Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, S. 208-220. 128 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 208. 129 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S.208: „Ein solcher Gegensatz ist nun aber in einer dreifach verschiedenen Beziehung möglich: in räumlicher oder geographischer, [...]; in gegenständlicher, [...]; in systematischer oder logischer, [...]." Dem entspricht die Ansicht des Carl Georg von Wächter (in: Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.4/5): „Gemeines Recht, jus commune wird bekanntlich in sehr ver-

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ein „Ganzes" i m Rechtssinne denkbar ist. Das ist einmal in horizontaler Hinsicht möglich und führte bei Bruns, Carl Georg von Wächter und anderen zunächst zur folgenden Unterscheidung: a) Zunächst sei eine Rechtsgemeinschaft in geographischer oder örtlicher Hinsicht aufzufassen. Das gemeine Recht sei dann ein Recht, das mehreren Rechtsgebieten gemeinsam ist, sie alle beherrscht und zu einem größeren Gesamtgebiet als Ganzes verbindet. Dem gemeinen Recht stehe damit das partikulare Sonderrecht, welches nur dem jeweils einzelnen Gebiet eigen ist, gegenüber. 130 ' 1 3 1 b) Gegenständlich betrachtet sei das gemeine Recht hingegen ein Recht, welches „gleichmäßig alle in die örtliche Herrschaft des Rechtes fallenden Personen, Sachen und Verhältnisse umfaßt, i m Gegensatze zu denjenigen Rechtssätzen, die sich nur auf einzelne Arten und Classen von Personen, Sachen und Verhältnissen beziehen." 1 3 2 c) Aus dieser gegenständlichen Betrachtung müsse daneben jedoch übergreifend ein systematisch-logisches Element des gemeinen Rechts folgen: nämlich das auf einer Rechtskonsequenz beruhend regelmäßige Recht i m Gegensatz zu seinen aus besonderen Gründen zugelassenen Ausnahmen. Ganz allgemein seien diese Ausnahmen immer schon als Privilegien bezeichnet worden, was zunächst nichts anderes bedeute, als die Fälle der Abweichung des Einzelfalles von der generellen rechtlichen Behandlung. 1 3 3 schiedener Beziehung genommen. Es bezeichnet überhaupt das Allgemeinere, das dem Umfange nach Ausgedehntere im Gegensatz zum Beschränkteren, Besonderen. Diese Allgemeinheit und Ausdehnung kann bald eine örtliche seyn, [...]: oder sie ist eine gegenständliche [...]: oder bezieht sich auf die Natur der Regel [...]." 130 In dieser Hinsicht wurde der Begriff wohl auch hauptsächlich verstanden. Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 208; Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.4 und 6; Georg Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Erste Abtheilung. Allgemeiner Theil. Das gemeine Landrecht, S.4.; Heinrich Dernburg, Pandekten, Erster Band. Allgemeiner Theil und dingliche Rechte, Einleitung S. 1. Als Sonderrecht in örtlicher Hinsicht wurden insbesondere die Statuten und Gewohnheiten (ius municipale) (u. U. aber auch die vom Landesherren erlassenen Normen (Constitutions)) aufgefaßt. Vgl. Helmut Coing , Europäisches Privatrecht, Band I, § 13, IV., S. 87. 131 In diesem Punkte undifferenziert, aber im Ergebnis ebenso: Hans Thieme, Art. „Gemeines Recht", Sp. 1506; ders., Zum Begriff des Gemeinen Rechts, S. 111. Hans Thieme versteht unter dem Partikularrecht ganz allgemein das Sonderrecht „räumlich, ständisch oder wie auch immer abgegrenzter Bevölkerungsteile und bestimmten Gruppen oder Einzelpersonen erteiltes Privileg". 132 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209. Bruns verdeutlicht dieses mit Beispielen: „z. B. gemeines Sachenrecht und besonderes Recht der Mobilien und Immobilien, gemeines Vertragsrecht und besonderes Recht des Kaufes, der Miethe u. s. w." 133 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 208; vgl. Christian Friedrich Koch, Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts, Band I, S. 2 übereinstimmend mit Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, § 16: „Nach der Herkunft sind die Regeln allgemeines Recht (jus commune, nach Andern jus generale), wenn

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Damit seien einmal die generellen 134 Privilegien gemeint, die wieder einen Bestandteil des objektiven Rechts ausmachten, als auch die speziellen Privilegien, 1 3 5 die ganz allgemein als einzelne spezielle subjektive Rechte zu verstehen seien, die man in der Historie einzelnen Personen oder Personengruppen zugestanden hat. Diese systematische Unterscheidung, so hob Bruns hervor, sei grundsätzlich jede für sich selbst zu betrachten, wobei Überschneidungen allerdings durchaus denkbar seien. Carl Eduard Georg Bruns betonte daher 1 3 6 daß örtlich-geographische, gegenständliche und systematisch-logische Anknüpfungspunkte für die systematische Einordnung des Begriffs „Gemeines Recht" unzulässig vermischt würden, wenn man mit einigen Autoren entweder das partikulare Recht nur als Unterart des speziellen Rechts ansehe, 137 oder aber eine Dreiteilung von ius generale, speciale und particulare, 138 oder von ius commune, speciale und singulare 1 3 9 bilde. Bruns Schloß es regelrecht ist, oder singulaires (jus singulare), wenn aus andern als reinen Rechtsgründen, ζ. B. aus Staatsinteresse oder aus Rücksicht für sittliche Zwecke (aus Beachtung der utilitas oder necessitas), von der Regelmäßigkeit abgegangen ist." 134 Carl Georg von Wächter (in: Gemeines Recht Deutschlands insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.5, Fußn. 5) weist hinsichtlich dieser Art des Privilegs, deren Ursache „die innere Natur des Rechts selbst" zu sein scheint, darauf hin, daß „ihre Beziehung auf das Allgemeine und Besondere blos in der allgemeineren Natur der Regel im Gegensatze zu der Regel gegenüber beschränkteren Natur der Ausnahme liegt, dass daher das regelwidrige Recht nicht, wie man annehmen, einen Gegensatz zum generellen Recht [...] bildet." Denn „auch das regelwidrige Recht kann gegenständlich-generelles Recht seyn, d. h. es kann eine Ausnahme von dem allgemeinen Rechtsgrundsatze für ganz generelle Verhältnisse, für alle Personen und Sachen gemacht werden; ebenso kann es gemeines Recht in geographischer Hinsicht seyn, wenn das gemeine Recht des Staates eine solche Ausnahme enthalten sollte." Gleiches gilt nach Carl Eduard Georg Bruns (Art.: „Gemeines Recht", S.209) für das örtliche gemeine Recht. Es „kann im Einzelnen seinem Gegenstande nach sowohl generell als speciell, und seinem Grunde nach sowohl regelmäßig als anomal sein; dieselben Unterschiede sind aber beim particulären Rechte möglich; ebenso kann das gegenständlich gemeine Recht seinem Grunde nach sowohl regelmäßig als anomal sein; dasselbe ist bei dem gegenständlich speciellen Recht u. s. f. der Fall." 135 Das Privileg ( « ius singulare) kennzeichnet das Sonderrecht bestimmter Personengruppen. Der Begriff wird (in: Digesten 1,3, 16 (De legibus senatusque consultis et longa consuetudine)) definiert als „quod contra tenorem rationis propter aliquam utilitatem auctoritate constituentium introductum est.". Mehrere Arten von Privilegien (Privilegia) wurden unterschieden: Personalia, realia und mixta. Diese Unterscheidung ist abhängig davon, ob sich das Privileg auf mehrere oder einzelne Rechtsvorschriften (= generelle Privilegien) oder Personen (z. B. im Testamentsrecht des Soldaten (Digesten 29,1,20 (De testamento militis)) bezieht; ferner perpetua und temporaria, also jeweils dauernde oder zeitlich beschränkte. Vgl. Helmut Coing , Europäisches Privatrecht, Band I: Älteres Gemeines Recht ( 1500-1800), § 13 V., S. 89/90. Im einzelnen ist vieles streitig. 136 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209. 137 Friedrich Adolph Schilling, Lehrbuch fuer Institutionen und Geschichte des römischen Privatrechts, Band 2, § 14. 138 Christian Friedrich Mühlenbruch, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band I, §48. 139 Albrecht Schweppe, Das römische Privatrecht in seiner Anwendung auf Teutsche Gerichte: als Leitfaden zu den Vorlesungen über die Pandecten, Band I, § 5, S. 12. 5*

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

sich damit also weitgehend der begrifflichen Unterscheidung von Pütter, Runde und Thibaut aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an. 140 Anstatt den Begriff des ius universale in örtlich-geographischer Hinsicht zu gebrauchen, taucht bei ihm in dieser Hinsicht allerdings der dem Corpus iuris entnommene Begriff des ius generale wieder auf. Gleichzeitig erschien es Bruns aber so, als könne der Begriff des „Ganzen" wiederum nur ein relativer sein, so daß er im Zusammenhang mit dem Begriff „Gemeines Recht" eine eigene Problematik beinhalte. In rechtlicher Hinsicht müsse nämlich berücksichtigt werden, daß das „Ganze" letztlich immer endlich sei. Das heißt in geographischer Hinsicht, daß man im Verhältnis zu dem konkret in Rede stehenden Rechtskreis immer auch einen jeweils noch größeren Rechtskreis annehmen könne. Und gegenständlich, sowie systematisch-logisch weise jede positive Rechtsordnung, als das in Rede stehende Ganze, rechtliche Lücken auf. Demzufolge bedürfe es zur systematischen Einordnung des gemeinen Rechts neben der oben beschriebenen horizontalen auch einer vertikalen Betrachtung: In örtlich oder geographischer Hinsicht habe nämlich jede Rechtsordnung ein bestimmtes abgegrenztes Gebiet, welches es beherrscht und auf das es auch beschränkt sei. Dieses Gebiet bestimme sich nach seinen Rechtsquellen. Denn soweit ein Gebiet „eine gemeinsame Rechtsquelle oder eine gemeinsame Rechtsbildung, sei es durch Gesetz oder Gewohnheit, hat, soweit hat es ein gemeinsames oder gemeines Recht; denn soweit hat sein Recht einen gemeinsamen Grund seiner Kraft und seiner Verbindlichkeit, und soweit erscheint es daher auch als ein einziges allgemeines Recht für das ganze Gebiet. (Dan)eben [...] ist nun die Entstehung von particulären Rechten für die einzelnen Theile des Gesamtgebietes [...] theils dadurch [möglich], daß die einzelnen Theile neben der allgemeinen Rechtsquelle auch noch ihre besonderen Rechtsquellen und ihre besondere Rechtsbildung für sich haben, theils dadurch, daß die allgemeine Gesetzgebung selber neben dem allgemeinen Rechte für das ganze Gebiet des besondern Bedürfnisses wegen für einzelne Theil besondere particuläre Rechtsbestimmungen erläßt. [...] Dabei versteht es sich denn weiter von selber, daß in den einzelnen Haupttheilen eines größeren Gebietes wieder kleinere Gliederungen möglich sind, und daß sich bei diesem dann das Verhältnis von gemeinem und particulärem Rechte im kleineren Maßstabe wiederholen kann, indem das Particularrecht des Haupttheils seinen kleinern Abtheilungen gegenüber relativ wieder als ein gemeines Recht erscheint." 141 140

Vgl. oben S. 56 ff. Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209 a. E./210. Ein Beispiel sei danach das sogenannte gemeine sächsische Recht, welches im Verhältnis zum gemeinen deutschen Recht ein örtlich partikulares, im Verhältnis zu den Rechten der einzelnen sächsischen Länder hingegen ein gemeines Recht ist. Vgl. auch Heinrich Thöl (in: Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht, S. 3/4): „Das Recht, was für ein solches Gebiet kraft seiner besonderen Rechtsquelle 141

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Eine Rechtsquelle kann nach Carl Eduard Georg Bruns also in Bezug auf einen örtlich begrenzteren Bereich gemeines, hinsichtlich des alles umfassenden größeren Rechtskreises jedoch gleichzeitig partikulares Recht sein. 1 4 2 Die damit erkannte Relativität des gemeinen Rechts führte aber zu der sich anschließenden Frage, auf welcher Grundlage die Gemeinsamkeit des Rechts am jeweiligen Ort dann konkret vermittelt wird.

(3) Materiell/formell Für Bruns konnte eine wirkliche Einheit i m Recht für die in Rede stehenden Rechtssubjekte allenfalls aus der jeweiligen Rechtsquelle folgen, die ihnen zugrunde lag. 1 4 3 Ganz entscheidend sei dabei die Einheitlichkeit der Geltung, also eine für alle Rechtssubjekte gleichsam verbindende Kraft. Der Geltungsgrund einer RechtsGültigkeit hat, ist das partikuläre Recht dieses Gebietes. Mehrere Gebiete des partikulären Rechts können Theile eines größeren Gebietes seyn, welches wieder seine besonderen Rechtsquellen, z.B. seine besondere Gesetzgebung hat. Das auf diesen beruhende Recht ist ein besonderes, partikuläres, Recht dieses größeren Gebietes, wenn man es mit anderen Gebieten, aus denen es nicht besteht, vergleicht. Dasselbe Recht ist aber für die kleineren Rechtsgebiete, aus welchen es besteht, ein gemeines Recht. Es beruht für alle auf einer Rechtsquelle, es ist für sie alle gültig, weil sie Theile des Ganzen sind, für welches es gültig ist. Damach giebt es ein gemeines Provinzialrecht, welches für die Stadt= und Landgemeinden der Provinz (District, Bezirk, Amt, Herrschaft, Grafschaft, Vogtei, Fürstenthum, oder wie es heißen mag) gültig ist, ein gemeines Landrecht, ein gemeines deutsches Recht, auch ein gemeines europäisches Recht. Zu dem gemeinen deutschen Recht verhalten sich selbst die deutschen Landrechte als Partikularrechte, zu dem gemeinen europäischen Rechte verhält sich selbst das gemeine deutsche Recht, und auch das französische, russische, spanische u. s. w. als Partikularrecht. Für das Handelsrecht ist die Erkenntnis eines gemeinen europäischen Rechts am fruchtbarsten." Das Problem hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch schon Gottlieb Hufeland (in: Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.69f.; die Beziehung auf Deutschland erklärt sich bei Hufeland aus der Fragestellung, ist aber eigentlich nicht notwendig) erkannt: Sofern sich ein gemeines Recht konkret „immer in Rücksicht auf einen bestimmten District" entwickelt haben mußte, „so kann man freylich auch von einer bestimmten Provinz, einem Theile von Deutschland, sagen, daß dieser oder jener Satz daselbst gemeines Recht sey, das heißt, daß er daselbst so lange die Entscheidungsnorm ausmache, als nicht das Recht kleinerer Districte oder gar einzelner Oerter in dieser Provinz ihm entgegenstehen und seine Anwendung in diesem District oder Ort aufheben." Die Qualität eines gemeinen Rechts wurde mit dieser Begründung sogar für einzelne Stadtrechte behauptet. So heißt es bei Justus Friedrich Runde, Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, §.40: „[...] 3) die Stadtrechte, welche gleichfalls für alle unter der Gerichtsbarkeit der Stadt lebenden Personen gemeine Rechte sind (§.7).[...]". 142 Das ist schwer für das Begreifen und stellt im Grunde einen Widerspruch zu der Behauptung dar, daß gemeines Recht gerade einen Gegensatz zum partikularen Recht bilde. Johann Stephan Pütter (in: Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Zweyter Theil, XXII. Vom Verhältnis zwischen gemeinen und besonderen Rechten überhaupt, S.25) hatte das Problem noch umgangen, als er in ähnlichem Zusammenhang ausführte: „gemeines Recht, [...] das für alle Unterthanen gilt, sofern sie in keiner andern Eigenschaft, als nur in so weit, als sie Unterthanen dieses Staates sind, betrachtet werden; [...]". 143 Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209 a. E.; siehe oben S. 68.

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quelle beruhe zunächst auf der konkreten Art der Quelle; also positiv dem Gesetz oder der Gewohnheit. 1 4 4 Denkbar sind aber auch Fälle, bei denen in verschiedenen Rechtsgebieten nur inhaltliche Parallelen auftauchen. Bei dieser bloßen Gleichheit des Rechts sei nach Bruns zwar inhaltlich ein Recht, Rechtssatz oder Rechtsprinzip mehreren Rechtsgebieten gemein, jedoch könne die Geltung der verschiedenen Rechte, Rechtssätze oder Rechtsprinzipien in dem jeweiligen Gebiet jeweils selbständig, und damit - i m Verhältnis zueinander - nur nebeneinander aus verschiedenen und deshalb nicht einheitlichen rechtlichen Quellen begründet sein. Aus diesem Grunde wurde in der Literatur des 19. Jahrhunderts einheitlich die bloße Gleichheit i m Recht streng von der wirklichen Gemeinsamkeit unterschieden. Die Fälle der bloßen Gleichheit wurden als faktisches, historisches 145 oder auch materiell-gemeines, die Fälle der wirklichen Gemeinsamkeit dagegen als juristisches 1 4 6 oder formell-gemeines Recht bezeichnet. 147 Über die Bedeutungen bestand i m Einzelnen allerdings keine Einigkeit mehr. 144

Über die Geltung des Gewohnheitsrechts als materieller Rechtsquelle - es gehört zum sogenannten ius non scriptum - bestand, sofern beweisbar, seit langem Einigkeit. Grundlegend für die Auffassung der deutschen Juristen vom Gewohnheitsrecht war der schon von den Kommentatoren aufgestellte Satz, daß die consuetudo ein statum taciturn sei. Von dem Gesetz, erklärte Joachim My nsinger vonFrundeck( 1514-1588), unterscheide sich das Gewohnheitsrecht nur wie „Tacitum ab expresso", oder, wie Benedict Carpzov (1595-1666) sich ausdrückte (in: Decisionum Illustrium Saxonicarum, Pars Secunda, Decisio CI: Praesumitur observantia Statutorum, usque dum ea usu haut recepta probentur, No. 21 : Consuetudo & Statutum promodo différant?, pag. 5): Der einzige Unterschied bestehe darin, daß dieses „expresso statuentium voto ac voluntate, consuetudo autem tacito populi consensu" eingeführt sei (zu Carpzov siehe auch Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 87-92). Ähnlich äußerten sich Ulrich Zasius (1461-1535), Johannes Oldendorp (ca. 1480-1567), Andreas Gail (1526-1587), Christoph Besold (1577-1638), Reinhard Bachoffen von Echt (1575-1634), sowie zahlreiche andere Schriftsteller (Zu den Personen siehe in der Reihenfolge ihrer Aufzählung bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.455-459; S.313-316; S.477; S.56-59; S.465). Hieraus wurde die grundsätzlich gleiche Behandlung der Gewohnheit und des Gesetzes hergeleitet, zumindest aber die gleiche Kraft gefolgert. Vgl. Helmut Coing , Europäisches Privatrecht, Band I: Älteres Gemeines Recht (1500 bis 1800), § 13., IV., S. 87. Hierzu siehe bei Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, Erster Theil, Zweites Buch, Zweites Kapitel, S. 143 ff.; Siegfried Brie, Die Stellung der deutschen Rechtsgelehrten der Rezeptionszeit zum Gewohnheitsrecht, S. 129-164, 138; Winfried Trusen, Römisches Recht und partikuläres Recht in der Rezeptionszeit, S. 97-120; Dieter Nörr, Zur Entstehung der gewohnheitsrechtlichen Theorie, S. 353-366. 145 Dazu siehe weiter unten genauer S. 81 f. 146 Dazu siehe weiter unten genauer S. 81. 147 Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.6/7: „Ein Recht ist verschiedenen Bezirken blos factisch (historisch, materiell) oder im uneigentlichen Sinne gemein, wenn gleiche Rechtsgrundsätze und Rechtsinstitute in den verschiedenen Bezirken zur Anerkennung und Geltung gekommen sind, ohne dass diese Geltung auf einen fortdauernd gemeinsamen juristischen Grund, auf eine gemeinsam juristische Notwendigkeit sich stützt. Auf diese Weise haben nicht nur verschiedene Provinzen

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So charakterisierte der weniger strenge Anhänger der Historischen Rechtsschule August Ludwig Reyscher (1802-1880)149 in einem „rationalistisch-naturrechtlich" 150 geprägten Aufsatz im Jahre 1839 das Begriffspaar folgendermaßen: ,Materiell gemein nenne ich dasjenige Recht, welches zwar nicht Gesetzeskraft hat, wohl aber vermöge der innem Wahrheit seiner Sätze überall da entscheidet, wo dasselbe nicht durch formelles Recht (Gesetz, Gewohnheit, Autonomie) ausgeschlossen ist." 1 5 1

Nach Reyscher müsse also neben der zunächst voneinander unabhängigen Geltung eines Rechtssatzes in den verschiedenen Rechtskreisen ein gemeinsamer Geltungsgrund des Rechtssatzes noch hinzukommen, um ihn für alle Rechtskreise als desselben Staates ihre selbständig sich entwickelnden Particularrechte, sondern haben auch verschiedene Staaten und Völker viel gemeinsames Recht. Denn das Recht entwickelt sich, in der vernünftigen Natur des Menschen gegründet, unter dem Einflüsse der politischen und socialen Verhältnisse, der Sitte, Religion, Lage, Bildung und des Charakters des Volkes (vgl. damit übereinstimmend: Christian Friedrich Koch, Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts, Band I., Einleitung S. 1), und wird sich deshalb bei verschiedenen Völkern und Völkerstämmen von ähnlichen politischen Verhältnissen, gleicher Religion, ähnlicher sittlicher und intellectueller Bildungsstufe und Stammesverwandtschaft in sehr vielen Beziehungen materiell übereinstimmend bilden. Die naturalis ratio, das bei der Rechtsbildung hauptsächlich wirkende Moment, wird unter ähnlichen geistigen und äusseren Verhältnissen grossentheils zu übereinstimmenden Resultaten führen." Carl Eduard Georg Bruns (Art.: „Gemeines Recht", S. 210) möchte hingegen noch weiter differenzieren und die Fälle der bewußten Übereinstimmung als faktisch oder u.U. historische, die Fälle der unbewußten Übereinstimmung hingegen allein als materielle Gemeinsamkeiten bezeichnen. 148 So das Urteil über die Person von Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 2, Halbband 2, Text: S. 502. 149 August Ludwig Reyscher wird am 10. Juli 1802 in Unterrieringen an der Enz, württembergisches Oberamt Baihingen geboren. Studium an der Universität Tübingen. 1824 Privatsekretär bei dem württembergischen Gesandten in München und Beschäftigung im württembergischen Justizministerium ab 1826. Seit 1829 Privatdozent an der Universität Tübingen mit dem Titel eines außerordentlichen Professors; dort wirklicher außerordentlicher Professor seit 1831. Berufung zum ordentlichen Professor im Jahre 1837 und als solcher im Amte, bis er aus politischen Gründen im Jahre 1851 auf eine Ratsstelle bei der Kreisregierung in Ulm versetzt wird, worauf er noch im selben Jahr um seine Entlassung bittet. Seitdem Rechtsanwalt mit fast ausschließlich konsultativer Praxis zuerst in Stuttgart, dann seit 1853 in Kannstatt. Reyscher verstirbt dort am 1. April 1880. Reyscher war an der politischen Bewegung im Jahre 1848 stark beteiligt; so zum Beispiel als Mitglied der Fünfzehner-Kommission der württembergischen Kammer; im liberalen, aber entschieden antiradikalen Sinne, Anhänger und Förderer des deutschen Einheitsgedankens. Auch in späteren Jahren württembergisches Kammermandat, Mitglied des Ausschusses des Nationalvereins und dann Vertreter seines Heimatbezirks im Reichstag. Hat sich vor allem durch Gutachten, Denkschriften, Reden und Zeitungsartikel hervorgetan, (vgl. Roderich Stintzing/ Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Noten: „August Ludwig Reyscher", S. 223 ff.). 150 Ihm wurde vorgeworfen, sein methodologischer Standpunkt beruhe auf eigentümlichen rationalistisch-naturrechtlichen Anwandlungen, da er auf dergleichen Begriffe wie Rechtsund Billigkeitsgefühl und auf die Natur der Sache abstelle. Siehe Roderich Stintzing!Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 2, Halbband 2, Text: S.502. 151 August Ludwig Reyscher , X. Die Einheit des gemeinen deutschen Rechts und dessen Verhältnis zu den fremden Rechten, S. 339.

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materiell-gemeines Recht erscheinen zu lassen. Reyscher knüpfte damit gegen die Grundstimmung seiner Zeit an die Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts an und erblickte den gemeinsamen Geltungsgrund in der in den einzelnen Rechtskreisen gemeinsam anerkannten inneren Wahrheit des jeweils in Frage stehenden Rechtssatzes. „Da nämlich das Recht früher weniger als Product des Gesetzes [...], denn als Inbegriff allgemeiner, durch Vernunft und Sitte gegebener, Wahrheiten gedacht wurde, so ergab sich daraus von selbst eine Uebereinstimmung desselben bei allen denjenigen, welche durch gleiche Sitte und Verfassung, gleiche Sprache und Abstammung zu einem Volke verbunden waren." 152 A n anderer Stelle heißt es bei ihm dann aus historischer Sicht: „Das Daseyn eines formell (gesetzlich, authentisch) gemeinen Rechts von ähnlichem Umfange in Deutschland behaupten zu wollen, wie das oströmische Reich in den Justinianischen Rechtsbüchern eines hatte, [...], wird wohl Niemandem einfallen. [...] Auch das römische Recht ist trotz seiner verbreiteten Aufnahme nicht formell gemeines, d. h. allgemeines Recht in Deutschland geworden, aus dem einfachen Grunde, weil es nicht durch die Gesetzgebung, sondern durch die Wissenschaft, mit anderen Worten, nicht als Volks= sondern als Juristenrecht Eingang gefunden hat [...]." 1 5 3 Unter materiell gemeinem Recht sei demnach ein gemeinsames Recht mit inhaltlich übergesetzlicher Kraft i m Unterschied zu einem bloß gesetzlich geltenden, authentischen gemeinen Recht (= formell gemeines Recht) zu verstehen. 154 Und dieses formell gemeine Recht sei darüber hinaus gleichbedeutend mit einem allgemeinen Recht. 1 5 5 Gegen eine dahingehende Unterscheidung sprach sich allerdings Carl Joseph Georg Sigismund Wächter (1797-1880) 1 5 6 in einem i m Jahre 1844 erschienenen W e r k 1 5 7 aus: 152

August Ludwig Reyscher, Ueber das Daseyn und die Natur des deutschen Rechts, S. 17. August Ludwig Reyscher, Ueber das Daseyn und die Natur des deutschen Rechts, S. 14 f. 154 In diesem Punkt besteht Übereinstimmung mit Carl Eduard Georg Bruns (Art.: „Gemeines Recht", S. 210). 155 Ebenso Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209, s. o. S. 68: „Soweit ein Gebiet eine gemeinsame Rechtsquelle oder eine gemeinsame Rechtsbildung [...], soweit hat es ein gemeinsames oder gemeines Recht; denn soweit hat sein Recht einen gemeinsamen Grund seiner Kraft und seiner Verbindlichkeit, und soweit erscheint es daher auch als ein einziges allgemeines Recht für das ganze Gebiet." 156 Carl Joseph Georg Sigismund von Wächter wird am 24. Dezember 1797 in Marbach a. Neckar geboren. Studium der Rechtswissenschaft ab 1815 in Tübingen. 1817 kurzer Aufenthalt an der Universität in Heidelberg, 1818 Rückkehr nach Tübingen, wo er sich im gleichen Jahr dem Fakultätsexamen und in Stuttgart der Dienstprüfung unterzieht. 1819 zunächst Referendar und kurz danach Assessor am Gericht in Eßlingen. Im gleichen Jahr außerordentlicher Professor an der Universität Tübingen. 1822 ordentlicher Professor, Promotion und schließlich Habilitationsrede zum Eintritt in den akademischen Senat. 1832 folgt er einem Ruf nach Leipzig. 1835 Rückkehr nach Tübingen. Erhält das Kanzleramt und die Würde eines außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten. Präsident des Abgeordnetenhauses in Stuttgart (1839-1845), 1848 Rückkehr nach Tübingen. 1851 Präsident des Lübecker Oberappellations153

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„Allein dies ist doch nicht der Sinn, in dem man die Worte: allgemeines Recht und formell gemeines Recht nimmt und zu nehmen hat. Formell gemeines Recht ist dasjenige Recht, das durch einen formellen Grund mehreren Districten gemein ist, 1 5 8 und dieses kann in Reyschers Sinne ein allgemeines Recht, d. h. ein in allen seinen Theilen seinem ganzen Inhalte nach in diesen Districten zur Anwendung kommendes Recht seyn, ist es aber nicht n o t wendig. Der Ausdruck allgemeines Recht im gewöhnlichen Sinne aber, wenn man ihn auf positives Recht bezieht (häufig wird er auch mit natürlichem Rechte gleichbedeutend genommen) bedeutet nur das allen Districten überhaupt gemeinsame Recht, in seinem Begriffe liegt aber nicht, dass es in seinem gesamten Inhalte ohne alle Ausnahme gleichmässig in diesen Districten practisch seyn müsse." 159

Allgemeines Recht stimme nach Wächter also eher mit dem Begriff des materiell (bloß gleichen) gemeinen Rechts überein und sei deshalb nicht mit dem Begriff des formell gemeinen Rechts gleichzusetzen. Heinrich Thöl (1807-1884)160 wollte schließlich im Jahre 1846 in einer vor allem gegen seinen ehemaligen Göttinger Kollegen Georg Beseler (1809-1885)161 gerichteten Streitschrift 162 auf das Begriffspaar materiell und formell gemeines Recht lieber ganz verzichten und nur noch zwischen allgemeinem und gemeinem Recht ungerichts und 1852 Professor in Leipzig. 1855 Mitglied am Staatsgerichtshof; 1862 Ordinarius und professor primarius an der Universität Leipzig. 1869 wirklicher geheimer Rat. Wächter stirbt am 15. Januar 1880. Wächter ist für die Begründung eines nationalen Rechtes durch Gesetzgebung. Entnommen aus: ADB, Vierzigster Band, Binstingen-Walram, S. 435-440. 157 Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, Leipzig 1844. 158 Worüber im Wesentlichen Einigkeit bestand. Vgl. Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 210. 159 Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.209, Fußn. 243. 160 Heinrich Thöl wird am 6. Juni 1807 in Lübeck geboren. Studium der Rechtswissenschaft ab dem Jahre 1826 an den Universitäten in Leipzig und ab 1827 in Heidelberg; dort unter besonderem Einfluß von Anton Friedrich Justus Thibaut und Carl Joseph Anton Mittermaier (1787-1867). Promotion in Heidelberg im Jahre 1829. Im darauffolgenden Jahr Habilitation in Göttingen, wo er anschließend als Privatdozent Vorlesungen zum deutschen Privatrecht, Lehnsrecht und Handelsrecht hält. Außerordentlicher Professor in Göttingen im Jahre 1837. Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Rostock im Jahre 1842, wo er die Nachfolge von Georg Beseler (siehe zur Person S.78, Fußn. 178) antritt. 1847 Mitarbeit an dem Entwurf einer neuen Wechselordnung für Mecklenburg. 1848 Wahl ins Frankfurter Parlament. Rückkehr nach Göttingen im Jahre 1849. Thöl verstirbt dort am 16. Mai 1884. Thöl, der vielfach zu den Germanisten gezählt wurde, obwohl er deren historische Richtung nicht teilte, ist in der Summe seiner Veröffentlichungen strikt gegen die Grundstimmung eines Eintretens für die Volkstümlichkeit des Rechts und einer Rechtsentwicklung hin zu Laienrichtern und gegen zivilistische Rechtsgelehrsamkeit. Zur Person und seinem Werk siehe bei Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Text: S. 625 ff. und ausführlich in: ADB, Achtunddreißigster Band, ThienemannTunicius, S. 47-52. 161 Zur Biographie siehe unten S.78, Fußn. 178. 162 Die Schrift wendet sich gegen das Werk „Volksrecht und Juristenrecht" aus dem Jahre 1843.

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

terscheiden. Seiner Auffassung nach bedürfe es des Begriffs „materiell gemeines Recht" nicht, und im übrigen sei schon der bei einer derartigen Unterscheidung zum Ausdruck kommende Grundgedanke verfehlt: „Von dem gemeinen Recht ist [...] zu unterscheiden das allgemeine Recht. Auch dieses gilt in einer Mehrzahl von Rechtsgebieten. Aber es beruht für sie nicht auf einer Rechtsquelle, sondern auf eben so vielen partikulären Rechtsquellen, als es eben Rechtsgebiete sind. Es macht nicht einen Gegensatz zum partikulären Recht, es ist partikuläres Recht. Es ist durch die Partikularrechte und nur in ihnen vorhanden. Es ist eine Zusammenstellung, ein Aggregat, eine Statistik, von mehreren Partikularrechten, insofern sie einen und denselben Rechtssatz, oder ein und dasselbe Rechtsinstitut enthalten. Die Übereinstimmung kann in einzelnen, oder vielen, oder fast allen, oder allen Partikularrechten des Gebietes, dessen Partikularrechte man eben durchsucht, einer Provinz, eines Landes, Deutschlands, Europas, des ganzen Erdballes sich finden. Von dem allgemeinen Recht ist also zu unterscheiden das gemeine Recht, von der allgemeinen partikularrechtlichen Geltung eines Rechtssatzes oder Rechtsinstituts in einem Gebiet, ζ. B. Deutschland, die gemeinrechtliche Gültigkeit eines solchen für ein Gebiet, ζ. B. Deutschland. Das allgemeine Recht deutet nicht selten auf ein gemeines Recht, auf ein früheres oder noch bestehendes, es ist zuweilen ein partikulär gewordenes, untergegangenes, oder ein partikulär befestigtes gemeines Recht." 163

Thöl vertrat damit im Verhältnis zu Reyscher - und wohl auch zu Bruns - eine völlig entgegengesetzte Position. Für ihn war das inhaltlich gleiche, also das nach Wächter materiell gemeine Recht, ein allgemeines Recht, nicht hingegen - so allerdings Reyscher 164 - das formell gemeine Recht. Dieses inhaltlich bloß gleiche Recht könne für sich die Eigenschaft eines gemeinen Rechts auch gar nicht beanspruchen, denn es sei seinerseits nur von partikularer Natur. Eine weitergehende, überörtlich transzendente Geltung, die Reyscher in der gemeinsam anerkannten inneren Wahrheit dieser Rechtssätze gesehen hatte, leugnete Thöl. Weil die Partikularität eines Rechts seine Gemeinrechtlichkeit aber grundsätzlich ausschließe, stelle ein inhaltlich bloß gleiches Recht lediglich eine besondere Ausprägung des möglichen Widerspruches seiner Betrachtung in örtlicher oder geographischer Hinsicht dar. 165 Der Versuch einer Unterscheidung in formeller und materieller Hinsicht ergab für Thöl also nichts Neues, sondern bezeichnete seiner Meinung nach die scheinbare Paradoxie von Partikularität und gleichzeitiger Gemeinrechtlichkeit nur neu in Bezug auf einen anderen Gesichtspunkt, nämlich hier den Geltungsgrund eines einzelnen Rechtssatzes. Damit hatte sich Thöl offen gegen die von Bruns und von anderen behauptete Relativität gemeinen Rechts ausgesprochen. Ihm erschien es unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt, einen horizontal und vertikal betrachteten Rechtssatz in Ansehung eines örtlich, gegenständlich oder sy163

Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht, S.4/5. Ebenso: ders., Einleitung in das teutsche Privatrecht, §47, Fußn. 1. 164 Siehe oben S. 72. 165 Vgl. Carl Eduard Georg Bruns zur vertikalen Bestimmung des Begriffes oben S. 65 ff. (69).

3. Synopse

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stematisch größeren Rechtskreises als gemeines Recht und gleichzeitig als Partikularrecht zu bezeichnen. Obwohl das Problem der Relativität des gemeinen Rechts also kontrovers diskutiert wurde, erweiterte die Rechtswissenschaft die umstrittenen Begriffe materiell und formell gemeines Recht dennoch einheitlich durch ein zusätzliches Unterscheidungskriterium in ein absolutes und hypothetisches 166 gemeines Recht, mit dem schließlich die Art und Weise der jeweiligen Geltung beschrieben werden sollte.

(4) Absolut/hypothetisch Nach ganz überwiegender Meinung i m 19. Jahrhundert konnten einzelne Rechtssätze oder -regeln, welche den Inbegriff des Rechts ausmachen, i m weitesten Sinne als Gesetze bezeichnet werden. 1 6 7 Nach der Anwendung seien sie entweder unbedingte, 1 6 8 also solche Rechtssätze und -regeln, die von jeder individuellen Willkür unabhängig sind und notwendig befolgt werden müssen, oder subsidiarische (= bedingte, hypothetische 169 ), welche als mutmaßliche Willensmeinungen der Parteien anzusehen sind, und deshalb erst in Ermangelung ausdrücklicher Erklärungen des Gesetzgebers zur Anwendung kommen. 1 7 0 166 Hypothetisch: nur angenommen, auf einer unbewiesenen Vermutung beruhend, fraglich, zweifelhaft; [...] (entnommen dem Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, S. 342). 167 Siehe auch die (auf S.40 gekürzt wiedergegebene) Erläuterung in: D. Johann Georg Krünitz s ökonomisch=technologische Encyklopädie, S. 343-348. 168 Friedrich Carl von Savigny nennt sie (in: System des heutigen römischen Rechts, Band I, § 16) absolute Gesetze. 169 Viele Autoren verwenden zur Veranschaulichung der Funktion des gemeinen Rechts die weniger dogmatische, sondern eher plastische Figur des sogenannten „Hilfsrechts". Vgl. z.B. August Ludwig Reyscher , X. Die Einheit des gemeinen deutschen Rechts und dessen Verhältnis zu den fremden Rechten, S. 339: „... wohl aber im Sinne eines im Zweifel gültigen Subsidiar= oder Hülfsrechts"', Alexander von Daniels, Lehrbuch des gemeinen preußischen Privatrechts, S. 6 a. E. :„.... so wurde auf das geschriebene Recht, unter welchem immer nur das römisch=kanonische verstanden worden ist, als Hülfsrecht zurückgegangen."; Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.67: „Man erklärt gewöhnlich den Ausdruck gemeines Recht, durch dasjenige, welches in ganz Deutschland als Hülfsrecht gälte, [...]." und S. 89: „Das römische Recht erstreckt seine Gültigkeit als Hülfsrecht [...]." 170 Vgl. Christian Friedrich Koch, Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts, Band I., Einleitung S. 1 f.: „Die einzelnen Sätze oder Regeln, welche den Inbegriff des Rechts ausmachen, sind im weitesten Sinne Gesetze. Nach der Anwendung sind sie entweder unbedingte (Savigny nennt sie absolute), welche von jeder individuellen Willkür unabhängig sind und n o t wendig befolgt werden müssen, oder subsidiarische, welche als muthmaßliche Willensmeinungen der Partheien anzusehen sind und erst in Ermangelung ausdrücklicher Erklärungen zur Anwendung kommen. Nach der Herkunft ([Friedrich Carl von] Savigny, System [des heutigen römischen Rechts], § 16) sind die Regeln allgemeines Recht (jus commune, nach Andern jus generale), wenn es regelrecht ist, oder singulaires (jus singulare), wenn aus andern als reinen Rechtsgründen, ζ. B. aus Staatsinteresse oder aus Rücksicht für sittliche Zwecke (aus Beachtung der utilitas oder necessitas), von der Regelmäßigkeit abgegangen ist."

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

Carl Eduard Georg Bruns übertrug diese Vorstellung auf die Figur des gemeinen Rechts wie folgt: „Das Verhältnis des gemeinen Rechts zu den von ihm beherrschten einzelnen Gebieten kann ein doppeltes sein. Entweder nimmt es eine absolute oder eine subsidiäre (auch bedingtes, hypothetisches gemeines Recht) Geltung in Anspruch. 171 Das erstere ist [anzunehmen], wenn das gemeine Recht keinen entgegenstehenden partikularen Rechtssatz zulassen will, dessen Fortdauer aus der Vergangenheit und ihre Entstehung für die Zukunft verbietet. 172 Ein solches gemeines Recht kann natürlich nur durch Gesetz entstehen, nicht auch durch Gewohnheit. Je centralisierter ein Staat ist, desto mehr wird seine allgemeine Gesetzgebung diesen absoluten Charakter haben. 173 [...] Das subsidiäre gemeine Recht hingegen ist das, welches der particulären Rechtsbildung volle Freiheit läßt, und daher im Einzelnen nur da zur Anwendung kommt, wo keine entgegenstehende partikulare Bestimmung vorhanden ist. 1 7 4 Ob die particulären Bestimmungen auf Gesetz oder Gewohnheit beruhen, ist dabei gleichgültig, ebenso ob sie nur negativ ein gemeinrechtliches Institut nicht zulassen oder ausschließen, oder ob sie positiv bei einem gemeinrechtlichen Institut anderweitige abweichende Bestimmungen haben. Die letzteren müssen dann aber natürlich ganz im Einzelnen beurtheilt werden, so daß die Seiten des Rechtsinstitutes, auf welche sich die particulären Bestimmungen nicht erstrecken, wieder nach dem gemeinen Recht beurteilt werden müssen, also eine Verbindung beider Rechte eintritt." 175

Für Bruns war ein nicht auf Gesetz beruhendes gemeines Recht also nachgiebig. Über das eigentliche Massenverhältnis des partikularen Gesetzes zum subsidiarischen gemeinen Recht war damit allerdings noch nichts ausgesagt. Dieses könne nämlich ganz unabhängig davon 171 Siehe dazu auch Carl Georg Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 13. 172 Beispiele dafür bei Carl Georg Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 13, Fußn. 24. 173 Carl Eduard Georg Bruns (Art.: „Gemeines Recht", S. 210) merkt an, daß das römische Recht als gesetzliches rein absoluter Natur gewesen ist, wogegen das in Deutschland rezipierte römische Recht hauptsächlich den Charakter eines hypothetischen gemeinen Rechts gehabt habe. 174 Carl Georg Wächter verweist (in: Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 13, Fußn. 8) darauf, daß Georg Beseler (in: System des gemeinen Deutschen Privatrechts, Band I, S. 97) gerade hierin ein absolut oder unbedingt gemeines Recht erblickt habe. Dagegen ist Wächter der Auffassung, daß man ein absolutes oder unbedingtes gemeines Recht nur ein solches nennen kann, welches im ganzen Bereiche unbedingt zur Anwendung kommen muß. Dieses sei aber beim bloß subsidiären gemeinen Recht eben gerade nicht der Fall. Ähnlich wie Bruns hatte sich Johann Stephan Pütter auch schon im späten 18. Jahrhundert (in: Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Zweyter Theil, XXII. Vom Verhältnisse zwischen gemeinen und besonderen Rechten nach allgemeinen Grundsätzen überhaupt, S. 27, Rz. 4) ausgedrückt: „Im ersteren Fall (wenn gefragt wird, was für ein Recht in jedem Fall anzuwenden sey) wird alsdann das besondere Recht unstreitig vor dem gemeinen Recht den Vorzug behaupten. Wo jenes aber aufhöret, wird letzteres eintreten". 175 Carl Eduard Georg Bruns, Art. „Gemeines Recht", S.212.

3. Synopse

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„[...] verschieden sein. Entweder kann das gemeine Recht die Grundlage des ganzen Rechts bilden, so daß die particulären Bestimmungen mehr nur als concrete Ausbildung desselben erscheinen. Dann muß das Princip der Geltung beider so ausgedrückt werden: - das Gemeine Recht gilt stets, sofern es nicht durch die partikulare Rechtsbildung verdrängt oder modifiziert ist [...]. Es kann aber auch umgekehrt das particuläre Recht wenigstens im Einzelnen die Hauptgrundlage und Masse bilden, so daß das gemeine Recht nur im Einzelnen zur Ergänzung von Lücken Anwendung findet. Dann ist das Princip umgekehrt so zu bestimmen: - das Gemeine Recht gilt nicht, außer in Fällen von Lücken des particulären Rechts." 176

In diesen Fragen bestand Einigkeit. 177 Sie bedürfen hier deshalb keiner weiteren Erörterung. (5) Bedingt/unbedingt subsidiär Neben den bereits vorgestellten Unterscheidungen findet sich noch ein vereinzelt gebliebener Versuch der Präzisierung des Subsidiaritätsprinzips des gemeinen Rechts. Er soll hier nicht unerwähnt bleiben, weil er den Gesichtspunkt der umstrittenen Relativität des gemeinen Rechts wieder aufnimmt und in einen neuen Zusammenhang stellt. 176 Carl Eduard Georg Bruns, Art. „Gemeines Recht", S. 212/213: „Dies ist in größerer oder geringerer Ausdehnung der Fall, wenn ein einzelnes Land ein vollständiges Gesetzbuch oder wenigstens ein vollständiges Gesetz über ein einzelnes Rechtsinstitut erläßt, und dabei nur zur Aushilfe für etwa übersehene Lücken das gemeine Recht beibehält, wie z.B. bei dem bairischen Civilgesetzbuche oder dem württembergischen Pfandgesetze." Vgl. auch zur Verdeutlichung Carl Eduard Georg Bruns, ebda., Fußn. 20: „... Nur auf die Verallgemeinerung des letztem paßt daher, was (Georg Friedrich) Puchta (in: Vorlesungen über das heutige römische Recht, Bandì., S. 16, 17) davon sagt: „Es beruht auf derselben spießbürgerlichen Gesinnung, wie wenn ein Berliner sagen wollte: Ich bin ein Berliner, kein Preuße, ausgenommen wo in meinem berliner Leben eine Lücke ist; oder ein Preuße: Ich bin ein Preuße und nur in subsidium, wo ich schlechterdings nicht anders kann, ein Teutscher." 177 Vgl. z.B. Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht, S.4: „Das gemeine Recht verliert seinen Charakter als eines Rechts, welches für einen Ort gültig ist, weil er Theil eines größeren Ortes, Gebietes, ist, für welches es gültig ist, dadurch nicht, daß es nicht an allen Orten dieses Gebietes gilt. Es kann seine Gültigkeit sogar für alle bis auf einen durch das partikuläre Recht dieser Orte ausgeschlossen seyn (wenn eine solche Ausschließung überhaupt statthaft ist, man hat ein solches gemeines Recht passend ein hypothetisches - seine Gültigkeit ist negativ bedingt - im Gegensatz des absoluten gemeinen Rechts genannt). Aber in diesem einen Orte gilt es als ein gemeines Recht, nämlich deshalb, weil dieser Ort Theil eines Ganzen ist, und nicht als ein auf einer Rechtsquelle, die nur für diesen Ort Gültigkeit hat, beruhendes." Auf S. 10 heißt es: „Man hat bisher gerade das als das Charakteristische des absoluten (unbedingten) gemeinen Rechts angenommen, daß das Particularrecht auf seine Gültigkeit keinen Einfluß hat, indem es das widerstreitende Particularrecht vernichtet, und hat den Charakter des bedingten, hypothetischen, subsidiären gemeinen Rechts darin gesetzt, daß seine Anwendung dadurch bedingt ist, daß das Particularrecht weicht, also nur bedingt gilt, hat man dieses bedingte gemeine Recht mit diesem Namen belegt."

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung Georg Beseler (1809-1885) 1 7 8 regte in einem i m Jahre 1843 erschienen W e r k 1 7 9

an, den Begriff des subsidiären (= hypothetisch) gemeinen Rechts nochmals in ein bedingtes und ein unbedingtes subsidiäres gemeines Recht zu teilen. a) Unbedingtes subsidiäres gemeines Recht sei dann anzunehmen, wenn die Anwendung des subsidiären gemeinen Rechts i m einzelnen Land stets ohne weiteres stattfinde, wobei vor allem wesentlich sei, daß die dort vorkommenden „Institute sich zugleich in einer principienmäßigen Einheit entwickelt haben, ohne daß namentlich die Theilung des geltenden Rechtsstoffes nach deutschen und römischen Elementen verschiedenartige Bildungen" hervorrufe; „dann stehe ihrer allgemeinen Anwendung nichts entgegen." b) Bedingt subsidiäres gemeines Recht liege hingegen nur dann vor, wenn zuvor positiv erwiesen sei, daß sich das betreffende subsidiäre gemeinrechtliche Institut in dem betreffenden Lande auch wirklich vorfinde, 1 8 0 und, weil die Rechtsinstitute sich verschiedenartig gestalten können, „daß man in jedem einzelnen Fall wissen muß, welche Form des Instituts es ist, um dessen subsidiäre Geltung es sich handelt." Beseler führte in seiner Begründung aus, daß das (unterstellte) subsidiäre gemeine Recht seiner Beschaffenheit nach nicht immer ganz gleichmäßig sei, denn: „Es gibt im Kreise des gemeinen Rechts wieder nicht unbedeutende Verschiedenheiten, welche großen Theils auf dem Grundsatze beruhen, daß die Anwendung einer Regel von dem Daseyn des Verhältnisses, worauf sie sich bezieht, bedingt ist, und welche sich im Wesentlichen auf folgende Hauptpuncte zurückführen lassen. 178

Georg Beseler wird am 2. November 1809 in Rödemis bei Husum geboren. Studium der Rechtswissenschaft zunächst an der Universität Kiel im Jahre 1827. Fortsetzung des Studiums an der Universität München im Jahre 1829 und juristische Staatsprüfung zurück in Kiel im Jahre 1830. Dort auch Promotion 1833. Lehrtätigkeit an der Universität Göttingen. 1834 Habilitation in Heidelberg und dortige Aufnahme der Lehrtätigkeit im Jahre 1835. Noch im selben Jahre Berufung zum außerordentlichen und kurz darauf zum ordentlichen Professor nach Basel. Lehrtätigkeiten 1837 in Rostock, 1842 in Greifswald und schließlich 1859 an der Universität in Berlin. Beseler verstirbt am 28. August 1885 zu Harzburg (vgl. Roderich Stintzing/ Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Text: S. 507 ff. und Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 52-56). 179 Georg Beseler, Volksrecht und Juristenrecht, Leipzig 1843. Obwohl die Schrift weitestgehend als vollumfänglich verfehlt angesehen wurde (so die Einschätzung bei Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3, Halbband 2, Text: S. 517), führte sie Beseler im Ergebnis an die Spitze der germanistischen Bewegung. Die Schrift mochte zwar in ihren dogmatischen Grundlagen und Einzelheiten logisch, wissenschaftlich und methodologisch anfechtbar sein. Alle diese Widerlegungen und Anfechtungen seien aber an dem Kern der Arbeit vorüber gegangen, da dieser überwiegend in der politischnationalen Seite, unterstützt durch eine Reihe durchaus treffender, weittragender Rechtsgedanken, lag. 180 Georg Beseler, System des gemeinen teutschen Privatrechts, Band I, § 2, S. 7; ders. y Volksrecht und Juristenrecht, S. 96-98.

3. Synopse

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1. Manche Rechtsinstitute tragen einen solchen Charakter der Allgemeinheit in sich, daß sie unter den gegebenen Verhältnissen allenthalben vorkommen können, und um zur Geltung zu gelangen, keine besonderen Bedingungen voraussetzen. Wenn diese Institute sich nun zugleich in einer principienmäßigen Einheit entwickelt haben, ohne daß namentlich die Theilung des geltenden Rechtsstoffs nach deutschen und römischen Elementen verschiedenartige Bildungen hervorgerufen, so steht ihrer allgemeinen Anwendung nichts entgegen. Dann liegt ein absolut oder unbedingt gemeines Recht vor, welches nur insofern unter dem Einfluß der speciellen Satzung, sey es des geschriebenen oder ungeschriebenen Rechtes steht, daß diese es mit Rücksicht auf das bestimmte Gebiet ganz ausschließen, oder doch in seiner principenmäßigen Geltung beschränken kann. Ist weder das Eine noch das Andere der Fall, so stehen die Verhältnisse unter der unmittelbaren Herrschaft des gemeinen Rechts. 2. Andere Rechtsinstitute haben nicht diesen allgemeinen Charakter; sie setzen entweder besondere Lebensverhältnisse oder eine specielle Anerkennung in dem Particularrechte voraus, um eine Anwendung zu finden, oder sie haben sich doch so verschiedentlich gestaltet, daß man in jedem einzelnen Falle wissen muß, welche bestimmte Form des Instituts es ist, um deren subsidiäre Geltung es sich handelt. Es genügt dazu also nicht, daß das Partikularrecht dem gemeinrechtlichen Princip nur nicht hemmend entgegentritt, sondern es wird auch noch vorausgesetzt, daß es sie ausdrücklich anerkennt, oder daß doch im engeren Kreise des Rechtslebens die besonderen Verhältnisse, um deren Normierung es sich handelt, thatsächlich vorhanden sind. Das ist das hypothetisch oder bedingt geltende gemeine Recht, dessen Natur also bald von der Beschaffenheit der Rechtsverhältnisse, bald aber auch von der verschiedenartigen Ausbildung des Rechts selbst bestimmt wird." 1 8 1

Der Vorschlag Beselers ist scharf kritisiert worden. 182 Denn es handele sich bei dem so umschriebenen bedingt subsidiären (= hypothetischen) gemeinen Recht in Wahrheit überhaupt nicht um ein subsidiär gemeines Recht,183 sondern allenfalls um ein relativ gemeines Recht für die Gegenden, wo sich das betreffende Institut fin181

Georg Beseler, Volksrecht und Juristenrecht, S. 96-98. Vor allem durch Heinrich Thöl (in: Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht", S.6-11; ders. y Einleitung in das teutsche Privatrecht, §48, Fußn. 3) und Carl Georg von Wächter (in: Handbuch des im Königreiche Württemberg geltenden Privatrechts, Ersten Bandes erste Abtheilung, S. 1082f.; ders., Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 13, Fußn. 8, und S. 183, Fußn. 223): Beselers Gebrauch dieser neuen Unterscheidung sei „nicht ganz angemessen [und könne] leicht zu Missverständnissen führen [...]. Das subsidiäre gemeine, und nicht blos in dem vorhin ausgeführten Sinne hypothetisch anwendbare, Recht ist in seiner Anwendbarkeit auch bedingt, nemlich dadurch bedingt, dass das Particularrecht Lücken hat. Was also Beseler ein unbedingt gemeines Recht nennt, ist als gemeines Recht bedingt (d. h. durch die Lückenhaftigkeit des Particularrechts), nur als subsidiäres Recht ist es unbedingt, d.h. es tritt bei Lücken des Particularrechts sofort ein. Es ist also ein gemeines, unbedingt subsidiäres (d.h. an keine andre Bedingung, als diejenige, welche überhaupt in der Subsidiarität liegt, geknüpftes) Recht, aber nicht ein unbedingt gemeines. Denn unbedingt gemeines Recht kann nur dasjenige genannt werden, dessen Anwendbarkeit an gar keine, auf den Inhalt des particulären Rechts sich beziehende, Bedingung geknüpft ist, [...]." 183 Carl Georg von Wächter, Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 13, Fußn. 8 a. E. 182

2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

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de. 184 Und zwar - so Thöl - weil die Begriffsbestimmung von Beseler nur teilweise auf das sogenannte allgemeine Recht und nur teilweise auf das gemeine Recht passe. Das Phänomen nämlich, daß ein gemeinrechtliches Rechtsinstitut in ein Rechtsinstitut unterschieden werden könne, so „daß alle demselben Rechtskreis angehörenden einzelnen Rechtssätze consequent aus einem Rechtssatz, dem s. g. Princip des Rechtsinstituts folgen („principienmäßige Einheit"), (nach Beseler also ein unbedingtes gemeines Rechtsinstitut) oder [...] daß also die einzelnen Rechtssätze nicht alle aus demselben, sondern ein Theil aus einem andern, ein anderer aus einem noch andern Princip, sie mithin aus verschiedenen Principien consequent folgen" 185 (nach Beseler also ein bedingtes gemeines Rechtsinstitut), treffe sowohl auf die partikularrechtlichen, als auch auf die gemeinrechtlichen Institute in gleichem Maße zu. Deshalb stelle diese zusätzliche Unterscheidung im Ergebnis in sich einen Widerspruch dar, was Beseler in gewissem Umfange später auch einräumte. 186 Beseler habe beide Begriffe in einem aufgehen lassen. Und dieses sei gerade nicht möglich, da allgemeines Recht nach Thöl nur partikulares Recht 187 sein könne, und eben deshalb keinen eigentlichen Gegensatz zum gemeinen Recht darstelle. Aber gerade dieser Gegensatz mache das Wesen des gemeinen Rechts aus.188 Im Übrigen sei eine Einteilung im Sinne Beselers auch überflüssig, da für das beschriebene Phänomen bereits ein anderer Begriff durchaus üblich sei, nämlich das Begriffspaar des konsequent und des nicht konsequent durchgebildeten Rechtsinstituts. Das Hauptübel bei Beselers Bestimmungsversuch lag nach Ansicht Thöls also darin, daß er eben nicht - wie allgemein üblich - mit bedingt oder unbedingt die Bedingung oder Voraussetzung für die Gültigkeit oder Anwendbarkeit eines gemeinen Rechts gemeint habe, sondern im Ergebnis nur auf eine mögliche Relativität des gemeinen Rechts an dem jeweiligen Ort, an dem es vorkommen kann, hingewiesen hat („unter den gegebenen Verhältnissen"). Auch wenn Beseler in dieser Hinsicht wohl von anderen Voraussetzungen ausging und deshalb zu notwendig anderen Ergebnissen gelangen mußte, ist der Versuch einer begrenzten Neubestimmung durchweg als „Rückschritt" 189 gewertet und deshalb letztlich verworfen worden.

184 185

Vgl. Carl Eduard Georg Bruns, Art. „Gemeines Recht", S. 213. Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht,

S.9. 186 187 188

S.5.

Vgl. ADB, Achtunddreißigster Band, Thienemann-Tunicius, S.49. Siehe oben S. 74. Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht,

189 Heinrich Thöl, Volksrecht. Juristenrecht. Genossenschaften. Stände. Gemeines Recht, Vorrede, S. IV.

3. Synopse

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(6) Historisch/juristisch In der wissenschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts findet sich schließlich noch das Begriffspaar des historischen und des juristischen 1 9 0 gemeinen Rechts. Der erste Begriff steht häufig in enger Verbindung zum materiell, und der zweite zum formell gemeinen Recht, was bereits oben angedeutet worden ist. 1 9 1 I m Jahre 1845 erläuterte Christian L u d w i g Runde (1773-1849), 1 9 2 einer der Söhne des Justus Friedrich Runde: Obwohl der unwiederbringliche Untergang des ehemals reichsrechtlich legitimierten gemeinen Rechts römisch-rechtlichen Inhalts kaum zu leugnen sei, 1 9 3 würde das römische Recht dennoch in den „deutschen Staaten, die noch keine umfassende Gesetzgebung haben, als Hülfsrecht des eigenen Landesrechts fortdauernd anerkannt und besteht also materiell historisch als gemeines subsidiäres Recht in einem großen Theile Deutschlands [fort]: [...]" 1 9 4 Dieses historische gemeine Recht, das nur auf einer für den jeweils einzelnen Staat verbindlichen, und deshalb in Ansehung anderer deutscher Staaten nicht auf einer einheitlich legitimierten Rechtsgrundlage beruhe, 195 sei vor allem durch die Wissenschaft gestiftet, weil 190 Für alle beispielsweise Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, § 8. Der rechtliche Grund der Geltung des römischen Rechts und deren Bedeutung, S. 133): „Allein, wenn somit auch die Aufnahme des römischen Rechts im Allgemeinen juristisch begründet scheint, so handelt es sich doch noch insbesondere um die nähere Bestimmung des Charakters, mit welchem es durch gewohnheitsrechtliche Schöpfung versehen wurde." 191 Zur Unterscheidung des materiell und formell gemeinen Rechts siehe oben S.69ff. 192 Christian Ludwig Runde ist der älteste Sohn von Justus Friedrich Runde (siehe hierzu S. 58, Fußn. 97) aus dessen erster Ehe. Er wird am 26. April 1773 in Kassel geboren und studiert die Rechte an verschiedenen deutschen Universitäten. 1795 Promotion an der Universität Göttingen. Als Privatdozent hält er Vorlesungen über römisches und deutsches Recht, Kirchenrecht, preußisches Landrecht und Handelsrecht. 1799 wird er oldenburgischer Verwaltungsbeamter (Landesarchivar). 1801 wirklicher Assessor bei der Regierungskanzlei und dem Konsistorium. 1806 Kanzlei- und Regierungsrat. 1812 geht er als Mitglied der Regierung für das Fürstentum Lübeck nach Eutin. Rückkehr nach Oldenburg 1814. 1829 Oberappellationsgerichtspräsident. 1837 erhält er den Titel Geheimrat. Er verstirbt entkräftet am 25. Mai 1849. Christian Ludwig schreibt das Lehrbuch seines Vaters über die „Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts" fort und wird auf dem Gebiet des Familienrechts bekannt (eheliches Güterrecht, eheliche Gütergemeinschaft, usw.). Siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.507 und ausführlich in: ADB, Neunundzwanzigster Band, v. Rodde-v. Ruesch, S. 674-677. 193 Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 16: „Während Deutschland unter einer Reichsregierung stand, hatten wir ein reichsrechtlich gemeines Recht, aushelfend, in so fem nicht die einzelnen Landes= Provinzial= Districts= und Orts=Rechte, ähnlich einzelnen Dialekten derselben Sprache, etwas Anderes bestimmten. Dies gemeine Recht ist als solches mit der Reichsregierung untergegangen, und ohne eine gänzliche Veränderung der Verfassung, in der Form nicht wieder zu gewinnen." 194 Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 16. 195 Daß Runde damit im Verhältnis der Deutschen Staaten zueinander ein bloß inhaltlich gleiches (= materiell) (s. o.) historisches gemeines Recht meint, wird nicht offen ausgesprochen. Die Schlußfolgerung ergibt sich allerdings aus dem Sachzusammenhang.

6 Daniel

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2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung „Schriftsteller, welche eine Rechtsmaterie wissenschaftlich bearbeiten, [...] nicht blos das bisherige gemeine Recht, sondern auch die Bestimmungen der neueren Particulargesetzgebung vergleichend und prüfend zur Untersuchung" 196 heranzögen. „Kleinere Staaten, welchen die Kräfte für eine umfassende Gesetzgebung nicht zu Gebote stehen, werden geneigt sein, das erprobte und geprüfte Gesetzgebungswerk eines größeren, mit oder ohne Modificationen, anzunehmen [...]. Ueberhaupt wird jede Landesgesetzgebung, die ihre Aufgabe versteht, bei Gegenständen, welche einen gemeinrechtlichen Charakter haben, das Brauchbare aus den bisherigen Quellen des gemeinen Deutschen und Römischen Rechts schöpfen, und dabei in gleicher Weise verfahren, wie für ein gemeines Deutsches Gesetzbuch gefordert wird. Diese Quellen werden aber von der Wissenschaft fortdauernd historisch=pragmatisch ergründet, im Zusammenhang erfaßt und zur Einheit verarbeitet. In solcher Wechselwirkung der Gesetzgebung und Wissenschaft bildet sich der Stoff eines materiell gemeinen Rechts immer mehr aus." 197

Nach Runde sei es also die Wissenschaft, welche die von Reyscher 198 angenommene innere Wahrheit eines Rechtssatzes historisch-pragmatisch hervorhebt und ihm durch Übertragung auf den Rechtsfall am jeweiligen Ort subsidiäre Geltung verschafft. Und zwar auch dann, wenn er dort historisch eigentlich nicht zu beobachten ist. A u f diese Weise durch die Wissenschaft vermittelt, besäßen die tradierten Inhalte des gemeinen Rechts also auch noch nach 1806 in ganz Deutschland Gesetzeskraft. Denn allein diese überlieferten Inhalte schafften für den neu entstandenen Bundesstaat die juristische Kontinuität und stellten deshalb hierfür ein echtes formell, das heißt gesetzlich verfestigtes, positives gemeines Recht dar. Darüber hinaus sei „[...] es [...] auch in den Bundesacten, für die Entscheidung der Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich angenommen, in mehreren Bestimmungen selbst für alle Deutsche Unterthanen ausdrücklich erhalten, und in so weit juristisch formell als staatenbundrechtliches gemeines Gesetz in Wirksamkeit." 199 Darüber bestand allerdings keine Einigkeit. Nach August Ludwig Reyscher sei nämlich schon früher über die Jahrhunderte hinweg ein wahres juristisch oder formell gemeines Recht lediglich herbeigesehnt oder „geglaubt" worden. Die reale Existenz eines gemeinen Rechts sei nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs aber eher fraglicher geworden. Die wahre Vollendung eines gemeinen deutschen Rechts, „und zwar nicht blos Privatrecht, sondern auch öffentliches Recht, also auch Strafrecht [...]", 2 0 0 stand seiner Meinung nach noch aus. 196

Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 23. Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 23. 198 Siehe oben S. 72. 199 Christian Ludwig Runde, Gemeines Recht für Deutschland, S. 16. 200 Die Existenz eines gemeinen deutschen Privatrechts hatte beispielsweise Carl Georg von Wächter (in: Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S. 208 a. E.) angenommen. 197

4. Zwischenergebnis

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Reyscher traf wohl auch aus heutiger Sicht überraschend einen empfindlichen Kern der Sache. Denn er behauptete damit, daß es bisher weder im historischen noch im juristischen Sinne tatsächlich ein gemeines Recht für Deutschland gegeben habe. Er beschreibt die Situation zur Mitte des 19. Jahrhunderts daher wie folgt: „Reicht nun aber die geschichtliche Grundlage für sich allein nicht hin, um darauf ein befriedigendes System des deutschen Rechts, oder auch nur eine s.g. Einleitungs=Doctrin zu gründen, so muß man sich, wenn nicht überhaupt die Existenz eines gemeinen Rechts fortan aufgegeben werden soll, nach einer anderen Grundlage umsehen, welche entweder für sich allein oder doch in Verbindung mit etwas Anderem das Bedürfnis ausfüllt. Wir glauben, daß die rationale Grundlage diesem Bedürfnisse entspreche, zwar nicht allein, aber in Verbindung mit der Empirie und Geschichte. Die geschichtliche Ansicht ist nämlich blos einseitig, nicht falsch; und wenn dieselbe die zu ihr gehegten Erwartungen bisher nicht befriedigt hat, so ist der Grund hiervon nicht darin zu suchen, daß sie überhaupt verwerflich, sondern darin, daß die Anhänger derselben verschmäht haben, Subsidien, welche von den römischen Juristen, wie von den deutschen Practikern vielfach benutzt worden, offen zur Begründung allgemein anerkannter oder wissenschaftlich erweisbarer Sätze herbeizuziehen." 201

4. Zwischenergebnis In dem lateinischen Begriff „communis, -e" vereinigen sich die Bedeutungen der deutschen Adjektive „gemein" und „allgemein". Während das Wort „gemein" allerdings eher einen örtlichen Bezug aufweist, klingt bei dem Wort „allgemein" ein mehr systematischer Sinn an. Die Begriffe bezeichnen dabei einheitlich den größeren Teil eines Mengenverhältnisses innerhalb einer Art an sich. Beide beschreiben dasjenige, was unter verschiedener perspektivischer Betrachtung allen Dingen oder dem größten Teil unter den Dingen einer Art in gleichem Maße zukommt, was übereinstimmt. 202 In der Rechtssprache der Römer deutet der auf ius commune abgewandelte terminus technicus bereits auf die Funktion einer Rechtsquelle hin. Ähnlich wie der im 5. Jahrhundert v. Chr. in der Philosophie entwickelte Allgemeinbegriff kennzeichnet der abstrakte Rechtsbegriff im Corpus iuris civilis entweder als ius commune oder als ius generale eine Rechtsquelle, die das Recht in örtlicher, gegenständlicher oder systematischer Hinsicht in seiner Allgemeinheit methodisch umreißt, begrenzt und verbindet, oder als ratio iuris bei der Auslegung eines Rechtssatzes hilft, und so zur eigentlichen Erkenntnis von der singulären Norm führen kann. 203 Erst unter dem Eindruck des mittelalterlichen Universalienstreits, der neben der Philosophie und 201 202 203

6*

August Ludwig Reyscher, Ueber das Daseyn und die Natur des deutschen Rechts, S. 12. Siehe oben S. 38 ff. Siehe oben S. 45 ff.

84

2. Kap.: Der Begriff „Gemeines Recht" und seine Einordnung

Theologie mit großer Wahrscheinlichkeit auch die etwa im 12. Jahrhundert in Bologna entstandene Rechtswissenschaft 204 berührte, gewinnt der Begriff des gemeinen Rechts später auch in der einheimischen Rechtssprache des Spätmittelalter nach und nach eine zunehmend klarere Funktion und Bedeutung.205 Die Neuzeit steht bis weit in das 19. Jahrhundert hinein unter der nach wie vor stark wirkenden Vorstellung der Antike, daß die geltende Rechtsordnung systematisch in allgemeine und besondere „Gesetze" denknotwendig geteilt sei. Die Rechtswissenschaft unterschied deshalb allgemeine und besondere Rechtsquellen jedenfalls seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts unter enger Anlehnung an die Bedeutungsvorgaben des Corpus iuris civilis auch in ihrer konkreten Bezeichnung: in örtlicher Hinsicht mit den Begriffen ius commune (vereinzelt auch ius universale/ius generale) und ius particulare (= ius municipale, proprium); in gegenständlicher Hinsicht mit ius commune und ius singulare206 oder Privilegium; und schließlich in logischer Hinsicht mit ius commune (oder auch ius generale) und ius speciale.207 Eine tiefere systematische Durchdringung des Begriffs „Gemeines Recht" findet erkennbar erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Neu ist insbesondere die nicht unumstrittene Auffassung, daß dem gemeinen Recht in örtlicher Hinsicht unter Anknüpfung an seinen jeweiligen Geltungsgrund eine gewisse Relativität anhafte. Eine Rechtsquelle könne unter verschiedener perspektivischer Betrachtung für einen bestimmten Ort einmal als gemeines Recht und gleichzeitig im Verhältnis zu einem örtlich umfassenderen Gebiet als partikulares Recht erscheinen. 208 Das erkannte Problem, wie eine bloß inhaltliche Gleichheit eines Rechtssatzes letztlich zur (erwünschten) Gemeinrechtlichkeit für ansonsten rechtlich voneinander unabhängige Gebiete in ihrer Gesamtheit führen kann, wurde ebenfalls nicht einheitlich beurteilt. Zum Teil wurde noch ganz im Sinne der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts argumentiert, daß in rechtlich voneinander unabhängigen Gebieten bereits die gemeinsam erkannte innere Wahrheit eines Rechtssatzes zu einem hypothetischen gemeinen Recht führe. 209 Nach anderer Ansicht sei es die historisch-pragmatische Bearbeitung eines Rechtsstoffes in der Wissenschaft, die letztlich zu seiner subsidiären Anwendung über die Juristen auch an denjenigen Orten 204 Siehe hierzu ausführlich bei Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 17 ff. 205 Siehe oben S. 50ff. 206 Zum Begriff des ius singulare siehe insbesondere die Dissertation von Reinhard Goclenius mit dem Titel „Disputatio de jure singulari, quam annuente summo numine, ex auctoritate et decreto amplissimi Jctorum ordinis", die er unter Heinrich Ernst Kestner als Präses am 26. Mai 1702 in Rinthein verfaßt hat (§§ V I I ff., pag. 5 ff.). 207 Vgl. zu den Begriffsbestimmungen im späten 18. und 19. Jahrhundert oben S.56ff. und S.59ff. 208 Siehe oben S. 69 und zur Kritik S. 73 f. 209 So die Ansicht von August Ludwig Reyscher; siehe oben S. 71 f.

4. Zwischenergebnis

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führe, an denen der in Frage stehende Rechtssatz ansonsten eigentlich nicht als positives Recht festgestellt werden könne.210' 2 1 1 Neben zahlreichen, teilweise auch uneinheitlichen terminologischen Abgrenzungen wurde dann darüber hinaus in jeweiliger Abhängigkeit davon, ob man ein solches inhaltlich bloß gleiches Recht dem positiven oder dem überpositiven Recht zuzuordnen habe, dieses Recht als materiell oder historisch gemeines, oder sogar als formell oder juristisch gemeines Recht bezeichnet. Erst die systematische Einordnung des Begriffs vom gemeinen Recht im 19. Jahrhundert läßt genauere Rückschlüsse darauf zu, welche Anforderungen an dessen materiell-rechtliche Inhalte zu stellen sind. Danach muß eine Rechtsquelle zunächst im weitesten Sinne gelten. Denn erst dann, wenn eine Rechtsquelle wegen ihrer Geltung Maßgeblichkeit erlangt hat, kann sie für eine singuläre Rechtsquelle am jeweiligen Ort gegenständlich oder systematisch-logisch als Ordnungsprinzip herangezogen werden, und verschiedene, voneinander unabhängige Rechtskreise zu einer rechtlichen Einheit verbinden. Daneben bedürfte ein gemeines Recht im Verhältnis zum partikularen Recht einen inhaltlich und örtlich (relativ) größeren Regelungsumfang. Denn erst im Fall der sachlich und/oder örtlich umfassenderen Regelung kann eine gemeinrechtliche eine partikulare Rechtsquelle umreißen und begrenzen. Ist das der Fall, bedarf es zusätzlich der näheren Bestimmung des Anwendungsverhältnisses der Rechtsquellen zueinander. Kommen nämlich mehrere Rechtsquellen als gemeines Recht mit unterschiedlichen Regelungsinhalten zur Lösung eines konkreten Falles in Betracht, muß der Regelungsvorrang geklärt sein. Alle diese Voraussetzungen oder Bedingungen waren schon im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit den zu dieser Zeit angenommenen Inhalten des gemeinen Rechts nicht mit Sicherheit erfüllt oder zweifelsfrei geklärt, so daß die Unsicherheit hierüber im Ergebnis, wie nun zu zeigen ist, zu einer inhaltlichen Krise des gemeinen Rechts insgesamt geführt hat.

210

So beispielsweise die Ansicht von Christian Ludwig Runde; siehe oben S. 81 f. Franz Wieacker faßt (in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 51 (s. o. S. 24)) beide Ansätze zusammen, wenn er meint, der Geltungsansatz des römischen Rechts beruhe auf einer metaphysischen und geschichtlichen Autorität. Ob ein solcher geschichtlicher und/oder metaphysischer Geltungsanspruch mit einer gesetzlichen Geltung zulässigerweise gleichzusetzen ist, ist allerdings eine andere Frage, auf die noch weiter unten ausführlich einzugehen ist. 211

3. Kapitel

Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh. 1. Inhalte des gemeinen Rechts a) Römisches und kanonisches Recht Noch im 17. Jahrhundert verstand die Rechtswissenschaft in Deutschland unter dem Begriff „Gemeines Recht" inhaltlich allein das römische Recht. Gegenstand dieses römischen Rechts war allerdings weder der klassische Rechtsstoff der Römer, noch das mit dem Corpus iuris civilis 1 überlieferte justinianische Recht. Schon die Glossatoren, und nach ihnen vor allem die Kommentatoren (auch: Konsiliatoren oder Postglossatoren) hatten seit dem 12. Jahrhundert auf der Grundlage des Corpus iuris civilis das römische Recht wissenschaftlich bearbeitet, und mit den zur damaligen Zeit zeitgenössischen, vor allem oberitalienischen Statuten, Gewohnheiten und Handelsgebräuchen, mehr oder weniger umgebildet. In der Folge genoß das römische Recht deshalb nur in den Beschränkungen und Erweiterungen als ius commune Autorität, die ihm die Rechtsschule von Bologna2 gegeben hatte: also ohne die anfangs noch unbekannten griechischen Texte (graeca non leguntur), an deren Stelle für die Novellen die alte lateinische Übersetzung der sog. Authentica Habita von 11553 getreten war. Daneben gehörten zunehmend auch mittelalterliche Rechtsquellen dazu, die entweder schon seit alters die Autorität des Corpus iuris civilis teilten, oder die als Gesetzgebungsakte der salischen Kaiser in die Lehnsrechtspraxis der Juristen von Pavia und Mailand, oder endlich als solche der Staufer in das Corpus iuris civilis aufgenommen worden waren. 4 Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hatte auch das deutsche Rechtsleben diese wissenschaftlich bearbeiteten Texte und die darauf gegründete italienische (mos italicus) und französische (mos gallicus) Gemeinrechtswissenschaft übernommen und 1

Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte siehe ausführlich oben S. 19, Fußn. 14. Bologna war im 12. Jahrhundert wirtschaftliches Zentrum und geographischer Knotenpunkt des Fem- und Levantehandels, sowie eine der ältesten hohen Schulen des europäischen Mittelalters. Neben Paris (für Philosophie und Theologie) und Salerno (Medizin) war sie die bedeutendste. Vgl. Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 31. 3 Hierzu siehe bei Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 43 f. 4 Vgl. Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, Erster Theil, Cap. II., §XII, S.41. So heute auch allgemeine Meinung: siehe z. B. bei Roderich Stintzing!Ernst Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Band 1, S.49; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 133 ff. 2

1. Inhalte des gemeinen Rechts

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dieses „römische Recht" schließlich unter dem Einfluß von Humanismus und elegante Jurisprudenz eigenständig fortgebildet. Im Deutschland des 17. Jahrhunderts war es schließlich der nach und nach abgeänderte, der „zeitgemäße Gebrauch"5 des römischen Rechts, der nun von Rechtswissenschaft und -praxis als Inhalt des ius commune aufgefaßt wurde. Stellungnahmen von Hermann Conring (1606-1681),6 Arthur Duck (1580-1648),7 Johann Philipp Datt (1654-1722) 8 · 9 und Samuel Stryk 5 Usus modernus pandectarum. Die Zeitgenossen sprechen auch von mores hodiernae („heutiger [Gerichts]gebrauch" ) oder nova Practica („moderne Praxis" ). Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 12, S. 205 f. 6 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 169: „Communia iura indubie Romana (a) sunt: [...]". Unter der Anmerkung (a) wird in der hier verwendeten dritten Auflage jedoch schon auf die hierzu streitigen Auffassungen von Johann Georg von Kulpis, David Mevius (1609-1670), Johann Schilter, Johann Philipp Datt und Arthur Duck hingewiesen: „(a) indubie Romana) Intelligit KULPIUS loco saepe citato pag.408. sub Reichsgemeinen Rechten,jura Germaniae domestica s. provincialia, eumque in finem MEVIUM & SHILTERUM allegai. Sed huic solide respondetur testimoniis & argumentis DATII, DUCKIIQUE, ab auctore diatribes: De receptione iuris Romani ejusdemque ac legum Germ, veterum usu & auctoritate praesenti, contra Joh. Georg de Kulpis." 7 Arthur Duck vertrat die Auffassung (in: De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. II., Cap. II., § IX, pag. 166f.): „Constitutions quidem Statuta & Consuetudines in singulis Territoriis inter jura Municipalia habentur, quae possunt Iuri Romano derogare, ipsaeque Constitutiones Imperiales non aliud sunt, quam lus Municipale Imperii; solum vero lus Romanum est ius commune, ex quo Casus in juribus Municipalibus vel non expressi vel obscure positi terminantur." [Übersetzung, S. 86: „Zwar werden Konstitutionen, Statuten und Gewohnheitsrechte in den einzelnen Territorien zu dem Stadtrecht gezählt, das das römische Recht ersetzen kann, und auch jene kaiserlichen Konstitutionen sind nichts anderes als ein solches Stadtrecht des Reiches. Aber allein das römische Recht ist das ius commune, das gemeinsame Recht, nach dem Fälle eingegrenzt und beschrieben werden, die in den Stadtrechten entweder nicht dargestellt oder nur dunkel angedeutet worden sind."]. Zur Person siehe unten S. 101 f., Fußn. 74. 8 Johann Philipp Datt wird am 29. Oktober 1654 in Eßlingen (Württemberg) geboren. Er studiert ab 1674 Rechtswissenschaft und Philosophie in Straßburg. Nach der Besetzung Straßburgs durch die Franzosen kehrt er im Jahre 1681 nach Eßlingen zurück, wo ihm die Direktion der Kanzlei-Registratur übertragen wird. 1690 wird er zum Konsulenten ernannt und vertritt die Stadt Eßlingen auf den Reichs- und Kreistagen. Als die Franzosen in Schwaben einfallen, geht er 1693 als Geisel nach Straßburg. 1694 kehrt er heim und wird 1695 herzoglich-württembergischer Regierungs- und Konsistorialrat, sowie Kirchenkasten-Advokat in Stuttgart. Zur Person und seinem Werk siehe Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Band 3/1, S.47f. (Text) und S.27f. (Noten) und ausführlich in: ADB, Vierter Band, Carmer-Deck, S.767f. 9 Johann Philipp Datt war in seinem Werk „Volumen rerum germanicarum novum, sive de pace imperii publica" (1698), das sich durch eine Vielzahl von urkundlichem Material zum ewigen Landfrieden von 1495 auszeichnet und für das Verständnis des mittelalterlichen deutschen Staatsrechts von großer Bedeutung ist, unter Referierung der Ansichten von Hermann Conring und Johann Georg von Kulpis der Meinung (ebenda, Lib. IV., Cap. I. (H istoria CameralisJudicii in Comitiis Wormatianis anno 1495. Constituti ), pag. 713, Rz. 117,118), unter dem in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 verwendeten Begriff der „gemeinen" bzw. Reichs gemeinen Rechte" sei nur das römische Recht zu verstehen. Damals sei das kaiserliche gemeine Recht nämlich als das „alte" Gesetz bezeichnet worden, während für das kanonische

3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

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(1640-1710) 1 0 '

11

zum Gegenstand des gemeinen Rechts sind also unpräzise. Denn

genau genommen wurden unter dem Sammelbegriff „römisches Recht" verschiedene Rechtsquellen zusammengefaßt. 12 Für die kirchliche Rechtswissenschaft hatte der rechtskundige Kamaldulensermönch Gratian ( t vor 1179) i m 12. Jahrhundert aus einer Vielzahl bereits vorhandener Sammlungen (collectiones) heterogener kirchlicher Rechtsquellen ebenfalls einen umfangreichen Kanon 1 3 zusammengestellt, der später als Decretum Gratiani bezeichnet worden ist. Das Decretum war kein offizielles Gesetzbuch der Kirche, sondern eine Privatarbeit, Quellensammlung und Leitfaden für den kirchlichen Rechtsunterricht zugleich. 1 4 Aufgrund seiner Vollständigkeit konnte es ältere kirchliche Rechtssammlungen verdrängen und wurde schließlich zu einem Fundament des Recht immer nur die Bezeichnung „neues Gesetz" oder das „geistliche Recht" verwendet worden sei. 10 Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 404-408 und ausführlich in: ADB, Sechsunddreißigster Band, Steinmetz-Stürmburg, S. 699-702. 11 Samuel Stryk , I. Discursus praeliminaris: de usu et auctoritate iuris Romani in foris Germaniae, § 25, pag. 18: „Unde & iuria communia indubie Romana denotare, fatetur Dn. Conring [...]." Siehe hierzu auch Samuel Stryk, ebenda, Cap. 33, pag. 213. Stryk sah zwar, daß das kanonische Recht vor dem römischen Recht in Deutschland rezipiert worden war, das römische Recht sei jedoch dann später als quasi derogierendes Recht eingeführt worden (das entspricht dem zunächst üblichen Grundsatz: lex posterior derogat priori (dazu siehe unten S. 195, Fußn. 468)); und weil die Reichsgesetzgebung seit 1495 stets nur das gemeine Recht als das in ganz Deutschland geltende anerkannt habe und damit allein das römische gemeint gewesen sei, sei damit stillschweigend die frühere gewohnheitsrechtliche Geltung des kanonischen Rechts in zivilrechtlichen Angelegenheiten beseitigt worden. Seine Beweisführung ist folgende (§ 36, S. 28/29): „Atqui vero olim in Germania integrum Jus Canonicum, quatenus hoc a Pontifice promulgatum, fuit receptum; Ergo danda ratio, quare non integrum in territoriis Statutum obtinere debeat. Potius assererem, alleganti non usum juris Canonici in illis locis, probandum esse, per Jura Imperii recentiora aut consuetudines subséquentes eidem esse derogatum. Quare non aliud praesidium Juri Romano contra Jus Canonicum supererit, quam quod recepto Jure Romano, eodemque in Imperii Constitutionibus approbato, e contrario vero observantia Juris Canonici non reservata, tacite Juri Canonico, in negotiis civilibus repudium datum. Uti enim consuetudo contraria Jus antea observatum tollit, ita quoque receptio novi juris, cujus disposito Juri hucusque frequentato adversatur. Accessit huic derogationi non difficilis Impp. Conniventia, quorum autoritas stante Jure Canonico solius fere Pontificis arbitrio subjecta erat. Unde consultis crediderunt, sive proprio sive ab Antecessoribus in Imperio Condito Jure uti, quam Pontificium placitis sceptra, publicamque Imperii salutem submisisse." 12

Den Meinungsstand zum Ende des 17. Jahrhunderts faßt Christian Thomasius in der Anmerkung 44) zu der Abhandlung von Johann Georg von Kulpis (De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, pag. 88 ff.) ausführlich zusammen. 13 Die Sammlung beinhaltet Auszüge aus den Beschlüssen der Provinzial- und ökumenischen Konzilien, aus Papstbriefen und patristischen Schriften. Daneben finden sich Exzerpte aus spanischen, italienischen und fränkischen Beschlüssen, Kapitularien sowie Rechtssammlungen einer hochkirchlichen Reformbewegung. Das Werk ist in Distinctiones, Causae und Quaestiones gegliedert. Siehe hierzu Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 20.

