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German Pages 315 [316] Year 1971
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 144
Gehalt und Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Von
Adalbert Podlech
Duncker & Humblot · Berlin
ADALBERT PODLECH
Gehalt und Funktionen dee allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n Recht Band 144
Gehalt u n d F u n k t i o n e n des allgemeinen verfassungsr e c h t l i c h e n Gleichheitssatzes
Von
Adalbert Podlech
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1971 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1971 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 02379 X
Meinem Schwiegervater Reg.-Rat a. D. Friedrich
Kuhlberg
Vorwort Die vorliegende Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg i m Sommer 1969 als Habilitationsschrift vorgelegen. Zur Veröffentlichung wurde der Text geringfügig überarbeitet und ergänzt. Neu sind die §§ 17, 21, 33, 36, 39 und 40. Die Entstehung der Arbeit möchte ich kurz erläutern. Das Thema der Arbeit wurde 1965 mit Herrn Professor Dr. E.-W. Böckenförde als Thema einer juristischen Dissertation vereinbart. 1967 lag eine erste Ausarbeitung vor, die sich von der vorliegend veröffentlichten vornehmlich dadurch unterschied, daß die jetzt i m Anhang enthaltenen, teilweise i n einer logischen Symbolsprache formulierten Texte i n die Untersuchung eingearbeitet waren. Dies erschwerte die Lesbarkeit. Herr Böckenförde machte m i r damals den doppelten Vorschlag, erstens die Arbeit als Habilitationsschrift zurückzulegen und zweitens bei einer Überarbeitung alle logischen Ausführungen i n einem Anhang zusammenzufassen. A u f beide Anregungen bin ich dankbar eingegangen. Nach meiner juristischen Promotion m i t einem neuen Dissertationsthema i m Jahre 1968 wurde die erste Fassung überarbeitet und die Arbeit i m Frühjahr 1969 der Fakultät als Habilitationsschrift vorgelegt. Mein Dank gilt an erster Stelle Herrn Professor E. W. Böckenförde. Er hat mich immer darin bestärkt, der Methode zu folgen, die der vorliegenden Arbeit zugrundeliegt. Durch zahlreiche Hinweise hat er gleichzeitig dafür gesorgt, daß ein lesbarer, von den Schlacken der ersten Denkansätze gereinigter Text entstand. Seinem Vorschlag, die vorliegende Arbeit als Habilitationsschrift zurückzulegen, seiner genauen Zeitplanung und seinen praktischen Ratschlägen verdanke ich es vornehmlich, daß meine Habilitation zu dem bei Beginn meiner Heidelberger Tätigkeit i m Jahre 1965 i n Aussicht genommenen Zeitpunkt stattfinden konnte. Er hat die Arbeit auch als Erstberichterstatter vor der Fakultät vertreten. Mein Dank gilt ferner den weiteren Berichterstattern, Herrn Professor Dr. H. Albert (Mannheim) und Herrn Professor Dr. K. Vogel (Heidelberg). Den ausführlichen Berichten aller Berichterstatter verdanke ich fruchtbare K r i t i k und vielfache Anregung. Leider habe ich nicht alle kritischen Anregungen in der jetzt vorliegenden Fassung verarbeiten können. Sofort nach der Habilitation wurde ich zuerst als Gesamtwahlleiter und dann als Prorektor der Universität Heidelberg so durch die akademische Selbstverwaltung beansprucht, daß
8
Vorwort
eine gründliche Überarbeitung unmöglich wurde. Hätte ich versucht, einen Text herzustellen, wie ich ihn selbst gerne erarbeitet hätte, wäre die Veröffentlichung vermutlich um mehrere Jahre hinausgezögert worden. M i r erschien es i m gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch wichtiger, meine Versuche i n unvollkommener Form der K r i t i k der wissenschaftlichen Öffentlichkeit auszusetzen, als allein oder m i t einem kleinen Kreis methodisch Interessierter an der Verbesserung zu arbeiten. Ich möchte aber wenigstens kurz andeuten, welchen Fragen ich vor der Veröffentlichung der Arbeit weiter nachgegangen wäre, wenn ich dazu Zeit gehabt hätte. Erstens scheint m i r das Verhältnis von semantischem und pragmatischem Gehalt (§§ 10, 11) noch einer logischen (semiotischen) Klärung zu bedürfen. Damit hängt die Frage zusammen, in welchem Umfang für juristische Zwecke die klassische durch eine nichtklassische (intuitionistische oder derivative) Logik zu ersetzen ist (§ 42). Zweitens wäre ich i m Zusammenhang m i t der behandelten Zweck-Problematik (§§ 15 bis 17) gerne der allgemeinen Zweck-Problematik nachgegangen, wobei ich stärker als geschehen den Anregungen der Arbeit von N. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, Tübingen 1968, nachgegangen wäre. Schließlich bedarf die Begründungs-Problematik, die der vorliegend vorgetragenen Interpretation des Gleichheitssatzes zugrundeliegt, einer eingehenden wissenschaftstheoretischen Untersuchung, etwa i n der Richtung, wie sie behandelt worden ist i n der Arbeit von H. Albert, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1968. Ansätze zu einer Überprüfung i n dieser Richtung finden sich in meinem demnächst erscheinenden Aufsatz „Recht und Moral". Während der Arbeit an der vorliegenden Untersuchung konnte ich die auftauchenden methodischen und logischen Fragen immer m i t einem wechselnden Kreis interessierter Kollegen und Mitarbeiter am Lehrstuhl von Herrn Prof. Böckenförde diskutieren. Allen, die mir geholfen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Namentlich nennen möchte ich Frau H. Hirsch und Herrn B. Schlink, die m i r auch bei der Lesung der Korrekturen geholfen haben. Nicht zuletzt gebührt mein Dank Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann, der die Arbeit mit großem Entgegenkommen i n sein Verlagsprogramm aufgenommen hat. Ein besonderes Wort des Dankes sei dabei i h m und den Mitarbeitern seines Verlages gesagt für die Großzügigkeit, m i t der alle meine Wünsche hinsichtlich der Druckanordnung und der Typographie besonders des Anhanges erfüllt worden sind. Heidelberg, i m September 1970 Adalbert
Podlech
Inhaltsverzeichnis Einleitung
17
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen
Gleichheitssatzes
23
§ 1 Der Ausdruck „Gehalt einer Rechtsregel"
23
§ 2 Die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG
27
§ 3 Der allgemeine (nicht spezifisch juristische) Ausdruck „gleich"
29
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
33
§ 5 Rechtliche Ungleichheit als Bedingung effektiver Rechtsordnungen ..
43
§ 6 Der Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich"
45
§ 7 Vorläufige juristische Diskussion des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
48
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG Exkurs: Die geometrische Gleichheit
53 60
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
64
§ 10 Die semantische Gehaltlosigkeit des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
77
§ 11 Der pragmatische Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes u n d die i h m entnehmbare Argumentationslastregel Exkurs: Eine ergänzende Bemerkung
85 90
§ 12 Arbeitsfassung des A r t . 3 GG u n d das Verhältnis seiner Absätze zueinander
90
§ 13 Schema der Gleichheitsprüfung
96
B. Kriterien
für die Zulässigkeit
einer rechtlichen
Ungleichbehandlung
§ 14 Themenstellung
. . . . 103 103
§ 15 Die unterschiedliche Bedeutung des verfassungsrechtlichen Gleich heitssatzes f ü r verschiedene Bereiche hoheitlichen Handelns 105 § 16 Die Begründung der Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch i h r Ziel 109 §17 Gleichheitsprobleme i m Ermessensbereich
117
§ 18 Ungleichbehandlungen durch Festsetzung von Stichtagen u n d grundlose Ungleichbehandlungen 122 § 19 Regionale Ungleichbehandlungen
129
§ 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
135
10
nsverzeichnis
§ 21 Das Verhältnis der Argumentationslastregeln der A r t . 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 GG
142
§ 22 Ungleichbehandlungen bei Enteignungen
144
§ 23 Gleichheitsprobleme bei Raum-Plänen
148
§24 Rollen-Ungleichheiten
151
§ 25 Diskussion der Begründungen einiger Gerichtsentscheidungen über die Zulässigkeit v o n Ungleichbehandlungen 153 C. Funktionen des verfassungsrechtlichen pretation der Arbeitsfassung 12.1
Gleichheitssatzes
in der
Inter-
§ 26 Der Ausdruck „ F u n k t i o n einer Rechtsregel"
162 162
§27 Die politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: Konstituierung der Demokratie
168
§ 28 Diskussion der politischen F u n k t i o n
173
§ 29 Die egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: Konstitutierung der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft 179 Exkurs: Freiheit durch Gleichheit
185
§ 30 Diskussion der egalisierenden F u n k t i o n
188
§ 31 Die bürokratische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: Normierung des Begründungszwanges f ü r Ungleichbehandlungen 191 § 32 Diskussion der bürokratischen F u n k t i o n 196 D. Ausweitung Funktionen
des verfassungsrechtlichen
Gleichheitssatzes
auf weitere
200
§ 33 Problemstellung
200
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
200
§ 35 Diskussion einer F u n k t i o n zur Gewährleistung der Chancengleichheit 209 Anhang: Logische, rechtstheoretische des Gleichheitssatzes
und philosophische
Einzelprobleme
224
§ 36 Das logische Begriffsnetz des Anhangs
224
§ 37 Präzision des Ausdrucks „gleich" (zu § 3)
230
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6) Exkurs: Verfassungsrechtliche Exkurs zu § 3)
Gleichheit
u n d Ähnlichkeit
§39 Die Rechtsordnung v o n notwendig möglicher Theoreme von v. K e m p s k i (zu §§ 5, 29 f.)
Geltung u n d
235 (zum die
241 242
§40 Die Rechtsordnung v o n notwendig möglicher Geltung als rationale Rekonstruktion der Theorie von der natürlichen Gleichheit aller Menschen 253
nsverzeichnis §41 Probleme der gekennzeichneten Klasse u n d des Umfangs der zureichenden Ungleichheitsbegründung (zu § 9) 262 §42 Logische Probleme der Argumentationslastregel (zu § 11)
267
§ 43 Die Problematik der Folgenungleichheit (zu § 16, 35)
271
§ 44 Das Theorem von A r r o w (zu § 34)
274
Literaturverzeichnis
280
Entscheidungsverzeichnis
297
Personenverzeichnis
305
Sachverzeichnis
309
Verzeichnis
315
der Symbole
Abkürzungsverzeichnis a. Α. a.a.O. Abt. a. F. Abg. Abs. AcP ALR
= = = = = = = =
Anh. AnGVG
= =
Anm. AöR ArbGG Arnoult
= = = =
art., A r t . Aufl. Β ABl. bad.-württ. BAGE bay. BayBS
= = = = = = =
BayVerfGH BayVerfGHE
= =
BBauG Bd., Bde. BDO bearb. BEG
= = = = =
bes. Beschl. BFH BFHE BGB
= = = = =
anderer Ansicht am angegebenen Ort Abteilung alte Fassung Abgeordneter Absatz Archiv f ü r zivilistische Praxis Allgemeines Landrecht f ü r die Preußischen Staaten v o m I . 6.1794 Anhang Angestelltenversicherungsgesetz v o m 28. 5.1924 (RGBl. I S. 563) i n der jeweils geltenden Fassung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtsgesetz v o m 3. 9.1953 (BGBl. I S. 1267) Arnoult, M . (Hrsg.): Collection des décrets de l'Assemblée Nationale constituante, 6 Bde., D i j o n 1792 articulum, A r t i k e l Auflage Bundesarbeitsblatt baden-württembergisch Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bayerisch Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts 1802 bis 1956 Verfassungsgerichtshof f ü r den Freistaat Bayern Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs f ü r den Freistaat Bayern, i n : (Amtliche) Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Neue Folge, II. Teil Bundesbaugesetz v o m 23. 6.1960 (BGBl. I S. 341) Band, Bände Bundesdisziplinarordnung v o m 28.11.1952 (BGBl. I S. 761) bearbeitet Bundesentschädigungsgesetz i n der Fassung v o m 29. 6.1956 (BGBl. I S. 562) u n d den später jeweils geltenden Fassungen besonders Beschluß Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch v o m 18. 8.1896 (RGBl. S. 195) i n der jeweils geltenden Fassung
nsverzeichnis BGH Β GHZ BGBl. BLG Breithaupt BSeuchG BSG BSGE BStBl. BundesbG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWahlG bzw. c. CDU DDR ders. d. h. Diels Diss. DÖV DV DVB1 ebd. Ed. EFG Erg. EStG EStR etc. f., ff. FamRZ FDP FGO FlurBG FStrG G GaststättenG Ges.Bl.
= = = = —
Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen Bundesgesetzblatt Bundesleistungsgesetz v o m 19.10.1956 (BGBl. I S. 815) Sammlung v o n Entscheidungen der Sozialversicherung, begr. von H. Breithaupt, B e r l i n
Bundesseuchengesetz v o m 18. 7.1961 (BGBl. I S. 1012) Bundessozialgericht = Entscheidungen des Bundessozialgerichts = Bundessteuerblatt Bundesbahngesetz v o m 13.12.1951 (BGBl. I S. 955) = = Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts = Gesetz über das Bundesverfassungsgericht v o m 12. 3.1951 — (BGBl. I S. 243) = Bundesverwaltungsgericht = Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts = Bundeswahlgesetz v o m 7. 5.1956 (BGBl. I S . 383) = beziehungsweise = capitulum = Christlich Demokratische U n i o n = Deutsche Demokratische Republik = derselbe - das heißt = Diels, H. (Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokratiker, 10. Aufl., 3 Bde., B e r l i n 1952 = Dissertation = Die öffentliche V e r w a l t u n g = Durchführungsverordnung = Deutsches Verwaltungsblatt = ebenda = Editor, Edition = Entscheidungen der Finanzgerichte, Berlin = Ergänzung (s-) = Einkommensteuergesetz i n der jeweils geltenden Fassung Einkommensteuerrichtlinien i n der jeweils geltenden — Fassung = et cetera = folgende = Ehe u n d Familie i m privaten und öffentlichen Recht (Zeitschrift f ü r das gesamte Familienrecht) Freie Demokratische Partei = Finanzgerichtsordnung v o m 6.10.1965 (BGBl. I S. 1477) Flurbereinigungsgesetz v o m 14. 7.1953 (BGBl. I S. 591) = = Bundesfernstraßengesetz v o m 6. 8.1953 (BGBl. I S. 903) = Gesetz = Gaststättengesetz v o m 28.4.1930 (RGBl. I S. 146) = Gesetzesblatt =
-
Abkürzungsverzeichnis
14 GG
hrsg., Hrsg.
= Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland v o m 23. 5. 1949 (BGBl. S. 1) i n der jeweils geltenden Fassung = Gesetzessammlung = Gesetz- u n d Verordnungsblatt = Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v o m 27. 7.1957 (BGBl. I S. 1081) i n der jeweils geltenden Fassung = herausgegeben, Herausgeber
i. d. i. Verb. JbÖR JR jur. JZ KirchStG KPD LAG
= = = = = = = = =
LG LWassG LuftVG
= = =
m. E. MSchG
= =
n. F. NJW nordrh.-westf. NPD Nr. NW O. P. OVG ParteiG PBefG pg. PolG poln. Pos. Praef. prPVG
= = = = = = = = = = = = = = = =
qu. RabattG Rdn. RGBl. RGZ RhldPfGVBl rh.-pf.
= = = = = = =
GS GVBl. GWB
i n der i n Verbindung Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau juristisch (er, e, es) Juristenzeitung Kirchensteuergesetz Kommunistische Partei Deutschlands Lastenausgleichsgesetz v o m 14. 8.1952 (BGBl. I S. 446) i n der jeweils geltenden Fassung Landgericht Landeswassergesetz Luftverkehrsgesetz v o m 1. 8.1922 (RGBl. I S. 681) i n der jeweils geltenden Fassung meines Erachtens Mieterschutzgesetz v o m 1. 6.1923 (RGBl. I S. 681) i n der jeweils geltenden Fassung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift nordrhein-westfälisch Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nummer Nordrhein-Westfalen Ordo Praedicatorum Oberverwaltungsgericht Parteiengesetz v o m 24. 7.1967 (BGBl. I S. 773) Personenbeförderungsgesetz v o m 21. 3.1961 (BGBl. I S. 241) pagina Polizeigesetz polnisch Position Praefatio Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz v o m 1. 6.1931 (GS S. 77) quaestio Rabattgesetz v o m 25.11.1933 (RGBl. I S. 1011) Randnummer Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts i n Zivilsachen Rheinland-pfälzisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt rheinland-pfälzisch
Abkürzungsverzeichnis RVO S. SchwBG SGG SPD StGB StGH StPO StrRG st. Rspr. StVO U. u. a. u. ä. übers. UdSSR Urt. u. U. v. Verf. VermBG VerwA VGH vgl. Vorb. VVDStRL VwGO WassHaushG W(ehr)PflG Wigard
WV z. B. ZgesStW ZPO
= Reichsversicherungsordnung v o m 19. 7.1911 (RGBl. S. 509) i n der jeweils geltenden Fassung = Seite = Schwerbeschädigtengesetz v o m 16. 6.1953 (BGBl. I S. 389) = Sozialgerichtsgesetz v o m 3. 9.1953 (BGBl. I S . 1239) = Sozialdemokratische Partei Deutschlands = Strafgesetzbuch v o m 15. 5.1871 (RGBl. S. 127) i n der jeweils geltenden Fassung = Staatsgerichtshof = Strafprozeßordnung v o m 1. 2.1877 (RGBl. S. 253) i n der jeweils geltenden Fassung = Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts v o m 25. 6.1969 (BGBl. I S. 645) = ständige Rechtsprechung = Straßenverkehrs-Ordnung v o m 13.11.1937 (RGBl. I S. 1179) i n der jeweils geltenden Fassung = Urteil = u n d andere(s) = u n d ähnliche(s) = übersetzt = Union der Sozialistischen Sowjet Republiken = Urteil = unter Umständen = vom = Verfasser = Zweites Vermögensbildungsgesetz vom 1. 7.1965 (BGBl. I S.585) = Verwaltungsarchiv = Verwaltungsgerichtshof = vergleiche = Vorbemerkung = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Verwaltungsgerichtsordnung v o m 21.1.1960 (BGBl. I S. 17) = Wasserhaushaltsgesetz v o m 27. 7.1957 (BGBl. I S. 1110) = Wehrpflichtgesetz v o m 21.7.1956 (BGBl. I S. 651) i n der jeweils geltenden Fassung = Wigard, Fr. (Hrsg.), Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu F r a n k f u r t am Main, 9 Bde., Frankfurt/M. 1848/ 49 = Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (RGBl. S. 1383) (WeimarerVerfassung) = zum Beispiel = Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft = Zivilprozeßordnung v o m 30.1.1877 (RGBl. S. 83) i n der j e weils geltenden Fassung
Einleitung N o n enim dissero, sed computo. Th. Hobbes, De Cive, Praef. pg. 151 Alles, was überhaupt gedacht werden kann, k a n n k l a r gedacht werden. Alles, was sich aussprechen läßt, läßt sich k l a r aussprechen. L. Wittgenstein, Tractatus logicophilosophicus, Nr. 4.116 Es ist keine V e r w i r r u n g so groß, als daß sie sich nicht durch einen laxen Sprachgebrauch noch größer machen ließe. J. von Kempski, Recht und Politik, S. 135
Der derzeitige Stand von Wissenschaft und Rechtsprechung i n der Diskussion über den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz kann durch folgende zwei Sätze charakterisiert werden: 1. Der Wissenschaft ist es bisher nicht gelungen, eine anerkannte Interpretation des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes derart zu liefern, daß sie es gestatten würde, für anfallende Probleme eine überprüfbare Lösung anzugeben. 2. Die Rechtsprechung verwendet i n ständiger Praxis bestimmte Formeln als Umschreibung des Gleichheitssatzes. Von den meisten U r teilsbegründungen läßt sich jedoch nachweisen, daß diese Formeln weder hinreichende noch notwendige Bedingungen der jeweils getroffenen Entscheidung sind, d. h. daß bei Zugrundelegung der Formeln auch eine abweichende Entscheidung hätte getroffen werden können und daß die getroffene Entscheidung auch ohne Verwendung der Formeln hätte begründet werden können. Bei einem solchen Stand der Diskussion empfiehlt sich ein Neuansatz der Interpretation. Der hier vorgelegte Versuch unterscheidet sich von den bisher unternommenen vor allem durch zwei Umstände. Er hat erstens schwächere philosophische Voraussetzungen als die meisten der bisherigen Versuche. Er rekurriert z. B. weder auf ein allgemeines Rechtsbewußtsein, noch auf die Geltung objektiver Werte, noch auf die Menschenwürde, noch setzt er voraus, daß es eine substantielle Gleichheit der Menschen gibt oder daß sie erkannt werden könnte. Andererseits w i r d darauf geachtet, daß rechtlich relevante Probleme, die bisher m i t Hilfe solcher Voraussetzungen diskutiert wurden, auch i m Begriffs2 Podlech
18
Einleitung
netz des vorliegenden Versuchs adäquat, d. h. ohne rechtlichen Problemverlust diskutiert werden können. Der hier vorgelegte Versuch ist zweitens dadurch gekennzeichnet, daß er weitgehend das formale Gerüst der analytischen Sprachtheorie benützt. Dies ist aus folgender Überlegung heraus geschehen. Die Ausdrücke gleich 4 oder verfassungsrechtlich gleich' sind so formal, daß eine i n t u i t i v richtige oder eindeutige Verwendung, wie sie beispielsweise bei den Ausdrücken ,Beruf 4 (Art. 12 GG) oder ,Religionsausübung 4 (Art. 4 GG) weitgehend möglich ist, nicht gewährleistet ist. Versuche, brauchbare Wortgebrauchsregelungen auf umgangssprachlicher Grundlage zu formulieren, stoßen — aus teilweise später noch zu erörternden Gründen — rasch auf kaum zu übersteigende Grenzen. Damit hängt eine weitere Schwierigkeit zusammen. Werden Ausdrücke, die der Umgangssprache auch i n der gereinigten Fassung einer juristischen Fachsprache angehören, ohne besondere logische Zurüstung i n Schlüssen verwendet, so gestattet es die Vagheit der meisten dieser Ausdrücke nur selten, über mehr als zwei Schlußschritte zwingende Schlüsse zu ziehen. I n Bereichen, die anschauungsgesättigt oder topisch differenzierend aufgearbeitet sind, können Schlußfehler i n t u i t i v korrigiert werden. Der Problembereich des Gleichheitssatzes läßt solche intuitiven Korrekturen nicht zu. Insbesondere sind Ausdrücke wie ,willkürlich 4 , ,gerecht 4 oder »verhältnismäßig 4 ungeeignet, solche Korrekturen zu leisten. Anders ausgedrückt ist die Verwendung (weitgehend) korrekt definierter und bezeichneter Ausdrücke für das vorliegende Untersuchungsgebiet notwendige Bedingung für die Erfüllung der (wissenschaftstheoretisch selbstverständlichen) Forderung nach durchgängiger Bedeutungsinvarianz der i m Rahmen einer Untersuchung verwendeten Ausdrücke. Aus solchen Gründen sind brauchbare Ergebnisse bei Interpretationsversuchen des Gleichheitssatzes nur zu erzielen, wenn das heute zur Verfügung stehende Rüstzeug der Logik angewandt wird. Bei der Verwendung der Ergebnisse der analytischen Sprachtheorie i n der vorliegenden Untersuchung w i r d jedoch darauf geachtet, die oft mit einer solchen Verwendung verbundene Übernahme der Thesen des philosophischen Positivismus zu vermeiden. Das heißt, daß die Begründungen der Thesen der vorliegenden Untersuchung derart formuliert werden, daß ihre Überzeugungskraft nicht von der Übernahme der Thesen des logischen Positivismus abhängt. Die Anwendung logischer Hilfsmittel auf die Lösung von Problemen, die i n der üblichen juristischen Fachsprache formuliert sind, stößt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten. Es ist nicht zu erwarten, daß diese Schwierigkeiten bei diesem ersten Versuch überwunden werden. Die erste Schwierigkeit liegt bereits darin, daß die Kenntnis der zur Anwendung vorgesehenen logischen Hilfsmittel bei einem juristischen Leserkreis
Einleitung
19
noch nicht vorausgesetzt werden kann. Diese Schwierigkeit ist durch folgenden Kompromiß verringert worden. Der jetzige Text stellt besonders i m ersten Abschnitt eine Rückübersetzung aus einem Text dar, der die zu untersuchenden Probleme i n einer logisch gereinigten und teilweise symbolisch gefaßten Kunstsprache diskutierte. Die nach Ansicht des Verfassers i m ersten Abschnitt enthaltenen Erkenntnisse sind anhand dieses gereinigten Textes gewonnen worden. Bei der Rückübersetzung — wenn man die Herstellung des gereinigten Textes als Übersetzung aus der Wortsprache auffaßt — wurde darauf geachtet, daß erstens nur noch diejenigen logischen Fachausdrücke verwendet wurden, deren Verwendung unumgänglich war und die daher schon heute zumutbar ist, und daß zweitens die logische Struktur des ursprünglichen Textes soweit wie möglich erhalten blieb. U m interessierten Lesern die Kontrolle über die geleistete logische Arbeit trotz der Rückübersetzung zu ermöglichen, wurden die wichtigsten logischen Analysen i m Anhang zusammengestellt. Hier fanden auch einige Probleme eine Vertiefung, die i m laufenden Text gestört hätte. So wurde i m Anhang ζ. B. soweit ersichtlich erstmals i m deutschen Sprachgebiet ein Beweis des Theorems von K . J. Arrow angeführt, ein Theorem, das i n § 34 Verwendung fand und das für die Rechts- und Sozialphilosophie eine Bedeutung besitzen dürfte, die über seine bisherige Bedeutung für die Volkswirtschaftslehre hinausgeht. A n dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, daß der Verfasser kein Mathematiker oder Logiker vom Fach ist. Die Verwendung der Hilfsmittel mag daher gelegentlich schwerfällig oder sogar nicht ganz lege artis sein. Der Verf. hofft jedoch, alle seine Ausführungen wenigstens i n eine korrekturfähige Form gebracht zu haben. Korrekturfähigkeit soll dabei die Möglichkeit bezeichnen, die Auswirkungen auf den übrigen Text, die sich aus der Aufdeckung eines logischen (oder anderen) Fehlers ergeben, überprüfen zu können. Dem Wiederauffinden von Textstellen, an denen Ausdrücke definiert oder i n anderer Weise i n die Untersuchung eingeführt werden, dient das Sachregister, i n dem solche Textstellen besonders gekennzeichnet sind. Eine zweite Schwierigkeit liegt i n dem Fehlen einer juristischen Methodenlehre, die dem heute interdisziplinär erreichten hohen Stand der Wissenschaf tstheoretik entspricht. Da die vorliegende, ein spezielles Thema behandelnde Untersuchung disproportioniert geworden wäre, wenn alle erforderlichen methodischen Überlegungen explizit mitgeliefert worden wären, blieb nichts anderes übrig, als zu methodischen Fragen vorwiegend nichtjuristische Literatur, und zwar logische, soziologische, volkswirtschaftliche und gelegentlich auch kybernetische Literatur zu zitieren. Dabei konnte allerdings auch die Lösung zweier weiterer Aufgaben nicht ständig mitgeleistet werden, nämlich die Nachweise, daß es erstens allgemeine Probleme der Wissenschaftslogik gibt, die interdisziplinäre 2*
20
Einleitung
Lösungen gestatten oder gar fordern, und zweitens, daß es sich bei den zitierten Ansichten um solche interdisziplinären Lösungsvorschläge oder aus sonstigen Gründen um für die Hechtswissenschaft relevante Ansichten handelt. Die Kontrolle dieser Ansichten muß dem Leser überlassen werden. Dies kann um so eher geschehen, als zwar versucht worden ist, die Untersuchung i n einer kontrollierbaren methodischen Form vorzulegen, das Ziel der Untersuchung aber kein methodisches ist, sondern die Lösung eines praxisbezogenen verfassungsrechtlichen Problems. Eine dritte Schwierigkeit liegt darin, daß — von der einzigen Ausnahme der Arbeiten von J. v. Kempski abgesehen — keine Vorarbeiten vorliegen. Insbesondere sind die Grundbegriffe der Rechtswissenschaft nicht nur nicht korrekt, d. h. den Regeln der Logik entsprechend eingeführt, vielmehr besteht sogar oft keine Möglichkeit, ihre Bedeutung i n einer allgemein anerkannten Weise umgangssprachlich zu formulieren. Solche Ausdrücke sind ζ. Β.,gelten', ,sollen', ,Norm',,Rechtssatz',,Rechtsverhältnis' . Ohne ein korrekt formuliertes Begriffsnetz als Basis, wie es von der Disziplin der allgemeinen Rechtstheorie bereitzustellen wäre, können Untersuchungen, wie die hier vorgelegte, nur schwer durchgeführt werden. Auch diese Schwierigkeit wurde durch einen Kompromiß allerdings mehr umgangen als gelöst. Auf eine korrekt formulierte Basis wurde verzichtet. Nur i n den Fällen, i n denen es unumgänglich schien, wurden Ausdrücke der allgemeinen Rechtstheorie vorläufig, d. h. als Vorschlag und für den Gang der vorliegenden Untersuchung formuliert. Auf diese Weise hofft der Verf. erreicht zu haben, daß durch weitere Untersuchungen einerseits die Rückführung der vorliegenden Untersuchung auf eine korrekt formulierte Basis ohne allzu große Änderungen der Ergebnisse möglich ist und andererseits der Anschluß an die Probleme der Praxis gewonnen werden konnte. Dies führt zu einem weiteren Kennzeichen der vorliegenden Untersuchung. Sie gewinnt den Zugang zu den behandelten rechtlichen Problemen mehr von der Praxis als von der Literatur her. Allerdings konnte weder hinsichtlich der Literatur noch der Praxis Vollständigkeit i n dem Sinne erreicht werden, daß alle Gleichheitsfragen berührenden Veröffentlichungen und Entscheidungen berücksichtigt wurden. Was die Literatur betrifft, hofft der Verf., daß i h m keine wichtige deutschsprachige Veröffentlichung entgangen ist. Hinsichtlich der Entscheidungen wurde davon ausgegangen, daß die i n den amtlichen Sammlungen des BundesVerfassungsgerichts, der (einschlägigen) obersten Bundesgerichte und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes veröffentlichten Entscheidungen einen repräsentativen Querschnitt durch die juristische Problematik bieten. Als Material wurden infolgedessen verarbeitet alle i n den amtlichen Sammlungen veröffentlichten und den Gleichheitssatz berührenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes (bis zum 26. Band), des
Einleitung Bundesverwaltungsgerichts (bis z u m 31. Bd.), des Bundessozialgerichts (bis z u m 28. Bd.), des Bundesfinanzhofs (bis z u m 93. Bd.), des Bundesgerichtshofs i n Z i v i l s a c h e n (bis z u m 51. Bd.) u n d des Bayerischen Verfas-
sungsgerichtshofes (bis zum 21 Bd.). Zitiert wurden jedoch nur Entscheidungen m i t einem charakteristischen Inhalt. Die Untersuchung nimmt folgenden Gang. I m ersten Abschnitt w i r d der Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes untersucht. Der Ausdruck ,Gehalt' ist dabei eine korrekte und entscheidungsfähige Umschreibung dessen, was sonst meist als ,Inhalt 4 bezeichnet wird. I n diesem Abschnitt werden die Voraussetzungen für die beiden folgenden Abschnitte erarbeitet. Außerdem finden bereits hier einige Probleme, die der Rechtswissenschaft bisher erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben, ihre Lösung. I n § 8 w i r d nachgewiesen, daß es überflüssig ist, dem Gleichheitssatz das Gebot oder die Erlaubnis zu entnehmen, Ungleiches ungleich zu behandeln. I n einem Exkurs zu § 8 werden die auf Aristoteles zurückgehenden Probleme der geometrischen und arithmetischen Gleichheit auf eine einheitliche Problematik reduziert und aus dem weiteren Gang der Untersuchung ausgeschlossen. I n § 9 erfährt die Problematik der sogenannten Gruppengleichheit, wie sie besonders i n der Enteigungsrechtsprechung auftaucht, ihre Lösung. Schließlich w i r d eine Fassung des Gleichheitssatzes erarbeitet, die i n ihrer sprachlichen Struktur die wichtigen Probleme dieses Satzes erkennen läßt. Einer ihrer Vorzüge ist es, daß sie die unentscheidbare Problematik einer substantiellen oder wesentlichen Gleichheit der Menschen nicht mehr enthält. Das wichtigste Ergebnis des Abschnittes besteht i n dem i n §§ 10, 11 gelieferten Nachweis, daß dem Gleichheitssatz zwar kein materieller Maßstab, wohl aber eine Argumentationslastregel für Gleichbehandlungen zu entnehmen ist. Ihre Rechtfertigung erfahren die Ergebnisse des ersten Abschnittes i m dritten Abschnitt. I m zweiten Abschnitt werden mit Hilfe der i m ersten Abschnitt erarbeiteten Ergebnisse kasuistisch mehrere Gleichheitsprobleme der Praxis erörtert. Das Ziel dieser Erörterungen ist es, jeweils entscheidungsfähige Kriterien für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der verfassungsrechtlichen Gleichheit zu formulieren und zu begründen. Die beiden wichtigsten Ergebnisse dieses Abschnittes dürften sein, daß Zwecke oder Ziele i n der Regel nicht i n der Lage sind, Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen und daß die Enteignungsproblematik nicht auf eine Gleichheitsproblematik zurückführbar ist. Der dritte Abschnitt behandelt einige grundlegende Fragen des Gleichheitssatzes i n Verbindung mit der geschichtlichen Entwicklung des rechtlichen Gleichheitsgedankens seit der französischen Revolution. Es w i r d dargestellt, daß die beiden ursprünglichen Funktionen des Gleichheits-
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Einleitung
satzes, nämlich die Herstellung der Demokratie und der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft, für den Staat einer voll industrialisierten und pluralistischen Gesellschaft keine Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Ungleichbehandlungen mehr gestatten und daß daher eine formalisierte, die beiden klassischen Funktionen umfassende Funktion des generellen Begründungszwanges für hoheitliche Ungleichbehandlungen formuliert werden muß, eine Forderung, die bereits N. Lühmann erhoben hat. Schließlich w i r d i m vierten Abschnitt gezeigt, daß es außer der Formulierung dieser formalisierten (hier bürokratisch' genannten) Funktion zwar der weiteren Formulierung von Funktionen zur Gewährleistung von Chancengleichheiten, nicht aber der Formulierung einer sozialstaatlichen Funktion bedarf, u m alle bisher i n der Praxis auftauchenden materiellrechtlichen Probleme des Gleichheitssatzes diskutieren und lösen zu können.
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes §1
D e r Ausdruck „Gehalt einer Rechtsregel"
Die Untersuchung soll beginnen mit der Frage nach dem Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Ausdruck „Gehalt", der i n der juristischen Fachsprache noch nicht heimisch ist und der i n den philologischen Wissenschaften verschiedene Bedeutungen besitzt, soll dabei i n einem korrekten logischen Sinn verwendet werden. Ein Satz, der eine Tatsache aussagt, sagt dadurch etwas über die (wirkliche oder eine gedachte) Welt aus, daß er andere Tatsachen, die ebenfalls möglich wären, ausschließt. Beispielsweise schließt der Satz „ A n dem und dem Ort beträgt die Temperatur zu dem und dem Zeitpunkt 10° C" alle anderen Temperaturzustände von dem angegebenen Raum-Zeit-Gebiet aus. Ist jener Satz wahr, d. h. hat die Temperatur an dem angegebenen Ort zur angegebenen Zeit tatsächlich die angegebene Größe, so ist der Satz „ A n dem angegebenen Ort beträgt die Temperatur zur angegebenen Zeit zwischen — 1 0 ° und + 30 °C" ebenfalls wahr. Es ist sinnvoll zu sagen, daß der zweite Satz weniger aussagt, als der erste. M i t der Kenntnis nur des zweiten Satzes weiß man weniger über den Zustand des angegebenen Raum-Zeit-Gebietes, als wenn man den ersten kennt. Handelt es sich bei den Sätzen u m Aussagen über das Wetter, so weiß man i n unseren Breiten über das Wetter praktisch nichts, wenn man nur den zweiten Satz kennt. Der zweite Satz schließt weniger Fälle aus als der erste. Er besitzt, wie man auch sagen kann, eine geringere Information 1. Dieser Umstand berechtigt dazu, für den Ausdruck „Gehalt" folgende Begriffsbestimmung zu geben: 1.1 Gehalt eines Satzes heißt die Klasse 2 der Fälle, auf die er nicht zutrifft 3. 1 Z u m Begriff Information i m Sinne der Informationstheorie vgl. H. J. Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, 3. Aufl., Stuttgart 1968, S. 52 ff. Z u m Verhältnis der Begriffe „ I n f o r m a t i o n " u n d „Gehalt" vgl. die Darstellung von K. R. Popper, L o g i k der Forschung, S. 355 ff., die auf einer Anregung von J. G. Kemeny beruht. Eine allgemeinverständliche Einführung i n den Problemkreis gibt C. Fr. Weizsäcker, Sprache als Information, i n : Die Sprache, hrsg. von der Bay. Akademie der schönen Künste, Darmstadt 1959, S. 33—53. 2 Der Ausdruck Klasse, der i m folgenden oft verwendet w i r d , bezeichnet i n der L o g i k dasselbe wie i n der M a t h e m a t i k der Ausdruck „Menge". M a n k a n n daher i m Anschluß an G. Cantor , Gesammelte Abhandlungen, B e r l i n 1932, S. 282, die Klasse definieren als eine „Zusammenfassung von bestimmten w o h l unterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem
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Α . Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Erläuterung E i n Satz, der keine denkbaren Fälle ausschließt, der also i n allen möglichen Welten w a h r ist 4 , ist aus logischen Gründen wahr. E i n solcher Satz w i r d Tautologie genannt. E i n Satz, der praktisch keinen F a l l ausschließt, hat k e i nen empirischen Gehalt. Er ist zwar logisch keine Tautologie, hat aber k e i nen Neuigkeitswert i m Sinne der Informationstheorie. E i n Satz, der alle denkbaren Fälle ausschließt, also i n allen möglichen Welten falsch ist, ist aus logischen Gründen falsch. E i n solcher Satz w i r d Kontradiktion genannt. G e h a l t ist eine Eigenschaft v o n Sätzen. D i e D e f i n i t i o n 1.1 p a ß t n u r a u f Sätze, die Aussagen sind. Sie b e d a r f f ü r n o r m a t i v e Sätze einer K o r r e k t u r . Diese K o r r e k t u r b e d i n g t die S k i z z i e r u n g eines rechtstheoretischen Begriffsnetzes. U n d e f i n i e r t e r tatsächlicher G r u n d b e g r i f f sei der A u s d r u c k (menschliches) Verhalten 5. U n t e r e i n e m Handlungsbereich ü b e r e i n e m gegebenen P e r s o n e n - R a u m - Z e i t - G e b i e t w e r d e die G e s a m t h e i t a l l e r m ö g l i c h e n V e r h a l t e n a l l e r P e r s o n e n des Gebiets v e r s t a n d e n , u n a b h ä n g i g d a v o n , ob d i e V e r h a l t e n r e a l i s i e r t v e r t r ä g l i c h s i n d oder n i c h t . A u c h j e d e ( n i c h t leere) T e i l k l a s s e eines H a n d l u n g s b e r e i c h s sei e i n H a n d l u n g s b e r e i c h . U n d e f i n i e r t e r n o r m a t i v e r G r u n d b e g r i f f sei d e r A u s d r u c k Gebot 9. Erlaubnis ist d a n n N i c h t g e b o t des Gegenteils u n d Verbot N i c h t e r l a u b n i s oder G e b o t des Gegenteils7. Die Ausdrücke „Gebot", „ E r l a u b n i s " u n d „ V e r b o t " heißen die deontischen Operator en. A l s Normensystem kann m a n einen Κ
Ganzen". Die Objekte, über denen eine Klasse definiert ist, werden auch Glieder oder Individuen genannt. Eine Klasse über zwei Gliedern heißt auch ein Paar, über drei Gliedern ein Tripel, über η Gliedern ein n-Tupel. Diese Ausdrücke werden gelegentlich verwendet. 3 R. Carnap , Einführung i n die symbolische Logik, § 6 b ;K.R. Popper, a.a.O., S. 83 ff., 347 A n m . 8. Der Ausdruck „Gehalt" ist auch definierbar als die Klasse der möglichen Fälle, die nicht zu dem Spielraum des Satzes gehören. Jedoch ist der Ausdruck „Spielraum" nicht ohne weiteres logisches Rüstzeug zu erklären. Vgl. dazu L. Wittgenstein, Tractatus, Nr. 4.463; K . R. Popper, a.a.O., S. 83 ff., bes. S. 87 ff., 165 f.; R. Carnap, a.a.O, §§ 5 b, 6 b, 11; W. Stegmüller, Das W a h r heitsproblem, S. 108 ff.; H. Albert, Probleme der Theoriebildung, S. 24. Z u r Erläuterung nur folgendes: „Gehalt" u n d „Spielraum" sind streng reziproke Ausdrücke. Je größer der Gehalt, desto geringer der Spielraum u n d umgekehrt. Sätze ohne Gehalt (Leerformeln, Tautologien) haben den totalen Spielraum. Vgl. dazu E. Topitsch, Sprachlogische Probleme der sozialwissenschaftlichen Theorienbildung, S. 24; H. Albert, Modell-Platonismus, S. 407 ff. 4 Vgl. dazu H. Scholz, Leibniz, S. 133 ff. 5 Die Analyse dieses Begriffs ist keineswegs leicht u n d abgeschlossen. Z u m Stand der Forschung vgl. J. v. Kempski, Handlung, M a x i m e u n d Situation, S. 235; ders., Grundlegung zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 16 ff.; G. H. v. Wright, N o r m and Action, S. 25 ff.; ders., The Logic of Action, S. 121 ff.; D. Davidson, The Logical F o r m of A c t i o n Sentences, i n : N. Rescher (Hrsg.), The Logic of Decision and Action, S. 81 ff. 6 Auch die Analyse dieses Begriffs ist noch kontrovers. Vgl. dazu A. R. Anderson, The Formal Analysis of Normative Systems, S. 147 ff.; G. H. v. Wright, N o r m and Action, S. 70 ff.; A. Ross, a.a.O., S. 193 ff. 7 Vgl. dazu G. H. v. Wright , Deontic Logic, S. 1 ff.
§ 1 Der Ausdruck „Gehalt einer Rechtsregel"
25
lungsbereich bezeichnen, wenn jedem Verhalten des Bereichs mindestens ein deontischer Operator zugeordnet ist, wenn also aufgrund des Systems von jedem Verhalten aussagbar ist, daß es entweder erlaubt oder verboten ist. Als Norm kann dann jedes geordnete Paar, bestehend aus einem Verhalten und einem deontischen Operator verstanden werden. Rechtsordnungen sind hier nicht näher zu bezeichnende Regelsysteme 8 , deren wichtigste Regel Normen sind 9 . Eine Rechtsordnung heiße auch Gesamtrechtsordnung, ihre unter systematischen Gesichtspunkten gegliederten Teile Teilrechtsordnungen 10. Außer Normen, das sind Verhaltensregeln, enthalten voll ausgebildete differenzierte Rechtsordnung Definitionen 11, Pläne, das sind Zustandsregeln, Organisationsregeln, das sind Zuständigkeitsregeln 12 , Vermutungen 13 und Geltungsregeln, das sind Regeln, die festlegen, unter welchen Bedingungen andere Regeln Bestandteile einer gegebenen Rechtsordnung sind oder nicht 1 4 . Außer diesen regelhaften (d. h. geltungsfähigen) Bestandteilen enthalten Rechtsordnungen (wahrheitsfähige) Aussagen als Bestandteile 15 . Diejenigen Glieder einer Rechtsordnung die keine Aussagen sind, seien Rechtsregeln genannt. Grundlegend für die Regeln einer sind, also für die Rechtsregeln, ist R. Schreiber nachgewiesen hat, gibt Geltung 1 6 . I m folgenden sollen nur
Rechtsordnung, die keine Aussagen die Eigenschaft der Geltung. Wie es keinen einheitlichen Begriff der Rechtsregeln betrachtet werden, für
8 A u f die Notwendigkeit, die Existenzbedingungen für diese Teilklasse zu axiomatisieren, hat hingewiesen A. Podlech, Logische Anforderungen k y b e r netischer Systeme an ihre A n w e n d u n g auf Rechtssätze, S. 107. 9 Vgl. dazu G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 332. Z u beachten ist, daß nicht die A p r i o r i t ä t dieser Aussage behauptet w i r d . Ob sie zu allen Zeiten galt u n d ob sie f ü r alle Rechtsordnungen gilt, braucht für das folgende nicht untersucht zu werden. 10 Z u m folgenden vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 193 ff. 11 Definitionen können i n differenzierten Rechtsordnungen den Umfang ganzer Definitionssysteme annehmen. So sind ζ. B. die Gesamtheit der Regeln über die abstrakten sachenrechtlichen Zuordnungen als Definitionen der Ausdrücke „Eigentümer", „Hypothekar" u. a. auffaßbar, die ihrerseits i n Normen, d. h. Verhaltensregeln m i t Verpflichtungen oder Erlaubnissen vorkommen. Vgl. hierzu dogmatisch Fr. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, § 5; rechtstheoretisch A. Ross, On L a w and Justice, S. 170 ff. Vgl. auch das instruktive Beispiel bei K . Larenz, a.a.O., S. 194 f. 12 Vgl. dazu H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 71 I V : E. W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 70 ff. 13 Vgl. dazu unten § 42. 14 Die Aufzählung ist noch nicht vollständig. Z u denken ist an die Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts — dazu L. Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., B e r l i n 1961, S. 2 — u n d die Auslegungsregeln — vgl. dazu C. Fr. Ophiils, Ist der Rechtspositivismus logisch möglich?, N J W 68, S. 1751 — 15 Häufig ist dabei die F o r m „Wenn a ist, soll ρ sein". Das ist der T y p des aus Tatbestand (Aussage) u n d Rechtsfolge bestehenden Rechtssatzes. 16 R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, passim.
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
26
die es sinnvoll ist auszusagen, daß sie gelten oder nicht gelten i m Sinne des folgenden Sprachgebrauchs: 1.2
Eine Rechtsregel gilt immer dann, wenn sie
1.2.1
den Regeln der Logik entsprechend korrekt ist,
1.2.2
ihre aussagenlogisch formulierbaren Bestandteile nicht falsch sind 1 7 ,
1.2.3
sie
1.2.3.1 von den zuständigen Stellen erlassen ist oder 1.2.3.2 aus einer von einer zuständigen Stelle erlassenen Regel nach logischen Vorschriften ableitbar ist 1 8 . Aus der Bedingung 1.2.3 folgt, daß der formulierte Geltungsbegriff abhängig ist von dem normativen Ausdruck „zuständige Stelle". Es gibt daher für jede Rechtsordnung mindestens eine Regel, die der Bedingung 1.2.3 nicht zu genügen vermag. Die Klasse dieser Regeln bleibe aus folgendem Grund aus der folgenden Betrachtung ausgeschlossen. Wie C. Fr. Ophüls nachgewiesen hat 1 9 , ist die Widerspruchsfreiheit einer Rechtsordnung nicht gewährleistet, wenn alle Geltungsregeln als positive Rechtsregeln aufgefaßt werden. Die Widerspruchsfreiheit kann auf verschiedene Weisen gesichert weiden. Eine Möglichkeit ist der Ausschluß der angegebenen Regeln. Eine Rechtsordnung, die vorwiegend aus geltenden Rechtsregeln (1.2) besteht, heiße geltende Rechtsordnung. Von einer geltenden Rechtsordnung i m angegebenen Sinn läßt sich folgender Satz aussagen: 1.3 Geltende Rechtsordnungen regeln Verhalten eines gegebenen Handlungsbereichs dadurch, daß sie von jedem Verhalten des Bereichs festlegen, ob es m i t der Rechtsordnung vereinbar ist oder nicht 2 0 . Der Ausdruck „Gehalt" muß für jede der Klassen von Rechtsregeln definiert werden. Für das Folgende spielen nur Normen und Geltungsregeln eine Rolle. Die Definition werde daher nur für diese Klassen von Rechtsregeln angegeben. Gehalt ist durch Satz 1.1 bestimmt worden als 17
Vgl. zu dieser Formulierung unten § 42, A n m . 16. Die Definition folgt E. Oppenheim, Outline of a Logical Analysis of L a w , S. 153. Die Zufügung von 1.2.3.2 folgt der Anregung jedoch i n Abweichung von L. Philipps, Sinn und S t r u k t u r der Normlogik, S. 196 f. 19 C. Fr. Ophüls, a.a.O., S. 1748 ff. 20 Vgl. dazu Th. Hobbes, Leviathan, 26. Kap.; I. Kant, K r i t i k der reinen V e r nunft, A 476; A. Ross, On L a w and Justice, S. 34 ff.; J. v. Kempski, Grundlegung zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 30 ff.; A. Podlech, Logische Anforderungen kybernetischer Systeme an ihre Anwendung auf Rechtssätze, S. 107; ders., Das Grundrecht der Gewissensfreiheit und die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 61; W. Krawietz, Z u r K r i t i k am Begriff des Maßnahmegesetzes, S. 134. 18
§ 2 Die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG
27
Ausschluß möglicher Tatsachen. Es liegt daher nahe und entspricht dem juristischen Sprachgebrauch, den Gehalt einer Rechtsnorm als Ausschluß möglicher Verhalten zu bestimmen 21 . Da es sich i m Verlauf der folgenden Untersuchung als erforderlich erweist, einen weiteren Begriff des Gehalts einzuführen, werde der durch die Sätze 1.1,1.4 und 1.5 festgelegte Gehalt semantischer Gehalt genannt. Dementsprechend werde die Festsetzung getroffen: 1.4 Semantischer Gehalt einer Rechtsnorm heißt die Klasse möglicher Verhalten, die m i t der Rechtsnorm unvereinbar sind 2 2 . Die entsprechende Formulierung für Geltungsregeln lautet: 1.5 Semantischer Gehalt einer Geltungsregel heißt die Klasse möglicher Rechtsregeln, die m i t der Geltungsregel unvereinbar sind 2 8 . W i l l man zwischen dem Gehalt von Aussagen und dem Gehalt von Rechtsregeln unterscheiden, so kann man den durch Satz 1.1 festgelegten semantischen Informationsgehalt und den durch 1.4 und 1.5 festgelegten Gehalt semantischen normativen Gehalt nennen 23 . Demgegenüber werde der noch einzuführende Gehalt pragmatischer Gehalt genannt 24 .
§ 2 Die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 G G
Anknüpfungspunkt für die Untersuchung w i r d die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG sein. Dabei werde der Ausdruck „Bestimmung" wie folgt verwendet: 2.1 Der Ausdruck Bestimmung bezeichnet den jeweiligen Wortlaut des (in Artikel, Paragraphen, Abschnitte [und] oder Sätze gegliederten) Verfassungs-, Gesetzes-, Verordnungs- oder Satzungstextes. Die zu untersuchende Bestimmung lautet: „ A l l e Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Der Wortlaut dieses Textes hat sich seit der Formulierung i n Art. 3 der Déclaration des droits de l'homme et du citoyen von 1793: „Tous les hommes sont égaux par la nature 1 et devant la loi" i n der Verfassungs21 Vgl. dazu E. Topitsch, Die Menschenrechte, S. 3; H. Albert , Modell-Platonismus, S. 425, A n m . 5. 22 Vgl. dazu Podlech, Logische Anforderungen kybernetischer Systeme an ihre Anwendung auf Rechtssätze, S. 108, A n m . 21. 23 Der Vorschlag folgt H. Albert, a.a.O. 24 Vgl. dazu unten §11. 1 Z u diesem Satzteil vgl. unten § 40.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
geschichte relativ konstant gehalten 1 3 . Der einzige, sich i m Text widerspiegelnde Bedeutungswandel betrifft den Kreis derer, von denen die einzelnen Bestimmungen aussagen, daß sie vor dem Gesetz gleich sind. Trotzdem herrscht i n der Rechtslehre Einigkeit darüber, daß das i n den einzelnen Bestimmungen Gemeinte einer geschichtlichen Entwicklung unterlegen ist 2 . Es handelt sich bei der Bestimmung des Gleichheitssatzes also um eine ehrwürdige Formel, die, ähnlich etwa der Bestimmung des § 242 BGB, allein durch Auslegung des Wortlautes keine auch nur annähernd hinreichende Kenntnis der gemeinten Rechtsregel zu vermitteln vermag 3 . Das Kennwort der Bestimmung, das ihr den Namen gegeben hat, ist das Wort „gleich". Von i h m allein läßt sich mit hinreichender Sicherheit sagen, daß es auch zugleich Bestandteil der Rechtsregel ist, durch die der Verfassungsgesetzgeber geltendes Recht anordnen wollte. Es w i r d daher wie folgt vorgegangen: Zuerst w i r d festgestellt, was i m natürlichen (nicht juristischen) Sprachgebrauch mit dem Ausdruck „gleich" gemeint wird. Daran schließt sich die Untersuchung an, ob es eine von dem natürlichen Sprachgebrauch abweichende, aber mit i h m i n angebbarem Zusammenhang stehende Bedeutung des Ausdruckes „verfassungsrechtlich gleich" gibt. Verfassungsrechtliche
Gleichheit
soll dabei diejenige
Gleichheit bedeuten, die durch A r t . 3 Abs. 1 GG angeordnet wird. A n die gesuchten Begriffsbestimmungen der Ausdrücke „gleich" (bzw. „Gleichheit") und „verfassungsrechtlich gleich" (bzw. „verfassungsrecht*a Vgl. dazu die Texte der für die deutsche Entwicklung maßgeblichen V e r fassungen: Constitution de la Belgique, 1831 Févr. 7, A r t . 6: "Les Belges sont égaux devant la loi." Verfassungsurkunde f ü r den preußischen Staat v o m 5. Dez. 1848, A r t . 4: „ A l l e Preußen sind vor dem Gesetz gleich." Verfassung des Deutschen Reiches v o m 28. März 1849, § 137, Abs. 3: „Die Deutschen sind vor dem Gesetz gleich." Die Verfassung des Deutschen Reiches v o m 11. August 1919, A r t . 109, Abs. 1: „ A l l e Deutschen sind vor dem Gesetz gleich." Abweichende Formulierungen finden sich in: Déclaration des droits de l'homme et du citoyen von 1789, A r t . 1 u n d 6; Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern v o m 26. M a i 1818, Einleitung; Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden v o m 22. August 1818, § 7; Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg v o m 25. September 1819, § 21; Verfassungsurkunde f ü r das K u r f ü r s t e n t u m Kurhessen v o m 5. Januar 1831, § 26; Verfassung f ü r das Königreich Sachsen v o m 4. September 1831, § 26. Weitere Nachweise bei G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 15. M i t diesen andeutenden historischen Hinweisen ist die Einführung historischen Gehalts i n die Untersuchung nicht erschöpft. Sie w i r d hauptsächlich i m Zusammenhang m i t der Erläuterung des Ausdrucks „Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes" erfolgen. 2 Eingehend K . Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 9 ff. Vgl. auch H. Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als W i l l k ü r verbot oder als Gebot der Chancengleichheit, S. 100 ff.
§ 3 Der allgemeine (nicht spezifisch juristische) Ausdruck „gleich"
29
liehe Gleichheit") w i r d die Forderung gestellt, daß sie, u m einen Ausdruck von Tarski zu gebrauchen, „inhaltlich adäquat und formal korrekt" sein müssen 4 . Dabei bedeutet „inhaltlich adäquat", daß die Definitionen i n Übereinstimmung m i t dem natürlichen Sprachgebrauch bzw. m i t dem von der Bestimmung, die den betreffenden Ausdruck enthält, Gemeinten stehen müssen 5 . Da sich das Vorliegen der Übereinstimmung nicht ableiten läßt, w i r d die Übereinstimmung durch die Formulierung von Konventionen eingeführt. Die Richtigkeit der Konventionen wird, falls erforderlich, m i t den üblichen juristischen Methoden diskutiert und begründet. „Formal korrekt" bedeutet, daß die Formulierung den Regeln der Logik entsprechen muß e .
§ 3 D e r allgemeine (nicht spezifisch juristische) Ausdruck „gleich"
Der Ausdruck „gleich" w i r d als Prädikat verwendet. Ehe er definiert werden kann, muß der Bereich der Objekte abgegrenzt werden, denen die durch das Prädikat bezeichnete Eigenschaft zukommen oder nicht zukommen kann. Es muß also die Klasse bestimmt werden, über der die Definition erfolgen kann. Diese Klasse werde auch der „Individuenbereich" des Prädikats genannt. 3.1 Individuenbereich eines Prädikats heißt die Klasse der Individuen, denen das Prädikat sinnvollerweise zu- oder abgesprochen werden kann. Erläuterung Diese semantisch nicht ganz korrekte Definition muß für den vorliegenden Zweck ausreichen 1 . F ü r Prädikate über Gegenständen des räumlich-zeitlichen Bereichs legt der umgangssprachliche Wortgebrauch den Individuenbereich oft „ v o n selbst" fest. So ist ζ. B. der Individuenbereich des Ausdrucks „Rot" die Klasse aller sehbaren Dinge. Das heißt, daß der Satz „Pflaumen sind rot" zwar falsch, aber sinnvoll ist, während der Satz „ A t o m e sind r o t " sinnlos ist. F ü r normative Ausdrücke liegt der Individuenbereich nicht „ v o n selbst" fest. Er muß vielmehr normativ festgelegt werden. Z u m Beispiel liegt es nicht rechtstheoretisch fest, welchem Individuenbereich Eigentumsfähigkeit zuge3
Ebenso W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 41; F. W. Fuss, Gleichheitssatz u n d Richtermacht, S. 329; M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 111. 4 W. Stegmüller, Das Wahrheitsproblem, S. 16 ff. 5 Z u r Adäquanz von Explikationen vgl. W. Leinfellner, Einführung i n die Erkenntnis- u n d Wissenschaftstheorie, S. 86 ff. β Dabei ist i n der vorliegenden Untersuchung nicht die mögliche, sondern n u r eine hinreichende Korrektheit angestrebt. 1 Vgl. dazu die eingehende Analyse bei S. Halldén, The Logic of Nonsense, Uppsala 1949, S. 10 ff.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
sprochen w i r d . Die meisten positiven Rechtsordnungen schließen aus der Klasse der hinreichend großen räumlich-zeitlichen I n d i v i d u e n einige aus, ζ. B. menschliche Körper u n d bestimmtes radioaktives spaltbares Material. A n d e rerseits wäre es nicht ausgeschlossen, bestimmte beherrschbare (Natur-) Prozesse als eigentumsfähig zu erklären, zumal der Unterschied zwischen V o r gang u n d Ding rein sprachlicher N a t u r ist.
Der allgemeine Sprachgebrauch läßt alle räumlich-zeitlichen Gegenstände als mögliche Träger der Eigenschaft gleich zu: Menschen können gleich alt, Berge gleich hoch, Kraftwagen gleich schnell und Fässer gleichen Inhalts sein. Der gewöhnliche Sprachgebrauch belegt aber auch Eigenschaften mit der (dann logisch zu unterscheidenden) Eigenschaft gleich. Daher w i r d das Prädikat „gleich" als Prädikat höherer Stufe auch Prädikaten niederer Stufe zukommen können. Was ist nun die Bedeutung des Ausdrucks „gleich"? Zur Beantwortung der Frage werde vom Gegenstandsbereich der räumlich-zeitlichen Gegenstände ausgegangen. Zwei Körper beispielsweise sind nach dem Sprachgebrauch hinsichtlich des Gewichts gleich, wenn beiden dieselbe Gewichtseigenschaft zukommt. Bezeichne „a" einen bestimmten Stein, „b" ein bestimmtes Stück Holz und „ P " ein Gewicht von 5 kg, so sind a und b hinsichtlich des Gewichts gleich, wenn ihnen beiden Ρ zukommt. Sie sind also gleich, wenn der folgende Satz wahr ist: 3.2 α ist Ρ und b ist P. Für Satz 3.2 ist auch die Ausdrucksweise üblich „a und b sind P - I n d i v i duen". Da das Prädikat „gleich" zwei Individuen i n einer bestimmten Hinsicht i n Beziehung setzt, sie „vergleicht", ist es ein dreistelliges Prädikat oder eine dreistellige Relation 2 , dreistellig deswegen, weil die Beziehung zwischen zwei Individuen und einer Eigenschaft besteht. Dies läßt sich auch so ausdrücken: 3.3 Immer dann, wenn a und b P-Individuen sind, sind sie hinsichtlich Ρ gleich 3 . Zwei Individuen stehen aber nicht nur i n der Beziehung einer Gleichheit, wenn ihnen beiden eine einstellige Eigenschaft zukommt, sondern auch, wenn sie beide in derselben Beziehung stehen. Bezeichnen „ a " und „ b " zwei verschiedene Männer, „c" und „d" zwei verschiedene Frauen und „Eh" die Eigenschaft, der Ehepartner von . . . zu sein, dann haben α und b denselben Familienstand, wenn beide jeweils der Ehe2 A u f die Zugehörigkeit der Gleichheit zur Klasse der Relationen hat i m rechtswissenschaftlichen Bereich besonders hingewiesen H. Nef , Gleichheit u n d Gerechtigkeit, S. 14. I h m folgend W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 67. 3 Z u m folgenden vgl. unten § 37.
§ 3 Der allgemeine (nicht spezifisch juristische) Ausdruck „gleich"
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partner von c und d sind. Insofern nennt man a und b (aber auch c und d gleich. Es gilt dann der Satz: 3.4 Immer dann, wenn α der Ehepartner von c und b der Ehepartner von d ist, sind α und b hinsichtlich der Ehepartnerschaft gleich. Generell gilt der Satz: 3.5 Immer dann, wenn α zu c und b zu d i n einer Beziehung R stehen, sind α und b hinsichtlich R gleich. Entsprechende Formulierungen, die hier nicht angeschrieben werden sollen, lassen sich auch für die Gleichheit von Eigenschaften aufstellen. Demnach sind also nach dem üblichen Sprachgebrauch Gegenstände der Bereiche der räumlich-zeitlichen Individuen und der Eigenschaften dann gleich, wenn ihnen (wenigstens) eine Eigenschaft gemeinsam zukommt. Es werde daher formuliert die 3.6 Konvention
A
Ein dreistelliges Prädikat ist genau dann ein adäquates Prädikat und seine Definition eine adäquate Definition für die Eigenschaft gleich, wenn aus der gegebenen Definition gefolgert werden kann, daß allen Individuen des räumlich-zeitlichen Bereichs und allen Eigenschaften, denen das Prädikat „gleich" zukommt, (wenigstens) eine beliebige identische Eigenschaft zukommt 4 . Entsprechend der Konvention werde die Definition aufgestellt: 3.7 Gleichheit ist eine Eigenschaft, die einer gegebenen Eigenschaft und zwei Individuen genau dann zukommt, wenn den beiden Individuen die gegebene Eigenschaft zukommt 5 . Exkurs: Gleichheit und Ähnlichkeite
Durch die Formulierung der Konvention A w i r d behauptet, daß der Ausdruck „gleich" umgangssprachlich (auch) i n der durch diese Konvention beschriebenen Bedeutung verwendet wird. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß auch der Ausdruck „ähnlich" die durch die Konvention A beschriebene Bedeutung hat. Dementsprechend spielt auch der Ausdruck „ähnlich" i n den juristischen Erörterungen zum verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz eine Rolle 7 . 4
Die korrekte Formulierung siehe unten Satz 37.1. Die korrekte Formulierung siehe unten Satz 37.2. Zur Gleichheit von Eigenschaften siehe Definition 37.4. β Vgl. dazu Exkurs zu § 38. 7 Vgl. H. U. Scupin, Deutscher Bundesstaat und Gleichheitssatz, S. 583 f. ; Th. Heller, L o g i k u n d Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 3 ff.; R. Zippelius, Wertungsprobleme i m System der Grundrechte, S. 33. 5
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Aristoteles u n d i m Anschluß an i h n die Scholastik haben Gleichheit u n d Ähnlichkeit zweier Dinge danach unterschieden, ob die Ubereinstimmung i m Quantitativen oder i m Qualitativen besteht. Quantitative Übereinstimmung nannten sie Gleichheit, qualitative Ähnlichkeit 8 . Da die Gegenstände quantitativer und qualitativer Beschreibung nicht an sich unterschieden sind, der Unterschied vielmehr sprachlicher N a t u r ist, ist es unzweckmäßig, den scholastischen Unterschied zwischen Gleichheit u n d Ähnlichkeit zu übernehmen 9 .
Der Versuch, den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz dahingehend zu interpretieren, daß hinreichend ähnliche Personen gleich (identisch) behandelt werden sollen, führt jedoch aus folgenden Gründen zu keinem Ergebnis. Ist ein Prädikat Η hinreichend genau beschrieben, so ist die Frage, ob zwei Individuen bezüglich Η gleich sind oder nicht, eine prinzipiell entscheidbare Frage, die nur jnit ja oder nein zu beantworten ist. Es gilt also nur die Alternative „gleich oder ungleich"; es gibt kein mehr oder weniger gleich. Hingegen w i r d nach dem Sprachgebrauch der U m gangssprache der Ausdruck „ähnlich" derart verwendet, daß die Relation „ähnlicher als" aussagbar ist. Seien drei Individuen durch je drei Eigenschaften definiert, so entspricht es dem Sprachgebrauch, zu sagen, zwei Individuen, die i n zwei Eigenschaften übereinstimmen, seien ähnlicher als zwei Individuen, die nur i n einer Eigenschaft übereinstimmen. Damit w i r d die Ähnlichkeit zu einer Funktion der Gesamtheit der Eigenschaften, die i m Einzelfall berücksichtigt werden soll. Bezeichne η die Anzahl der Gesamtheit dieser Eigenschaften, m die Anzahl der übereinstimmenden m
Eigenschaften, so kann die Ähnlichkeit als Quotient — definiert werden 10 . I n dem Grenzfall m = η liegt dann Identität 1 1 und i n dem Grenzfall m = ο liegt Inkomensurabilität vor. Aus zwei Gründen ist die Klasse der Gesamtheit der Eigenschaften eines Gegenstandes aber keine entscheidungsfähige Größe. Bei empirischen, d. h. vorgefundenen, nicht logisch konstruierten Gegenständen ist die Anzahl der Eigenschaften eines solchen Gegenstandes (wozu ja auch alle Beziehungen gehören, deren Glied er ist) praktisch unendlich 12 . Das heißt, sind η Eigenschaften bereits aufgezählt, so läßt sich immer eine weitere Eigenschaft η + 1 angeben 13 . 8
Vgl. dazu Aristoteles, Categoriae, 6. c. (6 a); ders., Metaphysica, I V , 15 (1021 a 10 ff.); Thomas von Aquin, De Potentia, qu.7 art. 9 ad 4; J. P. Beckmann, Die Relationen der Identität u n d Gleichheit nach J. Duns Scotus, Bonn 1967, S. 160. Vgl. auch W. Windelband, Über Gleichheit u n d Identität, S. 4 ff. 9 Z u m Unterschied zwischen quantitativer u n d qualitativer Beschreibung vgl. R. Carnap, Physikalische Begriffsbildung, S. 59 ff.; W. Leinfellner, Einführung i n die Erkenntnis- u n d Wissenschaftstheorie, S. 127 ff. 10 Vgl. dazu A. Menne, Identität, Gleichheit, Ähnlichkeit, S. 52. 11 Vgl. dazu unten Satz 36.1.1. 12 Vgl. dazu R. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, § 70 ff.; W. Leinfellner, a.a.O., S. 61 ff. 13 Z u diesem Begriff „Unendlichkeit" vgl. P. Lorenzen, Methodisches Denken, S. 96 ff. A u f die erkenntnistheoretische Seite dieser Problematik k a n n hier nicht eingegangen werden. Sie ließe sich i n folgendem Satz formulieren:
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
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Es ist daher prinzipiell durch eine endliche, d. h. i n einem endlichen konjunktiven Satz ausdrückbare Inventarisierung nicht möglich, alle Eigenschaften einschließlich aller Beziehungen anzugeben. Soll daher die Ähnlichkeit zweier Gegenstände angegeben werden und einen Wert 00 > ρ > 0 annehmen, muß die Zahl η der Gesamtheit der Eigenschaften durch Konvention festgesetzt werden. Für diese Konvention gibt es aber keine intersubjektive Präferenzskala, d. h. das Inventar, das dabei berücksichtigt wird, ist Standpunkt- und interessengebunden 14 . M i t anderen Worten, die berühmt-berüchtigte Frage, welche Eigenschaften wesentlich sind 1 5 , ist intersubjektiv nicht entscheidbar 16 . Aus diesen Gründen werde der Ausdruck „Ähnlichkeit" nicht i n die vorliegende Untersuchung eingeführt. Daß m i t dieser Beschränkung der Terminologie kein juristischer Problemverlust verbunden ist, w i r d sich i m folgenden ergeben. § 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
Gleichheit ist nach der Definition 3.7 eine dreistellige Beziehung zwischen zwei Individuen und einer Eigenschaft, die den beiden Individuen zukommt. Ehe diese Definition auf den rechtlichen Bereich übertragen und zur Definition der verfassungsrechtlichen Gleichheit i m Sinne des A r t . 3 Abs. 1 GG verschärft werden kann, bedarf es noch einiger Vorüberlegungen. Geklärt werden muß vor allem, Individuen welchen Individuenbereichs die Eigenschaft „verfassungsrechtlich gleich" zukommen oder nicht zukommen kann und welche Eigenschaften verfassungsrechtliche Gleichheit oder Ungleichheit bedingen. Die A n t w o r t auf diese Frage w i r d sein, daß verfassungsrechtliche Gleichheit über der Klasse der Personen i n einem noch festzulegenden Sinn definiert werden muß, und daß die verfassungsrechtliche Gleichheit bedingenden Eigenschaften Rechtsverhältnisse einer speziellen A r t sind. Die folgenden Aufzählungen u n d Feststellungen mögen minutiös u n d v i e l leicht sogar überflüssig erscheinen. I m Fortgang der Untersuchung w i r d sich jedoch erweisen, daß zahlreiche kontroverse Fragen des Gleichheitssatzes fruchtbar n u r diskutiert werden können, w e n n die hier angestrebte begriffliche K l a r h e i t erreicht ist. Eine zufriedenstellende Umschreibung des Ausdrucks „Chancengleichheit" beispielsweise ist nicht möglich aufgrund der üblichen ungeklärten umgangssprachlichen Wortverwendungen. (Auch) jedes empirische Endliche ist unendlich interpretierbar. Vgl. dazu Fr. Waismann, Verifizierbarkeit, i n : R. Bubner (Hrsg.), Sprache u n d Analysis, Göttingen 1968, S. 159 ff.; Fr. Jonas, L o g i k der Sozialwissenschaften, i n : Der Staat 7 (1968), S. 335. 14 Vgl. dazu K . R. Popper, Logik der Forschung, S. 376 f.; N. Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 227 f. 15 Vgl. dazu die unten Satz 9.12 folgenden Ausführungen. 16 Vgl. dazu schon W. Windelband, Über Gleichheit u n d Identität, S. 9 ff., bes. S. 12. 3 Podlech
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Als erstes erfolgt die Feststellung des Individuenbereichs (3.1) des erstrebten Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich". Der Ausdruck „gleich" ist nach der Konvention A (3.6) über dem Bereich räumlich-zeitlicher Individuen aussagbar. Der Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich" ist i n seiner Verwendung beschränkter. Da aus der Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG hervorgeht, daß dieser A r t i k e l ein Menschenrecht i m Sinne der Grundrechts-Subjektivität gewährt 1 , gehören zum Individuenbereich des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" die Klasse der bundesrepublikanischer hoheitlicher Gewalt unterworfenen natürlichen Personen 2 und die Klasse möglicherweise natürlichen Personen gleichgestellter ähnlicher Rechtssubjekte (wie ζ. B. die nascitura) 3 . Da der verfassungsrechtliche allgemeine Gleichheitssatz auf juristische Personen anwendbar ist, gehört nach Art. 19 Abs. 3 GG zum Individuenbereich des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" auch die Klasse der inländischen juristischen Personen 4 des Privatrechts 5 und der Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind 6 . Da i m öffentlichen Recht auch nicht- oder teilrechtsfähige Personenmehrheiten Träger von Rechten und Pflichten sein können 7 , gehört zum Individuenbereich des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" auch die Klasse nicht- oder teilrechtsfähiger Personenmehrheiten (von natürlichen oder juristischen Personen) 8 . 1
Vgl. zu dem Ausdruck v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, A r t . 3, Anm. 7, V o r b . B V I . 2 v. Mangoldt-Klein, ebd., A r t . 3 A n m . 7; W. Apelt, Die Gleichheit vor dem Gesetz nach A r t . 3 Abs. 1 GG, S. 355; Η. P. Ipsen, Gleichheit, S. 124, 133 f. 3 Vgl. dazu Maunz-Dürig, Grundgesetz, A r t . 1 Abs. 1, Rdnr. 24, A r t . 19 Abs. 3, Rdnr. 14. Z u beachten ist, daß es sich hier nur u m die Festlegung des I n d i v i duenbereichs eines Prädikatausdrucks handelt und nicht u m die Frage, i n w i e weit etwa natürliche Personen u n d nascitura gleich behandelt werden sollen. Die Einbeziehung letzterer i n den Individuenbereich des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" eröffnet n u r die Möglichkeit, diese Frage i n der zu formulierenden Sprache zu diskutieren. Vgl. dazu auch A. Heldrich, Der D e l i k t schutz des Ungeborenen, JZ 65, S. 597; G. Küchenhoff, Gleichheit und Ungleichheit i m Verfassungsrecht, S. 284. 4 BVerfGE 4, 7 (12); H. P. Ipsen, a.a.O., S. 135 f.; v. Mangoldt-Klein, a.a.O., A n m . 9. 5 Ebenso BVerfGE 21, 362 (369); 23, 353 (372 f.). Unsicher BVerfGE 23, 12 (24), wo jedoch die richtige Lösung des Problems angedeutet ist. Vgl. auch MaunzDürig, a.a.O., A r t . 19 Abs. 3 Rdnr. 8, 9, 29—38. 6 Vgl. dazu BVerfGE 19, 1 (5) m i t Anm. A. Hollerbach, i n : JZ 65, 612; BVerfGE 19, 129 (134) m i t A n m . P. Häberle, i n : DVB1 66, 216 (217); BVerfGE 21, 362 (374); B V e r w G E 25, 364 (368); Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 19 Abs. 3 Rdnr. 39. Z u r kircheninternen Geltung des A r t . 3 Abs. 1 GG vgl. B V e r w G E 28, 345 (349, 353). 7 Vgl. dazu E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 165 f.; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 34 I V . 8 Ebenso BVerfGE 3, 383 (391); 4, 7 (12); 6, 273 (277); 10, 89 (99); 15, 256 (261); 23, 353 (373); vgl. auch B G H Z 42, 210 (216 ff.); zustimmend W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 26; H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 75. A. A. BayVerfGHE 5, 204 (210). Vorsichtiger i n BayVerfGHE 18, 51 (55). Ablehnend auch E. Forsthoff, Z u m Landeswahlgesetz von SchleswigHolstein, S. 373.
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
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Es werde daher folgende Bedingung formuliert: 4.1 1. Bedingung Der Individuenbereich des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" ist die Vereinigungsklasse der Klassen 1. der natürlichen Personen und gleichgestellter Rechtsträger, soweit sie bundesrepublikanischer hoheitlicher Gewalt unterworfen sind, 2. inländischer juristischer Personen des Privatrechts und der Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, 3. der nicht- oder teilrechtsfähigen Personenmehrheiten (aus natürlichen oder juristischen Personen). U m für die folgende Untersuchung einen zweckmäßigen, kurzen Ausdruck für die Individuen des durch Satz 4.1 bezeichneten Individuenbereichs zu haben, werde definitorisch für den Gang dieser Untersuchung festgelegt, daß genau die Individuen dieses Bereichs „Person" genannt werden. Es gelte also die folgende Festlegung: 4.2 Personen heißen alle und nur die Individuen, die Glieder der durch Satz 4.1 beschriebenen Vereinigungsklasse sind. Erläuterung Der Ausdruck „ I n d i v i d u u m " i n der Festlegung 4.2 ist i m logischen Sinn, also als Bezeichnung möglicher Träger von Eigenschaften gemeint.
Es ist zweckmäßig, für den Gang der Untersuchung einen Ausdruck zur Verfügung zu haben, der Menschen bezeichnet, insofern sie i n einem Gewaltverhältnis zum Staate stehen, ohne selbst als Organwalter Zuständigkeiten wahrzunehmen 9 . I m Anschluß an die Terminologie von H. J. Wolff 10 werde daher festgelegt: 4.3 Zivilperson heißt ein Mensch insofern, als er öffentlicher Gewalt unterworfen, d. h. Träger öffentlich-rechtlicher Pflichten ist, ohne selbst Träger öffentlicher Gewalt zu sein 11 . Der Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich" unterscheidet sich von dem Ausdruck „gleich" außer durch den unterschiedlichen (nämlich engeren) Individuenbereich dadurch, daß die Eigenschaft, die die verfassungsrechtliche Gleichheit bedingt eine Beziehung ist, die zwischen den Personen, denen verfassungsrechtlich Gleichheit zukommt, und dem Staat besteht 12 . 9
Vgl. dazu H. J. Wolff , a.a.O., §§ 4 I I c), 32 I V c) ; I I , § 74 V. Jedoch i n Abweichung insofern, als juristische Personen nicht Z i v i l p e r sonen genannt seien. 11 Ebd., I, § 32 I I I c) 2. 12 I n der juristischen L i t e r a t u r w i r d diese Beziehung oft als Hinsicht bezeichnet, i n der Personen verglichen werden. So ζ. B. von K. Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 204 f.; N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 54. 10
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Dies bedarf noch einer Erläuterung. Zur Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes der vorliegenden Arbeit bleibe es dahingestellt, ob A r t . 3 GG den Staat, seine Organe und gleichgestellte Körperschaften und Institutionen auch dann nach A r t . 1 Abs. 3 GG bindet, wenn diese fiskalisch handeln. Wenn daher i m Verlauf der Untersuchung Sätze formuliert werden, die fiskalisches Handeln nicht berücksichtigen, so werde dadurch nicht zum A u s druck gebracht, daß A r t . 3 GG f ü r diese Fälle nicht einschlägig ist. W i r d die Ansicht vertreten, A r t . 3 G G binde den Staat, seine Organe u n d gleichgestellte Körperschaften u n d Institutionen auch bei fiskalischem Handeln 1 3 , so sind nach entsprechender Prüfung alle folgenden Formulierungen zu ergänzen.
Es gelte also für den Bereich der folgenden Untersuchung folgende 4.4 2. Bedingung Fiskalisches Handeln des Staates, seiner Organe und gleichgestellter Körperschaften und Institutionen bleibt aus der Untersuchung nach dem Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ausgeschlossen. Ebenfalls unerörtert bleibe die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 GG eine Drittwirkung zukommt, ob er also als unmittelbar geltendes Recht Normen für das Verhalten von Personen i m Sinne der Begriffsbestimmung 4.2 enthält. Diese Frage hat sich als wichtig insbesondere für das Arbeitsrecht erwiesen 14 . Für den Bereich der folgenden Untersuchung gelte folgende 4.5 3. Bedingung Verhalten von Personen i m Sinne der Begriffsbestimmung 4.2, insbesondere die Frage nach der D r i t t w i r k u n g des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes bleibt aus der Untersuchung nach dem Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ausgeschlossen. Untersucht w i r d also i m folgenden hoheitliches Handeln. Die Frage lautet also, was Gleichheit (oder Ungleichheit) von Personen infolge eines Verhältnisses zum Staat bedeutet. I n der staatsrechtlichen Literatur ist i n diesem Zusammenhang das Problem erörtert worden, ob die Grundrechte den Staat i n seinen Funktionen binden 1 5 oder die Organe, denen 13 Infrage k o m m t ζ. B. der Bereich des Verwaltungsprivatrechts. Vgl. dazu H. J. Wolff , a.a.O., § 23 I I b) 1. Vgl. auch B V e r w G E 5, 325 (327); Β GHZ 29, 76 (80); 33, 230 (233); 36, 91 (96). 14 Vgl. dazu den Überblick bei G. Federlin, A r t . 3 GG und der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Arbeitsrecht, passim; J. Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz u n d D r i t t w i r k u n g , S. 347 ff.; M. Wallerath: Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 23 ff. 15 So R. Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, S. 611 ; K . G. Wernicke , Bonner Kommentar, A r t . 1, Anm. I I 4 b).
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
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die Funktionen als Kompetenzen zugewiesen sind 1 6 » 1 7 . Da diese Frage zur Bestimmung des Gehalts des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht entschieden zu werden braucht, w i r d i m folgenden eine Formulierung gewählt, die die Frage offen läßt. Verfassungsrechtliche Gleichheit komme Personen dadurch zu, daß sie i n einem Rechtsverhältnis zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt stehen. Dabei werde der Ausdruck „öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt" nicht erläutert. Der Ausdruck „Rechtsverhältnis" werde unter Berücksichtigung einer noch zu entwickelnden juristischen Semantik wie folgt definiert: 4.6 Rechtsverhältnis heißt eine Beziehung, die zwischen Personen oder zwischen Personen und Gegenständen genau dann besteht, wenn sie eine notwendige Folge einer Klasse gültiger Rechtsregeln ist. Erläuterung Der Ausdruck „Person" ist i n der Definition 4.6 i m weiten Sinn und nicht i n der engen Terminologie der Definition 4.2 verwendet. Z u den Personen i m Sinne der Definition 4.6 gehören daher auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und insbesondere der Staat.
M i t Hilfe des Ausdrucks „Rechtsverhältnis" werde nun formuliert die 4.7 4. Bedingung Verfassungsrechtliche Gleichheit kommt Personen (4.2) dadurch zu oder nicht zu, daß sie i n Rechtsverhältnissen zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt stehen. Durch die 4. Bedingung w i r d für die philosophische und dogmatische Konstruktion des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes eine wichtige Entscheidung getroffen. Die Bedeutung dieser Entscheidung w i r d i m folgenden schrittweise erörtert 1 8 . Zum Verständnis der Bedingung werde hier nur bereits darauf hingewiesen, daß ihr der Umstand zugrundeliegt, daß verfassungsrechtliche Gleichheit weder logisch noch normativ auf tatsächliche Gleichheit von Menschen zurückführbar ist. Bereits J. J. Rousseau hat die Frage beschäftigt, i n welchem Verhältnis die égalité (ou inégalité) morale ou politique zur égalité (ou inégalité) naturelle ou physique steht 1 9 . Diese Frage ist immer wieder i n der falschen — w e i l u n 16 So v. Mangoldt-Klein, a.a.O., A n m . I I I 2; W. Böckenförde, a.a.O., S. 9. Diese Auffassung w i r d auch durch die Formulierung BVerfGE 15, 46 (61) („Die Rechtsetzungsorgane des Bundes haben das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz . . . v e r l e t z t . . . " ) nahegelegt. Es ist jedoch fraglich, ob das Gericht durch die gewählte Formulierung zu dieser Frage Stellung nehmen wollte. 17 Z u den Begriffen vgl. H. J. Wolff, a.a.O., I I , §§ 72 I I , 741. 18 Vgl. dazu unten bes. §§ 7, 40. 19 J. J. Rousseau, De l'inégalité p a r m i les hommes, S. 39.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
entscheidbaren — Fragestellung diskutiert worden, ob die normative Gleichheit durch tatsächliche Gleichheit bedingt ist. Wie nicht anders zu erwarten war, sind auf diese Frage immer wieder bejahende und verneinende A n t w o r t e n gegeben worden. So hat ζ. B. H. Nef eine bejahende A n t w o r t der A r t gegeben, daß alle Menschen rechtlich gleich sein sollen, w e i l sie insofern alle gleich sind, als jedes I n d i v i d u u m Mensch zur (biologischen) A r t Mensch gehört20. Dieser Schluß ist nicht n u r ein Beispiel des als „naturalistischer Fehlschluß" bekannten unzulässigen Schlusses v o m Sein auf das Sollen, sondern die Seinsaussage stellt darüber hinaus noch eine definitorische Tautologie dar. Daß solche „Schlüsse" Gegner der Gleichheit nicht überzeugen, ist selbstverständlich. Besonders deutlich findet sich die ontologische Bedeutung des A r t . 3 GG bei W. Geiger, wenn er schreibt: „Das allen Menschen Gemeinsame ist i n der Sprache des Grundgesetzes die Würde des Menschen, ist, daß sie alle Person sind, selbstverantwortliche, m i t Gewissen ausgestattete Wesen, der Christ w i r d sagen: Träger einer unsterblichen Seele 21 ." Das rechtfertigt nach Geiger, sie alle gleich zu behandeln 2 2 . Diese „Begründung" für die Gleichbehandlung begründet nichts, w e i l sie zuviel begründet. Wenn aus diesen Prämissen Gebot der Gleichheit folgt und diese Prämissen bei allen Menschen immer gegeben sind, ist niemals Ungleichbehandlung erlaubt. Die Richtigkeit der Prämissen einmal unterstellt, gibt es keine gedanklich überprüfbare Operation, die aus diesen Prämissen ein K r i t e r i u m etwa für die Frage herzuleiten gestattet, ob es gegen den Gleichheitssatz verstößt, daß ein Wiederaufnahmeverfahren m i t dem Ziel der Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit (§51 Abs. 1 StGB), nicht aber m i t dem Ziel der Feststellung der verminderten Zurechnungsfähigkeit ( § 5 1 Abs. 2 StGB) statthaft ist 2 3. Auch innerhalb der Rechtswissenschaft sollte sich die Einsicht durchsetzen, daß ein abgeleiteter Satz höchstens soviel Gehalt besitzt, wie seine Prämissen, meist aber weniger 2 4 . Infolgedessen spielen Prämissen, wie die von W. Geiger beschriebenen, auch bei keiner die Praxis beschäftigenden Gleichheitsprüfungen eine Rolle. Sie können folgenlos aus der Erörterung gestrichen werden 2 5 . Der Stand der Diskussion w i r d beleuchtet, wenn umgekehrt aus der Unschlüssigkeit des ontologischen Arguments ein E i n w a n d gegen die Demokratie gemacht w i r d 2 6 .
Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG i m Gegensatz zu Art. 3 Abs. 3 GG ergibt sich, daß i n Abs. 1 nur auf die differenzierende Behandlung, 20
H. Nef, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 39 ff. W. Geiger, Gleichheitssatz u n d Gesetzgeber, S. 171. Vgl. auch M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 48. 23 Vgl. dazu BVerfGE 5, 22 (23). 24 Vgl. dazu K. R. Popper, L o g i k der Forschung, S. 84. 25 Kritisch zu solchen Argumenten auch C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 226; H. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 25; A. Brecht, Politische Theorie, S. 367; W. Hill, Gleichheit und Artgleichheit, S. 30 f.; P. Noll, Liberté et égalité en tant que problème législatif, S. 229. Ungenau K. A. Bettermann, Rechtsgleichheit u n d Ermessensfreiheit, S. 88. Von dem „naiven" Standpunkt, daß Gleichheit der Rechtsfolge i n der Gleichheit des Sachverhalts begründet sein müsse, gehen auch aus K. Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 176; A. Hamann, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über den Gleichheitssatz S. 4. U n k l a r ist das Problem auch dargestellt bei M. Wallerath, a.a.O., S. 30 ff. 26 Vgl. dazu R. Horneffer, Hans Kelsens Lehre von der Demokratie, E r f u r t 1926, S. 56 f. 21 22
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
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nicht aber auf eine Benachteiligung abgestellt ist 2 7 . Es werde daher formuliert die 4.8 5.
Bedingung
Zur Klasse der Rechtsverhältnisse, deren Folge verfassungsrechtliche Gleichheit oder Ungleichheit sein kann, gehören nicht nur die Rechtsverhältnisse, deren Folge eine Benachteiligung ist. Diese Bedingung gilt nach dem Wortlaut des A r t . 3 GG n u r für den allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Dieser Wortlaut ergibt jedoch f ü r die durch A r t . 3 Abs. 3 GG geregelten Bereiche ein Problem, das bisher noch nicht beachtet wurde und das hier nicht behandelt, sondern n u r formuliert werden soll 2 8 . Da „Benachteiligung" eine asymmetrische Beziehung bezeichnet, deren Konverse 2 9 „Bevorzugung" genannt w i r d 3 0 , stellt sich die Frage, ob eine Bevorzugung einer der i n A r t . 3 Abs. 3 GG gekennzeichneten Klassen wegen Benachteiligung der Restklasse aller Zivilpersonen immer unzulässig ist oder n u r dann, wenn die durch die Bevorzugung einer Klasse benachteiligte Klasse (infolge einer besonderen Ausgestaltung der Rechtslage) nicht die Restklasse aller Zivilpersonen, sondern nur eine Teilklasse dieser Restklasse ist.
Rechtsverhältnisse zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen können sich aus Rechtsregeln ergeben, die positivrechtlich i n Gesetzes-, Verordnungs- cder i n anderen Bestimmungen, aber auch i n Verwaltungsakten oder Gerichtsentscheidungen enthalten sind. Begrifflich gehört zur Ausübung öffentlicher hoheitlicher Gewalt auch der Erlaß von Gesetzen i m formellen staatsrechtlichen Sinn. Es war bekanntlich lange kontrovers, ob der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz prätendiert, auch für den Gesetzgeber zu gelten. Diese Frage gehört nur insofern zum Thema der vorliegenden Untersuchung, als von ihrer Beantwortung abhängt, welchen Regelungsumfang die Norm besitzt, die von diesem Gleichheitssatz ausgedrückt wird. Es soll also nur das „geltende" Recht untersucht werden. Aus Art. 1 Abs. 3 GG i n Verbindung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts? 1 folgt, daß auch das Verhalten gesetzgebender Organe des Staates durch die Norm, die der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz ausdrückt, geregelt ist. Dieser Satz 27
Vgl. BVerfGE 18, 38 (40). Α. A. Hild. Krüger, Der Gleichheitsgrundsatz als Rechtsgrundlage öffentlichrechtlicher Gruppenrechte, S. 180; H. J. Mertem, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g aufgrund des Gleichheitssatzes, S. 95 ff. 28 Z u m Verhältnis von Abs. 1 u n d 3 des A r t . 3 GG vgl. unten § 12. Z u m V e r hältnis von proportionaler u n d schematischer Gleichheit, w o r i n gelegentlich der Unterschied der durch Abs. 1 und der durch Abs. 3 angeordneten Gleichheit gesehen w i r d , vgl. unten Exkurs zu § 8. 29 Vgl. dazu unten Definition 36.9.1. 30 Vgl. dazu H. J. Mertens, a.a.O., S. 36. 31 z.B. BVerfGE 1, 14 (52 f.), 117 (141); 3, 58 (135); 4, 7 (18); st.Rspr. BayVerf G H E 2, 45 (47); 72 (78); 127 (139).
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
gilt (wenigstens) für die verfassungsgeschichtliche Gegenwart. Es werde daher formuliert die 4.9 6. Bedingung I n dem Zeitraum der verfassungsgeschichtlichen Gegenwart gehören zur Klasse der Beziehungen zwischen Personen und der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt, über der der Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich" definiert wird, alle Beziehungen, die zwischen Personen und öffentlich hoheitlich handelnder Gewalt bestehen können. Diese These w i r d insoweit, als sie Beschreibung der Verfassungswirklichkeit ist, nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes i n ihrer Richtigkeit von niemandem bestritten 3 2 . Die normative Legitimierung der These ist jedoch nicht ohne Widerspruch geblieben 33 . Die Auseinandersetzung m i t dieser K r i t i k gehört nicht zum Thema der vorliegenden Untersuchung. Nur zur Klärung der Methodik dieser Auseinandersetzung erfolgt eine Einordnung in den Aufbau der Untersuchung. Die Frage, ob der Gleichheitssatz den Gesetzgeber bindet, d. h. ob er für ihn gilt, ist i n dieser Fassung unentscheidbar. Die Frage, ob der Gleichheitssatz für den Gesetzgeber gilt i m Sinne des Satzes 1.2 ist durch Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG leicht positiv zu beantworten. Schwieriger ist hingegen die Frage zu beantworten, welchen normativen Sinn diese Bindung hat. Die Beantwortung dieser Frage setzt die Feststellung sowohl des Gehalts wie der Funktionen des Gleichheitssatzes voraus. Unzutreffend ist daher die Auffassung von Franz Klein, jede Auslegung des A r t . 1 Abs. 3 GG sei verfassungswidrig u n d unzulässig, w e n n sie dazu führe, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr n u r A n wendung von Normen sei, sondern zu einer allgemeinen Sachgerechtigkeitsoder Vernünftigkeitsprüfung der Maßnahmen anderer Gewaltträger werde 3 4 . Eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes sei Aufgabe des V e r fassungs- u n d Gesetzgebers, nicht aber die des Bundesverfassungsgerichts 35. Soll m i t der zuletzt angeführten Ansicht gemeint sein, es sei die Aufgabe nur 32 Eine interessante Variante zur Begründung dieser soziologischen Geltung bringt J. v. Münch, Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bei der Gewährung von Subventionen, S. 281, wenn er ausführt, unabhängig von der Frage, ob das Bundesverfassungsgericht zu Recht eine B i n d u n g angenommen habe, habe sich der Gesetzgeber durch diese Rechtsprechung verpflichtet gesehen. 33 Kritisch aber ablehnend ζ. B. R. Thoma, Ungleichheit u n d Gleichheit i m Bonner Grundgesetz; Η . P. Ipsen, a.a.O., S. 146 ff., 155 f.; Κ . A. Bettermann, a.a.O., S. 87 ff.; W. Zeidler, Die A k t u a l i t ä t des Gleichheitssatzes nach dem B o n ner Grundgesetz, S. 6; W. Böckenförde, a.a.O., S. 88; N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 167; Franz Klein, Z u m Begriff u n d zur Grenze der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 475 f. 34 Franz Klein, a.a.O., S. 475. 35 Ebd., S. 476.
§ 4 Strukturelemente des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
41
des Verfassungs- u n d Gesetzgebers, so setzt die Prüfung der Richtigkeit dieser These die Kenntnis der Funktionen des Gleichheitssatzes voraus. Die ganze skizzierte Auffassung von der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts geht aus von einer falschen Ansicht über die logische S t r u k t u r der Grundrechtsbestimmungen. Dies w i r d deutlich, w e n n Franz Klein ausführt, daß A r t . 3 Abs. 1 GG n u r dann als Maßstab f ü r die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes geeignet sei, w e n n es gelänge, dieser Bestimmung einen I n h a l t zu geben, der es i m Wege der Subsumtion ermöglicht, die Ubereinstimmung oder Nichtübereinstimmung m i t diesem I n h a l t zu begründen 3 6 . Er verkennt dabei, daß keine der wichtigen Grundrechtsbestimmungen (Art. 2, 3,4, 5,6,12,14 GG) einen I n h a l t hat, der sie geeignet macht, als Obersatz einer Subsumtion zu dienen. Dieser Sachverhalt w i r d verdeckt durch den unkorrekten Gebrauch des A u f drucks „Wertung", da nach heutiger rechtsmethodischer Auffassung fast allen rechtlichen Subsumtionen Wertungen vorausgehen müssen 3 7 . N u n beruht die Notwendigkeit, bei der A n w e n d u n g fast aller rechtlicher Bestimmungen zu werten, oft einfach darauf, daß i n den natürlichen Sprache einschließlich der juristischen Fachsprache fast n u r vage Ausdrücke verwendet werden, d. h. Ausdrücke, die i n Grenzbereichen keine eindeutige Entscheidung darüber gestatten, ob ein gegebener Gegenstand (im logischen Sinne) zu der durch den Ausdruck gekennzeichneten Klasse gehört 3 8 . So enthält ζ. B. der Satz „Haushalts36
Ebd. Z u m Wertungsproblem vgl. J. Esser, Grundsatz und N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl., Tübingen 1964, S. 3; ders., Zur Methodenlehre des Zivilrechts, i n : Studium Generale 12 (1959), S. 105; ders., Wertung, K o n s t r u k t i o n u n d Argument i m Z i v i l u r t e i l , Karlsruhe 1965, S. 5; K . Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 85 ff.; K . Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 222 ff. ; R. Zippelius, Wertungsprobleme i m System der Grundrechte, S. 11; U. Diederichsen, Topisches u n d systematisches Denken i n der Jurisprudenz, N J W 66, S. 698. Wertungen werden i n der j u r i s t i schen Alltagssprache folgende Vorgänge genannt: 1. Die Subsumtion unter Rechtssätze, die vage Ausdrücke enthalten (siehe dazu oben den Text). Vgl. dazu Th. Heller, Logik u n d Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 67 f.; G. Felix, Z u r Würdigung von Sachverhalten i m Steuerrecht, S. 555 ff. Dieser Vorgang w i r d weitgehend v o m Sprachgebrauch gesteuert. 2. Die Anwendung von wertenden Ausdrücken wie „zumutbar", „geboten", „sittenwidrig", „ b i l l i g " . Dieser Vorgang verdient insofern „ W e r t u n g " genannt zu werden, als es sich u m ein emotional gesteuertes Vorziehen oder Nachsetzen gegebener Sachverhalte handelt. Vgl. dazu K . J. Arrow, Social Choice and I n d i v i d u a l Values, S. 18; Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 300. 3. Die Einführung ungeschriebener Normen i n einen Begründungszusammenhang zur Entscheidung eines gegebenen Sachverhalts. Vgl. dazu die eingehende Darstellung von J. Esser, Wertung, K o n s t r u k t i o n u n d Argument i m Zivilurteil, S. 6 ff. M a n könnte diese drei Fallgruppen zur Unterscheidung folgendermaßen benennen: 1. Konkretion, 2. Bewertung (im engen Sinn), 3. Konstruktion. Dieser letzte Ausdruck stammt von J. Esser, a.a.O., S. 14 ff. Das Verhältnis von Bewertung (im engen Sinn) u n d K o n s t r u k t i o n bedürfte noch einiger theoretischer K l ä r u n gen. Vgl. dazu J. Esser, a.a.O., S. 18 f. Nichts zu t u n haben diese drei A r t e n von Bewertung m i t der semantischen Operation gleichen Namens. Vgl. zu letzterer R. Carnap , a.a.O., S. 15 ff., 42, 95. Z u dem gesamten Fragenbereich vgl. jetzt A. Podlech, Wertungen u n d Werte i m Recht, passim. 37
38 Dieses Problem ist als Paradoxon von den Griechen entdeckt worden : wieviele Haare darf Sokrates haben, u m glatzköpfig zu sein, wieviele Erbsen gehören zu einem Haufen? Die L o g i k hat eine Theorie der Vagheit entwickelt, die es gestattet, über vage Ausdrücke korrekt zu sprechen. Vgl. dazu A. Podlech, a.a.O., S. 187 ff.
42
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen
Gleichheitssatzes
gegenstände, die an Stelle von nicht mehr vorhandenen oder wertlos gewordenen Gegenständen angeschafft werden, werden Eigentum . . ( § 1370 BGB) i n seinem ersten T e i l außer logischen Konstanten ausschließlich vage Ausdrücke. Dennoch hindert das nicht die Fähigkeit des Satzes, Obersatz einer Subsumtion zu sein 3 9 . Die Problematik der logischen S t r u k t u r der Grundrechtsbestimmungen ist grundsätzlich anderer A r t , worauf unten jedoch n u r bezüglich des Gleichheitssatzes eingegangen werden kann. Da trotz der prinzipiellen Subsumtionsunfähigkeit A r t . 1 Abs. 3 GG auch die Gesetzgebung an die G r u n d rechte gebunden hat u n d durch A r t . 93 Abs. 2 GG eine Prüfungskompetenz darüber, ob die Bindung eingehalten ist, dem Bundesverfassungsgericht eingeräumt ist, k a n n diese Kompetenz nicht deswegen entfallen — w i e Franz K l e i n 40 fälschlicherweise a n n i m m t — w e i l bei dieser Prüfung nicht n u r subsumiert, sondern Entscheidungen über Rechtssätze getroffen werden müssen 4 1 .