1. Inhalte des gemeinen Rechts

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kirchlichen Rechts, nachdem die Rechtsschule der Dekretisten im Wege der wissenschaftlichen Fortbildung zunächst Lücken geschlossen hatte, und der Text anschließend laufend glossiert 15 und durch besondere Erläuterungen (summae) ergänzt worden war. Nach Gratian erfolgte die kirchliche Rechtssetzung überwiegend in der Form von Rechtsäußerungen und Rechtsentscheidungen zu Einzelfällen der Päpste (Dekretalen), die schließlich auf Veranlassung des Papstes Gregor IX. (1227-1241) unter dem Ausschluß sonstiger Rechtstexte in einer eigenen Sammlung unter dem Titel Liber decretalium extra decretum Gratiani vagantium öffentlich verkündet wurden. In der im Jahre 1298 nachfolgenden Liber sextus wurde schließlich auch die nachgregorianische Rechtsentwicklung berücksichtigt und mit den bereinigten fünf Büchern des Liber extra zusammengefaßt. Mit den Konstitutionen des Papstes Clemens VII. (1305-1314) und den Dekretalen sowie Beschlüssen des Konzils von Vienne (1311/1312) erfuhr der Liber sextus in den Clementinen eine weitere Ergänzung. Zusätzliche inoffizielle, private Sammlungen aus dem 14. bis 15. Jahrhundert sind im Jahre 1500 den offiziellen Teilen der päpstlichen Gesetzbücher beigefügt worden, und im Jahre 1582 erhielt der Text in der von Gregor XIII. (t 1187) publizierten amtlichen Ausgabe (Editio Romana), die in Aufmachung und Gliederung dem Corpus iuris civilis folgte, 16 schließlich die bis in das 19. Jahrhundert maßgebliche Sammelbezeichnung Corpus iuris canonici.17 Das Corpus iuris civilis und das Corpus iuris canonici standen im Bereich des weltlichen Zivilrechts zueinander in einer engen Wechselbeziehung. Zum einen ergänzten sich die Rechtsquellen: Trat ein Fall auf, der nach dem ius civile nicht vollständig oder nicht eindeutig entschieden werden konnte, weil der Text in Sinn und Bedeutung dunkel blieb oder sonst unklar formuliert war, sich im ius canonicum für den Fall aber klare und eindeutige Regelungen fanden, so wurde im weltlichen und 14 Die Autorität der von Gratian (Ende 11. Jh. - um 1150) zusammengefaßten Schriften war selbst im 17. Jahrhundert noch umstritten. Ihm wurden häufig Irrtümer vorgeworfen, weil die Zitate der Canones, der Papstsprüche und der päpstlichen Konstitutionen nicht mit den von ihm benutzten Quellen übereinstimmten. Darüber hinaus wurde ihm als Privatmann die Gesetzgebungskompetenz abgesprochen. Die Rechtssammlung des Gratian wurde daher oft als bloße Rechtsmeinung aufgefaßt. Siehe hierzu ausführlich bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VII., § III., pag. 102. 15 Glossa bedeutet soviel wie erklärungsbedürftiges Wort. Glossen zum Corpus iuris civilis sind im und für den Rechtsunterricht entstandene Anmerkungen, die am Rand (Maiginalglossen) oder zwischen den Zeilen (Interlinearglossen) den Sinn und die Bedeutung der einzelnen Abschnitte zusammenfaßten. Vgl. Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 34 f. 16 Das Decretum Gratiani ist nach dem Vorbild der Digesten, die dekretalischen Brevia nach dem Codex und das sechste Buch der Clementinen sowie die Konstitutionen nach dem Vorbild der Novellen zusammengestellt. Die Institutionen des ius canonici stammen aus dem Jahre 1580. 17 Siehe hierzu Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 21 ff.

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

i m kirchlichen Bereich einheitlich nach dem ius canonicum geurteilt. Umgekehrt war i m weltlichen und kirchlichen Bereich nach dem ius civile zu entscheiden, wenn das ius canonicum zu einem rechtlichen Problem keine Regelung enthielt, oder wo die Bedeutung des Textes unklar war. Daneben galt über die sogenannte Bereichslehre 18 für das ius canonicum sowohl i m weltlichen als auch i m kirchlichen Bereich eine echte Ausschließlichkeit: wenn ein Rechtsfall nämlich die Gefahr für die ewige Seligkeit berührte, oder sobald durch das Urteil eine Sünde geschehen konnte, war allein auf der Grundlage des ius canonicum zu entscheiden. 19 Aus diesem Grunde nahm die Rechtswissenschaft etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts 20 an, daß auch das kanonische Recht i m weltlichen Bereich dem ius civile 18 Nach Udo Wolter (in: lus canonicum in iure civili, S. 43 ff.) kennzeichnet die „Bereichslehre" das Verhältnis des römischen und kanonischen Rechts in seiner weltlichen Anwendung durch die Zivilrechtspraxis. Die Bereichslehre wurde zunächst von Bartolus de Sassof errato (1313/14-1357) entwickelt und dann von seinem Schüler Baldus de Ubaldis (1319/27-1400) übernommen. Die Auffassung von Bartolus de Sassoferrato über das Verhältnis beider Rechte findet sich nach Wolter in dessen Kommentierung zu Codex 1,2,12 (De sacrosanctis ecclesiis et de rebus et privilegiis earum). Nachdem er dort kurz die Ansicht der Glosse vom generellen Vorrang des kanonischen Rechts erwähnt, führt er aus: „Tu die, aut loquimur in spiritualibus et pertinentibus ad fidem et stamus canoni...; aut loquimur in temporalibus, et tunc in terris subiectis ecclesiae, et sine dubio stamus decretalibus; aut in terris subiectis imperio, et tunc, aut servare legem est inducere peccatum,... et tunc canonibus... aut non inducit peccatum: et tunc stamus legi..." (Ähnlich äußert er sich nach Wolter auch in einer Additio zu Codex 1,4,3,2 (De episcopali audientia et de diversis capitulis, quae ad ius curamque et reverentiam pontificalem pertinent).

Baldus de Ubaldis hat seine Auffassung zum Verhältnis beider Rechte ebenfalls in der Kommentierung zu Codex 1,2,12 niedergelegt: „ubi lex est contraria canoni, debet servali canones et non ius civile circa quod die, aut loquimur in spiritualibus et pertinentibus ad fidem, stamus canoni... idem in rebus ecclesiasticis, vel aliis iuribus ecclesiarum... aut loquimur in mens temporalibus: tunc aut in terris ecclesiae et in utroque foro servamus canones: aut in terris imperii et tunc in foro civili servamus leges, nisi talis observantia induceret peccatum". Bartolus und Baldus unterschieden also geistliche, den Glauben betreffende Angelegenheiten und weltliche. Für die ersteren ist immer das kanonische Recht anzuwenden. Im zweiten Fall kommt es darauf an, ob die Rechtssache auf kirchlichem Territorium ansteht - dann gilt das kanonische Recht - oder auf weltlichem Gebiet. Hier sind zwar grundsätzlich die weltlichen Rechte anzuwenden; aber immer dann, wenn die Beachtung der leges zur Sünde führt, muß auf das kanonische Recht zurückgegriffen werden. Die Lehre läßt sich, kurz gefaßt, auf folgende Formel bringen: Jedes Recht gilt in „seinem" (weltlichen bzw. geistlichen) Bereich; das kanonische Recht findet aber auch im weltlichen Bereich Anwendung, und dann mit Vorrang, wenn es darum geht, sündhaftes Verhalten zu vermeiden oder zu vermindern. Zu Bartolus und Baldus siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 43-47 und 40-43 sowie in: Juristen. Ein biographisches Lexikon, S.67f. und 58 f. 19 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib.I., Cap. VII., §XII., pag. 111. 20 Erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wird das kanonische Recht in den großen Pandekten werken als vollwertiger Teil des ius commune angesehen. So z.B. bei Georg Adam Struve (1619-1692) (in: Syntagmatis jurisprudence, secundum ordinem pandectarum concinnatum volumen, Pars I., Exerc. II., Lib. I., Tit. IV, § 38, pag. 84: „... ad Jura Imperii communia refertur Jus Pontificium sive Canonicum...") und Wolf gang Adam Lauterbach (1618-1678) (in: Colle-

1. Inhalte des gemeinen Rechts

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zumindest in bestimmten Teilbereichen unter dem Begriff ius commune hinzugewachsen sei. 21

b) Langobardisches Lehnsrecht Über die genaue Herkunft der Liber feudorum oder auch der (verkürzt) Lex Langobarda, die aus einer in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandenen Gesetzessammlung mit dem Titel Liber Papiensis hervorgegangen ist, ist nur wenig bekannt. 2 2 Einigkeit besteht nur darüber, daß das langobardische Lehnsrecht als Decima collatio novellarum 2 3 i m Mittelalter in das Corpus iuris civilis aufgenommen worden ist, 2 4 weil dem überlieferten römischen Recht eine dem langobardischen Lehnsrecht vergleichbare Rechtsmaterie fehlte. Obwohl das Lehnsrecht das römische Recht sachlich eigentlich als fremder Rechtsstoff ergänzte, wurde es nach seiner Integration in den Corpus dennoch unter dem Sammelbegriff „römisches Recht" zum ius commune hinzugezählt. 25

gium theoretico-practicum ad quinquaginta Pandectarum, Pars I., Prolegomena § 9, pag. 28: „Alterum Volumen, in quo continentur jura communia, quibus hodie utimur in Imperio, dicitur Corpus juris canonici..."). Otto Stobbe (in: Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 2, S. 111, Anm. 5), Carl Georg von Wächter (in: Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere Gemeines Deutsches Strafrecht, S.29, Anm. 22) und Georg Wilhelm Wetzell (in: System des ordentlichen Civilprocesses, S.4) haben daher die Auffassung vertreten, daß man zumindest zu Beginn der Rezeption bei dem Begriff „Gemeines Recht" wohl noch nicht an das kanonische Recht gedacht habe. Dem habe aber seine „allgemeine" Anwendbarkeit im weltlichen Bereich neben dem römischen Recht bereits zu Beginn der Rezeption nicht entgegen gestanden. 21 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VII., § XX., pag. 119. 22 Hierzu siehe ausführlich bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VI., § I - X I I L , pag. 85-99, und bei Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 30f. 23 Gemeint ist das langobardische Lehnsrecht in der Rezension des Mailänder Konsuls Ubertus de Orto (um 1150). Das langobardische Lehnsrecht soll 1250 durch den Glossator Hugolinus ( - nach 1232) neu redigiert und dem Corpus iuris civilis als decima collatio novellarum hinzugefügt worden sein (hierzu siehe a. Α.: Juristen. Ein biographisches Lexikon, Art.: „Accursius (um 1185-1263)", S. 18). 24 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 134. 25 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VII., § XX., pag. 119; Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr , Compendium Codicis Bavarici civilis, Judicarii, Criminalis et Annotationum. Oder Grundriß der gemein=und bayrischen Privat=Rechtsgelehrsamkeit [...], Pars.I., Cap.II., §X, pag. 39-41. Dazu siehe auch Paul Ko schaker, Europa und das römische Recht, S.59.

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c) Einheimisches Recht I m Jahre 1643 stellte Hermann Conring (1606-1681), der oft als Begründer oder als Vorkämpfer des deutschen Rechts bezeichnet worden ist, 2 6 in seiner in Helmstedt erschienenen Abhandlung „ D e origine juris germanici Commentarius Historicus" klar, 2 7 daß nach öffentlicher Übereinkunft des Reiches das römische Recht in der oben beschriebenen Form am Reichskammergericht zwar allgemein Anerkennung finde. Die Autorität dieses römischen Rechts ginge aber nicht so weit, daß nach ihm allein Recht zu sprechen sei. Den althergebrachten einheimischen Gewohnheiten und Statuten habe man vielmehr ihren angestammten Platz belassen, so daß das römische Recht in der Rechtspraxis allenfalls nur insoweit Anwendung finde, als es gegenüber den nach wie vor geltenden einheimischen Sitten (Gewohnheiten) und Gesetzten keinen Widerspruch darstelle. „Ex hisce vero omnibus manifestum utique est, receptum quidem tandem publico imperii consensu Romanum ius in forum potissimum, quod Camerale appelamus: non tarnen ut ex uno ilio sententiae dicerentur, sed consuetudinibus & statutis suo loco relieto, adeoque hactenus tantum, in quantum illud ius receptis moribus & legibus non adversatur." 28 Für die damit zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß das römische Recht also weder allein noch seinem gesamten Umfang nach in der Rechtspraxis Anwendung finde, sondern daß vielmehr auch die alten einheimischen Gesetze, Rechtssammlungen und Gewohnheiten (leges germaniae) in der Rechtsprechung zu berücksichtigen seien, fand Conring in der Folge schließlich zahlreiche Anhänger. So ist es beispielsweise Johann Schilter (1632-1705), 2 9 der in seinen in Jena erstmals i m Jahre 1672 erschienenen „Exercitationes theoretico-practicae ad L li26 Vgl. die Titel der gleichlautenden Werke von Otto Stobbe (Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte) und Ernst von Moeller (Hermann Conring der Vorkämpfer des deutschen Rechts). 27 Benutzte Textfassung: 3. Auflage, Helmstadii 1665, abgedruckt in: Operum, Tomus VI., pag. 77 ff. Zu Hermann Conring und seiner Abhandlung ,J)e origine iuris germanici liber unus" aus dem Jahre 1643 siehe bei Otto Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, S. 1 ff.; Ernst von Moeller, Hermann Conring, der Vorkämpfer des deutschen Rechts 1606-1681, S.74ff.; Karl Kossen, Hermann Comings rechtsgeschichtliches Verdienst; Dieter Willoweit, Hermann Conring; Erik Wolf\ Art.: „Conring", S. 171 ff. 28 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 169. 29 Johann Schilter wird am 29. August 1632 in Pegau geboren. Ab 1652 Studium der Philosophie an der Universität Jena. 1653 Wechsel nach Leipzig. 1655 Promotion zum Doktor der Philosophie und Rückkehr nach Jena, wo er das Studium der Rechtswissenschaft aufnimmt. Abschluß 1659 und Eintritt in die Gerichtspraxis in Naumburg. Nach einigen Jahren wechselt Schilter zur Erb- und Landeskanzlei in Zeitz. 1668 Amtmann in Ruhlau, 1671 erlangt er den Doktor beider Rechte in Jena. Danach dort Hof- und Konsistorialrat. Nach dem Weggang von Johann Georg von Kulpis (siehe hierzu in diesem Abschnitt unten Fußn. 32) nach Stuttgart wird Schilter 1686 als städtischer Konsiliarius und Ehrenprofessor ähnlich einem Generalstaatsanwalt an der Universität in Straßburg damit betraut, alle an den Senat gelangenden Rechtsangelegenheiten zu prüfen und zu begutachten. Erhält an der Universität Straßburg 1699 „Ordinarius" und Stimme und hält Vorlesungen. Am 14. Mai 1705 erliegt Schilter langjährigen Leiden

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bros Pandectarum iuris" die zu seiner Zeit tatsächlich noch übliche Anwendung einzelner 31 alter einheimischer Gesetze und Gewohnheiten nachweist. Und im Jahre 1682 schließt sich auch Johann Georg von Kulpis (1652-1698)32 unter dem Synin Straßburg. Zur Person und seinem Werk siehe bei Gerd Kleinhey er!Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.507 und ausführlich in: ADB, Einunddreißigster Band, Scheller-Karl Schmidt, S. 266-268. 30 Johann Schilter hat sie später überarbeitet und unter neuem Titel herausgebracht. Die erste Abteilung erschien 1675 in Leipzig und Jena in 4° und nannte sich „Praxis juris Romani in foro germanico, juxta ordinem edicti perpetui et Pandectarum" (Benutzte Ausgabe: Tomus primus (-Tomus tertius), Jenae 1698). Die zweite bis vierte Abteilung erschien gesondert in den Jahren 1680 und 1681. Das Werk hat insgesamt acht Auflagen erfahren. Auch im Bereich des Lehnsrechts hat Schilter (in: „Codex juris Alemanici feudalis" und dem dazu gehörigen Kommentar aus dem Jahre 1698) das deutsche Recht dem langobardischen gegenüber zu einer bis dahin nicht gekannten Anerkennung gebracht. 31 Bei den von ihm untersuchten mittelalterlichen Rechtsquellen handelt es sich allerdings mehr um Einzelerscheinungen als allgemeine Rechtsquellen. So kommt er im Bereich des Lehnsrechts in der im Jahre 1695 in Straßburg erschienen „Introducilo ad jus feudale utrumque germanicum et longobardicum" zu dem Ergebnis, daß es ein universelles langobardisches Lehnsrecht nicht gebe, sondern daß es ebenso ein allemannisches, sächsisches und fränkisches Lehnsrecht, jedes mit eigentümlichem Charakter und selbständiger, volksgemäßer Entwicklung, gegeben habe. ADB, Einunddreißigster Band, Scheller-Karl Schmidt, S.268. 32 Johann Georg von Kulpis wird am 19. Dezember 1652 in Alsfeld geboren und erhält seine erste Schulbildung auf dem Gymnasium zu Heilbronn. Als sein Vater Prediger und Assessor Consistorii in Büdesheim wird, wechselt er auf das Gymnasium in Frankfurt am Main. Im Jahre 1670 geht er an die Universität Straßburg, wo er zunächst für drei Jahre Philosophie und Geschichte studiert und anschließend zur Rechtswissenschaft wechselt. 1676 verläßt er Straßburg aufgrund der kriegerischen Unruhen und setzt sein Studium zunächst in Frankfurt am Main fort. Bald darauf wechselt er an die Universität in Gießen, wo er unter Johann Strauch (1612-1679) promoviert, den Doktortitel jedoch nicht erlangt. Am 15. August 1678 erhält er das Lizentiat. Kulpis schlägt anschließend eine akademische Laufbahn in Gießen ein, die er mit Privatvorlesungen zum öffentlichen Recht beginnt. Bald darauf, im Jahre 1683, wird er nach Straßburg als Professor der Institutionen und des öffentlichen Rechts berufen, wo er gleichzeitig zum Konsulenten des Straßburger Rates ernannt wird. Schon nach drei Jahren gibt er die akademische Tätigkeit wieder auf und wird auf Empfehlung des württembergischen Geheimen Raths Forstner von Dambenoy zum fürstlichen Oberrath und Vizedirektor des Kirchenrates in herzoglich-württembergische Dienste berufen. 1686 siedelt Kulpis nach Stuttgart um und wird 1691 von Kaiser Leopold I. (1658-1671) in Wien zum Reichshofrat ernannt; er tritt dieses Amt jedoch nicht an. Im Jahre 1693 wird er Geheimer Rat und Direktor des Kirchenrates. Im Jahre 1694 wird Kulpis vom Kaiser geadelt. 1697 nimmt er als herzoglich-württembeigischer Gesandter (Minister plenipotentarius) an dem Rijswijker Friedenskongreß teil, der den pfälzischen Erbfolgekrieg beendet. Auf der Rückreise nach Frankfurt am Main erkrankt Kulpis schwer und erliegt am 2. September 1698 in verhältnismäßig jungen Jahren nach kurzzeitiger Genesung seinen Leiden. Die akademischen Verdienste liegen auf dem Gebiet des Staatsrechts. Hier vertritt Kulpis vor allem die Einheit des Reiches, die er, trotz der im westfälischen Frieden anerkannten superioritas tenitorialis der Reichsstände, wegen der Unterordnung unter Kaiser und Reich für fortdauernd hält. Vgl. Georg Beyer im Anschluß an die Besprechung der Dissertation von Johann Georg von Kulpis aus dem Jahre 1682 unter Ziff. XXII. CONRADI SINCERI (in: Notitae autorum juridicorum et juris arti inservientium, Specimen II, pag. 90 ff.). Zur Person und seinem Werk siehe auch Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft,

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onym Conradi Sinceri in seiner „Dissertatione epistolica de Germanicarum legum veterum ac Romani Juris i n republica nostra origine auctoritateque praesenti" der Conringschen Grundvorstellung an. Auch Kulpis kam zu dem Ergebnis, daß unter den in der Eidesformel der Reichskammergerichtsordnung von 1495 beschriebenen „Reichs= und des Reichs gemeinen Rechten" 3 3 keineswegs nur die unter dem Sammelbegriff „römisches Recht" zusammengefaßten Rechtsquellen zu verstehen seien. Anders als Conring die Eidesformel noch ausgelegt habe, liege sogar die Vermutung näher, daß mit den „Reichs=gemeinen" Rechten nur die hergebrachten deutschen Reichsgesetze und Rechtsbücher bezeichnet werden sollten. 34 Damit bezog Kulpis nun sogar offen Opposition gegen die zu seiner Zeit herrschende Meinung, inhaltlich sei unter dem Begriff ius commune zweifelsfrei allein das römische Recht zu verstehen. I m frühen 18. Jahrhundert ist es dann beispielsweise Georg Beyer (1665-1714), 3 5 der sich 1725 Johann Georg von Kulpis zunächst weitgehend anschließt, 36 und i m akademischen Unterricht i m Jahre 1729 schließlich die Weitergeltung der alten einheimischen Gesetze, Statuten und Gewohnheiten lehrt. 3 7 Danach ist er der erste, der auch den literarischen Versuch unternimmt, die einheimischen Rechtsquellen vom römischen Recht losgelöst wissenschaftlich aufzubereiten. Ebenso wie Beyer kam auch Heinrich Christian von Senckenberg (1704-1768) 3 8 i m Jahre 1740 zu der ErBand 2, S. 185-188 und S. 244-252, sowie ausführlich in: ADB, Siebzehnter Band, KrabbeLassota, S. 364-367. 33 § 3 der RKGO von 1495 lautet nach Karl Zeumer (in: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, S.229): „Item die alle sollen zuvor Unser königlicher oder kaiserlicher Majestät geloben und zu den Hailigen swern: Unserm königlichen oder kaiserlichen Camergericht getrewlich und mit Vleis ob zu sein und nach des Reichs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbarn und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnhaiten der Fürstenthumb, Herrschaften und Gericht... zu richten...". 34 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §§ LXXIff. (§ LXXXVII), pag. 88 ff. (pag. 95 f.). 35 Georg Beyer wird am 10. September 1665 in Leipzig geboren. Er studiert ab 1682 in Leipzig Philosophie und Rechtswissenschaft unter Christian Thomasius (siehe hierzu S. 112, Fußn. 122), ab 1685 in Frankfurt (Oder) unter Samuel Stryk und ab 1687 wieder in Leipzig, wo er im Jahre 1693 promoviert. 1706 wird Beyer als Professor der Institutionen nach Wittenberg berufen, wo er 1707 Assessor in der Juristenfakultät, am Hofgericht und an dem dortigen Schöffenstuhl wird. 1713 erhält er die dritte Professur, d.h. er liest das Digestum vetus. Am 21. August 1714 stirbt Beyer in Wittenberg. Entnommen aus: ADB, Zweiter Band, Balde-Bode, S.597. 36 Auf den Standpunkt von Johann Georg von Kulpis hat sich neben Georg Beyer (in: Delineatio iuris civilis secundum Institutiones et pandectas, atque feudalis, Praefatio: § 18 und in: Notitae autorum juridicorum et juris arti inservientium, Specimen II, pag. 83) auch Heinrich Ernst Kestner (1671-1723) (in: Problemata de defectibus iuris communis in republica germanica, quibus prodomus conclusionum ad reformandam iurisprudentiam spectantium continetur, Problema II. De Autoritate et Receptione Juris Romani, pag. 19-50) gestellt. 37 In einer Vorlesung über das „ius germanicum". Georg Beyer, Delineatio juris germanici ad fundamenta sua revocati, pag. 48 (a): IV. Brevis Delineatio historiae juris germanici. Ex. B. Bey eri positionibus ad pandectas depromta.

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kenntnis, daß es zwar keinen vernünftigen Grund gebe, an der Autorität des römischen Rechts als ius commune zu zweifeln. Aber das römische Recht könne diese Eigenschaft für sich nicht allein beanspruchen. Vielmehr seien neben den fremden Rechten, also dem römisch-kanonischen Recht und dem langobardischen Lehnsrecht, auch die iura patriae als iura communia anzuerkennen. Für die nach wie vor geltenden einheimischen Rechtsquellen gelte also in ihrer Gesamtheit: „§ 5: Iura patriae sunt itidem communia." 39 Neben Beyer und Senckenberg unternahmen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch zahlreiche andere Rechtsgelehrte den Versuch, ein System des einheimischen (Privat-)Rechts zu entwickeln. Sinn und Zweck eines abgeleiteten ius [commune] germanicum sollte sein, dem römischen Recht als nahezu gleichwertiges Prinzip gegenüber gestellt werden zu können. 4 0 Als herausragende Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung eines Systems des gemeinen deutschen Privatrechts bemühten, sind insbesondere Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741), 41 Johann Friedrich Eisenhart (1720-1783), 4 2 Benedict Schmidt (1726-1778), 4 3 Johann Georg Estor (1699—1773)44 und Johann Stefan Pütter 45 zu nennen. 46 Sie alle unter38 Heinrich Christian Senckenberg wird am 19. Oktober 1704 in Gießen geboren, wo er auch das Studium der Rechte beginnt. Er verbringt dann mehrere Jahre in Frankfurt am Main und setzt seine Studien schließlich in Halle (unter Christian Thomasius) und in Leipzig fort. 1729 wird er Advokat in Gießen, tritt aber schon im darauffolgenden Jahr eine Stelle als Rat an. In seiner freien Zeit widmet er sich rechtswissenschaftlichen und rechtshistorischen Studien. 1735 Ruf an die Universität in Göttingen und 1738 an die Universität in Gießen. 1744 kehrt er nach Frankfurt zurück, wo er zum Reichshofrat ernannt wird. Senckenberg ist ein bedeutendes Mitglied des Reichshofratskollegiums, dem er bis zu seinem Tode am 30. Mai 1768 angehört. Seine Schriften behandeln meist das deutsche Recht und die deutsche Geschichte. Entnommen aus: ADB, Vierunddreißigster Band, Senckenberg-Spaignart, S. 1 f. 39 Heinrich Christian Senckenberg , XI. Meditatio: De praesumtione pro Jure Romano, §5, pag. 776. 40 Zur Dogmengeschichte des 18. Jahrhunderts siehe ausführlich bei Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 22-56. 41 Johann Gottlieb Heineccius, Elementa iuris germanici tum veteris tum quod hodie in ipsis obtinet rerum argumentis [...], Pars I., Hallae 1736; Pars II., Hallae 1737. 42 Johann Friedrich Eisenhart, Institutiones juris germanici privati, in usum auditorii adornatae, Hallae et Magdeburgicae 1753. 43 Benedict Schmidt, Principia juris germanici antquissimi, antiqui, medii, pariter atque hodiemi, Norimbergae 1756. 44 Johann Georg Estor,... bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen: nach maasgebung der Reichs=abschiede und bewährter Nachrichten auch der Regirungs= sodann Recht= und Policei= anbenebst der Kammer= imgleichen der Stadt= und landwirtschafts= künden, ausgefertiget von Johann Andreen Hofmanne. Zwei Theile, Marburg 1757 und 1758 sowie ders.,... bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen: nach maasgebung der Reichsabschiede und bewährter Nachrichten auch der Regirungs= sodann Recht= und Policei= anbenebst der Kammer= imgleichen der Stadt= und Landwirtschafts=kunden, ausgefertiget von Johann Andreen Hofmanne, Dritter Theil, Frankfurt am Main 1767. 45 Johann Stephan Pütter, Elementa iuris germanici privati hodiemi: in usum auditorum, Göttingen 1748 [Benutztes Exemplar: Goettingae 1756].

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suchten die zahlreichen einheimischen Rechtsaltertümer des Mittelalters, insbesondere den Sachsen-, den Schwaben- und den Deutschenspiegel, aber auch einfache Stadtrechte wie das alte magdeburgische oder das kulmische Recht, auf verallgemeinerungsfähige Rechtssätze mit Anspruch auf unmittelbare Anwendbarkeit. 47,48 Allerdings gelang es Pütter erst im Jahre 1748, das einheimische Recht in seinen „Elementa iuris germanici hodierni" nicht nur anhand des Systems des römischen Rechts zu erfassen, sondern sich den einheimischen Rechtsaltertümern wissenschaftlich auch in eigener Art und Weise, nämlich aus sich selbst heraus, zu nähern. Er unterließ es dabei allerdings keineswegs, bereits ersten Zweifeln Ausdruck zu verleihen, ob es überhaupt möglich sei, aus den einheimischen Rechtsquellen für Deutschland ein ius commune entwickeln zu können.49 Denn die Hauptmasse der in Betracht kommenden Rechtsquellen war aus seiner Sicht von rein partikularer Natur. 50 Die Frage, wie aus den einheimischen Rechtsaltertümern eine „eigenthümliche, höhere Auffassung einer Menge wirklich gültiger und anwendbarer Rechtsstoffe" 51 gewonnen werden könne, sollte die Rechtswissenschaft deshalb noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein beschäftigen. Der konkrete Inhalt dieses ius [commune] germanicum hatte jedenfalls für die Praxis des 18. Jahrhunderts noch kaum greifbare Gestalt angenommen. Weitgehend Einigkeit bestand dann später nur darüber, daß „Sachsen= und Schwabenspiegel [Jedenfalls isoliert betrachtet,] so wenig als andere dergleichen veraltet Rechte52 [nicht mehr unter den Begriff des gemeinen Rechts] gerechnet [werden könnten]." 53,54 46

Eine Erläuterung des Inhalts einiger der genannten Werke liefert Klaus Lui g (in: Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, S. 195-222 (S. 395 ff.)). 47 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S.26. 48 Die „Gesetzeskraft" des Sachsenspiegels wurde auf ein Privileg Kaiser Karls des Großen (747-814) zurückgeführt. Der Sachsenspiegel hat vereinzelt sogar noch nach dem Inkrafttreten des BGB in der Rechtsprechung subsidiär als Hilfsrecht Anwendung gefunden. Siehe z.B.: Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Band 137, S. 343. 49 Das ius [commune] germanicum war eine Hypothese, dessen Existenz erst zu beweisen war. Teilweise wurde vertreten, daß über die Analogie aller nachweisbaren deutschen Rechtsquellen ein sogenanntes gemeines deutsches Recht gewonnen werden könne. So zum Beispiel Wilhelm Gottlieb Tafinger, Über die Bestimmung des Begriffs der Analogie des teutschen Privatrechts und der Grundsätze, dasselbe zu bearbeiten, 1. Theil, §49, S. 165. Dagegen aber wohl Johann Heinrich Casimir von Carmer in einem Schreiben an Danckelmann vom 8. November 1793, der die Auffassung vertrat, eine derartige Verbindung könne bei einer „so großen Anzahl eintzelner, zerstreuter, unter sich in keiner Verbindung stehender und daher nothwendig dunkel bleibender Constitutionen..." wohl nicht bestehen. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7, „Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 38r [07.88.0035]. 50 Johann Stephan Pütter, Elementa juris germanici hodierni: in usum auditorum, pag. 120: De studio juris germanici tractando, ejus indole, methodo, finibus, subsidiis. 51 Zum vollständigen Zitat von Carl Friedrich Wilhelm von Gerber siehe oben S. 64. 52 Gemeint sind das ius culumnese oder das Magdeburger Recht (Vgl. Glossa 2 ad Speculum Saxonum: „Ubi autem ista (iura) deficiunt recurrendum es ad canones" (Zweites Buch,

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I m Jahre 1768 faßt Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr schließlich sämtliche Inhalte des positiven gemeinen Rechts wie folgt zusammen: „Ius commune, oder gemeines Recht begreift [...] Ius canonicum, romanum, langobardicum & germanicum in sich, [,..]" 55 Ähnlich wie Kreittmayr, aber ohne das ius germanicum zu nennen, umschreibt auch Johann Stephan Pütter i m Jahre 1771 die Inhalte des gemeinen Rechts. „[...] sowohl das Römische und Langobardische, als das päpstliche canonische Gesetzbuch [haben] für ganz Teutschland die Verbindlichkeit gemeiner Rechte."56 Ganz anders beurteilt allerdings Carl Christoph Gossler (1752-1816), 5 7 einer der Mitarbeiter in der preußischen Gesetzkommission, i m Jahre 1793 in Vorlesungen über das in Preußen neu einzuführende Recht die Inhalte. Seiner Meinung nach verdiene, wenn überhaupt, nur das römisch-kanonische Recht das Prädikat eines gemeinen Rechts. Denn die anderen Rechtsmaterien seien für sich betrachtet, als auch in ihrer Gesamtheit, entweder widersprüchliche partikulare Rechtsquellen, oder sachlich begrenzt, und damit das genaue Gegenteil eines (all)gemeinen Rechts. „[es sei nötig,] diejenigen Gesetze zu kennen, aus welchen bisher unser allgemeines Recht bestanden hat. Einzelne Landesgesetze, die nur über sehr wenige Rechtsmaterien vorhanden sind [als partikulares Recht]; das Lehnrecht, welches bloß eine besondere Art von Sachen und Personen - nehmlich Lehne und Lehnleute - zum Gegenstand hat; endlich das sogenannte Deutsche Privatrecht, welches im Grunde eine Sammlung von den oft sich widersprechenden Gesetzen und Gewohnheiten einzelner Deutscher Staaten ist: alles dies kann nicht als Allgemeines Recht betrachtet werden. Zwei Gesetzbücher allein haben diese Eigenschaft gehabt: das Römische, und das Päpstlich oder Kanonische."58 Art. XXXVI; siehe auch Drittes Buch, Art. XLIV - Glossa). Siehe zum Kulmer Recht bei Janusz Sondel, Elemente des römischen Rechts in den Kodifikationsprojekten des Kulmer Rechts, S. 25 ff. 53 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Compendium Codicis Β avarici civilis, Judicarii, Criminalis et Annotationum. Oder Grundriß der gemein=und bayrischen Privat=Rechtsgelehrsamkeit [...], Pars.I., Cap. II., §§. 12, 13, S.6. 54 Das wurde allerdings nicht einheitlich so gesehen. Carl Gottlieb Svarez sah im Jahre 1771 (in: Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten. Erster Theil, Einleitung S.IXf.) im Sachsenspiegel durchaus noch ein beachtenswertes gemeines Recht. 55 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici civilis, Judicarii, Criminalis et Annotationum. Oder Grundriß der gemein=und bayrischen Privat=Rechtsgelehrsamkeit [...], Pars.I., Cap.II., §§. 12, 13, S.6. 56 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Verhältnis zwischen Gesetzbüchern und Gewohnheitsrechten, S.61. 57 Zur Person und seinem Werk siehe ausführlich bei Peter Krause, Christoph Gossler (1752-1816), S. 119 ff. 58 Carl Christoph Gossler, Kurze Geschichte des bisherigen gemeinen Rechts in den Preussischen Staaten, S. 2. Ansonsten versucht Gossler aus historischer Sicht den großen Unwert des römischen als auch des kanonischen Rechts herauszustellen. Die verachtenswerte Unvollständigkeit und Uneinheitlichkeit beider Rechtsquellen klingt bei ihm unüberhörbar an. 7 Daniel

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d) Zusammenfassung Im 18. Jahrhundert wurden im Bereich des positiven Rechts unter dem einsilbigen Begriff „Gemeines Recht" inhaltlich verschiedene Rechtsquellen zusammengefaßt. Die Rechtswissenschaft und -praxis verstand darunter nach allerdings nicht einheitlicher Meinung einmal den modernen, zeitgemäßen Gebrauch des im Corpus iuris civilis enthaltenen römischen Rechts, der in sachlichen Teilbereichen des ius civile durch das kanonische Recht und das langobardische Lehnsrecht flankiert wurde. Und zum anderen sollte es aus dem Inbegriff einheimischer Rechtsregeln bestehen, die - so nahm man an - aus einzelnen mittelalterlichen Rechtsquellen gewonneil werden könnten. Der genaue Inhalt dieses ius germanicum war durch die Wissenschaft allerdings noch nicht hinreichend präzisiert. Entscheidend ist, daß die Rechtsquellen des positiven gemeinen Rechts nach Kreittmayr nicht mehr als losgelöste und voneinander unabhängige Rechtsmaterien begriffen wurden, sondern nun in ihrer Gesamtheit den Gegenstand eines einzigen gemeinen Rechts mit universellem Charakter bilden sollten.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts a) Vorbemerkung Zur Rechtsquellen- und -anwendungslehre sowie ganz speziell zum Geltungsgrund des römischen Rechts ist erst in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Monographien und Aufsätzen eine genaueres Bild für das 17. und 18. Jahrhundert gezeichnet worden. Hierzu hat in ganz besonderem Maße auch Klaus Luig beigetragen, der einen Zusammenhang zwischen dem zeitlich variierenden Verständnis vom Begriff des gemeinen Rechts und dem zeitlich ebenso variierenden Geltungsverständnis des positiven Rechts59 hergestellt hat. Denn erst als sich im 18. Jahrhundert mehr und mehr die Vorstellung durchsetzte, daß unter positivem Recht allein ein einfaches, klares und feststellbares Gesetzesrecht zu verstehen ist, „das seinen Ursprung in der naturrechtlich untermauerten Gesetzgebungsgewalt des absolutistischen Fürsten hatf...]", 60 sei das in der Gestalt einer communis opinio doctorum überlieferte römische Recht in seiner Kompliziertheit, Unklarheit und Manipulierbarkeit als allgemeine Grundlage des Rechts zunehmend ins Hintertreffen geraten. Carl Adolf Schmidt (1815-1903)61 hat mit anderen schon im 19. Jahrhundert angenommen,62 daß sich die Rechtswissenschaft mit der Geltungsfrage bezogen auf 59 Den Weg von einer passiv suchenden zu einer aktiv gestaltenden Rechtsetzung beschreiben schon Hermann Krause (in: Kaiserrecht und Rezeption, S. 119 ff.) und Franz Wieacker (in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 140). 60 Klaus Luig, Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Deutschland, S.820 (S.4). 61 Carl Adolf Schmidt wird am 4. November 1815 in Allstedt (Sachsen) geboren. Er studiert Rechtswissenschaft in Jena, wird 1839 promoviert und habilitiert sich im folgenden Jahr für rö-

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das römische Recht zu früheren Zeiten leichter getan hat. Denn der „eigentümliche Charakter der durch die Glossatoren begründeten Jurisprudenz" habe schon anfangs gerade darin bestanden, „daß [man] dem römischen Rechte im Gegensatz zu den Rechten aller andern Völker eine universelle und von dem historischen Bestände unabhängige Geltung und Bedeutung beilegte." Diese universelle Geltung sei bereits von der noch jungen italienischen Rechtswissenschaft auf zwei unterschiedliche Gründe zurückgeführt worden: „Der erste Grund, auf den sich schon die Glossatoren berufen, 63 und auf den sich die gesamte italienische und deutsche Jurisprudenz hauptsächlich stützte, war der Zusammenhang des römischen Rechts mit dem nach der Ansicht des Mittelalters noch fortbestehenden römischen Reiche, vermöge dessen das erstere, so wie es im Corpus Juris enthalten ist, wenn nicht für die ganze Welt, doch jedenfalls für die ganze abendländische Christenheit gesetzliche Geltung habe. [...] Der zweite Grund, aus dem namentlich die französischen Juristen 64 die universelle Geltung des römischen Rechts [abgeleitet hätten], war diese Allgemeingültigkeit und Vemunftgemäßheit seines Inhalts, vermöge deren es von ihnen denn auch geradezu als die ratio scrip-

misches Recht. 1843 wird er außerordentlicher Professor in Jena, 1849 ordentlicher Professor in Greifswald, 1850 in Freiburg i. Br. und lehrt schließlich bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1901 in Leipzig. In der Zeit von 1858 bis 1866 ist er Mitglied der badischen ersten Kammer, und tritt für den Anschluß Badens an Preußen ein. Entnommen aus: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 9, S. 1. 62 Carl Adolf Schmidt steht hier stellvertretend für viele Autoren der Vergangenheit und der Gegenwart. 63 Carl Adolf Schmidt behauptet dazu (in: Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 28 f.): „Statt sich die Methode der römischen Juristen anzueignen, und in derselben Weise wie diese das Recht der Pandectenzeit, das als zu ihrer Zeit in Italien geltende Recht darzustellen, kümmerten sie sich um das in ihrer Zeit geltende Recht gar nicht, sondern erforschten und stellten das römische Recht so dar, wie es zu Justinians Zeiten gegolten hatte, und erklärten sodann ohne alle historische Berechtigung, lediglich auf Grund einer staatsrechtlichen Fiction und weil es ihnen den Vorzug vor den bestehenden Rechten zu verdienen schien, dieses für das noch gegenwärtig geltende Recht. Wenn wir daher die römische Jurisprudenz mit Recht als ein Muster echter geschichtlicher Rechtswissenschaft betrachten, so müssen wir notwendig die Jurisprudenz der Glossatoren als eine ungeschichtliche Doctrin verwerfen. - In Bezug auf ihre Stellung zum geschichtlichen Leben ihrer Zeit gehört sie auch in der That in das Gebiet derjenigen wissenschaftlichen Richtungen, welche, wie der Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert und die Rechtsphilosophie des vorigen Jahrhunderts, ihren Inhalt nicht dem geschichtlichen Leben entnehmen, sondern unabhängig von demselben construiren, das Resultat ihrer Forschungen dem geschichtlichen Leben als ein höhere, allgemein gültige Wahrheit gegenüber stellen und zur Geltung zu bringen versuchen, - [...]". 64 Dazu Klaus Luig, Der Geltungsgrund des römischen Rechts in Italien, Frankreich und Deutschland, S. 832-845 (S. 16ff.). Bereits im 13. und 14. Jahrhundert lehrten die Legisten, daß das römische Recht in Frankreich nicht unmittelbare Geltung habe, wie es die Glossatoren verlangten, sondern nur kraft Gewohnheit, und auch dies nur durch seine inneren Eigenschaften, die es für das Verständnis des dort heimischen Rechts und zur Ausfüllung von Lücken geeignet machten. Es gelte daher nicht als ius scriptum, sondern nur als ratio scripta; nicht als ratione imperii, sondern imperio rationis (vgl. auch Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 108/109). 7*

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ta - raison écrite 66 - bezeichnet [wurde]. Das römische Recht [sei] nach dieser Behauptung nur eine conséquente Explication der aus der Vernunft abgeleiteten allgemeinen Rechtswahrheiten, und hat aus diesem Grunde eine gleiche Allgemeingültigkeit, wie die Gesetze der Logik und Mathematik. Es trägt im Gegensatze zu den Orts- und Landrechten, welche auf Gesetz und Herkommen beruhen, den Grund seiner Geltung in sich selbst. Es kann zwar durch positive Rechtssatzungen modificirt werden, ist aber, soweit dies nicht geschehen, überall anwendlich und dient daher einer Seits zur Ergänzung des positiven Rechts, wo dieses Lücken hat, und anderer Seits als die wahre ratio iuridica zur Erläuterung und zum richtigen Verständnisse desselben.67 [...] Darin, daß das römische Recht das wahre vernunftgemäße Recht sei, [seien] übrigens die italienischen und deutschen Juristen 68 mit den französischen vollkommen einverstanden [gewesen]. Sie beriefen sich darauf als einen Grund seiner Allgemeingültigkeit nur deshalb nicht weiter, weil für sie der erste Grund völlig ausreichend war. Unzweifelhaft aber bildet schon bei den Glossatoren die durch das Studium des römischen Rechts gewonnene Ueberzeugung, daß dasselbe schon durch seine innere Wahrheit und Vollendung einen Anspruch auf universelle Geltung besitze, den Ausgangspunkt ihres Bestrebens; und die Rechtswissenschaft ist denn auch zu allen Zeiten, wenngleich unter verschiedenen Formen, auf diesen Satz zurückgekommen." 69

Das hieße aber auch, daß die „Geltung" einer als gemeines Recht identifizierten Rechtsquelle zu früheren Zeiten nicht etwa für entbehrlich gehalten worden ist. Im 65

Hierzu siehe die ausführliche Darstellung bei Alejandro Guzman, Ratio scripta, S. 5 ff. Oder ratio und exemplum. Siehe zum Nachweis bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap.II., §§ Vf. (§ VI), pag. 27 ff. 67 Carl Adolf Schmidt (in: Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S.21, Fußn. 1) merkt dazu noch folgendes an: „Die Stellung, welche hiernach dem römischen Rechte beigelegt wird, ist ganz dieselbe, welche z.B. Feuerbach der Rechtsphilosophie beilegt, wenn er ([Paul Johan Anselm von Feuerbach,] Lehrbuch des [gemeinen in Deutschland gültigen P]einlichen Rechts, S. 5] § 5) sagt: „Die Quellen des gemeinen deutschen Criminalrechts sind I. die Philosophie des [Straf-]Rechts, so weit diese in ihrer Anwendung nicht durch positiv gesetzliche Bestimmungen beschränkt wird; II. Die positiven Strafgesetze des ehemaligen deutschen Reichs [; wohin gehören A. fremde in Deutschland aufgenommene Gesetze, nämlich a. des Römischen 1) und b. des Canonischen 2) Rechts; B. einheimische, und zwar a. die peinliche Gerichtsordnung Carls V. vom Jahre 1532 3), b. nebst anderen Reichsgesetzen 4).]". Etwas anders hatte Feuerbach (1775-1833) noch in der Ersten Auflage seines Werkes aus dem Jahre 1801 (§6, S.4) formuliert: „Quellen einer Wissenschaft sind die Gründe der Erkenntnis derselben. Die Quellen des gemeinen pos. CR. sind I. die Natur der Strafe und des Strafgesetzes, so weit diese nicht in ihren Folgen ausdrücklichen Verordnungen widerspricht. [...]". Zur Person siehe bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 126-133. 68 Carl Adolf Schmidt (in: Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S.21, Fußn. 2) merkt dazu noch folgendes an: „Die Deutschen Juristen bezeichnen dasselbe daher auch unbedenklich als „das Recht" oder als das „auf Vernunft und Billigkeit gegründete Recht". Der Umstand, daß das Volk das deutsche Recht vernünftig und billig und das römische dem deutschen Wesen nicht ziemlich fremd fand, beirrte sie dabei nicht weiter, weil sie meinten, das Volk mit seinem „laiischen und Reuterverstande" verstehe davon nichts, und was dieses unter Billigkeit verstehe, sei eben nur ein aequitas cerebrina." 69 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S.21 f. 66

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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Gegenteil. Träfe die Auffassung von Carl A d o l f Schmidt zu, hätte auch Carl Eduard Georg Bruns recht, der die wie auch immer geartete Geltung für ein zentrales Kriterium der Gemeinrechtlichkeit eines Rechtssatzes hielt. Denn nach Bruns hat das gemeine Recht erst i m Falle der örtlich einheitlichen und inhaltlich umfassenden Geltung „einen gemeinsamen Grund seiner Kraft und seiner Verbindlichkeit [...]." 7 0 U m sich ein genaueres B i l d von der Krise des gemeinen Rechts i m 18. Jahrhundert machen zu können, ist demzufolge den verschiedenen Geltungsbegründungen für das römische Recht unter dem besonderen Gesichtspunkt des Grundes und des Umfanges weiter nachzugehen.

b) Fehlende gesetzliche oder gesetzesähnliche Geltung aa) Translatio

imperii

In der Rechtswissenschaft bestand lange Zeit der ungeteilte Glaube, das römische Recht sei als gemeines Kaiserrecht 71 gesetzlich für ganz Deutschland uneingeschränkt verbindlich. Diese mittelalterliche Weltanschauung folgte aus der Fiktion der sogenannten translatio imperii. Danach habe in Deutschland die Fortgeltung des römischen Rechts i m Unterschied zu allen anderen europäischen Staaten 72 auf der Rechtsnachfolge der deutschen Kaiser in die Stellung der römischen Imperatoren beruht, 73 wie Arthur Duck (1580-1648) 7 4 in seiner i m Jahre 1653 in London 70

Carl Eduard Georg Bruns, Art.: „Gemeines Recht", S. 209 a. E.; siehe oben S. 68. In Deutschland hatte sich im Laufe der Zeit ein eigener Begriff vom Kaiserrecht herangebildet. Man verstand darunter im Allgemeinen das Recht der Kaiser, welches auf geschriebenen Rechtsquellen beruhte und in ihrem ganzen Reich als gemeines Recht zur Anwendung kommen mußte. Vgl. zum Begriff und seiner Bedeutung Johann Daniel Gruber, Origines Livoniae sacrae et civilis, seu chronicon Livonicum vetus [...], pag. 44 seq. 72 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib.II., Cap.II., §XX, pag. 176: „[In] Imperio Romano-Germanico [...] Legum Romanorum Authoritas neccessario Majestatem Imperii Romani sequitur." (= translatio imperii). Er hebt hervor, daß alle anderen Herrscher Europas vom römischen Imperium durchaus ausgenommen und daher frei seien (ebda., Lib. II., Cap. II., § IV, pag. 161 : „In eo vero omnes Consentiunt, reliquos Principes Europaeos a Potestate Romani Imperii se exemisse, & Liberiate acquisivisse ex variis Titulis [...]."). 73 Hierzu wurde immer wieder behauptet, die deutschen Könige hätten geglaubt, vollständig in die Rechte der alten römischen Imperatoren sukzediert zu sein. Deshalb hätten sie versucht, die Grundsätze des römischen Kaiserrechts auf ihre eigene Herrschaft zu übertragen. Derartige Ansichten und Bestrebungen seien namentlich bei Herrschern, die zu Rom und Italien in besonders nahe Beziehungen kamen, hervorgetreten. So etwa bei Otto III. (980-1002), Friedrich I. Barbarossa (1122-1190) und Friedrich II. (1194-1250), Ludwig IV. von Baiern (ca. 1283-1347), Karl IV. ( 1316-1378). Aber auch ein König wie Rudolf I. Graf von Habsburg (1218-1291) habe sich als Nachfolger der römischen Imperatoren betrachtet und deshalb auf das römische Recht Bezug genommen. 74 Der Engländer Sir Arthur Duck wird im Jahre 1580 in Heavitree geboren. 1595 Aufnahme im Exeter College, wo er den B. A. 1599 erreicht. Übergang zur Hart-Hall 1602. Fellow of All 71

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erstmals erschienenen Abhandlung „De usu et Authoritate Juris Civilis Romanorum, In dominiis Principum Christianorum" ausführlich schildert. I m Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten 75 habe man für Deutschland aber gerade wegen der Fiktion einer translatio imperii zunächst nur gefolgert, daß das römische Recht hier von den Territorialfürsten und Städten nicht geändert werden durfte. 76 „Tanta etiam est Iuris Civilis Romanorum in Germania Authoritas, ut licet in omnibus aliis Regnis Dominiisq; concessa fuerit Iure Romano potestas condendi Statuta de Iure Civili derogantia, ut omnes Romani Iuris Interprétés asserunt; Principes tarnen & Civitates Germaniae nonpossunt Statuere contraProhibitionem IurisCaesarei, [...]." 77 I m mittelalterlichen Deutschland habe man daraus dann weiter geschlossen, daß das Partikularrecht, dessen Bedeutung vor allem hinsichtlich des sächsischen Rechts von Duck hervorgehoben w i r d , 7 8 nach der dem Bartolus de Sassoferrato (1313/14-1357) zugeschriebenen 79 und von Baldus de Ubaldis (1319/1327-1400)

Souls 1610. 1612 Doctor of Civil Law. 1614 Aufnahme in „Doctors Commons". 1616-1623 Chancellor der Diözese Bath and Wells, 1617 im staatlichen Auftrag in Schottland. 1623-1641 Chancellor der Diözese von London. Nach 1623 Tätigkeit im Court of Admiralty, 1624 und 1640 Mitglied des Parlaments. 1632 Ernennung zum Kings Advocate im Court of Chivalry, 1633-1641 Mitglied der High Commission, deren Rechte er auch im Parlament verteidigt. Nach der Auflösung des Parlaments verläßt Duck London im Jahre 1641 und geht nach Oxford, wo er bis 1648 bleibt. Am 12. (oder 16.) Dezember 1648 stirbt Duck in der Kirche von Cheswick plötzlich und unerwartet. Duck hat das Erscheinen seiner im Mai 1648 fertiggestellten Apologie „De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum" nicht mehr erlebt. Entnommen aus: Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Einleitung, S. XVIII ff.; Hans Thieme, Zum Begriff des gemeinen Rechts, S. 117 f.; zum Autor siehe auch Norbert Horn, Römisches Recht als gemeineuropäisches Recht bei Arthur Duck, S. 170-180. 75 Arthur Duck behandelt im Liber II. das Deutsche Reich, Italien, Neapel und Sizilien, Frankreich, Spanien und Portugal, England, Irland und Schottland, Polen und Ungarn, Dänemark und Schweden sowie Böhmen. 76 Die These von der Unabänderlichkeit des römisch-kanonischen Rechts wurde vereinzelt sogar noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vertreten. Siehe zum Beispiel Johann Heinrich von Selchow, Juristische Bibliothek von neuen juristischen Büchern und Abhandlungen, Fünfter Band, S.618. 77 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. II., Cap. II., § XVIII, pag. 174f. [Übersetzung, S. 89: „Zwar ist in allen anderen Königreichen und Herrschaften nach römischem Recht die Macht zugestanden worden, Statuten zu erlassen, die dem römischen Recht die Gültigkeit nehmen, wie es alle Interpreten des ius civile bestätigen. Aber in Deutschland ist die Autorität des ius civile so groß, daß die Fürsten und Städte hier trotzdem nichts gegen ein Verbot des kaiserlichen Rechts festsetzen können."]. 78 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. II., Cap. II., § XII, pag. 168 ff. 79 Vgl. Juristen. Ein biographisches Lexikon, Art.: „D'Argentré (Argentraeus), Betrand (1515-1590)", S. 156.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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fortentwickelten Statutentheorie 80 streng restriktiv und nach dem römischen Recht auszulegen gewesen sei. 8 1 „Ista vero Statuta Saxonica, Lubecensia, Culmensia & alia quaecunque Germanica, secundum lus Civile Romanorum intelliguntur, & ab eo Interpretationem recipiunt. In omnibus enim Imperii Germanici Provinciis & Territoriis generaliter traditum est a Jureconsultis Germanicis, Statuta non posse aliam Interpretatione recipere quam Jure Communi Romanorum, Statuta cum Juri Romano derogant esse strictissime interpretanda, & non extendi posse ad Casus in iisdem non expressos, in iisdem evitandam esse omnem Juris Communis Correctionem, Eademque per lus Commune solum interpretanda & intelligenda esse."82 Die Frage, ob die Fiktion von der translatio imperii schon für sich allein genommen als echter Geltungsgrund herangezogen wurde, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Jedenfalls spielte die translatio imperii in der Geltungsdebatte des 16. und 17. Jahrhunderts nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Denn die allgemeine Ablehnung eines universalen Herrschaftsanspruchs des römischen Kaisers deutscher Nation war angesichts der politischen Realitäten und der schließlich vorherrschenden europäischen Rechtsmeinung auch in Deutschland bereits seit längerem anerkannt. So begründete beispielsweise Arthur Duck die Ablehnung eines solchen Anspruches auch nicht nur mit historischen Argumenten, so z. B. mit einem einfachen Hinweis auf die nur begrenzte Ausdehnung des römischen Imperiums, sondern er erklärte ihn auch in Übereinstimmung mit der zu seiner Zeit herrschen80

Die ältere Statutentheorie diente dem Zweck, den universellen Geltungsanspruch des ius commune mit dem unbestrittenen Vorrang des Partikularrechts durch möglichst restriktive Anwendung der Statuten, und zwar durch eine besondere Methode der Auslegung, die die mittelalterliche Rechtswissenschaft aus dem römischen Recht heraus entwickelt hatte, zu versöhnen. Daraus folgte der bekannte Lehrsatz, daß statuta stricte sunt interpretanda. Zur Statutentheorie siehe bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 5, S. 83 m. w. Nachw. und § 7, S. 138 f. m. w. Nachw.; Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 37 f.; Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 4, S. 30 und ausführlich bei: Georg Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 56ff.; Woldemar Engelmann, Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien durch die wissenschaftlichen Lehre, § 6, VI. Die römischen Grundsätze der Rechtsanwendung und Rechtsauslegung und ihre Bedeutung für die Rechtsentwicklung, S. 128 ff. 81 In diesem Zusammenhang beruft sich Arthur Duck für die deutschen Verhältnisse insbesondere auf den Assessor am Reichskammergericht Andreas Gail (1526-1587), den Rechtsgelehrten LudolfSchrader (1531-1589) und den Tübinger Johann Harpprecht (1560-1639). 82 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. II., Cap. II., §XVII, pag. 173 f. [Übersetzung, S.89: „Jene sächsischen, Lübecker und Kulmer Rechte und auch die übrigen, die es in Deutschland gibt, werden entsprechend dem ius civile der Römer verstanden, von ihm empfangen sie ihre Interpretation. Die deutschen Rechtsgelehrten sagen, in allen Provinzen und Territorien des deutschen Reiches sei es Brauch, daß man die Statuten nicht anders erklären könne als nach dem ius commune, nach dem gemeinen Recht der Römer. Wenn aber diese Rechte dem römischen Recht widersprächen, so seien sie genau zu interpretieren, und sie dürften nicht auf die Fälle ausgedehnt werden, die in ihnen nicht ausdrücklich erwähnt seien. Sie meinen, man müsse bei den Statuten jede Korrektur des gemeinen Rechts vermeiden, und dementsprechend müßten sie nur nach dem ius commune erklärt und verstanden werden."].

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den französischen und spanischen Doktrin für unvereinbar mit dem Natur- und Völkerrecht. 83 Deshalb wurde die translatio imperii i m 18. Jahrhundert meist nur noch beiläufig erwähnt und schon mit einfachen logischen Argumenten verworfen. „Carl der Grosse wußte auch das alles noch so gut zu unterscheiden, daß er selbst in seinen Titeln nicht zu bemerken unterließ, wie Romanorum imperator, rex Francorum und rex Langobardorum zwar in seiner Person vereiniget wären, aber doch ganz verschiedene Reiche andeuteten."84 Johann Stephan Pütter meinte darüber hinaus, die Fiktion der translatio imperii habe für sich allein genommen einen so weitreichenden Geltungsgrund denknotwendig auch niemals begründen können, wie andere Beispiele aus der Geschichte belegen könnten. „In der That hatte es damit beinahe gleiche Bewandniß, wie die Könige von Großbrittanien aus dem Hause Hannover sich in Englischen Sachen auf das, was von der Königin Anna [(1665-1714)] oder von anderen ehemaligen Königen in England als ihren Vorfahren im Reiche geschehen war, beziehen können. So wenig aber Hannover selbst deswegen mit Engelland zu verwechseln ist, oder so wenig Englische Parlamentsacten in Churbraunschweigischen Sachen angezogen werden können; ebenso wenig konnte weder Carl, noch Otto der Grosse, noch einer ihrer Nachfolger, in Teutschen Sachen, und als Oberhaupt des Teutschen Reichs betrachtet, sich auf Justinian, Constantin, oder irgend einen anderen ehemaligen Römischen Kaiser beziehen, als ob solche auch in Ansehung des Teutschen Reichs für ihre Vorfahren in der Regierung gehalten werden können."85

bb) Lothar-Legende

und andere formelle

Gründe

Weil die Vorstellung von einer translatio imperii mit der Zeit also kaum noch geeignet war, die umfassende Geltung des römischen Rechts in Deutschland restlos überzeugend zu erklären, hat es offensichtlich bereits früh 8 6 ein praktisches Bedürf83 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. II., Cap. I., § III, pag. 145 f. 84 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, XXIII. Wie das Justinianisch Römische Gesetzbuch in Teutschland zur gesetzlichen Kraft gediehen sey?, S. 17/18. 85 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, XXIII. Wie das Justinianisch Römische Gesetzbuch in Teutschland zur gesetzlichen Kraft gediehen sey?, S. 17. 86 Über die Entstehungszeit der Lothar-Legende besteht keine Einigkeit. Franz Wieacker siedelt sie in das 16. Jahrhundert an (in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 140: „Erst zu Beginn des 16. Jhs. kam die Lotharische Legende auf, [...]."), während Savigny die Entstehung zeitlich in das 14. Jahrhundert einordnet (Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Band III, S. 101: „Es hatte sich im vierzehnten Jahrhundert eine Sage gebildet, welche den Besitz der Pandektenhandschrift an eine berühmte Kriegsthat der Pisaner im zwölften Jahrhundert anknüpft").

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nis für weitere formelle Geltungsbegründungen gegeben. Einen solchen formellen Geltungsgrund fand die Rechtswissenschaft schnell in der verschiedentlich dem Italiener Carlo Sigonio (1523-1584),87 zum Teil auch dem Johannes (Nägelin) Canon ( 1499-1537)88 zugeschriebenen Lothar-Legende, 89 die von der Einführung des römischen Rechts in den Rechtsunterricht der Universität zu Bologna im Jahre 1137 durch kaiserlichen Gesetzgebungsakt Lothars des II. (III), von Supplinburg (1060/63-1137) auf den Ronkalischen Feldern berichtet. 90 ' 91 87 Nicht eindeutig: Carlo Sigonio, Historiarum de regno italiae libri viginti..., Lib. XI., Pars II., opp. pag. 678, 682. Der italienische Humanist und Historiker Carlo Sigonio ist Professor in Venedig, Modena, Padua und Bologna gewesen. 88 Nicht eindeutig: Johannes (Nägelin) Car ion, Chronica: durch Magistrum Joh. Carion vleissig zusammen gezogen, meniglich nützlich zu lesen, Wittemberg 1532 (nach Ernst v. Moeller. pag. CXII). Benutzte Ausgabe: ders., Chronicon Carionis, hrsg. von Philipp Melanchthon und Caspar Peucers, Lib. IV., pag. 845 f.: Iuris Romani restitutio. Johannes (Nägelin) Carion wird 1499 zu Bietigheim (Württ.) geboren und studiert in Tübingen Mathematik und Astronomie. Als Magister wird er 1522 Hofastronom und Mathematikus am Hofe des Kurfürsten Joachim Nestor I. von Brandenburg. 1535 erhält er die Doktorwürde. Sein früher Tod im Jahre 1537 (oder 1538) wird der Trunksucht zugeschrieben. Neben der Anfertigung von astrologischen Kalendern und allgemeinen Voraussagen wirkte er vor allem als ständiger Berater des Kurfürsten und seit 1527 auch des Herzogs Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490-1568), die den weltkundigen Mann auch zu diplomatischen Missionen verwendeten. Die „Chronika" ist eine knappe Weltchronik, die weite Verbreitung und zahlreiche Übersetzungen erfuhr, und die Melanchthon überarbeitete und unter dem Namen Carions neu herausgab. Beide kannten sich zu Lebzeiten Car ions gut. Entnommen: ADB, Dritter Band, Bode-v.Carlowitz, S.781 und NDB, Dritter Band, Burklein-Ditmer, S. 138f. 89 Vgl. die Nachweise bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 145, Fußn. 72. Ausführlich findet sich die Schilderung der Lothar-Legende bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, Lib. I., Cap. V., §§ XIII, XIV, pag. 77 ff.. Carlo Sigonio erläutert (in: Historiarum de regno Italiae libri viginti, Lib. XI., Pars II., opp. pag. 678,682 (siehe in diesem Abschnitt oben Fußn. 87) die Erbeutung in Amalphi, die Schenkung und die gesetzliche Einführung des römischen Rechts. Bei Sigonio soll sich die Geschichte als erstes finden. Daher soll ihn nach Friedrich Carl von Savigny (siehe in: Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Band III., S.92 f., Fußn. a)) Lodovico Antonio Muratori in der Präfatio zu seinem „Rerum Italicarum scriptores" als Urheber derselben ausgegeben haben. Heinrich Brenkmann behauptet (in: Historia Pandectarum, Lib. I., Cap. 7,8) nur die Erbeutung in Amalphi, bestreitet aber alles übrige. Die Erbeutung und zugleich auch die Schenkung glaubt Bernardo Tanucci (siehe in: Epistola de Pandectis Pisanis in Amalphitana directione inventis, pag. 63-185). Eine ausführliche Prüfung und gründliche Widerlegung der Erbeutung in Amalphi findet sich bei Guido Grandi (in: Epistola de pandectis ad Cl. V. Jos. Averanium, pag. 22 sq., pag. 29 sq., pag. 70 sq., pag. 101 ) und Bartolo Luccaberti (d. h. Guido Grandi) (in: Nuova disamina della storia delle Pandette Pisane e di chi prima le ramentasse, pag. 199. sq.). Auch Ulrich Christian Grupen hält die Erbeutung in Amalphi (in: Observationes rerum et antiquitatum germanicarum et romanorum, S.285) für eine „unerfindliche Historiette." 90

Friedrich Carl von Savigny (in: Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Band III, S. 92-102,92/93) schildert sie wie folgt: „§.35. Viele nämlich glauben, das Römische Recht sey das ganze Mittelalter hindurch vergessen und verloren gewesen. Die einzige Handschrift der Pandekten lag nach ihrer Erzählung verborgen in Amalphi. Hier erbeuteten sie die Pisaner, welche im Jahr 1135 diese Stadt mit Sturm eroberten. Der Kaiser Lothar IL [III. von Supplinburg], mit dem sie im Bunde waren, schenkte ihnen zum Lohn für ihre Hülfe das er-

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Hermann Conring nahm i m Jahre 1643 bereits vor ihm angeklungene Zweifel an der Richtigkeit dieser Überlieferung 92 zum Anlaß, in seiner bereits erwähnten Abhandlung „ D e origine juris germanici Commentarius Historicus" die Widerlegung der Legende zu versuchen. Er kam zu dem Ergebnis, daß es ein historischer Irrglaube sei, daß das Corpus iuris civilis durch kaiserlichen Befehl Kaiser Lothars II. (III.) in quantum eingeführt oder in diesem Sinne später jemals bestätigt worden sei. „Romanas leges non esse a Lothario Caesare in Germaniam traductas: [...]" 93 Es existiere von diesem Gesetz nicht die geringste Spur, und auch kein einziges glaubwürdiges Zeugnis belege, daß Kaiser Lothar anläßlich seines zweiten Italienfeldzuges zunächst die dort gültigen Gesetze verworfen und an deren Stelle anschließend allein das römische Recht gesetzt habe. Für Conring war es aber kaum nachvollziehbar, daß ein Gesetzgebungsakt von so weitreichender Bedeutung, hätte es ihn wirklich gegeben, letztlich undokumentiert geblieben sein sollte. 9 4 Aber das viel entscheidendere Argument gegen eine solche Annahme sei, daß noch nach dem beutete Buch. Zugleich aber verordnete er durch Gesetz, daß das Römische Recht überall in den Gerichten anstatt der Germanischen Rechte angewendet werden solle; eben so wurde auf seinen Befehl öffentlicher Unterricht im Römischen Recht ertheilt. So lautet diese Meynung in ihrem vollständigen Zusammenhang; die Meisten freylich behaupten nur einzelne Stücke derselben, während sie die übrigen entweder mit Stillschweigen übergehen, oder selbst bestreiten. Das Wichtigste aber ist der frühere Nichtgebrauch des Römischen Rechts, und Lothars Gesetz. Was den ersten betrifft, so ist in den vorhergehenden Theilen dieses Werks das Gegentheil durch zahlreiche Zeugnisse aus allen Jahrhunderten erwiesen worden. Für das Daseyn des Gesetzes von Lothar aber hat man niemals auch nur den geringsten Beweis vorgebracht [...]." Der Inhalt der Lothar-Legende wird teilweise auch unterschiedlich wiedergegeben. Siehe zum Beispiel die etwas andere Darstellung bei Johann Heinrich Christan von Selchow, Geschichte der in Teutschland geltenden fremden und einheimischen Rechte, zum Behuf academischer Vorlesungen, S. 290. 91 Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Band III, S. 145, Fußn.b.: „Einigermaßen könnte damit in Verbindung gesetzet werden die Sage bey Bartolus [de Sasso/errato (1313/14-1357)], nach welcher Lothar die Rechtsschule zu Bologna gestiftet haben soll, s. u. §. 62. H. - Eben so folgende Stelle eines Briefs von R Innocenz II. an K. Lothar II. vom J. 1132 (abgedruckt bei: Friedrich Christoph Schlosser/Gottlob August Βercht, Urkundliche, bisher ungedruckte Beiträge zur Geschichte Deutschlands und Italien's im zwölften und dreizehnten Jahrhundert, gezogen aus Handschriften der kais. Hofbibliothek in Wien, S. 370): „Ecclesia divina Providentia alterum Justinianum legislatorem et sicut alterum Constantinum contra perfidiam Judaeorum, adversus haereticam privitatem te elegit." - Allein dergleichen vage Indicien wird doch gewiß Niemand als Beweis einer Thatsache ausgeben wollen, die, wenn sie wahr wäre, unmöglich hätte verborgen, oder auch nur zweifelhaft bleiben können." 92 Dagegen hatte sich nach Ernst von Moeller (in: Hermann Coming, der Vorkämpfer des deutschen Rechts 1606-1681, S. 72) einige Jahre zuvor bereits der Kölner Rechtsgelehrte Justus Lipsius (1547-1606) gewendet. Conring selbst erwähnt als weitere Zweifler den Theologen und Freund Georg (Kallison) Calixt (1586-1656) und den Humanisten Friedrich Lindenbrog (1573-1642). 93 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXIV., pag. 145: Leitsatz. 94 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXII.: Quod vulgo asseritur, Lotharii Caesaris jussu abrogatis omnibus legibus solas Romanas in fora Italica reductas, id falsum esse demonstratur, pag. 141.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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Tod Lothars das langobardische Lehnsrecht in den italienischen Gerichten nachweislich als Gewohnheit in Gebrauch stand und deshalb folgerichtig vom römischen Recht auch nicht derogiert worden ist. 9 5 Wenn damit aber bewiesen sei, daß Kaiser Lothar II. (III.) von Supplinburg (1060/63-1137) 9 6 schon in Italien i m Bereich der Gesetze nichts bewegt habe, dann sei erst recht auch für Deutschland der Nachweis erbracht, daß das römische Recht nicht durch ein Dekret dieses Kaisers gegen die Gewohnheit vergangener Zeitalter eingeführt worden sei. „Tum vero, quando ostendimus, nihil a Lothario in Italia circa leges esse motum, simul etiam demonstramus, id quod maxime hujus et loci & quarto quaesitum: multo minus in Germaniam Caesaris illius decreto Romanas leges contra omnis decursi aevi mores esse introductas." 97 Auch andere formelle Gründe für eine Abschaffung der einheimischen Sitten und Gesetze gebe es in Deutschland nicht. In dem Wormser Reichsabschied Kaiser Maximilians II. (1459-1519) von 1495, durch den das Reichskammergericht eingesetzt worden ist, und nach dem die Assessoren dieses Gerichts zu schwören hatten, nach des Reichs gemeinen Rechten zu richten,98 könne ein dahingehender formeller Grund jedenfalls nicht gesehen werden. 9 9 Gleiches gelte i m übrigen auch für die ähnliche und ebenfalls oft zur Begründung herangezogene Formulierung in der Reichskammergerichtsordnung Ferdinands I. (1503-1564) aus dem Jahre 1555. 1 0 0 95 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXII.: Quod vulgo asseritur, Lotharii Caesaris jussu abrogatis omnibus legibus solas Romanas in fora Italica reductas, id falsum esse demonstratur, pag. 141 f. 96 Kaiser Lothar IL (III.) von Supplinburg , der der Familie der Grafen von Supplinburg (bei Helmstedt) entstammt, fällt mit der Heirat mit Richenza, Tochter Heinrichs des Fetten von Nordheim und Gertruds und Erbin riesiger Besitztümer um Braunschweig und Göttingen, im Jahre 1100 erhebliche Macht zu. Später erhält er auch noch das Herzogtum Sachsen von König Heinrich V. (ca. 1086-1125). Wegen der Hausmachtspolitik des Saliers wird Lothar zum Feind Heinrichs. Im Jahre 1114 unterwirft sich Lothar vor Heinrich. Im Jahre 1115 schlägt Lothar das kaiserliche Heer bei Mansfeld nieder, so daß Heinrich vom Einfluß auf Sachsen und den östlichen Grenzmarken in der Folge ausgeschlossen ist. Am 30. August 1125 wird Lothar in Mainz zum König gewählt. Damit siegt erstmals das Wahlrecht über das Erbrecht der Dynastien. 13. September 1125 Krönung in Aachen. Im August 1132 zieht Lothar gegen Rom, um Papst Innozenz IL (t 1143) gegen den Gegenpapst Anaklet IL ( t 1138) - im Ergebnis erfolglos - zu verteidigen. Lothar wird aber dennoch am 4. Juni 1133 von Innozenz II. zum Kaiser gekrönt. Auf den Hilferuf des byzantinischen Kaisers Johannes Komnenos und auf Drängen Innozenz II. zieht Lothar Ende August 1136 ein zweites Mal gegen Italien. Er erreicht die Vertreibung der Normannen aus Unteritalien. Bei seiner Rückkehr verstirbt Kaiser Lothar II. (III.) am 4. Dezember 1137 in Breitenwang/Tirol. Er wird im Kloster Königslutter bei Helmstedt beigesetzt. Entnommen: ADB, Neunzehnter Band, v. Littrow-Lysura, S. 251-256. 97 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXIV., pag. 145. 98 Hermann Conring zitiert hier (in: De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 169) die leicht veränderte Fassung, die auf dem Wormser Reichstag von 1521 erlassen wurde. 99 Die bereits auf S.92 wiedergegebene Textstelle ist Conrings Begründung. 100 Dort (Kammergerichtsordnung, Teil I, Kap. 13) heißt es: „Die Beysitzer des Cammer=Gerichts sollen in keiner Sach, sie sey noch so gering als sie immer wolle, allein auf ihr

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh. cc) Unregelmäßige Gewohnheit in Deutschland (1) Gewohnheit in den Territorialstaaten

Nach Ansicht von Hermann Coming ist das römische Recht nicht nur am Reichskammergericht, sondern auch an allen übrigen Gerichten nicht aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses oder aufgrund eines öffentlichen Gesetzes, 101 sondern allenfalls aufgrund von jeweils örtlicher Gewohnheit oder durch den Befehl vereinzelter Fürsten oder der Stände, und damit i m weitesten Sinne partikular legitimiert angewendet worden. 1 0 2 Es sei zwar durchaus einzuräumen, daß auch diese Gewohnheit letztlich durch die Autorität der einzelnen Fürsten und Stände, und damit nach freiem Ermessen geduldet wurde. Diese seien aber gleichsam nach ihrem Ermessen am jeweiligen Ort immer frei gewesen, das römische Recht wieder abzuschaffen. „Constat nimirum, nusquam illud ex omni parte, nec nisi Uberrimo arbitratu a singulis Germaniae ordinibus hie illic receptum esse, neque jam illud nisi libere teneri; adeoque non minus nunc in potestate singulorum Ordinum situm esse illius juris omne (quod quidem ex constituto valet) rursum abrogare, atque olim libere illud quique admisere, et impraesentarium libere observant. Nec enim est cum multis argumentis iterum eos consutemus, qui tanquam ex naturae aut divino instituto, aut quoniam Imperii Romani pars hodie Germania audit, illis legibus non teneri, arbitrantur." 103 Die römischen Gesetze seien also in völlig freier Entscheidung anerkannt und in Gebrauch genommen worden, und zwar inhaltlich nur so weit, wie sie den einheimischen Verhältnissen und seiner Verfassung nützten. „... : sed liberrimo arbitratu in usum receptas, & quidem non nisi in quantum visae sunt rebus hujus aut illius status conducere." 104 Gutdüncken, oder eigen fürgenommen, und nicht dem Rechte gemäß, informierten Gewissen, sondern auf des Reichsgemeine Rechte, Abschied, und jetzt bewilligten, und auf diesen Reichs=Tag aufgerichteten Frieden, in Religion und anderen Sachen, auch Handhabungen des Friedens, und ehrbare ländische Ordnungen, Statuten, und redliche ehrbare Gewohnheiten, der Fürstenthumen, Herrschaften und Gericht, (die für sie gebracht werden) wie solches von Alters iederzeit Cammer=Richtern und Beysitzem auferlegt und gehalten worden ist, nach Vermög und Ausweisung ihres Eyds, wie hieunten gesetzt, Urtheil fassen und aussprechen." Zitat nach Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 169. 101 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 169: „In alia Germaniae fora nulla communi totius imperii sanctione jus Romanum traductum [pag. 170] est. Neque enim nulla lege publica ita decretum deprehendas." 102 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 170: „Et vero observare licet, partim consuetudine quadam tacita, partim Principum, Comitum, aliorumve quibus est ferendorum statutorum arbitrium, constitutionibus, diversis temporibus in diversis locis, observari illud coepisse. [...] Indubium tarnen est, quod tacito quodam usu introductum primo, illud inde, plaerisque in locis superiorum auctoritate accedente, majorem vim nactum esse." 103 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 171. 104 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 172.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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Daraus folge aber entgegen der Ansicht von Arthur Duck, die Conring in der dritten Auflage seiner Abhandlung ausführlich schildert, daß die Deutschen nicht mehr als irgend ein anderes Volk an die römischen Gesetze gebunden seien. Jedenfalls gingen die Deutschen die römischen Gesetze nicht deswegen etwas an, weil hier von der Würde des römischen Imperiums (translatio imperii) noch etwas übrig sei. „Liquidum enim fecimus, non magis Germanos, quam ullum populum alium legibus Romanis obligari: neque ad Germanos eas pertinere, propterea quia imperii Romani dignitas aliqua adhuc apud nos superest [...]." 1 0 5 Als Gegner der habsburgischen Kaiserkrone hatte Conring damit aufgezeigt, daß man für das römische Recht in Deutschland eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Geltung, 1 0 6 und erst damit eine ebenso weit gehende Gemeinrechtlichkeit i m formellen Sinne, niemals vom Reich ableiten könne. 1 0 7 Eine gewohnheitsrechtlich reichsumfassende Geltung des römischen Rechts konnte allenfalls über die Summe derjenigen Territorialstaaten vermittelt werden, in denen das römische Recht auch nachweislich positiv galt. 1 0 8 Das war allerdings in inhaltlicher als auch in örtlicher Hinsicht nur unregelmäßig der Fall. 1 0 9 105

Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 172. Zweifel an der universellen Verbindlichkeit des Corpus iuris civilis sind schon im frühen 17. Jahrhundert mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Tobias Paurmeister (1555-1616) hatte im Jahre 1608 in seinem „Tractatus De iurisdictione Imperii Romani Libri duo" die Anwendbarkeit des römischen ius publicum auf die deutschen Verhältnisse bestritten, und auch in den Donauwörthischen Informationen des Sebastian Faber (1564-1624) und Ludwig Müller aus dem Jahre 1611 findet sich die Auffassung, daß „ipsa rei publicae Germanicae forma nicht aus den lateinischen Rechten,... sondern vielmehr aus des Reichs löblichen Herkommen und daher rührenden alten Verfassungen u. s. w. zu nehmen..." sei. Ebenso äußerte sich auch Matthias Stephani (1576-1646) im Jahre 1630 in seinem „Comentarius in novellas Justiniani imperatoris" (Zitat und Nachweise bei Roderich Stintzing/Erich Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Band II, S. 179f., m. w.Nachw.). 107 Für die Annahme, daß Hermann Conring an der Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts zweifelte, besteht allerdings kein Anlaß. Conring ging es im Vorgriff auf die im westfälischen Frieden von 1648 später festgeschriebenen Verfassungszustände allein um die historisch fundierte Stützung der zu seiner Zeit nur schwer vertretbaren Ansicht von der rechtlichen Zulässigkeit territorialer Gesetzgebung. Dementsprechend hat seine Abhandlung eindeutig staatsrechtlichen Hintergrund. Die Geltung des römischen Rechts wurde von Conring nur unter diesem Gesichtspunkt näher untersucht. Insofern hat Wolfgang Wiegand (in: Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere Fundatam Intentionem", S. 127, Fußn. 6) also recht, wenn er daraufhinweist, daß „der Beitrag Conrings, der vielfach überschätzt wird, einer sorgfältigen Überprüfung" bedürfe. 108 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII.: Quomodo & in quantum leges Romanae, ut feudales Langobardica, in Germania scholas & fora sint receptae, pag. 168-173, pag. 171/172. Zur pragmatischen Theorie der Rezeption des römischen Rechts und seiner Legitimation als geltendes Recht in Deutschland vgl. Aldo Mazzacane, Hermann Conring e la storia della Costituzione Germanica, S.567ff. 109 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXI.: De usu scriptarum legum per secundum decimum tertium & quartum, pag. 162: „Simpliciter vero si pronunciandum, tanta olim suit existimo Saxonici juris, ut non in multas Germanias partes tantum, verum etiam in Livioniam & Bohemiam, imo & Poloniam ipsam fuerit receptum." 106

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh. (2) Umfang des gerichtlichen Gebrauchs

aa) Die Beweisführung Hermann Comings zur Fortgeltung der einheimischen Statuten, Gewohnheiten und Gesetze führte in der Rechtswissenschaft des ausgehenden 17. und des frühen 18. Jahrhunderts zu der kontrovers diskutierten Frage, welche römischen Rechtssätze denn nun tatsächlich wie, wo und in welchem Umfang galten. Coming hatte sie sich nicht gestellt und folglich unbeantwortet gelassen. Johann Schilter kam in seinen „Exercitationes theoretico-practicae ad L libros Pandectarum i u r i s " 1 1 0 zu dem Ergebnis, daß unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten der hergebrachte Grundsatz der alten Statutentheorie, 111 daß die Statuten streng nach dem römischen Recht auszulegen seien, wohl korrigiert werden müsse. Es sei nämlich bei näherem Hinsehen einfach nicht feststellbar, daß das römische Recht i m Zweifel überall zu beobachten ist, wenn nicht ein abweichendes Gesetz oder Gewohnheitsrecht i m Prozeß bewiesen werden könne. 1 1 2 Schilter stellte deshalb die neue Regel auf: „Statuta & LL. Provinciales latas postea quam ius civile in Imperio nostro receptum, derogare iure civili, in vulgus notum est. Quod tamen communiter limitatur, ut extensiva interpretatio statuti contra ius commune ad casus in lege municipali non expressos, quantumvis similes, neutiquam locum habeat. [...] Sed hane ipsam quoque restrictionem cum grano falis esse accipiendam, & casus utique incidere, qui et si deserte in statutis aut lege provinciali non exprimantur, eorumque decisio ex iure communi haberi facile possit, non tamen ex hoc, sed ilio decidendos esse, ex sequentibus patescet."113 Während Johann Schilter damit die allgemein angenommene gemeinrechtliche Qualität des römischen Rechts noch nicht unbedingt in Frage stellte, zog Johann GeJohann Wilhelm Göbel merkt [ebda., pag. 162] unter (b) dazu an: „multas Germania partes) De terris imperii Germanici, ubi jus Saxonicum hodie adhuc aliquam habet usum, vide apud Β. WERLHOFFIUM illustrem quondam Juliae nostrae anrecessorem in c.2. praem. juris MAXIME QUO in foro Germanico utimur enucleati §.10. Sunt autem ducatus & electoratus Saxoniae, a quibus tamen excipiendae videntur terrae, quae ad Franconiam spectant, Lusatia, principatus Anhaltini, magis tamen quod formalia processus, in quantum admissum, quam quod materialia, Silesia, Bohemia principatus Halberstadiensis, ducatus Magdeburgensis, in quantum usu aut lege provinciali jus Saxonicum ibi receptum, Holsatia, in quantum lex provincialis & consuetudo desiosunt. [...]. Non autem locum habet in Hamburgi, Lubecae, ita tamen ut ia explicandis dubiis nonnihil lucis inde desumi, non autem defectus suppleti queat; Bremae, ac in dueatu Bremensi, nisi lex quadam ad imitationem juris Saxonici recepta, in jure equestri Bremensi dubia sit, tunc interpretatio ex jure Saxonico peti potest. [...] in terris Brunsuicendibus; hoc autem in Lüneburgica exeptionem patitur, quae, ubi statuta desiciunt aut consuetudines, ad jus, quod in speculo Saxonico continetur, recurrit. Sic & idem jus non observatur in ducatu Mecklenburgico, Pomerania, Marchia Brandenburgica, Westphalia [...]; Hassia, comitatu Lippiaco, comitatu Schaumburgico [...]." 110 Hierzu siehe oben S. 93, Fußn. 30. 111 Hierzu siehe oben S. 103, Fußn. 80. 112 Benutzte Ausgabe: Jenae 1698: Johann Schilter, Praxis iuris Romani in foro germanico iuxta ordinem, Tomus Primus, Exercitatio ad Pandectas I., § XIf., pag. 6. 113 Johann Schilter, Praxis iuris Romani in foro germanico iuxta ordinem, Tomus Primus, Exercitatio ad Pandectas II., § XII, pag. 28.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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org von Kulpis im Jahre 1682 in der bereits zitierten „Dissertatione epistolica de Germanicarum legum veterum ac Romani Juris in republica nostra origine auctoritateque praesenti" allerdings viel weitreichendere Konsequenzen. Insgesamt sei es ein unangenehmes und nur Verdrießlichkeiten bereitendes Unternehmen, darzutun, daß die Annahme von der ausschließlichen Geltung des römischen Rechts unrichtig sei, „vix enim alia merces hujus mei laboris". Weiter unten fährt er fort, „fuerit expectanda, quam ut istorum livorem ac dicatitatem in me provocarem," 114 und schließlich klagt er, daß diejenigen von der Autorität des römischen Rechts nicht ablassen wollten, „qui sanctas interpretum traditiones, quibus non jurisprudentia ornatur, sed hujus aliquod idolum effingitur, coeca religione adorare nollit. Nam postquam hoc hominum genus impetu magis rapi, quam ratione consuevit, quicquid ab illorum fabulis antiquis discrepai, convitiis proscindunt & decretarla sententia damnant."115 Damit müsse Schluß sein. Für Kulpis folgte aus der Fortgeltung der einheimischen Statuten und Gewohnheiten, daß die Annahme einer fundata intentio 116 zugunsten des römischen Rechts sowohl im ius publicum als auch im ius civile verfehlt sei. Wenn nämlich die alten einheimischen Rechte nicht an allen Orten derogiert worden waren, was Kulpis in Ansehung des sächsischen Rechts insbesondere für Holstein, Pommern, Schlesien und Bremen nachwies,117 so müsse vor Gericht konsequent gerade entgegen der herrschenden Meinung die Geltung des jeweils in Frage stehenden Rechtssatzes des Corpus iuris civilis durch Gesetz, allgemeine Gewohnheit oder Gerichtsgebrauch, und eben nicht die des einheimischen Rechts bewiesen werden. 118 Seinen Standpunkt faßte er im Kern wie folgt zusammen: „Ego regulam invertendam puto, in singulis provinciis leges Germanias antiquas valere, nullibe Romanas, nisi doceantur receptae: connexionis ratio ea est, quod illae olim legitime pro114 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §111, pag. 10. 115 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §IV, pag. 11. 116 Mit dieser Formel wurde in aller Kürze der Beweisvorteil des gemeinen Rechts im Prozeß umschrieben. Das gemeine Recht genoß grundsätzlich die Vermutung seiner Anwendbarkeit, soweit nicht abweichend ein partikulares Recht geltend gemacht werden konnte. Dieses partikulare Recht mußte dann aber - was sich vor allem bei dem zum größten Teil ungeschriebenen Gewohnheitsrecht oft als äußerst schwierig herausstellte - bewiesen werden. Durch diese Formel drehte sich die durch die mittelalterliche Statutentheorie aufgestellte Rangfolge der anzuwendenden Rechte im konkreten Prozeß in der praktischen Anwendung um. Deshalb wird der Formel für die Erklärung der Vormachtstellung, die das römische Recht im Laufe der Zeit erlangte, die entscheidende Schlüsselrolle zugeschrieben. Hierzu ausführlich unten S. 185 ff. 117 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §XXIX, pag. 32 f. 118 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, § LXXXIX, pag. 97 ff.