Zum Schluß bedarf die Definition 3.7 noch einer Korrektur, wenn der definierte Ausdruck „gleich" Verwendung i m normativen Bereich finden soll. Nach der Konvention A und der gegebenen Definition der Gleichheit ist es nicht zulässig, auch dann von Gleichheit zu sprechen, wenn zwei Individuen eine gegebene Eigenschaft nicht zukommt. Es entspricht ζ. B. nicht dem Sprachgebrauch, i m Hinblick auf die Farbe „schwarz" zu sagen, Kirschen und Pflaumen seien deswegen gleich, w e i l sie beide nicht schwarz seien. N i m m t man einen anderen Sprachgebrauch an, so ist man genötigt, inkommensurable Dinge als m a x i m a l gleich zu bezeichnen, da sie i n allen angebbaren Eigenschaften nicht übereinstimmen 4 2 . Eine weitere Problematik der juristischen — wie jeder umgangssprachlichen Logik — liegt darin, daß viele durch Ausdrücke gekennzeichneten Klassen einen prinzipiell offenen Umfang haben. Das heißt, daß durch Konventionen, die zeitlicher Veränderung unterliegen, der Umfang des Ausdrucks durch Z u fügung von Teilklassen erweitert, aber auch durch Abspaltung von Teilklassen verengt werden kann. Vgl. dazu L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, I. Teil, § 67 (S. 325). E i n schönes Beispiel für die juristische Problematik, die sich aus der Offenheit von Ausdrücken ergibt, bilden die Erörterungen von U. Scheuner, Die Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer und das Verfassungsrecht, Β A B l 1965, S. 670, über die Frage, ob vermögenswirksame Leistungen nach dem 2. V e r m B G L o h n sind oder nicht. Diese beiden Probleme, das der Vagheit und das der offenen Begriffsbildung, können auch als zwei verschiedene Seiten eines Problems angesehen werden. Vgl. dazu L. Wittgenstein, a.a.O., §§ 100 ff. (S. 340 f.). 39 Vgl. dazu die genaueren Ausführungen von K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 86 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 222 ff. 40 Franz Klein, a.a.O., S. 476. 41 Vgl. auch die K r i t i k an Fr. K l e i n von M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 38 f. 42 Vgl. oben § 3, Exkurs. W i r d i m Anschluß an G. W. Leibniz Identität als Gleichheit i n allen möglichen Eigenschaften definiert — vgl. dazu unten Defin i t i o n 36.1.1 —, käme man zu dem logisch widersprüchlichen Ergebnis, daß I n kommensurabilität Identität bedeutet. Der ontologische Grund, w a r u m der normative Bereich die Definition der Gleichheit als Ubereinstimmung i n verneinten Eigenschaften zuläßt, liegt darin, daß er den räumlich-zeitlichen Bereich, i n dem diese Definition unzulässig ist, voraussetzt und sich auf i h n bezieht.
§ 5 Rechtliche Ungleichheit als Bedingung effektiver Rechtsordnungen
43
A n d e r s ist der Sprachgebrauch i m n o r m a t i v e n Bereich. D u r c h eine Steuer w e r d e n z w e i Personen n i c h t n u r d a n n gleichbehandelt, w e n n sie b e i d e n Personen a u f e r l e g t w i r d , s o n d e r n auch dann, w e n n sie v o n b e i d e n n i c h t e r h o b e n w i r d . U n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der 4. B e d i n g u n g 4.8 w e r d e d a h e r f o r m u l i e r t die 4.10
7.
Bedingung
I n n e r h a l b der F e s t l e g u n g des A u s d r u c k s „verfassungsrechtlich g l e i c h " b e d e u t e t G l e i c h h e i t v o n z w e i Personen, daß b e i d e i n e i n e m gegebenen R e c h t s v e r h ä l t n i s z u r ö f f e n t l i c h e n h o h e i t l i c h h a n d e l n d e n G e w a l t stehen oder sie b e i d e n i c h t i n diesem R e c h t s v e r h ä l t n i s zu i h r stehen.
§ 5 Rechtliche Ungleichheit als Bedingung effektiver Rechtsordnungen Es e r h e b t sich n u n die Frage, ob der a l l g e m e i n e verfassungsrechtliche Gleichheitssatz a n o r d n e n w i l l , daß u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der B e d i n g u n g e n 4.1 ff. die ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h h a n d e l n d e G e w a l t a l l e P e r s o n e n g l e i c h i m S i n n e der u n t e r 3.7 gegebenen B e g r i f f s b e s t i m m u n g b e h a n d e l n soll1. E i n Beispiel möge die Frage verdeutlichen. Die zuständige Behörde habe nach §§ 21, 1, 2 des Wehrpflichtgesetzes eine bestimmte, die Voraussetzungen des Wehrpflichtgesetzes erfüllende Person zur Ableistung des Wehrdienstes einberufen. Die Verpflichtung, den Wehrdienst i n diesem Falle abzuleisten, folgt aus einem Rechtsverhältnis, das zwischen der öffentlich hoheitlich handelnden Gewalt u n d der betreffenden Person besteht. Gleich i m Sinne der bisherigen Begriffsbestimmung w ü r d e n Zivilpersonen n u r dann behandelt, wenn dieses Rechtsverhältnis zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und allen Zivilpersonen — einschließlich Kinder, Frauen, Greisen und K r a n k e n — bestünde. 1 Diese, keine Ungleichheit zulassende Interpretation w i r d häufig „mechanisch", „logisch", „formal", „mathematisch", „abstrakt", „egalitär", „schematisch" genannt. Vgl. zu diesem meist abwertend gemeinten Sprachgebrauch S t G H i n RGZ 128, Anh. S. 11; B V e r f G E 17, 280 (284); BVerfG, Beschl. vom 11. 8.1964 m i t A n m . A. Arndt, N J W 65, 147; BayVerfGHE 14, 4 (8); W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 39, 46, 69 (Anm. 4); Fr. Dirlmeier, i n : Aristoteles, Nikomachische Ethik, Kommentar, S. 407 i m Anschluß an Aristoteles (1121 a) u n d Piaton (757 a 4); K . Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 11 f., 150; Knöpf el, Die Gleichberechtigung von M a n n u n d Frau, S. 553; G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 38 ff.; O. Mainzer, Gleichheit vor dem Gesetz, S. 63; P. Meyer, Das Prinzip der Rechtsgleichheit, S. 19; U. Scheuner, Der Gleichheitsgedanke i n der völkischen Verfassungsordnung, S. 246; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 236; H. U. Scupin, Deutscher Bundesstaat u n d Gleichheitssatz, S. 582 f. Kritisch zu diesem Sprachgebrauch A. Arndt, Berechtigungen bloß „formaler" Art?, N J W 63, S. 159.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Es i s t also die F r a g e z u b e a n t w o r t e n , ob sich d i e V e r p f l i c h t u n g z u e i n e r d e r a r t i g e n s t r e n g e n G l e i c h b e h a n d l u n g aus d e m a l l g e m e i n e n verfassungsr e c h t l i c h e n Gleichheitssatz e r g i b t oder ob e i n v o n d e m d u r c h 3.7 d e f i n i e r ten abweichender B e g r i f f „verfassungsrechtlich gleich" entwickelt w e r den muß. Keine Entscheidung dieses Problems bietet der Satz des Aristoteles „Aus gleichen Menschen entsteht kein Staat" 2 , der gelegentlich rechtlich oder p o l i tisch gedeutet w i r d 3 . Er drückt jedoch n u r die Notwendigkeit eines M i n i m u m s sozialer Differenzierungen aus, die nicht unbedingt rechtlich bedingt sein müssen 4 . Z u r E n t s c h e i d u n g der F r a g e w e r d e f o l g e n d e r Satz f o r m u l i e r t u n d b e gründet: 5.1 A r t . 3 A b s . 1 G G g e b i e t e t n i c h t , alle Personen gleich i m S i n n e der D e f i n i t i o n 3.7 z u b e h a n d e l n . Begründung 1. W i r d die Richtigkeit des Satzes 5.1 nicht angenommen, werden A r t . 3 Abs. 2 GG und zahlreiche andere Bestimmungen des Grundgesetzes obsolet. 2. Die Unrichtigkeit des Satzes 5.1 f ü h r t zu unannehmbaren praktischen E r gebnissen, w i e das Beispiel der Wehrpflicht von K i n d e r n zeigt. Nach der allgemeinen Auslegungsregel, daß i m Zweifel die Rechtsordnung nichts U n v e r n ü n f tiges anordnet 5 , muß daher die Richtigkeit des Satzes 5.1 angenommen w e r den 6 . 3. Eine weitere Begründung ergibt sich aus dem folgenden Satz 5.3. Z u r F o r m u l i e r u n g des nächsten Satzes b e d a r f es d e r E i n f ü h r u n g eines Ausdrucks „effektive Rechtsordnung": 5.2 Effektive Rechtsordnung h e i ß t j e d e Rechtsordnung, die R e g e l n d a r ü b e r e n t h ä l t , w i e menschliches V e r h a l t e n z u b e h a n d e l n ist, das n i c h t i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der R e c h t s o r d n u n g steht. 2
Aristoteles , Politica, 22, 2: ού γαρ γίνεται πόλις έξ ομοίων (1261 a). So ζ. Β. von F. W. J. v. Schelling , Einleitung i n die Philosophie der M y t h o logie, 2. Buch, 22. Vorlesung, Nachdruck Darmstadt 1957, S. 530, i n einer klassischen Deduktion der romantischen Staatstheorie. Vgl. dazu H. Krüger, A l l gemeine Staatslehre, S. 205. 4 Vgl. dazu jedoch R. Dahrendorf, Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, S. 22. I m übrigen ist der Satz des Aristoteles logisch unkorrekt. Ungleich müssen nicht sein die Menschen, sondern die sozialen Positionen (im Sinne der Begriffsbestimmung 29.1). Das Gleichheitsprädikat des Aristoteles ist logisch höherstufig u n d nach dem Schema 37.4 zu bestimmen. Z u dem Satz des Aristoteles u n d seiner logischen S t r u k t u r vgl. auch R. Dahrendorf, Homo sociologicus, S. 76, A n m . 2. 5 Vgl. dazu Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, § 56 I I I , A n m . 9; K . Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 327; U. Klug, Juristische Logik, S. 138; Fr. Ossenbühl, Probleme u n d Wege der V e r fassungsauslegung, DÖV 65, S. 660; M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S.169. 6 Ebenso H. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 146, 391. 3
§
e
Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich"
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Der eingeführte Ausdruck gestattet die Formulierung des folgenden Satzes: 5.3 Jede effektive Rechtsordnung, insbesondere jede effektive öffentlich-rechtliche (staats- und verwaltungsrechtliche) Teilrechtsordnung ist eine rechtliche Ungleichheit implizierende Rechtsordnung 7 . Begründung Wie durch den Gleichbehandlungssatz 39.42 festgestellt w i r d , ist allein die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung^ eine keine Ungleichheit implizierende Rechtsordnung. Diese Rechtsordnung ist aber keine effektive Rechtsordnung 9 .
Satz 5.3 ist ein Sonderfall des Satzes, den R. Dahrendorf dahingehend formuliert hat, daß das Recht die notwendige und zugleich hinreichende Bedingung der Ungleichheit in der Gesellschaft ist 1 0 . Als Ergebnis läßt sich die These des Satzes 5.1 auch so formulieren, daß der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht anordnet, alle Personen gleich zu behandeln.
§ 6 D e r Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich"
Geht man davon aus, daß die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG an den allgemeinen (nicht spezifisch juristischen) Ausdruck „gleich" anknüpft, so läßt sich eine m i t Satz 5.1 vereinbare Auslegung nur gewinnen, wenn dahingehend formuliert wird, daß alle Personen gleichbehandelt werden sollen, wenn kein zureichender Grund für ihre Ungleichbehandlung vorliegt. Diese — hier vorläufige — Auslegung entspricht der seit Leibholz herrschend gewordenen Auffassung der Rechtspraxis und der Rechts7 Vgl. dazu J. J. Rousseau, D u contrat social, I I , 6 (S. 259) ; G. Fr. W. Hegel, Encyclopädie, § 539 (S. 436); H. Lemmen, Der Grundsatz der „Gleichheit vor dem Gesetz", S. 116; J. v. Kempski, Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 44ff.; ders. y Bemerkungen zum Begriff der Gerechtigkeit, S. 57 ff.; ders., Technik und menschliches Handeln, S. 78 ff. ; ders., Philosophie und Polit i k , S. 90 ff. ; ders., Über den Liberalismus, S. 175 ; H. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 25; R. Dahrendorf, Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, S. 20 ff.; B. Akzin, Die S t r u k t u r von Staat u n d Recht, S. 264; H.P. Ipsen, Gleichheit, S. 141; M. Kriele, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 91; N. Lühmann, Grundrechte als Institution, S. 165,171. 8 Vgl. dazu J. v. Kempski, Naturrecht u n d Völkerrecht, S. 9 ff. ; ders., Bemerkungen zum Begriff der Gerechtigkeit, S. 50 ff. ; ders., Grundlegung zu einer Strukturtheorie des Rechts, passim. 9 Den entsprechenden Satz der E t h i k , daß die Moralordnung von notwendig möglicher Geltung keine effektive Moralordnung ist, hat begründet I. Kant, K r i t i k der reinen Vernunft, A 810. 10 R. Dahrendorf, a.a.O., S. 22. Kritisch hierzu P. Noll, Liberté et égalité en tant que problème législatif, S. 221 f.
46
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Wissenschaft 1 . D a b e i s o l l v o r l ä u f i g d e r A u s d r u c k „ z u r e i c h e n d e r G r u n d " oder der g l e i c h b e d e u t e n d v e r w e n d e t e A u s d r u c k „ d i e U n g l e i c h h e i t z u lassender oder r e c h t f e r t i g e n d e r G r u n d " noch k e i n e i n h a l t l i c h e U m s c h r e i b u n g bedeuten. E r s o l l v i e l m e h r topisch i m A r g u m e n t a t i o n s g e f ü g e d e n O r t festlegen, a n d e m A u s l e g u n g e n w i e „ W i l l k ü r v e r b o t " , „ v e r n ü n f t i g e r G r u n d " , „gerechter G r u n d " , „sachlicher G r u n d " u n d andere d i s k u t i e r t werden können. U m d e n A u s d r u c k „a w i r d b gegenüber m i t z u r e i c h e n d e m G r u n d u n gleich b e h a n d e l t " i n das h i e r e n t w i c k e l t e B e g r i f f s n e t z e i n f ü h r e n z u k ö n nen, b e d a r f es noch e i n e r f o r m a l e n Präzision. D i e Klasse der g e o r d n e t e n P a a r e a l l e r Personen, die v o n d e r ö f f e n t l i c h e n h o h e i t l i c h h a n d e l n d e n G e w a l t u n g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n , ist t e i l b a r i n d i e Klasse der g e o r d n e t e n Paare a l l e r Personen, d i e v o n d e r ö f f e n t l i c h e n h o h e i t l i c h h a n d e l n 1 H. Triepel, Goldbilanzen u n d Vorzugsaktien, S. 30 (ein zureichender Grund fehlt immer, wenn „sich entweder kein oder doch kein bei vernünftigen u n d gerecht denkenden Menschen verfangender G r u n d anführen läßt"); G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 87 (ein zureichender G r u n d liegt immer vor, wenn die Ungleichheit nicht auf W i l l k ü r beruht) ; E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz i m Sinne des A r t . 109 der Reichsverfassung, S. 10; M. Riimelin, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 15; H. Bindewaldt, Der Gleichheitsgedanke i m Rechtsstaate der Gegenwart, S. 56; H. Lemmen, Der G r u n d satz der „Gleichheit vor dem Gesetz", S. 129 ff.; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, A r t . 3 A n m . I I I 4 b); A. Hamann, Das Grundgesetz, A r t . 3, A n m . C 3; Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 122; W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 74; (ein zureichender Grund liegt immer vor, wenn die Regelung unter dem Gesichtspunkt der Gemeinwohlgerechtigkeit oder der austeilenden Gerechtigkeit ihre Rechtfertigung findet); E. Forsthoff, Die Verfassungswidrigkeit der Zweigstellensteuer, S. 23 f.; Κ . A. Bettermann, Rechtsgleichheit u n d Ermessensfreiheit, S. 92; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 33 V I c; M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 49. Danziger Obergericht, Entscheidung v o m 18.1.1926: ein „nach Ansicht jedes rechtlich u n d vernünftig denkenden Unbeteiligten zureichender Grund" (Danziger J u r i s t i sche Monatsschrift, 1926, S. 39 ff.). BVerfGE 1, 14 (52) (ein zureichender Grund liegt immer vor, w e n n er „ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund" ist); 2, 118 (119 f.); 3, 58 (135), 162 (183), 288 (338); 4, 219 (243 f.) (ein zureichender Grund liegt immer vor, wenn er i n tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse besteht, „deren Berücksichtigung f ü r eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise notwendig oder doch gerechtfertigt erscheint"), 352 (355 f.); 6, 121 (131) („zureichender G r u n d " ) ; 8, 174 (183); 9, 20 (28), 201 (206), 334 (337) („einleuchtender Grund"); 10, 234 (246) („vernünftige Erwägung"); 11, 351 (361) („besonderer rechtfertigender Grund"); 12, 326 (333) („sachlich vertretbarer Grund"), 341 (348); 13, 181 (202f.); 17, 319 (330) („sachlich einleuchtender Grund"); 21, 6 (9); BVerwGE 2, 151 (153) („ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sachlich einleuchtender Grund"); 6, 19 (22) („gute Gründe"), 50 (52), 134 (143), 247 (265); 7, 54 (74); 8, 98 (103), 105 (107), 211 (212); 13, 214 (221); 16, 301 (306); Β GHZ 23, 30 (32) („sachlicher Grund"); 34, 382 (387) („zureichender G r u n d " ) ; 38, 13 (20); BayVerfGHE 1, 29 (31); 8, 38 (44) („sachlich einleuchtender Grund"); 11, 146 (156) („einleuchtender Grund"). Anderer Ansicht J. Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz u n d D r i t t w i r k u n g , S. 341. Vorsichtig W. Rüfner, Über schneidungen und gegenseitige Ergänzungen der Grundrechte, i n : Der Staat, 7 (1968), S. 96.
§
e
Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich"
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den G e w a l t m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt werden, u n d i n d i e Klasse der g e o r d n e t e n Paare a l l e r Personen, die v o n dieser G e w a l t ohne zureichenden G r u n d u n g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n . D a nach der noch z u f o r m u l i e r e n d e n K o n v e n t i o n ß P e r s o n e n auch d a n n z u r Klasse der verfassungsrechtlich g l e i c h b e h a n d e l t e n Personen gehören, w e n n sie z u r K l a s s e d e r Paare d e r m i t z u r e i c h e n d e m G r u n d u n g l e i c h b e h a n d e l t e n P e r sonen gehören, w e r d e t e r m i n o l o g i s c h f o l g e n d e r A u s d r u c k e i n g e f ü h r t : „x w i r d d u r c h e i n gegebenes R e c h t s v e r h ä l t n i s y gegenüber m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt". Es gelte daher d i e folgende W o r t g e b r a u c h s r e g e l u n g , die i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e n Sätzen 3.7 u n d 4.10 s t e h t : 6.1 F ü r d i e V e r w e n d u n g des A u s d r u c k s „x w i r d gegenüber y d u r c h e i n gegebenes R e c h t s v e r h ä l t n i s m i t z u r e i c h e n d e m G r u n d u n g l e i c h b e handelt" gelten folgende Regeln: 1. d i e ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h e G e w a l t b e h a n d e l t das P a a r der P e r sonen χ u n d y u n g l e i c h ; 2. die U n g l e i c h b e h a n d l u n g geschieht dadurch, daß e n t w e d e r n u r χ oder n u r y zur öffentlichen hoheitlich handelnden G e w a l t i n dem gegebenen R e c h t s v e r h ä l t n i s s t e h t ; 3. diese U n g l e i c h b e h a n d l u n g geschieht m i t z u r e i c h e n d e m G r u n d . Semantische
Erläuterung
Bisher sind i n die vorliegende Untersuchung zwei Klassen von Sätzen eingeführt worden, nämlich Aussagesätze, die w a h r oder falsch sein können, u n d Rechtsregeln, die gelten oder nicht gelten können. Ob ein Satz des Schemas „x w i r d y gegenüber durch ein gegebenes Rechtsverhältnis m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt" ein Aussagesatz 2 , eine Rechstregel ist oder zu einer d r i t t e n Klasse von Sätzen gehört, also etwa ein Werturteil ist 3 , kann m i t den bisher i n die Untersuchung eingeführten M i t t e l n nicht entschieden werden. Bis zur Entscheidung dieser Fragen werden i m folgenden Sätze, die durch eine Interpretation des angegebenen Schemas entstehen, m i t „anerkannt" oder „nicht anerkannt" bewertet. Entsprechend werde von einer „anerkannten Interpretation" gesprochen. Anerkannte Interpretation soll also bedeuten: Ist ein dem Schema entsprechender Satz ein Aussagesatz, drückt er also eine Tatsache aus, bedeute es „wahre Interpretation"; ist ein solcher Satz eine Rechtsregel, so bedeute es „geltende Interpretation"; ist ein solcher Satz weder ein Aussagesatz noch ein Rechtssatz, so bedeute es „begründungsfähige I n t e r pretation". Ist er ζ. B. ein Werturteil, so werde dann angenommen, es ließe sich begründen, daß er über einem bestimmten Personen-Zeit-Raum-Gebiet seinem Gegenteil vorgezogen w i r d . 2 Dies n i m m t ohne weitere Begründung an E. W. Fuß, Gleichheitssatz u n d Richtermacht, S. 331. 3 Z u dem logischen Problem der Werturteile vgl. H. Albert, Wertfreiheit als methodisches Prinzip, passim; A. R. Anderson, Logik, Normen und Rollen, passim, u n d die von beiden Autoren zitierte weitere Literatur. Z u m Gegensatz von N o r m u n d Wert i n juristischer Hinsicht vgl. E. Forsthoff, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, S. 153 f.; vgl. dazu auch oben § 3 Anm. 28.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Unter Berücksichtigung der Bedingungen 4.1, 4.4, 4.5, 4.7, 4.8, 4.9, 4.10 und 5.1 werde nun formuliert die 6.2 Konvention
Β
Ein einstelliges 4 Prädikat ist genau dann ein adäquates Prädikat und seine Definition eine adäquate Definition für die Eigenschaft „verfassungsrechtlich gleich", wenn aus der gegebenen Definition gefolgert werden kann, daß keine Person, der dieses Prädikat zukommt, durch ein beliebiges Rechtsverhältnis zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. Entsprechend der Konvention werde die Definition aufgestellt: 6.3 Verfassungsrechtliche Gleichheit ist ein Prädikat, das einer gegebenen Person genau dann zukommt, wenn es keine anderen Personen gibt, denen gegenüber die gegebene Person durch ein beliebiges Rechtsverhältnis zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. Erläuterung Nach der gegebenen Definition liegt verfassungsrechtliche Gleichheit immer vor, w e n n jemand rechtlich gleichbehandelt w i r d 5 . Werden Personen ungleich behandelt, so bedeutet das verfassungsrechtliche Ungleichheit nur, w e n n die Differenzierung ohne zureichenden Grund erfolgt. Was ein zureichender Grund ist, w i r d durch die Feststellung des Ausdrucks „verfassungsrechtliche Gleichheit" noch nicht gesagt.
§ 7 Vorläufige juristische Diskussion des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich"
I n diesem Paragraphen soll kurz diskutiert werden, welche traditionellen juristischen Fragestellungen durch die Definition 6.3 des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" bereits vorentschieden sind. Die Berechtigung der Vorentscheidung muß sich dann i m Fortgang der Untersuchung erweisen. Dabei sei jetzt schon darauf hingewiesen, daß i n den folgenden §§ 8, 9 und Exkurs zu § 9 dargelegt wird, daß die traditionellen Probleme der Gruppenbildung 1 , des Ungleichheitsgebots — willkürliche Gleichbehandlung — und der porportionalen Gleichheit innerhalb der 4 Daß Gleichheit als ein- oder dreistelliges Prädikat definierbar ist, w i r d unten i n § 38 begründet. 5 Daß dies m i t A r t . 3 Abs. 1 GG übereinstimmt u n d die Definition insoweit adäquat ist, w i r d unten durch Satz 8.2 begründet. 1 Dieses Problem w i r d besonders diskutiert i n der Enteignungslehre des B G H bei den sogenannten Gruppenopfern. Vgl. dazu die zur Erläuterung zu Satz 9.11 zitierten Entscheidungen u n d Literatur. Die Rolle des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes f ü r die Enteignung w i r d behandelt unter § 22.
§
k u n
des Ausdrucks „verfassungsrechtlich
g l e i c h " 4 9
vorgeschlagenen Fassung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes diskutierbar und möglicherweise lösbar sind. Durch die Konvention Β und die gegebene Definition 6.3 ist klargestellt, daß die Eigenschaft der verfassungsrechtlichen Gleichheit Personen zukommen oder nicht zukommen kann. Dadurch ist es nach den Regeln der Semantik 2 ausgeschlossen, daß sinnvollerweise auch i m selben Sinn von der „Gleichheit des Gesetzes" gesprochen werden kann 3 . Da ein Gesetz logisch i n Rechtsregeln auflösbar ist und Prädikate, die einer Rechtsregel zukommen können (zur Vermeidung logischer Widersprüche), notwendigerweise einer anderen Sprache (Sprachstufe) angehören müssen, als es die Sprache (Sprachstufe) der Rechtsregeln ist 4 , kann nicht i n derselben Weise von der Gleichheit von Personen und der Gleichheit von Gesetzen gesprochen werden. Soll m i t dem Ausdruck i n beiden Fällen etwas verschiedenes gemeint sein, empfiehlt sich der Gebrauch verschiedener Ausdrücke 5 . Natürlich kann man dann definitorisch von der Gleichheit eines Gesetzes sprechen, wenn die Folge der betreffenden Rechtsregeln für eine gegebene Klasse von Personen Gleichheit ist. Nur muß man sich darüber i m klaren sein, daß eine solche Prädizierung von Gesetzen als gleich keine neuen Erkenntnisse vermittelt. Das läßt sich auch so ausdrücken: 7.1 Die Feststellung dessen, was Gleichheit des Gesetzes ist, setzt die Feststellung dessen voraus, was verfassungsrechtliche Gleichheit i m Sinne der Definition 6.3 ist. Der umgekehrte Satz gilt nicht. Durch die Konvention Β und die gegebene Definition 6.3 ist ferner klargestellt, daß die Eigenschaft verfassungsrechtlich gleich Personen ausschließlich auf Grund eines Rechtsverhältnisses zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt zukommen oder nicht zukommen kann, unabhängig davon, ob sie abgesehen von einem solchen Rechtsverhältnis 2
W. Stegmüller, Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik, S. 38 ff. Dieser Ausdruck hat i n der Diskussion der Weimarer Zeit eine große Rolle gespielt. Vgl. dazu G. Leibholz, a.a.O., S. 200; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 142, 227. Kritisch zur Verwendung dieses Ausdrucks W. Hill, Gleichheit u n d Artgleichheit, S. 115,184 f. 4 Nach den Regeln der Semantik müßte m a n es so ausdrücken: Ist die Sprache, i n der Rechtsregeln formuliert sind, eine gegebene Objektsprache, dann gehören die Prädikate, die jenen Rechtsregeln zukommen können, der Metasprache dieser Objektsprache an. Dieses Problem hängt m i t jenem zusammen, das oben i m Anschluß an die Definition 1.2 kurz angedeutet wurde. 5 M i t dieser logischen K o r r e k t u r ist natürlich nicht bereits die inhaltliche Interpretation getroffen, die C. Schmitt, a.a.O., S. 155, entwickelt hat, daß n ä m lich A r t . 109 Abs. 1 W V das Verbot des Ausnahmegesetzes statuiere. Vgl. ders., Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz u n d Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung, S. 22; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, S. 211. Diese F u n k t i o n des Verbots von Ausnahmegesetzen hat bereits i n den Verhandlungen der Frankfurter Nationalversammlung 1848 der Abg. C. G. Fuchs aus Breslau dem Gleichheitssatz zugeschrieben. Vgl. dazu Wigard, 2. Bd., S. 1037 (42. Sitzung). 3
4 Podlech
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
i n i r g e n d e i n e m S i n n e gleich oder u n g l e i c h s i n d 6 . I n d e r B e n e n n u n g v o n J. J. Rousseau 7 i s t also d i e verfassungsrechtliche G l e i c h h e i t (oder U n gleichheit) eine T e i l k l a s s e d e r é g a l i t é (ou i n é g a l i t é ) m o r a l e o u p o l i t i q u e . D i e verfassungsrechtliche G l e i c h h e i t , die nach A r t . 3 A b s . 1 G G bestehen soll, w i r d nach der gegebenen D e f i n i t i o n n i c h t h e r g e l e i t e t aus e i n e r G l e i c h h e i t , die Personen z u k o m m t , die also ( i n i r g e n d e i n e m Sinne) i s t 8 . D e r verfassungsrechtliche Gleichheitssatz h a t also n i c h t die S t r u k t u r des h y p o t h e t i s c h e n Rechtssatzes 9 : Wenn z w e i Personen i n dieser oder j e n e r H i n s i c h t gleich sind, sollen sie d u r c h dieses oder jenes R e c h t s v e r h ä l t n i s g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n . D i e i m 2. A b s c h n i t t erfolgende U n t e r s u c h u n g d e r Frage, w a s zureichende G r ü n d e der U n g l e i c h b e h a n d l u n g sind, w i r d zeigen, daß d e r Gleichheitssatz auch n i c h t die S t r u k t u r h a t : Weil z w e i Personen gleich sind, sollen sie g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n . Tatsächliche G l e i c h h e i t s p i e l t i n d e r S y n t a x des a l l g e m e i n e n verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes also w e d e r d i e R o l l e eines T a t b e s t a n d s m e r k m a l e s f ü r das G e b o t auf G l e i c h b e h a n d l u n g noch s p i e l t tatsächliche U n g l e i c h h e i t die R o l l e einer B e g r ü n d u n g f ü r d i e E r l a u b n i s der U n g l e i c h b e h a n d l u n g . A l s vorläufiges E r g e b n i s der D e f i n i t i o n 6.3, das sich i m F o r t g a n g der U n t e r suchung noch z u b e w ä h r e n h a t , w e r d e daher der Satz f o r m u l i e r t : 6 So schon deutlich Th. Hobbes, Leviathan, c. 30. Ä h n l i c h H. Lübbe, Zur politischen Theorie der Technokratie, S. 27 f. Verfassungsrechtliche Gleichheit ist also keine Folge der Gleichheit der Gemeinschaft oder der Ungleichheit der Gesellschaft i m Sinne von L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Bd., S. 4 ff. 7 Vgl. dazu unten die Definition 40.3. 8 J. J. Rousseau, De l'inégalité p a r m i les hommes, S. 39. Dazu R. Dahrendorf, Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, S. 7 ff. E i n schönes Beispiel f ü r die fehlende Unterscheidung beider „ A r t e n " von Gleichheit findet sich i n dem Bericht des Verfassungsausschusses zu dem E n t w u r f des Reichswahlgesetzes über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshaus (1849) : „Unter allen politischen Behauptungen u n d Formeln zugleich die planste u n d umfassendste ist die von der allgemeinen Gleichheit der Menschen; leicht gesprochen, u n d ebenso leicht widerlegt oder verspottet, enthält sie doch eine gewaltige K r a f t , welche fort u n d fort arbeitet, u m sich Geltung zu verschaffen, welche dann aber freilich i n der natürlichen Beschaffenheit der Dinge ihre notwendige Grenze findet." (Wigard, 7. Bd., S. 5222.) A u f dieser Ebene ließe sich endlos argumentieren, ohne daß sich Uberzeugungskraft herauskristallisieren würde. K l a r ist der Sachverhalt jedoch gesehen, wenn es wenig später heißt: „Das politische Recht ist mitnichten als ein solches zu betrachten, welches der Person unmittelbar u n d eigentümlich anhaftet." Ebenso der Abg. C. St. Matthies aus Greifswald i n der 172. Sitzung, ebd., S. 5291. 9 Ohne jeden Einblick i n die Problematik ist die Argumentation von E. W. Fuß, Freiheit u n d Gleichheit des Parteiwirkens, S. 395, w e n n er aus der T a t sache, daß nicht alle Parteien gleich sind, u n d der Unmöglichkeit, daß sie der Gesetzgeber gleich macht, darauf schließt, daß ein Gebot der formellen Gleichbehandlung von Parteien nicht bestehen kann. Vgl. dazu unter § 32. Eine ähnliche Argumentation findet sich bei G. Dürig, A r t . 3 I I — vom verfassungsrechtlichen Standpunkt gesehen, S. 3: „ . . . A r t . 3 I, der wesentlich Ungleiches auch durch Abs. I I nicht gleich machen l ä ß t . . . " . Vgl. auch die bis zur U n v e r ständlichkeit unkorrekten Ausführungen von W. Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte i m sozialen Rechtsstaat, S. 38 f.
§
k u n
des Ausdrucks „verfassungsrechtlich
g l e i c h " 5 1
7.2 D i e n o r m a t i v e G l e i c h h e i t v o n Personen i m S i n n e des A r t . 3 A b s . 1 G G ist n i c h t z u r ü c k f ü h r b a r a u f eine tatsächliche G l e i c h h e i t der P e r sonen. D i e Frage, i n w e l c h e r B e z i e h u n g diese verfassungsrechtliche G l e i c h h e i t (oder U n g l e i c h h e i t ) z u r m ö g l i c h e n é g a l i t é (ou i n é g a l i t é ) n a t u r e l l e o u p h y s i q u e s t e h t 1 0 , ist d a n n f o l g e n d e r m a ß e n z u d i s k u t i e r e n : F ü r w e l c h e tatsächlichen M e r k m a l e e i n e r Klasse v o n P e r s o n e n l ä ß t sich b e g r ü n d e n , daß sie eine D i f f e r e n z i e r u n g gegenüber e i n e r a n d e r e n Klasse v o n P e r sonen rechtfertigen? Das ist i n der T e r m i n o l o g i e d e r v o r l i e g e n d e n U n t e r suchung d i e Frage nach dem zureichenden Grund einer Ungleichbehandlung 11. Diese A r t der F r a g e s t e l l u n g ist schon deswegen e r f o r d e r l i c h , w e i l T a t bestandsungleichheiten nicht jede Rechtsfolgenungleichheit rechtfertig e n 1 2 . D e u t l i c h w i r d das a n h a n d e i n e r E n t s c h e i d u n g des Bundesverfassungsgerichts z u m L a s t e n a u s g l e i c h s r e c h t 1 3 . BVerfG, Beschluß vom 21. 5.1968 — 1 B v R 610/60 —. Gekennzeichnete Klasse: Inhaber gemeinnützig betriebener stalten. Erste Teilklasse: Körperschaften des öffentlichen Rechts. Zweite Teilklasse: Private Inhaber von Krankenanstalten.
Krankenan-
1. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Glieder der ersten Teilklasse von der Vermögensabgabe (§§ 3 Nr. 1,16 — 90 L A G ) schlechth i n befreit sind (§18 Abs. 1 Nr. 1 L A G ) , während Gliedern der zweiten T e i l klasse die vierteljährlichen Raten der Vermögensabgabe auf A n t r a g gestundet werden u n d die Abgabe am Ende der Laufzeit der Abgabe n u r dann erlassen w i r d , w e n n die Gemeinnützigkeit während der ganzen Laufzeit bestanden hat (§ 57 LAG). (BVerfGE 23, 327 [337]). Begründung Gliedern der ersten Teilklasse ist die dauernde gemeinnützige W i d m u n g des Anstaltsvermögens durch Rechtsvorschrift (Gesetz, Satzung o. ä.) auferlegt, Gliedern der zweiten Teilklasse nicht. Die Regelung des § 57 L A G stellt sicher, daß das Abgabenprivileg privaten Inhabern von Krankenanstalten nur dann gewährt w i r d , w e n n der Zweck der Privilegierung, die gemeinnützige V e r wendung des freigestellten Vermögens, während der gesamten Laufzeit der Abgabe gesichert w a r (ebd.). 10
Vgl. dazu oben den Text i m Anschluß an die 4. Bedingung (4.7). I n der Terminologie von N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 54, ist dies die Frage nach der Relevanz der Hinsicht des Vergleichens. Daß sich die Frage nach dem zureichenden G r u n d einer Gleichbehandlung ebenso formulieren läßt, w i r d i n § 8 nachgewiesen werden. 12 So ausdrücklich BVerfGE 23, 229 (240 f.). 13 Die Form, i n der die Entscheidung hier wiedergegeben ist, w i r d i n den folgenden Paragraphen schrittweise systematisch erläutert u n d begründet w e r den. 11
4*
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
I n d i e D i s k u s s i o n d e r B e g r ü n d u n g , d. h. der S t i c h h a l t i g k e i t des z u reichenden G r u n d e s f ü r d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g s o l l h i e r noch n i c h t e i n g e t r e t e n w e r d e n 1 4 . N u r das sei h e r v o r g e h o b e n , daß die B e g r ü n d u n g n i c h t l a u t e t : W e i l die T e i l k l a s s e n t a t b e s t a n d l i c h u n g l e i c h s i n d — p r i v a t e s i n d n i c h t ö f f e n t l i c h — , d ü r f e n die a n diesen T a t b e s t a n d a n g e k n ü p f t e n Rechtsf o l g e n u n g l e i c h sein. W ä r e dies die B e g r ü n d u n g gewesen, h ä t t e d i e f o l gende E n t s c h e i d u n g n i c h t g e t r o f f e n w e r d e n k ö n n e n , die d e n tatsächl i c h e n S t r e i t p u n k t des a n g e f ü h r t e n Beschlusses b e t r i f f t , u n d die d e n selben S a c h v e r h a l t h a t . BVerfGE,
Beschluß vom 21. 5.1968 — 1 BvR 610/60 —
2. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß bei der Berechnung der Vermögensabgabe der Glieder der ersten Teilklasse f ü r nicht gemeinnützig betriebene Unternehmen das Krankenanstaltsvermögen abgeschrieben w i r d , bei der Berechnung der Vermögensabgabe der Glieder der zweiten T e i l klasse jedoch nicht, wodurch sich nach § 37 L A G i. Verb, m i t § 55 Abs. 2 10. A b gabenDV — L A G v o m 28. 6.1954 (BGBl I S. 161) eine Erhöhung der Abgaben ergibt. (BVerfGE 23, 327 [339].) Begründung Die f ü r die Zulässigkeit der gesetzlichen Regelung vorgebrachten Gründe sind nicht zureichend (ebd. S. 343 ff.)is. D i e R i c h t i g k e i t b e i d e r L e i t s ä t z e d ü r f t e ohne w e i t e r e A n a l y s e n einsicht i g sein. D i e M ö g l i c h k e i t , b e i derselben U n g l e i c h h e i t v o n T a t b e s t ä n d e n eine rechtliche D i f f e r e n z i e r u n g als b e g r ü n d e t , eine andere aber als u n b e g r ü n d e t z u e r k l ä r e n , setzt die G ü l t i g k e i t des f o l g e n d e n Satzes v o r a u s : 7.3 Tatsächliche U n g l e i c h h e i t e n r e c h t f e r t i g e n n i c h t j e d e n o r m a t i v e U n gleichheit16. Erläuterung Aus Satz 7.3 folgt, daß ledigliche Berufung auf eine tatsächliche Ungleichheit überhaupt nicht ausreicht, u m eine normative Ungleichheit zu begründen. 14
Dies ist vorwiegend der I n h a l t des folgenden 2. Abschnitts. Hingewiesen sei hier schon auf einen Unterschied zwischen den Begründungen zu den beiden Leitsätzen, der i m folgenden eine große Rolle spielen w i r d . Der erste Leitsatz spricht die Zulässigkeit einer rechtlichen Differenzierung aus. Dafür w i r d eine positive Begründung geliefert. Der zweite Leitsatz spricht die Unzulässigkeit einer rechtlichen Differenzierung aus. Dafür w i r d negativ eine Begründung geliefert derart, daß von den Vorgebrachten ausgesagt w i r d , sie seien k e i n zureichender Grund. Diese m i t einer unten i n § 16 als richtig nachgewiesenen Ausnahme ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht der unten i n Satz 8.2 formulierten These, daß nicht die Gleichbehandlung, sondern die Ungleichbehandlung begründungsbed ü r f t i g ist, und der durch Satz 11.5 formulierten Argumentationslastregel. 16 Vgl. dazu BVerfGE 17,122 (131) ; 23, 229 (240 f.). Unsicher BVerfGE 23,12 (26) ; H. J. Mertens, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g auf G r u n d des Gleichheitssatzes, S. 42, 46. Vgl. auch R. Schmidt, N a t u r der Sache u n d Gleichheitssatz, S. 404. 15
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
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Soll eine normative Ungleichheit trotz der Geltung des Satzes 7.3 durch Berufung auf eine tatsächliche Ungleichheit begründet werden, bedarf es der Begründung dafür, w a r u m diese Berufung i m gegebenen F a l l ausreicht 1 7 .
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 G G
Die bisherige Untersuchung ging davon aus, daß i n Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot enthalten ist, i n bestimmten Fällen — nämlich dann, wenn ein Grund für die Differenzierung fehlt — Differenzierungen zu unterlassen. Es ist nun die Frage zu prüfen, ob A r t . 3 Abs. 1 GG auch das Gebot enthält, i n bestimmten Fällen — vielleicht dann, wenn ein Grund zur Gleichbehandlung fehlt — zu differenzieren. Dieses Doppelgebot entspräche der gebräuchlichen Formulierung, daß der Gleichheitssatz gebiete, Gleiches gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln 1 . Diese Formulierung hat eine lange Geschichte. Topos ihrer Entstehung w a r das Verhältnis von Gleichheit u n d Gerechtigkeit 2 . Z u m ersten M a l ist sie v e r wandt worden von Aristoteles, der m i t i h r seine Lehre von der doppelten Ge-
17 Diese Begründung fehlt ζ. B. i n BayVerfGHE 20, 87 (94), wo die Ansicht vertreten w i r d , daß kleine Religionsgesellschaften großen Religionsgesellschaften (Kirchen) gegenüber benachteiligt werden dürfen. 1 Vgl. dazu BVerfGE 1, 14 (52), 264 (275 f.); 2, 118 (119); 3, 58 (135); 4, 144 (155); 9, 201 (206); 16, 6 (24 f.); 20, 31 (33); 23, 98 (107), 153 (168, 189), 288 (313); 24, 203 B V e r w G E 7, 325 (329); 18, 324 (328); 19, 68 (74); B G H Z 11, 34* (59*); 50, 180 (188); BayVerfGHE 4, 30 (40), 150 (164); 9, 109 (112); 11, 164 (183); 13, 170 (174); 14, 4 (8); 15, 59 (67); teilweise i n der Formulierung: „Gleiches soll gleich, Ungleiches k a n n ungleich behandelt werden." Vgl. dazu auch H. Aldag, Die Gleichheit v o r dem Gesetze i n der Reichsverfassung, S. 5, 22; M. Rümelin, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 15; A. Bindewald, Der Gleichheitsgedanke i m Rechtsstaate der Gegenwart, S. 47; G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 45, 220, 244; U. Scheuner, Der Gleichheitsgedanke i n der völkischen Verfassungsordnung, S. 260; W. Geiger, Der Gleichheitssatz u n d der Gesetzgeber, S. 171; A. Hamann, Das Grundgesetz, A r t . 3, A n m . C 3; Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 121; R. Zippelius, Wertungsprobleme i m System der Grundrechte, S. 31; E. R. Huber, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, S. 264; S. Arioli, Das Verbot der w i l l k ü r l i c h e n u n d der rechtsgleichen Rechtsanwendung, S. 10. Kritisch gegenüber solchen Formulierungen A. Silbernagel, Die Gleichheit vor dem Gesetz u n d die bundesrechtliche Praxis, S. 99 f.; G. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 126; K. Menger, Moral, W i l l e u n d Weltgestaltung, S. 40 f.; H. Nef, Gleichheit u n d Gerechtigkeit, S. 101 ff.; G. Küchenhoff, Gleichheit u n d Ungleichheit i m Verfassungsrecht, S. 282; P. Lerche, Ubermaß u n d Verfassungsrecht, S. 31; M. Kriele, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 91 ff.; H. Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, S. 308; N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 171 f.; W. Wengler, i n : J Z 65,135. 2 Eine Beziehung zwischen Gleichheit u n d Gerechtigkeit ist bereits von der Schule des Pythagoras behauptet worden. Vgl. dazu Diels, Nr. 58, Β 4. Dabei sind w o h l zwei Wurzeln zu unterscheiden, nämlich die Zahlenlehre der Phytagoräer (ού γαρ εστίν ή δικαιοσύνη αριθμός Ισάκις ίσος) u n d der archaische Gedanke der Vergeltung (Talion) (το δίκαιον το 'αντιπεπονθός αλλφ). Z u r K r i t i k des Aristoteles an der unmodifizierten pythagoräischen Lehre vgl. Ethica Nicomachea, V, 8 (1132 b) u n d Fr. Dirlmeier, i n : Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 412, A n m . 2 zu S. 105.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
rechtigkeit verbunden hat 3 , die ihrerseits zurückgeht auf Piatons Lehre von der doppelten Gleichheit 4 . Was bisher — besonders i n juristischen U n t e r suchungen zur Gleichheit 5 — selten bemerkt worden ist, ist der Umstand, daß es sich bei diesen Formulierungen des Aristoteles u m ironische, zum mindesten aber u m polemische Formulierungen gegen die athenische Demokratie des Kleistenes u n d Perikles handelt 6 . Das eindrucksvollste Dokument der Prinzipien dieses Gemeinwesens liegt vor i n der Leichenrede des Perikles 7. Die Kennzeichen dieser P o l i t i k als Lehre vom Gemeinwesen sind gleiches Recht
3 Aristoteles, Politica, I I 9 (οίου δοκαΐ ίσον το δίκαιον είναι, και εστίν, άλλ'ού πασιν άλλα τοις ίσοις· και το άνισου δοκεΐ δίκαιον είναι, και γαρ εστίν, άλλ'ού πασιν άλλα τοις άνίσοις) (1280 a) : „So hält m a n ζ. Β . das Recht für die Gleichheit, u n d das ist es auch, aber als Gleichheit f ü r Gleiche, nicht für alle. U n d so hält man auch die Ungleichheit für Recht, u n d sie ist es ja auch, aber nicht f ü r alle, sondern f ü r Ungleiche"; I V , 4 (1291 b); V, 7 (1307 a); V I , 2 (1317 b); V I , 4 (1319 b); ders., Ethica Nichomachea, V, 6 (εί γαρ μή ίσοι, ουκ ΐσα εξουσιν, άλλ' εν τεΰθεν αϊ μάχαι και τα έγκλήματα, δταν η μή ϊσα 'ίσοι ή μή ίσοι ϊσα εχωσι και νέμων τάι) (1131 a): „Denn wenn die Personen nicht gleich sind, so werden sie nicht gleiche Anteile haben können, sondern hieraus ergeben sich die Streitigkeiten u n d Z e r w ü r f nisse, wenn entweder gleiche Personen ungleiche Anteile oder nichtgleiche Personen gleiche Anteile und zugeteilt erhalten"; V I I I , 9 (1158b); ders., Ethica Eudemeia, V I I , 9 (1241 b); V I I , 10 (1242 a f.). 4 Platon, Nomoi (156 c—757 e). Diese Stelle ist der Ursprung der Lehre von der doppelten Gleichheit, der „arithmetischen" und der „geometrischen" Gleichheit, die i n der Form, die i h r Aristoteles, Ethica Nicomachea, V, 5—7 (1130 b— 1132 a) gegeben hat, das philosophische Denken bis i n die heutige Zeit beeinflußt. 5 Kritisch ζ. Β . N. Luhmann, a.a.O., S. 172; W. Maihof er, Ideologie und Recht, S. 11, Anm. 17. Nicht ohne Ironie H. Ridder, Männer u n d Frauen sind gleichberechtigt, S. 220. E i n Beispiel für die weltanschauliche (nationale) Befangenheit der Gleichheitsdiskussion sind die Ausführungen von H. Bindewald, a.a.O., S. 44 ff., die soweit gehen, der verhältnismäßigen Gleichheit der deutschen Reichsverfassung die égalité mathématique der Franzosen gegenüberzustellen. 6 Zur Demokratiefeindlichkeit des Piaton, vgl. H. Kelsen, Die platonische Gerechtigkeit, S. 210 f. Z u r Demokratiefeindlichkeit des Aristoteles, vgl. ders., Die hellenisch-makedonische P o l i t i k u n d die „ P o l i t i k " des Aristoteles, S. 305, aber auch S. 338 ff.; K . R. Popper, Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, I, S. 139. Wenn C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 228, Piaton zwar als Gegner der Demkoratie bezeichnet, Aristoteles hingegen zu i h r nicht i n solche Gegnerschaft setzt, so spiegelt sich i n diesem U r t e i l der Unterschied der Stiele; Piaton steigert seine Angriffe gegen die Demokratie gelegentlich bis zur Beschimpfung, Aristoteles bleibt i n ironischer Distanz. Beides hat seinen historischen G r u n d : Piaton (427 zu Beginn des Peleponnesischen Krieges geboren u n d beim Sturz der Oligarchien u n d der Wiedereinführung der Demokratie 411/410 17 Jahre alt) hat noch i n vielfältigen persönlichen und politischen Beziehungen zur demokratischen Bewegung gestanden. F ü r Aristoteles, den aristokratischen Prinzenerzieher i m makedonischen Reich, ist die athenische Demokratie n u r noch eine akademische Angelegenheit. Der Sache nach dürfte jedoch die A b lehnung des Aristoteles genau so konsequent gewesen sein w i e die des Piaton. Z u den politisch-ideologischen Hintergründen der Lehre des Aristoteles vgl. H. Kelsen, a.a.O., bes. S. 306, 347 ff. — Ohne Bezug auf die politischen I n t e n tionen des Aristoteles ist auch die Darstellung bei J. Ritter, Naturrecbt bei Aristoteles, Stuttgart 1961, S. 19 f. Kritisch zu dieser Darstellung E. Topitsch, i n : Der Staat, 1 (1962), S. 227. 7 Thukydides, Geschichte des Peleponnesischen Krieges, I I , 37—40. Vgl. dazu auch Euripides, Die Schutzflehenden, 404 ff., 422 ff., i n : ders., Sämtliche Tragödien, Stuttgart 1958, 2. Bd., S. 384.
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
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für alle , Zugang zu öffentlichen Ä m t e r n ohne Rücksicht auf Stand, Klassenzugehörigkeit u n d Vermögen, Freiheit des Einzelnen i m Privatleben i m Rahmen der allgemeinen Gesetze — die vornehmlich dem Schutz der Bedrängten dienen sollen — 9 , Freizügigkeit der E i n - u n d Auswanderung u n d die Befugnis zur allgemeinen K r i t i k f ü r jedermann 1 0 . Gegen diese Auffassung von der Gleichheit aller Bürger 11 haben sich Pia t o n 1 2 und Aristoteles 1 3 gewandt 1 4 . Die 8 I n diesem Zusammenhang verdient der Umstand mehr Beachtung als bisher, daß i n der demokratischen Zeit Athens eine — i n ihrer Stärke allerdings n u r schwer abzuschätzende — Bestrebung zur Aufhebung der Sklaverei oder wenigstens zur Verbesserung der Lage der Sklaven bestand, wie sich nicht zuletzt aus der heftigen Polemik von Piaton und Aristoteles gegen diese Bestrebungen — von ihnen „Verweichlichungstendenz" genannt — ergibt. Z u den Vertretern dieser Bestrebungen gehören Euripides , (Jon, 854 ff. (2. Bd. S. 36), Demokrit, (Diels, Fr. 34, 251, 247), Lykophron, (Diels, Fr. 4); Alkidamus, (Überweg-Praechter, Die Philosophie des Altertums, 13. Aufl., Neudruck Darmstadt 1953, S. 128), Antiphon, (P. Pachlatko, Die Stellung der Griechen zum Problem der Verschiedenheit der Menschen, S. 42; A. Ross, On L a w and Justice, S. 235). Z u den indirekten Zeugnissen des Platon (Politeia, 563) u n d des Aristoteles (Politica, V, 11 (1313 a); V I , 4 (1319b); Atheniensium Respublica (59, 5), vgl. K. R. Popper, a.a.O., I, S. 298, A n m . 74, S. 318, Anm. 13. 9 I m demokratischen A t h e n ist zum erstenmal der Gedanke des funktionalen Gemeinwesens gedacht worden, das dadurch ausgezeichnet ist, daß die Gesetze (nur) dem Zweck dienen, Bürge gegenseitiger Gerechtsame (έγγυητήσ άλλήλοις των δικαίων), u n d zwar vornehmlich zum Schutze der Schwachen gegen die Starken zu sein. E i n Vertreter dieser Auffassung, die bereits lehrte, das Gesetz sei bloßes Übereinkommen oder Vertrag (ο νόμος συνθήκη), w a r der Sophist Lykophron, (Diels, Fr. 3), dessen Ansichten uns von Aristoteles, Politika, I I I , 9 (1280 b) teilweise referiert worden sind. Der E i n w a n d des Aristoteles gegen diese Staatsauffassung war, daß sie den Hauptzweck des Staates, die Bürger gut u n d gerecht zu machen, vernachlässige. 10 Nach dem Sturz der Dreißig Tyrannen u n d der Wiedereinführung der Demokratie 403 w u r d e n wenigstens i n der Theorie weitere rechtsstaatliche Momente konzipiert: 1. keine Behörde solle jemals i n irgendeinem Falle anders als nach einem geschriebenen Gesetz verfahren, 2. kein Beschluß des Rates oder des Volkes solle gegenüber einem Gesetze Bestand haben, 3. niemals solle ein Gesetz gegen einen einzelnen Bürger gegeben werden, vielmehr müsse es für alle gleichermaßen gelten. Vgl. dazu Andokides, Rede über die Mysterien, 85, 87. Wie D. Macdowell i n seinem Kommentar S. 127 (zu 87) ausführt, liegt der zweiten rechtsstaatlichen Forderung die Unterscheidung zwischen dem Gesetz als allgemeiner Regel u n d der auf eine einzelne Situation bezogenen Maßnahme zugrunde. 11 Vgl. dazu auch Herodot, Historien, I I I , 80, wo die Szene vor der Thronbesteigung des Dareios erzählt w i r d . Otanes soll sich dabei ausgesprochen haben, die Herrschaft dem ganzen persischen Volke zu geben. I n diesem Zusammenhang taucht der Ausdruck „'ισονομία — Gleichberechtigung" zum erstenmal i n einem rechtlich-politischen K o n t e x t auf: „Die Herrschaft des Volkes hat vor allem schon durch ihren Namen — Gleichberechtigung aller — den Vorzug." Die Verwendung des Ausdrucks „Isonomie" ist vermutlich zum erstenmal i n einem medizinischen K o n t e x t überliefert bei Alkmaion, (Diels, Fr. 4). Vgl. auch Piaton, Gorgias (484 a), Menexenos (238 d), 7. Brief (326 a, 336 d). 12 Piaton, Gorgias (488 e ff.) Menexenos (238 d). (Zur Ironie dieses Textes, der eine Parodie auf die Leichenrede des Perikles darstellt, vgl. K . R. Popper, a.a.O., I, S. 139, 345 A n m . 19), Politeia (359 c), Politicon (294 b, 298 e, 300 e, 301 c, 303 a f.), Nomoi (756 c—757 e). 13 Vgl. dazu die Zitate oben A n m . 3. N i m m t man den politischen K a m p f des Piaton und des Aristoteles gegen die athenische Demokratie ernst, (vgl. dazu C. Schmitt, a.a.O., S. 228 f., J. Freund, Die Demokratie und das Politische, S. 283),
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Formel des Aristoteles ist ein klassisches Beispiel einer — von i h m vermutlich bewußt vollzogenen — Tautologisierungsstrategie 1*. W e n n die F o r d e r u n g nach G l e i c h h e i t eine gerichtete F o r d e r u n g a u f d e r i d e e l l e n P o l a r i t ä t s g r a d e n „ g l e i c h — u n g l e i c h " i s t 1 6 , so i s t m i t dieser V o r aussetzung z w a r k e i n M a ß s t a b f ü r d e n V e r w i r k l i c h u n g s g r a d d e r F o r d e r u n g gegeben, w o h l aber d i e R i c h t u n g f e s t g e l e g t 1 7 . W i r d dieser F o r d e r u n g die E r g ä n z u n g h i n z u g e f ü g t , daß auch Ungleiches u n g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n soll, i s t außer d e r U n b e s t i m m t h e i t des V e r w i r k l i c h u n g s g r a d e s auch noch die U n b e s t i m m t h e i t der R i c h t u n g e i n g e f ü g t . Das h a t z u r Folge, daß v o n j e d e m b e l i e b i g e n sozialen Z u s t a n d ausgesagt w e r d e n k a n n , er befinde sich i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e r F o r d e r u n g . D a r a n ä n d e r t sich auch nichts, w e n n die Fassung v e r w e n d e t w i r d „ U n g l e i c h e s k a n n (oder so ist die Formel des Aristoteles vergleichbar der Formel von Th. Maunz, Staatsaufsicht, München 1938, S. 84, „Grundsatz der Gleichheit aller A r t g l e i chen", i n der die immanente (vielleicht auch die werbewirksame) Bedeutung der Gleichheitsformel äußerlich anerkannt, dem eigenen, gleichheitsfeindlichen System jedoch durch Denaturierung angepaßt w i r d . Vgl. dazu W. Hill, Gleichheit u n d Artgleichheit, S. 290. 14 Hier ist anzumerken, daß natürlich nicht Piaton u n d Aristoteles ihre Option gegen die athenische Demokratie vorgeworfen w i r d , sondern jenen, die die platonischen u n d aristotelischer Ansichten übernahmen, daß sie nicht m e r k ten, daß deren Ansichten über die Gleichheit keine Aussagen über Sachstrukturen sind — als was sie sich ausgeben —, sondern i n Sachurteilsform gefaßte Bewertungen i m Rahmen eines politischen Kampfes. Sie sind also ideologisch i m Sinne, i n dem Th. Geiger, Ideologie u n d Wahrheit, S. 66, diesen Ausdruck verwendet: „ A l s ideologisch sollen jene Aussagen bezeichnet werden, die ihrer sprachlichen F o r m u n d i n dem i n ihnen ausgedrückten Sinne nach sich als theoretische Sachaussagen geben, die aber a-theoretische, nicht der objektiven Erkenntnis Wirklichkeit zugehörende Bestandteile enthalten." A u f den U m stand, daß diese Definition einige prinzipielle Schwierigkeiten enthält, k a n n hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu H. Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, S. 8 ff. Z u r ideologischen S t r u k t u r der „ P o l i t i k " des Aristoteles vgl. H. Kelsen, Die hellenisch-makedonische P o l i t i k u n d die „ P o l i t i k " des A r i s t o teles, S. 332 f. Die erste Stelle, i n der die ideologische S t r u k t u r der platonischen u n d aristotelischen Staatslehre teilweise aufgedeckt w i r d , ist Th. Hobbes, De cive, 2: Non sunt illae très (sc. anarchia, oligarchia, tyrannis) aliae species civitatis, sed tria nomina diversa, quae illis indidere ii, quibus vel regimen, vel regentes displicuerunt. Solent enim homines per nomina, non res tantum, sed et proprios affectus, puta amorem, odium, iram etc. una significare . . . I t a u t his nominibus non designentur diversae species civitatis, sed c i v i u m diversae sententiae de imperante. K l a r e r läßt sich die logisch unzulässige Verkoppelung von Sachaussagen u n d W e r t u r t e i l k a u m kennzeichnen. 15 Vgl. dazu E. Topitsch, Sprachlogische Probleme der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung, S. 24 ff., speziell zu Aristoteles H. Kelsen, a.a.O., S. 302. 16 Vgl. dazu E. Rothacker, Probleme der Kulturanthropologie, Bonn 1948, S. 12. Kritisch jedoch zu dieser Voraussetzung N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 66: dem Gleichheitssatz sei nicht einmal die Tendenzerwartung sonstiger Allgemeinformeln (z. B. § 242 BGB) zu entnehmen, da er keine D i r e k t i o n darüber enthält, was als ungleich zu behandeln ist. 17 So kann das Bundesverfassungsgericht i m K P D - V e r b o t s - U r t e i l ausführen, daß das Sozialstaatsprinzip „die Gleichheit fortschreitend bis zu dem v e r n ü n f tigerweise zu fordernden Maße verwirklichen" soll (BVerfGE 5, 85 [206]).
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
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darf) ungleich behandelt werden". Entweder ist dieses „kann" oder „darf" dahingehend zu interpretieren, daß es „kann immer" oder „darf immer" bedeuten soll. Dann besitzt der Zusatz zu dem Gleichheitsgebot keinen eigenen Gehalt und ist daher überflüssig. Oder es ist dahingehend zu interpretieren, daß es heißt „Ungleiches kann nur (oder darf nur) ungleich behandelt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen". Dann lautet das Gleichheitsgebot mit dem Zusatz: Gleiches soll i n bestimmten Fällen gleich, Ungleiches soll i n bestimmten Fällen ungleich behandelt werden. Auch dieser Satz ist ohne Kontext eine normative Tautologie, die es unter Hinzufügung weiterer Prämissen (ζ. B. „Frauen haben Männern Untertan zu sein", „Menschen sind von Natur aus Herrscher oder Diener", „Rassen sind wertvoll oder wertlos") oder ihres Gegenteils gestattet, von jedem beliebigen sozialen Zustand zu erklären, daß er i n Übereinstimmung mit i h m stehe 18 . Schon aus diesem Grunde wäre es tunlich, dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz eine andere Interpretation zu geben. Hinzu kommt ein weiteres Bedenken. Es ist zwar nicht unmöglich, eine Begründung für die Gleichbehandlung und die Ungleichbehandlung zugleich zu fordern 1 9 . Eine Normierung dieser Doppelbegründung liefe jedoch darauf hinaus, eine Begründung dafür zu verlangen, daß die rechtliche Regelung so und nicht anders lauten muß 2 0 . Diese Auslegung des A r t . 3 GG i n Verbindung mit der Regelung, die Begründung durch Gerichte überprüfen zu lassen, würde die Rechtsprechung zum Herrn aller Rechtsetzung machen 21 . Diesem Ergebnis wäre dann — wie es tatsächlich laufend geschieht 22 — nur durch logische Inkonsequenz zu entgehen. Es ist daher eine Auslegung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes zu suchen, die es ermöglicht, Art. 3 Abs. 1 GG allein ein Gleichheitsgebot, nicht aber auch ein Ungleichheitsgebot zu entnehmen. Daß dies ohne Verlust juristischer Problematik möglich ist, soll i m folgenden gezeigt werden.
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Vgl. dazu E. Topitsch, Sozialtheorie u n d Gesellschaftsgestaltung, S. 313. Allerdings ist nicht sichergestellt, daß es eine solche Begründung auch gibt. Kritisch N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 171. 20 Dieses Argument k l i n g t an i n B V e r w G 26, 305 (312), wo richtig ein U n gleichheitsgebot verneint w i r d . Wie vage die Argumentation w i r d , w e n n dem Gleichheitssatz auch ein Ungleichheitsgebot entnommen w i r d , dem Gesetzgeber aber der sogenannte Ermessensspielraum erhalten werden soll, zeugen die Ausführungen BayVerfGHE 14, 4 (8), wo dargelegt w i r d , daß der Gesetzgeber „wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu behandeln" hat, er aber den Gleichheitssatz nicht verletzt, wenn er „von Differenzierungen, die er vornehmen darf, absieht". I n dieser Argumentation läuft alles auf die Preisfrage heraus „Was ist wesentlich?" Vgl. dazu unten § 9. 21 v. Mangoldt-Klein, Bonner Grundgesetz, A r t . 3 Anm. 2; H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 152. 22 So J. v. Kempski, V o m Sinn u n d Unsinn der Grundrechte, S. 68. 19
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Z u r K l ä r u n g dieser F r a g e w e r d e ausgegangen v o n einer E n t s c h e i d u n g des Bundesv erfassungsgerichts 2S : BVerfGE, Beschluß vom 27. 6.1961 — 1 B v R 486/59 — Gekennzeichnete Klasse: Verfolgte nach § 1 BEG, die den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 2 B E G 2 4 erfüllt haben. Behandelte Klasse: Verfolgte, die den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 2 B E G allein dadurch erfüllt haben, daß sie als Funktionäre einer politischen Partei vor deren Verbot durch das Bundesverfassungsgericht deren Ziel m i t allgemein erlaubten M i t t e l n verfolgt haben. Restklasse: Verfolgte, die den betreffenden Tatbestand auf sonstige Weise erfüllt haben. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zwingender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein die Personen der Restklasse von der Entschädigung ausgeschlossen werden. (BVerfGE 13, 46 [53].) Begründung Die die Berechtigung der fehlenden Differenzierung klasse widerspricht A r t . 21 GG (ebd.).
begründende Satz-
Das V e r g l e i c h s p a a r i n dieser E n t s c h e i d u n g ist so g e w ä h l t , daß die aus A r t . 21 G G e n t n o m m e n e B e g r ü n d u n g sich n u r als D i f f e r e n z i e r u n g s g e b o t f o r m u l i e r e n läßt. Jedoch l ä ß t sich das V e r g l e i c h s p a a r auch so w ä h l e n , daß dieselbe Begründung z u e i n e m D i f f e r e n z i e r u n g s v e r b o t f ü h r t . Dies i s t d a d u r c h m ö g l i c h , daß das V e r g l e i c h s p a a r e i n e r anderen gekennzeichneten Klasse e n t n o m m e n w i r d . D i e z i t i e r t e E n t s c h e i d u n g h ä t t e also auch f o l gendermaßen lauten können: BVerfG, Beschluß vom 27. 6.1961 — 1 B v R 486/59 — Gekennzeichnete Klasse: Funktionäre einer politischen Partei, die vor deren Verbot durch das Bundesverfassungsgericht deren Ziele m i t allgemein erlaubten M i t t e l n verfolgt haben. Behandelte Klasse: Verfolgte i m Sinne des § 1 BEG, die den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 2 B E G allein dadurch erfüllt haben, daß sie als Funktionäre einer politischen Partei vor deren Verbot durch das Bundesverfassungsgericht deren Ziele m i t allgemein erlaubten M i t t e l n verfolgt haben. Restklasse: Funktionäre, die keine Verfolgte i m Sinne des § 1 BEG sind. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein gegen Personen der ersten Teilklasse eine Sanktion dadurch verhängt w i r d , daß ihre Entschädigungsansprüche nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 B E G entfallen. 23 Die Form, i n der die Entscheidung hier wiedergegeben w i r d , w i r d i n den folgenden Paragraphen schrittweise erläutert u n d begründet werden. 24 Die Bestimmung lautet: „ V o n der Entschädigung ist ausgeschlossen, wer nach dem 23. M a i 1949 die freiheitlich demokratische Ordnung i m Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat."
§ 8 Das Ungleichheisgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
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Begründung Die die Differenzierung begründende Satzklasse widerspricht A r t . 21 GG. Erläuterung Voraussetzung der Alternativformulierung ist der Umstand, daß die Verfolgung politischer Ziele einer politischen Partei m i t allgemein erlaubten Mitteln i n der Zeit vor dem Verbot dieser Partei durch das Bundesverfassungsgericht erlaubt ist. Dieser Umstand ist durch die Entscheidung BVerfGE 12, 296 (314 ff.) klargestellt worden.
Der Vergleich der beiden Formulierungen zeigt, daß durch Wahl einer anderen gekennzeichneten Klasse das Erfordernis der Prüfung eines zwingenden Grundes für eine Ungleichbehandlung übergeht i n das der Prüfung eines zureichenden Grundes für eine Ungleichbehandlung 25 . Dabei bleibt — wie es bei einer rein logischen Operation selbstverständlich ist — der Bestand an juristischer Problematik erhalten. Erzielt w i r d jedoch zum einen der Vorteil, für alle Gleichheitsprüfungen ein einheitliches Schema zu haben, das seinerseits die „Vergleichung" von möglichen Gründen der Ungleichbehandlung gestattet. Zum anderen ergibt sich die (weiter unten zu erörternde) Möglichkeit, eine Funktion des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes i m Begründungszwang für rechtliche Ungleichheiten zu sehen 26 . Dies setzt allerdings die Gültigkeit folgendes Satzes voraus: 8.1 Die Wahl einer gekennzeichneten Klasse derart, daß der Sachverhalt die Prüfung einer Differenzierung erfordert, ist immer möglich. Begründung Das durch die Regel 9.8 beschriebene Verfahren f ü h r t immer zu einer Klassenbildung, die zur Begründung rechtlicher Ungleichheiten z w i n g t 2 7 .
Das Ergebnis dieser Paragraphen kann nun formuliert werden i n folgendem Satz: 8.2 Der Bestimmung des A r t . 3 Abs. 1 GG ist ein Gleichheitsgebot zu entnehmen. Es braucht ihm kein Ungleichheitsgebot entnommen zu werden. Begründung Durch einen — die juristische Problematik erhaltenden — Wechsel der gekennzeichneten Klasse geht die Ungleichheitsprüfung i n eine Gleichheitsprüfung über. Erstere ist daher prinzipiell entbehrlich. Erläuterung Satz 8.2 sagt aus, daß prinzipiell eine rechtliche Ungleichheit, nicht aber auch eine rechtliche Gleichheit begründungsbedürftig ist 2 8 · 2 9 . 25
Der Gedanke k l i n g t bereits an bei N. Luhmann, Öffentlich-rechtliche E n t schädigung, S. 59, A n m . 28. 26 Ebd., S. 55 ff.; ders., Grundrechte als Institution, S. 169. 27 E i n weiteres Beispiel findet sich i n § 35. Vgl. dazu besonders § 35, Anm. 26. 28 Vgl. dazu Satz 11.5.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Entsprechend dem analysierten Beispiel BVerfGE 13, 46 (53) ließe sich das Ungleichheitsgebot der Entscheidungen BVerfGE 2, 118 (149); 4, 31 (42), 375 (380); 7, 305 (315 ff.); 9, 20 (31); 12, 341 (348); 16, 6 (25); 17, 319 (330); B V e r w G E 15, 149 (154); 18, 324 (328); 19, 68 (74); 26, 317 (320 f.), 27, 146 (149 f.); B F H E 58, 109 (112 ff.) diskutieren. I m Ergebnis richtig B V e r w G E 22, 26 (30 f.); 23, 31 (35); 25, 348 (355 f.); 26, 305 (312) 30 ; B F H E 80, 73 (76); 83, 171 (176); BayVerfGHE 18, 111 (119); 19, 35 (40). Ohne Einblick i n die Problematik BVerfGE 23, 288 (313); 25, 371 (400); BayVerfGHE 5,122 (124); 6,107 (112); 9,109 (113). Exkurs: Die geometrische Gleichheit D i e D e f i n i t i o n e n 3.7, 4.10 u n d 6.3 f o r m u l i e r e n G l e i c h h e i t s b e g r i f f e , die seit Aristoteles a r i t h m e t i s c h g e n a n n t w e r d e n 3 1 » 3 2 , G l e i c h h e i t e n nach „ M a ß , Z a h l u n d G e w i c h t " , w i e es Piaton bezeichnet h a t 3 3 . D e r B e g r i f f „ g e o m e trische G l e i c h h e i t " w e r d e i m f o l g e n d e n n i c h t v e r w e n d e t , da a n d e r n f a l l s a u f e i n U n g l e i c h h e i t s g e b o t des Gleichheitssatzes n i c h t v e r z i c h t e t w e r d e n k a n n . A u s z w e i G r ü n d e n w e r d e jedoch d i e E n t b e h r l i c h k e i t dieses B e g r i f f e s b e g r ü n d e t . Erstens s p i e l t d e r B e g r i f f der geometrischen G l e i c h h e i t i n U n t e r s u c h u n g e n ü b e r die verfassungsrechtliche G l e i c h h e i t o f t eine H o l l e 3 4 , z w e i t e n s scheinen als gerecht e m p f u n d e n e rechtliche R e g e l u n g e n w i e ζ. B . die S t e u e r p r o g r e s s i v i t ä t n u r m i t H i l f e dieses G l e i c h h e i t s b e g r i f fes d i s k u t i e r b a r . Es w e r d e d a h e r der Satz f o r m u l i e r t u n d b e g r ü n d e t : 8.3 Sogenannte geometrische G l e i c h h e i t i s t logisch i m m e r a u f eine a r i t h m e t i s c h g e n a n n t e G l e i c h h e i t i m S i n n e der B e g r i f f s b e s t i m m u n g e n 3.7, 4.10 u n d 6.3 z u r ü c k f ü h r b a r . Z u r B e g r ü n d u n g w e r d e ausgegangen v o m B e i s p i e l d e r K o p f s t e u e r . D i e E r h e b u n g d e r K o p f s t e u e r b e h a n d e l t a l l e V e r p f l i c h t e t e n gleich i m S i n n e d e r B e g r i f f s b e s t i m m u n g 3.7. A l l e V e r p f l i c h t e t e n h a b e n d a n n e i n e n kon29 So auch E. Curti, Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 99, 106; A. Silbernagel, a.a.O., S. 103; Κ . A. Bettermann, Rechtsgleichheit u n d Ermessensfreiheit, S. 91 (anders jedoch S. 92); L. Philipps, Rechtliche Regelung u n d formale Logik, S. 321; N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 59; ders., Grundrechte als Institution, S. 169 f.; ders., Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 227 f.; W. Wengler, i n : J Z 65, S. 135; M. Kriele, Plangewährleistungsansprüche?, S. 534 ff.; P. Noll, Liberté et égalité en tant que problème législatif, S. 228 f . ; ders., Ideologie u n d Gesetzgebung, S. 69, 82. U n k l a r W. Schaumann, Gleichheit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 726, der anscheinend annimmt, die W a h l zwischen der „Gleichheit i n ihrer formal-egalitären Komponente" oder der Ungleichheit als Ausgangspunkt einer Regelung führe zu inhaltlich verschiedenen Ergebnissen. M i t jedem Ausgangspunkt ist jedoch jedes Ergebnis formal verneinbar. Unterschiedlich sind nur die Begründungsrichtungen für das jeweilige Ergebnis. 30 Vgl. dazu jedoch unten § 22. 31 32 , Aristoteles, Ethica Nicomachea, V, 6 f. (1131 a ff.). 33 Piaton, Nomoi, 757. 34 Vgl. z. B. G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 220 f.; W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 74; H. U. Scupin, Deutscher Bundesstaat u n d Gleichheitssatz, S. 582 ff.; W. Schaumann, Gleichheit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 722; Franz Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, S. 17 ff.
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
61
stauten Betrag als Steuer zu zahlen, konstant i m Hinblick etwa auf mögliche Schwankungen des Vermögens oder Einkommens 35 . Aristoteles würde sagen, sie werden arithmetisch gleichbehandelt (und damit geometrisch ungleich und möglicherweise infolgedessen ungerecht). Es handelt sich i n diesem Fall u m eine Gleichheit von Personen 36 insofern, als es den Personen zukommt, gleichviel zu zahlen. Es entspricht jedoch auch dem Sprachgebrauch, von einer Gleichbehandlung zu sprechen, wenn alle Verpflichteten einen konstanten Bruchteil des Einkommens zu zahlen haben 37 . I n diesem Fall handelt es sich nicht um Gleichheit von Personen, sondern um die Gleichheit einer Eigenschaft von Personen. Dieser Ausdruck ist nicht nach dem Schema der Definition 3.7, sondern nach dem Schema 37.4 zu bestimmen 38 . Man kann i n diesem Fall von einer Gleichheit der Belastungen 39 sprechen. Dabei ist zu beachten, daß es sich wieder um eine arithmetische Gleichheit der Belastungen handelt, deren Auswirkung auf die Personen, denen diese Belastungen zukommen, geometrisch ist. Die geometrische Gleichheit ist also auf die arithmetische Gleichheit zu reduzieren. Schließlich enthält das geltende Einkommensteuerrecht die Bestimmung, daß nicht ein konstanter Bruchteil des Einkommens, sondern (in festgelegten Grenzen und vereinfachend ausgedrückt) ein konstanter Progressionssatz des Einkommens zu zahlen ist. Man kann i n diesem Fall von einer Gleichheit der Progressionen sprechen. Hier ist wieder zu beachten, daß es sich u m arithmetische Gleichheit der Progressionen handelt, deren Auswirkung auf die Belastungen geometrisch ist. Wenn man w i l l , kann man dann bezüglich der betroffenen Personen von einer geometrischen Gleichheit zweiter Stufe sprechen. Führt man das Verfahren jedoch beliebig weiter fort, w i r d man nach üblichem Sprachgebrauch kaum noch i n einem intuitiven Sinn von Gleichheit sprechen können.
35 Dem F a l l k o m m t nahe die Erhebung des Kirchgeldes etwa nach A r t . 22 Abs. 1 Satz 1 bay. KirchStG v o m 15. 3.1967 — G V B l S. 317 —. Vgl. dazu BayVerfGHE 21,173 (176). 36 U m die folgende Darstellung i m Text nicht zu sehr zu komplizieren, werde davon abgesehen, daß die Gleichheit durch 3.7 und 4.10 bereits über einer Eigenschaft u n d einem Paar von Personen definiert ist. Es werde so getan, als ob Gleichheit eine Eigenschaft erster Stufe wäre. 37 Piaton, Nomoi, a.a.O., spricht i n diesem F a l l von der eigentlich wahrsten u n d besten Gleichheit, während er i m F a l l der arithmetischen Gleichheit von einer sogenannten Gleichheit spricht. Diese Terminologie ist w o h l eine Waffe i n dem eingangs dieses Paragraphen geschilderten politischen Kampf. Darauf ist hier nicht einzugehen, da es der der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegenden Methodik widerspricht, über die Richtigkeit von Benennungen zu streiten. Vgl. dazu P. Weingartner, K a n n man von Definitionen sagen, daß sie w a h r oder falsch sind?, i n : Ratio 7 (1965), S. 55—82. 88 Vgl. dazu unten Anhang § 37. 39 Vgl. dazu Th. Hobbes, De cive, c. 13, § 11; A. Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, N J W 63, S. 1278.
62
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
I n den Fällen, i n denen es sich — wie bei der Steuer oder Gehältern und Pensionen — u m numerisch formulierbare Größen handelt, entspricht den logischen Stufen des jeweiligen Gleichheitsausdrucks die Zahl der Ableitungen (Differentialquotienten). Der F a l l der Kopfsteuer α ist darstellbar als 8.4
y = α
I n diesem F a l l besitzt die erste Ableitung den Wert null. Der F a l l des konstanten Bruchteils ist darstellbar als 8.5
y = ± αχ ±b4o
I n diesem F a l l besitzt erst die zweite Ableitung den Wert null. Der F a l l der konstanten Progression ist darstellbar als 8.6
y = ± ax* ± bx ± c
41
.
I n diesem F a l l besitzt frühestens die dritte Ableitung den Wert null. Mathematisch läßt sich die arithmetische Gleichheit (unter weiteren noch anzugebenden Bedingungen) definieren als eine durch eine F u n k t i o n ausdrückbare Eigenschaft, deren erste A b l e i t u n g den Wert n u l l besitzt. Geometrische Gleichheit ist (in der Regel) zu definieren als eine durch eine F u n k t i o n ausdrückbare Eigenschaft, deren zweite Ableitung den Wert n u l l besitzt. Besitzt erst eine weitere Ableitung den Wert null, so ist am Sprachgebrauch zu prüfen, ob überhaupt noch von Gleichheit gesprochen werden k a n n 4 2 . D a d u r c h die ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h h a n d e l n d e G e w a l t a n g e o r d n e t e geometrische G l e i c h h e i t U n g l e i c h h e i t i m S i n n e der B e g r i f f s b e s t i m m u n g 3.7, 4.10 u n d 6.3 b e d e u t e t , i s t i m Schema d e r h i e r e n t w i c k e l t e n Sprache z u fragen, ob es f ü r diese U n g l e i c h b e h a n d l u n g e i n e n zureichenden G r u n d g i b t . F ü r d e n B e r e i c h des Steuerrechts ist dies — v o n m ö g l i c h e n G r e n z e n d e r Progression abgesehen — w o h l n i c h t z u b e z w e i f e l n 4 3 . H i n g e g e n w ä r e d i e D a r s t e l l u n g d e r H ö h e d e r Steuerpflicht als F u n k t i o n des L e b e n s alters k a u m z u r e c h t f e r t i g e n . A n d e r e r s e i t s e n t s p r i c h t d i e D a r s t e l l u n g d e r H ö h e der D i e n s t b e z ü g e u n d des R u h e g e h a l t s 4 4 v o n B e a m t e n als F u n k t i o n des D i e n s t a l t e r s seit l a n g e m b e j a h t e r Rechtspraxis. I n a l l e n solchen F ä l l e n ist d i e A n w e n d u n g der geometrischen G l e i c h h e i t als A b w e i c h u n g v o n der a r i t h m e t i s c h e n G l e i c h h e i t z u d i s k u t i e r e n u n d — w i e sich u n t e n noch zeigen w i r d — nach Satz 11.5,13.1.4 u n d 31.1 z u b e g r ü n d e n . 40 Nach dem geltenden Einkommensteuerrecht lautet die entsprechende Gleichung „y = 0,2 x - 3 3 6 " (BGBl 1958 I S. 492). 41 Nach dem geltenden Einkommensteuerrecht lautet die entsprechende Formel „y = 0,001 χ 2 + 0,256 x + 928". 42 Interessant ist, daß nach dem geltenden Einkommensteuerrecht alle E i n nahmen, deren zu versteuernder Betrag D M 110 040,— übersteigt, wieder nach dem Schema 8.5 versteuert werden, nämlich nach der Gleichung „ y = 0,53 x—
11281".
43 Vgl. dazu B F H E 70, 270 (272); BayVerfGHE 5, 243 (261 f.); P. Noll, a.a.O., S.229. 44 Vgl. dazu G. Anders, Z u m Begriff der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit i m Beamtenversorgungsrecht, DÖV 67, S. 837.
§ 8 Das Ungleichheitsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG
63
E i n e n F a l l , der als G l e i c h h e i t v o n Progressionen b e i m ö g l i c h e r w e i s e n i c h t z u r e c h t f e r t i g e n d e r U n g l e i c h h e i t v o n B e l a s t u n g e n d a r z u s t e l l e n ist, b e h a n d e l t d i e E n t s c h e i d u n g des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigk e i t des F r o n t m e t e r m a ß s t a b e s b e i der B e r e c h n u n g der A n l i e g e r b e i t r ä g e . BVerwG, Urteil vom 19.10.1966 — I V C 99.65 — Gekennzeichnete Klasse: Grundstückseigentümer, deren Anliegerbeiträge nach dem Frontmetermaßstab berechnet werden. Behandelte Klasse: Grundstückseigentümer, deren Front eine Strecke ohne W i n k e l ist (Frontgrundstück). Restklasse: Grundstückseigentümer, deren Front eine Strecke m i t W i n k e l ist (Eckgrundstück). Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Klassen ist kein zwingender Grund, beide Klassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß i h r Anliegerbeitrag unterschiedlich berechnet w i r d . (BVerwGE 25,147 [150].) Begründung Eckgrundstücke und Frontgrundstücke unterscheiden sich nicht wesentlich (ebd.). D i e B e g r ü n d u n g ist nach d e n u n t e n auf die D e f i n i t i o n 9.12 f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n v ö l l i g u n z u r e i c h e n d . J e d e r belastete B e t r o f f e n e w i r d a n d e r e r A n s i c h t sein. Bei einem quadratischen Grundstück ist der Anliegerbeitrag f ü r ein Eckgrundstück doppelt so hoch wie f ü r ein Frontgrundstück. Ist der W i n k e l der aufeinanderstoßenden Straßen spitz, k a n n das Verhältnis der Anliegerbeiträge noch ungünstiger werden. Soll jemand doppelt so viel oder noch mehr zahlen als jemand i n vergleichbarer Lage, so darf er von dem die Zulässigkeit dieser Differenzierung aussprechenden Gericht eine Begründung erwarten, die über den lapidaren, gehaltsleeren Satz des Bundesverwaltungsgerichts hinausgeht. D i e d u r c h die R e g e l 9.8 g e f o r d e r t e U m f o r m u n g der z u v e r g l e i c h e n d e n K l a s s e n m a c h t i n solchen F ä l l e n e i n i g e S c h w i e r i g k e i t , da sie m a t h e matische Ü b e r l e g u n g e n voraussetzt. Sie s o l l d a h e r h i e r auch n u r anged e u t e t w e r d e n 4 5 . A l s Bezugsgröße e m p f i e h l t sich die Grundstücksgröße. F ü r jedes G r u n d s t ü c k l ä ß t sich e i n P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r angeben, d e r das V e r h ä l t n i s d e r H ö h e des A n l i e g e r b e i t r a g s z u r G r u n d s t ü c k s g r ö ß e a n g i b t . D i e D e f i n i t i o n dieses F a k t o r s k a n n so g e w ä h l t w e r d e n , daß e r i m 45 Diese Schwierigkeit ist natürlich kein Grund, die Umformung i n der Praxis zu unterlassen. H a t ein Gericht Berechnungsmodalitäten auf die Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG zu überprüfen, muß es die Details der Berechnung auseinanderlegen. Vorbildlich h i e r i n B V e r f G 23, 327 (340 ff.). Z u r allgemeingültigen Behandlung des vorliegenden Problems — d. h. m i t beliebigen G r u n d stückswinkeln — werden die Gesetze der Differenzierung trigonometrischer Funktionen benötigt, andernfalls genügen die H i l f s m i t t e l der elementaren Geometrie u n d der A r i t h m e t i k . Keinesfalls werden mathematische Kenntnisse vorausgesetzt, die diejenigen der Schulmathematik übersteigen.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Falle eines rechteckigen Frontgrundstücks linear abhängt von der Grundstückstiefe, i m übrigen von der Gestalt des Grundstücks. Bei Eckgrundstücken ist dann der Faktor abhängig von denselben Größen wie bei Frontgrundstücken und zusätzlich vom Winkel der aufeinanderstoßen Straßen. Beträgt die Größe dieses Winkels 180 so geht der Fall der Eckgrundstücke über i n den Fall der Frontgrundstücke. Der Faktor w i r d für den Grundstückseigentümer u m so ungünstiger, je spitzer dieser Winkel ist. Es gibt also eine — dem Satz 8.2 entsprechende — Betrachtung, nach der Front- und Eckgrundstückseigentümer insofern ungleich behandelt werden, als allein die Grundstücke der letzteren einer Belastung unterworfen werden, die einen zusätzlichen Berechnungsfaktor enthält, der sich nur ungünstig auswirkt. Für diese Differenzierung w i r d es vermutlich keinen zureichenden Grund geben.
§ 9 D e r Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
Die 1 Definition 6.3 des Ausdrucks „verfassungsrechtliche Gleichheit" führt zu einer praktischen Schwierigkeit. Nimmt man den Wortlaut der Definition ernst, dann kann erst dann ausgesagt werden, daß eine gegebene Person verfassungsrechtlich gleichbehandelt wird, wenn von allen anderen Personen festgestellt ist, daß die gegebene Person ihnen gegenüber entweder gleichbehandelt ist oder nur m i t zureichendem Grund ungleich behandelt ist. Diese Schwierigkeit verringert sich auch nicht dadurch, daß nicht die einzelnen Personen untersucht zu werden brauchen, sondern typische Gruppen von Personen, oder i n der logischen Terminologie: Klassen von Personen. Der Ausdruck „Gruppe" ist f ü r einen soziologischen Tatbestand reserviert, nämlich f ü r eine Mehrheit von Personen, zwischen denen soziale Beziehungen bestehen 2 . M i n i m a l e r E x t r e m f a l l sozialer Beziehungen k a n n dabei das Bewußtsein gleicher sozialer Lage sein. Aber selbst bei einer solchen Ausdehnung des Wortgebrauchs — w i e er i n der Soziologie nicht üblich ist — t r i f f t er nicht immer das Problem der Klassenbildung bei Ungleichbehandlungen, w i e das Bundesverfassungsgericht i n einer Entscheidung bemerkt 3 : Ungleich Behandelte brauchen keine Gruppe zu bilden. Wenn das so ist, daß sich selbst der j u r i s t i sche weite Sprachgebrauch des Ausdrucks „Gruppe" dagegen sperrt, das Problem gleich oder ungleich Behandelter terminologisch einzufangen, dann sollte man diesen terminologisch verbrauchten Ausdruck fallen lassen u n d zur k o r rekten u n d unmißverständlichen logischen Terminologie übergehen. Personen, denen ein (beliebiges) M e r k m a l zukommt, bilden eine Klasse. Gruppe sind sie erst, wenn zusätzliche soziologisch zu formulierende Bedingungen hinzukommen 4 . 1 2 3 4
Vgl. zu diesem Paragraphen unten § 41. Vgl. dazu J. H. Fichter, Grundbegriffe der Soziologie, S. 69 ff. BVerfGE 12,151 (166). Vgl. dazu J. H. Fichter, a.a.O., S. 47 ff.
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
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Die Zahl der möglichen zu vergleichenden Klassen ist so groß, daß eine Prüfung derart, daß für jede einzelne geprüft werden kann, ob eine Ungleichbehandlung ihnen gegenüber m i t oder ohne zureichenden Grund erfolgt, praktisch unmöglich ist. Zur Erörterung dieser Problematik werde von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen: BVerfG, Beschluß vom 11. 4.1967 — 1 B v L 25/64 — Erste Klasse: Inhaber von Warenhäusern 5 . Zweite Klasse: Inhaber mittelständischer Einzelhandelsbetriebe. 1. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Klassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Klassen dadurch ungleich zu behandeln, daß nur den Gliedern der ersten Klasse nach § 6 RabattG das Rabattverbot auferlegt w i r d . (BVerfGE 21, 292 [301].) Begründung Das verfassungsrechtlich zulässige wirtschaftspolitische Ziel des Ausgleichs von Wettbewerbsunterschieden (ebd. S. 199) rechtfertigt die Ungleichbehandl u n g (ebd. S. 301)«.
Unterstellt, die gegebene Begründung sei stichhaltig, so wäre dadurch die verfassungsrechtliche Gleichbehandlung der Glieder der ersten Klasse, nämlich der Warenhausinhaber, noch nicht garantiert. Es gibt nämlich Unternehmer der warenverteilenden Branche, die keiner der beiden angeführten Klassen angehören — ζ. B. die Inhaber von Kaufhäusern, Supermärkten, Diskountläden, Großversandhäusern u. a. — und die auch nicht unter § 6 RabattG fallen, weil es sie i m Zeitpunkt der letzten Gesetzesnovelle nämlich noch nicht gab. Inhabern solcher neuer Warenverteilungsunternehmen gegenüber werden Inhaber von Warenhäusern ungleich behandelt. Auch diese Ungleichbehandlung muß begründbar sein, soll sie zulässig sein. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt entschieden: BVerfGE, Beschluß vom 11. 4.1967 — 1 B v L 25/64 — Gekennzeichnete Klasse: Inhaber von Unternehmen der Warenverteilung an Endverbraucher. Erste Teilklasse: Inhaber von Warenhäusern. Zweite Teilklasse: Inhaber von Versandhäusern u n d anderen nicht m i t t e l ständischen Unternehmen. 2. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch ungleich zu behandeln, daß n u r Gliedern der ersten Teilklasse das Rabattverbot auferlegt w i r d . (BVerfGE 21, 292 [301].) 5 Von den anderen i n § 6 RabattG genannten Geschäften werde abgesehen, w e i l sie praktisch nicht mehr vorkommen. β A u f die Problematik, die i n der Begründung der Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen durch Ziele liegt, w i r d unten § 16 eingegangen.
5 Podlech
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Begründung „Irgend ein sachbezogener Grund, der diese Privilegierung gegenüber den Warenhäusern rechtfertigt, ist nicht ersichtlich" (ebd. S. 304)7.
Während Satz 7.3 den Fall behandelt, daß bei derselben tatsächlichen Ungleichheit verschiedene Rechtsfolgen diskutiert werden müssen, von denen die einen zulässig, die anderen unzulässig sind, behandeln die vorstehenden Leitsätze den Fall, daß eine gegebene Klasse — hier die Warenhausinhaber — gegenüber einer anderen Klasse mit zureichendem Grund, einer dritten Klasse gegenüber jedoch ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. Die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ersetzt also nicht die Rechtfertigung anderer Ungleichbehandlungen. Das läßt sich so ausdrücken: 9.1 W i r d eine Klasse von Betroffenen durch ein Rechtsverhältnis verschiedenen Klassen von Personen gegenüber ungleich behandelt, so ist die Ungleichbehandlung dann unzulässig, wenn es wenigstens für die Ungleichbehandlung gegenüber einer Klasse von Personen keinen zureichenden Grund gibt. Aus Satz 9.1 folgt logisch der Satz: 9.2 W i r d eine Klasse von Betroffenen durch ein Rechtsverhältnis verschiedenen Klassen von Personen gegenüber ungleich behandelt, so ist die Ungleichbehandlung nicht schon dann zulässig, wenn es für die Ungleichbehandlung gegenüber einer Klasse von Personen einen zureichenden Grund gibt 8 . Diese Sachlage zwingt dazu, Regeln zu suchen, die eine Vereinfachung der Prüfung des zureichenden Grundes für Ungleichbehandlungen bewirken. Das Problem soll an dem Beispiel der Trümmergrundstücke erörtert werden. § 1 des nordrh.-westf. Enttrümmerungsgesetzes vom 2. 5.1949 (GS N W S. 388) bestimmt, daß die Räumung der kriegsbedingten Trümmergrundstücke Pflichtaufgabe der Gemeinden ist. V o n dieser Regelung macht das Gesetz einige Ausnahmen. I n Orten bis zu einer gewissen Größe kann bestimmt werden, daß die Räumung durch die Eigentümer zu erfolgen hat. Dasselbe kann für Gemeindeteile angeordnet werden (§ 6). I n allen Gemeinden k a n n den Eigentümern einzeln gelegener Trümmergrundstücke die Räumung selbst auferlegt werden (§ 7). 7 Der Vergleich beider Leitsätze und ihrer Begründung zeigt wieder, daß positiv n u r die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung, nicht aber das Gebot der Gleichbehandlung begründet w i r d . 8 Fehlerhaft ist daher die unbegründete These i n BVerfGE 22, 349 (369) : „Da die verschiedene Behandlung von W i t w e n und Waisen nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, bedarf es nicht mehr der Prüfung, ob die Differenzierung zwischen den Hinterbliebenen einer versicherten Frau u n d denen eines v e r sicherten Mannes A r t . 3 GG verletzt." Richtig ist die Prüfung erfolgt i n BVerfGE 20, 40 (43 ff.); 21, 54 (68 ff.), 292 (301 ff.); 22, 387 (415 ff.); 23, 327 (343).
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
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Die Klasse aller Eigentümer kriegsbedingter Trümmergrundstücke ist also rechtlich eingeteilt i n die Teilklasse der Eigentümer, deren Grundstücke durch die zuständige Gemeinde geräumt werden (Fremdräumer), und die Restklasse dieser Teilklasse, nämlich die Klasse der Eigentümer, die ihre Grundstücke selbst räumen müssen (Selbsträumer). Als Beispiel werde eine Gemeinde angenommen, i n der für einen Teil der Gemeinde durch Ausnahmeregelung Selbsträumung angeordnet ist. I m übrigen Teil der Gemeinde sei einigen Eigentümern einzeln gelegener Trümmergrundstücke durch Einzelanordnung die Selbsträumung auferlegt, anderen nicht. I n dieser Gemeinde gibt es also zwei Teilklassen der Fremdräumer, nämlich die Eigentümer der Grundstücke, die i n einem zusammenhängenden Trümmergelände liegen, für die die Ausnahmeregelung nicht angeordnet ist, und die Eigentümer der einzeln gelegenen Trümmergrundstücke, für die eine Einzelanordnung nicht erfolgt ist. I n dieser Gemeinde gibt es auch zwei Teilklassen der Selbsträumer, nämlich die Eigentümer der Grundstücke, die i n einem zusammenhängenden Trümmergelände liegen, für die Ausnahmeregelung angeordnet ist, und die Eigentümer einzeln liegender Grundstücke, für die eine Einzelanordnung erfolgt ist. Die letzte Teilklasse kann noch weiter dahingehend eingeteilt werden, je nachdem ob die Grundstücke mit Einzelanordnung i n einem Gebiet der Gemeinde mit Ausnahmeregelung liegen — i n dem also alle Grundstücke selbst geräumt werden müssen —, oder ob sie i n einem anderen Gebiet liegen. Die logischen Beziehungen zwischen diesen Klassen sind i n den folgenden Tafeln dargestellt: Erläuterung zu den Tafeln auf S. 68 f. Eine Figur, wie sie auf den Tafeln dargestellt ist, w i r d i n der Logik ein Baum genannt 9 . Da die Elemente der dargestellten Bäume Klassen sind, ist jeder der Bäume ein Klassen-Baum. W i r d i n den Bäumen eine beliebige Klasse herausgegriffen, so ist jede Klasse, die m i t i h r nach unten durch einen Strich verbunden ist, eine Teilklasse der herausgegriffenen Klasse, u n d jede Klasse, die m i t i h r nach oben durch einen Strich verbunden ist, eine Einschlußklasse der herausgegriffenen Klasse. Die durch die Striche dargestellten Beziehungen zwischen den Klassen sind also von oben nach unten als „enthält", von unten nach oben als „sind enthalten i n " zu lesen. Diejenige Klasse, die auf einer Ebene m i t einer herausgegriffenen Klasse steht, und m i t dieser eine Einschlußklasse gemeinsam hat, die m i t beiden Klassen nur durch einen Strich verbunden ist, ist die Restklasse der herausgegriffenen Klasse hinsichtlich der E i n schlußklasse 10 . 9 Eine korrekte Definition des Ausdrucks „ B a u m " findet sich unten als Defin i t i o n 41.2. 10 Fügt man den Klassen-Bäumen unten die leere Klasse hinzu u n d verbindet m a n alle Klassen, für die keine Teilklasse angegeben ist, nach unten m i t der leeren Klasse, so gelten für das derart entstehende Gebilde die Gesetze der Booleschen Verbände. Die Heranziehung dieser Gesetze zur Aufstellung der Regeln zur A b b i l d u n g gesetzlicher Regelungen i n Klassen-Bäume lohnt sich allerdings erst, wenn Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r die hier vorgeschlagene A r t der Gleichheitsprüfung anwenden. Z u den Gesetzen der Booleschen Verbände vgl. H. Gericke, Theorie der Verbände, S. 114.