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

mulgatae sunt & obtinuerunt, adeoquae vero, mutationem infuerunt, quae, cum facti sit, probari debet." 119 Aus diesem umgekehrten RechtsanwendungsVerhältnis 120 folge aber, und damit stimmte Kulpis mit Schilter dann überein, daß es völlig unrichtig sei, daß das provinzielle Recht aus dem römischen Recht zu interpretieren sei. 1 2 1 Anders als für Schilter fehlte dem römischen Recht nach Kulpis damit aber auch der Charakter eines ius commune. Denn von einer Leitbildfunktion für das Partikularrecht könne keine Rede mehr sein; jedenfalls sei es unrichtig, die praesumtio in iure commune allein für das römische Recht gelten zu lassen. Danach war es Christian Thomasius (1655-1728), 1 2 2 der erstmals i m Jahre 1691 sogar behauptete, daß es eine einfach nachzuweisende Tatsache sei, daß von einer spürbaren Aufnahme des römischen Rechts in den einheimischen Gerichtsgebrauch i m Verhältnis zum einheimischen Recht überhaupt keine Rede sein könne. 1 2 3 Obwohl diese These bis auf eine Schrift des Wittenberger Gelehrten Friedrich August 119 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §L, pag. 55. Thomasius hat den Ansatz verfeinert, indem er die Ansicht vertrat, alle diese Gesetze, das gemeine Recht, das kaiserliche Recht und die bewährten Gewohnheitsrechte, seien nebeneinander genannt worden. Was nach alledem den modernen Gebrauch des römischen Rechts anbelange, so komme es in erster Linie auf die Worte der Reichshofratsordnung an, in der es heiße, daß bewährte Gewohnheitsrechte, die seit alters beachtet würden, Vorrang vor dem geschriebenen Recht hätten, so daß man das römische Recht mit gesetzlicher Autorität nur dann anwenden könne, wenn für einen gegebenen Fall kein besonderes deutsches Gewohnheitsrecht vorhanden sei (Klaus Luig, Der gerechte Preis in der Rechtstheorie und Rechtspraxis von Christian Thomasius (1655-1728), S.784). 120 Die Wissenschaft hatte über die Jahrhunderte hinweg ein äußerst kompliziertes Lehrgerüst von Regel und Ausnahme entwickelt, das die Anwendung verschiedener Rechtsquellen zueinander bestimmte. Das Rechtsanwendungsverhältnis der Rechtsquellen zueinander hatte prozessual schließlich eine weitaus größere Bedeutung gewonnen, als die Lösung des Falles in materieller Hinsicht. 121 Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §LI, pag. 55 f.: Randbemerkung: „Item: jura provincialia in dubio ex jure Romano explicanda; negando". 122 Christian Thomasius, der als Vater der deutschen Aufklärung gilt, wird am 1. Januar 1655 in Leipzig geboren. 1672 Magister der Philosophie. Durch Schriften von Samuel Pufendorf und Hugo Grotius angeregt, beginnt er das Studium der Rechtswissenschaft. 1675 wechselt er an die Universität in Frankfurt (Oder), wo er 1679 unter Samuel Stryk zum Doktor der Rechte promoviert. Anschließend unternimmt er eine kurze Bildungsreise nach Holland. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig ist er zunächst Rechtsanwalt. 1682 hält er als Privatdozent Vorlesungen über Pufendorfs Naturrechtslehre. 1690 ergeht gegen ihn ein Lehr-, Disputations- und Veröffentlichungsverbot. Daraufhin geht er nach Berlin. Dort wird er beauftragt, in Halle juristische Vorlesungen zu halten. 1709 geheimer Justizrat und 1710 Direktor der Universität Halle auf unbegrenzte Zeit. Thomasius stirbt am 23. September 1728 in Halle. Thomasius hat auf fast allen Rechtsgebieten meist reformatorisch gewirkt. Seine Schriften im Privatrecht zeigen die Tendenz, das römische Recht zurückzudrängen, sei es zugunsten des Naturrechts, sei es zugunsten des deutschen Rechts. Entnommen aus: Gerd Kleinhey er!Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.424-431 und ADB, Achtunddreißigster Band, Thienemann-Tunicius, S. 93-102.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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Lüdecke (1668-1694) 1 2 4 eigentlich unwidersprochen blieb, fand sie andererseits bis etwa auf Georg B e y e r 1 2 5 kaum oder nur geringe Beachtung. Welchen genauen inhaltlichen Umfang das römische Recht i m gerichtlichen Gebrauch am jeweiligen Ort gewonnen hat, ist bis heute ungeklärt. Eine exakte Analyse erscheint aber auch eine kaum zu bewältigende Aufgabe zu sein. Denn zu unterschiedlich waren die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in den Gerichtsbezirken der Territorien. 1 2 6 Sicherlich ist der Umfang entscheidend von der Regelungsdichte der vorhandenen (und beweisbaren) einheimischen Rechtsmaterien abhängig gewesen. Bis hierzu genauere Untersuchungen vorliegen, kann vorerst aber nur verallgemeinernd festgehalten werden, daß das einheimische Recht bei der Aufnahme des römischen Rechts in den gerichtlichen Gebrauch Widerstand geleistet hat, und seinerseits zum Teil selbst unmittelbar oder mittelbar in das römische Recht eingedrungen ist. Heute ist man daher der Ansicht, es sei i m Ergebnis nicht zu einer vollständigen Assimilation, 1 2 7 sondern in mehr oder weniger hohem Grade zu einer nicht mehr genau bestimmbaren Verschmelzung, teilweise sogar contra legem, des 123

Die These wurde von Thomasius schon verhältnismäßig früh aufgestellt. Erstmals im Jahre 1691 behauptet er in einem „Programma de causis inutilium Doctrinarum in studio Jurisprudentiae" (III. Programma de causis inutilium doctrinarum in studio Jurisprudentiae, Anhang S. 184), daß kaum der zwanzigste Teil der Digesten in der Praxis der deutschen Gerichte Anwendung finden könnte. Als Disquisitionis Proponent wiederholt er die These im Jahre 1692 - allerdings mit dem Unterschied, daß er jetzt vom zehnten Teil spricht - in einem Corollarium zu einer Dissertation (Dissertationem Academici De Constantia et Inconstantia: ad Regulas rectae Rationis et mentem Senecae cum praemissis duabus Epistulis Gallico idiomate concriptis (Et Respondens Emilius Marius Albertus de Freyberg), Salfeld 1692). Siehe hierzu auch Wolfgang Ebner, Kritik des römischen Rechts bei Christian Thomasius, S. 30/31. 124 Der Wittenberger Hofgerichtsadvokat Friedrich August Lüdecke griff Thomasius heftig an (Nach Klaus Luig in einem Programm zu Disputier-Übungen. „In quo praecellentiam juris Romani prae caeteris Juribus extollit", Wittenberg 1692. Anmerkung des Verfassers: Die vorbezeichnete Arbeit konnte nicht nachgewiesen werden und lag daher nicht vor). In der Verteidigungsschrift, betitelt „De exiguo Pandectarum usu in foris germaniae, adversus objectiones et contumelias programmatis cujusdam Wittenbergensis" (Halae 1692), beharrt Thomasius auf seiner These. Nach Wolf gang Ebner, Kritik des römischen Rechts bei Christian Thomasius, S.31. 125 Georg Beyer, Notitae autorum iuridicorum et iuris arti inserventium specimen, pag. 120. Das wird von Christian Thomasius in seiner Schrift „De rite formando statu controversiae: an Legum Juris Justinianei sit frequens an exiguus usus practicus in foris Germaniae?, eingangs (§ I, pag. 2ff.; § I, pag. 4f.) gewürdigt. Ausdrücklich hielt Georg Beyer es für falsch, wenn aus der Aufnahme einer einzelnen Novelle des römischen Rechts schon sogleich auf die gänzliche Rezeption desselben geschlossen würde. 126 Vgl. Klaus Luig, Conring, das deutsche Recht und die Rechtsgeschichte, S. 381 f. mit Verweis auf Heinrich Hahn (1605-1668), der diesen Umstand in Ansehung des Verbotes der Zinszahlung in Kursachsen, Brandenburg, Braunschweig usw. bereits im Jahre 1650 festgestellt hatte. Insgesamt könne nach Hahn nicht nachgewiesen werden, daß die angeführten römischen Rechtssätze und ähnliche Regeln überall in Deutschland rezipiert worden sind. 127 Darunter versteht Franz Wieacker (in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 7, S. 128) einen eigenen Entwicklungsprozeß, denn „ein Volk kann ein fremdes Recht nur übernehmen und weiterleben, wenn es dieses Recht zu einem Element des eigenen Lebens und Denkens macht." 8 Daniel

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

einheimischen und des fremden Rechts gekommen. Namentlich auf dem Gebiet des Bodenrechts und des Familien- und Erbrechts hat man einheimische Rechtsinstitute nicht ohne weiteres preisgegeben; weit entwickelte Rechtsbereiche wie das einheimische Obligationenrecht, Sachenrecht oder das deutsche Lehnsrecht verloren gegenüber dem römischen Recht allerdings an Bedeutung. Der Grund und das Prinzip nach dem dieses scheinbar willkürlich geschah, ist bis heute ungeklärt. Festzustellen bleibt daher nur soviel, daß bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts eigentlich keine Rede mehr davon sein konnte, daß das römische Recht seinem ganzen Umfang nach gerichtlich Anwendung fand. bb) Örtlich betrachtet war der wenig bestimmte Umfang des gerichtlichen Gebrauchs des römischen Rechts in den verschiedenen Flächen- und Stadtstaaten auch noch höchst unterschiedlich. Zwar war ein echter Nichtgebrauch des römischen Rechts an den Gerichten eher die Ausnahme. 1 2 8 Andererseits war aber ein weitreichender Gebrauch des römischen Rechts in anderen Territorien auf ähnlich fragwürdige formelle Gründe gestützt worden, wie sie schon für das Reich i m Ganzen unzutreffend angenommen worden waren. So behauptete beispielsweise die versammelte Deputation der Stände der Kurund Neumark i m Jahre 1794 für die Mark Brandenburg, daß schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts unter Kurfürst Joachim Nestor I. (1499-1535) in der Kammer=Gerichtsordnung von 1 5 1 6 1 2 9 ' 1 3 0 das bis dahin in den Gerichtsgebrauch aufgenommene 128 Zum Gebrauch des römischen Rechts an den schlesischen Gerichten: Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten. Erster Theil, Einleitung S.X (siehe hierzu auch den auszugsweisen Abdruck in den Materialien zu dieser Arbeit): „Das Jus Romanum obligirt Deutschland selbst, und noch weit weniger Schlesien keineswegs als ein jus scriptum, da letztgedachte Provinz sogar mit Deutschland niemals in einer politischen Verbindung gestanden hat, folglich auch nicht einmal diejenigen Reichsabschiede, welche man gemeiniglich zum Beweise, von der vorzüglichen Gültigkeit des Römischen Gesetzbuches anführen will, in Ansehung Schlesiens, von einigem Gewichte seyn können." Er schränkt dieses Problem jedoch im Nachhinein wieder ein. Aber auch im sächsischen Rechtskreis war der gerichtliche Gebrauch des römischen Rechts sehr viel weniger verbreitet. Noch deutlicher zeigte sich die Geringfügigkeit des gerichtlichen Gebrauchs in einigen Städten. Beispielsweise Lübeck nahm mehrfach „kundige Juristen in ihren Dienst, gestattete aber dem Inhalt desselben nur sehr vereinzelt und nur in unbedeutendem Maße einen Einfluß auf den heimischen Verkehr." [...] „Trotz größter Lebhaftigkeit des städtischen Handelsverkehrs bedurfte man des fremden Rechts zu dessen rechtlicher Regelung nicht." (nach Carl Alexander von Duhn, Deutschrechtliche Arbeiten, S.74). Auch für das Herzogtum Schleswig wird eine spürbare Aufnahme des römischen Rechts in den Gerichtsgebrauch bestritten (siehe hierzu auch die weiteren Beispiele bei Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, unten S. 136, Fußn. 213). Hierzu siehe bei Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 16, S. 93 ff. 129 „No. I. Ordnung des Churfürstl. Cammer=Gerichts in der Marek zu Brandenburg und an, dem zugehörenden Herrschafften und Landen. 1516.", abgedruckt in: C.C.M., Andern (Zweiten) Theils, Erste Abtheilung, Sp. 1-20. Die zeitliche Einordnung ist trotz der Datierung auf das Jahr 1516 ungeklärt. Auf das Jahr 1516 hat die Vorstellung des Komitees der Kurmärkischen Stände bei einer Anfrage über die gesetzliche Kraft des Allgemeinen Gesetzbuchs in der Kurmark vom 23. April 1792 Bezug genommen. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

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und deshalb gültig gewesene gemeine sächsische Recht gesetzlich abgeschafft und anstatt dessen das römische Recht ausdrücklich neben einer allgemeinen Aufnahme in Deutschland im Unterschied zu anderen Territorien zusätzlich sogar auf besondere Weise formell eingeführt worden sei. 132 Ernst Adolf Theodor Laspeyres (1800-1869)133 hat schließlich im Jahre 1841 unter Anknüpfung an den tatsächlich in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 107r-108 v [03.05.0107]. Andere stellen darauf ab, daß die Kammergerichtsordnung wegen zunächst fehlender Beteiligung der Stände erst durch den Landtags-Rezeß von 1534 wirksam geworden sei. Teilweise wird sie sogar erst auf das Jahr 1540 datiert. Bereits der Entwurf der Kammergerichtsordnung aus dem Jahre 1506 soll aber schon die subsidiäre Anwendung des gemeinen geschriebenen Kaiserrechts vorgesehen haben (vgl. Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 16, S.92). 130 Die umstrittene Stelle lautet analog zur RKGO von 1495 (vgl. C.C.M., Andern (Zweiten Theils, Erste Abtheilung, Sp. 10): „Als wir auch in Unsern Landen und Fürstenthum der vielfältigen Rechtsverordnung und Mangel befunden wollen und setzen Wir, daß hinführo in Unserm Cammer=Gericht, Fürstenthum, Landen und gebieten gemeine Kayserliche Recht gehalten, und darnach gesprochen werden soll." Das hiermit nur das römische und nicht etwa auch der Sachsenspiegel gemeint war, ergibt sich unzweifelhaft aus der Quelle selbst: „[...] nach Laut gemeiner geschriebener Recht unangesehn das Sächsische Recht und Gewohnheit." Vgl. Georg Wilhelm von Raumer , XVIII. Ueber die Einführung des Römischen Rechts in der Churmark Brandenburg, S. 309-330. 131 Zum genauen Gegenstand vgl. Alexander von Daniels, Lehrbuch des gemeinen preußischen Privatrechts, Band 1, S.6ff. Zum sächsischen Recht zählten danach der Sachsenspiegel, das sächsische Lehnsrecht und als Stadtrecht das magdeburgische Weichbild. Umstritten war allerdings die Geltung des lübischen Rechts. Hinzu kamen einzelne provinzielle Abweichungen. So hatte jede märkische Stadt besondere Statuten, welche insbesondere das sächsische Erbrecht hinsichtlich der Erbfolge der Ehegatten modifizierten. 132 Bericht der versammelten Deputation der Stände der Kur- und Neumark vom 12. Juni 1794. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 155r [03.05.0155] und Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 9, Abteilung X, Nr. 1, vol. B, fol. 202. Für die Stände war entscheidend, daß die Kodifikation des gemeinen Rechts durch das ALR mit dieser Behauptung im Grunde ad absurdum geführt werden konnte. Denn das ALR war konzeptionell ebenfalls als subsidiarisches Recht ausgerichtet, und so wären die als Partikularrecht rezipierten Teile des römischen Rechts, die gerade durch das ALR hatten abgeschafft werden sollen, als zu bewahrendes Partikularrecht wieder zur Anwendung gekommen. Die Stände sahen ihre angestammten Rechte, die in erster Linie über das römische Recht vermittelt worden waren, gefährdet, wenn und soweit das Allgemeine Landrecht diese Rechte für die Zukunft nicht mehr aufnahm. Vgl. Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.90. Siehe auch Günther Birtsch, Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus. Die Mitwirkung der preußischen Provinzialstände bei der Entstehung des Allgemeinen Landrechts, S. 267-294. 133 Ernst Adolf Theodor Laspeyres wird am 9. Juli 1800 in Berlin geboren und ist spanischer oder portugiesischer Abstammung. Studium der Rechtswissenschaft von 1818 bis 1821 in Berlin, wo er vor allem von Carl Friedrich von Savigny geprägt wird. 1821 bis 1822 geht er zur Vorbereitung einer akademischen Laufbahn auf die Georgia-Augusta-Universität in Göttingen und kehrt zunächst zur Ableistung des Militärdienstes nach Berlin zurück, wo er anschließend Privatvorlesungen zum Kirchenrecht und deutschen Privatrecht hält. 1824 Promotion und schon im Jahre 1825 Habilitation. 1830 wird er zum außerordentlichen Professor in Berlin er*

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

festzustellenden Umfang der Aufnahme des römischen Rechts nachgewiesen, daß weder der Kammergerichtsordnung aus dem Jahre 1516 noch der i m Jahre 1527 in Kraft getretenen „Constitutio Joachimica", 1 3 4 genau wie der Reichskammergerichtsordnung aus dem Jahre 1495, richtigerweise nur eine rein bekräftigende, nicht aber eine wirklich konstitutive Bedeutung beizulegen gewesen wäre. In der Mark Brandenburg sei das römische Recht damit nämlich nicht insgesamt, sondern allein in Betreff der Erbfolge - also ganz i m Sinne Hermann Comings nicht nur örtlich, sondern auch inhaltlich nur punktuell 1 3 5 - i m Einvernehmen mit den Ständen zur Rechtsvereinheitlichung gesetzlich eingefühlt worden. 1 3 6 Das Ergebnis war hinnannt und im März 1831 als Professor für deutsches Privat- und Kirchenrecht an die Universität Halle berufen, wo er 13 Jahre Vorlesungen über deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchenrecht und preußisches Landrecht hält. Darüber hinaus werden ihm gute Kenntnisse des Lehnsrechts zugeschrieben. 1844 scheidet Laspeyres aus dem preußischen Staatsdienst aus, um anstelle des verstorbenen Paul Johann Anselm von Feuerbach den Lehrstuhl für deutsches Recht an der Universität in Erlangen zu übernehmen, wo er bis 1846 deutsches Privat-, Lehn-, Handels- und Wechselrecht, sowie deutsche Staats- und Rechtsgeschichte liest. 1846 wird er aus bayrischen Diensten entlassen und geht an das gemeinsame Oberappellationsgericht in Lübeck, wo er in starkem Maße am öffentlichen und privaten Gesellschaftsleben teilnimmt. 1862 erkrankt er an einem Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht erholt und daher am 15. Februar 1869 in Halle verstirbt. Entnommen aus: ADB, Siebenzehnter Band, Krabbe-Lassota, S.739f. 134 „No. III. Constitution Wilkör und Ordnung der Erbfälle und andere Sachen, wie damit durch die gantze Marek Brandenburg, und zugehörenden Landten hinführo soll gehalten werden, Mittwochs nach Francisi 1527. [...]. Von gemeinen Erbfällen. Dieweil unser Churfürstenthumb Brandenburg im Rom. Reich begriffen, so ordnen und setzen Wir, als des Heil. Reichs Churfürst (wie sich auch wohl ziemet) daß in unsem Landten, in allen gemeinen Erbfällen Keyser Recht gesprochen werde, welches Wir auch in den und anderen kriegerischen Sachen, so in Unser Churfürst. Cammergericht, verhandelt werden, zu behalten, verordnet, und befohlen haben, wie denn solches mit Rath willen und Vollwort aller Geständen unser Landtè gewilligt und angenommen.", abgedruckt in: C.C.M., Andern (Zweiten) Theils, Erste Abtheilung, Sp. 19-28 (Sp. 23). Vgl. Gerhard Wesenbergl Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 16, S.92. 135 Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 172: „usu sensim reeeptu". 136 Dieser Schluß ergibt sich aus dem Wortlaut des Landtagsrezesses aus dem Jahre 1534. Dort heißt es („No. XVI. Landtags Recess wegen Justitien Sachen, Successions Fällen nach Kayserlichem Recht, Abschaffung des Heergewettes, Gerade item wegen Zoll Freyheit, und verbothener Schiffarth auf der Elben de dato Cölln an der Spree, am Sonnabend Johannis Baptistae 1534", abgedruckt in: C.C.M., Sechster Theil, Erste Abtheilung, Sp. 25-30 (Sp.28)): „[...] weil die Gestände Unser Landschafft sich eintrechtig mit Uns vereiniget und verwilliget, daß hinführo in Unsem Churfurstenthumb und Landen, Keyser Recht gehalten und gesprochen werden soll. Derowegen sich Unsere Prälaten, Herrn, Mann und Städte, sich aller Gebrauch und Gewohnheiten voriger Gericht und Rechtens vorziehen und abgesaget, Ordnen und wollen Wir, daß in hinfurder Erbtheilungen keine Heergeweden, Gerade, noch Mußtheil soll genommen noch gegeben werden, besondem in dehme und allen andern Keyser Recht, dergestalt wie hiebevor in Unserer auffgerichteten Constitution und Ordnung der Erbfelle geordnet [Gemeint ist die in diesem Abschnitt in Fußn. 134 beschriebene „Constitution Wilkör und Ordnung der Erbfälle" aus dem Jahre 1527], durch jedermanniglich soll gehalten werden."

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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sichtlich der alten Statuten und Gewohnheiten in der Mark Brandenburg jedoch ähnlich verheerend, wie es schließlich für ganz Deutschland überall zu beobachten ist. Das sächsische Recht verlor bis auf einige wenige Ausnahmen fast völlig an Bedeutung und machte schließlich einer sehr viel weitreichenderen praktischen Anwendung des römischen Rechts Platz, als wirklich gerechtfertigt gewesen wäre, oder in anderen Territorien vergleichsweise üblich war. 137 Eigentlich hätte es zum Beweis einer in den Territorien des Reichs örtlich überall einheitlichen und gleichmäßigen Geltung des römischen Rechts immer des Nachweises eines ebenso einheitlichen und gleichmäßigen gerichtlichen Gebrauchs bedurft. Weil dieser Nachweis jedoch teilweise gar nicht oder nur mit fragwürdigen Begründungen geführt werden konnte, stützte man umgekehrt die Zulässigkeit eines inhaltlich umfassenderen gerichtlichen Gebrauchs, als tatsächlich zu beobachten war, wieder auf die Autorität des römischen Rechts als gemeines Reichsrecht. Denn, so die dann gängige Begründung im 18. Jahrhundert, die einzelnen Territorialfürsten hätten diesen Rückgriff durch das Unterlassen einer entgegenstehenden Gesetzgebung und in Anerkennung des römischen Rechts als gemeines Reichsrecht im Umkehrschluß dort stillschweigend wieder zugelassen (= Gestattungstheorie).138 „Und es wird schwerlich ein Beyspiel einzelner Teutscher Staaten gezeigt werden können, wo nicht die gesetzgebende Gewalt bisher eben das ausdrücklich festgelegt oder doch stillschweigend für bekannt angenommen hätte." 139

Die Argumentation stellt einen unzulässigen In-sich-Schluß dar. Denn Conring hatte (mittelbar) nachgewiesen, daß eine das Reich umfassende Geltung des römischen Rechts gerade nicht originär vom Reich, sondern gerade umgekehrt nur über Vgl. Georg Wilhelm von Raumer , XVIII. Ueber die Einführung des Römischen Rechts in der Churmark Brandenburg, S. 318/319; Ernst Adolf Theodor Laspeyres, Die Reception des Römischen Rechts in der Mark Brandenburg und die Preußische Gesetzgebung vor König Friedrich II., S.5,9. 137 Georg Wilhelm von Raumer , XVIII. Ueber die Einführung des Römischen Rechts in der Churmark Brandenburg, S. 310. 138 Zur Gestattungstheorie siehe ausführlich bei Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, Erster Theil, Zweites Buch, Drittes Kapitel: Die Lehre von der Gültigkeit des Gewohnheitsrechts, S. 180ff.; Max Rümelin, Die bindende Kraft des Gewohnheitsrechts und ihre Begründung, S.17ff. (18). Die Gestattungstheorie hat unterschiedliche Varianten gehabt. Im Ergebnis führen sie jedoch alle auf den gemeinschaftlichen Satz, daß letztlich der Wille des Gesetzgebers der Grund für die Gültigkeit des Gewohnheitsrechts sei; siehe hierzu schon bei Matthias Wesenbeck, In Pandectas iuris civilis commentarli, Kommentierung zu Digesten 1, 3 (De legibus senatusque consultis et longa consuetudine), No. 8, pag. 13): „Consuetudinem autem introducere potest populus, qui & legem condere, quod in libero populo minus habet dubitationis, in eo qui Superiorem recognoscit, plus quaestionis est: aliis existimatibus scientiam & patientiam Superioris opus esse, aliis vero contra iudicatibus, sufficere si princeps superior non contradicat, quorum sententia usu est reception" 139 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Verhältnis zwischen Gesetzbüchern und Gewohnheitsrechten, S.60.

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

die Summe derjenigen Territorien abgeleitet werden konnte, in denen das römische Recht inhaltlich umfassend galt. War die Geltung des römischen Rechts in den Territorien aber inhaltlich nicht umfassend und örtlich nicht einheitlich, hätte die Legitimationskette scheitern müssen. Denn die Rückführung einer zur Voraussetzung genommenen inhaltlich umfassenden Geltung in den Territorien über das erst zu beweisende gemeine Reichsrecht fand keinerlei Halt mehr.

(3) Partikularität des römischen Rechts Als die ostfriesischen Ständedeputierten i m März des Jahres 1792 1 4 0 verlangten, „bis zur Emanierung eines Provinzialgesetzbuches" in allen Fällen „die Beurteilung und Entscheidung nach dem hierländischen Iure scripto, vel non scripto, sive consuetudinario, nicht aber nach den davon abweichenden Vorschriften des Allgemeinen Gesetzbuches geschehen" zu lassen, deuteten sie an, daß sie das bislang in Ostfriesland geltende römische Recht für ein zu konservierendes Provinzialrecht hielten. 1 4 1 Auch die Stände der Kur- und Neumark vertraten i m Jahre 1794 die Ansicht, daß durch die Landtagsrezesse von 1534, 1 4 2 1536 und 1538/1539 143 das römische und die anderen gemeinen Rechte „eigentlich brandenburgisches Provinzialrecht geworden, welches die Stände sich so gut als irgendein anderes durch Vertrag wohlerworbenes Recht vorzubehalten, selbst nach dem Grundsatz des Landrechts 1 4 4 140 Abschrift eines Konferenzprotokolls wegen der in dem ostpreußischen Landrecht vorkommenden, mit den bisherigen gemeinen Rechten übereinstimmenden, aber von den Vorschriften des neuen Allgemeinen Gesetzbuchs abweichenden Verordnungen vom 24. März 1792 (Aurich): Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 125Γ-126Γ [03.05.0125]. Das Ergebnis der Konferenz, an der Regierungsrat Hornfeld, Freiherr von InnhausenKuyphhausen, Landesadministrator Hans, Landesadministrator Kettler, Landessyndikus Schepler, Landessekretär Wiarda und der kaufmännische Deich- und Sielrichter Uke Wilts teilnahmen, wurde dem König mit Bericht vom 19. April 1792 (Aurich) vorgelegt. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 121Γ-124Γ [03.05.0121]. 141 Nach Günther Birtsch, Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus. Die Mitwirkung der preußischen Provinzialstände bei der Entstehung des Allgemeinen Landrechts, S. 287; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 125r—126r (fol. 126r) [03.05.0126]. 142 „No. XVI. Landtags Recess wegen Justitien Sachen, Successions Fällen nach Kayserlichem Recht, Abschaffung des Heergewettes, Gerade item wegen Zoll Freyheit, und verbotener Schiffarth auf der Elben de dato Cölln an der Spree, am Sonnabend Johannis Baptistae 1534", abgedruckt in: C.C.M., Sechster Theil, Erste Abtheilung, Sp. 25-30. Zum Wotlaut der maßgeblichen Stelle siehe oben S. 116, Fußn. 136. 143 „No.XXI. Marggraf Johanns ratification des in Anno 1538 von Churf. Joachimen denen Landständen gegebenen Revers. De anno 1539. Freitags nach omnium Sanctorum", abgedruckt in: C.C.M., Sechster Theil, Erste Abtheilung, Sp. 53-60 (Sp. 55). 144 Gemeint ist hier das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten von 1794.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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wohl befugt" seien. 145 Die westpreußischen Stände schlossen sich dieser Begründung später ebenfalls an. Die Argumentation stieß in Preußen auf Unverständnis, wie ein Votum des Carl Gottlieb Svarez (1746-1798) 1 4 6 vom 27. November 1794 1 4 7 auf das vorerwähnte Gesuch der Deputierten der kur- und neumärkischen Stände vom 12. Juni 1794 1 4 8 auf Suspension des Allgemeinen Landrechts in der Mark zeigt. Die dortige Vorstellung der Landstände enthalte nach Svarez verschiedene bedenkliche „Anmaßungen und noch mehr unrichtige Darstellungen von Tatsachen." Grundsätzlich seien die Stände wohl nur befugt, bei Provinzialgesetzen mitzuwirken, welche die eigentümlichen 145

Bericht der versammelten Deputation der Stände der Kur- und Neumark vom 12. Juni 1794. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrechtvol. 5, fol. 155r [03.05.0155] und Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 9, Abteilung X, Nr. 1, vol. B, fol. 202. 146 Carl Gottlieb Svarez wird am 27. Februar 1746 in Schweidnitz, Schlesien geboren. Er stammt aus einer ursprünglich pommerschen Familie. Nach dem Studium der Rechte an der brandenburgischen Landesuniversität in Frankfurt (Oder) (1762-1765) mit Hilfe eines Stipendiums, wo er die Bekanntschaft mit Christian Garve (1742-1798) machte und Schüler u. a. von Joachim Georg Darjes (1714-1791) gewesen ist, tritt er in den preußischen Staatsdienst als Auskultator bei der Oberamtsregierung in Breslau ein. Hier schließt er Freundschaft mit seinem späteren, zwei Jahre älteren Mitarbeiter an der preußischen Gesetzesreform, Ernst Ferdinand Klein (1744-1810), einem engen Freund Garves, der 1808 seine Nachfolge in dem höchsten Beamtenrang im Justizministerium antreten sollte. 1766 legt er das Referendarexamen ab und wird zum Referendar ernannt. In dieser Funktion wird er die rechte Hand von Johann Heinrich Casimir von Carmer (zur Person siehe oben S. 34, Fußn. 23), des damaligen Präsidenten der Oberamtsregierung, des Oberkonsortiums und des Pupillenkollegiums in Breslau. 1768 wird er mit der Reform zur Trennung von Justiz und Verwaltung bei den Untergerichten in seiner Geburtsstadt Schweidnitz betraut. 1769 wird er zum Pupillenrat ernannt. Im Jahre 1770/71 beschäftigt sich Svarez mit der Sammlung des schlesischen Rechts. Des weiteren gründet er 1771 eine patriotische Gesellschaft Schlesiens. Das große Staatsexamen besteht Svarez 1771 und wird daraufhin zum Oberamts- und Pupillenrat bei der Oberamtsregierung in Breslau ernannt. 1773 führt Svarez eine Reform der Schulorganisation in Schlesien durch; wiederum ein Jahr später schaltet Carmer ihn in die Prozeßrechtsreform ein. Um die Jahreswende 1779/80 wechselt Svarez dann mit Carmer nach Berlin. Svarez ist zunächst nur informell, dann aber unter Abordnung, zur Mitarbeit an der Gesetzgebung, schließlich offiziell am 25. Oktober 1780, beschäftigt. 1781 wird Svarez Mitglied der Gesetzkommission und erhält den Titel des Geheimen Rats. Er bleibt zwar nominell Oberamtsregierungsrat, faktisch ist er jedoch als einziges Mitglied der Gesetzkommission hauptberuflich dort in der Gesetzgebung tätig. 1787 wird er zum Geheimen Oberjustizrat und noch im gleichen Jahr zum Obertribunalrat ernannt. 1791/92 hält Svarez dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) Vorträge über Recht und Staat. Svarez verstirbt am 14. Mai 1798 in Berlin an einem Unterleibsleiden. Zu Person siehe bei Peter Krause, Aufklärung und Gesetzgebung, S. 41 ff. und bei Gerd Kleinhey er!Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.413-417. 147 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 157Γ-158Γ [03.05.0157]. 148 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 3, „Akten betreffend das Allgemeine Landrecht", vol. 5, fol. 154r-156 v [03.05.0154].

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

Rechte und Verfassungen der Mark betreffen. Dies bedeute aber nicht, daß sie an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt teilnehmen, sondern sich nur auf die Verlegung ihrer etwaigen Bemerkungen zur höchsten landesherrlichen Prüfung und Entschließung zu beschränken hätten. Svarez verwies auch darauf, daß bei der großen Menge allgemeiner Landesgesetze, die für den preußischen Staat von jeher und besonders seit dem Jahre 1750 erlassen (emanirt) worden seien, die Souveräne (Höchsten Landesherren) die märkischen Landstände stets hinzugezogen hätten, und diesen sei es nun eingefallen, eine solche Zuziehung als ein Recht zu fordern (praetendiren). Er betonte, daß es desto auffallender sei, wenn sie sich ein solches Recht, wie bei dem Allgemeinen Landrecht, anmaßen wollen, das nur ein ius commune subsidiarum sei, und welches an die Stelle der in den verschiedenen Provinzen der preußischen Monarchie bisher geltenden fremden Rechte (Hülfs-Rechte) getreten sei und die eigentümlichen Rechte und Verfassungen der Mark nicht im geringsten verändere. Der Antrag der Stände, das Allgemeine Landrecht wegen den darin vorkommenden Abweichungen von dem römischen Recht in den Marken fernerhin und bis zur Vollendung des Provinzialgesetzbuches zu suspendieren, sei deshalb zurückzuweisen. Auch mit einem rund vier Jahre später datierten Kanzleischreiben des Großkanzlers Heinrich Julius von Goldbeck und Reinhart (1733-1818)149 vom 22. August 1798 150 ist eine Resolution des Königs vom gleichen Tage an die kur- und neumärkischen Stände überliefert, in dem dieser äußerte, daß es doch höchst sonderbar sei, warum das Komitee der Stände das römische Recht als ein märkisches Provinzialgesetz ansehe, alle Abweichungen dieses Rechts von dem Allgemeinen Landrecht festhalte und diese in das Provinziallandrecht aufnehmen wolle. Zwar sei das römische Recht durch ältere Rezesse in der Kurmark rezipiert worden, aber lange vor dieser Rezeption habe die Kurmark ihre eigenen Provinzialgesetze und Gewohnheiten gehabt. Das römische Recht besitze deshalb auch in den Territorien nur subsidiären Charakter. Die unmittelbar geltenden Provinzialgesetze seien aber der eigentliche Gegenstand der beabsichtigten Sammlung und Verbesserung der Provinzialrechte, die dem Allgemeinen Landrecht beigefügt werden sollten,151 nachdem 149 Studium in Frankfurt (Oder) 1755; preußischer Referendardienst in Stendal; 1758 Wechsel nach Berlin. Im Jahre 1763 Kammergerichtsrat; 1774 Geheimer Tribunalrat und im Jahre 1778 3. Kammergerichtspräsident. Heinrich Julius von Goldbeck und Reinhart (1733-1818) wird im Jahre 1789 Angehöriger des Justizministeriums und schließlich im Jahre 1795 mit der Funktion als Großkanzler und Chef de Justice in Preußen betraut. 150 Kanzleischreiben vom 22. August 1798 (Berlin), in dem eine Abschrift einer Resolution des Königs vom 22. August 1789 an die kur- und neumärkischen Stände enthalten ist. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 2, „ Acta betreffend die fernere Einrichtung der Geschäfte und allgemeinen Obliegenheiten der Gesetz= Commission'' ', vol. 1, fol. 105-107 [02.01.0105]. 151 Siehe zum Verständnis von der vorgesehenen Gesetzestechnik des Allgemeinen Gesetzbuches und des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten die bei den Materialien abgedruckte „ Vorläufige Instruction für die zu etablierende Gesetz=Commission" des Carl

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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die subsidiarischen, die fremden Rechte in allen Provinzen abgeschafft und statt dessen das Allgemeine Landrecht eingeführt worden sei. Wenn der Streit um die Inanspruchnahme des römischen Rechts als Provinzialrecht von Carl Gottlieb Svarez einmal mit dem Argument der Gesetzgebungskompetenz und zum anderen ausweislich der Resolution des Königs mit der Behauptung einer subsidiarischen Geltung auch in den Provinzen vorerst noch abgefangen werden konnte, so war damit aber noch nicht entschieden, ob das römische Recht in Abhängigkeit von der jeweils perspektivischen Sicht nicht doch wegen einer tatsächlich nur partikularen Rezeption am jeweiligen Ort i m weitesten Sinne als Partikularrecht 1 5 2 bezeichnet werden konnte. Die Rechtsauffassung der Stände ist i m Jahre 1839 jedenfalls in der Rechtsprechung des Preußischen Ober-Tribunals ausdrücklich bestätigt worden. „Auch was in [den Provinzialrechtsbüchem] verordnet wird, ist seinem ganzen Inhalt und ohne Rücksicht auf den Ursprung Provinzialrecht, und daher selbst in denjenigen Bestimmungen, welche nur gemeines Recht wiederholen. In Uebereinstimmung hiermit ist auch schon früher im Jahre 1833 der Grundsatz festgestellt, daß in Schlesien das Provinzialrecht selbst in Ansehung solcher Sätze beibehalten sei, durch welche nur gemeines Recht festgesetzt oder abgeändert worden, und dasselbe ebenfalls im Jahre 1833, namentlich in Beziehung auf die pragmatische Sanktion v. 31. Okt. 1696, angenommen.(+) Mit Unrecht wird behauptet, daß das, was ein Provinzialrecht in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Recht festsetze, nichts anderes, als gemeines Recht sei. 153 Das letztere hat vielmehr durch die Aufnahme in ein Provinzialgesetz die Eigenschaft eines provinziellen Rechts angenommen, und es ist von jener Behauptung nur so viel richtig, daß das gemeine Recht dem provinziellen zum Grunde liegt. Durch die bloße Aneignung einer gemeinrechtlichen Bestimmung wird Gottlieb Svarez und dort die Ziff. 2 II, 6, 7, 10-12, 14 und zur Funktion der Stände hierbei Ziff. 30-33. 152 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis von Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 119), daß ausweislich des Schwabenspiegels (Art. 56; Wackemagel) das römische Recht in Deutschland anfangs auch durchaus als bloße Sammlung landrechtlicher (partikularer) Bestimmungen verstanden worden ist. Ebenso PlPräj. 2173; [Entscheidungen des] ObTr. 19, S. 53; [Entscheidungen des] ObTr.20, S.448 in Bezug auf Schlesien]. Vorfluths=Ed.[ikt] v.[om] 20. Dez.[ember] 1746.; vgl. StrA.74, S. 1; StrA. 92, S.309. 153 Anlaß für diese Streitfrage war die Ansicht, diejenigen Teile des Provinzialrechts, die dem gemeinen Recht entsprächen, seien durch das Publikationspatent des ALR von 1794 (siehe oben S. 17, Fußn. 3) außer Kraft gesetzt worden. Das Obertribunal (in einer Entscheidung vom 8. April 1839, abgedruckt in: Hugo Rehbein, Entscheidungen des vormaligen Preußischen Ober-Tribunals auf dem Gebiete des Civilrechts, S. 1 ff.) sah sich hingegen schon allein aus praktischen Gründen zu einer anderen Rechtsansicht veranlaßt: „Wollte man mittels der richterlichen Auslegung nur solche Bestimmungen eines Provinzialgesetzbuches als noch fortdauernd betrachten, die etwas Abweichendes vom gemeinen Recht verordnen, so würde nicht allein durch die oft schwierige Ermittlung, was als abweichend vom gemeinen Recht anzusehen ist, große Verwirrung angerichtet, sondern auch das Provinzialrecht, welches vollständig, wie es besteht, beibehalten werden muß, in einzelne theils noch gültige, theils nicht mehr Anwendung findende Theile zerstückelt wird."

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

diese ebenso wohl ein Bestandteil des Provinzialrechts, als durch eine etwaige Umschaffung und Aenderung; es ist also gleichgültig, ob der Inhalt der einzelnen provinzialrechtlichen Vorschriften dem gemeinen Recht gemäß ist, oder von diesem abweicht." 154

dd) Zusammenfassung Der Geltungsgrund des römischen Rechts erwies sich für die Rechtswissenschaft schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts als problematisch. Eine formell umfassende Geltung konnte sowohl über die Fiktion einer translatio imperii als auch mit der lange Zeit behaupteten Einführung durch einen formellen Gesetzgebungsakt nicht mehr begründet werden. Auch die Annahme einer inhaltlich umfassenden gewohnheitsrechtlichen Geltung war für Deutschland mit Schwierigkeiten verbunden. Denn das römische Recht hatte in inhaltlicher und örtlicher Hinsicht teilweise gar nicht oder nur in ungeklärtem, jedenfalls aber in uneinheitlichem Umfang in die Rechtsprechungspraxis der Territorien Eingang gefunden. Die übliche Begründung für die Zulässigkeit der Anwendbarkeit des römischen Rechts in den Territorien über den tatsächlichen Gebrauch hinaus (Gestattungstheorie) ist aber auf der Grundlage der Erkenntnisse von Hermann Conring ein In-sich-Schluß. Die Ansicht von der Zulässigkeit eines umfassenden Gebrauchs in allen Territorien wäre deshalb eigentlich zu verwerfen gewesen. Spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte man darüber hinaus auch erkannt, daß man das römische Recht im Verhältnis zu einem umfassenderen Rechtskreis wegen seiner nur partikularen Geltung durch gerichtlichen Gebrauch am jeweiligen Ort durchaus auch als Partikularrecht in Anspruch nehmen konnte. Die Annahme, daß ein Rechtssatz einmal von partikularer und andererseits gleichzeitig von gemeinrechtlicher Natur erscheinen kann, stellt aber streng genommen einen Widerspruch dar. Daher ist die Rechtsansicht der kur- und neumärkischen, später auch der westpreußischen Stände, nämlich daß durch Aufnahme eines Rechtssatzes in das Partikularrecht der aufgenommene Rechtssatz zu einem Bestandteil des Partikularrechts wird, jedenfalls von der Rechtsprechung des preußischen Ober-Tribunals und in der Wissenschaft beispielsweise von Heinrich Thöl 155 zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestätigt worden. Weil also einmal bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert klar war, daß es eigentlich keinen vernünftigen Grund mehr gab, warum die einheimischen Statuten und Gewohnheiten streng nur nach dem römischen Recht auszulegen sein sollten, und 154

Entscheidung des Obertribunals vom 8. April 1839, abgedruckt in: Hugo Rehbein, Entscheidungen des vormaligen Preußischen Ober-Tribunals auf dem Gebiete des Civilrechts, S. 1 ff. Ähnlich dürfte auch Rudolph Sohm (1841-1917) die Aufnahme des römisch-kanonischen Rechts aufgefaßt haben, wenn er (in: Institutionen, §2 (S.2)) die Ansicht vertrat, daß „das römische Privatrecht [...] durch die „Rezeption" im 16. Jahrhundert gemeines deutsches Privatrecht geworden" sei. 155 Siehe oben S. 74.

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andererseits jedenfalls für einige im späten 18. Jahrhundert die Annahme näher lag, daß das römische Recht aufgrund eines nur partikularen Geltungsgrundes durch gerichtliche Übung am jeweiligen Ort allenfalls als Partikularrecht galt, bestanden an der Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts für ganz Deutschland spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchaus berechtigte Zweifel.

c) Lösungsansätze im Bereich des positiven Rechts aa) Ausgangssituation Daß die Anwendungshäufigkeit des römischen Rechts in den verschiedenen Territorialstaaten inhaltlich und örtlich unregelmäßig war, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts kaum noch ernsthaft bestritten. 156 Die Erkenntnis, daß an der Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts deshalb berechtigte Zweifel geäußert werden durften, führte dann konsequent zu folgender Fragestellung: „Das römische Recht [müßte] seine Gültigkeit als Hülfsrecht auf alle deutsche Provinzen [erstrecken, um gemeines Recht zu sein. Wie war das möglich], wenn gleich seine Anwendbarkeit wegen der mehrem oder wenigem entgegengesetzten Provincialverordnungen nicht allenthalben gleich groß ist; [...]" 1 5 7

Weil sich der historische Nachweis einer örtlich und inhaltlich gleichmäßigen Aufnahme des römischen Rechts im territorialen gerichtlichen Gebrauch nicht erbringen ließ, versuchte die Rechtswissenschaft ihn nun juristisch zu führen. Ansatz war die bereits zur Mitte des 18. Jahrhunderts im Bereich der kontroversen Diskussion um das ius [commune] germanicum entwickelte These, man könne die gleichmäßige Aufnahme eines Rechtssatzes unterstellen, wenn er wenigstens in den meisten Territorien in den gerichtlichen Gebrauch als Gewohnheit aufgenommen worden ist. 158 Im Jahre 1792 bewies aber Gottlieb Hufeland (1760-1817)159 in seiner Schrift „Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?",160 daß Gewohnheiten 156

Zum unterschiedlichen Umfang der Aufnahme des römischen Rechts in den einzelnen Territorien siehe auch bei Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 16, S. 91 ff. 157 Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.89. iss Friedrich Heinrich Mylius meinte (in: De genuino juris germanici universalis hodiemi privati civilis conceptu, mediisque illud meliorem in ordinem redigendi, Lipsae 1752), daß es ein unmittelbar anwendbares, gemeines deutsches Privatrecht gebe, welches nicht nur aus Reichsgesetzen und wirklichen gemeinen Gewohnheiten gewonnen werde, sondern auch aus denjenigen als anwendbar zu betrachtenden Rechtssätzen, die, wenn auch nicht überall, doch an den meisten Stellen Deutschlands anerkannt worden seien. 159 Gottlieb Hufeland wird am 19. Oktober 1760 in Danzig geboren. Ab Oktober 1780 zunächst Studium der Philosophie und ab 1781 Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

sich im historischen Sinne grundsätzlich immer nur konkret am jeweiligen Ort, und damit partikular entwickeln können.161 Unternimmt man den Versuch, eine historisch nachweisbare Gewohnheit an einem Ort auf einen Ort zu übertragen, an dem diese Gewohnheit nicht oder nicht in gleichem Umfang zu beobachten ist, so deutete Hufeland an, könne dieses weder im historischen noch im juristischen Sinne gelingen. 162 „Solche Handlungen163 aber schließen, ihrer Natur nach, den Charakter der Allgemeinheit aus, indem sie durchaus an bestimmten einzelnen Orten vorgenommen seyn müssen. Ja es ist sogar, nach der Natur dieses Beweises und nach der oben schon angeführten Rechtsregel, unerläßlich erforderlich, daß von einer Gewohnheit, auf die man sich an einem bestimmten Ort beruft, die Gültigkeit auch für den bestimmten Ort bewiesen werde, oder noch deutlicher, daß man darthue, es wären Handlungen, welche die in Frage stehende Gewohnheit als gesetzlich voraussetzten, unter den gehörigen Erfordernissen eben an diesem Orte vorgenommen. in Göttingen. Nach längerer Reiseabwesenheit 1783 Fortsetzung des Studiums. 1784 Wechsel nach Jena, wo er im Frühjahr 1785 die philosophische und im September desselben Jahres die juristische Doktorwürde erlangt. 1786 hält er Privatvorlesungen an der Universität Jena, wo er 1788 außerordentlicher und 1790 ordentlicher Professor supernumerarius wird, wobei er 1798 die Institutionen als Nominalfach liest. 1799 Professor des Lehnsrechts und Beisitzer des Schöffenstuhls. 1803 Wechsel nach Würzburg, wo er die Digesten vorträgt. 1806 Fortsetzung der Lehrtätigkeit in Landshut als Vorgänger des Friedrich Carl von Savigny. 1808 Senatspräsident und Bürgermeister in Danzig. 1812 Rückkehr nach Landshut, wo er den Lehrstuhl für römisches Recht, Polizei- und Staatswirtschaft übernimmt. Nach Auseinandersetzungen über sein Gehalt als ordentlicher Professor wechselt Hufeland 1816 nach Halle, wo er nach nur kurzer Lehrtätigkeit am 18. Februar 1817 plötzlich verstirbt. Hufeland macht sich in verschiedenen Disziplinen des römischen Rechts, im Bereich des deutschen Privatrechts, sowie im Naturund öffentlichen Recht einen Namen und wird von Immanuel Kant wegen seiner philosophischen Bildung besonders hervorgehoben. Zur Person und seinem Werk siehe: Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S.484f. und ausführlich in: ADB, Dreizehnter Band, Holstein-Jesup, S. 296-298. 160 Gottlieb Hufeland, Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?, S. 3-20. Hufeland beschränkte sich mit seiner Untersuchung auf die Frage nach der Existenz eines ius [commune] germanicum. 161 Diese Ansicht wird später auch von Friedrich Carl von Savigny anerkannt (siehe oben S. 23, Fußn. 29). 162 Gottlieb Hufeland, Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?, S. 10f.: „Man darf es nach so vielen trefflichen Untersuchungen wohl überall als bekannt voraussetzen, daß die drey ersten von jenen Gesetzen [gemeint sind hier der Sachsenspiegel, das schwäbische Land= und Lehnsrecht und auch das gemeine Kaiserrecht (?!)] durchaus nicht geschriebene Rechte, sondern bloß Privatsammlungen von Gewohnheiten seyn, deren eigentlichen Sitz man gar nicht gewiß wisse, und die auch alsdenn, der bekannten Rechtsregei nach, nicht über die Grenzen des Gerichts, wo sie angenommen wären, auszudehnen seyn." [in der Anmerkung auf S. 11 heißt es hierzu bei ihm: „Consuetudines vis et efficacia non extenditur ultra limites judicii in quo recepta est"]. 163 Gemeint sind Handlungen, die sich zur Gewohnheit verfestigt haben. Von diesen Handlungen müssen dann aber „Mehrheit, Gleichförmigkeit, Vernunftmäßigkeit, Oeffentlichkeit u. s. w. bewiesen werden" (Gottlieb Hufeland, Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?, S.6).

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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Wird gerade dies nicht bewiesen, so kann der andere Beweis, daß diese Gewohnheit an noch so vielen andern Orten gelte, für den Ort, für welchen man diesen Beweis nicht führen kann, durchaus nichts einführen oder begründen. Käme endlich durch Vergleichung mehrerer, ja wenn das möglich wäre, aller Provinzialrechte die Erfahrung heraus, daß dieselbe Gewohnheit an allen Orten gelte; so würden wir freylich eine allgemeine Gewohnheit haben, allein, wie schon oben gedacht, immer nur im historischen, nie aber im juristischen Sinne. Denn sie würde an jedem Orte, wo sie gälte, doch nicht deshalb gelten, weil sie an allen gälte, und auch unter diesen für jeden einzelnen bewiesen werden könnte; sondern weil sie gerade für diesen bestimmten Ort anerkannt ist, oder im Fall des Zweifels bewiesen werden kann. Noch viel weniger aber läßt sich ein Beweis denken, wodurch für eine besondre Provinz dargethan würde, daß irgend eine Gewohnheit als gemeines, von dem Provinzialrechte noch zu unterscheidendes, Recht anzusehen sey, indem der Beweis auf nichts weiter als auf die bloße wirkliche Gültigkeit gehen kann." 164 Damit war aber eigentlich gleichzeitig der endgültige Beweis erbracht worden, daß das römische Recht die Eigenschaft eines gemeinen Rechts in Deutschland in Ermangelung einer historisch und/oder juristisch gleichmäßigen Geltung nicht besitzen konnte. Vor dieser Konsequenz scheint sich Hufeland aber gescheut zu haben. Denn auch für ihn stand die Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts trotzdem völlig außer Frage. „Da das römische Recht ganz unstreitig gemeines Recht ist; [...]" 1 6 5 Auch Hufeland ging wohl noch - ähnlich wie Johann Stephan Pütter 1 6 6 - davon aus, daß sich die inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche (subsidiäre) Geltung des römischen Rechts an den Orten, an denen ein gerichtlicher Gebrauch nicht oder nur in geringem Umfang nachweisbar war, über die Autorität als gemeines Reichsrecht herleiten ließ. „Das römische Recht erstreckt seine Gültigkeit als Hülfsrecht auf alle deutsche Provinzen, wenn gleich seine Anwendbarkeit wegen der mehrern oder wenigem entgegengesetzten Provincialverordnungen nicht allenthalben gleich groß ist; [...]" 1 6 7

bb) Gleichmäßige Geltung „ex recepitone"? (1) Rezeption „in complexu" Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß die Rechtswissenschaft und -praxis des ausgehenden 18. Jahrhunderts - wohl gerade wegen der kaum lösbaren Schwierig164 165

Gottlieb Hufeland, Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?, S. 12-14. Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?,

S.85. 166 167

S. 89.

Siehe oben S. 117. Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?,

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

keiten bei der schlüssigen Begründung einer einheitlichen und gleichmäßigen Geltung des römischen Rechts - zunehmend die Neigung zur Verallgemeinerung entwickelte. Die herrschende Meinung führte die positive Geltung eigentlich nur noch pauschal auf eine erfolgte Rezeption zurück. 1 6 8 „[...] jura [communia] Subsidiaria, welche [...] ex receptione gelten." 169 Eine genauere Prüfung des tatsächlichen Umfanges der gerichtlichen Einführung ist - soweit erkennbar - schon allein aus pragmatischen Gründen nicht mehr unternommen worden. Daß das Ergebnis eigentlich unbefriedigend bleiben mußte, hat man teilweise sogar bewußt übersehen wollen. Johann Stephan Pütter war jedenfalls i m Jahre 1777 der Ansicht, selbst wenn die Annahme einer umfassenden und gleichmäßigen Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland ein Irrtum gewesen sein sollte, ändere dieses nichts an seiner Gemeinrechtlichkeit. „Wäre also der Satz ohne Ausnahme in Anwendung zu bringen, daß aus irrigen Voraussetzungen nie anders als irrige Folgen entstehen könnten, und daß mit Anerkennung des Irrthums auch die daraus hergeflossenen Folgen wegfallen müßten, oder daß überhaupt mit der Ursache auch die Wirkung aufhöre; so möchte es heutigen Tages mit der Verbindlichkeit jener gemeinen Rechte mißlich aussehen; wie dann in der That das Römische Recht von demjenigen Werthe, den man demselben ehedem unter allen Christlichen Völkern in dem Verhältnisse, als man den Römischen Kaiser für das sichtbare Oberhaupt der ganzen Christenheit hielt, beyzulegen pflegte, bloß darum, weil sich die Einsichten und Gesinnungen hierüber geändert haben, fast alles verloren hat. Allein wie wenig allgemein der Satz sey, daß mit der Ursache auch die Wirkung aufhöre, zeigt selbst das Beyspiel der Teutschen Protestanten, da sie noch jetzt das canonische Recht, sofern es nur mit ihren Religionsgrundsätzen in keinem Widerspruche stehet, als eines ihrer gemeinen Rechte gelten lassen, ob sie gleich die Quelle dieses ganzen Rechts vorlängst als völlig irrig und unbegründet verworfen haben. So können oft die größten Irrthümer in gewissen Folgen, die einmal daraus erwachsen sind, so tiefe Wurzeln fassen, daß man, wenn auch der Irrthum nachher an den Tag kommt, nicht mehr im Stande ist, diese einmal eingewurzelten Folgen zu heben. Das ist insonderheit der Fall, wenn sowohl die gesetzgebende Gewalt als das Ansehen der Gerichtsstühle und Rechtsgelehrten Irrthümer unterstützt, und wenn unvermerkt eine ganze Nation oder doch ein grosser Theil derselben selbst ihre Sitten und Geschäfte nach solchen Grundsätzen einzurichten gewöhnt wird. 1 7 0 [...] 168

Heinrich Christian Senckenberg, Methodus Iurisprudentiae. Ex propriis peregrinis juribus Germaniae Receptae, Cap. III.: De studio Iurisprudentiae. Sectio I.: De Iure Romano Iustiniani, §51. Autoritate huius Corporis [gemeint ist das Corpus iuris civilis, wie sich aus dem vorhergehenden § 50 ergibt], pag. 27: „Habet lus Iustiniani, ex receptione, vel a Glossa, Iuris autoritatem in Germania, sed eam, quam Leges nostrae & morum ratio finunt." 169 Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten, Erster Theil, Einleitung S.X a. E. 170 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, S. 58/59: Verhältnis zwischen Gesetzbüchern und Gewohnheitsrechten.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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In so weit hat es seine völlige Richtigkeit, daß es Fälle gibt, wo man selbst mit dem Römischen Rechte sagen kann, daß auch Irrthümer ein Recht machen können.(+) Und aus diesem Gesichtspuncte würde es eine Thorheit seyn, wenn man dagegen streiten wollte, [...]" 1 7 1 M i t dieser Begründung erhob Pütter gegen das allgemeine Lehrgerüst von der Gesetzeskraft des Gewohnheitsrechts einen gemeinsamen Irrtum nun ausnahmsweise selbst zum förmlichen Geltungsgrund. 172 Obwohl der eigentlich notwendig regelmäßige gerichtliche Gebrauch des römischen Rechts in allen Territorien des Reichs i m Ergebnis als widerlegt zu gelten hatte, half sich die Rechtswissenschaft darüber hinweg, indem sie nun einfach verallgemeinerte. Die Annahme einer umfassenden gerichtlichen Aufnahme durch allgemeine Gewohnheit könne auch ohne den Nachweis ihrer Richtigkeit unterstellt werden, denn sie sei als Faktum einfach hinzunehmen. Man gab sich also mit dem Eingebürgertsein des römischen Rechts kraft seines Eingebürgertseins zufrieden. 173 „Nun wäre freylich möglich, daß in beyden Fällen die gesetzgebende Gewalt, indem Sie die irrige Quelle ihrer bisherigen Grundsätze anerkännte, nunmehr andere Wege einschlüge, und jene Rechte sammt oder sonders für unverbindlich erklärte; wie bereits hin und wieder es nicht an Vorschlägen gefehlt hat, jenen Unteutschen Gesetzbüchern insgesamt den Gehorsam aufzukündigen. Inzwischen muß es doch vors erste, so lange dieses nicht geschiehet, natürlicher Weise dabey bleiben, daß das, was von Seiten der gesetzgebenden Gewalt, wäre es auch ursprünglich aus wahrem Irrthume, wissentlich oder unwissentlich, beybehalten wird, für diejenigen, die unter dieser Gewalt stehen, seine Kraft behält; ohne daß selbige bloß damit, daß sie den Grund der Sache als irrig erkennen, sich selbst von jener Verbindlichkeit losmachen können." 174 I m Jahre 1803 ist es dann Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840), 1 7 5 der in seinem bereits zitierten „System des Pandekten-Rechts" unter Berufung auf die zu seiner Zeit eigentlich bereits überholten Arbeiten von Heinrich L i n k L. z. in f. D. de supellet. legatan. Das hatte wohl schon Martin Luther (1483-1546) erkannt, der sich zu dem Zynismus hinreißen ließ: „haben sie doch damit etlicher maszen entschuldigung, das (es) ein gemein recht, ja (vielmehr) ein gemein irrthum, brauch und gewohnheit gewest ist." (Zitat nach Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „Gemein (2)", Sp. 3172) 171 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Verhältnis zwischen Gesetzbüchern und Gewohnheitsrechten, S.61. 172 Hierzu siehe bei Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, Zweiter Theil, Drittes Buch, Zweites Kapitel, §7, S. 62ff. und Ernst Zitelmann, Gewohnheitsrecht und Irrthum, S. 323 ff. 173 Die Neigung, das Eingebürgertsein des römischen Rechts mit seinem Eingebürgertsein zu erklären, hat Paul Koschaker (in: Europa und das römische Recht, S. 115) bereits für das Mittelalter festgestellt: „Weil [das römische Recht] kraft seiner Autorität Geltung beanspruchte, mußte es durch ein kaiserliches Gesetz eingeführt worden sein." 174 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats= und Fürstenrechte, Verhältnis zwischen Gesetzbüchern und Gewohnheitsrechten, S. 60/61. 175 Zur Person siehe oben S.58, Fußn. 99.

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

(1642-1696),176 Arthur Duck (1580-1648)177 und Caspar Heinrich Horn (1657-1718) 178 den letztlich apodiktischen Schlußpunkt der Geltungsdebatte liefert. Er meinte, alle rezipierten Rechtsquellen würden als positives Recht in complexu gelten. Selbst wenn andere positive Rechtsquellen Vorrang genießen sollten, stünde ihrer (subsidiären) Anwendung juristisch nichts entgegen. „Alle diese recipirten Gesetzessammlungen gelten schlechthin und im Ganzen als gemeines Recht in Deutschland [y], 1 7 9 sofern ihnen nicht einheimische Gesetze und deren Analogie [ z ] 1 8 0 im Wege stehen, und ihr Object überhaupt noch existiert [a]. Dass der Grund der re176 Heinrich Link, Dissertatio de iuris iustinianei receptione atque autoritate in germania, Pars I, Altdorfii 1679, Pars II, Altdorfii 1680. Heinrich Link wird am 13. Juli 1642 in Zörbig geboren. Studium der Rechtswissenschaft in Jena ab 1661, Promotion 1668. Danach hält er Vorlesungen und arbeitet als Rechtsanwalt. 1674 folgt er einem Ruf an die Universität nach Altdorf, wo er ordentlicher Professor der Institutionen und später der Digesten wird. 1677 Konsulent der Stadt Nürnberg, 1685 Hofrat des Fürsten Christian August von Sulzbach unter Beibehaltung seiner Professur. Erst 53 Jahre alt verstirbt Link am 21. Januar 1696. Zur Person und seinem Werk siehe in: ADB, Achtzehnter Band, Lassus-Litschower, S.660. 177 Verweis mi Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Londini 1653. Zur Person siehe oben S. 101 f., Fußn. 74. 178 Caspar Heinrich Horn, De praerogativa morum germaniae in concursu cum LL. receptis, Sectio I., §§ X. sqq., pag. 8 sqq. (Juristische Dissertation aus dem Jahre 1702). 179 ,,y): Not.O. v. 1512. § 1.3. K.G.O. v. 1555. P. 1. Tit. 13. § 1. P.3. Tit. ult. § 1. C.C.C. Art. 118.126.135 [...]". 180 Gemeint ist hier das angenommene ius [commune] germanicum, das über Analogien zu gewinnen sei: Wilhelm Gottlieb Tafinger, Über die Bestimmung des Begriffs der Analogie des teutschen Privatrechts und der Grundsätze, dasselbe zu bearbeiten, §49, S. 165: Der oberste, leitende Grundsatz bei Aufstellung eines gemeinen deutschen Privatrechts, „aus welchem die objektive Allgemeinheit der aufzustellenden Principien einer jeden Rechtslehre mit möglichster Evidenz gegründet werden könne" soll in der sogenannten Analogie des deutschen Privatrechts liegen, „welche uns lehre, die objektive Beschaffenheit eines jeden einzelnen Instituts des deutschen Privatrechts, das durch deutsche Gesetze oder Gewohnheiten entstanden, aus der ursprünglichen Entstehung und weiteren Ausbildung des allgemeinen Begriffs und der Grundsätze desselben zu bestimmen." Dagegen hält Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 53 f.) die Verfahrensweise rund 60 Jahre später für bedenklich: „Die Thätigkeit aber, die zur Erlangung dieses Resultats führe, nennt er merkwürdiger Weise „Analogie" eine Benennung, welche der Verfasser offenbar in dem Sinne angewandt hat, daß dadurch die Ergänzung der Mängel eines Statuts durch Anwendung einer auf jenem historischen Wege gefundenen Regel des deutschen Privatrechts gemeint sein solle, - ein Begriff, der freilich der eigentlichen Idee der juristischen Analogie wenig entsprechen möchte, da diese, allein durch das römische Recht ertheilte, exorbitante Befugnis des Gesetzinterpreten doch wohl nur unter der Voraussetzung gebraucht werden kann, daß das eine Lücke des Gesetzes ersetzen sollende Material (die Entscheidung eines ähnlichen Falles) aus einem Rechte entnommen werden könne, dessen Geltung neben jenem eine gleiche ist. Denn die Analogie ist im Grunde nur eine eigenthümliche, besondere Anwendung eines Gesetzes, dessen sonstige verbindende Kraft außer Zweifel gesetzt sein muß." Siehe zum Begriff der Analogie und seiner Funktion zur Lückenfüllung auch Ziff. 34.) der ,,Vorläufige[n] Instruction für die zu etablierende Gesetz= Commission" . Der Abdruck findet sich bei den Materialien zu dieser Arbeit.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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cipirten Rechte jetzt wegfalle, oder unsre Lage zweckmässigere Gesetze erheische, steht juristisch der Anwendung derselben nicht entgegen [b]." 1 8 1 Auch einer der führenden Germanisten, Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (1823-1891), 1 8 2 hat später i m Jahre 1846 in dieser Begründung einen zu begrüßenden Neuanfang gesehen. Er war der Ansicht, es sei völlig richtig, unter bewußter Abkehr von dem ständigen Negieren des 18. Jahrhunderts 183 und unter Anknüpfung allein an das „Faktum der Aufnahme" 1 8 4 i m römischen Recht eine unmittelbar positiv geltende Rechtsquelle zu sehen, 185 die jedenfalls in der Vernunft der Juristen in complexu verbindlich sei. 1 8 6 Schon allein aufgrund einer vierhundert Jahre währenden Praxis wäre es nämlich eine bewiesene Tatsache, daß das römische Recht zumindest seit der Verkündung der Reichskammergerichtsordnung i m Jahre 1495 als lex scripta verbindlich ist. 1 8 7 Das römische Recht sei danach in den Schriften des 16. bis 18. Jahrhunderts als auch in den Landrechten dieser Zeit immer als in complexu anwendbar und rezipiert behandelt worden. Deshalb gelte es - zu recht oder nicht, das könne dahingestellt bleiben - auch gegenwärtig als Bestandteil des positiven Rechts, 1 8 8 nämlich als gemeines Gewohnheitsrecht, in complexu. 1 8 9 Die jedenfalls von Thibaut und Gerber explizit geäußerte Auffassung sollte noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, also bis kurz vor dem Inkrafttreten des BGB, in der Rechtswissenschaft herrschend bleiben, wie ein Zitat von Bernhard Windscheid (1817-1892) 1 9 0 aus dem Jahre 1875 belegt. „3. In dieser Gestalt ist das römische Recht als Ganzes recipiert worden; daher braucht seine Anwendbarkeit nicht für jeden in ihm enthaltenen Satz gerechtfertigt zu werden; jeder in ihm enthaltene Satz ist für anwendbar zu erachten, so lange sich nicht Gründe gegen seine Anwendbarkeit ergeben." 191 181

Anton Friedrich Justus Thibaut , System des Pandekten-Rechts, Erster Band, § 13, S. lOf. Zur Person siehe schon oben S.64, Fußn. 121. 183 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 64: „... leidet an dem wesentlichen Mangel, daß sie nur negirt, aber nicht versucht, auf der Tabula rasa ein neues, festeres Gebäude auszuführen." 184 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 118. 185 Siehe hierzu schon oben S. 64. 186 Klaus Luig bezeichnet diese Auffassung in dieser Zeit als herrschend (in: Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Deutschland, S. 819 (S.3)). 187 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 144. 188 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 157: „Wenn ich nun trotz dieser abweichenden Ansichten bei dem Resultate der obigen Erörterungen stehen bleiben muß, daß das römische Recht in Deutschland als gemeines subsidiäres, und zwar als positives Recht (lex scripta) gelte,...." 189 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 136. 190 Zur Person siehe schon oben S.59, Fußn. 105. 191 Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Erster Band, S. 4/5; siehe dazu insbesondere auch die dortigen Fußn. 1 und 2. 182

9 Daniel

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Gerber hat für die Richtigkeit seiner These aber nur ein Indiz und keinen Strengbeweis erbracht. Daneben hat er verschwiegen, daß die Behandlung des römischen Rechts als „ i n complexu" rezipiert j a gerade nur aufgrund historischer Irrtümer erfolgt war, und deshalb nur mit der von Pütter gelieferten Hilfsbegründung von der gemeinen Verbindlichkeit eines gemeinsamen Irrtums einigermaßen verstanden werden kann. Für die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts war die Beendigung der Geltungsdebatte aber wohl schon aus pragmatischen Gründen notwendig. Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in nahezu zwei Dritteln der Fläche Deutschlands und für nahezu zwei Drittel seiner Einwohner das gemeine Recht römisch-kanonischen Inhalts aufgehoben war, und gerichtlich kaum angewendet wurde, 1 9 2 war es andererseits in der schon Jahrhunderte dauernden wissenschaftlichen Bearbeitung derart vervollkommnet worden, daß ein Ablassen davon und das Unterlassen einer praktischen Nutzbarmachung des Rechtsstoffes kaum sinnvoll erscheinen konnte. ,,[i]n ihm herrscht der vollständige Sieg über die Subjekte des Rechts. Dies ist dort ein starres, selbständiges Wesen, das undurchdrungen von irgend einer Individualität in der Gewalt eines Jeden, die gleiche, absolute Gestalt festhält. So objektivirt sich hier der Begriff des Rechts, und wird eben deshalb auch am Meisten für eine wissenschaftliche Behandlung fähig. Denn es liegt in der Natur dieses Objektivirtseins, daß der Stoff nicht vermöge einer Abhängigkeit von der Willkür seiner Beherrscher in jedem Augenblicke einer umgestaltenden Veränderung ausgesetzt ist, und mithin unter der zerlegenden Hand des Forschers nicht in unaufhörlichem Wechsel seine Natur und Symptome verwandelt. In eben dieser geschilderten Eigenthümlichkeit liegt aber der Grund, vermöge welches das römische Recht seiner universellen Bedeutung teilhaftig geworden ist, nämlich diejenige Eigenschaft desselben, nach welcher es [...] den ganzen Inhalt der privatrechtlichen Vermögensbestimmungen zum Bewußtsein zu bringen und nach allen seinen Momenten zu marquiren gewußt hat." 1 9 3 Aus der Sicht der Wissenschaft war es also die nicht notwendig gesetzlich zu legitimierende Überlegenheit des wissenschaftlich bearbeiteten Rechtsstoffes, die ihm unter der Bezeichnung ratio scripta bereits seit dem Mittelalter aus sich selbst heraus Geltungskraft beilegte. „Die römische Jurisprudenz entwickelt die Natur jedes einzelnen Rechtes, trennt das Gleichartige von dem Ungleichartigen, und vereinigt den ganzen Rechtsstoff zu einem Sy192 Vgl. Peter Krause, Die Entwicklung der Juristenfakultät, S.91 a.E. Eine Übersichtskarte findet sich bei Conrad Bornhak, Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, Anhang. Eine Übersicht und Karte findet sich auch bei Rudolf Stammler, Übungen im bürgerlichen Recht für Anfänger, Erster Teil, Anhang, nach S. 372. Etwas anders wird das Mengenverhältnis in: Brockhaus' Conversations=Lexikon, Siebenter Band, Ford-Gewindebohrer, S.735 beschrieben: „Es gilt thatsächlich als gemeines Privatrecht noch in 23 von den 26 deutschen Bundesstaaten, aber im ganzen nur ungefähr für ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reichs." 193 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 139 f.

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stem; sie unterscheidet die Rechte nach ihrem inneren Charakter, ihrem specifischen Inhalte, und giebt in sofern eine raison écrite im wahren Sinne des Wortes, oder [...] einen Kodex der Natur der Sache, der überall unumstößlich wahr ist, wo nicht das zu Grunde liegende Princip auf einer einseitigen Auffassung der Verhältnisse beruht." 194

Damit sind allerdings bereits überpositive Geltungsgründe angesprochen, auf die erst später ausführlich einzugehen ist. (2) Exkurs: Der Begriff „Rezeption in complexu" Der Begriff der Rezeption soll für die Aufnahme fremden Rechts bereits seit Jahrhunderten gebräuchlich sein. Seine Verwendung sei aber nicht einheitlich und weise vor allem im Hinblick auf die Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland Besonderheiten auf. 195 Grundsätzlich werden in der Literatur 196 heute zwei Formen einer Rezeption unterschieden: nämlich einmal die mehr oder weniger freiwillige Übernahme fremden Rechts, und andererseits diejenige, die durch einen staatlichen Akt veranlaßt ist. In letzterer Hinsicht könne man wieder unterscheiden zwischen einer Rezeption durch staatlichen Akt desjenigen, der das fremde Recht übernimmt, 1 9 7 und derjenigen Rezeption, die durch staatlichen Akt eines Rechtsspenders selbst veranlaßt ist. 198 Mischformen seien denkbar und sollen in der Geschichte häufig gewesen sein. Seit dem 19. Jahrhundert versteht man unter dem Begriff der Rezeption mehr den Übergang von einem vorrationalen, konkreten, anschaulichen und im Volke lebenden zu einem abstrakt-gelehrten Recht, das zum Monopol eines fachlich vorgebildeten Berufsstandes geworden ist: den Weg vom Volksrecht zum Juristenrecht. Hierzu wurde behauptet, daß dieser Wandel sicherlich auch ohne die Nutzung des römischen Rechts eingetreten wäre. Denn die Geschichte des Rechtes sei auch notwendig die seiner Rationalisierung, und den Fachjuristen habe es auch im nicht oder 194 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 140. 195 Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7ff., S. 124ff. (zum Begriff Rechtsrezeption siehe dort in Fußn. 1 die zahlreichen Nachweise). 196 Vgl. für viele Hermann Lange, Das Problem der Rezeption im Recht, S. 3 ff. 197 Als Beispiel wird die Türkei herangezogen, die das Schweizer ZGB und das Schweizer Obligationenrecht in den 20er Jahren unter ihrem damaligen Präsidenten Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) (1881-1938) in complexu übernommen hat (vgl. Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 124ff. (S. 132). 198 Hierfür dient die Konstitution des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus Caracalla (186-217) aus dem Jahre 212 n.Chr. als Beispiel, nach der alle oder doch im wesentlichen alle Provinzialen, die noch nicht nach dem römischen Recht lebten, nunmehr cives romani mit der entsprechenden Folge sein sollten. Die sog. Constitutio Antoniniana ist auf einem stark verstümmelten Papyros erhalten, der sich in Gießen befindet (Pap. Gieß. 401). Vgl. Hermann Lange, Das Problem der Rezeption im Recht, S. 4, Fußn. 4. Die Auslegung ist umstritten. Zum Meinungsstand siehe Max Käser, Römisches Privatrecht, § 3 III 4. (S. 31 f.) und Wolf gang Kunkel, Römische Rechtsgeschichte, S.63.

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nur gering romanisierten Rechtsraum gegeben. Allerdings wäre der Wandel viel allmählicher verlaufen, weil sich die Entwicklung zum Begriff, zum System, zum abstrakten Normengefüge aus dem einheimischen Recht heraus sehr viel schwieriger gestaltet hätte. 1 9 9 Aber ein solches Verständnis hat mit dem zunächst einmal rein technisch aufzufassenden Begriff der Rezeption eigentlich nichts mehr zu tun. Heute wird oft betont, daß es sich bei dem besonderen Begriff der „Rezeption in complexu", mit dem die Aufnahme des römischen Rechts seinem gesamten Umfang nach gemeint ist, eigentlich nur um eine theoretische Denkfigur in der Rechtsgeltungsdebatte des 16. und 17. Jahrhunderts gehandelt habe. 2 0 0 Tatsächlich habe es eine solche Totalrezeption nie gegeben. 201 Die Aufnahme zahlreicher Rechtssätze und -institute des römischen Rechts in die Gerichtspraxis sei nämlich ein unbewußter, ein schleichender Vorgang gewesen, wie Franz Wieacker bemerkt hat. „Die Überzeugung von der fraglosen Autorität des justinianischen Corpus beherrschte...] die Stellungnahme der Zeitgenossen zur praktischen Rezeption,202 soweit der lang anhaltende säkulare, örtlich vielfältig verlaufende und von auffälligen staatlichen Willensakten selten begleitete Vorgang überhaupt in ihr Bewußtsein trat [...]." 2 0 3 Die These, es habe sich bei dem Begriff „Rezeption in complexu" nur um eine theoretische Denkfigur gehandelt, ist durch die vereinzelt gebliebene Bemerkung erweitert worden, 2 0 4 der Begriff der Rezeption sei „jedenfalls schon" i m 17. und 18. Jahrhundert, also eigentlich erst spät, gebräuchlich. 205 199

Hermann Lange, Das Problem der Rezeption im Recht, S. 12/13. Wolfgang Wiegand, Über die Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem", S. 130, Fußn. 14; ders., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, S. 179. Vgl. auch Helmut Coing , Die europäische Privatrechtsgeschichte der neueren Zeit als einheitliches Forschungsgebiet, S. 5-7: „Bei dieser Betrachtungsweise wird übersehen, daß der Begriff der Totalrezeption ursprünglich überhaupt kein Begriff der Geschichtswissenschaft gewesen, sondern vielmehr als Begriff der allgemeinen Rechtslehre im 17. Jahrhundert aufgekommen ist. [...] Auf diese Frage [des Geltungsumfanges] liefert die Theorie, daß das römische Recht, und zwar im Ganzen, soweit es von der Glosse kommentiert worden sei, „usu receptum" sei, die [eine denkbare] Antwort." 201 Helmut Coing , Die europäische Privatrechtsgeschichte der neueren Zeit als einheitliches Forschungsgebiet, S. 1-33,5 ff. 202 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 141. Hierzu siehe auch Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band II, S. 36 ff.; Georg Anton Hugo von Below , Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S.67f. und Peter Bender, Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der deutschen Rechtswissenschaft, S. 8-31 mit zahlreichen Belegen aus zeitgenössischen Quellen. 203 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 141; weitere Nachweise ebda., Fußn. 56. 204 Hermann Lange, Das Problem der Rezeption im Recht, S. 3, Fußn. 1. 205 Beispiele finden sich bei Hermann Conring , De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXIII., pag. 168: Leitsatz; Heinrich Christian Senckenberg in dessen Schrift „Methodus iurisprudentiae. Ex propriis peregrinis juribus Germaniae receptae." [Appendix III: Digeresso Tertia. De Receptione Iuris Romani in Italia et Germania.[...], pag. 95 und bei Wiguläus Xaver 200

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Für eine erst späte Verwendung des Begriffs der „Rezeption in complexu" spricht insbesondere, daß in der Rechtswissenschaft erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, wie gezeigt wurde, die Einsicht vorgedrungen ist, daß neben der sowieso seit langer Zeit nicht mehr haltbaren Fiktion einer translatio imperii auch die Legende von der gesetzlichen Einführung des römischen Rechts unzutreffend gewesen ist. Beide Begründungen waren ihrer Natur nach aber auf eine ganzheitliche Geltung des römischen Rechts angelegt gewesen. In der gesichteten Literatur des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts findet sich der Begriff der „Rezeption in complexu" hingegen überhaupt nicht. Erst im frühen 19. Jahrhundert ist er nachweisbar. Weil aber erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Klarheit über die unregelmäßige und uneinheitliche Aufnahme des römischen Rechts bestanden hat, und darüber hinaus erst im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts der Nachweis erbracht worden ist, daß es eine regelmäßige und einheitliche gewohnheitsrechtliche Geltung des römischen Rechts gar nicht gegeben haben konnte, liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei dem Begriff der „Rezeption in complexu" um eine Wortschöpfung des späten 18. Jahrhunderts, wenn nicht sogar erst des frühen 19. Jahrhunderts handelt. Die Klärung dieser Frage bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten. cc) Zusammenfassung Spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts steht fest, daß es eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Aufnahme des römischen Rechts in den gerichtlichen Gebrauch der Territorien des deutschen Reichs nicht gegeben hat. Der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts unternommene Versuch, eine an einem Ort feststellbare Gewohnheit mit historischen oder juristischen Mitteln auf einen anderen Ort zu übertragen, an dem diese Gewohnheit nicht feststellbar ist, kann denknotwendig nicht gelingen. Weil das römische Recht damit aber nachweislich weder historisch noch juristisch in allen Territorien umfassend und einheitlich gegolten hat, kann eine positive Geltung des römischen Rechts im Reich umgekehrt nicht auf die Geltung in den Territorien zurückgeführt werden. Damit hätte aber die Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts für Deutschland eigentlich als widerlegt zu gelten gehabt. Trotz, oder gerade wegen dieser Erkenntnis wurde eine Rezeption des römischen Rechts in complexu aber seit dem späten 18. Jahrhundert unterstellt. Es liegt daher nahe, daß der Begriff der „Rezeption in complexu" eine Wortschöpfung des späten 18. oder sogar erst des frühen 19. Jahrhunderts ist. Allein mit der These von der Rezeption in complexu ließ sich die Gemeinrechtlichkeit des römischen Rechts für Deutschland im positiven Sinne jetzt noch aufrecht erhalten.

Aloys von Kreittmayr in seinen „Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem", Teil 1, Cap. II, § IX15.

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d) Lösungsansätze im Bereich des überpositiven Rechts aa) Vorbemerkung Wenn sich nun im Anschluß die Frage stellt, ob sich im 18. Jahrhundert eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Geltung des römisch Rechts wenigstens auf Gründe zurückführen ließe, die im Bereich des überpositiven Rechts zu finden sind, dann muß die Darstellung zunächst weiter ausholen. Ausgangspunkt sind in diesem Zusammenhang die Thesen darüber, wie für rechtlich voneinander unabhängige Rechtskreise eine einheitliche rechtliche Verbindlichkeit eines Rechtssatzes unterstellt werden darf, so daß damit eine rechtliche Verbindung zwischen diesen Rechtskreisen unabhängig vom Gesetz entsteht. August Ludwig Reyscher hatte in der Mitte des 19. Jahrhunderts hierzu noch ganz im Stile des 18. Jahrhunderts (naturrechtlich) argumentiert, daß in rechtlich voneinander unabhängigen Gebieten bereits die gemeinsam erkannte innere Wahrheit eines Rechtssatzes zu einem hypothetischen gemeinen Recht für diese Gebiete führen könne.206 Nach anderer Ansicht sei es eher die historisch-pragmatische Bearbeitung eines Rechtsstoffes in der Wissenschaft, die zu seiner subsidiären Anwendung über die Juristen auch an denjenigen Orten führe, an denen der in Frage stehende Rechtssatz ansonsten eigentlich nicht als positives Recht festgestellt werden könne. 207 Beide Thesen knüpfen also genau an dem Punkt an, wo rein positiv-rechtliche Überlegungen versagen. Beide Grundvorstellungen müssen den Blick zunächst auf die wissenschaftliche Behandlung des römischen Rechts im späten 14. und 15. Jahrhundert an den in Deutschland gerade erst gegründeten Universitäten lenken.208 Denn die Tatsache, daß das römische Recht in die einheimische Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis über die akademisch gebildeten doctores iuris und über die im Laufe der Zeit zunehmende Aktenversendung 209 an die juristischen Fakultäten der Universitäten eingedrungen ist, wirft die Frage auf, wieso die dort Lehrenden schon damals eine antiquarische Rechtsmasse erforschten und vermittelten, dessen konkrete Legitimation für die Gegenwart eigentlich erst zu beweisen gewesen wäre. 210 206

So die Ansicht von August Ludwig Reyscher, siehe oben S. 71 f. So die Ansicht von Christian Ludwig Runde; siehe oben S. 81 f. 208 Die Gründung der Universität Heidelberg geht auf das Jahr 1386, die der Universität Köln auf das Jahr 1388 und die der Universität Erfurt auf das Jahr 1392 zurück. Es folgen die Universitäten in Leipzig (1409), Rostock (1419), Freiburg i. Br. (1457), Basel (1460), Ingolstadt (1472) und Tübingen (1477). Vgl. Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 55 m. w. Nachw. 209 Carl Friedrich Wilhelm von Gerber datiert den Beginn der Praxis der Aktenversendung erst auf den Zeitraum nach der Verkündung der RKGO im Jahre 1495 (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 129). 210 Den Geltungsanspruch des römischen Rechts behaupteten nach Carl Adolf Schmidt (in: Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 14 f.) schon die Glossatoren, ohne ihn im eigentlichen Sinne bewiesen zu haben: „Die Glossatoren beschränkten sich aber nicht darauf, das römische Recht so darzustellen, wie es zu Justinians Zeiten gegolten hatte, sie behaupteten zugleich, - und das ist der Punkt, den wir, wenn wir ihre Leistungen vom Standpunkte der 207

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Wenn zu Zeiten der von Irnerius (ca. 1100 - ca. 1125) in Bologna begründeten Rechtsschule der Glossatoren im mittelalterlichen Italien das partikulare Recht hinsichtlich seiner Autorität von der Wissenschaft noch bezweifelt worden sein mag, 211 und es insofern noch verständlich erscheint, wenn die Wissenschaft damals ihr Heil im gerade erst wiederentdeckten römischen Recht suchte, war die Ausgangssituation in Deutschland bereits zu den Gründungszeiten der einheimischen Universitäten eine andere. In Deutschland war die positive Geltung partikularer Konstitutionen, Statuten sowie geschriebener wie ungeschriebener Gewohnheiten von Anfang an anerkannt. 212 Es gibt deshalb um so mehr Rätsel auf, warum sich die einheimiRechtswissenschaft aus betrachteten, zunächst ins Auge zu fassen haben - daß dasselbe, so wie sie es lehrten, noch gegenwärtig gelte. Sie lehrten dasselbe also nicht als ein Recht, welches früher in Rom gegolten habe, sondern als ein zu ihrer Zeit geltendes Recht, [...]." Friedrich Carl von Savigny hat im 19. Jahrhundert zu beweisen versucht, daß sich das römische Recht bis zu den Zeiten der Glossatoren in Italien erhalten hat. Dieser Nachweis sollte den Geltungsanspruch und das Verfahren der Glossatoren erklären. Durch diesen Nachweis war allerdings nichts gewonnen. Denn auch da, wo sich das römische Recht als Vulgarrecht erhalten hatte, galt es, wie Savigny schließlich zugestand, jedenfalls nicht so, wie die Glossatoren es lehrten: „Die Glossatoren selbst behaupten eine fortdauernde Geltung in diesem Sinne auch gar nicht; sie wußten recht gut, daß das zu ihrer Zeit in Italien im Leben und in der Praxis geltende Recht ein ganz anderes war, legten auf diesen Umstand aber nicht das geringste Gewicht, weil dies für diejenige Geltung, welche sie für das römische Recht beanspruchten, ganz gleichgültig war." Genauso Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 84, Fußn. 1. 211 Winfried Trusen (in: Römisches Recht und partikuläres Recht in der Rezeptionszeit, S. 98/99) weist daraufhin, daß die Glossatoren der Erscheinung der zahlreichen Gemeindestatuten in Italien zunächst mit Mißtrauen begegneten. „Für sie waren diese konkurrierende Normen, mit denen sie noch nichts Rechtes anfangen konnten. Sie meinten, die Statuten beruhten ja sehr häufig mehr auf einer machtpolitischen Entwicklung, als auf einer rechtlichen Basis, denn der nach den Glossatoren alleinige Gesetzgeber, nämlich der Kaiser, hatte in jener Zeit seine Macht in Mittel- und Süditalien weitgehend verloren. So empfand man meist nur Mißachtung und Abneigung gegen die neuen Normen, die sich die Gemeinwesen selbst gaben. [...] Viele Rechtsgelehrte äußerten sich überhaupt nicht zu diesem Problem. Einige sahen dagegen die Gesetzgebungsvollmacht der Gemeinden als vom Kaiser abgeleitet an." Zu berücksichtigen bliebe, daß in Italien die „politische Zersplitterung und die damit verbundene Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit dazu führten, das römische Recht als geltendes Recht zu behandeln, weil es die Rechtseinheit brachte und so zugleich ein Bollwerk der sich formenden italienischen Nation wurde." Anderer Meinung ist Klaus Luig (in: Conring, das deutsche Recht und die Rechtsgeschichte, S. 360f. (S. 324f.)) unter Verweis auf Ugo Nicolini (in: Autonomia e diritto proprio nelle città italiane del Medio Evo, S. 249 ff.). Danach sei in Italien gerade umgekehrt das Recht der Städte (ius proprium), sowohl aufgezeichnetes Recht als auch gewohnheitsrechtliche Regeln, ohne Rücksicht auf seinen umfassenden oder im einzelnen Falle auch lückenhaften Charakter, das primäre Phänomen gewesen. Diesem Recht habe sich das römische Recht erst als ein sekundäres Phänomen hinzugesellt. Dementsprechend habe als oberste Regel gegolten, daß das eigene Recht der Städte in der Hierarchie der Rechtsquellen den ersten Platz eingenommen habe. 212 Winfried Trusen, Römisches Recht und partikuläres Recht in der Rezeptionszeit, S. 101: „Hier stand zunächst grundsätzlich die Geltung von Land- und Stadtrecht nicht in Frage, wohl aber [eben] die subsidiäre Anwendbarkeit des gelehrten Rechts im weltlichen Bereich - in der geistlichen Zivilgerichtsbarkeit war sie ja seit dem 13. Jahrhundert unleugbare Realität." Das soll allerdings nicht für die Kapitularien der fränkischen Könige als formeller Grundlage einzelner germanischer Volksstämme gegolten haben, die etwa seit dem 10. Jahrhundert

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sehe Rechtswissenschaft dieser Zeit nicht wie in Frankreich, England oder in anderen europäischen Ländern 2 1 3 - wenn schon nicht hauptsächlich, so doch zumindest gleichzeitig - auch dem partikularen Recht wissenschaftlich zu nähern suchte. 214 Sie hatte sich vielmehr bewußt von dem positiv geltenden Recht ab- und ausschließlich dem römischen Recht zugewendet. Offensichtlich legten sie, wie mit Carl A d o l f Schmidt bereits angedeutet wurde, dem römischen Recht einen geradezu überragenden Geltungsanspruch bei, der vom positiven Recht unabhängig war. Bei der Untersuchung dieses Problems ist allerdings Zurückhaltung geboten. Die Gefahr des Spekulativen ist offenkundig und eine genauere Analyse dürfte den Rahmen der Untersuchung sprengen. Aus diesem Grund soll hier keine abschließende Beschreibung des sich wandelnden Geltungsbegriffs seit dem Spätmittelalter erfolim Bewußtsein des Rechtslebens an Bedeutung zunehmend verloren hätten. Die Volksrechte sollen aber noch bis in das 12. Jahrhundert anerkannt worden zu sein. 213 Beispiele gibt Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 145: „Es ist übrigens entschieden, da namentlich der Einfluß des Reichskammergerichts das römische Recht zur lex scripta erhoben hat; denn in denjenigen Ländern welche nicht unter der Einwirkung standen, hat es, obschon die übrigen Gründe seiner Reception auch hier zutrafen, als ratio scripta eine bedeutende, namentlich wissenschaftliche Autorität, aber niemals das Ansehen eines geschriebenen Gesetzes erlangen können." Ebenda, Anm. 28 heißt es: „So namentlich in der Schweiz und dem Herzogtum Schleswig. In dem Letzteren gilt das römische Recht noch immer nicht als Gesetz, sondern nur als ratio scripta, als vollendete Civilrechtswissenschaft." Zur Rechtsgeschichte Frankreichs und Spaniens siehe bei Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, Lib. II., Cap. V., § XXI, pag. 252: „Et fuit haec quaestio olim agitata inter duos Senatus Parisiensis primarios successive [P]raesides, Petrum Lizetum [&] Christophorum Thuanum; in qua Lizetus contendebat, [Jus Civile Romanorum] esse Gallorum lus Commune, ideoque Consuetudines & constitutiones, quae sint lus Gallicum, esse lus strictum, stricteq; interpretandum. Thuanus vero dicebat Consuetudines [& Constitutiones] esse Gallorum lus Commune; lus vero Romanum tantum Rationis Scriptae in Gallia locum habere." Ebenso berichtet Arthur Duck (in: ebenda, Lib. II., Cap. VI., §. XIII., pag. 289) von Spanien, daß man hier (Anmerkung des Verfassers: nach umstrittener Meinung) zum Schutz der Majestät das alte spanische Volksrecht gegen das römische Recht, als das Recht des Kaiserreichs verteidigte, und sich dabei sogar auf ein Gesetz berief, welches bei Todesstrafe verbot, das römische Recht im Gerichte anzuführen. 214 In England erlangte das römische Recht allenfalls den Rang einer rechts wissenschaftlichen Hilfsdisziplin, die in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert die Philosophie einnahm. Siehe hierzu oben S. 18, Fußn. 9 und Peter Krause, Die Entwicklung der Juristenfakultät, S. 103: „Es ist bekannt, daß die englischen Universitäten sich auf das kanonische Recht beschränkten und die dortige Rechtspraxis wissenschaftsfem blieb. Auch in Schottland, wo die Universitäten das römische Recht betrieben, konnte es keinen wesentlichen Einfluß auf das geübte Recht erlangen. Beides steht zwar im Zusammenhang mit der dort üblichen praktischen Ausbildung des Richters und Anwaltes, findet aber seinen Grund darin, daß es dort nicht zu einer weitgestreuten königlichen Gerichtsbarkeit kam." An anderer Stelle wird festgehalten, daß dieses mit dem Umstand zu erklären sei, daß England und Frankreich, für die die geringe praktische Aufnahme in gleichem Maße zu beobachten ist, im Mittelalter eine stärkere Zentralgewalt, größere politische Einheit und einflußreiche höchste Gerichtshöfe mit einer festen Praxis gehabt hätten (Georg Anton Hugo von Below , Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 165).

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gen, sondern nur verschiedene Anknüpfungspunkte für eine überpositive Geltung des römischen Rechts geliefert werden. Schwerpunkt ist die Frage nach der Vermittlung einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Geltung des römischen Rechts aus der Sicht des 18. Jahrhunderts.

bb) Gründe für die Aufnahme des römischen Rechts (1) Ausgangssituation Adam Friedrich Glafey (1692-1753) 2 1 5 stellt i m Jahre 1720 in seinen ,,Grund=sätze[n] der Bürgerlichen Rechts=gelehrsamkeit" 216 fest, daß das lange Zeit übliche Verfahren einheimischer gerichtlicher Rechtsfindung für die Rechtsuchenden bis in die frühe Neuzeit eigentlich einem A k t richterlicher Willkür geglichen hat. „In alten Zeiten, und biß auffs 16te Seculum herauf, bekümmerten sich die Fürsten von Teutschland wenig um die Gesetzgebung, sondern überließen die decisiones causarum denen Richtern und JCtis. 217 Diese hielten dafür, es könnte ein Ding nicht mehr als einmal recht seyn, und suchten bey einem vorfallenden Casu die Decision, wo sie selbige nur finden konnten, und glaube ich, wenn jemand aus Africa Gesetze von den Hottentotten nach Teutschland gebracht hätte, die Juristen hätten Hülffe und Rath darin gesucht." 218 Es liegt deshalb auf der Hand, daß die gerichtlichen Entscheidungen der dem Recht unterworfenen einheimischen Bevölkerung oft schwankend, unbestimmt und unvorhersehbar erscheinen mußten. Glafey deutete aber an, daß es sich bei dem scheinbar willkürlichen Rückgriff auf verschiedene Rechtsquellen, insbesondere auch auf wenig gesetzlich legitimierte private Rechtssammlungen, geradezu um einen A k t der Not gehandelt hat. Denn die mit Laien besetzten Schöffengerichte, die 215

Adam Friedrich Glafey wird am 17. Januar 1692 in Reichenbach geboren und nach armseliger Jugend und weitgehend autodidaktischem Studium in Jena und Tübingen Magister legis in Leipzig. Er promoviert in Halle 1718 und steht ab 1724 als Hof- und Justizienrat in sächsischen Diensten, zuletzt als Geheimer Rat und Archivar (Hofhistoriograph). Glafey ist praktisch der bedeutendste Völkerrechtler des 18. Jahrhunderts und zeichnet sich schriftstellerisch besonders auf dem Gebiet der Rechtsphilosophie und dem Naturrecht aus, wobei er im Bereich der Philosophie gegen Hugo Grotius und Thomas Hobbes gerichtet ist und auf Gottfried Wilhelm Leibniz und Jean-Jaques Rousseau (1712-1778) fußt. Glafey verstirbt am 14. Juli 1753 in Dresden. Zur Biographie und seinem Werk siehe Peter Krause, Aufklärung und Gesetzgebung, S. 14f. und in: ADB, Neunter Band, Geringswald-Gruber, S.205. 21 6 . Das Werk hat bei der sächsischen Regierung solchen Anstoß erregt, daß es auf ihren Befehl weitestgehend vernichtet wurde. Siehe in: ADB, Neunter Band, Geringswald-Gruber, S.205. 217 Jurisconsultis = den Rechtsgelehrten. Vgl. Karl Ernst Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Erster Band, S. 1582. 218 Adam Friedrich Glafey, Grund=Sätze der Bürgerlichen Rechts=Gelehrsamkeit, Durch die gesunde Vernunft, die Römischen und Teutschen Antiquitaeten von ihren Schlacken gesaeubert, und nach Ordnung Der Institutionen zu nützlichem Gebrauch eingerichtet, S.34f.

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ihre Urteile nicht selten weder auf Gesetze noch auf beweisbare Gewohnheiten stützen konnten, wären bei der Lösung einer Rechtsfrage oft genug gezwungen gewesen, nur mit allgemeiner Vernunft und Billigkeit zu argumentieren, die einerseits regelmäßig die Gefahr einer aequitas cerebrina 219 in sich barg, und darüber hinaus wegen der fehlenden schriftlichen Fixierung als „geltendes" Recht auch noch Akzeptanzprobleme mit sich bringen konnte. Hier dürfte die „Autorität" schriftlich bewahrter Rechtsaltertümer als Argumentationshilfe also oft erheblich weitergeholfen haben. Das von Glafey angedeutete Problem ist in der Geschichte öfter aufgetreten. Schon in der Antike ist der Rückgriff auf historisch überliefertes Rechtsmaterial einer vergangenen Epoche in Ermangelung positiver Normen ohne nähere Begründung und ganz unabhängig von einer gesetzlichen Verbindlichkeit am jeweiligen Ort zulässig gewesen.220 Der sich dahinter verbergende Ansatz ist plausibel. Denn daß neben positiv geltenden Gesetzen und Gewohnheiten auch historisch überliefertes Rechtsmaterial, und zwar ganz unabhängig von seiner Herkunft und seiner positiven Geltung, mit einer abstrakten Vernunft und Billigkeit übereinstimmende Inhalte auch für die jeweils gegenwärtige Zeit bereit halten konnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Weil dieser Ansatz nach Glafey auch die Vorstellung des Spätmittelalters beherrschte, wurde offensichtlich nur noch die Frage gestellt, wie man die bloß historische Autorität einer überlieferten Rechtsquelle mit der derogierenden Kraft des geltenden Gesetzes in ein praktisch ausgewogenes Rechtsanwendungsverhältnis zueinander setzt. Heute ist die Erkenntnis gesichert, daß die mit der Gründung der ersten einheimischen Universitäten in Deutschland aufkommende Rechtswissenschaft versuchte, dieses ungeklärte Mengenverhältnis von verschiedenen Rechtsquellen ganz unabhängig von ihrer positiven Geltung zunehmend anhand der methodischen Vorgaben des Corpus iuris civilis 221, 2 2 2 und einer daran entwickelten 219 Der im 18. Jahrhundert gebräuchliche Begriff der aequitas cerebrina bezeichnete im Gegensatz zur objektiven die bloß subjektive und deshalb als schädlich empfundene Billigkeit des Richters. Sie wurde von Christian Thomasius in dem deutschen Untertitel der Dissertation „De Aequitate cerebrina L.II.C. De Rescindenda venditione ejusque usu practico... d. 5. August 1706 habita." [(praes. Johannes Fridericus Stützing), Halae Magdeburgicae 1713] auch mit „ungegründeter Billigkeit" übersetzt. Im Gegensatz zur aequitas cerebrina finde die „wahre" aequitas ihre Grundlage im ius naturale (= göttliches oder natürliches Recht). Die aequitas cerebrina sei deshalb eine „aequitas, quae non sequitur rectam juris rationem, aut quae certissimam juris rationem convellit". Zitat nach Wolfgang Ebner, Kritik des römischen Rechts bei Christian Thomasius, S. 131. Siehe zum Thema auch die Abhandlung von Clausdieter Schott, „Aequitas cerebrina", S. 132ff., insbesondere S. 151, 152. 220 Vgl, z u r historischen Entwicklung des Rechts im römischen Reich Carl Christoph Goss1er, Kurze Geschichte des bisherigen Gemeinen Rechts in den Preussischen Staaten, S.5-18. 221 Unstreitig ist, daß das römische Recht an den einheimischen Universitäten anfangs nur zur Interpretation und Ergänzung des im kirchlichen Bereich geltenden kanonischen Rechts herangezogen wurde. Denn die geistlichen Gerichte sprachen Recht nach den geltenden

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Rechtsquellenlehre zu bestimmen, anstatt die Lösung einer konkreten Rechtsfrage in der Natur der Sache224 des Einzelfalles zu suchen. Der Geltungskonflikt verschiedener Rechtsquellen wurde also nicht aufgelöst, sondern ist in ein methodisch gefestigtes Verfahren übergeleitet worden, das letztlich in einem gelehrten ProzeßRechtsgrundsätzen der Kirche, das heißt nach dem Corpus iuris canonici, das nach damaliger Ansicht ganz unstreitig ohne Berücksichtigung der Nationalität überall galt. Vgl. Otto Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des römischen Rechts in Deutschland, S.641f. m. w. Nachw. 222 Wolf gang Wiegandy Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, S. 10: „Die Vorstellung vom allgemeinen, allgemeinverbindlichen Recht einerseits und von der derogierenden Kraft des besonderen Rechts andererseits werden zueinander in Beziehung gesetzt. Man findet diese Beziehung in dem Regel-Ausnahme-Schema, das es erlaubt, beide Prinzipien in ihrer grundsätzlichen Gültigkeit unangetastet zu lassen und sie zugleich in ein für die Rechtsanwendung praktikables Verhältnis zu bringen. Dieses Verhältnis findet seinen Ausdruck in der dem Beweisrecht entstammenden Wendung des habere fundatam intentionem." Örtlich-geographisch: „Den Ausgangspunkt bildet der im Corpus iuris civilis wiederholt zum Ausdruck gekommene allgemeine Gedanke, daß derjenige, der sich auf ein ius speciale oder singulare beruft, dessen Existenz beweisen muß. Dieser Grundsatz wird nun verallgemeinert und auf den Fall ausgedehnt, daß das „Sonderrecht" in einem anderen, engeren Rechtskreis zu finden ist." (ebda., S. 9 a. E.) Zur systematisch-logischen Unterscheidung von lex specialis [etwa in Digesten 22,3,5 (De probationibus et praesumtionibus): „Ab ea parte, quae dicit adversarium suum ab aliquo iure prohibitum esse specialiter lege vel constitutione, id probari opostere. Idem respondit, si quis negat emancipationem recte factam, probationem ipsum praestare debere."] und lex generalis [etwa in Digesten 50,17,80 (De diversis regulis iuris antiqui): „In toto iure generi per speciem derogatur et illud potissimum habetur, quod speciem derectum est."] siehe bei Gerhard Otte , Dialektik und Jurisprudenz, S. 177 und m. w. Nachw. S. 212ff. 223 Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Zweyter Theil, XXVI. Wie die Rechtskraft der in Teutschland üblichen fremden Gesetzbücher zwar im Grunde auf irrigen Meynungen beruhe, aber doch noch fest bestehe?, S.61, Rz.9. 224 Zum Begriff und Methode der „Natur der Sache" siehe Franz Xaver Gmeiner, Das allgemeine Lehnrecht: in wissenschaftlicher Lehrart vorgetragen, Erster Band, S. 40: „Das bedingte Naturrecht enthält bedingte Pflichten und Rechte, welche aus der Dazwischenkunft einer Thatsache und Voraussetzung willkührlicher Bestimmungen entstehen. Aus den bedingten Rechten und Pflichten des Naturrechts fließt folgender Satz: wenn Zwei oder Mehrere eine Gesellschaft oder einen Vertrag eingegangen sind, und wenn sie durch wechselseitige Einwilligung bestimmt haben, welche die wesentlichen Bestandtheile der Gesellschaft oder des Vertrags seyn sollen, so sind sie zu allem jenem berechtigt, und zu allem jenem verbunden, welche Rechte und welche Pflichten aus den von ihnen willkührlich bestimmten wesentlichen Merkmalen der Gesellschaft oder des Vertrags hergeleitet werden können. Denn wenn einmal durch die wechselseitige Einstimmung die wesentlichen Bestandtheile einer Gesellschaft oder eines Vertrags festgestellt worden sind, so kann man durch die Auflösung und Auseinandersetzung der Begriffe, die in den wesentlichen Bestandtheilen derselben liegen, mit apodiktischer Gewißheit analytische Sätze herleiten, und mittelst dieser Sätze Pflichten und Rechte apodiktisch gewiß bestimmen, ohne daß zur Erkenntnis derselben positive Gesetze nöthig seyen. Auch der Lehnherr und der Lehnmann gehen wechselseitig einen Vertrag ein; wenn sie nun durch beiderseitige Einwilligung bestimmt haben, welche die wesentlichen Bestandtheile des von ihnen eingegangenen Lehnvertrags seyn sollen, so lassen sich aus selbem mittelst analytischer Sätze mit apodiktischer Gewißheit nicht nur Rechte und Pflichten herleiten, sondern auch ohne Beihülfe positiver Gesetze verschiedene Lehnstreitigkeiten entscheiden."

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recht zum Ausdruck kommt. Franz Wieacker hat dementsprechend darauf aufmerksam gemacht, daß für den mittelalterlichen Juristen zunächst weniger die Übernahme von Inhalten als vielmehr die Kenntnis der wissenschaftlichen Methode des ius commune im Vordergrund stand.225 Im Laufe der Zeit griff man in der Praxis zunehmend aber auch inhaltlich allein auf das römische Recht als gemeines Recht zurück. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen Rückgriffes mag nach der Wiederentdeckung des Corpus iuris civilis im 11. Jahrhundert 226 aufgrund des von Glafey beschriebenen historischen Verfahrens zur Ermittlung des geltenden Rechts noch erklärbar sein. Warum aber die Rechtswissenschaft des Spätmittelalters das einheimische Recht völlig vernachlässigte und allein in dem fremden Rechtsstoff ein gemeines Recht erblickte, ist damit noch nicht geklärt.

(2) Meinungsstand seit dem 19. Jh. Die Frage nach dem letzten Grund für die Aufnahme des römischen Rechts in die Gerichtspraxis wird bis heute kontrovers diskutiert. Seit dem 19. Jahrhundert beschreitet man den Weg der Einzeluntersuchung des komplexen Vorganges, um Ansätze für eine umfassende Darstellung des Phänomens zu finden. Die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Begründungen für die Aufnahme des römischen Rechts zeichnen im Kern bis auf den heutigen Tag das Bild der Rezeption. Der Historiker Georg Anton Hugo von Below (1858—1927)227 hat in der Einleitung zu einem im Jahre 1905 erschienen Werk eine Gegenüberstellung der „allgemeinen Theorien über die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland" 228 unternommen, die nach wie vor ihre grundlegende Bedeutung nicht verloren hat, und die daher in den wesentlichen Grundzügen in die Darstellung mit aufgenommen werden soll. Eine erste zusammenhängende Darstellung der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf ihre Ursachen hat Johann Ernst Otto 225

Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 134. Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 31. 227 Georg Anton Hugo von Below wird am 19. Januar 1858 in Königsberg (Preußen) in eine alte Offiziers- und Beamtenfamilie hinein geboren. Ab 1878 Studium der Theologie und Geschichte in Königsberg, Bonn und Berlin. Promotion 1883 in Bonn. Habilitation 1886 in Marburg und 1888 Rückkehr nach Königsberg, wo er 1889 eine außerordentliche Professur erhält. Ab dann in rascher Folge Ordinariate in Münster (1891), Marburg (1897), Tübingen (1901) und zuletzt in Freiburg i. Br. (1905), wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1924 lehrt. Below stirbt am 21. Oktober 1927 in Badenweiler. Das umfassende Schrifttum befaßt sich vorwiegend mit der Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte. Below ist strenger Anhänger der historischen Methode. Entnommen aus: NDB, Zweiter Band, Behaim-Bürkel, S. 32 f. 228 Georg Anton Hugo von Below , Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 1-33. 226

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Stobbe (1831-1887)229 in der späten Mitte des 19. Jahrhunderts versucht. 230 Seiner Meinung nach lagen die Gründe für das allmähliche Einsickern der fremden Rechte seit dem 12. und 13. Jahrhundert teils in äußeren Umständen und teilweise in der Natur des „deutschen Rechts, welche die Anwendung römischer Rechtsgrundsätze, sei es möglich, sei es wünschenswert machte". Als äußere Einflüsse nannte Stobbe drei: Einmal sei ein besonderes Gewicht auf die Verbindung Deutschlands mit Italien zu legen; nämlich auf den bereits geschilderten Umstand, daß der deutsche König lange Zeit zugleich als Herrscher von Italien angesehen wurde und deshalb ein Anrecht auf die Kaiserwürde besessen habe (translatio imperii). 231 Die Intention der Kaiser sei zugleich von anderer Seite gestützt worden, denn in Italien wären die römischen Rechtsquellen als Teil des geltenden Rechts nie ganz in Vergessenheit geraten, und die praktische Anwendung nie vollends aufgegeben worden. 232 Im Anschluß an Hermann Conring 233 schilderte er anschließend, wie zu Beginn des 12. Jahrhunderts auf italienischen Schulen ein geordnetes Studium des gesamten Corpus iuris civilis begann. Aus Deutschland wie aus allen anderen Ländern des Abendlandes zogen Studenten nach Italien, um sich dem Rechtsstudium zu widmen und, nach jahrelangem Aufenthalt an den dortigen Universitäten, mit einer akademischen Würde versehen, in der Heimat einflußreiche Stellungen einzunehmen. So habe sich schließlich die Kenntnis des kanonischen und des römischen Rechts nach Deutschland verbreitet. Die fremden Universitäten genossen schließlich ein derart hohes Ansehen, daß man sich bereits im 13. Jahrhundert aus Deutschland mitunter an sie wandte, um nach ihrem Urteil Streitigkeiten, besonders staatsrechtlicher Natur, zu entscheiden. Auf den einheimischen Universitäten beschränkte sich das juristische Studium bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts jedoch erst noch auf das kanonische Recht; das Studium des römischen Rechts wurde bis dahin nicht weiter betrieben, als es zur Erklärung des kanonischen Rechts notwendig erschien. Im Ergebnis habe die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Stoff an den Universitäten und anschließend der gerichtliche Gebrauch in der Rechtsanwendung zu einer im Ergebnis weiten Verbreitung des römischen Rechts geführt. 229

Johann Ernst Otto Stobbe wird am 28. Juni 1831 in Königsberg geboren. Zunächst Studium der Philosophie und kurz darauf der Philologie an der Universität in seiner Geburtsstadt. Ab 1849 Studium der Rechtswissenschaft. 1853 Promotion. Danach geht er nach Leipzig und 1854 nach Göttingen. Habilitation 1855 in Königsberg, wo er 1856 außerordentlicher Professor wird. 1859 Wechsel nach Breslau. 1871 folgt er einem Ruf nach Leipzig, 1872 nach Tübingen. Stobbe verstirbt am 19. Mai 1887. Er hat sein wissenschaftliches Werk hauptsächlich der Erforschung des deutschen Rechts gewidmet. Entnommen aus: ADB, Sechsunddreißigster Band, Steinmetz-Stürenberg, S. 262-266. 230 Otto Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1, S. 609ff. und Band 2, S. Iff. 231 Dazu siehe oben ausführlich S. 101 ff. 232 So auch heute allgemeine Meinung. Siehe Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 5 ff. 233 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Cap. XXXII., pag. 164ff.; Cap. XXXIII., pag. 168 ff.

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Nicht nur die staatsrechtliche, sondern auch die kulturelle Romidee,234 und darüber hinaus sicherlich auch die Aussicht auf eine hervorragende Stellung im bürgerlichen und öffentlichen Leben habe schließlich zur ausführlichen Beschäftigung mit den fremden Rechten geführt. Stobbe erläuterte, daß sich die Kirche in der Folge nicht mehr allein im Besitz gelehrter Kenntnisse befand, sondern daß weltliche doctores iuris ihre Rivalen wurden. Rechtsgelehrte wurden im Dienste des Kaisers und der Fürsten verwendet, gelangten zur Kanzlerwürde und erhielten schließlich Einfluß auf die Regierung des Reiches und der Territorien. Es habe schließlich nicht ausbleiben können, daß die gelehrten Juristen, denen das einheimische Recht im Vergleich zu dem wissenschaftlich aufbereiteten römischen Recht oft fremd und unsystematisch erscheinen mußte, ihre im Ausland erworbenen methodischen und rhetorischen Fähigkeiten zu verwerten, und die Grundsätze des römischen Rechts schließlich unmittelbar zur Anwendung zu bringen suchten. Deshalb hätten sie schließlich begonnen, in ihren Schriften das einheimische durch das fremde Recht zu interpretieren, und dann anschließend in der praktischen Anwendung in großem Maße zu verdrängen oder umzubilden versucht. 235 Außer diesen „äußeren Einflüssen" sah Stobbe den Anlaß der Rezeption in den Verhältnissen, die in der „Natur des Deutschen Rechts" selbst gelegen hätten. Er knüpfte dabei an eine Bemerkung Savignys über die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Italien im 12. Jahrhundert und das Aufkommen der Bologneser Rechtsschule an. Bei Savigny heißt es: „Diese merkwürdige Erscheinung ist nicht durch den Willen einer Regierung, nur durch innere Notwendigkeit hervorgerufen worden. Die erste und wichtigste Ursache derselben lag in dem Bedürfnis der lombardischen Städte, in deren Mitte die neue Schule entstand. Diese Städte waren jetzt ungemein reich, bevölkert und tätig. Das frische Leben ihres Handels und ihrer Gewerbe forderte ein ausgebildetes bürgerliches Recht; die Germanischen Volksrechte waren diesem Zustand nicht angemessen, auch die dürftige Kenntnis des Römischen Rechts, womit man sich bis jetzt beholfen hatte, genügte nicht mehr; allein die stets erhaltenen Quellen dieses Rechtes waren völlig ausreichend, und man brauchte nur diese Quellen recht zu benutzen, so war man durch wissenschaftliche Arbeit im Besitz eines Rechts, das dem neu erwachten Bedürfnis gänzlich entsprach." 236

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Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 134: „... so war [für die mittelalterlichen Juristen] nicht weniger verpflichtend der Gedanke der nach Rom ausgerichteten Bildung ihrer Zeit, dasjenige, was wir die kulturelle Romidee genannt haben, und so haben sie das römische Recht auch um seiner selbst willen studiert, seinen Inhalt bestimmt und in Verbindung mit der Scholastik und unter Verwertung des heimischen Rechts in eine systematische Rechtswissenschaft geschaffen [...]." 235 Ein Beispiel stellt etwa der in Bologna gebildete brandenburgische Hofrichter Johann von Buch dar, der in einer Glosse zum Sachsenspiegel (entstanden zwischen 1325 und 1335) die dort enthaltenen Rechtssätze auf das römische Recht zurückzuführen oder daraus zu ergänzen suchte. 236 Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Band 3, S. 84. In der ersten Auflage von 1822, S. 76, drückt Savigny sich ebenso aus; nur die Anmer-

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In einer Anmerkung fügte Savigny hinzu: „Ich will damit nicht sagen, daß die Lombarden dieser Zeit nicht auch mit dürftigeren Rechtsquellen hätten bestehen können: ihr praktisches Bedürfnis würde sich schon von selbst Befriedigung verschafft haben, wofür das Beispiel von England den überzeugendsten Beweis liefert. Allein der neu belebte Verkehr mußte allerdings eine weit größere Aufmerksamkeit auf Rechtsgegenstände lenken, und da nun ohnehin die Quellen des Römischen Rechts vorhanden waren, die jenem Bedürfnis eine schon fertige Befriedigung darboten, wenn man sie nur recht benutzte, so lag in dem blühenden städtischen Leben und Verkehr gewiß eine dringende Aufforderung, das Römische Recht verstehen zu lernen, und dann auch dem Lombardischen Recht, das dem Leben der neuen Republiken so wenig entsprach, vorzuziehen. In diesem Sinne behaupte ich, daß das praktische und das wissenschaftliche Bedürfnis gleichzeitig zu demselben Ziel hinwirken." 237

Die Schilderung Savignys von dem Wiederaufleben des römischen Rechts in den lombardischen Städten des 12. Jahrhunderts übertrug Stobbe auf die praktische Rezeption in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert: 238 Alle früher von ihm angeführten Gründe und äußeren Anlässe hätten „wenig oder nichts zur Aufnahme des fremden Rechts beigetragen, wenn nicht ein tief empfundenes Bedürfnis entgegen gekommen wäre. 239 Wenn das Volk im ganzen und die Gemeinden im einzelnen mit dem bestehenden Rechtszustande zufrieden gewesen wären und kein Verlangen nach Reformen gehabt hätten, so würde weder der Wille des Kaisers noch der Juristen, weder der Zusammenhang mit Italien noch das Studium des Corpus Iuris jemals es dahin gebracht haben, daß dem Volke ein fremdes Recht aufgedrängt wurde. Aber der Zustand des Deutschen Reichs und die Veränderung der Verhältnisse erforderten neue

kung ist in der 2. Auflage hinzugekommen. Der gleichen Meinung ist im wesentlichen auch Wiardus Moddermann, Die Rezeption des Römischen Rechts, S. 61. 237 Ähnlich auch Heinrich Leo, Geschichte der italienischen Staaten, Band 2, S. 36ff., ζ. B. S. 38: „Der reiche Handel, die neu entstandenen und entstehenden republikanischen Verhältnisse erregten das Bedürfnis nach einem ganz anders gebildeten Privatrecht, als irgend eines der Germanischen Volksrechte enthalten konnte [...]." 238 Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1, S. 636ff., verweist auf S. 638 in Anm. 83 ausdrücklich auf Savigny. Dagegen aber zum Beispiel Carl Joseph Georg Sigismund von Wächter, Handbuch des im Königreiche Württemberg geltenden Privatrechts, Ersten Bandes erste Abtheilung, § 20, S. 75: „Unsicherheit, Uncultur und große locale Verschiedenheit des vaterländischen Rechts, Unzugänglichkeit desselben für Diejenigen, welche nicht in und mit ihm aufgewachsen waren, Verehrung der Italienischen, durch die Behandlung eines ausgebildeten Rechts berühmten, Juristen, der Sitz der sich entwickelnden Cultur und des juristischen Studiums in Italien, das Bestreben derer, welche dort das fremde Recht erlernt hatten, dieses auch in ihrem Kreise geltend zu machen, die Errichtung Deutscher Universitäten, auf welchen blos die fremden Rechte gelehrt wurden, und die Aufnahme der Doctores Juris in den Rat der Fürsten [...]." Aus dem Wort „Unkultur" kann nicht die grundsätzliche Einstellung Savignys herausgelesen werden. Vgl. auch Karl Friedrich Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Band 3, § 440 ff. Von Savigny beeinflußt ist wohl auch Roderich Stintzing (vgl. in: Ulrich Zasius, S.93). 239 Vgl. auch Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1, S. 624, Anm. 48.

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Rechtsaufzeichnungen und machten den Mangel an allgemeinen, ganz Deutschland umfassenden Rechtsquellen empfindlich [...]. 2 4 0 Besonders fühlbar war der Mangel an ausreichenden Bestimmungen in den Städten, in welchen mit dem Aufblühen des Verkehrs, Handels und Gewerbes die bisherigen einfachen Grundsätze, welche ein den Ackerbau treibendes Volk zur Voraussetzung hatten, 241 nicht mehr genügen konnten. Der Handel und das Vertragsleben verlangten neue, subtilere Rechtssätze, und es mußte das bisherige Recht gemäß den neuen Lebensverhältnissen umgestaltet werden. Diese Umgestaltung erfolgte auch zum Teil durch die Gesetzgebung und das Gewohnheitsrecht und steuerte in mancher Beziehung auf ähnliche Rechtssätze hin. Vielleicht wäre das Deutsche Recht auf dem Wege ruhiger Entwicklung auch ohne fremde Einwirkung an dasselbe Ziel gelangt, welches das römische Recht erreicht hatte, vielleicht hätten sich mit den ausgebildeteren Lebensverhältnissen auch die ihnen entsprechenden Rechtssätze selbständig entwickelt, aber das Römische Recht war bereits in einem sehr ausführlichen, auf viele Fragen Auskunft erteilenden Werke zusammengefaßt, und man glaubte durch Aufnahme des ausgebildeteren Rechts die Reformation um sehr viel schneller vollziehen und zu einem sicheren einheitlichen Abschlüsse führen zu können; die organische Kontinuität wurde unterbrochen und mit Überspringung der Zwischenstadien auf das Ziel unmittelbar losgesteuert." Indem Stobbe so die Darstellung des Romanisten Savigny übernahm, erklärte er sich gleichzeitig gegen die Behauptung des bereits zitierten Georg Beseler, 242 daß es der Rezeption des römischen Rechts gar nicht bedurft hätte, damit sich den neu entstandenen Lebensverhältnissen entsprechende Rechtsnormen entwickeln konnten. Denn nach seiner Auffassung bestünde jedenfalls nicht zwingend eine Übereinstimmung der Entwicklungsstufe des Rechtszustandes eines Volkes und den konkreten Lebensverhältnissen. „Es gibt Völker, wie ζ. B. das Römische, welche in der Ausbildung des Rechts anderen voranstehen. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch nicht, daß das Deutsche Recht überall den neuen Lebensverhältnissen sich anbequemt habe." 243 In einem i m Jahre 1863 erschienenen und ebenfalls schon angesprochenen Werk wies Otto Christian Fürchtegott von Franklin auf einen Widerspruch in Stobbes Bemerkungen hin. Er bestritt, daß „der Zustand des Deutschen Rechts, das Bedürfnis der Gerichte nach einem geschriebenen, in sich abgeschlossenen Rechtsbuche244 die Hauptveranlassung für die Aufnahme des Römischen Rechts in Deutschland gewesen sei", 245 240

Vgl. auch Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 2, S.7: „Bei dem steigenden Verkehr, bei der Zunahme der Kultur, der Veränderung der wirtschaftlichen Zustände, der Ausbildung größerer Territorien bedurfte es einer festeren und einheitlicheren Gesetzgebung." 241 Hieraus wurde zum Teil gefolgert, daß Stobbe die bedeutende Entwicklung des einheimischen Stadtrechts ignorierte. 242 In: Georg Beseler, System des gemeinen Deutschen Privatrechts, Band I, Berlin 1866. 243 Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1, S. 624 Anmerkung. 244 Ein solches lag in der Gestalt des Corpus iuris civilis für die Praxis im übrigen gar nicht vor. Das Corpus iuris war als Gesetzbuch wegen seines Umfanges, seiner Schwierigkeit und

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und hob hervor, daß das Volk für die Vollkommenheit des fremden Rechts sicherlich wenig übrig hatte, sondern an seinem alten Recht festhalten wollte. Nicht das Volk habe das fremde Recht angenommen, sondern die Wertschätzung des römischen Rechts habe allein die gelehrten Juristen veranlaßt, leidenschaftlich für das fremde und gegen das einheimische Recht tätig zu werden. Eine deutliche Gegenposition zu Stobbe nahm auch der ebenfalls bereits erwähnte Carl A d o l f Schmidt i m Jahre 1868 ein. Er wies auf die damals weit verbreitete Ansicht hin, „daß schon in der Thatsache der Reception selbst der beste Beweis für ihre Nothwendigkeit liege. - Wir gehen [...] von der Voraussetzung aus, daß eine weltgeschichtliche Thatsache von solcher Bedeutung sich unmöglich ohne eine entsprechende geschichtliche Nothwendigkeit vollzogen haben könne; wir halten es ferner für ganz undenkbar, daß einem Volke ein ihm fremdes, seinen Zuständen und Bedürfnissen nicht entsprechendes Recht wider seinen Willen hätte aufgedrängt werden können, und schließen nun einfach weiter, daß, da das römische Recht in Deutschland recipirt ist, das Volk die Reception auch gewollt, und daß das römische Recht, sowie die Besetzung der Gerichte mit gelehrten Richtern, wodurch seine Reception vermittelt worden, den damaligen Zuständen und Bedürfnissen des praktischen Lebens entsprochen haben müsse." 246 Schmidt wendete sich aber entschieden gegen ein „Argumentieren aus unbewiesenen Voraussetzungen [...]". 2 4 7 Er wollte damit nicht bestreiten, daß die Rezeption „ihre Ursachen gehabt, und [...] der Besetzung der Gerichte mit gelehrten Juristen ein praktisches Bedürfnis zugrunde gelegen haben muß. Allein so lange wir jene Ursachen und die Natur dieses praktischen Bedürfnisses nicht kennen, sind alle Schlüsse, die wir daraus ziehen, nichts als unbewiesene Hypothesen, mit denen sich überdies eine Reihe von Erscheinungen, welche der Verlauf des Rezeptionsprozesses uns bietet, schlechterdings nicht in Einklang bringen läßt." 248 Schmidt bestritt deshalb die Existenz eines inneren Bedürfnisses für die Rezeption des römischen Rechts. „[...] Die neu entstandenen Lebensverhältnisse, denen das Römische Recht angemessen gewesen sein soll, [seien] in der Wirklichkeit nicht nachweisbar [...]; und ebenso steht es mit dem tief empfundenen Bedürfnisse, von dem Stobbe spricht. Wäre ein solches wirklich empfunden worden, so müßte es doch irgendwie einen Ausdruck gefunden haben. Von einem Verlangen des Volkes nach dem römischen Rechte und nach der Berufung der Juristen in die Gerichte findet sich aber keine Spur; die Stimmung des Volkes trägt im Gegenteil das der Komplexität seines Inhalts für die unmittelbare Anwendung in der Praxis ungeeignet und bedurfte eines Mittlers, der es für die Praxis aufbereitete. Die Praxis hielt sich daher an die accursische Glosse und nicht an den Text des Corpus iuris. Vgl. Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 85. 245 Otto Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des Römischen Rechts in Deutschland, S. 120 f. 246 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S.V. 247 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. V a.E. 248 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. VI. 10 Daniel

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Gepräge nicht der Freude über die Befriedigung eines tief empfundenen Bedürfnisses, sondern die Erbitterung und schmerzliche Resignation, mit der man sich in ein als unabwendlich erkanntes Übel findet." 249 Das Volk habe dem Eindringen des Römischen Rechts in die Praxis vielmehr einen unüberwindlichen und in der Weltgeschichte vielleicht beispiellosen Widerstand entgegengesetzt. 250 „Wenn man daher aus der Berufung der Romanisten in die Gerichte den Schluß zieht, daß das einheimische Recht und die Schöffen den Bedürfnissen des praktischen Lebens nicht mehr genügt hätten, so werden dabei Ursache und Wirkung miteinander verwechselt." 251 Der Grund des Übels lag nach Schmidt allein in der erschütterten staatlichen Ordnung, nicht aber in der Beschaffenheit des geltenden Rechts und der bisherigen Richter. 2 5 2 „Über das Reichsjustizwesen war allgemeine Klage; ebenso über die Rechtspflege in den einzelnen Territorien, wo eben die Inhaber der Jurisdiktion ihre Schuldigkeit nicht thaten, und hier kam es ebenso wie bei der Reichsjustizpflege natürlich auch nicht selten vor, daß, wenn einmal Gericht gehalten ward, dasselbe mit unerfahrenen und unbrauchbaren Leuten besetzt wurde, weshalb denn auch durch die Reichsgesetze wiederholt die Besetzung mit ehrbaren, redlichen Leuten eingeschärft wurde. In den Städten dagegen, welche sich allerdings ihrer Haut wehren mußten, durch die Auflösung, in der das Reich sich befand, aber nicht verhindert wurden, innerhalb ihres Weichbildes Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, hören wir derartige Klagen wenig oder gar nicht, und die Rechtszustände in denselben tragen durchaus nicht das Gepräge des inneren Zerfalls. Was wir von den Sprüchen der Lübecker und Magdeburger Schöffen kennen, beweist, daß die Schöffen wenigstens in den Städten die Fähigkeit zur Anwendung des geltenden Rechts noch nicht verloren hatten." 253 Nach Schmidt war die Rezeption also nur mit der Mangelhaftigkeit des Rechtszustandes i m Allgemeinen erklärbar, der sich vor allem in örtlich größeren Rechtskreisen gezeigt hätte. Daraufhin sah sich Stobbe zu einer Entgegnung auf Schmidts Darstellung veranlaßt. 2 5 4 In einem Punkt gab er bis zu einem gewissen Grade einen Irrtum zu: „Der gewöhnlichen Behauptung, daß die neuen Lebensverhältnisse in den Städten neue Normen verlangt und die Städte daher ein besonderes Interesse an der Rezeption gehabt hätten, wird von dem Verfasser mit Recht entgegnet, daß wir in den Städten keine Spuren einer besonders eifrigen Benutzung des Römischen Rechts finden und daher dieser Grund für die 249

Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 175 f. Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 161. 251 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 177. 252 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 181. 253 Carl Adolf Schmidt, Die Reception des römischen Rechts in Deutschland, S. 181. 254 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 1-33; auf Otto Franklin (Beiträge zur Geschichte der Reception des Römischen Rechts in Deutschland) ging er ebenfalls ein (S. 17, Anm. 10). 250

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Rezeption nicht stichhaltig sein könne. Aber es ist des Verfassers Ausführung auch nur für die Zeit bis zum 15. Jahrhundert richtig, und wenn er sie auch auf die spätere Zeit ausdehnt und von den Reichsstädten sagt, daß sie sich länger als die Territorien gegen das Römische Recht gewehrt hätten, so ist dies ein Irrtum. Beruft er sich in dieser Beziehung auf das revidierte Stadtrecht von Lübeck, so halten wir ihm die revidierten Stadtrechte von Nürnberg, Worms, Freiburg, Frankfurt a. M. usw. entgegen und bemerken, daß die Klagen über das Römische Recht wesentlich von Rittern und Bauern ausgehen, wogegen man in den Städten wohl mehr mit ihm zufrieden war." 2 5 5 Vollkommenen Widerspruch setzte Stobbe aber Schmidts Ausführungen von den lediglich äußeren Gründen der Rezeption entgegen. „Das wird uns ewig unwahrscheinlich bleiben, und selbst wenn die historischen Forschungen kein Material zum Nachweise bieten sollten, daß noch andere, tiefer liegende Momente mit im Spiele waren, so werden wir, wenn wir in der Geschichte mehr als ein bloßes Spiel von Willkür und Laune finden, immer bestrebt sein, ein Ereignis von solcher weltgeschichtlicher Bedeutung tiefer zu begründen und selbst vor Hypothesen nicht zurückschrecken." 256 Er sah darin „das punctum saliens der ganzen Frage" 2 5 7 und versicherte, niemals behauptet zu haben, „daß das Volk ein besonderes Verlangen nach dem römischen Recht hegte", 2 5 8 sondern nur, „daß die vorhandenen Rechtsquellen für das Rechtsprechen nicht genügten, und daß sich der Mangel an allgemeinen, ganz Deutschland umfassenden Rechtsquellen empfindlich geltend machte." 2 5 9 Die Präzisierung seiner Ansicht ging dann dahin, „daß i m großen Ganzen der Rechtszustand in jeder Richtung weniger befriedigte als i m 13. und 14. Jahrhundert. 2 6 0 Wenn die historische Untersuchung uns zu einem solchen Urteil berechtigt, 255 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 15 f. 256 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 17f. 257 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 18. 258 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 18. 259 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 18. Obwohl die Frage offen bleibt, warum es einer umfassenden Rechtsquelle überhaupt bedurft hat. Die Existenz unterschiedlicher, voneinander teilweise stark abweichender Rechtsquellen kann eine solche Notwendigkeit nicht wirklich begründen. Denn auch ohne absolute Gleichheit im Recht spricht viel für die Annahme, daß der Handel der einzelnen Städte untereinander über Jahrhunderte hinweg reibungslos funktioniert hat, und zwar auch ohne ein subsidiäres Hilfsrecht, wie es im römischen Recht gesehen wurde. 260 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 18. Wobei wiederum offen bleibt, daß dieses in der Tatsache selbst begründet sein könnte, daß das römische Recht als gemeine Rechtsquelle sich in immer größerem Umfange selbst Geltung verschaffte. Das hätte in Gebieten mit geringerer Akzeptanz (gegenüber dem römischen Recht) im Verhältnis zu Gebieten mit größerer Akzeptanz zu Konflikten führen müssen.

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wäre es doch ein Wunder gewesen, wenn nicht auch das Volk dies mehr oder minder deutlich empfunden und nach Besserung gestrebt hätte. [...] Man besaß nicht die Kraft, durch eigene Anstrengungen sich zu einem gefundenen Rechtszustande durchzuarbeiten, sondern verfiel auf das einer fremden Nation und einer verschollenen Kulturperiode angehörige Gesetzbuch Justinians." Stobbe ging dann dazu über, den Nachweis zu führen, daß sein Urteil über den Rechtszustand des 15. Jahrhunderts den geschichtlichen Tatsachen entsprochen hat. Seine Schilderung ist für später schreibende Autoren maßgeblich geworden. Den Widerspruch des Volkes gegen das römische Recht bestritt er dabei nicht; nur war er der Meinung, 261 daß Schmidt in seiner Argumentation übertrieben habe. Wilhelm Christoph Friedrich Arnold (1826-1883)262 wiederholte in einer Abhandlung aus dem Jahre 1872263 im wesentlichen die Savigny-Stobbesche Auffassung unter besonderer Betonung eines wirtschaftlichen Moments. Er war innerhalb der Historischen Rechtsschule der erste, der einen Zusammenhang zwischen Recht und Wirtschaft herstellte. Bei Arnold finden sich schließlich Formulierungen, die in der Literatur später weit verbreitet sind. Wie Stobbe und Schmidt schilderte Arnold den „[...] mangelhaften Zustand unseres einheimischen Rechts und das Bedürfnis nach dessen durchgreifender Ergänzung und Umgestaltung, das gerade zu der Zeit lebhafter [hervorgetreten sei], als die Kenntnis des römischen Rechts allgemeiner wurde." 264 „[...] Die Geldwirtschaft wurde mit der Zeit allgemeiner [und machte] schließlich für unser ganzes Recht eine Änderung notwendig [...]. Gleichwohl blieb dasselbe im ganzen auf der Stufe stehen, der es seinen Ursprung verdankte. [...] Nicht als ob man seine Fortbildung versäumt oder vernachlässigt hätte, denn eine Menge von Instituten schließen sich an diese neuen Verhältnisse an, aber es war mehr eine Fortbildung im einzelnen und kleinen, als daß man das gesamte Recht erneuert und seinen Widerspruch mit dem Leben ausgeglichen hätte. [...] Von den einheimischen Quellen allein konnte bei dem unendlichen Partikularismus unseres Rechts und der Zersplitterung des Reichs eine solche Reform nicht mehr ausgehen. Es gab weder eine gesetzgebende Gewalt noch eine Rechtswissenschaft. [...] So strebte auch das 261 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S.9. 262 Wilhelm Christoph Friedrich Arnold wird am 29. Oktober 1826 in Borken (Regierungsbezirk Kassel) geboren. Er studiert die Rechte in Marburg, wo er sich 1850 bereits mit 24 Jahren für deutsche Rechtsgeschichte habilitiert. 1855-1863 ordentlicher Professor in Basel und ab 1863 bis zu seinem Tode am 2. Juli 1883 Professor für Naturrecht, Staatsrecht und Nationalökonomie in Marburg. Er gehörte seit 1881 dem Reichstag an und war Ehrendoktor der Wirtschaftswissenschaften in Tübingen (1877). Seine Schriften beschäftigen sich über die Rechts- und Verfassungsgeschichte hinaus auch mit der allgemeinen deutschen Geschichte. Seine Arbeiten enthalten bereits die wesentlichen Gedanken der soziologischen Rechtsfindungslehre. Entnommen aus: NDB, Erster Band, Aachen-Behaim, S.388. 263 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, in: ders, Studien zur deutschen Kulturgeschichte, Stuttgart 1882. Der Aufsatz ist ursprünglich in der Zeitschrift „Deutschland" [hrsg. von W. Hoffmann (Oberhofprediger zu Berlin), Wiesbaden 1872] erschienen. 264 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 309.

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Recht danach, die engen Bande, die es an den Grundbesitz knüpfte, zu sprengen, das Kapital dem Eigentum am Grund und Boden als gleichberechtigt zur Seite zu stellen und freiere Formen für den Verkehr, den beschleunigten Umlauf der Güter zu schaffen." 265

Hierbei übersah Arnold allerdings, daß es in den Städten gar nicht zur Rezeption, sondern nur zu einer bewußten und gewollten Integration einzelner Institute des römischen Rechts in das reformierte Stadtrecht gekommen ist, was im übrigen im Verhältnis der Stadtrechtsreformen zueinander auch noch mit unterschiedlichem Umfang geschah. Daß Arnold das Recht zum Gegenstand seiner Veränderung machte, kann daher heute kaum noch nachvollzogen werden. Noch von einer anderen Seite her hätte das römische Recht den Fortschritten des Lebens entsprochen. Denn im Laufe der Zeit ginge notwendig die Ausdrucksweise eines Volkes zum Begrifflichen und Abstrakten über, und eben diesen Charakter habe das römische Recht gehabt, während das mittelalterliche einheimische Recht auf einen biblischen, sinnlichen, konkreten Ausdruck beschränkt geblieben sei. „Jedes Recht erscheint nur in dem Maße ausgebildet, als es in der Entwicklung der Begriffe fortgeschritten ist." Freilich sei „das Bewußtsein von der Vortrefflichkeit des Römischen und der Unvollkommenheit des deutschen Rechts" keineswegs im ganzen Volk, vielmehr „nur in einem sehr kleinen Teil der Nation verbreitet" 266 gewesen, nämlich bei den wissenschaftlich geschulten Juristen. Denn „es geht ja bei den meisten geschichtlichen Bewegungen so, daß der größte Teil der Zeitgenossen nicht einmal weiß, um was es sich handelt, bis endlich die Resultate der Bewegung jedem handgreiflich nahe treten." 267 Arnold schränkte dann seine Bemerkung hinsichtlich des „Fortschritts der Lebensverhältnisse" dahin ein, daß der Nutzen der Rezeption in dieser Hinsicht in einer Gesamtbetrachtung erst viel später, vor allem in der Gegenwart, zutage getreten sei, nämlich „seitdem ein abermaliger Umschwung des wirtschaftlichen Lebens stattgefunden hat, während für die Zeit der Rezeption [...] zur Not noch das ältere Recht ausgereicht" hätte. „Daß dem so ist, sehen wir daran, daß Länder, die in der wirtschaftlichen Entwicklung gewiß nicht hinter Deutschland zurückgeblieben sind, wie die Schweiz, England und Nordamerika, bis auf den heutigen Tag keine Rezeption des Römischen Rechts kennen. Sie haben auch keine Rechtswissenschaft in dem Sinne, wie wir eine solche haben, aber sie haben sich immerhin für ihr unendlich gesteigertes Verkehrsleben mit einer Fortbildung ihres Rechts behelfen können." 268 Die weiteren Umstände, welche hinzukommen mußten, „um die Rezeption zur Tat werden zu lassen", sah Arnold ebenfalls in den von Stobbe hervorgehobenen äußeren Einflüssen. Hervorzuheben ist in seinen Ausführungen die starke Betonung des Interesses, das die Fürsten an der Rezeption gehabt hätten. Denn dieses Interes265 266 267 268

Wilhelm Wilhelm Wilhelm Wilhelm

Arnold, Arnold, Arnold, Arnold,

Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 315 ff. Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 318. Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 319. Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 319.

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se sei das „politisch entscheidende Moment, ohne das die allgemeine Einführung nie hätte gelingen [können] und das zugleich die überaus wichtigen Folgen aufdeckt, die sich für die Ausbildung des modernen Staats daran knüpfen." 2 6 9 Ohne die Hilfe des römischen Rechts „hätte der moderne Staat nicht zum Durchbruch kommen können." 2 7 0 Die Juristen machten den Landesherrn zum Princeps 271 i m römischen Sinn und hätten gerade dadurch tatkräftig und eifrig zur Erweiterung der landesherrlichen Rechte mitgewirkt. „Mit Hilfe der Juristen und des Römischen Rechts [bildete sich die] Landesherrschaft zu einer Landeshoheit um. [...] Charakteristisch genug wird der neue Ausdruck Landeshoheit zuerst unter jenem Kurfürsten von der Pfalz 272 gebraucht, der zuerst Doktoren in sein Hofgericht aufgenommen hatte: das frühere Mittelalter kannte ihn nicht, obgleich im gewöhnlichen Sprachgebrauch Landesherrschaft (dominium terrae) und Landeshoheit (superioritas territorialis) häufig verwechselt werden." 273 Dann aber schränkte Arnold in seinen Erörterungen über die äußeren Einflüsse seine Bemerkung hinsichtlich des Zustandes des einheimischen Rechts als einer Ursache der Rezeption wieder ein. So zum Beispiel wenn er erwähnte, daß unter den Stadtrechtsreformen die Lübecker sich am wenigsten an das römische Recht angeschlossen hätte, „da das dortige Recht sich bereits früher auf Grund des deutschen selbständig entwickelt hatte, wie es die hohe Blüte der Stadt im 14. und 15. Jahrhundert mit sich brachte." 274 Und weiter: „den Städten war die allgemeine Einführung des Römischen Rechts lediglich lästig und unbequem, vor allem den Landständen, die schon damals Mühe und Not hatten, ihre Privilegien den Fürsten gegenüber zu behaupten."275 In einer Abwägung der guten und schlechten Folgen der Rezeption wandte sich Arnold dann gegen den bereits seit den Zeiten Martin Luthers (1483-1546) immer wiederkehrenden Vorwurf, 2 7 6 daß das Recht damit aufgehört habe, ein Gemeingut des ganzen Volkes zu sein. „Es wird immer eine Zeit geben, wo das Recht aufhört als Gemeingut im Glauben und Bewußtsein des ganzen Volkes lebendig zu bleiben, weil es mit der Zeit umfangreicher, verwickelter und künstlicher wird, schon weil sich mit fortschreitender nationaler Arbeitsteilung verschiedene Berufsstände bilden [...], wo also auch das Recht, um einen Ausdruck der 269

Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 336. Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 338. 271 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 338. 272 Ohne ihn ausdrücklich zu nennen, beschreibt Arnold mit großer Wahrscheinlichkeit den Kurfürsten und Kaiser Ruprecht von der Pfalz (Wittelsbach) (1352-1410), der den Heidelberger Professor Job Vener (1366-1446) nach seiner Krönung im Jahre 1400 in seine Dienste aufnahm. Vgl. dazu Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §6, S. 118, Fußn. 64. 273 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 339 f. 274 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 329 f. 275 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 336. 276 Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 344. 270

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Schule zu brauchen, gleichsam als Depositum in die Hände eines besonderen Standes, der Juristen, übergeht, die nun die Aufgabe haben, aus seiner Kenntnis und Anwendung eine eigene Wissenschaft, einen eigenen Beruf zu machen und es Hand in Hand mit der Gesetzgebung im Einklang mit dem Leben und der Zeit zu erhalten. [...] Auch ohne Rezeption des Römischen Rechts hätte sich bei uns ein besonderer Juristenstand bilden müssen, und wir würden der gelehrten Richter, Anwälte und Notare so wenig entraten können wie andere Länder." 277

Die Erkenntnisse von der Geschichte der Rezeption wurden dann durch Studien von Adolf Friedrich Stölzel (1831-1919)278 in einem im ersten Band im Jahr 1872 erschienenen Werk erweitert. 279 Stölzel vertrat hier im wesentlichen die Ansicht, daß weniger eine Umwandlung der ungelehrten Schöffenstühle in gelehrte Gerichte als vielmehr eine Heranziehung des Gelehrten zur Rechtsprechung außerhalb und zur Seite der alten Gerichte stattgefunden habe. Er behandelte deshalb zum Nachweis zunächst eingehend das Rechtsstudium bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Weiter schilderte er das Aufkommen „vermittelnder Elemente", der Appellation, des schriftlichen Prozesses und der Aktenversendung an die Juristenfakultäten, welche, ohne daß sie die mittelalterliche Unterscheidung des Richters von dem urteilfindenden Gerichtsvolk antasteten, doch den Übergang der Rechtsprechung auf die gelehrten Kreise einleiteten. Neu war bei Stölzel die Darstellung, wie die urteilfindenden Laien aus der Rechtsprechung verdrängt worden sind. Bei einer Reihe von Stadtgerichten und landesherrlichen Hofgerichten seien die Laien vollständig oder wenigstens zu einem erheblichen Teil durch geschulte, das heißt am ius commune geschulte Juristen, ersetzt worden. Im übrigen bestand nach Stölzel die weitere Entwicklung dann darin, daß auch die geschulten Beamten an der Urteilsfindung neben den Laien plötzlich Anteil hatten, und von der Bevölkerung zunehmend um die Gewährung von Recht angegangen wurden. Die lokalen Beamten hätten immer häufiger als Vergleichsinstanz, als Schiedsgericht bzw. als delegierte Richter fungiert. Das Volk habe ihnen letztlich mehr Vertrauen als dem „alten Gericht" entgegengebracht. 277

Wilhelm Arnold, Die Rezeption des Römischen Rechts und ihre Folgen, S. 345 f. Adolf Stölzel wird am 28. Juni 1831 in Gotha geboren. Nach dem mit der Promotion abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Heidelberg wird Stölzel 1860 Stadtgerichts- und 1862 Obergerichtsassessor in Kassel, und ist dort ab 1867 Kreisrichter. Ab 1869 ist er Kreisgerichtsrat und Hilfsarbeiter am Appellationsgericht. 1872 wird Stölzel Kammergerichtsrat in Berlin, 1873 Geheimer Justizrat und Vortragender Rat im Justizministerium, und 1875 wird Stölzel Mitglied der Justizprüfungskommission, deren Präsident er 1886-1904 ist. Ab 1891 ist er Mitglied des Herrenhauses und wird 1896 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. In der Zeit von 1887-1897 hält Stölzel mit Unterbrechungen Vorlesungen an der Universität in Wien. Entnommen aus: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 9, Schmidt-Theyer, S.544f. 279 Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Band 1 : in den deutschen Territorien und Band 2: Billigkeits- und Rechtspflege der Rezeptionszeit in Jülich-Berg, Bayern, Sachsen und Brandenburg. 278

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„Den meisten älteren deutschen Gerichten entzog das Volk selbst ihre Tätigkeit, indem es statt ihrer ohne äußeren Zwang mehr und mehr die rechtsgelehrten Beamten um Entscheidung seiner Rechtshändel anging." 280 Der Austrag von Rechtsstreitigkeiten vor der Verwaltungsinstanz sei nämlich wegen des rascheren und billigeren Verfahrens beliebter als der vor dem ordentlichen Gericht gewesen. Die Laiengerichte hätten sich aber auch selber außerstande gesehen, mit dem andringenden fremden Recht umzugehen, und hätten deshalb die Parteien an die geschulten Juristen, das heißt an die Beamten der Obrigkeit verwiesen. 281 Die Problematik in Stölzels Darstellung lag nach B e l o w 2 8 2 darin, daß er nicht die Ursachen selbst behandelt habe, weil er das eingedrungene fremde Recht als Faktum bereits voraussetzte. Stölzel habe lediglich seinen endgültigen Siegeszug erklärt, wenn er hervorhebe, „daß die Laiengerichte mit dem fremden Recht nicht operieren konnten[. Denn dafür wäre] doch [...] die Voraussetzung, daß dessen Geltung schon anerkannt war. Er [Stölzel] schildert in dieser Beziehung nicht die Anfänge, sondern die spätere Zeit der Rezeption." 283 A d o l f Stölzel machte seine Überzeugung mit folgenden Worten deutlich: „Mochte auch objektiv, wie niemand heutzutage leugnen wird, das deutsche Rechtswesen wegen seiner mangelhaften Durch- und Fortbildung einer Belebung und Umgestaltung noch so sehr bedürfen, so war es doch keineswegs die klare Erkenntnis dieses Bedürfnisses oder das bestimmte Verlangen nach wissenschaftlicher Schulung auf dem Gebiete der Rechtsprechung, was die juristischen Studien in Deutschland anregte, sondern es war die infolge des Humanismus allgemein zur Modesache gewordene Sitte, auf möglichst viele Gebiete des praktischen Lebens die Gelehrsamkeit altkaiserlicher Zeit zu übertragen." 284 Johann August Roderich Stintzing (1825-1883) 2 8 5 machte i m Jahre 1873 schließlich auf eine noch zu bewältigende Aufgabe aufmerksam, 286 die Stölzel unbehandelt gelassen habe: 280

Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Band 1, S. 607. Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Band 1, S.241. 282 Georg Anton Hugo von Below, Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 14 a. E. 283 Georg Anton Hugo von Below, Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 15. 284 Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Band 1, S. 595 f.; Georg Anton Hugo von Below (in: Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 15, Fußn. 1) weist darauf hin, daß sich Stölzel hiermit offenbar Stobbe angeschlossen hat. 285 Johann August Roderich Stintzing wird am 8. Februar 1825 in Altona geboren. Studium der Rechtswissenschaft von 1843 bis 1848 an den Universitäten in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin. Danach Rechtsanwalt und später Notar in Plön. Promotion in Heidelberg 1852. Kurz darauf Habilitation und Tätigkeit als Privatdozent. 1854 wird er ordentlicher Professor in Basel, ab 1857 in Erlangen, ab 1861 in Kiel, ab 1868 in Gießen und ab 1870 in Bonn, wo er den Lehrstuhl für römisches Recht einnimmt. Preußischer geheimer Justizrat und ab 1875 Ordinarius im Spruchkolleg seiner Fakultät. Stintzing verstirbt bei einem Wanderunfall am 13. September 1883. Stintzing gilt als Historiograph der deutschen Rechtswissenschaft. Entnommen aus: ADB, Sechsunddreißigster Band, Steinmetz-Stürenburg, S. 249-254. 281

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„Es ist [Stölzel] gelungen, durch seine Forschungen die eine Seite der Rezeptionsgeschichte zum Abschluß zu bringen und ihren Verlauf in die neueste Zeit hinein nachzuweisen. Die nächste Aufgabe [...] wird [...] sein, zu ermitteln, wie und in welchem Maße die Umgestaltung der sozialen und nationalökonomischen Verhältnisse seit dem 15. Jahrhundert die Aufnahme des Römischen Rechts begünstigte und rechtfertigte, in neuester Zeit dagegen seine Anwendbarkeit und Autorität vermindert und zurückgedrängt hat." 287 Darüber hinaus zog Stintzing aus Stölzels Darstellungen noch den Schluß: „Durch alle (von Stölzel geschilderten) Wandlungen hindurch geht ein und derselbe Trieb und Zug: es ist das Erstreben der altgermanischen Autonomie vor der erstarkenden Staatsgewalt." 288 Hinzu kommt folgendes Urteil: Wenn „man das Eindringen des Römischen Rechts vom nationalen Gesichtspunkt aus glaubt beklagen zu müssen, so pflegt man zu vergessen, daß der Sieg schwerlich dem Römischen Rechte zugefallen wäre, wenn ihm wirklich ein einheitliches Deutsches Recht gegenüber gestanden hätte." 2 8 9 Dagegen wendete sich dann Otto von Gierke (1841—1921)290 i m Vorwort zu dem zweiten Band über das „Deutsche Genossenschaftsrecht" i m Jahre 1873: 2 9 1 „Nicht das Volk nahm das Fremde auf und verlernte sein nationales Denken. Ein römisch geschulter Berufsstand vielmehr, dessen Vorstellungsweise dem Volke ebenso fremd blieb wie ihm selber die fortlebende Vorstellungsweise des Volkes, importierte die fremden Begriffe, eroberte langsam Gericht, Gesetzgebung und Verwaltung und zwang nach errungener Herrschaft das Leben, sich diesem buchgelehrten Begriffssystem zu fügen." Schon in dem ersten i m Jahre 1868 erschienen Band hatte Gierke in einzelnen Bemerkungen 2 9 2 eine ähnliche Ansicht vertreten und die äußeren Einflüsse, die Behauptung des politischen Moments, auf die besonders Wilhelm Arnold näher eingegangen war, betont. I m dritten Band, 2 9 3 der eine umfassende Darstellung der Theo286

Roderich Stintzing, Zur Geschichte des Römischen Rechts in Deutschland, S. 408 ff. Roderich Stintzing, Zur Geschichte des Römischen Rechts in Deutschland, S.433. 288 Roderich Stintzing, Zur Geschichte des Römischen Rechts in Deutschland, S.422. 289 Roderich Stintzing, Zur Geschichte des Römischen Rechts in Deutschland, S.409. 290 Otto von Gierke wird am 11. Januar 1841 in Stettin geboren. Ab 1857 Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Heidelberg, das er 1860 mit der Promotion in Berlin abschließt. 1865 Gerichtsassessor, 1867 Habilitation in Berlin. Gierke hält anschließend Vorlesungen über deutsche Rechts- und Reichsgeschichte, deutsches Privatrecht und Staatsrecht. 1871 außerordentlicher Professor in Berlin und im gleichen Jahr Ernennung zum ordentlichen Professor in Breslau. Ab 1872 Mitglied des Vereins für Sozialpolitik; später auch Mitbegründer des evangelisch-sozialen Kongresses. 1882/1883 Rektor in Breslau, 1884 in Heidelberg und 1887 in Berlin. 1902/1903 Rektor der Berliner Universität, 1909 Ehrendoktor der HarvardUniversität, 1911 Erhebung in den Adelsstand. Gierke stirbt am 10. Oktober 1921. Entnommen bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 146-152. 291 Otto Gierke , Deutsches Genossenschaftsrecht, Band 2, Erster Teil, Vorwort S. 21 ff. 292 Otto Gierke , Deutsches Genossenschaftsrecht, Band 1, S.647. 293 Otto Gierke , Deutsches Genossenschaftsrecht, Band 3: Die Staats- und Korporationslehre des Altertums und des Mittelalters und ihre Aufnahme in Deutschland (1881). 287

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rien des Verbandsrechts in der Rezeptionszeit enthält, stellte der den Gegensatz römischer und germanischer Rechtsgedanken gegenüber. Hierbei unternahm er den Versuch, nun die umgekehrte Einwirkung germanischer Rechtsgedanken auf die Gestaltung der in Deutschland zunächst rezipierten italienischen Doktrin nachzuweisen. „Die Rezeption wurde nur dadurch möglich, daß nicht das Römische Recht, sondern die in langer Arbeit den Zeitverhältnissen angepaßte italienische Doktrin Aufnahme fand. Die italienische Doktrin aber war von mittelalterlich-germanischen Elementen durchsetzt. Sie konnte daher zu einer Zeit, in welcher die Anwendung des reinen Römischen Rechts auf die deutschen Verhältnisse schlechthin undenkbar gewesen wäre, langsam ein- und vordrin«294

Gierke hob dann hervor, daß „trotz ihrer mittelalterlich-germanischen Elemente diese Doktrin ein nach Form und Gehalt dem deutschen Geist fremdes Gedankensystem war. Denn ihre begrifflichen Grundlagen und ihre formulierten Regeln entstammten den römischen Rechtsquellen, und immer arbeiteten sich in ihr durch alle Umdeutungen und Verhüllungen die römischen Gedanken hindurch." Rudolph Sohm (1841-1917), 2 9 5 einer der führenden Germanisten seiner Zeit, vertrat dann i m Jahre 1874 in einem Aufsatz 2 9 6 die Ansicht, daß der Zustand des einheimischen Rechts keinesfalls die Übernahme des römischen Rechts rechtfertigen konnte. Denn es sei diesem in einigen Bereichen erwiesenermaßen sogar deutlich überlegen gewesen. Seiner Meinung nach forderte das einheimische Recht weder eine Ergänzung durch das römische Recht noch waren beide Rechte wegen ihrer prinzipiellen Gegensätzlichkeit miteinander in Einklang zu bringen. Dennoch sei es rezipiert worden, „durch die spontan und unwiderstehlich sich entwickelnde Macht der Deutschen Rechtsüberzeugung." Die Vorstellung von der Identität des deutschen mit dem römischen Reich sei dabei allenfalls nur eine vorbereitende, nicht hingegen leitende Kraft gewesen. Z u er294

Otto Gierke , Deutsches Genossenschaftsrecht, Band 3, S. 646. Rudolph Sohm wird am 29. Oktober 1841 in Rostock geboren. Er studiert Rechtswissenschaft in Rostock, Berlin und Heidelberg. Promotion 1864 in Rostock. 1866 Habilitation in Göttingen. 1870 wird er ordentlicher Professor an der Universität in Freiburg i. Br.; 1872 geht er an die Universität in Straßburg und wird dort 1884/1885 Rektor. 1887 folgt er einem Ruf nach Leipzig und wirkt ab 1891 in der zweiten BGB-Beratungskommission als nicht ständiges Mitglied mit. 1896 wirkt er bei der Gründung des Nationalsozialen Vereins mit. Sohm stirbt am 16. Mai 1917 in Leipzig. Sohm wird vor allem im Bereich des Kirchenrechts und seiner Geschichte bekannt. Daneben repräsentiert er als germanistischer Rechtshistoriker die positivistisch-begriffliche Richtung der „juristischen" Rechtsgeschichte. Entnommen bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 374-377. 296 Rudolph Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S. 245 ff. 295

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klären sei der Vorgang nur über „die Geschichte der Deutschen Gerichtsverfassung", 2 9 7 die sich von der anderer Nationen vor allem dadurch unterschieden habe, daß sie wesentlich länger eine volksgerichtliche Rechtsprechung geblieben sei. „Der Einzelrichter, den das Italienische, Französische, Englische Königsgericht in die Provinz entsendet, ist seinem Begriff nach, wenn nicht ein gelehrter, so doch ein gelernter Richter. An die Stelle des Volksgerichts, dessen Urteilssprüche Ausdruck des instinktiven nationalen Rechtsgewissens sind, tritt der Einzelrichter mit seinem durch logische Arbeit gewonnenen Wissen vom Recht. In die gleiche Zeit mit dem Auftreten des Einzelrichters fällt deshalb in den genannten Ländern die Ausbildung einer nationalen Jurisprudenz." 298 Weil aber in Deutschland das Volksgericht der Typ der Deutschen Gerichtsverfassung geblieben sei, hätte sich i m Mittelalter eine deutsche Rechtswissenschaft nicht entwickeln können. Man habe bewußt und gewollt die „natürliche, naive Reaktion des nationalen Rechtsgewissens" als einzige Quelle des Urteilsspruches gelten gelassen. Schließlich seien die Gerichte ihren Aufgaben einfach nicht mehr gewachsen gewesen. „Das objektive Recht war den Anforderungen des Lebens zuwider, aber außerstande, seinen Inhalt umzubilden. Das Schöffenrecht war ein unproduktives Recht, das Schöffengericht, weil reflektierend, ein unproduktives Gericht. Ein reflektierendes Schöffengericht, ein Schöffenurteil mit Gründen ist ein Widerspruch in sich selbst." 299 I m Ergebnis habe also die Unfähigkeit der Schöffengerichte die Rezeption ausgelöst. Denn die Prozeßparteien hätten i m Laufe der Zeit ihre Rechtsstreitigkeiten in erster Instanz lieber einem höchsten lokalen Verwaltungsbeamten des Landesherrn als einem Schöffenkollegium anvertraut. Weil auf diese Weise aber die Kraft der naiven Rechtsprechung gebrochen worden sei, habe es schließlich aus praktischen Gründen auch einer Rechtswissenschaft bedurft. Und „weil wir der fremden Rechtswissenschaft bedurften, haben wir das fremde Recht rezipiert. Aus diesen Motiven der Rezeption ergeben sich ihre Wirkungen. Nicht das Corpus iuris ist rezipiert worden, sondern das Recht der italienischen Rechtswissenschaft des 15. Jahrhunderts, nicht die Pandekten, sondern der usus modernus pandectarum der italienischen Juristen." [...] „Weil das Deutsche Recht von sich aus weder zu einer Rechtswissenschaft noch auch zu einem gemeinen Recht gelangt ist, hat die Ausbildung eines wissenschaftlichen einheitlichen Deutschen Rechts auf Kosten des Deutschen Rechts erfolgen müssen." 300 Sohm war der Überzeugung, daß sich die Rechtssätze des römischen Rechts i m Ergebnis an denjenigen Stellen durchgesetzt hätten, wo es dem einheimischen

297 298 299 300

Rudolph Rudolph Rudolph Rudolph

Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S.250. Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S.251f. Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S. 256. Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S.261.