5*
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Α . Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes Eigentümer Fahrniseigentümer
ι
Grundstückseigentümer
Eigentümer unbebauter Grundstücke
Eigentümer bebauter Grundstücke
Eigentümer unzerstörter Grundstücke
Eigentümer zerstörter Grundstücke I
I Eigentümer einzeln gelegener Trümmergrundstücke
Eigentümer zerstörter G r u n d stücke i n zusammenhängenden Trümmergebieten
ι
Eigentümer zerstörter Grundstücke i n zusammenhängenden Trümmergebieten, i n Gemeindeteilen, f ü r die keine Ausnahmeregelung getroffen ist
(Fremdräumer)
Eigentümer zerstörter G r u n d stücke i n zusammenhängenden Trümmergebieten, i n Gemeindeteilen, f ü r die eine Ausnahmeregelung getroffen ist
Eigentümer einzeln gelegener Trümmergrundstücke, f ü r die Einzelanordnung erteüt ist
(Selbsträumer)
Eigentümer einzeln gelegener Trümmergrundstücke, f ü r die keine Einzelanordnung erteilt ist
(Fremdräumer)
(Selbsträumer) Eigentümer einzeln gelegener Trümmergrundstücke, für die Einzelanordnung erteilt ist, i n Gebieten i n denen Ausnahmeregel u n g getroffen ist
Eigentümer einzeln gelegener Trümmergrundstücke, für die Einzelanordnung erteilt ist, i n Gebieten, i n denen keine Ausnahmeregelung getroffen ist
(Selbsträumer in Gebieten, in denen (Selbsträumer in es nur SelbsträuGebieten, in denen mer gibt) es auch Fremdräumer gibt)
Tafel I
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
69
Eigentümer Fahrniseigentümer
Grundstückseigentümer
Eigentümer unbebauter Grundstücke
Eigentümer bebauter Grundstücke
I Eigentümer unzerstörter Grundstücke
Eigentümer zerstörter Grundstücke ί Fremdräumer I
Selbsträumer I Selbsträumer einzeln gelegener Trümmergrundstücke
Selbsträumer i n zusammenhängenden T r ü m mergebieten
Selbsträumer i n zusammenhängenden T r ü m m e r gebieten, i n denen es n u r Selbsträumer gibt
Fremdräumer i n zusammenhängenden T r ü m mergebieten
I Fremdräumer einzeln gelegener Trümmergrundstücke
Selbsträumer i n zusammenhängenden T r ü m m e r gebieten, i n denen es auch Fremdräumer gibt
Tafel II Die erste Tafel gibt die Gliederung der Trümmergrundstückseigentümer i n der Ordnung wieder, die das Gesetz eingeführt hat. Diese Gliederung ist für die Prüfung nach dem zureichenden Grund von Ungleichbehandlungen ungeeignet, w e i l gleichbehandelte Klassen — etwa Selbsträumer — Teilklassen verschiedener Klassen sind. Die zweite Tafel gibt die Gliederung der Grundstückseigentümer wieder i n der Ordnung, wie sie sich aus der rechtlichen Behandlung ergibt. Das heißt, daß es i n dem Baum für jede A r t der infragekommenden Behandlungen genau eine Klasse gibt, die die gleichbehandelten Personen und nur diese als Glieder umfaßt. Eine solche Klasse werde „behandelte Klasse" und ein solcher Baum werde „kennzeichnender Baum" genannt. Es gelten also folgende Definitionen: 9.3 Behandelte Klasse heißt jede Klasse von Personen, deren Glieder von der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt i n einer be-
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
70
stimmten Weise und zwar gleich i m Sinne der Definitionen 3.7, 4.10 behandelt werden 1 1 . 9.4 Kennzeichnender Baum einer gegebenen Behandlung durch die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt heißt jeder Klassenbaum, der die durch die gegebene Behandlung definierte behandelte Klasse als Glied enthält 1 2 . Ist ein kennzeichnender Baum für eine gegebene Behandlung aufgestellt, so gelte folgende Definition: 9.5 Nächste Einschlußklasse einer behandelten Klasse heißt — i n einem kennzeichnenden Baum — die Einschlußklasse, die m i t der Klasse gleichbehandelter Personen nach oben nur durch einen Strich verbunden ist 1 3 . Erläuterung I n der zweiten Tafel, die hinsichtlich der Behandlung „Auferlegung der Verpflichtung zur Selbsträumung" einen kennzeichnenden B a u m darstellt, ist die Klasse der Eigentümer zerstörter Grundstücke die nächste Einschlußklasse sowohl der Klasse der Selbsträumer wie der Klasse der Fremdräumer.
Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, gilt folgende 9.6 Regel Die korrekte Prüfung der Zulässigkeit gegebener rechtlicher Unvergleichheiten erfordert die Angabe eines kennzeichnenden Baumes für die Behandlung, deren Folge die rechtlichen Ungleichheiten sind. Erläuterung Der kennzeichnende B a u m gestattet die Angabe der nächsten Einschlußklasse, die f ü r die Prüfung der Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichheit von entscheidender Bedeutung ist. Bei einfachen u n d übersichtlichen Verhältnissen genügt es, den kennzeichnenden B a u m i n t u i t i v der Prüfung zugrunde zu legen. Bei komplizierten Verhältnissen empfiehlt sich hingegen die graphische D a r stellung.
Die eingeführte Terminologie gestattet nun die korrekte Behandlung der Frage, welche Regel es ermöglicht, die Prüfung nach der Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung auf überschaubare und angebbare Vergleichsklassen zu beschränken. Für das gegebene Beispiel werde folgende These vertreten. M i t der Selbsträumung sind meist besondere Kosten verbunden. Diese Kosten treffen nicht die Fremdräumer, aber auch nicht die Eigentümer unzerstörter Grundstücke oder Personen, die überhaupt keine Grundstücke besitzen. Angenommen, es ließe sich ein zureichender Grund dafür angeben, daß die Selbsträumer diese Kosten gegenüber 11
Eine korrekte Definition findet sich unten als Definition 41.4. Die gegebene Definition ist etwas zu weit. Eine korrektere Definition findet sich unten als Denition 41.6. 13 Eine korrrekte Definition findet sich unten als Definition 41.5. 12
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
71
den Fremdräumern selbst tragen müssen. Dann ist nicht nur die rechtliche Ungleichbehandlung von Selbst- und Fremdräumern gerechtfertigt, sondern auch die Ungleichbehandlung von Selbsträumern und allen anderen Grundstückseigentümern und darüber hinaus von Selbsträumern und allen anderen Eigentümern und anderen Personen. Verallgemeinert lautet die These: 9.7 Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung Immer dann, wenn die rechtliche Ungleichheit zwischen den Personen einer gegebenen Klasse und den Personen der Restklasse der gegebenen Klasse hinsichtlich der nächsten Einschlußklasse einen zureichenden Grund besitzt, dann besitzt auch die rechtliche Ungleichheit zwischen den Personen der gegebenen Klasse und den übrigen Personen aller Einschlußklassen der nächsten Einschlußklasse einen zureichenden Grund. Begründung F ü r die Geltung des Satzes über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung w i r d durch das gegebene Beispiel vermittelte Evidenz beansprucht. Sollte die Evidenz bestritten werden, w i r d auf die Sätze 41.11 u n d 41.12 i m Anhang verwiesen, wo ausgeführt w i r d , daß Satz 9.7 zwar nicht weiter begründbar ist, jeder Versuch der Feststellung von Gehalt des Ausdrucks „ v e r fassungsrechtliche Gleichheit" seine Geltung aber voraussetzt. K u r z : N u r wenn die Geltung von Satz 9.7 angenommen w i r d , k a n n A r t . 3 Abs. 1 GG angebbaren Gehalt haben.
Für die Praxis läßt sich Satz 9.7 wiedergeben durch folgende 9.8 Regel Zur Feststellung, ob eine gegebene rechtliche Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich zulässig ist, genügen folgende Schritte: 1. Feststellung der Klasse der Personen, die durch die betreffende rechtliche Regelung gleichbehandelt werden (Feststellung der behandelten Klasse [9.3]). 2. Feststellung der nächsten Einschlußklasse der behandelten Klasse. Damit liegt zugleich die Restklasse der behandelten Klasse hinsichtlich der nächsten Einschlußklasse fest. 3. Kann die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung zwischen der behandelten Klasse und der Restklasse begründet werden, so ist die Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich zulässig, andernfalls nicht. Gelegentlich ist die Prüfung jedoch etwas komplizierter. Als Beispiel werde nochmals der Fall des Rabattverbots für Warenhäuser genommen. Die logische Gliederung der infragekommenden Klasse ist auf der 3. Tafel wiedergegeben.
72
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes Inhaber v o n Unternehmen der Warenverteilung an Endverbraucher
Inhaber von Großbetrieben, die i n § 6 RabattG genannt sind (Warenhäuser und andere Großbetriebe)
Restklasse |
I I Inhaber klein- u n d Inhaber von Großmittelständischer betrieben, die i n § 6 Unternehmen (haupt-RabattG nicht gesächlich Einzelhan- nannt sind (Kaufdelsläden) häuser, Versandhäuser u. a. Großbetriebe) Tafel
III
Der Schritt der Regel 9.8.1 besteht i n der Feststellung der behandelten Klasse. Das sind die Inhaber von Warenhäusern und der anderen i n § 6 RabattG genannten Unternehmensformen. Ergebnis des zweiten Schrittes — die Angabe der nächsten Einschlußklasse — ist die Angabe der Klasse der Inhaber von Unternehmen der Warenverteilung an Endverbraucher. Damit liegt die Restklasse fest. Diese Klasse ist jedoch völlig inhomogen. Vom Eisverkäufer an der Ecke bis zum Großversandhaus umfaßt sie alle Unternehmensformen, die nicht i n § 6 RabattG aufgeführt sind. Dieser Umstand indiziert verfassungswidrige Ungleichbehandlungen. Von dieser Restklasse läßt sich aussagen, daß ihren Gliedern kein gemeinsames Merkmal zukommt, das nicht auch Gliedern der gleichbehandelten Klasse zukommt. Eine Diskussion der Gründe für die Zulässigkeit der Differenzierung ist erst möglich, wenn diese Restklasse i n Teilklassen zerlegt wird. Dies ist auf der 3. Tafel geschehen derart, daß die Klassen der klein- und mittelständischen Unternehmen einerseits und die Großbetriebe (Versandhäuser, Einkaufszentren u. a.) andererseits aufgeführt wurden. Bei dieser Zerlegung ist darauf zu achten, daß sie vollständig ist. Eine rechtliche Differenzierung ist erst verfassungsrechtlich zulässig, wenn für alle Teilklassen der Restklassen begründet ist, daß ihnen gegenüber die Differenz zuläsisg ist. I n dem angeführten Beispiel gelingt dieser Nachweis zwar für die Teilklasse der klein- und mittelständischen Unternehmen, nicht aber für die Großbetriebe. Es gilt also folgende 9.9 Regel Ist die Restklasse der behandelten Klasse nur dadurch negativ festgelegt, daß ihre Glieder anders behandelt werden als die Glieder der behandelten Klasse, so erfolgt die Prüfung folgendermaßen: 1. Die Restklasse ist i n Teilklassen zu zerlegen, die durch typische Merkmale gekennzeichnet sind.
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
73
2. Diese Z e r l e g u n g m u ß v o l l s t ä n d i g sein, d. h. jedes G l i e d der Restklasse m u ß G l i e d w e n i g s t e n s e i n e r T e i l k l a s s e sein. 3. D i e Z u l ä s s i g k e i t d e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g zwischen der gegebenen Klasse u n d der Restklasse m u ß f ü r j e d e T e i l k l a s s e besonders b e g r ü n det werden. 4. G e l i n g t d i e B e g r ü n d u n g f ü r a l l e Teilklassen, ist d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g verfassungsrechtlich zulässig, a n d e r n f a l l s n i c h t 1 4 . D e r Satz ü b e r d e n U m f a n g der z u r e i c h e n d e n U n g l e i c h h e i t s b e g r ü n d u n g h a t n i c h t n u r die d u r c h die R e g e l 9.8 d a r g e s t e l l t e p r a k t i s c h e B e d e u t u n g . E r l i e f e r t zugleich die w e i t e r e p r a k t i s c h e Regel, Sachverhalte, d i e w e g e n der Disparatheit der zu vergleichenden Momente einer rationalen Gleichh e i t s p r ü f u n g n u r schwer z u g ä n g l i c h sind, i n l e i c h t e r überschaubare T e i l sachverhalte z u zerlegen u n d j e d e n T e i l s a c h v e r h a l t sauber z u a n a l y s i e r e n . Dies e m p f i e h l t sich b e i d e r P r ü f u n g v o n S a c h v e r h a l t e n a n l ä ß l i c h eines b e s t i m m t e n Rechtsstreites i m m e r d a n n , w e n n n i c h t G l i e d e r nächster E i n s c h l u ß k l a s s e n d i e V e r l e t z u n g des Gleichheitssatzes r ü g e n , sond e r n G l i e d e r w e i t e r e r Einschlußklassen. I n einem v o m Bundesfinanzhof zu entscheidenden F a l l rügte der Beschwerdeführer, ein selbständiger Handelsvertreter falso ein Unternehmer), die Nichtgewährung der i n Abschnitt 119 Abs. 3 Nr. 3 b EStR 1955 15 vorgesehenen Pauschbeträge für Mehraufwendungen f ü r Verpflegung aus Anlaß von Geschäftsreisen, w e i l ihre A n w e n d u n g zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung geführt hätte, stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber der Beamten nach § 3 Nr. 11 EStG 1955 16 gewährten freien Pauschalreisekostenvergütung dar u n d verstoße daher gegen den Gleichheitssatz (BFHE 75, 356). Der Bundesfinanzhof hätte sich die Prüfung leicht machen und sich auf den nicht begründungsbedürftigen Standpunkt stellen können, Unternehmer u n d Beamte gehörten zu so verschiedenen Klassen von Steuerpflichtigen, daß eine Ungleichbehandlung i m m e r gerechtfertigt sei 1 7 . Der Bundesfinanzhof geht jedoch einen anderen Weg. Er untersucht zunächst, ob innerhalb der A r b e i t nehmer die Ungleichbehandlung durch die Regelung f ü r den privaten Dienst (§19 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1955), die i n etwa derjenigen entspricht, der der Beschwerdeführer unterworfen wurde, u n d der Regelung f ü r den öffentlichen Dienst (§ 3 Nr. 11 EStG 1955) gerechtfertigt ist. Er k o m m t zu dem Ergebnis, daß diese Ungleichbehandlung ihren rechtfertigenden G r u n d i n der Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts findet. Da i n bezug auf die Klasse der Beamten der freie Unternehmer Glied einer Einschußklasse der privaten Arbeitnehmer 14
Die Problematik der Regel 9.9 ist unten weiterbehandelt durch Satz 41.15. B S t B l 1956, S. 75. B G B l 11955, S. 441. 17 Z u pauschal i n dieser Hinsicht z. B. B G H Z 10, 125 (129). I n einem anderen F a l l von „Ordnungssystemen" (Pension — Rente) zu pauschal BVerfGE 11, 283 (291), dazu kritisch H. J. Seibt, N J W 61, 19. W a r u m solche Pauschalfeststellungen, die sich i n den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts u n d der obersten Bundesgerichte häufig finden, oft unzulässig sind, w i r d noch erörtert werden. 15 18
74
Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
ist, ist damit nach Satz 9.7 zugleich die Ungleichbehandlung der Beamten gegenüber den Unternehmern gerechtfertigt. (Das Gericht setzt diesen Schluß s t ü l schweigend voraus.)
Die vorstehend skizzierte Möglichkeit werde für die Praxis der Gleichheitsprüfung formuliert als 9.10 Regel W i r d die Unzulässigkeit der Ungleichbehandlung von Tatbeständen geprüft, die so wenig Merkmale gemeinsam haben, daß eine Diskussion der Gründe für die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung nur schwer möglich ist, empfiehlt sich die Bildung von Teilklassen des gegebenen Sachverhalts und die Begründung dafür, daß die Ungleichbehandlung der Teilklasse zulässig ist. Die bisher erarbeiteten Hilfsmittel gestatten es, einen für die Problematik der Zulässigkeitsprüfung von Ungleichbehandlungen wichtigen Satz zu formulieren und zu begründen. 9.11 Satz über die Problemäquivalenz heitsbegründung
von Klassenbildung
und Ungleich-
Bei der Beurteilung, ob ein gegebener Sachverhalt dem durch den allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz angeordneten verfassungsrechtlichen Zustand entspricht, ist es problemäquivalent, ob ausgesagt wird, daß eine behandelte Klasse und nur diese zulässigerweise von der öffentlichen hoheitlich handelnden Gew a l t in einer bestimmten Weise behandelt wird, oder ob von der nächsten Einschlußklasse ausgesagt wird, daß die Ungleichbehandlung der behandelten Klasse und der Restklasse hinsichtlich der nächsten Einschlußklasse zulässig ist. Begründung Bei der Prüfung, ob zulässigerweise eine behandelte Klasse u n d n u r diese in einer bestimmten Weise von der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt behandelt w i r d , handelt es sich u m die Frage, ob die öffentliche Gewalt (etwa der Gesetzgeber) die Klasse der i n der bestimmten Weise behandelten Personen i n verfassungsmäßiger Weise abgegrenzt h a t 1 8 . Bei der Prüfung, ob ein rechtfertigender G r u n d zur Ungleichbehandlung vorliegt, handelt es sich u m die Frage, ob innerhalb einer bestimmten Klasse — einer Einschlußklasse der 18 Das Bundesverfassungsgericht läßt den Ansatz dieser Prüfungsrichtung erkennen i n folgenden Entscheidungen: BVerfGE 4, 219 (243); 6, 55 (83); 11, 310 (322); 12, 151 (166): die dort untersuchten Personen bilden zwar logisch eine Klasse, rechtlich u n d soziologisch aber keine Gruppe; 12, 264 (272); 13, 181 (202); 331 (339); 15, 167 (201 f.); 18, 288 (300); 19, 64 (69): I m allgemeinen p r ü f t das Gericht jedoch das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes der Ungleichbehandlung der Glieder einer Einschlußklasse. Deutlich w i r d die Problemäquivalenz aus der Argumentation B V e r w G E 16, 301 (306): I n der Merkmalsbildung (d. h. logisch Klassenbildung) ist der Gesetzgeber frei, sein Spielraum endet erst dort, wo einleuchtende Gründe für die Differenzierung fehlen.
§ 9 Der Ausdruck „gekennzeichnete Klasse"
75
Klasse der gleichartig Behandelten — zulässigerweise differenziert w i r d . Da es n u r eine Folge der logischen Klassenbildung ist, ob die eine oder die andere Frage behandelt werden muß u n d inhaltliche Probleme gegenüber logischer Klassenbildung invariant sind, sind beide Fragestellungen problemäquivalent. Erläuterung M i t dem Satz über die Problemäquivalenz von Klassenbildung u n d Ungleichheitsbegründung finden zahlreiche vergebliche juristische Bemühungen, u n abhängig von dem meist als W i l l k ü r v e r b o t diskutierten Begründungsproblem der Ungleichheit die Abgrenzungsprobleme von meist als „Gruppen" bezeichneten Klassen zu k l ä r e n 1 9 , eine einfache u n d endgültige Lösung. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz kennt n u r einen T y p von Problemen. Der leichteren Vergleichbarkeit der jeweils behandelten Fälle wegen w i r d i m f o l g e n d e n ausschließlich die F r a g e der zulässigen D i f f e r e n z i e r u n g e n i n n e r h a l b e i n e r Klasse, also die Frage des rechtfertigenden Grundes d e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g , n i c h t aber d i e F r a g e der v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n K l a s s e n b i l d u n g u n t e r s u c h t . D i e d a b e i j e w e i l s u n t e r s u c h t e Klasse w e r d e „gekennzeichnete K l a s s e " g e n a n n t . 9.12
Gekennzeichnete Klasse h e i ß t die nächste Einschlußklasse der Klasse, d e r e n G l i e d e r v o n d e r ö f f e n t l i c h e n h o h e i t l i c h h a n d e l n d e n G e w a l t i n e i n e r b e s t i m m t e n Weise u n d z w a r gleich b e h a n d e l t w e r d e n (behandelte Klasse) oder die b e h a n d e l t e Klasse selbst.
D u r c h Satz 9.11 i n V e r b i n d u n g m i t der B e g r i f f s b e s t i m m u n g 9.12 i s t d i e ( S c h e i n - ) P r o b l e m a t i k e i n e r „ w e s e n t l i c h e n " oder „ s u b s t a n t i e l l e n " G l e i c h h e i t aus d e m B e r e i c h der v o r l i e g e n d e n U n t e r s u c h u n g ausgeschlossen. D e r A u s d r u c k wesentlich s p i e l t i n der D i s k u s s i o n u m die G l e i c h h e i t eine große R o l l e 2 0 - 2 1 . 19 ζ. B. BVerfGE 4, 219 (243); 9, 201 (208 f.); 11, 64 (71); Β GHZ 6, 270 (280 ff.); 8, 273 (275 f.); 15, 268 (272 f.); 22, 1 (9 f.); 23, 30 (32 ff.); Η . P. Ipsen, Gleichheit, S. 131,178 ff., 186 ff.; ders., JZ 52, 759 ff.; W. Geiger, Der Gleichheitssatz u n d der Gesetzgeber, S. 176; A. Hamann, Das Grundgesetz, A r t . 3 Anm. Β 1; H. J. Rinck, Gleichheitssatz, W i l l k ü r v e r b o t u n d N a t u r der Sache, S. 522. Ohne Begründung u n d falsch ist die Auffassung von E. W. Fuß, Gleichheitssatz u n d Richtermacht, S. 336, die Problematik der B i l d u n g von Vergleichstatbeständen sei die Problematik des gesetzgeberischen Zweckes. Vgl. dazu unten § 16. 20 Vgl. dazu oben § 3, Exkurs. 21 BVerfGE 4, 31 (42); 20, 31 (33); 21, 227 (234), 391 (407) ; B V e r w G E 25,147 (150); B F H E 81, 374 (382); B G H Z 34, 382 (387); 37, 1 (27); 38, 13 (20); BayVerfGHE 13, 170 (174); 14, 4 (8); 15, 59 (67); E. Curti, Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 8; G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 244, 273; H. Aldag, Die Gleichheit vor dem Gesetz i n der Reichsverfassung, S. 41 ff.; K . Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 85; ders., Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 174; D. Diirig, Der Grundsatz von der Menschenwürde, S. 143; A. Hamann, a.a.O., A r t . 3 A n m . Β 3, C 3; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über den Gleichheitssatz, S. 4 f. ; W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 68; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 30 I b 2; Κ . A. Bettermann, Rechtsgleichheit und Ermessensfreiheit, S. 89; R. Zippelius, Wertungsprobleme i m System der Grundrechte, S. 33; Franz Klein, Gleichheitssatz u n d Steuerrecht, S. 23. Z u r zweckmäßigen Ersetzung des Ausdrucks „ w e -
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
I m K o n t e x t h e u t i g e r S p r a c h v e r w e n d u n g i s t er fast d u r c h g ä n g i g d u r c h d e n A u s d r u c k „ w i c h t i g " z u ersetzen. Welche M e r k m a l e i n e i n e m b e s t i m m t e n Z u s a m m e n h a n g aber w i c h t i g sind, ist B e w e r t u n g s f r a g e , also s u b j e k t i v 2 2 . W i c h t i g k e i t i s t n i e m a l s a l l e i n aus d e m B e r e i c h der Tatsachen a b l e i t b a r . D i e F r a g e w i c h t i g e r D i f f e r e n z i e r u n g s m e r k m a l e i s t nach Satz 9.11 o h n e j u r i s t i s c h e n P r o b l e m v e r l u s t als F r a g e z u d i s k u t i e r e n , ob eine b e s t i m m t e D i f f e r e n z i e r u n g b e g r ü n d e t ist oder n i c h t 2 3 . A u c h als Topos i m S i n n e d e r topischen M e t h o d e 2 4 s i n d d i e A u s d r ü c k e „ W e s e n " u n d „ w e s e n t l i c h " n i c h t z u b e n ü t z e n , da das F e l d des W e s e n t l i c h e n u n s t r u k t u r i e r t i s t u n d eine d i f f e r e n z i e r e n d e A r g u m e n t a t i o n n i c h t zuläßt. D e r l e t z t e Versuch, eine M e t h o d e anzugeben, u m Wesen d e r E r k e n n t n i s z u g ä n g l i c h z u machen, s t a m m t v o n E. Husserl 25. Diese M e t h o d e i s t z w a r f ü r das Staatsrecht v o n G. Leibholz als großer F o r t s c h r i t t ger ü h m t w o r d e n 2 6 , sie i s t aber u n f r u c h t b a r g e b l i e b e n i n d e m Sinne, daß sie k e i n e r a t i o n a l e n K r i t e r i e n h a t l i e f e r n k ö n n e n , u n d sie i s t v o n W . Scheuerle e i n e r v e r n i c h t e n d e n K r i t i k u n t e r z o g e n w o r d e n 2 7 » 2 8 . sentlich gleich" durch „ f u n k t i o n a l gleich" hinsichtlich von Rechtsbehelfen vgl. OVG Münster, U. v. 30. 9.1964, i n : JZ 65, 368. Erst diese Ersetzung machte das dort vorliegende Problem rational diskutierbar. 22 Das geben ausdrücklich zu O. Mainzer, Gleichheit vor dem Gesetz, S. 34; K . Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 85; ders., Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 224; U. Scheuner, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts u n d das Verfassungsrecht der Bundesrepublik, S. 615; B. Stauder, Gleichheitssatz, Normenkontrolle u n d subjektive Motive des historischen Gesetzgebers, S. 162; vgl. dazu oben § 4 A n m . 37. 23 Z u generell ist die Formulierung von Η. P. Ipsen, a.a.O., S. 179, daß „ u n wesentliche, unerhebliche Ungleichheiten rechtlich unbeachtlich" bleiben. Richt i g ist das n u r insoweit, als zum Ausdruck gebracht w i r d , daß Konkreta die m i t jeder Normierung verbundene Generalisierung nicht hindern dürfen. Vgl. dazu Hesse, a.a.O., S. 175; N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, S. 55 ff.; ders., Grundrechte als Institution, S. 166 f. I m übrigen können unter Umständen ganz zufällige, gelegentlich „unwesentlich" genannte Unterschiede Gründe zulässiger Ungleichbehandlung werden. Schließt ζ. B. die Polizei aus polizeilichen Gründen den weiteren Zugang zu einem überfüllten Stadion, so ist der Grund, weswegen eine am Z u t r i t t gehinderte Person gegenüber einer am Z u t r i t t nicht gehinderten Person ungleich behandelt w i r d , allein der Umstand, daß die erste Person wenige Sekunden nach der zweiten Person am Eingang zum Stadion eintraf. Vgl. dazu auch die Beispiele i n § 18. Den V e r such einer Abgrenzung „wesentlicher" von „unwesentlichen" Elementen macht H. J. Wolff, a.a.O., I, § 30 I b 2. Die von i h m „rechtswesentlich" genannten Elemente, nämlich die, welche die beteiligten Interessen, ihren objektiven Wert u n d ihre Vorzugswürdigkeit bedingen, könnten die „ i m Einzelfall entscheidenden Elemente" genannt werden. 24 Vgl. dazu Th. Viehweg, Topik u n d Jurisprudenz, bes. S. 15 ff. 25 Vgl. dazu E. Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie u n d phänomenologischen Philosophie, 1. Buch, S. 10—39; ders., Erfahrung u n d Urteil, S. 409—460. 26 G. Leibholz, Zur Begriffsbildung i m öffentlichen Recht, S. 183 ff. 27 W. Scheuerle, Das Wesen des Wesens, passim, hat an mehr als hundert Beispielen aus L i t e r a t u r u n d Rechtsprechechung nachgewiesen, daß der Gebrauch der Ausdrücke „Wesen" u n d „wesentlich" i n juristischen A r g u m e n tationszusammenhängen entweder andere Argumente verbirgt oder ganz ohne
§ 10 Die semantische Gehaltlosigkeit des Gleichheitssatzes
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D e r A u s d r u c k substantiell i s t o h n e j e d e angebbare B e d e u t u n g . Schon aus diesem G r u n d e s o l l t e er v e r m i e d e n w e r d e n . O b u n d i n w e l c h e m Z u s a m m e n h a n g e t w a religiöse oder sprachliche Ü b e r e i n s t i m m u n g substant i e l l i s t 8 0 , l ä ß t sich z w e c k m ä ß i g e r w e i s e w i e d e r i n d e r F o r m u l i e r u n g d i s k u t i e r e n , ob A n d e r s g l ä u b i g e u n d F r e m d s p r a c h i g e a n d e r e n gegenüber m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt werden dürfen 31.
§ 10 D i e semantische Gehaltlosigkeit des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes D i e b i s h e r i g e n Z u r ü s t u n g e n reichen aus, u m die eingangs der U n t e r suchung gestellte F r a g e nach d e m G e h a l t des a l l g e m e i n e n verfassungsr e c h t l i c h e n Gleichheitssatzes a u f z u n e h m e n . A u f g r u n d d e r D e f i n i t i o n 6.3 u n d 9.12 u n d des Satzes 8.2 k a n n dieser Satz v o r l ä u f i g so f o r m u l i e r t w e r den: 10.1.1 W e n n k e i n zureichender G r u n d f ü r eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g v o r l i e g t , s o l l die ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h h a n d e l n d e G e w a l t a l l e P e r sonen e i n e r gekennzeichneten Klasse g l e i c h b e h a n d e l n 1 . F u n k t i o n ist. I n einer anderen Wissenschaft äls der Jurisprudenz würde nach einer solchen Analyse der i n k r i m i n i e r t e Ausdruck ohne eine neue Wortgebrauchsregelung nicht mehr verwendet werden. 28 Möglicherweise hängt die Ergebnislosigkeit der Suche nach K r i t e r i e n f ü r die Wesentlichkeit zusammen m i t der Geltung der Extensionalitätsthese, nach der alle korrekt formulierten Sprachen zurückführbar sind auf Sprachen, i n denen alle bedeutungsgleichen (umfangsgleichen) Subjekte u n d Prädikate u n d alle äquivalenten Sätze jeweils beliebig gegenseitig ersetzbar sind. I n einer solchen Sprache wären ζ. B. die Ausdrücke „Sieger von Jena" u n d „Besiegter von Waterloo" insofern beliebig gegenseitig ersetzbar, als sie beide Napoleon designieren. Es ist offensichtlich, daß für eine solche Sprache Fragen der Wesentlichkeit nicht gestellt oder beantwortet werden können. Zur Extensionalitätsthese, deren Richtigkeit von einigen Autoren vermutet w i r d , aber noch nicht nachgewiesen ist, vgl. R. Carnap , Einführung i n die symbolische Logik, §§ 10 b, 29 c; H. Scholz, G. Hasenjaeger, Grundzüge der mathematischen Logik, S. 128 ff.; W. Leinfellner, Einführung i n die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, S. 53 ff. E i n Beispiel, das die Gültigkeit der Extensionalitätsthese für Normsprachen — u n d schon für Verhaltenssprachen — fraglich erscheinen läßt, gibt G. Η. v. Wright , N o r m and Action, S. 67 f. Vgl. auch unten § 41. 29 Vgl. dazu C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 226 ff.; G. Leibholz, Die A u f lösung der liberalen Demokratie i n Deutschland u n d das autoritäre Staatsbild, S. 12; U. Scheuner, Der Gleichheitsgedanke i n der völkischen Verfassungsordnung, S. 245, 260; K . Hesse, a.a.O., S. 177 f., 187 ff. 80 U m Beispiele von C. Schmitt zu nehmen. 81 Oft hat die Behauptung, eine Gleichheit oder Ungleichheit sei substantiell, n u r die Funktion, die Begründungsbedürftigkeit der Differenzierung zu v e r decken. Interessant wäre i n diesem Zusammenhang z. B. eine sprachliche Analyse der Hoferben-Entscheidung B G H Z 30, 50 (53 f.). Dazu BVerfGE 15, 337 (342—346); D. Dürig, i n : N J W 59, 1173 ff.; Hild. Krüger, „Wegen ihres Geschlechts" nicht zur Hoferbfolge berechtigt, D Ö V 58, S. 494 ff.; W. Rötelmann, i n : N J W 63,1347; Fr. Baur, i n : N J W 63, 2163. 1 I n dieser Fassung entspricht der Gleichheitssatz dem Basissatz der klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie, der von J. Bernoulli und P. S. M. de Laplace
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
10.1.2 Gleichbehandlung liegt dabei genau dann vor, wenn die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt alle Personen der gekennzeichneten Klasse i n einer bestimmten Weise behandelt, wobei auch das Unterlassen einer bestimmten Behandlung nach der 7. Bedingung 4.10 eine Gleichbehandlung ist. 10.1.3 Ungleichbehandlung liegt dabei genau dann vor, wenn die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt zwar mindestens eine, nicht aber alle Personen der gekennzeichneten Klasse i n der bestimmten Weise behandelt. Zuerst soll die Frage geprüft werden, welchen semantischen Gehalt i m Sinne der Begriffsbestimmung 1.4 und 1.5 der Gleichheitssatz hat. Soweit der Gleichheitssatz nach der 6. Bedingung 4.9 auch das Verhalten des Gesetzgebers normiert, kann er sowohl als Norm (d. h. als Verhaltensregel) aufgefaßt werden, die es verbietet, Gesetze zu erlassen, die unbegründete Differenzierungen zur Folge haben, als auch als negative Geltungsregel, die von anderen Rechtsregeln aussagt, daß sie wegen Verfassungswidrigkeit nicht zur geltenden Rechtsordnung gehören. Es ist also festzustellen, welche anderen Rechtsregeln und welches Behördenverhalten m i t Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Da A r t . 3 Abs. 1 GG eine sprachlich formulierte Rechtsregel ist 2 , muß die Klasse der unvereinbaren Rechtsregeln und Behördenverhalten aufgrund der Wortbedeutungen der i n der Formulierung von Satz 10.1 verwendeten Ausdrücke feststellbar sein. Aus diesem Grund ist der durch die Definition 1.1, 1.4 und 1.5 festgelegte Begriff des Gehalts semantisch genannt worden. als Prinzip des mangelnden Grundes dahingehend formuliert wurde, daß verschiedene mögliche Fälle dann m i t Recht als gleich möglich anzusehen sind, w e n n kein G r u n d vorliegt, sie nicht für gleichwertig zu halten. Vgl. dazu K . Wellnitz, Moderne Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2. Aufl., Braunschweig 1966, S. 5. Ob es i m Verfassungsrecht einmal gelingt, die m i t dieser Fassung verbundenen Nachteile ähnlich zu überwinden, wie es i n der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie geschehen ist, bleibt abzuwarten. 2 I m Gegensatz etwa zu Verkehrszeichen. Bei ihnen ergibt sich zwar die Bedeutung der einzelnen Typen von Verkehrszeichen — etwa des Typs „ A l l gemeine Gefahrenstelle" (Bild 1) — aus der Anlage zur Straßenverkehrsordnung. Die Rechtsregeln, die durch ein aufgestelltes Verkehrszeichen den betreffenden Verkehrsteilnehmern erteilt werden, sind n u r äußerst schwer korrekt i n der Umgangssprache wiederzugeben. E i n Teil der dogmatischen V e r w i r r u n g u m die Rechtsnatur der Verkehrszeichen r ü h r t m. E. daher, daß man nie versucht hat, die semantische S t r u k t u r der durch Verkehrszeichen erteilten Rechtsregeln aufzudecken. Die Methode, m i t der der Versuch zur Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur unternommen w i r d , gleicht m i r der, die Chemiker anwenden würden, w e n n sie die Frage, ob A l k o h o l eine organische Säure ist, beantworten w ü r d e n aufgrund der Überlegung, daß A l k o h o l das ist, was Winzer u n d Schnapsfabrikanten produzieren, u n d Säure das, was auf der Zunge brennt.
§ 10 Die semantische Gehaltlosigkeit des Gleichheitssatzes
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D a i n der v o r l i e g e n d e n U n t e r s u c h u n g vorausgesetzt w i r d , daß es b e k a n n t sei, w a s d i e A u s d r ü c k e „ ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h h a n d e l n d e G e w a l t " u n d „ b e h a n d e l n " bedeuten, u n d die A u s d r ü c k e „ g l e i c h " u n d „ P e r s o n " d u r c h die F e s t l e g u n g 3.7, 4.10 u n d 4.2 m i t e i n e r ( f ü r die v o r l i e g e n d e U n t e r s u c h u n g ) h i n r e i c h e n d e n G e n a u i g k e i t b e s t i m m t sind, h ä n g t die B e s t i m m u n g des G e h a l t s des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ausschließlich v o n der B e d e u t u n g des A u s d r u c k s zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung ab. B e i d e m Versuch, diese B e d e u t u n g z u b e s t i m m e n , sei v o n v o r n h e r e i n zugegeben, daß eine B e s t i m m u n g n u r i n n e r h a l b d e r P l a u s i b i l i t ä t s - oder E v i d e n z g r e n z e e i n e r b e s t i m m t e n Rechtsgesellschaft e r f o l g e n k a n n . So f o r m u l i e r t ζ. B . das Bundesverfassungsgericht: „ D e r G r a d d e r zulässigen D i f f e r e n z i e r u n g b e s t i m m t sich nach d e n W e r t u n g e n , die i m R e c h t s b e w u ß t s e i n der k o n k r e t e n Rechtsgemeinschaft l e b e n d i g s i n d 3 . " Reduziert m a n die unnötig ideologisierte Sprache des Bundesverfassungsgerichts auf eine klare Sprache, so bleibt nichts übrig als die fast selbstverständliche Feststellung, daß (hier u n d heute) diejenigen Differenzierungen zulässig sind, die (hier und heute) für zulässig erachtet werden 4 . So ist beispielsweise die Differenzierung zwischen Sklaven und Freien 5 , zwischen Grundherren und Leibeigenen 6 oder zwischen steuerlich Exemptionsprivilegierten und anderen Untertanen 7 heute nicht mehr zulässig, w e i l die für sie gegebenen Begründungen ihre Plausibilität eingebüßt haben. 3 BVerfGE 1, 208 (249). Vgl. auch BVerfGE 9, 338 (349). Ebenso G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 230; H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 113; L. Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz i m Privatrecht, S. 78; K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 214; R. Zippelius, Wertungsprobleme i m System der Grundrechte, S. 39. Z u dem Ausdruck „Wertung" vgl. oben § 4 A n m . 37 u n d A. Podlech, Wertungen u n d Werte i m Recht, passim. 4 Der Satz ist infolge der Nichtbeachtung eines semantischen Problems u n korrekt. K o r r e k t müßte es heißen: „(Rechtliche) Anerkennung finden (hier u n d heute) n u r diejenigen Differenzierungen, die (hier u n d heute) für (rechtlich) zulässig erachtet werden." Ob diejenigen Differenzierungen, die (hier und heute) f ü r zulässig erachtet werden, es verdienen, zulässig erachtet zu werden, läßt sich korrekt n u r innerhalb einer Metatheorie über dem positiven Recht untersuchen. M a n beachte, daß zwar der reduzierte Satz Anlaß zu dieser K o r r e k t u r bietet (Frage: soll denn richtig sein, was f ü r zulässig erachtet wird?), nicht aber der völlig verschwommene Satz des Gerichts. 5 Begründung des Aristoteles für die Differenzierung: der Unterschied ist naturgegeben. Vgl. Aristoteles, Politica, I, 2 (1252 b). Vgl. dazu R. Dahrendorf, Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, S. 6. 6 Begründung der mittelalterlichen Kirchenlehre für die Differenzierung: die Leibeigenschaft ist Ausdruck der Verdammnis der Menschen als Folge der Erbsünde. Vgl. dazu I. Sundbom, Über das Gleichheitsprinzip als politisches u n d ökonomisches Problem, S. 19; sehr zurückhaltend jedoch Thomas von Aquin, Summa theologica I, 96, 1 u n d 2; dazu etwas deutlicher i n oben angeführtem Sinn A. Hoff mann, O. P., ebd. S. 395 f.; N. Cohn, Das Ringen u m das Tausendjährige Reich, Bern 1961, S. 180. E i n schönes Beispiel dafür, wie Gründe ihre Evidenz verlieren, findet sich bezüglich der Leibeigenschaft i m Sachsenspiegel, 2. Buch, 43. A r t . Z u r Übernahme des aristotelischen Topos und seiner Uberwindung vgl. auch die Ausführungen zum Verhältnis von Herr und Knecht bei G. W. Leibholz, Von der Glückseligkeit, S. 402 f. 7 Begründung des Suarez für die Aufrechterhaltung der Differenzierung: sie
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Jedoch ist die Berücksichtigung des zeitlichen Moments nicht ohne Problematik, wie die folgende Entscheidung des Bundessozialgerichts zeigt: BSG, Urteil vom 11. 6.1959 — 11/9 R V 130/57 — Der Unterschied zwischen Kriegsverwundeten, die zur Zeit ihrer V e r w u n dung f r e i w i l l i g i n der Waffen-SS gedient haben, u n d anderen Kriegsverwundeten ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Verwundeten dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der ersten Klasse bis zum I n k r a f t treten des Bundesversorgungsgesetzes (also bis zum 30. 9.1950) ein Anspruch auf Versorgungsrente nicht zusteht, während ein solcher Anspruch Gliedern der zweiten Klasse zusteht (BSGE 10, 64 [68]). Begründung F ü r die Zeit unmittelbar nach dem K r i e g (und möglicherweise n u r für diese Zeit) ist G r u n d der Differenzierung die besondere Bedeutung, die der SS i n der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus zugekommen ist. Die Frist der Plausibilität der gegebenen Begründung, die i m Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offensichtlich schon abgelaufen war, betrug w o h l n u r wenige Jahre. Wegen der Zeitbedingtheit der Entscheidung werde darauf verzichtet, die gegebene Begründung zu diskutieren. Jedoch legt die Kürze der Plausibilitätsfrist es nahe, die These von der Zeitbedingtheit der Plausibilitätsgrenzen, insofern durch sie diese Grenze gerechtfertigt werden soll, einmal prinzipiell zu überdenken 8 . I n n e r h a l b dieser B e g r e n z u n g s i n d b i s h e r verschiedene Versuche gem a c h t w o r d e n , z u b e s t i m m e n , w a s e i n die U n g l e i c h h e i t r e c h t f e r t i g e n d e r G r u n d ist. D i e klassische U m s c h r e i b u n g i s t b i s h e r d i e v o n Leibholz. Für i h n i s t d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g i m m e r d a n n zulässig, w e n n sie n i c h t w i l l k ü r l i c h i s t 9 . D a aber L e i b h o l z selbst feststellt, daß der W i l l k ü r b e g r i f f nicht eindeutig bestimmbar u n d formal durch ein K r i t e r i u m nicht abg r e n z b a r i s t 1 0 , i s t diese U m s c h r e i b u n g f ü r e i n e n Versuch, G e h a l t festzustellen, n i c h t b r a u c h b a r 1 1 » 1 2 . ist durch Vertrag entstanden u n d Verträge sind zu halten. Vgl. C. G. Suarez, Vorträge über Recht u n d Staat, S. 123. 8 Diese Überprüfung fällt aber nicht i n den Themenkreis der vorliegenden Untersuchung. Vgl. dazu A. Brecht, Politische Theorie, S. 11, bes. die dort A n m . 2 zitierte L i t e r a t u r u n d unten § 26. 9 G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 87. 10 Ebd., S. 87,183. 11 Kritisch zur Willkür-Interpretation A. Hamann, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über den Gleichheitssatz, S. 3; D. Haas, Freie E n t faltung der Persönlichkeit, DÖV 54, S. 71; Fr. Giese, Verfassungsrechtlicher Status des Abgeordneten i m Verfassungsstreit, Diätenkürzung bei Doppelmandat, AöR Bd. 81, S. 108. 12 Z u r Vermeidung von Mißverständnissen sei darauf hingewiesen, daß dieser Satz — u n d andere i h m ähnliche — keine Bewertung der behandelten Theorie darstellen. Da i n diesem Stadium der Untersuchung u n d auf G r u n d der bisher angewandten methodischen H i l f s m i t t e l ein U r t e i l darüber, ob „Gehalt" des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes überhaupt feststellbar ist, nicht möglich ist, darf i n der getroffenen Feststellung nicht zugleich eine Bewertung liegen. I m übrigen widerspricht es der vorliegend angewandten Methode, Feststellungen u n d Bewertungen i n einem Satz ausdrücken zu wollen.
§ 10 Die semantische Gehaltlosigkeit des Gleichheitssatzes
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V o m Bundesverwaltungsgericht i s t die F o r m e l d a h i n g e h e n d i n t e r p r e t i e r t w o r d e n , daß W i l l k ü r d a n n n i c h t v o r l i e g t , w e n n e i n v e r n ü n f t i g e r , aus der N a t u r d e r Sache f o l g e n d e r oder sachlich e i n l e u c h t e n d e r G r u n d gegeben i s t 1 3 . D a e i n aus der N a t u r der Sache f o l g e n d e r G r u n d w o h l i m m e r e i n sachlich e i n l e u c h t e n d e r G r u n d sein d ü r f t e u n d e i n sachlicher G r u n d w o h l i m m e r e i n l e u c h t e n d ü r f t e , l ä ß t sich diese F o r m e l a u f die k u r z e Fassung b r i n g e n : e i n zureichender G r u n d f ü r die U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist j e d e r sachliche G r u n d 1 4 . S y n o n y m v e r w e n d e t das B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t ( w i e auch das Bundesverfassungsgericht) die A u s d r ü c k e „ e i n l e u c h t e n d e r G r u n d " , „ g u t e r G r u n d " u n d a n d e r e 1 5 . D a unsachliche, u n v e r n ü n f t i g e , unzureichende, schlechte oder n i c h t einleuchtende G r ü n de es n i c h t v e r d i e n e n , G r ü n d e g e n a n n t z u w e r d e n , l a u t e t die v o m B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t tatsächlich v e r w e n d e t e F o r m e l : D i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist zulässig, w e n n e i n G r u n d v o r h a n d e n ist. D i e a n g e f ü h r t e n S a t z f o r m e l n s o l l t e n a u f d i e F r a g e A n t w o r t geben, w a n n v o n e i n e r Satzklasse gesagt w e r d e n k a n n , sie sei e i n (zureichender) G r u n d f ü r eine gegebene U n g l e i c h b e h a n d l u n g . Tatsächlich s i n d diese F o r m e l n aber k e i n e A n t w o r t e n , sondern n u r F o r m u l i e r u n g e n d e r F r a g e s t e l l u n g 1 6 . So ist es nicht verwunderlich, daß das Bundesverwaltungsgericht auf Grund seiner stereotypen Wendung, es lasse sich ein G r u n d für die Ungleichbehandlung finden, bisher n u r i n ganz wenigen Fällen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Satzung oder einen Verwaltungsakt wegen Verstoßes gegen A r t . 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig gehalten h a t 1 7 . Darunter standen auch Sachverhalte zur Prüfung, bei denen später v o m Bundesverfassungsgericht ein Verstoß gegen A r t . 3 Abs. 1 GG angenommen w u r d e 1 8 . N u r i n ganz wenigen Fällen
13 B V e r w G E 2, 151 (153). Vgl. dazu R. Schmidt, Natur der Sache und Gleichheitssatz, S. 402. 14 Kritisch H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 138 I V a. 15 Vgl. dazu die Zitate § 6 Anm. 1. 16 Entscheidbar auf Grund dieser Formulierung sind n u r die Fälle, i n denen sozusagen ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt, ζ. B. lag die rechtliche Problematik i n der Entscheidung „ v o n Rohdisch'scher Legatenfonds" (BVerfGE 15, 46) nicht beim Gleichheitsverstoß der Anlage zum 131-Gesetz, sondern bei der Frage, ob der Fonds eine Stiftung des öffentlichen Rechts w a r (BVerfGE 15, 46 [63—75]). War das bejaht, stellte sich die Ungerechtfertigtheit der Nichtaufnahme i n die Anlage sozusagen von selbst heraus. Eine nicht hierher gehörige Problematik bei der Anwendung des Gleichheitssatzes auf den vorliegenden Sachverhalt lag auf prozessualem Gebiet (BVerfGE 15, 46 [75—77]). 17 So z.B. B V e r w G E 1, 321 (327); 2, 224 (229), 349 (353). I n dem letzten F a l l ist es aber fraglich, ob die gerügte gesetzliche Bestimmung Klassen von Personen ungleich u n d damit möglicherweise auch verfassungsrechtlich ungleich behandelt. Vielmehr schließt das Gericht: Wenn χ die Befähigungsvoraussetzungen zu der Position A erfüllt, gebietet der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz anzuordnen, daß er auch die Befähigungsvoraussetzungen für die Position Β erfüllt. Bisher ist i n L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung der Gedanke, daß durch A r t . 3 Abs. 1 GG nicht n u r die Gleichbehandlung von Personen sondern auch von sozialen Positionen einer Person geboten sei, kaum aufgetaucht. Vgl. dazu jedoch unten § 24.
6 Podlech
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
f ü h r t das Bundesverwaltungsgericht die Gründe, die seiner Ansicht nach die Ungleichbehandlung zulässig machen, a n 1 9 . Daß die a n g e f ü h r t e n F o r m u l i e r u n g e n z u w e i t — also z u g e h a l t s a r m — sind, i s t v o m Bundesverfassungsgericht b e m e r k t w o r d e n . I n seinen B e g r ü n d u n g e n f ü g t es d e n ü b l i c h e n F o r m u l i e r u n g e n die E i n s c h r ä n k u n g h i n zu „ i n einer a m Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsw e i s e " 2 0 . Diese Z u f ü g u n g ist jedoch ebenfalls ungeeignet, die P r o b l e m a t i k e i n e r L ö s u n g n ä h e r z u b r i n g e n 2 1 . Gesucht w i r d eine U m s c h r e i b u n g des Gleichheitssatzes. G e l i e f e r t w i r d eine U m s c h r e i b u n g u n t e r V e r w e n d u n g des A u s d r u c k s „ G e r e c h t i g k e i t " 2 2 . N u n w i r d seit Piaton u n d Aristoteles 23 die G e r e c h t i g k e i t m i t H i l f e d e r G l e i c h h e i t b e s t i m m t 2 4 . Es l i e g t also 18 BVerfGE 14, 42 (53) (bezüglich B V e r w G E 8, 98 [103]); 19, 76 (84) (bezüglich BVerwG, U r t e i l v o m 27.11.1963, DVB1 64, 88); 19, 101 (111) (bezüglich B V e r w G E 12, 140 [151]). 19 Ganz anders ist die Praxis des Bundesfinanzhofs, der i n seinen neueren Entscheidungen die Gründe für eine f ü r zulässig erachtete Differenzierung genau anführt und diskutiert. 20 Vgl. dazu die Zitate oben § 6, A n m . 1; bes. BVerfGE 1, 264 (276); 2, 118 (119); 3, 58 (135 f.); 4, 219 (243 f.). Ebenso BayVerfGHE 2, 45 (47), 127 (139); 4, 219 (245); 8, 91 (102), 107 (111); 9, 27 (41), 109 (112); 14, 4 (8); 15, 59 (67). V ö l l i g aus seiner eigenen Argumentation heraus fällt das Bundesverfassungsgericht i n BVerfGE 4, 219 (246), wenn es dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechende Ungleichheiten für begründbar u n d damit für verfassungsmäßig hält. Dies hängt m i t dem v o m Gericht eingeführten Topos des weiten Ermessens des Gesetzgebers zusammen. Dazu unten § 11. Z u der zitierten Entscheidung vgl. H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 356. Vgl. auch Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 115 „Gleichheit ist hiernach Gerechtigkeit". Logisch kurios ist die Formulierung von P. Badura, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung i m sozialen Rechtsstaat, S. 398: „ A l s ,Bindung' des Gesetzgebers ist der Gleichheitssatz die Gerechtigkeit selbst." F ü r die Weimarer Verfassung ist die Gleichheitsproblematik ganz auf die Gerechtigkeitsproblematik zurückgeführt worden von E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz i m Sinne des A r t . 109 der Reichsverfassung, S. 10 ff. Kritisch hierzu Fr. Stier-Somlo, A r t . 109. Gleichheit vor dem Gesetz, S. 189 f. 21 Ebenso D. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 203; Η. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 118. 22 Z u r logischen Entbehrlichkeit von Ausdrücken w i e „Gerechtigkeit" u n d „ W e r t " i n Begründungszusammenhängen von Normensystemen vgl. K . Menger, Moral, W i l l e u n d Weltgestaltung, S. 19 f. I m übrigen gibt es i n letzter Zeit w o h l n u r zwei Arbeiten, i n denen der Ausdruck „Gerechtigkeit" i n einer überprüfbaren Weise verwendet w i r d . Die eine ist J. v. Kempski, Bemerkungen zum Begriff Gerechtigkeit. Deren Verwendung des Ausdrucks „Gerechtigk e i t " f ü h r t zu der unten § 39 skizzierten Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung. Die andere ist M. Kriele, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit. Beide Verwendungen des Ausdrucks „Gerechtigkeit" dürften dem Bundesverfassungsgericht k a u m vorgeschwebt haben. Vgl. auch A. Podlech, Grundrechte u n d Staat, S. 352, A n m . 87. 23 Platon, Politela (359 c) ; Aristoteles, Ethica Nicomachea, V, 2 (το μέν δίκαιον αρα το νόμιμον καί ίσον) (1129 a). Das Gerechtige ist folglich die Achtung vor dem Gesetz u n d bürgerlicher Gleichheit, V, 6 (1131 a). 24 Einige Beispiele unter Streuung der Standpunkte: Thomas von Aquin, Summa theologica, I I - I I , qu. 61, art 2, ad 2; Fr. Suarez, De iustitia disp. 49, 3 (entnommen J. Giers, Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suarez, Freiburg
§ 10 Die semantische Gehaltlosigkeit des Gleichheitssatzes
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e n t w e d e r e i n f ö r m l i c h e r Z i r k e l s c h l u ß v o r — n ä m l i c h dann, w e n n d i e U m s c h r e i b u n g b e g r i f f l i c h e r n s t g e m e i n t 2 5 i s t — oder es l i e g t eine V e r d e c k u n g der die E n t s c h e i d u n g t r a g e n d e n G r ü n d e v o r 2 8 — n ä m l i c h d a n n , w e n n die U m s c h r e i b u n g n u r als A p p e l l a n das G e r e c h t i g k e i t s g e f ü h l gemeint ist27. D a s E r g e b n i s dieses k u r z e n Ü b e r b l i c k s ist, daß d u r c h d i e A r b e i t s fassung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes k e i n e Klasse v o n möglichen Verhaltensweisen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gew a l t e i n d e u t i g als u n z u l ä s s i g ausgezeichnet w i r d . Dieses E r g e b n i s i s t i n s o f e r n n i c h t v e r w u n d e r l i c h , als w i e d e r h o l t d a r g e l e g t w o r d e n i s t 2 8 , daß es sich b e i d e n Menschenrechten u n d speziell b e i m a l l g e m e i n e n G l e i c h heitssatz u m i n h a l t s a r m e Sätze h a n d e l t , die, i n f o r m a t i o n s t h e o r e t i s c h gesehen, p r a k t i s c h gehaltsleere Sätze s i n d 2 9 . Eine ähnliche Auffassung v e r t r i t t das Bundesverfassungsgericht, w e n n es der Ansicht ist, daß der „konkrete Gehalt" des allgemeinen verfassungsrecht30 lichen Gleichheitssatzes erst zu bestimmen i s t . Das Gericht v e r t r i t t weiter die Ansicht, diesen Gehalt habe der Gesetzgeber „ f ü r bestimmte Lebensverhältnisse unter Berücksichtigung der für sie jeweils geltenden Gerechtigkeits-
1958, S. 176); E. Brunner, Gerechtigkeit, Zürich 1943, S. 29 ff.; H. Coing , G r u n d züge der Rechtsphilosophie, S. 111; H. Nef , Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 69 ff.; K . Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 90 ff. Weitere Nachweise bei W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 51 ff.; M. Krieie, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 90 f.; H. Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, S. 305, 308 f. 25 Ebenso H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 153, A n m . 142 zu BVerfGE 1, 264 (275 f.); W. Fuß, Gleichheitssatz und Richtermacht, S. 331. 26 Vgl. dazu W. Wertenbruch, Grundgesetz und Menschenwürde, K ö l n 1958, S. 96; M. Krieie, Offene u n d verdeckte Urteilsgründe, passim; Ν. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 63; K. Larenz, Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches Problem, S. 10; A. Ross, On L a w and Justice, S. 154; O. C. Jensen, The Nature of the Legal Argument, Oxford 1957, S. 1; Sp. Simitis, Z u m Problem einer juristischen Logik, i n : Ratio 3 (1960), S. 75. 27 Kritisch dazu P. Lerche, Rechtsprobleme der wirtschaftslenkenden V e r waltung, S. 487, A n m . 5; H. P. Ipsen, a.a.O., S. 132. 28 H. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit, S. 25; K . Menger, a.a.O., S. 40 f.; H. Nef, a.a.O., S. 105; W. Böckenförde, a.a.O., S. 79; E. Topitsch, Die Menschenrechte, passim; E. W. Fuß, Normenkontrolle u n d Gleichheitssatz, S. 565; D. Jesch, a.a.O., S. 203; R. Zippelius, a.a.O., S. 34; M. Krieie, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 93; Franz Klein, Z u m Begriff u n d zur Grenze der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 5 f.; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 118; N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 55 ; ders., Grundrechte als Institution, S. 173; W. Schaumann, Gleichheit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 722; K . Marschall, Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz i m Spannungsfeld zwischen demokratischem u n d rechtsstaatlichem Prinzip, S. 85 f.; R. Schmidt, Natur der Sache u n d Gleichheitssatz, S. 402. 29 Vgl. dazu oben Erläuterung zu Definition 1.1. Der oft gebrauchte Ausdruck „Tautologie" ist insofern nicht ganz richtig, als Tautologien j a aus logischen Gründen wahre Sätze sind. 30 BVerfGE 6, 273 (280); 7, 377 (404); 9, 3 (10 f.); 13, 225 (228). Vgl. dazu auch BVerfGE 3, 225 (240); 6, 55 (71); Leibholz/Rinck, Grundgesetz, A r t . 3 A n m . 6. 6*
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
gesichtspunkte" zu bestimmen 3 1 . Diese Ansicht führt erstens zu einem A u s legungszirkel. Sie ist durch folgende drei Sätze zu kennzeichnen: (1) Der Gleichheitssatz bindet den Gesetzgeber; (2) Den Gehalt des Gleichheitssatzes legt der Gesetzgeber fest; (3) Was den Gesetzgeber bindet, bestimmt also dieser selbst 3 2 . Diese Ansicht ist zweitens m i t der Arbeitsfassung des Gleichheitssatzes 10.1 nicht vereinbar. Sie r ü h r t w o h l daher, daß man annahm, die entscheidende Problematik des Gleichheitssatzes sei die Bestimmung der Vergleichsmerkmale, die es gestatten, Personen gleich zu nennen, woraus folge, sie müßten gleich behandelt werden. Durch die Bestimmung der verfassungsrechtlichen Gleichheit 6.3 ist aber klargestellt, daß die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung gar nichts damit zu t u n hat, ob Personen gleich sind — eine letztlich wegen mangelnder Korrektheit u n entscheidbare Frage. Die Problematik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes beruht, wie durch den Satz über die Problemäquivalenz von Klassenbildung u n d Ungleichheitsbegründung 9.11 klargestellt w i r d , ausschließlich darin, Gründe f ü r die Zulässigkeit für beabsichtigte oder gegebene Ungleichbehandlungen zu finden u n d zu entscheiden, ob die gefundenen Gründe zureichend sind. I n diesem Begründungszusammenhang ist für eine gestaltende Aufgabe des Gesetzgebers kein Raum.
Nach diesen Klarstellungen werde formuliert der 10.2 Satz über den fehlenden semantischen Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. Der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz i n der vorläufigen Fassung 10.1 hat kontextisoliert keinen semantischen Gehalt (oder den totalen Spielraum). Erläuterung Kontextisoliert bedeutet, daß Gehalt, der möglicherweise aus anderen (Verfassungs- oder sonstigen) Sätzen zu gewinnen ist, unberücksichtigt bleibt. Z u dem Ausdruck „totaler Spielraum" vgl. § 1 Anm. 3.
31 Ebenso G. Leibholz, a.a.O., S. 7. Dazu E. W. Fuß, a.a.O., S. 566; ders., Gleichheitssatz und Richtermacht, S. 330 f. Vielleicht auch H. Jahrreiß, Die staatsbürgerliche Gleichheit, S. 632. 32 Dies ist möglicherweise nicht die Ansicht des Gerichts. Wenn sie es aber nicht sein sollte, würde es sich empfehlen, weniger mißverständlich sprachliche Formulierungen zu verwenden. Deutlich w i r d dieser Auslegungszirkel auch bei der Auslegung des A r t . 12 GG. I n der „Apotheken-Entscheidung" hatte das Gericht ausgeführt, eine E i n schränkung der Berufswahl — durch den Gesetzgeber — sei n u r zulässig, soweit der Schutz besonders wichtiger („überragender") Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordere (BVerfGE 7, 377 [405]). I n der „Handwerksordnung-Entscheidung" hat das Gericht dann ausgeführt, der Gesetzgeber könne bestimmen, was Gemeinschaftsinteressen i n diesem Sinne seien (BVerfGE 13, 97 [107]). U n abhängig von der Frage, ob das Gericht m i t dieser zum Leitsatz erhobenen These seine vielleicht etwas zu extensive Interpretation der Berufsfreiheit zu recht wieder eingeschränkt hat, bleibt festzustellen, daß man nicht hoffen kann, m i t solchen, den Regeln der Logik widersprechenden Gründen zu einer brauchbaren Dogmatik der Grundrechte zu kommen. Vgl. dazu A. Podlech, a.a.O., S. 340 A n m . 3; W. Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz, S. 59.
§1
De
atische Gehalt des Gleichheitssatzes
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Begründung Semantischer Gehalt läßt sich f ü r einen Satz n u r angeben, w e n n semantischer Gehalt für alle i h n bildenden Ausdrücke angegeben werden kann. Der Ausdruck „zureichender G r u n d f ü r eine Ungleichbehandlung" läßt jedoch keine Entscheidung der Frage zu, was ein solcher G r u n d ist. Dieser Ausdruck verweist auf Kriterien, die außerhalb der Formulierung 10.1 liegen.
Die Frage, welche Bedeutung der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz trotz oder aufgrund dieses Ergebnisses hat, soll i n den folgenden Paragraphen erörtert werden. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, welche (negative) Bedeutung das vorstehende Ergebnis für die Interpretation des A r t . 3 Abs. 1 GG besitzt. Die Bedeutung läßt sich am besten an einer Folgerung aus Satz 10.2 ablesen. Diese Folgerung lautet: 10.3 Dem Art. 3 Abs. 1 GG ist kein materialer Maßstab für das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot zu entnehmen 33 . Das bedeutet für den praktischen Umgang m i t dieser Verfassungsbestimmung, daß bei ihrer Anwendung die hauptsächliche Arbeit nicht i n der Interpretation dieser Bestimmung und der Erwägung der i n ihr liegenden Gedanken besteht, sondern i n dem vom Wortlaut der Bestimmung weitgehend lösbaren Versuch, Kriterien dafür aufzustellen, was ein zureichender Grund ist. Dem methodischen Zugang zu dieser Fragestellung dienen die letzten Paragraphen des ersten Abschnitts, dem Versuch einer teilweisen A n t w o r t der übrige Teil dieser Untersuchung.
§ 11 D e r pragmatische Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes und die i h m entnehmbare Argumentationslastregel
I n einem aussagenlogisch formulierten extensionalen 1 Kontext ist jeder gehaltsleere Satz ohne Änderung des Gehaltes und des Wahrheitswertes des Kontextes zu streichen. Die Verbindung eines gehaltsleeren Satzes und eines sonstigen Satzes sagt nämlich dasselbe aus wie der sonstige Satz allein 2 . A u f Rechtsregeln, die verfassungsrechtlichen Bestimmungen entnommen sind, braucht diese logische Gesetzmäßigkeit nicht ohne weiteres anwendbar zu sein. Es besteht die Möglichkeit, daß (wenigstens einige) Grundrechtssätze eine von sonstigen Rechtsregeln abweichende Struktur besitzen 3 . Für A r t . 3 Abs. 1 GG ließe sich aufgrund der vor33 Vgl. dazu auch H. Aldag, Die Gleichheit vor dem Gesetze i n der Reichsverfassung, S. 38. 1 Vgl. dazu oben § 9 A n m . 28. 2 So L. Wittgenstein, Tractatus, Nr. 4.465. 3 Z u dieser Möglichkeit vgl. J. v. Kempski, V o m Sinn u n d Unsinn der G r u n d rechte, S. 67; E. Forsthoff, Der Dualismus von Rechststaat und Sozialstaat i m
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
läufigen Fassung 10.1 und des Ergebnisses 10.2 eine solche abweichende Struktur etwa i n folgender Formulierung finden: 11.1.1 Du, Gesetzgeber, überlege Dir, ob D u für eine beabsichtigte Differenzierung einen zureichenden Grund findest. Findest D u einen, darfst D u differenzieren, andernfalls nicht. 11.1.2 Du, Richter, überlege Dir, ob D u für eine Differenzierung, die Folge einer von D i r anzuwendenden oder D i r zur Kontrolle vorgelegten Rechtsregel ist, einen zureichenden Grund findest. Findest D u einen, hat die betreffende Rechtsregel Bestand, andernfalls nicht 4 . Die Besonderheit dieses Typs von Rechtsregeln liegt darin, daß die Rechtsregel nicht ausdrückt, was m i t ihr vereinbar ist oder nicht, sondern ein Verfahren anordnet, von dessen Ausgang abhängt, was m i t ihr vereinbar ist oder nicht 5 - e . Dieser Typ von Rechtsregeln läßt also dem Adressaten einen Spielraum eigener Entscheidung derart, daß er den Adressaten bei der Entscheidung an die Folgen des Ergebnisses seines eigenen Verhaltens bindet 7 . Da die m i t einer solchen Rechtsregel vereinbaren oder unvereinbaren Fälle erst aufgrund eines Verhaltens des Adressaten der Rechtsregel festgestellt werden können, die auf den Adressaten eines sprachlichen Ausdrucks bezogene Dimension der Sprache „pragmatisch" genannt wird 8 , werde der aufgrund eines solchen Verfahrens gewonnene Gehalt „pragmatischer Gehalt" genannt. Die korrekte Definition lautet: 11.2 Pragmatischer Gehalt einer Rechtsregel heißen die ihr vom Adressaten zu entnehmenden Anweisungen, aufgrund deren Befolgung festgestellt werden kann, welche Fälle mit der Rechtsregel vereinbar sind oder nicht. Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 576 f.; Κ . H. Strache, Das Denken i n Standards, B e r l i n 1968, S. 114 ff. 4 M a n verzeihe den n u r ausnahmsweise verwendeten saloppen Stil, der die abweichende S t r u k t u r plastisch machen soll. 5 Dieselbe S t r u k t u r hat A r t . 4 Abs. 1 GG i n der von A. Podlech, Das G r u n d recht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 40, v o r gelegten Arbeitsfassung des A r t . 4 GG. 6 Vgl. zu diesem Regel-Typ, der durch eine spezifische Rückkoppelung ausgezeichnet ist, D. Suhr, Ansätze zu einer kybernetischen Betrachtung von Recht u n d Staat, S. 204, 207, 214. 7 Durch diese Bindung unterscheidet sich dieser Regel-Typ von Rechtsregeln, die vage Ausdrücke enthalten oder ein Ermessen statuieren. 8 Die Pragmatik ist i n den neueren Sprachuntersuchungen gegenüber Sem a n t i k u n d Syntax vernachlässigt worden. A u f den Umstand, daß gerade Untersuchungen juristischer Sachverhalte die pragmatische Sprachdimension nicht vernachlässigen dürfen, hat hingewiesen H. Frank, Uber eine informationspsychologische Maßbestimmung der semantischen u n d pragmatischen I n formation, S. 37.
§1
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atische Gehalt des Gleichheitssatzes
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Erläuterung Pragmatischer Gehalt einer Rechtsregel ist an ein rechtliches Entscheidungsverfahren gebunden. Seine Abschichtung von möglichem semantischen Gehalt bringt zum Ausdruck, daß die Effektivität von Rechtsregeln nicht n u r V e r stehen (Interpretation) der Rechtsregeln voraussetzt, sondern auch autorisiertes Entscheiden aufgrund eines geregelten Verfahrens 9 .
Für A r t . 3 Abs. 1 GG heißt diese Anweisung, für rechtliche Differenzierungen Gründe für die Zulässigkeit dieser Differenzierung zu suchen. Dieser pragmatische Gehalt w i r d allerdings erst i n möglichen Gerichtsverfahren rechtlich aktuell. Das bedeutet, daß sich zwar auch alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen 10 überlegen sollen, ob es für beabsichtigte Differenzierungen Gründe gibt oder nicht. Geschieht dies aber nicht oder w i r d ein Gesetz mit differierender Folge auch dann verabschiedet, wenn kein Grund gefunden worden ist, so verstößt das betreffende Gesetz nicht schon allein deswegen gegen A r t . 3 Abs. 1 GG. Stellen die zuständigen Gerichte fest, daß rechtliche Differenzierungen einen zureichenden Grund besitzen, so nehmen sie die Gültigkeit der betreffenden Bestimmung auch dann an, wenn während des Gesetzgebungsverfahrens über die Gründe gar keine Überlegungen angestellt wurden oder die Differenzierung gar nicht bemerkt wurde. Die vorstehenden Ausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß A r t . 3 Abs. 1 GG eine Argumentationslastregel zu entnehmen ist. Der Ausdruck „Argumentationslast" werde wie folgt verwendet: 11.3 Argumentationslast zugunsten derer, die die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit einer rechtlichen Differenzierung rügen, heißt der Umstand, daß immer dann, wenn nicht mit einer für Argumentationen i m Grundrechtsbereich ausreichenden Plausibilität feststeht, daß die rechtliche Differenzierung verfassungsrechtlich zulässig ist, sie verfassungsrechtlich unzulässig ist 1 1 . Der Ausdruck „Argumentationslast" ist i m Zusammenhang der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle bezüglich des Gleichheitssatzes von E. W. Fuß eingeführt worden, ohne daß eine Wortgebrauchsregelung angegeben worden i s t 1 2 . I m K o n t e x t von Fuß ist m i t Argumentationslast i m Ergebnis aber nicht mehr ausgedrückt, als daß das Bundesverfassungsgericht — wie jedes andere Ge9 Vgl. dazu das unten i n § 42 angeschnittene Problem, daß zur Formulierung dieser rechtlichen Problematik möglicherweise effektive Logiken benötigt w e r den, „effektiv" verstanden i m Sinne von P. Lorenzen, Formale Logik, S. 93. 10 I n diesem Zusammenhang hat der Ausdruck „Person" die übliche u n d nicht die durch Definition 4.2 festgelegte Wortbedeutung. 11 Z u dem Wortgebrauch vgl. A. Podlech, a.a.O., S. 37 f. Z u den logischen Problemen der Argumentationslast vgl. unten § 42. 12 E. W. Fuß, Gleichheitssatz und Richtermacht, S. 331 f.; ders., Freiheit u n d Gleichheit des Parteiwirkens, S. 395; ders., Normenkontrolle u n d Gleichheitssatz, S. 600, 747. Der Ausdruck w i r d auch verwendet von P. Schneider, I n dubio pro liberiate, S. 286; H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 345.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
rieht auch — seine Entscheidungen begründen m u ß 1 3 . Die Argumentationslast von Fuß würde man daher besser Begründungslast nennen 1 4 .
Dieses hier „Argumentationslast" genannte Problem ist i n der bisherigen Rechtsprechung und Literatur anvisiert i n der Diskussion über den Ermessensspielraum des Gesetzgebers i m Hinblick auf Ungleichbehandlung. Die Gerichte nehmen für sich nur die Befugnis i n Anspruch, die Einhaltung der „äußeren Grenzen" dieses Spielraums zu überprüfen 1 5 . Diese Formulierung bedarf der Interpretation. Die gegebene Formulierung kann einmal prozessual i n dem Sinne verstanden werden, daß das Bundesverfassungsgericht wegen der besonderen Problematik der A n wendung des Gleichheitssatzes nur i n schwerwiegenden Fällen der Verletzung des Gleichheitssatzes Verfassungswidrigkeit annimmt. P. Schneider nennt diese Interpretation Einschränkung der Kognitionsbefugnis des Gerichts 16 . Die Formulierung kann jedoch auch dogmatisch dahingehend verstanden werden, daß Ungleichbehandlungen innerhalb des „Ermessensspielraums" zwar die betroffenen Personen ungleich i m Sinne der Begriffsbestimmung 3.7 (bzw. 4.10) trifft, diese Ungleichbehandlung aber kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, also nicht verfassungswidrig ist, die Betroffenen nicht verfassungsrechtlich ungleich i m Sinne der Begriffsbestimmung 6.3 behandelt. P. Schneider hat wohl dies Einschränkung der Tragweite des Ver fasung ssatzes genannt 17 . Zur Entscheidung zwischen beiden Interpretationsmöglichkeiten werde folgender Satz aufgestellt und begründet: 11.4 T r i f f t eine rechtliche Regelung Personen mit zureichendem Grund (in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts: nicht w i l l kürlich) ungleich, so bedeutet dies nicht, daß nur eine weniger schwerwiegende Verletzung des Gleichheitssatzes vorliegt, sondern 13 Vgl. § 30 BVerfGG; §§ 117 Abs. 2 Nr. 5, 122 Abs. 2 V w G O ; §§ 136 Abs. 1 Nr. 6, 142 SGG; §§ 105 Abs. 2 Nr. 5, 113 Abs. 2 FGO; § 313 Nr. 4 ZPO; §§ 60, 84 A r b G G ; § 275 Abs. 1 StPO; § 65 Abs. 1 Satz 2 BDO. 14 Es gibt zahlreiche Entscheidungen, i n denen bezüglich der Rüge einer Verletzung des Gleichheitssatzes die Pflicht zur Entscheidungsbegründung nicht hinreichend erfüllt w i r d . Vgl. ζ. B. folgende Entscheidung: BVerwGE, Urteil vom 5.11.1959 — I I I C 3.58 — Der Unterschied zwischen Aufbaudarlehensnehmern nach dem Lastenausgleichsgesetz, die verheiratet sind, u n d Aufbaudarlehensnehmern, die nicht verheiratet sind, ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Darlehensnehmern dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß außer den Gliedern der ersten Klasse auch deren Ehefrauen dadurch Schuldner werden, daß sie die Darlehensschuld gesamthänderisch übernehmen müssen (BVerwGE 9, 293 [295]). Begründung „Daß auch A r t . 3 GG nicht verletzt ist, bedarf keiner näheren Begründung" (ebd.). Vgl. auch die unten § 13 A n m . 8 zitierten Entscheidungen. 15 BVerfGE 3, 58 (135) ; st.Rspr. m i t Zustimmung der Literatur. 16 P. Schneider, a.a.O., S. 282. 17 Ebd.
§1
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daß die Personen nicht verfassungsrechtlich ungleich behandelt werden, also kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt. Begründung Die prozessuale Interpretation f ü h r t zu folgender dogmatischen Schwierigkeit. I h r zufolge gebietet der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz zwar, die betroffenen Personen gleich zu behandeln, zur Verfassungswidrigkeit führen Verstöße gegen dieses Gebot aber nur, wenn sie schwer sind. A r t . 3 Abs. 1 GG stellt i n dieser Interpretation also eine Verfassungsbestimmung dar, deren V e r letzung n u r teilweise Verfassungsverletzung wäre. Diesen Widerspruch vermeidet die dogmatische Interpretation 1 8 .
Die Frage, auf die die Argumentationslastregel antworten soll, kann nun so formuliert werden: Wie ist die Rechtslage, wenn (etwa durch das Bundesverfassungsgericht) zwar kein zureichender Grund für die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung auffindbar ist, aber auch kein Grund für die Unzulässigkeit der Ungleichbehandlung gefunden wird? Diese Frage w i r d entschieden durch folgenden 11.5 Satz über den pragmatischen rechtlichen Gleichheitssatzes
Gehalt des allgemeinen verfassungs-
Der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz i n der vorläufigen Fassung 10.1 enthält eine Argumentationslastregel i m Sinne der Definition 11.3 zugunsten derjenigen, die die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit einer rechtlichen Differenzierung rügen 1 9 . Dieser Satz läßt sich für die Praxis formulieren als 11.6 Regel Werden Personen einer gekennzeichneten Klasse rechtlich ungleich behandelt, so ist diese Differenzierung nicht bereits zulässig, wenn die Unzulässigkeit der Differenzierung nicht feststeht, sondern nur, wenn die Zulässigkeit der Differenzierung festgestellt werden kann 2 0 . 18 F ü r die prozessuale Interpretation P. Schneider, a.a.O., S. 382 f.; i m A n schluß an Z. Giacometti, Bundesstaatsrecht, S. 415. F ü r die dogmatische I n t e r pretation w o h l H. J. Rinck, Gleichheitssatz, W i l l k ü r v e r b o t und N a t u r der Sache, S. 526. 19 Argumentationslastregeln u n d Beweislastregeln sind insofern verwandt, als sie beide Vermutungen i m rechtstheoretischen Sinne sind. Vgl. dazu unten § 42. Die Unterscheidung zwischen beiden Klassen von Vermutungen fehlt bei Fr. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 526, A n m . 201. E r hat daher nicht bemerkt, daß gerade die Auffassung des Gleichheitssatzes als Vermutung i n der F o r m der Argumentationslastregel A r t . 3 GG Gehalt zu verleihen vermag. 20 Diese Regel befindet sich i n Übereinstimmung m i t B V e r w G E 7, 242 (250); 9, 97 (100). Diese Entscheidungen betreffen allerdings nicht A r t . 3 GG. Verallgemeinernd u n d zustimmend jedoch O. Bachof, Verfassungsrecht, V e r w a l tungsrecht, Verfahrensrecht, S. 122. Die gegenteilige Auffassung w i r d vertreten i n BSGE 6, 41 (47) (da W i l l k ü r nicht eindeutig feststeht, ist die Begründung
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Begründung für Satz 11.5 und 11.6 Die Verpflichtung f ü r normsetzende Organe und Verwaltungsbehörden, n u r begründbare rechtliche Differenzierungen vorzunehmen, u n d für Gerichte, n u r solchen differenzierenden Hoheitsmaßnahmen Wirksamkeit zu belassen, für deren Zulässigkeit Gründe angegeben werden können, ist eine durch Satz 8.2 u n d die vorläufige Fassung 10.1 plausibel gemachte normative Forderung des A r t . 3 Abs. 1 GG. Da nach Satz 10.3 A r t . 3 Abs. 1 GG kein materialer Maßstab zu entnehmen ist, bedeutet allein die Annahme der Sätze 11.5 u n d 11.6, daß diese Bestimmung wenigstens pragmatischen Gehalt hat u n d somit nicht i n justiziabel oder obsolet ist. A r t . 3 Abs. 1 GG enthält somit eine gerichtete Forderung nach rechtlicher Gleichheit 2 1 . Exkurs: Eine ergänzende Bemerkung
Da der Verfasser nun schon für zwei Grundrechte, nämlich für A r t . 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. I 2 2 GG die Ansicht vertreten hat, daß ihr jeweiliger Gehalt i n einer spezifischen Argumentationslastregel liegt, besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß diese Ansicht nicht etwa für alle Grundrechte vertreten wird. Eine ähnliche Struktur wie die beiden genannten Grundrechte dürfte allein noch Art. 2 Abs. 1 GG haben. Die dogmatische Gemeinsamkeit dieser drei Bestimmungen, die darin besteht, daß sie keinen semantischen, wohl aber pragmatischen Gehalt haben, kann hier nicht dargestellt werden 2 3 . Von allen anderen Grundrechtsbestimmungen läßt sich wohl nachweisen, daß sie zwar vage Ausdrücke enthalten und infolgedessen die Feststellung ihres semantischen Gehalts nicht einfach ist, daß es aber einen Kern allein semantisch (d. h. vom üblichen juristisch-umgangssprachlichen Wortgebrauch her) zu bestimmender Fälle gibt, die durch diese Bestimmungen als mit der Rechtsordnung unvereinbar ausgeschlossen werden. § 12 Arbeitsfassung des A r t . 3 G G und das Verhältnis seiner Absätze zueinander
Als Ergebnis des vorigen Paragraphen und i n Übereinstimmung m i t der Definition 6.3 des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich", der Definition 4.10 des Ausdrucks „Gleichbehandlung", der Definition 9.12 des Ausdrucks „gekennzeichnete Klasse" und der Argumentationslastregel 11.5, 11.3 werde die vorläufige Fassung 10.1 ersetzt durch die der folgenden Darstellung zugrundeliegende m i t A r t . 3 GG vereinbar); 11, 278 (287) (der Kläger müßte dartun können ...). Das Bundessozialgericht gibt jedoch für die von i h m seinen Entscheidungen zugrundegelegte Argumentationslastregel keine Begründung. 21 Vgl. dazu oben § 8. 22 Vgl. dazu A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, § 4. 23 Vgl. dazu ebd., § 25.
§ 12 Arbeitsfassung des A r t . 3 GG
12.1 Arbeitsfassung des Art. 3 GG
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1
(1) Die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt soll alle Personen einer gekennzeichneten Klasse gleichbehandeln 2 , es sei denn, es liege ein zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung vor. Gleichbehandlung liegt dabei genau dann vor, wenn die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt alle Personen der gekennzeichneten Klasse i n einer bestimmten Weise behandelt, wobei auch das Unterlassen einer bestimmten Behandlung eine Gleichbehandlung ist. Ungleichbehandlung liegt dabei genau dann vor, wenn die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt zwar mindestens eine, nicht aber alle Personen der gekennzeichneten Klasse i n einer bestimmten Weise behandelt. (2) Der Unterschied zwischen Personen männlichen und Personen weiblichen Geschlechts ist nie ein zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung. (3) Unterschiede i m Geschlecht, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat, der Herkunft, den religiösen und politischen Anschauungen sind nie ein zureichender Grund für Ungleichbehandlungen, die zugleich Benachteiligungen oder Bevorzugungen sind 3 . Aus dieser Fassung geht hervor, daß die Absätze 2 und 3 des A r t . 3 GG keine Rechtsnormen, d. h. selbständige Verhaltensanweisungen enthalten 4 . Sie stellen vielmehr verfassungsrechtliche Inhaltsbestimmungen negativer A r t des Ausdrucks „zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung" dar 5 . I n einer noch einzuführenden Terminologie 6 enthalten sie hinreichende negative Kriterien für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung. Da es also nur einen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gibt, werde i m folgenden auf die Zusatzbezeichnung „allgemein" für die Bezeichnung der mit A r t . 3 Abs. 1 GG gemeinten Rechtsregel verzichtet. I n den folgenden Paragraphen werden nur solche Probleme des zureichenden Grundes für eine Ungleichbehandlung erörtert, die durch die Bestimmungen des Abs. 2 und 3 nicht berührt werden. Zur Erläute1 Ä h n l i c h die (allerdings polemisch gemeinte) Formulierung bei R. Thoma, Ungleichheit u n d Gleichheit i m Bonner Grundgesetz, S. 457. 2 Z u dem Ausdruck „Behandlung" als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes vgl. H. Nef, Gleichheit u n d Gerechtigkeit, S. 76 ff. 8 Vgl. dazu oben Satz 4.8. 4 Diese Ansicht steht nicht i m Gegensatz zu der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, daß A r t . 3 Abs. 2 GG eine echte Rechtsnorm sei (BVerfGE 3, 225 [239]). F ü r das Gericht ist an dieser Stelle der Gegensatz zur echten Rechtsn o r m der nicht justiziable Rechtssatz. I n der vorliegenden Interpretation ist Abs. 2 definitorischer Bestandteil der aus Abs. 1 zu entnehmenden Rechtsregel. 5 So auch BVerfGE 3, 225 (240); B G H Z 11, 34* (59*); H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 120,145 f. 6 Vgl. dazu unten § 14.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
r u n g d e r A b s . 2 u n d 3 u n d z u r E r h e l l u n g der e i n h e i t l i c h e n S y s t e m a t i k des A r t . 3 G G w e r d e n jedoch i m f o l g e n d e n k u r z noch e i n i g e P r o b l e m e der A b s ä t z e 2 u n d 3 b e h a n d e l t . A u s d e r F o r m u l i e r u n g d e r A r b e i t s f a s s u n g e r g i b t sich, daß e t w a A b s . 2 n i c h t gebietet, M ä n n e r u n d F r a u e n gleich z u b e h a n d e l n , oder A b s . 3 n i c h t gebietet, E i n h e i m i s c h e u n d V e r t r i e b e n e gleich z u b e h a n d e l n 7 . A b s . 2 v e r b i e t e t l e d i g l i c h , d e n U n t e r s c h i e d zwischen M a n n u n d F r a u ( u n g e n a u u n d sprachlich unschön, aber k u r z „Geschlechtsunterschied" g e n a n n t ) als G r u n d e i n e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g zuzulassen. A l l e r d i n g s i s t z u beachten, daß b e i m a n c h e n der als P r o b l e m des A r t . 3 A b s . 2 G G b e h a n d e l t e n F ä l l e eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g zwischen M ä n n e r n u n d F r a u e n g a r n i c h t v o r l i e g t . E i n solcher F a l l i s t ζ. B . d e r des Mutterschutzes 8. Die nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes 9 gleichbehandelte Klasse ist die Klasse werdender u n d stillender M ü t t e r und von Wöchnerinnen 1 0 , soweit sie i n einem Arbeitsverhältnis stehen. Die gekennzeichnete Klasse dieser Klasse ist die Klasse aller Zivilpersonen, soweit sie i n einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Restklasse der gleichbehandelten Personen ist die Klasse aller Zivilpersonen i n einem Arbeitsverhältnis, soweit sie nicht werdende oder stillende M ü t t e r oder Wöchnerinnen sind, einschließlich aller anderen weiblichen Personen. Weder unter den klassenbildenden Merkmalen noch unter den G r ü n den f ü r die Zulässigkeit der durch das Mutterschutzgesetz angeordneten D i f ferenzierungen kommt das Prädikat „weiblich" vor. F ü r A r t . 3 A b s . 2 G G einschlägig s i n d a l l e i n die F ä l l e , i n denen i n n e r h a l b der gekennzeichneten Klasse nach m ä n n l i c h e n u n d w e i b l i c h e n P e r sonen u n t e r s c h i e d e n w i r d . A l s B e i s p i e l diene eine E n t s c h e i d u n g des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, Beschluß vom 31.1.1964 — V I I Β 37.63 — Gekennzeichnete Klasse: Arbeitnehmer i n Gast- und Schankwirtschaften. Behandelte Klasse: Weibliche Arbeitnehmer. Restklasse: Männliche Arbeitnehmer. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß den Inhabern von 7 Ungenau Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 117, der i n den Absätzen 2 u n d 3 „absolute Differenzierungsverbote" sieht, dann aber trotz der Absolutheit sachgemäße Differenzierungen zuläßt. M a n sollte durch solche Formulierungen die Fähigkeit der Sprache, nuancenreiche Sachverhalte wiederzugeben, nicht m u t w i l l i g zerstören. 8 Vgl. dazu BVerfGE 3, 225 (242); 6, 389 (423). I m Ergebnis stimmt das Bundesverfassungsgericht m i t der oben entwickelten Ansicht überein. Die Begründung m i t den „biologischen u n d funktionalen" Eigenarten der Frau ist jedoch geeignet, die Interpretation des A r t . 3 Abs. 2 und 3 GG zu verunsichern. 9 Jetzt Mutterschutzgesetz v o m 18. 4.1968 (BGBl I S. 315). 10 A u f die Differenzierungen zwischen diesen Teilklassen, die sich bei stillenden M ü t t e r n und Wöchnerinnen überschneiden, braucht i m vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen zu werden.
§12 Arbeitsfassung des A r t . 3 GG
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Gast- u n d Schankwirtschaften nach § 17 Abs. 2 GaststättenG i n Verbindung m i t landesrechtlichen Vorschriften die Verpflichtung auferlegt w i r d , allein Personen der behandelten Klasse der zuständigen Behörde zu melden. (BVerwGE 18, 32 [33].) Begründung Weibliche Arbeitskräfte i n Schänk- u n d Gastwirtschaften unterliegen besonderen Gefahren i n sittlicher Beziehung, deren Bekämpfung die Meldepflicht dient (ebd. S. 34) 11 . Diskussion Eine Diskussion der Entscheidung soll hier nicht i m einzelnen erfolgen, insbesondere sollen die Fragen nicht erörtert werden, ob die tatsächlichen V e r hältnisse, von denen der Gesetzgeber der Jahre 1920 und 1930 ausgegangen ist, heute noch vorliegen, ob die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs gewahrt ist und ob die Meldepflicht ein geeignetes M i t t e l ist, den als bestehend unterstellten Gefahren zu begegnen. I m vorliegenden Zusammenhang ist n u r wichtig, daß innerhalb der gekennzeichneten Klasse nach dem Geschlecht differenziert w i r d . Würde die Bedeutung der Absätze 2 und 3 darin liegen, f ü r ihren Bereich eine nicht proportionale Gleichheit anzuordnen 1 2 , wäre die diskutierte E n t scheidung unter keinen Gesichtspunkten zu halten. Werden die i m folgenden entwickelten Gesichtspunkte angewandt, ist die Entscheidung n u r zu halten, wenn die oben kurz aufgeworfenen Fragen positiv beantwortet werden können 1 3 , 14.
Als Beispiel für A r t . 3 Abs. 3 GG seien die Differenzierungen angeführt, die zahlreiche Gesetze zur Regelung der Kriegsfolgen enthalten. Solche einschlägige Differenzierungen sind ζ. B. enthalten i n zahlreichen der i n § 11 Nr. 1 Bundesrückerstattungsgesetz vom 19. 7.1957 (BGBl I S. 734) aufgeführten Bestimmungen, i n § 1 Bundesentschädigungsgesetz i. d. Fassung vom 29. 6.1956 (BGBl I S. 562), § 3 Nr. 1 bis 3 a Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter A r t . 131 des Grundgesetzes fallenden Personen i. d. Fassung v o m 21. 8.1961 (BGBl I S. 1578), §§ 1 bis 4 Bundesvertriebenengesetz i. d. Fassung v o m 23.10.1961 (BGBl I S. 1883), §§ 12, 14, 228 Abs. 1 Nr. 1 u n d 3, 253—260, 291 Lastenausgleichsgesetz i. d. Fassung v o m 1.12.1965 (BGBl I S. 1946). Bei zahlreichen der i n diesen Bestimmungen vorkommenden Differenzierungen ist allerdings nicht leicht feststellbar, ob sie Differenzierungen etwa nach Abstammung, Rasse, Heimat, H e r k u n f t oder politischer Anschauung i m Sinne des A r t . 3 Abs. 3 GG sind. Die folgenden Bemerkungen gelten für den Fall, daß die Interpretation von A r t . 3 Abs. 3 GG u n d der einschlägigen Bestimmungen der zitierten Kriegsfolgengesetze zu dem Ergebnis führt, daß solche Differenzierungen vorliegen.
Werden ζ. B. Heimatvertriebene anders behandelt als andere kriegsbeschädigte Personen, so w i r d zwar möglicherweise nach dem Merkmal 11
A u f den Umstand, daß die Begründung als reine Zweckbegründung dem unten aufgestellten Satz 16.8 widerspricht, sei hier nur hingewiesen. 12 Vgl. dazu etwa H. P. Ipsen, a.a.O., S. 155. 13 Was m. E. nicht der F a l l ist. 14 Einer differenzierteren Begründung als i n BVerfGE 5, 9 (12) wäre auch die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen durch Arbeitszeitregelungen bedürftig. Problematisch auch BVerfGE 6, 389 (421 ff.).
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
„Heimat" differenziert, diese Differenzierung geschieht aber nicht „wegen" der unterschiedlichen Heimat, sondern deswegen, w e i l Schäden i m Zusammenhang der Vertreibung i n ihrer Eigenart (beeinträchtigte persönliche, Rechts- und Wirtschaftsgüter, Höhe und Umfang des Schadens, Beweisschwierigkeiten u. a.) anders sind als die übrigen Kriegsschäden und der Versuch des Schadensausgleichs auf diese Eigenart Rücksicht nehmen muß. Das heißt, daß i n einer möglichen Begründung für die Zulässigkeit einer Differenzierung nicht das Argument vorkommt „ w e i l sie aus Pommern oder dem Osten sind", sondern nur „ w e i l die erlittenen Schäden dieser oder jener A r t sind". Ähnliches gilt für das Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsrecht etwa für verfolgte Juden. Sie dürfen nicht anders behandelt werden, weil sie Juden sind, sondern nur deswegen, weil die Verfolgung des nationalsozialistischen Staates gegen Juden nach Umfang, Wahl der M i t t e l und Intensität sich von den anderen Verfolgungen unterschied und dieser Unterschied i m Wiedergutmachungsrecht berücksichtigt werden muß. Dieser Sachverhalt läßt sich allgemein fassen als 12.2 Regel A r t . 3 Abs. 2 und 3 GG verbieten der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt nicht, nach den i n diesen Absätzen genannten Merkmalen zu differenzieren. Sie verbieten vielmehr, etwaige Differenzierungen m i t diesen Merkmalen zu begründen 15 . Begründung Der Wortlaut des A r t . 3 Abs. 3 GG legt diese Interpretation insofern nahe, als er nicht Differenzierung nach Geschlecht, Abstammung etc., sondern n u r Differenzierung wegen Geschlecht, Abstammung etc. verbietet. Diese W o r t interpretation w i r d gestützt durch die i n der vorliegenden Untersuchung erarbeitete Systematik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, wie sie sich i n der Arbeitsfassung 12.1 ausdrückt.
Eine besondere Schwierigkeit bietet das doppelte Differenzierungsverbot zwischen Männern und Frauen und wegen des Geschlechts durch die Absätze 2 und 3. Gelegentlich w i r d eine der beiden Bestimmungen für überflüssig erklärt 1 6 . Vielleicht bietet die vorstehend vorgeschlagene Interpretation eine — i n der Arbeitsfassung 12.1 noch nicht berücksichtigte — Möglichkeit, beiden Differenzierungsverboten unterschiedlichen Gehalt zu entnehmen. Absatz 3 verbietet, Differenzierungen m i t dem Geschlecht der Betroffenen zu begründen. So ist es m. E. m i t Absatz 3 vereinbar, daß auf höheren Schulen allein Schülerinnen Koch- u n d Handarbeitsunterricht erteilt w i r d . Ob eine solche 15 Ebenso BVerfGE 2, 266 (240); 3, 225 (240); 5, 17 (21 f.); v. Mangoldt-Klein, a.a.O., A n m . V 3 c; vgl. auch V. Marty, Die politische Gleichberechtigung von M a n n u n d Frau nach deutschem und schweizerischem Recht, S. 26. 16 So ζ. Β. v. Mangoldt-Klein, a.a.O., V 2 a; V. Marty, a.a.O., S. 21.
§ 12 Arbeitsfassung des A r t . 3 GG
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Differenzierung heute gesellschaftspolitisch erwünscht ist, ist eine andere Frage.
Absatz 2 könnte man ein strenges Differenzierungsverbot bereits i n der Merkmalsbildung entnehmen. Dann allerdings muß der Bereich der „Gleichberechtigung" einen ausgrenzbaren Teil des gesamten rechtlich zu ordnenden Sozialbereichs bilden, soll i n Abs. 3 das Verbot, wegen des Geschlechts m i t Vor- oder Nachteilen zu differenzieren, nicht obsolet sein. Dieser Bereich umfaßt sicher den staatsbürgerlichen Bereich i m Sinne des A r t . 109 Abs. 2 WV, wohl auch den Bereich des Familien-, Gewerbe- und Berufszulassungsrechts einschließlich des Zulassungsrechts für den öffentlichen Dienst. Da diese Interpretationsfragen nicht i m Rahmen der vorliegenden Untersuchung liegen, soll es bei diesem Hinweis bleiben. Nach der Interpretation, wie sie sich i n der Arbeitsfassung 12.1 niedergeschlagen hat, empfiehlt sich folgende Prüfungsreihenfolge. Nachdem die gekennzeichnete Klasse festgestellt ist, muß geprüft werden, ob zwischen der behandelten Klasse und der Restklasse nach Merkmalen differenziert ist, die i n Art. 3 Abs. 2 oder 3 GG genannt sind. Ist das nicht der Fall, liegt die Problematik allein i m Bereich des Absatzes 1, die i m folgenden Abschnitt der vorliegenden Untersuchung weiterbehandelt wird. W i r d nach solchen Merkmalen differenziert, so ist zu prüfen, ob die Merkmalsbildung für die Begründung der Zulässigkeit der Differenzierung erheblich ist oder nicht. Ist sie erheblich, so ist die Differenzierung wegen Verstoßes gegen A r t . 3 Abs. 2 oder 3 GG unzulässig. Ist sie unerheblich, so ist nur festgestellt, daß die Differenzierung nicht wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG unzulässig ist. Ob sie überhaupt zulässig ist, richtet sich nach den allgemeinen Kriterien, die i m folgenden Abschnitt formuliert werden. Es gilt also folgende 12.3 Regel Ist die gekennzeichnete Klasse einschließlich der behandelten Klasse und der Restklasse festgestellt, so erfolgt die Prüfung des A r t . 3 Abs. 2 und 3 GG i n folgender Reihenfolge: 1. Nur wenn die behandelte Klasse und die Restklasse durch Merkmale getrennt sind, die in Art. 3 Abs. 2 oder 3 GG genannt sind, liegt ein Fall dieser Absätze vor. 2. Liegt eine solche Trennung vor, ist diese Differenzierung genau dann wegen Verstoßes gegen A r t . 3 Abs. 2 und 3 GG unzulässig, wenn die Merkmale, nach denen differenziert wird, zugleich Grund der Differenzierung sind 1 7 . 17 Folgt man dem oben gegebenen Hinweis auf das Verhältnis des Abs. 2 zu Abs. 3, muß die Regel 12.3.2 entsprechend geändert werden.
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
3. Ist die Differenzierung nicht schon nach der Regel 12.3.2 unzulässig, so hängt die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von den allgemeinen für die verfassungsrechtliche Gleichheit aufgestellten Kriterien ab. Erläuterung Nicht haltbar ist nach der gegebenen Regel die Ansicht von Η . P. Ipsen 18, der Richter könne eine durch Abs. 2 oder 3 zugelassene Differenzierung nicht unter Berufung auf Abs. 1 mißbilligen. Dies wäre n u r der Fall, w e n n Abs. 3 i n der Arbeitsfassung 12.1 zu lesen wäre: „Die Unterschiede und nur die Unterschiede i m Geschlecht, H e r k u n f t etc. sind kein zureichender G r u n d für U n gleichbehandlungen." F ü r eine solche Auslegung sprechen weder sprachliche noch systematische Gründe 1 9 .