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Recht „geistig überlegen" 3 0 1 war. Rechtssätze des einheimischen Rechts seien deshalb da erhalten geblieben, wo sie ihre „Stärke" 3 0 2 gehabt hätten. Stintzing Schloß sich in der Hauptsache schließlich Stobbe und Stölzel, teilweise aber auch Sohm an: „Die Überlegenheit, welche durch dieses Produkt juristischer Technik 303 dem römischen Rechte gegeben ward, mußte dem deutschen Praktiker unmittelbar entgegentreten." 304 Er pflichtete Sohm bei, daß sicherlich bei zahlreichen lokalen Gerichten immer deutlicher „die Unfähigkeit zutage [getreten sei], den wirtschaftlichen Bedürfnissen der aufstrebenden Entwicklung zu genügen", 3 0 5 aber dennoch sei die Aufnahme der fremden Rechte „zum guten Teil eine spontane" gewesen." 3 0 6 Entscheidend sei letztlich: „An die Stelle des nach subjektiver Überzeugung gefundenen Rechts tritt die formale Autorität des geschriebenen Rechts." 307 Paul Laband (1838-1918), 3 0 8 der Begründer der Wissenschaft des Reichsstaatsrechts, betonte i m Jahre 1880 schließlich mehr die rechtspolitischen Gründe für die Aufnahme des römischen Rechts. Denn seiner Ansicht nach fing „die Rezeption [...] im Staatsrecht an, von hier aus wurden dem Siegeslauf des fremden Rechts die Wege geebnet; es dringt von oben nach unten vor." 309 301 302 303 304

Rudolph Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S.263. Rudolph Sohm, Die Deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, S.264. Gemeint sind vor allem die römisch-rechtlichen Aktionen. Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1,

S.43. 305

Roderich Stintzing/Ernst

Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1,

Roderich Stintzing/Ernst

Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1,

Roderich Stintzing/Ernst

Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1,

S.45. 306

S.48. 307

S.50. 308 Paul Laband stammt aus Breslau, wo er am 24. Mai 1838 geboren wird. Studium der Rechtswissenschaft in Breslau, Heidelberg und Berlin. In Berlin Promotion zum Doktor der Rechte im Jahre 1858.1861 wird er Privatdozent in Heidelberg; ab 1864 ist er außerordentlicher Professor in Königsberg, wo er ab 1866 zum ordentlichen Professor berufen wird und sich hauptsächlich mit privatrechtlichen und rechtshistorischen Themen beschäftigt. 1872 folgt er einem Ruf nach Straßburg und ist von nun an fast ausschließlich mit staatsrechtlichen Arbeiten beschäftigt. Ab 1879 Mitglied des Staatsrates in Elsaß-Lothringen. 1880 Rektor der Universität. 1886 begründet er das „Archiv des öffentlichen Rechts" (AöR) und ist Mitherausgeber der „Deutschen Juristen-Zeitung" (DJZ). 1908 wirklicher Geheimer Rat. 1911 wird er Mitglied der ersten Kammer und 1917 wird ihm neben einer Reihe weiterer ehrenvoller Berufungen der Kronenorden verliehen. Laband wird als Begründer des Reichsstaatsrechts bezeichnet, bei dem es ihm um die Schaffung einer Dogmatik des geltenden Staatsrechts geht. Mit der von ihm hierbei bevorzugten logisch-deduktiven Methode nimmt er eine Gegenposition zu Otto von Gierke ein, der Rechtssätze aus der „Idee des Rechts" herleiten will. Entnommen bei Gerd Kleinheyer/Jan Schröder, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 238-242.

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Auch eine fehlende Rechtswissenschaft sei für die Rezeption nicht verantwortlich gewesen. Denn von einem solchen „Verlangen des Volkes nach Rechtswissenschaft" sei in Deutschland nichts zu spüren gewesen. „ E i n Volk w i l l klares, sicheres, angemessenes Recht - aber nach juristischen Büchern hat es kein Verlangen", und „wie wenig das Volk Sehnsucht nach der Rechtswissenschaft hatte, wird in anschaulicher Weise durch die zahllosen bitteren Klagen über die Doctores iuris [...] durch die stets wiederkehrenden Beschwerden der Stände und Landtage bewiesen." 3 1 0 „Die Rezeption beruhte [...] auf dem großen und allbekannten Übelstande des Zeitalters, auf dem Mangel an Rechtsschutz." „Die aus dem Mittelalter überkommene Gerichtsverfassung war nicht deshalb unbrauchbar, weil die von den Schöffenkollegien gefundenen Urteile schlecht oder mangelhaft begründet waren, sondern weil man solche Urteile entweder gar nicht erlangen konnte oder, wenn man sie endlich erlangt hatte, nicht durchführen konnte. Die Gerichtsgewalt war erlahmt, die Exekution fehlte, und das Verfahren war in sinnlosem Formalismus erstarrt und verknöchert." 311 „Das Ideal, dem die Zeit zustrebte, war der absolute Staat, der Staat, welcher Beamte, Militär und Finanzkräfte zur Verfügung hat und infolgedessen handlungs= und leistungsfähig ist. [...] Die Entwicklung des absoluten Staates und die Rezeption des Römischen Rechts sind in Deutschland ein und derselbe historische Vorgang." 312 Seiner Meinung nach vollzog sich also die Rezeption des römischen Staatsbegriffes und des römischen Staatsrechts in den Territorien, und kam dem Aufblühen der absoluten Staatsgewalt der Reichsstände zugute. Dies sei auf Kosten der angestammten Partikularrechte der einzelnen Gebiete geschehen und habe sich als ein angeblich gemeinverbindliches Recht an ihre Stelle gesetzt. I m Ergebnis resultiere „[...] hieraus die eigentümliche Erscheinung, daß Deutschland gerade zu der Zeit ein gemeines Recht zu haben anfängt, wo es ein einheitlicher Staat zu sein aufhört." 313

309 In Anlehnung an Wiardus Moddermann, Die Rezeption des Römischen Rechts, S.62ff.; siehe auch Paul Laband in seiner „Rede über die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das Deutsche Staatsrecht", S. 30ff. 310 Paul Laband, Rede über die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das Deutsche Staatsrecht, S.35. 311 Paul Laband, Rede über die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das Deutsche Staatsrecht, S. 36. 312 Paul Laband, Rede über die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das Deutsche Staatsrecht, S.37ff. 313 Paul Laband, Rede über die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das Deutsche Staatsrecht, S.51.

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(3) Diskussion Bereits Georg von Below hat auf das Problem hingewiesen, daß die vorgestellten Autoren den letzten Beweis für die Richtigkeit ihrer Hypothesen eigentlich schuldig geblieben sind. 314 Ein zwingender Beweis in die eine oder andere Richtung konnte auch bis heute noch nicht erbracht werden. Die angenommenen Ursachen für die theoretische und praktische Rezeption und damit die Gründe für die Einstellung des römischen Rechts in die Funktion eines gemeinen Rechts sind deshalb (unter Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten) letztlich Spekulation geblieben. Denn obwohl vieles durchaus plausibel erscheint, hat Carl Adolf Schmidt zutreffend auf das Problem der „unerwiesenen Voraussetzung" und die Unzulässigkeit von Ableitungen daraus aufmerksam gemacht.315 Die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts empfand den Mangel an Beweisen jedoch insgesamt als wenig störend. Sie formulierte vielmehr laufend neue Thesen, für deren Richtigkeit sie zumindest „äußere" Anhaltspunkte gefunden zu haben glaubte. Im Ergebnis sei das wissenschaftliche Mittel der Hypothese bei einem Ereignis von solch weltgeschichtlicher Bedeutung vorerst einfach hinzunehmen.316 Für den Historismus des 19. Jahrhunderts und seine Methodik ist besonders bezeichnend, daß die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland ausschließlich als geschichtlicher Vorgang begriffen worden ist, der aus der damaligen Sicht nur durch eine Ursache-Folge-Relation erklärbar erschien. Dieses methodische Prinzip ist zwar später mit der Begründung als untauglich verworfen worden, daß „geschichtliche Vorgänge, die durch menschliche Bewußtseinsakte und Handlungen, also nicht mechanisch oder biologisch, determiniert sind, [wohl zunächst] nicht erklärt, sondern verstanden werden müssen." Aber im Grunde erweist sich diese Kritik nur als Scheinargument. Denn unter Akzeptanz der „Denkform der historischen Ursache" aus Gründen der Veranschaulichung sei eine „solche Aussage [zwar] in Wahrheit nicht Erklärung, sondern Interpretation. Die herkömmlichen Annahmen über Rezeptionsursachen" hätten aber „einzelne Momente dieser Interpretation hervorgebracht], die einander nicht auszuschließen brauchen. [Und] in diesem Sinn" sei deshalb „die [...] Diskussion über die Ursachen der Rezeption" durchaus fortzusetzen. 317 Wenn man auch heute noch von der Rezeption des römischen Rechts spricht, so ist damit nach wie vor nur eine unpräzise Aussage über den komplexen, in unzählige Einzelprozesse zerfallenden, und vor allem örtlich unterschiedlich verlaufenden Verdrängungsvorgang 318 des älteren einheimischen Rechts durch die aufkommende Herrschaft des römischen Rechts in der privatrechtlichen Rechtsanwendung mög314

Georg Anton Hugo von Below , Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, S. 32. 315 Siehe oben S. 145. 316 Otto Stobbe, Zur Literatur der Rechtsgeschichte. C[arl]. A[dolf]. Schmidt, „die Reception des römischen Rechts in Deutschland." Rostock 1868, S. 18; zum wörtlichen Zitat siehe oben S. 147. 317 Vgl. das Zitat bei Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 143f.

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lieh, ohne daß sich in der konkreten Erkenntnis wirklich Grundlegendes änderte. 319 Fragt man sich aber nach der eigentlichen Ursache, warum das römische Recht von der Rechtswissenschaft und -praxis in die Funktion eines gemeinen Rechts eingestellt worden ist, kann eine Beschreibung des Rezeptionsvorganges mit den hier vorgestellten Hypothesen kaum weiterhelfen. Denn eigentlich setzen alle gedachten Ursachen für die theoretische und praktische Rezeption die Tatsache voraus, daß sich die Juristen zunächst an den italienischen und später auch an den einheimischen Universitäten zur wissenschaftlichen Beschäftigung und anschließend zur unmittelbaren praktischen Anwendung des römischen Rechts tatsächlich berechtigt empfanden. Dieses generelle Problem hat auch Georg von Below nur kurz angerissen, als er gerade Stölzel punktuell den Vorwurf machte, er habe nicht die Ursachen der Rezeption selbst behandelt, weil er das eingedrungene fremde Recht in seiner Argumentation als Faktum und damit die Anerkennung der inhaltlichen Geltung bereits vorausgesetzt habe.320 : Die bereits von den spätmittelalterlichen Juristen für sich in Anspruch genommene Berechtigung, sich nicht mit dem geltenden Recht, sondern mit dem Corpus iuris civilis wissenschaftlich auseinanderzusetzen, kann nach hier vertretener Ansicht aber denknotwendig nicht das Ergebnis äußerer Einflüsse gewesen sein. 321 Solche äußeren Einflüsse mögen den Prozeß einer theoretischen und praktischen Aufnahme des römischen Rechts beeinflußt und sogar entscheidend gefördert haben. Auch Franz Wieacker hat aber hervorgehoben, daß für das richtige Verständnis der Rezeption nicht der Prozeß an sich, sondern zunächst nur der Geltungsgrund des römischen Rechts als entscheidendes Moment zu berücksichtigen sei. 322 Die Suche nach dem positiven Geltungsgrund des römischen Rechts, die aus heutiger Sicht fast dem Versuch eines Gottesbeweises gleicht, 323 folgte dem ursprünglichen Geltungsgrund, den Franz Wieacker mit spiritueller Autorität bezeichnet hat - „Mit anderen europäischen Intellektuellen teilten auch die deutschen seit dem Hochmittelalter die Überzeugung, daß das römische Recht die ursprüngliche Rechtsordnung des abendländischen Reichs ohne Rücksicht auf seine Nationalität, daß es Naturrecht kraft spiritueller Autorität ist." 3 2 4 - , 318

Dazu siehe in einem Detailausschnitt Johannes Merkel, Der Kampf des Fremdrechts mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg: eine historische Skizze, Hannover 1904. 3,9 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 124. 320 Siehe oben S. 152. 321 Wohl in diesem Sinne betont auch Hermann Lange (in: Römisches Recht im Mittelalter, Band I, S. 34) - allerdings ohne nähere Begründung - , daß die Herrschaft des Corpus iuris civilis sowohl innerhalb als auch außerhalb des Imperium Romanum nur sekundär praktische Gründe hatte. 322 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 138. 323 Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.91. 324 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 145.

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mit Sicherheit zeitlich aber erst nach, als eine bloß „spirituelle Autorität" für den praktischen Gebrauch keine ausreichende Geltungsbegründung mehr dargestellt hat. Die eigentliche Ursache für die Aufnahme des römischen Rechts dürfte eher der Umstand gewesen sein, daß das römische Recht „auf vernünftigen Principiis beruhet, [und allein schon deshalb] mit gutem Grund den Vorzug gehabt, daß es bey den mehresten Christlichen Völckern alsein allgemeines Recht, und ius commune, auf= und angenommen worden" ist. 325 Daher stellt sich die Frage, ob möglicherweise die (Teil-)Identität des römischen Rechts mit dem Naturrecht seine subsidiarische umfassende Geltung begründen konnte. Dazu wäre allerdings zunächst zu klären, wie sich das Naturrecht selbst Geltung verschafft. Auch um diese Frage klären zu können, muß zunächst weiter ausgeholt werden. cc) Metaphysische (umfassende) Geltung (1) Der Geltungsgrund des Naturrechts (a) Antike Aus der Sicht der Antike bestand „das Polisrecht [abstrakt betrachtet] teils aus Natur-, teils aus Gesetzesrecht."326 Wie sich dabei das Naturrecht gegenüber dem Gesetzesrecht Geltung verschafft, bleibt hiermit allerdings noch offen. Das römische Volk z. B. ist eine Gesellschaft ganz im vorbezeichneten Sinne gewesen. Denn insbesondere die Römer lebten nicht allein nach Gesetzen im rein positiven Sinne.327 Allerdings sind zu Zeiten der Römer die Grenzen der Geltung bei positivem und überpositivem Recht undeutlich. Denn ein abstrakter Rechtsgeltungsbegriff soll den Römern nicht nur für ungeschriebenes, sondern auch für geschriebenes Recht unbekannt gewesen sein. 328 Der einzige Terminus, der sich bei ihnen auf 325

Samuel von Cocceji in: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Eingang zum Land=Recht, § 1. Anderer Auffassung ist allerdings Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 136: Hintergrund sei, „daß das römische Recht nicht deshalb rezipiert wurde, weil es inhaltlich von höchster Qualität, sondern weil es [eben] das Recht des Imperium Romanum war, dessen Idee in dem deutschen Kaiserreich und in der europäischen Kultur fortlebte." 326 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1134b (S. 138). Weitere Autoren, die das Natur- oder göttliche Recht, als auch das positive (gesetzte) bzw. geltende Recht (Konvention) in der Antike behandeln, sind Sophokles (496-406 v. Chr.) (in: Antigone, S. 22, Vers 449 bis 460) und Platon (427-347) (in: Gorgias, S. 61-63, Rz. 482-484). 327 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S.66. Siehe hierzu auch Max Käser, Römisches Privatrecht, § 3 V. Rechtsfindung (S. 32): „Die Rechtsfindung der Juristen und der Rechtspflegeorgane für die von ihnen zu begutachtenden oder zu entscheidenden Rechtsfälle vermag sich nur zum Teil auf Normen des geschriebenen Rechts zu stützen. [...] die Aufgabe der Juristen [liegt] in [der] Auslegung (interpretatio) [der Gesetze und gesetzesgleichen Quellen], also in der Ermittlung des Sinngehalts, der die Normen erfüllt." 328 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S. 66-94.

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alle Rechtsquellen einheitlich bezog, sei die auctoritas, 329 die allerdings primär allein der moralisch-politischen und nicht der fachjuristischen Sphäre angehöre. Tomasz Giaro meint den Grund für das Fehlen eines Synonyms für den Begriff „Geltung" darin gefunden zu haben, daß die römische Jurisprudenz eine Jurisprudenz der Rechtsdogmatik gewesen ist. Die Rechtsdogmatik wolle sich mit dem Geltungsproblem aber gar nicht auseinandersetzen, weil jede Geltungsbehauptung einerseits einer Norm den spezifischen Geltungswert erst zuschreibe, 330 und andererseits einen Appell zu ihrer Befolgung beinhalte. 3 3 1 Indessen erweise sich schon die Rechtsdogmatik der Römer nicht als askriptive oder persuasive, sondern eher als eine rein objektive Disziplin. 3 3 2 Ganz allgemein pflege die Rechtsdogmatik - wie übrigens auch heute noch - über das konkrete Geltungsproblem also grundsätzlich hinwegzusehen. Sie könne sich auch überhaupt nicht mit dieser Frage beschäftigen, weil diese - als ein lediglich rechtstheoretisches Problem - eine distanzierte, systemexterne Perspektive stets voraussetze. Giaro weist daraufhin, daß jedenfalls Ulpian (ca. 170-223) in die Richtung eines axiologischen Geltungsbegriffes tendiert habe. 3 3 3 Die Gerechtigkeit konnte vom formellen und der Natur nach grundsätzlich partikularen Gesetz allein kaum eingelöst werden. 3 3 4 Die Römer waren sich daher über den nur punktuell-interventionisti329 Tomasz Giaro meint (in: Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S.68), es handele sich um einen „weichen Begriff', der eher dem Persuasiven als dem Normativen angehört. Daß es sich dabei um einen Schlüsselbegriff der römischen Rechtsquellenlehre handelte, resultiert wohl aus dem Umstand, daß sich auch in Rom die Rechtsetzungskompetenz einzelner bestimmter Organe erst nach und nach entwickelte. 330 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S. 67 m. w. Nachw. 331 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S.67; UlfridNeumann, Theorien der Rechtsgeltung, S.40f. 332 Tomasz Giaro (in: Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S.67) fügt an dieser Stelle noch an: „in der Neuzeit womöglich als Wissenschaft." 333 Sie kommt in der celsinischen ars boni et aequi (Ulpian in: Digesten 1,1,1 pr. (De iustitia et iure)) und der ethisch gefärbten iuris praecepta (Ulpian in: Digesten 1,1,10,1 (De iustitia et iure)) zum Ausdruck. 334 Siehe hierzu schon bei Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1137b: „In Wirklichkeit entsteht die Problematik dadurch, daß das Gütige zwar ein Gerechtes ist, aber nicht im Sinne der durch das Gesetz gewährleisteten Gerechtigkeit, sondern es ist eine Berichtigung der Gesetzes-Gerechtigkeit. Das hat seinen Grund darin, daß jegliches Gesetz allgemein gefaßt ist. Aber in manchen Einzelfällen ist es nicht möglich, eine allgemeine Bestimmung zu treffen, daß sie richtig ist. In solchen Einzelfällen nun, wo es notwendig ist, sich allgemein auszudrücken, dies aber doch nicht so geschehen kann, daß alles richtig ist, da nimmt das Gesetz die Fälle sozusagen en bloc, ohne allerdings zu übersehen, daß damit eine Fehlerquelle gegeben ist. Und trotzdem ist dieses Verfahren richtig, denn der Fehler liegt nicht im Gesetz und im Gesetzgeber, sondern in der Natur der Sache, denn so ist nun einmal die Fülle dessen, was das Leben bringt. Wenn nun das Gesetz eine allgemeine Bestimmung trifft und in diesem Umkreis ein Fall vorkommt, der durch die allgemeine Bestimmung nicht erfaßt wird, so ist es ganz in Ordnung, an der Stelle, wo uns der Gesetzgeber im Stiche läßt und durch seine vereinfachende Bestimmung einen Fehler verursacht hat, das Versäumnis im Sinne des Gesetzgebers selbst zu berichtigen: so wie er selbst die Bestimmung getroffen hätte, wenn er im Lande gewesen wäre und

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sehen Charakter nicht nur der römischen Gesetze im technischen Sinne, sondern auch der Senatsbeschlüsse und der klassischen Kaiserkonstitutionen durchaus im klaren. Insbesondere die umfassendste Quelle des damaligen gesetzten Rechts, das prätorische Edikt, ist keineswegs mit einem lückenlosen Gesetzbuch vergleichbar. In systematischer Hinsicht war es „eine bloße Sammlung von miteinander nicht [...] zusammenhängenden Einzelerscheinungen." 335 Es hatte gegenüber dem sonstigen Recht, insbesondere gegenüber dem Juristenrecht, eine rein integrative Funktion. Giaro meint deshalb, daß es sogar insgesamt an einem Rechtsnormbegriff gefehlt habe. Denn norma sei den Römern völlig fremd gewesen:336 Praeceptum bedeute mit wenigen Ausnahmen nur Vorschrift des gesetzten Rechts, und constitutio könne sich auf eine Mehrzahl zusammenhängender Bestimmungen beziehen, ohne tatsächlich technische Konturen einer „Rechtsnorm" aufzuweisen. Damit werde deutlich, warum die römische Jurisprudenz sich über den Begriff der „auetoritas", der das gesetzte Recht wenig Einhalt gebieten konnte, zur „verbindlichen" Rechtsquelle sui generis unter dem Begriff der „communis opinio doctorum" verändert habe.337 Soweit die Rechtsdogmatik nämlich mit der Ausarbeitung des geltenden Rechts von innen heraus beschäftigt war, habe sie die aus dem eigentlich nebulösen Naturrecht abgeleitete wissenschaftliche Norm und die positiv geltende Rechtsnorm über die Interpretation 338 in eins zusammengesetzt.339 Damit bildete bei den Römern allein die Autorität der „communis opinio doctorum" den Kontinuitäts- und Einheitsfaktor, der das gesetzte Recht durch die mit ihm eng zusammenwachsende juristische Interpretation und Kritik entschieden überlagerte, begrenzte, umfaßte und teilweise sogar contra legem korrigierte. 340 Damit ist es bei wie er sie, wenn ihm der Fall bewußt geworden wäre, in sein Gesetz aufgenommen hätte. Daher ist das Gütige ein Gerechtes und ein höherer Wert als eine bestimmte Form des Gerechten - worunter allerdings nicht das schlechthin Gerechte zu verstehen ist, sondern das infolge seiner allgemeinen Fassung Fehlern unterworfene Gerechte. Und dies ist das Wesen der Güte in der Gerechtigkeit: Berichtigung des Gesetzes da, wo es infolge seiner allgemeinen Fassung lückenhaft ist." 335 Max Käser, „Ius honorarium" und „ius civile", S. 72. 336 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S. 70, Fußn. 27 m. w. Nachw. 337 Das deuten Marcus Tullius Cicero (106-43) (in: Topica: Die Kunst, richtig zu argumentieren, § 28, S. 22: „Si quis ius civile dicat id esse, quod in legibus, senatus consultis, rebus iudicatis, iuris peritorum auetoritate, edictis magistratuum, more, aequitate consistât.") und Papinian (in: Digesten 1,1,7 pr. (De iustitia et iure): „lus autem civile est, quod ex legibus, plebis scitis, senatus consultis, decretis principum, auetoritate prudentium venit.") an, wenn sie die Autorität verallgemeinerungsfähiger Aussagen von Gutachten und die Autorität der Wissenschaft zum Teil der geltenden Rechtsordnung für die Bürger erklären. 338 Das geltende Recht galt zwar, war aber über die ratio iuris zu interpretieren, auszulegen oder sogar zu korrigieren. 339 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S.68 m. w. Nachw. 340 Demgemäß erwähnt beispielsweise Marcus Tullius Cicero (in: De re publica, Liber quintus, § 2 (3), S. 318/319) die königliche iuris interpretatio, die sich ohne eine gesetzliche Grundlage vollzog (zur iuris interpretatio siehe ebenfalls bei Marcus Tullius Cicero, De oratore, Liber

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den Römern also die Rechtsdogmatik gewesen, die einem inhaltlich ungeklärten Naturrecht i m Einzelfall zu seiner unmittelbaren Anwendung verholfen hat.

(b) Spätmittelalter I m Mittelalter stand für die Wissenschaften methodisch zunächst einheitlich die Untersuchung historisch verbürgter Texte i m Vordergrund. Es geht dabei um die Ermittlung von Bedeutungsinhalten antiker Textaussagen und die Bestätigung der Richtigkeit der in ihnen enthaltenen inneren Wahrheiten mit methodischen Mitteln. „Dieses Verhältnis von Autorität und Vernunft, das den mittelalterlichen Intellektuellen so rastlos beschäftigte, beruht zuletzt auf dem griechischen Idealismus, nämlich in der platonischen, im Ursprung auf die eleatische Philosophie341 zurückgehenden Erwartung, allem Gedachten müsse ein metaphysisch Seiendes entsprechen. Nur in einem solchen Denken konnte sich die unbedingte Ehrfurcht vor dem geoffenbarten oder überlieferten Textwort mit dem logischen Formalismus verbinden, den die mittelalterliche Schule von der spätantiken geerbt hatte. Diese Lehre will also mit ihren logischen Mitteln die Wahrheit geoffenbarter oder verbindlich überlieferter Texte nicht überprüfen, sondern beglaubigen [...]." 3 4 2 I m Spätmittelalter verstand sich die i m Verhältnis zu den anderen Wissenschaften erst spät entstandene Rechtswissenschaft ebenfalls als eine eng textgebundene universitäre Disziplin, 3 4 3 die anhand der analytischen Exegese einer konkreten Textaussage das dahinter verborgene natürliche Recht zunächst mit den scholastischen M i t teln der quaestiones und controversiae, 344 und später mit der mehr synthetischen Darstellungsform der summa zu erfassen suchte, die bereits auf die Gewinnung allgemeiner (Rechts-)Regeln abzielte. 3 4 5 Dabei war die Verbindlichkeit des Corpus iuPrimus, § 199, S. 154/155). Kronzeuge des klassischen Juristenrechts ist Pomponius (in: Digesten 1, 2, 2, 12 (De origine iuris et omnium magistratuum et prudentium)) mit seiner Identifizierung der iuris interpretatio und des ius civile im eigentlichen Sinne, daß das sine scripto in bloßer Juristeninterpretation bestehe. Sine scripto bedeutet im Zusammenhang des Pomponius-Textes (Dazu siehe auch Digesten 1,2,2,4 (De origine iuris et omnium magistratuum et prudentium)) ius quod sine scripto venit compositum a prudentibus. 341 Der Eleatismus geht von einem absoluten, nur durch Denken zu erfassenden Sein aus, dem das Werden und die sichtbare Welt als Schein entgegengesetzt werden. Die griechische Philosophenschule der Eleaten wurde von Xenophanes aus Kolophon (ca. 580 - ca. 470 v. Chr.) um 500 v. Chr. in Elea (Unteritalien) gegründet. Siehe hierzu ausführlich bei Johannes Hirschberger, Geschichte der Philosophie, Band I, S. 30ff. 342 Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 54 f. m. w. Nachw. 343 Das Studium generale diente nicht primär der Berufsausübung, sondern stand zu Beginn allein im Dienste der Wahrheit, die nicht Hilfsmittel zur Bewältigung des diesseitigen Alltagslebens war, sondern weit darüber hinaus in ihrem universalen Sinn. Die Universität war von Anfang an universitas litterarum, die Einheit aller möglichen Wissenschaften. Ihr Ziel war die Gesamtheit der Wissenschaften, der litterae. Siehe hierzu Peter Krause, Die Entwicklung der Juristenfakultät, S. 84. 344 Hierzu gehören insbesondere auch Konkordanz und Distinktion (zum Begriff der Distinktion siehe oben S. 51, Fußn. 68). 345 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 66f. 11*

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ris civilis für die Rechtswissenschaft wie die Bibel 346 in der Theologie zunächst eine reine Glaubensfrage. 347 Zu durchdringen war genau wie dort nicht vorrangig der Glaubensgrund selbst, sondern der wahre Kern des juristischen Textes (locus), der sich mit logischen Mitteln verifizieren ließ, und damit eine Präsenz ganz unabhängig von einer Positivierung durch oder als Gesetz entfaltete. Indem die Rechtswissenschaft in dem wiederentdeckten Corpus iuris civilis nämlich eine konkrete Explikation der aus der Vernunft ableitbaren allgemeinen Rechtswahrheiten erblickte, vermutete sie inhaltlich gleichzeitig eine Allgemeingültigkeit wie die Gesetze der Logik und Mathematik.348 Den Grund sah Christian Thomasius (1655-1728) später darin, daß den Rechtsgelehrten des Spätmittelalters die philosophischen Grundlagen für eine echte Textkritik gefehlt hätten. Insbesondere sei eine objektive Naturrechtswissenschaft zur damaligen Zeit unmöglich gewesen, weil die Macht der Kirche 349 nur die Enge einer aristotelisch-scholastischen Philosophie zugelassen habe, so daß bei jeder freieren Philosophie schon die Gefahr einer Verfolgung wegen Ketzerei bestanden hätte.350 Offensichtlich ist damit ein Geltungsproblem im positiven oder überpositiven Sinne wie in der Antike zunächst überhaupt nicht gesehen worden.

(c) Späte Neuzeit Arthur Ducks Erläuterungen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zur gemeinen Verbindlichkeit des römischen Rechts für die Rechtswissenschaft führen für seine Zeit zum gleichen Ergebnis. Die Begründung ist jetzt allerdings eine andere. Unter Referierung der herrschenden Auffassung seiner Zeit habe es einer positiven Geltung des römischen Rechts im Prinzip nie bedurft. Wenn mit Justinians 346

Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 106. Franz Wieacker spricht von der „Gewalt einer Rechtsoffenbarung" (in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 3, S. 50) und verweist als kennzeichnenden Ausdruck der Einbeziehung des Corpus iuris in die spirituelle Tradition auf die von Dante Alighieri (1265-1321) oft genannte Rühmung Kaiser Justinians. 348 Siehe oben S. 100. 349 Die mittelalterliche Politik der Päpste hatte dem neu gegründeten heiligen römischen Reich deutscher Nation die spirituelle Herrschaft über die ganze Christenheit (dominium mundi) verliehen (siehe hierzu ausführlich bei [Karl Friedrich] Dieck, Art. „Dominium mundi", S. 503 ff. Die Vorstellung von der Weltherrschaft findet sich schon bei den Römern zu Zeiten der Republik; vgl. Digesten 14, 2, 9 (De lege Rhodia de iactu)). 350 Christian Thomasius, De rite formando statu controversiae: an Legum Juris Justinianei sit frequens an exiguus usus practicis in foris Germaniae?, § 6, pag. 10f. und ders. t Notae ad singulos institutionum et pandectarum titulos varias iuris romani antiquitates imprimis usum eorum hodiernum in foris Germaniae ostendentes, Praefatio: Nr. 7. Thomasius hat in beiden Werken die ständige Einflußnahme der Päpste auf die Universitäten bei der Darstellung der Entwicklung von „ius civile" und „ius canonicum" in den rechtswissenschaftlichen Fakultäten geschichtlich aufzuzeigen versucht. Vgl. hierzu auch Klaus Luig, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im Zeitalter der Aufklärung in der Sicht von Christian Thomasius, 179 f. 347

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Kommentierverbot der Pandekten und dem Gebot seiner Vorgänger nicht unerwähnt bleiben dürfe, daß bei allen im Gesetz nicht vorgesehenen Fällen die letzte Entscheidung des Imperators einzuholen gewesen sei, 352 weil dieser als Gesetzgeber allein auch als maßgeblicher Interpret angesehen wurde, könne man das Ergebnis dieser Äußerungen nicht mehr gelten lassen.353 Denn weil die maßgebliche Auslegung nicht mehr von den Caesares zu erlangen sei - Duck überging an diesem sensiblen Punkt wohl bewußt die theoretische Möglichkeit der Rechtsnachfolge der deutschen Kaiser in die Stellung der römischen Imperatoren (= translatio imperii) - , müsse man die Auslegung von den interprétés et doctores einholen.354 Denn diese seien die einzigen legitimen Nachfolger derjenigen römischen Juristen, denen die römischen Kaiser das ius respondendi verliehen hätten.355 Allerdings machte Duck, der sich für diese Begründung auf Ulrich Zasius berief, 356 eine Einschränkung: die interpretatio der römischen Juristen kraft des ius respondendi sei aufgrund der kaiserlichen Verleihung authoritativa et necessaria gewesen, diejenige der heutigen doctores sei nur magistralis et probabilis und werde nur durch die ratio naturalis gestützt.357 Der durch das Corpus iuris civilis als ratio scripta verkörperten ratio naturalis war aber nach noch im 17. Jahrhundert ganz herrschender Ansicht in allen im Gesetz nicht geregelten Fällen unbedingt Folge zu leisten.358 Arthur Duck kam damit auf die auch zu seiner Zeit vorherrschende und so sachlich wohl zutreffende Vorstellung von der Legitimation der Rechtswissenschaft als Rechtsfindungsorgan zu sprechen. Die seit dem frühen 17. Jahrhundert einsetzende Verselbständigung der Naturrechtslehre durch eine allmähliche „Emanzipation von der Moraltheologie und sei351 Constitutio Tanta No. 21 a. Α.; ähnlich Codex 1, 17, 1, 12 (De veteri iure enucleando et auetoritate iuris prudentium qui in digestis referuntur). 352 Constitutio Tanta No. 21 a. E.; ähnlich Codex 1, 17, 2, 18 (De veteri iure enucleando et auetoritate iuris prudentium qui in digestis referuntur). 353 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. Vili., §11, pag. 121. 354 Arthur Duck , De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VIII., § III, pag. 122. 355 Pomponius in: Digesten 1,2,2,49 (De origine iuris et omnium magistratuum et prudentium): „Primus divus Augustus, ut maior iuris auetoritas haberetur, constituit, ut ex auetoritate eius responderent." 356 Ulrich Zasius führt die Möglichkeit, doctores zu ernennen, auf die Pomponius-Stelle über die Verleihung des ius respondendi (siehe die vorherige Fußn. 355) zurück. Vgl. den Kommentar zu Digesten 1,2,2, 49 (De origine iuris et omnium magistratuum et prudentium) v. „authoritatem". 357 Arthur Duck, De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. Vili., §111, pag. 122. 358 Arthur Duck , De usu et authoritate juris civilis romanorum, in dominiis principum christianorum, libri duo, Lib. I., Cap. VIII., § V, pag. 124ff. mit zahlreichen Belegen aus der europäischen Rechtsliteratur, u.a. des Baldus de Ubaldis (1319/27-1400) und Jason de Mayno (1435-1519).

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ner Erhebung zu einer selbständigen profanen Sozialethik" 359 führte jedoch zu einer zunehmenden Befreiung von der Verbindlichkeit einer bloß geschriebenen Vernunft. Diese Entwicklung war zunächst mit dem niederländischen Staatsrechtler, Historiker und Staatsmann Hugo Grotius (1583-1645) bei der Suche nach einem übernationalen, allgemeinverbindlichen ius gentium eingeleitet worden, ohne daß er selbst schon von einem autonomen Vernunftrechtssystem ausgegangen wäre und somit seine Rechtssätze allein durch die strenge Deduktion aus abstrakten Axiomen gewonnen hätte. 360 Als Humanist war auch für ihn die Autorität der Antike noch unbestritten, 361 und so berief auch er sich für die naturrechtlichen Grundlagen seines Völkerrechts noch auf die für die Ethik seiner Zeit vorbildlichen theologischen und humanistischen Autoritäten, zu denen auch die römischen Juristen gehörten. Erst die Generation des englischen Philosophen Thomas Hobbes (1588-1679) und des Hochschullehrers und Historikers Samuel Pufendorf (1632-1694) erkämpfte eine zunehmende methodische Unabhängigkeit und entwickelte ein Vernunftrechtssystem, in dem schließlich „die naturrechtlichen Lehrsätze als Naturgesetz der Gesellschaft erscheinen" sollten. 362 War für Grotius zur Herleitung seiner Rechtssätze aus der kirchlichen und humanistischen Literatur noch die verbindliche Autorität der „testimonia" und „exempla" maßgebend, so handelte es sich für Pufendorf hierbei nur noch um bloßes Anschauungsmaterial bei der Darstellung seines Naturrechtssystems. Die immer zahlreichere Errichtung von eigenständigen Lehrstühlen des Naturrechts an den Universitäten und die immer umfangreichere Aufnahme des Naturrechts in die Vorlesungspläne auch der juristischen Fakultäten zeigen schließlich auch rein äußerlich, welchen Grad an Eigenständigkeit diese „neue" Naturrechtslehre in der Folgezeit erreichte. Mit einer selbständigen und von den „testimonia aliorum scriptorum" nun unabhängigen Naturrechtslehre entfiel aber die Notwendigkeit der Deduktion allgemeiner Rechtswahrheiten allein aus einem geschriebenen und historisch verbürgten Text. Wenn damit einhergehend die mit dem Naturrecht übereinstimmenden Rechtssätze des römischen Rechts in Deutschland „galten", so konnten sie nun nicht mehr nur allein verbindlich sein, weil es das römische Recht so anordnete, sondern allenfalls deshalb, weil das „dictamen rectae rationis", die „utilitas plurium gentium communis" oder die „communis prudentia civilis" es (vermeitlich) forderten. 363 Im Jahre 1750 stellt sich deshalb für Wilhelm Friedrich Link (1725-1788) in seiner in Altdorf erschienenen Habilitationsschrift „De dubia atque difficili iuris com359

Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 15, S.266. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 15, S. 270. 361 Helmut Coing , Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 32. 362 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 15, S. 271. 363 Christian Thomasius, De rite formando statu controversiae: an Legum Juris Justinianei sit frequens an exiguus usus practicus in foris Germaniae?, § 12, pag. 19. 360

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munis definitione" 3 6 4 durchaus die Frage, wieso das geschriebene Recht aus naturgemäßen Gründen, aufgrund eines sogenannten letzten Willens, eine verbindliche Kraft besitzen soll und deshalb eines Beweises nicht bedürfe. „Occlamitant: Necessitatem adhibendorum trium vel duorum testium pertinere ad testamenta piarum caussarum nuncupativa; scripta nullis testibus indigere. At ego iterum peramanter rogo; velint mihi indicare, quo in loco huius distinctionis diversa applicatio fundata sit? Quo Iuris textu dicatur, Testamentum ad pias caussas scriptum absque testibus valere?" 365 Seiner Meinung nach handele es sich nur um eine Beschwörung, wenn man allgemein meine, i m Geschriebenen liege eine über lange Zeit bewiesene Vernunft. Diese Beschwörung bedürfe eigentlich erst noch des Beweises. „Si a potiori denominatio fieri debet, longe frequentior testandi ratio in scriptis est, quam per nuncupationem; teste experientia?" 366 Die vorbezeichnete und von vielen angesehenen Rechtsgelehrten wie Johann Harpprecht (1560-1639), Benedict Carpzov (1595-1666), Heinrich L i n k (16421696) 3 6 7 und auch von den Päpsten immer wieder geäußerte Rechtsmeinung habe letztlich zu Unrecht allein der Rechtfertigung eines ununterbrochenen, universellen Gebrauchs und damit der Legitimation des gesamten römischen Rechts gedient. „Verum, quis in tanto dissensu Celeberrimorum Ictorum, Harpprecht, Carpzovii, Linkii, aliorumque innumerabilium, genuinae menti Pontificis [...], et duos testes ubique sine distinctione requirentium, asserere auderet usum perpetuum, universalem, legitimumque, [...]?" 368 Zur Jahrhundertwende geht zwar selbst noch der bedeutende Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in seiner Schrift „Der Streit der Facultäten" 3 6 9 davon aus, daß die oberen drei Fakultäten 3 7 0 der Universität grundsätzlich textgebunden seien.

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Zum Autor und der hier zitierten Arbeit siehe schon oben S. 33, Fußn. 19. Wilhelm Friedrich Link, Ad Orationem Inauguralem De Dubia atque difficilii iuris communis definitione benevole audiendam ea qua par est humanitate et observantia invitât nonnulla de fatis pie relictorum ex utroque iure praevatus..., pag. 27. 366 Wilhelm Friedrich Link, Ad Orationem Inauguralem De Dubia atque difficilii iuris communis definitione benevole audiendam ea qua par est humanitate et observantia invitât nonnulla de fatis pie relictorum ex utroque iure praevatus..., pag. 27. 367 Heinrich Link (zur Person siehe oben S. 128, Fußn. 176) ist der Vater von Wilhelm Friedrich Link. 368 Wilhelm Friedrich Link, Ad Orationem Inauguralem De Dubia atque difficilii iuris communis definitione benevole audiendam ea qua par est humanitate et observantia invitât nonnulla de fatis pie relictorum ex utroque iure praevatus..., pag. 27. 369 Immanuel Kant, Der Streit der Facultäten in drey Abschnitten [...], Königsberg bey Friedrich Nicolovius. 1798. 370 Zu den oberen drei gehörten die theologische, die juristische und die medizinische Fakultät. 365

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„Alle drei oberen Fakultäten gründen die ihnen von der Regierung anvertrauten Lehren auf Schrift, welches im Zustande eines durch Gelehrsamkeit geleiteten Volks auch nicht anders sein kann, weil ohne diese es keine beständige, für jedermann zugängliche Norm, darnach es sich richten könnte, geben würde." 371

Für die Rechtswissenschaft bleibe als Text (nun) aber nur noch ein Gesetzbuch mit positiver „Autorität" maßgeblich. „Daher schöpft der biblische Theologe (als zur obern Fakultät gehörig) seine Lehren nicht aus der Vernunft, sondern aus der Bibel, der Rechtslehrer nicht aus dem Naturrecht, sondern aus dem Landrecht, der Arzneigelehrte seine ins Publikum gehende Heilmethode nicht aus der Physik des menschlichen Körpers, sondern aus der Medizinalordnung." 372

Nach Kant folge die Textbindung an das Gesetz aus dem Umstand, daß dann, wenn etwas aus „der Vernunft entlehntes" mit der Wissenschaft der oberen Fakultäten vermischt werde, dieses sofort einen unzulässigen Übertritt zur Philosophie bedeute. Damit war die lange Zeit geglaubte metaphysische Geltungskraft eines bloß historisch überlieferten Textes für eine praktisch orientierte Rechtswissenschaft aber nun endgültig aufgehoben.

(d) Exkurs: Das moderne Geltungsverständnis Die theoretischer Erörterung des Geltungsproblems setzt eigentlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Zivilrechtler Ernst Zitelmann (1852-1923) ein, der als Rechtshistoriker im Jahre 1903 mit einer der ersten Abhandlungen über „Lücken im Recht" und einer psychologischen Geltungstheorie hervortrat. 373 Er erklärte im Ergebnis die Rechtsgeltung für einen undefinierbaren Grundbegriff der Rechtswissenschaft, 374 der darin etwa die Rolle spiele wie in der Philosophie der Seinsbegriff. Und der Österreicher Hans Kelsen (1881-1973) bezeichnete später in seiner ,,Reine[n] Rechtslehre", die die Theorie vom Rechtspositivismus geradezu repräsentiert, die Geltung nur noch als „spezifische Existenz" von Rechtsnormen.375 Versuche, die durch ein Abstellen auf das Faktische oder auf das Ethische soziologische oder axiologische Geltungsbegriffe bildeten, 376 verfehlen nach Tomasz Giaro zwangsläufig das juristisch Normative. Auch eine Definition im juristischen Sinne 371 Immanuel Kant, Der Streit der Facultäten, Erster Abschnitt. Begriff und Einteilung der oberen Fakultäten, S. 14, 15. 372 Immanuel Kant, Der Streit der Facultäten, S. 16. 373 Ernst Zitelmann, Gewohnheitsrecht und Irrthum, S. 446ff.; dazu auch Thomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S. 67 m. w. Nachw. und Rudolf Stammler, Über die Methode der geschichtlichen Rechtstheorie, S.54. 374 Tomasz Giaro, Geltung und Fortgeltung des römischen Juristenrechts, S. 67 m. w. Nachw. 375 Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, S.9f. 376 Zu den Begriffen „juristische", „soziologische", „ethische" Geltung siehe bei Gerhard Otte , Kritik des juristischen Geltungsbegriffs, S. 359 ff.; zu „ethische", „faktische", „axiologische" Geltung siehe bei Robert Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 134-145.

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habe letztlich fatal geendet.377 Damit ist der Geltungsgrund einer allgemeingültigen Aussage über das objektive Recht aber nach wie vor ungeklärt.

(e) Zusammenfassung In der Antike findet das Naturrecht neben dem Gesetzesrecht über den anhand der communis opinio doctorum wissenschaftlich abgeleiteten Rechtssatz praktische Bedeutung. Dieser Ansatz gilt grundsätzlich auch im Spätmittelalter. Anknüpfungspunkt für die sich herausbildende communis opinio doctorum ist allerdings nicht, was nahe gelegen hätte, die Interpretation des positiv geltenden Partikularrechts, sondern die methodische Ermittlung des in historisch überlieferten Textquellen verbürgten „Kerns der Wahrheit". Die ratio scripta des Corpus iuris civilis gilt als konservierte ratio naturalis. Die Schriftlichkeit und das Alter verleiht ihr Autorität. Seit dem frühen 17. Jahrhundert obliegt die Explikation allgemeiner Rechts Wahrheiten mehr und mehr der Philosophie und wird zunehmend abstrakt gewonnen. Die bloße Schriftlichkeit eines überlieferten Rechtsstoffes kann seine Autorität im 18. Jahrhundert aus naturgemäßen Gründen allein nicht mehr rechtfertigen. Zwar bleibt die Rechtswissenschaft nach wie vor textgebunden, die Autorität eines Rechtstextes folgt jetzt jedoch nach allgemeiner Meinung nur aus der Gesetzgebungsgewalt des absolutistischen Herrschers. Fraglich ist deshalb, welche Konsequenzen die Verselbständigung der Naturrechtslehre vom geschriebenen römischen Recht für seine Gemeinrechtlichkeit hat.

(2) Römisches Recht « Naturrechtl Im Unterschied zum positiven Gesetz wurde allein für „das Naturrecht [in der Antike angenommen, daß es] überall dieselbe Kraft der Geltung [besitze,] und [deshalb] unabhängig von Zustimmung oder Nicht-Zustimmung (der Menschen)"378 sei. Gerade aus dieser Allgemeingültigkeit des Naturrechts folgerte Aristoteles, daß allein das Naturrecht diejenige Rechtsquelle sei, die von Natur aus für alle Menschen gilt, auch wenn sonst keinerlei (positiv-)rechtliche Verbindung untereinander festgestellt werden kann. „[...] allgemein: das naturgemäß bestehende. Es gibt ja etwas, wovon alle Menschen eine bestimmte Vorstellung haben, nämlich das von Natur aus für alle gemeinsam geltende Recht und Unrecht, auch wenn kein gemeinschaftlicher Umgang oder eine Vertragsbeziehung untereinander besteht." 379 377

Delf Buchwald, Der Begriff der rationalen juristischen Begründung, S. 23, 51, 232-242. Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, S. 1134b (S. 138). 379 Aristoteles, Rhetorik, Erstes Buch, S. 1373b, No. 13 (S. 62f.). Siehe hierzu auch ebenda, S. 1368b, No. 10 (S.48f.); S. 1375af., No. 15 (S.68f.). 378

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Bestünde also zwischen dem Naturrecht und dem römischen Recht Identität, wäre unter dieser Prämisse für das 18. Jahrhundert zumindest der theoretische Beweis möglich geblieben, daß in Deutschland das römische Recht inhaltlich umfassend und örtlich einheitlich subsidiär verbindlich ist, auch wenn es wegen des unregelmäßigen Umfanges der verschiedenen positiven Provinzialrechtsordnungen nicht immer in gleichem Maße in der Anwendung unmittelbar hervortrat. Über die Frage des Umfanges der Identität von Naturrecht und römischem Recht bestand i m frühen 18. Jahrhundert jedoch keine Einigkeit. Christian Thomasius (1655-1728) hielt i m Jahre 1712 in Ansehung des Geltungsgrundes nur noch denjenigen Teil des römischen und des kanonischen Rechts 3 8 0 für verbindlich, der dem Vernunftrecht anerkanntermaßen entsprach. 381 „In reliquis patriae potestatis effectibus, quod iura Romana docent, pauci quidem, qui ex natura rei et negotiorum proveniunt, ac iuris gentium sunt, apud Germanos hodie sunt in usu, qui vero pecularis sunt Romanis, eorum nec umbra quidem apud Germanos apparet [...]." 3 8 2 Die Identität mit dem anderen, seiner Ansicht nach weit größeren Teil des römischen Rechts bestritt er allerdings. Der geringe gerichtliche Gebrauch belege sogar das genaue Gegenteil. 3 8 3 Es sei eben nur dasjenige des römischen Rechts als brauch380 Zur Geltung des kanonischen Rechts siehe Christian Thomasius, Notae ad institutiones Justinianeas, varias iuris romani antiquitates inprimis usum eius hodiemum in foris Germaniae ostendentes [...], Lib. I, Tit. II, pag. 11 und Lib. II, Tit. X, pag. 181 ; hierzu Klaus Lui g, Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, S. 206 (S.406). 381 Nach Klaus Luig (in: Der Geltungsgrund des römischen Rechts in Italien, Frankreich und Deutschland, S. 831, Fußn. 50 (S. 15)) ebenso auch Gottlieb Gerhard Titius (Juris privati Romano-germanici: ex omnibus suis partibus, puta iure civili ecclesiastico & feudali, hactenus separali solitis,... statui reipublicae Germanicae attemperati, libri duodecim; quibus iurisprudentia privata Germanica usui scholarum et vitae civilis propius apatur, Lib. I, Cap. V, § XXVI, pag. 66): „[...] illud primum praesupponendum videtur, quod sit qaestio de iure Romano qua tali seu positivo (nam dogmata iuris naturalis, vel doctrinae physicae similesque, quae in eodem occurrunt, ex propriis suis valent aut non valent principiis) [...]." 382 Christian Thomasius, Notae ad institutiones Justinianeas, varias iuris romani antiquitates inprimis usum eius hodiemum in foris Germaniae ostendentes [...], Lib. I, Tit. IX., pag. 35; und ähnlich Lib. I, Tit. XXI, pag. 95. Ebenso der s., Notae ad singulos institutionum et pandectarum titulos varias iuris romani antiquitates imprimis usum eorum hodiemum in foris Germaniae ostendentes, Lib. II, Tit. XIV, pag. 61: „Quoad usum forensem totius tituli notes. Doctrina Romana de pactis partim continet requisita generalia conventionum humanarum ex regulis juris naturalis & natura actionum humanarum deducenda, & eatenus ea haud dubie usum habent in foris Germaniae, quamvis hic usus non proprie sit usus juris Romani, qui ilia requisita obtinuerunt apud Germanos haud dubie ante Justinianum; partim continet jura peculiaria Romanorum, scilicet differentiam inter pacta & contractus, item inter pacta nuda, légitima & adjecta, & eatenus fatentibus doctoribus ipsis in Germania nullum habent usum." Siehe hierzu Klaus Luig , Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im Zeitalter der Aufklärung in der Sicht von Christian Thomasius, S. 178, Fußn. 7; ders., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, S.206 (S.406) und Roderich Stintzing/Ernst Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Band III, 1, S.99 und Noten S. 60; RolfLieberwirth, Christian Thomasius, Sein wissenschaftliches Lebenswerk, Nr. 252. 383 Siehe obenS.112ff.

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bar befunden und als Gewohnheit in die gerichtliche Rechtsprechungspraxis aufgenommen worden, was der einheimischen Vernunft und Billigkeit entsprochen habe.384 Darüber hinaus handele es sich bei den nur zum Teil identischen und deshalb auch nur zum Teil verbindlichen Rechtssätzen des Corpus iuris civilis nicht um römisches oder kanonisches Recht, sondern um das diesem Rechtsverständnis zugrunde liegende universelle Naturrecht. Durch die Aufnahme in das Corpus iuris civilis hätten diese Regeln ihren naturrechtlichen Charakter nämlich nicht verloren, sondern sie seien im römischen Recht bloß wiederholt worden. 385 Während die Rechtswissenschaft des frühen 18. Jahrhunderts in den Bereichen der inhaltlichen Identität des römischen Rechts und des Naturrechts noch mehrheitlich an einer begrifflichen Vermischung der Rechtsmaterien festhielt, 386 fand Thomasius jedenfalls in Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr (1705-1790) im Jahre 1768 in diesem Punkte einen Anhänger. Denn als Kreittmayr feststellte, daß der Begriff „Ius commune, oder gemeines Recht [...] nicht nur das göttliche und natürliche, sondern auch" 387 das römisch-kanonische Recht unter einem Begriff zusammenfasse, brachte er ebenfalls zum Ausdruck, daß trotz inhaltlicher Teilidentität des römischen Rechts und des Naturrechts die Rechtsquellen streng getrennt voneinander zu betrachten seien. Während Christian Thomasius durch die strikte gedankliche Trennung des im Corpus iuris civilis schriftlich verkörperten Naturrechts und des römischen Rechts im Grunde nur seine These von dem geringen gerichtlichen Gebrauch des römischen Rechts belegen wollte, führte die Teilidentität bei seinen Gegnern allerdings aus dem gleichen Grunde zur Bewunderung des römischen Rechts in seiner Gesamtheit. 388 Daher unternahm beispielsweise Samuel von Cocceji im Jahre 1740 in sei384

Eine Übersicht über die von Thomasius zum Thema des geringen Gebrauchs und damit der geringen Geltung des römischen Rechts verfaßten Arbeiten findet sich bei Klaus Luig, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im Zeitalter der Aufklärung in der Sicht von Christian Thomasius, S. 177 ff., 183 ff. 385 Christian Thomasius, De rite formando statu controversiae: an Legum Juris Justinianei sit frequens an exiguus usus practicus in foris Germaniae?, § 12, pag. 19. 386 Das Problem der unzulässigen Vermischung hatte Carl Gottlieb Svarez (in: Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten, Einleitung, S. VIII; siehe hierzu den Auszug bei den Materialien) in ähnlicher Weise auch in Ansehung des römischen und des sächsischen Rechts bemängelt: „Eine weit schädlichere Ungewißheit in unserer gesetzlichen Verfassung entsteht aus der in neueren Zeiten erfolgten Vermischung des Sächsischen mit dem Römischen Rechte." 387 Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici civilis, Judicarii, Criminalis et Annotationum. Oder Grundriß der gemein= und bayrischen Privat=Rechtsgelehrsamkeit [...], Pars I, Cap. II, §§ 12, 13, S.6. 388 Gottfried Wilhelm Leibniz , No. 90: Leibniz an Joh. Georg Graevius vom 7. Juni 1671, S. 156, Ζ. 14ff.: „ICtorum Romanorum veterum gliscit paulatim neglectus, et quisquis tarnen eos intelligit, fatebitur mecum opinor, non extare nunc librum in quo plura de jure naturali, majoreque elegantia et claritate [...]. sint demonstrata quam Corpus Iuris [...]." Die Problematik ist identisch auch für das kanonische Recht problematisiert worden. Siehe Gottlieb Hufeland, Giebt es allgemeine Gewohnheiten im juristischen Sinne?, S. 11 : „Eben so

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

nem in Halle erschienenen „Novum systema jurisprudentiae naturalis et Romanae" 3 8 9 den Versuch, die Übereinstimmung von Naturrecht und römischem Recht nachzuweisen. I m Laufe der Zeit setzte sich i m 18. Jahrhundert aber die Einsicht durch, daß von einer inhaltlichen Identität tatsächlich nur in Teilbereichen die Rede sein könne. In der Kabinettsorder vom 14. A p r i l 1780 schreibt der preußische König: „Inzwischen ist bekannt, daß dieses Römische Gesetz=Buch größtentheils nur eine Sammlung der Meinungen und Entscheidungen der Rechts=Gelehrten in einzelnen Fällen enthält; sich vielfältig auf die alten und jetzt gar nicht mehr passenden Römischen Verfassungen und Formalitäten bezieht; auch mit vielen Widersprüchen angefüllt ist." 3 9 0 Auch Carl Gottlieb Svarez stellt i m gleichen Jahr in der „Vorläufige[n] Instruction für die zu etablierende Gesetz=Commission" unter Ziff. 3) fest, daß das Corpus iuris civilis lediglich „ i n den mehresten [, aber nicht allen] seiner Entscheidungen dem Rechte der Natur und der Billigkeit gemäß i s t . " 3 9 1 Damit war einer metaphysischen Geltung des römischen Rechts in seiner Gesamtheit bereits die Grundlage entzogen. Die Folge war, daß nun die Notwendigkeit der gesetzlichen Fixierung des römischen Rechts als neue Geltungsvoraussetzung diskutiert wurde, soweit es nicht bereits gewohnheitsrechtlich positiv galt. In Preußen wurde nämlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur noch derjenige Teil des römischen Rechts als geltendes Recht aufgefaßt, „soweit [er] in den übrigen Königlichen Staaten recipirt ist", und damit als gerichtliche Gewohnheit gesicherter Bestandteil des positiven Rechts geworden w a r . " 3 9 2 Die damit inhaltlich und örtlich nur begrenzt positiv legitimierte Aufnahme wenig dürfte das einer Widerlegung bedürfen, was Herr Professor [Friedrich Christoph Jonathan] Fischer [in: Litteratur des germanischen Rechts, S.267], wenn man ihn recht verstehet, andeutet, daß die allgemeinen deutschen Gewohnheiten aus dem kanonischen Recht zu beweisen wären, weil die Päpste bey ihren Rescripten nach der Gewohnheit des Orts, wohin sie jene richteten, entschieden, ohne dabey im geringsten auf allgemeine oder anderswo, wenn auch an noch so vielen Orten geltenden Gewohnheiten zu sehen. Was in Uebereinstimmung mit dem kanonischen Recht allgemein gültig ist, das hat gewiß den Grund seiner Gültigkeit im kanonischen Recht selbst." 389 Benutzte Ausgabe: Samuel von Cocceji, Novum systema iustitiae naturalis et Romanae in quo, praemisso principio generali, complectentur iura Die in homines, iura hominum inter se - iuxta tria iuris Romani obiecta exponuntur simulque universum ius Romanorum in artem redigitur, Halae 1748. 390 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7, ,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 1, fol. 22 [07.01.0022]; abgedruckt in: Corpus Juris Fridericianum, Erstes Buch, pag.II-XIV. 391 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 1, „Akten betreffend die Etablierung der Gesetzkommission und deren Unterhaltung'vol. 1, fol. 13r. 392 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 21. September 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht, vol. 88, fol. 26 ff. [07.88.0026]; abgedruckt bei Adolf Stölzel, Carl Gottlieb Svarez, Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, S. 376; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit.

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des römischen Rechts hatte aber aus den vorgenannten Gründen unter nachhaltiger inhaltlicher Zuordnung unter den Begriff des gemeinen Rechts höchst verunsichernde Ausstrahlungswirkung für die Rechtspraxis, was seine subsidiäre Geltung insgesamt anging. Nach Ansicht des Großkanzlers Johann Heinrich Casimir von Carmer drohte daher für die Bevölkerung ein ius vagum zu entstehen „wenn man sie in so unbestimmten und schwankenden Terminis auf die natürlichen 393 und gemeinen, in den übrigen Königlichen Landen geltenden Rechte verweisen wollte." 3 9 4 A d o l f Albrecht Heinrich Leopold von Danckelmann wendete gegen das Argument der schwankenden Begriffe ein, daß der Rückgriff auf eine subsidiarische Rechtsquelle i m Falle der Lückenhaftigkeit des positiven Rechts aber trotzdem zwingend notwendig bleibe. Er räumte zwar ein, daß es mit dem Naturrecht seine besondere Bewandtnis habe, da das ius naturae, „welches blos die Rechte und Verbindlichkeiten der Menschen, so wie sie aus der Hand der Natur kommen, darstellt, in bürgerlichen Geschäften und Verbindungen sich abberufen wollen, dürfen freilich zu Fehlschlüssen und sehr unvollständigen Beurteilungen Anlaß geben. Dagegen kann das zweyte [ius naturale], 395 welches ich das natürliche Recht nenne, wiederum auch nur die einzige Richtschnur in allen den Fällen seyn, die nicht eine ausdrückliche 393 Auch über den Begriff des natürlichen Rechts bestand Unsicherheit. Danckelmann meinte in seinem Schreiben an Carmer vom 28. Oktober 1793: „Da hiernächst Euer Excellenz mein öfterer Bezug auf das natürliche Recht allzu unsicher und schwankend vorkommt, dieselben dabey bemerken, daß selbst darüber häufig disputiert werde, ob ein oder anderer Satz natürliches Recht sey, so muß ich dabey bemerken, daß ich einen Unterschied mache zwischen jus naturae und jus naturale." Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 29 [07.88.0029]; abgedruckt bei Hans Thieme, Die preußische Kodifikation. Privatrechtsgeschichtliche Studien II., Anhang S.417; Andreas Schwennicke, Die Entstehung der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, S. 134, Fußn. 260; Julius Hatschek, Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Anhang S.461/462; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 394 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 21. September 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 26 ff. [07.88.0026]; abgedruckt bei: Adolf Stölzel, Carl Gottlieb Svarez, Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, S. 377; siehe dazu schon oben S. 35 und hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 395 Das ius naturale wurde auch synonym mit dem Begriff ius naturae absolutum umschrieben. Den Gegensatz bildete das bloße ius naturae hypotheticum. Vgl. Ludwig Julius Friedrich Höpfner, Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaft und der Völker, S. 28 ff.: „Die natürlichen Rechte und Verbindlicheiten, welche aus der menschlichen Natur an sich folgen, ohne Tathandlungen (facta) vorausgehen, heißen absolute oder ursprüngliche oder angeborene Rechte und Verbindlichkeiten (iura originaria, connata); diejenigen hingegen, welche gewisse Handlungen voraussetzen, heißen hypothetische (adventitia). Die hypothetischen Rechte und Verbindlichkeiten entstehen entweder aus einer gesellschaftlichen Verbindung, in die der Mensch getreten ist, oder nicht. Jene nennt man gesellschaftliche, diese außergesellschaftliche." Vgl. dazu auch Christian Wolff \ lus naturae, methodo scientifica pertractatum, Band VIII, §48.

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Bestimmung durch positive Gesetze erhalten haben, und es kann eine gute Justizverwaltung nur allein in solchem Statt haben und gedacht werden, als in allen, durch positive Gesetze nicht bestimmten Fällen, der Richter die Wißenschaft der natürlichen Rechte und Verbindlichkeiten wohl inne h a t . " 3 9 6 ' 3 9 7 Damit könne wenigstens das ius naturale eine gewisse Geltung neben dem positiven Gesetz für sich beanspruchen. Erste Ansätze für die Begründung des subsidiären Geltungsanspruches des ius naturale finden sich i m frühen 18. Jahrhundert ebenfalls bei Christian Thomasius. Nach ihm könne nur das Naturrecht als ein theoretisch vollständiges und in sich abgeschlossenes System verstanden werden. Ausgehend von seiner i m Gegensatz zur älteren Naturrechtstradition stehenden These, daß nicht der Wille vom Verstand, sondern der Verstand vom Willen abhängig sei, 3 9 8 seien die Naturrechtssätze nicht nur Normen von logischer Evidenz, sondern aus der Erfahrung beachtete Verhaltensweisen der einzelnen Individuen. 3 9 9 Aus diesem Empirismus ergab sich für Thomasius, daß allein das Naturrecht i m engeren Sinne (ius naturale absolutum = absolutes Naturrecht) unabänderlich sei, und deshalb nur dieses, i m Gegensatz zu dem 396 Schreiben Danckelmann an Carmer vom 28. Oktober 1793; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht, vol. 88, fol. 29 ff. [07.88.0029]; abgedruckt bei: Hans Thieme, Die preußische Kodifikation. Privatrechtsgeschichtliche Studien II., Anhang, S.417; Andreas Schwennicke, Die Entstehung der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, S. 134, Fußn. 260; Julius Hatschek, Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Anhang S. 461/462; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 397 Über den Unterschied zwischen jus naturae und jus naturale bestand zwischen Danckelmann und Carmer Einigkeit. Er entspreche demjenigen zwischen hypothetischem und absolutem Naturrecht. Siehe hierzu Carmer in seinem Schreiben an Danckelmann vom 8. November 1793; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff.; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 398 Christian Thomasius, Fundamenta juris naturae et gentium ex sensu communi deducta, ... In usum Auditorii Thomasiani, Lib. I., Cap. I., §§6,23,46,49 und 54; ders., Von der Artzeney wider die unvernünftige Liebe und der zuvorher nöthigen Erkäntniß Sein Selbst, 3. Hauptstück, §§17,21. 399 Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 18, S. 317. Die Auffassung von Christian Thomasius ist später herrschend. Stellvertretend für viele siehe bei Christian Friedrich Koch, Lehrbuch des Preußischen gemeinen Privatrechts, Band I., Einleitung S. 1 (ebenso Carl Georg Wächter und Carl Eduard Georg Bruns; dazu siehe oben S. 70, Fußn. 147): „das Recht einer jeden Nation, als concreter Zustand im objectiven Sinne, oder der Inbegriff aller Rechtswahrheiten, [...], seinem Grunde nach lediglich darauf [beruht], daß es diese Nation für Recht angenommen hat und befolgt, daß es bei ihr so ist. [So ist] Damit [...] nicht allein die Möglichkeit, es ist selbst die Nothwendigkeit gegeben, daß das Recht bei verschiedenen Nationen verschieden ist; denn, wenn auch alle Rechte in demjenigen, was sich auf die menschliche Natur gründet, selbstredend übereinstimmen müssen: so hängt doch im Besonderen die Meinung vom Recht mit der Religion, den Sitten, Gebräuchen, ethnographischen und politischen Verhältnissen genau zusammen."

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Naturrecht i m weiteren Sinne (ius naturae hypotheticum = hypothetisches Naturrecht), subsidiarische Geltung beanspruchen könne. 4 0 0 Ohne ausdrücklich Position zu der Frage zu beziehen, ob das römische Recht - abgesehen von dem nachweislich rezipierten Teil - nun dem hypothetischen oder dem absoluten Naturrecht entspreche, gestand Danckelmann ein, daß mit Sicherheit nicht das ganze römische Recht, sondern allenfalls nur ein Teil davon mit dem Vernunftrecht übereinstimme und als solches verbindlich sein könne. „Wenn man auch Acht giebt, warum das Römische Recht, welches mit einigen wenigen positiven Römischen Gesetzen nicht für Synonim gehalten werden sollte, so viel Beyfall in ganz Europa gefunden, so ist der Grund davon darin zu finden, weil die Römischen Rechts=Gelehrten großen Theils vernünftige, diesen Theil der Philosophie excoliert habende Männer gewesen, wenn gleich die Compilatores ihre Ausarbeitungen nicht von demselben Schlage gewesen, und daher viele Antinomien eingeschlichen sind, die aus dem falschen Begriff, daß alles, was als römisches Recht gesammelt worden, als Gesetz gelten müße, die Jurisprudenz in die Verwirrung und Ungewisheit gebracht haben, worunter ganz Europa solange geseufzet hat." 4 0 1 Zur Vermeidung einer bloß subjektiven Billigkeit des Richters sei das römische Recht einem akademischen Streit durch gesetzliche Festlegung an denjenigen Stellen zu entziehen, wo die Ableitung der Vernunft schon auf die falschen Begriffe gestützt worden sei. Aus dem, was Danckelmann vorher über das hypothetische Naturrecht ausgeführt hatte, ergibt sich, daß Danckelmann jedenfalls einen wesentlichen Teil des römischen Rechts dem hypothetischen Naturrecht hinzuzählte. Dort, wo eine Verstaatlichung des römischen Rechts nicht oder noch nicht geschehen sei oder sogar wegen der Natur der Gesetze (als es unmöglich ist, positive Gesetze auf jeden speciellen Fall zu geben) sogar unmöglich erscheine, müsse der Rückgriff auf das natürliche Recht über das Prinzip der Natur der Sache (... was der Begriff der Sache selbst...) in Theorie und Praxis weiter zulässig bleiben. „Das aber behaupte ich dagegen, quod detur ius naturale Testamentorum, feudorum etc., d. i. daß, nach Admission aller dieser Gegenstände in der bürgerlichen Gesellschaft, aus dem Begriff derselben, Rechte und Verbindlichkeiten fließen, und daß, so lange der positive Gesetzgeber darüber nicht besondere Circumscriptiones und Bestimmungen edirt hat, alle diese Gegenstände aus dem, was der Begriff der Sache selbst, und die Umstände, die sie begleitet haben, durch eine regelmäßige und vernünftige Schlußfolge mit sich führen, beurtheilt, und die deshalb entstehenden Streitigkeiten geschlichtet werden müßen. Diese Legitime conse400 Die Unabänderlichkeit folge daraus, daß keine Gemeinschaft ohne die Einhaltung der „principia justi" bestehen könne. Das Naturrecht im weiteren Sinne dagegen, das auch die „principia decori", also die Grundsätze der Wohlanständigkeit einschließe, sei aber wegen den unterschiedlichen Gegebenheiten von Volk zu Volk verschieden. Vgl. Wolf gang Ebner, Kritik des römischen Rechts bei Christian Thomasius, S.63f. 401 Schreiben Danckelmann an Carmer vom 28. Oktober 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 29 ff. [07.88.0029]\ siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsel im Anhang zu dieser Arbeit.