§ 13 Schema der Gleichheitsprüfung
I m Fortgang der systematischen Untersuchung wurden bereits die Regeln angeführt, die bei einer korrekten Prüfung gegebener Bestimmungen oder hoheitlicher Anordnungen an A r t . 3 GG beachtet werden müssen. Es empfiehlt sich, das Schema dieser Prüfung einmal i m Zusammenhang darzustellen, wobei auf die Einzeluntersuchungen verwiesen sei. Ausgegangen werde dabei von folgendem Satz, der aus der Arbeitsfassung 12.1 folgt: 13.1 Die Feststellung der Vereinbarkeit einer Bestimmung (2.1) oder einer hoheitlichen Anordnung mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz i n der Arbeitsfassung 12.1 erfordert die Formulierung oder Feststellung 1. der behandelten Klasse (9.3), 2. der gekennzeichneten Klasse (9.12) und der Restklasse (im Sinne der Regel (9.8), 3. der Regelung, deren Folge die Ungleichbehandlung ist, 4. der Begründung der Zulässigkeit der Ungleichbehandlung, die Folge der rechtlichen Regelung ist 1 . Alle i m folgenden auf die Übereinstimmung mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz untersuchten rechtlichen Regelungen und Gerichtsentscheidungen, die Gleichheitsprüfungen vornehmen, werden in eine 18
Η . P. Ipsen, a.a.O., S. 156. Ungenau auch Β GHZ 11, 34* (58*); Η . P. Ipsen, a.a.O., S. 138; G. Beizke, Gleichheit von M a n n und Frau, S. 205. Α. A. als der durch die Regel 12.3 v e r tretenen auch G. Knöpfel, Die Gleichberechtigung von M a n n und Frau, S. 556 f. 1 Eine ähnliche Forderung stellen auf V. Weidner, Zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, S. 708; E. W. Fuß, Normenkontrolle und Gleichheitssatz, S. 566. 19
§ 13 Schema der Gleichheitsprüfung
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d e n F o r d e r u n g e n des Satzes 13.1 genügende e i n h e i t l i c h e Fassung gebracht, d i e b e r e i t s seit § 9 v e r w e n d e t w i r d . E h e Satz 13.1 e r l ä u t e r t w i r d , w e r d e als B e i s p i e l eine E n t s c h e i d u n g des Bundesverfassungsgerichts i n dieser F o r m a n g e f ü h r t . BVerfG, Beschluß vom 7. 7.1955 — 1 B v R 108/52 — Gekennzeichnete Klasse: Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung. Behandelte Klasse: F r e i w i l l i g Versicherte. Restklasse: Pflichtversicherte. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß bei einer E r höhung der Beitragssätze zu einem bestimmten Stichtag allein die Glieder der behandelten Klasse Nachzahlungen i n Höhe der neuen Sätze zu leisten haben. (BVerfGE 4,193 [204].) Begründung Die Schuld der Glieder der Restklasse ist bereits vor dem Stichtag i n bestimmter Höhe erwachsen (§§ 182—184 AnVG). Der Beitrag der Glieder der behandelten Klasse ist mangels einer Zahlungspflicht nie fällig. Die Gestaltungsmöglichkeit der Glieder dieser Klasse k a n n erst m i t der Zahlung selbst w i r k s a m werden (ebd.). Diskussion A u f eine Diskussion der Stichhaltigkeit der gegebenen Begründung werde verzichtet. Das gegebene Schema 2 e n t h ä l t v i e r T e i l e , die v i e r A u f g a b e n z u g e o r d n e t sind, d i e b e i e i n e r G l e i c h h e i t s p r ü f u n g , speziell b e i e i n e r Ü b e r p r ü f u n g v o n Gerichtsentscheidungen z u e r f ü l l e n sind. Z u B e g i n n s t e h t d i e A u f gabe, d e n gesetzlichen B e s t i m m u n g e n z u e n t n e h m e n , w e l c h e K l a s s e v o n P e r s o n e n g l e i c h b e h a n d e l t i s t u n d welches die gekennzeichnete K l a s s e 3 u n d d i e Restklasse sind. I m P r i n z i p i s t diese A u f g a b e r e i n logisch z u l ö sen. B e i S t e u e r - , R e n t e n - u n d Kriegsfolgengesetzen, d i e d u r c h zahlreiche N o v e l l e n u n d V e r o r d n u n g e n e r g ä n z t sind, b i e t e t es jedoch h ä u f i g e r h e b l i c h e S c h w i e r i g k e i t e n , d e n gesetzlichen B e s t i m m u n g e n diese K l a s s e n z u 2 Eine der wenigen Entscheidungen, i n der ein Sachverhalt i n eine der v o r stehend vorgeschlagenen F o r m gleichwertige gebracht wurde, ist B G H Z 13, 265 (313). 3 Besondere Schwierigkeiten bereitet die Feststellung der gekennzeichneten Klasse bei der Gleichheitsprüfung v o n Besoldungsvorschriften. I n den betreffenden Entscheidungen fehlt die Angabe der gekennzeichneten Klasse durchweg u n d sie ist aus den Entscheidungsgründen meist nicht rekonstruierbar. Vgl. z. B. BVerfGE 12, 326 (333 ff.); 13, 356 (363 ff.); 26, 72 (76 ff.), 100 (110 ff.), 116 (138 ff.), 141 (159 ff.), 163 (169 ff.). Z u beachten ist, daß die Angabe der Besoldungsgruppen Angabe v o n Rechtsfolgen ist, also unter Satz 13.1.3 fällt u n d die Angaben von Satz 13.1.1 u n d 2 nicht ersetzen kann. E i n Versuch, wenigstens die der Klassenbildung zugrundeliegenden tatsächlichen u n d rechtlichen V e r hältnisse zu beschreiben, ist gemacht bei BayVerfGHE 21,14 (20 f.).
7 Podlech
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
entnehmen 4 . Dementsprechend gibt es zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und oberster Bundesgerichte, i n denen nicht festgestellt wird, wem gegenüber jemand ungleich behandelt w i r d 5 oder gar, wer wem gegenüber ungleich behandelt wird 6 . Die zweite Aufgabe besteht darin, die rechtliche Regelung anzugeben, deren Folge die Ungleichheit ist 7 . I n dem gegebenen Schema enthält der Leitsatz diese Angabe. Leitsatz werde er deswegen genannt, weil er zugleich die normative Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Ungleichheit enthält. Das ist die Entscheidung, die dem Gericht abverlangt ist, die die Wissenschaft vorschlagen kann und von deren Wahrscheinlichkeit der Gesetzgeber ausgehen muß, wenn er die betreffenden Bestimmungen erläßt. Die dritte Aufgabe besteht i n der Angabe von Gründen für die i m Leitsatz ausgedrückte Entscheidung. Liegen bereits Gründe vor — i m Prozeß sind es meist solche von Verfahrensbeteiligten, i n der vorliegenden Untersuchung sind es meist die i n den Entscheidungsgründen formulierten Gründe —, so besteht die vierte Aufgabe i n der Diskussion dieser Gründe, d. h. i n einer möglichst rationalen Untersuchung der Schlüssigkeit und Evidenz der vorgebrachten Gründe. Regeln zur Bewältigung dieser Aufgaben w i r d vorwiegend der nächste Abschnitt der vorliegenden Untersuchung erarbeiten. I n Gerichtsentscheidungen fehlt gelegentlich auch dieser Punkt ganz 8 . I n anderen Fällen w i r d zwar dem Wortlaut nach eine Begründung gegeben, aber dieser Wortlaut verschleiert nur, daß keine Begründung gegeben ist. Dies ist ζ. B. der Fall i n einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. 4 Vgl. dazu etwa BVerfGE 23, 327 (328 ff.) und die folgende Entscheidung des BayVerfGH. 5 Es ist i n diesen Fällen also n u r eine Teilklasse der gekennzeichneten Klasse formuliert worden. So ζ. B. i n BVerfGE 3, 4 (10); 20, 52 (55), 312 (322); B V e r w G E 8, 211 (212); 19, 315 (321); korrekt ζ. B. BVerfGE 22, 349 (364), 387 (415 ff.). 8 Es fehlt die Formulierung beider Teilklassen. So ζ. B. i n B G H Z 6, 147 (155). 7 I n Entscheidungen, die an diesem Mangel leiden, fehlt meist auch die A n gabe der behandelten Klassen. Daß i n solchen Fällen die Begründung f ü r die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung v ö l l i g unzureichend sein muß u n d höchstens eine (rational) nicht diskutierbare emotional getroffene Billigkeitsentscheidung sein kann, ist offensichtlich. A n diesem schwersten Mangel leiden z . B . folgende Entscheidungen: BVerfGE 1, 14 (52, 55, 56); 4, 7 (18); B V e r w G E 19, 315 (321); BayVerfGHE 15, 29 (37). Dieser Mangel wiegt bei den beiden E n t scheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nämlich der „Südweststaat-Entscheidung" u n d der „Investitionshilfe-Entscheidung" u m so schwerer, als i n diesen beiden Entscheidungen i n eine äußerlich eingehende Prüfung eingetreten wurde u n d oft zitierte, grundlegende Ausführungen zum Gleichheitssatz gemacht wurden. Wie wenig solche allgemeinen Ausführungen Entscheidungen zu tragen vermögen, zeigt der aufgezeigte Mangel der Entscheidungsgründe8 So z.B. B V e r w G E 1, 200 (210); 2, 324 (327); 3, 127 (128); 8, 287 (288); 9, 293 (295); BSGE 14, 124 (127); B F H E 70, 270 (272); 79, 306 (308). Gelegentlich findet sich die Begründung f ü r die Zulässigkeit der Differenzierung jedoch nicht bei der Prüfung des A r t . 3 GG, sondern an anderer Stelle, so ζ. B. i n BVerfGE 20, 283 (294 f.). Vgl. dazu H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 353.
§ 13 Schema der Gleichheitsprüfung
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BayVerfGH, Entscheidung vom 17.10.1963 — V f 24 — V I — 63 — Bestimmungen: § 34 der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) v o m 17.10. 1962 (GVB1 S. 261); §§ 1, 2 Schwerbeschädigtengesetz (SchwBG) i. d. Fassung v o m 14. 8.1961 (BGBl I S. 1233). Gekennzeichnete Klasse: Prüflinge i n Staatsexamen, die Schwerbeschädigte m i t einer Erwerbsminderung von 70 %> oder mehr sind, oder die Heimkehrer sind, die nach dem 1.1.1953 zurückgekehrt sind. Behandelte Klasse: Zivilgeschädigte, die einen freien Beruf anstreben 9 . Restklasse: Heimkehrer, Kriegsgeschädigte oder Zivilgeschädigte, die eine Stelle i m öffentlichen Dienst oder ein privatrechtliches Arbeits- oder Angestelltenverhältnis anstreben. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Klassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein Gliedern der Restklasse generell (d. h. ohne Prüfung des Einzelfalles) die Prüfungsvorteile des § 34 A P O gewährt werden (BayVerfGHE 16,101 [110]). Begründung Die Klasse der Benachteiligten ist so klein, daß der Gesetzgeber sie vernachlässigen durfte, obwohl die aufgrund der Gesetzestechnik — Verweis der A P O auf das Schwerbeschädigtengesetz — eingetretene Benachteiligung durch Regelung der APO vermeidbar gewesen wäre (ebd. S. 111). Diskussion Die gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Differenzierung, sondern sagt aus, daß Differenzierungen nicht begründungsbedürftig sind, w e n n die Klasse der Benachteiligten hinreichend k l e i n i s t 1 0 . Das ist jedoch keine verallgemeinerungsfähige Regel 1 1 .
Bei der Begründung der Leitsätze ist jedoch zu beachten, daß entsprechend der Argumentationslastregel 11.5, 11.3 i n der Regel nur die Zulässigkeit einer Differenzierung begründungsbedürftig ist, nicht aber die Unzulässigkeit 12 . Ausnahmen von dieser Regel werden unten i n § 18 behandelt. Außerdem ist zu beachten, daß die Rüge der Verletzung des A r t . 3 GG i n Gerichtsverfahren oft so unschlüssig erfolgt, daß den Gerichten eine Pauschalverwerfung der Rüge gestattet sein muß 1 3 . Diese 9 Die Konstruktion, die zu der Teilklassenbildung führt, ist folgende. § 34 A P O gewährt die Vergünstigung Schwerbeschädigter. Schwerbeschädigte sind k r a f t Gesetzes die i n § 1 SchwBG genannten Personen. Schwerbeschädigte sind ferner die nach § 2 SchwBG durch Verwaltungsakt anerkannten Personen. Voraussetzung für die Gleichstellung nach § 2 SchwBG ist jedoch der Umstand, daß sich die betreffenden Personen u m einen Arbeitsplatz bemühen. Glieder der behandelten Klasse bemühen sich jedoch nicht u m einen Arbeitsplatz u n d sind daher nicht gleichstellungsfähig. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat diese K o n s t r u k t i o n seiner Entscheidung zugrunde gelegt. 10 Anders ausdrücklich BVerfGE 23, 327 (344). 11 Vgl. dazu unten Satz 18.4. 12 Vgl. dazu BVerfGE 4, 219 (246 ff.); 9, 291 (297 f., 299 f.); 13, 31 (37 f.); 19, 101 (111 f.); 20, 374 (377 f.), 379 (381 f.); 21, 292 (298 ff.); B F H E 89, 264 (274 ff.). 13 So auch O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, S. 17, 129. Fälle der Zulässigkeit eines solchen Verfahrens sind z. B. gegeben i n BVerfGE 5, 9 (12) ; BayVerfGHE 6, 21 (27).
7*
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Berechtigung der Pauschalverwerfung betrifft aber nur die Begründung i m Sinne der Forderung 13.1.4. Die Feststellungen 13.1.1 bis 13.1.3 müssen immer getroffen werden, w e i l erst dann die Relevanz der Rüge der Gleichheitsverletzung beurteilt und unter Umständen pauschal verneint werden kann. Bei der Formulierung eines Sachverhalts, der den Forderungen des Satzes 13.1 genügt, ergibt sich folgendes Problem. Die zur Prüfung stehenden rechtlichen Regelungen betreffen oft nicht Personen (im Sinne der Begriffsbestimmung 4.2), sondern Gegenstände oder normative Gebilde. Bauregelungen betreffen ζ. B. oft nicht unmittelbar Eigentümer, Besitzer, dinglich Berechtigte oder andere Personen, sondern Grundstücke, Bauteile, Abstände u. ä. Steuerrechtliche Regelungen betreffen ζ. B. oft Fristen, Abschreibungssätze, Bilanzposten u. ä. Da aber die positive Rechtsordnung, deren Bestandteil der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz ist, so strukturiert ist, daß jede rechtliche Regelung, die nicht unmittelbar Personen betrifft, i n einer eindeutigen Beziehung zu Personen steht, läßt sich jede rechtliche Regelung äquivalent als Regelung über Personen formulieren. Diese Voraussetzung werde i m folgenden Satz formuliert: 13.2 Jede rechtliche Regelung über beliebige Sachverhalte ist äquivalent einer rechtlichen Regelung über Personen 14 . Erläuterung Da Satz 13.2 die Begriffsbestimmung 4.2 voraussetzt, ist durch seine Geltung nicht die Frage mitentschieden, ob jede rechtliche Regelung eine Regelung über Zivilpersonen i m Sinne der Begriffsbestimmung 4.3 i s t 1 5 . Begründung Der begründbare Satz 13.2 werde nicht begründet, da er f ü r die vorliegende Untersuchung ausreichend i n t u i t i v einsichtig sein dürfte u n d seine Begründung umfangreiche rechtstheoretische Ausführungen bedingt. Z u den Problemen des Satzes vgl. die i m Fortgang des Textes gebrachte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
Die getroffene Festlegung, jede Ungleichbehandlung als Ungleichbehandlung von Personen zu formulieren, ergibt sich nicht notwendig aus der Begriffsbestimmung 6.3. Vielmehr ließe sich die Bestimmung 6.3 so formulieren, daß auch die Ungleichbehandlung von Gegenständen beliebiger A r t formulierbar wäre. Diese Umformulierung der Bestimmung 6.3 setzte allerdings erhebliche komplizierte logische Zurüstungen voraus. Die Gründe, weswegen i m folgenden jede rechtliche Ungleichheit als Ungleichbehandlung von Personen formuliert wird, sind erstens die lo14
Ä h n l i c h H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 46 V I I I . Vgl. dazu ders., Organschaft u n d juristische Person, 2. Bd., S. 261; Η . H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 84 f. 15
§ 13 Schema der Gleichheitsprüfung
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gische Einfachheit der erzielten Formulierungen und zweitens die leichtere Vergleichbarkeit der einzelnen Formulierungen. Als Nachteile ergeben sich dabei erstens eine gelegentliche Schwerfälligkeit der umgangssprachlichen Formulierungen und zweitens eine Abweichung vom Text der untersuchten Bestimmungen. Die sich aus dem ersten Nachteil ergebenden Verständnisschwierigkeiten des Lesers werden dadurch behoben, daß die gekennzeichnete Klasse ausdrücklich und äußerlich hervorgehoben formuliert wird. Der letztere Nachteil vermag deswegen nicht ausschlaggebend zu sein, weil ohnehin Bestimmungen ohne sprachliche Umformulierung eine Gleichheitsprüfung i n den allerseltensten Fällen zulassen. Als Beispiel für Satz 13.2, das zugleich auf ein systematisches Problem des Gleichheitssatzes hinweist, sei eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angeführt, die die unterschiedliche Sperrstunde für den Ausschank von Branntwein und von anderen Getränken betrifft. BVerwG, Urteil vom 24. 9.1965 — V I I C 39.63 — Gekennzeichnete Klasse: Inhaber von Gaststätten. Behandelte Klasse: Gaststätteninhaber, die die Konzession zum Ausschank auch von B r a n n t w e i n besitzen. Restklasse: Gaststätteninhaber, die diese Konzession nicht besitzen. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der behandelten Klasse entsprechend § 15 GaststättenG eine nach Getränkearten gestaffelte Sperrstunde auferlegt w i r d . (BVerwGE 22, 64 [66].) Begründung Die Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs rechtfertigt die Differenzierung (ebd.) 16 .
Die Problematik, die aus der Umformulierung dieser Entscheidung deutlich wird, liegt darin, daß streng genommen nicht Klassen von Gastwirten unterschiedlich behandelt werden, sondern die Gastwirte, insofern sie Branntwein verkaufen und sofern sie andere Getränke verkaufen 1 7 . Es liegt also keine Ungleichbehandlung von Personen, sondern von Hollen von Personen vor. Auf dieses Problem w i r d unten i n § 24 zurückgekommen. Die Arbeit, die i n Erfüllung der i n Satz 13.1 aufgestellten Forderungen geleistet werden muß, gliedert sich i n zwei methodisch verschiedene Teilarbeiten. Die Erfüllung der Forderungen 13.1.1 bis 13.1.3 geschieht durch logische Aufbereitung der gegebenen Bestimmungen oder der In16
Vgl. jedoch Satz 16.8. Logisch bedeutet dies, daß die gekennzeichnete Klasse m i t ihren T e i l klassen extensional zusammenfällt. 17
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Α. Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
terpretationen dieser Bestimmungen, die auf ihre Vereinbarkeit m i t dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz geprüft werden sollen. Diese A u f bereitung ist dann überflüssig, wenn die fraglichen Bestimmungen oder die Interpretationen dieser Bestimmungen sprachlich hinreichend genau formuliert sind. Solche Fälle sind bisher noch nicht vorgekommen. Die Erfüllung der Forderung 13.1.4 erfordert (auch) topische Argumentation. Beispiele für beide Arbeitsprozesse werden i m folgenden Abschnitt gebracht, der sich m i t der Frage nach möglichen Kriterien für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Differenzierungen befaßt.
Β. Kriterien für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung § 14 Themenstellung
Die Aufgabe, die jetzt i n Angriff genommen werden soll, besteht darin, Kriterien für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit rechtlicher Ungleichbehandlungen zu suchen. Aus dem Satz über den fehlenden semantischen Gehalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes 10.2 und 10.3 ergibt sich, daß diese Kriterien nicht aus A r t . 3 GG allein ableitbar oder mittels dieser Bestimmung allein begründbar sind. Solche Kriterien sind vielmehr erst das Ergebnis derjenigen Überlegungen, die anzustellen Gebot des Art. 3 GG aufgrund seines pragmatischen Gehalts i m Sinne der Begriffsbestimmung 11.2 ist. Die i n diesem zweiten Abschnitt der Untersuchung erarbeiteten K r i terien sind vorwiegend negativ und meist sehr abstrakt. Da erst durch die i m dritten Abschnitt beschriebenen Funktionen des Gleichheitssatzes geschichtlicher Gehalt i n die Diskussion des Gleichheitssatzes eingeführt wird, erscheinen die Darlegungen des zweiten Abschnitts ungeschichtlich. Aus folgenden Gründen ist dieser Gang der Untersuchung jedoch unschädlich und zweckmäßig. Nachdem i m ersten Abschnitt m i t großem Aufwand die gesamte Problematik des Gleichheitssatzes i n den Ausdruck „zureichender Grund einer Ungleichbehandlung" verlegt wurde, erscheint es angebracht, die Frage zu diskutieren, was solche Gründe sind oder nicht sind. Das verständliche Verlangen des Lesers auf Beantwortung dieser Frage kann deswegen schon an dieser Stelle erfüllt werden, w e i l sich herausstellen wird, daß die meisten die heutige Praxis beschäftigenden Fälle der Gleichheitsprüfung sich ohne den expliziten Rückgriff auf mittels der Funktionen eingeführten geschichtlichen Gehalt diskutieren lassen. Die geschichtliche Bedingtheit gerade dieses Umstandes w i r d ihrerseits innerhalb der Diskussion der bürokratischen Funktion des Gleichheitssatzes erörtert werden. Dort w i r d sozusagen nachträglich die i n den ersten beiden Abschnitten angewandte Interpretations- und systematische Konstruktionsmethode unter geschichtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Ein letzter Grund schließlich liegt darin, daß die sozialstaatliche Funktion und die Funktion zur Gewährleistung der Chancengleichheit nicht diskutierbar sind, ohne daß zuvor die Leistungsfähigkeit des pragmatischen Gehalts des Gleichheitssatzes erprobt wäre, die eben darin besteht, Kriterien zu finden und zu begründen.
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Die Kriterien für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung werden zweckmäßigerweise eingeteilt i n positive und negative und i n hinreichende und notwendige Kriterien. Positive Kriterien seien dabei Kriterien für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung und negative Kriterien solche für die Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung genannt. Hinreichendes Kriterium eines Umstandes werde ein solches genannt, bei dessen Vorliegen der Umstand immer gegeben ist. Das schließt nicht aus, daß er auch gegeben ist, wenn das K r i t e r i u m nicht vorliegt. Notwendiges Kriterium eines Umstandes werde ein solches genannt, ohne dessen Vorliegen der Umstand niemals gegeben ist. Das schließt nicht aus, daß er auch dann nicht gegeben ist, wenn das K r i terium vorliegt. Es gelten also folgende Definitionen: 14.1.1 Ein K r i t e r i u m heißt dann ein hinreichendes positives Kriterium, wenn aus dem Umstand, daß der durch das K r i t e r i u m beschriebene Sachverhalt vorliegt, immer folgt, daß die Ungleichbehandlung zulässig ist. 14.1.2 Ein K r i t e r i u m heißt dann ein notwendiges positives Kriterium, wenn aus dem Umstand, daß der durch das K r i t e r i u m beschriebene Sachverhalt nicht vorliegt, immer folgt, daß die Ungleichbehandlung unzulässig ist. 14.1.3 Ein K r i t e r i u m heißt dann ein hinreichendes negatives Kriterium, wenn aus dem Umstand, daß der durch das K r i t e r i u m beschriebene Sachverhalte vorliegt, immer folgt, daß die Ungleichbehandlung unzulässig ist. 14.1.4 Ein K r i t e r i u m heißt dann ein notwendiges negatives Kriterium, wenn aus dem Umstand, daß der durch das K r i t e r i u m beschriebene Sachverhalt nicht vorliegt, immer folgt, daß die Ungleichbehandlung zulässig ist. Erläuterung Wortsprachlich w i r d das Vorliegen eines hinreichenden Kriteriums auch durch die Fassung ausgedrückt „ I m m e r dann wenn . . . " . Entsprechend w i r d das Vorliegen eines notwendigen Kriteriums ausgedrückt durch „ N u r dann wenn..
Zwischen den angeführten vier Klassen von Kriterien besteht der durch den folgenden Satz ausgedrückte logische Zusammenhang: 14.2
Satz über die Beziehungen zwischen positiven und negativen Kriterien 14.2.1 Ein verneintes hinreichendes positives K r i t e r i u m ist genau ein notwendiges negatives Kriterium. 14.2.2 Ein verneintes notwendiges positives K r i t e r i u m ist genau ein hinreichendes negatives Kriterium.
§ 15 Die unterschiedliche Bedeutung des Gleichheitssatzes
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Erläuterung Z u m i n t u i t i v e n Verständnis des Satzes ist es zweckmäßig, sich klarzumachen, daß ein Wenn-dann-Satz hinreichende oder notwendige Bedingung ist, je nachdem, ob er von links nach rechts oder umgekehrt gelesen w i r d . Die beiden folgenden Sätze sind also äquivalent: „ I m m e r w e n n es regnet, ist der Boden naß" u n d „ N u r , w e n n der Boden naß ist, regnet es". Beweis Satz 14.2 folgt aus dem logischen Gesetz der Kontraposition 1 .
Der Satz über die Beziehung zwischen positiven und negativen K r i t e rien bietet die Möglichkeit, alle Kriterien unabhängig davon, ob etwaige Verneinungen den Sachverhalt oder die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung betreffen, als positives oder negatives K r i t e r i u m zu formulieren. I n der endgültigen Fassung der unten erarbeiteten Kriterien w i r d i n der Regel eine Formulierung gewählt werden, die ein hinreichendes K r i t e r i u m ausdrückt. Dabei ist zu beachten, daß sich die Kriterien der zulässigen Ungleichbehandlung ausschließlich auf die Problematik der Gleichbehandlung beziehen. Die Behauptung etwa, ein hinreichendes positives K r i t e r i u m der zulässigen Ungleichbehandlung liege vor, impliziere also nicht die Behauptung, alle sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen für die die Ungleichheit implizierende Rechtsregel seien gegeben. Da die Wortfassungen 14.1 zu I r r t u m Anlaß geben könnten, werde folgende Einschränkung formuliert: 14.3 Eine Aussage über Kriterien einer zulässigen Ungleichbehandlung impliziert keine Aussage über sonstige Gültigkeitsvoraussetzungen der die Ungleichheit implizierenden Rechtsregel. Erläuterung Satz 14.3 zusammen m i t Satz 16.8 ergibt die These der gegenseitigen Unableitbarkeit v o n sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen einer Regel u n d Z u lässigkeitsbegründung der von der Regel implizierten Ungleichheit. § 15 D i e unterschiedliche Bedeutung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes für verschiedene Bereiche hoheitlichen Handelns
Die Problematik der zulässigen Ungleichbehandlung stellt sich verschieden, je nachdem, ob das hoheitliche Handeln rechtlich unprogrammiert (nicht [durch-] normiert, partiell ungeregelt) oder rechtlich programmiert (durchnormiert, durchgeregelt) ist. Ersteres t r i f f t weitgehend zu für den Fall der Gesetzgebung, aber auch für Bereiche der gesetzesfreien Verwaltung, letzteres für die gesetzesausführende Verwaltung. 1
R. Carnap , Einführung i n die symbolische Logik, L 8—6 i (2) (3).
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
I n n e r h a l b des Bereichs der gesetzesausführenden V e r w a l t u n g s t e l l t sich d i e P r o b l e m a t i k d e r zulässigen U n g l e i c h b e h a n d l u n g w i e d e r verschieden, j e nachdem, ob d i e V e r w a l t u n g d u r c h Z w e c k p r o g r a m m e oder d u r c h K o n d i t i o n a l p r o g r a m m e geregelt i s t 1 . D i e P r o b l e m a t i k dieser e i n z e l n e n F ä l l e w e r d e j e t z t k u r z aufgerissen, w o b e i m i t d e r K o n d i t i o n a l p r o g r a m m i e r u n g b e g o n n e n w e r d e , w e i l sich f ü r sie die G l e i c h h e i t s p r o b l e m a t i k a m einfachsten s t e l l t . Konditionalprogramme h a b e n die logische S t r u k t u r e i n e r h i n r e i c h e n d e n B e d i n g u n g : I m m e r d a n n , w e n n das oder das v o r l i e g t , s o l l (soll n i c h t , darf) der N o r m a d r e s s a t dies oder jenes t u n . E i n e t w a s k o m p l i z i e r t e r e s B e i s p i e l ist der U n f a l l v e r s i c h e r u n g s r e c h t s s a t z 2 : 1.0 1.1 1.2 1.31 1.32
Immer wenn jemand, der eine der i n § 539 RVO bezeichneten Tätigkeiten ausübt, einen Arbeitsunfall (§§ 548 ff. RVO) erleidet u n d dadurch ein Schaden durch Körperverletzung, Tötung oder Beschädigung eines Körperersatzstückes oder eines gleichgestellten Gegenstandes entsteht (vgl. §§ 548 Abs. 3, 589 RVO), 2.0 leistet 2.1 der Versicherungsträger (§§ 646 ff. RVO), 2.21 dessen M i t g l i e d der Unternehmer ist (§ 658 Abs. 1 RVO), f ü r dessen Rechnung die Tätigkeit (1.2) geht (§ 658 Abs. 2 RVO) 2.22 Ersatz des Schadens (1.32) nach Maßgabe der §§ 556 ff., 570 ff., 589 ff., 603 ff. RVO.
Konditional programmiertes Handeln v o n Behörden w i r d meist „geb u n d e n e V e r w a l t u n g " g e n a n n t 8 . D i e B e g r ü n d u n g f ü r die Z u l ä s s i g k e i t v o n D i f f e r e n z i e r u n g e n , die sich aus der D u r c h f ü h r u n g k o n d i t i o n a l e r P r o g r a m m e e r g i b t , l i e g t d a b e i v o r n e h m l i c h i n d e m P r o g r a m m selbst. Ordnet ζ. B. § 545 Abs. 1 RVO an, daß sich Haushaltungsvorstände u n d ihre Ehegatten i m Gegensatz zu sonstigen Unternehmern nicht f r e i w i l l i g i n der gesetzlichen Unfallversicherung versichern können, so reicht für die zuständige Berufsgenossenschaft die Berufung auf diese Bestimmung als Begründung f ü r ihre differenzierende Behandlung dieser beiden Teilklassen der Unternehmer aus. 1 Z u m Unterschied beider Programmierungsarten u n d zum Nachweis, daß es n u r diese beiden A r t e n gibt, vgl. N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, S. 231, 282; ders., Lob der Routine, S. 7 ff.; ders., ö f f e n t l i c h rechtliche Entschädigung, S. 30 ff.; ders., Grundrechte als Institution, S. 178; ders., Recht und Automation i n der öffentlichen Verwaltung, S. 36. Vgl. dazu auch A. Ross, On L a w and Justice, S. 170 ff.; K . Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 160,195 ff. 2 Z u r Formulierung dieses Rechtssatzes vgl. A. Podlech, G i l t i n der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung das Territorialprinzip?, N J W 63, S. 1142. 3 Vgl. dazu E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 88; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 31 I b. Die Ausdrücke „konditional programmierte V e r w a l t u n g " u n d „gebundene V e r w a l t u n g " haben jedoch n u r teilweise dieselbe Bedeutung.
§15 Die untersichiediliche Bedeutung des Gleichheitssatzes
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Dabei ist es der Konditionalprogrammierung nicht eigen, daß sie keine unbestimmten Gesetzesbegriffe enthält 4 . Jedoch schließt das Vorkommen von Zweck-Begriffen das Vorliegen einer reinen Konditionalprogrammierung aus 5 . Solche Zweckbegriffe sind ζ. B. „öffentliches Wohl", „geordneter Gang der Verwaltung", „geordnete Entwicklung des Gemeindegebietes", „öffentliche Sicherheit". Dazu kommen negative Zweckbegriffe wie ζ. B. „Schädigung der Natur", „Beeinträchtigung des Landschaftsbildes" 6 . Derselbe Ausdruck k a n n i n verschiedenen Kontexten Zweckbegriff u n d sonstiger unbestimmter Gesetzesbegriff sein. So ist ζ. B. der Ausdruck „Gesundheit" i n § 12 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein Zweckbegriff, i n § 823 Abs. 1 B G B nicht.
Der Umstand, daß bei Konditionalprogrammen der Grund für die Zulässigkeit von Differenzierungen, die Folge der Ausführung dieser Programme ist, das Programm selbst ist, hat zur Folge, daß Gleichheitsprobleme fast ausschließlich i n der Fragestellung auftauchen, ob eine allgemeine Rechtsregel (eine Gesetzes-, Verordnungs- oder Satzungsbestimmung) mit A r t . 3 GG vereinbar ist. Dieser Sachverhalt läßt sich so formulieren: 15.1 Der Umstand, daß die Ausführung einer konditional programmierenden — selbst m i t A r t . 3 GG vereinbaren — Rechtsregel eine bestimmte Ungleichbehandlung bedingt, ist hinreichendes K r i t e r i u m dieser Ungleichbehandlung 7 . Begründung Satz 15.1 ergibt sich unmittelbar aus dem Grundsatz der Gesetzesgebundenheit der V e r w a l t u n g (Art. 20 Abs. 3 GG)8. Erläuterung M a n beachte, daß Satz 15.1 n u r f ü r konditionale Programme formuliert ist. F ü r Zweckprogrammierungen gilt der abweichende Satz 16.8.
Die Rechtsordnung enthält außer Konditionalprogrammen auch Zweckprogramme. Ein Zweckprogramm ist ein solches, das einen zu erreichenden Zweck oder ein zu erreichendes Ziel 9 umschreibt und der programmausführenden Stelle 1 0 die Wahl der M i t t e l innerhalb eines beschriebenen 4 So z. B. H. J. Wolff, a.a.O.; N. Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 283. 5 Kombinierte Konditional-Zweckprogramme sind ζ. B. die Gefährdungsstraftatbestände w i e § 109 e Abs. 1 StGB, § 39 Abs. 1 WassHaushG. 6 Die Beispiele sind der A u s w a h l unbestimmter Gesetzesbegriffe entnommen, die H. J. Wolff, a.a.O., aufführt. 7 Ebenso N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 59; ders., Grundrechte als Institution, S. 170. Vgl. dazu Fr. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 331 f. 8 Vgl. dazu B G H Z 38, 221 (225). 9 Z u m Unterschied dieser Ausdrücke vgl. unten Satz 16.1. 10 Das k a n n die V e r w a l t u n g sein, aber auch die Regierung, die Verordnungen erläßt. I n diesem F a l l stellt A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG die Minimalbedingungen
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
R a h m e n s f r e i s t e l l t . I m V e r w a l t u n g s r e c h t w i r d i n diesem F a l l meistens v o n E r m e s s e n s - V e r w a l t u n g gesprochen 1 1 . E i n e typische Z w e c k p r o g r a m m i e r u n g s t e l l t § 14 p r P V G d a r : 1.0 1.1 1.11 2.0 2.1 2.11 2.12 2.13
Z u m Zweck, von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Ordnung u n d Sicherheit bedroht sind, haben die Polizeibehörden Maßnahmen zu treffen, die zur Erreichung des Zweckes (1.1) notwendig sind, i m Rahmen der geltenden Gesetze liegen u n d durch die §§ 15 ff., 18 ff. pr. P V G näher umschrieben sind.
Logisch gesehen haben die Zweckprogramme die S t r u k t u r : n u r dann, w e n n . . . s o l l . . . Das Typische der Zweckprogrammierung folgt jedoch (im Gegensatz zu den Konditionalprogrammen) nicht aus ihrer logischen S t r u k t u r 1 2 , sondern aus der Verwendung von Zweck- oder Zielbegriffen 1 3 . Das V e r h a l t e n d e r B e h ö r d e n i n A u s f ü h r u n g v o n Z w e c k p r o g r a m m e n w i r f t spezifische G l e i c h h e i t s p r o b l e m e a u f 1 4 . Das w i c h t i g s t e dieser P r o b l e m e , n ä m l i c h d i e Frage, ob d e r Z w e c k (das Z i e l ) eine U n g l e i c h h e i t r e c h t f e r t i g t , w i r d i n § 16 a u s f ü h r l i c h b e h a n d e l t . E i n anderes G l e i c h h e i t s p r o b l e m z w e c k p r o g r a m m i e r t e n V e r h a l t e n s i s t das d e r S e l b s t b i n d u n g d e r f ü r die Zweckprogrammierung auf. Diese Verfassungsbestimmung k a n n sogar als Legaldefinition einer solchen Programmierung aufgefaßt werden: Genau dann, w e n n eine Klasse von Rechtsregeln Verhalten dadurch regelt, daß I n halt, Zweck u n d Umfang des Verhaltens umschrieben werden, liegt Zweckprogrammierung vor. Ä h n l i c h Κ . A. Bettermann, Rechtsgleichheit u n d Ermessensfreiheit, S. 84. Vgl. auch H. J. Müller, Das Ermessen i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichst, S. 123, 126, u n d BVerfGE 8, 274 (325); 9, 137 (147); B V e r w G E 2, 114 (116). Die Kontroverse u m die Ermessenslehre w ü r d e durch die Einführung der Luhmannschen Unterscheidung eine solide rechtstheoretische Grundlage erhalten. Die fehlende Unterscheidung f ü h r t besonders bei Η. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 200 ff., zu einseitigen Ergebnissen. Beide Fälle von Programmierungen bedürfen getrennter Kriterien. 11 Vgl. dazu E. Forsthoff, a.a.O., S. 74 ff.; H. J. Wolff , a.a.O., § 31 I I . Vgl. j e doch die Bemerkung oben § 15 A n m . 3, u n d N. Luhmann, Recht u n d A u t o m a t i o n i n der öffentlichen Verwaltung, S. 39 f. Einen weiten Bereich zweckprogrammierten Handelns stellt verwaltende Tätigkeit i m Bereich der Das einsVorsorge dar. Vgl. dazu E. Forsthoff, Die Daseinsvorsorge u n d die Kommunen, S. 113 ff.; P. Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d sozialen Rechtsstaat, S. 20 ff. 12 Es gibt nämlich rechtliche „Nur-dann-wenn-Sätze", die keine Zweckprogrammierung darstellen, sondern Verhaltensbeschränkungen. 13 Vgl. dazu H. J. Wolff, a.a.O., § 31 I I b 4: „Die Einräumung von Ermessen berechtigt zu selbständigen Zweckmäßigkeitserwägungen. Diese Erwägungen hat die Verwaltungsbehörde i n ihren Entscheidungen ersichtlich zu machen. N u r dann ist eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung, ob von dem Ermessen i. S. des Gesetzes Gebrauch gemacht worden ist, möglich." 14 Vgl. dazu N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 32, 40 f., 63 f.; ders., Grundrechte als Institution, S. 170.
§ 16 Begründung d. Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch i h r Ziel 109
Verwaltung 1 5 . A u f dieses Spezialproblem werde i m folgenden nicht eingegangen 16 . Weder zweck- noch konditional-, d. h. überhaupt nicht programmiert ist i n der Regel die Tätigkeit des Gesetzgebers 17. SeinVerhalten ist nur insoweit inhaltlich geregelt, als die Verfassung bestimmte Zwecke oder Ziele oder die Wahl bestimmter M i t t e l ausgeschlossen hat. Außerdem ist i n bestimmten Fällen (z. B. Art. 1 Abs. 1, 2, 4 Abs. 2, 6 Abs. 1, und 5, 21, 26, 28 Abs. 3, 29, 33 Abs. 5 GG) die Verwirklichung von Zwecken oder Zielen vorgeschrieben. I m allgemeinen ist der Gesetzgeber jedoch rechtlich weder i n der Wahl der Ziele noch i n der Wahl der Mittel beschränkt 18 . Aus diesem G r u n d ist es irreführend, zu sagen, der Gesetzgeber führe die Verfassung aus. Diese Formulierung empfiehlt sich n u r bei programmiertem Verhalten. Insofern ist es zweckmäßig, den Ausdruck „rechtliche Programmierung" neben dem Ausdruck „rechtliche Regelung" zu verwenden. Die Klasse der rechtlichen Programmierungen ist eine Teilklasse der Klasse der rechtlichen Regelungen. Die Verfassung regelt rechtlich, sie programmiert (in der Regel) nicht.
Die Gleichheitsfrage stellt sich i n unprogrammierten Bereichen am schärfsten. Fast alle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Bundesgerichte, i n denen A r t . 3 GG geprüft wird, betreffen unprogrammierte Bereiche. Daher ist die folgende Untersuchung auch vorwiegend diesen Bereichen gewidmet. Soweit es möglich ist, werden die gewonnenen Ergebnisse jedoch so formuliert und begründet, daß sie auch für Bereiche der Zweckprogrammierung zutreffen. § 16 D i e Begründung der Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch ihr Z i e l
Es werde i m folgenden zwischen Zweck und Ziel unterschieden 1 . Für den Ausdruck Ziel gelte folgende Festlegung: 15 Vgl. dazu BVerfGE 18, 353 (363) u n d H. J. Mertens, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g auf G r u n d des Gleichheitssatzes. 16 F ü r die Interpretation des Gleichheitssatzes bieten die einschlägigen E n t scheidungen keine Besonderheiten. Der zureichende Grund f ü r die i n der A b weichung von der Verwaltungspraxis liegende Ungleichbehandlung muß i n der Besonderheit des Einzelfalles liegen. Vgl. dazu B V e r w G E 15, 196 (202 f.); 19, 48 (55); Fr, Ossenbühl, Die Verwaltungsvorschriften i n der verwaltungsgerichtlichen Praxis, S. 20. 17 Vgl. dazu N. Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 40 f. 18 Daher ist es fraglich, ob der Ausdruck „normativ-verbindliche Zielbestimmung" f ü r Bestimmungen w i e A r t . 15 GG oder die Sozialstaatsklausel (so H. P. Ipsen, Enteignung und Sozialisierung, S. 103) eine zweckmäßige Terminologie darstellt. 1 Vgl. dazu O. Weinberger, Studien zur Sollsatzlogik, S. 64, A n m . 12. Z u dem der folgenden Darstellung zugrundeliegenden Handlungsbegriff vgl. N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 87.
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
16.1 Ziel h e i ß t j e d e r beschriebene oder beschreibbare Z u s t a n d , d e r e r strebt w i r d . M i t Zweck k ö n n e n d a n n W e r t e (Postulate, V o r z u g s r e g e l n ) bezeichnet w e r d e n , w e l c h e Z i e l w a h l e n l e n k e n , ζ. B . Schönheit, G l ü c k , M o r a l i t ä t , F r i e d e , G e r e c h t i g k e i t u. ä. Es l ä ß t sich also sagen: 16.2 Zweck h e i ß t j e d e Regel, a u f g r u n d derer b e s t i m m t e Z i e l e a n d e r e n Z i e l e n vorgezogen w e r d e n . D e r A u s d r u c k Mittel men:
l ä ß t sich d a n n i n f o r m e l l f o l g e n d e r m a ß e n b e s t i m -
16.3 Mittel z u e i n e m gegebenen Z i e l h e i ß t j e d e r beschriebene oder b e schreibbare Z u s t a n d , d e r dadurch, daß m a n e i n e n gegebenen Z u s t a n d i n i h n ü b e r f ü h r t , das Z i e l z u r W i r k u n g h a t 2 . Z u r U n t e r s u c h u n g der Frage, ob das Z i e l , das m i t e i n e r r e c h t l i c h e n R e g e l u n g e r s t r e b t w i r d , z u r B e g r ü n d u n g der Z u l ä s s i g k e i t e i n e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g ausreicht, die F o l g e d e r rechtlichen R e g e l u n g ist, w e r d e v o n e i n e r E n t s c h e i d u n g des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen: BVerfG, Urteil vom 5. 4.1952 — 2 B v H 1/52 — Gekennzeichnete
Klasse: Wähler bei Bundestags- oder Landtagswahlen.
Behandelte Klasse: Wähler, die Kandidaten einer Splitterpartei ihre S t i m men geben. Splitterpartei heißt dabei eine Partei, w e n n 1. i n Wahlen f ü r diese Partei eine relativ geringe A n z a h l von Stimmen abgegeben w i r d , u n d 2. diese Partei keinen örtlichen Schwerpunkt besitzt (BVerfGE 1, 208 [252]). Relativ gering ist eine Stimmenanzahl i n der Regel dann, wenn sie geringer ist als 5 °/o der abgegebenen Stimmen (ebd. S. 257). Restklasse: Wähler, die Kandidaten einer anderen Partei ihre Stimme geben. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß die Stimmen der Glieder der behandelten Klasse n u r dann am Verhältnisausgleich teilnehmen, w e n n die Partei, f ü r die die Stimmen abgegeben wurden, mindestens ein Direktmandat errungen hat (ebd. S. 248). Begründung Da 1. die Ungleichbehandlung von Wählern durch die Einführung der F ü n f prozentklausel oder des Erfordernisses des erlangten Direktmandats f ü r die 2 Die Begriffsbestimmung 16.3 ist wegen mangelnder Präzision des i n i h r enthaltenen Kausalitätsbegriffs unkorrekt. Z u diesem Problemkreis vgl. K. R. Popper, L o g i k der Forschung, S. 31 ff.; ders., Das Elend des Historismus, S. 97, A n m . 45; H. Albert, Probleme der Theoriebildung, S. 49, 62, A n m . 45 u n d die dort zitierte L i t e r a t u r : N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organi-
§ 16 Begründung d. Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch i h r Z i e l 111 Zulassung zum Verhältnisausgleich Voraussetzung der Sicherung eines m e h r heitsfähigen Parlaments ist, u n d 2. das Ziel der Sicherung eines mehrheitsfähigen Parlaments ein zureichender G r u n d f ü r die Ungleichbehandlung von Wählern ist (ebd. S. 248), ist die Einführung der Fünfprozentklausel u n d des Erfordernisses des erlangten Direktmandats für die Zulassung zum Verhältnisausgleich zulässig. Diskussion3 Diese gegebene Begründung setzt sich zusammen aus einer Tatsachenbehauptung (1.) u n d einer normativen Wertung (2.). Die Tatsachenbehauptung ist i n der Entscheidung nicht ausdrücklich formuliert u n d ihre Richtigkeit nicht nachgewiesen 4 . Dabei läßt die oben (1.) gegebene Formulierung eine E n t scheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Tatsache k a u m zu. V e r mutlich ist weder die Einführung der Fünfprozentklausel noch das Erfordernis des erlangten Direktmandats weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung eines mehrheitsfähigen Parlaments 5 . Da das Problem, ob zufällige Bedingungen zur Einschränkung von Grundrechten oder anderen verfassungsmäßig garantierten Rechten ausreichen, u n d w e n n ja, unter welchen Voraussetzungen, i n der L i t e r a t u r bisher k a u m erörtert wurde, werde auf die E r örterung dieses Problems hier verzichtet 6 . Die Begründung des Gerichts besteht i n einem Schluß von der Erlaubtheit des Zieles der betreffenden N o r m auf die Zulässigkeit der aus dem M i t t e l folgenden Ungleichbehandlung 7 . Dieses Problem w i r d i n der E t h i k diskutiert als die Frage: „Heiligt der Zweck die Mittel?"«
Die Wahl eines Zieles enthält die Wahl, daß M i t t e l zur Verwirklichung des Zieles eingesetzt werden. Gibt es genau ein M i t t e l zu einem gegebenen Ziel, so enthält die Wahl des gegebenen Zieles die Wahl dieses M i t tels. Meist gibt es jedoch mehrere Mittel, von denen jedes das Ziel zu versation, S. 109 f.; ders., Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 17. Z u r Problem a t i k des Zweck-Mittel-Schemas vgl. ders., ebd. S. 30; ders., Wahrheit und Ideologie, S. 436 ff.; ders., Zweck, Herrschaft, System, S. 133 ff.; ders., Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 13 ff. 3 Vgl. auch BVerfGE 4, 31 (40), 142 (143), 375 (380); 5, 77 (83); 6, 84 (98 f.); 14, 121 (135); 20, 56 (117); 24, 300 (341). 4 Solche Begründungsmängel sind i n Entscheidungen immer wieder festzustellen. Vgl. etwa B V e r w G E 22, 66 (71) m i t A n m . A. Podlech, DÖV 66, 205. I m oben angeführten F a l l ist das Unterlassen durch die Verwendung des v ö l l i g ungeklärten Ausdrucks „staatspolitische Gefahr" (BVerfGE 1, 208 [248]) v e r anlaßt worden. Vgl. dazu auch H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 108 ff. u n d B G H Z 50, 207 [213]). 5 Das zeigen schon die Diskussionen u m ein mehrheitsbildendes Wahlrecht seit Bestehen der großen K o a l i t i o n 1966. 6 Vgl. jedoch P. Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S. 76, besonders zu dem Ausdruck „Geeignetheit", u n d S. 162 ff. zu dem Ausdruck „Erforderlichkeit". 7 Ebenso H. Pohl, Das Reichstagswahlrecht, S. 388; H. Röhl, Die Bekämpfung der Splitterparteien i n Gesetzgebung u n d Rechtsprechung, DVB1 54, S. 557 ff. ; H. J. Rinclc, Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit u n d das Bonner G r u n d gesetz, S. 224 ff. Z u apodiktisch G. Küchenhoff, Gleichheit u n d Ungleichheit i m Verfassungsrecht, S. 282. 8 Vgl. dazu H. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 14 f.
112
Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
wirklichen i n der Lage ist. I n diesem Fall werde von funktional lenten Mitteln gesprochen 9.
äquiva-
16.4 I m Hinblick auf ein gegebenes Ziel sind M i t t e l genau dann funktional äquivalent, wenn die Verwirklichung des gegebenen Zieles unabhängig davon ist, welches der M i t t e l gewählt w i r d 1 0 . Gibt es für ein gegebenes Ziel funktional äquivalente Mittel, so gilt folgender Satz: 16.5 Aus der Wahl (der normativen Anordnung) eines gegebenen Zieles folgt die Wahl (die normative Anordnung) der Alternative aller funktional äquivalenten M i t t e l zu dem gegebenen Ziel 1 1 . Das heißt, daß ein gegebenes Ziel nur dann erstrebt (oder gegebenenfalls angeordnet) ist, wenn Ziel und mindestens ein äquivalentes Mittel erstrebt (bzw. angeordnet) sind 1 2 . Aus Satz 16.5 ergibt sich, daß die Begründung des Bundesverfassungsgerichts i n der oben angeführten Entscheidung nur dann richtig ist, wenn es entweder nur ein M i t t e l zur Erreichung mehrheitsfähiger Parlamente gibt, oder es zwar mehrere M i t t e l gibt, die Ungleichbehandlung von Wählern aber bei der Wahl aller M i t t e l gleicherweise gegeben ist. Generell gilt der Satz: 16.6 Notwendige Bedingung des Umstandes, daß eine Ungleichbehandlung deswegen zulässig ist, weil sie aus der Wahl eines Zieles folgt, ist, daß das Mittel, das Grund der Ungleichbehandlung ist, entweder das einzige M i t t e l zu diesem Ziel ist, oder daß alle funktional äquivalenten M i t t e l dieselbe oder eine gleichwertige Ungleichbehandlung zur Folge haben. Z u untersuchen ist nun, ob diese notwendige Bedingung auch zugleich hinreichende Bedingung ist oder ob es überhaupt hinreichende Bedingungen dafür gibt, daß die Ungleichbehandlung, die Folge einer Mittelverwirklichung ist, durch das Ziel gerechtfertigt wird. 9 Z u dem Ausdruck vgl. N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler O r ganisation, S. 109 f.; ders., Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 162 ff. 10 Die saubere Trennung von funktionaler Äquivalenz (Erforderlichkeit) und Adäquanz (Verhältnismäßigkeit) hat vorgenommen M. Gentz, Z u r V e r hältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen, S. 1604. 11 Z u beachten ist, daß infolge der logischen F u n k t i o n des Ausdrucks „oder" dieser Satz auch dann richtig bleibt, w e n n einige der funktional äquivalenten M i t t e l durch ausdrückliche rechtliche Anordnung, durch A u s legung der betreffenden Rechtsregel, aus dem K o n t e x t der Rechtsregel oder durch A n w e n d u n g allgemeiner Rechtsprinzipien, w i e etwa des Prinzips des mildesten Eingriffs für rechtlich unzulässig erklärt sind. 12 O. Weinberger, a.a.O., S. 65, hat diesen Sachverhalt so ausgedrückt: Der Grundsatz „Der Zweck heiligt die M i t t e l " ist v o m logischen Standpunkt aus nicht begründet.
§ 16 Begründung d. Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch i h r Ziel 113 Z u r K l ä r u n g dieser F r a g e w e r d e d e r A u s d r u c k Gültigkeitsvoraussetzung einer Rechtsregel als Undefinierter G r u n d b e g r i f f e i n g e f ü h r t 1 3 . Seine E r l ä u t e r u n g geschehe d u r c h A n f ü h r u n g v o n Beispielen. Z u d e n G ü l t i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n e i n e r Rechtsregel g e h ö r e n ζ. B . die sich aus K o m p e t e n z n o r m e n ( e t w a aus A r t . 70 ff.) oder F o r m v o r s c h r i f t e n f ü r h o h e i t liches H a n d e l n ( e t w a aus A r t . 82 GG) ergebenden B e d i n g u n g e n . Es w e r d e n u n f o l g e n d e r Satz a u f g e s t e l l t : 16.7 Satz über die notwendige
Erlaubtheit
von
Zielen.
D i e E r l a u b t h e i t v o n Z i e l e n e i n e r Rechtsregel ist G ü l t i g k e i t s v o r a u s setzung dieser Rechtsregel 1 4 . Erläuterung Der Ausdruck „Erlaubtheit von Zielen" u n d sein Gegenteil „Verbotensein von Zielen" werde n u r durch Beispiele erläutert. Unerlaubt, d. h. verboten ist ζ. B. das Ziel, einen bestimmten Menschen zu töten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 102 G G ) 1 ^ oder i h n seiner ökonomischen Lebensbedingungen völlig zu berauben (Art. 20 Abs. 1 GG „Sozialstaatlichkeit") 1 ^. Insgesamt ergeben sich aus dem Grundrechtsteil der Verfassung (und möglicherweise noch aus anderen Rechtsquellen, wie ζ. B. dem ordre publique) eine Fülle von Verboten hinsichtlich möglicher Ziele staatlichen Handelns 1 7 . Die Erlaubtheit der Ziele einer Rechtsregel k a n n auch die materielle Gültigkeitsvoraussetzung der Rechtsregel genannt werden 1 8 . D a es z u r Z e i t k e i n a l l g e m e i n a n e r k a n n t e s K r i t e r i u m d a f ü r g i b t , w a n n Z i e l e v o n Rechtsregeln e r l a u b t s i n d 1 9 , i s t d i e F r a g e n u r schwer z u b e a n t w o r t e n , ob die V e r e i n b a r k e i t der A n o r d n u n g eines Zieles u n d s o m i t nach Satz 16.5 die V e r e i n b a r k e i t m i n d e s t e n s eines f u n k t i o n a l ä q u i v a l e n t e n M i t t e l s z u diesem Z i e l m i t d e m verfassungsrechtlichen G l e i c h h e i t s satz i n j e d e m F a l l z u d e n G ü l t i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n e i n e r R e c h t s n o r m 13 Die Definition des Ausdrucks „GültigkeitsVoraussetzung einer Rechtsregel" ist ebenso w i e die Definition des Ausdrucks „Geltung" Aufgabe einer juristischen Semantik. Vgl. dazu A. Ross, On L a w and Justice, S. 81 f. E i n i n der Stufenproblematik entsprechendes Problem der theoretischen Nationalökonomie hat analysiert O. Morgenstern, Vollkommene Voraussicht und w i r t schaftliches Gleichgewicht, S. 260 f. 14 Ebenso M. Gentz, Z u r Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen, S. 1602. Vgl. auch E. Forsthoff, Die Verfassungswidrigkeit der Zweigstellensteuer, S. 24. 15 Aus welchem Verbot nicht das Verbot eines Zieles folgt, das Menschenleben gefährdet. Vgl. dazu Maunz-Dürig, Grundgesetz, A r t . 2 Rdn. 26 ff. 16 Vgl. dazu ebd. Rdn. 26 ff. 17 Einen interessanten F a l l eines möglichen Ziel-Verbotes durch die V e r fassung, nämlich die Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand m i t i n d i r e k ten Zwangsmitteln, behandelt E. Forsthoff, Der E n t w u r f eines Zweiten V e r mögensbildungsgesetzes, S. 382. Wie Forsthoff (a.a.O., S. 390 f.) nachweist, hat die Zulassung dieses Zieles mehrere Ungleichbehandlungen zur Folge, f ü r die es keine zu generalisierenden Begründungen gibt. 18 Vgl. dazu E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 96. 19 M a n denke etwa an die Naturrechts-Diskussion.
8 Podlech
114
Β. K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
gehört. Diese Frage braucht aber nicht entschieden zu werden, da sich der folgende Satz auch ohne diese Entscheidung begründen läßt: 16.8 Satz über die Unableitbarkeit der zureichenden Ungleichheitsbegründung aus der Erlaubtheit des Zieles einer Rechtsregel. Aus der Erlaubtheit des Zieles einer Rechtsregel folgt nicht, daß eine Ungleichheit, die eine Folge der Verwirklichung derjenigen M i t t e l ist, die durch die Rechtsregel angeordnet werden, zureichend begründet ist 2 0 . Erläuterung I n dem Ausgangsbeispiel ist das Ziel der betreffenden Rechtsregel die Sicherung mehrheitsfähiger Parlamente. Die Erlaubtheit dieses Zieles werde unterstellt. (Damit ist vereinbar, daß möglicherweise die M a x i m e der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Parteien lautete, durch Ausschluß kleiner Parteien einen Machtzuwachs zu erhalten.) E i n M i t t e l zur Erreichung dieses Zieles, das durch die betreffende Rechtsregel angeordnet w i r d , ist die Fünfprozentklausel. Satz 16.8 sagt dann beispielsweise aus, daß aus dem Umstand, daß die Sicherung mehrheitsfähiger Parlamente ein erlaubtes Ziel ist, nicht folgt, daß 20 A u f dem Gebiet des Steuerrechts hat die Begründung einer Ungleichbehandlung durch ihren Zweck bereits abgelehnt R. v. Mohl, Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, 1. Bd., S. 339, A n m . 6. Dem oben formulierten Ergebnis kommen nahe G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 246, u n d A. Hamann, Rechtsstaat und Wirtschaftslenkung, S. 51; ders., Das Grundgesetz, A r t . 3, A n m . C 3. M i t anderer Begründung w i r d i m Ergebnis Satz 16.8 vertreten von N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 56, 59; ders., Grundrechte als Institution, S. 172 f. F ü r einen speziellen F a l l vgl. auch W. Flume , Die rechtliche Problematik breiter Vermögensbildung, Der Betrieb, 1965, S. 410 ff. Α . Α. Β GHZ 13, 88 (100), vgl. dazu H. Meister, Amtsausübung, Amtspflichtverletzung und Staatshaftung, N J W 64, S. 1705. Ebenfalls a. Α., jedoch i n zu allgemeiner, nicht überprüfbarer Fassung Η . P. Ipsen, Gleichheit, S. 130. Ipsen bildet (a.a.O., S. 188) ein krasses Beispiel, das er f ü r m i t dem Gleichheitssatz vereinbar h ä l t : zur Sicherung (oder Erleichterung [?]) der E r f ü l l u n g der Wehrpflicht könne der Gesetzgeber — bei sonst unverändertem Eherecht — die Eheschließung der 23jährigen (männlichen [?]) Ehewilligen verbieten. Α. A. ebenfalls E. W. Fuß, Gleichheitssatz u n d Richtermacht, S. 331, der bereits erkannt hat, daß aus der Rechtfertigung der Differenzierung durch Zwecke das Leerlaufen des Gleichheitssatzes folgt. Die Folgerung, daß dann diese Rechtfertigung u n zureichend ist, zieht er nicht. Ähnlich u n d ebenfalls ohne Begründung Franz Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, S. 120. S. 166 n i m m t K l e i n die fast v ö l lige Obsoleszenz des A r t . 3 Abs. 1 GG ausdrücklich i n seine Inhaltsbestimmung des Gleichheitssatzes auf: „Der Gleichheitssatz verlangt damit von aller Staatsgewalt — hinzuzufügen wäre: nur — die Beachtung der Maßstäbe der Verfassung bei allen ihren Handlungen." Die Konsequenz ist, daß er beliebige Differenzierungen aufgrund beliebiger tatsächlicher Unterschiede zuläßt bis zur Grenze der „Beachtung der Gleichwertigkeit aller Menschen i n der Menschenwürde u n d ihrer durch Verfassung u n d Gesetz gegebenen Rechte". A u f den tautologischen Charakter einer solchen Normverdoppelung — „x soll sich so verhalten, w i e die Verfassung gebietet, daß sich χ verhalten soll!" — haben schon hingewiesen H. Kelsen, Die philosophischen Grundlagen der Naturrechtslehre u n d des Rechtspositivismus, S. 38 f., 41 ff.; C. Schmitt, V e r fassungslehre, S. 69. Α. A. ebenfalls H. Zacher, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 318.
§ 16 Begründung d. Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch i h r Ziel 115 die Ungleichbehandlung von Wählern, die die Folge der Fünfprozentklausel ist, zureichend begründet ist. Satz 16.8 sagt natürlich nicht aus, daß die E i n führung der Fünfprozentklausel unstatthaft ist. Begründung Es bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder gehört die Vereinbarkeit der A n ordnung der M i t t e l m i t dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu den Gültigkeitsvoraussetzungen einer Hechtsregel oder nicht. I m ersteren Falle k a n n die Erlaubtheit der Rechtsregel erst bejaht werden, w e n n feststeht, daß die aus der M i t t e l v e r w i r k l i c h u n g folgende Ungleichbehandlung zureichend begründet ist. Die Begründung durch die Erlaubtheit des Zieles ist dann eine Zirkelbegründung. I m zweiten F a l l k a n n bei der Prüfung die Erlaubtheit der Ziele unterstellt werden, da die Regel andernfalls schon aus anderen Gründen nicht gelten sollte 2 1 . Würde dann die zureichende Begründung der Ungleichbehandlung aus der Erlaubtheit der Ziele folgen, wäre der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz obsolet, da sich so die Zulässigkeit jeder Ungleichbehandlung begründen ließe 2 2 . E i n e B e s t ä t i g u n g findet Satz 16.8 d u r c h die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts z u m V e r h ä l t n i s v o n Gleichheitssatz u n d S o z i a l s t a a t s p r i n z i p . S i e h t m a n i n der Sozialstaatsklausel (wenigstens) eine S t a a t s z i e l b e s t i m m u n g 2 3 , so h ä t t e es nahegelegen, folgendes h i n r e i c h e n d e positive K r i t e r i u m einer Ungleichbehandlung aufzustellen: I m m e r dann, w e n n eine R e g e l u n g d e r V e r w i r k l i c h u n g eines sozialstaatlich l e g i t i m i e r t e n Zieles d i e n t , i s t d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g , die F o l g e dieser R e g e l u n g ist, zulässig. Das Bundesverfassungsgericht h a t die G ü l t i g k e i t dieses K r i t e r i u m s a u s d r ü c k l i c h a b g e l e h n t 2 4 . D a d e m n a c h selbst die V e r w i r k l i c h u n g verfassungsrechtlich l e g i t i m i e r t e r Z i e l e n i c h t j e d e U n g l e i c h b e h a n d l u n g r e c h t f e r t i g t , m u ß dies erst recht f ü r sonstige Z i e l e gelten. A u s Satz 16.8 f o l g t , daß die n o t w e n d i g e B e d i n g u n g des Satzes 16.6 n i c h t z u g l e i c h eine h i n r e i c h e n d e B e d i n g u n g f ü r die Z u l ä s s i g k e i t e i n e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist u n d daß g e n e r e l l aus der E r l a u b t h e i t v o n Z i e l e n n i c h t a u f die Z u l ä s s i g k e i t d e r aus der V e r w i r k l i c h u n g v o n M i t t e l n f o l g e n d e n U n g l e i c h h e i t geschlossen w e r d e n d a r f . 21
Vgl. dazu W. Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz, S. 65, 69, 71. Daher darf das bei H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I , § 154 V b) 2, formulierte notwendige positive K r i t e r i u m nicht zugleich als hinreichendes positives K r i t e r i u m benützt werden. U n k l a r ist dieser Sachverhalt dargestellt bei B. Stauder, Gleichheitssatz, Normenkontrolle u n d subjektive Methode des historischen Gesetzgebers, S. 162. Vgl. auch M. Wallerath, Die Selbstbindung der V e r waltung, S. 49 f. 23 Vgl. dazu unten Satz 34.4 m i t Erläuterung u n d Begründung. 24 Die Bedeutung des Satzes BVerfGE 12, 354 (367) „Auch das Sozialstaatsprinzip ermächtigt nicht zu beliebiger Sozialgestaltung, die das Gebot der Gleichheit auflösen w ü r d e " — einer der wichtigsten rechtsstaatserhaltenden Sätze des Bundesverfassungsgerichts — verkennt v ö l l i g H. Zacher, a.a.O., S. 361. Vgl. auch BVerfGE 17, 1 (23). M i t BVerfGE 12, 354 (367) unvereinbar BVerfGE 17, 210 (216). Vgl. dazu A. Röttgen, Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik, S. 61. 22
8*
116
Β. K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Dieses Ergebnis f ü h r t dazu, daß Begründungen nicht stichhaltig sind, w i e sie z.B. gegeben sind i n BVerfGE 7, 194 (197); 12, 354 (361 ff., 369)25; 13, 181 (203); 14, 121 (125); 20, 31 (33); 23, 12 (27); 24, 33 (53) 26 ; B V e r w G E 22, 64 (66), 66 (71); BSGE 2, 201 (219); 6, 41 (47); B F H E 82, 57 (61); B G H Z 22, 66 (70); BayVerfGHE 11, 127 (144); 13, 133 (137). Das bedeutet jedoch nicht, daß das Ergebnis dieser Entscheidungen nicht m i t anderen Begründungen aufrecht zu erhalten w ä r e 2 7 . Richtig ζ. B. die einen komplizierten Sachverhalt betreffende Entscheidung B F H E 81, 55 (73) u n d die zwar m i t Zielbegriffen operierende, t a t sächlich aber Strukturunterschiede erörternde Entscheidung B F H E 83,171 (174).
Das Ergebnis 16.8 erfährt jedoch i n den nächsten Paragraphen wichtige Modifikationen. I n Übereinstimmung mit Satz 16.8 befindet sich eine spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Urteil vom 13. 6.1956 — 1 B v R 771/59, 234, 246, 367/61,17/62 — Gekennzeichnete Klasse: Gewerbetreibende Behandelte Klasse: Gewerbetreibende, die Bank-, K r e d i t - u n d Wareneinzelhandelsunternehmen sind, u n d die i n einer Gemeinde eine Betriebsstätte unterhalten, ohne i n dieser Gemeinde ihre Geschäftsleitung zu haben. Restklasse: Übrige Gewerbetreibende. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß nach § 17 Abs. 1 GewStG der Hebesatz der Gewerbesteuer für Glieder der behandelten Klasse bis zu 30 °/o höher sein darf als für Glieder der Restklasse. (BVerfGE 19, 101 [111,114] ; ähnlich 21,160 [168 f.].)
Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof entgegengesetzte Entscheidung getroffen. BVerwG,
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hatten die
Urteil vom 24. 3.1961 — V I I C 29.60 —
Begründung Da das öffentliche Interesse des Mittelstandschutzes Ungleichbehandlungen rechtfertigt und die Erhebung der Zweigstellensteuer ein geeignetes — w e n n auch vielleicht nicht das effektivste und gerechteste — M i t t e l zur Erreichung dieses Zieles ist, ist die Ungleichbehandlung zulässig (BVerwGE 12, 140 [150, 25 Vgl. dazu E. W. Fuß, Normenkontrolle u n d Gleichheitssatz, S. 567, bes. A n m . 19. 26 Vgl. dazu die A n m . von A. Podlech, i n : DÖV 1966, 205 f. I m Zeitpunkt der Abfassung w a r dem Verfasser die Geltung des Satzes 16.8 noch nicht klar. 27 Satz 16.8 v ö l l i g widerspricht das obiter dictum i n BVerfGE 15, 337 (343): „Die Zurücksetzung der weiblichen Erben müßte demnach unerläßlich sein, u m das Ziel der Höfeordnung zu erreichen." Dieser Satz des Gerichts entspricht dem Satz 16.6. Die Frage jedoch, ob nicht das Ziel der Höfeordnung verfassungswidrig sein kann, wenn die Verwirklichung des Zieles unumgänglich gegen A r t . 3 Abs. 2 GG verstößt, ist v o m Gericht nicht i n das Blickfeld gerückt worden. Vgl. dazu Fr. Baur, i n : N J W 1963, S. 2163. Ungenau A. Pikalo, Anerbenrecht u n d Verfassungsrecht, N J W 57, S. 1611. 28 BFH, Urt. v. 9. 6. 59, i n : B S t B l 1959 I I I , 336.
§17 Gleichheitsprobleme i m Ermessensbereich
117
152, 160]; vgl. auch BVerfGE 19, 101 [107, 114]). (Andere Gründe, die das Gericht anführt, bleiben jetzt außer Betracht 2 ^) Diskussion Das Bundesverfassungsgericht läßt die Rechtfertigung der Ungleichbehandl u n g m i t dem Ziel des Mittelstandschutzes nicht gelten (BVerfGE 19, 101 [114]). Z w a r f ü h r t es aus, daß die Erwägung, i m Interesse des Mittelstandschutzes wirtschaftlich stärkere Konkurrenzunternehmungen zu einer höheren Gewerbesteuer heranzuziehen, i m H i n b l i c k auf A r t . 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist. Die Richtigkeit dieser Ansicht des Gerichts ergibt sich aus der Erlaubtheit dieses Ziels (BVerfGE ebd. [115]) i n Verbindung m i t Satz 16.7. Der E i n w a n d des Gerichtes gegen die gesetzliche Regelung besteht darin, daß durch sie die rechtfertigende Motivation (in der vorliegenden Terminologie: das Ziel) nicht folgerichtig durchgeführt sei (in der vorliegenden Terminologie: eine die Ungleichheit rechtfertigende W a h l der Mittel nicht getroffen worden sei) (BVerfGE, ebd. [116]). Wäre die W a h l der M i t t e l zur Erreichung dieses Zieles folgerichtig gewesen, wäre zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ein Rückgriff auf das Ziel überflüssig gewesen, da sie sich aus der W a h l der M i t t e l ergeben hätte (ζ. B. Unterschiede der K a p i t a l k r a f t , des Umsatzes und ähnlicher Differenzierungen, die i m Steuerrecht Gründe für unterschiedliche Steuerbelastungen darstellen). O b w o h l das V e r h ä l t n i s v o n Z i e l u n d M i t t e l r e l a t i v i s t u n d d a h e r B e reiche v o n Z i e l e n u n d Bereiche v o n M i t t e l n n i c h t k o r r e k t z u t r e n n e n s i n d 3 0 , w e r d e doch folgende F a u s t r e g e l f o r m u l i e r t , die das d u r c h Satz 16.8 ausgedrückte theoretische E r g e b n i s i n eine A n w e i s u n g f ü r d i e P r a x i s z u übersetzen v e r m a g . 16.9
Regel D i e B e g r ü n d u n g f ü r die Z u l ä s s i g k e i t einer U n g l e i c h b e h a n d l u n g h a t n i c h t aus d e m B e r e i c h der Z i e l e einer Rechtsnorm, s o n d e r n aus d e m B e r e i c h der M i t t e l z u erfolgen.
§ 17 Gleichheitsprobleme i m Ermessensbereich W e n n e i n e r Klasse v o n B e h ö r d e n — e t w a a l l e n F i n a n z ä m t e r n oder a l l e n B a u p o l i z e i b e h ö r d e n — die E r f ü l l u n g i h r e r A u f g a b e n r e c h t l i c h d a d u r c h vorgeschrieben ist, daß i h n e n eine Klasse v o n Z w e c k e n u n d eine K l a s s e v o n M i t t e l n d e r a r t z u g e o r d n e t ist, daß d i e W a h l der M i t t e l z u r E r r e i c h u n g der Z w e c k e i n der Regel der E n t s c h e i d u n g e i n e r B e h ö r d e überlassen ist, so h e i ß e n die z u o r d n e n d e n Rechtsregeln rechtliche Zweckprogramme und das V e r w a l t u n g s h a n d e l n der b e t r e f f e n d e n B e h ö r d e n a u f g r u n d dieser Rechtsregeln Ermessensverwaltung 1. I n solchen F ä l l e n t r e t e n G l e i c h h e i t s p r o b l e m e eigener A r t auf. 29 Vgl. dazu O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, S. 130. 30 Vgl. dazu N. Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 183 ff. 1 Vgl. dazu oben § 15.
118
Β. K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Nicht behandelt werden soll i m folgenden das dogmatische Problem, ob A r t . 3 Abs. 1 GG Grundlage des Instituts der Selbstbindung der Verwaltung ist 2 .
Ein erstes Gleichheitsproblem entsteht durch die beschränkte Information der Behörden über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen ihres Verhaltens. Der Umstand, daß Behörden selten alle Fälle bekannt werden, auf die sie rechtlich reagieren sollen, t r i f f t auf fast alle Behörden zu. I m Bereich der Konditionalprogrammierung (gebundene Verwaltung) entsteht hieraus jedoch kein Problem. Der Umstand, daß eine Behörde es — schuldhaft oder schuldlos — unterläßt, zwingendes Recht anzuwenden, gibt niemandem das Recht, sich unter Berufung auf A r t . 3 GG von den zwingenden Vorschriften zu befreien. Ausdrücklich ist dies ausgesprochen worden i n einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwGE,
Urteil vom 4. 5.1956 — H C 71.55 —
Leitsatz Der Unterschied zwischen Personen, die einer rechtlichen Regelung u n t e r fallen u n d gemäß dieser Regelung behandelt werden, und Personen, die derselben Regelung unterfallen, i n der Vergangenheit aber nicht gemäß dieser Regelung behandelt worden sind, ist ein zureichender Grund, Glieder beider Klassen dadurch ungleich zu behandeln, daß die Glieder der ersten Klasse gemäß der rechtlichen Regelung behandelt werden (BVerwGE 5, 1 [8]). Begründung Es gibt n u r einen Anspruch auf Behandlung gemäß der Rechtslage.
Die Entscheidung und ihre Begründung hat allgemein Zustimmung gefunden 3 . Der i h r zugrundeliegende Gedanke läßt sich als hinreichendes positives K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung formulieren: 17.1 Immer dann, wenn eine Klasse von Personen, die Teilklasse der einer zwingenden rechtlichen Regelung unterfallenden Klasse ist, abweichend von dieser rechtlichen Regelung behandelt wird, ist dies ein zureichender Grund, die Restklasse der der rechtlichen Regelung unterfallenden Personen den Gliedern der ersten Klasse gegenüber dadurch ungleich zu behandeln, daß die Restklasse entsprechend der rechtlichen Regelung behandelt w i r d 4 . 2 Vgl. dazu jetzt M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, passim; Fr. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, bes. S. 530 ff. 3 BSGE 7, 75 (78); 21, 199 (202); O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, S. 132; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 31 I I I d) 2; P. Ipsen, Gleichheit, S. 148; H. J. Mertens, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g auf G r u n d des Gleichheitssatzes, S. 26. Die zitierte Entscheidung ist eine A b kehr von B V e r w G E 2, 221, zu der sich O. Bachof, a.a.O., S. 20 kritisch geäußert hatte. Vgl. auch M. Wallerath, a.a.O., S. 15. 4 Ebenso BVerfGE 21, 245 (216); 25, 216 (228 f.).
§17 Gleichheitsprobleme i m Ermessensbereich
119
E t w a s anderes g i l t m ö g l i c h w e i s e f ü r d e n B e r e i c h d e r Z w e c k p r o g r a m m i e r u n g . A u s g e g a n g e n w e r d e z u r B e h a n d l u n g dieser P r o b l e m a t i k v o n e i n e r E n t s c h e i d u n g des Finanzgerichts Düsseldorf, d i e jedoch n i c h t rechtsk r ä f t i g geworden ist5. FG Düsseldorf, Urteil vom 16. 3.1966 — I V 62/647 — Gekennzeichnete Klasse: Einkommensteuerpflichtige, die den Tatbestand des § 48 EStG erfüllen. Behandelte Klasse: Einkommensteuerpflichtige, bei denen die Finanzverwaltung die Voraussetzungen des § 48 EStG feststellt und von ihrem Ermessen Gebrauch macht. Restklasse: Einkommensteuerpflichtige, die nach dem Einkommen besteuert werden. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Klassen ist kein Grund, Glieder beider Klassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein die Glieder der behandelten Klasse nach dem Verbrauch besteuert werden u n d dadurch — wie sich aus § 48 Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt — eine höhere Steuer entrichten müssen, als w e n n sie nach dem Einkommen besteuert w ü r d e n (EFG 66, 443). Begründung Es ist der Finanzverwaltung nicht möglich, die zahlreichen sehr allgemein gehaltenen u n d schwer nachzuprüfenden Voraussetzungen der Besteuerung nach § 48 EStG auch n u r bei einem geringen T e i l der hierfür infrage kommenden Steuerpflichtigen festzustellen. I n diesem F a l l w i r d die Besteuerung zu einem Spiel des Zufalls u n d betrifft n u r noch eine verschwindende Minderheit, vorliegend n u r eine einzige Person i m Bereich der zuständigen Oberfinanzdirektion innerhalb des Streitjahres (ebd.). Erläuterung Das Finanzgericht Düsseldorf hat m i t der wiedergegebenen Begründung die Nichtigkeit des § 48 EStG wegen Verstoßes gegen A r t . 3 Abs. 1 G G angenommen. Der Bundesfinanzhof — U r t e i l v o m 9. 8.1968 — V I R 220/66 — ist dieser Rechtsansicht entgegengetreten u n d hat das U r t e i l aufgehoben. Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz i m Einzelfall — also aufgrund der Ermessensausübung i n Anwendung des § 48 EStG — hat er aber ausdrücklich offen gelassen. I n F ä l l e n dieser A r t g i l t Satz 17.1 n i c h t , da d e n b e t r e f f e n d e n B e h ö r d e n e i n b e s t i m m t e s V e r h a l t e n n i c h t z w i n g e n d vorgeschrieben ist. U m e i n e n A n s a t z z u r L ö s u n g des P r o b l e m s z u finden, w e r d e § 48 E S t G e i n m a l i n seine logischen K o m p o n e n t e n auseinandergelegt. D a b e i w e r d e d a v o n ausgegangen, daß j e d e F i n a n z b e h ö r d e z w e i Z w e c k e v e r f o l g e n m u ß , n ä m l i c h i m R a h m e n der Gesetze die S t e u e r k r a f t der S t e u e r p f l i c h t i g e n o p t i m a l a u s z u n u t z e n u n d d a b e i die S t e u e r g e r e c h t i g k e i t z u w a h r e n . 1.0 1.1 1.2 5
Z u m Zweck der Gewährleistung optimaler Steuereinnahmen u n d der Gewährleistung der Steuergerechtigkeit
Vgl. dazu B F H E 93, 376.
120
Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
2.0 2.1 2.1.1 2.1.1.1 2.1.1.2 2.1.1.3 2.2
kann die zuständige Behörde n u r dann, w e n n der Verbrauch eines Steuerpflichtigen i m Kalenderjahr 10 000 D M überstiegen hat, der Verbrauch u m mindestens die Hälfte höher ist als das Einkommen u n d die Voraussetzungen des Abs. 4 Satz 2 nicht vorliegen, anstatt der sonst zwingend vorgeschriebenen Besteuerung nach dem Einkommen die Besteuerung nach dem Verbrauch wählen.
Erläuterung Aus der Formulierung geht hervor, daß es sich bei § 48 EStG u m ein Zweckprogramm handelt, das als Unterprogramm i n das umfassende K o n d i t i o n a l programm des Einkomensteuergesetzes eingebettet ist.
Kommen aus einer Klasse möglicher Fälle, i n denen Ermessenserwägungen anzustellen sind, der zuständigen Behörde nur sehr wenig Fälle tatsächlich zur Kenntnis, so seien diese Fälle singuläre Fälle genannt. W i r d der singuläre Fall, der der Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf zugrundeliegt, anhand der Zwecke 1.1 und 1.2 überprüft, so ergibt sich, daß die Veranlagung nach dem Verbrauch i n singulären Fällen dem Zweck 1.2 widerspricht, dem Zweck 1.1 aber nicht durchgreifend zu nützen vermag. Das heißt, daß die Mehreinnahmen aufgrund der Ermessensbetätigung gering zu veranschlagen sind i m Hinblick auf die Ungleichheit, die durch sie entsteht. Versuchsweise, d. h. unter dem Vorbehalt, daß er sich noch bei der Überprüfung i n anderen Verwaltungsbereichen zu bewähren hat, werde dieser Gedanke verallgemeinert zu dem folgenden Kriterium: 17.2 Bei der Ausführung von Zweckprogrammen dürfen Behörden i n singulären Fällen ihr Ermessen nicht zuungunsten von Betroffenen ausüben, es sei denn, die Zweckerfüllung des Programms w i r d durch die Nichtausübung generell unmöglich. Es werde nun die Normallage betrachtet, i n der der Behörde die Mehrzahl der Fälle, i n der sie Ermessenserwägungen anzustellen hat, auch bekannt sind. Die Klasse aller Personen, für die die Voraussetzungen von Ermessenserwägungen einer Behörde vorliegen, werde die Klasse der in Frage kommenden Personen genannt. Die Ermächtigung zur Ausübung von Ermessen ermächtigt zur Ungleichbehandlung von Gliedern der Klasse der i n Frage kommenden Personen. Daß auch i n solchen Fällen Behörden nicht willkürlich, d. h. nicht grundlos ungleich behandeln dürfen, ist schon früh festgestellt worden 6 . Das besondere der Zulässigkeitsbegründung von Ungleichbehandlungen aufgrund von Ermessensentscheidungen liegt nun darin, daß auch reine Zweckbegründungen Ungleichheiten zu rechtfertigen vermögen. Es gilt also folgender den Satz β Vgl. dazu die Nachweise bei W. Jellinek, Gesetz, Gesetzanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 323 ff.; ders., Verwaltungsrecht, S. 446.
§17 Gleichheitsprobleme i m Ermessensbereich
121
16.8 e i n s c h r ä n k e n d e r Satz ü b e r die P r i o r i t ä t v o n Z w e c k e n gegenüber d e m Gleichheitsgebot i m Ermessensbereich: 17.3 Satz über die Priorität
von
Zwecken
Eine Ungleichbehandlung ist bei der A u s f ü h r u n g v o n Zweckprog r a m m e n i m m e r d a n n zulässig, w e n n d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g M i t t e l z u r E r r e i c h u n g der P r o g r a m m z w e c k e i s t 7 . D i e B e g r ü n d u n g des Satzes 17.3 geschehe d u r c h F o r m u l i e r u n g B e g r ü n d u n g z w e i e r Hilfssätze.
und
17.4 1. Hilfssatz D i e G ü l t i g k e i t des Satzes ü b e r d i e P r i o r i t ä t v o n Z w e c k e n 17.3 ist n o t w e n d i g e B e d i n g u n g der E f f e k t i v i t ä t e i n e r Z w e c k p r o g r a m m i e rung. Begründung G i l t der Satz 16.8 einschränkende Satze 17.3 nicht, so ist infolge der Geltung des Satzes 16.8 die Lernfähigkeit der betreffenden Behörden blockiert. Da die W i r k u n g e n von Maßnahmen i m Sozialbereich nie genau vorhersehbar sind u n d somit die günstigste W a h l von M i t t e l n zur optimalen Zweckverwirklichung bei der ersten M i t t e l w a h l aufgrund einer Ermessensentscheidung Z u f a l l wäre, sind Behörden zur Ausführung von Zweckprogrammen gezwungen, die M i t t e l innerhalb des Ermessenspielraums zu variieren, u m Zwecke optimal v e r w i r k lichen zu können. Diese M i t t e l v a r i a t i o n bedingt n u r v o m Zweck her begründbare Ungleichbehandlungen. 17.5 2. Hilfssatz D i e Z u l ä s s i g k e i t v o n Z w e c k b e g r ü n d u n g e n i m Ermessensbereich bed i n g t k e i n e r e c h t l i c h e n Nachteile. Erläuterung Die Anahme von Satz 17.3 f ü h r t insbesondere nicht dazu, daß A r t . 3 Abs. 1 GG obsolet w i r d . Begründung Rechtliche Zweckprogramme sind dadurch definiert, daß erstens einer programmausführenden Stelle — einer Behörde — durch Rechtsvorschrift aus7 Angedeutet ist Satz 17.3 bei BVerfGE 9, 137 (147); 18, 353 (363); H. Lanz, Selbstbindung der V e r w a l t u n g bei Ermessensausübung, S. 1797; Fr. Ossenbühl, a.a.O., S. 534. 541. Der Satz ist bisher w o h l deswegen nicht ausdrücklich f o r m u liert worden, w e i l die Geltung des Satzes 16.8 nicht angenommen wurde. Dennoch ist erstaunlich, welche geringe Aufmerksamkeit den Zweckmäßigkeitserwägungen der Behörden etwa bei H. J. Mertens, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g auf Grund des Gleichheitssatzes, passim, u n d bei M. Wallerath, a.a.O., passim gewidmet werden. Hier zeigt sich deutlich die von N. Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 58 ff., beschriebene Skepsis der heutigen Juristen gegenüber Zwecken. Bezeichnend ist, daß M. Wallerath, a.a.O., S. 16 f., einem heute üblichen Sprachgebrauch folgend, anstatt auf Z w e c k v e r w i r k lichung auf Wertverwirklichung abstellt u n d sich dadurch das Problemfeld unnötig verengt, indem er die spezifische Zweckproblematik der Ermessensverw a l t u n g nicht mehr i n den G r i f f bekommt.
122
Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
drücklich oder stillschweigend Zweck, M i t t e l u n d Ausmaß — also ein möglicher Spielraum — ihres Verhaltens vorgeschrieben werden 8 , u n d daß zweitens diese Stelle zur Entscheidung über die Zweck-Mittel-Relation ermächtigt w i r d . Da der Entscheidungsspielraum durch die Mittelbegrenzung u n d die Spielraumbegrenzung eingeschränkt ist, bleiben auch mögliche Ungleichheiten begrenzt. § 18 Ungleichbehandlungen durch Festsetzung von Stichtagen und grundlose Ungleichbehandlungen
Die Regel 16.9 ist nicht immer anwendbar. Dies kann ζ. B. dann der Fall sein, wenn der Bereich der M i t t e l so unstrukturiert ist, daß sich Begründungen über i h m nicht formulieren lassen. Es kann aber auch der Fall sein, daß die Ungleichbehandlung i n Bereichen auftritt, die sich schlecht als M i t t e l ansprechen lassen. Dies ist ζ. B. der Fall, wenn die Ungleichbehandlung i n der Zeit liegt. Letzten Endes ist auch dieser Bereich strukturlos. Es ist daher die Frage zu untersuchen, ob i n solchen Fällen die Begründung einer Ungleichbehandlung durch das Ziel der betreffenden Regelung nicht ausreicht. Diese Untersuchung beginnt zweckmäßigerweise mit der Erörterung der Stichtag-Problematik. Der Ausdruck „Stichtag" werde dabei folgendermaßen verwendet: 18.1 Stichtag heißt ein Zeitpunkt (speziell ein Datum, oder der Anfang oder das Ende einer Frist), der zwei Klassen von Tatbestandsverwirklichungen derart unterscheidet, daß die Tatbestandsverwirklichungen der einen Klasse vor, die der anderen Klasse nach dem Zeitpunkt liegen und daß Rechtsfolgen oder Rechtsfolgeänderungen nur an die Tatbestandsverwirklichungen einer Klasse geknüpft sind. Die Stichtag-Problematik hat die Gerichte unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes wiederholt beschäftigt 1 . Stichtage finden sich i n der Rechtsordnung zahlreich, wobei sie verschiedenen Zielen dienen. Jeder T e r m i n des Inkrafttretens eines generellen Rechtssatzes ist ein Stichtag 2 . Die Festsetzung von Altersstufen für den E i n t r i t t bestimmter Rechtsfolgen (ζ. B. Ehemündigkeit, Volljährigkeit) ist eine Stichtagfestsetzung 3 . 8
Vgl. dazu oben § 15, Anm. 10. ζ. B. BVerfGE 3, 58 (147), 288 (338); 13, 31 (36 ff.); 14, 288 (305); 18, 135 (145); 19, 76 (84); 23, 1 (9); 24, 220 (228); B V e r w G E 2, 349 (352); 3, 226 (227), 254 (257 f.); BSGE 11, 278 (287); 14, 95 (97); 20, 28 (33); 22, 63 (66); 25, 170 (173), 243 (248); 26, 255 (258); B F H E 75, 255 (258); Β G H Z 18, 81 (96); 43, 344 (346 f.); BayVerfGHE 14, 104 (112). Vgl. dazu auch G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 188; H. W. Scheerbarthy Die Anwendung von Gesetzen auf früher entstandene Sachverhalte S 29 f f 2 BVerfGE 4, 219 (246); 11, 64 (71); 15, 167 (202); 22, 241 (254); Β G H Z 37, 247 (251); BayVerfGHE 8, 38 (45). Vgl. dazu M. Kriele y K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 91; M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 60 ff. 3 Vgl. dazu die Übersicht bei H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I , § 33 V I e und deren Würdigung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. 1
§18 Ungleichbehandlungen durch Festsetzung von Stichtagen
123
Bei allen periodisch wiederkehrenden rechtlich relevanten Zeitpunkten (ζ. B. Steuertermine, Einschulungstermine, Wahltermine — vgl. z. B. § 12 Abs. 1 Nr. 2 B W a h l G —) muß ein Stichtag festgesetzt werden. Zahlreiche, wiederholt geänderte Stichtage finden sich i n den Gesetzen zur Regelung von Kriegsfolgen oder Folgen nationalsozialistischen Unrechts (z. B. § 4 BEG; §§11 Abs. 2 Nr. 3, 13 Abs. 1, 16 Abs. 1, 229 Abs. 1, 230 L A G ; §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 a), 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 c), Abs. 2 u n d 3 131-Gesetz). Einschneidende Stichtage finden sich insbesondere bei Einführung belastender u n d (oder) begünstigender Einrichtungen, w i e ζ. B. gesetzliche Versicherung, Zwangsmitgliedschaften u. ä. (vgl. z. B. §§ 6,16 rh.-pf. Rechtsanwaltsversorgungsgesetz v o m 2. 7.1965 — R h l d P f G V B l S. 153)4. F ü r d i e Z u l ä s s i g k e i t e i n e r sich aus d e r Festsetzung eines Stichtages p e r d e f i n i t i o n e m ergebenden U n g l e i c h h e i t g i l t folgendes p o s i t i v e Z u l ä s s i g keitskriterium: 18.2 D i e Tatsache, daß d i e F e s t l e g u n g eines Stichtages z u r E r r e i c h u n g eines e r l a u b t e n Z i e l e s 5 e r f o r d e r l i c h ist, ist 1. n o t w e n d i g e s p o s i t i v e s K r i t e r i u m der sich aus der F e s t l e g u n g e r gebenden U n g l e i c h h e i t , 2. hinreichendes positives K r i t e r i u m der sich aus der F e s t l e g u n g ergebenden U n g l e i c h h e i t , es sei denn, die F e s t l e g u n g erfolge d u r c h d i e V e r w a l t u n g u n d stelle einer. M i ß b r a u c h i h r e r Befugnisse d a r 6 . Erläuterung Der Ausdruck „Mißbrauch der Befugnis" werde entsprechend dem Ausdruck „Mißbrauch des Ermessens" verwendet, dessen Bedeutung H. J. Wolfp, beschrieben hat. Satz 18.2 sagt aus, daß erstens n u r dann, w e n n die beschriebene Tatsache vorliegt, die Festsetzung eines Stichtages zulässig ist, zweitens, daß i n diesem F a l l die Festsetzung auch immer zulässig ist, es sei denn, die V e r w a l t u n g würde sie i n Mißbrauch ihrer Befugnisse vornehmen. Begründung Die von allen Einzelerwartungen beteiligter Personen abstrahierte, d. h. die objektive Zeit ist eindimensional gerichtet homogen, d. h. strukturlos (im Sinne des umgangssprachlichen Wortgebrauchs). W i r d die Zeit durch rechtliche Regeln strukturiert, z.B. durch Stichtagfestsetzungen, k a n n die Begründung der Strukturierung nicht der Zeit selbst entnommen werden 8 . Die Begründung f ü r die Zulässigkeit einer Zeitstrukturierung muß also dem Ziel der Zeitstrukturierung entnommen werden. Da das beschriebene hinreichende K r i t e r i u m 4 U n t e r Gleichheitsgesichtspunkten problematische Stichtage sind angeführt bei E. W. Böckenförde, Die Teilung Deutschlands u n d die deutsche Staatsangehörigkeit, S. 428, A n m . 12. Z u r territorialen Ungleichbehandlung i n diesen Fällen vgl. unten § 19. 5 I m Sinne der Erläuterung zu Satz 16.7. β Z u r Möglichkeit, gesetzliche Stichtage durch Antragsfristen zu modifizieren, vgl. die zutreffende Entscheidung B F H E 86, 234 (236). Solche Möglichkeiten sind natürlich zugleich Mißbrauchsmöglichkeiten. 7 H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 31 I I d); vgl. dazu auch E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 85 f. 8 Ebenso N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 58; ders., Grundrechte als Institution, S. 165.
124
Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
f ü r die betroffenen Personen das günstigste K r i t e r i u m ist, das möglich ist, k a n n gegen seine Annahme ein G r u n d k a u m vorgebracht werden 9 . Die Einschränk u n g dieses K r i t e r i u m s beruht auf allgemein anerkannten Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Da die Festsetzung eines Stichtages f ü r die betroffenen Personen eine grundlose Ungleichbehandlung ist, ist das f ü r die betroffenen Personen günstigste K r i t e r i u m auch zugleich als notwendiges K r i t e r i u m anzunehmen. Eine andere K r i t e r i e n w a h l widerspräche Satz 16.8. Satz 18.2 s o l l a n e i n i g e n B e i s p i e l e n d i s k u t i e r t w e r d e n . B V e r f G E 13, 31 b e h a n d e l t d e n S t i c h t a g des § 4 A b s . 1 N r . 4 c) B E G i n d e r Fassung v o m 29. 6. 1956 ( B G B l I 562) i n V e r b i n d u n g m i t A r t . I I I N r . 1 des D r i t t e n Gesetzes z u r Ä n d e r u n g des Bundesergänzungsgesetzes v o m 29. 6. 1956 ( B G B l I 559) u n d § 8 A b s . 1 N r . 2 Bundesergänzungsgesetz z u r E n t s c h ä d i g u n g f ü r O p f e r der nationalsozialistischen V e r f o l g u n g v o m 18.9.1953 ( B G B l 11387). BVerfG, Beschluß vom 27. 6.1961 — 1 B v L 17, 20/58 — Gekennzeichnete Klasse: Verfolgte i m Sinne des § 1 BEG, die aus dem Geltungsbereich des Bundesergänzungsgesetzes i n ein Gebiet ausgewandert sind, m i t dessen Regierung die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Behandelte Klasse: Verfolgte, die vor dem Stichtag des 1. Januar 1947 ausgewandert sind. Restklasse: Verfolgte, die nach diesem Stichtag ausgewandert sind. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß den Gliedern der behandelten Klasse Ansprüche aus dem Bundesentschädigungsgesetz aberkannt werden (BVerfGE 13, 31 [37 f.]). Diskussion Bezüglich Satz 18.2 ist festzustellen, daß zur Erreichung der Ziele des Gesetzes die Festsetzung des Stichtages nicht erforderlich war. Insbesondere k a men finanzielle Erwägungen nicht i n Betracht, wie sich aus der Formulierung des i m BVerfGE 13, 31 (35) mitgeteilten Vorlagebeschlusses des L G Köln ergibt. Die Berücksichtigung etwaiger politischer Erwägungen, die zu einem Ausschluß der Entschädigung hätten führen können (ebd. S. 39) u n d die Berücksichtigung des subjektiv-persönlichen Territorialitätsprinzips (ebd. S. 38) waren ohne Festlegung eines Stichtages möglich 1 0 . B V e r f G E 14, 288 b e h a n d e l t d e n S t i c h t a g des A r t . 2 § 4 A b s . 1 Satz 1 des Gesetzes z u r N e u r e g e l u n g des Rechts der R e n t e n v e r s i c h e r u n g der A r b e i t e r v o m 23. 2.1957 ( B G B l I S . 45). BVerfG, Beschluß vom 11.10.1961 — 1 B v L 22/57 — 9 Bei dieser Argumentation ist zu beachten, daß enge hinreichende positive K r i t e r i e n hoheitlichen Handelns die Bürger schützen u n d das hoheitliche Handeln einschränken. 10 Ä h n l i c h E. W. Fuß, Normenkontrolle und Gleichheitssatz, S. 741.
§ 18 Ungleichbehandlungen durch Festsetzung von Stichtagen
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Gekennzeichnete Klasse: Selbstversicherte i n der gesetzlichen Rentenversicherung. Behandelte Klasse: Selbstversicherte, die die Entrichtung eines Beitrages nach § 1243 a. F. RVO vor dem Stichtag des 1. Januar 1956 begonnen haben. Restklasse: Selbstversicherte, die die Selbstversicherung nach diesem Stichtag begonnen haben. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß die Versicherung f ü r die Glieder der Restklasse unter Rückzahlung der zur Selbstversicherung entrichteten Beiträge beendet w i r d (BVerfGE 14, 288 [305]). Begründung Die Änderung des bisherigen Rechtszustandes durch Aufhebung der E i n richtung der Selbst Versicherung w a r rechtmäßig (BVerfGE 14, 288 [300 ff.]). Die Änderung w a r n u r durch Festlegung eines Stichtages möglich (ebd. [301 ff.]). Die an sich mögliche Koinzidenz der Stichtage des Inkrafttretens u n d der Beendigung der Möglichkeit der Selbstversicherung w a r deswegen untunlich, w e i l die Wahrscheinlichkeit bestand, daß sich i n der Zwischenzeit bis zum I n krafttreten der Bestimmung noch viele Personen versichert hätten. Das Ziel des Gesetzes wäre i n diesem F a l l partiell nicht erreicht w o r d e n 1 1 . E b e n f a l l s d e m Recht d e r S o z i a l v e r s i c h e r u n g i s t eine E n t s c h e i d u n g des Bundessozialgerichts e n t n o m m e n , die d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g v o n A l t u n d N e u r e n t e n - F ä l l e n a u f g r u n d des 2. Gesetzes z u r v o r l ä u f i g e n R e g e l u n g v o n G e l d l e i s t u n g e n i n d e r gesetzlichen U n f a l l v e r s i c h e r u n g v o m 29. 12. 1960 ( B G B l I S. 1085) b e t r i f f t . D a b e i i s t z u beachten, daß i n d e m z u r E n t s c h e i d u n g stehenden F a l l die U n g l e i c h b e h a n d l u n g v o n A l t - u n d N e u r e n t e n - F ä l l e n n i c h t d u r c h das Neuregelungsgesetz u n m i t t e l b a r , s o n d e r n a u f g r u n d e i n e r S a t z u n g s ä n d e r u n g des Versicherungsträgers nach § 563 A b s . 3, 2 H a l b s a t z a. F . R V O 1 2 i n V e r b i n d u n g m i t d e m N e u r e g e l u n g s gesetz erfolgte. BSG, Urteil vom 27. 9.1963 — 2 R U 81/63 — Gekennzeichnete Klasse: Versicherte i n der gesetzlichen Unfallversicherung, die einen Arbeitsunfall erlitten haben. Behandelte Klasse: Versicherte, deren Arbeitsunfall vor dem I n k r a f t t r e t e n einer Rentenerhöhung liegt. Restklasse: Versicherte, deren Arbeitsunfall nach dem I n k r a f t t r e t e n der Rentenerhöhung liegt. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, beide Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß n u r die Renten der Glieder der Restklasse erhöht werden (Breithaupt, 1964, S. 572). 11 Z u beachten ist, daß i n diesem F a l l durch das Ziel des Gesetzes nicht die Ungleichbehandlung gerechtfertigt w i r d , die i n der Festsetzung eines Stichtages liegt, sondern diejenige, die i n der W a h l des Stichtages selbst liegt. Es liegt somit kein Widerspruch zu Satz 16.8 vor. 12 Jetzt § 575 Abs. 2 Satz 2 RVO i n der Fassung des UnfallversicherungsNeuregelungsgesetzes v o m 30. 4.1963 (BGBl I S. 241).
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Begründung Dem Inhaber der Satzungsgewalt steht es frei, die Rückwirkung einer finanzielle Verbesserungen bringenden Satzung anzuordnen oder nicht. Diskussion 1* Die Formulierung der Begründung ist mehrdeutig. Nicht gemeint sein dürfte der Fall, i n dem nach § 619 RVO (§ 612 a. F. RVO) die Zahlung f ü r einen bestimmten Monat bereits erfolgte u n d die Rente für bestimmte, vergangene Zahlungszeiträume erhöht w i r d . F ü r diesen, bei der Erhöhung von Beamtengehältern entsprechend u n d öfters vorkommenden F a l l gilt die Argumentation des Gerichts uneingeschränkt. Z u r Entscheidung stand aber der Fall, i n dem der die Rechtsfolge der Rentenberechtigung auslösende Tatbestand des A r beitsunfalls vor dem Stichtag des Inkrafttretens der Rentenerhöhung v e r w i r k l i c h t war. Natürlich k a n n man die Erhöhung der Rente auch dann als rückwirkend bezeichnen, w e n n von einem Stichtag ab eine neue, zur Rentenerhöhung führende Berechnungsart auch f ü r Renten aus zurückliegenden Arbeitsunfällen eingeführt w i r d . I n diesem Sinne wäre dann die Gehaltserhöhung f ü r alle, auch vor dem I n k r a f t t r e t e n der Erhöhung ins Beamtenverhältnis berufenen Beamten eine rückwirkende Gehaltserhöhung 1 4 . Dieser Sprachgebrauch ist unüblich. Wichtiger jedoch ist, daß f ü r diesen F a l l die Argumentation des Gerichts nicht uneingeschränkt z u t r i f f t 1 5 . Dabei ist zu beachten, daß die gesetzliche Unfallversicherung nie auf dem versicherungsmathematischen Kapitalisierungsprinzip beruhte, nach dem spätere Leistungen prinzipiell aus den kapitalisierten früher entrichteten Beiträgen zu erbringen sind. Vielmehr bestand bei der gesetzlichen Unfallversicherung von Anfang an die Regelung, daß die Unternehmer jeweils den laufenden Bedarf aufzubringen haben (vgl. §§ 723, 724 RVO; § 731 Abs. 1 a. F. RVO). Als Begründung für die Zulässigkeit der Differenzierung zwischen A l t - u n d Neurenten kann daher nicht angeführt werden, für die A l t - u n d Neurenten seien unterschiedliche Leistungen erbracht worden. (Dieses Argument galt ursprünglich — vor dem 1. Weltkrieg — für das Gebiet der gesetzlichen Invalidenversicherung.) Die Frage, vor der das Gericht stand, läßt sich also so formulieren: Gibt es einen G r u n d dafür, i n beliebigen, sich i n der Z u k u n f t ständig wiederholenden Zeitpunkten bei der Auszahlung von monatlichen Renten danach zu unterscheiden, ob ein (ohnehin i n der Vergangenheit liegender) U n f a l l vor oder nach einem bestimmten Stichtag (in dem eine bestimmte Berechnungsart dei Renten i n K r a f t trat) stattgefunden hat. Das Bundessozialgericht hat keinen G r u n d angeführt. Es hätte daher einen Verstoß gegen A r t . 3 Abs. 1 GG annehmen müssen, da das Ziel des Neuregelungsgesetzes i n Verbindung m i t der Satzungsänderung des Versicherungsträgers, nämlich die Anpassung der Renten an die gesteigerten Lebenshaltungskosten, ohne Festsetzung eines Stichtages möglich war. Vielleicht hätte ein Grund, den das Gericht nicht erörtert hat, die Ungleichbehandlung rechtfertigen können, nämlich der der finanziellen Belastung während einer Ubergangszeit 1 6 . Reichte die P r o d u k t i v k r a f t der 13 Z u r Rückwirkungsproblematik vgl. H. W. Scheerbarth, Die Anwendung von Gesetzen auf früher entstandene Sachverhalte, S. 21 ff.; G. Kisker, Die R ü c k w i r k u n g von Gesetzen, Tübingen 1963, S. 20 ff., bes. S. 23, 26. 14 Z u der entsprechenden Problematik bei Beamtenpensionen vgl. die sorgfältig argumentierende Entscheidung B G H Z 12, 161 (172—180). Vgl. auch BayVerfGHE 14, 30 (41). 15 Richtig dürfte die entsprechende Begründung hingegen sein i n den E n t scheidungen BSGE 11, 278 (287); 20, 28 (32). 16 Kurzfristige ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen aus besonderen Gründen hält für zulässig BFH, U r t e i l vom 31.10.1957, i n : N J W 58,199.
§ 18 Ungleichbehandlungen durch Festsetzung von Stichtagen
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Wirtschaft nicht aus, alle Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung gleichzeitig u n d gleichmäßig anzuheben, so ist für eine Übergangszeit die Festsetzung eines Stichtages deswegen zulässig, w e i l (allein) diese Regelung es gestattet, das erstrebte Ziel wenigstens partiell zu erreichen 1 7 .
Satz 16.8 findet eine weitere wichtige Einschränkung durch folgenden Satz: 18.3 Hinreichendes positives K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichheit ist der Umstand, daß 1. das Ziel erlaubt ist, dessen M i t t e l Grund der Ungleichheit sind, 2. eine Rechtfertigung der Ungleichheit aus der Klasse der möglichen Mittel nicht nur i m Einzelfall unmöglich ist, 3. wenn die Mittelwahl durch die Verwaltung erfolgt, die Wahl kein Mißbrauch der Befugnisse darstellt. Erläuterung Satz 18.3 sagt aus, daß dann, wenn aus dem „Bereich" der M i t t e l eine U n gleichheitsbegründung nicht möglich ist, die Erlaubtheit des Zieles die aus der M i t t e l w a h l folgende Ungleichheit rechtfertigt. Satz 18.2 ist, soweit er ein h i n reichendes K r i t e r i u m formuliert, ein Spezialfall des Satzes 18.3. Die Unmöglichkeit der Begründung aus der Klasse der M i t t e l (den einzelnen möglichen Daten, die als Stichtag festgesetzt werden können) ergibt sich i n jenem F a l l aus der Homogenität der objektiven Z e i t 1 8 . Begründung Da nicht von vornherein feststeht, welche Bereiche möglicher M i t t e l so wenig strukturiert sind, daß über ihnen eine mögliche Begründung nicht formuliert 17 Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch das Ziel der Regelung müßte, u m Satz 16.8 nicht zu widersprechne, besonders begründet werden. Vielleicht wäre eine Begründung m i t einem Satz 25.2 ähnlichen K r i t e r i u m möglich gewesen. 18 Aus diesem G r u n d sind auch Fristsetzungen, wie sie sich i n B G H Z 30, 338 (348) oder § 18 B B a u G finden, m i t Satz 18.2 und Satz 18.3 vereinbar. Da die objektive Zeit homogen ist, sind auch Unterschiede der Fristsetzungen wie die Fristen des Bundesgerichtshofs und des Bundesgesetzgebers m i t diesen Sätzen vereinbar. Wenn eine Fristsetzung von 3 Jahren ebenso w i l l k ü r l i c h ist wie eine Fristsetzung von 4 Jahren, ist derjenige, der entscheiden kann und muß, befugt, das eine oder das andere zu wählen. Ob beide Fristen gleich w i l l k ü r l i c h sind, ist weitgehend eine empirische Frage, deren Komponenten (Steigerung von Baukosten, Zeiträume, innerhalb deren Unternehmer aus betriebswirtschaftlichen Gründen verbindlich planen müssen u. a.) unter Umständen zeitlich schwanken. M i t einer Funktionalisierung (Einführung von Gleitklauseln) haben sich die Rechtswissenschaft u n d der Gesetzgeber außer i m Bereich des Rentenrechts bisher k a u m befaßt. Z u Spezialthemen vgl. U. Scheuner, i n : V V D S t R L 10 (1952), S. 155 f.; K . Braun, Der für die Bemessung der Enteignungsentschädigung maßgebende Zeitpunkt nach der oberstrichterlichen Rechtsprechung, N J W 63, S. 1475 f.; H. H. Weber, Anwendungsformen von Gleitklauseln, i n : ZgesStW 113 (1957), S. 476—484; N. Luhmann, Lob der Routine, S. 19. Prinzipielle Betrachtungen finden sich bei E. Forsthoff, Anrecht u n d Aufgabe einer Verwaltungslehre, S. 142 f.; H. Dieterich, Der Zeitpunkt f ü r die Bemessung der Entschädigung i m Enteignungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz, DÖV 66, S. 850—55.
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
werden kann, u n d nicht davon ausgegangen zu werden braucht, daß der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt (einschließlich der Legislative) jedes H a n deln i n solchen Bereichen untersagt sein soll, muß für ein Handeln i n diesen Bereichen die Begründung aus dem Bereich der Ziele zulässig sein. F ü r d e n B e r e i c h d e r Gesetzgebung i s t Satz 18.3 b i s h e r n u r i n d e m S p e z i a l f a l l des Satzes 18.2 a k t u e l l g e w o r d e n . A u f e i n e n solchen F a l l ( n ä m l i c h eine A n s p r u c h s v e r j ä h r u n g ) bezieht sich auch das o b i t e r d i c t u m i n d e m Beschluß des OVG Hamburg v o m 30. 1. 1954 1 9 , das eine d e m Satz 18.3 ähnliche Hechtsansicht v e r t r i t t . A n d e r s i s t es h i n g e g e n i m B e r e i c h d e r V e r w a l t u n g . H i e r lassen sich zahlreiche Beispiele k o n s t r u i e r e n . Beispiele 1. A u f einer i m Zeitpunkt der Inanspruchnahme sehr stark befahrenen Fernverkehrsstraße verlangt die Polizei nach §§ 1, 3, 9 bad.-württ. PolG (bei V o r liegen der sonstigen Voraussetzungen f ü r i h r Eingreifen) von einem P K W Fahrer den Abtransport eines Verletzten. Es kommen mehrere Fahrer i n Frage. Die Polizei w ä h l t einen aus. 2. Die zuständige Anforderungsbehörde beabsichtigt, nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 9 B L G (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für i h r Eingreifen) i n einer Großstadt sehr kurzfristig 50 L K W anzufordern. Auch nach Abwägerl der der Behörde innerhalb der i h r zur Verfügung stehenden Zeit bekannten Interessen muß eine A u s w a h l zwischen mehreren i n Frage kommenden L e i stungspflichtigen getroffen werden 2 0 . I n solchen u n d ä h n l i c h e n F ä l l e n s i n d der h a n d e l n d e n B e h ö r d e m ö g l i c h e r w e i s e i n d e r Zeitspanne, i n n e r h a l b d e r e n sie h a n d e l n m u ß 2 1 , aus d e m B e r e i c h d e r M i t t e l k e i n e Tatsachen b e k a n n t , ü b e r d e n e n sich eine B e g r ü n d u n g f ü r eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g f o r m u l i e r e n ließe. D e r B e reich erscheint i n solchen F ä l l e n u n s t r u k t u r i e r t u n d i s t i n n e r h a l b der z u r V e r f ü g u n g stehenden Z e i t auch n i c h t s t r u k t u r i e r b a r . D i e W a h l , die d i e B e h ö r d e d a n n t r i f f t , ist z w a r v o m B e t r o f f e n e n h e r gesehen w i l l k ü r -
19 OVG Hamburg, Vorlagebeschluß v o m 30.1.1954 — B f I I I 8/53 —, V e r w Rspr. 54, 439 (441): „Allerdings sind dem Gesetzgeber nicht alle W i l l k ü r a k t e untersagt. Er darf eine w i l l k ü r l i c h e Regelung treffen, w e n n irgendeine Regel u n g getroffen werden muß, jede andere aber ebenso w i l l k ü r l i c h sein würde, zum Beispiel dann, w e n n es darum geht, wie lange eine Verjährungsfrist sein soll." Zustimmend zu dieser Ansicht W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 64. Vgl. auch BayVerfGHE 8, 38 (44 f.). 20 Die Ansicht von Κ . A. Bettermann, Rechtsgleichheit u n d Ermessensfreiheit, S. 84, es gebe auch i m Ermessensbereich (immer) eine richtige Entscheidung, ist widerlegt von N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, S. 109 f. 21 A u f die Abhängigkeit der Verantwortung einer Ermessensentscheidung von der Zeitspanne, innerhalb deren sie ergehen muß, hat bes. hingewiesen E. Jaques, Measurement of Responsibility, London 1956. Vgl. dazu auch E. Forsthoff, Anrecht u n d Aufgabe einer Verwaltungslehre, S. 140; N. Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 198, 208 ff. Richtig, aber i m Hinblick auf die angezeigte Problematik ergänzungsbedürftig die Ausführungen i n B V e r w G E 26,135 (139 f.).
§19 Hegionale Ungleichbehandlung
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lieh, aber trotzdem zulässig, es sei denn, sie stellt einen Mißbrauch der Befugnisse dar. Einen ähnlichen Sachverhalt betrifft der Satz, daß Ungleichbehandlungen dann gerechtfertigt sind, wenn sie der Notwendigkeit der Pauschalisierung entspringen. Auch i n diesen Fällen werden die Betroffenen ohne einen sich aus der Eigenart des Einzelfalles ergebenden Grund ungleich behandelt. 18.4 Hinreichendes positivs K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung ist der Umstand, daß die Ungleichheit Folge der Notwendigkeit der Pauschalisierung oder der Notwendigkeit ist, Verfahren einfach zu gestalten 22 . Begründung Dieser begründbare Satz werde nicht begründet, da seine Richtigkeit nicht angezweifelt werden d ü r f t e 2 3 .
Der Ausdruck „Pauschalisierung" bedürfte i m Kontext des Satzes 18.4 einer Präzisierung, die zu liefern den Rahmen der Untersuchung an dieser Stelle sprengen würde. Nur darauf sei hingewiesen, daß Satz 18.4 nicht aussagt, daß hinreichend kleine Klassen von Personen i n jeder Hinsicht ungleich behandelt werden dürfen, wie der Bayerische Verfassung s g er ichtshof i n seiner oben i n § 13 zitierten Entscheidung ausgeführt hat 2 4 . § 19 Regionale Ungleichbehandlung
Ausgegangen werde von folgender Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, Urteil vom 4. 5.1956 — H C 71.55 — Der Unterschied zwischen Personen, f ü r die eine bestimmte Behörde (regional) zuständig ist, u n d Personen, für die eine andere Behörde (regional) zuständig ist, ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Personen ungleich zu behandeln (BVerfGE 5,1 [9]). Begründung Behörden, die k r a f t eigener Zuständigkeit handeln, sind weder berechtigt noch verpflichtet, auf das Handeln anderer, ebenfalls k r a f t eigener Zuständigkeit handelnder Behörden Einfluß zu nehmen. 22 So ζ. B. BVerfGE 11, 105 (116, 120), 245 (254); 13, 290 (316); 14, 34 (40); 17, 1 (23); 19, 101 (116); 21, 12 (27); 22, 100 (106); 23, 135 (144); B V e r w G E 25, 147 (148); BSGE 16,115 (119), 276 (278); 20, 28 (32); Β GHZ 13, 265 (312 f.). 23 Ansätze zu einer Begründung finden sich bei N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 166 f. Einschränkend G. Felix, Z u r Würdigung von Sachverhalten i m Steuerrecht, S. 558, m i t weiterer Literatur. 24 Z u r Grenze der Zulässigkeit von Pauschalierungen vgl. BVerfGE 23, 327 (345 f.) ; B F H E 80, 356 (372 ff.). Ähnlich BayVerfGHE 20, 87 (94).
9 Podlech
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Diskussion Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt besteht darin, daß 1946 zwei damals der Reichsbahndirektion Bielefeld unterstehende Eisenbahndirektionen i n der britischen Besatzungszone i n einer bestimmten beamtenrechtlichen Frage gleichgelagerte Fälle ungleich behandelten. F ü r diesen F a l l ist die gegebene Begründung unschlüssig. Die Direktionen hatten, worauf O. Bachof hingewiesen hat*, die Pflicht, eine Entscheidung der Zentralbehörden zur gleichmäßigen Behandlung der Fälle herbeizuführen 2 .
Es gilt also folgendes notwendige positive K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung: 19.1 Nur dann, wenn die i m Einzelfall handlungsbefugte und handelnde Behörde kraft eigener Zuständigkeit nicht imstande ist, die ungleiche Behandlung eines gleich gelagerten Falles zu verhindern oder auszuräumen, ist dieser Umstand ein zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung. Erläuterung Die Bedingung 19.1 ist nicht erfüllt, wenn die verschiedenen Behörden einer einheitlichen V e r w a l t u n g m i t gemeinsamer Oberbehörde angehören 3 .
Die wichtigste Fallgruppe von Differenzierungen, die deswegen zulässig sind, weil sie aufgrund der geltenden Rechtsordnung nicht vermieden werden können, sind Differenzierungen infolge Bestehens mehrerer einander gleichgeordneter Kompetenzträger. Darunter fallen vornehmlich die Länder und (sonstigen) Gebietskörperschaften, aber auch andere Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, wie ζ. B. Sozialversicherungsträger. Es gilt für diesen Bereich folgendes hinreichende positive K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichheit: 19.2 Immer dann, wenn eine Ungleichbehandlung Folge des Umstandes ist, daß für verschiedene Personen verschiedene Hoheitsträger m i t eigenen Kompetenzen zuständig sind, ist die Ungleichbehandlung zulässig. Begründung Dieser begründbare Satz werde nicht begründet, da seine Richtigkeit nicht bestritten werden dürfte 4 . 1
O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, S. 132. F ü r eine differenzierende Lösung M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 78 ff. 3 Z u r Notwendigkeit der einheitlichen Anwendung von Bundesrecht i n den Ländern vgl. Fr. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 367, A n m . 19. 4 Vgl. BVerfGE 4, 205 (211); 10, 354 (371); 12, 139 (143); 16, 6 (24); 17, 319 (331); 21, 54 (68); B V e r w G E 1, 242 (244); 2, 105 (107); 3, 145 (148); 5, 291 (293); 6, 84 (85), 247 (263); 8, 211 (213); B F H E 74, 403 (406); Β G H Z 12, 161 (180); 43, 196 (210); 45, 83 (91); BayVerfGHE 9, 141 (145); 13, 27 (31); Η . P. Ipsen, Gleichheit, S. 182; Maunz-Dürig, Grundgesetz, A r t . 20 Rdn. 26, A r t . 72 Rdn. 1, A r t . 83 Rdn. 31; 2
§19 Regionale Ungleichbehandlung
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N i c h t so u n p r o b l e m a t i s c h ist die Frage, ob i m Z u s t ä n d i g k e i t s b e r e i c h eines H o h e i t s t r ä g e r s , also beispielsweise des B u n d e s oder eines Landes, r e g i o n a l d i f f e r e n z i e r t w e r d e n d a r f . Das ist g e l e g e n t l i c h ohne eingehende P r ü f u n g b e j a h t w o r d e n 5 . Jedoch d ü r f t e eine r e g i o n a l e D i f f e r e n z i e r u n g n u r zulässig sein, w e n n folgendes n o t w e n d i g e p o s i t i v e K r i t e r i u m e r f ü l l t ist: 19.3 N u r dann, w e n n eine r e g i o n a l e U n g l e i c h b e h a n d l u n g i m Z u s t ä n d i g k e i t s b e r e i c h eines H o h e i t s t r ä g e r s ü b e r tatsächlichen r e g i o n a l e n U n t e r s c h i e d e n b e g r ü n d b a r ist, ist d i e U n g l e i c h b e h a n d l u n g zulässig 6 . Begründung Die Einheitlichkeit des für eine Allgemeinheit bestimmten Rechts ist nicht als Einheitlichkeit f ü r Gruppen, sondern n u r als Einheitlichkeit innerhalb des Territoriums zu verwirklichen 7 . Z a h l r e i c h e r e g i o n a l e D i f f e r e n z i e r u n g e n s i n d d u r c h das 2. Gesetz z u r Ä n d e r u n g m i e t r e c h t l i c h e r V o r s c h r i f t e n v o m 14. 7. 1964 ( B G B l I S. 457) geschaffen w o r d e n . I m f o l g e n d e n w e r d e n u r auf die B e s t i m m u n g e n z u r Ä n d e r u n g des B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuches eingegangen. Die Änderungen des B G B gelten nach A r t . I V § 7 Abs. 2 des genannten Gesetzes n u r i n Gebieten, i n denen das Mieterscüutzgesetz nicht mehr anwendbar ist, also i n den sogenannten weißen Kreisen. Diese Regelung wäre sicher u n problematisch für Bestimmungen, die i n engem Zusammenhang m i t der Wohnungs-Knappheit u n d infolgedessen m i t dem Mieterschutz stehen. Ganz zweifelsfrei ist diese Voraussetzung aber für keine der neuen Regelungen. Selbst bei dem am ehesten auf die Wohnungsknappheit bezogenen § 556 a η. F. BGB, der das Widerspruchsrecht des Mieters gegen sozial ungerechtfertigte K ü n d i gungen einführt, ist zu beachten, daß er auch innerhalb der Klasse von Mietern differenziert, die keinem Mieterschutz unterliegen u n d auch schon vor I n k r a f t treten der Bestimmungen nicht unterlegen waren. Die Regelung ist also n u r gültig, w e n n folgender Satz begründbar ist: Zulässigkeit der Ungleichheit bezüglich des Widerspruchsrechts bei sozial ungerechtfertigter Kündigung nach § 556 α η. F. BGB Der Unterschied zwischen Mietern von Wohnraum, der nicht dem Mieterschutz unterliegt (von sog. Neubauwohnungen), die i n sogenannten schwarzen Kreisen liegen, u n d solchen Mietern von Neubauwohnungen, die i n sogeTh. MaunZy Die staatsbürgerliche Gleichheit, S. 559; K . Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, i n : Die Grundrechte, 3. Bd., S. 64 f.; W. Schaumann, Gleichheit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 723; M. Wallerath, a.a.O., S. 76 ff. 5 BVerfGE 17, 381 (387 f.); B V e r w G E 5,114 (116 f.). 6 So auch W. Wengler, J Z 65, 135. Vgl. auch V G H Kassel, U r t e i l v o m 26. 8. 1958, N J W 59, 1510; A. Köttgen, Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik, S. 70; W. Schaumann, a.a.O.; Fr. Ossenbühl, a.a.O., S. 539. 7 So wörtlich H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 861. Ungenau BVerfGE 1, 264 (275) u n d H. R. Rinck, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gleichheitssatz, S. 295. Vgl. dazu auch Η . P. Ipsen, Kohleversorgung norddeutscher Elektrizitätswerke i m Rahmen der Kohlebewirtschaftung (unveröffentl.) Rechtsgutachten 1953; ders., Gleichheit, S. 189. 9*
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
nannten weißen Kreisen liegen, ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Mietern dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein Gliedern der zweiten Klasse das Widerspruchsrecht des § 556 a η. F. B G B zusteht. Es dürfte schwer fallen, diesen Satz zu begründen. Neben solchen Bestimmungen, die eine Beziehung zur Wohnungsknappheit haben, gibt es aber auch zahlreiche Neuregelungen, die keine Beziehung zur Wohnungsknappheit haben, wie ζ. B. das Verbot, Mängelvorschriften zu Ungunsten des Mieters abzuändern (§ 537 Abs. 3 n. F. BGB), die Duldungsvorschriften bei Maßnahmen zur E r haltung oder Verbesserung (§ 541 a BGB), die Vorschriften über die Wegnahme von Einrichtungen (§ 547 a BGB), die Ergänzung der Untermietervorschriften (§ 449 Abs. 2 n. F. BGB) 8 , bestimmte Kündigungsvorschriften (§ 554 n. F. BGB) u n d die Regelung der Rechte von Familienangehörigen oder Erben (§§ 569 n. F. BGB) u. a. Schließlich sind durch das 1. Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften v o m 29. 7.1963 (BGBl I S. 505) u n d das oben angeführte 2. Gesetz sogar mietrechltiche Vorschriften geändert worden, die sich generell auf M i e t v e r hältnisse erstrecken, ohne Einschränkung auf Wohnraummietverhältnisse. Auch das I n k r a f t t r e t e n dieser Bestimmungen ist nach A r t . I I I § 1 des 1. Gesetzes u n d A r t . I V § 7 Abs. 2 des 2. Gesetzes an das Außerkrafttreten der Mieterschutzvorschriften gebunden. So haben die Vorschrift über Mängel der Mietsache u n d daraus resultierende Schadensersatzansprüche (§§ 537 f. B G B ) 9 u n d über fristlose K ü n d i g u n g bei Zahlungsverzug (§ 554 Abs. 1 B G B ) 9 unterschiedlichen Regelungsinhalt f ü r die Gebiete der schwarzen u n d der weißen Kreise. Die Gültigkeit dieser Bestimmungen setzt die Begründbarkeit von Sätzen voraus wie beispielsweise des folgenden: Zulässigkeit der Ungleichheit bezüglich der Schadensersatzansprüche nach § 538 BGB Der Unterschied zwischen Mietern beliebiger Sachen i n Gebieten, i n denen die Mieterschutzvorschriften nach § 54 MSchG noch gelten 1 «, u n d Mietern beliebiger Sachen i n anderen Gebieten ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Mietern dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß bei V o r liegen der Voraussetzungen des § 538 Abs. 1 B G B Mieter der ersten Klasse Schadensersatz wegen Nichterfüllung statt der i n § 537 B G B gegebenen Rechte, Mieter der zweiten Klasse unbeschadet der i n § 537 B G B gegebenen Rechte geltend machen können. Daß es f ü r diese regionale Ungleichbehandlung etwa bei Kraftfahrzeugmietverhältnissen keinen zureichenden G r u n d gibt, dürfte selbstverständlich sein 1 1 . A r t . I I I § 1 des 1. Gesetzes und A r t . I V § 7 Abs. 2 des 2. Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften sind daher nach Satz 18.3 m i t A r t . 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar 1 2 . 8 Formell betrifft § 549 B G B alle Mietverhältnisse. Praktische Bedeutung hat die Vorschrift indessen n u r f ü r Grundstücks- und Raummietverhältnisse. 9 Η . P. Pergande, Wohnraummietrecht, München 1965, § 583 B G B A n m . 1; § 554 A n m . 1, äußert keine Bedenken gegen die Gültigkeit. 10 Entscheidend ist w o h l der Leistungsort nach § 269 BGB. A u f Schwierigkeiten, die sich aus der Festlegung des Ortes ergeben können, sei n u r hingewiesen. 11 F ü r den Gesetzgeber keine Entschuldigung dürfte sein, daß besonders bei dieser Vorschrift die Rechtsprechung i n der Lage ist, durch Interpretation allein nach dem neuen Recht zu verfahren. 12 H. Roquette , K ü n d i g u n g von Mietverhältnissen wegen Zahlungsverzuges, N J W 64, S. 377 A n m . 2, ist der Ansicht, diese Differenzierung sei „sachlich ohne
§19 Regionale Ungleichbehandlung
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Eine wichtige regionale Grenze ist die Staatsgrenze. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des (bundesrepublikanischen) Staats- und (westlichen) Völker-Rechts, daß die Ausübung hoheitlicher Gewalt an den Staatsgrenzen ihre Schranke findet 18. Besteht die Ausübung hoheitlicher Gewalt i m Erlaß allgemeiner Rechtsregeln, so bedarf diese Formulierung jedoch der Präzision. Durch allgemeine Rechtsregeln können Eingriffe zugelassen oder angeordnet und Leistungen dargeboten werden. Die Realisierung von Eingriffen aus eigenem hoheitlichen Recht kann und darf i n der Regel nur i m Inland erfolgen. Ausnahmen bedürfen völkerrechtlicher Abmachungen. Die durch die Anwendung dieses Grundsatzes bedingten Ungleichheiten sind immer gerechtfertigt. Unerheblich ist es dabei, ob das Tatbestandsmerkmal, an dessen Verwirklichung sich der Eingriff anschließt, i m Inland oder i m Ausland verwirklicht ist 1 4 . Dies läßt sich so ausdrücken: 19.4 Sind durch eine Rechtsregel, die keine räumlichen Tatbestandsmerkmale enthält, hoheitliche Eingriffe gegenüber Personen einer gegebenen Klasse zugelassen oder angeordnet, so ist eine Ungleichbehandlung von Teilklassen der gegebenen Klasse immer dann zulässig, wenn sie bedingt ist durch den Umstand, daß hoheitliche Eingriffe nur i m Inland zulässig sind. Durch Rechtsregeln können jedoch auch Leistungen dargeboten werden. Dabei sind wieder zu unterscheiden: Ort der Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen und Ort des Empfanges der Leistung. I m Zuge der Sozialgesetzgebung t r i t t der Fall immer häufiger auf, daß Anknüpfungspunkte für gewährte Leistungen i m Ausland liegen 15 . Dabei treten Gleichheitsprobleme eigener A r t auf. Zu ihrer Diskussion werde von folgender Entscheidung des Bundessozialgerichts ausgegangen: BSG, Urteil vom 25.11.1966 — 7 R K g 12/65 — (Kindergeldgesetz [KGG] v o m 13.11.1954 — B G B l I S. 333 — i. d. Fassung des Kindergeldergänzungsgesetzes (KGEG) v o m 23.12.1955 — B G B l I S. 841 —) Gekennzeichnete Klasse: Antragsberechtigte i m Sinne des § 1 K G G , die K i n der i m Sinne des § 2 K G G haben. Behandelte Klasse: Antragsberechtigte, deren K i n d e r ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt i n dem Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stand v o m 31.12.1937 haben. Restklasse: Antragsberechtigte, deren K i n d e r ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht i n dem Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stand v o m 31.12.1937 haben. jeden Rechtfertigungsgrund". Er hält die Regelung für ein Versehen des Gesetzgebers. 13 Genauer u n d eingehender K . Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, F r a n k f u r t 1965, S. 13 ff. 14 Vgl. dazu z. B. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 StGB. 15 Vgl. dazu A. Podlech, G i l t i n der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung das Territorialprinzip?, S. 1142 ff.
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, nach § 34 Abs. 2 K G G Kindergeld n u r den Antragsberechtigten der behandelten Klasse zu gewähren (BSGE 15, 295 [296]. Vgl. dazu BVerfGE 23, 258 [263]). Begründung 1. Die Regelung entspricht dem Territorialprinzip. 2. Der Gesetzgeber k a n n ein berechtigtes Interesse daran haben, Personen, die außerhalb seines Herrschaftsbereiches leben, eine Vergünstigung zu v e r sagen, die er Personen gewährt, die innerhalb dieses Bereichs leben (BSGE 25, 295 [296]). Diskussion Der Hinweis auf das Territorialprinzip ist keine ausreichende Begründung. Erstens deckt der Ausdruck „Territorialprinzip" keinen einheitlichen rechtlichen Sachverhalt 1 6 . Zweitens ist seine Geltung i m Sozialversicherungsrecht, wozu auch das Kindergeldrecht gehört, seit geraumer Zeit durchgreifender K r i t i k ausgesetzt 17 . Problematischer ist jedoch die zweite Begründung. V o m natürlichen Sprachgebrauch her fällt schon auf, daß sie n u r dann schlüssig sein kann, w e n n f ü r den bundesrepublikanischen Gesetzgeber die Grenzen seines Herrschaftsbereichs m i t den Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Stand v o m 31.12.1937 zusammenfallen. Diese Prämisse ist weder tatsächlich noch rechtlich r i c h t i g 1 8 . K o r r e k t läßt sich der Gedanke, der i n der zweiten Begründung steckt, folgendermaßen fassen u n d als K r i t e r i u m formulieren, wobei eine völkerrechtlich begründete Ausnahme sogleich hinzugenommen w i r d 1 9 : 19.5.1 S i n d d u r c h eine Rechtsregel, die k e i n e r ä u m l i c h e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e e n t h ä l t , L e i s t u n g e n a n Personen e i n e r gegebenen K l a s s e a n g e o r d n e t oder zugelassen, so i s t eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g v o n T e i l k l a s s e n d e r gegebenen Klasse i m m e r d a n n z u lässig, w e n n f ü r eine dieser T e i l k l a s s e n d i e T a t b e s t a n d s v e r w i r k l i c h u n g , a n d i e die L e i s t u n g a n g e k n ü p f t w i r d , o d e r d e r L e i s t u n g s o r t a u ß e r h a l b des T e r r i t o r i u m s d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d ( A r t . 23 G G ) 2 0 liegen. 19.5.2 W e r d e n Personen zulässigerweise d a d u r c h u n g l e i c h b e h a n d e l t , daß sie nach Satz 19.5.1 v o n L e i s t u n g e n ausgeschlossen w e r d e n , so i s t eine w e i t e r e U n g l e i c h b e h a n d l u n g zulässig d e r a r t , daß eine 16 Vgl. dazu A. Podlech, a.a.O., S. 1142 f.; B. v. Maydell, Sach- u n d Kollisionsnormen i m internationalen Sozialversicherungsrecht, Berlin 1967, S. 62, 70 ff. 17 Erstmals w o h l A. Podlech, a.a.O.; allgemein K . Vogel, a.a.O., S. 125 ff. Vgl. dazu den Uberblick bei Β. v. Maydell, a.a.O., S. 68 ff. 18 Vgl. dazu E. W. Böckenförde, Die Teilung Deutschlands u n d die deutsche Staatsangehörigkeit, S. 429. 19 Z u m Völkerrecht als rechtfertigendem G r u n d inländischer Ungleichbehandlungen vgl. auch BVerfGE 23, 288 (313 f.). 20 Z u r Bezeichnung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland hat sich der Ausdruck „Geltungsbereich des Grundgesetzes" eingebürgert. Dieser Ausdruck, der durch den Wortlaut des A r t . 23 GG nahegelegt w i r d , ist jedoch, w i e K. Vogel, a.a.O., S. 146 ff., dargelegt hat, juristisch insofern mißverständlich, als das Grundgesetz — etwa f ü r die i m Ausland tätigen bundesrepublikanischen Behördenangehörigen — auch i m Ausland gilt.
§ 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
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Teilklasse der Klasse von Personen, hinsichtlich deren Tatbestandsverwirklichung oder Leistungsort außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland liegen, aufgrund von Bestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder von völkerrechtlichen Verträgen Leistungen wie Inländer erhalten. Durch Satz 19.5 ist noch nicht entschieden, ob der Bereich des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31.12.1937, der nicht zum Territorium der Bundesrepublik Deutschland gehört, unter Gleichheitsgesichtspunkten als I n - oder Ausland betrachtet werden muß. Diese Frage ist wohl unterschiedlich zu beantworten und zwar unterschiedlich hinsichtlich der einzelnen Gebiete — etwa des Gebiets der DDR und des unter sowjetischer Verwaltung stehenden Gebietes — und hinsichtlich einzelner Rechtsmaterien — etwa des Lastenausgleichsrechts oder des Sozialversicherungsrechts —. Dabei ist zu beachten, daß nach Satz 8.2 nicht die Gleichstellung mit Inländern begründungsbedürftig ist, sondern die Ungleichbehandlung, die durch die unterschiedliche Radizierung außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland eintritt. I m Ausgangsfall erhielt der Kläger deswegen kein Kindergeld, w e ü seine K i n d e r i n K u n r o w (Polen i n den Grenzen v o m 31.12.1937) wohnen. Er würde es erhalten, w e n n sie etwa i n Stargard (Deutsches Reich i n den Grenzen v o m 31.12.1937 und — nach polnischer Rechtslage — Polen i n den Grenzen v o m 11.1.1949 21 ) wohnen würden. V o n einem Arbeitnehmer — i m Ausgangsfall deutscher Staatsangehörigkeit — her gesehen, der i n der Bundesrepublik tätig ist, ist dieser regionale Unterschied unbegründbar 2 2 . Leider geht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v o m 7. 5.1968 23 auf diese Frage, die den Nerv der derzeitigen bundesrepublikanischen Staatsideologie betrifft, m i t keiner Frage ein. § 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
Der Gedanke ist naheliegend, daß aus anderen Verfassungsbestimmungen als A r t . 3 Abs. 1 GG Kriterien der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Ungleichbehandlungen entwickelt werden können 1 . Dabei ist 21 Spätestens seit Erlaß des Gesetzes betreffend die Zusammenlegung der V e r w a l t u n g der wiedergewonnenen Gebiete m i t der allgemeinen V e r w a l t u n g v o m 11.1.1949 — poln. Ges.Bl. 1949 Nr. 4 Pos. 20 —, möglicherweise jedoch seit Erlaß des Verfassungsgesetzes betreffend den A u f b a u u n d die Tätigkeit der höchsten Organe der Republik Polen v o m 19. 2.1947 — poln. Ges.Bl 1947 Nr. 18 Pos. 71 — betrachtet Polen die i h m am 23. 5.1945 von der Sowjet-Union übergebenen u n d durch A r t . I X b) der M i t t e i l u n g über die Dreimächtekonferenz von B e r l i n v o m 2. 8.1945 („Potsdamer Abkommen") — Amtsblatt des K o n trollrats i n Deutschland, Erg.Heft 1 S. 13 ff. — seiner V e r w a l t u n g unterstellten Gebiete des Deutschen Reichs innerstaatlich als polnisches Inland. 22 Sollte dieser Unterschied den Zweck haben, den Rechtsanspruch auf die Ostgebiete aufrecht zu erhalten, wäre die Regelung m i t Satz 16.8 unvereinbar. 23 BVerfGE 23, 258 (263 f.). 1 Vgl. dazu allgemein H. Ridder, Männer u n d Frauen sind gleichberechtigt, S. 225 ff.; H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 356 f.; M. Wallerath, Die SelbstB i n d u n g der Verwaltung, S. 45 ff.
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
e t w a a n A r t . 1; 3 A b s . 2 u n d 3 2 ; 4 3 ; 5 4 ; 6 A b s . 1, 4 u n d 5 5 ; 7 6 ; 9 A b s . 2 u n d 3 7 ; 11 A b s . 2; 12 A b s . 2 u n d 3 ; 12 a ; 13 A b s . 2 u n d 3; 14 A b s . 2 u n d 3 8 ; 15 9 ; 17 a; 1 8 1 0 ; 19 A b s . 1; 20 A b s . 1 « ; 2 1 1 2 ; 26; 27; 30; 3 3 1 3 ; 3 6 1 4 ; 3 8 1 5 ; 46; 47; 48; 55 A b s . 2; 66; 101 1 θ ; 103 1 7 ; 116; 117 A b s . 1 u n d 2; 120 1 8 ; 131 1 9 ; 132; 135 a ; 137; 139; 140 2 0 u n d 141 G G z u d e n k e n . Jedoch b e r e i t e t die F o r m u l i e r u n g des V e r h ä l t n i s s e s solcher B e s t i m m u n g e n zu A r t . 3 G G besonders d e r P r a x i s e i n i g e S c h w i e r i g k e i t e n 2 1 . Z u i h r e r B e h e b u n g w e r d e ausgeg a n g e n v o n f o l g e n d e m , h i e r n i c h t w e i t e r b e g r ü n d e t e n Satz: 20.1 H i n r e i c h e n d e s negatives K r i t e r i u m der U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist der U m s t a n d , daß aus e i n e r V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g eine Rechtsregel i n t e r p r e t a t i v e n t w i c k e l t w e r d e n k a n n , die m i t d e r die U n g l e i c h b e h a n d l u n g b e g r ü n d e n d e n Satzklasse (logisch) u n v e r e i n b a r ist. Erläuterung Die Formulierung 20.1 verlegt die gesamte Problematik i n die Interpretation der sonstigen Verfassungsbestimmungen. Einfacher, aber unkorrekt, läßt sich der Satz folgendermaßen formulieren: Eine Ungleichbehandlüng ist unzulässig, 2
BVerfGE 6, 55 (61); 9, 237 (248); 10, 59 (73); 12, 151 (163); 17, 99 (105). B F H E 75, 526 (530) ; A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 40. Vgl. unten § 21. 4 B F H E 75, 526 (530) ; A. Arndt, „ V o r unserer eigenen T ü r " , N J W 67, S. 1845. 5 BVerfGE 3, 225 (240); 6, 55 (71); 8, 210 (214 ff.); 9, 237 (243); 10, 59 (72 ff.); 11, 50 (56 ff.); 12, 151 (163 ff.), 180 (187 ff.); 13, 290 (295 ff.), 331 (347); 14, 34 (42); 16, 203 (208); 17, 1 (38), 148 (153), 210 (216 f.), 280 (286); 18, 97 (105 ff.); 22, 163 (172); 24,104 (109); B V e r w G E 23,149 (152); BSGE 26,160 (164). β B V e r w G E 23, 347 (350); Th. Maunz, Die staatsbürgerliche Gleichheit, S. 565. 7 BVerfGE 3, 225 (240); B F H E 78, 27 (28). Überflüssig ist jedoch die Berufung auf A r t . 9 Abs. 1 GG i n B V e r w G E 25, 272 (276). Diese i m Ergebnis w o h l richtige Entscheidung ist ein Beispiel dafür, wie eine Gleichheitsprüfung nicht vorgenommen werden sollte. 8 BVerfGE 21, 73 (83). 9 Vgl. dazu E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Bd., S. 151. 10 Vgl. dazu Franz Klein, Gleichheitssatz u n d Steuerrecht, S. 93. 11 BVerfGE 3, 225 (240); 9, 124 (131); 13, 331 (347). Vgl. dazu insgesamt E. Forsthoff, Der Dualismus von Rechtsstaat u n d Sozialstaat i m Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 580 ff.; vgl. auch Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht S 125 12 BVerfGE 6, 273 (280); 7, 99 (107); 24, 300 (347 f.). 13 BVerfGE 6, 132 (218); 8, 1 (21 ff.), 332 (360 f.); 12, 81 (88 ff.); BayVerfGE 19, 51 (56 ff.); Th. Maunz, Die staatsbürgerliche Gleichheit, S. 558 ff.; H. Ule, öffentlicher Dienst, i n : Die Grundrechte, 4. Bd., S. 626 ff. 14 Vgl. dazu Th. Maunz, a.a.O., S. 562. 15 BVerfGE 8, 51 (63 ff.); 10, 4 (12 ff.); 11, 266 (271 ff.), 351 (360 ff.); 12, 10 (25 ff.), 132 (133 f.), 135 (137 ff.), 139 (141 ff.), 200 (203 ff.); 13,1 (12 ff.). 16 BVerfGE 11, 263 (264 f.). 17 BVerfGE 9,124 (130), 256 (257 ff.). 18 BVerfGE 14, 221 (239). 19 BVerfGE 21, 73 (83). 20 BVerfGE 19,129 (134 f.). 21 Vgl. dazu H. J. Rinck, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gleichheitssatz, S. 276 ff. 3
§ 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
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w e n n sich aus der Interpretation einer Verfassungsbestimmung ergibt, daß sie unzulässig i s t 2 2 . D i e Frage, i n w e l c h e n F ä l l e n , i n d e n e n eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g v o r l i e g t u n d eine andere V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g einschlägig ist, b e i d e r P r ü f u n g der V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t e i n e r N o r m v o n A r t . 3 A b s . 1 G G u n d i n w e l c h e n F ä l l e n v o n a n d e r e n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n ausgegangen w e r d e n soll, w i r d v o n d e r Rechtsprechung u n e i n h e i t l i c h 2 3 u n d v o n d e r L e h r e selten b e a n t w o r t e t 2 4 . G e l e g e n t l i c h versucht das Bundesverfassungsgericht zu einem materialen (inhaltlichen) K r i t e r i u m zu gelang e n 2 5 . D a b e i g e h t das G e r i c h t jedoch d a v o n aus, daß aus A r t . 3 A b s . 1 G G selbst e i n m a t e r i a l e r ( i n h a l t l i c h e r ) M a ß s t a b e n t w i c k e l t w e r d e n k a n n , d e r d a r a u f h i n ü b e r p r ü f b a r ist, ob er oder e i n a n d e r e r m a t e r i a l e r M a ß s t a b d e m z u p r ü f e n d e n S a c h v e r h a l t a d ä q u a t e r i s t 2 6 . W i e sich aus d e m Satz 10.3 e r g i b t , i s t diese V o r a u s s e t z u n g jedoch n i c h t gegeben. D a h e r k a n n A r t . 3 A b s . 1 G G m i t a n d e r e n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n als m a t e r i a l e r P r ü f u n g s m a ß s t a b n i c h t k o n k u r r i e r e n 2 7 . A l l e r d i n g s f o l g t auch u m g e k e h r t aus d e r V e r e i n b a r k e i t m i t a n d e r n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n n i c h t die Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 G G 2 8 ' 2 9 . 22 Anzumerken ist, daß dieser Satz logisch zwar nicht tautologisch, dogmatisch aber t r i v i a l ist. Vgl. dazu B V e r f G E 6, 55 (71), 273 (280). 23 V o n A r t . 3 Abs. 1 GG gehen aus: BVerfGE 13, 290 (295 ff.), 331 (347); B F H E 69, 175 (178); 75, 526 (530), 5S4 (590); 78, 27 (28). V o n einer anderen Verfassungsbestimmung gehen aus: BVerfGE 6, 55 (71, 82 f.), 386 (387 f.); 8, 210 (221); 9, 237 (247); 11, 50 (58 ff.); 12, 151 (163); 13, 318 (331); 16, 241 (243), 243 (245); 14, 34 (42); 17, 148 (153), 210 (224), 280 (286); 18, 97 (112). Schwankend B V e r w G E 23, 149 (152). 24 Vgl. z. B. W. Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz, S. 69 ff., 81 ff.; J. Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz und D r i t t w i r k u n g , S. 343 ff.; M. Wallerath, a.a.O., S. 46 f. 25 Etwa i n BVerfGE 13, 318 (331): „stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt". 28 Vgl. ebd. 27 Ungenau infolgedessen E. R. Sievers, Kindergeldgesetzgebung u n d G r u n d gesetz, N J W 57, S. 444. 28 Dieser Satz ließe sich ähnlich wie Satz 16.7 entwickeln. Α. A . ist H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 156, bezüglich des Verhältnisses von A r t . 3 Abs. 2 u n d 3 GG zu A r t . 3 Abs. 1 GG. Diese der üblichen Interpretationsregel über das V e r hältnis einer verbietenden Spezialnorm zu einer verbietenden Generalnorm widersprechende Auffassung ist begründet i n Ipsens Auffassung v o m i n j u s t i ziablen Charakter des A r t . 3 Abs. 1 GG, der die hier vertretene Ansicht trotz der Gehaltsarmut von A r t . 3 Abs. 1 GG nicht folgt. Vgl. dazu auch G. Dürig, N J W 59,1173 f. 29 Erst recht natürlich nicht die Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 2 oder 3 GG. V ö l l i g unverständlich daher BVerfGE 14, 34 (42); 17, 210 (224), 280 (286). I n BVerfGE 14, 34 (42) w i r d das Unterlassen einer Prüfung des A r t . 3 Abs. 1 GG damit begründet, A r t . 6 Abs. 1 GG sei eine „Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes". Diese Ansicht bleibt ihrerseits unbegründet. Wenn solche, i n ihrer Bedeutung k a u m verständliche u n d auf ihre Richtigkeit h i n völlig unüberprüfbare Sätze i n juristischen Argumentationen zugelassen werden, ist jeder Satz u n d m i t h i n auch das Gregenteil jeden Satzes begründbar. Es findet dann tatsächlich keine Argumentation statt, sondern die Verkleidung einer Dezision m i t Worthülsen. Der Sachverhalt BVerfGE 14, 34 ist anschließend w i e -
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Zur Verdeutlichung werde von einigen Beispielen ausgegangen. BVerfG, Beschluß vom 3. 4.1962 — 1 B v L 35/57 — (§§ 32, 32 a, 26 a EinkommensteuerG i. d. F. des G zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften v o m 26. 7.1957 - B G B l I S . 848 — ) Gekennzeichnete Klasse: V e r w i t w e t e Einkommensteuerpflichtige v o m v o l l endeten 50. Lebensjahr und sonstige Einkommensteuerpflichtige v o m v o l l endeten 60. Lebensjahr an. Behandelte Klasse: Einkommensteuerpflichtige, die verheiratet sind u n d getrennt veranlagt werden. Restklasse: Einkommensteuerpflichtige, die v e r w i t w e t sind oder die verheiratet sind u n d zusammen veranlagt werden. Leitsatz Der Unterscheid zwischen beiden Teilklassen ist ein hinreichender Grund, Glieder der behandelten Klasse i n Steuerklasse I, Glieder der zweiten T e i l klasse i n Steuerklasse I I einzureihen (BVerfGE 14, 34 [37 ff.]). Begründung Bei Alleinstehenden t r i t t i m A l t e r erfahrungsgemäß Verteuerung der L e benshaltungskosten ein, während bei Verheirateten m i t gemeinsamem Haushalt eine solche Verteuerung nicht so fühlbar w i r d 3 0 (ebd.). Diskussion Formell w i r d i n den Gründen der Entscheidung n u r die Vereinbarkeit der Regelung m i t A r t . 6 Abs. 1 GG geprüft. Diese Prüfung umfaßt zwei Stufen. Erst w i r d festgestellt, daß die Regelung keine ehefeindliche Tendenz h a t 3 1 ; dann werden die oben formulierten Gründe angeführt. Durchsichtiger wäre folgender A u f b a u : M i t der oben angeführten Begründung ist erwiesen, daß die Ungleichbehandlung einen G r u n d besitzt. Dann ist nachzuweisen, daß diese formulierte Begründung nicht A r t . 6 Abs. 1 GG widerspricht. Wäre dies der F a l l gewesen, hätte diese Begründung nach Satz 16.7 die Vereinbarkeit der Regelung m i t A r t . 3 Abs. 1 GG nicht nachweisen können. U. U. hätte es dann noch eine andere Begründung geben können, der ein solcher Mangel nicht anhaftet. Ergebnis Es ist zweckmäßig, die Gleichheitsprüfung von Sachverhalten die mehreren verfassungsrechtlichen Bestimmungen unterfallen, zweistufig aufzubauen u n d erst die Begründung der Ungleichbehandlung, dann die Vereinbarkeit der Begründung m i t den anderen Verfassungsbestimmungen zu prüfen. dergegeben. Seine Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG ist keineswegs i n t u i t i v evident. Überprüfbar u n d akzeptabel ist hingegen die Formulierung, A r t . 6 Abs. 5 GG sei eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (BVerfGE 3, 225 [240]; 17, 280 [283]). 30 Anzumerken ist, daß diese Begründung nicht Satz 16.8 widerspricht. Berücksichtigung finanzieller Lasten ist i m Steuerrecht nicht n u r M i t t e l zum Zweck der B i l l i g k e i t , sondern ein i n der Gesetzestechnik vieler steuerrechtlicher Regelungen wiederkehrender Gestaltungsmodus (ζ. B. Freibeträge, A b setzungen u. a.) der konkret zu ermittelnden Steuerbelastung. 31 Richtig müßte es anstatt „Tendenzen" w o h l „ A u s w i r k u n g e n " heißen. Sollte sie ehefeindliche Tendenzen haben, widerspricht die Rechtsregei Satz 16.7 i n Verbindung m i t A r t . 6 Abs. 1 GG.
§ 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
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Dasselbe Problem werde an einem weiteren Beispiel verdeutlicht: BVerfG, Beschluß vom 11. 3.1964 — 1 B v L 4/63 — Der Unterschied zwischen Kindern, die das 16. Lebensjahr vollendet u n d das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die ehelich sind, u n d solchen Kindern, die unehelich sind, ist ein zureichender Grund, beide Klassen von K i n d e r n dieses Alters dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß den Gliedern der ersten Klasse ein Unterhaltsanspruch unter Berücksichtigung der L e i stungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (§§ 1602, 1603 BGB), den Gliedern der zweiten Klasse ein Unterhaltsanspruch ohne Berücksichtigung der L e i stungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (§ 1708 BGB) zusteht (BVerfGE 17, 280 [284 f.]). Begründung (Es w i r d eine hier nicht interessierende detaillierte Begründung i m Rahmen des Unterhaltsrechts gegeben.) Diskussion Formell w i r d i n den Gründen der Entscheidung n u r die Vereinbarkeit der Regelung m i t A r t . 6 Abs. 5 GG geprüft. Dabei ist es gerade bei dem vorliegenden Sachverhalt, der eine (scheinbare) Besserstellung der unehelichen K i n d e r beinhaltet, gar nicht selbstverständlich, daß infolge Vereinbarkeit m i t A r t . 6 Abs. 5 GG auch die Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG feststeht. Jedoch läßt schon die Terminologie des Gerichts erkennen, daß es tatsächlich Gründe f ü r die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung p r ü f t : „Der gesetzgeberische Spielr a u m endet erst dort, wo f ü r eine abweichende Regelung zu Gunsten des u n ehelichen Kindes e i n . . . einleuchtender G r u n d fehlt" (ebd. S. 284). G r u n d der Zulässigkeit der Differenzierung ist, w i e das Gericht feststellt, der Verfassungsauftrag des A r t . 6 Abs. 5 GG. Der Grund, der dem Gericht sein tatsächliches Vorgehen verschleiert, ist seine Annahme, A r t . 3 Abs. 1 GG liefere einen Prüfungsmaßstab (ebd. S. 286). Tatsächlich liefert der Gleichheitssatz nach Satz 10.3 n u r ein Prüfungsschema, innerhalb dessen Gründe der Differenzierung geprüft werden können u n d müssen. Z u r Diskussion stand also höchstens das Verhältnis von A r t . 6 Abs. 5 zu A r t . 3 Abs. 3 GG. Da letzterer n u r D i s k r i m i n i e r u n g verbietet 3 2 , blieb als Bestimmung, die f ü r den vorliegenden Sachverhalt Gründe interpretativ zu liefern i n der Lage ist, n u r A r t . 6 Abs. 5 GG. Diesem hat das Gericht seine Gründe auch entnommen.
Das Ergebnis dieser Diskussion läßt sich generell formulieren: 20.2 Hinreichendes positives K r i t e r i u m der Ungleichbehandlung ist der Umstand, daß aus einer Verfassungsbestimmung eine Rechtsregel interpretativ entwickelt werden kann, die (topisch) eine Begründung der Ungleichbehandlung ergibt. Erläuterung Einfacher läßt sich Satz 20.2 so ausdrücken: Eine Ungleichbehandlung ist zulässig, w e n n es sich aus der Interpretation einer Verfassungsbestimmung ergibt, daß sie zulässig ist. 32
Vgl. jedoch die oben i m Anschluß an Satz 4.8 skizzierte Problematik.
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Zum Schluß werde noch ein Beispiel angeführt, i n dem die Vereinbarkeit einer Bestimmung m i t A r t . 3 Abs. 1 GG Art. 6 Abs. 5 GG zuwider angenommen wurde. BVerwG, Urteil vom 26. 8.1960 — I V C 133.58 — Gekennzeichnete Klasse: Alleinstehende Unterhaltshilfeberechtigte nach § 267 Abs. 1 L A G , von denen K i n d e r vorwiegend unterhalten werden. Behandelte Klasse: Berechtigte, insofern sie ein eheliches K i n d vorwiegend unterhalten. Restklasse: Berechtigte, insofern sie ein uneheliches K i n d vorwiegend unterhalten. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der Restklasse die dem K i n d v o m Vater (im natürlichen Sinn) gezahlten gesetzlichen oder freiwilligen Unterhaltsleistungen als anrechnungsfähig zu den Einkünften gerechnet werden, Gliedern der behandelten Klasse diese L e i stungen nicht angerechnet werden (BVerwGE 11,101 [104 f.]). Begründung Nach geltendem Familienrecht ist der Rechtsstatus unehelicher K i n d e r anders als der ehelicher Kinder. Die Verwandtschaftsbegriffe i m Lastenausgleichsrecht u n d i m Bürgerlichen Recht müssen übereinstimmen (BVerwGE 11,101 [105]). Diskussion Der erste Satz ist eine Tatsachenaussage, aus der keine Begründung abgeleitet werden kann, da sie n u r das Bestehen der unterschiedlich behandelten Klassen ausdrückt. Die Begründungsaufgabe, die A r t . 3 Abs. 1 GG stellt, besteht aber gerade darin, nachzuweisen, daß an diesen rechtlichen Unterschied zwischen ehelichen u n d unehelichen K i n d e r n die Rechtsfolge geknüpft werden darf, den M ü t t e r n der ehelichen K i n d e r nach Lastenausgleichsrecht mehr Geld zu geben als M ü t t e r n unehelicher K i n d e r i n sonst gleicher Lage. Der zweite Satz ist nicht mehr als eine Interpretationsregel. Sie kollidiert m i t A r t . 6 Abs. 5 GG, der nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bei der Interpretation einfacher Gesetze zugrunde zu legen i s t 3 3 . Da die Auslegungsregel von V e r fassungsrang der einfachen systematischen Auslegungsregel vorgeht, bestehen n u r die beiden folgenden Möglichkeiten. Entweder kann § 267 Abs. 2 Nr. 1 L A G verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, daß auch gesetzliche oder freiwillige Unterhaltsleistungen der Väter unehelicher K i n d e r anrechnungsfrei bleiben. Dann ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts deswegen unzutreffend, w e i l es die Auslegung gewählt hat, die einer Verfassungsentscheidung weniger entspricht 3 4 . Oder eine solche Interpretation ist nicht möglich. Dann ist die Entscheidung deswegen unzutreffend, w e i l A r t . 6 Abs. 5 GG die aktuell geltende Verfassungsentscheidung zu entnehmen ist, daß ein K i n d 33 BVerfGE 8, 210 (217). Diese Entscheidung liegt übrigens zeitlich vor der Entscheidung B V e r w G E 11, 101. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich also m i t i h r auseinandersetzen müssen. 34 Vgl. dazu BVerfGE 8, 210 (221). Z u einer solchen verfassungskonformen Entscheidung über das Verhältnis von A r t . 6 Abs. 5 zu A r t . 3 Abs. 1 GG vgl. B A G E 14, 61 (64).
§ 20 K r i t e r i e n aus anderen Verfassungsbestimmungen
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nicht wegen seiner unehelichen Geburt benachteiligt werden darfas, u n d daher § 267 Abs. 2 Nr. 1 L A G i n A n w e n d u n g des Satzes 20.1 verfassungswidrig ist 3 6 . Das E r g e b n i s der Sätze 20.1 u n d 20.2 w e r d e f ü r d i e P r a x i s d e r Z u l ä s s i g k e i t s p r ü f u n g v o n U n g l e i c h b e h a n d l u n g e n f o r m u l i e r t als 20.3
Regel G i b t e i n S a c h v e r h a l t A n l a ß , s o w o h l die Z u l ä s s i g k e i t einer U n g l e i c h b e h a n d l u n g als auch die V e r e i n b a r k e i t der R e g e l u n g m i t a n d e r e n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n z u p r ü f e n , i s t es zweckmäßig, zuerst die B e g r ü n d u n g f ü r die Z u l ä s s i g k e i t d e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g z u f o r m u l i e r e n u n d d a n n die V e r e i n b a r k e i t (Satz 20.1) oder G e f o r d e r t h e i t (Satz 20.2) dieser B e g r ü n d u n g m i t oder v o n d e n a n d e r e n V e r f a s sungsbestimmungen zu prüfen 37.
Das V o r g e h e n entsprechend d e r Regel 20.3 h a t die p o s i t i v e Folge, daß a n die a n d e r e n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n als A r t . 3 G G m i t e i n e r b e grenzten interpretatorischen Frage herangegangen w i r d . Dadurch w i r d 35 So BVerfGE 17, 148 (154). I n dieser Entscheidung ist auch ausgeführt, daß eine Benachteiligung eines unehelichen Kindes nicht deswegen zu verneinen ist, w e i l die zu prüfende Regelung Ansprüche nicht dem K i n d , sondern einem Elternteil gewährt. Bei dieser Betrachtungsweise ist es i m Ergebnis unerheblich, ob A r t . 6 Abs. 5 zu A r t . 3 Abs. 3 GG i m Verhältnis einer General- zu einer Spezialnorm steht; vgl. dazu B A G E 3, 313 (317 f.), m i t A n m e r k u n g H. Krüger, i n : N J W 57, 805. 36 Anzumerken ist noch, daß die Entscheidung B V e r w G E 7, 267 (270 f.), i n der dieselbe Frage schon einmal zur Prüfung stand u n d auf die B V e r w G E 11, 101 (105) verweist, ausgeführt hat, daß eine „absolute, insbesondere auch rechtliche Gleichstellung des unehelichen m i t dem ehelichen K i n d e " dem i n A r t . 6 Abs. 1 GG verankerten „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" f ü r Ehe und Familie zuwiderlaufen würde. I n dem Zusammenhang einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 267 Abs. 2 Nr. 1 L A G ist diese pathetische Berufung rein ideologisch. Unter keinem sachlich überprüfbaren Gesichtspunkt w i r d vermutlich nachgewiesen werden können, daß die Anrechnung der Unterhaltsleistungen der Väter unehelicher K i n d e r auf die Unterhaltshilfe mittelloser alleinstehender M ü t t e r unehelicher K i n d e r eine Bedrohung von Ehe u n d Familie darstellt. Die Aufdeckung solcher ideologischer Scheinbegründungen — vgl. etwa auch BayVerfGHE 9, 1 (12) — f ü r die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts u n d sie ist m i t allen heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen u n d sprachkritischen M i t t e l n vorzunehmen. I m übrigen ist die Ausführung des Gerichts über diesen Punkt logisch überflüssig. Der Schluß lautet vollständig: (1) Absolute Gleichstellung verstößt gegen A r t . 6 Abs. 1 GG. (2) Die Gleichstellung des unehelichen Kindes m i t dem ehelichen K i n d e i m Rahmen des §267 Abs. 1 L A G impliziert absolute Gleichstellung. (3) Also darf durch § 267 Abs. 1 L A G das uneheliche dem ehelichen K i n d nicht gleichgestellt sein. N u n ist der Satz (2) offensichtlich falsch und die Richtigkeit v o m Gericht auch nicht behauptet worden. Da ohne Satz (2) von Satz (1) auf die Unrichtigkeit einer Interpretation des § 267 Abs. 1 L A G aber nicht geschlossen werden kann, ist Satz (1) überflüssig. 37 A. A. E. W. Fuß, Normenkontrolle und Gleichheitssatz, S. 599; W. Schmidt a.a.O., S. 70; P. Lerche, Das Bundesverfassungsgericht und die Verfassungsdirektiven, S. 358; J. Salzwedel, a.a.O., S. 343 ff.
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
vermieden, daß der Spielraum des Gesetzgebers durch freie Interpretationen, die Folge der Vagheit von Verfassungsbestimmungen sind, unnötig eingeschränkt w i r d 3 8 . § 21 Das Verhältnis der Argumentationslastregeln der A r t . 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 G G
Nach Satz 11.5 und der Arbeitsfassung 12.1 enthält A r t . 3 Abs. 1 GG eine Argumentationslastregel. Mindestens 1 der Gehalt eines weiteren Grundrechts, nämlich der durch A r t . 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Gewissensfreiheit, ist ebenfalls durch eine Argumentationslastregel bestimmt. Eine Arbeitsfassung des A r t . 4 Abs. 1 GG, soweit er die Gewissensfreiheit gewährleistet, läßt sich folgendermaßen formulieren: 21.1 Arbeitsfassung
des Art. 4 Abs. 1 GG2
Die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt ist verpflichtet zur Wahrung der Gewissensfreiheit, d. h. sie muß rechtliche Alternativlösungen bereitstellen, wenn eine generelle rechtliche Regelung einzelne zu gewissenswidrigem Verhalten verpflichtet, es sei denn, daß es A l ternativlösungen nicht gibt oder mögliche Alternativlösungen für die rechtlich verfaßte Gesellschaft nicht tragbar sind; Diese Arbeitsfassung des Grundrechts der Gewissensfreiheit bietet spezifische Probleme der Gleichbehandlung 3 . Allgemein lassen sich diese Probleme folgendermaßen formulieren: Ist eine unterschiedliche Gewissensentscheidung zweier Personen oder eine nur bei einer Person bestehende spezielle Gewissensposition ein zureichender Grund für die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt, beide Personen ungleich zu behandeln, oder ist das Gebot der Gleichbehandlung speziell unter dem Gesichtspunkt des A r t . 3 Abs. 3 GG ein Grund, (rechtliche) Unzumutbarkeit der Bereitstellung von Alternativen anzunehmen? Das heißt: Soll i m Rahmen der Gleichheitsprüfung eine Gewissensentscheidung als zureichender Grund behandelt werden oder soll i m Rahmen der Gewissensprüfung das Gleichheitsgebot als Grenze der Zumutbarkeit von Alternativlösungen behandelt werden? Würde die zweite Frage bejahend beantwortet werden, würde dies dazu führen, daß A r t . 4 Abs. 1 GG, 38 Vgl. dazu pointiert H. Wagner, U m ein neues Verfassungsverständnis, DÖV 68, S. 607. 1 Vgl. dazu oben Exkurs zu § 11. 2 Vgl. zu dem Text und seiner Begründung A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 41 ff. 3 Vgl. dazu ebd. S. 38, 40,133.
§21 Das Verhältnis der Argumentationslastregeln
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obsolet ist soweit er Gewissensfreiheit gewährleistet, da die Bereitstellung von Alternativen immer eine Ungleichbehandlung darstellt. Es gilt also folgender Satz: 21.2 Die Möglichkeit der Berücksichtigung von Gewissensentscheidungen als zureichender Grund von Ungleichbehandlungen ist notwendige Bedingung für die Effektivität des Grundrechts der Gewissensfreiheit. Die Möglichkeit dieser Berücksichtigung setzt voraus, daß A r t . 3 Abs. 3 GG diese Berücksichtigung nicht prinzipiell untersagt. Für die folgende Argumentation werde vereinfachend davon ausgegangen, daß Gewissensentscheidungen i n religiösen Anschauungen wurzeln oder — abstrakt formuliert — daß die Klassen religiöser Anschauungen und von Gewissenspositionen sich wenigstens partiell schneiden. Diese Vereinfachung ist rechtlich deswegen unschädlich, weil jede Interpretation, die die Ausdrücke „Gewissensposition" und „religiöse Anschauung" so auslegt, daß diese Voraussetzung nicht stimmt, das Problem entfallen läßt, A r t . 3 Abs. 3 GG für die Interpretation von A r t . 4 Abs. 1 GG (Gewissensfreiheit) also nicht mehr einschlägig sein läßt. Die eingangs gestellten Fragen sind durch die Regel 12.3 bereits entschieden. Da nach der Interpretation des Art. 3 Abs. 3, wie sie der A r beitsfassung 12.1 zugrundeliegt, nicht eine Differenzierung nach den i n dieser Bestimmung aufgeführten Merkmalen unzulässig ist, sondern nur eine Begründung von Differenzierungen mittels dieser Merkmale, ist eine Berücksichtigung von Gewissenspositionen durch Art. 3 Abs. 3 GG nicht verboten. Grund für die Zulässigkeit der Differenzierung ist nicht die religiöse Überzeugung, sondern die Aufnahme dieser Überzeugung i n eine Gewissensposition. Es gilt also folgende Folgerung aus Regel 12.2: 21.3 Die Bestimmung des A r t . 3 Abs. 3 i n der Arbeitsfassung 12.1 verbietet nicht Ungleichbehandlungen aufgrund von Gewissenspositionen. Durch Satz 21.3 ist noch nicht entschieden, ob die Berücksichtigung jeder Gewissensposition m i t dem Gleichheitssatz — Art. 3 GG — vereinbar ist. Ein extremes Beispiel, das die Problematik zeigt, ist die generelle Steuerverweigerung aus Gewissensgründen 4 . Ein Teil der hier auftretenden Probleme muß i m Bereich der Gewissensfreiheit aufgearbeitet werden. W i r d ζ. B. das K r i t e r i u m anerkannt, daß nur materielle Gewissenspositionen ein Recht auf Berücksichtigung verleihen 5 , wobei materielle Gewissensposition eine solche heißt, die ein gegebenes Verhalten für verboten oder geboten hält i m Hinblick auf gewissenrelevante Folgen 4 5
Vgl. dazu ebd. S. 38. Vgl. dazu ebd. S. 98.
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
des Verhaltens 6 , dann reduziert sich der Problemkreis derart, daß praktische Fälle i n der Bundesrepublik kaum mehr übrig bleiben.
§ 22 Ungleichbehandlung bei Enteignungen
Seit der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs vom 10. 6.1952 1 spielt Art. 3 Abs. 1 GG i m Enteigungsrecht eine große Rolle, wobei es zu einer befriedigenden Formulierung der Funktion des Gleichheitssatzes i m Enteignungsrecht bisher nicht gekommen ist 2 . I m vorliegenden Zusammenhang kann auf die Gesamtproblematik nicht eingegangen werden. Es soll nur zu der Ansicht des Bundesgerichtshofs Stellung genommen werden, die entschädigungspflichtige Enteigung des Art. 14 Abs. 3 GG sei von der nicht entschädigungspflichtigen Sozialbindung des A r t . 14 Abs. 2 i n Verbindung m i t Abs. 1 Satz 2 GG durch den Verstoß gegen den (verfassungsrechtlichen) Gleichheitssatz getrennt 3 . Zur Entscheidung der Frage, ob diese Antwort richtig ist, bedarf es der Definition der Ausdrücke „Unterscheidungsmerkmal" und „Enteignung". Wie die folgende Begründung des Satzes 22.2 zeigt, genügt dabei zur Feststellung der Bedeutung des Ausdrucks „Enteignung" eine Zweckdefinition, d. h. eine ad-hoc-Definition zum Zweck der Formulierung des Satzes 22.2. Eine solche Definition muß n u r richtig sein 4 ; es w i r d von i h r nicht verlangt, daß sie es gestattet, vorgelegte Fälle daraufhin zu prüfen, ob Enteignung vorliegt oder nicht. Der Grund, weswegen i m vorliegenden F a l l eine solche Zweckdefinition ausreicht, ist i n der Erläuterung zu Satz 22.2 angegeben.
Unter einem Unterscheidungsmerkmal für zwei Klassen werde ein solches Merkmal verstanden, das allen Gliedern der einen und keinem Glied der anderen Klasse zukommt. Der Ausdruck Enteignung werde folgendermaßen verwendet: 22.1 Enteignung ist jeder rechtmäßige zwangsweise hoheitliche Eingriff i n Eigentum oder gleichgestellte Rechte einer Person, der nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG die Rechtsfolge der Entschädigungspflicht auslöst. 8
Vgl. dazu ebd. S. 96. B G H Z 6, 270 (280). 2 Anstatt auf die unübersehbar gewordene Literatur sei verwiesen auf N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, der ein ausführliches L i t e raturverzeichnis bringt. 8 So B G H Z 6, 270 (280), dazu E. Forsthoff, i n : JZ 52, 627 f.; ausdrücklich ebenso B G H Z 9, 390 (400); 13, 88 (91); 15, 268 (271). 4 Z u r Möglichkeit, Definitionen als richtig zu bezeichnen, vgl. A. Podlech, Die Rechtsnatur der Verkehrszeichen und die öffentlich-rechtliche Dogmatik, S. 740 Anm. 1 a. 1
§ 22 Ungleichbehandlung bei Enteignungen
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Erläuterung Da nach der Sonderopfertheorie des Bundesgerichtshofs i n Verbindung m i t A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG eine Entschädigung genau dann zu gewähren ist, w e n n dem Einzelnen oder der Gruppe unter Verletzung des Gleichheitssatzes ein Sonderopfer auferlegt w i r d , u n d äquivalente Ausdrücke definitorisch gegenseitig ersetzbar sind, ermöglicht es die Definition 22.1, die Klasse der Enteignungsfälle konstant zu setzen u n d das M e r k m a l „Sonderopfer" als v a r i abel zu diskutieren 5 . M i t H i l f e der d e f i n i e r t e n A u s d r ü c k e w e r d e d i e gestellte F r a g e d u r c h f o l g e n d e n Satz entschieden: 22.2 D i e V e r l e t z u n g des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes i n der F o r m u l i e r u n g d e r A r b e i t s f a s s u n g 12.1 i s t k e i n mögliches U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l zwischen entschädigungspflichtiger E n t e i g n u n g u n d entschädigungsloser S o z i a l b i n d u n g . Begründung (1) E i n M e r k m a l ist genau dann ein Unterscheidungsmerkmal für eine Klasse, w e n n es allen Gliedern dieser Klasse u n d n u r den Gliedern dieser Klasse zukommt. (2) Die Klasse hoheitlichen Handelns ist eine Einschußklasse der einander fremden Teilklassen rechtmäßigen und rechtswidrigen hoheitlichen Handelns. (3) Die Klasse rechtmäßigen hoheitlichen Handelns ist eine E i n schlußklasse der einander fremden Teilkiassen der Sozialbindungen u n d der Enteignungen. (4) Da die Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG notwendige Bedingung f ü r die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns ist, ist diese Ubereinstimmung nach Satz (3) notwendige Bedingung f ü r die Klassen der Sozialbindung u n d der Enteignung. Nach Satz (1) kann diese Übereinstimmung daher nicht Unterscheidungsmerkmal f ü r eine dieser beiden Klassen sein 6 . Erläuterung Die Begründung verwendet ausschließlich logische Argumente. Dies ist der G r u n d dafür, w a r u m f ü r die Begründung die Verwendung der Zweckdefinit i o n 22.1 ausreichte. Dies läßt sich auch so ausdrücken: Unabhängig davon, wie die Enteignung des A r t . 14 Abs. 3 GG dogmatisch bestimmt werden muß, kann aufgrund der Interpretation des A r t . 3 Abs. 1 GG durch die Arbeitsfassung 12.1 verfassungsrechtliche Gleichheit oder Ungleichheit aus logischen Gründen kein Unterscheidungsmerkmal zwischen Enteignung und Sozialbindung sein. Das E r g e b n i s w e r d e a n e i n e m B e i s p i e l e r l ä u t e r t . D e r hof h a t i n e i n e m G u t a c h t e n folgende A n s i c h t v e r t r e t e n :
Bundesgerichts-
BGH, Gutachten vom 6.10.1952 — I V R G 11/52 — Gekennzeichnete Klasse: Stromabnehmer eines öffentlichen Elektrizitätswerkes, die Eigentümer von Grundstücken sind. 5 Logisch gesehen ist der Ausdruck „Enteignung" intensional u n d extensional unbestimmt. Z u m methodischen Vorgehen i n einem solchen Fall, das die Konstantsetzung entweder des Begriffsumfangs oder des Begriffsinhalts bedingt, vgl. A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 45. 6 Die vorstehend gegebene Begründung k l i n g t an i n B V e r w G E 5, 143 (145).
10 Podlech
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Behandelte Klasse: Eigentümer von Grundstücken, die von einer e l e k t r i schen Versorgungsleitung des betreffenden öffentlichen Elektrizitätswerkes überquert werden. Restklasse: Die übrigen Grundstückseigentümer. Alternative gekennzeichnete Klasse: Grundstückseigentümer, die zur D u l dung der Errichtung von Masten für eine elektrische Versorgungsleitung v e r pflichtet sind. Behandelte Klasse: Grundstückseigentümer, die Stromabnehmer des die Versorgungsleitung betreibenden öffentlichen Elektrizitätswerkes sind. Restklasse: Die übrigen Grundstückseigentümer. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein Glieder der behandelten Klasse eine Beeinträchtigung ihres Grundeigentums durch Duldung der Errichtung von Masten entschädigungslos hinzunehmen verpflichtet sind (BGHZ 9, 390 [400]). Diskussion Der Bundesgerichtshof hat i n dem angeführten Gutachten die Zulässigkeit der Differenzierung innerhalb der zuerst angeführten gekennzeichneten Klasse diskutiert. Zweckmäßiger wäre vielleicht die Diskussion innerhalb der alternativen gekennzeichneten Klassen gewesen. Der Unterschied w i r k t sich aber n u r auf die Kürze u n d Prägnanz der Begründung, nicht auf das Ergebnis aus. Sieht man von der Problematik der Junktimklausel des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG u n d der Möglichkeit ab, Entschädigungen auch durch Gerichte zusprechen zu lassen, u n d setzt man die ausgesprochene Rechtsfolge — entschädigungslose Duldungspflicht f ü r die Glieder n u r einer Teilklasse — konstant, dann folgt aus der Feststellung der Grundlosigkeit dieser Differenzierung der Verstoß gegen A r t . 3 Abs. 1 GG u n d somit die Rechtswidrigkeit dieser Regelung. Die Frage, ob entschädigungspflichtige Enteignung oder entschädigungslose Sozialbindung vorliegt, taucht nicht mehr auf 7 . Das E r g e b n i s des Satzes 22.2 schließt n i c h t aus, daß d e r G l e i c h h e i t s g e d a n k e i n d e r E n t e i g n u n g s p r o b l e m a t i k eine R o l l e spielt. E r w i r d v i e l m e h r — i n u n t e r s c h i e d l i c h e r dogmatischer G e s t a l t — a n z w e i S t e l l e n der E n t e i g n u n g s d o g m a t i k erheblich. D i e erste S t e l l e b e t r i f f t die F r a g e d e r verfassungsrechtlichen G l e i c h b e h a n d l u n g b e i e i n e r h o h e i t l i c h a n g e o r d n e t e n B e e i n t r ä c h t i g u n g des E i g e n t u m s oder eines g l e i c h g e s t e l l t e n Rechtsguts. D i e z w e i t e S t e l l e b e t r i f f t d i e Frage, ob b e i e i n e r gegebenen Beeinträchtigung Entschädigung gewährt w e r d e n muß oder nicht u n d b e j a h e n d e n f a l l s , ob i n v o l l e r H ö h e oder n i c h t , v e r n e i n e n d e n f a l l s i n w e l cher Höhe. I n diesem P u n k t stehen sich z w e i A n s i c h t e n gegenüber. D i e erste A n s i c h t besagt, daß E n t e i g n u n g oder S o z i a l b i n d u n g festgestellt w e r d e n müssen ohne H i n b l i c k a u f die Entschädigungsfolge. E n t e i g n u n g i s t d a n n sozusagen T a t b e s t a n d s m e r k m a l f ü r die Rechtsfolge E n t s c h ä d i 7 Ist entsprechend der Regelung verfahren worden, ergibt sich dann die Frage der Sekundärsanktionen: Folgenbeseitigung, Schadensersatz u. ä.
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8
gung . Die andere Ansicht besagt, daß es der Interessen- und Rechtslage entspricht, Enteignung genau dann anzunehmen, wenn eine entschädigungslose Beeinträchtigung gleichheitswidrig wäre. Enteignung ist dann sozusagen nur der dogmatische Name für die Fälle, in denen entschädigungslose Beeinträchtigung unbillig und infolgedessen durch A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG für rechtswidrig erklärt ist 9 . Für die erste Ansicht spielt der Gleichheitsgedanke bei der Enteignung nur die erste Rolle, die i m nächsten Paragraphen noch einmal behandelt wird. Für die zweite A n sicht spielt er noch die zusätzliche Rolle, daß er konstitutiv ist für das Institut der Enteignung. Dieser Gleichheitsgedanke ist jedoch nicht derjenige des Art. 3 GG 1 0 i n der Interpretation der Arbeitsfassung 12.1. Er ist bisher noch nicht präzisiert worden und eine Präzisierung kann hier nicht erfolgen. Nur i m Rahmen einer beschränkten Themenstellung werde i m folgenden Paragraphen auf die Problematik noch einmal eingegangen. Aufgrund des Satzes 22.2 sind alle vier denkbaren Kombinationen zwischen Beeinträchtigungen des Eigentums und verfassungsrechtlicher Gleichheitsverletzung auch rechtlich möglich: 1. Beeinträchtigungen des Eigentums, die die Betroffenen verfassungsrechtlich gleichbehandeln und Enteignung sind. Das sind die Fälle der Enteignung. 2. Beeinträchtigungen des Eigentums, die die Betroffenen verfassungsrechtlich gleichbehandeln und keine Enteignung sind. Das sind die Fälle der Sozialbindung des Eigentums. 3. Beeinträchtigungen des Eigentums, die die Betroffenen verfassungsrechtlich ungleich behandeln und eine Enteignung darstellen w ü r den, wenn sie nicht wegen Verstoßes gegen A r t . 3 Abs. 1 GG rechtsw i d r i g wären. Das sind Fälle des enteignungsgleichen Eingriffs. 4. Beeinträchtigungen des Eigentums, die die Betroffenen verfassungsrechtlich ungleich behandeln, aber weder Enteignung noch enteignungsgleicher Eingriff sind 1 1 .
8
So ζ. Β . E. Forsthoff, Verfassungsrechtliche Bemerkungen zum BausperrenU r t e i l des Bundesgerichtshofs, S. 194. Zur Problematik, die sich aus einer solchen Simplifizierung der Enteignungsnorm ergibt, vgl. N. Luhmann, a.a.O., S. 151 ff. 9 So ζ. Β . M. Sellmann, Sozialbindung des Eigentums u n d Enteignung, N J W 65, S. 1692. Vgl. dazu auch P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 182 ff. 10 So z. B. J. H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsgewähr, S. 34 A n m . 140; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 60 I b; P. Lerche, a.a.O., S. 183 f.; N. Luhmann, a.a.O., S. 61,150 Anm. 14. 11 A u f solche Fälle weist h i n E. Forsthoff, a.a.O. 10'
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung § 23 Gleichheitsprobleme bei R a u m - P l ä n e n
E n t e i g n u n g s f r a g e n e r g e b e n sich n i c h t ausschließlich, a b e r doch v o r nehmlich i n V e r b i n d u n g m i t Plänen. Solche Pläne sind etwa Bebauungspläne (§§ 9 ff. BBauG), Flurbereinigungspläne (§§ 37 ff., 56 ff., 87 ff. FluBG), Pläne nach dem Bundesfernstraßengesetz (§§ 16 ff. FStrG), dem Bundesbahngesetz (§§ 36 ff. BundesbG), dem Personenbeförderungsgesetz (§§ 28 ff. PBefG), dem Luftverkehrsgesetz (§§ 38 ff. L u f t V G ) , oder die Festlegungen nach § 19 WassHaushG etwa i n V e r b i n d u n g m i t § 24 nordrh.-westf. LWassG. A l l e g e n a n n t e n P l ä n e s i n d Raum-Pläne,
d. h . r e c h t l i c h e A n o r d n u n g e n ,
d i e r ä u m l i c h b e s c h r e i b b a r e Z u s t ä n d e r e g e l n . D a n e b e n g i b t es n o c h lauf-Pläne
( Z e i t - P l ä n e ) 1 u n d gemischte
Pläne 2.
I m folgenden
Ab-
werden
n u r Raum-Pläne behandelt. Eine einheitliche Definition rechtlich relevanter oder rechtsverbindlicher Pläne ist bisher nicht aufgestellt
wor-
den. D e r D o g m a t i k d e r P l ä n e i m Rechtssinne s o l l h i e r n i c h t v o r g e g r i f f e n werden. Die folgende Definition soll n u r den verwendeten
Sprachge-
b r a u c h festlegen. D i e D e f i n i t i o n e r f o l g t i n d e m i n § 1 e n t w i c k e l t e n r e c h t s theoretischen Begriffsnetz. G e g e b e n sei f ü r jedes R a u m - G e b i e t , f ü r das P l ä n e d e f i n i e r t
werden
sollen, d i e K l a s s e m ö g l i c h e r Z u s t ä n d e , d i e dieses R a u m - G e b i e t e i n n e h m e n kann. D a n n gelte folgende Definition: 23.1 R a u m - P l a n f ü r
e i n gegebenes R a u m - G e b i e t i s t j e d e s g e o i d n e t e
P a a r b e s t e h e n d aus e i n e m m ö g l i c h e n Z u s t a n d des b e t r e f f e n d e n G e bietes u n d einem deontischen Operator 3. Erläuterung Sind Normen, w i e i n § 1 ausgeführt wurde, Verhaltensregeln, so sind Pläne Zustandsregeln. Beide regeln V e r h a l t e n bzw. Zustände dadurch, daß v o n den V e r h a l t e n bzw. den Zuständen ausgesagt w i r d , daß sie verboten, geboten oder erlaubt seien. B e i Plänen sind vorwiegend Gebots- u n d Verbots-Regelungen gebräuchlich. Pläne unterscheiden sich v o n N o r m e n auch dadurch, daß es zwar Teilrechtsordnungen geben kann, die n u r aus N o r m e n (Verhaltensregeln) bestehen, nicht aber solche, die n u r aus Plänen (Zustandsregeln) bestehen. Soll ein P l a n Bestandteil einer (Teil-)Rechtsordnung sein, muß es mindestens eine N o r m u n d somit einen Normadressaten geben, derart, daß die N o r m dem 1 Z u r Terminologie vgl. H. J. Arndt, Die F i g u r des Plans als Utopie des B e wahrens, S. 128 A n m . 21. 2 Z u m Verhältnis v o n R a u m - u n d A b l a u f - P l ä n e n vgl. W. Blümel, R a u m planung, vollendete Tatsachen u n d Rechtsschutz, S. 132 ff., u n d die dort zitierte weitere L i t e r a t u r . Z u m Verhältnis v o n stationären u n d strategischen Plänen vgl. ebd. u n d H. J. Arndt, a.a.O., S. 127 ff. I m folgenden w i r d n u r v o n stationären Plänen gesprochen. 3 Die gegebene Definition e r f ü l l t die v o n H. J. Arndt, a.a.O., S. 142 aufgestellte Bedingung, daß Pläne n u r diejenigen Regeln genannt werden sollten, bei denen Z i e l u n d M i t t e l nicht trennbar sind.
§ 23 Gleichheitsprobleme bei Raum-Plänen
149
Adressaten ein Verhalten gebietet, das inhaltlich durch den Plan bestimmt ist 4 . Durch Satz 13.2 w i r d die rechtstheoretische oder dogmatische Rückführbarkeit von Plänen auf Normen behauptet 5 .
Pläne bieten Gleichheitsprobleme eigener A r t . Zu ihrer Behandlung werde vom Beispiel eines Raum-Planes — etwa anläßlich des Baues einer Bundesfernstraße — ausgegangen. I n der Regel t r i f f t es zu, daß alle durch einen Raum-Plan Betroffenen — etwa die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke innerhalb der Trasse liegen, oder die sonst betroffen sind — aufzählbar sind 6 . Den Gliedern der Klasse der Betroffenen — genauer den Grundstücken dieser Betroffenen — kommen nun nur solche Merkmale gemeinsam zu, die ihnen durch den betreffenden Plan zugeschrieben sind — etwa als Grundstücke innerhalb der Trasse zu liegen. Das bedeutet, daß vom Betroffenen her gesehen, eine Begründung der Ungleichbehandlung unmöglich ist 7 . I n eine mögliche Begründung — etwa für eine Trassenführung — gehen keine Argumente ein, die den einzelnen Betroffenen berücksichtigen, sondern nur „übergeordnete" Gesichtspunkte wie Verkehrsbedürfnis, Kosten, minimale Belästigung Dritter, Landschaftsschutz u. ä. 8 Hinzu kommt, daß es oft funktional äquivalente Lösungen gibt, die den aus übergeordneten Gesichtspunkten gesetzten Bedingungen genügen — die berühmt berüchtigten Varianten etwa beim Autobahnbau — zwischen denen entcchieden werden muß. Alle durch eine Variante Betroffenen werden fragen: Warum w i r und warum nicht die anderen? Das bedeutet, daß bei Plänen i n der Regel grundlose Ungleichbehandlungen i m Sinne des § 18 vorliegen. Die Bedingung 18.3.2 ist demnach i n der Regel erfüllt, so daß als K r i t e r i u m gilt: 4 Mindestens ein T e i l der amtlichen Verkehrszeichen drückt keine Normen, sondern Pläne i m angegebenen Sinne aus. § 3 Abs. 1 StVO ist dann eine Norm, die den Straßenverkehrsteilnehmern gebietet, ein Verhalten zu beobachten, das — soweit am einzelnen Adressaten dieser N o r m i m konkreten F a l l liegt — der betreffende Zustand — daß etwa an einer bestimmten Stelle kein K r a f t f a h r zeug eine bestimmte Geschwindigkeit überschreitet — erreicht w i r d . M a n kann das auch so ausdrücken: Pläne gelten nur, wenn sie Tatbestandsmerkmale wenigstens einer N o r m sind. Vgl. dazu H. Schneider, Verkehrszeichen sind Tatbestandsmerkmale, N J W 64, S. 1297 ff. 5 Nicht behauptet w i r d dadurch die pragmatische Ersetzbarkeit. A l l e i n die Übersetzung eines einzigen Bebauungsplans i n Normen dürfte Bände füllen, da die Auflösung i n Ketten von Disjunktionen von K o n j u n k t i o n e n erfolgen müJßte. 6 Zusammen m i t dem Umstand, daß Pläne genau festlegen, i n welcher Weise Betroffene betroffen sind, bedeutet dies die Konkretheit der Pläne, auf die besonders E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 186, f r ü h hingewiesen hat. Logisch k a n n man dies so ausdrücken, daß Pläne formulierbar sind i n einer Sprache, die keine Generalisierungen enthält. 7 A u f den Umstand, daß Begründungsfragen f ü r Pläne als Organisationsfiguren des heutigen Staates entscheidend werden, hat hingewiesen H. J. Arndt, „Staat" u n d „Wirtschaft", S. 730 ff. 8 Eine solche Begründung durch übergeordnete Zwecke muß natürlich möglich sein. Andernfalls ist das Erfordernis „Enteignung n u r zum Wohle der Allgemeinheit" (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG) nicht gegeben. Vgl. dazu BVerfGE 24, 367 (397); N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 127 A n m . 51. Eine solche Zweckbegründung reicht aber nach Satz 16.8 i n der Regel nicht aus.
150
Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
23.2 Hinreichendes positives K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch einen (Raum-)Plan ist der Umstand, daß 1. Inhalt und Anordnung des Planes nach den Befugnissen der plansetzenden Stelle zulässig sind, 2. Inhalt und Anordnung des Planes keinen Mißbrauch dieser Befugnisse darstellen. Das bedeutet, daß die Ungleichbehandlung durch Pläne die verfassungsrechtliche Gleichheit der Betroffenen auch dann nicht verletzt, wenn eine Begründung i m Einzelfall nicht gegeben werden kann 9 . Solche Ungleichheiten bedingen keine verfassungsrechtliche Ungleichheit und stellen keine Verletzung von Art. 3 GG dar. Die sachgerechte Ergänzung dieser Rechtslage ist die Verpflichtung zur Entschädigung. Müssen die Betroffenen von ihnen her gesehen unbegründbar aus übergeordneten Gesichtspunkten Beeinträchtigungen hinnehmen, so ist es billig und durch A r t . 14 Abs. 3 GG angeordnet, daß sie entschädigt werden 1 0 . Erst die Einheit der Maßnahme „grundlose und entschädigungslose Beeinträchtigung" würde i n diesen Fällen eine verfassungsrechtliche Ungleichheit und damit Verstoß gegen A r t . 3 GG bedingen. Der topischen Unbestimmtheit dessen, was generell bei der I n terpretation des A r t . 3 GG ein zureichender Grund der Ungleichbehandlung ist, entspricht jetzt die topische Unbestimmtheit dessen, was bei der spezielleren Interpretation des Art. 14 GG der Grad der hinzunehmenden Beeinträchtigung ist. Ohne der Dogmatik des Art. 14 GG vorgreifen zu wollen, scheinen von Art. 3 GG her gesehen drei Stufen unterschieden werden zu müssen: 1. Vom Einzelnen her gesehen unbegründbare Ungleichbehandlungen — speziell durch Pläne, die hinsichtlich des Kreises der Betroffenen und der A r t der Beeinträchtigung v o l l konkretisiert sind —. Das sind Fälle der Einzel-Enteignung, die volle Entschädigung bedingen. 2. Vom Einzelnen her gesehen teilweise begründbare Eingriffe durch Gesetz, die strukturell gleichgelagerte Betroffene betreffen — etwa alle 9 Dieses Ergebnis ist eine Bestätigung der w o h l resignierend getroffenen Feststellung von W. Blümel, a.a.O., S. 149, daß die Einwendungsmöglichkeiten der Betroffenen gegen die Linienführung u n d technische Ausgestaltung eines Verkehrsweges gering seien. U m so wichtiger erscheint es, die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten nicht durch Gerichtsentscheidungen auszuhöhlen, wie sie Blümel, a.a.O., S. 147 ff. zitiert. 10 Dies ist natürlich nicht die einzige F u n k t i o n des Grundrechtsschutzes des Eigentums m i t Enteignungs- u n d Entschädigungskoppelung. Wie N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 126 ff., dargestellt hat, ist von der Wirtschaft als sozialem System her gesehen die Erzwingung n u r systemkonformer hoheitlicher Eingriffe i n die Wirtschaft als System der Bedürfnisbefriedigung die maßgebliche Funktion.
§ 24 Hollen-Ungleichheiten
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E i g e n t ü m e r v o n G r u n d s t ü c k e n i m A u s d e h n u n g s b e r e i c h v o n S t ä d t e n . Das s i n d F ä l l e der strukturellen Enteignung, die keine volle Entschädigung bedingen. 3. V o m E i n z e l n e n h e r gesehen v o l l b e g r ü n d b a r e B e e i n t r ä c h t i g u n g e n , die a l l e B e t r o f f e n e n e i n e r b e s t i m m t e n V e r m ö g e n s a r t — e t w a G r u n d stückseigentümer, G e w e r b e t r e i b e n d e , I n h a b e r v o n W e r t p a p i e r e n — gleichbehandeln. Das s i n d F ä l l e d e r Sozialbindung, die k e i n e Entschädigung bedingen. Die Ausarbeitung der F u n k t i o n der B e g r ü n d u n g i m Enteignungsrecht m u ß e i n e r D o g m a t i k des A r t . 14 G G v o r b e h a l t e n b l e i b e n . § 24 Rollen-Ungleichheiten I n § 13 w u r d e a n h a n d der E n t s c h e i d u n g des Bundesverwaltungsgerichts v o m 24. 9. 1965 ( B V e r w G E 22, 64 [66]) bereits die P r o b l e m a t i k angeschnitten, d i e d a r i n l i e g t , daß Rechtsregeln n i c h t n u r K l a s s e n v o n P e r sonen u n g l e i c h b e h a n d e l n , s o n d e r n auch Personen, i n s o f e r n sie e i n m a l diesen u n d e i n m a l j e n e n T a t b e s t a n d e r f ü l l e n u n d i n der Regel dieselbe F o r m z e i t l i c h a u f e i n a n d e r f o l g e n d oder g a r g l e i c h z e i t i g beide T a t b e s t ä n d e e r f ü l l e n k a n n . Z u r V e r d e u t l i c h u n g w e r d e n z w e i w e i t e r e B e i s p i e l e angeführt: BVerwG, Urteil vom 30.11.1955 — V C 127.55 — Gekennzeichnete Klasse: Landmesser, die (freiberuflich oder als Angehörige des öffentlichen Dienstes) die Aufsicht über Urkundsmessungen führen. Behandelte Klasse: öffentlich bestellte Vermessungs-Ingenieure. Restklasse: Beamte i m höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist kein zureichender Grund, Bewerber f ü r die Posten beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß an die Bewerber f ü r die Posten der behandelten Klassen höhere Anforderungen gestellt werden als an die Bewerber für Posten der Restklasse (BVerwGE 2, 349 [353]). BGH, Urteil vom 10. 5.1954 — I I I ZR 45/53 — (§ 839 BGB, A r t . 34 GG i. Verb, m i t § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reichs f ü r seine Beamten v o m 22. 5. 1910 [ B G B l I I I Nr. 2030—9] u n d § 78 Abs. 2 B G B i. Verb, m i t den entsprechenden Landesgesetzen). Gekennzeichnete Klasse: Beamte, soweit sie ein ihnen anvertrautes öffentliches A m t ausüben u n d dabei eine D r i t t e n gegenüber bestehende Amtspflicht verletzen. Behandelte Klasse: Beamte, die die Amtspflicht gegenüber Inländern, Staatenlosen oder gegenüber solchen Ausländern verletzen, m i t deren Heimatstadt Gegenseitigkeit bei Amtspflichtverletzungen verbürgt ist. Restklasse: Beamte, die die Amtspflicht gegenüber solchen Ausländern v e r letzen, m i t deren Heimatstaat Gegenseitigkeit bei Amtspflichtverletzungen nicht verbürgt ist.
152
Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Glieder der behandelten Klasse eine Schadenersatzpflicht erst bei grober, Glieder der Restklasse schon bei leichter Fahrlässigkeit t r i f f t (BGHZ 13, 241 [242]). Begründung Das Gericht hat die vorliegende Ungleichbehandlung nicht bemerkt u n d daher ihre Zulässigkeit nicht begründet. Die v o m Gericht getroffene Entscheidung der uneingeschränkten Gültigkeit der einschlägigen Bestimmungen gestattet jedoch den Schluß auf den formulierten Leitsatz*.
Werde i m Vorgriff auf die Definition 29.2 unter einer sozialen Rolle eine Klasse von Pflichten (und Berechtigungen), speziell von Rechtspflichten (und rechtlich gewährleisteten Berechtigungen) verstanden, deren Erfüllung insofern erwartet wird, als jemand eine soziale Position einnimmt, dann betreffen die i n den vorstehenden Beispielen angeführten Ungleichheiten nicht Ungleichheiten von Personen, sondern RollenUngleichheiten 2. Zur Lösung der Problematik dieser Rollen-Ungleichheiten diene folgendes Kriterium: 24.1 Hinreichendes und notwendiges K r i t e r i u m für die Zulässigkeit einer Rollen-Ungleichheit ist der Umstand, daß die betreffende Ungleichheit dann zulässig wäre, wenn sie Klassen von Personen beträfe. Zur Verdeutlichung des Satzes 24.1 und zur Vermittlung seiner Evidenz werde von den Beispielen ausgegangen. Wäre i m Beispiel BVerwGE 22, 64 (66), das oben i n § 13 angeführt wurde, der Verkauf von Trinkbranntwein auf Gaststätten konzentriert, die nur solchen Branntwein ausschenken, wäre eine unterschiedliche Sperrstundenregelung für diese und die übrigen Gaststätten vermutlich zu rechtfertigen. I n diesem Falle läge keine Rollen-, sondern Personen-Ungleichheit vor, die wegen eines rechtfertigenden Grundes keine verfassungsrechtliche Ungleichheit bedingen würde. Da die Rechtsordnung es zuläßt und es tatsächlich die Regel ist, daß Gastwirte neben Branntwein auch andere Getränke ausschenken, dieser Vorteil der Betroffenen aber keinen Grund für eine notwendige Beschränkung des hoheitlichen Regelungsbereiches darstellt, 1 A u f die v o m Gericht übersehene Problematik hat aufmerksam gemacht J. Frowein, Staatshaftung gegenüber Ausländern, J Z 64, S. 410. Er ist w o h l der erste, der auf die i m vorliegenden Paragraphen behandelte Problematik, a.a.O., S. 358 ff., 409 ff., aufmerksam gemacht hat. Er hat S. 410 f. richtig ausgeführt, daß der oben formulierte u n d der Entscheidung stillschweigend zugrundeliegende Leitsatz nicht haltbar ist. 2 A u f den Umstand, daß i n die Variablen von Rechtssätzen i n der Regel nicht Namen für Menschen, sondern Kennzeichnungen für Rollen eingesetzt werden, hat erstmals hingewiesen i n einer i m übrigen skurrilen Schrift W. Kärner, Juristisch-mathematische Untersuchungen über die Relations-PotenzN a t u r des Rechts, Leipzig 1907.
§ 25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen
153
bleibt die Berechtigung bestehen, die Ausschankzeiten für beide Getränkearten unterschiedlich festzusetzen. Dasselbe Argumentationsschema m i t unterschiedlichem inhaltlichen Ergebnis ist anzuwenden beim Beispiel der Beamtenhaftung. Wäre der Verkehr m i t Ausländern, für die hinsichtlich der Amtspflichtverletzung keine Gegenseitigkeit verbürgt ist, bei Beamten konzentriert, die nur m i t solchen Ausländern dienstlich verkehren, würden die Bestimmungen über die Haftpflicht Klassen von Beamten ungleich behandeln. Für diese Personen-Ungleichheit gibt es keinen zureichenden Grund. Die sich zugunsten des Dienstherrn der Beamten auswirkende und organisatorisch allein sinnvolle Regelung, eine solche Konzentration nicht vorzunehmen, ist kein hinreichender Grund, eine als Personen-Ungleichheit unzulässige Ungleichbehandlung als Rollen-Ungleichheit zuzulassen. Ä h n l i c h w i e die angeführten Beispiele wären zu diskutieren die Entscheidungen BVerfGE 22, 254 (263), 322 (325); B V e r w G E 25, 210 (220); 26, 305 (312); B F H E 79, 335 (339).
§ 25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen über die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen
Z u m Abschluß der Untersuchung funktionsloser Kriterien der zulässigen Ungleichbehandlung werden noch einige Entscheidungen auf die Stichhaltigkeit ihrer Begründungen h i n untersucht. Das Ziel dieser Diskussion ist es, an Beispielen, die nicht i n den Rahmen der vorstehend aufgestellten Kriterien passen, darzustellen, daß eine Untersuchung von Gleichheits- oder Ungleichheitsbegründungen möglich ist, ohne auf Maßstäbe wie „ W i l l k ü r " oder „Gerechtigkeit" zurückzugreifen. Darüber hinaus ließe sich bei fast allen den Gleichheitssatz betreffenden Entscheidungen zeigen, daß die erkennenden Gerichte i n den Begründungen tatsächlich auf solche Maßstäbe nicht zurückgegriffen haben. Dies w i r d besonders deutlich i n der Praxis des Bundessozialgerichts, die bekannten Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren, u m dann i n einem neuen Absatz i n die Prüfung der anstehenden Frage einzutreten. Den Begründungen würde nichts an Uberzeugungskraft fehlen, wenn die allgemeinen Erörterungen über den Gleichheitssatz gestrichen würden 1 .