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quenz nenn ich das natürliche Recht, und die Wißenschaft des Verhältnißes der Verbindlichkeiten gegen die Rechte, und beyder gegen die in der bürgerlichen Gesellschaft vorkommenden Handlungen, die Rechtswißenschaft, und sehe überhaupt keinen Ausweg für einen Richter übrig, in allen Fällen, wo die vorliegende Sache durch specielle Gesetze nicht decidirt ist, als dieses natürliche Recht, dessen Anwendung um so allgemeiner seyn muß, als es unmöglich ist, positive Gesetze auf jeden speciellen Fall zu geben. Frey lieh werden hiernach die Decisionen, nach den verschiedenen Talenten, Einsichten, und Beurtheilungen Kraft der Richter, ebenfalls verschieden ausfallen." 402

Im Bewußtsein des anzuerkennenden Unterschiedes von Gesetz und Recht, der zwar beinhalte, daß das Letztere sich ohne das Erstere nicht denken ließe, sei dennoch zu schließen, „daß alles, was in civilibus et criminalibus mehr ist, als der kurze Ausdruck eines Geboths, Verboths oder Bestimmung der Folge einer sogenannten indifferenten Handlung, schon nicht mehr Gesetz sey, sondern in die Jurisprudenz gehöre, worunter ich die, durch Philosophie und gesunde Beurtheilung herausgebrachte, Folgerung aus der Beziehung der Gesetze, sowohl unter sich, als in Absicht der im gesellschaftlichen Leben vorfallenden Handlungen und Geschäfte verstehe. Diese ist also eine Wißenschaft, deren Grundsätze gelehrt, exeolirt, aber nicht vorgeschrieben werden können, ohne den größten Despotismus und einen wahren Gewissenszwang zu exerciren, eine Eigenschaft, die die Rechts=Wißenschaft mit allen übrigen Wißenschaften gemein hat, deren Grundsätze aber wenig vorgeschrieben werden können, sondern aus der Natur selbst herausgebracht werden müßen." 403

Über den „großen Werthe eines wahren philosophischen Natur-Rechts sowohl für den Gesetzgeber als für den Richter" stimmte Johann Heinrich Casimir von Carmer mit Danckelmann völlig überein. 404 Carmer äußerte aber Bedenken darüber, „ob dasselbe in irgend einem Falle dem Richter zu seyner Norm in Beurtheilung und Entscheidung der Geschäfte des bürgerlichen Lebens, der daraus entspringenden Rechte, und der darüber entstehenden Streitigkeiten umgeschrieben werden könne." 405 402

Schreiben Danckelmann an Carmer vom 28. Oktober 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 29 ff. [07.88.0029]\ siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 403 Schreiben Danckelmann an Carmer vom 28. Oktober 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,.Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 29 ff. [07.88.0029/; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 404 Carmer ließ bei seiner Argumentation den Wert und die Frage über die letzte Autorität des jus naturale dahingestellt. Die Folgen erschienen ihm jedoch unter ähnlicher Betrachtung wie Danckelmann schon allein aus praktischen Gründen nicht akzeptabel. 405 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]; abgedruckt bei Hans Thieme, Die preußische Kodifikation. Privatrechtsgeschichtliche Studien II., Anhang, S. 419-421; Rodgero Prümers, Das Jahr 1793. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreußens, S. 390/391; Andreas Schwennicke, Die Entstehung der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, S. 135, Fußn. 262; Julius Hatschek, Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Anhang S. 462-464; fragmentarisch bei

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Denn dazu fehle es dem Naturrecht bereits an einer fundamentalen Voraussetzung: „Zuförderst setzt das Natur Recht, [...], allemal etwas Gegebenes, etwas Positives voraus. Denn wenn aus Begriffen richtige Folgerungen hergeleitet werden sollen, so müssen die Begriffe selbst erst festgesetzt seyn; und dieß kann bey Rechts=Materien in der bürgerlichen Gesellschaft, nicht füglich anders, als durch den erklärten Willen des Gesetzgebers geschehen. [...] Diese Festsetzung der Begriffe muß also durch Gesetz geschehen, und kann der Philosophie des Rechts um so weniger überlaßen werden, je bekannter es leider ist, daß nicht nur über den Grund des Sitten Gesetzes selbst, sondern auch über die wichtigsten Entwicklungen desselben unter den Philosophen noch die größte Uneinigkeit herrsche." 406 Damit bestand Einvernehmen darüber, daß das römische Recht als (nur teilweise übereinstimmender) Reflex des hypothetischen Naturrechts nicht aus sich selbst heraus gelten könne, sondern daß es als Geltungsvoraussetzung in bestimmten Teilen erst noch einer Positivierung durch das Gesetz bedurft hätte, soweit es nicht als Gewohnheitsrecht bereits Eingang in die Gerichte gefunden hatte. Nach Carmer sei darüber hinaus auch dann ein Rückgriff auf das römische Recht als einem gemeinen Recht aus Gründen der Rechtssicherheit verwehrt, wenn es in anderen Teilbereichen (vermuteter) Ausdruck des absoluten Naturrechts wäre. Denn den natürlichen Rechten hafte etwas Metaphysisches an, über das selbst die Philosophen sich keine genügende Klarheit verschafft hätten. Wenn man die Klärung dieser Bereiche des Rechts aber der Vernunft des Einzelnen (dem Richter) überließe, sei i m Grunde einer schädlichen subjektiven Billigkeit Tür und Tor geöffnet. „Hiemächst ist es für die Sicherheit des Eigenthums und für die bürgerliche Freyheit allzu gefährlich, bey der Herleitung aus den Begriffen auf die individuellen Fähigkeiten, Einsichten und Vorstellungs=Arten der richterlichen Personen allzu viel ankommen zu lassen. Diese sind bekanntermaßen unendlich verschieden, und man sagt mit Recht, daß jeder Mensch, d. h. auch jeder Richter, seine eigne Logic habe. Eine uneingeschränkte Verweisung auf das lus naturale würde folglich auf die größte Ungewißheit der Rechte, und auf schwankende Willkühr in den Entscheidungen führen. Das Mein und Dein, das Wohl und Weh der Partheyen würde blos davon: ob der Richter falsch od[er] richtig hergeleitet habe, abhängen, und niemand würde im voraus seine Handlungen und Geschäfte so einrichten können, daß er dadurch bey der Erwerbung und dem Besitze der Rechte, die er sich hat verschaffen, oder bey dem Umfange und den Gräntzen der Verbindlichkeiten, die er hat übernehmen wollen, nur einigermaßen gesichert wäre." 407 Adolf Stölzel, Carl Gottlieb Svarez, Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, S. 379/380; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 406 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht, vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]', siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 407 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien 12 Daniel

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

Die sich hieraus ergebenden Folgen seien nach Carmer mit dem modernen Gesetzesverständnis, nämlich dem von der notwendigen Verstaatlichung des Rechts durch den absolutistischen Herrscher, nicht mehr vereinbar. „Sind nun auch die Gerichte der letzten Instanz an keine positiven Gesetze gebunden, sondern nur im Allgemeinen zu richtigen Herleitungen aus den Begriffen verpflichtet, so fällt in die Augen, daß diese Gerichte, od[er] wohl gar nur einige praeponderirende Mitglieder derselben, in jedem streitigen, und zweifelhaften Falle zu würklichen Gesetzgebern über die Rechte der Partheyen umgeschaffen werden. Ich glaube daher, daß es unerläßliche Pflicht des Staats und der gesetzgebenden Macht in selbigem sey, nicht nur die Begriffe der rechtlichen Gegenstände und Handlungen, sondern auch die daraus herzuleitenden Folgen, so viel als möglich, durch positive Gesetze zu bestimmen; f...]." 408 I m Ergebnis gab Carmer zwar zu, „daß die Grundsätze der Jurisprudenz so wenig, wie die einer andern Wißenschaft, durch Gesetze vorgeschrieben werden können. Allein ich glaube, daß hierbey wohl nur ein Mißverstand obwalte. Der Gesetzgeber kan freylich niemandem vorschreiben, wie er über rechtliche Gegenstände raisonniren solle; aber er kan und muß bestimmen, welches von diesen verschiedenen möglichen Raisonnements in seinem Staate für richtig und allgemein geltend angenommen werden solle." 409 Die Ergänzungsfunktion des absoluten Naturrechts hänge deshalb letztlich allein von dem richtigen Verständnis des angedeuteten Unterschiedes von Recht und Gesetz ab. Daß man diesen Unterschied in Bezug auf den jeweiligen Anknüpfungspunkt, nämlich Theorie und Praxis, 4 1 0 unterschiedlich bewerten könne, müsse eingeräumt werden. Den „Unterschied zwischen Gesetzen und Rechten" machten aber i m Ergebnis allein die die Gesetze theoretisch ergänzenden „Rechtslehren" aus. Denn die einen 4 1 1

zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 408 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 409 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 410 Vgl. Paul Johann Anselm von Feuerbach (in: III. Blick auf die Deutsche Rechtswissenschaft, S. 22): „Zwischen Theorie und Praxis des Rechts ist an sich innigste Verbindung und Verwandtschaft; jene verhält sich zu dieser wie das Allgemeine zum Besonderen, wie die Regel zu ihrer Anwendung, wie das Mittel zu seinem Zweck." 411 So hier Carmer im bezeichneten Schreiben vom 8. November 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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„verstehen unter Gesetz blos den positiv erklärten Willen des Gesetzgebers über Gebot, Verbot, und rechtliche Folgen der sogenannten indifferenten Handlungen. Diejenigen Sätze hingegen, welche theils aus diesen positiven Willenserklärungen des Gesetzgebers, theils aus den Begriffen der Gegenstände und Geschäfte, mit welchem es die Gesetze zu thun haben, durch richtige Schluß=Folgen hergeleitet werden können, begreifen [andere] 412 unter dem Nahmen der Rechte oder Rechtslehren. Nur Gesetze gehören, nach Dero Meynung, für das Volck im weitläufigem Sinne genommen. Rechtslehren hingegen sind nur ein Gegenstand für die Wißenschaft und Kenntniß der Richter und Consulenten."413

Nach Carmer sei es deshalb ernstlich zu bezweifeln, ob es möglich oder ratsam sei, Gesetze und Rechtslehren in ihrer Abhängigkeit voneinander hinsichtlich der doch evidenten Notwendigkeit einer zusammenhängenden gesetzlichen Positivierung scharf voneinander zu unterscheiden. Denn in Ansehung der Funktion eines Gesetzes sei nach seiner Auffassung nur die Kenntnis notwendig: „1. was zu dem Begriffe der Handlung, des Geschäftes, der Begebenheit, deren rechtliche Folgen bestimmt werden sollen, gehöre: 2. was wesentliche und natürliche Eigenschaften dieses Negotii: Essentialia und Naturalia sind; d. h. was daseyn müsse, wenn die Handlung wirklich die seyn soll, aus welcher jene rechtlichen Folgen entspringen; was da zu seyn vermuthet werde, so lange nicht das Gegentheil quovis modo erhellet. Er muß 3. auch solche Neben=Umstände, wodurch Ausnahmen und Abweichungen von der Regel des Gesetzes begründet, und die rechtlichen Folgen der Handlung anders bestimmt werden können, wenigstens in Ansehung der gewöhnlichsten und am häufigsten vorkommenden Fälle in Betracht ziehen, und das Nöthige darüber festsetzen. Denn wenn dieses nicht geschieht, so wird der gemeine Staatsbürger, im Vertrauen auf die Regel des Gesetzes alle Augenblicke ein Opfer der List und Schlauheit seines beßer unterrichteten, oder mit einem erfahrnen und gewandteren Consulenten versehenen Gegners werden müßen." 414

Wenn Carmer damit ausdrücklich die Verstaatlichung des gesamten Rechts als dessen Geltungsvoraussetzung forderte, 415 konnte das römische Recht in Ermange412 Diese Ansicht vertrat Danckelmann in einem Immediatbericht an den König vom 5. November 1793. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 39 [07.88.0039]; abgedruckt bei Rodgero Prümers, Das Jahr 1793, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreußens, S. 387-390; teilweise bei Adolf Stölzel, Carl Gottlieb Svarez, Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, S.380. Recht sei die Folge der natürlichen als auch der bürgerlichen Gesetze. 413 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht", vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035/; siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 414 Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 7,,Materialien zum Preußischen Allgemeinen Landrecht, vol. 88, fol. 35 ff. [07.88.0035]\ siehe hierzu auch den Abdruck des Briefwechsels im Anhang zu dieser Arbeit. 415 Ähnlich argumentierte auch der englische Jurist Jeremy Bentham (1748-1832), der erklärter Gegner der Naturrechtsbewegung kontinentaleuropäischer Prägung gewesen ist. Ihm

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

lung eines umfassenden positiven Geltungsgrundes inhaltlich und örtlich für ganz Deutschland andererseits aber weder als hypothetisches noch als absolutes Naturrecht subsidiär verbindlich sein. Carmer ist nicht in allen Punkten Folge geleistet worden. Justus Friedrich Runde Schloß sich beispielsweise in Ansehung des ius naturale eher Danckelmann an, als er im Jahre 1791 feststellte: Wo alles andere „nichts bestimmt, da sind allgemeine aus der Natur der Sache selbst abgezogene Rechtsgrundsätze als Hauptquelle des gemeinen deutschen Privatrechts zu betrachten." 416

Das aus der Natur der Sache selbst „abgezogene" Recht ist aber nichts anderes als das absolute Naturrecht, was sich aus dem, was Runde über die Natur der Sache sagt, ergibt: „Und was 3) in Ermangelung solcher positiven gemeinen deutschen Rechte aus der Natur der Sache, oder eines den Deutschen eigenen, durch Gesetze, Gewohnheit oder Vertrag unter Privatpersonen anerkannten Rechtsinstituts, richtig gefolgert werden kann, ist ebenfalls so gemein gültig und geltend, als die gesunde Vernunft; und hat bei Entscheidung der Streitigkeiten, wie andere Grundsätze eines hypothetischen Vernunftrechts, 417 in jedem Falle Anwendung, wo es an positiven Bestimmungen fehlt." 418

Selbst wenn das römische Recht damit nach Auffassung einiger also zumindest in den Bereichen subsidiär verbindlich blieb, in denen es dem ius naturale absolutum inhaltlich entsprach, war damit aber dennoch klar, daß wenigstens derjenige Teil, der nur mit einem ius naturae hypotheticum übereinstimmte, zu seiner Verbindlichkeit erst der Vergesetzlichung bedurft hätte. Eine nur teilweise positive (subsidiäre) Geltung des römischen Rechts konnte folglich nicht über eine metaphysische (subsidiäre) Geltung des anderen Teiles als ius naturae hypotheticum zu einer subsidiären Geltung des römischen Rechts insgesamt, nämlich teilweise positiv und teilweise überpositiv subsidiär geltend, erweitert werden. Carl Gottlieb Svarez kam im Jahre 1771 genau aus diesem Grunde zu dem Ergebnis: „das ius Romanum obligirt Deutschland [...] keineswegs als ein ius scriptum." Wenn nämlich das römische Recht galt, dann galt es seiner Meinung nach in einigen Teilen offenkonnte es keinesfalls in den Sinn kommen, das Naturrecht als subsidiäre Rechtsquelle anzuerkennen. Vgl. zu diesem Problem Julius Hatschek, Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, S. 458 ff., S.468 und Josef Lukas, Benthams Einfluss auf die Geschlossenheit der Kodifikation, S. 67 ff., S. 74. 416 Justus Friedrich Runde, Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, § 40. 417 Die Annahme einer subsidiären Geltung auch des ius naturae hypotheticum war also streitig. Die entgegengesetzte Auffassung vertraten Danckelmann und Carmer, wie der Briefwechsel belegt. Siehe hierzu oben das Schreiben Carmer an Danckelmann vom 8. November 1793 auf S. 177 und Fußn. 406. Eine subsidiarische Geltung konnte nach Danckelmann allenfalls das ius naturae absolutum für sich beanspruchen. Ebenso auch schon Christian Thomasius. 418 Justus Friedrich Runde, Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts, S. 68 f.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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sichtlich (positiv) „nur ex receptione, und es kann [...] daraus, daß es an sich ein ius Scriptum ist, [ansonsten überpositiv] kein [umfassenderer] Vorzug [...] bey gelegt werden." 4 1 9 Denn, wie mit Wilhelm Friedrich L i n k gezeigt werden konnte, aus der Schriftlichkeit einer Rechtsquelle folgte nicht mehr sogleich auch eine Vermutung für ihre metaphysische Verbindlichkeit insgesamt. Es ist anzunehmen, daß sich Gottlieb Hufeland i m Jahre 1792 gerade aufgrund der geschilderten Schwierigkeiten von dem konkreten Geltungsproblem des römischen Rechts endlich ganz zu lösen versuchte. Für ihn war notwendige Voraussetzung der Gemeinverbindlichkeit eines Rechtssatzes nur noch eine gewisse abstrakte Allgemeingültigkeit, die nur aus sich selbst heraus folgen müsse. „Diesem nach also kann man nur das als allgemeines Recht 420 gelten lassen, dessen ursprüngliche Bestimmung es ist, für ganz Deutschland ein Gesetz auszumachen; nicht aber zu dem diese Eigenschaft durch zusammentreffende zufällige 421 Umstände hinzukommt. 422 [...] Das gemeine Recht muß nicht zufälligerweise, 423 sondern durch sich selbst gemeines Recht seyn. Dieses sein Wesen muß nicht wieder von irgend einer andern Voraussetzung, die ihm die Gültigkeit erst mittheile, abhängen; sondern es muß dasselbe unbedingt und ohne alle weitere Voraussetzung ihm zukommen. 424 [...] Nur auf diese Art ist das gemeine Recht als ein gesetzlich [!] gemeines Recht anzusehen.425 [...] Diesem nach ist denn gemeines Recht nichts als der Inbegriff derjenigen rechtlichen Vorschriften und Bestimmungen über Handlungen, derjenigen Entscheidungsnormen, welche immer anzuwenden sind, sobald die Particularrechte keine Normen zur Bestimmung oder Entscheidung oder auch keine gesetzliche Veranlassung zu einer besondem anderweiten Bestimmung an die Hand geben, ohne daß erst ein besonderer Gegenstand, der seine Anwendbarkeit begründe, dabey vorauszusetzen ist." 4 2 6 419

Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten, Einleitung, S.X. Siehe hierzu den Abdruck in Auszügen bei den Materialien. 420 Zwar waren für Gottlieb Hufeland die Begriffe des „allgemeinen" und „gemeinen deutschen Privatrechts" noch nicht gehörig geklärt, allerdings sei allgemeines Recht mit gemeinem Recht insoweit gleich, als es also seine ursprüngliche Bestimmung sei, in ganz Deutschland angewandt zu werden: „Allgemeines Recht (ius universale) in dem Sinne, den die Jurisprudenz allein anerkennen kann, ist nichts anders als gemeines Recht (ius commune)." (Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.64; dazu siehe oben S. 72ff. 421 Gottlieb Huf eland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.68: „Zufälligkeiten, das heißt, einzelne Provincialgesetzgebungen [...]." 422 Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.68. 423 Unter „zufällig" seien diejenigen Institute zu verstehen, die Gegenstand der Privatautonomie sind, und damit weitestgehend dem formellen Gesetz zuzuordnen seien. 424 Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.70. 425 Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S.72. 426 Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?, S. 73/74.

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3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

Der Inbegriff derjenigen rechtlichen Vorschriften und Bestimmungen, welche immer zur Anwendung gelangen, wenn das partikulare Recht lückenhaft ist, ist aber eigentlich nichts anderes als das allumfassende Naturrecht. Weil die konkreten Inhalte eines solchen gemeinen Rechts nicht hinreichend bestimmt waren, stellte sich für Hufeland schließlich die Frage, ob nicht die Wissenschaft „als Quelle des gemeinen Rechts anzusehen sey? Ist die Anwendbarkeit der aus ihr zu schöpfenden Grundsätze[, die die Rechtswissenschaft eigentlich aus allen nur denkbaren Rechtsquellen wissenschaftlich erarbeiten konnte,] auf ein bestimmtes Land eingeschränkt? Tritt dieselbe nicht gerade alsdann ein, wenn Particulargesetze und Particulargewohnheiten keine Bestimmungsregel mehr angeben? Und nennen wir das nicht gemeines Recht, welches alsdann angewendet wird, wenn das Particularrecht keine Bestimmung mehr an die Hand giebt?" 427 Die These erscheint mehr Ausdruck allgemeiner Hilflosigkeit zu sein, als daß sie letzte Klarheit über das Problem des gemeinen Rechts verschaffte. Den eigentlichen Grund für die Ungewißheit der konkreten Inhalte des gemeinen Rechts sah Hufeland nämlich in der fehlenden Gesetzgebung. „Denn daß wir kein allgemeines deutsches Gesetzbuch haben, das hier gemeines Recht machte, ist bekannt genug, und diese ganze Untersuchung würde alsdann auch so weitläufig gar nicht geführt werden dürfen, sondern sehr leicht zu entscheyden sein." 428 Damit ist Hufeland trotz seiner noch weitgehend naturrechtlichen Argumentation für die später im 19. Jahrhundert dann herrschende Meinung, daß es wohl eher die historisch-pragmatische Bearbeitung eines Rechtsstoffes in der Wissenschaft sei, die zu seiner umfassenden subsidiären Anwendung über die Juristen auch an denjenigen Orte führe, an denen der in Frage stehende Rechtssatz nicht vorkomme, offensichtlich einer der Wegbereiter gewesen. Die von August Ludwig Reyscher rund fünfzig Jahre später formulierte These, der Begriff des gemeinen Rechts habe seit eh und je seinen Grund in einer gemeinsamen Vernunft und Billigkeit gehabt, - „So kann also der [abstrakte] Begriff eines gemeinen Rechts nicht erst das Product der Wissenschaft seyn; vielmehr knüpfte sich die Wissenschaft des gemeinen Rechts [in Deutschland] an die bereits vorgelegene Ansicht, daß das Recht seinen letzten Grund in der gemeinsamen Vernunft und Billigkeit [,...] habe." 429 -

mag für das Spätmittelalter noch zugetroffen haben. Spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts reichte sie zur Erklärung einer rechtlichen Bindung unter voneinander rechtlich unabhängigen Gebieten jedoch nicht mehr aus. Die Frage nach dem (positiven oder überpositiven) Geltungsgrund eines konkreten Rechtssatzes erschien aber in Ansehung des allgemein als unbefriedigend empfundenen Rechtszu427

Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?,

S.84. 428

Gottlieb Hufeland, Giebt es ein allgemeines deutsches Privatrecht im juristischen Sinne?,

S.75. 429

August Ludwig Reyscher, Ueber das Daseyn und die Natur des deutschen Rechts, S. 22.

2. Geltungsgrund und -umfang des römischen Rechts

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standes geradezu kontraproduktiv. Daher trat das bereits aus der Antike bekannte integrative Moment des Juristenrechts in den Vordergrund, daß das wissenschaftlich deduzierte Ergebnis eines allumfassenden Naturrechts oder der Inbegriff geschichtlich überlieferter Rechtsquellen sein sollte. Gerade hier wird der bloß graduelle methodische Unterschied der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts und der Historischen Rechtsschule des frühen 19. Jahrhunderts wieder ganz besonders deutlich. dd) Zusammenfassung Die eigentliche Ursache für die theoretische und praktische Rezeption des römischen Rechts kann nicht auf äußere Umstände zurückgeführt werden. Während in der Antike das Naturrecht über die in den Rechtsschulen abstrakt abgeleitete Norm als Juristenrecht Eingang in Rechtspraxis fand, suchte die spätmittelalterliche Rechtswissenschaft die allgemeingültige Norm zunächst in einem überlieferten Buch, dessen Autorität sie unreflektiert glaubte. Anknüpfungspunkt war also eine unterstellte Allgemeingültigkeit einer im Corpus iuris civilis enthaltenen Textaussage, die mit methodischen Mitteln hervorgehoben wurde. Die sich danach allmählich bildende wissenschaftliche Autorität des bearbeiteten Corpus iuris civilis führte anschließend auch zu einer gerichtlichen Aufnahme methodisch aus dem römischen Recht gewonnener Rechtssätze (Glosse), soweit ihre Aufnahme durch das positive Gesetz oder die Gewohnheit nicht von vorneherein gehindert war. 430 Auch noch im 16. und 17. Jahrhundert ist eine Geltung des römischen Rechts im allein positiven Sinn nicht notwendige Bedingung für seine Maßgeblichkeit. Im frühen 17. Jahrhundert setzt allerdings die zunehmende Verselbständigung des Naturrechts ein, so daß allein die Schriftlichkeit des römischen Rechts und das in seiner ratio scripta teilweise verkörperte ius naturale dem Corpus iuris civilis in seiner Gesamtheit keine ausreichende Autorität mehr vermitteln kann. Im späten 18. Jahrhundert, dem Zeitalter des Absolutismus, ist die Rechtswissenschaft zwar nach wie vor noch textgebunden. Die Autorität eines juristischen Textes soll nun aber nur noch aus dem Befehl des absolutistischen Herrschers folgen. 431 Diese sich bereits im 18. Jahrhundert herausbildenden Erkenntnisse hatten erhebliche Tragweite für die Frage, ob eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Geltung des römischen Rechts als das bisherige Paradigma des gemeinen Rechts in Deutschland wenigstens auf überpositive Gründe gestützt werden konnte. Der Ansatz, daß zwischen dem Naturrecht und dem römischen Recht zumindest Teilidentität bestehe, hätte im Ergebnis jedoch nicht mehr weiterhelfen können. Denn derjenige Teil des römischen Rechts, der lediglich mit einem ius naturae hypotheticum identifiziert werden konnte, bedurfte zu einer Verbindlichkeit erst noch der Vergesetzlichung. Der Teil, der mit dem ius naturale absolutum übereinstimmte, galt, so430 431

Siehe oben S. 163 f. Siehe oben S. 164ff.

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weit er nicht sogar ebenfalls der Vergesetzlichung bedurfte, 432 nicht als römisches Recht, sondern als ius naturale. Denn die positiven und überpositiven Rechtsquellen waren streng getrennt voneinander zu betrachten. Damit konnte die inhaltlich und örtlich positiv nur teilweise Geltung des römischen Rechts kraft gerichtlicher Gewohnheit in der Erkenntnis des späten 18. Jahrhunderts aber hypothetisch nicht durch eine metaphysische Verbindlichkeit des anderen Teiles auf den gesamten Umfang des römischen Rechts erweitert werden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten lag es gegen Ende des 18. Jahrhunderts jedenfalls für Gottlieb Hufeland nahe, in Ermangelung eines allgemeinen positiven Gesetzes in Deutschland die Klarstellung des Rechts allein der Rechtswissenschaft als eigentlicher Quelle des gemeinen Rechts zu überlassen. Sie allein erschien ihm auf der Grundlage ihrer Forschungstätigkeit methodisch in der Lage zu sein, ein System allgemeingültiger praktischer Rechtssätze abzuleiten, die inhaltlich vollständig waren, und überall subsidiär galten, wenn und soweit sie durch das Gesetz nicht derogiert wurden.

e) Zusammenfassung Die lange Zeit aus verschiedenen Gründen übliche Annahme einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen (subsidiären) positiven Geltung des römischen Rechts in Deutschland konnte spätestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr ohne weiteres aufrecht erhalten werden. Der gewohnheitsrechtliche Gebrauch des römischen Rechts war in den Territorien inhaltlich und örtlich uneinheitlich und legte am jeweiligen Ort sogar eher die Annahme seiner partikularrechtlichen Natur nahe. Die dahingehend - soweit erkennbar - allerdings nur vereinzelt gebliebene Einsicht wird jedoch durch die damalige Erkenntnis gestützt, daß sich Gewohnheiten immer nur partikular entwickeln können. Eine zumindest gedankliche Vervollständigung der positiv nur lückenhaften Aufnahme des römischen Rechts in den gerichtlichen Gebrauch ließ sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch nicht mehr mit einer metaphysischen Verbindlichkeit des Corpus iuris civilis insgesamt als ratio scripta begründen, in der eine subsidiär verbindliche ratio naturalis enthalten sei. Die ratio naturalis galt nämlich nach allgemeiner Ansicht im späten 18. Jahrhundert, wenn überhaupt, als selbständige Rechtsquelle433 neben dem positiven Gesetz und dem Corpus iuris civilis als beider überpositiver Hilfsrechtsquelle. Soweit Teile des Corpus iuris civilis sowieso nur mit einem ius naturae hypotheticum übereinstimmen, bedurften sie zur Geltung erst noch einer Positivierung durch das Gesetz, soweit sie nicht bereits gewohnheitsrechtlich positiv galten. Da432

So im Ergebnis Johann Heinrich Casimir von Carmer. Siehe oben S. 176ff. Auch Hans Thieme (in: Art. „Gemeines Recht", Sp. 1507) meint nur, beide, nämlich sowohl das gemeine Recht als auch das Naturrecht, seien im Verhältnis zueinander nicht weniger universell. Dennoch handele es sich aber inhaltlich um getrennt voneinander zu betrachtende Rechtsmaterien. 433

3. Rechtsanwendungsverhältnisse

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mit war aber die Annahme eines historischen gemeinen Rechts in Deutschland insgesamt bloße Illusion geworden. Die aufgezeigten Schwierigkeiten wurden dadurch umgangen, daß über die Gestattungstheorie oder einen angenommenen gemeinsamen Irrtum dennoch behauptet wurde, daß letztlich eine theoretische Vollrezeption erfolgt sei. 434 Daß umfangreiche Teile des römischen Rechts gerichtlich nicht angewendet wurden, stünde einer vollumfänglichen subsidiären Verbindlichkeit nicht entgegen, weil insoweit die positiven Provinzialordnungen Vorrang genössen. Die Rechtswissenschaft nahm nun also erstmals bewußt eine theoretische Rezeption des römischen Rechts „in complexu" an, ohne den abschließenden Beweis für die Richtigkeit dieser Tatsache gefunden zu haben. Die Annahme einer juristischen Rezeption des römischen Rechts in complexu war im Grunde aber die einzige verbleibende Möglichkeit, an der Idee eines gemeinen Rechts in Deutschland noch festhalten zu können.

3. Rechtsanwendungsverhältnisse a) Gemeines und partikulares Recht aa) lus commune habere fundata intentio Zu allen Zeiten bestand zumindest darüber Einigkeit, daß der materiell-rechtliche Inhalt des ius commune im Verhältnis zum partikularen Gesetz435 eigentlich nur subsidiarisch 436 verbindlich sein sollte, 437 weil die vorrangige positive Geltung der partikularen Rechtsquellen in Deutschland unbedingt anzuerkennen war. 438 Das Eigentümliche des gemeinen Rechts war also eine Autorität nicht „neben", sondern „nach" einer vorrangigen Rechtsquelle, soweit der Rückgriff auf ein Hilfsrecht zur Ergänzung oder Auslegung in der Praxis erforderlich wurde. Wenn in einem solchen Fall das Rechtsanwendungsverhältnis einer positiv geltenden Quelle und des ius commune im Prozeß zu bestimmen war, galt zunächst der mehr örtlich geprägte und tief in der mittelalterlichen Überzeugung verwurzelte Grundsatz, 439 daß der jeweils 434

Siehe oben S. 126 f. Zum Verhältnis von Naturrecht und positivem Recht siehe bei Jan Schröder, Recht als Wissenschaft, §24, S.llOff. 436 Zur begrifflichen Bestimmung siehe oben S. 18, Fußn. 7. 437 Für alle siehe bei Heinrich Dernburg, Pandekten, Erster Band, Einleitung S. 1 : „Von vorneherein stand es in einem Gegensatz zu den besonderen Rechten der einzelnen Partikeln des Reiches, welche es vorfand. Diese besonderen Rechte wurden nie vollständig verdrängt und hatten ihre besondere Entwicklung. Ihnen gegenüber erhielt das gemeine Recht subsidiäre Geltung, d. h. es hat nur Kraft in Ermangelung abweichender partikularer Normen. Dies drückte populär der Spruch aus: Landrecht bricht gemeines Recht." 438 Siehe oben S. 135 f. 439 Gerhard Wesenberg/Gunter Wesener meinen (in: Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 14, S. 86), daß es sich hierbei um ein Prinzip germanischen Ursprungs handelt. 435

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engere Rechtskreis zur Bewahrung des dort geltenden Rechts dem umfassenderen stets vorgehe. In welchem Verhältnis dazu ein den jeweiligen Ort umfassendes Ergänzungsrecht stand, war allerdings genauer zu bestimmen.440 Bereits die italienischen Kommentatoren hatten über die später schließlich auch in Deutschland rezipierte ältere Statutentheorie441 darüber hinaus ein weiteres Rechtsanwendungsverhältnis entwickelt. Das gemeine Recht war den positiv geltenden Rechten als ein allgemeinverbindliches Recht über die Subsidiarität derart gegenüber zu stellen, daß es trotz seines vermuteten universellen Geltungsanspruches dem einheimischen Recht den unmittelbaren Vorrang, und damit auch dessen positive Geltung über ein Regel-Ausnahme-Schema beließ. Die allgemeine Regel, mit der man die positive Geltung eines besonderen Rechts mit der Verbindlichkeit des allgemeinen Rechts zu versöhnen versuchte, war schließlich der bereits angesprochene Grundsatz, daß alle Lokal- und Partikularrechte als singuläre Abweichungen vom gemeinen Recht strikt und uneingeschränkt zu interpretieren seien.442 Die praktische Rezeption drehte dieses grundsätzliche Rechtsanwendungsverhältnis der unterschiedlichen Rechtsquellen, wahrscheinlich wegen der Einführung des schriftlichen Prozesses, im Ergebnis um. Denn für den mit der Zeit zunehmend am Corpus iuris civilis ausgebildeten Richter war lediglich das am jeweiligen Ort aufgezeichnete oder aus sonstigen Gründen zweifelsfrei in Geltung stehende partikulare Recht nachvollziehbar. 443 Für den weitaus größeren Bereich des ius non scriptum ergaben sich nämlich Beweisschwierigkeiten. Wer sich (berechtigterweise) auf das geltende, aber zum großen Teil eben ungewisse ius particulare, ius singulare oder ius speciale berief, hatte dessen Existenz zu beweisen.444 Das Gelingen 440

Vgl. Hans Thieme, Art. „Gemeines Recht", Sp. 1506. Zum Nachweis siehe oben S. 103, Fußn. 80. 442 Der Grundsatz ist bekannt als: statuta sunt stricte interpretanda. Dazu sie beispielsweise bei Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, Erster Theil, S. 201 ff. und Zweiter Theil, S. 153 ff. 443 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, §7, S. 139. 444 Den Vorrang des geschriebenen Rechts vor dem Gewohnheitsrecht begründet beispielsweise Augustin Leyser (1683-1752), Professor in Wittenberg und Helmstedt, einer der angesehensten Juristen des usus modernus und der Frühaufklärung seiner Zeit, mit Pomponius als Zeugen in seinen „Mediationes ad Pandectas" (dort in: Specimen 9, Meditatio 1), der schon ius incertum und consuetudo der lex lata gegenüber gestellt hat. Leyser stellt einen ganzen Katalog der Nachteile des Gewohnheitsrechts zusammen. Es sei incertum, varium und mutabilius; es sei nicht firmum und constans. Die consuetudines seien widersprüchlich, selbst innerhalb eines Satzes zersplittert und in der Regel vor Gericht kaum zu beweisen. Daneben könne das Gewohnheitsrecht nicht alle vorkommenden Fälle umfassen und führe zu Streitereien, überflüssigen Disputen und zu Betrügereien. Schließlich sei die consuetudo nicht durch ratio eingeführt, sondern behaupte sich, wie schon Celsus (2. Jh.) [in: Digesten 1, 3, 39 (De legibus senatusque consultis et longa consuetudine)] gesagt habe, aufgrund von Irrtümern. Das endet in dem Vorwurf, das Gewohnheitsrecht öffne richterlicher Willkür (arbitrium iudicis) Tür und Tor (nach Klaus Luig, Richterkönigtum und Kadijurisprudenz im Zeitalter von Naturrecht und Usus modernus: Augustin Leyser (1683-1752), S.209). 441

3. Rechtsanwendungsverhältnisse

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eines solchen Beweises war mit zum Teil unüberwindbaren Hindernissen verbunden, so daß schließlich in der Praxis die vorbezeichnete Regel dahingehend Ergänzung fand, daß das allgemeine Recht solange anzuwenden sei, bis seine Unanwendbarkeit im konkreten Fall nachgewiesen wurde. Dieses erweiterte Rechtsanwendungsverhältnis fand schließlich in der dem gelehrten Beweisrecht entstammenden Wendung des habere fundatam intentionem seinen Ausdruck, mit der die grundsätzliche Geltung des positiven Rechts zwar theoretisch weiter unangetastet blieb. Aber dennoch war für eine fast uneingeschränkte Anwendung des schriftlich fixierten gemeinen Rechts der Weg geebnet, so daß das Subsidiaritätsprinzip im Laufe der Zeit faktisch in sein Gegenteil verkehrt worden war. 445 Auch an diesem Punkt setzte die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts geführte Geltungsdebatte zum römischen Recht an. 446 Denn in dem prozessualen Vorteil, zu dem die fundata intentio bei einer Berufung auf das ius commune führte, indem es die Beweisführungslast für die streitentscheidende singuläre Rechtsnorm einseitig auf den Prozeßgegner abwälzte, meinte man die eigentliche Ursache für die Zurückdrängung der einheimischen Statuten und Gewohnheiten gefunden zu haben. Weil seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend anzuerkennen war, daß ein strenges iura novit curia mehr und mehr bezweifelt werden durfte, war jetzt die Rechtssicherheit gefährdet. Forderte man nämlich aufgrund des Conringschen Rezeptionsmodelles den Nachweis der Rezeption von jedem, der sich auf eine lex des Corpus iuris civilis berief, 447 hätte ein solches Verfahren die fast unerträgliche Konsequenz zur Folge gehabt, daß in jedem Prozeß die Geltungsproblematik zu erörtern gewesen wäre. Ein solcher Nachweis hätte wiederum vorausgesetzt, daß derjenige, der sich auf das römische Recht berief, den Umfang und darüber hinaus auch den Umstand zu beweisen gehabt hätte, daß der konkrete römische Rechtssatz in der Vergangenheit nicht durch ein spezielles Recht verdrängt worden war. An die Stelle des ursprünglichen Beweisvorteiles wäre nun eine Beweislast getreten, die gleichzeitig 445 Dazu ausführlich Wolfgang Wiegand, Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, S. 10 f. Den generellen und selbstverständlichen Vorrang des speziellen und partikularen Rechts gegenüber dem gemeinen Recht lehrte auch noch Otto von Gierke (in: Deutsches Privatrecht, Band I, S. 183), obwohl das reale Massenverhältnis der Rechtsquellen zueinander anders aussah. Heute ist für das europäische Gemeinschaftsrecht seit etwa den 60er Jahren der Grundsatz anerkannt, daß das sogenannte Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem nationalen Recht genießt (EuGH, Slg. 1964,1253, abgedruckt in: NJW 1964,2371). Das entspricht der Umkehrung des Subsidiaritätsprinzips im gemeinrechtlichen Sinne. Hans Thieme meint (in: Art. „Gemeines Recht", Sp. 1509) in Ansehung des heutigen nationalen Rechts, daß auch der in Deutschland geltende Verfassungsgrundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht" als bewußte Umkehrung des für das gemeine Recht gebrauchten Rechtssprichwortes „Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht" formuliert worden sei. 446 Siehe oben S. 101 ff., insbesondere S. 111 ff. 447 So im Ergebnis Johann Georg von Kulpis, De germanicarum legum veterum, ac romani iuris in republica nostra origine, autoritateque praesenti dissertatio epistolica, §L, pag. 55: Randbemerkung: „Respondetur objectionibus: Jus Romanum in Germania jus regulam & jus commune obtinere; negando & invertendo".

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aber eine Umkehrung der versimilitudo, also des anerkannten Vorranges der Ausnahme vor der Regel und des speziellen vor dem allgemeinen Recht, bewirkt hätte. Darin hätte allerdings ein undenkbarer innerer Widerspruch gelegen. Denn gerade diese versimilitudo hatte bereits das vorher zugrunde liegende Rechtsanwendungsverhältnis von (all)gemeinem und besonderem Recht mit der allerdings kritisierten Folge bezweckt. Die immensen praktischen Probleme, die ein anderes Verfahren zur Folge gehabt hätte, sind evident und weisen auf ein rechtspolitisches Moment hin. Die Lösung des Problems fand sich für Johann Schilter (1632-1705) und Samuel Stryk (1640-1710) in der Maxime des habere fundatam intentionem über einen sogenannten „via media" 448 selbst, ohne daß sich am bisher geübten Rechtsanwendungsverhältnis etwas hätte ändern müssen. Schilter forderte nun einfach, daß derjenige, der einen non usus eines römischen Rechtssatzes behauptete, gerade diesen zu beweisen hatte. Ein Umdenken war kaum erforderlich, denn die Behauptung, daß Sätze des Corpus iuris civilis nicht rezipiert worden oder nicht zu beachten waren, beinhaltete die weitere Behauptung, daß als usus contrarius 449 an dessen Stelle entsprechendes einheimisches Recht zur Anwendung komme. Nämlich deshalb, weil entweder dessen Rezeption oder gesetzliche Bildung jünger, und somit das rezipierte römische Recht derogiert worden ist, oder aber deshalb, weil der konkrete Rechtssatz des römischen Rechts aufgrund fehlender tatsächlicher Anwendung in der Praxis nicht rezipiert worden war, und deshalb das ältere einheimische Recht hier sachlich punktuell fortgalt. Um eben diese Behauptung war es aber auch in allen früheren Fällen gegangen, in denen eine Partei eine consuetudo oder ein Statut gegen die intentio in iure commune fundata angeführt hatte, und für deren Bestehen sie eben aufgrund jener fundata intentio den Beweis erbringen mußte.450 Auch gegen den von Johann Schilter entwickelten „via media" haben Johann Georg von Kulpis und Christian Thomasius Kritik geübt. Denn schon allein aus der strengen Subsidiarität des römischen Rechts müsse sich schon ergeben, wie unzutreffend doch die gängige Behauptung sei, der bloße non usus eines Teiles des römischen Rechts habe dieses als Gesetz nicht aufgehoben, sondern nur ein entsprechender usus contrarius. Denn wenn das römische Recht, wie Hermann Coming eben gezeigt habe, nicht durch einen Gesetzgebungsakt, sondern nur usus sensim rezipiert worden ist, so könne jedenfalls durch non usus keine Rezeption auch des an448 Johann Schilter, Praxis iuris Romani in foro germanico iuxta ordinem, Tomus Primus, Exercitatio ad Pandectas II., Additamentum ad § XII., pag. 39 ff. (pag. 40); Samuel Stryk , I. Discursus praeliminaris: de usu et auctoritate iuris Romani in foris Germaniae, §33, pag. 25. Dazu ausführlich Wolf gang Wiegand, Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere Fundatam Intentionem", S. 129, Fußn. 12 und 13. 449 Christian Thomasius, Notae ad singulos institutionum et pandectarum titulos varias iuris romani antiquitates imprimis usum eorum hodiemum in foris Germaniae ostendentes, Lib. I, Tit. III.: De LL. Sctis et longa consuet., pag. 10f.: „De non usu & usu contrario positiones quatuor." 450 Wolf gang Wiegand, Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere Fundatam Intentionem", S. 168.

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deren Teiles erfolgt sein. 451 Damit sei aber schon denknotwendig die Forderung des prozessualen Beweises eines non usus verfehlt, weil sie eine bisher unbewiesene und darüber hinaus auch stark zu bezweifelnde inhaltlich umfassende Aufnahme des römischen Rechts wiederum voraussetze. bb) Diskussion Der hier kurz vorgestellte Meinungsstreit wurde im späten 17. und im frühen 18. Jahrhundert wegen seiner erheblichen praktischen Relevanz äußerst ernst genommen. Dabei ging es den Gegnern des römischen Rechts in erster Linie darum, über eine erneute Umkehr der Beweislast das einheimische Recht wieder an seinen angestammten Platz zurückzuführen. Das dahinter verborgene und eigentlich mehr theoretische Problem der Subsidiarität des ius commune wurde allerdings überhaupt nicht berührt und ist erkennbar erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Begriffen des absoluten und hypothetischen gemeinen Rechts aufgegriffen worden. Der Beweisvorteil des habere fundatam intentionem klärte prozessual zwar die Frage, wann das gemeine Recht in eine Lücke des Partikularrechts stoßen konnte. Fragt man sich aber nach dem „Wie" einer subsidiarischen Geltung, ist der hierfür entscheidende Anknüpfungspunkt an anderer Stelle zu suchen. Für die Untersuchung der Frage des „Wie" einer subsidiarischen Geltung des ius commune hilft eine Parallele zu der von Christian Thomasius erhobenen Behauptung der unzulässigen begrifflichen Vermischung des römischen Rechts mit dem Naturrecht weiter, wenn man damit den Gedanken verbindet, daß das römische Recht vereinzelt auch als Partikularrecht in Anspruch genommen wurde. 452 In beiden Fällen stellt sich nämlich bei einer gedachten inhaltlichen Identität die Frage, in welcher Gestalt der identische Rechtsstoff denn nun tatsächlich zur Anwendung kommt, wenn eine der Rechtsmaterien nur subsidiär gilt. Ist in diesem gedachten Fall das römische Recht oder das inhaltsgleiche Naturrecht streitentscheidende Norm? Oder kommt im Bereich des positiven Rechts ein Rechtssatz als Partikularrecht oder als inhaltlicher Gegenstand des gemeinen Rechts zur Anwendung? Die weit verbreitete inhaltliche Vermischung des römischen Rechts mit dem Naturrecht hatte bereits im frühen 18. Jahrhundert zu der Frage geführt, ob der identische Teil des positiven römischen Rechts und dem des Naturrechts positives Recht oder Naturrecht ist. 453 Die naheliegende Partikularität des römischen Rechts führte 451

Christian Thomasius, Notae ad singulos institutionum et pandectarum titulos varias iuris romani antiquitates imprimis usum eorum hodiernum in foris Germaniae ostendentes, Lib. I, Tit. II.: De origine iuris, pag. 5: „Ex dietis etiam dependet quaestio: an alleganti jus Romanum possit opponi non usus." Vgl. zu der Darstellung des konkreten Problems des „Gerechten Preises" Klaus Luig, Der gerechte Preis in der Rechtstheorie und Rechtspraxis von Christian Thomasius (1655-1728), S. 782ff. und den Hinweis auf das allgemein anerkannte prozessuale Prinzip, daß man ein Negativum nicht zu beweisen brauche. 452 Siehe oben S. 118ff. 453 Siehe oben S. 170ff.

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in Ansehung des Begriffs „Gemeines Recht" zu einem ähnlichen Problem. Diesbezüglich war seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ebenfalls fraglich, ob der inhaltsgleiche Teil des partikularen Rechts und des gemeinen Rechts partikulares oder gemeines Recht 454 ist. Während Thomasius in dem identischen Teil des positiven römischen Rechts und dem des Naturrechts Naturrecht erblickte, hielt die mehrheitlich gegenteilige Auffassung den identischen Teil für römisches Recht. Umgekehrt wurde im späten 18. Jahrhundert der inhaltlich identische Teil des gemeinen Rechts und des partikularen Rechts mehrheitlich dem gemeinen Recht und nur vereinzelt dem partikularen Recht hinzugezählt.455 Fraglich ist also, wie sich die Begriffe des gemeinen und des partikularen Rechts unter Verknüpfung mit dem Subsidiaritätsprinzip zueinander verhalten. Carl Eduard Georg Bruns hat zur Mitte des 19. Jahrhunderts die aus seiner Sicht zwei einzig denkbaren Massenverhältnisse des gemeinen und des besonderen Rechts unter Berücksichtigung der Subsidiarität abstrakt so beschrieben: - Die gemeine Rechtsmasse gilt stets, sofern sie nicht durch eine spezielle Rechtsmasse verdrängt oder modifiziert wird - Variante 1, oder - Die gemeine Rechtsmasse gilt nicht, außer in Fällen der Lücken der speziellen Rechtsmasse - Variante 2. 4 5 6 Ohne einer der Varianten den Vorzug geben zu wollen, hatte Bruns damit zum Ausdruck gebracht, daß nicht nur die Variante 1, sondern auch die Variante 2 dem Subsidiaritätsprinzip noch voll und ganz gerecht werde; denn wie hätte sonst nach seiner eigenen Definition eine „nicht geltende" gemeine Rechtsmasse „verbindliches gemeinsames Recht" sein können?457 Der Grund wird unter historischen Gesichtspunkten deutlich: Fordert man von einem gemeinen Recht eine subsidiarische Geltung nur über die Variante 1, also subsidiär im wohl engeren Sinne,458 so wäre Voraussetzung die inhaltliche Geltung des gemeinen Rechts in complexu. Die Untersuchung hat aber gezeigt, daß die Behauptung einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland bereits seit dem späten 17. Jahrhundert mit guten Gründen bezweifelt werden durfte. Wenn unter historischer Betrachtung eine subsidiarische Geltung des gemeinen Rechts im Sinne der Variante 2 454 Siehe zum Problem bereits bei den Begriffen materiell und formell gemeines Recht; oben S. 69ff. und ausführlich S. 1 lOff. 455 Siehe oben S. 73 f. und S. 121 f. 456 Siehe oben S. 76f. 457 Die Geltung des Inhalts des gemeinen Rechts hatte gerade Carl Eduard Georg Bruns für zwingend gehalten (siehe oben S. 101 m.w. Nachw.). 458 Ein derartiges Subsidiaritätsverhältnis entspricht dem heutigen Verständnis vom Verhältnis der lex generalis zur lex specialis. Beide Bestimmungen „gelten" nebeneinander, obwohl die lex specialis im Einzelfall Vorrang genießt.

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wohl näher lag, wäre aber eine punktuelle Identität des Inhalts von gemeinem und partikularem Recht aus logischen Gründen nicht mehr erklärbar gewesen, wenn allein die Variante 1 zu einem gemeinen Recht führt. Denn nach der Definition (Variante 2) hätte die örtlich und inhaltlich unvollständige Rezeption des römischen Rechts zur Folge gehabt, daß dieses gemeine Recht tatsächlich nur ansonsten örtlich, sachlich und/oder systematisch-logisch, und damit im weitesten Sinne nur partikular begrenzt gilt. Dieses eigentlich unerwünschte Ergebnis folgt aber zwingend aus der Definition, weil ein subsidiarisches gemeines Recht ansonsten keine Geltung entfaltet. Eine Teilung des gemeinen Rechts in einen geltenden und in einen nicht geltenden Bereich widerspricht aber ganz offensichtlich einer theoretischen Rezeption des römischen Rechts in complexu und führt darüber hinaus zu einer echten Deckungsgleichheit der Begriffe vom partikularen und gemeinen Recht. Eine nur begrenzte Geltung des gemeinen Rechts stellt also einen Widerspruch zum Begriff des gemeinen Rechts an sich dar. Die vorgestellten Auffassungen zum Problem der Vermischung von Rechtsmaterien können anhand der beiden von Bruns bestimmten Massenverhältnisse des gemeinen und des partikularen Rechts überprüft werden. a) Legt man ein Subsidiaritätsverhältnis der Rechtsmassen im Sinne der Variante 1 zugrunde, so zeigt sich bei einer gedachten inhaltlichen Gleichheit eines Rechtssatzes folgendes paradoxes Ergebnis: aa) Zählt man mit der wohl herrschenden Meinung im 18. Jahrhundert den identischen Teil der Rechtsmassen zum gemeinen Recht, so ist das Subsidiaritätsprinzip aufgehoben. Denn nach der Definition käme nicht das (inhaltlich gleiche) partikulare Recht, sondern regelmäßig das (inhaltlich gleiche) gemeine Recht direkt und unmittelbar zur Anwendung, obwohl es des Rückgriffs auf ein Hilfsrecht 459 nicht bedarf, weil die Lösung des konkreten Rechtsproblems im partikularen Recht inhaltlich bereits enthalten ist. bb) Das Ergebnis bleibt widersprüchlich, wenn man das inhaltlich gleiche Recht mit der gegenteiligen Auffassung dem partikularen Recht zuordnet. Auch in diesem Fall käme nach der Definition unter Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips nämlich stets das gemeine Recht zur Anwendung. Denn es ist nicht einzusehen, daß das (inhaltlich gleiche) partikulare Recht das (inhaltlich gleiche) gemeine Recht zu verdrängen oder zu modifizieren vermag. Beide Rechtsmassen gehen nämlich, soweit sie inhaltlich identisch sind, ineinander auf. Die Andersbezeichnung dieses (allgemeinen) gemeinen Rechts als partikulares (oder besonderes gemeines) Recht führt nicht weiter, weil die Bezeichnung als gemeines oder partikulares Recht eigentlich einen angenommenen Gegensatz beschreiben soll, 460 der sich im Falle der inhaltlichen Gleichheit nur nicht bemerkbar macht. 459 460

Siehe zu diesem Begriff siehe oben S.75, Fußn. 169. Siehe u.a. oben S.41.

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Beide Ergebnisse sind unbefriedigend. Denn nur dann, wenn das inhaltlich gleiche Recht als partikulares Recht direkt Anwendung findet, wird das Subsidiaritätsprinzip bewahrt. Nur dann käme vorrangig nicht die gemeinrechtliche, sondern die partikulare Rechtsquelle direkt zur Anwendung. b) Nimmt man die Variante 2 zur Grundlage derselben Überlegung, zeigt sich folgendes Ergebnis: aa) Zählt man wiederum mit der herrschenden Meinung die inhaltlich gleiche Rechtsmasse des gemeinen und des partikularen Rechts zum gemeinen Recht, so gilt diese gemeine Rechtsmasse per definitionem nicht, obwohl sie über die inhaltlich gleiche Regelung im partikularen Recht dennoch Anwendung findet. Denn das partikulare Recht besäße gerade in diesem Fall inhaltlich keine durch ein Hilfsrecht auszufüllende Lücke. bb) Die Gegenprobe führt mit der gegenteiligen Auffassung zum selben Ergebnis. Zwar bliebe bei einer derartigen Betrachtung das Subsidiaritätsprinzip streng gewahrt. Aber dieses Phänomen ergäbe sich ganz unabhängig von der Frage, welcher Rechtsmasse das inhaltlich gleiche Recht eigentlich zuzuordnen ist. Denn der damit gleichzeitig erbrachte Beweis einer fehlenden Geltung des gemeinen Rechts im Bereich der Deckungsgleichheit beider Rechtsquellen widerspräche der Behauptung einer Geltung des gemeinrechtlichen Rechtssatzes in complexu im juristischen Sinne. Würde man daraufhin einwenden, daß das zugrunde gelegte Geltungsverständnis bei der Variante 2 nicht im strengen Sinne zu nehmen sei, so wäre zu erwidern, daß dann die Unterscheidung des Massenverhältnisses der gemeinen zur partikularen Rechtsmasse keinen Sinn machte. Gerade dann wären nämlich beide Varianten identisch. Was hier im inhaltlichen Sinne gezeigt werden konnte, wiederholt sich in seiner Widersprüchlichkeit auch in örtlicher Hinsicht. Zur Veranschaulichung wäre die Fragestellung nur leicht dahin abzuwandeln, ob das (örtlich gleiche) partikulare (= besonderes gemeines) Recht, 461 das dem überörtlichen (= allgemeinen) gemeinen Recht inhaltlich entspricht, besonderes oder allgemeines gemeines Recht ist. Auch diese Frage kann im oben verstandenen Sinne unterschiedlich beantwortet werden: Einmal ist die Ansicht vertreten worden, das inhaltlich gleiche Recht verliere am jeweiligen Ort seine Gemeinrechtlichkeit und sei durch die (formelle) Übernahme in das partikulare Recht Partikularrecht geworden. Umgekehrt wurde vertreten, ein inhaltlich identischer Rechtssatz bleibe als Bestandteil auch des überörtlichen gemeinen Rechts gemeines Recht. Die strikte Beachtung der vorstellbaren Massenver461

Daß es ein solches besonderes gemeines Recht in der Gestalt des römischen Rechts gegeben haben soll, haben - wie gezeigt - zumindest die ostfriesischen, die kur- und neumärkischen und später auch die westpreußischen Stände behauptet. Siehe hierzu oben S. 118 f.

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hältnisse beider Rechtsquellen zueinander (Variante 1 oder Variante 2) führt auch bei einer solchen Betrachtung zu Problemen: a) Zählt man das am jeweiligen Ort gleiche Recht des partikularen und des überörtlichen gemeinen Rechts zum (= allgemeinen) gemeinen Recht, so würde dieses inhaltlich gleiche (= allgemeine) gemeine Recht nach der Variante 1 stets gelten, weil es nicht durch das partikulare Recht verdrängt oder modifiziert worden ist. Weil es unter dieser Betrachtung aber stets gilt, käme es jedoch nicht subsidiär, sondern direkt zur Anwendung. Das Ergebnis ändert sich nicht, wenn man mit der gegenteiligen Auffassung das am jeweiligen Ort gleiche Recht des partikularen und des gemeinen Rechts allein zum partikularen (= besonderes gemeines) Recht zählt. Auch dann findet im Prozeß ausnahmslos das überörtlich gleiche Hilfsrecht aufgrund seiner uneingeschränkten Geltung Anwendung, obwohl man es in diesem Fall nur als partikulares Recht bezeichnen würde. b) Nimmt man hiergegen die Variante 2 zur Grundlage derselben Überlegung, so gilt das überörtliche (= allgemeine) gemeine Recht entgegen der behaupteten Geltung in complexu nicht, weil die inhaltlich gleiche partikulare Rechtsquelle am jeweiligen Ort keine Lücken aufweist. Auch hier ändert die Zuordnung der inhaltlich gleichen Rechtsmasse zum partikularen Recht am Ergebnis nichts. Der Umstand, daß der konkrete Rechtssatz sich hier unter abstrakter Betrachtung allein unter der Bezeichnung als partikulares Recht Geltung verschafft, wäre nach der Variante 1 und nach der Variante 2 rein theoretischer Natur. Denn dieses Ergebnis erreicht man per definitionem nur deshalb, weil einmal der inhaltlich identische Rechtssatz des partikularen Rechts am jeweiligen Ort den inhaltlich identischen gemeinrechtlichen Rechtssatz des überörtlichen Rechtskreises inhaltlich verdrängt und/oder modifiziert hat (!), oder aber, weil der gemeinrechtliche Rechtssatz am jeweiligen Ort nicht gilt (!), weil das partikulare Recht insoweit keine Lücken aufweist. Beides ist paradox. Denn wie kann ein inhaltlich gleiches Recht am jeweiligen Ort ein inhaltlich gleiches Recht verdrängen und/oder modifizieren, oder als partikulares Recht gelten und als gemeines Recht gleichzeitig nicht gelten? Die Überlegungen zeigen, daß das Subsidiaritätsprinzip dann ins Leere läuft, wenn man ausnahmsweise nicht den Fall der Lückenhaftigkeit des partikularen Rechts untersucht, sondern den Fall der inhaltlichen Identität zum Gegenstand der Betrachtung macht. Die von Bruns vorgestellten Massenverhältnisse von gemeinem und partikularem Recht können bei inhaltlicher und örtlicher Betrachtung das Subsidiaritätsverhältnis also nur dann zutreffend wiedergeben, wenn gemeines und partikulares Recht inhaltlich nicht übereinstimmen. Entweder weil eine Norm im partikularen Recht ganz fehlt, oder aber in beiden Rechtsmassen inhaltlich unterschiedliche Lösungen vorgegeben sind.

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b) Gemeines Recht und gemeines Recht Die Erkenntnis, daß i m Prozeß nicht nur die Rechtssätze des Partikularrechts, sondern letztlich auch die Rechtssätze des gemeinen Rechts selbst inhaltlich erst über den autoritativen Widerstreit konkret hervortreten, führte bereits i m frühen 18. Jahrhundert zu der äußerst kontrovers diskutierten weiteren Streitfrage, wie das Vorrangverhältnis der Rechtsquellen auch innerhalb des gemeinen Rechts zueinander richtig zu bestimmen ist. 4 6 2 Denn i m Grunde konnte jede gemeinrechtliche Rechtsquelle den Beweisvorteil der fundata intentio konsequent für sich in Anspruch nehmen, wie Heinrich Christian Senckenberg i m Jahre 1740 feststellte. „Allegans ergo alterutrum ex tribus Juribus receptis, 463 eo usque fundatam habet intentionem, donec aliud adducatur [...] Praesumtio ergo non pro solo Romano Jure, sed pro omnibus [,..]." 4 6 4 Man orientierte sich bei der Bestimmung des Rechtsanwendungsverhältnisses der gemeinen Rechte untereinander generell an der alten Statutentheorie, 465 die schon das Rechtsanwendungsverhältnis des gemeinen Rechts zum Partikularrecht bestimmt hatte, und die auf die denkbaren Anwendungsverhältnisse innerhalb des gemeinen Rechts übertragen wurde. Adam Friedrich Glafey beschreibt i m Jahre 1720 das Anwendungsverhältnis des römischen zum sächsischen Recht wie folgt: „So lange nun der Princeps das Principium nicht aufhebet, daß alles dasjenige autoritatem juris hat, was die Juristen in die Fora auf solche Art introduciren, so ist kein Zweifel, daß der Sachsen=Spiegel und dessen Land=Recht dem allegirenden fundatam intentionem noch vor dem Römischen Recht mache, weil in dessen Autorität älter als des Juris Romani seine ist. Wiewohl man dieses letztere noch streitig machen kann 466 [...]." 4 6 7 462

In den Meinungsstand führt im Jahre 1738 ausführlich Anton Bernhard Floto in einer unter Heinrich Christian Senckenberg (in: Disquisito iuridica de probationis iniunctione in iudicio, Von der Auflegung des Gerichtlichen Beweises, Cap. II., §§ XXXIXff., pag. 58 ff.) als Präses verfaßten Dissertation ein. 463 Gemeint sind das Corpus iuris civilis, das Corpus iuris canonici und das langobardische Lehnsrecht. 464 Heinrich Christian Senckenberg , XI. Meditatio: De praesumtione pro Jure Romano, pag. 764-776. 465 Dazu siehe oben S. 103, Fußn. 80 und S. 186. 466 Umgekehrt argumentierte im 19. Jahrhundert die Historische Rechtsschule mit dem für die Rangermittlung ebenso fragwürdigen Vorrang der lex posterior (Corpus iuris canonici zu Corpus iuris civilis). 467 Adam Friedrich Glafey, Grund=Sätze der Bürgerlichen Rechts=Gelehrsamkeit, Durch die gesunde Vernunft, die Römischen und Teutschen Antiquitaeten von ihren Schlacken gesaeubert, und nach Ordnung Der Institutionen zu nützlichem Gebrauch eingerichtet, §43: „muß man, wenn man einen Casum untersuchen will, erstlich zusehen, ob eine besondere Gewohnheit hierin an demjenigen Orte im Brauche sey, wo der Streit anhängig ist". [...] „Ist nun keine solche Gewohnheit vorhanden, welche der streitigen Frage den Ausschlag geben kann, so muß man sich in denen Statuten erkundigen" (§49). [...] „Wenn nun auch in diesen nichts an-

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Das Prioritätsprinzip, nach dem Glafey das Rangverhältnis der Rechtsquellen zueinander bestimmte, ist nun also nicht mehr der früher übliche, aus dem römischen Recht entnommene Grundsatz: „lex posterior derogat p r i o r i " . 4 6 8 Danach hätte das später rezipierte (römische) Recht das ältere (sächsische) verdrängen müssen. Bei konsequenter Umsetzung der Grundsätze der Statutentheorie sollte nun aber umgekehrt dem älteren eingebürgerten Recht der Vorrang gebühren, während das später rezipierte Recht - hier nur als eine Art besonderes gemeines Recht - nur ausnahmsweise subsidiär anzuwenden sei. 4 6 9 Carl Gottlieb Svarez rechtfertigt diesen Vorrang i m Jahre 1771 mit der Ansicht, die weniger sichere Rezeption des einen Rechtssatzes müsse zu einem Rücktritt hinter den mit größerer Sicherheit rezipierten Rechtssatz führen, was in Schlesien insbesondere für das dortige Verhältnis des sächsischen zum römischen Recht gelte. „Zuförderst folgert man, daß, weil das ius saxonicum commune ein ius non scriptum sey, und in Sachen selbst, nur in so fem gelte, als es durch Observanz recipirt worden, ihm auch in Schlesien kein höherer Grad von Gültigkeit beygelegt werden könne. Allein dieser Schlußsatz beruht auf allzu unbestimmten Gründen; er kann über dieses umgekehrt und mit weit größerem Rechte auf das lus Romanum angewendet werden. Die Reception des Sachsen=Rechts in Schlesien überhaupt bedarf keines Beweises; sie ist durch Zeugnisse der Geschichtsschreiber und der Landesherren selbst dargethan. Es ist offenbar widersprechend zu behaupten, daß ein Gesetz in einem Lande allgemein recipirt sey, und doch in jedem einzelnen Falle den Beweis von der Observanz desselben zu verlangen." 470 Auch das Rechtsanwendungsverhältnis des römischen zum kanonischen Recht wurde neu bestimmt, was die erstrangige Nennung des ius canonicum vor dem ius romanum bei Wiguläus Xaver Aloys Kreittmayr andeutet, als er i m Jahre 1768 das „ius canonicum [innerhalb des gemeinen Rechts vor das ius] romanum" stellte. 4 7 1 Die generelle Neubestimmung dieses Rangverhältnisses wurde durch eine zuerst von Alexander Arnold Pagenstecher (1659-1716) 4 7 2 und Christian Thomasius 4 7 3 gezutreffen, woraus der Casus debatiret werden mag, so gehet mann in Sachsen auf das allgemeine Sachsenrecht" (§ 55). Glafey entschied sich also bei der Bestimmung der Rangfolge gegen das römische Recht und in der Folge für eine bestimmte Ausprägung des Sachsenrechts. Die Sache endete für ihn damit aber noch nicht. Denn für spezielle Fragen gebe es spezielles gemeines Recht, etwa das langobardische Lehnsrecht (§60), ausdrückliche Reichsgesetze (§ 64), und letztlich sei auch noch auf das römische Recht als ein besonderes gemeines Hilfsrecht zurückzugreifen (§68). 468 Digesten 1, 4, 4 (De constitutionibus principum). Siehe hierzu bei Jan Schröder, Recht als Wissenschaft, § 3, S. 17, § 24, S. 1 lOff. (112). 469 v g l Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 12, S. 207; Hans Schlosser, Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, § 1, S. 38. 470

Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten, Einleitung, S.IX. 471 Siehe oben S. 97. 472 Alexander Arnold Pagenstecher, Dissertatio de praesenti et auetoritate juris canonici, pag. 214 ff. 473 Zuerst wohl in einem im Jahre 1705 verfaßten Vorwort zu dem in Halle neu aufgelegten Werk von Gerhard Mastricht, Historia iuris ecclesiastici et pontificii, seu de ortu, progressu, in13*

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forderte 4 7 4 Ergänzung der alten Bereichslehre 475 möglich, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts schließlich herrschende Meinung ist. 4 7 6 Carl Gottlieb Svarez bestimmte das Verhältnis zweier subsidiarischer gemeiner Rechte i m Jahre 1771 schließlich generell wie folgt: „Wenn also zwey jura Subsidiaria in Collision kommen, welche bey de nur ex receptione gelten, so ist wohl nichts natürlicher, als daß die Vermuthung allemal auf der Seite desjenigen stehen müsse, welches schon in den ältesten Zeiten und ganze Jahrhunderte vorher, ehe man von dem andern das geringste wußte, fast durchgehends im Gebrauche gewesen ist, auch an und für sich selbst weit mehrere Beziehung auf die alten Schlesischen Sitten und Verfassungen hat, als das Römische, wovon ein so großer Theil auf die unsem Vorfahren ganz unbekannte Subtilitäten des juris prudentiae formulariae und auf die politische Verfassung der Römischen Republik sich gründet." 477 Die Statutentheorie wurde folglich für verallgemeinerungsfähig gehalten und führte für die Gesamtheit der gemeinrechtlichen Inhalte zu einem einheitlichen gemeinen Recht, indem sich die darunter gefaßten Rechtsquellen zueinander über eine jeweils andere Rechtsquelle zur Lückenfüllung sachlich ergänzen, und sich die Frage des konkret hervortretenden gemeinrechtlichen Rechtssatzes i m Falle der Kollision durch ein entsprechendes Vorrangverhältnis klären ließ. Wie sich hierzu das umstrittene ius [commune] germanicum verhält, ist i m 18. Jahrhundert allerdings noch völlig ungeklärt geblieben. 4 7 8 crementis, collectionibus, auctoribusque iuris ecclesiastici et pontificii tractatio" (Halle 1705). Thomasius kommt darin wie Glafey zu folgender Rangfolge der Rechtsquellen: Zuerst gelten die alten deutschen Rechte und Landessitten, da sie älter sind; sie haben Vorrang vor dem (später durch Rezeption eingeführten) kanonischen Recht, und deren Beseitigung ist stets nachzuweisen. Das kanonische Recht wiederum gilt mit Vorrang vor dem römischen, es sei denn, es kann die Beseitigung einer kanonisch-rechtlichen Regelung infolge der Rezeption des römischen Rechts nachgewiesen werden (in: Christian Thomasius, Höchstnöthige Cautelen, welche ein Studiosus Juris, der sich zur Erlernung der Kirchen=Recht=Gelahrtheit auf eine kluge und geschickte Weise vorbereiten will, zu beobachten hat, 21. Hauptstück, §§ 44-47, S. 400-402; vgl. auch die bei Udo Wolter (in: lus canonicum in iure civili) in der Fußn. 652 abgedruckte Präfatio (S. 8 f.) zu seinem Werk „Historia iuris ecclesiastici et Pontificii"). 474 Justus Henning Boehmer (1674-1749) hat sie schließlich als Schüler des Letzteren untermauert. 475 Siehe hierzu ausführlich oben S.90, Fußn. 18. 476 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Udo Wolter, lus canonicum in iure civile, S. 154-168. 477 Carl Gottlieb Svarez, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial=Gesetze zum täglichen Gebrauch für Richter und Advocaten, Erster Theil, Einleitung S.X a. E. 478 Nach Ansicht von Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (in: Das wissenschaftliche Princip des gemeinen deutschen Privatrechts, S.292f.) könne es eine Kollision von römisch-kanonischem Recht und ius germanicum schon gar nicht geben: „In der gegebenen Ausführung der Natur und Tendenz der Wissenschaft des gemeinen deutschen Privatrechts liegt nun auch zugleich die Entscheidung der öfters aufgeworfenen Frage über das Verhältnis dieser Größe zur Wissenschaft des römischen Rechts. Geht man von unsem eben aufgestellten Grundsätzen aus, so kann man diese Frage logischer Weise nicht mehr aufwerfen, da das römische Recht nun keine homogene Größe mit diesem deutschen Rechte bildet, und eine Collision beider Elemente dar-

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c) Zusammenfassung Die dem Inhalt des gemeinen Rechts bereits im Spätmittelalter beigelegte subsidiäre Geltung ist im Laufe der Zeit durch die prozessuale Vermutungsregel des habere fundatam intentionem praktisch in sein Gegenteil verkehrt worden. Diejenigen, die das deshalb zu umfangreiche Eindringen des römischen Rechts in die einheimische Gerichtspraxis im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert kritisierten, versuchten über eine Beweislastumkehr dem einheimischen Recht mit prozessualen Mitteln wieder zu seinem angestammten Platz zu verhelfen, und dadurch das ursprüngliche Subsidiaritätsverhältnis wiederherzustellen. 479 Was Subsidiarität in Ansehung der Geltung des Inhalts des gemeinen Rechts bedeutet, ist im 18. Jahrhundert allerdings - soweit erkennbar - unbehandelt geblieben. Diese Frage scheint erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts problematisiert und mit dem Begriff des hypothetischen gemeinen Rechts gelöst worden zu sein. 480 Die im 18. Jahrhundert geführte Debatte über die Rechtsnatur eines im römischen Recht und im Naturrecht enthaltenen Rechtssatzes führt zu einer parallelen Fragestellung bei der Betrachtung der inhaltlichen Identität von partikularem und gemeinem Recht. Prüft man eine inhaltliche Identität des gemeinen und des partikularen Rechts anhand der denkbaren Massenverhältnisse des gemeinen zum partikularen Recht, gelangt man allerdings zu dem Ergebnis, daß sich das Subsidiaritätsprinzip anhand der formulierbaren Massenverhältnisse eigentlich nicht darstellen läßt. Denn inhaltliche Identität beider Rechtsquellen führt zu einer widersprüchlichen Deckungsgleichheit beider Begriffe. 481 Ein subsidiarisches gemeines Recht kann es also jedenfalls im Bereich der Deckungsgleichheit der Inhalte nicht geben. Die erst späte Erkenntnis, daß das gemeine Recht inhaltlich eigentlich aus verschiedenen Rechtsquellen besteht, machte im 18. Jahrhundert nicht nur zwischen gemeinem und partikularem Recht, sondern auch zwischen den gemeinrechtlichen Quellen untereinander die Festlegung eines Rechtsanwendungsverhältnisses erforderlich. Auch innerhalb des gemeinen Rechts machte man sich hierzu die seit alters her bekannte Statutentheorie zu nutze, die bereits seit dem Mittelalter das Rechtsnach nicht mehr als möglich erscheint; denn das erstere [das römische Recht] ist die wissenschaftliche Darstellung der Lehren eines unmittelbar anwendbaren Rechtsbuches, das letztere [das gemeine einheimische Recht] die wissenschaftliche Behandlung eines Ergebnisses, das durch eine eigenthümliche, höhere Auffassung einer Menge wirklich gültiger und anwendbarer Rechtsstoffe gewonnen wird, ohne selbst den Anspruch auf diese Anwendung im praktischen Rechtsleben zu machen. Es können daher zwar Collisionen entstehen zwischen den Sätzen des römischen Rechts und denen der unmittelbar anwendbaren deutschen Particularrechte, nicht aber zwischen dem römischen Rechte und jener sublimirten Größe der Wissenschaft des gemeinen deutschen Privatrechts, welche durch ihr Grundprincip aus jeder Parallele mit jenem entrückt ist." 479 Siehe oben S. 185 ff. 480 Siehe oben S. 75 ff. 481 Siehe oben S. 189ff.

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anwendungsverhältnis des partikularen und des gemeinen Rechts zueinander bestimmte. Dadurch entstand innerhalb des gemeinen Rechts ein zweites Subsidiaritätsverhältnis, über das letztlich durch Klärung des jeweiligen Vorranges eine gegenseitige inhaltliche Ergänzung möglich wurde, die schließlich zu einem einheitlichen und universellen gemeinen Recht unter Einschluß des positiven Rechts und des Naturrechts führen sollte. 482

4. Zwischenergebnis Klaus Luig hat in einem Aufsatz aus dem Jahre 1977 vorsichtig angedeutet, daß der Begriff des gemeinen Rechts im 18. Jahrhundert in eine schwere Krise geraten sei. 483 Wie die Untersuchung gezeigt hat, sind die Gründe zahlreich und vorwiegend inhaltlicher Natur. So war in der Rechtswissenschaft bereits streitig, welche Rechtsquellen unter dem einsilbigen Begriff „Gemeines Recht" inhaltlich überhaupt zusammengefaßt werden durften. Zum Teil wurde hierzu vertreten, unter gemeinem Recht seien einmal das Naturrecht als überpositives Recht und daneben das römisch-kanonische Recht, das langobardische Lehnsrecht sowie das ius germanicum als positives Recht zu verstehen. Nach anderer Ansicht könne bestenfalls das römisch-kanonische Recht diese Eigenschaft für sich in Anspruch nehmen. Denn das langobardische Lehnsrecht sei sachlich begrenzt und damit selbst von partikularer Natur. Und das ius germanicum werde aus soviel Widersprüchlichem abgeleitet, daß es in seiner Gesamtheit kaum für allgemeingültig gehalten werden könne.484 Darüber hinaus zwang die Rechtswissenschaft die Erkenntnis, daß das römische Recht als das bisherige Paradigma des gemeinen Rechts nicht aus formellen Gründen in seinem gesamten Umfang galt, 485 seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum Umdenken. Die Rechtswissenschaft nahm nun an, eine in gleichem Maße positive Geltung habe die gewohnheitsrechtliche Aufnahme des römischen Rechts in die gerichtliche Praxis bewirken können. Obwohl im Detail vieles umstritten war, zeigte sich aber schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts deutlich, daß eine inhaltlich umfassende und örtlich einheitliche Aufnahme des römischen Rechts in die einheimische Gerichtspraxis als wesentliche Voraussetzung seiner Gemeinrechtlichkeit historisch nicht festgestellt werden konnte. 486 Dadurch wurde die Annahme eines praktischen ius commune in Deutschland schwankend, was sogleich Gefahr für die Rechtssicherheit bedeutete. Denn damit wäre nicht nur das partikulare Recht, sondern auch das ergänzende Hilfsrecht beweispflichtig geworden, was die Rechtspfle482

Siehe oben S. 194 ff. Klaus Luig, Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Deutschland, S. 819 (S. 3). 484 Siehe oben S. 97. 485 Siehe oben S. 101 ff. 486 Siehe oben S. 108 ff. 483

4. Zwischenergebnis

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ge vor unlösbare Probleme gestellt hätte. Folglich wurden Hilfsbegründungen notwendig. Weil der Nachweis einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Rezeption in Deutschland historisch einfach nicht gelingen wollte, versuchte man im 18. Jahrhundert über die Gestattungstheorie oder die Annahme eines gemeinsamen Irrtums die theoretische Zulässigkeit einer viel weitreichenderen Anwendung des römischen Rechts juristisch zu begründen, als sie in der Praxis tatsächlich überhaupt zu beobachten war. 487 Damit sei nämlich der Beweis einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Anwendbarkeit erbracht, obwohl die Praxis hiervon wegen der unterschiedlichen Provinzialrechtsordnungen und der Subsidiarität des gemeinen Rechts letztlich keinen inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Gebrauch mache. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde allerdings klar, daß sich Gewohnheiten immer nur partikular entwickeln können, und die Übertragung einer Gewohnheit von einem auf einen anderen Ort nicht nur historisch, sondern auch juristisch nicht möglich ist. 488 Zum Teil wurde sogar mit guten Gründen vertreten, das römische Recht sei jedenfalls durch Rezeption am jeweiligen Ort Partikularrecht geworden und stelle folglich das genaue Gegenteil des gemeinen Rechts dar. 489 Damit war der Versuch einer positiven Geltungsbegründung des römischen Rechts aber endgültig gescheitert. Auch eine wenigstens gedankliche Vervollständigung der im positiven Sinne nur lückenhaften Aufnahme des römischen Rechts ließ sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit einer metaphysischen Verbindlichkeit des römischen Rechts als einem ius scriptum nur noch schwer begründen. Denn im 18. Jahrhundert sah man im ius naturale eine selbständige Rechtsquelle, die als ius naturale und nicht als römisches Recht neben dem Gesetz subsidiär verbindlich sein sollte. Soweit das römische Recht teilweise sogar nur mit einem hypothetischen Naturrecht übereinstimmt, hätte es als Geltungsvoraussetzung auch insoweit erst der autoritativen Befestigung durch das Gesetz bedurft, 490 soweit es nicht nachweislich als Gewohnheitsrecht in die gerichtliche Praxis aufgenommen worden war. Damit konnten im Ergebnis also auch metaphysische Geltungsgründe weder zu einer inhaltlich umfassenden noch örtlich einheitlichen subsidiären Geltung des römischen Rechts in seiner Gesamtheit führen. Obwohl die Probleme im Zusammenhang mit einer subsidiären Geltungsbegründung des römischen Rechts gegen Ende des 18. Jahrhunderts kaum noch lösbar erschienen, hielt die Rechtswissenschaft zumindest an der Idee des gemeinen Rechts unbeirrbar fest. Einige sahen die Lösung der Probleme in der These, die Wissenschaft selbst sei - ähnlich wie schon im Mittelalter - als die wahre Quelle des ge487 488 489 490

Siehe oben S. 125 ff. Siehe oben S. 123 ff. Siehe oben S. 118ff. Siehe oben S. 177.

200

3. Kap.: Die inhaltliche Krise des gemeinen Rechts im 18. Jh.

meinen Rechts anzusehen.491 Denn sie sei in der Lage, jede allgemeine positiv geltende oder historisch überlieferte Rechtswahrheit pragmatisch hervorzuheben, und daraus einzelne (positive) Rechtssätze für die Praxis abzuleiten. Andere meinten, das römische Recht gelte trotz der zahlreichen Zweifel nach wie vor in complexu uneingeschränkt positiv. Und der Beweis einer inhaltlich umfassenden und örtlich einheitlichen Rezeption sei überflüssig. Allein das „Faktum der Aufnahme" rechtfertige schon die These von der (theoretischen) Rezeption in complexu, die schließlich bis kurz vor Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 herrschend bleibt, obwohl eine spürbare gerichtliche Anwendung des römisch-kanonischen Rechts tatsächlich kaum noch feststellbar gewesen ist. 492 Die Gesetzesredakteure des „Allgemeine[n] Gesetzbuch[s] für die Preussischen Staaten" und des im Jahre 1794 gesetzlich in Kraft getretenen „Allgemeine[n] Landrecht[s] für die Preussischen Staaten" haben in Preußen gegen Ende des 18. Jahrhunderts offenbar genau den entgegengesetzten Standpunkt vertreten. Für sie war die communis opinio doctorum, die eigentlich bereits seit langem nicht mehr zum Gegenstand des ius commune gezählt wurde, der eigentliche Grund für die unzähligen Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten innerhalb des bisher angenommenen subsidiarischen Hilfsrechts. Ihnen schien deshalb unter Bewahrung der Idee des gemeinen Rechts für Preußen allein seine autoritative Klarstellung durch eine weitgehend lückenlose493 Verstaatlichung seiner Inhalte der einzige Weg aus dem Dilemma zu sein. Allein so konnte das gemeine Recht für die Praxis in Preußen auf die formelle Grundlage gehoben werden, die man zunächst lange Zeit nur vermutet und später unzutreffend behauptet hatte.