Als erstes werde eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs
angeführt:
B F H , Urteil vom 8.11.1963 — V I 43/63 U — (Einkommensteuergesetz i. d. F. v o m 15. 8.1961 — B G B l I S. 1253). Gekennzeichnete Klasse: Einkommensteuerpflichtige (§ 2 Abs. 3 EStG). Behandelte Fälle: Einkommensteuerpflichtige nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 EStG, d. h. L a n d - u n d Forstwirte, Gewerbetreibende u n d Selbständige. 1 Vgl. dazu BSGE 2, 201 (218f.); 3, 77 (81); 11, 278 (287); 12, 27 (29), 88 (90); 14, 95 (97); 16, 276 (277); 20, 28 (32). Anders jedoch i n BSGE 6, 41 (47); 20, 28 (33).
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Β . K r i t e r i e n f ü r die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
Restklasse: Einkommensteuerpflichtige nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 bis 7 EStG, d. h. L o h n - und Gehaltsempfänger, Kapitalanleger, Vermieter u n d Verpächter und sonstige Einkommensempfänger. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch ungleich zu behandeln, daß n u r Gliedern der behandelten Klasse die erweiterte Abschreibungsmöglichkeit des § 6 Abs. 2 EStG f ü r sogenannte geringwertige Anlagegüter eingeräumt w i r d (BFHE 78, 96 [97 f.]). Begründung 1. § 6 Abs. 2 EStG gewährt Buchführungs- u n d Bilanzierungspfüchtigen eine Erleichterung dieser Pflicht. 2. N u r für Steuerpflichtige der behandelten Klasse entsteht bei Veräußerung des v o l l abgeschriebenen Wirtschaftsgutes ein steuerpflichtiger außerordentlicher Ertrag. 3. § 6 Abs. 2 EStG gewährt also n u r eine Gestaltungsmöglichkeit, nicht aber eine steuerbegünstigend wirkende Gewinnschmälerung (ebd.) 2 . Diskussion Bei der ersten Lektüre des Leitsatzes u n d der i h m zugrundeliegenden Bestimmungen könnte sich der Eindruck aufdrängen, es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zugunsten der L a n d - u n d Forstwirte, Gewerbetreibenden u n d Selbständigen vor. Dieser Eindruck w i r d jedoch durch die gegebene Begründung ausgeräumt. Satz 1 der Begründung formuliert den Zweck der Bestimmung. Sätze 2 und 3 formulieren die Zulässigkeit der U n gleichbehandlung. Diese Zulässigkeitsbegründung verwendet keine Zweck-, Ziel- oder Gerechtigkeitsbegriffe u n d verbleibt ausschließlich i m Bereich der technischen Regelungen des Einkommensteuerrechts. Es zeigt sich an diesem Fall, daß es Fälle der Gleichheitsprüfung gibt, bei denen eine Entscheidung möglich ist ohne Einführung von Wertungs- oder normativen Sätzen 3 . Das E r g e b n i s dieser D i s k u s s i o n k a n n d a h i n g e h e n d f o r m u l i e r t w e r d e n , daß B e g r ü n d u n g e n a n Ü b e r z e u g u n g s k r a f t g e w i n n e n , w e n n sie i h r e e n t scheidenden G e s i c h t s p u n k t e d e m b e t r e f f e n d e n Rechtsgebiet selbst e n t nehmen u n d nicht auf allgemeine Grundsätze zurückgreifen, denen oft m i t a n d e r e n F o r m u l i e r u n g e n die entgegengesetzte E n t s c h e i d u n g e n t n o m m e n w e r d e n k a n n . Infolgedessen s i n d i n der Regel überzeugende B e g r ü n d u n g e n l e i c h t z u finden i n Rechtsgebieten, die sich d u r c h T r a d i t i o n oder T e c h n i z i t ä t auszeichnen. D a z u g e h ö r e n e t w a das S t e u e r r e c h t u n d das t r a d i t i o n e l l e Sozialversicherungsrecht. A n d e r e r s e i t s schließt eine k o r rekte u n d juristisch richtige B e g r ü n d u n g der Zulässigkeit einer Ungleichb e h a n d l u n g i n n e r h a l b des b e t r e f f e n d e n Rechtsgebiets es n i c h t aus, daß
2
Ähnlich die Problematik i n BSGE 28, 54 (56). E i n ähnlicher F a l l liegt der oben § 13 wiedergegebenen Entscheidung BVerfGE 4, 193 (203) zugrunde. Vgl. auch B V e r w G E 1, 200 (201); BSGE 12, 27 (29); B F H E 74, 21 (26); 76, 729 (732); 78, 116 (125). Solche Fälle sind jedoch insgesamt selten. Meist bedarf es zur Entscheidung der Formulierung eines normativen Satzes. 3
§ 25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen
155
die Begründung das Rechtsgefühl unbefriedigt läßt 4 . Das zeigt, daß Art. 3 GG keine Billigkeitsnorm ist. Ein Beispiel andersgearteter Plausibilität zeigt folgende Entscheidung des Bundessozialgerichts: BSG, Urteil vom 30.10.1964 — 2 UR 212/63 — (§§ 539 ff., 551 Abs. 1 RVO i. d. Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes v o m 30. 4.1963 — B G B l I S. 241 — § 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. BerufskrankheitenVO v o m 28. 4.1961 — B G B l I S . 505). Gekennzeichnete Klasse: U n f a l l versicherte, die an einer Berufskrankheit i n einem Zeitpunkt erkranken, i n dem die erforderliche Bezeichnung als Berufskrankheit durch Rechtsverordnung noch nicht erfolgt ist. Behandelte Klasse: U n f a l l versicherte, die an Lärmschwerhörigkeit erkrankt sind. Restklasse: U n f a l l versicherte, die an einer anderen Berufskrankheit erkrankt sind. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der behandelten Klasse kein Anspruch auf Unfallrente zusteht, während Gliedern der Restklasse bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen ein solcher A n spruch zusteht (BSGE 22, 63 [66]). Begründung Die Lärmschwerhörigkeit ist w e i t verbreitet. Sie braucht nicht n u r Folge beruflicher E i n w i r k u n g zu sein. Ihre Abgrenzung von der Altersschwerhörigkeit bereitet nicht unerhebliche praktische Schwierigkeiten. Bei Versicherten, deren E r k r a n k u n g schon i m Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. B K V O bestanden hat, w i r d es unter Umständen n u r schwer möglich sein, den Zusammenhang der Berufskrankheit m i t der versicherten Tätigkeit nachzuweisen. Derartige, bei einer nicht allzu kleinen Z a h l von Versicherten von vornherein absehbare Beweisschwierigkeiten können angesichts der damit zwangsläufig verbundenen Ungerechtigkeiten innerhalb der Versicherten-Gemeinschaft für den Gesetzgeber hinreichender Anlaß sein, die Rückwirkung einer neuen Bestimmung ganz auszuschließen. Diskussion Die Begründung argumentiert zwar m i t Gerechtigkeits- u n d Zweckvorstellungen. Sie ließe sich aber i n dem einen Satz zusammenfassen: eine andere Regelung wäre fast undurchführbar. U m krasse Beispiele zu bringen: es läßt sich zwar die Rentenberechtigung f ü r Bleilungenerkrankte, nicht aber für Lärmschwerhörige zurückdatieren. U m vollständig zu sein, hätte das Gericht noch prüfen können, ob der Gleichheitssatz nicht gebietet, deswegen auf jede R ü c k w i r k u n g zu verzichten, eine Prüfung, die aufgrund von § 551 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 RVO ohne Schwierigkeit durchzuführen wäre m i t dem Ergebnis, daß ein generelles Rückwirkungsverbot nicht erforderlich ist.
Diese Überlegung läßt sich verallgemeinern und als K r i t e r i u m formulieren: 4
Vgl. dazu auch BVerfGE 13, 39 (45); 15,167 (205).
156 25.1
Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung H i n r e i c h e n d e s p o s i t i v e s K r i t e r i u m f ü r d i e Z u l ä s s i g k e i t einer U n g l e i c h b e h a n d l u n g i s t der U m s t a n d , daß
25.1.1 eine T e i l k l a s s e e i n e r gekennzeichneten Klasse i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der R e c h t s o r d n u n g b e h a n d e l t w i r d u n d 25.1.2 d i e Restklasse der T e i l k l a s s e deswegen a b w e i c h e n d v o n d e r T e i l klasse b e h a n d e l t w i r d , w e i l k e i n rechtliches ( V e r w a l t u n g s - oder G e r i c h t s - ) V e r f a h r e n angegeben w e r d e n k a n n , das m i t h i n r e i c h e n der W a h r s c h e i n l i c h k e i t die Z u g e h ö r i g k e i t der G l i e d e r der R e s t klasse z u r T e i l k l a s s e festzustellen i n der L a g e ist. Das K r i t e r i u m 25.1 i s t einschlägig f ü r d i e folgende E n t s c h e i d u n g des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, d e r e n S a c h v e r h a l t jedoch die B e d i n g u n g 25.1.2 n i c h t e r f ü l l t . BayVerfGH, Entscheidung vom 16. 7. 1962 — V f 101 — V I I — 60 — (§ 23 der Satzung der Bay. Ärzteversorgung v o m 15.12.1956 — BayBS I S. 288 — i. d. F. vom 16. 2.1957 — GVB1S. 47 — u n d v o m 11. 4.1958 — GVB1 S. 53 —). Gekennzeichnete Klasse: Ärzte, die erst nach Vollendung des 67. Lebensjahres Ruhegeld i n Anspruch nehmen. Behandelte Klasse: Ärzte, die eine Privatpraxis besitzen. Restklasse: Ärzte, die keine Privatpraxis besitzen. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß n u r den Gliedern der Restklasse die weitere Ausübung ihrer Berufstätigkeit untersagt w i r d ( B a y V e r f G H E 15, 59 [67]). Begründung Jede andere Regelung würde zu große M i t t e l benötigen oder unpraktikabel sein (ebd. S. 67 f.). Diskussion Die gegebene Begründung leidet an einem häufig anzutreffenden Mangel sachbezogener Argumente. Sie macht eine Aussage über alle anderen möglichen Regelungen, ohne n u r eine einzige daraufhin zu untersuchen, ob sie ohne die angeführten negativen Folgen Ungleichbehandlungen vermeidet. Erst w e n n festgestellt ist, daß alle f u n k t i o n a l äquivalenten Regelungen i m Verhältnis zu dem Ziel der Ärzteversorgung gleichwertige Ungleichbehandlungen zur Folge haben, k a n n nach Satz 16.6 eine solche Ungleichbehandlung zulässig sein. Die behauptete U n p r a k t i k a b i l i t ä t ist nicht dargetan, so daß die Begründung Satz 25.1.2 widerspricht. A l s B e i s p i e l f ü r eine z u pauschale B e g r ü n d u n g w e r d e folgende E n t scheidung des Bundesverfassungsgerichts angeführt: BVerfG, Beschluß von 25. 5.1966 — 1 B v R 128/56 — Gekennzeichnete Klasse: Täter, die die Tat i m Zustand verminderter Z u rechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 StGB) begangen haben. Behandelte Klasse: Täter, bei denen die verminderte Zurechnungsfähigkeit vor der rechtskräftigen Verurteilung festgestellt w i r d .
§ 25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen
157
Restklasse: Täter, bei denen die verminderte Zurechnungsfähigkeit erst nach der rechtskräftigen Verurteilung festgestellt w i r d . 1. Leitsatz Der Unterschied beider Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch ungleich zu behandeln, daß die verminderte Z u rechnungsfähigkeit bei der Bestimmung der zu verbüßenden Strafe dadurch allein bei Gliedern der behandelten Klasse berücksichtigt w i r d , daß nach § 363 Abs. 2 StPO für die Glieder der Restklasse ein Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen ist (BVerfGE 5, 22 [23]). Begründung Das Institut der Rechtskraft rechtfertigt die Ungleichbehandlung. Diskussion Der Hinweis auf das I n s t i t u t der Rechtskraft vermag auf den ersten Blick zu überzeugen. Er wäre aber n u r zwingend, w e n n folgender Satz begründbar wäre: Das Institut der Rechtskraft rechtfertigt alle Unterschiede, die Folge der Rechtskraft sind 5 . Ob sich ein solcher Satz begründen ließe, mag dahingestellt sein. Anderer Ansicht ist mindestens der Bundesfinanzhof, der folgende E n t scheidung getroffen hat: B F H , Beschluß vom 3. 4.1962 — 1149/60 U — Der Unterschied zwischen Steuerpflichtigen, die f ü r einen bestimmten Zeitr a u m rechtskräftig veranlagt sind, u n d Steuerpflichtigen, die f ü r diesen Zeitr a u m noch nicht rechtskräftig veranlagt sind, ist kein zureichender Grund, beide Klassen von Steuerpflichtigen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein Glieder der zweiten Klasse durch rückwirkendes Gesetz eine Steuervergünstigung erhalten (BFHE 75, 255 [259])«. Erläuterung Z u beachten ist, daß die rechtskräftige Steuerveranlagung i m Sinn dieser Entscheidung die Fälle bestandskräftiger Veranlagung durch die V e r w a l t u n g u n d die Fälle rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung über die Richtigkeit einer Veranlagung umfaßt. Fortsetzung der Diskussion Unterstellt m a n die Richtigkeit des Leitsatzes des Bundesfinanzhofs, so zeigt sich, daß die Formulierung BVerfGE 5, 22 (23) zu weit ist. Dies folgt auch daraus, daß m i t dieser Begründung jede F o r m eines Wiederaufnahmeverfahrens 7 abgelehnt werden könnte. Der generelle Ausschluß eines Wiederaufnahmeverfahrens dürfte aber verfassungswidrig sein. E i n Ausschluß für Strafverfahren, i n denen Freiheitsstrafen verhängt wurden, dürfte gegen A r t . 2 GG, ein Ausschluß auch bei Gründen wie § 580 Nr. 5 ZPO dürfte gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. M i t dieser Frage hängt der zweite Leitsatz zusammen, der zur Aufrechterhaltung des § 363 Abs. 2 StPO erforderlich w a r : 5
Vgl. dazu auch BVerfGE 13, 39 (45); 15,167 (205). Vgl. dazu H. Platz, Die gerichtliche Kontrolle der Leistungsverwaltung, D Ö V 59, S. 341, der den umgekehrten F a l l behandelt. Allgemein zur Frage des Verhältnisses von Gleichheitssatz u n d Rechtskraft i m Steuerrecht äußert sich Franz Klein, Gleichheitssatz u n d Steuerrecht, S. 221 ff. 7 E i n solches Verfahren ist i n allen Verfahrensordnungen vorgesehen: § 61 BVerfGG, § 153 VwGO, §§ 179 ff. SGG, § 134 FGO, §§ 578 ff. ZPO, §§ 359 ff. StPO, §§ 83 ff. BDO. 6
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
BVerfG, Beschluß vom 25. 5.1966 — 1 B v R 128/56 — Gekennzeichnete Klasse: Rechtskräftig verurteilte Täter, bei denen T a t sachen oder Beweise beigebracht werden können, die zur Feststellung m i n destens verminderter Zurechnungsfähigkeit (§51 StGB) führen können. Behandelte Klasse: Verurteilte, bei denen Tatsachen oder Beweise beigebracht werden können, die zur Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit (§51 Abs. 1 StGB) führen können. Restklasse: Verurteilte, bei denen Tatsachen oder Beweise beigebracht w e r den können, die zur Feststellung verminderter Zurechnungsfähigkeit ( § 5 1 Abs. 2 StGB) führen können. 2. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß nach § 363 Abs. 2 StPO ein Wiederaufnahmeverfahren für Glieder der Restklasse ausgeschlossen ist (BVerfGE 5, 22 [23]). Begründung Bei der Bedeutung der Schuld i m deutschen Strafrecht ist der Unterschied zwischen verminderter u n d ausgeschlossener Schuld ein zureichender G r u n d für die Ungleichbehandlung (ebd.). Fortsetzung der Diskussion Die Begründung des 2. Leitsatzes verstößt gegen Satz 7.3 u n d 13.1.4, dessen Geltung i n BVerfGE 17, 122 (131) hervorgehoben u n d i n BVerfGE 23, 229 (240 f.) angedeutet ist. Sie k a n n nämlich — ungeachtet der Notwendigkeit, Tatsachen i m Verfahren zu erweisen — folgendermaßen formuliert werden: der Unterschied zwischen Tätern, die die Tat i m Zustand ausgeschlossener Z u rechnungsfähigkeit begangen haben, u n d Tätern, die die Tat i m Zustand v e r minderter Zurechnungsfähigkeit begangen haben, ist ein zureichender G r u n d für die Differenzierung, w e i l ausgeschlossene Zurechnungsfähigkeit von v e r minderter Zurechnungsfähigkeit verschieden ist. Dieser Satz begründet nicht, sondern wiederholt das Unterscheidungsmerkmal zwischen den Teilklassen der gekennzeichneten Klasse. Das Gericht hat lediglich durch einen topisch gut klingenden Satz die Grundlosigkeit der Differenzierung verdeckt 8 .
Eine nicht leicht zu entscheidende Problematik liegt der 2. SendezeitE n t s c h e i d u n g des Bundesverfassungsgerichts
zugrunde9.
BVerfG, Beschluß vom 30. 5.1962 — 2 B v R 158/62 — Gekennzeichnete Klasse: Parteien, für die anläßlich einer bestimmten W a h l Landeslisten zugelassen sind. Behandelte Klasse: Parteien, f ü r die bei der vorangehenden W a h l mehr Stimmen abgegeben worden sind, als für die Parteien der Restklasse. 8
Ä h n l i c h BSGE 27, 192 (199): Strafgefangene, die i n der Strafanstalt zu A r beiten herangezogen werden, dürfen gegenüber anderen Arbeitern dadurch ungleich behandelt werden, daß sie nicht der Versicherungspflicht i n der gesetzlichen K r a n k e n - , Renten- u n d Arbeitslosenversicherung unterliegen. Begründung: Es ist ein Unterschied, ob jemand seine Arbeit aufgrund eines freien Arbeitsvertrages oder aufgrund des auf der Strafverbüßung beruhenden A r beitszwanges verrichtet. 9 Z u r Rechtslage vgl. jetzt § 5 ParteiG. Z u r Entscheidung vgl. H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 119 ff.
§25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen
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Restklasse: Parteien, für die bei der vorangehenden W a h l weniger Stimmen abgegeben worden sind, als für die Parteien der ersten Teilklasse. Leitsatz Der Unterschied zwischen beiden Teilklassen ist ein zureichender Grund, Glieder beider Teilklassen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der behandelten Klasse f ü r Wahlpropaganda i m Rundfunk eine längere Sendezeit eingeräumt w i r d als Gliedern der Restklasse (BVerfGE 14,121 [134]) 10 . Begründung 1. Da es ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel ist, Wahlen als entscheidenden Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes zu sichern, dies durch unterschiedliche Herausstellung der Parteien gemäß ihrer Bedeutung gegenüber der Aktivbürgerschaft auch bei der Wahlwerbung i m Rundfunk durch eine Abstufung der Sendezeiten geschehen kann, ist die unterschiedliche Zuteilung von Sendezeiten gerechtfertigt (BVerfGE 14, 121 [136]) 11 . 2. Da der Rundfunk seiner Aufgabe, die dem Staatsbürger für seine M e i nungsbildung unentbehrlichen Information zu liefern, i n einer A r t . 5 GG entsprechenden Weise n u r gerecht w i r d , w e n n sein Gesamtprogramm ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung aufweist, zu diesem Mindestmaß gehört, daß die Gewichtsverteilung zwischen den bedeutsamen politischen u n d anderen Gruppen auch i n der Bemessung der Sendezeit zum Ausdruck kommt, ist die unterschiedliche Zuteilung von Sendezeiten gerechtfertigt (BVerfGE 14,121 [136 f.]). Diskussion Die erste Begründung ist nicht stichhaltig, w e i l sie gegen Satz 16.8 u n d gegen Satz 16.6 verstößt, d. h. sie argumentiert ausschließlich m i t Zielbegriffen u n d verletzt ein notwendiges K r i t e r i u m . Unterstellt man einmal die Zulässigkeit der Zielbegründung, so wäre der Satz trotzdem n u r schlüssig, w e n n er lauten würde : „ . . . dies nur durch unterschiedliche Herausstellung . . . geschehen kann." Dieser Satz wäre jedoch empirisch falsch. Es zeigt sich i n diesem Fall, daß eine so abstrakte Theorie, wie es die Smendsche Integrationslehre ist, f ü r so konkrete Fragen wie die nach der Zulässigkeit unterschiedlicher Sendezeiten keine eindeutigen Entscheidungskriterien zu liefern vermag 1 2 . 10 Ebenso BVerfGE 7, 99 (108). Die bereits oben i n § 18 A n m . 18 berührte Schwierigkeit, quantitative Größen — Fristen, Sendezeiten, Sperrklauseln, Stimmanteile, Spendenhöhen — zu begründen, ist deutlich geworden i n der 2. Parteifinanzierungs-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v o m 3.12. 1968, wo i n Abschnitt C I 2 c) der Gründe versucht w i r d , einen Mindeststimmenanteil von 2,5 °/o der abgegebenen Zweitstimmen für gleichheitswidrig, einen A n t e i l von 0,5 fl/o f ü r gleichheitsgemäß zu erweisen. 11 Vgl. dazu auch BVerfGE 24, 300 (355). I n dieser Entscheidung ist es schon „ständige Rechtsprechung", daß „die Sicherung des Charakters der W a h l als eines entscheidenden Integrationsvorganges" Differenzierungen rechtfertigt. 12 Hier macht sich bemerkbar, daß Juristen nicht daran gewöhnt sind, der fundamentalen wissenschaftstheoretischen Einsicht zu folgen, daß aus gehaltsarmen Prämissen n u r Folgerungen gezogen werden können, die noch gehaltsärmer sind. Vgl. dazu K . R. Popper, Logik der Forschung, S. 84 ff. Die wenigsten juristischen Theorien liegen zur Zeit jedoch i n einer Form vor, die eine Bestimmung ihres Gehaltes u n d damit ihrer möglichen Folgerungen ermöglicht. Es ließe sich aber vorläufig die Regel aufstellen, daß die Prüfung einer These so sachnah wie n u r möglich zu erfolgen hat. Je sachnäher die Prüfung nämlich erfolgt, u m so größer ist die Chance, daß die Argumentationsreihe bei späterer korrekter Prüfung sich als schlüssig erweist.
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Β . K r i t e r i e n für die Zulässigkeit einer rechtlichen Ungleichbehandlung
A n der zweiten Begründung w i r d deutlich, daß die dem Leitsatz zugrunde gelegte gekennzeichnete Klasse einen zu großen Umfang besitzt. Z u r Entscheidung stand die Frage, ob der F D P kürzere Sendezeiten eingeräumt werden dürfen als der CDU oder SPD. Als gekennzeichnete Klasse hätte dem Leitsatz daher die Klasse der drei großen Parteien zugrunde gelegt werden müssen. E r gab die Prüfung eine Differenzierungsmöglichkeit innerhalb dieser Klasse, w a r damit nach Satz 9.7 auch die Berechtigung der Differenzierung gegenüber den Splitterparteien nachgewiesen. Die Argumente der zweiten Begründung passen höchstens f ü r eine abweichende Behandlung der Splitterparteien 1 *» 1 4 , nicht aber für eine Differenzierung innerhalb der drei großen Parteien 1 5 . Zwischen den drei großen Parteien u n d den übrigen ist eine Differenzierung möglicherweise zulässig, w e i l sie möglicherweise technisch erforderlich i s t 1 6 . „Wollte m a n a l l e n . . . Parteien die gleichen Sendezeiten zubilligen wie den großen Parteien, so w ü r d e entweder der Rundfunk für die Wahlvorbereitungszeit seinen Zwecken entfremdet, oder sämtliche Sendezeiten müßten so gering bemessen werden, daß die Wahlpropaganda durch Rundfunk überhaupt ihren Sinn verlöre 1 7 ." Diese Ü b e r l e g u n g l ä ß t sich als K r i t e r i u m f o r m u l i e r e n : 25.2
H i n r e i c h e n d e s p o s i t i v e s K r i t e r i u m f ü r die Z u l ä s s i g k e i t e i n e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist der U m s t a n d , daß
25.2.1 eine T e i l k l a s s e e i n e r gekennzeichneten Klasse i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der R e c h t s o r d n u n g b e h a n d e l t w i r d , 25.2.2
die Restklasse der gekennzeichneten Klasse deswegen a b w e i w e i c h e n d v o n d e r T e i l k l a s s e b e h a n d e l t w i r d , w e i l eine G l e i c h b e h a n d l u n g technisch unmöglich ist, u n d
25.2.3
es f ü r die E i n t e i l u n g d e r gekennzeichneten Klasse i n die T e i l u n d i h r e Restklasse e i n e n zureichenden G r u n d g i b t .
Erläuterung Satz 25.2.3 widerspricht nicht Satz 9.11. Der zureichende G r u n d der Ungleichbehandlung ist allein die technische Unmöglichkeit der Gleichbehandlung. 25.2.3 fordert als notwendige Bedingung für die hinreichende Bedingung des Satzes 25.2 einen G r u n d dafür, w a r u m ein gegebenes Glied der gekennzeichneten Klasse als Glied der Teilklasse oder der Restklasse behandelt w i r d . U m i m oben behandelten Beispiel zu bleiben: 25.2.3 fordert die Angabe eines G r u n des dafür, w a r u m beispielsweise die N P D nicht zu den großen Parteien gerechnet w i r d . Satz 25.2.1 postuliert die Begründbarkeit dessen, daß aus cler n o t wendigen Ungleichbehandlung nicht auf Unterlassen jeder Behandlung ge13 Zustimmend zu dieser Argumentation W. Weber, Sendezeiten f ü r W a h l propaganda der politischen Parteien i m Rundfunk, DÖV 52, S. 244. 14 I n w i e f e r n ist das Mindestmaß an Sachlichkeit verletzt, w e n n alle drei großen Parteien gleiche Sendezeiten erhalten, oder das Mindestmaß an A u s gewogenheit? Wer erweist w e m gegenüber nicht die gebührende Achtung? Die F D P oder der Rundfunk gegenüber der CDU oder den Hörern? Solche rein rhetorischen Sätze sollte es i n Gerichtsentscheidungen nicht geben. 15 Ebenso W. Weber, a.a.O., kritisch auch H. J. Rinck, Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und das Bonner Grundgesetz, S. 226. 16 Vgl. dazu jedoch H. Ch. Jülich, a.a.O., S. 128 f. 17 W. Weber, a.a.O.
§ 25 Diskussion der Begründung einiger Gerichtsentscheidungen
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schlossen werden muß. U m i m oben behandelten Beispiel zu bleiben: 25.2.1 fordert die Angabe eines Grundes dafür, daß nicht deswegen gar keine Partei Sendezeiten erhält, w e i l nicht alle Parteien die gleichen Sendezeiten erhalten können.
Zum Abschluß sei eine Entscheidung angeführt, die eine Grenze der rechtlichen Regelungsfähigkeit i n einer technisierten und pluralistischen Gesellschaft und damit zugleich eine Grenze der Rechtsprechungsmöglichkeit anzeigt: BVerwG, Urteil vom 12.10.1962 — V I C 8.62 — Der Unterschied zwischen Wehrpflichtigen, die eheliche K i n d e r sind, und Wehrpflichtigen, die uneheliche K i n d e r sind, ist ein zureichender Grund, beide Klassen von Wehrpflichtigen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß allein Glieder der ersten Klasse bei Vorliegen der i n § 11 Abs. 2 WehrpflG genannten Voraussetzungen v o m Wehrdienst befreit werden (BVerfGE 15, 66 [67]). Begründung Die ehelichen K i n d e r begründen die Daseinshoffnung des überlebenden Eheteils oder der Familie i m weiteren Sinn (ebd.). Diskussion Es w i r d sich trotz A r t . 6 Abs. 5 GG k a u m nachweisen lassen, daß die vom Gericht getroffene Entscheidung falsch ist. Angesichts der vom Gericht f ü r die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen gegebenen Begründung sei dem Verfasser eine Wertung i m Sinne des § 4 A n m . 37 Nr. 2 beschi iebenen Wortgebrauchs gestattet: Es ist ein schlechtes u n d rechtspolitisch k a u m zu verantwortendes Gesetz, das Gerichte bei der Begründung seiner Verfassungsmäßigkeit zur Formulierung solcher Sätze z w i n g t 1 8 .
18
Vgl. dazu jetzt § 11 Abs. 2 WPflG i. d. F. des 5. Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes v o m 3. 9.1968 — B G B l I S. 992 —, der die oben ausgesprochenen Bedenken teilweise berücksichtigt hat. 11 Podlech
C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes in der Interpretation der Arbeitsfassung 12.1 § 26 D e r Ausdruck „ F u n k t i o n einer Rechtsregel"
Die bisherigen Ausführungen waren ungeschichtlich i n dem Sinn, daß der geschichtliche Stellenwert der jeweiligen Argumentation nicht thematisiert wurde. Daß Argumentationen einen geschichtlichen Stellenwert haben, ist eine Folge des Umstandes, daß nicht alles Denkbare zu jeder Zeit denkbar ist. Dieser Umstand gilt ganz besonders für solche Argumente, die Menschen eine bestimmte Stellung — früher sagte man: einen bestimmten Status — i n der menschlichen Gesellschaft zuordnen. Solche Argumente seien i m folgenden kurz soziale Argumente genannt. Der Gedanke der Gleichheit — von den Griechen zögernd gedacht und seit der französischen Revolution zunehmend verwirklicht — hat seit dem Beginn dieser Verwirklichung für jede neue Generation einen neuen Inhalt gehabt und neue Probleme gebracht. Weder eine Ideengeschichte des Gleichheitsgedankens i m 19. Jahrhundert 1 noch eine Geschichte seiner Verwirklichungsversuche i n Europa sind bisher geschrieben worden. Die folgende Einbeziehung der geschichtlichen Dimension i n die vorliegende Untersuchung erfolgt auch nicht aus dem Interesse des Historikers heraus, der wissen w i l l , wie es gekommen ist, sondern aus Gründen der Systematik. Das bedarf kurz der Erläuterung. Jedes Argument i n einem systematischen Kontext ist als solches ungeschichtlich. Dies zeigt sich schon daran, welche außerordentlichen Schwierigkeiten es der L o g i k bereitet, das Zeitmoment i n ihre Überlegungen aufzunehmen 2 . A l l e bisherigen Versuche, das Zeitmoment i n die L o g i k aufzunehmen, haben zu einer Sprengung der klassischen auf Aristoteles zurückgehenden sogenannten alternären L o g i k geführt 3 . Die Semantik der alternären Logik definiert Wahrheit 1 Materialien hierzu bringt R. Dahrendorf, Uber den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, passim. 2 Vgl. dazu G. Günther, Logik, Zeit, Emanation und Evolution, S. 11 ff. 3 Außergewöhnlich ist dabei der Versuch von G. Günther, a.a.O., passim, auf kybernetischer Grundlage eine transzendental-dialektische L o g i k zu begründen. F ü r nahe Zeit aussichtsreicher dürften die Bemühungen sein, i m Z u sammenhang der Formulierung der Semantik für intuitionistische K a l k ü l e — wie sie unten i n § 42 beiläufig Verwendung finden — die Zeitproblematik i n die L o g i k aufzunehmen. Vgl. dazu etwa H. Hermes, Einführung i n die Verbandstheorie, S. 166 ff.; K . Schütte, Vollständige Systeme modaler u n d i n t u i t i o n i s t i -
§ 26 Der Ausdruck „ F u n k t i o n einer Rechtsregel"
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zeitlos und befindet sich dabei i n Ubereinstimmung m i t der griechisch-europäischen Ontologie bis G. W. F. Hegel 4 . Erst die Verwendung nichtalternärer, meist intuitionistisch genannter L o g i k k a l k ü l e gestattet i n der zu diesen gehörenden Semantik die Formulierung von Wahrheitsbegriffen, die das Zeitmoment berücksichtigen. A n dieser Stelle w i r d die enge Beziehung zwischen Logik u n d Philosophie deutlich, eine Beziehung, die angesichts der Technizität moderner Logikkalküle gelegentlich nicht beachtet w i r d u n d daher der Betonung bedarf. Speziell für soziale Argumente läßt sich die Richtigkeit des Satzes, daß auch jedes soziale Argument i n systematischem K o n t e x t ungeschichtlich ist, auf folgende Weise zeigen. M a n gibt erstens die Bedingung an, unter der der Satz unrichtig w i r d und zeigt, daß diese Bedingung nicht erfüllt ist. E i n soziales Argument heiße dabei geschichtlich, w e n n geschichtliche Fakten als Ergebnisse der geschichtlichen Entwicklung unaustauschbar i n die Argumentation eingehen. F ü r Argumentationszusammenhänge, i n die geschichtliche Argumente eingehen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder besteht der Zusammenhang aus geschichtlichen u n d ungeschichtlichen Argumenten. I n diesem F a l l sind die ungeschichtlichen die streitentscheidenden. Wenn ζ. Β . E. Jünger den Konservativismus als die Einstellung bezeichnet, „das zu finden oder auch wiederzufinden, was der gesunden Ordnung von jeher zugrundegelegen hat u n d auch zugrundeliegen w i r d " 5 , so ist das Gesuchte zwar nicht ohne geschichtliche A r gumente zu finden. Diese sind also notwendige Bedingung des Erfolges. Das rein geschichtliche Argument fördert aber zuviel, nämlich die Gesamtheit aller geschichtlichen Fakten einschließlich des — in der Terminologie von E. Jünger — Ungesunden, des Nichtseinsollenden; und es fördert zuwenig, nämlich nicht das jetzt fehlende Erwünschte, Erstrebte. Die A u s w a h l aus der Gesamtheit des Bestehenden u n d die Ergänzung des Bestehenden liefert n u r ein zum Geschichtlichen hinzutretendes ungeschichtliches Argument 6 . Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß ein Argumentationszusammenhang n u r aus geschichtlichen Argumenten besteht. E i n solcher ist nicht i n der Lage, einen anderen geschichtlichen Zustand zu begründen außer dem, der gerade besteht. Da es niemanden geben dürfte, der einen beliebigen Zustand einer Gesellschaft i n keinem Punkt für abänderungsbedürftig hält — u n d eine Abänderung ist auch der Versuch der Wiederherstellung, der Reformation —, kann die zweite Möglichkeit außer Betracht bleiben.
Obwohl also jedes Argument i n einem systematischen Kontext als solches ungeschichtlich ist, steht jedes nichtlogische, inhaltliche Argument unter dem Vorbehalt, daß es i n Zukunft seine Überzeugungskraft ver-
scher Logik, S. 4 f., 62 f. Vgl. auch N. Rescher, J. Garson, Topological Logic, i n : The Journal of Symbolic Logic, 33 (1968), S. 537—548, die den Versuch unternehmen, durch Verallgemeinerungen der klassischen alternären L o g i k zur E i n beziehung sowohl des Zeitmoments wie der Modalitäten — möglich, notwendig — zu kommen. 4 Vgl. dazu G. Günther, Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik, S. 214 ff. 5 E. Jünger, Rivarol, i n : ders., Werke, 8. Bd., Stuttgart o. J., S. 559. 6 E i n schönes Beispiel f ü r einen aus geschichtlichen u n d ungeschichtlichen Argumenten kombinierten Argumentationszusammenhang, i n dem das ungeschichtliche Argument den Ausschlag gibt, referiert L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 2. Bd., S. 50 ff., hinsichtlich des aus der J u l i revolution hervorgegangenen französischen konstitutionellen Königtums. 11'
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C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
l i e r t 7 . Das g i l t i n ganz b e s o n d e r e m M a ß f ü r soziale A r g u m e n t e . I m m e r w i e d e r w i r d d e r V e r s u c h u n t e r n o m m e n , zeitlos w a h r e S y s t e m e z u k o n zipieren, aus denen soziale A r g u m e n t e i h r e Ü b e r z e u g u n g s k r a f t beziehen, u n d nach k u r z e r Z e i t s i n d diese Systeme als z e i t b e d i n g t erwiesen. D i e s e r V o r g a n g i s t n i c h t p r i n z i p i e l l v e r m e i d b a r . Jedoch v e r m a g eine Rückbindung systematischer sozialer A r g u m e n t e i n i h r e n geschichtlichen E n t w i c k l u n g s p r o z e ß die G e f a h r dieses V o r g a n g s m ö g l i c h e r w e i s e z u v e r r i n gern. Die traditionelle Philosophie hat die Methode einer solchen Rückbindung Dialektik genannt. Der heutige wissenschaftliche Ort zur Untersuchung solcher R ü c k b i l d u n g e n ist die Kybernetik 8. Da i m folgenden die angewandte Methode nicht über das hinaus explizit gemacht werden soll, was i m vorangehenden dargestellt wurde, bedarf es keiner Ausarbeitung eines dialektischen oder kybernetischen Begriffsnetzes. D i e R ü c k b i n d u n g der b i s h e r i g e n Ergebnisse der U n t e r s u c h u n g geschehe dadurch, daß Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes f o r m u l i e r t u n d b e g r ü n d e t w e r d e n . Diese F u n k t i o n e n w e r d e n es i h r e r s e i t s gestatten, die b i s h e r i g e n Ergebnisse z u b e g r ü n d e n . D a diese F u n k t i o n e n e i n e n a n g e b b a r e n geschichtlichen S t e l l e n w e r t besitzen, w i r d d e u t l i c h , daß d i e Ü b e r z e u g u n g s k r a f t d e r B e g r ü n d u n g d e r b i s h e r i g e n Ergebnisse a n geschichtliche B e d i n g u n g e n g e k n ü p f t ist. Der Ausdruck „ F u n k t i o n " w i r d i n folgenden unabhängig von dem Funktionsbegriff des soziologischen Funktionalismus 9 definiert. Die zu gebende Definit i o n lehnt sich vielmehr an den logischen Abbildbegriff an™. A u f das V e r hältnis beider Funktionsbegriffe, das n u r i m Rahmen einer explizit ausgeführten Rechtstheorie diskutierbar i s t 1 1 , k a n n hier nicht weiter eingegangen werden. Z u r E i n f ü h r u n g des A u s d r u c k s „ F u n k t i o n einer Rechtsregel" w e r d e v o n e i n e m B e i s p i e l ausgegangen. V o r der E i n f ü h r u n g d e r B e s t i m m u n g 7 F ü r den hier nicht interessierenden naturwissenschaftlichen Bereich ist dieser Gedanke korrekter gefaßt durch die Falsifikations-These von K . R. Popper, L o g i k der Forschung, S. 198 ff. Vgl. dazu jetzt umfassend H. Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, passim. 8 Z u m Verhältnis von K y b e r n e t i k u n d D i a l e k t i k vgl. G. Günther, Das Problem einer Formalisierung der transzendentaldialektischen Logik, passim; ders., Logik, Zeit, Emanation u n d Evolution, S. 66 ff.; D. Suhr, Ansätze zu einer kybernetischen Betrachtung von Recht u n d Staat, S. 201 f.; G. Klaus (Hrsg.), Wörterbuch der Kybernetik, Stichworte „Dialektischer Widerspruch", S. 141 ff., „Wechselwirkung", S. 713 ff. 9 Vgl. dazu N. Luhmann, Der Funktionsbegriff i n der Verwaltungswissenschaft, S. 99, w o es als F u n k t i o n der F u n k t i o n bestimmt w i r d , „die Auswechselung von Möglichkeiten i n bezug auf eine vorausgesetzte Perspektive zu regeln". Vgl. dazu ders., F u n k t i o n u n d Kausalität, passim. 10 Vgl. dazu A. Podlech, Grundrechte u n d Staat, S. 342, u n d unten Definition 36.13.1. 11 Vgl. dazu W. Krawietz, Das positive Recht u n d seine Funktion, passim, S. 39 ff.
§ 26 Der Ausdruck „ F u n k t i o n einer Rechtsregel"
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des Gleichheitssatzes i n das g e l t e n d e französische Recht d u r c h d i e N a t i o n a l v e r s a m m l u n g 1 2 w a r eine b e s t i m m t e R e c h t s o r d n u n g i n G e l t u n g , d u r c h die d i e V e r h a l t e n s o r d n u n g d e r Gesellschaft ( m i t - ) g e r e g e l t w a r . D u r c h die E i n f ü h r u n g d e r B e s t i m m u n g des Gleichheitssatzes i n diese R e c h t s o r d n u n g 1 3 sollte die O r d n u n g d e r Gesellschaft g e ä n d e r t w e r d e n . D i e Transformation eines b i s h e r i g e n Zustandes i n e i n e n n e u e n Z u s t a n d der Gesellschaft d u r c h E i n f ü h r u n g e i n e r Rechtsregel i n d i e d i e Gesellschaft regelnde R e c h t s o r d n u n g heiße die F u n k t i o n dieser Rechtsregel. M a n k a n n das auch so a u s d r ü c k e n : 26.1 D i e F u n k t i o n e i n e r Rechtsregel i s t die T r a n s f o r m a t i o n eines r e c h t l i c h g e o r d n e t e n Gesellschaftszustandes i n e i n e n r e c h t l i c h g e o r d n e t e n Gesellschaftszustand, d i e d i e Rechtsregel d a d u r c h z u l e i s t e n v e r m a g , daß sie d e r R e c h t s o r d n u n g ü b e r diese Gesellschaft e i n g e f ü g t w i r d . Erläuterung M i t der (durch die subjektive Interpretationsmethode feststellbaren) ratio legislatoris hat die F u n k t i o n gemeinsam, daß sie oft dasjenige ist, was der Gesetzgeber anstrebt. V o n i h r unterscheidet sie sich dadurch, daß sie möglicherweise von i h r abweicht, dann nämlich, wenn die Regel tatsächlich andere Wirkungen i n der Gesellschaft hervorruft als der Gesetzgeber m i t i h r beabsichtigte. Diese Möglichkeit der Diskrepanz zwischen Absicht des Gesetzgebers u n d der objektiven W i r k u n g teilt die F u n k t i o n m i t der (durch die objektive Interpretationsmethode feststellbaren) ratio legis. Von i h r unterscheidet sie sich dadurch, daß sie zwar selbst dem normativen Bereich angehört 1 4 , die empirische Feststellung der F u n k t i o n sich jedoch unter Anwendung soziologischer Methoden ergibt. A u s d e r gegebenen B e g r i f f s b e s t i m m u n g ist ersichtlich, daß die F u n k t i o n eine R e l a t i o n zwischen Rechtsregel u n d r e c h t l i c h g e o r d n e t e m G e sellschaftszustand ist. Das bedeutet, daß sich b e i k o n s t a n t e r Rechtsregel d i e F u n k t i o n m i t Ä n d e r u n g des r e c h t l i c h g e o r d n e t e n Gesellschaftszustan12
Vgl. dazu oben § 2, A n m . 1 a. Von der damals erfolgten revolutionären Umgestaltung fast der gesamten Rechtsordnung werde einmal abgesehen. Modellhaft werde angenommen, alle Regeln der gegebenen Rechtsordnung, die m i t der neu eingeführten Regel nicht i n Widerspruch stehen, seien invariant. Zur Problematik einer solchen „ceteris paribus-Klausel" vgl. jedoch E. Topitsch, Sprachlogische Probleme der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung, S. 26; C. G. Hempel, Typologie Methoden i n den Sozialwissenschaften, S. 96; E. Grunberg, Notes on the Verifiability of Economic Laws, S. 141 ff.; T. W. Hutchinson, Theoretische Ökonomie als Sprachsystem, S. 278 ff. E i n Ansatz zur korrekten Formulierung von I n v a r i a n zen findet sich bei J. S. Duesenberry, Methods of testing aggregate hypotheses, S. 151 f. 14 Dieser Satz k a n n hier nicht weiter begründet werden. Dazu sind A u s führungen erforderlich, die zur allgemeinen Rechtstheorie gehören. Die Begründung ergibt sich daraus, daß die F u n k t i o n — logisch gesehen — als K o r relator einer A b b i l d u n g aus einer Klasse von Rechtsregeln i n eine Klasse von Rechtsregeln darstellbar ist. 13
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Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes 15
des ä n d e r t . E i n e gegebene Rechtsregel v e r m a g also verschiedene F u n k t i o n e n z u haben, u n d z w a r d a n n , w e n n sich d e r Gesellschaftszustand z e i t l i c h ä n d e r t oder w e n n d i e Rechtsregel a u f w e i t e r e M a n n i g f a l t i g k e i t s bereiche a n g e w a n d t w i r d . Ä n d e r t sich d e r r e c h t l i c h g e o r d n e t e Z u s t a n d der Gesellschaft n i c h t , besteht d i e F u n k t i o n einer Rechtsregel d a r i n , d e n bestehenden r e c h t l i c h g e o r d n e t e n Gesellschaftszustand z u s t a b i l i s i e r e n . Das i s t d i e B e g r ü n d u n g f ü r d i e o f t h e r v o r g e h o b e n e k o n s e r v a t i v e R o l l e einer Rechtsordnung 16. E i n Beispiel f ü r einen (partiellen) Funktionswandel infolge Zustandsänderung bieten die unterschiedlichen Folgen der seit 1918 nahezu unverändert geltenden Arbeitszeitbestimmungen 1 7 . Z u r Zeit des Erlasses der noch heute gültigen Fassung — 1938 —, als der Zustand der Vollbeschäftigung infolge der planwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung bestand, w a r die beabsichtigte Folge der Bestimmung, daß Arbeitgeber nicht i n der Lage waren, bei hoheitlich geregelten Löhnen ausschließlich oder vorwiegend Arbeitnehmer zu beschäftigen, die bereit waren, übermäßig lange zu arbeiten. Heute, i m Zustand m a r k t w i r t schaftlich erreichter Vollbeschäftigung, ist eine zwar nicht beabsichtigte, aber volkswirtschaftlich bedeutsame Folge, daß die aus verschiedenen Gründen erstrebten Überstunden der Arbeitnehmer oft nicht regulär i m Betrieb der Hauptbeschäftigung, sondern „schwarz" bei privaten Arbeitgebern geleistet werden18. E i n Beispiel f ü r einen Funktionswandel infolge Anwendung einer N o r m auf einen weiteren Mannigfaltigkeitsbereich ist die Anwendung des A r t . 3 GG i m Arbeitsrecht. D i e F u n k t i o n e i n e r gegebenen Rechtsregel ist d u r c h empirische U n t e r suchungen ü b e r die b e i d e n r e c h t l i c h g e o r d n e t e n Gesellschaftszustände, die i n e i n a n d e r t r a n s f o r m i e r t w e r d e n , festzustellen. Diese U n t e r s u c h u n g g e h ö r t m e t h o d i s c h z u r Rechtssoziologie. D a b e i ist z u beachten, daß d i e R e l a t i o n zwischen Rechtsregel u n d r e c h t l i c h g e o r d n e t e m Gesellschaftszustand, als d i e sich die F u n k t i o n d a r s t e l l t , auch b e i k o n s t a n t e m r e c h t l i c h 15 Die hier vorliegende Problematik bedürfte einer eingehenden Erörterung unter Einbeziehung der Rechtstheorie u n d der Rechtssoziologie. Vgl. dazu D. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 204; P. Lerche, Stil, Methode, Ansicht, S. 696, A n m . 59; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 141 f.; W. Krawietz, a.a.O., S. 76 ff. 16 I n diesem F a l l sind die Klassen, die — logisch gesehen — durch die F u n k t i o n korreliert werden, identisch. 17 Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter v o m 23.11.1918 — R G B l S. 1334 — ; V O über die Arbeitszeit v o m 14. 4.1927 — R G B l I S. 110 — ; Arbeitszeitordnung v o m 26. 7.1934 — R G B l S. 804 — ; Arbeitszeitordnung v o m 30. 4.1938 — R G B l I S. 447 —. 18 Diese unbeabsichtigte F u n k t i o n der Arbeitszeitbestimmungen dürfte einem nicht unerheblichen Prozentsatz von Eigenheimerwerbern mittlerer u n d unterer Einkommensschichten den Erwerb überhaupt erst möglich gemacht haben. A l l e i n diese F u n k t i o n ermöglicht auch nicht unerheblichen Teilen der Bevölkerung eine Versorgung m i t handwerklichen Dienstleistungen, die sonst infolge der Zusammenwirkung der Vollbeschäftigung u n d der marktstörenden Funktionen der Handwerksordnung nicht oder zu sozial tragbaren Kosten nicht möglich wäre.
§ 26 Der Ausdruck „ F u n k t i o n einer Rechtsregel"
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g e o r d n e t e m Gesellschaftszustand n i c h t n o t w e n d i g e i n d e u t i g d u r c h die Regel b e s t i m m t ist. Dies n ä m l i c h d a n n n i c h t , w e n n 1. d i e Rechtsregel k e i n e n semantischen G e h a l t h a t , die r e c h t s a n w e n d e n d e n O r g a n e aber a n n e h m e n , er h ä t t e einen; 2. w e n n der G e h a l t n i c h t e i n d e u t i g f e s t l i e g t u n d die r e c h t s a n w e n d e n d e n O r g a n e d e n G e h a l t d u r c h I n t e r p r e t a t i o n festl e g e n oder 3. w e n n der G e h a l t z w a r e i n d e u t i g ist, die r e c h t s a n w e n d e n d e n O r g a n e diesen G e h a l t jedoch d u r c h I n t e r p r e t a t i o n ändern. I s t die F u n k t i o n e i n e r Rechtsregel e m p i r i s c h festgestellt, so l ä ß t sich, b e i h i n r e i c h e n d e r K o r r e k t h e i t der Beschreibung, d i e Rechtsregel aus der F u n k t i o n erschließen. Diese Möglichkeit ist i m Falle des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes von besonderem Interesse, da hier der erste F a l l der Diskrepanz zwischen F u n k t i o n u n d Gehalt vorliegt. Der durch Satz 11.5 festgelegte pragmatische Gehalt ist eine Regel, die rechtsanwendenden Organen gestattet, den zur E n t scheidung des Einzelfalls erforderlichen semantischen Gehalt zu finden. Dieser erforderliche semantische Gehalt ist jedoch durch den pragmatischen Gehalt i n Zusammenhang m i t dem zu entscheidenden Einzelfall noch nicht eindeutig festgelegt. Die bisher entwickelten K r i t e r i e n sind als Versuche aufzufassen, diesen Findungsprozeß zu rationalisieren, d. h. einer intersubjektiv überprüfbaren Argumentation zugänglich zu machen. V o n der F r a g e der F e s t s t e l l u n g d e r F u n k t i o n ist die nach d e r B e w e r t u n g d e r F u n k t i o n z u t r e n n e n . Diese z w e i t e F r a g e i s t besonders i n d e n oben a n g e f ü h r t e n F ä l l e n der D i s k r e p a n z zwischen G e h a l t u n d F u n k t i o n w i c h t i g . D a die F u n k t i o n i n diesen F ä l l e n w e n i g e r ( p o s i t i v r e c h t l i c h s a n k t i o n i e r t e ) R e g e l als F a k t u m ist, s t e l l t sich die F r a g e nach d e r Berecht i g u n g des F a k t u m s . M a n nehmen ζ. B. an, der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz hätte heute die Funktion, eine Chancengleichheit herzustellen. Dies würde bedeuten, daß (mindestens) Gerichtsurteile feststellbar sind, die n u r dadurch erklärbar sind, daß sie eine Rechtsregel als geltend voraussetzen, der diese F u n k t i o n zukommt. Da der Gleichheitssatz keinen semantischen Gehalt hat u n d der pragmatische Gehalt 11.5 die Frage nicht allein zu entscheiden gestattet, ob A r t . 3 GG eine solche F u n k t i o n zukommt, ist diese Rechtsregel m i t der F u n k t i o n der H e r stellung der Chancengleichheit durch A r t . 3 GG nicht zwingend positivrechtlich angeordnet. Sie ist dann vielmehr von den rechtsanwendenden Organen interpretativ (d.h. m i t nicht zwingender Begründung) oder autoritativ (d.h. ohne versuchte Begründung) eingeführt. Dann stellt sich die Frage, ob diese Rechtsregel, die faktisch gilt, auch gelten soll 1 9 . 19 Bei Beachtung semantischer Regeln ist es nicht widersprüchlich, von einer geltenden Rechtsregel als F a k t u m zu sprechen. Vgl. dazu K . R. Popper, Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, 1. Bd., S. 315; G. H. v. Wright , N o r m and Action, S. 106. Der Satz (1) „ W e n n p, soll q" sei eine objektsprachlich formulierte Rechtsregel. Der Satz (2) „Die Rechtsregel ,Wenn p, soll q' ist rechtens", der die Geltung der durch Satz (1) ausgedrückten Regel ausdrückt, ist dann ein metasprachlich formulierter Aussagesatz. Der Satz (3) „Es ist gerecht, daß der Satz (1) rechtens ist" ist ein i n einer Metasprache 2. Stufe formulierter (nichtrecht-
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Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes § 27 D i e politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: Konstituierung der Demokratie
Die ursprüngliche Funktion eines verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist i n der Präambel der Constitution française vom 3. September 1791 folgendermaßen formuliert worden: L'Assemblée n a t i o n a l e . . . abolit irrévocablement les institutions, q u i blessaient la liberté et l'égalité des droits. I l n ' y a plus n i noblesse, n i pairie, n i distinctions héréditaires, n i distinction d'ordres, n i régime féodal, n i justices patrimoniales, n i aucun des titres, dénominations et prérogatives q u i en dérivaient, n i aucun ordre de chevalerie, n i aucune des corporations ou décorations, pour lesquelles on exigeait des preuves de noblesse, ou q u i supposaient des distinctions de naissance, n i aucune autre supérorité, que celle des fonctionnaires publics dans l'exercice de leurs fonctions. I l n'y a plus n i vénalité, n i hérédité d'aucun office public. I l n ' y a plus pour aucune partie de la nation, n i pour aucun i n d i v i d u aucun privilège n i exception au droit commun de tous les Français 1 .
Es war nicht zu erwarten, daß eine solche Proklamation, wäre sie auch unmittelbar normativ interpretierbar, einen politischen Gesellschaftszustand herbeizuführen i n der Lage war, der dem Gleichheitssatz entsprach 2 . Außer geschichtlichen Gründen — etwa dem Widerstand der
licher) Sollsatz, da er auch so formuliert werden k a n n (3)* „Satz (1) soll rechtens sein". I n dieser Metasprache 2. Stufe sind die Diskussionen rechtspolitischer, moralischer oder naturrechtlicher A r t zu führen. Solche Diskussionen werden i n der vorliegenden Untersuchung zur Metatheorie über einer positiven Rechtsordnung gerechnet. Diese Theorie ist ein Teil der Rechtstheorie i m Sinne Viehwegs. Vgl. dazu K. Menger, Moral, W i l l e u n d Weltgestaltung, S. 141; Th. Viehweg, Uber den Zusammenhang zwischen Rechtsphilosophie, Rechtstheorie u n d Rechtsdogmatik, passim; Ν. Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung, S. 90 A n m . 18. Vgl. dazu unten §§ 28, 30, 32. Z u r logischen Seite des Problems vgl. O. W einher g er, Was fordert m a n von der Sollsatzlogik?, S. 293 (I F 13). 1 Eine frühe m i t dem Gleichheitsgedanken begründete K r i t i k am Privilegium fori der Kleriker, die dieses als praeter omnem aequitatis rationem v e r w i r f t , findet sich i m K a p i t e l 21 der Gravamina des Reichstages von Nürnberg 1522: Sacri romani I m p e r i i P r i n c i p u m ac Procerum Gravamina centum. ( 3 1 ) . . . ex disparitate hac, inter Laicos ac Ecclesiasticos, simultates, dissidua, atque odia plusquam vatiniana oriantur. ( 3 2 ) . . . si personae ecclesiasticae... non aequa iura, iudices aequos, paresque poenas habeant, . . . commotura excitaturaque sit (33). Quapropter necessitates aequitasque ipsa sibi postulant, u t ecclesiaticarum praedicta praesumpta privilegia a b r o g a n t u r . . . ac . . . statuatur, quod o r d i n a t i . . . una cum personis laici, aequa habeant iura, aequos iudices, paresque poenas, ita quod Ecclesiatici u l t r a Laicos, iis paribus delictis, n u l l a m praetendere possint praerogativum . . . sed u t quisque delinquentium Ecclesiast i c o r u m . . . secundum delicti qualitatem ac mensuram . . . poena a iure communi I m p e r i i imposita delicto comensurataque... sit atque debeat. Z i t i e r t nach E. Münch, Vollständige Sammlung aller älteren u n d neueren K o n k o r date, 1. Bd., Leipzig 1830, S. 362. Hervorhebungen v o m Verfasser. 2 Vgl. dazu L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 1. Bd., S. 447 ff.
§ 27 Die politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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d u r c h diese E n t w i c k l u n g b e n a c h t e i l i g t e n p o l i t i s c h e n G r u p p e n — g i b t es h i e r f ü r e i n e n systematischen G r u n d 3 . D i e sich i n d e r z i t i e r t e n P r ä a m b e l v o m 2. S e p t e m b e r 1791 a n d e u t e n d e F u n k t i o n des Gleichheitssatzes i s t eine n e g a t i v e F u n k t i o n , d i e i m A n schluß a n E. Sieyès auch als entprivilegisierende F u n k t i o n z u bezeichnen ist. E i n e solche n e g a t i v e F u n k t i o n , d i e bestehende O r d n u n g e n a u f h e b t , v e r m a g e i n e n n e u e n Gesellschaftszustand n i c h t z u b e s t i m m e n . N a c h der B e g r i f f s b e s t i m m u n g 1.3 b e d e u t e t R e g e l u n g Ausschluß a n sich m ö g l i c h e r Verhaltensweisen. A l l e i n durch A u f h e b u n g v o n Verhaltensbeschränkung e n i s t d a h e r k e i n e neue O r d n u n g z u b e s t i m m e n , z u m i n d e s t d a n n n i c h t , w e n n d i e E f f e k t i v i t ä t der Rechte V e r f a h r e n b e d i n g t 4 . W i e J. v. Kempski d a r g e l e g t h a t , g i b t es n u r eine R e c h t s o r d n u n g , die k e i n e U n g l e i c h h e i t i m p l i z i e r t 5 . Diese R e c h t s o r d n u n g v o n n o t w e n d i g m ö g l i c h e r G e l t u n g i s t aber n i c h t h i n r e i c h e n d b e s t i m m t genug, u m das Z u s a m m e n l e b e n eines h i s t o r i s c h - k o n t i n g e n t e n G e m e i n w e s e n s e f f e k t i v z u regeln. S o l l also e i n gegebener Z u s t a n d , v o n d e m ausgesagt sei, er w i d e r s p r e c h e d e m G l e i c h heitssatz 6 , i n e i n e n Z u s t a n d ü b e r f ü h r t w e r d e n , v o n d e m ausgesagt ist, er w i d e r s p r e c h e d e m Gleichheitssatz n i c h t , so k a n n das n u r bedeuten, daß e i n Z u s t a n d ausgezeichnet w e r d e n soll, der v e r g l i c h e n m i t e i n e m ge3 Die folgenden Ausführungen gelten nicht für den Fall, w e n n n u r einzelne Verhaltensbeschränkungen aufgehoben werden u n d die S t r u k t u r der Ordnung aufrecht erhalten bleibt. Eine Struktur einer Rechtsordnung bleibe dabei dann aufrecht erhalten, w e n n 1. sie nach der Aufhebung von Beschränkungen noch eine (positive oder negative) Regelung der Fälle enthält, die bisher der Beschränkung unterlagen, u n d 2. die bestehen gebliebenen Verfahren i n der Lage sind, den bestehen gebliebenen Regelungen Effektivität zu beschaffen. Besteht ζ. B. die Beschränkung, daß Juden die persönliche Ausübung der Polizeigewalt nicht gestattet ist oder daß von ihnen vorgenommene bergrechtliche Mutungen wirkungslos sind, so hat die Aufhebung die alleinige W i r kung, daß solche Rechtshandlungen zulässig u n d effektiv sind. Vgl. dazu L. v. Rönne, H. Simon, Die früheren u n d gegenwärtigen Verhältnisse der Juden i n den sämmtlichen Landesteilen des Preußischen Staates, Breslau 1843, S. 277 ff. Bestehen hingegen ausschließlich ständische Gerichtsstände m i t wenigstens teilweise unterschiedlichen Verfahrensordnungen, so bleibt die S t r u k t u r dieser Ordnung nicht erhalten, w e n n Ungleichheiten implizierende Regelungen aufgehoben werden. Entgegen teilweise gehegten Befürchtungen blieb nach dem 31. 3.1953 die S t r u k t u r des bundesrepublikanischen Familienrechts auch unter dem gemäß A r t . 117 Abs. 1 GG inkrafttretenden A r t . 3 Abs. 2 GG erhalten. 4 Dieser Satz ist eine spezielle Fassung des allgemeinen informationstheoretischen Satzes, nach dem sich Ordnung eines geregelten Systems u n d Gehalt der das System definierenden Regeln entsprechen. Vgl. dazu H. Frank, Z u r Mathematisierbarkeit des Ordnungsbegriffs, S. 40; H. Stachowiak, Denken u n d E r kennen i m kybernetischen Modell, S. 190 f. Sehr plastisch hat den aus der Geltung dieses Satzes folgende Zustand, w e n n auch hauptsächlich für den Bereich des Privatrechts, beschrieben L. von Stein, a.a.O., 1. Bd., S. 419 f. 5 J. v. Kempski, Naturrecht u n d Völkerrecht, S. 10; ders., Grundlegung zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 31 f.; vgl. dazu unten § 39. 6 Es ist natürlich nicht korrekt zu sagen, ein Zustand Ζ widerspreche der Rechtsregel R. K o r r e k t müßte es heißen, der Ζ ausdrückende Satz 3 s e i m i t dem R ausdrückenden Rechtssatz 9Ί unvereinbar. Der flüssigen Darstellung wegen werde oben i m Text die informelle Ausdrucksweise beibehalten.
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Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
schichtlich variablen Maßstab d e m Gleichheitssatz n i c h t w i d e r s p r i c h t . D e n k t m a n sich n ä m l i c h die m ö g l i c h e n Z u s t ä n d e zwischen d e m d u r c h eine gegebene R e c h t s o r d n u n g g e r e g e l t e n Z u s t a n d u n d d e m d u r c h d i e Rechtsordnung v o n n o t w e n d i g möglicher Geltung geregelten Zustand nach i h r e r Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m Gleichheitssatz g e o r d n e t 7 , so defin i e r e n diese b e i d e n R e c h t s o r d n u n g e n eine offene K l a s s e 8 m ö g l i c h e r Rechtsordnungen. V o n d e n diese Klasse b i l d e n d e n R e c h t s o r d n u n g e n l ä ß t sich zeigen, daß k e i n e v o n i h n e n h i n s i c h t l i c h des Gleichheitssatzes ausgezeichnet ist. D a d e r Gleichheitssatz k e i n i n h a l t l i c h e s K r i t e r i u m e n t h ä l t , ist es n i c h t m ö g l i c h , m i t seiner H i l f e aus der o f f e n e n Klasse m ö g l i c h e r R e c h t s o r d n u n g e n eine R e c h t s o r d n u n g auszuzeichen. D i e S c h w i e r i g k e i t , v o r der eine L e g i s l a t i v e steht, w e n n sie eine R e c h t s o r d n u n g u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t d e r verfassungsrechtlichen G l e i c h h e i t auszeichnet u n d diese A u s z e i c h n u n g b e g r ü n d e n soll, g e h t sehr d e u t l i c h h e r v o r aus d e m B e r i c h t des Verfassungsausschusses z u d e m E n t w u r f des Reichsgesetzes ü b e r die W a h l e n d e r A b g e o r d n e t e n z u m V o l k s h a u s e v o m F e b r u ar 1849: „ W e n n Geschlecht u n d A l t e r auch heute zu Tage noch allgemein für n o t wendige Gründe der Unterscheidung gelten, so zweifelten bis vor kurzem wenige, daß Stand u n d Beruf, Besitz und Vermögen eben sowohl begründete Verschiedenheiten bedingten, daß namentlich die Teilnahme am politischen Leben nicht jedem Erdgeborenen i n gleichem Umfang zustehen könne. N i e mand w i r d leugnen, daß v i e l W i l l k ü r und ungerechte Beschränkung sich unter diesen Formen verbarg, daß die Unterscheidungen, die man i m Leben machte, häufig einen zufälligen und mechanischen Charakter trugen. Die Grundsätze aber, auf denen sie beruhten, waren doch tief i n der N a t u r menschlicher Dinge begründet, und wie v i e l auch i m Laufe der Zeiten daran gerüttelt u n d davon verwischt werden mag, sie ganz zu vernichten w i r d keiner Zeit gelingen. Den Besitzenden u n d Besitzlosen, den selbständig Wirkenden u n d den Gehilfen oder Diener w i r d man nie vollständig gleichstellen, man w i r d sie f ü r die Verhältnisse des öffentlichen Lebens ebensowenig gleichbehandeln können, wie i m Hause, wo sie zusammen wohnen, i n der Gemeinde, w o sie nebeneinander stehen, wo aber Lasten u n d Pflichten verschieden sind 9 . 7 Nicht erforderlich ist f ü r die Schlüssigkeit der folgenden Argumentation, daß eine alle Rechtsordnungen als Glieder dieser offenen Klasse ordnende Beziehung derart gegeben ist, daß von allen (praktisch unendlich vielen) Rechtsordnungen entschieden werden kann, sie entsprächen dem Gleichheitssatz mehr oder weniger als eine beliebige andere Rechtsordnung dieser Klasse. Es werde also zugelassen, daß von zwei oder mehr Rechtsordnungen nicht entscheidbar ist, welche von ihnen dem Gleichheitssatz mehr oder weniger entspricht. 8 Entsprechend dem Terminus „offene Menge", der i n der Mathematik dann verwendet w i r d , w e n n zu einer gegebenen Menge keiner ihrer Randpunkte gehört, werde von einer „offenen Klasse" dann gesprochen, w e n n die Glieder der Klasse (wenigstens teilweise) geordnet sind (vgl. die vorige Anm.) u n d die Randglieder, die die Klasse bestimmen, nicht zu der Klasse gehören. Zur Begriffsbildung vgl. H. Hermes, Einführung i n die Verbandstheorie, S. 124. 9 Wigard, 7. Bd., S. 5222. Ä h n l i c h der Abg. O. H. L. v. Plathner aus Halber-
§ 27 Die politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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Das P r o b l e m , welche G r ü n d e f ü r eine U n g l e i c h b e h a n d l u n g zugelassen w e r d e n , ist d a h e r n u r d u r c h Entscheidung zu lösen10. Wie kontingent historische Entscheidungen i n diesem Bereich ausfallen können, zeigt der Umstand, daß die französische Nationalversammlung zwar den zugelassenen nichtkatholischen Konfessionen 1 1 , den jüdischen 1 2 u n d den farbigen B ü r g e r n 1 3 die Gleichberechtigung brachte, daß aber die Nichtbeteiligung der Frauen an den politischen Rechten für so selbstverständlich gehalten w u r de, daß dieser Umstand i n den Verfassungs- und Gesetzestexten der französischen Revolution u n d des 19. Jahrhunderts keinen Ausdruck f a n d 1 4 . A u s d e m v o r a n g e h e n d e n f o l g t , daß der Gleichheitssatz i n seiner p o l i t i schen F u n k t i o n k e i n e n e i n d e u t i g e n Z u s t a n d definiert. W e r sich i n e i n e m gegebenen gesellschaftlichen Z u s t a n d auf d e n Gleichheitssatz b e r u f t , v e r l a n g t e i n Mehr a n G l e i c h h e i t , w o b e i sich dieses M e h r m e i s t i n k o n k r e t e n F o r d e r u n g e n zeigt. M a n k a n n d a h e r sagen, daß der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz i n seiner p o l i t i s c h e n F u n k t i o n e i n M a x i m i e r u n g s p r o g r a m m f o r m u l i e r t 1 5 ' 1 6 . Dies l ä ß t sich f o l g e n d e r m a ß e n ausdrücken: Stadt i n der 173. Sitzung (ebd., S. 5311). Z u m Thema ,Frau' vgl. die Rede des Abg. Fr. E. Scheller aus Frankfurt/O. i n der 174. Sitzung (ebd., S. 5329). 10 Das schließt nicht aus, daß bereits i m 19. Jahrhundert dem Gleichheitssatz gesetzesderogierende u n d den Gesetzgeber bindende W i r k u n g zugeschrieben wurde. Vgl. dazu R. v. Mohl, Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, 1. Bd., S. 337; L. v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 2. Bd., S. 263. v. Rönne hat dabei offensichtlich Fälle i m Auge, wie sie oben A n m . 3 angeführt wurden. 11 Décret concernant les non-catholiques v o m 24.12.1789. 1. Les noncatholiques, q u i auront d'ailleurs r e m p l i toutes les conditions presscrites dans les précédens décrets de l'Assamblée nationale, pour être électeurs et éligibles d'administration, sans exceptions. 2. Les non-catholiques sont capable des tous les emplois civiles et militaires, comme les autres citoyens. Arnoult, 1. Bd., S. 372. 12 Vgl. die Dekrete v o m 28.1.1790 (Arnoult , 1. Bd., S. 372), 20. 7.1790 (ebd., S. 375), 27. 9.1791 (ebd., S. 381). 13 Décret concernant les hommes de couleur résident en France v o m 28. 9. 1791.1. Tout i n d i v i d u est libre aussitôt q u ' i l est entré en France. 2. Tout homme, de quelque couleur q u ' i l soit, j o u i t en France de tous les droits de citoyen, s'il a les qualités prescites par la Constitution pour les exercer. Arnoult , 1. Bd., S. 382. 14 Noch 1849 hielt man es nicht für erforderlich, dem Satz „Wähler ist jeder selbständige, unbescholtene Deutsche" eine Einschränkung hinzuzufügen, u m die Bedeutung zu erhalten „Wähler ist (nur) jeder männliche Wähler, d e r . . . " . Vgl. dazu die Rede des Abg. Fr. Edlauer aus Graz i n der 170. Sitzung (Wigard, 7. Bd., S. 5236). Z u m ersten M a l ist das politische Stimmrecht der Frauen w o h l i n Neu-Seeland durch den Electoral Act von 1893 verliehen worden. Vgl. dazu F. R. Dareste, Les Constitutions modernes, 5. Bd., S. 289. 15 Zur Maximierungstendenz des Gleichheitssatzes vgl. G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 25 ; K. Hesse, Der Gleichheitssatz i m Staatsrecht, S. 167; M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 11. 16 Die Entwicklung der sich auf das Prinzip der Demokratie berufenden studentischen Forderungen zur Hochschulreform bietet umfangreiches A n schauungsmaterial dieser dem Demokratiegedanken innewohnenden Tendenz. Z u r Beurteilung dieser Forderung — auf die hier nicht eingegangen werden kann — sei darauf hingewiesen, daß entsprechend den Ausführungen unten i n
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Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
27.1 Die politische Funktion
des Gleichheitssatzes
Der Gleichheitssatz hat die Funktion, einen Zustand der Gesellschaft herbeizuführen oder zu erhalten, i n dem die Klasse der Beteiligten am formalen Prozeß der Staatswillensbildung ein Maximum darstellt. Erläuterung I n der Durchführung dieses Maximierungsprogramms w u r d e n i m Laufe des 19. u n d 20. Jahrhunderts die Einschränkungen der Klasse der Wahlberechtigten durch einen Zensus, durch das Erfordernis der Selbständigkeit, das Erfordernis, keinem Konkursverfahren unterworfen zu sein, u n d des reinen M ä n nerwahlrechts fallen gelassen 17 . Unter der Geltung des Grundgesetzes hat der Gleichheitssatz i n der politischen F u n k t i o n n u r noch die Bedeutung, indirekte Beeinträchtigungen zu beseitigen 1 8 .
Gelegentlich ist der allgemeine Gleichheitssatz i n einem Spannungsfeld zwischen demokratischem Prinzip und rechtsstaatlichem Prinzip gesehen worden 1 9 . Zwar besteht zwischen beiden genannten Prinzipien ein Spannungsfeld 20 . Die Bedeutung des Gleichheitssatzes ist für beide Prinzipien jedoch so unterschiedlich, daß er schlecht i n diesem Spannungsfeld angesiedelt werden kann. Seine Bedeutung für das demokratische Prinzip beschränkt sich darin, die durch Satz 27.1 bezeichnete Funktion zu haben. Die wenigstens teilweise Verwirklichung dieser Funktion konstituiert die Demokratie. Eine rechtsstaatliche Bedeutung kann dem Gleichheitssatz nur zukommen, wenn innerhalb eines konstituierten (demokratischen) Gemeinwesens ein Mehrheitsbeschluß eines Entscheidungsgremiums kein hinreichendes K r i t e r i u m der Gültigkeit des Beschlusses ist 2 1 . Diese mögliche Bedeutung des Gleichheitssatzes für das rechtsstaatliche Prinzip liegt i n seiner durch Satz 31.1 beschriebenen bürokratischen Funktion. Werden Entscheidungen eines demokratisch §§ 30 bis 32 das Prinzip der Demokratie keinen Wert an sich darstellt, sondern heute i n der formalen bürokratischen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes aufgeht. Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Gliedern der Hochschulen sind nach Satz 30.1 u n d 31.3 zu diskutieren u n d möglicherweise zu begründen. Wo diese Aufgabe allerdings nicht zu leisten ist, müssen u n d werden rechtliche Ungleichheiten fallen. Vgl. zu dem Problem H. Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als W i l l k ü r v e r b o t oder als Gebot der Chancengleichheit, S. 102. 17 Z u r Geschichte dieses Vorgangs vgl. A. Silbernagel, Die Gleichheit vor dem Gesetz u n d die bundesrechtliche Praxis, S. 90 ff.; H. J. Rinck, Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit u n d das Bonner Grundgesetz, S. 221 f. 18 Vgl. dazu BVerfGE 8, 51 (69). 19 So ζ. Β . Κ. v. Marschall, Der allgemeine Gleichheitssatz i m Spannungsfeld zwischen demokratischem u n d rechtsstaatlichem Prinzip, S. 84 f. 20 Diese Spannung ist bereits i m alten Griechenland bemerkt worden. Vgl. dazu die oben § 8 A n m . 10 gegebenen Nachweise. 21 Die dieser rechtsstaatlichen Bedeutung des Gleichheitssatzes zugrundeliegende Problematik hat kritisch beleuchtet C. Schmitt, Legalität u n d L e g i t i mität, S. 274 ff., 283 ff.
§ 28 Diskussion der politischen F u n k t i o n
173
konstituierten Entscheidungsgremiums aus rechtsstaatlichen Gründen für unwirksam erklärt, werden die Wähler der Mitglieder des Gremiums nicht ungleich behandelt. Dies würde nur für den i n der Bundesrepublik verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Fall eines an A r t . 3 GG zu überprüfenden Volksentscheides möglich sein. Betrifft die politische Funktion des Gleichheitssatzes, wie durch Satz 27.1 vorausgesetzt, den formalen Prozeß der Staatswillensbildung, d. h. den Prozeß der Auswahl der Mitglieder von Entscheidungsgremien, so w i r d durch eine rechtsstaatliche Überprüfung von Beschlüssen solcher Gremien i n den durch den Gleichheitssatz geregelten Konstitutionsmechanismus dieser Gremien nicht eingegriffen. § 28 Diskussion der politischen F u n k t i o n
Die Diskussion der Funktionen des Gleichheitssatzes soll nicht i n dem Nachweis bestehen, daß die geltende Rechtsordnung durch diese Funktionen strukturiert ist. Vielmehr soll diskutiert werden, ob sich diese Funktionen und damit die von ihnen abhängige Rechtsordnung selbst begründen lassen. Das bedeutet, daß die Diskussion der Funktionen des Gleichheitssatzes metatheoretisch erfolgt 1 . Nun w i r d allerdings wohl niemand erwarten, daß die Diskussion der politischen Funktion die Frage beantwortet, ob die Demokratie die beste Staatsform ist, und wenn ja, warum 2 . Diese Frage ist aus mehreren Gründen nicht entscheidungsfähig. Vielmehr werde die Frage diskutiert, wodurch die Gesellschaftsordnung ausgezeichnet ist, die nach der ersten Funktion des Gleichheitssatzes strukturiert ist. Dabei werde die Antwort als These vorweggenommen: 28.1 Der Begründungszusammenhang, der einen demokratisch, d. h. entsprechend der politischen Funktion des Gleichheitssatzes geordneten Gesellschaftszustand zu begründen i n der Lage ist 3 , ist der1
Vgl. dazu H. N. Castaneda, Imperatives, Decisions and "Oughts", S. 279 f. Eine fehlerhafte U m k e h r u n g der Begründungsrichtung liegt vor, w e n n ζ. Β . K. Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 195, die jeweils herrschende Uberzeugung v o m entscheidenden Gleichheitsgesichtspunkt als Ausdruck einer Gerechtigkeitsvorstellung auffaßt. E r übersieht dabei die rein ideologische F u n k t i o n solcher Gerechtigkeitsvorstellungen. Z u leicht w i r d die eigene Ansicht v o m entscheidenden Gleichheitsgesichtspunkt m i t der gerechten Ordnung identifiziert. Dies mag einmal der Besitz, ein andermal die Nation (Sprache, Religion), ein drittes M a l die (marxistisch aufgefaßte) Klasse u n d schließlich auch die (germanische oder weiße oder malayische) Rasse sein. Die Frage, w a r u m der eine Gesichtspunkt gerechter als ein anderer sei, ist aber i n dieser F o r m keine entscheidbare Frage. Gerechtigkeitsvorstellungen sind als Prämissen f ü r Begründungen nicht geeignet, sondern vielmehr einer E r k l ä r u n g bedürftig. 3 Einen rationalen Begründungszusammenhang formulieren z. B. J. M. Buchanan, G. Tullock, The Calculus of Consent. Logical Foundations of Const i t u t i o n a l Democracy, passim. 2
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Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
j e n i g e , der sich e r g i b t , w e n n a l l e a n d e r e n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n hänge wegen fehlender allgemeiner Überzeugungskraft ihre Begründungsfunktion verloren haben4. E i n e d e m o k r a t i s c h e Gesellschaftstheorie k a n n also als das E r g e b n i s eines Reduktionsprozesses v e r s t a n d e n w e r d e n , d e r U n g l e i c h h e i t s b e g r ü n d u n g e n u n g l a u b w ü r d i g w e r d e n l ä ß t 5 » 6 . Z u r B e g r ü n d u n g w e r d e Satz 28.1 a b s t r a k t e r gefaßt u n d i n dieser a b s t r a k t e n F o r m b e g r ü n d e t : 28.2 E i n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g , d e r e i n e n nach d e r p o l i t i s c h e n F u n k t i o n des Gleichheitssatzes g e o r d n e t e n Gesellschaftszustand z u b e g r ü n d e n i n der L a g e ist, i m p l i z i e r t i m m e r g e h a l t s ä r m e r e V o r aussetzungen als B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h ä n g e , die andere Gesellschaftszustände z u b e g r ü n d e n i n der L a g e s i n d 7 . 4 So auch H. Kelsen, V o m Wesen und Wert der Demokratie, S. 101; ders., Sozialismus u n d Staat, S. 160 ff.; ders., Was ist Gerechtigkeit?, S. 16 ff. Vgl. dazu auch I. Sundbom, Über das Gleichheitsprinzip als politisches u n d ökonomisches Problem, S. 11 ff. A. A. H. C. Nipper dey, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, S. 871. I n diesen Zusammenhang gehört auch, daß die Geltung des Satzes „Die Freiheit ist das Recht auf den I r r t u m " eine notwendige Bedingung einer demokratischen Ordnung ist. Vgl. dazu J. Freund, Die Demokratie und das Politische, S. 270. Ä h n l i c h G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 144 f.; ders., Die Auflösung der liberalen Demokratie i n Deutschland u n d das autoritäre Staatsbild, S. 35. E i n Mißverständnis dieses Sachverhalts liegt h i n gegen vor, wenn Leibholz 1951 (!) der liberalen Demokratie eine „neue Rechtfertigung" durch die „Invocationes Dei" i n den Präambeln verschiedener V e r fassungen geben w i l l . So G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 252 A n m . 2. Die liberale Demokratie ist einer solchen Rechtfertigung prinzipiell unzugänglich. Sie ist i n diesem Sinn der „absolute Minus-Staat", u m einen Ausdruck von Novalis, Blütenstaub Nr. 107 a, i n : Deutsche Vergangenheit u n d deutscher Staat, Darmstadt 1964, S. 181, zu verwenden. 5 Vgl. dazu die Beispiele oben Erläuterung zu Satz 27.1. 6 Auch andere politische Forderungen als die Forderung nach rechtlicher Gleichheit lassen sich als Ergebnis eines solchen Reduktionsprozesses verstehen u n d unter Umständen begründen; so z. B. die Forderung nach der Selbstbestimmung der Völker. Die These „Jedes V o l k soll über sich selbst bestimmen" bleibt übrig, wenn alle anderen Thesen (wie z. B. „Das M u t t e r l a n d über die Kolonien, w e i l seine Bevölkerung k u l t u r e l l höherstehend ist", „Österreich über die anderen Völker der Habsburger-Monarchie, w e i l ein Monarch aus seiner Dynastie Träger der Kaiserkrone ist", „die Sowjet-Union über die Mitglieder der K o m i n t e r n oder des Kominform, w e i l seine Bevölkerung den entwickeltsten Stand des historischen Prozesses erreicht hat" — man vgl. als D u p l i k zur Begründung der Vorrangstellung der Sowjet-Union jetzt die BreschnjewD o k t r i n —) ihre Uberzeugungskraft verloren haben. Insofern hat m a n das Selbstbestimmungsrecht der Völker m i t dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Nationen i n Verbindung gebracht. Vgl. dazu G. Decker, Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Göttingen 1955, S. 232. Ähnlich H. Steiger, Z u r Begründung der Universalität des Völkerrechts, i n : Der Staat, 5 (1966), S. 428. I m Lichte dieser Überlegungen und des A r t . 2 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen wären A r t . 23 Nr. 1 und A r t . 27 Nr. 3 der Charta zu prüfen. 7 Vgl. dazu L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 3. Bd., S. 132 f. Eine institutionalisierte Demokratie erfüllt damit eines der Stabilitätskriterien, die H. Schelsky, Über die Stabilität von Institutionen, besonders Verfassungen, S. 285 ff., für zeitgenössische Institutionen aufgestellt hat, nämlich die Möglichkeit selbstkritisch-analytischer Kontrolle. Eine frühe
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Der Begründung seien noch einige Ausführungen vorausgeschickt. Satz 28.2 sagt aus, daß demokratische Rechtsordnungen zwar nicht voraussetzungslos, wohl aber immer voraussetzungsschwächer als beliebige andere Rechtsordnungen sind 8 . So impliziert ζ. B. ein Gesellschaftszustand, der nach dem aristokratischen Prinzip i m Sinne der Definition des Aristoteles geordnet ist 9 , (mindestens) folgende Voraussetzungen: (1) F ü r alle Gesellschaften, mindestens f ü r alle Gesellschaften, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, g i l t : Die Staatswillensbildung erfolgt i n einem Verfahren, das dadurch ausgezeichnet ist, daß die Klasse der Verfahrensbeteiligten die Klasse der Männer ist, die am tugendhaftesten (die am besten) sind. (2) Es gibt einen Maßstab, der die Entscheidung der Frage zuläßt, welche Personen zur Klasse der tugendhaftesten (besten) Männer gehören. (3) F ü r einen bestimmten Zeitpunkt sind Glieder dieser Klasse genau die Personen a, b, c , . . . etc.
Die Satzklasse dieser Voraussetzungen besteht aus einem generellen Satz (1), einem individuellen Satz (3) und dem Postulat eines K r i t e r i ums (2). Ein Prozeß der Staatswillensbildung, der an Zugehörigkeitsregeln für die Verfahrensbeteiligten geknüpft ist, kann formeller Prozeß der Staatswillensbildung genannt werden 1 0 . Es ließe sich nun nachweisen, daß erstens nur formelle Prozesse der Staatswillensbildung begründbar sind und daß zweitens alle Begründungszusammenhänge über formelle Staatswillensbildungsprozesse Sätze der angeführten Typen enthalten müssen, sollen sie schlüssig sein. Definitorisch werde daher festgelegt: 28.3 Ein Begründungszusammenhang zur Begründung eines bestimmten formellen Verfahrens der Staatswillensbildung ist jede Satzklasse, die folgenden Bedingungen genügt: 1. die Glieder der Satzklasse prätendieren, i n einem logischen oder sachlichen Zusammenhang zu stehen; 2. es gibt wenigstens j e einen Satz folgender Typen : Stelle zur Stabilität von demokratischen Gemeinwesen ist Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 12, §§ 6 ff. Z u weiteren Problemen vgl. J. v. Kempski, Philosophie der Politik, S. 98 ff. 8 Dieser Formulierung liegt die These zugrunde, daß es keine voraussetzungslose Rechtsordnung gibt, d. h. keine Rechtsordnung, die aufgrund einer leeren Prämissenklasse begründbar ist. Logisch problematisch sind daher Formulierungen w i e die von C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 22: „Was als politische Größe existiert, ist, juristisch betrachtet, wert daß es existiert", oder von H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 677: „Der Staat ist ein Wert an sich selbst". A u f die semantischen Paradoxien, die sich aus solchen Formulierungen ergeben, k a n n hier nicht eingegangen werden. 9 Aristoteles, Politica I V , 7 (1293 b) : Herrschaft der Männer, die am besten, d. h. am tugendhaftesten sind. 10 Z u diesen Begriffen des „Formellen" vgl. N. Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 29 ff.
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1. generelle Sätze, die aussagen, daß eine gekennzeichnete Klasse von Personen die Klasse der am Verfahren der Staatswillensbildung Beteiligten ist, 2. Postulate von Auswahlkriterien für die Glieder der gekennzeichneten Klasse 11 , 3. individuelle Sätze, die durch Aufzählung von einer Klasse von Personen aussagen, daß diese Personen die durch die Postulate geforderten Kriterien besitzen, wobei diese individuellen Sätze nicht vollständig angeschrieben zu sein brauchen, sondern nur ein Verfahren definiert sein muß, daß die Anschreibung gestattet. Erläuterung Beispiele sind für den Satztyp 28.3.2.1 A r t . 20 Abs. 1 GG, für den Satztyp 28.3.2.2 das Dynastie- u n d Primogeniturprinzip, für den Satztyp 28.3.2.3 die Wählerlisten.
Ähnlich den oben für das aristokratische Prinzip angeführten Voraussetzungen ließen sich Begründungszusammenhänge finden, die Leitwerte begründen wie die Monarchie, eine bestimmte Klasse i m marxistischen Sinn, eine bestimmte Rasse, eine bestimmte Nation (etwa i n einem MehrNationalitäten-Staat), einen oder mehrere Stände i m Sinne des Ständestaates 12 . Es folge nun die Begründung des Satzes 28.2 F ü r die Demokratie lautet der generelle Satz des Satztyps 28.3.2.1 „ F ü r alle Gesellschaften g i l t : Die Staatswillensbildung erfolgt i n einem Verfahren, das dadurch ausgezeichnet ist, daß die Klasse der Verfahrensbeteiligten das mögliche M a x i m u m ist". Nach der Definition des Ausdrucks „Gehalt" 1.1 besitzt der die Klasse der Verfahrensbeteiligten definierende Satz deswegen ein M i n i m u m an Gehalt, w e i l ein M i n i m u m aller möglichen Verfahrensbeteiligten ausgeschlossen ist. Das Postulat 28.3.2.2 der K r i t e r i e n f ü r die Klasse der Verfahrensbeteiligten ist beispielsweise erfüllt durch §§ 12—14 BWahlG. A l l e dort angeführten K r i t e r i e n sind quantitativ oder durch ein eindeutiges Entscheidungsverfahren leicht entscheidbar.
W i r d ein Satz, der beansprucht, Zeitvorstellungen des öffentlichen Denkens und Handelns auszudrücken und seine allgemeine Überzeugungskraft verloren hat, nach einem Wortgebrauchsvorschlag von N. Luhmann ideologisch genannt 13 , so kann man sagen, daß alle nichtdemo11 Z u r Problematik der A u s w a h l und Anwendung solcher Wertmerkmale vgl. H. Grabowski, Politik, S. 134. 12 Z u solchen Begründungszusammenhängen vgl. A. Brecht, Politische Theorie, S. 363 ff.; N. Luhmann, Wahrheit u n d Ideologie, S. 440; I. Sundbom, a.a.O., S. 11 ff. 13 N. Luhmann, a.a.O., S. 432.
§ 28 Diskussion der politischen F u n k t i o n
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k r a t i s c h e n Gesellschaftstheorien i n d e r L a g e sind, ideologisch z u w e r d e n 1 4 . D e r B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g e i n e r d e m o k r a t i s c h e n Gesellschaftstheorie v e r m a g i n diesem S i n n e n u r d a n n ideologisch z u w e r d e n , w e n n er es u n t e r n i m m t , d i e absolute V o r z u g s r e g e l z u b e g r ü n d e n , nach d e r e i n d e m o k r a t i s c h g e o r d n e t e r Gesellschaftszustand j e d e m a n d e r e n j e d e r z e i t u n d ü b e r a l l v o r z u z i e h e n sei. Diese A u s z e i c h n u n g der D e m o k r a t i e l ä ß t sich auch so f o r m u l i e r e n : 28.4 A l l e i n der nach der p o l i t i s c h e n F u n k t i o n des Gleichheitssatzes geo r d n e t e (demokratische) Gesellschaftszustand i s t so s t r u k t u r i e r t , daß sich f ü r i h n i m m e r e i n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g f o r m u l i e r e n l ä ß t , der n i c h t ideologisch i s t 1 5 . D i e sich i n d e n Sätzen 28.1, 28.2 u n d 28.4 ausdrückende B e d e u t u n g der p o l i t i s c h e n Gleichheitsidee w i r d besonders d e u t l i c h , w e n n der U m s t a n d b e r ü c k s i c h t i g t w i r d , daß aus G r ü n d e n der N o r m - G e n e s e i n Gesellschaften p o l i t i s c h e N o r m e n e i n e n h ö h e r e n G r a d v o n R e c h t f e r t i g u n g beanspruchen als die ü b r i g e n sozialen N o r m e n 1 6 , R e c h t f e r t i g u n g s m ö g l i c h k e i t e n aber e i n n a t ü r l i c h e s E n d e besitzen, da e i n regressus i n i n f i n i t u m u n z u l ä s s i g ist. D i e politische Gleichheitsidee steht a m E n d e a l l e r p o l i t i s c h e n R e c h t f e r t i gungsmöglichkeiten. Z u r A b w e n d u n g m ö g l i c h e r E i n w ä n d e sei z u m Schluß dieses P a r a g r a p h e n noch e i n m a l b e t o n t , daß die Thesen dieses P a r a g r a p h e n n u r f ü r 14 Vgl. dazu J. v. Kempski, Das Problem des Rechts u n d die Ethik, S. 32; ders., Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 39 f.; ders., Philosophie u n d Politik, S. 97 ff. 15 Damit mag zusammenhängen, daß unabhängig von sonstigen ideologischen Kontroversen weder i m Osten noch i m Westen offen i n Zweifel gezogen w i r d , daß das V o l k den Ursprung aller Herrschaft bilde. Vgl. dazu M. Imboden, Rousseau u n d die Demokratie, Tübingen 1963, S. 6; M. Draht, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 282; J. v. Kempski, Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 40. A l l e n anderen A n t w o r t e n auf die Frage nach diesem Ursprung stellt sich i n zweifelnder Destruktion die weitere Frage entgegen: warum? Wiederum (vgl. dazu oben A n m . 2) eine falsche Begründungsrichtung liegt vor, w e n n K . Hesse, a.a.O., S. 197, diesen Sachverhalt auf irrationale Gesichtspunkte der Legitimität zurückführt. Vielmehr dürfte der ihrerseits ideologischen u n d daher erklärungsbedürftigen Formulierung v o m „ V o l k als Ursprung der Herrschaft" die überflüssige Übernahme eines Denkschemas zugrunde liegen, dessen Anwendung notwendige Bedingung der Begründung aller anderen H e r r schaftsordnungen ist. Der nach der politischen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes geordnete Gesellschaftszustand ist einer Legitimierung unfähig (vgl. dazu oben A n m . 4). Ähnlich C. Schmitt, Legalität u n d Legitimität, S. 269. Vgl. auch J. v. Kempski, a.a.O., S. 40. Stattdessen ist ein solcher Gesellschaftszustand einer relativ rationalen (semantischen) Begründung fähig. M. Drath, a.a.O., hat ausgeführt, daß die Demokratie keiner Legitimität bedarf, sie aber eine Methode der Erzeugung von Legitimität für die staatlichen Regierungsakte ist. Z u m Gleichheitssatz als Voraussetzung jeder ideologiekritischen F u n k t i o n des Rechts vgl. W. Maihof er, Ideologie u n d Recht, S. 12, A n m . 20. Z u m konversen Gedanken der Ideologiekritik als Voraussetzung der Gleichheit vgl. P. Noll, Ideologie und Gesetzgebung, S. 64, 68, 82. 18 Vgl. dazu eingehend Fr. Ronneberger, Verfassungswirklichkeit als p o l i t i sches System, S. 424 f.
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formelle Prozesse d e r S t a a t s w i l l e n s b i l d u n g g e l t e n 1 7 . Sie g e l t e n also i n s besondere nicht f ü r d i e G l e i c h h e i t i n h a l t l i c h e r Einflüsse a u f d i e S t a a t s w i l l e n s b i l d u n g . D i e V e r w e c h s e l u n g zwischen b e i d e n S e i t e n der S t a a t s w i l l e n s b i l d u n g beherrscht seit Rousseau die D i s k u s s i o n u m d i e D e m o k r a t i e . D i e Thesen dieses P a r a g r a p h e n t r e f f e n z u a u f so verschiedene Staatssysteme w i e ζ. B . die p a r l a m e n t a r i s c h e D e m o k r a t i e (nach b r i t i schem M u s t e r ) , d i e p l e b i s z i t ä r e D e m o k r a t i e ( i m S i n n e der Schweiz), die P r ä s i d i a l d e m o k r a t i e ( s o w o h l nach a m e r i k a n i s c h e m w i e nach f r a n z ö s i schem M u s t e r ) , schließlich w ü r d e sie selbst f ü r d i e D i k t a t u r des ( a l t - ) r ö m i s c h e n S t a a t s r e c h t s 1 8 gelten. F ü r E n t s c h e i d u n g e n zwischen solchen Staatssystemen l i e f e r n d i e Thesen dieses P a r a g r a p h e n k e i n e Prämissen. Sie t r e f f e n h i n g e g e n n i c h t z u auf Staatssysteme w i e d i e a b solute u n d k o n s t i t u t i o n e l l e M o n a r c h i e , die klassische A r i s t o k r a t i e (ζ. B . i n V e n e d i g b i s 1797), d i e faschistische A r i s t o k r a t i e nach d e m M u s t e r v o n Sorels L e h r e v o n d e n E l i t e n (ζ. B . I t a l i e n bis 1943, Spanien), die D i k t a t u r des P r o l e t a r i a t s (ζ. B . U d S S R ) , D i k t a t u r e n auf Lebenszeit ( Ä g y p t e n , I n donesien bis 1966, G h a n a bis 1966). Z u m Schluß noch einige kritische Bemerkungen zu einer 1966 vertretenen Ansicht. Weder die oben § 8 angemerkte Ironie der Formel des Aristoteles, noch die durch Satz 27.1 formulierte politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes hat G. del Vecchio 19 bemerkt, w e n n er für die Demokratie der industriellen Massengesellschaft unter Berufung auf Aristoteles ein nach Schulausbildung u n d Altersstufen gestaffeltes Wahlrecht vorschlägt. Der Hinweis, daß es sich dabei nicht u m die Schaffung von Vorrechten, sondern u m eine Abstufung nach „ r e i n objektiven u n d allgemeinen Maßstäben" handele, greift insofern fehl, als solche Maßstäbe eben von solchen nicht anerkannt werden, die durch sie benachteiligt werden. Dies w i r d besonders daraus deutlich, daß der Vorschlag ausdrücklich erfolgt, u m die Wählerschicht der kommunistischen Partei zu reduzieren, „einer Partei, die v o m M a t e r i a l i s m u s . . . beeinflußt ist", der „ i n den weniger gebildeten Bevölkerungsschichten verbreitet" i s t 2 0 . Damit verläßt del Vecchio die Ebene der pluralistischen Demokratie ebenso wie die M a r x i sten-Leninisten. Er plädiert für den Vorrang des Bürgertums, w e i l es gebildeter i s t 2 1 , wie diese für den Vorrang des Proletariats plädieren, w e i l es die entwickeltste Stufe des historischen Prozesse darstellt. 17 Eine soziologische Analyse der F u n k t i o n der Wahlrechtsgleichheit i m Prozeß der Staatswillensbildung liefert N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 136 ff. Vgl. dazu auch K . J. Arrow, Social Choice and I n d i v i d u a l Values, S. 48. 18 Vgl. dazu Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3. Aufl., 2. Bd., 1. Abt., Nachdruck Darmstadt 1963, S. 140 ff. 19 G. del Vecchio , Gleichheit u n d Ungleichheit i m Verhältnis zur Gerechtigkeit, S. 616. 20 Ebd., S. 615 f. 21 Dabei ist es ein nicht unbegründeter V o r w u r f „der L i n k e n " gegen del Vecchio' s Auffassung von der Prävalenz des gebildeten Bürgertums, daß dieses Bürgertum es weitgehend verstanden hat, sich die Bildungsprivilegien zu erhalten, auf der seine Prävalenz beruht. Vgl. dazu K . König, W. Kanzen, Ideologie u n d Recht, S. 148.