491

Siehe oben S. 182. Siehe oben S. 130. 493 Während das Problem der Lückenlosigkeit der Kodifikation für den Code Napoléon und das österreichische ABGB äußerst kontrovers diskutiert wurde, scheint es für das ALR gesetzestechnisch keine Rolle gespielt zu haben. Vgl. die Auseinandersetzung zwischen Julius Hatschek (in: Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, S.461 ff.) und Josef Lukas (in: Benthams Einfluß auf die Geschlossenheit der Kodifikation, S.67 ff.). 492

4. Kapitel

Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz 1. Das Allgemeine Gesetzbuch/Allgemeine Landrecht (1792/1794) Der Gedanke, im Zusammenhang mit einer allgemeinen Gesetzgebung nach dem Muster des gemeinen Rechts auch die einheimischen Provinzialrechte aufzuzeichnen und als Sonderrecht den allgemeinen Regeln gegenüberzustellen, war bereits von Gottfried Wilhelm Leibniz vorgeschlagen worden. 1 In einem undatierten, wahrscheinlich um 1700 entstandenen Fragment, das durch Leibnitz über einflußreiche Hofkreise dem Kurfürsten von Brandenburg und König von Preußen, Friedrich III. (1657-1713), zugespielt wurde, hatte er nach dem Vorbild der kursächsischen Konstitutionen empfohlen, streitige Kontroversen einheitlich und autoritativ zu entscheiden und die „jura localia vel Statutaria cujusque provinciae vel loco" in ein „compendium" aufzunehmen. 2 Ein ähnliches Verfahren hatte Hermann Conring schon zur Mitte des 17. Jahrhunderts auch im Verhältnis der einzelnen Territorien zum Reich vorgeschlagen.3 Ein erster Versuch zur umfassenden Reform des Rechts wurde schließlich in Preußen unternommen, wobei sich die ersten Ansätze zunächst ganz provinziell in Brandenburg, Ostpreußen und Magdeburg abzeichneten, um schließlich erst unter Samuel Freiherr von Cocceji auf ein einheitliches Gesetzbuch zu zielen. Sie endeten schließlich mit einem im Jahre 1780 von Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) erzwungenen Kompromiß.

1 Zur Justizreform in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts siehe den Abriß bei Carola Barzen, Die Entstehung des „Entwurfes) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, Einführung, S. 1 ff. 2 Abgedruckt bei Siegfried Isaacsohn, Leibniz als Förderer der preußischen Justizreformbestrebungen von 1698, S.415. 3 Hermann Conring, De origine iuris germanici liber unus, Gap. XXXV., pag. 180 und 186. Conring schlug erstmals in der hier zitierten dritten Auflage seines Werkes aus dem Jahre 1665 vor, dasjenige, was allen Volksstämmen und Gegenden gemeinsam ist, in einem kaiserlichen Reichsgesetzbuch zusammenzufassen, und daneben in Gesetzbüchern für die einzelnen Territorien die jeweiligen Besonderheiten und Ausnahmen zu regeln. Der Zivilprozeß und die Gerichtsverfassung schienen Conring aber am dringendsten der Reform bedürftig. Vgl. Ernst von Moeller, Hermann Conring der Vorkämpfer des deutschen Rechts 1606-1681, S.88ff.

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4. Kap.: Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz

Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) äußerte bereits 1713 die Absicht, ein einheitliches Landrecht „vors ganze Land" zu schaffen. 4 Er hatte damit aber wohl nur die Mark Brandenburg und nicht alle Staaten unter seiner Herrschaft gemeint, denn bereits als die Frage nach ständischer Mitwirkung aufkam, lehnte er es strikt ab, die „Verordneten der hiesigen Landschaft" zu Rate zu ziehen.5 Auch seine Kabinettsorder vom 18. Juni 1714 trug allein der außerhalb Brandenburgs gelegenen Juristenfakultät in Halle die Abfassung „unterschiedlicher Constitutionen" auf, die „Rechtsgelahrte zu Verbesserung des Justizwesens in Unserer Churmark nöthig befunden" 6 hätten. Sie zielte also allein auf brandenburgische, nicht aber auf allgemeine Landesgesetze ab. Da die halleschen Konstitutionen sich zumindest nicht erhalten haben,7 läßt sich nicht klären, ob sie wenigstens nach Art ihrer Anlage verallgemeinerungsfähige Rechtssätze enthalten sollten. Als sich der König nach einer Reihe von Verwicklungen, die die Reform des brandenburgischen Rechts verhindert hatten,8 erneut der Verbesserung des materiellen Rechts zuwandte, galt sein Interesse erneut bloß dem Landrecht eines einzelnen Herrschaftsgebietes, nämlich Preußens. Zwar war inzwischen ein Gesetz ergangen, das erstmals für die gesamte Monarchie in Kraft gesetzt werden sollte,9 es erging aber zunächst nur für die Kur- und Neumark. Im Jahre 1719 wurde sie auf Cleve, Magdeburg, Pommern und die Grafschaft Mark, und erst später auch auf Preußen in seiner Gesamtheit erstreckt. 10 Aber auch hierbei handelte es sich lediglich um eine 4 Antwortbericht vom 1. April 1713 an den Justizminister und Präsidenten des Oberappellationsgerichts Christian Friedrich Freiherr von Bartholdi (1668-1714) auf dessen Vorschläge zur Abschaffung der Mißstände im Zivilprozeß. Vgl. Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Zweiter Band, S.42. Nach Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.74. 5 Schlußbetrachtung zum Entwurf zur Verbesserung des Prozeßrechts vom 7. Juni 1713. Vgl. Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S.43; dort auch zu seiner Ankündigung, sich durch den Landtagsrezeß von 1653 nicht binden zu lassen. Nach Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.74. 6 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S.57,60 f. 7 Diese Frage ist streitig. Zum Teil wird vertreten, Christian Thomasius sei gänzlich untätig geblieben und habe überhaupt nichts Brauchbares geliefert. Zum Meinungsstand siehe Carola Barzen, Die Entstehung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, S.8f. m. w. Nachw. 8 Die Justizreform kam 1714 ins Stocken, nicht weil die Universität ihre Aufgaben nicht erfüllte, sondern weil (1) schon vor dem Ablieferungstermin der preußische Justizminister Christian Friedrich Freiherr von Bartholdi (1668-1714) am 28. August 1714 starb, (2) die Emenung des Nachfolgers Ludwig Otto von Plotho (1663-1731) sich bis zum 1. Oktober hinzog, (3) der sprunghafte König am 8. November darauf drängte, die Gerichte sofort neu zu organisieren, und vor allem aber (4), weil der schwedische König Karl XII. (1664-1718) Brandenburg seit dem November des Jahre 1714 mit Krieg bedrohte (vgl. Adolf Stölzel, BrandenburgPreußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 68-72). 9 Kriminalordnung vom 8. Juli 1717; nach Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S. 74. 10 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S.74.

1. Das Allgemeine Gesetzbuch/Allgemeine Landrecht (1792/1794)

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bloße Verfahrensordnung, die nur als eher innerdienstliche Regelung aufgefaßt werden kann.11 Auch die nächste Anstrengung einer Bereinigung des materiellen Rechts blieb partikular ausgerichtet.12 Kurz bevor Friedrich Wilhelm I. Samuel von Cocceji am 5. November 1737 zum Chef de Justice bestellte, kündigte er ausdrücklich an, ein besonderes (allgemeines) Landrecht für alle Staaten erlassen und es nur durch ein bereinigtes Statutar- und Provinzialrecht der einzelnen Provinzen ergänzen zu wollen. 13 Dieser Plan maß dem allgemeinen, die Provinzialgrenzen überspannenden Landrecht offensichtlich keine subsidiarische Funktion nach Analogie zum bisherigen gemeinen Recht zu, sondern zielte auf ein umfassendes primär geltendes Gesetz ab, in dessen Anhang nur einige lokale Besonderheiten aufgenommen werden sollten, die sich nicht harmonisch in ein allgemeines Gesetzbuch einfügen ließen. Gedacht war an eine Erfassung des gesamten partikularen Rechts, die man glaubte, binnen dreier Monate bewerkstelligen zu können. Das deutet bereits auf den Umstand hin, daß man den Umfang gering einschätzte. Wenn Cocceji dabei weiter von Rechten sprach, „insofern sie bei jeder Provinz vom jure commune abgehen",14 war das sicher als selektives Kriterium gemeint, 15 kann aber nicht schon als sicherer Hinweis auf die Absicht gewertet werden, das Landrecht wie vorher den Inhalt des gemeinen Rechts als bloßes subsidiarisches Hilfsrecht in Geltung zu setzen. Die Idee eines einheitlichen Landrechts für alle brandenburgisch-preußischen Staaten tauchte erst in Ziff. XI. des Reskripts Friedrich Wilhelm I. vom 26. Februar 1738,16 das Cocceji zum Chef de Justice bestellte, und zusätzlich in No. IX. der Ka11

Entsprechendes gilt für die am 23. September 1718 ebenfalls für die Kur- und Neumark erlassene und auf andere Territorien erstreckte Vormundschaftsordnung, die übrigens ebenfalls die Carmerschen Reformen überdauerte, sowie für die Depositalordnung. Nach Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.75, Fußn. 27. 12 Befehl vom 8. September 1728 an die Obrigkeiten und Magistrate des Herzogtums Magdeburg, das dortige Statutarrecht binnen vier Wochen zu sammeln, mit der Ankündigung, das nicht zeitgerecht eingesendete Recht trete außer Kraft. Nach Peter Krause, Das gemeine Recht und seine Kodifikation durch das Allgemeine Landrecht, S.75, Fußn.28. 13 Reskript vom 26. Februar 1738 „betreffend die Visitation sämtlicher Justizcollegien". Vgl. Adolf Stölzel, Brandenburg=Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 126; auszugsweise abgedruckt bei Carola Barzen, Die Entstehung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, Anhang, S. 236f. 14 Zitiert nach Adolf Stölzel, Brandenburg=Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Zweiter Band, S. 126-127. 15 Wohl schon allein aus systematischen Gründen, nämlich um die Verdopplung des Rechts zu vermeiden. 16 „No. XII. Rescript, wie es in verschiedenen Puncten zur Verbesserung der Justiz zu halten, und wegen der bevorstehenden Generalvisitation derer Justiz-Collegiorum. d. d. den 26.02.1738", abgedruckt in: C.C.M., I. Continuatio, Anderer (2ter) Theil, Erste Abtheilung (1738), Sp. 131-136 (Sp. 134): „Sind wir auch entschlossen, ein besonderes Land=Recht in Unseren Landen einzuführen und das Jus Romanum, in so weit es applicabel, zum Fundament nehmen zu lassen. Gleichwie aber es sich nicht füglich thun lassen will, die besonderen Statuta und Jura jeder Provintz mit einfließen zu lassen [...]", und No. XIII., Sp. 137-140, hier Sp. 138:

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4. Kap.: Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz

binettsorder vom 1. März 1738 1 7 auf. Sie legte ihm nun die Verfertigung „eines beständigen und ewigen Land=Rechts" unter Abschaffung „des confusen, und theils auf Unsere Lande nicht quadrierende ius romanum" und unter „Einverleibung der unzähligen Menge von Edicten" auf, ohne von einer doppelten Gesetzgebung noch von einer Subsidiarität des beabsichtigten Generalgesetzes zu sprechen. In dem von Cocceji mit Bericht vom 9. M a i 1746 Friedrich Wilhelm II. vorgelegten „unvorgreiflichen Plan wegen Verbesserung der Justiz" 1 8 hatte sich ebenfalls an dem Ziel eines allgemeinen primär geltenden und allenfalls provinzielle Besonderheiten gestattenden Generalgesetzbuchs nichts geändert: „Hauptsächlich muß das Römische Lateinische Recht abgeschafft und auf den Preußischen Fuß ein Teutsches Landrecht verfertiget werden, welches blos auf die natürliche Vernunft und die Landes=Verfassungen sich gründen muß, und welches ich in einem Jahr liefern will." 1 9 Dieser Gedanke wurde vom König in der „Constitution" für die Reform der Justiz in Pommern vom 31. Dezember 1746 erneut aufgegriffen, wenn er Samuel von Cocceji dort befahl, „ein Teutsches Allgemeines Landrecht, welches sich blos auf die Vernunft und Landesverfassungen gründet, zu verfertigen, und zu Unserer Approbation vorzulegen, worüber Wir hiernächst aller Unserer Stände und Collegiorum, auch Universitäten monita einholen, und die besonderen Statuta einer jeden Provintz besonders beydrucken lassen wollen." 20 „[...] daß ein beständiges und ewiges Land=Recht verfertiget, das confuse und theils auf Unsere Lande nicht quadrirende Jus Romanum abgeschaffet werde [...]"; vgl. dazu: Die Justizreform in den Königlich Preußischen Staaten in den Jahren 1746-1748, in: Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, Jahrbücher für die Preussische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, Band 59, S.78 Note. 17 „No.XIII. Notification an das Hof= und Kammer=Gericht allhier, wegen der Function, so Sr. Königl. Majest. Dero Etats-Ministre Cocceji zu Verbesserung des Justiz-Wesens allergnädigst aufgetragen, dd. Berlin, den 1. Mart. 1738", abgedruckt in: C.C.M., I. Continuatio, Anderer (2ter) Theil, Erste Abtheilung (1738), Sp. 137-140 (Sp. 138). 18 Teilweise (mit Erläuterungen) abgedruckt in: Acta Borussica, Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert, Siebenter Band, S. 5-10; Adolf Stölzel, Brandenburg=Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Zweiter Band, S. 169f. 19 Adolf Stölzel, Brandenburg=Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Zweiter Band, S. 170. Ebenso „Constitution vom 31. Dezember 1746, wie die Prozesse in Pommern nach Sr. Kön. Maj. in Preußen vorgeschriebenem Plan in einem Jahre in allen Instanzien zu Ende gebracht werden sollen", in: Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, Die Justizreform in den Königlich Preußischen Staaten in den Jahren 1746-1748, in: ders., Jahrbücher für die Preussische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, Band 59, S. 78, S. 133: „§ 24:... ein deutsches allgemeines Landrecht, welches sich bloß auf die Vernunft und Landes=Verfassung gründet, zu verfertigen und zu Unserer Approbation vorzulegen, worüber Wir hiernächst aller Unserer Stände und Collegia, auch Universitäten Monita einholen, und die Statuten einer jeden Provinz besonders beidrucken lassen wollen, damit einmal ein [sie!] gewisses Recht im Lande etablirt, und die unzähligen Edicté aufgehoben werden mögen." 20 „Constitution vom 31. Dezember 1746, wie die Prozesse in Pommern, nach Sr. Königl. Majestät in Preussen vorgeschriebenem Plan, in einem Jahr in allen Instanzien zum Ende gebracht werden sollen", abgedruckt in: Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, Die Justiz-

1. Das Allgemeine Gesetzbuch/Allgemeine Landrecht (1792/1794)

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Schon die Rücksichtnahme auf die Verfassungen der Länder wäre in einem bloß subsidiären Hilfsrecht eigentlich überflüssig gewesen. 21 Noch deutlicher wird die Intention i m Landrechtsprojekt selbst. Nach § 28 der Vorrede zum Project des Corpus iuris Fridericianum von 1749 hatte der König nun befohlen: „1. Ein generales Land=Recht, worunter alle Rechte, die in der Civil=Societät vorkommen können, begriffen sind, zu verfertigen." Von besonderen Provinzialgesetzbüchern ist keine Rede. Vielmehr lautete § 15, Part. I., Lib. I., Tit. I I . : 2 2 „Weil auch, fünftens, verschiedene Provintzen, Städte und Gemeinden, besondere Statuta und Privilegia haben, so sollen dieselbe diejenige Casus, welche von diesem Land=Recht discrepiren, und dennoch von denen Provintzen und Städten geme beybehalten werden wollen, binnen Jahres=Frist an Uns einsenden, da Wir dann dem Befinden nach dieselbe approbiren, und die besonderen Jura in einer jeden Provintz durch einen Anhang dem Land=Recht beydrucken lassen werden. Wenn aber binnen Jahres=Frist dergleichen Statuta nicht eingeschickt werden, so soll es lediglich bey diesem Land=Recht gelassen werden. Es wird Uns aber auch zu besonderm Gefallen gereichen, wann die Provintzen ein uniformes Recht beybehalten, und insonderheit ratione successionis dieser Ordnung sich submittiren, folglich der Communioni bonorum, woraus unsägliche Streitigkeiten herrühren, ratione futuri renunciren wolten." 23 Auch als der Amtsvorgänger des Johann Heinrich Casimir von Carmer, der konservative Großkanzler Carl Joseph Maximilian Freiherr von Fürst und Kupferberg (1717-1790), i m Januar 1776 den Gedanken „baldiger Anfertigung eines allgemeinen vollständigen Gesetzbuches" wieder aufgriff, wollte er diesem, nicht anders als Cocceji dreißig Jahre zuvor, für jede Provinz wegen ihrer SpezialVerfassungen in Erb- und Lehnsfällen etc. einen Anhang anfügen, es aber nicht auf eine bloß subsidiarische Funktion beschränken. 24 reform in den Königlich Preußischen Staaten in den Jahren 1746-1748, in: dersJahrbücher für die Preussische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, Band 59, S. 78, S. 133 sub. §24. 21 Die Erläuterung geht in die gleiche Richtung: „Die Justitz=Collegia müssen sich nach dem alten Römischen Lateinischen Recht richten, welches in lauter ohne alle Ordnung zusammengeflickten Stücken bestehet, und wovon die Hälfte auf dieses Lande nicht applicable ist, ja worin kein Gesetz ist, welches nicht pour et contre ausgelegt werden kann. Dieses confuse Recht wird durch das Sachsen- und kanonische Recht und durch die unzehligen Edicta noch in größere Confusion gesetzt. Daher vor allen Dingen nöthig ist, ein allgemeines Landrecht in Teutscher Sprache zu entwerffen, welches blos nach der Vemunfft und hiesiger Landes=Verfassung einzurichten, alle anderen Gesetze und Edikta aufzuheben: Hiemächst die Collegia und Stände einer jeden Provintz mit ihren Monitis darüber zu hören und solchergestalt ein gewisses und beständiges Recht zu verfertigen und Darüber stricte zu halten. Diejenigen Jura, welche eine jede Provintz durch besondere Statuta erworben hat und von dem allgemeinen Recht abgehen, müssen in fin besonders beygedruckt werden." 22 Genau wie § 11 österr. ABGB. 23 Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preußen in der Vernunft und Landes=Verfassungen gegründeten Land=Recht, worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung [...] gebracht: [...], Theil 1, Part.I., Lib.I., Tit. II., § 15. 24 Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, S. 269.

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4. Kap.: Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz

Eine grundlegende Veränderung brachte die Kabinettsorder vom 6. A p r i l 1780, mit der Friedrich der Große nun auf einen zwei Tage zuvor vorgelegten Gesetzgebungsplan Carmers reagierte: 25 „Dabey aber muß ich Euch sagen, daß gewisse Gebräuche in den differenten Provintzien sind, wo also kein General Gesetz zu machen stehet, man muß daher immer mit auf die uralten Gebräuche in den Provintzien sehen, daß solche nicht übern Hauffen gehen, denn zum Exempel in Schlesien, wie Euch selbst bekannt ist, differiret es mit andern Provintzien wegen der Erbschaften, im Cleveschen differiret es, weil die Bauern dorten nur eigentliche Pächter sind, In Pommern und Westpreußen wegen der Leibeigenschaft, und in Oberschlesien eben so wohl, und so hat eine jede Provintz ihre alten Gebräuche: Also ist nicht möglich, daß ein Gesetz General sein kann, sondern bei allen Provintzien, wo differente Gebräuche sind, muß ein Unterschied gemacht werden. [...] Überhaupt ist Eure Idee [der Verbesserung der Gesetze] admirable, und kommt es nur darauf an, wie das zum besten anzufangen und auszuführen, um die differenten Weitläufigkeiten in allen Sachen zu coupiren, und um den Endzweck recht zu erreichen, möchte es wohl nöthig sein, nach den differenten Gebräuchen in den Provintzien für jede ein besonders Gesetz zu machen, nehmlich vor Schlesien, vor Preußen, vor Pommern und die Neu-Mark, vor die Chur-Mark, vor das Magdeburgische und Halberstädtsche, vor Minden und Ravensberg, vor Cleve und die Grafschaft Mark, und vor Ostfriesland wieder ein anderes." 26 Von einer allgemeinen Gesetzgebung w i l l der König nichts wissen. Vielmehr sollen nach dem fortentwickelten Modell des preußischen Landrechts verschiedene Provinzialgesetze gefertigt werden. Erst die folgende Kabinettsorder vom 14. A p r i l 1780 27 läßt wieder ein allgemeines subsidiarisches Gesetzbuch zu; dieses aber erst nach Fertigstellung der Provinzialgesetzbücher (Landes=Gesetze am gehörigen Ort eingeschaltet) und auch nur zur Ausfüllung inhaltlicher Lücken, „zu welchem der Richter beym Mangel der Provinzial=Gesetze recurrieren kann, [...]". Damit kehrte der königliche Befehl aber das von Cocceji ursprünglich geplante Verhältnis der Rechtsreform gänzlich um. Primär ging es nämlich nun um die Herstellung von partikularen Gesetzbüchern für die einzelnen preußischen Staaten (Provinzen). Nur weil das bestehende provinzielle und unvollständige Recht als Grundlage dienen sollte, schien der Verzicht auf ein zur Lückenfüllung heranzuziehendes Ergänzungsrecht als nicht realisierbar. Dieses Hilfsrecht sollte aber nicht ein neues Recht auf der Grundlage des Naturrechts, sondern lediglich das übersetzte und be25

Dieser Gesetzgebungsplan ist leider verloren gegangen. Kabinettsorder vom 6. April 1780, abgedruckt in: Corpus iuris Fridericianum, Erstes Buch von der Prozeß-Ordnung, S. III-XIV; Hans Hattenhauer, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, S. 43-44. 27 „Allerhöchste Königliche Cabinets=Ordre oder die Verbesserung das Justiz=Wesen betreffend d.d. Potsdam den 14. April 1780". Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr. 15, „Materialien zur Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten", vol. 4, fol. 5 T-W [15.04.0005]; abgedruckt als No. XIII. in: N.C.C., Sechster Band, Sp. 1935-1944. 26

1. Das Allgemeine Gesetzbuch/Allgemeine Landrecht (1792/1794)

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hutsam angepaßte römische Recht sein, weil es bereits in den meisten preußischen Gebieten als ein solches Hilfsrecht (inhaltlich und örtlich zumindest teilweise) gewohnheitsrechtlich in Gebrauch stand. Die klarstellende und an die jeweiligen Erfordernisse der Zeit und des Landes anpassende Vergesetzlichung sollte also nicht in jedem der einzelnen Gesetzbücher erfolgen, sondern nun für alle Provinzialgesetze allgemein in einem zusätzlichen subsidiarischen 28 Gesetzbuch seine formelle Grundlage finden: „Da nun aber fast jede unserer Provinzen ihre besondere Verfassung, Statuten und Gewohnheiten hat, welche sehr von einander unterschieden sind, so muß für jede derselben ein eigenes Gesetzbuch gesammelt und darin alles eingetragen werden, wodurch sich die Rechte der einen Provinz von der andern unterscheiden.29 Weilen aber dennoch dergleichen Provinzial=Statuta und Gewohnheiten sich nur auf gewisse Gegenstände einschränken, und keine allgemeine, noch weniger aber vollständige Rechts=Regeln enthalten, das Corpus juris vom Kayser Justinian als das subsidiarische Gesetzbuch fast aller europäischen Staaten von vielen Jahrhunderten her, auch bey uns angenommen worden ist, so kann dieses auch künftig nicht ganz außer Acht gelassen werden. 30 [...] Es muß also nur das Wesentliche aus dem Natur=Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende aus demselben abstrahirt; das Unnütze weggelassen; Meine eigenen Landes=Gesetze am gehörigen Orte eingeschaltet, und solchergestalt ein subsidiarisches Gesetz=Buch, zu welchem der Richter beym Mangel der Provinzial=Gesetze recurrieren kann, angefertigt werden." 31 Wenn Friedrich Wilhelm II. trotz K r i t i k 3 2 weiter darauf verzichtete, für alle seine Staaten ein primär geltendes Gesetzbuch zu erlassen, scheint das zunächst befremd28 Siehe hierzu Carola Barzen, Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, S.29ff. 29 „Allerhöchste Königliche Cabinets=Ordre oder die Verbesserung das Justiz=Wesen betreffend d.d. Potsdam den 14. April 1780", abgedruckt als No.XIII. in: N.C.C., Sechster Band, Sp. 1939. 30 „Allerhöchste Königliche Cabinets=Ordre oder die Verbesserung das Justiz=Wesen betreffend d.d. Potsdam den 14. April 1780", abgedruckt als No.XIII. in: N.C.C., Sechster Band, Sp. 1940 f. 31 „Allerhöchste Königliche Cabinets=Ordre oder die Verbesserung das Justiz=Wesen betreffend d.d. Potsdam den 14. April 1780", abgedruckt als No.XIII. in: N.C.C., Sechster Band, Sp. 1941. 32 Deutlichen Unmut über die geplante Subsidiarität äußerte später beispielsweise Franz Rudolph von Grossinger (unter anderem in: Über die Preussische Gesetzreform - eine Antwort auf vorstehendes Sendschreiben (des Königs vom Mai 1784), S. 102): „Die Carmerische Aufforderung an das Publikum ist gewis einer der größten Schritte, der jemals in dem Reiche der Gesetzgebung, wenigstens in monarchischen Staaten, gemacht worden ist. Wäre nur darinnen nicht blos von einem subsidiarischen Gesetzbuche die Rede, wäre nur das Justinianeische nicht zur Grundlage dessen angenommen! Ein subsidiarisches Gesetzbuch setzt immer Unvollkommenheit der eigentlichen Landesgesetze voraus: denn wären diese vollkommen, so bedürfte es der subsidiarischen nicht. Warum also nicht lieber eine Verbesserung der Gesetze überhaupt,

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4. Kap.: Die Klarstellung des gemeinen Rechts durch das Gesetz

lieh, weil die Trennung von gemeinem und partikularem Recht im einheitlichen Gesetzgebungsstaat eigentlich keine plausible Notwendigkeit mehr besaß.33 Tatsächlich hat auch kein anderes Land den umstrittenen 34 preußischen Weg einer Verdoppelung der Gesetzbücher beschritten, sondern stets ein einheitliches35 für alle Terriwarum nicht ein einziges allgemeines Gesetzbuch?"; ders. auch in: Neueres Sendschreiben an die Herausgeber, durch die Aufforderung des Königl. Preuss. Großkanzler veranlaßt, S. 325 f.: „Bisher aber ist die Menge der vorhandenen Gesetze und Willkühre und die daraus entstehende Ungewißheit des wirklich gangbaren Rechts immer der scheinbarste Grund geblieben, wodurch Rechtsfreunde und Richter ihr willkührliches, und mit dem allgemeinen Wohl so wenig übereinstimmendes Verfahren in Ausübung der Gerechtigkeit entschuldigen, und daher nicht zu einer strengen Verantwortung gezogen werden konnten. Dieses auch bei Seite gesetzt, so läßt es sich doch, wie schon oben bemerkt ist, in einem so monarchischen Staat, als der preußische ist, ohne den größten Widerspruch nicht gedenken, daß dieser oder jener Unterthan, dieser oder jener Ort, Stand, jedes Collegium sein eigenes und besonderes Gesetzbuch neben dem allgemeinen Hauptgesetzbuche sich entwerfen, und beobachten will, und zweckt lediglich auf eine dem allgemeinen Wohlstande des Staats nachtheilige Entkräftung des Willens ab, den der monarchische Gesetzgeber in dem Hauptgesetzbuche bekannt macht, und beobachtet wissen will. Denn so viele dergleichen besondere willkührliche Gesetzbücher im Staate beibehalten werden, so viele Lücken werden auch zugleich eben dadurch in dem allgemeinen geltend sein sollenden Landesgesetzbuche wieder gemacht, die die Allgemeinheit und Bestimmtheit desselben untergraben, auf welcher doch vorzüglich die wahre Gewißheit beruhet, welche durch die Anfertigung eines neuen Gesetzbuchs bewirkt werden soll." 33 Zur zugedachten Funktion des Code Napoléon, AGB und ALR siehe bei Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, Welche Grundsätze befolgte man im Preussischen bey der Einführung des Allgemeinen Landrechts?, S. 80: „... daß er [der Code Napoléon] ein Surrogat des Römischen Rechts werde und [damit] diejenige Rolle erhalten könne, welche dem Preussischen Gesetzbuche gegeben ist. [...] Ganz anders verhält es sich aber mit dem Allgemeinen Preussischen Land=Recht, welches „an die Stelle" des Römischen, gemeinen Sachsen= und andern „fremden subsidiarischen Rechte dergestalt tritt", daß auf diese bisherigen subsidiarischen Rechte „nicht mehr zurückgegangen werden soll." Mit dem Verweis auf das Königliche Patent wegen der Publication des Neuen Allgemeinen Land=Rechts d. d. Berlin, den 5ten Februar 1794 § 1. Die Vorschrift ist wiedergegeben oben S. 17, Fußn. 3. 34 Siehe hierzu schon oben S. 207, Fußn. 32 und auch bei Franz Joseph Hartleben, Vollständige Anzeigen und unparteiische Beurtheilung der neuesten juridischen Literatur für das Jahre 1784, Tomus III., S.7f., der in seiner Rezension des Entwurfs eines Allgemeinen Gesetzbuchs die Frage stellte, ob es nicht doch besser gewesen wäre, „den alten verwachsenen Wald der Gesetze mit der Axt einer neuen Gesetzgebung" nieder zu hauen und ein einziges allgemeines Gesetzbuch zu entwerfen. Auch in einer anonymen Preisschrift (No. 2) zum Entwurf fordert ein Monent [vermutlich Heinrich Dietrich von Grolmann (1740-1840)] schlichtweg die Abschaffung der divergierenden lokalen Rechte. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin Dahlem, Repositur 84, Abteilung XVI, Nr.7, „ 1900) Alexy, Robert, Begriff und Geltung des Rechts, Freiburg 1992. Barzen, Carola, Die Entstehung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten" von 1780 bis 1788, Konstanz 1999. Becker, H.-J., Art. „Conring, Hermann", in: HRG, Band I, Berlin 1971, Sp.633f. Below , Georg von, Die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland, Historische Bibliothek, Band 19, München/Berlin 1905. Bender, Peter, Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der deutschen Rechtswissenschaft, Freib. maschinenschr. Diss. 1956, (Neuerscheinung in: Rechtshistorische Reihe, Band 8, Frankfurt am Main/Bern/Las Vegas 1979). 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Personenregister Die nachfolgend aufgeführten Personen finden sich auf den angegebenen Seiten im Textteil und/oder in den Fußnoten. Gleiches gilt für die im nachfolgenden Sach- und Ortsregister angegebenen Stichworte. Auf den kursiv gekennzeichneten Seiten werden Kurzbiographien wiedergegeben. Abélard, Petrus 50 Adler, Emanuel 209 Albrecht, Herzog von Brandenburg-Ansbach 105 Alexander der Große 42 Alexy, Robert 168 Alighieri, Dante 164 Anaklet II., Papst 107 Anna, Königin von England 104 Aristoteles 42,43,44,45, 49, 50, 51, 56, 160, 161, 169 Arnold, Wilhelm Christoph Friedrich 148, 149, 150, 151, 153 Arnsberg, Graf von 53 Atatürk, Kemal - siehe Pascha Aytta, Wigle van 29 Bart, Nepomuk 45 Bartholdi, Christian Friedrich von 202 Barzen, Carola 34,201,202,203,207, 210 Baumgarten, Otto Nathanael 209 Becker, H.-J. 30 Behrends, Okko 19 Below, Georg Anton Hugo von 132, 136, 140, 152, 158, 159 Bender, Peter 132 Bentham, Jeremy 179 Bercht, Gottlob August 106 Berkeley, George 50 Beseler, Georg 66,73, 76, 78, 79, 80,144 Besold, Christoph 70 Bethmann-Hollweg, Moritz August von 38 18*

Beyer, Georg 93,94,95,113 Biel, Gabriel 50 Birtsch, Günther 115,118 Boehme, Johann Ehrenfried 252 Boehmer, Justus Henning 196 Bornemann, Friedrich Wilhelm Ludwig 24,272,213 Bornhak, Conrad 17, 130 Brauneder, Wilhelm 20 Brenkmann, Heinrich 105 Brie, Siegfried 70 Brisson, Barnabé 48 Bruns, Carl Eduard Georg 27,38,40,41, 42,57,65,66,67,68,69,70,71,72,73, 74, 76, 77, 80, 101, 174, 190, 191,193, 221 Buch, Johann von 142 Buchwald, Delf 169 Burghard, Philipp 30 Buridan, Johann 50 Buschmann, Arno 30 Calixt, Georg 106 Canterbury, Anselm von 50 Caracalla, Marcus Aurelius Antonius 131 Carion, Johannes 105 Carmer, Johann Heinrich Casimir 34, 35, 96, 119, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 184, 205, 206, 210, 221, 236 Carpzov, Benedict 70, 167 Celsus, Publius Iuventius 186 Cicero, Marcus Tullius 162 Clemens VII., Papst 89 Cocceji, Heinrich von 30

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Personenregister

Cocceji, Samuel von 19,26,29,50,31, 32,34,35,160,171,172,201,203,204, 205, 206, 210, 221 Coing, Helmut 20, 29,44, 49, 50, 51, 66, 67,70, 132, 166 Conrad, Hermann 210 Conring, Hermann 29,30,87,92,94,106, 107, 108, 109, 110, 116, 117,122, 132, 141, 188,201 Dahm, Georg 103 Danckelmann, Adolf Albrecht Heinrich Leopold von 34, 35, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 221, 235, 247 Daniels, Alexander von 75, 115, 211 Dante - siehe Alighieri Darjes, Joachim Georg 119 Datt, Johann Philipp 19,57 Dernburg, Heinrich 19, 66, 185 Dieck, Karl Friedrich 164 Domin-Petrushevecz, Alphons von 208 Donellus, Hugo 48 Dorotheos 19 Duarenus, François 48 Duck, Arthur 39,87,89,90,91,100,101, 102, 103, 104,105, 109, 128,136, 164, 165 Duhn, Carl Alexander von 114 Dumoulin, Charles - siehe Molinaeus Ebel, Friedrich 215 Ebner, Wolfgang 113, 138, 175 Echt, Reinhard Bachoffen von 70 Eichhorn, Karl Friedrich 62, 143 Eisenhart, Johann Friedrich 95 Engelmann, Woldemar 103 Ersch, Johann Samuel 65 Estor, Johann Georg 95 Eugen von Württemberg, Prinz 33 Faber, Sebastian 109 Ferdinand I., Kaiser 29, 107 Feuerbach, Paul Johann Anselm von 45, 100, 116, 178 Fichte, Johann Gottlieb 50

Finckenstein, Friedrich Ludwig Karl Fink von 35 Finkenauer, Thomas 34 Fischer, Friedrich Christoph Jonathan 172 Floto, Anton Bernhard 194 Foerster, Franz August Alexander 211 Forstner von Dambenoy 93 Franklin, Otto Christian Fürchtegott von 55,54,139, 144, 145, 146 Freyberg, Emilius Marius Albertus 113 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 101 Friedrich II., Kaiser 101 Friedrich III., König von Preußen 201 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 202, 203 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 119, 201,204, 207 Fürst und Kupferberg, Carl Joseph Maximilian 34,205 Gail, Andreas 70, 103 Gaius 19,46,47 Garve, Christian 119 Georges, Karl Ernst 38, 137 Gerber, Carl Friedrich Wilhelm von 20, 21,61,62,64,81,95,96,114,121,128, 129, 130, 131, 134, 136, 196, 220 Giaro, Tomasz 160, 161, 162, 168 Gierke, Otto von 27,153, 154,156, 187 Glafey, Adam Friedrich 757,138, 140, 194,195, 196 Gmeiner, Franz Xaver 62, 139 Göbel, Johann Wilhelm 110 Goclenius, Reinhard 84 Goethe, Johann Wolfgang von 33, 58 Goldbeck und Reinhart, Heinrich Julius von 34,720 Gose, Walther 27 Gossler, Carl Christoph 25, 97, 138 Gothofredus, Dionysius 19 Graevius, Johann Georg 171 Graisbach, Graf Berthold von 53 Grandi, Guido 105 Gratianus 88,89 Gregor IX., Papst 89 Gregor XIII., Papst 89 Grimm, Jacob 62

Personenregister Grimm, Wilhelm 127 Grolmann, Heinrich Dietrich von 208 Grossinger, Franz Rudolph 207 Grotius, Hugo 112,137,166 Gruber, Johann Daniel 101 Gruber, Johann G. 65 Grupen, Ulrich Christian 105 Gudian, Gunter 21 Guzman, Alejandro 100 Hahn, Heinrich 113 Hammerstein, Notker 21 Hans 118 Harpprecht, Johann 103, 167 Harrasowsky, Philipp Harras von 208 Hartleben, Franz Joseph 208 Hatschek, Julius 173,174,176,180, 200, 239, 245 Hattenhauer, Hans 30,206,213 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 50 Heineccius, Johann Gottlieb 48, 95 Heinrich III., König 48 Heinrich der Fette von Nordheim und Gertruds 107 Heinrich V., König und Herzog von Sachsen 107 Heinrichs, Helmut 214 Herder, Johann Gottfried 61 Hermias 42 Hirschberger, Johannes 43,163 Hobbes, Thomas 50, 137,166 Höpfner, Ludwig Julius Friedrich 173 Horn, Caspar Heinrich 128 Horn, Norbert 102 Homfeld 118 Hufeland, Gottlieb 69,75,123,124, 125, 171, 181, 182, 184,218 Hugo, Gustav 62 Hugolinus 91 Hume, David 50 Hüsch, Baron 34 Innhausen-Kuyphhausen, Freiherr von 118 Innozenz II., Papst 106, 107 Irnerius 135 Isaacsohn, Siegfried 201

Isidor von Sevilla 39 Iustinianus, Flavius Petrus Sabbatius 19, 45, 164 Jariges, Philipp Joseph Pandin de 34 Joachim Nestor I., Kurfürst 54, 105, 114 Johann, Markgraf 54 Joseph II., Kaiser 26 Kamptz, Carl Albert Christoph Heinrich von 204,208 Kant, Immanuel 50, 124, 167, 168 Karl der Große, Kaiser 96, 104 Karl IV., Kaiser 101 Karl V., Kaiser 29,55 Karl IX., König 48 Karl XII., König von Schweden 202 Käser, Max 41, 42, 131, 160, 162 Keller von Steinbocks, Friedrich Ludwig von 38 Kelsen, Hans 168 Kestner, Heinrich Emst 30, 84, 94 Kettler 118 Keutgen, Friedrich 52 Kirchner, Friedrich 50 Klein, Emst Ferdinand 119 Kleinheyer, Gerd 30,31,33,36,56,58, 60, 62, 70, 78, 81, 88, 90, 93, 100, 112, 119, 124, 153, 154, 156 Kling, Melchior 47 Koch, Christian Friedrich 36,40,66,71, 75,174,222 Komnenos, Johannes 107 Koschaker, Paul 23, 25,49,91, 99,127, 131,135,142,145, 160, 164 Kossert, Karl 92 Krause, Hermann 54, 98 Krause, Peter 18, 26, 27, 97, 115, 119, 130, 136, 137, 159, 163, 202, 203, 211, 230 Kreittmayr, Wiguläus Xaver Aloys von 19,26,27,29,52,33,86,91,97,98,133, 171, 195,221 Kretschmer, Johann David 253 Krünitz, Johann Georg 39, 40, 75 Kulpis, Johann Georg 87, 88, 92,93, 94, 111, 112, 187, 188

Personenregister

278 Kunkel, Wolfgang

19,131

Laband, Paul 756, 157 Lambert, Johann Heinrich 24 Landsberg, Ernst August Roderich 37,38, 71, 73,78, 86, 87, 93, 109,156, 170 Lange, Hermann 19, 51,131, 132, 159 Laspeyres, Ernst Adolf Theodor 775,116, 117 Lauterbach, Wolfgang Adam 90 Leibniz, Gottfried Wilhelm 29, 50,137, 171,201 Leo, Heinrich 143 Leopold I., Kaiser 93 Leyser, Augustin 186 Lieberwirth, Rolf 170 Lindenbrog, Friedrich 106 Link, Heinrich 33,725,167 Link, Wilhelm Friedrich 55,166,167,181 Lipsius, Justus 106 Locke, John 50 Lothar III., Kaiser 105,106,107 Luccaberti, Bartolo 105 Lüdecke, Friedrich August 113 Ludwig IV. von Baiern, Kaiser 101 Luig, Klaus 96,98,99,112,113,129,135, 164, 170, 171, 186, 189, 198, 272 Lukas, Josef 180,200,215 Luther, Martin 127,150 Maria Theresia, Königin von Österreich 17, 208 Mastricht, Gerhard von 195 Maximilian II., Kaiser 29, 107 Mayno, Jason de 165 Mazzacane, Aldo 109 Melanchthon, Philipp 105 Merkel, Johannes 159 Mevius, David 87 Mill, James 50 Mittermaier, Carl Joseph Anton 73 Moddermann, Wiardus 143, 157 Moeller, Emst von 30,92, 105, 106, 201 Molinaeus, Carolus 39 Moser, Justus 61 Mühlenbruch, Christian Friedrich 67 Müller, Ludwig 109

Muratori, Lodovico Antonio 105 Mylius, Friedrich Heinrich 123 Mynsinger von Frundeck, Joachim 29, 70 Neumann, Ulfrid 161 Nicolini, Ugo 135 Nörr, Dieter 70 Notker, Balbulus 39 Notker, Labeo 39 Occam, Wilhelm 50 Oldendorp, Johannes 70 Orto, Ubertus de 91 Otte, Gerhard 139,168 Ottfried 39 Otto III., Kaiser 101,104 Pagenstecher, Alexander Arnold 195 Papinian, Aemilius 162 Pascha, Mustafa Kemal 131 Paurmeister, Tobias 109 Peucers, Caspar 105 Philip II., König von Makedonien 42 Piaton 42,43,44,49, 50, 160 Plotho, Ludwig Otto von 202 Plotinos 50 Pomponius, Sextus 163, 165,186 Porphyrios 50 Prümers, Rodgero 35,176,179,241,243, 245, 246, 247 Puchta, Georg Friedrich 62, 63, 70, 77, 117,127, 186,215 Pufendorf, Samuel 112, 166 Pütter, Johann Stephan 22,25,56,57,60, 65,68,69,76,95,96,97,104,117,125, 126, 127, 130, 139 Raumer, Georg Wilhelm von 115,117 Rehbein, Hugo 121,122 Repgow, Eike von 21 Reyscher, August Ludwig 37, 64, 65, 77, 72, 74, 75, 82, 83, 84, 134, 182, 218, 219, 220 Roscelinus 50 Rousseau, Jean-Jaque 137 Roxiate, Albericus de 47 Rudolf I., Graf von Habsburg 101 Rümelin, Max 117

Personenregister Runde, Christian Ludwig 18,87,82,85, 134,215 Runde, Justus Friedrich 46,58,62,65,68, 69,81, 180, 220 Ruprecht von der Pfalz, Kurfürst und Kaiser 150 Sassoferrato, Bartolus de 90, 102, 106 Savigny, Friedrich Carl von 23,26,38,45, 61, 62, 66, 75, 104,105, 106, 115, 124, 135, 142, 143, 144 Schaeffner, Wilhelm 53 Schepler 118 Schiferdecker, Caspar 250 Schiller, Friedrich 61 Schilling, Friedrich Adolph 67 Schilter, Johann 87, 92, 93, 110, 112, 188 Schlosser, Friedrich Christoph 106 Schlosser, Hans 52, 84, 86, 88, 89, 91, 103, 134, 140, 141, 195 Schlosser, Johann Georg 33, 34 Schmid, Melchior 30 Schmidt, Benedict 95 Schmidt, Carl Adolf 98,99,100,101,134, 136, 145, 146, 147, 148, 158 Schneider, Reinhard 52 Schönborner, Georg 29 Schott, Clausdieter 138 Schräder, Ludolfe. 103 Schröder, Jan 30, 31, 33, 36, 56, 58, 60, 62,70,78,81,88,90,93,100,112,119, 124, 153, 154, 156, 185, 195 Schwartz, Emst Karl Berthold 29 Schwennicke, Andreas 173, 174, 176, 239, 245 Schweppe, Albrecht 67 Scotus, Johannes Duns 50 Selchow, Johann Heinrich Christian von

102, 106 Senckenberg, Heinrich Christian von 17, 95, 126, 132, 194 Sigonio, Carlo 105 Simon, August Heinrich 231, 235, 247 Sinceri, Conradi 94 Sohm, Rudolph 122,154, 155, 156 Sokrates 43,44,217 Sommersberg, Friedrich Wilhelm 252

Sondel, Janusz 22,97 Sophokles 160 Stammler, Rudolf 130, 168 Stephani, Matthias 109 Stintzing, Johann August Roderich 37,38, 71, 73, 78, 86, 87, 93, 109, 143,152, 153,156,170 Stobbe, Johann Emst Otto 91, 92, 132, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147,148, 149, 152, 156, 158 Stolleis, Michael 30 Stölzel, Adolf Friedrich 35,151,152,153, 156, 159, 172, 173, 177, 179, 202, 203, 204, 205, 232, 234, 235, 236, 237,238, 239, 241, 245, 247, 248 Stralendorff, Peter Heinrich 29 Strauch, Johann 93 Struve, Georg Adam 90 Stryk, Samuel 88, 94, 112, 188, 253 Stützing, Johannes Friedrich 138 Sulzbach, Christian August Fürst von 128 Svarez, Carl Gottlieb 22,35,97,114,119, 120, 121, 126, 171, 172, 180, 181, 195, 196,209, 250 Tafinger, Wilhelm Gottlieb 96, 128 Tanucci, Bernardo 105 Tetens, Johann Nicolaus 24 Theophilos 19 Thibaut, Anton Friedrich Justus 58, 59, 65, 68,73, 127, 129 Thieme, Hans 18,22, 33,41,52,66,102, 173, 174,176, 184, 186, 187, 237, 238, 239, 245, 248, 249 Thöl, Heinrich 63, 68, 73, 74, 77, 79, 80, 122,219 Thomasius, Christian 88,94,95,112,113, 138, 164, 166, 170, 171, 174, 175,180, 188, 189, 190, 195, 196, 202 Titius, Gottlieb Gerhard 170 Tribonian 19 Trusen, Winfried 47,70,135 Tümpel, Ludwig 211 Ubaldis, Baldus de 90, 102, 165 Ulpian 46,161

280

Personenregister

Vener, Job 150 Viglius Zuichemus ab Aytta - siehe Aytta Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund 27,38,65,66,67,70,72,73,74,76,79, 82,91, 143, 174,218,219 Wagner, Wolfgang 212 Wesenbeck, Matthias 117 Wesenberg, Gerhard 55, 103, 114, 115, 116, 123, 185 Wesener, Gunter 55, 103, 114, 115, 116, 123, 185 Westphalen, Ernst Joachim 30 Wetzeil, Georg Wilhelm 91 Wiarda 118 Wieacker, Franz 23,24,25,26,49,54,61, 85, 86, 87, 91, 98, 103, 104, 105, 113, 131, 132, 140, 150, 158, 159, 163, 164, 166, 174, 186, 195

Wiegand, Wolfgang 17,25,109,132,139, 187,188 Willoweit, Dieter 92 Wilts, Uke 118 Windscheid, Bernhard 59, 60, 129, 213, 214 Wöhler, Hans-Ulrich 49 Wolf, Erik 92 Wolff, Christian 173 Wolter, Udo 90,196

Xenophanes 163

Zasius, Ulrich 29, 70, 165 Zedier, Johann Heinrich 51 Zeumer, Karl 94 Zimmermann, Reinhard 20 Zitelmann, Emst 127, 168

Sach- und Ortsregister Aachen 107 Abendland 49 Abgeordnetenhaus 72 Abgeordneter 64 Abhandlung 27, 30, 92, 102,109, 138, 148, 168,213 Absolutismus 30,183 Abstammung 72,115 Abwägung 150 Abweichung 66, 120, 179 - provinzielle 115 - singuläre 186 Ackerbau 144 Adel 54,57 Adelsgeschlecht 42 Adelsstand 153 Adlerorden - schwarzer 31 Advokat 31,95 Advokatenprüfung 38 Aequitas cerebrina 100,138 Afrika 137 Akademie 42 Akademie der Wissenschaften 34 Aktenversendung 134, 151 Aktion - römisch-rechtliche 156 Alchemisten 33 Allgemeinbegriff 43,44,49, 50, 56, 57, 83,217 Allgemeiner Teil 215 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch - österreichisches 200,205,209,215 Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten 33,34,35,114,118,120, 200, 208, 209, 210, 216, 222 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 17,26,115,118,119,120,121,

200, 208, 210, 211, 212, 213, 215, 216, 222, 228, 230 Allgemeingültigkeit 99, 100, 164, 169, 181,183 Allgemeinheit 66, 79, 83, 124, 128, 208 Allstedt 98 Alsfeld 93 Altdorf 33,128,166 Altertum 41,49,52,56,153 Altona 152 Amalphi 105 Amtmann 92 Amtsvorgänger 205 Analogie 96, 128, 203, 217 Analyse 20,113,136 Angelegenheit - den Glauben betreffende 90 - geistliche 90 - weltliche 90 - zivilrechtliche 88 Anknüpfungspunkt 137, 169, 178, 183, 189 - gegenständlicher 67 - örtlich-geographischer 67 - systematisch-logischer 67 - systematischer 40 Ansbach 33 Ansicht 84,90,92,99,101,108,109,118, 122, 129, 134, 170, 184, 195 - geschichtliche 83 - herrschende 165 Anspruch 76, 96, 100, 103, 189,194, 197 Antike 28,41,49,52,53,58,65,84,138, 160, 164, 166, 169, 183,217 Antinomie 175 Antiqui doctores 49 Antrag 120 Anwalt 136, 151 Anwaltschaft 33

282

Sach- und Ortsregister

Anwendbarkeit 79,109,111,122,123, 129, 181,182 - allgemeine 91 - in complexu 129 - inhaltlich umfassende 199 - örtlich einheitliche 199 - subsidiäre 135 - unmittelbare 96 Anwendung 18,69,75,76,77,78,79,92, 93, 100, 112, 113, 126,128,151, 154, 170, 176, 178, 180, 182, 187, 188, 189, 191, 192, 193, 197, 199, 200 - allgemeine 78, 79 - gerichtliche 114 - juristische 129 - praktische 18, 111, 117,141, 142,159 - restriktive 103 - subsidiäre 84,115,128,134,182 - subsidiarische 213 - umfassende 182 - unmittelbare 24, 142,145, 159,163 - weltliche 90 Anwendungshäufigkeit 123 Anwendungsverhältnis 25,32,63,85,194 Apologie 102 Appellation 151 Appellationsgericht 151 Approbation 204 Archeus 33 Archivar 137 Argument 106, 121, 173 - historisches 103 - logisches 104 Argumentation 117, 119, 176 - naturrechtliche 182 Argumentationshilfe 13 8 Artefakt 37 Arzneigelehrter 168 Assessor 72, 81, 93, 94, 103, 107 Assimilation 113 Assos 42 Astronomie 105 Atarneus 42 Athen 42 Auctoritas 161, 162 Auffassung 74, 79, 84, 96, 131, 144, 191 - gegenteilige 190, 191, 192, 193

- herrschende 164 - römische 23 Aufklärung 61 - deutsche 112 Aufnahme 72,81,112,113,114,116, 121, 122,123, 129, 131, 132,140, 143, 144, 153, 160, 166, 171,183, 198, 200 - allgemeine 115 - gerichtliche 127, 183 - gewohnheitsrechtliche 198, 221 - gleichmäßige 126 - inhaltlich gleichmäßige 123 - inhaltlich umfassende 126,127,133, 189, 190, 198 - inhaltlich unvollständige 217 - lückenhafte 184, 199 - örtlich einheitliche 133,190,198 - örtlich gleichmäßige 123 - örtlich uneinheitliche 217 - positiv legitimierte 172 - praktische 136,159 - theoretische 159 - uneinheitliche 133 - unregelmäßige 133 Augsburg 61 Ausbildung 60, 77, 79,128,155 - praktische 136 Ausdehnung 21, 103 - gegenständliche 66 - geringere 77 - größere 77 - örtliche 66 Auskultator 119 Auslagerung - systematisch verfehlte 215 - zunehmende 215 Ausland 142 Auslegung 48, 63, 160, 165, 185 - eines Rechtssatzes 83 - einheitliche 52 - maßgebliche 165 - Methode der 103 - richterliche 121 - weite 20 Auslegungshilfe 214 Ausnahmegericht 48 Aussage

Sach- und Ortsregister - allgemeingültige 169 - historische 37 - verallgemeinerungsfähige 162 Außenminister 34 Authentica Habita 86 Authoritativa et necessaria 165 Autonomie 71, 153 Autorität 20, 24, 26, 61, 86, 89, 92, 95, 102, 108, 111, 117,125, 127, 132, 135, 138, 153, 162, 163, 166, 169, 176, 183, 185,194 - formale 156 - geschichtliche 24, 85 - gesetzliche 112 - historische 138 - humanistische 166 - kulturelle 26 - metaphysische 24, 85 - positive 168 - spirituelle 159, 160 - theologische 166 - verbindliche 166 - wissenschaftliche 136, 183 Axiom - abstraktes 166 Baden 99 Badenweiler 140 Baihingen 71 Basel 60,78,134,148,152 Bath and Wells 102 Bauern 54,57,147,206 Bauernschaft 54 Bayern 17,26 Beamtenfamilie 140 Beamter 157 - geschulter 151 - lokaler 151 - rechtsgelehrter 152 - römischer 152 Bearbeitung - historisch-pragmatische 84, 134, 182 - wissenschaftliche 130, 134, 213 Bedeutung 17,45,48,51, 61, 83, 84, 89, 90, 102, 106, 112, 114,116, 117, 140, 145, 163, 217, 220 - praktische 169

- systematische 38,52 - übereinstimmende 218 - universelle 130 - weltgeschichtliche 147, 158 Bedeutungswandel 54 Bedingung 79,85 Bedürfnis 83, 142, 143, 145, 148, 152 - besonderes 57, 68 - inneres 145 - praktisches 105, 143, 145 - tief empfundenes 145,146 - wirtschaftliches 156 - wissenschaftliches 143 Befehl 108,137,183,203 - kaiserlicher 106 - königlicher 206 Befristung 211 Befugnis 128 Begriff 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 25,27, 28,34,35,36,37,38,39,40,41,43,44, 45,46,47,48,49,51,52,53,54,55,56, 58,59,60,61,63,64,65,66,67,68,71, 73,74,75,78,80,81,83,84,85,86,87, 91, 94, 96, 98, 101, 128, 130,131, 132, 133, 138, 139, 149, 153,155, 161,162, 163, 168, 171, 173,175, 177, 178,179, 181, 182, 189, 190, 191, 197, 198, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 222 - abstrakter 182 - allgemeiner 44, 52, 128 - aristotelischer 48 - einsilbiger 98, 198 - falscher 175 - lateinischer 52, 83 - relativer 68 - schwankender 173 - synonymer 27 - systematischer 28, 35 - weicher 161 Begriffsbestimmung 80, 84 Begriffserzeugung 27 Begriffsjurisprudenz 63 Begriffspaar 46,71,73,80,81,218,220 Begriffssystem 153 Behandlung 70, 130 - generelle 66 - rechtliche 57,66

284

Sach- und Ortsregister

- wissenschaftliche 51,64,130,197 Beisitzer 32, 107, 108, 124 Benediktiner 39 Beneficium 47 - beneficium legis 58 Beratungskommission 154 Bereich 76, 89, 98, 107, 154, 171, 180, 186, 192,211,217 - geistlicher 90 - geltender 191 - kirchlicher 90, 138 - nicht geltender 191 - örtlich begrenzter 69 - weltlicher 89,90,91,135 Bereichslehre 90, 196 Bergbaumineralien 23 Bergreal 23 Bergrecht 23 Berlin 34, 35, 38, 53, 59, 78, 112, 115, 119, 120, 140, 148, 151, 152, 153, 154, 156,209, 212 Beruf 151 Berufsausübung 163 Berufsstand 150 - fachlich vorgebildeter 131 - römisch geschulter 153 Berufung 127,156,187 Beschluß 89 - fränkischer 88 - gemeinsamer 108 - italienischer 88 - spanischer 88 Beschwerde 157 Besitz 44, 104, 142, 177 Besitzer 230 Besitztum 107 Besonderheit 131,201 - lokale 203,211 - nationale 24 Bestand - historischer 99 Bestandteil 44 Bestimmung 54,81,82,85,121,128,144, 161, 175, 176, 181,182,190, 194,211, 213,218 - abweichende 76 - allgemeine 161

- ausdrückliche 174 - besondere 56 - entgegenstehende 76 - funktionelle 37 - gegenteilige 60 - gemeinrechtliche 121 - gesetzliche 100,214 - landrechtliche 121 - partikulare 76, 77, 121 - positive 180 - ursprüngliche 181 - vereinfachende 161 - vertikale 74 - willkürliche 139 - zusammenhängende 162 Bestimmungsregel 182 Bestimmungsversuch 80 Beteiligung 115 Betrachtung 125,192, 193, 197, 221, 222 - abstrakte 193 - gegenständliche 66 - historische 190,218 - horizontale 68 - inhaltliche 193,221 - örtlich-geographische 59 - örtliche 193,221 - perspektivische 83, 84 - vertikale 68 Bevölkerung 137, 151, 173 Bevölkerungsteil 57, 66 Bewegung 149 - germanistische 78 - geschichtliche 149 - politische 71 Beweis 106,114,117,124,125,143,145, 158, 167, 187, 188, 192, 195, 199,200 - abschließender 185 - prozessualer 189 - theoretischer 170 Beweisführung 58, 88, 110, 215 Beweisführungslast 187 Beweislast 187, 189 Beweislastumkehr 197 Beweisrecht 139, 187 Beweisschwierigkeit 186 Beweisvorteil 25,111,187,189,194,213, 221

Sach- und Ortsregister Beziehung 61,71,139,176,196 - in gegenständlicher 65 - in geographischer 38, 65 - in logischer 65 - in örtlicher 38 - in räumlicher 65 - in systematischer 65 Bezirk 20,38,69,70,220 Bezugspunkt 40 Bibel 164,168 Bietigheim 105 Bildung 29,71,78,79,142 - gesetzliche 188 - philosophische 124 Bildungsreise 112 Bildungsstufe - intellektuelle 71 - sittliche 71 Billigkeit 100, 138, 171, 172, 182 - gemeinsame 182 - objektive 138 - subjektive 138, 175, 177 - ungegründete 138 Billigkeitsgefühl 71 Biographie 64,73,137 Bodenrecht 114 Böhmen 102 Bologna 51, 84, 86, 105, 106, 135, 142 Bonn 59, 60, 140,152 Borken 148 Bourges 48 Brandenburg 55, 113, 116, 201, 202 Brauch 103,127,174,194 Braunschweig 107, 113 Breiten wang 107 Bremen 111 Breslau 22, 34,36,53,119,141,153,156 Brevia - dekretalische 89 Briefwechsel 172,173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 230 Büdesheim 93 Bund - deutscher 61 - norddeutscher 64 Bundesakte 82 Bundesgesetz 214

Bundesglied 82 Bundesrecht 42,187 Bundesstaat 82, 130 Bürger 33,54,57,162 Bürgerliches Gesetzbuch 17,60,96,129, 154, 200, 213, 214, 215, 216, 222 Bürgermeister 124 Caesar 165 Canones 89 Capitula Italica 52 Causae 88 Chancellor 102 Charakter 71,76,77,79,81,99,112,124, 131 - absoluter 76 - allgemeiner 79 - eigentümlicher 93 - gemeinrechtlicher 20, 82 - lückenhafter 135 - naturrechtlicher 171 - punktuell-interventionistischer 162 - römischer 149 - subsidiärer 120 - umfassender 135 - universeller 98 - ursprünglicher 61 Chef de Justice 34, 120, 203 Cheswick 102 Christenheit 99, 126, 164 Cives 23 - cives romani 131 Civil Law 102 Clementinen 89 Cleve 202,206 Code Napoléon 200, 208, 215 Codex 19,46,47,89,90,165 - Codex iuris Β avarici 26 - Codex iuris criminalis 17 - Codex Leopoldinus 30 - Codex repetitae praelectionis 19 - Codex Theodosianus 46,47 - Codex Theresianus 209 College 101 Collegium Carolinum 58 Cölln 116 Common law 18

286

Sach- und Ortsregister

Communis, -e 28,38,46,83,218 - communis opinio doctorum 98, 162, 169, 200 - communis prudentia civilis 166 Constitutio 46, 66, 87, 162 - Constitutio Antoniniana 131 - Constitutio Joachimica 55,116 - Constitutio personalis 59 - Constitutio Tanta 165 Consuetudo 186, 188 - Consuetudo civitatis 46 Contra legem 113, 162 Controversiae 163 Corpus Christianorum 23 Corpus iuris canonici 89, 139, 194 Corpus iuris civilis 19, 23,24, 31, 33, 35, 45,51,52,56,68,83,84,86,89,91,98, 99, 106, 109,111, 132,138, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 155, 159, 164, 165, 169, 171, 172, 183, 184, 186, 187, 188, 194, 207,217 Corpus iuris Fridericianum 17,31, 205, 210 Court of Admiralty 102 Court of Chivalry 102 Coutumes 18,48 Dänemark 102 Danzig 123, 124 Decima collatio novellarum 91 Decretum Gratiani 88,89 Deduktion 63, 166 Definition 40, 168, 190, 191, 218 Definitionsversuch 222 Deichrichter 118 Dekret 107 Dekretale 89 Dekretisten 24,89 Denken 113 - geschichtliches 61 - philosophisches 42 Denkschrift 71 Departement 61 Depositalordnung 203 Depositum 151 Deputation 114,115,119 Deputierter 35,119

Despotismus 176 Detmold 30 Deutschenspiegel 96 Deutsches Reich 59, 60, 82, 102 Deutschland 17,18,20,21,22,23,27,29, 31,48,52,53,54,56,58,59,60,64,65, 69,72,74,75,76,81,82,83,86,87,88, 96, 97, 100, 101, 102,103, 104, 107, 109, 113, 114, 115, 117, 121, 122, 123, 125, 126, 128, 129, 130, 131,133, 134, 135,136, 137, 138, 140, 141, 143, 144, 145, 147,148, 149, 152, 153, 154,155, 157, 158, 166, 170, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 190, 198, 199, 213, 216,217,218,220, 221,222 Dictamen rectae rationis 166 Dienst 142 - bayrischer 116 - herzoglich-württembergischer 93 - sächsischer 137 Dienstprüfung 72 Digesten 19, 24,41,46,47, 67, 89, 113, 117, 124, 128, 139, 161, 162, 163, 164, 165, 186,195 Digestion 27 Digestum vetus 94 Diözese 102 Diskordanz 22 Disputationsverbot 112 Disputierübung 113 Dissertation 30,56,84,93,113,128,138, 194 Distinktion 51,88,163 Distrikt 69,73,218 Distriktsrecht 81 Disziplin 124 - askriptive 161 - europäische 20 - objektive 161 - persuasive 161 - textgebundene 163 - universitäre 163 Doctores iuris 134, 142, 157, 165 Dogmatik 156 Dogmengeschichte 20, 95 Doktor 92,112,150,156 Doktortitel 93

Sach- und Ortsregister Doktorwürde 105 - juristische 124 - philosophische 124 Doktrin 154 - französische 104 - italienische 154 - spanische 104 - ungeschichtliche 99 Dominium mundi 164 Dominium terrae 150 Donauwörthische Information 109 Dorf 57 Dorfrecht 18 Dresden 137 Düsseldorf 59 Dynastie 107 Ebeleben 64 Edikt 32,204,205,211 - allgemeines 211 - edictum generale 46 - prätorisches 162 Ehegatte 115 Ehegüterrecht 211 Ehrendoktor 148, 153 Ehrenmitglied 34 Ehrenprofessor 92 Eid 108 Eidesformel 94 Eigenschaft 20,25,43,69,74,95,99,121, 125, 130, 176, 179, 181, 198,235 Eigentum 23, 149, 177 Einführung 17, 105, 150, 186, 212, 214 - allgemeine 150 - gerichtliche 126 - gesetzliche 105, 133, 214 Einführungsgesetz zum BGB 214 Einführungslehrbuch 19 Einheit 18,45,215 - politische 136 - prinzipienmäßige 78, 79, 80 - rechtliche 85 - urtypische 43 Einheitsdenker 37 Einheitsfaktor 162 Einheitsgedanke 71 Einleitungsdoktrin 83

Einordnung - begriffliche 219 - systematische 18,21,27,36,37,38,43, 56, 64, 67, 68, 85 Einstellung 143 Einwilligung 139 Einwohner 130 Einzeldinge 44 Einzelerscheinung 51,93, 162 Einzelfall 36,43, 57, 66, 89, 161, 163, 190,211,213,215,218, 221 Einzelprozeß 158 Einzelrichter 155 Einzelwissenschaft 42 Elea 163 Eleaten 163 Eleatismus 163 Element 42,113,196 - deutsches 78,79 - einheimisches 19 - fremdes 19 - mittelalterlich-germanisches 154 - römisches 78, 79 - systematisch-logisches 66 Elsaß-Lothringen 156 Emanzipation 165 Emeritierung 99, 140 Emmendingen 33 Empirie 83 Empirismus 174 England 18, 102, 104, 136, 143, 149 Entität 43 Entscheidung 36, 96, 108,118, 121,122, 128, 137, 152, 165, 172, 176,177,180, 181, 196, 209 Entscheidungsfindung 222 Entscheidungsnorm 69, 181 Entscheidungssammlung 172 Entstehungsgeschichte 86 Entstehungszeit 104 Entwicklung 17,18,44,95,132,144,156, 157, 164, 166, 177,185, 212 - funktionelle 17 - geschichtliche 62 - historische 49, 138 - machtpolitische 135 - selbständige 93

288

Sach- und Ortsregister

- volksgemäße 93 - wirtschaftliche 149 Entwicklungsprozeß 113 Entwicklungsstand 212 Entwicklungsstufe 144 Enzyklopädie 39 - allgemeine 65 - juristische 48 Epoche 23, 37, 63,138 Erbfall 116,205 - gemeiner 116 Erbfolge 115,116 Erbfolgekrieg - pfälzischer 93 Erbkanzlei 92 Erbland 209 Erbrecht 55,107,114 - gesetzliches 211 - sächsisches 115 Erbschaft 206 Erbteilung 116 Erfurt 134 Ergänzung 63,77,89,100,138,148,154, 185, 187,196, 198,210, 243 Ergänzungsfunktion 17 8 Ergänzungsrecht 186, 206 Ergebnis 62, 63, 80, 94, 106, 110, 116, 126, 127, 141, 164, 165, 168, 183, 186, 191, 192, 193, 197,213,219 - deduziertes 183 - paradoxes 191 - unerwünschtes 191 Erkenntnis 27,48,51,62,63,69,83,100, 122, 123, 133, 138, 139, 152, 183, 184, 194,197, 198, 213, 217, 219, 222 Erkenntnisfähigkeit 61 Erkenntnismittel 24 Erkenntnisstand 218 Erkenntnistheorie 44, 51, 52, 217 Erlangen 64,116,152 Ermeland 210 Ermessen 108 Ermittlung 140, 160, 163 - methodische 169 - schwierige 121 Erwerbung 177 Eßlingen 72,87

Etatminister 31 Ethik 42,48,166 Euböa 42 Europa 49,74,101,175 Europäisches Gemeinschaftsrecht Eutin 33,81 Evidenz 128, 174 Ewiger Landfrieden 87 Exegese 163 Exekution 157 Exeter 101 Explikation 100, 164,169 Exzelenz 173 Exzerpt 88

17,187

Fachjurist 131 Fähigkeit - individuelle 177 - methodische 142 - rhetorische 142 Faktum 127,152,159,200 Fakultät 152, 167, 168 - juristische 134, 166,167, 214 - medizinische 167 - rechtswissenschaftliche 164 - theologische 167 Fakultätsexamen 72 Fall 70, 85,101,109, 118,126,127, 161, 162, 165, 172, 173, 174, 188, 192 - individueller 59 - konkreter 187 - nicht geregelter 165 - spezieller 176 - streitiger 178 - vergleichbarer 222 - zweifelhafter 178 Fallgestaltung 197 Familie 57 Familienrecht 81, 114 Fernhandel 86 Feststellung - autoritative 199,221 Figur - dogmatische 75 - plastische 75 - systematische 214 Fiktion 101, 102, 103, 104, 122, 133

Sach- und Ortsregister - staatsrechtliche 99 Finanzkraft 157 Finanzministerium 212 Fiskal 48 Fixierung - gesetzliche 172 - schriftliche 138 Flächenstaat 114 Folge 92,126,165,178,188,212 - irrige 126 - praktische 27 - rechtliche 179 Fonteney-le-Comte 48 Forderung 189,212 Form 100,131,154 Formalismus 157 - logischer 163 - rechtswissenschaftlicher 26 Forscher 130 - mediävistischer 38 Forschung 22, 99,147, 153,184 Forschungstätigkeit 42 Fortbildung 148 - mangelhafte 152 - wissenschaftliche 89 Fortentwicklung 28,215 Fortgeltung 101,110,111 Fragment 201,237,238,243 Frankfurt (Oder) 30, 94, 112, 119,120 Frankfurt a. M. 33,59,61,73,93,95,147 Frankreich 17, 25, 99, 102, 136 Franzosen 48, 87 Französische Revolution 61 Freiburg i. Br. 99,134, 140, 147, 154 Freiheit 76 - bürgerliche 177 - inhaltliche 209 Freiherrenstand 34 Friedenskongreß 93 Frühaufklärung 186 Frührezeption 217 Fundament 88,203 Fundata intentio 187,188, 194 Fünfzehner Kommission 71 Funktion 17,27,41,43,56,57,59,64,83, 84, 128, 158, 159, 208,211,213,214, 217,218,222 19 Daniel

- integrative 162 - politische 37 - rechtspolitische 37 - subsidiäre 215 - subsidiarische 203, 205 - systematische 53,215 Fürst 98, 102, 108, 128, 137,142,143, 149, 150 Fürstentum 54, 69, 81, 94, 108, 115 Fürstentumgericht 36 Gattung 44,57 Gebiet 23, 66, 68, 69, 70, 72, 74, 77, 79, 81,84, 114, 134, 147, 152, 157 - abgegrenztes 68 - beherrschtes 76 - einzelnes 76 - größeres 69 - örtlich umfassendes 84 - preußisches 207 - rechtlich unabhängiges 84,134,182, 218 - selbständiges 45 - weltliches 90 Gebot 82,165,176,179 Gebrauch 39,107,108,114,196,206,207 - einheitlicher 117 - gerichtlicher 22,113,114,117,122, 123, 125, 127, 133, 141, 170, 171, 184 - geringer 170, 171 - gewohnheitsrechtlicher 184 - gleichmäßiger 117 - inhaltlich umfassender 117,122,199 - modemer 98, 112 - örtlich einheitlicher 199 - praktischer 160 - regelmäßiger 127 - tatsächlicher 122 - universeller 167 - ununterbrochener 167 - weitreichender 114 - zeitgemäßer 87, 98 Geburtsstadt 119 Gedankengut - antikes 49 Gedankensystem - fremdes 154

290

Sach- und Ortsregister

Gegenbewegung 61 Gegenpapst 107 Gegensatz 18,42, 65, 67, 69, 74, 80, 99, 100, 102, 138, 154, 173, 174, 185, 191, 209 Gegensätzlichkeit 154 Gegenstand 67, 82, 86, 97, 98, 115, 120, 175,179, 181, 193, 200, 207,211,221 - inhaltlicher 189,214 - rechtlicher 178 Gegenstück 200 - begriffliches 219 Gegenteil 97, 106, 170, 179,187, 197, 199, 212, 222 Gegenthese 43 Gegenwart 58, 60, 62,99,134, 149 Geheimrat 58,81 Geheimsekretär 33 Geisel 87 Geist 26,27 Geistesleben 49 Geistesrichtung 24 Geistlicher 57 Geldwirtschaft 148 Gelehrsamkeit 152, 168 Gelehrter 55, 151 Geltung 17,69,70,75,77,79,85,99,100, 101,109, 111,115, 118, 127,128, 133, 135, 147, 152, 159, 160, 161, 168, 169, 170, 174, 183, 184, 187,190, 191,192, 193, 197, 203,215,218 - absolute 76 - allgemeine 43, 74 - ausschließliche 111 - axiologische 168 - begrenzte 191 -einheitliche 117,126,133 - ethische 168 - faktische 168 - fehlende 192 - formelle 122 - fortdauernde 135 - ganzheitliche 133 - geringe 171 - gesetzliche 85,99 - gewohnheitsrechtliche 88, 109, 122, 133

-gleichmäßige 117,125,126 - historische 125, 133 - in complexu 128 - inhaltlich umfassende 101,104,109, 117,118, 122, 125, 134, 137,160,183, 184, 199 - inhaltliche 184, 190 - juristische 125, 133, 168 - metaphysische 172, 180 - örtlich einheitliche 101,109,125,134, 137,183, 184, 199 - örtliche 184 - partikulare 23, 122 - partikularrechtliche 74 - positive 23, 126, 133, 135, 138, 164, 180, 184, 185, 186,198 - prinzipienmäßige 79 - regelmäßige 133 - reichsumfassende 109 - soziologische 168 - subsidiäre 25,76,78,79,82,125,173, 175, 180, 184, 185, 197, 199 - subsidiarische 121,160,180,189,190, 213 - transzendente 74 - überörtliche 74 - überpositive 137 - unabhängige 71 - uneingeschränkte 193 - universelle 99, 100 - unmittelbare 99 - vorrangige 185 - zweifelsfreie 186 Geltungsansatz 85 Geltungsanspruch 134, 135 - gemeinrechtlicher 36 - geschichtlicher 85 - inhaltlich umfassender 25 - metaphysischer 85 - örtlich einheitlicher 25 - subsidiärer 24, 25, 174 - subsidiarischer 222 - überragender 136 - universeller 103, 186 Geltungsbegriff 136 - axiologischer 161, 168 - soziologischer 168

Sach- und Ortsregister - undefinierbarer 168 Geltungsbegründung 101, 160 - formelle 105 - gewohnheitsrechtliche 23 - historische 61 - positive 199 - subsidiäre 199 Geltungsbehauptung 161 Geltungsdebatte 103, 128, 130, 187 Geltungsfrage 98 Geltungsgrund 22, 25, 28, 32, 37, 64, 69, 74,84,98,103,104,122,159,164,169, 170,218 - allumfassender 22 - einheitlicher 22 - formeller 105 - gemeinsamer 71,72 - in complexu 22 - Irrtum als 127 - metaphysischer 199 - partikularer 123 - positiver 22, 23,159, 180, 182 - überpositiver 131, 182 - umfassender 180 - ursprünglicher 159 Geltungskonflikt 139 Geltungskraft 130, 168 Geltungsproblem 43,161, 164, 168,181, 219 - metaphysisches 221 - unlösbares 217 Geltungsproblematik 187,222 Geltungstheorie 168 Geltungsumfang 22, 25, 28, 31, 32,132, 218 Geltungsverhältnis 32 Geltungsverständnis 98, 192 Geltungsvoraussetzung 172, 177, 179, 199, 221 Gemeinde 135,143,205 Gemeindestatuten 135 Gemeinrechtlichkeit 20, 21, 74, 84, 109, 123,125, 126, 133, 169,192, 198 Gemeinrechtswissenschaft - französische 86 - italienische 86 Gemeinsamkeit 65, 69, 70 19*

291

- faktische 71 - historische 71 - materielle 71 Gemeinschaft 42, 175 Gemeinverbindlichkeit 25, 181 Gemeinwesen 135 Genehmigung 210 Genera 44 Generaladvokat 48 Generalgesetz 204,206 Generalgesetzbuch 204 - allgemeines 204 - primär geltendes 204 Generalstaatsanwalt 92 Genossenschaftsrecht 153 Genusbegriff 43 Gerechtigkeit 25, 146, 161, 162, 208 Gericht 22,35,72,94,106,107,108,111, 113, 114, 116, 124, 136, 144, 145, 146, 153,155,177,178, 186, 202, 209, 221 - altes 151, 152 - deutsches 152 - geistliches 138 - gelehrtes 151 - italienisches 107 - lokales 156 - ordentliches 152 - schlesisches 114 - unproduktives 155 Gerichtsassessor 153 Gerichtsbarkeit 69, 136 Gerichtsbezirk 113 Gerichtsgebrauch 111, 114 - einheimischer 112 - heutiger 87 Gerichtsgewalt 157 Gerichtshof 136 - königlicher 18 - mittelbarer 17 - unmittelbarer 17 Gerichtsordnung 100 Gerichtspraxis 92,132,140,197,198,212 Gerichtsstuhl 126 Gerichtsverfassung 155, 157, 201 Gerichtsvolk 151 Germanisten 62, 63, 64, 73, 129, 154 Germanistentage 59

292

Sach- und Ortsregister

Gesamtbevölkerung 130 Gesamtgebiet 66,68 Gesamtheit 44, 84 Geschichte 37,38,41,49,62,83,93,104, 105,131, 138, 147, 151, 154, 155 - allgemeine 148 - deutsche 95, 148 - Studium der 32, 123, 140 Geschichtsschreiber 195 Geschichtswissenschaft 132 Gesellschaft 30,39,57,60,139,160,166, 212 - bürgerliche 57, 175,176, 177, 205 - märkische 34 - ökonomische 34 - patriotische 119 Gesetz 17, 22, 25, 26, 28, 30, 33, 35,40, 41,42,43,46,58,59,63,68,70,71,72, 75,76, 92, 97, 100, 106, 107, 111, 112, 124, 128, 134, 136, 137, 138, 160, 161, 162,164, 165, 168, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 184, 188, 195, 199, 202, 205,206, 207, 208, 214, 215, 221, 222 - absolutes 75 - abweichendes 110 - allgemeines 41,42,43, 58, 59, 84, 184 - altes 87,94 - bedingtes 75 - besonderes 42,84,211 - bürgerliches 179 - deutsches 128 - einheimisches 92,93,94,107,110,128 - formelles 161, 181,216 - fremdes 100 - geltendes 138,203 - gemeines 82 - generelles 48, 59 - geschriebenes 136 - hypothetisches 75 - kaiserliches 127 - natürliches 179 - neues 88 - öffentliches 108 - partikulares 59,76,161,185 - positives 59, 139, 169, 174, 175, 176, 178,183, 184 - römisches 22, 39, 108, 109, 162

- salisches 39 - spezielles 176 - subsidiarisches 17,75 - umfassendes 203 - unbedingtes 75 - vollständiges 77 - zweckmäßigeres 129 Gesetzbuch 25, 30, 45,48, 97, 144, 148, 168, 201, 207, 208, 209, 212, 213, 214, 215, 235 - allgemeines 26,182,203,205,206, 208, 209, 210, 230 - besonderes 208 - deutsches 82, 182 - einer fremden Nation 148 - geltendes 207,209 - gemeines 215 - justinianisches 25 - kein offizielles der Kirche 88 - langobardisches 97 - lückenloses 162 - nationales 213,218 - neues 213 - päpstlich-kanonisches 89, 97 - partikulares 206 - preußisches 208 - provinzielles 26 - römisches 25,97,114,172 - subsidiäres 212 - subsidiarisches 206, 207 - systematisches 209 - undeutsches 127 - vollständiges 77, 205 - willkürliches 208 Gesetzesbegriff - moderner 212 - positiver 25 Gesetzesbestimmung 43 Gesetzesgerechtigkeit 161 Gesetzeskraft 19, 71, 82, 96, 127, 209 Gesetzespositivismus 26 Gesetzesrecht 62, 160, 169 - einfaches 98 - feststellbares 98 - klares 98 Gesetzesredakteur 26, 200, 209, 213, 222 Gesetzesreform 119

Sach- und Ortsregister Gesetzesrevision 61 Gesetzessammlung 91,128 Gesetzestechnik 120 Gesetzes Verbesserung 33 Gesetzesverständnis 178 Gesetzeswerk 26 Gesetzgeber 18, 62, 75, 117, 135, 161, 165, 176, 177,178,179, 215 - monarchischer 208 - positiver 175 Gesetzgebung 21, 29, 30, 36, 61, 63, 72, 73, 82, 119, 137, 144, 151, 153, 207, 208,213,215 - allgemeine 68,76,201,206,211 - besondere 69 - deutsche 45 - doppelte 204 - einheimische 45 - entgegenstehende 117 - fehlende 182 - justinianische 19 - konkurrierende 214 - lückenhafte 215 - territoriale 109 - umfassende 81, 82 Gesetzgebungsakt 86, 106, 188 - formeller 122 - historischer 22 - kaiserlicher 105 Gesetzgebungsarbeit 26 Gesetzgebungsauftrag 209 Gesetzgebungsgewalt 98, 169 Gesetzgebungskompetenz 89, 121 Gesetzgebungsplan 206 Gesetzgebungsstaat 208 Gesetzgebungs Vollmacht 13 5 Gesetzgebungswerk 82 Gesetzinterpret 128 Gesetzkommission 97, 119, 172, 209 Gesetzmäßigkeit 43 Gestattungstheorie 117, 122, 185, 199 Gewalt 127,130 - gesetzgebende 117,120,126,127,148 - gesetzgeberische 220 Gewerbe 54, 142,144 Gewißheit 208,219

Gewohnheit 32,60,66,68,70,71,76,86, 92, 93,94, 97,99,107,108, 111, 115, 116, 117, 120, 123, 124, 125,127,128, 133, 138, 171, 172, 180, 183, 184,187, 194,199, 207, 216 -allgemeine 111,125,127,172 - althergebrachte 92 - besondere 194 - beweisbare 138 - deutsche 172 - einheimische 92,122 - feststellbare 133 - geltende 172 - gemeine 61, 123 - gerichtliche 172,184 - geschriebene 135 - historisch nachweisbare 124 - historische 219 - örtliche 108 - ungeschriebene 135 Gewohnheitsrecht 18,62,63,70,87,110, 111, 112, 117, 127, 144, 177, 186, 199 - deutsches 112 - gemeines 129 Gießen 33,34,93,95,131,152 Gleichheit 70,218 - absolute 147 - inhaltliche 84, 191 Glossatoren 18, 50, 51, 52, 86, 91, 99, 100, 134, 135 Glosse 53, 89, 90,132, 142,145, 183 Gotha 151 Gottesbeweis 159 Göttingen 38, 56, 58, 61, 73, 78, 81, 95, 107, 115, 124, 141, 154 Graeca non leguntur 86 Graf 107 Grafenstand 34 Grafschaft 69 - Grafschaft Mark 202,206 Greifswald 53, 60, 78, 99, 212 Grenzmark 107 Griechen 42 Griechenland 41 Größe 20,196 - abstrakte 24 - homogene 196

294

Sach- und Ortsregister

- sublimine 64, 197 Großkanzler 30, 31, 34, 120, 173, 205, 235, 247 Großkanzleramt 34 Grund 83, 90, 95, 97, 99, 100, 101, 114, 122, 128, 130, 134, 136, 140, 141, 143, 155, 161, 164, 171, 173, 175, 177, 182, 184, 195,200, 209,218 - formeller 73, 107, 114, 198 - gemeinsamer 70, 72, 101 - historischer 20,21,218,220 - juristischer 70,218 - logischer 191 - naturgemäßer 167, 169 - pragmatischer 130 - praktischer 121, 155, 159, 176 - rechtspolitischer 156 - sonstiger 186 - systematischer 203 - überpositiver 183 Grundbesitz 149 Grundeigentümer 23 Grundlage 20, 69, 83, 86, 90, 122, 172, 184,192, 193, 206, 207,213 - allgemeine 98 - begriffliche 154 - dogmatische 78 - formelle 61,135,200,207 - gemeinschaftliche 61 - geschichtliche 60, 83 - gesetzliche 162 - naturrechtliche 166 - römisch-rechtliche 58 Grundprinzip 24, 64, 197 Grundvorstellung 94, 134 - antike 59 Gültigkeit 69, 75, 77, 80, 102, 114, 117, 123,124, 125, 139, 172,181, 195 - gemeinrechtliche 74 Gütergemeinschaft - eheliche 81 Güterrecht - eheliches 81 Güterstand - ehelicher 211 Gymnasium 93

Habere fundata intentio 25,111,139,187, 188,189, 197, 221 Habilitation 33, 53, 58, 60, 64, 73, 78, 115, 140, 141, 152, 153, 154 Habilitationsrede 72 Habilitationsschrift 33, 166 Halberstadt 31,206 Halle 30,34,38,56,58,95,112,113,116, 124, 137, 172, 195, 202, 209 Hameln 58 Handel 142,143,144,147 Handelsgebrauch 86 Handelsrecht 53, 69, 73, 81,116 Handelsverkehr 114 Hannover 104 Harzburg 78 Hauptgesetzbuch 208 Hauptrecht 211 Hauptteil 68 Hauserbfolge - römische 55 Hausmachtspolitik 107 Heavitree 101 Heer 107 Heergewette 116, 118 Heidelberg 30, 38, 58, 60, 61, 64, 72, 73, 78, 134, 150, 151, 152, 153, 154, 156 Heilbronn 93 Helmstedt 29, 30, 38, 92, 107, 186 Herkommen 36, 100, 109 Herkunft 75,91,138 - geistesgeschichtliche 28 - rechtsgeschichtliche 28 Herrenhaus 151 Herrschaft 69, 94, 101, 102, 108, 153, 159,202 - aufkommende 158 - makedonische 42 - spirituelle 164 Herrschaftsanspruch 103 Herrschaftsbefehl 26 Herrschaftsgebiet 202 Herrscher 101 - absolutistischer 169, 178, 183 Herrschersouveränität 30 Herzog 105 Herzogtum 107, 114,136, 203

Sach- und Ortsregister Hierarchie 135 High Commission 102 Hilfsbegründung 130, 199 Hilfsdisziplin 136 Hilfskonstruktion 25 Hilfsquelle 184 Hilfsrecht 22, 23, 75, 81, 96,120, 123, 125, 185, 191, 192, 206, 207,211 - angenommenes 200 - besonderes gemeines 195 - ergänzendes 198,211 - gemeines 19 - subsidiäres 147 - subsidiarisches 200,203,205,214 - überörtlich gleiches 193 Hinsicht 45,131,215 - informeller 74 - in funktioneller 215 - in gegenständlicher 46,48,57,59,83, 84, 217 - in geographischer 20,45,48,58,59, 66, 67, 68, 74 - in horizontaler 66 - in inhaltlicher 109, 122 - in logischer 48,84,217 - in materieller 74,112 - in örtlicher 45,48,57,58,59,66,68, 74, 83, 84, 109, 122, 192, 217 - in räumlicher 21 - in rechtlicher 58, 68 - in systematischer 48, 57, 58, 83, 162, 217 - in theoretischer 17 Historie 67 Historiker 105,140,166 Historiograph 152 Historische Rechtsschule 21, 33, 38, 60, 61,62, 63,71, 148, 183, 194,219 Historismus 158 Hochberg 33 Hochmittelalter 159 Hochschullehrer 166 Hofastronom 105 Hoferbfolge 211 Hofgericht 33,94,150,151 Hofgerichtsadvokat 113 Hofhistoriograph 137

Hofrat 32,33,92,128,137 Hofratskanzler 32 Hofrichter 142 Holland 112 Holstein 111 Humanismus 26, 87, 99, 152 Humanisten 29, 105, 106, 166 Husum 78 Hypothese 96, 145, 147, 158, 159 Idealismus 163 Idealisten 50 Idee 20, 43, 63, 128, 160, 185, 199, 200, 203, 206,213 Ideenlehre 42, 43,44,49, 51, 63 Identität 154, 160, 170, 218 - gedachte 189 - inhaltliche 171,172,189,193,197,221 - punktuelle 191 - uneingeschränkte 54 - völkische 45 Immediatbericht 35, 179 Immediatvorstellung 231 Immobilie 66 Imperator 101, 165 - Imperator romanorum 104 Imperio rationis 99 Imperium romanum 101,103,109,159, 160 In-sich-Schluß 117,122 Inbegriff 36,40,41,60,65,72,75,98, 174,181,182, 183 Indulgentia 47 Ingolstadt 32,53,134 Inhalt 22,25,28,61,73,79,86,87,96,97, 98, 99, 114, 121, 130, 140, 142, 145, 155, 182, 190, 191, 197, 200, 203, 211, 214,218, 221,222, 228, 230 - angenommener 85 - deutsch-rechtlicher 21,220 - gemeinrechtlicher 196 - konkreter 182,221 - materiell-rechtlicher 18,35,37,52,61, 64, 85, 185,219 - rechtlicher 35,49,63 - römisch-kanonischer 130 - römisch-rechtlicher 81

296

Sach- und Ortsregister

- spezifischer 131 - tradierter 82 - überlieferter 82 Inkrafttreten 200 Instanz 155, 178 Institut 45, 78, 79, 128, 148, 149, 181 - deutschrechtliches 21 - gemeinrechtliches 76, 78, 80 - partikularrechtliches 80 - subsidiäres 78 Institutionen 19,24,46,47,55,56,89,93, 94, 124, 128 Instruktion 59, 172, 209 Intellektueller - europäischer 159 - mittelalterlicher 163 Intentio in iure commune fundata 188 Intention 20,37,141,205 Interesse 146, 149, 150, 202 Interlinearglosse 89 Interpret 102,165 Interpretation 18,49, 103, 138,158,162, 165, 169 Irland 102 Irrglaube 106 Irrtum 89,126, 127, 146, 147, 186 - gemeiner 127 - gemeinsam angenommener 185 - gemeinsamer 127, 130, 199 - historischer 130 Isagoge 50 Iserlohn 56 Italien 24,56,99,101,102,107,135,141, 142,143 Italiener 105 Italienfeldzug 106 Iura novit curia 187 Iuris interpretatio 162, 163 lus 205 - iura aequa incerta 31 - iura communia 95 - iura communia subsidiaria 126 - iura germaniae 87 - iura patriae 95 - iura subsidiaria 196 - ius canonicum 31, 89,90,97,164, 195 - ius certum 30, 208

- ius civile 32, 58, 89,90, 98, 102, 103, 111, 163, 164 - ius clericarum 56 - ius commune 17,27,32,35,45,46,47, 48,53,56,58,59,65,66,67,75,83,84, 86, 87, 90, 91, 94, 95, 96, 97, 103, 112, 140, 151, 160, 171, 181, 185, 187, 189, 200, 203, 217 -germanicum 19,21,95,96,123, 128,196 - omnium hominum 46 - praktisches 198 - saxonicum 195 - subsidiarium 120 - ius culumnese 22, 96 - ius exorbitans 58 - ius generale 45,46,56,59,66,67,75, 83,84 - ius gentium 41,166 - ius germanicum 94,97, 98, 196, 198 - ius illustrium 56 - ius incertum 186 - ius langobardicum 97 - ius militarum 56 - ius municipale 47, 66, 84 - ius naturae 173, 174 - absolutum 173, 180 - hypotheticum 173, 175,180, 183, 184,220 - ius naturale 24, 138,173, 174, 175, 176, 177, 180, 183, 184, 199, 221 -absolutum 174,180,183,220 - ius nobilium 56 - ius non scriptum 70,118, 186, 195 - ius particulare 56, 58, 59, 67, 84, 186 - ius personarum 56 - ius proprium 135 - ius proprium civium 46 - ius provinciale 56 - ius publicum 58,109,111 - ius respondendi 165 - ius romanum 97,114,180,194,195, 203, 204 - ius rusticarum 56 - ius saxonicum 32 - ius scriptum 25,47,99,114,118,180, 181,199

Sach- und Ortsregister - ius singulare 47,58,67,68,75,84,139,

186 -

ius speciale 46, 56, 67, 84, 139, 186 ius statutarium 56 ius universale 58, 59, 68, 84, 181 ius vagum 32, 173 ius vulgatum 47

Jena 33,34,56,58,64,92,93,98,99,124, 128, 137, 152 Joachimica 55, 116 Jurisdiktion 41 - Inhaber der 146 - römische 42 Jurisprudenz 99, 161, 175, 176, 178, 181 - deutsche 99 - elegante 87 - italienische 99 - mittelalterliche 50 - romanistische 44 - römische 44,99,130,161,162 Juristen 18,23,24, 30, 36,50,51,63, 84, 86, 114, 129, 134, 137, 143, 145, 150, 151, 159, 160, 182, 186, 194,212 - deutsche 70, 100 - englische 179 - französische 48, 99, 100 - gelehrte 142, 145 - geschulte 149,152 - italienische 100, 155 - mittelalterliche 24,50,140,142,159 - römische 44, 45, 83, 99, 165, 166 Juristenfakultät 38, 94, 151, 202 Juristengeneration 52 Juristeninterpretation 163 Juristenrecht 18, 63, 72, 131, 162, 163, 183,221 Juristenstand 151 Justiz 31,119,204 Justizdienst 212 Justizienrat 137 Justizkollegium 205 Justizminister 19, 61, 202, 212, 235, 247 - schlesischer 34,235 Justizministerium 119,120,151 - württembergisches 71 Justizprüfungskommission 151

Justizrat 31,112,151 - geheimer 58, 152 - preußischer 152 Justizreform 201,202,204 Justizverwaltung 174 Justizwesen 31,202 Kabinettsorder 172, 202, 204, 206, 231, 235, 247 Kaiser 26, 30, 60, 93, 96, 101, 105, 106, 107, 135, 141, 142, 143, 150 - byzantinischer 107 - deutscher 101, 165 - fränkischer 52 - römischer 103, 104, 126, 165 - salischer 86 Kaiserkonstitution 162 Kaiserkrone - habsburgische 109 Kaiserrecht 19, 53, 54, 55, 101, 116 - beschriebenes 55 - gemeines 55, 101, 115, 124 - geschriebenes 115 - römisches 101 Kaiserreich 136, 160 Kaisertum - habsburgisches 29 Kaiserwürde 61, 141 Kamaldulensermönch 88 Kammer 156 - badische 99 - württembergische 71 Kammergericht 31, 94, 107, 115, 116 Kammergerichtsordnung 114, 115, 116 Kammergerichtspräsident 120 Kammergerichtsrat 120, 151, 209, 212 Kammergerichtsreferendar 209 Kammermandat 71 Kammerrichter 108 Kannstatt 71 Kanonisten 24 Kanzleirat 81 Kanzleiregistratur 87 Kanzler 33,64 Kanzleramt 72 Kanzlerwürde 142 Kapitularien 52, 88, 135

298

Sach- und Ortsregister

Karlsruhe 33 Kassationshof 61 Kassel 58,81,148,151 Kategorie 65 Kauf 66 Kaufmann 54 Kaufmannschaft 54 Ketzerei 50, 164 Kiel 58, 78, 152 Kings Advocate 102 Kirche 88, 102, 139, 142, 164 Kirchenkasten-Advokat 87 Kirchenlehre 50 Kirchenrat 93 Kirchenrecht 64, 81, 93, 115, 116, 154 Klage 19, 146, 147, 157, 208 Klarstellung 26, 184 - autoritative 29,200,222 - inhaltliche 28,215 Klärung 177, 198, 216 Kleinasien 42 Kloster 53,107 Kodex 131 Kodifikation 26, 29, 33, 115, 200, 213, 215,216 - allgemeine 58 - bayrische 33 - des Privatrechts 17 - einzelstaatliche 58 - klarstellende 29 Kodifikationsprozeß 211 Kollegium 204,205,208 Kollision 22, 64, 196, 197 Köln 53,106,134 Kolophon 163 Komitee 114 Kommandeurskreuz 58 Kommentar 93, 165 Kommentatoren 51, 70, 86, 186 Kommentierung 90 Kommentierverbot 164 Kommission 60 Kompendium 201 Kompilation 19 Kompilatoren 175 Konferenz 118 Konferenzminister 33

Konferenzprotokoll 118 Konflikt - rechtlicher 45 Konfusion 205 Konglomerat 45 Kongreß 153 König 42, 107, 118, 120, 179, 202, 230, 235 - deutscher 101, 141 - fränkischer 135 - französischer 48 - preußischer 35, 172 Königin 208 Königreich 102 Königsberg 58, 140, 141, 156, 167 Königsgericht - englisches 155 - französisches 155 - italienisches 155 Königslutter 107 Konkordanz 163 Konsequenz 62, 111, 125, 169, 187, 220 Konsiliarius 92 Konsiliatoren 86 Konsilien 30 Konsistorialrat 87,92 Konsistorium 81 Konstantinopel 19 Konstitution 52,87,89,96,116,131,202, 204 - hallesche 202 - kaiserliche 55, 87 - kursächsische 201 - päpstliche 89 - partikulare 135 Konsul 91 Konsulent 87, 93, 128, 179 Kontinuität 54, 144 - geistige 214 - juristische 82 Kontinuitätsfaktor 162 Konvention 160 Konzeptualismus 50 Konzil von Vienne 89 Konzilium 88 Körperschaftsbegriff 27 Korporationslehre 153

Sach- und Ortsregister Kraft 70,72,101,127,148,185 - derogierende 138, 139 - dominante 210 - gesetzliche 114,211 - leitende 154 - prägende 210 - überall dieselbe 169 - übergesetzliche 72 - verbindende 69, 128 - verbindliche 167 - wirkende 62 Kreis 78,79, 143 Kreisgerichtsrat 151 Kreisregierung 71 Kreisrichter 151 Kreistag 87 Kreuznach 34 Kriegsminister 31 Kriminalordnung 202 Kriminalrecht - deutsches 100 - gemeines 100 Krise 101 Kriterium 101 Kronenorden 156 Kronrat 48 Krönung 107, 150 Kronzeuge 163 Kultur 143,144,160 Kulturperiode 148 Kulturschöpfung 58 Kulturstimmung 26 Kultusminister - sächsischer 64 - württembergischer 64 Kurfürst 54, 105, 114, 116, 150, 201 Kurfürstentum 116 Kurmark 114, 115, 118, 119, 120, 202, 203, 206 Kursachsen 113 Laiengericht 152 Laienrichter 73 Land 18, 20, 54, 55, 57, 74, 77, 78, 115, 116, 136, 149, 155, 161, 182, 195, 202, 203,204, 205, 208 - europäisches 20, 136

- königliches 173 - sächsisches 68 Landesadministrator 118 Landesarchivar 81 Landesbezirk 209 Landesfürst 209 Landesgesetz 97, 206, 207, 211,214 - allgemeines 120,202,211 - brandenburgisches 202 - gemeines 211 Landesgesetzbuch 208 Landesgesetzgebung 82 Landesherr 60, 66, 120, 150, 155, 195 Landesherrschaft 150 Landeshoheit 150 Landeskanzlei 92 Landeskollegium 33 Landesrecht 81,187,214 Landessekretär 118 Landessitte 196 Landessyndikus 118 Landesverfassung 204,205,212 Landfrieden 87 Landgemeinde 69 Landrecht 17, 31, 39, 60, 100, 118, 129, 135, 168, 185, 187, 194, 202, 203, 204, 205,211 - allgemeines 17,203,204,205,208, 211 - bayrisches 53 - besonderes 203 - deutsches 69,204 - einheimisches 210 - einheitliches 203 - gemeines 52, 69 - ostpreußisches 118,210 -preußisches 81,116,206,208 - schwäbisches 124 - württembergisches 22 Landrechtsprojekt 205 Landschaftsrecht 48 Landshut 61, 124 Landstand 54,119,150 - märkischer 120 Landtag 157 - württembergischer 64 Landtagsrezeß 115, 116, 118, 120, 202

300

Sach- und Ortsregister

Lateinschule 29 Leben 113,149,155 - bürgerliches 142, 176 - geschichtliches 99 - gesellschaftliches 176 - öffentliches 26, 142 - praktisches 145, 146, 152 - privates 26 - römisches 24 - städtisches 143 Lebensverhältnis 79, 144, 145, 146, 149 Lebenswerk 49 Legisten 25,99 Legitimation 109, 134, 165, 167 Legitimationskette 118 Lehn 97 Lehnfall 205 Lehnherr 139 Lehnmann 139 Lehnsleute 97 Lehnsprobst 33 Lehnsrecht 40,64,73,91,93,97,116,124 - allemannisches 93 - deutsches 114 - fränkisches 93 - langobardisches 21,91,93,95,98,107, 194,195, 198 - sächsisches 93,115 - schwäbisches 124 - universelles 93 Lehnsrechtspraxis 86 Lehnsstreitigkeit 139 Lehnsvertrag 139 Lehrgerüst 112,127 Lehrsatz 65, 103, 166 Lehrtätigkeit 42, 56, 60, 61, 78, 124 Lehrverbot 112 Leibeigenschaft 206 Leipzig 60, 64, 72,73,92,93, 94,95, 99, 112, 134, 137, 141, 154 Levantehandel 86 Lex 90,187 - lex communis 18,52 - lex generalis 46, 58, 190 - lex germanicum 92 - lex Langobarda 91 - lex lata 186

- lex municipalis 46 - lex posterior 88, 194, 195 - lex Salica 39 - lex scripta 64, 129, 136 - lex specialis 139,190 Lex posterior derogat priori 88,195 Leyden 29,32 Liber extra 89 Liber feudorum 91 Liber Papiensis 91 Liber sextus 89 Libri legales 50 Literarische Gesellschaft 215 Literatur 18,70,211 - humanistische 166 - kirchliche 166 - wissenschaftliche 81 Literaturquelle 49 Littauen 210 Lizentiat 29,56,93 Locus 164 Logik 42, 44,48, 51, 63, 100, 164, 177 Lokalrecht 186 Lombarden 143 London 101,102,128 Lothar-Legende 54, 104, 105, 106 Löwenorden 58 Lübeck 59,72,73,81, 114, 116, 147, 150 Lücke 77, 79, 89, 99,100, 128, 189, 190, 192,193, 208 - inhaltliche 206 - rechtliche 34,36,68 Lückenfüllung 63, 128, 196, 206, 214 Lückenhaftigkeit 79, 193, 215, 221, 222 Lückenlosigkeit 200 Lückenschließung 215 Magdeburg 201,202,203,206 Magister 105,112 Magistrat 203 Mailand 86 Mainz 107 Majestät 35, 94, 136 Makedonien 42 Mansfeld 107 Marbach am Neckar 72 Marburg 56,61,140,148,151

Sach- und Ortsregister Marginalglosse 89 Marienwerda 210 Mark Brandenburg 114, 116, 117, 202 Markgrafschaft 33 Massenverhältnis 76, 187, 190, 191,192, 193, 197,221,222 Mathematik 42, 100, 105, 164 Mechanismus 213 Mecklenburg 73 Medizin 29,86 - Professor für 29 Medizinalordnung 168 Mediziner 51 Medizinstudium 29 Meinung 97, 98, 106, 167, 169, 172, 221 Meinungsstand 88,131, 194, 202 Meinungsstreit 189 Mengenverhältnis 40, 58, 83, 130, 138 Merkmal 18,44 - systematisches 40 - wesentliches 139 Metaphysik 24,42 Methexis 43 Methode 27,44, 51, 63, 99, 103 - gemeinrechtliche 18 - historische 62, 140 - juristische 52 - logisch-deduktive 156 - rechtswissenschaftliche 50 - spezifische 63 - wissenschaftliche 24, 140 Methodenlehre 61 Methodenstreit 50 Methodik 158 Miete 66 Militär 157 Militärdienst 115 Minden 206 Minister 93 Ministerium 61 Mitglied 57 Mittel 45,178 - historisches 133,219 - juristisches 219 - logisches 163, 164 - methodisches 163, 183 - prozessuales 197

- scholastisches 163 - wissenschaftliches 158 Mittelalter 20, 23, 24, 47,49, 50, 52, 91, 96, 99, 105,127,130, 136,150, 153, 155,157, 163, 197, 199, 217, 220 - europäisches 86 - frühes 49,52 - spätes 52 Mitteleuropa 26 Mittelitalien 135 Mobilie 66 Modena 105 Modifikation 21,82 Modifizierung 215 Moment 71, 159 - entscheidendes 150 - integratives 183 - politisches 153 - rechtspolitisches 188 - wirtschaftliches 148 Monarch 210 Monarchie 120,202 Monent 208 Monitum 204,205 Monographie 98 Monopol 131 Moral 24 Moraltheologe 24 Moraltheologie 165 Mores hodiemae 87 Mos gallicus 86 Mos italicus 86 Müller-Arnold-Affäre 34 München 32,33,53,60,71,78 Münster 140 Mußteil 116 Musterentwurf 211 Nachfolge 73 Nachfolger 101, 165, 202, 209 Nachteil 186 Nachweis 19,107,117,123,127,133, 147, 148, 151, 187, 199 Nation 26, 126, 149, 155, 174 - deutsche 60, 164 - fremde 148 - italienische 135

302

Sach- und Ortsregister

Nationalität 139, 159 Nationalökonomie 148 National verein 71 Natur 79,124, 130,133, 145, 161, 169, 172, 173, 176, 196 - innere 21 - menschliche 173, 174 - partikulare 74,96,122,184 - von absoluter 76 - von allgemeiner 59, 67 - von beschränkter 67 - von gemeinrechtlicher 122 - von genereller 220 - von inhaltlicher 198 - von partikularer 198 - von theoretischer 193 - von vernünftiger 71 Natur der Dinge 44 Natur der Regel 66 Natur der Sache 42, 58, 62, 63, 71, 139, 161, 175, 180 - Kodex der 131 - Prinzip der 215 Natur der Strafe 100 Natur des Menschen 63 Naturgesetz 166,207 Naturkraft 33 Naturphilosophie 29, 33 Naturrecht 24,25,30,40,56,61,62,104, 112, 124, 137, 139, 148, 159, 160, 166, 168,169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 177, 180, 183, 184, 185, 189, 190, 197, 198, 206, 215, 220, 221 - absolutes 174,175,177,178,180,220, 221 - allumfassendes 182, 183 - bedingtes 139 - hypothetisches 174, 175, 177, 180, 199, 220, 221 - inhaltlich ungeklärtes 163 - inhaltsgleiches 189 - nationales 63 - nebulöses 162 - philosophisches 176 - schriftlich verkörpertes 171 Naturrechtsbewegung 179

Naturrechtslehre 24,63,72, 84,112,165, 166,169,183 Naturrechtssatz 174 Naturrechtssystem 166 Naturrechtstradition 174 Naturrechtswissenschaft 164,220 Naturrechtszeitalter 33 Naturwissenschaft 49 Naumburg 92 Neapel 102 Nebengesetz 215 Negativum 189 Neiße 36 Neu-Vorpommern 36 Neumark 114,115,118,119,202,203, 206 Neuzeit 28,47, 50, 84, 137, 161, 217 Nominalfach 124 Nominalismus 50 Nominalisten 50 Nonusus 188,189 Nordamerika 149 Norddeutscher Bund 64 Norden 29 Norm 31,48,66,135,160,161,168,174, 176,181, 193, 221 - abgeleitete 183 - abstrakte 183 - allgemeingültige 183 - konkurrierende 135 - neue 146 - partikulare 185 - positive 138 - singuläre 83 - streitentscheidende 221,222 - verbindende 20,220 - wissenschaftliche 162 Normannen 107 Normengefüge 132 Notar 151, 152 Notwendigkeit 145, 147, 166, 172, 174, 179,208 - fortdauernde 21 - gemeinsame 70 - geschichtliche 145 - innere 142 - juristische 21,70

Sach- und Ortsregister Nova practica 87 Novellen 19,86,89,113 Nürnberg 33,61,128,147 Nutzbarmachung 130 Oberamtmann 33 Oberamtsrat 119 Oberamtsregierung 34, 119 - Breslauer 34 - Schlesische 34 Oberamtsregierungsrat 119 Oberappellationsgericht 116, 202, 212 - Lübecker 73 - Präsident des 31,81 Oberappellationsgerichtsrat 31,64 Oberbegriff 51 Obergerichtsassessor 151 Oberhofprediger 148 Oberjustizrat 119,209 Oberkonsortium 119 Oberrat 93 Oberrevisionsrat 61 Oberschlesien 206 Obertribunal 121, 122 - preußisches 36, 121, 122 Obertribunalrat 119,209 Obligationenrecht 114, 131 Observanz 195 Offenstetten 32 Öffentliches Recht 82, 93, 124 Öffnungsklausel 215 Oldenburg 81 Oppeln 34 Opposition 94 Ordinariat 140 Ordnung 27,43, 60,94, 108, 116, 146, 205,215 Ordnungsprinzip 43 - gegenständlich als 85 - schonendes 222 - systematisch-logisch als 85 Orléans 48 Ortsrecht 18,36,81,100 Osnabrück 61 Österreich 17, 26, 168, 208, 209 Ostfriesland 29,118,206 Ostpreußen 201,210

Oxford 102 Pächter 206 Padua 105 Pandekten 19, 65, 105, 155, 165 Pandektenrecht 58, 60, 127 Pandektenschrift 104 Pandektenwerk 90 Pandektenzeit 99 Papst 89, 106, 107, 164, 167, 172 Papstspruch 89 Paradigma 22, 52, 183, 198, 214, 218 Paradoxie 74 Parallele 64,189,197 - inhaltliche 70 - methodische 18 Paris 48,61,86 Parlament 48, 73, 102 Parlamentssache 104 Partei 75, 152, 177, 178, 188 Partikulargesetz 58, 182 Partikulargesetzgebung 82 Partikulargewohnheit 182 Partikularismus 148 Partikularität 26,74,189 Partikularrecht 18, 25,41,46,58, 59, 60, 66, 68, 69, 71, 74, 75, 77, 79, 102, 103, 112, 115, 121, 122, 123, 157,181, 182, 186, 189,192, 194, 199, 208, 212, 218, 221 - deutsches 64, 197 - geltendes 219 - historisches 220 - positiv geltendes 169 - unmittelbar anwendbares 64,197 Patent 210,230 Patrizier 45 Pavia 86 Pegau 92 Peinliche Gerichtsordnung 100 Peregrinenrecht 41 Peregrinenvölker 42 Peregrini 23,41 Peripatetische Schule 42 Perspektive - distanzierte 161 - systemexterne 161

304

Sach- und Ortsregister

Pfandgesetz 77 Philologe 48 Philologie 64 - Studium der 141 Philosoph 166, 167, 177 Philosophenschule 163 Philosophie 42,43,49,50,57,62, 83, 86, 87,92,93,100,112,136,137,164,168, 169, 175, 176, 177 - abendländische 42 - antike 48 - aristotelisch-scholastische 164 - eleatische 163 - platonische 163 - Studium der 32, 92,94, 123, 141 - wissenschaftliche 42 Physik 168 Pisaner 104, 105 Plebejer 45 Plön 152 Poitiers 48 Polen 34,102 Polisrecht 160 Politik - mittelalterliche 164 - Professor für 29 Politiker 212 Polizeiwirtschaft 124 Polyhistor 29 Pommern 111,202,204,206 Portugal 102 Positivierung 26, 164, 177, 179, 184 Postglossatoren 86 Potsdam 34 Praeceptum 46, 162 Praesumtio in iure commune 112 Praetor peregrinus 41 Prägung - gemeinrechtliche 214, 222 - kontinentaleuropäische 179 Praktiker 156 Prälaten 54,116 Präses 194 Präsident 31,34,48,72, 119, 131, 151, 202

Praxis 23, 25, 32,96,113, 134,136,140, 144, 145, 146, 175,178,185,187,188, 199, 200,213,214,216 - gerichtliche 198, 199 - konsultative 71 - moderne 87 Prediger 93 Preisschrift 208 Preußen 17, 21, 26, 28, 36, 97, 99, 119, 120, 140, 172, 200, 201, 202, 204, 206, 208, 209,211,213,215,216, 222 Princeps 117,150,194 Principia decori 175 Principia justi 175 Prinzip 20, 62, 80, 114, 128, 131, 139, 164, 175, 185, 194,213,214,216 - dasselbe 80 - gemeinrechtliches 79, 215 - gleichwertiges 95 - methodisches 158 - prozessuales 189 - schonendes 212 - vernünftiges 160 Prioritätsprinzip 195, 221 Privatautonomie 181 Privatbibliothek 42 Privatdozent 71, 73, 81, 112, 152, 156, 212 Privatrecht 56,60,82,112,143,213,214, 215, 222 - allgemeines 181 - deutsches 20,21,53,56,58,60,64,73, 81,82, 95,97,115, 116, 122, 123,124, 128, 153, 180, 181,196, 197 - einheimisches 95 - gemeines 20,36,60,64,81,82,95, 122, 123, 128, 130,180, 181, 196, 197 - preußisches 36 - römisches 61, 122 - unmittelbar anwendbares 123 Privatrechtsgesetzbuch 213 Privatum Privilegium 47 Privileg 66, 67, 96, 150, 205 - generelles 67 - spezielles 47, 67 Privilegierung 210 Privilegium 47, 58, 59, 67, 84

Sach- und Ortsregister Problem 19,44, 49, 59, 69, 75, 84, 114, 136,138, 171, 182, 188, 190, 199, 218, 219 - ähnliches 190 - dogmatisches 211 - konkretes 189 - praktisches 188 - rechtliches 90 - rechtstheoretisches 161 - theoretisches 189 - unlösbares 199 Professor 64, 73, 93, 94, 105, 116, 124, 148, 150, 172, 186 - außerordentlicher 58,71,72,73,78, 99, 115, 124, 140, 141, 153, 156 - ordentlicher 29,30,33,38,53,58,60, 61,64,71,72,73,78,99,124,128,148, 152, 153, 154, 156 Professur 94, 128 Promotion 29, 30, 33, 38, 58, 59, 61, 64, 72, 73,78,81,92, 115, 128, 140, 141, 151, 152, 153, 154,156, 209 Protestant 29, 126 Provinz 32, 34, 35,41,56,57, 69,70,74, 103, 114, 120, 121,155, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 212, 218, 222 - besondere 125 - deutsche 123, 125 - preußische 222 - Rheinprovinz 36 Provinzial 131 Provinzialedikt 41 Provinzialgesetz 119,120,121,206,207, 211 - märkisches 120 - unmittelbar geltendes 120 Provinzialgesetzbuch 118,121, 205,206, 209,210,211 Provinzialgesetzgebung 120, 181 Provinzialgrenze 203 Provinzialismus 209 Provinzialkonzilium 88 Provinzialordnung 185, 213 Provinzialrecht 34, 36, 81,118,120,121, 122, 125, 203,210,211,212 - brandenburgisches 118 - einheimisches 201 20 Daniel

- gemeines 69 - ungeschriebenes 213 Provinzialrechtsbuch 121 Provinzialrechtsordnung 222 Provinzialstatut 207 Provinzialverordnung 123, 125, 170, 199 Prozeß 31,32, 110, 111, 159, 185, 187, 193, 194,215,221 - langatmiger 32 - schriftlicher 151, 186 - unbewußter 213 Prozeßgegner 187 Prozeßordnung 210 Prozeßparteien 155 Prozeßrecht 139,202 Prozeßrechtsreform 119 Publikationspatent 17, 22, 121, 211 Pupillenkollegium 119 Pupillenrat 119 Quaestiones 51, 88,163 Quelle 21,38,42,52,70,82,89,100,115, 126, 127, 132, 142, 143, 182, 184,199,

220, 222

- einheimische 148 - gemeinrechtliche 197 - gesetzesgleiche 160 - positiv geltende 185 - rechtlich einheitliche 70 - umfassendste 162 - urkundlich belegte 52 Quellenmaterial 49 Quellensammlung 88 Raison écrite 100, 131 Raisonnement 62 Rangermittlung 194 Rangfolge 195, 196 Rangverhältnis 195 Rat 95,137 - Geheimer 33, 73, 93, 119,137, 151, 156 - Straßburger 93 - vortragender 151,212 Ratifikationsurkunde 54 Ratio 100, 186 - ratio iuridica 100

306

Sach- und Ortsregister

- ratio iuris 47,48,83, 162 - ratio naturalis 25,71,165,169,184 - ratio scripta 24,99,130,136,165,169, 183,184 Rationalismus 61 Ratione imperii 99 Ravensberg 206 Realismus 50 Realisten 49,50 Realität - politische 103 - selbständige 50 Recht 18,20,24,29,34,35,40,44,45,48, 51,52,56,58,60,61,62,63,66,68,69, 70,71,72,73,74,76,77,79,83,85,90, 92, 97, 98, 99,100, 101, 103, 108, 111, 113, 115, 120, 126, 127, 128, 130, 131, 135,136, 137, 138, 139, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 154, 155,156, 157, 160, 162, 168, 173, 174, 175,176, 177, 178, 179, 182, 184, 201, 203, 205, 206, 207, 208, 209, 212, 215, 217,218 - abgezogenes 180 - absolutes 173 - abstraktes 131 - allgemeines 41,45,46,48,52,57,58, 65, 66, 68, 72, 73, 74, 75, 80, 97, 139, 160, 181, 186, 187, 188, 205, 217, 218, 219, 220 - allgemeines gemeines 192, 193 - allgemeinverbindliches 139, 186 - altes 53, 145, 149, 158, 195, 196, 205 - anerkanntes 20, 220 - angeborenes 173 - angemessenes 157 - angepaßtes 207 - angestammtes 115 - anomales 47 - anschauliches 131 - antikes 20 - anwendbares 20,79,220 - aufgezeichnetes 135 - bedingtes 139 - besonderes 45, 46, 55, 56, 57, 65, 66, 69, 76, 139, 185, 186, 188, 190, 217 - beständiges 205

-

-

-

-

-

brandenburgisches 202 bürgerliches 33, 40, 58, 142 das gesamte geltende 222 deduziertes 63 derogierendes 88 deutsches 30,31,40,61,65,81,83,92, 93,95, 100, 112, 116, 141, 142, 144, 149, 150, 153, 155, 196 divergierendes 208 eigentümliches 120 eingebürgertes 195 eingedrungenes 159 einheimisches 20,21,23,27,64,96, 100, 111, 112, 113, 114, 132, 140, 142, 145, 146, 148, 149, 150, 154, 156, 158, 186, 188, 189, 197 einheitliches 155 ermitteltes 63 formelles 71 französisches 36, 69 fremdes 17, 18, 19, 22, 95, 113, 114, 120, 121, 131, 141, 142, 143, 145, 152, 155, 156, 159, 208 gegenständliches 67 geistliches 40, 88 gelebtes 131 gelehrtes 131, 135 geltendes 18,22,26,29,30,31,32,34, 35, 62, 63, 99, 109, 120, 135, 138, 140, 141, 146, 159, 160, 162, 169, 172, 173, 186, 208,214 gemeines 17,18,19,20,21,22,23,25, 26,27,28,31,32,34,35,36,37,38,39, 40,41,42,45,48,50,52,53,54,55,56, 57,58,59,60,61,63,64,65,66,67,68, 69,72,73,74,75,76,77,78,79,80,81, 82,83,84, 85, 86,87,88,91,94,96,98, 100, 101, 103, 107,111, 112, 115, 118, 121, 122, 123, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 140, 155, 157, 158, 159, 168, 171, 173, 177, 181, 182, 184, 185, 186, 187, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 203, 208, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219,

220, 221, 222

- absolutes 75, 76, 77, 79, 189, 218, 220

Sach- und Ortsregister allgemeines 191 allumfassendes 217 älteres 20 authentisches 72 bedingt geltendes 79 bedingt subsidiäres 78,79 bedingtes 76, 77 beschriebenes 54 besonderes 191, 192, 193,195 bürgerliches 41 des Reichs 87, 108 deutsches 21,65,68,69, 82,96,180 einheitliches 26, 198 europäisches 69 faktisches 70,218,219 fixiertes 187 formelles 70,72,73,74,75,81,82, 85, 190,214,218,219, 220, 222 früheres 74 gegenständliches 67 geistliches 41 geschriebenes 19 gesetzlich gegründetes 219 gesetzlich geltendes 72 gesetzlich klargestelltes 26 gesetzlich verfestigtes 82 gesetzliches 72,76,181,219 historisches 70, 81, 85,185, 219 hypothetisches 75, 76,77, 78, 79, 84,134, 189,197,218, 220, 221 inhaltlich gleiches 81 juristisch gegründetes 219 juristisches 81,82,85,219 kaiserliches 87,115 materielles 70,71,72,73,74,75,81, 82, 85,190,218,219, 220 noch bestehendes 74 Paradigma des 183,198, 214, 218 partikular befestigtes 74 partikular gewordenes 74 positives 61,82,97,98,180 praktisches 23,46 preußisches 36 Prinzip des 222 reichsrechtlich legitimiertes 81 reichsrechtliches 81 relatives 79

- Relativität des 69,74,75,77,80 - römisches 21,82,118 - sächsisches 68,115,208 - schriftliches 187 - spezielles 195 - subsidiär geltendes 18 - subsidiäres 76,77,78,79,81 - subsidiarisches 76,191, 197 - überörtliches 192, 193 - umfassendes 219 - unbedingtes 76,77,78,79 - universelles 198 - untergegangenes 74 - verbindendes 217 - gemeinsames 38,41,42,65,68,71,72, 73, 87, 169,190, 193, 217 - gemeinschaftliches 38,40 - gemeinverbindliches 157 - generelles 67 - germanisches 106 - geschriebenes 75,79,112,115,124, 156, 160, 167, 169, 186 - gesetzliches 76 - gesetztes 160,162 - gesprochenes 18 - geübtes 136 - gewährtes 54 - gewisses 204 - gleiches 192, 193, 209 - göttliches 40,138, 160, 171 - gültiges 21 - heimisches 99,142 - hergebrachtes 35 - Herrschaft des 66 - historisch überliefertes 61,219 - historisches 219 - historisches gemeines 81 - hypothetisches 79, 173 - im allgemeinen Sinne 53 - Inbegriff des 40,75 - inhaltlich gleiches 74,85,191,192, 193 - innere Natur des 67 - juristisch gemeines 70 - juristisch gewonnenes 219 - justinianisches 54, 86 -kaiserliches 102,112,116,118

308

Sach- und Ortsregister

- kanonisches 20,21,25,30,31,32,40, 41, 88,90, 91, 97, 98, 100, 126, 136, 138, 141,170, 171, 172, 195,196, 205 - kirchliches 89 - konkretes 131 - Kulmer 97, 103 - landesherrliches 150 - langobardisches 93 - lateinisches 109,204,205 - lokales 208 - lombardisches 143 - Lübecker 103 - Lübisches 115 - Magdeburger 96 - materielles 44,202,203 - Metaphysik des 24 - mittelalterliches 149 - nationales 73, 187 - natürliches 25, 34, 35,73, 138, 163, 171,173, 174,175, 176, 177 - neumärkisches 23 - oberitalienisches 86 - objektives 28,38,40,45,47,61,65,67, 155, 169,218, 222 - Öffentliches 17, 82, 93, 124 - päpstliches 40,41 - partikulares 23,26,41,42,46,51,52, 56,57,63,67,68,69,74,77,79,80,84, 85,97,111, 135, 136, 182, 186,187, 190,191, 192, 193, 197, 198, 203, 208, 211,212, 221,222 - Pfälzisches 21 - positiv geltendes 63,136,186,214 - positives 24,26,61,62,64,73,85,98, 100,128, 129, 134, 136, 160, 172, 173, 185, 187, 189, 190, 198,219, 220 - praktisches 20, 198 - preußisches 21 -provinzielles 112,121,206 - reales 51 - regelmäßiges 66 - regelwidriges 67 - rezipiertes 129, 195 - römisch-kanonisches 17, 23, 24, 75, 95, 97, 102, 122, 171, 196, 198, 200 - römisches 17,18,19,20,21,22,23,24, 25,26,27,29, 30,31, 32, 38, 39,40,52,

53,54,55,56,58,59,60,61,64,65,72, 75,76,81,85,86,87,88,90,91,92,94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 102,103, 104, 105, 106, 107, 108, 109,110, 111, 112, 113, 114,115, 116, 117, 118, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 141, 142, 143, 144,145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152,153,154, 155,156, 157, 158, 159, 160, 164, 166, 167,169, 170, 171, 172, 173, 175,177, 179, 180, 181, 183, 184, 185, 187,188, 189, 190, 191, 192, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 204, 205, 207, 208,209, 210,212,213,214,217,218 - Aufnahme des 131,140,144,153, 156 - Eindringen des 146, 153 - Kenntnis des 148 - Rezeption des 144, 145 - rezipiertes 188 - Studium des 141 - System des 96 - weite Verbreitung des 141 - wissenschaftlich aufbereitetes 142 - russisches 69 - sächsisches 21,39,102,103,111,115, 117,171»194, 195, 205 - schlesisches 119 - singuläres 48, 67, 75 - spanisches 69 - spezielles 67, 187,188 - gegenständliches 67 - subjektives 40,67 -subsidiäres 18,64,79,129 - subsidiarisches 17, 21, 22, 34, 115, 121,196, 208,211 - tradiertes 211,213,216 - übergeordnetes 18 - überpositives 85, 134, 160, 198 - ungeschriebenes 79,160 - uniformes 205 - unproduktives 155 - unregelmäßiges 219 - unvollständiges 206 - ursprüngliches 173 - vaterländisches 143

Sach- und Ortsregister - veraltetes 96 - vernunftgemäßes 100 - vorrationales 131 - weltliches 90 - westpreußisches 34 - wissenschaftliches 155 - wohlerworbenes 118 Rechtsaltertum - einheimisches 96 - schriftlich bewahrtes 138 Rechtsanstalt 36 Rechtsanwalt 33,48, 71, 112, 128, 152 Rechtsanwendung 139, 158 Rechtsanwendungslehre 98 Rechtsanwendungsproblem 221 RechtsanwendungsVerhältnis 28,31,112, 138, 185, 186, 187, 188, 194, 195, 197, 198 - grundsätzliches 186 - schwieriges 222 - ungeklärtes 221 Rechtsaufzeichnung 144 Rechtsbegriff 27,37,83 - fremder 37 - historischer 37 Rechtsbestimmung 18,43 - besondere 68 - partikulare 68 Rechtsbildung 20,71 - besondere 68 - gemeinsame 68, 72 - partikulare 76, 77 Rechtsbuch 20,94 - abgeschlossenes 144 - geschriebenes 144 - justinianisches 72 - unmittelbar anwendbares 64, 197 Rechtsdenken - germanisches 154 - mittelalterliches 24 - römisches 154 Rechtsdogmatik 161, 162, 163 Rechtseinheit 41, 135, 217, 218 Rechtsentscheidung 89 Rechtsentwicklung 73, 89 Rechtsetzung 63, 89, 98, 209 Rechtsetzungskompetenz 161

Rechtsfigur 17,18,36,37,214 Rechtsfindung 160 - einheimische 137 - gerichtliche 137 Rechtsfindungsorgan 165 Rechtsfortbildung 216 Rechtsfrage 138, 139 Rechtsgebiet 66, 69, 70, 74, 112 Rechtsgedanke 78 - germanischer 154 - natürlicher 57 Rechtsgelehrsamkeit 19, 29, 137, 221 - historische 45 - Verfall der 29 - zivilistische 73 Rechtsgelehrter 29, 31, 35, 48. 61. 95. 103, 106, 126, 135, 142, 167, 172. 175, 202 Rechtsgeltung 168 Rechtsgeltungsbegriff 160 Rechtsgeltungsdebatte 132 Rechtsgemeinschaft 24, 41, 57, 66 Rechtsgenossenschaft 60 Rechtsgeschichte 38, 61, 64, 136. 148 - deutsche 116, 148, 153 - juristische 154 - römische 45 Rechtsgrund 67, 75 Rechtsgrundlage 81 Rechtsgrundsatz 67,70,180 - geltender 139 - natürlicher 215 - römischer 141 Rechtshistoriker 154, 168 Rechtsinstitut 36, 44, 70, 74, 76. 77, 78. 79, 80, 132,214 - anerkanntes 180 - bedingt gemeines 80 - demselben Rechtskreis angehörendes 80 - einheimisches 114 - gemeinrechtliches 80 - konsequent durchgebildetes 80 - nicht konsequent durchgebildetes 80 - unbedingt gemeines 80 Rechtskonsequenz 66, 212 Rechtskreis 68,71,72,85,134

310

Sach- und Ortsregister

- deutscher 34 - engerer 139, 186 - größerer 74, 146 - alles umfassend 69 - gegenständlich 74 - systematisch 75 - rechtlich unabhängiger 134 - sächsischer 114 - überörtlicher 193 - umfassender 122, 186 Rechtsleben 79, 136 - besonderes 57 - deutsches 86 - einheimisches 22 - praktisches 64, 197 Rechtslehre 128, 179 - allgemeine 132,221 - ergänzende 178 - reine 168 Rechtslehrer 19,63,168 Rechtsliteratur - europäische 165 Rechtsmasse 40, 191, 192, 193, 221 - antiquarische 134 - gemeine 190, 192 - inhaltlich gleiche 192, 193 - partikulare 192 - spezielle 190 Rechtsmaterie 63, 82, 91, 97, 98, 113, 171, 177, 184, 189, 191,211 Rechtsmeinung 89, 103, 167 Rechtsnachfolge 101, 165 Rechtsnatur 197 Rechtsnorm 144, 162, 168 - positiv geltende 162 - singuläre 187 - streitentscheidende 36, 187 Rechtsnormbegriff 162 Rechtsoffenbarung 164 Rechtsordnung 18, 68, 215 - geltende 84, 162 - gemeinsame 45 - mittelalterliche 56 - positive 68 - preußische 212 - ursprüngliche 159 Rechtspflege 33, 146, 199, 208

Rechtspflegeorgan 160 Rechtsphilosophie 99,100, 137 Rechtspositivismus 168 Rechtspraxis 18, 27, 32, 87, 92,98, 125, 129,136, 159, 173, 183,217, 222 Rechtsprechung 36,92,96,121,122,151, 152,211 - konsequente 18 - naive 155 - uferlose 222 - volksgerichtliche 155 - weitsichtige 18 Rechtsprechungskörper 24 Rechtsprechungspraxis 122 - einheimische 134 - gerichtliche 171 Rechtsprinzip 70 Rechtsproblem 191 Rechtsquelle 18,20,22,25,35,36,53,54, 63,68,69,70,74,77, 83,84,85,94,96, 97, 98, 100, 101, 112, 135, 137, 138, 139, 143, 147, 161, 169, 171, 181, 182, 187, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 213,215,218, 221 - allgemeine 32, 55, 68, 84, 93, 144 - allgemeinverbindliche 59 - besondere 32,68,69,84 - deutsche 96 - einheimische 94, 95, 96 - ergänzende 89 - geltende 52, 95, 129 - gemeine 63, 147 - gemeinrechtliche 85, 192, 194 - gemeinsame 68, 72 - geschriebene 101 - heterogene 88 - inhaltlich gleiche 193 - inhaltlich verschiedene 98 - kirchliche 88 - materielle 70 - mittelalterliche 86,93,98 - partikulare 36, 74, 85, 97, 185, 192, 193,218 - positive 52, 128, 129, 184 - primäre 212 - rezipierte 128 - römische 141, 154

Sach- und Ortsregister - selbständige 184, 199 - singuläre 85 - subsidiäre 180,215 - subsidiarisch konzipierte 211 - subsidiarische 173 - sui generis 162 - überlieferte 183 - überpositive 184 - umfassende 144, 147 - unterschiedliche 147, 186 - verbindliche 162 - verschiedene 88, 197 - vorrangige 185 - widersprüchliche 97 Rechtsquellengefüge 18,53 Rechtsquellenlehre 98, 139, 161 Rechtsquellentheorie 17 - italienische 56 Rechtsreform 26,206,209 Rechtsregel 36,75,124,207 - allgemeine 163 - einheimische 98 Rechtsrezeption 131 Rechtssammlung 88, 89, 92 - kirchliche 88 - nicht gesetzlich legitimierte 137 - private 137 Rechtssatz 18, 21, 22, 36, 60, 63, 66, 69, 70,71,72,74,75,80,82,83,84,85,111, 122, 123,132, 134, 142, 144, 155, 156, 166, 181, 182, 188, 189, 191, 194, 195, 197,213,215, 222 - absoluter 220 - allgemeiner 221 - allgemeingültiger 184,221 - einheimischer 21 - entgegenstehender 76 - geltender 219 - gemeinrechtlicher 101, 192, 193, 196 - gesetzlich autorisierter 221 - gewonnener 183 - horizontal betrachteter 74 - hypothetischer 220 - inhaltlich identischer 192,193 - juristisch gewonnener 221 - konkret hervortretender 196 - konkreter 182, 193, 222

- partikularer 76 - positiver 200 - praktischer 184 - römischer 110, 113, 187, 188 - subtiler 144 - übereinstimmender 25, 166, 219 - verallgemeinerungsfähiger 96,202 - verbindlicher 171 - vertikal betrachteter 74 - wissenschaftlich abgeleiteter 169 Rechtssatzung 100 Rechtsschule 51,86, 89,106,135,183 - Bologneser 142 Rechtsschutz 157 Rechtssicherheit 33, 177, 187, 198, 222 Rechtsspender 131 Rechtssprache 22, 38,48, 52 - der Römer 83 - einheimische 52,56,84,217 Rechtsstoff 63, 78, 79, 84, 130, 134, 182 - anwendbarer 64,96, 197 - fremder 91, 140 - gültiger 64, 96, 197 - identischer 189 - klassischer 86 - positiver 20 - überlieferter 169 - wissenschaftlich bearbeiteter 130 Rechtsstreitigkeit 152, 155 Rechtsstudium 141, 151 Rechtssubjekt 69 Rechtssystem - geschlossenes 23 - gesetzlich bestimmtes 26 Rechtstext 89, 169 Rechtstheorie 43 Rechtstradition 26 Rechtsüberzeugung 21 - deutsche 154 - gemeinsame 61 Rechtsunsicherheit 135 Rechtsunterricht 19, 88, 89,,105 Rechtsvereinheitlichung 26,116 Rechtsverfahren 215 Rechtsverhältnis 42,43,47, 50, 79 Rechtsverordnung 115 Rechtsverständnis 171

312

Sach- und Ortsregister

Rechtsvorschrift 67 Rechtswahrheit 174 -allgemeine 164,166,169,200 - aus der Vernunft abgeleitete 100 - historisch überlieferte 200 - positiv geltende 200 Rechtswesen 152 Rechtswirklichkeit 26 Rechtswissenschaft 18,20,23,24,27,30, 32,40,51,59,61,62,64,75,84, 86,87, 90, 93,96, 98, 100, 101, 105, 110, 122, 123, 125, 127, 129, 130, 133, 135, 138, 140, 148, 149, 154, 155, 157, 158, 159, 163, 164, 165, 168, 169, 171, 176, 182, 183, 184, 185, 198, 199, 214, 217, 218, 219,221 - deutsche 152, 155 - einheimische 136 - fehlende 157 - geschichtliche 99 - humanistische 48 - italienische 99, 155 - kirchliche 88 - mittelalterliche 103 - praktisch orientierte 168 - spätmittelalterliche 183 - Studium der 30,32,38,48,58,59,61, 72,73,78,92,94,95,98,112,115,119, 123, 128, 141, 151, 152, 153, 156,212 - systematische 142 - umfassende 61 Rechtszersplitterung 135 Rechtszustand 31,58,144,146,147,148, 182 - bestehender 143 - funktionell unvollständiger 211 - mangelhafter 29, 146 - unvollkommener 211 Referendar 34,72,119 Referendardienst 120 Referendarexamen 119 Reform 30, 119, 143, 148,201, 202,203, 204, 209,212 Reformation 144 Reformbewegung 88 Reformkonstitution 19

Regel 19,58,66,67,75,78,112,113,128, 154,171, 178, 179, 186, 187, 188, 215 - allgemeine 44,186,201 - besondere 58 - gemeine 58 - gewohnheitsrechtliche 135 - spezielle 59 Regel-Ausnahme-Verhältnis 57,65, 139,

186 Regelung 60, 90, 196, 209, 214, 220 - eindeutige 89 - inhaltlich gleiche 192 - inhaltlich unterschiedliche 85 - inhaltliche 203 - klare 89 - örtlich umfassende 85 - rechtliche 114 - sachlich umfassende 85 Regelungsdichte 113 Regelungsumfang 85 Regelungsvorrang 85 Regierung 31, 81, 104, 137, 142, 168 Regierungsbevollmächtigter 72 Regierungsbezirk 148 Regierungskanzlei 81 Regierungspräsident 35 Regierungsrat 81,87,118 Regierungssache 59 Reich 41, 87, 92, 93,94, 101, 104, 109, 146, 185,201,207 - abendländisches 159 - deutsches 31,34,60,82,100,103,104, 109, 114, 117, 127, 130, 133, 142, 143, 148,154, 217, 222 - heiliges römisches deutscher Nation 29, 164 - oströmisches 72 - preußisches 35 - römisches 41,45,46, 55, 60, 99, 116, 138,154 Reichenbach 137 Reichsabschied 107, 114 Reichsgericht 96 Reichsgeschichte 38, 153 Reichsgesetz 94, 100, 123, 146, 195, 214 Reichsgesetzbuch 201 Reichsgesetzgebung 88

Sach- und Ortsregister Reichshofrat 32,93,95 Reichshofratskollegium 95 Reichshofratsordnung 112 Reichshofratsprozeß 56 Reichsjustizpflege 146 Reichsjustizwesen 146 Reichskammergericht 32, 34, 92, 103, 107, 108, 136,217 Reichskammergerichtsordnung 29, 54, 87, 94, 107, 115, 116, 129, 134 Reichskammergerichtsprozeß 56 Reichsrecht - beschriebenes 94 - gemeines 117, 118, 125 Reichsregierung 81 Reichsstaatsrecht 156 Reichsstadt 147 Reichsstand 93,157 Reichstag 64, 71, 87, 107, 108, 148 Reichsverfassung 61 Reichsvikariatshofgericht 33 Rektor 61, 153, 154, 156 Relativität 69,74, 75, 77, 80, 84, 219 Religion 71,108,174 Religionsgrundsatz 126 Religionskrieg 48 Reppichau 21 Republik 31,42,143,164,196 Rescriptum 46 Reskript 172,203 Resolution 120, 121 Resultat 71,99,128,129 Revisionshof 61 Rex - rex francorum 104 - rex langobardorum 104 Rezeption 22, 23,44,49, 56,59, 91, 109, 120, 122, 126, 131, 132, 136, 144, 145, 146, 147, 149, 151, 152, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 187, 188, 195, 196, 199, 213 - Anlaß der 142 - äußere Gründe der 147 - Begriff der 132 - Bild der 140 - Darstellung der 140 - Folgender 150

- Formen der 131 - Geschichte der 151 - in complexu 22,113,129,130,132, 133, 185, 191,200 - inhaltlich umfassende 199,200 - juristische 185 - Motive der 155 - Nutzender 149 - örtlich einheitliche 199,200 - partikulare 121 - praktische 23,54, 132, 143, 158, 159, 183,186 - theoretische 23, 158, 159, 183, 185, 191,200,213,217 - unvollständige 191 - Ursache der 140,142,150,158,159 Rezeptionsgeschichte 27, 153 Rezeptionsmodell 187 Rezeptionsprozeß 145 Rezeptionsvorgang 159 Rezeptionszeit 154 Rheinprovinz 61 Richter 33, 63, 136, 137, 138, 146, 151, 174, 175, 176, 177, 179, 186, 206, 207, 208, 209,215,222 - delegierter 151 - gelehrter 145 - gelernter 155 - urteilender 221 Richtschnur 40,173,210 Richtung 161,205 - antiquarische 48 - historische 73 - philosophische 50 - positivistisch-begriffliche 154 - wissenschaftliche 99 Rijswijk 93 Rinteln 30,84 Ritter 147 Rödemis 78 Rom 22, 41,42, 101, 107, 135, 142, 161 Romanisten 63, 144, 146 Römer 23,41,45,46, 48, 86, 103, 160, 161, 162, 163, 164,217 Romidee - kulturelle 142 - staatsrechtliche 142

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Sach- und Ortsregister

Ronkalische Felder 105 Rostock 38,73,78,134,154 Rügen 36 Ruhlau 92 Rützen 34 Sache 46,47,66,67,97 - Begriff der 175 - deutsche 104 - englische 104 - kurbraunschweigische 104 Sachenrecht - einheimisches 114 - gemeines 66 Sachsen 98,107,195 Sachsenrecht 21, 195 - allgemeines 195 - gemeines 17 - Rezeption des 195 Sachsenspiegel 20, 21, 53, 96, 97, 115, 124, 142, 194 Salerno 86 Salfeld 113 Salier 107 Salzburg 32 Sammlung 19,40, 88, 89, 97, 119, 120, 121,162, 172, 209,210 - naturwissenschaftliche 42 - private 89 Satzung 18 - kaiserliche 55 Schenkung 105 Schicht - gesellschaftliche 45 Schiedsgericht 151 Schlesien 21,34,111,114,119,121,195, 206 Schleswig 114,136 Schöffe 146 - Lübecker 146 - Magdeburger 146 Schöffengericht 137, 155 Schöffenkollegium 155, 157 Schöffenstuhl 94,124,151 Schöffenurteil 155 Scholastik 142 Schönfeld 53

Schottland 102,136 Schule 49,142,151 - allgemein bildende 51 - hohe 86 - italienische 141 - mittelalterliche 163 - spätantike 163 Schullogik. 24 Schulorganisation 119 Schwaben 87 Schwabenspiegel 20,96,121 Schweden 102 Schweidnitz 119 Schweiz 131,136,149 Seiendes 163 Seinsbegriff 168 Senat 72,92 Senatsbeschluß 162 Senatspräsident 124 Senatusconsultus 41 Sensualisten 50 Sielrichter 118 Sinn 89, 95,106, 108, 143, 150 - im antiradikalen 71 - im engeren 190,220 - im formellen 109 - im historischen 83,124,125,221 - im inhaltlichen 192 - im juristischen 83,124,125,168,192, 221 - im liberalen 71 - im positiven 133,160,164,183,199 - im strengen 192 - im technischen 162 - im überpositiven 164, 215 - im uneigentlichen 219 - natürlicher 215 - objektiver 174 - systematischer 83 - universaler 163 Sitte 62,71,72,126,174 - einheimische 92, 107 - schlesische 196 - zur Modesache gewordene 152 Sittengesetz 177 Sittenzustand 31 Sittlichkeit 212

Sach- und Ortsregister Sizilien 102 Soissons 50 Solutio 51 Sonderrecht 18, 26,41, 66, 67, 139, 201 Souverän 26, 120 Sozialethik 166 Sozialpolitik 153 Spanien 102, 136 Spätantike 49 Spätmittelalter 20,24,47,53,55,84,136, 138, 140, 163, 169, 182, 197 Spekulation 158 Speyer 52 Spezialverfassung 205 Spezies 44 Speziesbegriff 43 Sphäre - fachjuristische 161 - moralisch-politische 161 Sponheim 34 Spruchkollegium 38, 152 Staat 26,35,41,56,57,61,67,69,71,76, 81,82,157,178,202,203,207,208,218 - absoluter 157 - brandenburg-preußischer 203 - deutscher 81,97, 117 - einheitlicher 157 -europäischer 101,102,207 - königlicher 172 - moderner 150 - monarchischer 207, 208 - österreichischer 33 - preußischer 26, 34, 36, 118, 120, 206,

208, 212 Staatsbegriff 157 Staatsbürger 179 Staatsdienst 116,119 Staatsexamen 64, 119 Staatsgerichtshof 73 Staatsgeschichte 64, 116 Staatsgewalt 60, 153, 157 Staatsinteresse 67, 75 Staatskosten 230 Staatslehre 153 Staatsmann 166 Staatsminister 34, 61 Staatsorganisation 209

Staatsprüfung 59,78 Staatsrat 156 - Präsident des 61 - preußischer 61 Staatsrecht 32,40,64, 93, 148, 153, 156 - allgemeines 17 - deutsches 87 - geltendes 156 - mittelalterliches 87 - römisches 157 Staatsrechtler 56 Staatsrechtslehrer 166 Staatssekretär 212 Staatsverfassung 42 Staatswirtschaft 124 Stadt 32,42,54,56,57,69,102,114,116, 128, 135, 142, 144, 146, 147, 149, 150, 205 - lombardische 142, 143 - märkische 115 Stadtgemeinde 69 Stadtgericht 151 Stadtgerichtsassessor 151 Stadtrecht 18,42,53,69,87,96,115,135, 144, 187 - einheimisches 210 - gemeines 52 - kulmisches 22,96 - lüneburgisches 22 - magdeburgisches 22, 96 - reformiertes 149 - revidiertes von Frankfurt a. M. 147 - revidiertes von Freiburg 147 - revidiertes von Lübeck 147 - revidiertes von Nürnberg 147 - revidiertes von Worms 147 Stadtrechtsreform 149, 150 Stadtstaat 114 Stagira 42 Stammesgewohnheit 45 Stammesrecht 42, 52 Stammesverwandtschaft 71 Stand 56,57,108,114,115,116,118, 119, 120, 121, 151, 157, 204, 205,208, 213 - besonderer 21

Sach- und Ortsregister

316 - kurmärkischer

23,114,119,120,122,

- neumärkischer 119,120,122,192 - ostfriesischer 23, 192 -- westpreußischer 23,119,122,192 Ständedeputierter 118 Ständeordnung 211 Status 23 Statusrecht 22 Statut 32, 47, 48, 66, 87, 94, 102, 103, 108, 110, 117, 128, 135, 188, 194, 203, 204, 205,207,209,211 - althergebrachtes 92 - besonderes 115,205 - einheimisches 92,110,111,122,187 -

lokales

210

- partikulares 135,216 zeitgenössisches 86 Statuta stricte sunt interpretanda 103, 186 Staiuiarrecht 203 Statuten 47 Statutentheorie 103, 110, 111, 186, 194, 195, 196, 197,221 Staufer 86 Stendal 120 Stettin 153 Stiftung 215 Stipendium 119 Strafgesetz 100 Strafgesetzbuch 17 Strafrecht 17,61,82,100,215 Siraßburg 87,92,93,154,156 Strengbeweis 130 Student 58, 141 Studie 95, 151 antiquarische 48 - historische 29 - juristische 152 - politische 29 - rechtshistorische 95 - rechtswissenschaftliche 95 - staatsrechtliche 29 Studium 30,32,33,35,38,48,53,58,59, 61, 64, 71, 72, 73, 78, 92, 93, 95, 100, 112, 115, 119, 123, 124, 128,140,141, 143, 151, 152, 153, 156,212 - autodidaktisches 137

- juristisches 141, 143 Studium generale 163 Stuttgart 71,72,87,92,93 Subsidiarrecht 75 Subsidiarität 79, 186,188, 189, 190,197, 199,204,207,212,221 Subsidiaritätsklausel 211 Subsidiaritätsprinzip 77, 187, 190, 191, 192,193, 197, 221 Subsidiaritätsverhältnis 190, 191, 193, 198,221 Subsidien 83 Süditalien 135 Südpreußen 34 Summa 89, 163 Superioritatis territorialis 150 Supplinburg 107 Surrogat 208 Suspension 34,119 Symptom 130 Syndikus 33 Synonym 94, 161 System 21,37,63,83,95,184 - abgeschlossenes 174 - allgemeines 39 - Entwicklung zum 132 - römisches 96 - theoretisch vollständiges 174 - verbindliches 210 - Vereinigung zu einem 130 - vollständiges 35 - zusammengehörendes 35 Systematik 52 Systematisierung 26 Tatbestand 51 Tatsache 106,112,119,134,139,147 - bewiesene 129 - geschichtliche 148 - weltgeschichtliche 145 Teil 73, 77, 126, 171, 180, 187, 218 - großer 186 - identischer 189, 190, 191 - inhaltsgleicher 190 - rezipierter 115,175 - umfangreicher 185 Teil des Ganzen 69

Sach- und Ortsregister Teilbereich 59, 91, 98, 172, 177, 215 Teile 65 - Einheit der 60 - Summe der 60 Teilhabe 43 Teilidentität 160,171,183,218 Terminologie 19, 50 Territorialfürst 102,117 Territorialherr 30 Territorialstaat 32, 109, 123 Territorium 21, 22, 23, 60, 87, 90, 103, 113, 114, 115, 117, 118, 120, 122, 123, 127, 133, 142, 144, 146, 147, 157, 184, 201,203,209,210, 222 Testamentsrecht 67 Testimonia 166 Testimonia aliorum scriptorum 166 Text 89,90,168 - geoffenbarter 163 - geschriebener 166 - gesicherter 58 - griechischer 86 - juristischer 164, 183 - überlieferter 163, 168 - verbürgter 163, 166 - wissenschaftlich bearbeiteter 86 Textaussage 24, 183 - antike 163 - konkrete 163 Textkritik 164 Textquelle - historische 169 - überlieferte 169 Textwort - geoffenbartes 163 - überliefertes 163 Theologe 51,106,168 Theologie 49,58,84,86,164 - Studium der 140 Theorie 23,132, 168, 175, 178, 221 - allgemeine 140 - pragmatische 109 - rechtspolitische 25 Tirol 107 Todesstrafe 136 Totalrezeption 132 Traktat 47

Translatio imperii 101, 102, 103, 104, 109, 122, 133, 141, 165 Transsubstantiation 50 Transzendierung 44 Treptow 33 Tribunalrat 120 Trinität 50 Tritheismus 50 Trivium 51 Tübingen 38, 53, 64, 71, 72, 103, 105, 134, 137, 140, 141, 148 Türkei 131 Übereinstimmung 58, 63, 72, 74, 103, 121,144, 172, 220 - bewußte 71 - unbewußte 71 Übergangsregelung 211 Überlieferung 106 Übernahme 131, 140 - formelle 192 - in complexu 131 Überzeugung 100, 132, 155, 159 - mittelalterliche 185 - subjektive 156 Übung - gerichtliche 123 Ulm 71 Ultrarealisten 49 Umfang 58,59,72,92,101,110,113, 114, 116, 123, 124, 125, 126, 132, 144, 147, 170, 177, 184, 187, 198, 203, 218 - erwähnenswerter 214 - inhaltlicher 113 - uneinheitlicher 122 - ungeklärter 122 - unregelmäßiger 170 - unterschiedlicher 50, 149 Umkehrschluß 117 Umstand 20,59,141,149,161,168,175, 181, 183, 187, 193,215 Umwandlung 151 Ungarn 102 Ungewißheit 171, 175, 177, 182, 208 Universalia - ante rem 50 - post rem 50

318

Sach- und Ortsregister

Universalien 50 Universalienproblem 49,51,217 Universalienstreit 49, 50, 52, 83 Universitas litterarum 163 Universität 22, 50, 61, 81, 105, 134,136, 141, 151, 154, 163, 164, 166, 167, 202, 204,214 - Altdorf 128 - Basel 134 - Berlin 38,61,78,152,153 - deutsche 143 - einheimische 135, 138, 141, 159 - englische 136 - Erfurt 134 - Erlangen 64,116 - Frankfurt 112, 119 - Freiburg i. Br. 134, 154 - Gießen 93,95 - Göttingen 38,56, 58,78, 81, 95,115 - Greifswald 212 - Halle 58, 112, 116 - Harvard 153 - Heidelberg 38, 58,64,72,73,134, 152 - Helmstedt 29 - Ingolstadt 134 - italienische 159 - Jena 92, 124, 152 - Kiel 78, 152 - Köln 134 - Königsberg 141 - Leipzig 73, 134 - Marburg 56 - München 78 - Rostock 38,73, 134 - Straßburg 92, 93, 156 - Tübingen 38,64,71,72,134 Unrecht 169 Untergericht 119 Unteritalien 107, 163 Unterricht - akademischer 94 - öffentlicher 106 Unterrieringen an der Enz 71 Unterscheidung 44,45,51,66,68,72,74, 77, 79, 80, 192 - mittelalterliche 151 - systematische 67

Unterscheidungskriterium 75 Untersuchung 20,54,62,113,124,133, 136, 163, 182, 190, 198,213 - historische 147 - wissenschaftliche 18 Untertan 56, 60, 69, 82, 208, 211,212 Untertanverband 60 Unzulässigkeit 158 Urkunde 27,53,54 Ursache 30,31,35,62,67,126,140,142, 145, 146, 158, 159,160, 183, 187 Ursache-Folge-Relation 15 8 Ursprung 98, 121, 148 - deutscher 220 - germanischer 185 - römischer 220 Urteil 90, 108, 138, 147, 148, 153, 157 Urteilsfindung 151 Urteilsspruch 155 Usus contrarius 188 Usus modernus pandectarum 87,155,186 Usus sensim 188 Utilitas 67,75 Utilitas plurium gentium communis 166 Utrecht 32 Venedig 105 Verallgemeinerung 44, 51, 77, 126 - begriffliche 43 - transzendente 43 Veränderung 130, 143 - allmähliche 212 - grundlegende 206 - rechtliche 212 Verbandsrecht 154 Verbindlichkeit 22, 56, 68, 72, 97, 101, 126, 127, 163, 166, 173, 174, 175, 176, 177,180, 183, 186 - außergesellschaftliche 173 - gemeine 164 - gemeinsame 130 - gesellschaftliche 173 - gesetzliche 138 - hypothetische 184 - in complexu 129 - inhaltlich umfassende 24 - metaphysische 181, 184, 199

Sach- und Ortsregister - örtlich einheitliche 24 - rechtlich einheitliche 134 - universelle 109 Verbindung 20, 63, 81, 83, 96, 142,173, 178 - allgemeine 57 - besondere 57 - gesellschaftliche 173 - politische 114 - positiv-rechtliche 169 - rechtliche 57, 134 Verbot 102,176,179 Verbreitung 17, 22,48, 105, 141 Verbundenheit 45 Verdienst 93,209 Verdrängungs Vorgang 158 Verein - nationalsozialer 154 - völkerrechtlicher 61 Vereinheitlichung 44 Vereinigung 21 Verfahren 135, 139, 161, 187, 188, 201, 208 - billigeres 152 - historisches 140 - rascheres 152 - übliches 137 Verfahrensordnung 203 Verfahrensweise 128 Verfasser 128,243 Verfassung 22, 62, 72, 81, 108, 120, 205, 207 - alte 109 - besondere 207 - gesetzliche 171 - politische 196 - römische 172 - schlesische 196 Verfassungsgeschichte 140, 148 Verfassungsgrundsatz 187 VerfassungsVeränderung 61 Verfassungszustand 31, 60, 109 Verfügung 157 Vergangenheit 62, 76, 99,187, 213 Vergesetzlichung 180, 183, 184, 207, 221 Vergleich 142 Vergleichsinstanz 151

Verhaltensweise 174 Verhältnis 43,45,46, 58, 60, 62, 63, 64, 65,66,68,70,71,74,76,78,79,80,81, 84,85,90,108,112,122,126,131,139, 142, 143, 147, 149, 176, 185, 186, 190, 195, 196, 201, 206, 209, 217, 218, 221 - besonderes 57 - deutsches 103, 109, 154 - ethnographisches 174 - generelles 67 - geographisches 58 - nationalökonomisches 153 - neues 148 - politisches 71, 174 - praktikables 139 - rechtliches 45,57 - republikanisches 143 - soziales 71, 153 Verkehrsleben 149 Verknüpfung 190 - rechtliche 60 Verkündung 129, 134 Vermischung 171, 191 - begriffliche 171 - inhaltliche 189 - unzulässige 171 Vermögensbestimmung 130 Vermutung 75, 111, 133, 181, 196, 222 Vermutungsregel 197 Vernunft 24, 61, 72, 100, 163, 164, 166, 167, 168, 171, 175, 177, 180, 182, 204, 205, 212 - abstrakte 138 - allgemeine 138 - gemeinsame 182 - metaphysische 63 - natürliche 204 - voraussetzungslose 24 Vernunftgemäßheit 99 Vernunftmäßigkeit 124 Vernunftrecht 26,61,170,175 - hypothetisches 180 Vernunftrechtssystem 166 Verordnung 48,100,118,211 Verrechtlichung 26 Verschiedenheit 45, 56, 78, 143 Verschmelzung 113

320

Sach- und Ortsregister

Verseichtigung 62 Verselbständigung 165, 169, 183 Versimilitudo 188 Verstaatlichung 175, 179, 212 - lückenlose 200 - notwendige 178 Verstand 50, 174 Verständnis 62, 99, 100, 132, 190 - geschichtliches 214 - richtiges 178 - zeitlich variierendes 98 Versuch 77, 94, 95, 124, 133, 168, 172, 201,213 Verteidigungsschrift 113 Vertrag 118,139,180 Vertragsbeziehung 169 Vertragsleben 144 Vertragsrecht - gemeines 66 Vertreter 21 Verwaltung 119,153 Verwaltungsbeamter 81, 155 Verwaltungsinstanz 15 2 Verwaltungspraxis 134 Verwandtschaft 178 Verweisung 177 Verzicht 206 Via antiqua realistae 49 Via media 188 Vikariatshofgericht 32 Viscera fundi 23 Vizedirektor 93 Vizekanzler 32, 64 Vogtei 69 Volk 27, 42,57, 61, 71,72, 99, 100, 109, 113, 143, 144, 145, 147,148,149,151, 152, 153, 157, 168, 175,179 - Bewußtsein des 150 - christliches 39, 126, 160 - Gemeingut des 150 - Glaubendes 150 - römisches 144, 160 - Stimmung des 145 - unterworfenes 45 - Verlangen des 145 - Widerspruch des 148 Völkerrecht 31,40,104,166

- gemeines 41 Völkerrechtler 137 Volksabstammung 45 Volksgeist 63 Volksgeistlehre 63 Volksgericht 155 Volksgewohnheit 45 Volksglied 212 Volkskörper 60 Volksorganismus 57 Volksrecht 41,63,72,131,136 - germanisches 142, 143 - spanisches 136 Volkssitte 36 Volksstamm 71,135,201 Volkstümlichkeit 73 Vollkommenheit 145 Vollrezeption - theoretische 185 Voraussetzung 44, 80, 85, 118, 128, 144, 145, 181,218,219 - fundamentale 177 - irrige 126 - unbewiesene 145 - unerwiesene 158 - wesentliche 198 Vorfahren 104 Vorgang 158 - geschichtlicher 158 - historischer 157 - komplexer 140 - örtlich vielfältig verlaufender 132 - säkularer 132 - schleichender 132 Vorkämpfer 92 Vorlesung 73, 81, 92, 94, 97, 112, 116, 128, 151, 153,215 Vorlesungsplan 166, 214 Vormundschaftsordnung 203 Vorrang 90,103,128,186,187,188,190, 194, 195, 196, 198,210 - genereller 90, 187 - unmittelbarer 186 Vorrangverhältnis 25, 194, 196 Vorschrift 17, 18, 118, 162, 182, 211 - allgemein geltende 36 - landesgesetzliche 214

Sach- und Ortsregister - provinzialrechtliche 122 - rechtliche 181 Vorstellung 63,76,98,104,119,138,154, 169, 221 - der Antike 84 - konservative 209 - sachlich zutreffende 165 - tradierte 26 - vorherrschende 165 Votum 119 Vulgarrecht 52,135 Wahl 73 Wahlrecht 107 Wahlverwandtschaft 21 Wahrheit 40, 100, 163 - allgemein gültige 99 - allgemeine 72 - gemeinsam erkannte 84,134 - innere 71, 72, 74, 82, 84, 134, 163 - Kern der 169 Wechsel 130 Wechselbeziehung 89 Wechselbezug 43 Wechselordnung 73,212 Wechselrecht 53,116 Wechselverhältnis 43 Wechselwirkung 82 Weg 98,127,140,187,200 - alter 49 - historischer 128 - preußischer 208 Weichbild 47, 52, 146 - Magdeburgisches 115 Weitergeltung 94 Weltanschauung 101 Weltbild 49 Weltchronik 105 Weltgeschichte 146 Weltherrschaft 164 Wernigerode 58 Westfälischer Friede 93,109 Westpreußen 34,206,210 Wetzlar 32 Widerspruch 51,69,74, 80,92,122,126, 155, 188, 191,208 Widersprüchlichkeit 58, 192, 200, 216 21 Daniel

Wien 61,93,151 Wille 145,174,177,213 - absoluter 24 - eiserner 24 - letzter 167 - positiv erklärter 179 Willensakt - staatlicher 132 Willenserklärung 179 Willensgemeinschaft 26 Willensmeinung 75 Willkür 32,47, 62, 116, 130, 147, 177, 208 - individuelle 75 - richterliche 137, 186 - staatliche 62 Wirtschaft 148 Wirtschaftsgeschichte 140 Wirtschaftswissenschaften 148 - Studium der 212 Wissenschaft 18,21,40,44,48,51,64, 65, 72, 81, 82, 84, 98, 100, 112, 134, 135, 151, 156, 161, 162, 163, 168, 174, 176, 178, 179, 182, 196, 197, 199, 213 - Einheit aller 163 - fortdauernde 214 - Gesamtheit der 163 - Grundlage der 213 - Sicht der 130 - Verseichtigung der 62 Wissenschaftsbetrieb - mittelalterlicher 50 Wissenschaftsrichtung 217 Wissenschaftswelt 50 Wissensgrundlage 42 Wittelsbach 150 Wittenberg 94,112,113,186 Wohlanständigkeit 175 Worms 107,147 Wormser Reichsabschied 107 Wort 83,131,215 - erklärungsbedürftiges 89 - lateinisches 218 Wortschöpfung 133 Würde 109 - akademische 141 Würzburg 124

322 Zeitalter 107,157,183 Zeitgenosse 87, 132, 149 Zeitz 92 Zentralgewalt 30, 136 Zentralismus 209 Zentralmacht 60 Zentralorgan 20,220 Zentrum - wirtschaftliches 86 Zeuge 186 Zeugnis 106, 195 Zinszahlung 113 Zivilgerichtsbarkeit - geistliche 135 Zivilgesetzbuch - bayerisches 77 - schweizer 131 Zivilprozeß 17,201,202,212 Zivilrecht 211,215 - gemeines 100 - im Bereich des weltlichen 89 - positives 100

Sach- und Ortsregister Zivilrechtler 168 Zivilrechtsordnung 60 Zivilrechtspraxis 90 Zivilrechtswissenschaft 136 Zörbig 128 Zukunft 76,115,220 Zulässigkeit 109,117,122,140,199 Zusammenbruch 59,82,217 Zusammenfassung 228 Zusammenhang 37,44,51,63,68,69,77, 85,98,99,103,106,121,134,136,143, 148, 201 - begriffsjuristischer 63 Zustand 19,40, 142, 143, 144, 145,148, 168 - konkreter 174 - unbefriedigender 221 - wirtschaftlicher 144 Zwang 152 Zweibrücken 34 Zwischenstadium 144 Zynismus 127