§ 29 Die egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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§ 29 D i e egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: Konstituierung der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft Z u r F o r m u l i e r u n g d e r z w e i t e n F u n k t i o n des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes w e r d e n f o l g e n d e soziologischen A u s d r ü c k e e i n g e f ü h r t . D e r A u s d r u c k „soziale B e z i e h u n g " w e r d e als Undefinierter B e g r i f f e i n g e f ü h r t . E r bezeichne solche Menschen b e t r e f f e n d e B e z i e h u n g e n , die d u r c h das P h ä n o m e n der Gesellschaft b e d i n g t sind, also e t w a eine B e z i e h u n g w i e „ K o l l e g e v o n " i m Gegensatz z u „ l ä n g e r a l s " 1 . M i t H i l f e d i e ses A u s d r u c k s w e r d e f o l g e n d e r A u s d r u c k d e f i n i e r t : 29.1 Soziale P o s i t i o n ist j e d e r O r t i n e i n e m F e l d sozialer B e z i e h u n g e n 2 . Erläuterung Die Erläuterung erfolge durch Aufzählung von Beispielen. Soziale Positionen sind die einzelnen Berufe, die Stellung i n einer (staatlichen, wirtschaftlichen, organisatorischen, persönlichen) Befehls- oder Wunschhierarchie, Familienstatus, Mieter, Schuldner, Besitzer (im Sinne von „einen Besitz habend"), Parteiredner, Freund, Kollege, Verkehrsteilnehmer. Z u beachten ist jedoch, daß soziale Position nicht die Gesamtheit der Eigenschaften ist, die jemandem durch diese Position zuwachsen — das ist vielmehr die m i t dieser Position verbundene Rolle —, sondern die Möglichkeit, diese Rolle haben oder nicht haben zu können. 29.2 Soziale R o l l e ( k u r z : Rolle) h e i ß t eine Klasse v o n Pflichten, d e r e n E r f ü l l u n g i n s o f e r n e r w a r t e t w i r d , als j e m a n d eine soziale P o s i t i o n e i n n i m m t 3 . D i e E r w a r t u n g e n k ö n n e n sich a u f das V e r h a l t e n des Positionsträgers, sein R o l l e n v e r h a l t e n oder a u f seinen H a b i t u s , seine R o l l e n a t t r i b u t e , beziehen. Erläuterung Der Ausdruck Rolle ist eine Zweckschöpfung der Soziologie, die sich terminologisch v o m Ausdruck Status gelöst 4 u n d diesen abstrakter gefaßt hat. Als „Status" k a n n m a n diejenigen Rollen bezeichnen, deren Pflichten i m einzelnen nicht festgelegt sind u n d die den ganzen Menschen ergreifen 5 . Die Klasse der 1 Vgl. dazu R. Dahrendorf, Homo sociologicus, S. 24. Das methodische I n t e r esse der Soziologen, m i t Hilfe des Ausdrucks „soziale Beziehung" das Phänomen Gesellschaft analysieren zu können, hindert nicht, f ü r die vorliegenden Zwecke den Ausdruck durch Hinweis auf aus Phänomen zu erläutern. 2 Eingehender zu dem Ausdruck „Feld sozialer Beziehungen" H. Mey, Studien zur Anwendung des Feldbegriffs i n den Sozialwissenschaften, München 1965, S. 81 ff., 137 ff. 3 R. Linton, The Study of Man, S. 113. L i n t o n spricht an dieser Stelle jedoch v o m „Status". Die Definition folgt R. Dahrendorf, a.a.O., S. 24. Vgl. auch M. Drath, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 278. Über den systematischen Z u sammenhang des Rollenbegriffs m i t dem Normenbegriff u n d seine Verortung bei Hegel, vgl. H. Linde, Über die soziologische Analyse polylogischer Felder, i n : ZgesStW 110 (1958), S. 529—533. Z u den logischen Problemen des Ausdrucks „Rolle" vgl. auch A. R. Anderson, Logik, Normen u n d Rollen, passim. 4 Vgl. dazu die i n der vorigen A n m e r k u n g zitierte Stelle aus der 1936 erschienenen A r b e i t von R. Linton. 5 Vgl. dazu C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 67 f.
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Status ist also eine Teilklasse der Klasse der Rollen. Zugleich ist Status aber auch ein Grenzbegriff der Rolle, insofern die einen Status definierenden Pflichten bzw. Rechte zeitlich oder umfänglich oder zeitlich u n d umfänglich so gesteigert sind, daß — nach den Anschauungen der jeweiligen Zeit — der Träger des Status sich von Inhabern anderer sozialer Positionen qualitativ unterscheidet. Seit der A u f k l ä r u n g haben die Status ständig an Bedeutung abgenommen. Die F u n k t i o n des Gleichheitssatzes i n dieser Entwicklung ist durch die Sätze 29.3 und 29.4 angegeben. Die letzte Stufe ist erreicht, seitdem nach der Unterscheidung zwischen privatem u n d öffentlichem Recht zeitlich oder u m fänglich unmeßbare Pflichten i m ersteren überhaupt nicht mehr zulässig sind und i m letzteren die einzelnen Statusverhältnisse („besonderen Gewaltverhältnisse") 6 zunehmend verrechtlicht werden. Beispiel des genannten Verbots ist A r t . 1780 Code C i v i l : " O n ne peut engager ses services qu'à temps, ou pour une entreprise déterminée." Angeborene Status sind entsprechend der Entwicklung „ f r o m Status to Contract" 7 gänzlich aufgehoben worden. M i t H i l f e des A u s d r u c k s „soziale R o l l e " l ä ß t sich die gesellschaftlich e n t f e u d a l i s i e r e n d e F u n k t i o n des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes folgendermaßen bestimmen: 29.3 Die egalisierende
Funktion
des
Gleichheitssatzes
D e r verfassungsrechtliche Gleichheitssatz h a t die F u n k t i o n , d e n Z u s t a n d e i n e r Gesellschaft, d e r d u r c h w e i t g e h e n d e r e c h t l i c h fixierte R o l l e n k o m b i n a t i o n e n ausgezeichnet ist, i n e i n e n Z u s t a n d z u t r a n s f o r m i e r e n , der d a d u r c h ausgezeichnet ist, daß die Z a h l u n d d i e gesellschaftliche B e d e u t u n g der rechtlich festgelegten K o m b i n a t i o n e n e i n M i n i m u m betragen 8 » 9 . W e r d e n P o s i t i o n e n u n d d i e entsprechenden R o l l e n , die u n a b h ä n g i g v o m V e r h a l t e n des e i n z e l n e n e i n g e n o m m e n u n d g e t r a g e n w e r d e n m ü s sen, zugeschrieben 10 u n d P o s i t i o n e n u n d die entsprechenden R o l l e n , d i e ( m i t ) d u r c h eigenes V e r h a l t e n des e i n z e l n e n e i n g e n o m m e n w e r d e n k ö n n e n u n d g e t r a g e n w e r d e n w e r d e n müssen, erwerbbar 11 g e n a n n t 1 2 , so l ä ß t sich Satz 29.3 auch f o l g e n d e r m a ß e n f o r m u l i e r e n : 6 Vgl. dazu A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 60 ff. 7 So die einprägsame Formel von H. S. Maine, Ancient L a w (1861), London 1959, S. 141. 8 Die Beziehung zwischen der Gleichheit und dem, was hier soziale Position genannt w i r d , ist bereits bemerkt worden von Montesquieu, De l'esprit des lois, V I I I , 3. 9 Z u r extensiven Tendenz des Gleichheitssatzes vgl. G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 221 f.; ders., Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 25; K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 171; J. v. Kempski, Das Problem des Rechts und die Ethik, S. 33. 10 z. B. Mann, Erwachsener, Deutscher, Arbeiterkind. Früher auch U n t e r täniger, Bürger, K a t h o l i k . 11 z. B. Studienrat, Autofahrer, Bräutigam, Angeklagter, Freund, Käufer. 12 Der Unterschied — der nicht immer eindeutig festliegt u n d auch eine
§ 29 Die egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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29.4 Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz hat die Funktion, einen gegebenen Zustand einer Gesellschaft i n einen solchen zu transformieren, der dadurch ausgezeichnet ist, daß die Zahl und die gesellschaftliche Bedeutung 1. der rechtlich zugeschriebenen Positionen oder Rollen und 2. der rechtlich festgelegten Kombinationen erwerbbarer Positionen oder Rollen ein M i n i m u m betragen 13 . Erläuterung zu 29.3 und 29.4 Die Erläuterung geschehe durch Beispiele aus der deutschen Rechtsgeschichte. Rechtlich zugeschriebene Rollen waren etwa die durch §§ 87 ff. I I 7 u n d § 37 I I 9 A L R geregelten Rollen der Erbuntertänigkeit und der Eigentümerfähigkeit adeliger Rittergüter. Beide Zuschreibungen sind durch das preußische E d i k t betr. den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner v o m 9.10.1807 14 aufgehoben worden. So bestimmt z. B. § 12 des Edikts: „ M i t dem Martinitage 1810 hört alle Gutsuntertänigkeit i n Unseren fürstlichen Staaten auf. Nach dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute . . . " Rechtlich fixierte Rollenkombinationen waren ζ. B. die i n §§ 60, 73, 181 I I 8 und § 76 I I 9 A L R geregelten Gewerbevorschriften. Eine positive Rollenkombination w a r ζ. B. die Festlegung, daß Handwerker i n der Regel n u r Personen sein konnten, die Männer, Christen, Städter u n d Mitglieder einer Zunft waren. Eine negative Rollenkombination w a r die Bestimmung, daß Adelige als Beruf n u r den des Gutsherrn, Offiziers, Diplomaten, Richters, Beamten oder Klerikers wählen konnten. Die Ausübung eines bürgerlichen Gewerbes führte zum F o r t f a l l der Standesvorteile. Diese Kombinationen wurden teilweise aufgelöst durch das E d i k t über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer vom 28.10.1810 - GS 1810 - 11, S. 79 - auf der Grundlage des zitierten OktoberEdikts, dessen § 2 bestimmte : „Freie W a h l des Gewerbes: Jeder Edelmann ist ohne allen Nachteil seines Standes befugt, bürgerliche Gewerbe zu betreiben, und jeder Bauer ist berechtigt, aus dem Bauer- i n den Bürger- u n d aus dem Bürger- i n den Bauernstand zu treten." Der hartnäckigste Widerstand gegen die Auflösung solcher Kombinationen wurde verständlicherweise dem Versuch entgegengesetzt, die Rollen der Steuerzahler zu lösen von allen Merkmalen, die sich nicht aus dem Zweck der Steuer ergaben, kurz, die ständischen Steuerprivilegien aufzuheben. Der V o r -
F u n k t i o n der geschichtlichen Entwicklung sein kann — geht zurück auf R. Linton, a.a.O., S. 115; die Darstellung folgt R. Dahrendorf, a.a.O., S. 42 f. 13 Vgl. dazu F. Tönnies, Sitte u n d Freiheit, i n : Archiv für angewandte Soziologie, 5 (1932/33), S. 149 f.; S. F. Nadel, The Theory of Social Structure, S. 68 f.; P. Noll, Liberté et égalité en tant que problème législatif, S. 226 ; N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, S. 66 ff.; ders., Grundrechte als Institution, S. 179 f. 14 G. Franz (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes i n der Neuzeit, Darmstadt 1963, S. 340 ff.
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gang dieser Lösung zog sich i n Deutschland durch das ganze Jahrhundert h i n durch 1 5 . Sehr lange hat sich auch die durch A r t . 16 der deutschen Bundesakte vom 8. 6.1815 zugelassene u n d etwa durch § 9 Abschnitt I V der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern v o m 26. 5.1818 fixierte Bindung der staatsbürgerlichen Hechte an das Bekenntnis einer christlichen Religion erhalten. Diese Bindung ist eine rechtliche K o m b i n a t i o n der Rolle eines Staatsbürgers m i t der Rolle eines Angehörigen einer christlichen Kirche, die ζ. B. f ü r Juden u n d Dissidenten eine Diskriminierung darstellte. Sie ist erst durch das bayerische Gesetz v o m 29. 6.1851 betreffend die bürgerlichen Rechte der israelitischen Glaubensgenossen 16 u n d das (Bundes-) Gesetz betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen i n bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung v o m 3. 7.1869 17 gelöst worden. D e r V o r g a n g der R e d u k t i o n zugeschriebener P o s i t i o n e n u n d d i e L ö s u n g v o n P o s i t i o n s k o m b i n a t i o n e n k a n n als E n t f e u d a l i s i e r u n g , E g a l i s i e r u n g oder als Herstellung der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft bezeichnet werden 18. Die bürgerliche Verkehrsgesellschaft durch die Reduktion von Positionskombinationen zu beschreiben, anstatt durch die Gleichheit des bürgerlichen Rechts, erscheint deswegen zweckmäßig, w e i l bereits das römische Privatrecht prinzipiell vollständige Gleichheit der männlichen römischen Bürger v e r w i r k licht hatte 1 9 , ohne daß die römische Gesellschaft bereits die Strukturen der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft angenommen hätte. Es fehlte i h r — von geringen Ansätzen abgesehen 20 — das M e r k m a l der Positionsflexibilität. D i e W i r k s a m k e i t des Gleichheitssatzes bezüglich d e r H e r s t e l l u n g d e r b ü r g e r l i c h e n Verkehrsgesellschaft b e g i n n t i n d e r französischen R e v o l u t i o n u n d v o l l e n d e t sich i m L a u f e des 19. J a h r h u n d e r t s i m W e g e d e r G e setzgebung. D a b e i b e d a r f d i e eine Seite, d i e Z e r s t ö r u n g der F e u d a l v e r h ä l t n i s s e 2 1 , h i e r k e i n e r besonderen H e r v o r h e b u n g . W i c h t i g i s t jedoch 15 Vgl. dazu die eingehende Darstellung bei E. R. Hub er, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789,1. Bd., S. 208 ff. 16 B a y G B l S. 33. 17 B G B l S. 292,1871 als Reichsgesetz übernommen. 18 Die ersten Theoretiker der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft waren E. Sieyès, Qu'est-ce que le tiers état?, S. 88 ff.; G. W. Fr. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 193 ff.; K . Marx, Z u r Judenfrage, S. 357 f., 368 f.; Fr. Engels, K. Marx, Die heilige Familie, S. 127; L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 1. Bd., S. 477 ff. Vgl. dazu J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, F r a n k f u r t / M . 1965, S. 30 f.; H. Frey er, Die Idee der Freiheit i m technischen Zeitalter, S. 65 f.; ders., Schwelle der Zeiten, S. 226 ff.; E. W. Böckenförde, Lorenz von Stein, S. 254 ff.; N. Luhmann, G r u n d rechte als Institution, S. 187 ff. Den Prozeß der Herstellung der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft hat L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Bd., S. 34 als Prozeß der Entwährung der alten Rechte und Vorrechte beschrieben, durch den die Gleichheit i m rechtlichen Leben hergestellt w i r d . Vgl. dazu ders., Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 1. Bd., S. 420 f. 19 Vgl. dazu R. von Jhering, Geist des römischen Rechts, 2. Teil, 1. Abt., S. 97 ff. 20 Vgl. dazu ebd., S. 100. 21 Vgl. dazu oben § 27.
§ 29 Die egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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die E r l ä u t e r u n g dessen, w a s diese F u n k t i o n n i c h t bedeutet. Sie h a t n i c h t die A u f g a b e , eine G l e i c h h e i t der Menschen h e r b e i z u f ü h r e n , d i e w e i t e r g e h e n d i s t als es die f o r m a l e rechtliche G l e i c h h e i t der B ü r g e r i s t 2 2 . Sieyès f o r m u l i e r t dies so: "Les avantages par lesquels les citoyens different entre eux sont au delà d u charactère de citoyen. Les inégalités de propriété et d'industrie sont comme les inégalités d'âge, de sexe, de taille etc. Elles ne dénaturent point l'égalité d u civisme. Sans doute, ces avantages particulièrs sont sous la sauvegarde de la loi; mais ce n'est pas au législateur à en créer de cette n a t u r e , . . . L a l o i n'accorde rien, elle protège ce q u i est, jusqu'au moment où ce q u i est commence à mire à l'intérêt c o m m u n 2 3 . " D e m e n t s p r e c h e n d w i r d ζ. B . i n d e r C o n s t i t u t i o n v o n 1791 b e z ü g l i c h des W a h l r e c h t s d i f f e r e n z i e r t h i n s i c h t l i c h des Geschlechts ( n u r M ä n n e r s i n d w a h l b e r e c h t i g t ) , des V e r m ö g e n s ( n u r E n t r i c h t e r e i n e r d i r e k t e n S t e u e r s i n d w a h l b e r e c h t i g t ) u n d des B e r u f s ( L o h n d i e n e r s i n d n i c h t w a h l b e r e c h t i g t ) 2 4 . I . Kant h a t d a z u d i e T h e o r i e g e l i e f e r t : „ N u r die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualifikation zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die S e l b s t ä n d i g k e i t . . . i m V o l k v o r a u s , . . . Der Geselle bei einem K a u f m a n n oder bei einem Handwerker; der Dienstbote (nicht der i m Dienste des Staates steht) ; der Unmündige (naturaliter v e l civiliter) ; alles Frauenzimmer u n d überhaupt jedermann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach der Verfügung anderer (außer der des Staates), genötigt ist, seine Existenz (Nahrung u n d Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit, und seine Existenz ist gleichsam nur Inhärenz 2 5 ." A b e r o b w o h l K a n t u n d seine Zeitgenossen w o h l das G e g e n t e i l angen o m m e n haben, e r w i e s sich d e r so beschriebene gesellschaftliche Z u s t a n d w e d e r als f a k t i s c h s t a b i l noch als theoretisch v e r a l l g e m e i n e r u n g s f ä h i g . E r w u r d e w e i t e r t r a n s f o r m i e r t , bis sich auch i n E u r o p a j e n e r Z u s t a n d h e r s t e l l t e , d e n A . de Tocqueville so beschreibt: " A chaque instant, le serviteur peut devenir maitre, et aspire à le devenire; le serviteur n'est donc pas u n autre homme que le m a i t r e 2 6 . " D a m i t i s t i m P r i n z i p d e r Z u s t a n d d e r Positionsflexibilität beschrieben, d e r e n rechtliche G r u n d l a g e n der A b g e o r d n e t e A . L . J. Michelsen i n d e n 22 So Riittimann, Das nordamerikanische Bundesstaatsrecht, 2. Bd., S. 140; A. Silbernagel, Die Gleichheit vor dem Gesetz u n d die bundesrechtliche Praxis, S. 96 ff.; Fr. Stier-Somlo, A r t . 109. Gleichheit vor dem Gesetz, S. 175. Vgl. auch L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, 1. Bd., S. 277 f. 23 E. Sieyès , a.a.O., S. 88. Diese liberale Interpretation des Gleichheitssatzes ist i n Frankreich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschend geblieben. Vgl. E. Accolas , La Déclaration des droits de l'homme de 1793 commentée, S. 66: „1. L a lois ne doit établir de classes entre les différent individus; 2. Et de plus, elle doit laisser à chacun la faculté d'arriver à la place à laquelle la nature le destine." Vgl. dazu die Äußerung BVerfGE 1, 97 (107). 24 Vgl. Constitution Française von 1791, T i t r e I I I , Chap. I, Sect. I I , A r t . 2, 7. 25 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, A 166 f., Β 196 f. Vgl. dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 94. 26 A. de Tocqueville , De la démocratie en Amérique, 3. Bd., S. 293.
1 8 4 C .
Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Verhandlungen der Frankfurter Nationalversammlung 1848 so formuliert hat: Der Gleichheitssatz bedingt nicht Gleichheit der (einzelnen) Rechte, sondern „daß alle Rechte von allen erworben werden können nach den Gesetzen, welche f ü r alle gleiche Geltung haben" 2 7 . Die politische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes erweist sich als ein Sonderfall der egalisierenden Funktion. Dies w i r d ebenfalls deutlich aus den Verhandlungen der Frankfurter Nationalversammlung 1849, wenn ζ. B. der Bericht des Verfassungsausschusses zu dem E n t w u r f über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshaus hervorhebt, daß die Bindung der Wahlberechtigung an Stände, Beruf, B i l d u n g u n d Steueraufkommen systemfremd sei 2 8 . I n der Terminologie der vorliegenden Untersuchung k a n n das auch so formuliert werden: die gesetzliche K o m b i n a t i o n der Wählerposition m i t den Positionen von Berufen, Bildung, Steuerzahler, Kirchenangehöriger u n d anderen widerspricht dem Gleichheitssatz, denn diese Kombinationen bedeuten für diejenigen, die durch die Kombination v o m Wahlrecht ausgeschlossen werden, eine D i s k r i m i n i e r u n g 2 9 . A n diesem Beispiel der Wahlrechtsgleichheit läßt sich auch die U n a n gemessenheit von Zweckgesichtspunkten leicht erkennen u n d nochmals begründen 3 0 . So f ü h r t der zitierte Bericht aus: „Keine Staatsordnung w i r d bestehen oder noch zu irgendwelcher Stätigkeit gelangen können, w e n n die Entscheidung aller politischen Fragen i n die Hände der großen Masse . . . gelegt w i r d 3 1 . " Diese These sollte den Ausschluß der Unselbständigen, also des größten Teils der Bevölkerung, v o m Wahlrecht rechtfertigen 3 2 . Es ist aber nicht möglich, allein unter den Voraussetzungen, daß erstens eine Tatsachenaussage w i e die oben wiedergegebene richtig ist, u n d daß zweitens ein Zweck w i e die Stetigkeit anerkannt ist, eine Begründung f ü r den Ausschluß gerade dieser oder jener Klasse von Personen zu liefern. Die Begründung hierfür vermag nur aus dem kontingenten Bereich der Regelung, hier also des Wahlrechts u n d seiner M a terie, zu erfolgen 3 3 .
Die juristisch-dogmatische Beziehung zwischen Gleichheitssatz und Rollentrennung w i r d deutlich, wenn die Funktion des Gleichheitssatzes so formuliert w i r d : der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verbietet es der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt, Personen i n einem Rollenzusammenhang deswegen zu bevorzugen oder zu benachteiligen, w e i l 27
52. Sitzung (Wigard, 2. Bd., S. 1314). 170. Sitzung (Wigard, 7. Bd., S. 5223). Z u durchgeführten Versuchen dieser A r t vgl. A. Grabowsky, Politik, S. 134. 29 Vgl. zur Rollenlösung auch die Rede des Abg. Br. Hildebrand aus M a r burg i n der 172. Sitzung (ebd., S. 5285 ff.). 30 Vgl. dazu oben § 16. 31 Ebd., S. 5222. 32 Vgl. dazu die Rede des Abg. Fr. D. Bassermann aus Mannheim i n der 171. Sitzung (Wigard, 7. Bd., S. 5250 ff.); gegen diese Zweckargumentation der Abg. L. Simon aus Trier i n der 173. Sitzung (ebd., S. 5312). 33 Beispielsweise bedarf es keines Rückgriffs auf Zwecke, u m den Ausschluß von wegen Geisteskrankheit Entmündigten vom Wahlrecht zu begründen. Obw o h l sie aus Zweckgründen erfolgt, kann sie ohne Zweckbegründung gerechtfertigt werden. 28
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sie zugleich i n einem anderen Rollenzusammenhang stehen oder nicht stehen 34 . Solche unzulässigen Kombinationen können einmal durch private Beziehungen zwischen Personen und Organträgern oder Behördenangehörigen entstehen: ζ. B. durch Freundschaft, Verwandtschaft, Corpsbruderschaft, Nachbarschaft, (handels-)gesellschaftliche Beteiligung u. a. Bei solchen privaten Beziehungen besteht eine Vermutung dafür, daß sie ungeeignet sind, rechtliche Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen 35 . Das schließt jedoch nicht aus, daß es Situationen geben kann, i n denen solche privaten Beziehungen Gründe für rechtliche Differenzierungen werden können, etwa für Kompatibilitätsverbote 3 6 . Solche unzulässigen Kombinationen können aber auch durch objektive Beziehungen entstehen, die von den zufälligen Personen des Organträgers oder Behördenangehörigen unabhängig sind. Solche Beziehungen sind ζ. B. Konfessionszugehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, uneheliche Abkunft u. a. Einige solcher Kombinationen sind etwa durch A r t . 3 Abs. 2 und 3, 6 Abs. 5, 33 Abs. 3 GG ausdrücklich untersagt, andere etwa durch A r t 36, 54 Abs. 1 Satz 2 GG 3 7 gefordert. Zahlreiche solcher Kombinationen sind gesetzlich festgelegt oder zugelassen, so besonders i m sozialstaatlichen Bereich, etwa des Entschädigungs-, Lastenausgleichs- und Flüchtlingsrechts. Die Begründung ihrer Zulässigkeit dürfte von der egalisierenden Funktion her Schwierigkeiten bereiten. Wie i n den folgenden Paragraphen dargelegt wird, ist daher die egalisierende Funktion zur bürokratischen zu formalisieren, um die Diskussion solcher Zulässigkeitsbegründungen möglich zu machen. Exkurs: Freiheit durch Gleichheit
Gelegentlich werden Gleichheit und Freiheit i n ein antithetisches Verhältnis gebracht 38 . Die Frage, i n welchem Verhältnis Freiheit und Gleichheit, näherhin verfassungsrechtliche Gleichheit und rechtliche Freiheit zueinander stehen, ist i n dieser Form nicht beantwortbar. Ehe diese Frage beantwortbar ist, bedürfen beide Ausdrücke der Präzision 39 . Für den 34 So N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 179; M. Krieie, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, S. 74. 35 Vgl. dazu B G H Z 38, 208 (216). 36 Vgl. dazu H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 7 4 I V c), 6. 37 Interessant ist, daß zwar die Positionskombination „Deutscher" — „ B u n despräsident" verfassungsrechtlich festgelegt ist, die Kombinationen „ D e u t scher" — „Wähler" (Art. 38 Abs. 2 GG) oder „Deutscher" — „Bundeskanzler oder Bundesminister" (Art. 62 ff. GG) nicht verfassungsrechtlich festgelegt sind. 38 So z. B. G. Fr. W. Hegel, Encyclopädie, § 540; J. W. v. Goethe, M a x i m e n u n d Reflektionen: „Gesetzgeber oder Revolutionär, die Gleichsein u n d Freiheit zugleich versprechen, sind Phantasten oder Scharlatans"; G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 70; E. W. Fuß, Gleichheitssatz und Richtermacht, S. 329. 39 Ebenso P. Noll, a.a.O., S. 216.
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C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Ausdruck „Gleichheit" w i r d dabei i m folgenden die Bedeutung der Definition 6.3 zugrundegelegt. Die für den Ausdruck „Freiheit" angestrebte Begriffsbestimmung kann inhaltliche Adäquatheit 4 0 nur insoweit i n A n spruch nehmen, als sie beansprucht, wenigstens einen bestimmten Wortgebrauch der Umgangssprache zu präzisieren. Durch die Formulierung einer Definition werde also nicht behauptet, daß es keine anderen sinnvollen Verwendungen des Ausdrucks „Freiheit" gäbe. Als Individuenbereich, über dem der Ausdruck „Freiheit" definiert werden kann, empfiehlt sich der Bereich (menschlichen) Verhaltens 41. Als Undefinierter Grundbegriff werde der Ausdruck Sanktionsnorm eingeführt, der vage gesprochen die rechtlich normierten Reaktionen bezeichnet, die gegen ein Verhalten gerichtet sind, das nicht entsprechend einer rechtlichen Regelung erfolgt 4 2 . Dann gibt es einen Wortgebrauch des Ausdrucks „rechtliche Freiheit", der folgendermaßen zu formulieren wäre: 29.5 Rechtlich frei ist ein Verhalten genau dann, wenn es nicht Tatbestandsmerkmal einer Sanktionsnorm ist 4 3 . Unter Berücksichtigung dieser Definition läßt sich folgender Satz aufstellen: 29.6 Die Möglichkeit rechtlich freien Verhaltens ist i n einer gegebenen Gesellschaft u m so größer, je mehr der Zustand der Gesellschaft entsprechend der egalisierenden Funktion des Gleichheitssatzes geordnet ist 4 4 . 40
I m Sinne der oben i n § 2 wiedergegebenen Forderung von A. Tarski. I m Sinne des i n § 1 eingeführten Sprachgebrauchs. 42 Eine Präzision des Ausdrucks findet sich bei Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 214 ff. 43 Vgl. dazu P. Noll, a.a.O., S. 215. Th. Geiger, a.a.O., S. 227 hat den entsprechenden Wortgebrauch so formuliert: „ F r e i h e i t . . . i s t . . . der Inbegriff der Möglichkeiten sozial risikoloser Dispositionen i m Lebens Vollzug." M a n k a n n diese Verwendung des Ausdrucks „Freiheit" die liberale nennen. Sie stimmt ζ. B. überein m i t der, die Th. Hobbes, De cive, c. 9, § 9; c. 13, § 15; ders.,Leviathan, c. 21, benützt. Vgl. auch Montesquieu, De l'esprit des lois, X I , 3. 44 Die Auffassung, daß Freiheit und Gleichheit (bei geeigneter Definition der Ausdrücke) keine Gegensätze zu sein brauchen, vertreten Th. Hobbes, a.a.O., c. 13, § 15; L. von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Bd., S. 17; A. de Tocqueville , a.a.O., 3. Bd., S. 156; R. von Jhering, a.a.O., 2. Teil, 1. Abt., S. 90; M. Hauriou, Principes de droit publique, S. 564; J. Freund, Die Demokratie und das Politische, S. 271; H. Kelsen, V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, S. 9; K . Hesse, a.a.O., S. 185; J. Habermas, Theorie u n d Praxis, S. 38 (im Anschluß an Hobbes); G. Küchenhoff, Gleichheit und Ungleichheit i m Verfassungsrecht, S. 284; H. Lübbe, Z u r politischen Theorieder Technokratie, S. 28; P. Schneider, I n dubio pro liberiate, S. 284; P. Noll, a.a.O., S. 216 ff.; A. Arndt, Gedanken zum Gleichheitssatz, S. 185. F ü r den Bereich des Parteienrechts ebenso K. Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien, S. 36; H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 72. Vgl. dazu auch BVerfGE 2,1 (12). 41
§ 29 Die egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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Erläuterung Dieser Satz läßt sich auch so wiedergeben: Die Personen einer gegebenen Gesellschaft sind rechtlich u m so freier, je weniger rechtlich zugeschriebene Positionen u n d je weniger rechtlich festgelegte Kombinationen erwerbbarer Positionen durch die gegebene Rechtsordnung bestimmt werden. Nicht ganz vermag die vorstehende Interpretation des Sachverhalts der A n sicht von Fr. Werner zu folgen, daß hinter dem, was heute Gleichberechtigung von M a n n u n d Frau genannt w i r d , k a u m mehr das emanzipatorische Pathos der Freiheit stehe 45 . Nach Satz 29.6 k a n n man das Verhältnis von Emanzipation und Gleichberechtigung so ausdrücken: Die Verwirklichung der rechtlichen Gleichberechtigung hat den Frauen völlige rechtliche Freiheit (in dem unpathetischen Sinn der Definition 29.5) gebracht: rechtlich ist das Verhalten der Frauen i n genau demselben Umfang frei wie das der Männer 4 6 . E n g zusammen m i t der schrittweisen Herstellung v o n Gleichheit i m S i n n e der egalisierenden F u n k t i o n h ä n g t der Abbau der Institutionen 47. V e r s t e h t m a n u n t e r e i n e r Institution allgemein einen K o m p l e x faktischer V e r h a l t e n s e r w a r t u n g e n i n bezug a u f soziale R o l l e n i m S i n n e der D e f i n i t i o n 29.2 4 8 , so k a n n m a n als rechtliche Institution j e n e bezeichnen, b e i d e n e n die B e r e c h t i g u n g d e r E r w a r t u n g d a r a u f b e r u h t , daß d i e die R o l l e n k o n s t i t u i e r e n d e n P f l i c h t e n Rechtspflichten sind. W i e j e d e I n s t i t u t i o n s c h r ä n k e n auch rechtliche I n s t i t u t i o n e n V e r h a l t e n s s p i e l r ä u m e i n s o w e i t ein, als sie V e r h a l t e n u n t e r d i e B e d i n g u n g e n der I n s t i t u t i o n s t e l l e n u n d d a d u r c h die U n g l e i c h h e i t zwischen i n s t i t u t i o n s g e m ä ß e m (rollengemäßem) und institutionswidrigem (rollenwidrigem) Verhalten konstitutieren49. Als Beispiel werde die bürgerliche Ehe genommen. Sie ist konstituiert durch die Rollenerwartung, die I. Kant so formuliert hat: „Wenn M a n n und Weib 45 pr Werner, Uber Tendenzen der Entwicklung von Recht und Gericht i n unserer Zeit, S. 13 f. Zuzugeben ist diese These insofern, als Pathos i m rechtsbegründenden (besser i m metatheoretischen) Bereich überhaupt selten geworden ist. 46 Der Rest des Problems ist (rein) gesellschaftlicher A r t . Vielleicht darf man bei der Lösung dieses Problems auf den paradigmatischen Charakter der Rechtsregeln für die übrigen Sozialnormen hoffen. Es hat i m m e r h i n bis 1965 gedauert, bis es an einer bundesrepublikanischen Hochschule einen weiblichen Ordinarius f ü r Philosophie u n d bis 1966, bis es einen weiblichen Rektor gab. Jede Statistik, die (unter noch zu definierenden Bedingungen) erhebliche D i f ferenzen zwischen Männern u n d Frauen deutlich werden läßt, deutet auf einen (heute vorwiegend n u r sozial, nicht rechtlich) sanktionierten Freiheitsspielraum hin, der f ü r Frauen enger als für Männer ist. Dieses Verhältnis ist asymmetrisch u n d (zur Zeit noch) unabhängig von Interessen u n d Fähigkeiten. Es gibt vermutlich mehr Krankenpflegerinnen als Krankenpfleger. F ü r einen einzelnen Mann, der Krankenpfleger werden w i l l , ergibt sich daraus kein soziales Hindernis. Es gibt mehr männliche Hochschullehrer als weibliche Hochschullehrer. F ü r die einzelne Frau, die diesen Beruf anstrebt, ergeben sich daraus soziale Hindernisse. 47 Vgl. dazu J. v. Kempski, Das Problem des Rechts und die Ethik, S. 33; ders., Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 39 f.; ders., Philosophie der Politik, S. 97. 48 Vgl. dazu N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 12 f. 49 Vgl. dazu ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 126.
C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes einander ihren Geschlechtseigenschaften nach wechselseitig genießen wollen, so müssen sie sich notwendig verehelichen 5 0 ." Diese Institutionalisierung des Geschlechtsverkehrs w i r k t diskriminierend i n dem Augenblick, i n dem der G r u n d der Ungleichbehandlung nicht mehr geglaubt oder eingesehen w i r d 5 1 . T r i t t dieser Wandel i n der Gesellschaft ein, entfällt zuerst die gesellschaftliche u n d schließlich auch die rechtliche Sanktion 5 2 .
Das hat zur Folge, daß die Einrichtung neuer rechtlicher Institutionen als Privilegisierung empfunden w i r d 5 3 und entsprechend den Bedingungen der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft nur dann erfolgen kann, wenn sie den Zielen vorhandener Machtgruppen entspricht. Die egalisierende Funktion des Gleichheitssatzes ist sozusagen die Funktion des liberal interpretierten Gleichheitssatzes 54 . Soll die Freiheit i m Sinne der Begriffsbestimmung 29.5 maximiert werden, muß der Gleichheitssatz die Funktion 29.4 haben. Sie geht aus von der Gleichheit als Regel und der Ungleichheit als (zu vermeidender und begründungsbedürftiger) Ausnahme 55 . Erst die in § 31 zu formulierende bürokratische Funktion des Gleichheitssatzes überwindet die Deutung des Gegensatzes gleich — ungleich als Regel-Ausnahme. § 30 Diskussion der egalisierenden F u n k t i o n
Aus den Formulierungen 29.3 und 29.4 ergibt sich, daß die egalisierende Funktion Tendenzcharakter hat, das heißt, daß sie keinen Zustand, sondern ein Ziel oder eine Tendenz beschreibt. Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob es sich i m 19. Jahrhundert um eine tatsächlich vorhandene geschichtliche Tendenz handelte oder um ein i n der Vorstellung des liberalen Bürgertums erwünschtes Ziel. Von dieser Tendenz oder diesem Ziel läßt sich folgender Satz aussagen: 30.1 Der gesellschaftliche Zustand, auf den hin das Ziel der egalisierenden Funktion ausgerichtet ist, ist dadurch ausgezeichnet, daß es der50 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, A 106 f., Β 107 f. K a n t ist seine a.a.O., gegebene Definition der Ehe als „Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen und wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften" oft verübelt worden. Er hat m i t dieser Definition aber genau den K e r n der bürgerlichen Ehe getroffen. A l l e anderen Funktionen der Ehe — nicht der Familie — lassen sich m i t B i l l i g u n g der Gesellschaft legal auch außerhalb der Ehe erfüllen, n u r die Geschlechtsgemeinschaft nicht. 51 Vgl. dazu J. v. Kempski, Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 39 f. 52 Vgl. dazu die Streichung des § 172 StGB durch das 1. StrRG v o m 25. 6.1969. 53 Vgl. dazu E. Forsthoff y Von der Staatsrechtswissenschaft zur Rechtsstaatswissenschaft, S. 696. 54 Vgl. dazu K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 191 ff.; J. v. Kempski, Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 38 ff. 55 So ausdrücklich A. Silbernagel, Die Gleichheit vor dem Gesetz u n d die bundesrechtliche Praxis, S. 100.
§ 30 Diskussion der egalisierenden F u n k t i o n
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j e n i g e Z u s t a n d ist, d e r d u r c h e i n M i n i m u m rechtlicher R e g e l n ger e g e l t ist. Erläuterung Satz 30.1 gilt nur für die i n § 29 und i m Exkurs zu § 29 entwickelte liberale Interpretation des Gleichheitssatzes. Begründung Denkt man sich die egalisierende F u n k t i o n völlig verwirklicht, so ist der derartig geordnete (nur theoretisch beschreibbare) Zustand identisch m i t dem Zustand, der geregelt ist durch die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung, die J. v. Kempski konstruiert hat 1 . A l l e i n dieser Zustand ist derart rechtlich geregelt, daß eine Forderung nach Aufhebung rechtlich zugeschriebener Positionen oder der Auflösung rechtlich festgelegter Positionskombinationen deswegen obsolet ist, w e i l es solche Positionen u n d Kombinationen nicht gibt. Da ein solcher Zustand ein M a x i m u m an Verhaltensspielraum bietet, ist er zugleich durch ein M i n i m u m rechtlicher Normen geregelt 2 . B e r e i t s diese E i g e n a r t des Gleichheitssatzes i n der I n t e r p r e t a t i o n d e r egalisierenden F u n k t i o n r e i c h t aus, seine R o l l e i n der S t a a t s l e h r e u n d Rechtsphilosophie, w i e seine F a s z i n a t i o n a u f das l i b e r a l e B ü r g e r t u m z u erklären. F e r n e r l ä ß t sich v o n der e g a l i s i e r e n d e n F u n k t i o n derselbe S a c h v e r h a l t aussagen, w i e er d u r c h Satz 28.2 v o n der p o l i t i s c h e n F u n k t i o n ausgesagt ist. 30.2 E i n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g , der e i n e n nach d e r e g a l i s i e r e n d e n F u n k t i o n des Gleichheitssatzes g e o r d n e t e n Gesellschaftszustand z u b e g r ü n d e n i n der L a g e ist, i m p l i z i e r t i m m e r g e h a l t s ä r m e r e V o r a u s setzungen als B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h ä n g e , die andere Gesellschaftszustände z u b e g r ü n d e n i n d e r L a g e s i n d 3 . Begründung F ü r Satz 28.2 ist eine sozusagen operationelle Begründung gegeben : das A u f geben gehaltsreicher Voraussetzungen überführt jeden gegebenen Begründungszusammenhang i n einen solchen zur Begründung der Demokratie. Eine solche sozusagen operationelle Begründung ist für Satz 30.2 nicht so leicht möglich. Anstatt einer Begründung werde hier daher die Vermutung ausgesprochen, daß sich eine Rechtsordnung m i t gehaltsärmeren Voraussetzungen, als es die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung ist, nicht angeben läßt. 1
Vgl. dazu unten § 39. Dieser Satz ist wieder eine Folge des oben § 27, A n m . 4, angeführten i n formationstheoretischen Satzes, da sich das M a x i m u m an Verhaltensspielr a u m als M i n i m u m an Ordnung und das M i n i m u m der Regelung durch rechtliche Normen als M i n i m u m des Gehalts der das System regelnden rechtlichen Regeln interpretieren läßt. 3 Ä h n l i c h J. v. Kempski, Das Problem des Rechts und die Ethik, S. 33; ders., Gedanken zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 97; J. Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz und D r i t t w i r k u n g , S. 345. 2
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C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
M i t der egalisierenden Funktion des Gleichheitssatzes ist jedoch folgende Problematik verkünpft. Die politischen Kräfte i m 19. Jahrhundert, die einen nach dieser Funktion geordneten Gesellschaftszustand — wenigstens bis zu einer gewissen, durch andere politische Rücksichten bestimmten Grenze — erstrebten, waren von dem objektiven Vorzug dieses erstrebten Gesellschaftszustandes überzeugt. Nun bedeutet die V e r w i r k lichung dieses Zieles des liberalen Bürgertums keineswegs die V e r w i r k lichung auch anderer wünschbarer Ziele. Das Ziel der (relativ) gleichmäßigen Verteilung des konsumierbaren Anteils am Sozialprodukt, die maximale Sicherung von Arbeitsplatz und Altersversorgung, tatsächlich gleiche Aufstiegschancen, gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen i n allen Gegenden und andere Ziele verwirklichen sich nicht etwa i n dem Maß, i n dem ein der egalisierenden Funktion entsprechender Gesellschaftszustand hergestellt wird. I m Gegenteil führte die Freisetzung der gesellschaftlichen Kräfte durch die Verwirklichung der egalisierenden Funktion zur verschärften Klassenbildung, wobei die neuen Klassen durch soziale und ökonomische Ungleichheiten getrennt sind 4 . I n dem Maße, als sich die Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Maximierung der heute sozial genannten Ziele und der Maximierung der egalisierenden Funktion herausstellte, wurde die Gleichheit dieser egalisierenden Funktion als bloß formale Gleichheit von denen abgewertet, die der Verwirklichung sozialer Ziele den Vorzug vor der Verwirklichung maximaler rechtlicher Egalisierung gaben 5 . Diese Spannung zwischen weitgehender rechtlicher Gleichstellung und sozialer Wirklichkeit, die sich i n der unter dem Grundgesetz lebenden Gesellschaft zwar keineswegs gelöst, aber doch immerhin gemildert hat 6 , werde verfassungsrechtlich vom Gleichheitssatz her folgendermaßen interpretiert: Durch die Ablehnung einer sozialstaatlichen Funktion i n § 34 w i r d zwar festgestellt, daß es nicht die Funktion des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist, die Gleichheit „auch wirklich, auch auf dem gesellschaftlichen, ökonomischen Gebiet" 7 durchzuführen 8 . Jedoch gestattet es die i n § 31 zu formu4 Vgl. dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 1. Bd., S. 205 f. 5 Vgl. dazu Fr. Engels, H e r r n Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring), S. 95 ff. 6 Vgl. dazu E. Forsthoff, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 199 ff.; E. R. Huber, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, S. 260 ff.; A. Arndt, Gesetzesrecht u n d Richterrecht, S. 1278 f. 7 So Fr. Engels, a.a.O., S. 99. 8 Z u beachten ist, daß damit nicht gesagt ist, es sei nicht Aufgabe des Staates, solche „Gleichheit fortschreitend bis zu dem vernünftigerweise zu fordernden Maße zu verwirklichen" (BVerfGE 5, 85 [206]). Diese Aufgabe obliegt jedoch dem Gesetzgeber u n d der Verwaltung. Wäre die V e r w i r k l i c h u n g dieser Gleichheit eine F u n k t i o n des Gleichheitssatzes, so könnte sie infolge der Technik der geltenden Verfahrensordnungen i m Wege von Gerichtsurteilen erfolgen. Vgl. dazu unten § 34.
§ 31 Die bürokratische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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lierende bürokratische Funktion, Ungleichbehandlungen, Positionskombinationen immer dann rechtlich anzuordnen, wenn dafür ein zureichender Grund vorliegt. Damit ist erreicht, daß die Lösung des Problems, das i n der ökonomischen Ungleichheit der sozialen Klassen liegt, i m Wege der sozialen Umverteilung durch den Gesetzgeber i n der Dogmatik des Gleichheitssatzes diskutierbar und begründbar wird. Die damit verbundene Funktionswandlung des Gleichheitssatzes w i r d i n § 32 bei der Diskussion der bürokratischen Funktion weiter erörtert werden.
§ 31 Die bürokratische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes: N o r m i e r u n g des Begründungszwanges für Ungleichbehandlungen
Durch die Formulierung der Arbeitsfassung 12.1 des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist klargestellt worden, daß dieser Rechtssatz Ungleichbehandlungen nicht verbietet, sondern sie unter den Begründungsvorbehalt stellt. Durch den Aufweis der Gehaltsleere des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes durch Satz 10.2 und 10.3 ist klargestellt, daß diese Rechtsregel selbst keinen Maßstab für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer zureichenden Begründung abgibt. Es liegt daher nahe, eine Funktion des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes darin zu sehen, daß er die gesamte öffentliche hoheitlich handelnde Staatstätigkeit derart regelt, daß nur solche Tätigkeiten zulässig sind, die einer Begründung der Ungleichbehandlungen fähig sind, die aus diesen Tätigkeiten folgen. Dabei ist noch die Einschränkung des Satzes 16.8 zu beachten, daß Zwecke der Tätigkeiten Ungleichbehandlungen i n der Regel nicht rechtfertigen. Diese Funktion werde folgendermaßen formuliert: 31.1 Die bürokratische
Funktion
Der Gleichheitssatz hat die Funktion 1. Ungleichbehandlungen, die Folge von Akten hoheitlicher Normsetzung sind, für begründungsbedürftig zu erklären 1 , 2. den Bereich der Zweckbegründungen i n der Regel aus dem Bereich möglicher Begründungen auszuschließen2. Erläuterung der Terminologie Der W a h l des Ausdrucks „bürokratische F u n k t i o n " liegt die Auffassung von staatlichem Handeln als bürokratisch organisierter Herstellung verbindlicher 1
So N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 59; ders., G r u n d rechte als Institution, S. 169. 2 Die Interpretation des A r t . 3 Abs. 1 GG i n der Formulierung der Arbeitsfassung 12.1 u n d der bürokratischen F u n k t i o n 31.1 entspricht der Alternative von H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 382, daß es ehrlicher ist, „den großen A n spruch umfassend normierter Gleichheit u n d verfassungsgerichtlich darzustellender Gerechtigkeit preiszugeben". Diese Preisgabe ist i n der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht resignierend geschehen.
192
C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Entscheidungen zugrunde 3 . Diesem Deutungsschema lassen sich die bisher aufgeführten Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikatur) einordnen 4 . Der Gleichheitssatz i n der Interpretation der bürokratischen F u n k t i o n stellt an die Produktion der Entscheidungen (ζ. B. an Gesetze, Verwaltungsakte oder U r teile) spezifische Begründungsanforderungen. Dieser Umstand sollte durch die Benennung angedeutet werdens.
Die erläuternde Darstellung der bürokratischen Funktion geschehe durch Vergleiche mit der politischen und der egalisierenden Funktion. Die politische und die egalisierende Funktion stehen zueinander i m Verhältnis der Spezialität. Die politische Funktion verbietet die Kombination der Wählerposition mit anderen Positionen 6 . Diese beiden Funktionen lassen sich daher zusammenfassen durch den Ausdruck „klassische Funktionen) des Gleichheitssatzes". Die klassischen und die bürokratischen Funktionen stehen zueinander nicht i m Verhältnis der Spezialität. Es läßt sich vielmehr von einem Verhältnis der Formalisierung sprechen. Dies bedarf jedoch einer Erläuterung. Oben wurde festgestellt, daß die Herstellung des Gesellschaftszustandes der klassischen Funktionen ohne Zwischenschaltung der Legislative nicht möglich war 7 . Insofern war der Gedanke der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz nicht nur der Staatstheorie des 19. Jahrhunderts weitgehend fremd; vielmehr hätte eine solche Bindung die klassischen Funktionen kaum effektuieren können 8 . Nachdem i m Wege der Gesetzgebung weitgehend ein Gesellschaftszustand hergestellt war, der den klassischen Funktionen entsprach, bedingte der interventionistische Charakter des Gesetzgebungsstaats des 20. Jahrhunderts eine Umfunktionierung
des Gleichheitssatzes.
Dabei w u r d e v o n den Juristen
der Kompetenzfrage zunächst mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der Maßstabsfrage. Letztere schien mit der Formel vom Willkürverbot beantwortet. Die Kompetenzfrage jedoch verband sich mit der Frage nach der Weitergeltung des Leitbildes des liberalen Rechtsstaates9. I m libera3 Vgl. dazu N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 14 ff. und M. Drath, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 275 ff. Vgl. auch unten § 34, A n m . 7. 4 N. Luhmann, Recht und Automation i n der öffentlichen Verwaltung, S. 21. 5 I m übrigen ist darauf hinzuweisen, daß diese Deutung staatlichen Handelns insofern nicht zu den Prämissen der vorliegenden Untersuchung gehört, als i h r kein ausdrücklicher inhaltlicher Einfluß auf die Darstellung gewährt wurde. 6 Vgl. dazu oben Satz 27.1 und § 29. 7 Vgl. dazu oben §§ 27, 29. 8 Dies läßt sich auch so ausdrücken: Notwendige Bedingung des Rechtsstaates i m 19. Jahrhundert w a r eine rechtsstaatliche Gesetzgebung. Vgl. dazu R. von Mohl, Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, 1. Bd., S. 337. A n dieser Stelle findet sich jedoch auch ein Hinweis auf die Selbsteffektivität des v e r fassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. 9 N u r so läßt sich die emotionale Heftigkeit des Streites u m die Bindungsw i r k u n g des A r t . 109 Abs. 1 W V erklären, w i e sie beispielsweise deutlich w i r d bei O. Mainzer, Gleichheit vor dem Gesetz; Gerechtigkeit und Recht, S. 119. Vgl. dazu W. Hill, Gleichheit und Artgleichheit, S. 186 f.
§ 31 Die bürokratische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
193
len Rechtsstaat konnte dem Gesetzgeber sowohl die Entscheidung darüber überlassen bleiben, bis zu welchem Punkt die Maximierungsforderungen der klassischen Funktionen erfüllt werden sollten 10 , als auch die Entscheidung darüber, ob bestimmte rechtliche Regelungen sich i m Rahmen dieser Entscheidung hielten. Dies konnte dem Gesetzgeber deswegen überlassen bleiben, weil erstens die Staatszweckbestimmung (im innenpolitischen Bereich) vorwiegend negativ auf Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichtet war 1 1 , und zweitens das Interesse des Gesetzgebers i n der konstitutionellen Monarchie von der latenten Konfliktslage i m Verhältnis zum Monarchen gebunden w a r 1 2 . I n dem Maße, als der Staat Gestaltungsaufgaben der Gesellschaft aufgriff und ein stabilisierter Interessengegensatz zwischen Legislative und Exekutive für die Durchführung der Staatsaufgaben nicht mehr entscheidend war, konnte dem Gesetzgeber die Entscheidung über die mit der Wahl zulässiger Ziele verbundene Wahl der M i t t e l dann nicht mehr ausschließlich überlassen bleiben 1 3 , wenn man zugleich die Ansicht aufgab, daß das Parlament der Platz sei, „an dem die unter den Menschen verstreuten, ungleich verteilten Vernunftpartikeln sich sammeln und zur öffentlichen Herrschaft bringen" 1 4 . Diese Lage war i n Deutschland m i t dem Ende des Bismarck-Reiches eingetreten, so daß die These von der Bindung des Gesetzgebers durch den Gleichheitssatz sich fast zwangsweise ergab 15 . Die Kompetenzfrage, also die Frage, ob der Gleichheits10
Vgl. dazu P. Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S. 328. Die klassische Formulierung dieser Staatszweckbestimmung stammt von W. v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, S. 178: Der Staat hat keinen anderen Endzweck als die Sicherheit der Bürger, wobei Sicherheit die Gewißheit der gesetzmäßigen Freiheit ist (ebd., S. 147). Vgl. dazu E. Forsthoff, Anrecht und Aufgabe einer Verwaltungslehre, S. 132 f. 12 Vgl. dazu E. Forsthoff, Der moderne Staat u n d die Tugend, S. 17 ff. 13 Vgl. dazu E. Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, S. 189 f. Unter dem Gesichtspunkt der Systemsoziologie hat N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 165 ff., nachgewiesen, daß die Ausrichtung der heutigen, bürokratisch organisierten Staatstätigkeit allein an Zielen eine K o n sistenz der gesetzgeberischen Entscheidung nicht gewährleistet. Vgl. dazu auch K. Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 206 f. Diese Wandlungen der Stellung des Gesetzgebers bleiben unberücksichtigt bei P. Häberle, Die Wesensgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 163. Seine Ausführungen zum Gesetzgeber als „Garant" der Grundrechte erscheinen daher heute w i r k l i c h k e i t s fremd. Wie die Vorgänge u m das Gesetz über den Belegschaftshandel zeigen, gibt es sogar den zynischen Gesetzgeber, der aus politischen Gründen offensichtlich verfassungswidrige Gesetze verabschiedet und w o h l darauf vertraut, daß andere Verfassungsorgane (Bundespräsident, Verfassungsgericht) die Wirksamkeit des Gesetzes inhibieren. Vgl. zu dem Problemkreis auch W. Weber, Spannungen und K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 146 ff.; P. Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d i m sozialen Rechtsstaat, S. 6 f. 14 C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 431. 15 N u r so erklärt sich der Umstand, daß eine nach den bis dahin anerkannten Interpretationsregeln unbegründbare Auslegung des A r t . 109 Abs. 1 W V so 11
13 Podlech
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C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
satz den Gesetzgeber bindet und Gerichte über das Einhalten der Bindung judizieren, ist unter der Geltung des Grundgesetzes durch A r t . 1 Abs. 3 GG und die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschieden, wobei heute — nach fast zwanzigjähriger Geltung dieser Interpretation — die Erwägung müßig ist, ob eine andere Interpretation möglich oder gar richtig gewesen wäre. Die heutige Rechtslage ist durch A r t . 3 Abs. 1 GG i n Verbindung m i t Art. 1 Abs. 3 und 19 Abs. 4 GG und § 90 BVerfGG bestimmt. Jedem Betroffenen steht das subjektiv öffentliche Recht auf verfassungsrechtliche Gleichbehandlung zu, wobei dieses Recht äquivalent ist m i t der Klagebefugnis. Unter Berücksichtigung der Formulierung 31.1 läßt sich dieses Recht folgendermaßen umschreiben: 31.2 Das aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz i n der Interpretation der bürokratischen Funktion folgende subjektiv öffentliche Recht besteht i n der Befugnis, eine (verfassungs-, verwaltungsoder sonstige) gerichtliche Überprüfung der (nicht zweckmotivierten) Normsetzungsgründe zu erwirken 1 6 » 1 7 . Zur Gegenüberstellung der klassischen und der bürokratischen Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes werden die Kennzeichen der letzten zusammengestellt. A u f Begründungen werde aber verzichtet, weil sich diese Kennzeichen aus dem Gang der bisherigen Untersuchung ergeben. 31.3 Die bürokratische
Funktion
des verfassungsrechtlichen
Gleichheits-
satzes ist durch folgende Satzklasse gekennzeichnet: 1. Sie impliziert keinen materiellen Maßstab, von dem aussagbar ist, er allein sei der Maßstab, auf Grund dessen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen verfassungsrechtlicher Gleichheit entschieden wird; 2. rechtliche Gleichbehandlung ist immer zulässig, die Zulässigkeit rechtlicher Ungleichbehandlung steht unter einem Begründungsvorbehalt; 3. der Unterschied zwischen beliebigen Klassen von Personen ist kein Grund, die verschiedenen Klassen von Personen rechtlich ungleich zu behandeln, vielmehr bedarf es der Begründung, warum rasch Anhänger gewinnen konnte. I n einen weiteren Zusammenhang stellt diesen Vorgang E. Forsthoff, Der Staat u n d die Tugend, S. 15 f. 16 So N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 167. 17 A u f die prozessualen Probleme — insbesondere i m Verfassungsprozeßrecht —, die sich speziell bei Gleichheitsverletzungen ergeben, k a n n hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Chr. Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, S. 83 ff. Vgl. auch H. Krüger, Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Rechtsgrundlage öffentlichrechtlicher Gruppenrechte, S. 209.
§ 31 Die bürokratische F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
195
z w e i verschiedene K l a s s e n v o n P e r s o n e n i n e i n e r b e s t i m m t e n Weise rechtlich ungleich behandelt werden; 4. die Z u l ä s s i g k e i t des Zieles, das m i t t e l s einer r e c h t l i c h e n U n g l e i c h b e h a n d l u n g v e r f o l g t w i r d , i s t k e i n zureichender G r u n d f ü r die Z u l ä s s i g k e i t der r e c h t l i c h e n U n g l e i c h b e h a n d l u n g ; 5. der U m s t a n d , daß e i n Z i e l zureichender G r u n d der aus seiner V e r w i r k l i c h u n g f o l g e n d e n r e c h t l i c h e n U n g l e i c h b e h a n d l u n g ist, b e d a r f der B e g r ü n d u n g ; 6. a l l e logisch schlüssigen, ü b e r z u t r e f f e n d e n Tatsachen f o r m u l i e r t e n u n d n u r m i t d e r V e r f a s s u n g v e r e i n b a r e Rechtssätze i m p l i z i e r e n d e B e g r ü n d u n g e n s i n d geeignet, d i e Z u l ä s s i g k e i t r e c h t l i c h e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g e n z u b e g r ü n d e n , es sei denn, aus e i n e m (semantisch höherstufigen) f o r m u l i e r u n g s f ä h i g e n w e i t e r e n G r u n d folge die U n z u l ä s s i g k e i t einer gegebenen B e g r ü n d u n g . Erläuterung 1. Satz 31.3.1 erklärt die Verwendung von Maßstäben wie „Gerechtigkeit" oder „ W i l l k ü r " i m Rahmen der bürokratischen F u n k t i o n für überflüssig. 2. Satz 31.3.2 stimmt überein m i t Satz 8.2. 3. Satz 31.3.3 ist eine Folge von Satz 7.3. Er formuliert einen der wichtigsten Unterschiede gegenüber den klassischen Funktionen i n der traditionellen I n t e r pretation. Bisher ist immer wieder versucht worden, die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung zweier Klassen von Personen — eine normative Frage — zurückzuführen auf Unterschiede der Merkmale der Personen dieser Klassen — eine tatsächliche Frage. Diese Versuche scheiterten an der Unmöglichkeit, a l l gemeine K r i t e r i e n für den Unterschied zwischen wesentlichen u n d unwesentlichen Merkmalen zu finden. 4. Satz 31.3.4 stimmt überein m i t Satz 16.8. Er sagt nicht aus, daß es unzulässig ist, die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung durch Ziele zu begründen. Er sagt n u r aus, daß die Existenz eines erlaubten Zieles nicht ohne weiteres ein zureichender G r u n d für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung ist. 5. Satz 31.3.5 erklärt die Ungleichheitsbegründung durch Ziele dann für zulässig, w e n n f ü r sie ein über die Erlaubtheit der Ziele hinausgehender G r u n d angegeben werden kann. Solche Fälle sind oben i n den §§ 18, 23 behandelt worden. 6. Satz 31.3.6 ist am problematischsten. Er ersetzt sozusagen die materiellen Maßstäbe der bisherigen Interpretationen. Die vorliegende Untersuchung hat diese Problematik n u r insofern bearbeitet, als kasuistisch positive oder negative K r i t e r i e n der Zulässigkeit von rechtlichen Ungleichbehandlungen f o r m u liert u n d begründet worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dann, w e n n solche K r i t e r i e n i n größerer Z a h l formuliert worden sind, K r i t e r i e n (einer semantisch höheren Stufe) für solche K r i t e r i e n formuliert oder begründet w e r den können. Erst w e n n diese Aufgabe geleistet worden ist, ist semantischer Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes zureichend angegeben. Die vorliegende Untersuchung mußte sich jedoch m i t dem Ansatz einer Kasuistik begnügen. 13*
196
C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
Die wichtige Rolle der Interpretation des Gleichheitssatzes der bürokratischen Funktion für die verfassungsrechtliche Dogmatik ergibt sich aus folgendem Satz: 31.4 Alle rechtlichen Probleme, die i n der Interpretation des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes der klassischen Funktionen diskutierbar sind, sind auch i n der Interpretation der bürokratischen Funktion diskutierbar. Das umgekehrte Verhältnis besteht nicht. Erläuterung Satz 31.4 sagt aus, daß m i t der Ersetzung der klassischen Funktionen durch die bürokratische F u n k t i o n kein juristischer Problemverlust verbunden ist. Begründung Die Begründung des ersten Satzes folgt aus Satz 9.11. Die Begründung des zweiten Satzes erfolge durch Angabe eines Problemkreises, der i n der I n t e r pretation der bürokratischen Funktion, nicht aber i n der Interpretation der egalisierenden F u n k t i o n diskutierbar ist. E i n solcher Problemkreis ist der Bereich der rechtlichen Ungleichbehandlungen aus sozialen Gründen. A u f diese Frage w i r d i n § 34 noch einmal eingegangen werden.
§ 32 Diskussion der bürokratischen F u n k t i o n
Wie i n § 30 gezeigt wurde, besitzt die egalisierende Funktion zwar formal beschreibbare Auszeichnungen, der Grund der politischen Entscheidung für den Gleichheitssatz i n der Interpretation dieser Funktion lag jedoch vermutlich i n der Überzeugung des liberalen Bürgertums des 19. Jahrhunderts, daß ein nach diesem Gleichheitssatz geordneter Gesellschaftszustand objektiv den Vorzug vor anderen verdient, er also wertvoller ist als andere, wie man heute sagt. I n dem Maße aber, i n dem die Ansichten anderer politischer Gruppen, insbesondere die des Sozialismus für das öffentliche Bewußtsein relevant wurden, konnte diese Bewertung des Gleichheitssatzes nicht mehr aufrechterhalten werden 1 . Da die rechtswissenschaftliche Dogmatik des Gleichheitssatzes dieses durch einen Pluralismus von Zweck- und Gleichheitsvorstellungen gekennzeichnete öffentliche Bewußtsein nicht konstruktiv aufzuarbeiten i n der 1 Historisch w a r der Prozeß natürlich v i e l komplizierter. Die politische A n sicht des liberalen Bürgertums w a r i n keinem Zeitpunkt des 19. Jahrhunderts unangefochten herrschend. Weder konservative Ansichten noch die katholische Ablehnung des Liberalismus waren zu irgendeinem Zeitpunkt als unbedeutend zu vernachlässigen. Dennoch ist es vielleicht nicht ganz unrichtig zu sagen, daß die Relativierung der liberalen Gleichheitsvorstellung, wie sie der egalisierenden F u n k t i o n zugrunde liegt, erst durch die soziale Gleichheitsvorstellung endgültig geworden ist. E i n Unterschied zwischen heutigen westlichen u n d östlichen Gesellschaftssystemen k a n n dann vielleicht darin gesehen werden, daß sich i n westlichen Systemen diese Relativierung auf die egalisierende F u n k t i o n beschränkt, während sie i n östlichen Systemen auch die politische F u n k t i o n ergriffen hat.
§ 3 Diskussion der
a i s e n Funktion
197
Lage war, ergab sich i n Deutschland am Ende der Weimarer Zeit jene Lage, in der H. Jahrreiß die resignierenden Sätze schrieb: „Die staatsbürgerliche Gleichheit. Eine schwere Frage i m Herbst u n d Winter 1931! — ,Gleiches Hecht für alle!' verlangte man an der Wende 1918/19 i m K a m p f gegen die Räte u m die Nationalversammlung. Seitdem hörten w i r den Ruf bald von dieser, bald von jener Gruppe; unter i h m focht man gegen Wahlgesetze, gegen Steuergesetze. U n d jetzt: Verordnungen, immer neue Verordnungen mühen sich, das deutsche V o l k zu einer Notgemeinschaft gleich Opfernder zusammenzupressen. U n d das Echo auf jeden solchen Versuch, jetzt hier, dann dort?: ,Warum soll gerade ich, sollen gerade w i r geopfert werden?2'..." „Das Verbot bestimmter ,Klassen'behandlung. Die Geburt darf niemandem öffentlich-rechtliche Vorrechte geben — das ist w o h l gesichert —, noch öffentlich-rechtliche Nachteile bringen — das ist noch nicht gesichert, wie der Streit u m das bayerische Zigeunergesetz zeigt. U n d der Rassenkampf verschärft sich. V o m Besitz die Rechtsstellung abhängig zu machen, w i r d a l l gemein abgelehnt: opinio necessitatis besteht; auch der usus? — Konfessionsund Parteizugehörigkeit? Da darf man w o h l schon hinter opinio necessitatis ein Fragezeichen setzen! 3 " E i n letzter Versuch, i n dieser Lage zu einem Begriff wertvoller, d. h. seinsollender Gleichheit zu gelangen, w a r der von G. Leibholz, die staatsrechtliche Gleichheit auf das Rechtsbewußtsein des Volkes zu gründen, w e n n er definierte: „Die Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz ist die nach dem jeweiligen Rechtsbewußtsein nicht w i l l k ü r l i c h e Handhabung des an die Adresse von Rechtssubjekten gerichteten Rechtes durch den Gesetzgeber u n d die V o l l ziehung (Justiz u n d Verwaltung) 4 ." Dieser Versuch erwies seine konstruktive Unzulänglichkeit, als das Rechtsbewußtsein des Volkes 5 die beginnenden Rassendiskriminierungen hinnahm, wenn nicht zum Teil billigte 6 . Nach 1945 knüpfte man daher nicht mehr an das 2
H. Jahrreiß, Die staatsbürgerliche Gleichheit, S. 624. H. Jahrreiß, a.a.O., S. 636. G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 87. 5 Ob das Rechtsbewußtsein des Volkes 1933 verführt oder nicht verführt w a r und ob es überhaupt verführbar ist, ist eine ebensowenig entscheidbare Frage wie die, ob die volonté de tous die volonté générale ist (J. J. Rousseau, D u contrat social, 1.2, c. 2, S. 252 f.), eine Frage, die für alle, die das Recht i n der sittlichen Substanz des Volkes begründen wollen, zur entscheidenden Frage ihrer Theorie w i r d . 6 D a m i t sind natürlich nur die Maßnahmen der ersten Stufe gemeint, w i e sie zur V e r w i r k l i c h u n g der Punkte 4—8, 17, 23, 24 des Programms der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei vom 24. 2.1920 erforderlich waren u n d wie sie vorlagen i n § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums v o m 7. 4.1933 (RGBl I, S. 175), §§ 1, 2 des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft v o m 7. 4.1933 (RGBl I, S. 188), § 1 des Gesetzes betreffend die Zulassung zur Patentanwaltschaft und zur Rechtsanwaltschaft v o m 22. 4. 1933 (RGBl I, S. 217), A r t . 1 der Verordn. über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen v o m 22. 4.1933 (RGBl I, S. 222), § 4 des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen v o m 25. 4. 1933 (RGBl I, S. 225), A r t . 1 § 1 des Gesetzes über die Zulassung von Steuerberatern v o m 6. 5.1933 (RGBl I, S. 257), § 1 der Verordnung über die Tätigkeit von Zahnärzten u n d Zahntechnikern bei den Krankenkassen v o m 2. 6.1933 (RGBl I, S. 350), § 13 des Reichserbhofgesetzes vom 29. 9.1933 (RGBl I, S. 685). 3
4
198
C. Funktionen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes
derart bloßgestellte Rechtsbewußtsein, sondern an objektive Werte an 7 , ein zum damaligen Zeitpunkt wissenschaftlich bereits ebenso überholter 8 w i e für den Gleichheitssatz unergiebiger 9 Versuch, überkommene Denkstrukturen zu retten. D i e einzige M ö g l i c h k e i t , angesichts des tatsächlich v o r h a n d e n e n Z w e c k p l u r a l i s m u s i n d e r G e s e l l s c h a f t 1 0 eine w e r t - u n d z w e c k n e u t r a l e I n t e r p r e t a t i o n des Gleichheitssatzes z u l i e f e r n , die i n der L a g e ist, a l l e r e c h t l i c h r e l e v a n t e n G l e i c h h e i t s p r o b l e m e d i s k u t a b e l z u machen, besteht d a r i n , d e n Gleichheitssatz als formales Prüfungsschema z u f o r m u l i e r e n , dessen n o r m a t i v e r G e h a l t die A n o r d n u n g eines Begründungszwanges f ü r jede U n g l e i c h b e h a n d l u n g d u r c h die ö f f e n t l i c h e h o h e i t l i c h h a n d e l n d e G e w a l t i s t 1 1 . D a m i t i s t "folgendes g e w o n n e n : D i e egalisierende F u n k t i o n des Gleichheitssatzes w i r d i h r e s u n t e r W e r t g e s i c h t s p u n k t e n o b j e k t i v e n V o r zugs e n t k l e i d e t . D e r d u r c h die Sätze 30.1 u n d 30.2 ausgedrückte f o r m a l e V o r z u g bleibt i n der Interpretation der bürokratischen F u n k t i o n insofern e r h a l t e n , als er d i e V o r a u s s e t z u n g e n der b ü r o k r a t i s c h e n F u n k t i o n b i l d e t : 7
Die Auffassungsänderung wurde m i t dem Argument begründet, die A b hängigkeit der Richtigkeit einer juristischen Erkenntnis v o m Konsens „aller vernünftig u n d gerecht Denkenden "sei „unzeitgemäßer Psychologismus", w i e G. Leibholz, i n : V V D S t R L 20 (1963), S. 118, ausgeführt hat. Nun, der Psychologismus ist von E. Husserl, Logische Untersuchungen, 1. Bd., Prolegomena zur reinen Logik, Halle a. d. Saale 1900, widerlegt worden — der seltene Fall, daß das Erscheinen eines Buches einen weit verbreiteten I r r t u m i n Fachkreisen auf einen Schlag beseitigte. 40 Jahre hat es dann w o h l noch gedauert, bis der Rechtslehre diese Widerlegung bewußt wurde — falls das überhaupt der entscheidende G r u n d war. Hoffentlich dauert es keine weiteren 40 Jahre, bis sich die Rechtswissenschaft v o n der Wertlehre löst. 8 Vgl. dazu die juristischen Autoren C. Schmitt, Der Gegensatz von Gemeinschaft u n d Gesellschaft, S. 173 ff.; ders., Die Tyrannei der Werte, passim; Ν. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 43 ff.; U. Matz, Rechtsgefühl u n d obj e k t i v e Werte, München 1966, passim. E. Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, S. 190 ff., 209 ff.; A. Podlech, Wertungen u n d Werte i m Recht, S. 201 ff. Vgl. dazu auch Th. W. Adorno, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, S. 259; J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, S. 309. 9 So enthält beispielsweise die konsequenteste neuere Darstellung des Grundrechtssystems von Wertgesichtspunkten aus, die Arbeit von P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, f ü r den Gleichheitssatz keine Ergebnisse. 10 Dem tatsächlichen Zweckpluralismus entspricht die wissenschaftstheoretische Einsicht, daß Werte als Regeln des Vorziehens u n d Nachsetzens nicht wahrheitsfähig sind. Vgl. dazu N. Luhmann, ebd. S. 198, u n d einschränkend A. Podlech, ebd., S. 197. Der oft gehörte E i n w a n d gegen diese These, dies könne nicht richtig sein, w e i l dann alles erlaubt sei, ist — abgesehen davon, daß er logisch die S t r u k t u r des Satzes von Chr. Morgenstern hat, „daß nicht sein kann, was nicht sein darf" — deswegen nicht stichhaltig, w e i l aus der fehlenden Wahrheitsfähigkeit von Zwecken u n d Werten nicht die Unmöglichkeit folgt, den Bereich der Sozialgestaltung rational zu begründen. Vgl. dazu K. R. Popper, Das Elend des Historismus, S. 70 ff., 117 ff., 171 ff. 11 Es ist das Verdienst von N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 54 ff., diese Formalisierung des Gleichheitssatzes erstmalig konsequent durchgeführt zu haben. Vgl. dazu ders., Grundrechte als Institution, S. 162 ff.; ders., Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung, S. 41, A n m . 19.
§ 3 Diskussion der
a i s e n Funktion
199
die egalisierende F u n k t i o n i s t n i c h t als w e r t v o l l e r vorzuziehen, s o n d e r n als voraussetzungsschwächer z u m A u s g a n g s p u n k t der R e c h t f e r t i g u n g b e gründbarer Ungleichbehandlungen zu nehmen. E i n durch die b ü r o kratische F u n k t i o n g e o r d n e t e r Gesellschaftszustand i s t infolgedessen d u r c h f o l g e n d e n S a c h v e r h a l t ausgezeichnet: 32.1 D e r nach der b ü r o k r a t i s c h e n F u n k t i o n des Gleichheitssatzes g e o r d nete Gesellschaftszustand i s t so s t r u k t u r i e r t , daß sich f ü r i h n i m m e r e i n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g f o r m u l i e r e n läßt, der n i c h t i d e o l o gisch ist. Begründung Der Eliminierung des Wertgesichtspunktes, die zur bürokratischen F u n k t i o n führt, entspricht diejenige Operation, durch die nach Satz 28.1 eine nichtideologische Begründung der durch die politische F u n k t i o n etablierten Demokratie gewährleistet ist. Die egalisierende F u n k t i o n ist zwar voraussetzungsschwach. Da jedoch der Satz, daß ein Gesellschaftszustand unter allen Umständen n u r durch voraussetzungsschwache Rechtsordnungen geregelt sein soll, nicht allgemeingültig begründbar ist, vermag die liberale Position der absoluten Bevorzugung der egalisierenden F u n k t i o n ideologisch zu werden. Da die b ü r o k r a tische F u n k t i o n diese Position durch Elimierung des Wertgesichtspunktes fallen läßt u n d die Einführung beliebiger Ungleichbehandlungen unter der V o r aussetzung zuläßt, daß sie anders als durch Zwecke begründbar sind, ist es i m m e r möglich, f ü r den Gleichheitssatz i n der Interpretation der b ü r o k r a t i schen F u n k t i o n eine Begründung zu geben, die nicht ideologisch ist. Ist aber der Gleichheitssatz begründbar, ist der durch i h n geordnete Gesellschaftszustand durch i h n zu begründen.
D. Ausweitung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auf weitere Funktionen § 3 3 Problemstellung
Durch die Formulierung und Diskussion der bürokratischen Funktion des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes hat die Arbeitsfassung 12.1 eine Rechtfertigung und extensive Interpretation gefunden. Extensiv ist diese Interpretation insofern, als Gesichtspunkte, die nicht durch die bürokratische Funktion diskutierbar sind, sich nicht i m Schema der Arbeitsfassung 12.1 entscheiden lassen. Dennoch gibt es mindestens zwei Problembereiche, die den Rahmen der bürokratischen Funktion sprengen. Das ist der Problembereich einer sozialstaatlichen Funktion des Gleichheitssatzes und ist die Problematik einer Chancengleichheit. Soll der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz eine sozialstaatliche Funktion oder eine Funktion zur Herstellung von Chancengleichheit haben, bedarf es neben der Formulierung und Diskussion dieser Funktionen der Formulierung ergänzender Arbeitsfassungen des Art. 3 GG. Ob dies der Fall ist, soll in den nächsten Paragraphen untersucht werden.
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
Die bisherige Erörterung der Problematik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ging aus von der Begriffsbestimmung 6.3. Aus dieser folgt, daß sich verfassungsrechtliche Gleichheit (oder Ungleichheit) nicht auf tatsächliche gesellschaftliche (soziale, wirtschaftliche u. a.) Zustände, sondern auf rechtliche Beziehungen (Rechtsverhältnisse) zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen bezieht 1 . Insofern drückt auch die bürokratische Funktion des Gleichheitssatzes nur eine Formalisierung der liberalen Gleichheitsvorstellung aus, m i t der es nie vereinbar war, ihr ein Programm zur Herstellung tatsächlicher Gleichheiten zu entnehmen 2 : I m Zusammenhang m i t der Diskussion u m die Sozialstaatsklausel (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) klingen Ansichten an, die dem Gleichheitssatz die Funktion zusprechen, tatsächliche 1 2
Ä h n l i c h BVerfGE 8, 51 (66 f.); B G H Z 11, 2 (27 f.). Vgl. dazu die Zitate oben § 29, Anm. 22 f.
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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gesellschaftliche (soziale, wirtschaftliche u. a.) Gleichheiten herzustellen 3 . Da i n der gesellschaftlichen Sphäre (im Wortgebrauch der Diskussion des 19. Jahrhunderts) die Ungleichheit von Personen immer relevanter ist als ihre Gleichheit 4 , bedeutet dies, daß die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt tatsächliche Gleichheit nur herstellen kann, wenn sie Personen rechtlich ungleich behandelt 5 . Geschieht diese Angleichung tatsächlicher Verhältnisse i m Wege der Gesetzgebung oder Verwaltung, so beantwortet sich die Frage, ob diese Ungleichbehandlungen verfassungsrechtliche Gleichheit oder Ungleichheit implizieren, danach, ob für die Ungleichbehandlungen ein zureichender Grund vorliegt oder nicht. Solche Maßnahmen zur Herstellung tatsächlicher Gleichheiten sind der Erlaß von Gesetzen, wie des Wohnungsbaugesetzes i. d. F. v o m 20. 8.1953 ( B G B l I, S. 1047), des Wohnungsbau- u n d Familiengesetzes i. d. F. v o m 1. 9.1965 (BGBl I, S. 1618), des 2. Vermögensbildungsgesetzes v o m 1. 7.1965 (BGBl I, S. 585), des Wohnungsgeldgesetzes i. d. F. v o m 1. 4.1965 (BGBl I, S. 178), des Bundessozialhilfegesetzes v o m 30. 6.1961 ( B G B l I, S. 1047). Solche Maßnahmen sind aber auch Soforthilfen i m Verwaltungsweg auf Grund von Haushaltsermächtigungen bei Gruben-, Explosions-, Wetter-, Uberschwemmungs- oder B r a n d katastrophen 6 .
Soll der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz die Funktion haben, Personen einen Anspruch auf Her- (oder W i e d e r h e r s t e l l u n g tatsächlicher Gleichheit (in einem wie noch immer zu bestimmenden Sinn) zu gewähren, so müßte diese Funktion selbstexekutiv sein, d. h. bei Nichterfüllung der Funktion durch den Gesetzgeber oder die Verwaltung müßte durch die Gerichte der Anspruch zugesprochen oder wenigstens auf Grund eines objektiven Kriteriums die Verletzung der sozialstaatlichen Funktion festgestellt werden können. Diese Funktion könnte folgendermaßen beschrieben werden: 3 Vgl. z.B. W. Geiger, Der Gleichheitssatz und der Gesetzgeber, S. 180 f.; A. Hamann, Das Grundgesetz, S. 33; ders., Rechtsstaat u n d Wirtschaftslenkung, S. 55 f.; K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 180 ff.; H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 174; Fr. Werner, Uber Tendenzen u n d Entwicklungen von Recht u n d Gericht i n unserer Zeit, S. 8 ff. Ohne Bezugnahme auf A r t . 3 GG findet sich der Gedanke bei H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 103. Kritisch zu solchen Überlegungen I. von Münch, Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bei der Gewährung von Subventionen, S. 288 ff. Solche Ansichten können sich auf BVerfGE 3, 58 (158) stützen, wo ausgeführt w i r d , daß sich der Gesetzgeber nicht damit begnügen dürfe, vorgefundene tatsächliche Unterschiede ohne weiteres hinzunehmen ; seien sie m i t den Erfordernissen der Gerechtigkeit unvereinbar, so müßten sie beseitigt werden. Die entgegenstehende Ansicht k a n n sich dann auf BVerfGE 9,237 (244) stützen, wo dem Gesetzgeber die Freiheit zugestanden w i r d , Regelungen zu unterlassen, die verhindern, daß bestehende Ungleichheiten zu verschiedenen Rechtsfolgen führen. 4 Vgl. dazu L. von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Bd., S. 4 ff. 5 Vgl. dazu etwa BVerfGE 21,196 (199 f.). β Vgl. dazu K l . Stern, Rechtsfragen der öffentlichen Subventionierung P r i vater, S.524.
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
34.1 Die sozialstaatliche
Funktion
Der Gleichheitssatz hat die Funktion, unter noch zu bestimmenden Voraussetzungen Personen einen Anspruch gegen die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt auf Herstellung tatsächlicher gesellschaftlicher (sozialer, wirtschaftlicher u. a.) Gleichheit i n einem noch zu bestimmenden Umfang zu gewähren. Die Diskussion darüber, ob der Gleichheitssatz die so beschriebene Funktion hat, geschehe durch Formulierung und Begründung des folgenden Satzes: 34.2 Die i n der Formulierung der sozialstaatlichen Funktion 34.1 enthaltenen unbestimmten Ausdrücke „noch zu bestimmender Umfang" und „noch zu bestimmende Voraussetzung" können nur durch politische Entscheidungen i n entscheidungsfähige Kriterien überführt werden. Vorausgesetzt w i r d dabei folgender Satz: 34.3 Es bedarf immer dann einer politischen Entscheidung, u m einen Ausdruck i n ein entscheidungsfähiges K r i t e r i u m zu überführen, wenn weder 1. es eine Bestimmung gibt, durch deren Interpretation Gehalt des Ausdruckes ermittelt werden kann, noch 2. ein Verfahren angegeben werden kann, das es unter Zugrundelegung wahrer Aussagesätze gestattet, unterfallende von nicht unterfallenden Fällen zu unterscheiden 7 . Erläuterung Satz 31.3 k a n n auch so formuliert werden: Eine politische Entscheidung ist immer dann erforderlich, w e n n es weder ein anerkanntes normatives noch ein anderes Entscheidungsverfahren gibt, die Entscheidung aber getroffen werden muß. 7 Gelegentliche Äußerungen von Kybernetikern, die auf dem gesellschaftswissenschaftlichen Gebiet arbeiten, können dahingehend verstanden werden, daß sie es prinzipiell für möglich halten, Subordination durch Koordination zu ersetzen u n d damit politische Entscheidungen entbehrlich zu machen. Vgl. etwa E. Schnelle, Notizen über Organisationsmethodik u n d Kybernetik, S. 24. So wünschenswert eine M a x i m i e r u n g solcher Tendenzen sein mag, so wenig ist die prinzipielle Entbehrlichkeit politischer Entscheidungen begründbar. Vgl. dazu auch M. Drath, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 275. Eine kybernetische Begründung der Unentbehrlichkeit autoritativer Entscheidungen dürfte möglich sein, k a n n hier aber nicht gegeben werden. Die Begründung könnte durch den Nachweis geführt werden, daß zwar solche Gesellschaften möglicherweise sich selbst regulierende (stabile) Systeme sind, für die es ein (Staat genanntes) Untersystem derart gibt, daß es das Monopol effektiver verbindlicher Entscheidungsbefugnis f ü r die betreffende Gesellschaft besitzt, nicht aber andere Gesellschaften. Z u diesem Staatsbegriff vgl. H. Heller, Staatslehre, S. 237; N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 14ff.; M. Drath, a.a.O., S. 274 ff.
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
203
Der erste Teil der Alternative des Satzes 34.3 ist gegeben, weil folgender Satz gilt: 34.4 Die Sozialstaatsklausel gestattet es nicht, m i t der Rechtsordnung vereinbare Gesellschaftszustände vor mit der Rechtsordnung unvereinbaren Gesellschaftszuständen auszuzeichnen8. Erläuterung Die Richtigkeit des Satzes 34.4 setzt voraus, daß der Ausdruck „Sozialstaat" v ö l l i g vage ist. E i n Prädikat ist vage, w e n n es Gegenstände, die Grenzfälle sind, gibt. Grenzfall eines vagen Prädikats ist jeder Gegenstand, von dem eine eindeutige Entscheidung darüber, ob er Glied der Klasse ist oder nicht, nicht möglich ist. E i n vages Prädikat ist völlig vage, w e n n jeder Gegenstand ein Grenzfall ist 9 . Ob ein Ausdruck v ö l l i g vage ist, ist eine Frage seines Gebrauchs. Handelt es sich u m einen Rechtsausdruck, ist die Frage durch Interpretation zu klären. Begründung Bisher ist eine Interpretation der Sozialstaatsklausel, die einen entscheidungsfähigen Gehalt angibt, nicht gelungen. Der Grund dafür dürfte sein, daß die Sozialstaatsklausel — ähnlich w i e die Gerechtigkeitsstaatsklausel — eine Staatszweckbestimmung™ darstellt. Da m i t dem Souveränitätsbegriff die K o m 8 Α. Α. A. Hamann, Das Grundgesetz, A r t . 20, A n m . C 3; ders., Wirtschaftswerbung i m Rundfunk u n d Fernsehen, S. 1424; W. Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte i m sozialen Rechtsstaat, S. 36 f.; G. Dürig, Verfassung u n d V e r w a l t u n g i m Wohlfahrtsstaat, S. 196 f. Die Interpretation, die am ehesten entscheidungsfähigen Gehalt angibt, dürfte die sein von E. R. Hub er, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, S. 257, 262. Z u prüfen wäre aber auch hier, ob dieser Gehalt nicht bereits ohne die Sozialstaatsklausel zu gewinnen ist. Etwas überspitzt formuliert: Könnte Hub er s entscheidender Satz, der beginnt :„Der Sozialstaatsgedanke des industriellen Zeitalters . . . " nicht auch so lauten: „Das Funktionieren der Gesellschaft des industriellen Zeitalters fordert ein System von staatlichen Maßnahmen zur Sicherung des sozialen Aufstiegs, zur Herstellung der sozialen Partnerschaft u n d zur D e k kung des Daseinsbedarfs der breiten Schichten i m Weg der kollektiven Daseinsfürsorge u n d -Vorsorge" (ebd., S. 262)? Da der Staat des Grundgesetzes dieses System auf G r u n d seiner Zwecksetzungskompetenz — unabhängig von der Frage der bundesstaatlichen Zuständigkeit — i m Rahmen seiner Kompetenzen u n d rechtsstaatlichen Schranken zu errichten i n der Lage ist, dürfte die Sozialstaatsklausel auch i n dieser Interpretation n u r deklaratorisch sein. Getrennt davon ist die Frage der Sozialstaatsklauseln als institutioneller Garantie zu prüfen. Vgl. dazu E. R. Huber, a.a.O., S. 266. Sie läßt sich dahingehend f o r m u lieren, ob es für die „gesetzlich entwickelten sozialen Fürsorge-, Vorsorge- u n d Friedensordnung", zu der Huber ζ. B. das Betriebsverfassungs-, Arbeitsschutzu n d Sozialversicherungsrecht zählt, f u n k t i o n a l äquivalente M i t t e l gibt. Sollte es — wenigstens teilweise — solche M i t t e l geben — eine soziologische u n d keine rechtsdogmatische Frage —, w i r d sich angesichts der Vagheit der Sozialstaatsklausel k a u m begründen lassen, daß die ersetzbaren Rechtsinstitute v e r fassungskräftig abgesichert sein sollten. 9 Vgl. dazu L. Aquist, Vagheit u n d Wert, i n : Ratio 6 (1964), S. 105 ff. 10 So H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 14, 17; E. Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, S. 43 f.; H. Gerber, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes, S. 40 ff.; Kl. Stern, a.a.O., S. 532. Vgl. dazu auch Fr. Werner, Sozialstaatliche Tendenzen i n der Rechtsprechung, S. 85 ff.; W. Weber, Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, S. 432.
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
petenz der eigenen Zwecksetzung verbunden i s t 1 1 , sind Staatszweckbestimmungen n u r dann keine normativen Leerformeln, wenn sie negativ sind, d. h. w e n n sie dem Staat die Verfolgung bestimmter Zwecke versagen, oder wenn sie verpflichtend sind, d. h. w e n n sie dem Staat die Verfolgung bestimmter Zwecke gebieten. Die Sozialstaatsklausel ist sicher nicht negativ i n diesem Sinn. Aber selbst w e n n sie verpflichtend ist, gestattet dies noch nicht die normative Entscheidung über eine Zweckerfüllung. Aus der Annahme von Z w e k ken — wie etwa der Sozialstaatsklausel — ergibt sich aber noch keine Entscheidung über die Zustände, die als E r f ü l l u n g der Zwecke angesehen werden können. Solche Zwecke können daher n u r approximativ v e r w i r k l i c h t werden. Ihre verfassungsrechtliche Normierung stellt den Gesetzgeber unter ein normatives Gebot des Verwirklichungsversuches, das aber sanktionslos ist, w e i l es kein M i t t e l gibt, welches verhindert, daß der Gesetzgeber den A u f t r a g v e r fehlt. Uber die Verfehlung entscheidet nicht normativ ein m i t Kompetenzen versehenes Organ, sondern der geschichtliche Konsens der Gesellschaft. Solche Verfehlungen des Auftrags sind daher n u r geschichtlich, das heißt i m neuen A n l a u f durch den Gesetzgeber zu korrigieren, wenn sich für eine neue Lösung Konsens herstellen l ä ß t l l a . A u f f o l g e n d e m W e g k a n n nachgewiesen w e r d e n , daß auch der z w e i t e T e i l der A l t e r n a t i v e des Satzes 34.3 gegeben ist. Gesellschaftliche G l e i c h h e i t k a n n sich — selbst u n t e r A u ß e r a c h t l a s s u n g sogenannter i d e e l l e r G ü t e r — a u f ganz verschiedene G r ö ß e n beziehen, ζ. B . a u f E i n k o m m e n , V e r m ö g e n , b e r u f l i c h e S t e l l u n g , V e r d i e n s t - , G e w i n n - oder A u f s t i e g s c h a n c e n u n d anderes m e h r . Jede dieser G r ö ß e n w i r d f ü r die Personen e i n e r gegebenen S o z i a l o r d n u n g d u r c h eine F ü l l e ö k o n o mischer, rechtlicher, p r i v a t e r u n d sonstiger D a t e n beeinflußt. D i e i n d i v i d u e l l e B e v o r z u g u n g , d u r c h d i e eine b e s t i m m t e Person solche G r ö ß e n w ä h l t (ζ. B . eine b e s t i m m t e saubere u n d leichte A r b e i t m i t n i e d r i g e m L o h n e i n e r s c h m u t z i g e n u n d schweren A r b e i t m i t h ö h e r e m L o h n v o r zieht), w e r d e i n d i v i d u e l l e Vorzugsordnung genannt12. Eine mögliche K o m b i n a t i o n v o n V o r z u g s o r d n u n g e n verschiedener P e r s o n e n w e r d e das Präferenzprofil dieser P e r s o n e n h i n s i c h t l i c h der gegebenen A l t e r n a t i v e n g e n a n n t 1 3 . D i e F r a g e nach e i n e r sozialen O r d n u n g , die sich aus d e n P r ä f e r e n z p r o f i l e n d e r P e r s o n e n dieser O r d n u n g e r g i b t , w i r d i n d e r S o z i a l t h e o r i e als die F r a g e nach der sozialen Wohlfahrtsfunktion bezeichnet. K . J. Arrow h a t d i e M i n d e s t b e d i n g u n g e n e i n e r a n n e h m b a r e n W o h l f a h r t s f u n k t i o n d u r c h die Klasse f o l g e n d e r P o s t u l a t e b e s c h r i e b e n 1 4 : 11 Vgl. dazu G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 481 f., 485, 250 ff.; H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 40; H. Heller, Staatslehre, S. 244 ff. na v g l . dazu D. Suhr, Ansätze zur kybernetischen Betrachtung v o n Recht u n d Staat, S. 207, 209 ff. 12 Die folgenden Ausführungen sind korrekt unten i n § 44 wiederholt. 13 Vgl. dazu Th. Iwand, Ethische Systeme als Ordnungsbeziehungen, S. 139 f. I w a n d gibt eine logisch korrekte Einführung dieser Begriffe. Vgl. zum folgenden auch W. Leinfellner, Einführung i n die Erkenntnis- u n d Wissenschaftstheorie, S. 182 ff. 14 K. J. Arrow, Social Choice and I n d i v i d u a l Values, S. 24 ff.; R. D. Luce, H. Raiffa, Games and Decisions, S. 334 ff.
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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34.5 D i e Klasse f o l g e n d e r P o s t u l a t e i s t n o t w e n d i g e B e d i n g u n g e i n e r sozialen W o h l f a h r t s f u n k t i o n F : 1. D i e F u n k t i o n F b e s t i m m t f ü r a l l e P r ä f e r e n z p r o f i l e eine e i n d e u t i g e G e s a m t b e w e r t u n g d e r z u r D i s k u s s i o n stehenden A l t e r n a t i v e n ; 2. die B e z i e h u n g z w i s c h e n d e n i n d i v i d u e l l e n V o r z u g s o r d n u n g e n u n d d e r G e s a m t v o r z u g s o r d n u n g i s t p o s i t i v , d. h. der W e r t der F u n k t i o n F sinkt nicht, w e n n bei Konstanz aller übrigen Vorzugso r d n u n g e n d i e P r ä f e r e n z e i n e r b e s t i m m t e n Person f ü r eine bestimmte A l t e r n a t i v e steigt; 3. die G e s a m t v o r z u g s o r d n u n g j e d e r T e i l k l a s s e d e r z u b e w e r t e n d e n A l t e r n a t i v e n ist u n a b h ä n g i g v o n d e n i r r e l e v a n t e n A l t e r n a t i v e n ; 4. die F u n k t i o n F i s t n i c h t u n a b h ä n g i g v o n d e n i n d i v i d u e l l e n V o r zugsordnungen ; 5. die F u n k t i o n F s t i m m t n i c h t u n a b h ä n g i g v o n d e n V o r z u g s o r d n u n g e n a l l e r ü b r i g e n P e r s o n e n m i t der V o r z u g s o r d n u n g e i n e r Person überein 15. Erläuterung Satz 34.5.1 legt fest, daß die F u n k t i o n F für beliebige Wertungen der beteiligten Personen eine eindeutige gesellschaftliche Ordnung definiert. Nicht ist durch das Postulat gefordert, daß die gesuchte gesellschaftliche Ordnung m i t den Vorzugsordnungen aller Personen übereinstimmt. Satz 34.5.2 fordert für die gesuchte F u n k t i o n Pareto-Optimalität 1β. Das bedeutet: Gegeben ist eine Ausgangssituation So m i t einem f ü r die an der Situation beteiligten Personen festliegenden Nutzenniveau. Eine Situation S ι, an der dieselben Personen beteiligt sind wie an So, ist gegenüber So genau dann pareto-optimal, w e n n es wenigstens eine Person gibt, deren indvidueller Nutzen i n der Situation Si über ihrem individuellen Nutzen i n der Situation So liegt, ohne daß dadurch das Nutzenniveau der übrigen beteiligten Personen sinkt. Satz 34.5.3, der besonders unter ethischen Gesichtspunkten sehr problematisch i s t 1 7 , fordert die Unabhängigkeit irrelevanter Alternativbewertungen. So könnte z. B. folgende W a h l unabhängig von der anderen W a h l erfolgen: a zieht die Berufsstellung Ρ der Berufsstellung Q vor oder α zieht die Heirat m i t b der Heirat m i t c vor. Dieses Postulat enthält zwei Schwierigkeiten. Erstens ist es problematisch, ein I r r e l e v a n z - K r i t e r i u m zu finden 18. Zweitens schließt es die 15 Die Formulierung folgt der Interpretation, die E. Bössmann, Z u r neueren Diskussion über soziale Wohlfahrtsfunktionen, S. 225 f., den Postulaten A r r o w s gegeben hat. Eine korrekte K o n s t r u k t i o n der Postulate i n deutscher Sprache findet sich bei Th. Iwand, a.a.O., S. 141 ff. u n d unten i n § 44. 16 Vgl. dazu R. D. Luce, H. Raiffa, a.a.O., S. 193; K . J. Arrow, a.a.O., S. 96 f. 17 Vgl. dazu J. Rothenberg, The Measurement of Social Welfare, S. 131 ff.; Th. Iwand, a.a.O., S. 142 f.; Κ. J. Arrow, a.a.O., S. 109 ff. Z u r Irrelevanz-Problematik bei demokratischen Wahlen aufgrund der Arrowschen Bedingungen vgl. J. M. Buchanan, G. Tullock, The calculus of Consent, S. 331 ff. 18 Bezeichne beispielsweise „Pr (a, d)" den Umstand, daß a Prokurist i n der Firma des Kaufmanns d ist, und „Va(d, b)" den Umstand, daß d Vater der b ist, so dürfte i m F a l l „ P = Pr(a, d j " eine Irrelevanz der Alternativen infolge
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
Möglichkeit absoluter Alternativen aus, wie sie sich beispielsweise i n religiösen Moralen ergeben können („Tue dies, oder alles andere, was du t u n magst, ist gleichgültig!"). Dieses Postulat k a n n jedoch nicht fallengelassen werden, da die Zulässigkeit absoluter A l t e r n a t i v e n m i t hoher Wahrscheinlichkeit zur Inkonsistenz der gesuchten Ordnung führt. Eine solche Inkonsistenz liegt allen religiösen Bürgerkriegen u n d Revolutionen zugrunde. Satz 34.5.4 fordert, daß die Gesamtvorzugsordnung nicht unabhängig von den betroffenen Personen oktroyiert w i r d . Es schließt ζ. B. aus, daß es ethische Tabus unabhängig von den individuellen Vorzugsordnungen gibt. Satz 34.5.5 schließt die Existenz einer absoluten moralischen institutionalisierten Instanz u n d eines wirtschaftlichen Diktators aus. Z u beachten ist, daß die F u n k t i o n F von Arrow und Iwand so allgemein formuliert ist, daß sie gleicherweise f ü r moralische, für politische wie für wirtschaftliche Vorzugsordnungen und die Kombinationen solcher gilt. Dies ist deswegen wichtig, w e i l eine einer realistischen Interpretation fähige Gesamtvorzugsordnung weder aus rein moralischen, rein politischen noch rein w i r t schaftlichen Präferenzprofilen bestehen dürfte. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Formulierung der Postulate unabhängig von der Charakterisierung der betreffenden Sozialordnung als M a k r o - oder M i k r o s t r u k t u r ist. Sie gilt also gleicherweise für eine Volkswirtschaft wie für eine Familie. Von diesen notwendigen Bedingungen einer annehmbaren sozialen W o h l fahrtsfunktion hat Arrow gezeigt, daß sie inkonsistent sind.
Es gilt insbesondere der Satz: 34.6 Stehen mehr als zwei Alternativen zur Entscheidung, so ist eine soziale Wohlfahrtsfunktion F, die den Postulaten 34.5.1 bis 34.5.3 genügt, m i t den Postulaten 34.5.4 oder 34.5.5 unvereinbar, d. h. sie ist oktroyiert oder diktiert. Stehen nur zwei Alternativen zur Entscheidung, so ist die Regel der Mehrheitsentscheidung eine allen Postulaten 34.5 genügende soziale Wohlfahrtsfunktion. Beweis E i n Beweis des Satzes 34.6 befindet sich unten i n § 44 19 . Erläuterung Dieses Ergebnis hat interessante Konsequenzen für die moralischen u n d politischen (d. h. aufgrund einer politischen Entscheidung rechtlich verfaßten) Ordnungen. Da die Herstellung einer konsistenten Moralordnung durch Preisgabe der Postulate 34.5.4 und 34.5.5 heutzutage nicht mehr oder k a u m mehr möglich ist — die Preisgabe von 34.5.4 gestattet die Orientierung an einer objektiven Wertordnung 2 0 , die Preisgabe von 34.5.5 die Orientierung an einer I n s t i t u t i o n wie dem Lehramt der katholischen Kirche —, kann sie n u r durch Modifikation der Postulate 34.5.1 bis 34.5.3 erfolgen. Eine solche Modifikation der Verkettung „ P r | Va(a, b)" nicht mehr gegeben sein. „ P r | Va(a, b)" werde gelesen: α ist Prokurist i n einer Firma des Vaters der b. Irrelevanzkriterien dürften als Prädikate zweiter Stufe über solchen Verkettungen zu definieren sein. Vgl. dazu K . J. Arrow, a.a.O., S. 109 ff. 19 Vgl. dazu auch E. Bössmann, a.a.O., S. 226; Th. Iwand, a.a.O., S. 144; A. Kaplan, Some Limitations on Rationality, S. 58 ff. 20 Dabei ist der Ausdruck „ o b j e k t i v " n u r i m strengen Sinn als „erkennbar und überzeitlich o b j e k t i v " interessant. Fehlt die erkennbare O b j e k t i v i t ä t oder
§ 34 Diskussion einer sozialstaatlichen F u n k t i o n des Gleichheitssatzes
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ist bisher noch nicht gelungen 2 1 . Da es also bisher kein rational konstruierbares konsistentes Moralsystem gibt, das von den Vorzugsordnungen der Personen ausgeht, die von i h m betroffen sind, ist die einzige Möglichkeit, eine konsistente Verhaltens- u n d Verteilungsordnung herzustellen, die politische Entscheidung. Die Möglichkeit, die der Ethik nicht gegeben ist, nämlich die Preisgabe der Postulate 34.5.4 oder 34.5.5, ist die Möglichkeit der politischen 22 Ordnung . D a m i t i s t nachgewiesen, daß die z w e i t e A l t e r n a t i v e des Satzes 34.3 gegeben ist. Dieses, aus Satz 34.6 folgende E r g e b n i s l ä ß t sich u n m i t t e l b a r staatsrechtlich i n t e r p r e t i e r e n . D a es w e d e r eine V e r h a l t e n s o r d n u n g der Gesellschaft noch eine V e r t e i l u n g s o r d n u n g i n i h r d e r a r t g i b t , daß sie — selbst m a x i m a l e R a t i o n a l i t ä t des V e r h a l t e n s a l l e r Personen v o r a u s setzt — d u r c h r a t i o n a l e K o n s t r u k t i o n e i n d e u t i g b e s t i m m t w e r d e n k a n n , b e d a r f es der v e r b i n d l i c h e n E n t s c h e i d u n g . S o w e i t V e r h a l t e n u n d V e r t e i l u n g r e c h t l i c h z u r e g e l n sind, b e d a r f es der rechtlichen E n t s c h e i d u n g . D a b e i b e d e u t e t Entscheiden n a t ü r l i c h n i c h t i r r a t i o n a l e W i l l k ü r , s o n d e r n F e s t l e g u n g einer R e g e l u n g i m S i n n e d e r D e f i n i t i o n 1.3 a u f g r u n d u n z u reichender Entscheidungsvoraussetzungen oder u n z u r e i c h e n d e r I n f o r m a t i o n . Solche p o l i t i s c h e n E n t s c h e i d u n g e n s i n d nach d e m p o s i t i v e n Staatsrecht ü b e r die Gesellschaft, d e r e n O r d n u n g v o r l i e g e n d u n t e r s u c h t w i r d , der L e g i s l a t i v e v o r b e h a l t e n . Dieses E r g e b n i s l ä ß t sich so f o r m u lieren: 34.7 A u s staatsrechtlichen G r ü n d e n i s t die Ü b e r f ü h r u n g der i n Satz 34.2 a n g e f ü h r t e n A u s d r ü c k e i n entscheidungsfähige K r i t e r i e n der Gesetzgebung v o r b e h a l t e n 2 3 . ist etwas ähnliches gemeint wie der objektive Geist, gebunden an zeitlich angebbare gesellschaftliche Zustände, läßt sich vermutlich nachweisen, daß diese Fälle nicht allein auf G r u n d der Postulate 34.5.1 bis 34.5.3 ausgeschlossen werden können. 21 Vgl. dazu Th. Iwand, a.a.O., S. 144 ff. 22 Angesichts der Mißdeutungen, die der Ausdruck „politische Entscheidung" i m deutschen Sprachgebiet erfährt, ist vielleicht der Hinweis angebracht, daß aus der Notwendigkeit der Entscheidung nicht die Beliebigkeit des Inhalts der Entscheidung folgt. Das Beispiel einer Methode, wie auf Grund der oben aufgezeigten logischen Situation noch (relativ) rational entschieden werden kann, gibt K. R. Popper, Das Elend des Historismus, S. 70 ff., 117 ff., 121 ff., u n d i m Anschluß an Popper P. Noll, Ideologie u n d Gesetzgebung, S. 80 ff. Z u m V e r hältnis von N o r m u n d Entscheidung (Rechtssätzen u n d Resolutiven) vgl. auch H. N. Castaneda, Imperatives, Decisions and „Oughts", S. 281 f.; W. F. Frankena, Decisionism and Separatism i n Social Philosophy, S. 20; H. Eulan, Rationality i n Unanimous Decision-Making, S. 38; J. R. Pennock, Reason i n Legislative Decisions, passim. — Kritisch zu solchen Gedankengängen jedoch J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, S. 300 ff. A u f den Umstand, daß die Bedeutung von Dezisionen i m Rahmen der Systemtheorie zu diskutieren ist, hat hingewiesen Fr. Ronneberger, Verfassungswirklichkeit als politisches System, S. 416 ff. 23 So ausdrücklich G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 223; W. Weber, a.a.O., S. 416 ff., 431. Ä h n l i c h BVerfGE 1, 97 (105); 22, 180 (204); E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, S. 39 f.; E. R. Huber, a.a.O., S. 266; J. Salzwedel, Gleichheitssatz u n d D r i t t w i r k u n g , S. 342; W. Schaumann,
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
Es gibt noch einen weiteren Grund, die erforderliche Entscheidung nicht den Gerichten zu überlassen. Entscheidung bedeutet Absorption von Verhaltensunbestimmtheit. Sollen die Rechtssicherheit und die Friedensfunktion der Rechtsordnung gewahrt werden, muß eine solche Unbestimmtheitsabsorption am Anfang des Entscheidungsprozesses, nicht am Ende erfolgen 24 , d. h. der Verhaltensspielraum der der Rechtsordnung unterworfenen Personen muß (gemessen an einer erst m i t dem letztinstanzlichen Urteil bzw. m i t einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts feststehenden Entscheidung) maximal durch die Entscheidung der Legislative 2 5 und minimal durch Gerichtsentscheidungen eingeschränkt werden. Daraus folgt für die sozialstaatliche Funktion des Gleichheitssatzes : 34.8 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Überführung der i m Satz 34.2 angeführten Ausdrücke i n entscheidungsfähige Kriterien nicht der Rechtsprechung zu überlassen 26» 2 7 . Satz 34.8 widerspricht nicht den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über das Armenrecht 2 8 . Zwar hat das Gericht i n BVerfGE 10, 264 (270) ausgeführt, die Grundsätze des Gleichheitssatzes und des Sozialstaatsprinzips verlangten eine weitgehende Angleichung von Bemittelten und Unbemittelten i m Bereich des Rechtsschutzes. Wie das i m folgenden Paragraph diskutierte Beispiel der ersten Armenrechts-Entscheidung zeigt, lassen sich diese Entscheidungen ohne Rückgriff auf eine sozialstaatliche Funktion des Gleichheitssatzes diskutieren. Allerdings erfolgt diese Diskussion auch nicht i m Schema der Prüfung der verfassungsrechtlichen Gleichheit i n der Interpretation der bürokratischen Funktion. Vielmehr ist zu dieser Diskussion die Formulierung einer Funktion zur Gewährleistung der Chancengleichheit erforderlich.
Gleichheitssatz u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 727; Κ . A. Bettermann, in: V V D S t R L 23 (1966), S. 270. Vgl. dazu auch M. Drath, a.a.O., S. 281. Α. A. w o h l H. Zacher, Soziale Gleichheit, S. 372. 24 So N. Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 64 ff.; ders., Grundrechte als Institution, S. 183. 25 Z u Grenzen dieser Forderung vgl. G. Dietze, The L i m i t e d Rationality of L a w , passim, bes. S. 73 ff. 28 Damit mag zusammenhängen, daß die Rechtsprechung der Weimarer Republik A r t . 134 W V w o h l wegen Unbestimmtheit k a u m angewandt hat. Vgl. dazu O. Bühler, A r t . 134, Gleichheit i n der Lastenverteilung, S. 317. 27 Wenn die Formulierung von E. R. Huber, a.a.O., S. 257, daß der Sozialstaat „der dem Industriezeitalter adäquate Staat der sozialen Intervention" ist, den Wortgebrauch des Ausdrucks „Sozialstaat" trifft, so läßt sich Satz 34.8 dahingehend formulieren, daß aus Gründen der Rechtssicherheit soziale Interventionen dem Gesetzgeber und der V e r w a l t u n g vorbehalten bleiben müssen. 28 BVerfGE 2, 336 (340); 9,124 (131); 10, 264 (270).
§ 35 F u n k t i o n zur Gewährleitsung der Chancengleichheit
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§ 35 Diskussion einer F u n k t i o n zur Gewährleistung der Chancengleichheit
I n der Literatur 1 und der Rechtsprechung 2 w i r d die Frage erörtert, ob der Gleichheitssatz die Funktion hat, Chancengleichheit zu gewährleisten, d. h. bestehende Chancengleichheit nicht zu verletzen oder fehlende herzustellen. I n der Rechtsprechung ist dies für den Bereich des Parteienrechts 3 und des Prüfungsrechts 4 insoweit anerkannt worden, als die Chancengleichheit nicht verletzt werden darf. Für den Bereich des Wirtschaftskonkurrenzrechts ist ein Recht auf Chancengleichheit bisher abgelehnt worden 5 . Die Diskussion der Frage, ob der Gleichheitssatz diese Funktion hat oder haben soll, w i r d durch den Umstand erschwert, daß eine diskussionsfähige Bedeutung des Ausdrucks „Chancengleichheit" bisher nicht formuliert worden ist. Es besteht sogar die Vermutung, daß es eine für alle möglichen Rechtsgebiete gleicherweise zutreffende Bedeutung des Ausdrucks auch nicht gibt 6 . Zur Klärung der Fragestellung werde von der zweiten ParteispendenEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen7. I n den Gründen dieser Entscheidung w i r d festgestellt, daß die zur Prüfung anstehenden Steuerbestimmungen „das Grundrecht der politischen Parteien auf Chancengleichheit" verletzen (BVerfGE 8, 51 [63]). Die korrekte Formulierung des entscheidenden Satzes (Leitsatzes) und einiger Hilfssätze lautet: BVerfG, Urteil vom 24. 6.1958 — 2 BvF 1/57 — Der Unterschied zwischen spendenbegünstigten Parteien u n d anderen Parteien ist kein zureichender Grund, beide Klassen von Parteien dadurch u n t e r schiedlich zu behandeln, daß der Staat an der Finanzierung der Glieder der ersten Klasse mehr t e i l n i m m t als an der Finanzierung der Glieder der zweiten Klasse (BVerfGE 8, 51 [66 f.]). Begriffsbestimmung Spendenbegünstigt ist eine Partei dann, w e n n es mindestens eine zweite Partei gibt, der gegenüber die Mitglieder oder anderen Förderer der ersten 1 G. Küchenhoff, Der Begriff des „ M i n i m u m " i n der Rechtswissenschaft, S. 1256; E. W. Fuß, Normenkontrolle u n d Gleichheitssatz, S. 600; L. MeyerArndt, Verfassungsrechtliche Fragen der mittelbaren Staatsfinanzierung p o l i tischer Parteien, DÖV 58, S. 885 f.; H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, bes. S. 63 ff.; H. Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als W i l l k ü r v e r b o t oder als Gebot der Chancengleichheit, passim. 2 B V e r w G E 17, 306 (312); 23, 194 (197), 347 (350); 30, 191 (197 f.) m i t A n m e r k u n g R. Scholz, i n : N J W 69,1044 f.; BayVerfGHE 5,196 (203). 3 BVerfGE 3,19 (26), 383 (393); 6, 273 (280); 7, 99 (107); 8, 51 (63). 4 B V e r w G E 14, 31 (34) ; BVerwG, U r t e i l v. 22. 3.1963, DÖV 63, 475. 5 B V e r w G E 17, 306 (312), dazu A n m . E. Langen, i n : N J W 64, 2075. 6 F ü r einen engen Bereich dürfte der Ausdruck „Chancengleichheit" durch den spieltheoretisch korrekt definierbaren Ausdruck „Fairneß" zu ersetzen sein. Vgl. dazu J. von Neumann, O. Morgenstern, Spieltheorie u n d wirtschaftliches Verhalten, S. 261 ff. 7 Dazu L. Meyer-Arndt, a.a.O., passim; H. Ch. Jülich, a.a.O., S. 56 ff.
14 Podlech
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
Partei Einkommens- oder Körperschaftssteuerpflichtige m i t durchschnittlich höheren Steuerverpflichtungen sind, als es die Mitglieder oder anderen F ö r derer der zweiten Partei sind. 1. Hilfssatz Werden Spenden an Parteien steuerlich begünstigt, so n i m m t neben dem Spender auch der Staat mittelbar i n Höhe des i h m verlorengehenden Steueranteils an der Finanzierung der spendenbegünstigten Partei teil (BVerfGE 6, 273 [278]; 8, 51 [62])». 2. Hilfssatz Der Staat n i m m t nicht n u r dann an der Finanzierung einer Klasse von Parteien mehr t e i l als an der Finanzierung einer anderen Klasse von Parteien, wenn der Wortlaut der die Finanzierung regelnden Bestimmungen die unterschiedliche Behandlung ausdrücklich anordnet, sondern auch dann, w e n n sich aus der praktischen Anwendung der Bestimmung eine Ungleichbehandl u n g ergibt u n d diese ungleiche A u s w i r k u n g gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist 9 (BVerfGE 8, 51 [64]). Diskussion Der maßgebliche Unterschied zwischen den bisher untersuchten Leitsätzen und dem vorliegenden ist, daß die i m vorliegenden F a l l zur Prüfung anstehenden Steuerbestimmungen den i m Leitsatz formulierten Unterschied zwischen steuerbegünstigten u n d anderen Parteien nicht rechtlich anordnen. Die T e i l klassenbildung, deren Folge die Urigleichbehandlung ist, ist also keine rechtlich angeordnete Merkmalsbildung, an die Rechtsfolgen geknüpft werden. Erst durch die A n w e n d u n g des 2. Hilfssatzes k a n n auf G r u n d der zur Prüfung anstehenden Steuerbestimmungen eine Ungleichbehandlung festgestellt werden.
Die Eigenart des der zweiten Parteispenden-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts liegt also darin, daß die Ungleichheit nicht i m Bereich der rechtlich geregelten Mittel liegt. Der Wortlaut der zur Prüfung anstehenden Steuerbestimmungen und der ihnen zu entnehmende Sinn vermeiden Ungleichbehandlungen, indem sie die Tatbestände generell-abstrakt formulieren 1 0 . Es liegt also keine rechtliche Ungleichheit vor 1 1 . Die Ungleichheit liegt vielmehr i m Bereich der Folgen der recht8 Kritisch zu dieser These U. Scheuner, Die Parteien und die A u s w a h l der politischen L e i t u n g i m demokratischen Staat, S. 645, Anm. 34; L. Meyer-Arndt, a.a.O., S. 885. 9 Die Formulierung des 2. Hilfssatzes enthält mehr rechtliche Probleme als i m folgenden erörtert werden. A u f eine alle Probleme berücksichtigende F o r mulierung wurde verzichtet. 10 Vgl. dazu BVerfGE 8, 51 (64); 24, 300 (355 f., 358). E i n F a l l der Chancengleichheit ist entschieden worden i n BVerfGE 9, 137 (146), ohne daß die Problem a t i k bemerkt worden wäre. 11 Es sei i n Erinnerung gerufen, daß die Ausdrücke „verfassungsrechtlich gleich" u n d „verfassungsrechtlich ungleich" (6.3, 38.6) über Rechtsverhältnissen definiert sind. I n diesem (und n u r i n diesem) Sinne w i r d hier von rechtlicher Ungleichheit gesprochen. Die Ungleichheit der Parteien auf G r u n d unterschiedlicher Spenden ist eine tatsächliche Ungleichheit, da sie über dem F a k t u m definiert ist, daß der Staat zugunsten der spendenbegünstigten Partei auf mehr Steuern verzichtet. Diese tatsächliche Ungleichheit ist eine Folge der rechtlichen Gleichheit auf G r u n d des Satzes 35.1.
§ 35 F u n k t i o n zur Gewährleistung der Chancengleichheit
liehen Regelung. Es liegt also tatsächliche Ungleichheit vor Folge des Satzes:
12
211
. Sie ist eine
35.1 Immer dann, wenn gleiche rechtliche Regelungen Sachverhalte regeln, die durch tatsächliche Ungleichheiten beschreibbar sind, sind die tatsächlichen Folgen der Regelung ungleich 13 . Erläuterung W i r d z.B. von jedem volljährigen Bürger eine Kopfsteuer i n konstanter gleicher Höhe erhoben, so t r i f f t diese gleiche rechtliche Leistungspflicht unterschiedlich vermögende Bürger finanziell ungleich.
Solche Ungleichheiten sind nur i m Schema 43.4, nicht i m Schema 16.5 (43.3) zu formulieren. Damit ist eine erste Abgrenzung der Chancengleichheit von der verfassungsrechtlichen Gleichheit i m Sinne der Definition 6.3 erreicht. Für die Verwendung des Ausdrucks „Chancengleichheit" gelte die 35.2 1. Bedingung 14 Die Chancengleichheit betrifft nicht Rechtsverhältnisse zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen, sondern tatsächliche Folgen, die sich aus solchen Rechtsverhältnissen ergeben können 1 5 . Begründung Z u r Diskussion u n d Entscheidung der durch diese Bedingung ausgeschlossenen Fälle ist der Ausdruck „Chancengleichheit" nicht erforderlich. Z u ihrer Diskussion u n d Entscheidung reicht die Arbeitsfassung 12.1 i n der Interpretation der bürokratischen F u n k t i o n 31.1 aus.
Aus Satz 35.2 folgt, daß die Frage der Klassenbildung bei Subventionierungen keine Frage der Chancengleichheit, sondern der verfassungsrechtlichen Gleichheit ist. I n diesen Fällen ist zu prüfen, ob es einen zureichenden Grund für die Ungleichbehandlung von Gliedern zweier Klassen gibt, die i n der Subventionierung der Glieder nur einer Klasse liegt 1 6 . 12 Ebenso L. Meyer-Arndt, a.a.O., S. 886; R. Scholz, i n : N J W 69, 1044; H. Scholler, a.a.O., S. 15. Beiläufig ist m i t dem Hinweis, die Differenzierung sei n u r unbedenkliche Nebenfolge einer gleichbehandelnden Regelung, ein a l l gemeines Gebot der Chancengleichheit abgelehnt worden i n BVerfGE 21, 54 (69). Der Unterschied dieser Begründung zu derjenigen i n BVerfGE 8, 51 (63 ff.) ist dem Berichterstatter vermutlich nicht aufgefallen. 13 So auch K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 180. 14 Vgl. dazu unten Satz 35.20. 15 Diese Unterscheidung k l i n g t bereits an bei E. Forsthoff, Rechtsfragen der Werbesendungen i m Fernsehen, S. 99; P. Ipsen, Zur Legalität des Werbefernsehens, S. 2055. Sie ist deutlich getroffen bei R. Scholz, i n : N J W 69,1044 f. 16 Als Beispiel vgl. BGH, U r t e i l v. 30. 4.1959, i n : N J W 59,1429.
14*
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
Aus Satz 35.2 folgt ebenfalls, daß die Frage der Zuteilung von Sendezeiten 17 keine Frage der Chancengleichheit, sondern der verfassungsrechtlichen Gleichheit ist 1 8 . Z u r Prüfung der Frage, ob es einen zureichenden Grund für die Zuteilung ungleicher Sendezeiten gibt, vgl. oben § 25. Zur näheren Umschreibung des Ausdrucks Chancengleichheit bedarf es der Einführung einiger weiterer Ausdrücke. Zuerst werde der Ausdruck „Wettbewerbslage" eingeführt. 35.3 Wettbewerbslage heißt jede Situation m i t mindestens zwei Beteiligten, i n der die durch das Verhalten der Beteiligten erstrebten Endsituationen unvereinbar sind 1 9 . 35.4 Unvereinbar heißen Situationen genau dann, wenn die V e r w i r k lichung einer Situation die Verwirklichung einer anderen Situation i m selben Zeitpunkt unmöglich macht. Ist die Wettbewerbslage den Beteiligten bewußt, werde von einer „Konfliktsituation" gesprochen. 35.5 Konfliktsituation heißt jede Wettbewerbslage, i n der die Beteiligten die Unvereinbarkeit der erstrebten Situation kennen und sie aus Gründen, aus denen die Unvereinbarkeit folgt, erstreben 20 . Situationen, die durch (menschliches) Verhalten auseinander hervorgehen können, werden ineinander transformierbar (kurz: transformierbare Situationen) genannt. Jede Situation ist durch Daten beschreibbar. Jedes i n einer beliebigen Beschreibung einer Situation verwandte Datum werde ein diese Situation beschreibendes Datum (kurz: ein beschreibendes Datum) genannt. Es sei eine beliebige Klasse von η (n > 2) transformierbaren Situationen gegeben. Die Vereinigungsklasse von zwei beliebige transformierbare Situationen Si und Sj beschreibenden Daten ist dann teilbar i n die Klasse der konstanten und der variablen Daten. 35.6 Eine Klasse D von zwei beliebige transformierbare Situationen Si und Sj beschreibenden Daten ist genau dann eine Klasse konstanter Daten, wenn aus dem Umstand, daß die Daten D Si beschreibend sind, immer folgt, daß sie Sj beschreibend sind. 35.7 Eine Klasse D solcher Daten ist genau dann eine Klasse variabler Daten, wenn aus dem Umstand, daß die Daten D Si beschreibend sind, nicht folgt, daß sie Sj beschreibend sind. 17
Vgl. dazu BVerfGE 7,99 (108); 14,121 (134). Ebenso liegt der F a l l i n B V e r w G E 31, 368 (370). Vgl. dazu Κ . E. Boulding, Conflict and Defense, S. 4. 20 Vgl. Κ . E. Boulding, a.a.O., S. 5. Die Definition 35.3 u n d die Definition 35.5 weichen von den von Boulding gegebenen jedoch i n einigen Punkten ab. 18
19
§ 35 F u n k t i o n zur Gewährleitsung der Chancengleichheit
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M i t H i l f e dieser A u s d r ü c k e w e r d e d e r A u s d r u c k „ K o n f l i k t s f e l d " definiert. 35.8 E i n e Klasse v a r i a b l e r D a t e n h e i ß t Konfliktsfeld genau dann, w e n n d i e V e r ä n d e r u n g e i n e r b e l i e b i g e n n i c h t l e e r e n T e i l k l a s s e dieser D a t e n b e w i r k t , daß f ü r w e n i g s t e n s e i n e n B e t e i l i g t e n die S i t u a t i o n nach seiner eigenen E i n s c h ä t z u n g i n f o l g e dieser V e r ä n d e r u n g v o r teilhafter geworden ist21. Erläuterung Die Einführung des subjektiven Maßstabes für die Beurteilung der Situation ist deswegen erforderlich, w e i l der Versuch der Formulierung objektiver Präferenzskalen bisher auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Sie ist andererseits ungefährlich, w e i l gerade i n Konfliktsituationen die Beteiligten i n der Regel über die Bedeutung der Daten orientiert sind. Sollten die Beteiligten ein D a t u m oder eine Datengruppe übereinstimmend versehentlich f ü r irrelevant erachten, so ist i m übrigen von der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt k a u m zu verlangen, daß sie diese Relevanz aus Rücksicht auf die Beteiligten beachtet. Die bisherigen Definitionen gestatten n u n die F o r m u l i e r u n g einer w e i t e r e n B e d i n g u n g f ü r d i e V e r w e n d u n g des A u s d r u c k s „ C h a n c e n g l e i c h heit". 35.9 2.
Bedingung
„Chancengleichheit" ist ein Prädikatsausdruck, der Paaren v o n Beteiligten n u r dann z u k o m m t , w e n n ein Konfliktsfeld der Beteiligt e n e i n e b e s t i m m t e , noch anzugebende Eigenschaft b e s i t z t 2 2 . Erläuterung Durch die Bedingung sind der Individuenbereich des Ausdrucks u n d das Schema der Definition festgelegt. Sie entspricht dem üblichen Sprachgebrauch insofern, als von einer Verletzung der Chancengleichheit n u r dann gesprochen w i r d , w e n n Daten (ζ. B. Steuern, Lizenzen u. ä.) so geändert werden, daß das von K o n k u r r e n t e n erstrebte Ziel f ü r einen leichter erreichbar w i r d als f ü r andere 2 ». A u s Satz 35.9 f o l g t , daß die sogenannte C h a n c e n g l e i c h h e i t v o n P r ü f l i n g e n k e i n F a l l der C h a n c e n g l e i c h h e i t ist. P r ü f l i n g e befinden sich n i c h t 21 Κ . E. Boulding, a.a.O., S. 153. Auch diese Definition ist etwas zweckmäßiger gefaßt als die von Boulding. 22 Die eingeführte Terminologie gestattet es, eine Abgrenzung zwischen Subventionen u n d Einkommenshilfen zu treffen, ohne auf das definitionstechnisch u n d sachlich gleichermaßen problematische Zweckmoment abstellen zu müssen. Subventionen sind Daten i n einem Konfliktsfeld, Einkommenshilfen nicht. Z u den Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. H. Zacher, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 321, u n d die dort zitierte weitere Literatur. 23 Daß Chancengleichheit etwas m i t Konkurrenz oder K o n f l i k t zu t u n hat, ist ausgesprochen bei C. Schmitt, Legalität u n d Legitimität, S. 283, A n m . 1; G. Heinemann, Die Rechtsordnung des politischen Kampfes, N J W 62, S. 889; H. Ch. Jülich, Die Chancengleichheit der Parteien, S. 89.
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D. Ausweitung auf weitere Funktionen
i n einer Konfliktsituation, da die von ihnen erstrebten Ziele, nämlich das Bestehen der Prüfung, u. U. mit einem bestimmten Prädikat, m i t einander verträglich sind 2 4 . Die Gleichheit betrifft i n solchen Fällen nicht die Folgen rechtlicher Regelungen, sondern die Mittel. Gleichheitsprüfungen sind daher i n solchen Fällen i m üblichen Schema 13.1 durchführbar, wie folgende Formulierung zeigt 2 5 : BVerwG, Urteil vom 22. 3.1963 — V I I C 141.61 — Der Unterschied zwischen Prüflingen, die den Prüfungsanforderungen gewachsen sind, und Prüflingen, die den Prüfungsanforderungen (nur) wegen (medizinisch indizierter, vorher unerkennbarer) Prüfungsunfähigkeit nicht gewachsen sind, ist kein zureichender Grund, beide Klassen von Prüflingen dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß die Prüfung der Glieder der zweiten Klasse für nicht bestanden erklärt w i r d (DÖV 63, 475)2e.
Die Aufgabe, den Ausdruck „Chancengleichheit" zu definieren, besteht darin, die Eigenschaft zu präzisieren, die die Klasse von Konfliktsfeldern von denjenigen unterscheidet, aus denen Chancengleichheit folgt. Diese Aufgabe kann hier generell nicht in Angriff genommen werden. Es ist nicht einmal sicher, ob eine solche Aufgabe lösbar ist. Vielmehr werde zur Entscheidung der Frage, ob der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz die Funktion der Gewährleistung der Chancengleichheit hat, folgender Satz formuliert und begründet: 35.10 1. Der i n der Formulierung der 2. Bedingung für den Wortgebrauch des Ausdrucks „Chancengleichheit" enthaltene Ausdruck „bestimmte, noch anzugebende Eigenschaft" kann — von genau anzugebenden Ausnahmen abgesehen — nur durch politische Entscheidungen i m Sinne der Begriffsbestimmung 34.3 zu entscheidungsfähigen Kriterien gemacht werden 2 7 . 2. Solche Ausnahmen sind die Bereiche des Parteienrechts und des Verfahrensrechts. Zur Begründung werde davon ausgegangen, daß es ein normatives Verfahren i m Sinne der Begriffsbestimmung 34.3 zur Ermittlung des 24 Etwas anderes mag i m Falle eines concours gelten, wie er an französischen Schulen üblich ist. Etwas anderes gilt auch i m Falle eines numerus clausus. Hier handelt es sich nicht (oder nicht vorwiegend) u m Prüfungen, sondern u m Bewerbungen (um die freien Plätze). Bewerbungen sind i m Gegensatz zu Prüfungen typische Konfliktsituationen. 25 Vgl. auch BayVerfGHE 17, 92 (93). 26 Dieser Leitsatz gibt Veranlassung darauf hinzuweisen, daß er i n Ubereinstimmung m i t Satz 8.1 formuliert ist. Es hätte vielleicht nahegelegen, die Prüfung der Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG innerhalb der gekennzeichneten Klasse der „durchgefallenen" Prüflinge durchzuführen. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, daß eine Ubereinstimmung m i t A r t . 3 Abs. 1 GG n u r durch ein Ungleichheitsgebot zu erzielen gewesen wäre: Prüflinge, die wegen P r ü fungsunfähigkeit „durchfallen", sind anders zu behandeln als Prüflinge, die aus anderen Gründen „durchfallen". 27 I m Ergebnis ebenso BVerfGE 21, 54 (69); B G H Z 45, 83 (91).
§ 35 Funktion zur G e w ä h r l e i s u n g der Chancengleichheit
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G e h a l t s des A u s d r u c k s „ b e s t i m m t e , noch anzugebende E i g e n s c h a f t " n i c h t g i b t . Z u r U n t e r s u c h u n g eines a n d e r e n V e r f a h r e n s w e r d e v o n f o l g e n d e r m a t h e m a t i s c h e m Ü b e r l e g u n g ausgegangen. I s t eine K o n f l i k t s i t u a t i o n d u r c h η v a r i a b l e D a t e n beschreibbar u n d b e zeichnet P i die A n z a h l der (hier als d i s k r e t angenommenen) V a r i a t i o n s m ö g l i c h k e i t e n des i - t e n D a t u m s , so ist die A n z a h l Ν der m ö g l i c h e n V a r i a t i o n e n dieser S i t u a t i o n 35.11
N=
Η Pi i=1
D i e A n z a h l d e r m ö g l i c h e n V a r i a t i o n e n e i n e r gegebenen K o n fliktsituation ist gleich d e m P r o d u k t a l l e r A n z a h l e n der V a r i a t i o n s m ö g l i c h k e i t e n der d i e S i t u a t i o n beschreibenden D a t e n . Erläuterung U m sich eine Vorstellung von der Größenordnung der K o m p l e x i t ä t von Situationen machen zu können, werde angenommen, alle variablen Daten könnten n u r dieselbe Anzahl von Werten annehmen. I n diesem F a l l geht die Formel 35.11 über i n die Formel 35.12
Ν = Pn.
Sind beispielsweise 5 variable Daten gegeben, von denen jede 3 Werte annehmen kann, so beträgt die Z a h l Ν 243. Bereits eine so einfache, i n der sozialen W i r k l i c h k e i t selten vorkommende Situation ist i n t u i t i v k a u m noch überschaubar. I m täglichen privaten Leben w i r d die Überschaubarkeit durch drastische motivgesteuerte Relevanzreduktionen gewährleistet 2 8 . I n wirtschaftlichen, politischen u n d militärischen Bereichen f ü h r t dagegen eine i n t u i t i v e Situationsbewertung leicht zu schwerwiegenden Fehlurteilen. Können etwa 12 Daten je 9 Werte annehmen, so beträgt die Z a h l Ν bereits über 282 Milliarden. Sind viele dieser Variablen relevant, so ist der Versuch, eine solche, i n ihren sozialen Voraussetzungen noch immer relativ einfache Konfliktsituation unter dem Gesichtspunkt „gerecht" oder „chancengleich" i n t u i t i v beurteilen zu wollen, eine groteske Fehleinschätzung der Beurteilungsmöglichkeiten. H i n z u kommt, daß die einzelnen Variablen i n ihrer Relevanz nicht unabhängig voneinander sind. Nach Satz 34.6 ist aber eine Funktion, die inter subjektive Präferenzrelationen zwischen den einzelnen Variablen herstellt, nicht konstruierbar. Diese verschiedenen Umstände machen eine rational begründbare Bewertung komplexer Konfliktsituationen auf G r u n d i n t u i t i v e r Einsicht — etwa durch einen Richter — i m Regelfall unmöglich 2 9 . 28 E i n Ansatz zur korrekten Analyse solcher Motivationen findet sich bei H. Stachowiak, Denken u n d Erkennen i m kybernetischen Modell, S. 37 ff., bes. S. 41 f. 29 Daß wirtschaftliche Konkurrenzsituationen noch erheblich komplexer sein können, zeigt die Überlegung, wieviele Situationen beschreibende Steuerarten m i t unterschiedlichen Sätzen, Abschreibungsmöglichkeiten, Zollsätze, Subventionsarten, Abschöpfungssätze u n d andere unmittelbar hoheitlich geregelte Daten es gibt. H i n z u k o m m t die gesamte Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand. Die A u s w i r k u n g dieser Daten ist i n t u i t i v unüberschaubar. Z u r „fast unübersehbaren Variationsmöglichkeit" von Subventionen vgl. Kl. Stern,
216
D. Ausweitung auf weitere Funktionen
D e r U m f a n g der V a r i a t i o n s m ö g l i c h k e i t e n m a c h t es u n w a h r s c h e i n l i c h , daß f ü r a l l e K o n f l i k t s i t u a t i o n e n e i n M e r k m a l d e r a r t angegeben w e r d e n k a n n , daß eine T e i l k l a s s e der Klasse a l l e r V a r i a t i o n e n als C h a n c e n g l e i c h h e i t b e d i n g e n d ausgezeichnet w i r d 3 0 . D a m i t i s t eine Sachlage gegeben, d i e ä h n l i c h der ist, d i e o b e n § 34 f ü r die sozialstaatliche F u n k t i o n beschrieben w u r d e . M i t d e n d o r t a n g e f ü h r t e n G r ü n d e n s i n d d a h e r f o l gende Sätze b e g r ü n d b a r : 35.13
1. A u s G r ü n d e n der Rechtssicherheit ist die Ü b e r f ü h r u n g des i n Satz 35.9 a n g e f ü h r t e n A u s d r u c k s „ b e s t i m m t e , noch anzugebende E i g e n s c h a f t " i n e i n entscheidungsfähiges K r i t e r i u m n i c h t der Rechtsprechung z u überlassen. A u s G r ü n d e n des Staatsrechts i s t die Ü b e r f ü h r u n g des a n g e f ü h r t e n A u s d r u c k s i n e i n entscheidungsfähiges K r i t e r i u m d e r Gesetzgebung v o r b e h a l t e n . 2. Dies g i l t n i c h t , w e n n noch anzugebende V o r a u s s e t z u n g e n v o r liegen.
Satz 35.13.1 d ü r f t e f ü r d e n B e r e i c h des Wirtschaftsrechts w e n i g s t e n s i n s o w e i t g e l t e n 3 1 , als n i c h t die F r a g e d e r C h a n c e n g l e i c h h e i t zwischen Rechtsfragen der öffentlichen Subventionierung Privater, S. 519; H. P. Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 269, 282; H. Zacher, a.a.O., S. 319 f. Theoretische H i l f s m i t t e l — allerdings auch nicht mehr — zur Bewältigung solcher Situationen liefert die mathematische Disziplin der Spieltheorie. Auch die K y b e r n e t i k ist i n der Lage, Vereinfachungsmodelle zu liefern. W i r d ein System S (unter noch anzugebenden Bedingungen) dann als ultrastabil definiert, w e n n allen Gliedern von S Chancengleichheit (in einem korrekt anzugebenden Sinne) zukommt, so fällt die Aufgabe der Herstellung von Chancengleichheit zusammen m i t der allerdings n u r prinzipiell lösbaren Aufgabe, S als multistabiles Koordinationssystem von hierarchisch geordneten ultrastabilen überschaubaren Untersystemen zu konstruieren. Notwendige Bedingung der Möglichkeit einer solchen K o n s t r u k t i o n ist die Möglichkeit, die Klasse aller S bestimmenden Daten derart i n einander fremde Teilklassen zu zerlegen, daß die Glieder der Teilklassen wenigstens teilweise i n einer noch zu bestimmenden Weise gegeneinander unabhängig oder irrelevant sind. Vgl. zu dem Problemkreis H. S. Τ sien, Technische Kybernetik, Stuttgart 1958, S. 251 ff.; H. Stachowiak, a.a.O., S. 64 ff. Diese Forschungen gehen zurück auf W. R. Ashby, A n Introduction to Cybernetics, London 1956, passim. Hier stößt das Forschungsgebiet der vorliegenden Untersuchung an eine Grenze, die n u r durch interdisziplinäre Forschung von Juristen, Nationalökonomen u n d Soziologen auf der Grundlage einer einheitlichen mathematisch-logisch zu formulierenden Sprache überschritten werden kann. A n diese Sprache werden sich auch J u r i sten gewöhnen müssen, mag auch W. Henke, i n : W D S t R L 28 (1970), S. 265, Bedenken haben. Z u der Erforderlichkeit, kybernetische Methoden auf das Gebiet der Subventionen anzuwenden, vgl. F. Ermacora, i n : W D S t R L 25 (1967), S. 405. 30 G. Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, S. 147, spricht bei Gestaltungsmaßnahmen des Staates von einem „großen Irrgarten i n sich entgegengesetzter u n d unter sich verfilzter Interessen". 31 Vgl. dazu die Ausführungen von K . Stern, a.a.O., S. 524. Weitergehend w o h l H. P. Ipsen, a.a.O., S. 303, der f ü r den Bereich der Subventionen F o r m u l i e r u n gen verwendet — „hoheitliche Respektierung der wettbewerblichen Ausgangslage" —, die H. Ch. Jülich, a.a.O., S. 96, für den Bereich der Parteien verwendet. Ipsen übersieht dabei, daß diese Respektierung n u r möglich ist, w e n n die i n Satz 35.15 ausgedrückte u n d von K . Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung
§ 35 F u n k t i o n zur Gewährleitsung der Chancengleichheit privatwirtschaftlichen Betrieben u n d Betrieben der öffentlichen auftaucht 32.
217 Hand
E i n e v o n der Rechtsprechung a n e r k a n n t e A u s n a h m e i s t d e r Bereich des Parteienrechts. Diese Rechtsprechung findet i h r e B e s t ä t i g u n g d u r c h die F o r m u l i e r u n g u n d B e g r ü n d u n g des f o l g e n d e n Satzes. 35.14 D e r B e r e i c h des P a r t e i e n r e c h t s i s t eine A u s n a h m e i m S i n n d e r Sätze 35.10.2 u n d 35.13, w e i l d i e F r a g e d e r C h a n c e n g l e i c h h e i t v o n P a r t e i e n e n t s c h e i d u n g s f ä h i g u n d e n t s c h e i d u n g s b e d ü r f t i g ist. Satz 35.14 setzt e i n e n z u r e i c h e n d e n B e g r i f f „ C h a n c e n g l e i c h h e i t " v o r aus. N u n ist es selbstverständlich, daß nicht alle Parteien unter allen Gesichtspunkten die gleiche Chance haben können, dieselben Ziele zu erreichen 3 3 . So besteht nach üblichem Sprachgebrauch i n absehbarer Zeit k a u m eine Chance, daß die F D P bei einer Bundestagswahl die stärkste Partei w i r d . Es k a n n auch nicht Aufgabe der Rechtsordnung sein, i h r eine solche Chance zu verschaffen 3 4 . Es ist daher zur Diskussion der vorliegenden Frage von einem engeren Begriff der Chancengleichheit auszugehen, als er sonst verwendet w i r d 3 5 . Wie dem allgemeinen Begriff „gleich" ein engerer Begriff „verfassungsrechtlich gleich" gegenübergestellt wurde, werde dem Begriff „chancengleich" der Begriff „rechtlich chancengleich" gegenübergestellt. Es werde allerdings darauf v e r zichtet, den Begriff „rechtlich chancengleich" m i t Hilfe des Begriffs „chancengleich" zu definieren. F ü r d e n b e g r e n z t e n B e r e i c h des P a r t e i e n r e c h t s w e r d e d e r f o l g e n d e A u s d r u c k rechtlich chancengleich eingeführt. 35.15
„ R e c h t l i c h chancengleich" i s t e i n P r ä d i k a t a u s d r u c k , d e r P a a r e n v o n P a r t e i e n g e n a u d a n n z u k o m m t , w e n n die D a t e n des K o n f l i k t s feldes, dessen B e t e i l i g t e die P a r t e i e n i m f o r m e l l e n Prozeß d e r S t a a t s w i l l e n s b i l d u n g sind, n u r i n d e m M a ß v o n r e c h t l i c h e n Regel u n g e n abhängen, das z u r E r r e i c h u n g des Zieles dieses Prozesses u n b e d i n g t e r f o r d e r l i c h i s t 3 6 , u n d w e n n diese r e c h t l i c h e n R e g e l u n g e n die P a r t e i e n verfassungsrechtlich gleich behandeln 3 7 » 8 8 .
der politischen Parteien, S. 28, ebenfalls geforderte Minimalisierung der Rechtse i n w i r k u n g befolgt w i r d . Gerade das geschieht i m Subventionsbereich nicht u n d soll dort j a auch nicht geschehen. 32 Vgl. dazu unten die Erläuterungen zu Satz 35.16. 33 Ebenso BVerfGE 4, 31 (43); 21, 196 (199 f.); K. Hesse, a.a.O., S. 38 f.; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, Göttingen 1964, S. 189; H. Ch. Jülich, a.a.O., S. 95 f. 34 Vgl. dazu BVerfGE 8, 51 (65, 68); 14, 121 (134); 20, 56 (108); 24, 300 (344). 35 Resignierend u n d begriffsrealistisch voraussetzend, daß es die Chancengleichheit der Parteien gäbe, ist K. Hesse, a.a.O., S. 39, w e n n er aus den t a t sächlichen Differenzen der Parteien den Schluß zieht, die gleiche Chance der Parteien bleibe notwendig, unvollkommen, „eine Lage, für die es keine andere Rechtfertigung gibt, als die des geringeren Übels". 36 Ä h n l i c h K. Hesse a.a.O. S. 28. 37 Vgl. dazu BVerfGE 20, 56 (99,102,107,116). I m Ergebnis w o h l ebenso H. Ch. Jülich, a.a.O., S. 96.
218
D. Ausweitung auf weitere Funktionen
Erläuterung Die erste Bedingung betrifft die Existenz von Wahl-, Versammlungs- u n d ähnlichen Gesetzen. Solche Bestimmungen sind erforderlich, u m das Ziel der Parteien zu ermöglichen, i m formellen Prozeß der Staatswillensbildung einen möglichst großen Einfluß zu erringen. Solche Bestimmungen sind nicht ohne Einfluß auf die — hier nicht definierte — Chancengleichheit der Parteien. M a n denke n u r an die verschiedenen Chancen, die etwa ein Mehrheits- oder V e r hältniswahlrecht verschiedenen Parteien bietet. Soweit die Festlegung eines solchen Systems erforderlich (und nach anderen Verfassungsbestimmungen zulässig) ist, beeinträchtigt sie zwar möglicherweise die Chancengleichheit, nicht aber die rechtliche Chancengleichheit. Die zweite Bedingung formuliert die selbstverständliche Forderung, daß alle Normen, die den formellen Prozeß der Staatswillensbildung regeln, die Beteiligten verfassungsrechtlich gleich behandeln 3 9 .
Die Begründung der Entscheidung s fähigkeit Satz:
geschehe durch folgenden
35.16 I m Bereich des Parteienrechts ist die Frage, ob Chancengleichheit i m Sinne der Begriffsbestimmung 35.15 vorliegt oder nicht, deswegen entscheidungsfähig, weil die Anzahl der variablen Daten des Konfliktsfeldes, die rechtlich geregelt sind, so klein ist, daß der Bereich überschauhbar bleibt. Erläuterung Solche Daten sind ζ. B. die Einteilung der Wahlkreise (§ 2 Abs. 2 BWahlG), Zulässigkeit von Landeslisten u n d ihre Verbindung (§ 6 f.) und die Unterschriftenquoren (§§ 21 Abs. 2, 28 Abs. 1). Dazu gehören auch Regelungen über Sendezeiten i m W a h l k a m p f u n d über die Parteienfinanzierung. Schließlich ist ein solches D a t u m auch der Umstand, daß es Behörden nach A r t . 3 Abs. 1 u n d 3, 21 Abs. 2 Satz 2 GG verwehrt ist, bei ihren Entscheidungen die politischen Zielsetzungen der Parteien zu w e r t e n 4 0 . 38 Rechtlich setzt Chancengleichheit verfassungsrechtliche Gleichheit i m Sinne der Begriffsbestimmung 3.7 behandeln, sondern daß sie nicht ohne zusein, ohne daß verfassungsrechtliche Gleichheit gewährt ist. Dies k a n n ζ. B. beim Los-Verfahren der F a l l sein (Auslosung der Wehrpflichtigen oder der Studienbewerber bei numerus-clausus). Vgl. dazu W. Schaumann, Gleichheit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip, S. 723, A n m . 15. Erst w e n n feststeht, daß Wehrpflichtige oder Studienbewerber ungleich behandelt werden dürfen, w i r d das Problem aktuell, die faktische Ungleichheit nach den Regeln der rechtlichen Chancengleichheit zu verteilen. Das Los-Verfahren dürfte wegen Verstoßes gegen Satz 25.2.3 verfassungsrechtlich unzulässig sein. 39 Damit ist nicht gefordert, daß diese Regelungen die Parteien gleich i m Sinne der Begriffsbestimmung 3.7 behandeln, sondern daß sie nicht ohne zureichenden G r u n d ungleich behandelt werden. Gibt es also einen zureichenden Grund, Sendezeiten an die Parteien ungleich zu verteilen — vgl. dazu oben § 25 —, so mag diese Ungleichheit die Chancengleichheit berühren. Da diese Ungleichheit dann aber keine verfassungsrechtliche Ungleichheit bedeutet, v e r letzt sie auch die rechtliche Chancengleichheit der Parteien nicht. 40 Vgl. dazu BVerfGE 7, 99 (107 f.); V G H München, Urt. v. 28. 2.1966, N J W 66, 751 f. (gekürzt); H. J. Rinck, Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit u n d das Bonner Grundgesetz, S. 224.
§ 35 F u n k t i o n zur G e w ä h r l e i s u n g der Chancengleichheit
Die Begründung der Entscheidungsbedürftigkeit gendem Satz:
219
geschehe nach fol-
35.17 1. I m Bereich des Parteienrechts ist rechtliche Chancengleichheit nur gewährt, wenn es eine neutrale Instanz gibt, die über das Vorliegen der rechtlichen Chancengleichheit entscheidet. 2. Hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer neutralen I n stanz ist dabei der Umstand, daß die Instanz nicht Beteiligte der Konfliktsituation i m Sinne der Definition 35.5 ist, deren Beteiligten die Chancengleichheit zukommen oder nicht zukommen kann 4 1 . Begründung Da es für das Funktionieren des formellen Prozesses der Staatswillensbildung i n einer Demokratie erforderlich ist, daß Parteien rechtliche Chancengleichheit haben, die rechtliche Chancengleichheit infolge der unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten auf das das Konfliktsfeld regelnde Normsetzungsverfahren ständig gefährdet ist, ist die Existenz einer neutralen Instanz notwendige Bedingung für die Gewährleistung der rechtlichen Chancengleichheit 4 2 . Erläuterung Dadurch, daß alle Parteien einerseits i n der Konfliktsituation des Kampfes u m die politische Macht stehen u n d n u r einige Parteien über die Macht v e r fügen, das Konfliktsfeld dieses Kampfes rechtlich zu regeln 4 8 , besteht die Gefahr, daß diese Parteien die Macht zu ihren Gunsten mißbrauchen 4 4 . Diese Gefahr ist allerdings n u r gegeben, w e n n Parteien die Regeln des politischen fair play nicht einhalten oder Wähler eine Verletzung dieser Regeln nicht entsprechend bewerten. Dem oben formulierten Satz liegt die Prämisse zugrunde, daß diese Lage i n der Bundesrepublik vorliegt. 41
Nicht zufriedenstellende Versuche, engere Neutralitäts- oder O b j e k t i v i tätskriterien zu formulieren, finden sich bei R. Firth , Ethical Absolutism and the Ideal Observer, S. 338 f.; H. D. Aiken, The Concept of M o r a l Objectivity, S. 96. Zur Problematik der Neutralität vgl. C. Schmitt, Legalität u n d L e g i t i m i tät, S. 290. 42 Vgl. dazu BVerfGE 9, 162 (165); 20, 56 (99 f.). Eingehend ist diese Problem a t i k erörtert worden von C. Schmitt, a.a.O., S. 285, 287, 289. Schmitts These ist w o h l die, daß unter der Voraussetzung, daß bestimmte, noch zu formulierende Homogenitätsvoraussetzungen entfallen sind, die oben formulierte notwendige Bedingung nicht zugleich hinreichende Bedingung f ü r die Chancengleichheit von Parteien ist. Dieser These — eine Tatsachenprognose — dürfte k a u m zu widersprechen sein. Die neutrale Instanz — z. B. das B u n desverfassungsgericht — verschärft die Bedingungen f ü r einen Kollaps der parlamentarischen Demokratie, ohne die prinzipielle Möglichkeit eines solchen Kollapses zu verhindern. Vgl. dazu A. Podlech, Rechtskybernetik — eine juristische Disziplin der Zukunft, S. 169. 43 Die Bedingungen dieses Umstandes untersuchen J. M. Buchanan, G. Tullock, The Calculus of Consent, S. 119 ff. 44 Z u dem Umstand, daß i m ökonomischen Bereich durch Subventionierung ähnlicher Mißbrauch möglich ist, vgl. H. P. Ipsen, a.a.O., S. 263: H. Zacher. a.a.O., S. 310. Satz 34.7 liegt die Uberzeugung zugrunde, daß diesem Mißbrauch, soweit der Topos „Gleichheit" einschlägig ist, durch den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz i n der Interpretation der Arbeitsfassung 12.1 i m Rahmen der bürokratischen F u n k t i o n 31.1 gesteuert werden kann.
220
D. Ausweitung auf weitere Funktionen
M i t der Entscheidungsbedürftigkeit der Frage der Chancengleichheit steht noch nicht fest, daß der Gleichheitssatz auch die Funktion hat oder haben soll, sie zu garantieren. Die Entscheidungsbedürftigkeit ist ein Faktum, das unter gewissen angebbaren und soziologisch zu untersuchenden Bedingungen besteht. Die Frage, ob der Gleichheitssatz die Funktion hat, also Rechtsregeln gelten, die eine Folge dieser Funktion sind, ist auf Grund der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts positiv zu beantworten. Die Frage, ob der Gleichheitssatz diese Funktion haben soll, werde durch den Hinweis beantwortet, daß nach üblicher juristischer Argumentation eine solche Gültigkeitsvoraussetzung wohl den A r t . 3 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 1 und 2, 38 Abs. 1 GG zu entnehmen ist 4 5 . Als Ergebnis werde daher formuliert: 35.18 Die politische Ver fahr ensfunktion Der Gleichheitssatz hat (wenigstens) i m Bereich des Parteienrechts die Funktion, die rechtliche Chancengleichheit der am formellen Prozeß der Staatswillensbildung Beteiligten zu gewährleisten. Als Diskussionsthese werden versuchsweise an die Formulierung weiterer Fälle rechtlicher Chancengleichheit entsprechend folgende Bedingungen gestellt: 35.19 Der Gleichheitssatz hat die Funktion, auf Rechtsgebieten rechtliche Chancengleichheit zu gewährleisten, wenn 1. für das Rechtsgebiet ein Begriff „rechtliche Chancengleichheit" formuliert werden kann, der entscheidungsfähig ist, 2. die Frage der rechtlichen Chancengleichheit für das Rechtsgebiet entscheidungsbedürftig ist, 3. die Entscheidungsbedürftigkeit normativ begründbar ist. Erläuterung Die ersten beiden Bedingungen entsprechen den Sätzen 35.13 u n d 35.14. Z u r d r i t t e n Bedingung ist anzumerken, daß eine normative Begründung nicht ausschließlich dem Verfassungsrecht entnommen zu werden braucht. Aus diesem G r u n d wurde der Ausdruck „rechtliche Chancengleichheit" anstatt des A u s drucks „verfassungsrechtliche Chancengleichheit" gewählt. Z. B. hat E. Langen i n einer Besprechung der oben zitierten Entscheidung B V e r w G E 17, 306 darauf hingewiesen, daß aus § 26 G W B f ü r Verwaltungsmaßnahmen zugunsten von Betrieben i n öffentlicher H a n d eine Begründung f ü r die Gewährleistung rechtlicher Chancengleichheit entnommen werden k a n n 4 6 .
Die Diskussionsthese 35.19 soll noch an dem bereits i n Satz 35.10.2 erwähnten Beispiel des Prozeßrechts erprobt werden 4 7 . Ausgegangen 45 Eine zutreffende Begründung befindet sich bei H. Ch. Jülich, S. 69 ff. 46 E. Langen, i n : N J W 64, 2076. 47 Vgl. dazu H. Scholler, a.a.O., S. 30 ff.
a.a.O.,
§ 35 F u n k t i o n zur Gewährleitsung der Chancengleichheit
221
werde dazu von der ersten Armenrechtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Beschluß vom 17. 6.1953 — 1 BvR 668/52 — A u f dem Gebiet des Verfahrensrechts ist der Unterschied zwischen bemittelten u n d unbemittelten Verfahrensbeteiligten kein zureichender Grund, beide Klassen von Verfahrensbeteiligten dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß Gliedern der zweiten Klasse das Klageerzwingungsverfahren faktisch gesperrt w i r d (BVerfGE 2, 336 [340]). Begriffsbestimmung Unbemittelt i m Sinne des vorstehenden Satzes ist ein Verfahrensbeteiligter i m m e r dann, wenn er a r m ist i m Sinne des (prozessualen) Armenrechts. 1. Hilfssatz Die Nichtzulassung des Armenrechts f ü h r t infolge des durch § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO angeordneten Anwaltszwanges u n d der dadurch bedingten, von einem unbemittelten Verfahrensbeteiligten n u r schwer oder gar nicht aufzubringenden Kosten zu einer faktischen Sperrung des Klageerzwingungsverfahrens für die Glieder der zweiten Klasse. 2. Hilfssatz V o n den beiden, f ü r die faktische Sperrung k o n j u n k t i v e n Bedingungen der Unbemitteltheit u n d des Anwaltszwanges ist letztere, da allein sie eine durch die Rechtsordnung gesetzte Bedingung ist, f ü r die faktische Sperrung rechtlich die allein ausschlaggebende Bedingung. Der Anwaltszwang ohne die Zulassung des Armenrechts ist daher rechtlich der Grund der faktischen Sperrung 4 8 . Diskussion A n der Formulierung des Leitsatzes fällt auf, daß die durch sie beschriebene Klassenbildung — bemittelte u n d unbemittelte Verfahrensbeteiligte — nicht durch eine Prozeßrechtsregel erfolgt, sondern ein — für das Gebiet des Prozeßrechts — vorgegebenes F a k t u m ist. Erst durch die Hilfssätze w i r d eine Beziehung zwischen der Ungleichheit u n d Rechtsregeln hergestellt. Da alle V e r fahrensbeteiligten i n denselben Prozeßrechtsverhältnissen zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt stehen, liegt keine verfassungsrechtliche U n gleichheit vor. Da die bestehende Ungleichheit durch Tatsachen bedingt ist, ist die Bedingung 35.2 erfüllt, so daß möglicherweise eine Verletzung der Chancengleichheit vorliegt.
Diese Überlegungen legen es nahe, die Bedingung 35.2 korrekter folgendermaßen zu formulieren: 35.20 1. Bedingung N u r dann, wenn die eine Ungleichheit implizierende Klassenbildung nicht durch Rechtsregeln, sondern durch Tatsachen bedingt ist, ist diese Ungleichheit eine Verletzung der Chancengleichheit. Erläuterung Die Formulierung dieses Satzes zeigt die Notwendigkeit, der Prüfung zweifelhafter Fälle nicht die Arbeitsfassung 12.1, sondern die korrekten Definitionen 38.6 ff. zugrunde zu legen. Es ist nämlich m i t dem üblichen Sprachgebrauch 48
Vgl. dazu P. Lerche, i n : DÖV 61, 488.
D. Ausweitung auf weitere Funktionen
222
vereinbar, zu sagen, die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt behandele bemittelte u n d unbemittelte Verfahrensbeteiligte ungleich, w e n n sie trotz Anwaltszwanges kein Armenrecht zulasse. Es ist m i t dem üblichen Sprachgebrauch aber nicht vereinbar u n d w i r d durch die Definition 4.7 ausdrücklich ausgeschlossen, zu sagen, i n diesem F a l l ständen verschiedene Personen i n verschiedenen Rechtsverhältnissen zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt.
Für die Praxis kann die 1. Bedingung i n folgende Regel gefaßt werden: 35.21 Regel Bedarf es zur korrekten Formulierung einer Gleichheits-Entscheidung und ihrer Begründung außer der Formulierung des Leitsatzes der Formulierung und Begründung eines oder mehrerer Hilfssätze, so muß geprüft werden, ob ein Fall der Verletzung der Chancengleichheit vorliegt. Fortsetzung der Diskussion Eine Prozeßsituation ist eine Konfliktsituation i m Sinne der Begriffsbestimmung 35.5. Insofern ist auch die Bedingung 35.9 erfüllt. Es bedarf n u n der Formulierung eines entscheidungsfähigen Begriffs „Chancengleichheit" für das Gebiet des Verfahrensrechts, u m die Bedingung 35.19.1 zu erfüllen.
Zur sprachlichen Vereinfachung der folgenden Definition werden folgende Festlegungen getroffen: 35.22 Entscheidungserheblich heißt jedes Datum genau dann, wenn es eine entscheidungserhebliche Tatsache 49 i n einem gerichtlichen Verfahren ist. 35.23 Ein nicht entscheidungserhebliches Datum heißt genau dann diskriminierend, wenn es eine rechtliche Regelung derart gibt, daß infolge dieser rechtlichen Regelung das nicht entscheidungserhebliche Datum für den Ausgang des Verfahrens erheblich sein kann. Für den begrenzten Bereich des Verfahrensrechts werde daher folgender Ausdruck rechtlich chancengleich eingeführt. Diese Einführung sei jedoch nur ein Diskussionsvorschlag, da ohne eingehende prozeßrechtliche Untersuchungen nicht entschieden werden kann, ob die vorgeschlagene Formulierung allen verfahrensrechtlichen Problemen gerecht wird. 35.24 „Rechtlich chancengleich" ist ein Prädikatausdruck, der Paaren von Verfahrensbeteiligten genau dann zukommt, wenn das Konfliktsfeld der Beteiligten kein diskriminierendes Datum enthält. Fortsetzung der Diskussion Der Umstand, daß ein Verfahrensbeteiligter bemittelt oder unbemittelt ist, ist nach bundesrepublikanischem Prozeßrecht i n der Regel keine entschei49
Vgl. dazu L. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, § 60 I 2.
§ 35 Funktion zur G e w ä h r l e i s u n g der Chancengleichheit
223
dungserhebliche Tatsache. Ausnahmen sind etwa das Armenrechtsverfahren oder das Strafverfahren, w e n n es beispielsweise u m die Höhe der Geldstrafe geht. Der Umstand, daß ein Verfahrensbeteiligter durch einen A n w a l t v e r treten ist, k a n n f ü r den Ausgang eines Verfahrens erheblich sein. Die E i n führung des Anwaltszwanges ohne die Einführung des Armenrechts macht aus dem entscheidungsunerheblichen D a t u m „unbemittelt" ein diskriminierendes Datum. Damit ist die Bedingung 35.19.1 erfüllt. A u f die Diskussion der Bedingungen 35.19.2 u n d 35.19.3 werde verzichtet, da sie weniger A r t . 3 GG als das Verhältnis von Verfassungs- und Prozeßrecht betreffen 5 0 . A l s Ergebnis werde formuliert: 35.25 Die prozeßrechtliche
Verfahrensfunktion
D e r Gleichheitssatz h a t (wenigstens) i m B e r e i c h des (gerichtlichen) V e r f a h r e n s r e c h t s die F u n k t i o n , a l l e n a n e i n e m V e r f a h r e n B e t e i l i g t e n die rechtliche C h a n c e n g l e i c h h e i t z u g e w ä h r l e i s t e n 5 1 .
50
Jede Beziehung zwischen Satz 35.24 u n d A r t . 3 Abs. 1 GG leugnet. J. Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz u n d D r i t t w i r k u n g , S. 343. 51 Ebenso BVerfGE 22, 83 (86ff.). A . A . jedoch BVerfG, Beschluß v o m 11.8. 1964, i n : N J W 65, 147 m i t A n m e r k u n g v o n A. Arndt. Undeutlich B G H Z 51, 79 (83).
ANHANG
Logische, rechtetheoretische und philosophische Einzelprobleme des Gleichheitssatzes § 36 Das logische Begriffsnetz des Anhangs
Es seien folgende Junktoren i n der üblichen Verwendung gegeben: ι " (Negation), „ v " (Disjunktion), „ A " (Konjunktion), „ = > " (Implikation) und „ o " (Äquivalenz). Es seien ferner folgende Quantoren und Operatoren gegeben »(aß" (Existenzquantor), „ ( y ) " (Allquantor) und „(A)" (Lambda-Operator). Für die Quantoren gelten die üblichen Kegeln. Der Lambda-Ausdruck „(A x) [ . . . χ . . . ] " bezeichne die Klasse derjenigen x, für die das i m Operand „ . . . x . . . " Ausgedrückte gilt 1 . Für die eingeführten logischen Zeichen wie für alle folgenden i n diesem Paragraphen definierten Ausdrücke w i r d bei der Verwendung stillschweigend von dem Gesetz der Stufenerhöhung 2 Gebrauch gemacht. Nur gelegentlich w i r d zur Vermeidung von Mißverständnissen oder zur Verdeutlichung der Ausdrucks-Typ angegeben. Diese Angaben folgen den Regeln von R. Carnap 3. Als Satzvariable werden gelegentlich „ p " , „ q " , . . . verwendet. Es sei ω = {α, b, c , . . . } ein fest vorgegebener Individuenbereich. Als Individuenvariable finden Verwendung „ u " , „w", „x", „ y " und „z". Als Prädikatenkonstanten erster Stufe seien fest vorgegebenen „ P " , „Q", „R", „S" und „ T " . Weitere Konstante werden durch Konvention eingeführt. Als Prädikatenvariable erster Stufe finden Verwendung „F", „G", „ H " und „K". Als Prädikatenvariable zweiter Stufe finden Verwendung „ M " und „ N " . Für die Verwendung der Klammern gelte die absteigende StandardFolge: die Äquivalenz trennt stärker als die Implikation, die Implikation stärker als die Disjunktion, die Disjunktion stärker als die Konjunktion. Für einige weitere Ausdrücke werden besondere Klammerregeln angegeben. 1
Vgl. dazu R. Carnap , Einführung i n die symbolische Logik, S. 130 ff. Ebd., Satz L 16-1, S. 65 ff. 8 Ebd., S. 80 ff. E i n i n t u i t i v einleuchtendes Beispiel f ü r die Notwendigkeit des Typensystems zur Vermeidung logischer Widersprüche auf dem Gebiet der allgemeinen Verhaltenslehre bringt K . Menger, Moral, W i l l e u n d Weltgestaltung, S. 54 f. 2
§ 36 Das logische Begriffsnetz des Anhangs
225
Die den N u m m e r n am l i n k e n Rand i n K l a m m e r n hinzugefügten N u m m e r n bezeichnen die Sätze der vorliegenden Arbeit, f ü r die die Sätze des Anhangs korrekte Äquivalente sein sollen. Zifferngruppen a m rechten Rand von Beweisen, die nur aus durch Punkte getrennten Zahlen bestehen, bezeichnen den Satz der vorliegenden Arbeit, dem die betreffende Zeile entspricht oder durch dessen Anwendung sich die betreffende Zeile aus der vorhergehenden ergibt. Andere Ziffern- u n d Buchstabengruppen am rechten Rand von Beweisen bezeichnen diejenigen logischen Lehrsätze, durch deren Anwendung sich die betreffende Zeile aus der vorhergehenden ergibt. Dabei verweisen die m i t „ L " beginnenden Gruppen auf die Zählung von R. Carnap 4, die m i t einem beliebigen anderen großen Buchstaben beginnenden Gruppen auf die Zählung von H. A. Schmidt 5. Hinweise auf Definitionen verweisen m i t „ D " beginnend auf die Zählung von R. Carnap 4. 36.1.1
x = y o D e f (VF) [F (x) =» F (y)]
D17-la
Individuen χ und y heißen identisch, wenn für alle Eigenschaften gilt, daß immer dann, wenn χ eine Eigenschaft zukommt, diese Eigenschaft auch y zukommt. 36.1.2 Klammerregel zu 36.1 Die Zeichen „ = " und
X 4= y oDe{
—I (X = y)
D17-lb
binden stärker als alle anderen Zeichen.
36.2.1
ι (χ, y) ^Def
36.2.2
J (X, y)^Def^
= y
D29-1
+ Î/
D29-2a
36.3.1
Im (F) oDef(3x)F(x)
D17-2a
36.3.2
2 m (F)o D e f (3X) (3y) [F (x) A F (y) Λ χ φ y] D17-2b
X
Erläuterung zu 36.3 Der Ausdruck „ 1m(F)" besagt, daß die Klasse F mindestens ein Glied, der Ausdruck „2 m (F)" besagt, daß sie mindestens zwei Glieder enthält. Die Definitionen 36.3 sind Hilfsdefinitionen zur Definition der Kardinalzahlen 36.4. 36.4.1
0 (F) o D e f —ι 1 w (F)
36.4.2
1 (F) o D e f
l
\ 2 m (F)
D17-3b
36.4.3
2 (F) o D e f
2 W (F) Λ —ι 3m (F)
D17-3c
m
(F) A
D17-3a
Erläuterung zu 36.4 36.4 enthält die Definition der Anfangsreihe der Kardinalzahlen. Der Ausdruck „0(F)" besagt, daß F die leere Klasse ist, F also kein Glied enthält. Der Ausdruck „1(F)" besagt, daß die Klasse F genau ein Glied enthält. 4 5
R. Carnap , a.a.O., passim. Η. Α. Schmidt, Mathematische Gesetze der Logik, passim.
15 Podlech
226
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
I n dem Ausdruck „R(a,h) ( t, der gelesen werde „a steht zu b i n der Relation R " heißen α ein Erstglied u n d b ein Zweitglied der Relation R. 36.5.1
mem1 (H) (x) Def (3y) H (x, y)
D 18-1
Erstglied einer Relation heißt jedes Individuum, w e n n es ein weiteres I n d i v i d u u m gibt, das zu i h m i n der Relation steht. 36.5.2
memg (H) (x) D e f (3y) H (y, x)
36.5.3
mem (H) (x) Def mem1 (H) (χ) V mem% (H) (x)
D 18-2
D 18-3
Die Klasse memi (H), also die Klasse aller Erstglieder, heißt Vorher eich der Relation H, die Klasse mem^ (H), also die Klasse aller Z w e i t glieder, heißt Nachher eich der Relation H, die Klasse mem (H), also die Klasse aller Glieder der Relation, heißt Feld der Relation. 36.5.4
init (H) (x) Dtt mem1 (Η) (χ) Λ "π mem^ (H) (x) D 32-8a Anfangsglied einer Relation heißt jedes Erstglied dieser Relation, das kein Zweitglied dieser Relation ist.
36.6.1
Uri! (H) D e f (vu)(Vv)(Vx)[H
(u, x) A H (v, x) => u = v]
D 19-1
E i n Relation heißt voreindeutig oder einmehrdeutig, wenn es zu jedem Zweitglied der Relation n u r ein Erstglied gibt, das zu i h m i n der Relation steht. 36.6.2
Ung (H) Def (vu) ( y x ) (vy) [H ( u, x) A H (u, y) => χ = y]
D 19-2
Eine Relation heißt nacheindeutig oder mehr eindeutig, w e n n es zu jedem Erstglied der Relation n u r ein Zweitglied gibt, zu dem es i n der Relation steht. 36.6.3
U n ^ a i H j o o r f ü n i i H ) MJn 2(H)
D19-1
Eine Relation heißt eineindeutig, wenn sie voreindeutig u n d nacheindeutig ist, d. h. wenn es zu jedem Erstglied genau ein Zweitglied gibt. 36.7.1
F c G o D e f ( y x ) [F (χ) =Φ F (y)]
36.7.2
G
D 28-3
F oDef F c G
Eine gegebene Klajssie heißt Teilklasse »einer Klasse — und damit die Klasse eine Einschlußklasse oder Oherklasse der gegebenen Klasse —, wenn f ü r alle Individuen gilt, daß immer dann, w e n n ein I n d i v i d u u m Glied der gegebenen Klasse ist, es auch Glied der Klasse ist.
§ 36 Das logische Begriffsnetz des Anhangs
227
Erläuterungen zu 36.7 Die zwischen Klassen definierte Relation „ c " werde gelesen „ F ist i n G enthalten". Sie heißt die Einschlußrelation. „=>" ist ihre Konverse. Klammerregel zu 36.7 Die Zeichen „ c " u n d „ =5 " binden stärker als alle anderen Zeichen m i t Ausnahme der Negation. 36.8
(H I K) (x, y ) D e f (aru) [ H (x, u) A K (u, y)]
D 30-1
Verkettung zweier Relationen H und Κ heißt diejenige zwischen χ und y bestehende Relation, die genau dann zwischen χ und y besteht, wenn es ein u derart gibt, daß χ zu u in der Relation Η und u zu y i n der Relation Κ steht. Erläuterung „Onkel von" ist eine Verkettung der Relationen „Bruder von" u n d „ E l t e r n t e i l von", χ ist ein Onkel von y , w e n n es eine Person u gibt, die Bruder von u u n d ein Elternteil von y ist. 36.9.1
Η -1 (x, y) D e { H (y, x)
D 30-3
Konverse einer gegebenen Relation heißt diejenige Relation, i n der alle Glieder der gegebenen Relation, aber i n umgekehrter Reihenfolge zueinander stehen. 36.9.2
HO (x, y) Def x = y A mem (H) (x)
36.9.3
Hl
36.9.4
H2
o
Dtf H
D e f
H|H
D 30-2a D30-2b D 30-2c
Erläuterungen zu 36.9 Durch 36.9 sind die Relationspotenzen eingeführt. Bezeichne „Va(x,y)" den Umstand, daß χ der Vater von y ist, so bezeichnet ,,να-^,χ)" den Umstand, 2 daß y K i n d des Mannes χ ist. ,,Va (x,z)" bedeutet, daß χ der Vater des Vaters von z, also einer seiner Großväter ist.
Für inhomogene Relationen gelten folgende entsprechende Definitionen. 36.10
Es sei F ein einstelliger Prädikatausdruck vom Typ (0) und M ein dreistelliger inhomogener Relationsausdruck vom Typ ((0), 0,0). Dann gelten für die Relationspotenzen folgende Definitionen:
36.10.1
M (F, x , y) -1
36.10.2
M (F, x, y)0
D e f x = y A mem (M) (F, x, y)
36.10.3
M (F, x, y ) 1
D e f M (F, x, y)
15•
ef
M (F, y, x)
228 36.10.4
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes M (F, χ, y)2
Dci mem (M) (F, χ, y) A mem (M) (F, χ, u) Amern (M) (F, u, y) A
[F (x, u) A F (u, y)]
Erläuterung zu 36.10 Es bezeichne „ R o t " die Eigenschaft, rot zu sein, „Gl" die Eigenschaft, i n einer bestimmten Hinsicht gleich zu sein. „Gl(Rot,x,y)" heißt dann, daß χ u n d y hinsichtlich der Eigenschaft, rot zu sein, gleich sind. 36.10 definiert f ü r solche inhomogenen Relationen die Relationspotenzen. 36.11.1
Sym (H) Def (yx)(yy)
[H (x, y) =ï ff (y, x)]
o
D 31-la
ffcff-l
D 31-2a
Eine Relation heißt symmetrisch, wenn für jedes Paar der Relation die Relation auch i n der umgekehrten Richtung gilt. 36.11.2 36.11.3
As(H)oDefHcz —iH-l
D 31-lb
Trans (H) Oef ( y x ) (yy) (yz) [ff (x, y) A H (y, ζ) =Φ ff (χ, ζ)] ο
Η
2
c Η
D 31-2a
Eine Relation heißt transitiv, wenn aus dem Umstand, daß χ zu y und y zu ζ i n dieser Relation stehen, immer folgt, daß auch χ zu ζ i n dieser Relation steht. 36.11.4
Intr (ff) D e f ff 2 c —ι
36.11.5
Refi (ff) D e f (yx) [mem (ff) (x) ο
ff 0
c=
ff ff
D 31-2b (x, x)]
ff
D 31-3a
Eine Relation heißt reflexiv, wenn jedes Glied der Relation zu sich selbst i n der Relation steht. 36.11.6
Irr (ff) D e f ff c J
D 31-3b
Für inhomogene Relationen gelten folgende entsprechende Definitionen. 36.12
36.12.1
Es sei F ein einstelliger Prädikatsausdruck von Typ (0) und M ein 'dreistelliger inhomogener Relationsausdruck vom Typ ((0), 0,0). Dann gelten für die Symmetrie, Transi t i v i tät und Reflexivität folgende Definitionen: Sym ( M, F) D e f M (F, x, y) =$Μ (F, χ, y) -1
36.12.2
Trans (M, F) D e f M (F, x, y)2 => M (F, x, y)
36.12.3
Refi (M, F) < ^ D e f M (F, x, y)o => M (F, x, y)
§ 36 Das logische Begriffsnetz des Anhangs
229
Erläuterung zu 36.12 Die durch 36.11 definierten Ausdrücke „ S y m " , „Trans" und „Refl" sind v o m T y p ((0,0)). Korrekterweise müßte den durch 36.12 definierten entsprechenden Ausdrücken vom T y p (((0),0,0)) ein Unterscheidungsmerkmal — etwa ein Index m i t Angabe der Stufe — hinzugefügt werden. Da die durch 36.11 u n d 36.12 definierten Ausdrücke i m folgenden nie ohne Argumente verwendet werden, ein Mißverständnis also ausgeschlossen ist, werde auf die Unterscheidung verzichtet.
Grundlegende Ausdrücke i n der Logik und Mathematik sind die verschiedenen Abbildungsbegriffe. I m folgenden werden die beiden A b bildungsbegriffe definiert, die i n dieser Untersuchung Verwendung finden. 36.13.1
Corr (H, F, G) O e { ( y x ) (w) [ mem1 ( H) (χ) =» F (χ) Λ mem2 (Η) (y) =ϊ G (y)]
Eine Relation H heißt Korrelator zweier Klassen F und G, wenn alle Glieder des Vorbereichs von H Glieder von F und alle Glieder des Nachbereichs von H Glieder von G sind. I n diesem Fall w i r d auch gesagt, H leiste eine Abbildung aus F in G. 36.13.2
H ; Κ (x, u) De{ (ju) (iv) [K (u, ν) A H (x, u) A H (y, v)] ο
H I Κ I H-1
Eine Relation heißt Η-Bild von K , wenn Κ H und dessen Konverse verkettet. 36.14.
Her (F,H) D e f (yx) (vy) [ F (χ) A H (x, y) => F (y)]
D 36-1
Eine Eigenschaft heißt erblich in bezug auf eine Relation, die immer dann allen Gliedern i n der Relation zukommt, wenn sie wenigstens einem Glied der Relation zukommt. 36.15.1
H = ° (x, y)
0
F (y)]
D 36-2
(x, y) Def (H | H= °) (x, y)
D 36-3
Erläuterung zu 36.15 „ H > 0 (x, y)" besagt, daß zwischen χ und y eine endliche positive Potenz (36.9) von H besteht. Bedeutet „Elt (x, y)", daß χ ein Elternteil von y ist, so bedeutet „ E l t > 0 (z, y)", daß ζ ein Vorfahre von y ist. 36.17
Hier (H) Def As (Η) Α Όηχ (Η) A 1 Cmit (H))
A
( y x ) (Vy) [init (H) (x) A mem2 (H) (y) => Η > 0 (x, y)]
D 53-8
230
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
Eine Relation heißt Hierarchie, wenn sie folgenden Bedingungen genügt: 1. sie ist asymmetrisch und voreindeutig, 2. sie hat genau ein Anfangsglied, 3. jedes Glied der Relation ist vom Anfangsglied aus i n endlich vielen Relationsschritten erreichbar. 36.18.1
FH G =
Def(k
χ) [F (x) A G (χ)]
Vereinigung zweier Klassen heißt die Klasse derjenigen Glieder der beiden Klassen, die jeder der beiden Klassen angehören. 36.18.2
F UG =
Def
(λ x) [F (χ) V G (χ)]
Durchschnitt zweier Klassen heißt die Klasse derjenigen Glieder der beiden Klasse, die wenigstens einer der beiden Klassen angehören. 36.18.3
Diff (F, G) =
Def
(λ x) [F (χ) A —ι G (χ)]
Differenz zweier Klassen heißt die Klasse derjenigen Glieder der ersten Klasse, die nicht Glied der zweiten Klasse sind. 36.18.4
C G (F) =
Def
Ux) [G (x) A F cz G A Diff (G, F) (χ)]
Restklasse oder Komplement einer gegebenen Klasse — hier F — i n bezug auf eine ihrer Einschlußklassen — hier G — heißt die Klasse derjenigen Glieder der Einschlußklasse, die keine Glieder der gegebenen Klasse sind.
§ 37 Präzision des Ausdrucks „gleich" (zu § 3)
Ausgegangen werde von folgender Konvention über die Gleichheit von räumlich-zeitlichen Individuen: 37.1 (3.6)
Konvention
A*
E i n dreistelliges Prädikat „ G l " vom Typ ((0), 0,0) oder ((0,0), 0,0) ist genau dann ein adäquates Prädikat und seine Definition eine adäquate Definition für die Eigenschaft gleich, wenn aus der gegebenen Definition gefolgert werden kann, daß allen Individuen des räumlich-zeitlichen Bereichs die Argumente des Prädikats „Gl" sind, (mindestens) eine beliebige dieselbe Eigenschaft zukommt.
§ 37 Präzision des Ausdrucks „gleich" (zu § 3)
231
Die entsprechende Konvention für die Gleichheit von Eigenschaften werde nicht aufgestellt. Entsprechend der Konvention A* werde nun die Definition des Ausdrucks „gleich" formuliert. 37.2 (3.7)
G l (H, x, y) oDe{
H (χ) A H (y)
Zwei Individuen sind hinsichtlich einer gegebenen Eigenschaft gleich genau dann, wenn die gegebene Eigenschaft jedem der Individuen zukommt. Erläuterung zur Typenangabe „ G l " ist v o m T y p ((0),0,0), w e n n die Eigenschaft H, hinsichtlich derer I n d i viduen gleich sind, einstellig ist, also ζ. B. i n Sätzen wie „Peter u n d Paul sind hinsichtlich des Gewichtes gleich". Vgl. dazu oben Satz 3.2. „GZ" ist v o m T y p ((0,0),0,0), w e n n die Eigenschaft, hinsichtlich derer Individuen gleich sind, zweistellig ist, also ζ. B. i n Sätzen w i e „Peter u n d Paul sind hinsichtlich der Ehepartnerschaft gleich". Vgl. dazu oben Satz 3.4.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß es keine Zirkeldefinition darstellt, wenn i n der gegebenen Definition — ausdrücklich oder vorausgesetzt — der Ausdruck „identisch" vorkommt 1 . Die oben gegebene Definition der Identität ist zwar nicht ohne prinzipielle logische und philosophische Schwierigkeiten 2 . Jedoch pflegt innerhalb der Problematik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes die Personen zukommende (oder nicht zukommende) identische Behandlung durch die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt selten hinsichtlich der Identität problematisch zu werden. Diese Frage wurde deswegen hier nicht weiter vertieft. M i t Hilfe des Ausdrucks „Identität" läßt sich eine zweite, der ersten äquivalente Definition der Gleichheit aufstellen. 37.3 (3.7)
Gl = (A Hxy) [Η (χ) A Η (y)]
Gleichheit heißt eine Eigenschaft (zweiter Stufe), wenn sie einer gegebenen Eigenschaft (erster Stufe) und einem IndividuenPaar genau dann zukommt, wenn den beiden Individuen des Paares die 3 gegebene Eigenschaft zukommt. 1 Der Gedanke, die Gleichheit mittels der Identität zu definieren, taucht bereits auf bei Aristoteles, Metaphysica, I V , 15 (1021 a 12). Vgl. dazu auch E. Husserl, Logische Untersuchungen, 2. Bd., 1. Teü, S. 112. Eine Präzisierung dieses Gedankens liefern H. Scholz, H. Schweitzer, Die sogenannten Definitionen durch Abstraktion, S. 27 ff. 2 Vgl. dazu H. Scholz, G. Hasenjaeger,, Grundzüge der mathematischen Logik, S. 355 f.; A. Menne, Identität, Gleichheit, Ähnlichkeit, passim; H. Behmann, D r e i Aporien der Identität, passim. 3 A n dieser Stelle der Definition taucht das bei H. Scholz, G. Hasenjaeger, a.a.O., S. 356, beschriebene Problem auf.
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
232
Zur Definition einer Gleichheit von Eigenschaften werde folgendes metasprachlich formulierte Definitionsschema aufgestellt:
37.4
®i m, % Q) o D e f a» m a m (Q)
wo „©1" ein dreistelliger Prädikatsausdruck η-ter Stufe (η > 2), „9JÏ" ein Prädikatsausdruck n - l - t e r Stufe und und „ & " Argumentausdrücke n-2-ter Stufe sind. Der Grund, weswegen der Ausdruck 37.4 nur i n einer — durch die Frakturschrift angedeuteten — Metasprache und nicht in der Objektsprache formuliert ist, der die anderen symbolisch formulierten Sätze angehören, liegt darin, daß sich der Ausdruck auf unendlich viele Typen bezieht, ein bestimmter Prädikatausdruck der Objektsprache nach den — hier vorausgesetzten — Regeln der Logik nur Argumentausdrücke eines festgelegten Typs bei sich haben kann. Zur weiteren Kennzeichnung der Gleichheitsbeziehung dienen folgende Sätze. Die Gleichheit ist hinsichtlich der Individuen, denen sie zukommt, symmetrisch (36.12.1). Es gilt also der Satz: 37.5
G l (H, x, y) ο Gl (H, y, x)
Genau dann, wenn hinsichtlich einer gegebenen Eigenschaft ein bestimmtes Individuum zu einem anderen Individuum i n der Gleichheitsbeziehung steht, dann steht auch das andere Individuum zu dem bestimmten Individuum hinsichtlich der gegebenen Eigenschaft i n der Gleichheitsbeziehung. Beweis (1)
Gl (H, x, y)
1. Prämisse
(2)
Η (χ) A H (y)
37.2
(3)
H (y) A H (x)
L 8-6e (2)
(4)
Gl (H, y , x)
37.2
Entsprechend ist die Folgerung aus der zweiten Prämisse Gl(H,y,x)
zu ziehen.
Die Gleichheit ist hinsichtlich der Individuen, denen sie zukommt, transititiv (36.12.2). Es gilt also der Satz: 37.6
Gl (H, x, y) A Gl (H, y, ζ ) =Φ Gl (Η, χ, ζ)
Immer dann, wenn hinsichtlich einer gegebenen Eigenschaft ein bestimmtes Individuum zu einem anderen Individuum und das andere Individuum zu einem dritten Individuum i n der Gleichheitsbeziehung steht, dann steht hinsichtlich der gegebenen Eigenschaft auch das bestimmte Individuum zu dem dritten Individuum in der Gleichheitsbeziehung.
§ 37 Präzision des Ausdrucks „gleich" (zu § 3)
233
Beweis (1)
G l (H, x, y) A Gl (H, y, z)
Prämisse
(2)
[H (χ) A H (y)] A [ H (y) A H (z)]
37.2
(3)
H (χ) A H (y) A H (y) A H (z)
L 8-6m (2)
(4)
H (x) AH (z)
L 8-2b
(5)
Gl (H, x, z)
37.2
D i e G l e i c h h e i t ist h i n s i c h t l i c h der I n d i v i d u e n , denen sie z u k o m m t , reflexiv. Es g i l t also der Satz: 37.7
(yx ) [mem (Gl, Η) (χ) =φ Gl (Η, χ, χ)] Jedes I n d i v i d u u m , das h i n s i c h t l i c h einer gegebenen Eigenschaft z u e i n e m b e l i e b i g e n I n d i v i d u u m i n der G l e i c h h e i t s b e z i e h u n g steht, steht auch z u sich selbst i n dieser Beziehung.
D i e R i c h t i g k e i t dieses Satzes ist w i e d e r h o l t 4 , u n d z w a r auch i n rechtswissenschaftlichen U n t e r s u c h u n g e n z u m verfassungsrechtlichen G l e i c h heitssatz, b e s t r i t t e n w o r d e n 5 . So hat ζ. B. H. Nef 6 aufgrund einer phänomenologischen Wesensschau nachzuweisen versucht, daß n u r verschiedene Objekte gleich sein können. Aus diesem Umstand hat er für seinen Begriff dei Gerechtigkeit erhebliche Folgerungen gezogen. Z u m B e w e i s des Satzes 37.7 w e r d e der folgende u n d umfassende Satz aufgestellt, d e m z u f o l g e eine R e l a t i o n i m m e r d a n n r e f l e x i v ist, w e n n sie s y m m e t r i s c h u n d t r a n s i t i v ist. Dieser Satz g i l t f ü r alle n i c h t l e e r e n R e lationen. 37.8
Sym (Κ) A Trans (Κ) =Φ Refi (Κ) I m m e r d a n n , w e n n eine R e l a t i o n nichtleer, s y m m e t r i s c h u n d t r a n s i t i v ist, i s t sie auch r e f l e x i v .
4 Neben dem Sprachgebrauch der Umgangssprache, die für Sätze wie „Ich b i n gleich groß wie ich selbst" i n der Regel keine Verwendung hat, dürfte entscheidend gewesen sein die A u t o r i t ä t des Aristoteles, Categoriae, V I I (6 b); ders., Ethica Nicomachea, V, 6 (1131 a). Vgl. dazu auch G. Fr. W. Hegel, Encyclopädie, § 118; E. Husserl, a.a.O., 2. Bd., 1. Teil, S. 112 f.; W. Windelband, Über Gleichheit und Identität, S. 8 f. 5 Etwa von E. Curti, Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 7; G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 47; N. Nef, Gleichheit u n d Gerechtigkeit, S. 3 ff.; K. Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 172; ders., Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, S. 82; W. Böckenförde, Der a l l gemeine Gleichheitssatz, S. 67; Franz Klein, Gleichheitssatz u n d Steuerrecht, S. 13; H. Ch. Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 96; M. Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, S. 33 f.; S. Arioli, Das Verbot der w i l l k ü r lichen und der rechtsungleichen Rechtsanwendung, S. 3. 6 H. Nef, a.a.O.
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
234 Beweis
Es bezeichne „ R " eine gegebene zweistellige Relation u n d „ a " und „ b " gegebene Individuen. (1)
mem (R) (a)
1. Prämisse 2. Prämisse
(2)
R (x, y) => R (y, χ)
(3)
R (x, y) KR {y, ζ) =Φ R (x, z)
(4)
(5b) [R (a, b) V R (b, α)]
aus (1)
(5)
R (a, b) Λ R (b, α)
aus (4) u n d (2)
(6)
R (a, b) A R (b, α)
R (α, α)
3. Prämisse
aus (5) und (3)
Relationen, die symmetrisch und transitiv und somit auch reflexiv sind, werden i m Anschluß an G. Frege und B. Rüssel Äquivalenzrelationen genannt 7 . Der Ausdruck „Äquivalenzrelation" ist ein korrektes Äquivalent der umgangssprachlichen Bezeichnung „Gleichheit". Da der Ausdruck „ G l " entsprechend der Konvention A 3.6, 37.1 eine Präzision umgangssprachlicher Gleichheiten hat sein wollen, ist folgender Satz ein Indiz für die Äquivalenz der Konvention. 37.9
Die durch die Sätze 3.7, 37.2 definierte Gleichbertsrelation ist eine Äquivalenzrelation.
Beweis Nach Satz 37.5 ist die Gleichheitsbeziehung symmetrisch, nach Satz 37.6 ist sie transitiv u n d somit nach Satz 37.8 auch reflexiv 8 .
Es ist zweckmäßig, für den Ausdruck „gleich" auch seine Verneinung zur Verfügung zu haben. 37.10
—ι Gl (H, x, y) ο
ι(Η (χ) V
ι H (y)
Zwei Individuen sind hinsichtlich einer gegebenen Eigenschaft genau dann ungleich, wenn wenigstens einem der Individuen die gegebene Eigenschaft nicht zukommt. Beweis (1)
—ι G l (H, x, y)
(2)
ι [H (χ) A H (y)]
(3
—ι Η (χ) V — ι H (y)
Prämisse 37.2 L 8-6g (3)
7 Z u dem Ausdruck „Äquivalenzrelation" vgl. R. Carnap , a.a.O., S. 137 ff. m i t weiterer Literatur. 8 Satz 37.9 wurde n u r formuliert, u m den Unterschied zwischen der durch die Sätze 3.7, 37.2 definierten Gleichheit und der durch die Sätze 6.3, 38.6 definierten verfassungsrechtlichen Gleichheit formulieren zu können, da die letztere nach Satz 38.16 keine Äqualivalenzrelation ist.
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6)
235
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6)
M i t Hilfe des durch Satz 37.2 definierten Ausdrucks „gleich" werde der Ausdruck „verfassungsrechtlich gleich" definiert. U m Satz 5.1 zu entsprechen, bedarf es dabei — wie oben i n § 6 ausgeführt wurde — der Einführung des Ausdrucks „ G r (Hr, x, y)", der gelesen werde: „ χ w i r d y gegenüber durch ein Rechtsverhältnis Hr mit zureichendem Grund ungleich behandelt." Dieser Ausdruck werde als Undefinierter Grundbegriff eingeführt, für den einige Verwendungsregeln aufgestellt werden. Zur Formulierung dieser Regeln bedarf es der Einführung eines Symbols für die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt. Sie werde m i t „a" bezeichnet. Dabei werde „a" i m Sinne der These von der Einheit der Staatsgewalt als Konstante behandelt. Bedarf es zur Diskussion von Gleichheitsproblemen der Konkretisierung der Träger der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt, muß „a" variabilisiert werden. Die Klasse aller Personen i m Sinne der Definition 4.2 werde m i t „Pers" bezeichnet, die Klasse aller Rechtsverhältnisse i m Sinne der Definition 4.7 werde m i t „Hr" bezeichnet. Entsprechend der Bedingung 4.10 bedarf es aus den oben i n § 4 dargelegten Gründen i n Abweichung von der Definition 37.2 einer schwächeren Verwendung des Ausdrucks „gleich" für den Fall, daß das Gleichheit oder Ungleichheit bedingende Prädikat ein Rechtsverhältnis der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt zu Personen ist. Es werde daher ein neuer Ausdruck „Glch" vom Typ ((0), 0,0) eingeführt, der folgendermaßen definiert werde: 38.1
Glch (Hr, x, y) Def Hr (α, χ) ο Hr (a, y)
Zwei Personen sind hinsichtlich eines gegebenen Rechtsverhältnisses zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt gleich genau dann, wenn die eine Person genau dann Glied des gegebenen Rechtsverhältnisses ist, wenn auch die andere Person Glied dieses Rechtsverhältnisses ist. Das Verhältnis der beiden eingeführten Ausdrücke für die Gleichheit ergibt sich aus den folgenden Sätzen: 38.2
Gl (Hr, x, y) => Glch (Hr, x, y)
Beweis
38.3
(1)
Gl (Hr, x, y)
Prämisse
(2)
H r (a, x) A H r (a, y)
37.2
(3)
Hr (a, x)
(4)
Glch (Hr, x, y)
Hr (a, y) 38.1
—ι Hr ( α, χ) Α —ι Hr (a, y) =Φ Glch (Hr, x, y) A —ι Gl (Hr, x, y)
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
236 Beweis
(1) —ι Hr (α, χ) Α —ι Hr (a, y)
Prämisse
(2)
—ι Hr (α, χ) A —ι Hr (a, y)] Λ [— ι Hr (α, χ) V —\Hr (a, y)]
(3)
Gïch (Hr, χ, y) A [— ι Hr (a, χ) V — i H r (α, y)]
38.1 38.1
(4)
Glch ( Hr , x, y) A —ι G l (Hr, χ, y)
37.10
Erläuterung Die wortsprachliche Formulierung der Sätze 38.2 u n d 38.3 unterbleibt, w e i l sie mittels des wortsprachlichen Ausdrucks „gleich" ungenau oder sehr k o m pliziert werden würde.
M i t Hilfe der eingeführten Ausdrücke werden nun die Regeln für die Verwendung des Ausdrucks „Gr (Hr, x,y)" formuliert: 38.4
Für die Verwendung des Ausdrucks „Gr (Hr,x,y)"
(6.1)
((0,0), 0,0) gelten folgende Regeln: 1.
vom Typ
Hr = (λ xy) [Hr (x, y) A x = a A Pers (y)]
„Hr" ist eine zweistellige Relationsvariable, deren Feld (36.5) die Klasse der Rechtsverhältnisse (4.6) ist, für die gilt, daß die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt ihr Erstglied (36.5.1) und eine Person (4.2) Zweitglied (36.5.3) ist; 2.
(VX ) (vy) (3Hr) —ι Glch (Hr, x, y)
Für das Paar der Personen innerhalb des Ausdrucks „Gr (Hr, x, y)" gilt, daß genau ein Glied des Paares zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt in einem gegebenen Rechtsverhältnis steht; 3. Die durch 38.4.2 definierte Ungleichheit der Personen geschieht ohne zureichenden Grund. Erläuterung I n Satz 38.4.1 ist y φ a vorausgesetzt. Diese Voraussetzung ist insofern ausgedrückt, als Pers(y) gilt u n d durch „Pers" die Klasse aller Personen (4.2) bezeichnet w i r d , zu der a definitionsgemäß nicht gehört.
Es werde nun unter Berücksichtigung der Bedingungen 38.4, 4.1, 4.4, 4.5, 4.7, 4.8, 4.9 und 4.10 formuliert die 38.5
Konvention
B*
(6.2)
Ein einstelliges Prädikat „Verjgl" vom Typ (0)1 ist genau dann ein adäquates Prädikat und seine Definition eine adäquate Defi-
1 Dem umgangssprachlichen Wortgebrauch läge es näher, verfassungsrechtliche Gleichheit als Relation zu definieren. Diese Frage w i r d i m Fortgang dieses Paragraphen noch erörtert. Z u r Möglichkeit, Relationen als einstellige Prädikate zu definieren, vgl. D. Hilbert, W. Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, S. 67.
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6)
237
nition für die Eigenschaft der verfassungsrechtlichen Gleichheit, wenn aus der gegebenen Definition gefolgert werden kann, daß keine Person, der dieses Prädikat zukommt, durch ein beliebiges Rechtsverhältnis zur öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. 38.6 (6.3)
Verfgl (x) D e f —ι (py) (sHr) [— ι Glch (Hr, x,y)
Α —ι Gr (Hr, x, y)]
Eine Person ist verfassungsrechtlich gleich (wird verfassungsrechtlich gleich behandelt) genau dann, wenn es keine andere Person und kein Rechtsverhältnis zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen derart gibt, daß diese anderen Personen gegenüber der gegebenen Person durch ein solches Rechtsverhältnis ohne zureichenden Grund ungleich behandelt werden. Es empfiehlt sich, die entsprechend der Konvention formulierte Definition für den Gebrauch umzuformulieren. 38.7
Verfgl (χ) o (yy) (yHr)[Glch
(Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)]
Eine gegebene Person ist vei fassungsrechtlich gleich genau dann, wenn für alle anderen Personen und für alle Rechtsverhältnisse zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen gilt, daß die gegebene Person den anderen Personen gegenüber durch solche Rechtsverhältnisse gleich oder nur mit zureichendem Grund ungleich behandelt wird. Beweis (1)
—I(ary) (ffHr) [—ι Glch (Hr, x,y)
(2)
(yy) (yHr)
(3)
(yy) (yHr)
Α —ι Gr (Hr, x, y)] 38.6
[—ι Glch (Hr, x, y) Α —ι Gr (Hr, x, y)] L 15-2a (3) [Glch (Hr, x, y) V (Hr, x, y)]
L
8-6g (3)
mit L 8-6b Für juristische Zwecke, insbesondere für den Übergang von einer Aussage über verfassungsrechtliche Gleichheit zu einem Rechtsgebot auf verfassungsrechtliche Gleichheit, ist es zweckmäßig, die Definition des Ausdrucks „verfassungsrechtliche Gleichheit" auch als Implikation zur Verfügung zu haben. Sie werde daher auch folgendermaßen geschrieben: 38.8
Verfgl (χ) ο (yy) (yHr) [__! Gr (Hr, x, y) =» Glch (Hr, x, y)]
Eine gegebene Person ist verfassungsrechtlich gleich genau dann, wenn für alle anderen Personen und für alle Rechtsverhältnisse zwischen der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt und Personen gilt, daß immer dann, wenn kein zureichen-
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
238
der Grund besteht, die gegebene Person anderen Personen gegenüber durch ein solches Rechtsverhältnis ungleich zu behandeln, die gegebene Person allen anderen Personen gegenüber durch diese Rechtsverhältnisse gleich behandelt wird. Beweis (1)
(W) (VHr) [Glch (Hr, x, y ) V Gr (Hr, x, y)]
(2)
(Vy) (VHr) [Gr (Hr, x, y) V Glch (.Hr, x, y)]
38.7 L 8-6e (2)
(3)
(vy) (VHr) [—ι —ι Gr (Hr, x, y) V Glch (Hr, x, y)]
L 8-6b
(4)
(Vy) (VHr) [—1 Gr (Hr, x, y) =Φ Glch (Hr, x, y)]
L 8-6j (1)
Es ist zweckmäßig, für den Ausdruck „verfassungsrechtliche Gleichheit" auch die Verneinung zur Verfügung zu haben. 38.9
—ι Verfgl
(x) ο fay) (zHr) [— ι Glch (Hr, x,y)
Λ —ι Gr (Hr, x, y)]
Eine gegebene Person ist nicht verfassungsrechtlich gleich, wenn es wenigstens eine andere Person und ein Rechtsverhältnis zwischen ihr und der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt gibt derart, daß die gegebene Person durch dieses Rechtsverhältnis ungleich behandelt w i r d und es für .diese Ungleichbehandlung keinen zureichenden Grund gibt. Beweis (1)
—ι ((Vy) (VHr) [Glch (Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)])
(2)
(sy) (3Hr) —ι [Glch (Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)]
(3)
(&y) 3Hr) [— ι Glch (Hr, x, y) Λ —ι Gr (Hr, x, y)]
Prämisse L 15-2b (1) L 8-6g (1)
Für die folgenden Betrachtungen werde die Formulierung 38.7 zugrundegelegt. Durch die Konvention Β 6.2 und 38.5 wurde die verfassungsrechtliche Gleichheit nicht als Relation zwischen Personen, sondern als einstellige Eigenschaft einer Person definiert. Dies führt bei wortsprachlichen Fassungen der Definitionen zu umgangssprachlichen Härten. Der juristische Vorteil der getroffenen Konvention liegt darin, daß A r t . 3 GG i n der Formulierung der Arbeitsfassung 12.1 an die Rechtsordnung, die m i t i h m vereinbar sein soll, die Bedingung stellt, alle Personen verfassungsrechtlich gleich i m definierten Sinn zu behandeln. W i r d es jedoch aus irgendeinem Grunde erforderlich, die durch die verfassungsrechtliche Gleichheit oder Ungleichheit zwischen Personen gestiftete Beziehung zu untersuchen, kann dies dadurch geschehen, daß eine dreistellige Relation „verfassungsrechtlich gleich" vom Typ ((0,0), 0,0) definiert und deren Verhältnis zu dem einstelligen Prädikat "verfassungsrechtlich gleich" an-
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6)
239
gegeben wird. Der Relationsausdruck „verfassungsrechtlich gleich" werde durch „Vgl" symbolisiert. 38.10
Vgl (Hr, x, y) De{ Glch (.Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)
Zwei Personen sind hinsichtlich eines gegebenen Rechtsverhältnisses der öffentlichen hoheitlich handelnden Gewalt zu Personen verfassungsrechtlich gleich genau dann, wenn sie hinsichtlich dieses Rechtsverhältnisses gleich oder nur m i t zureichendem Grund ungleich behandelt sind. Das Verhältnis der beiden eingeführten Ausdrücke für die verfassungsrechtliche Gleichheit ergibt sich aus den folgenden Sätzen: 38.11
Verfgl (x)
Vgl (Hr, x, y)
Beweis (1)
Verfgl (x)
(2)
(Vy) (VHr) [Glch (.Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)]
Prämisse 38.7
(3)
Glch CHr, x, y) V Gr (Hr, x, y)
L 15-la (1)
(4)
Vgl (Hr, x , y)
38.10
38.12
Verfgl (χ) ο (vy) (VHr) Vgl (Hr, x, y)
Beweis (1)
Verfgl (x)
Prämisse
(2)
(vy) (VHr) [Glch (Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)]
38.7
(3)
(Vy) (VHr) Vgl (Hr, x, y)
38.10
Erläuterung Die wortsprachliche Formulierung der Sätze 38.11 u n d 38.12 unterbleibt, w e i l sie mittels des wortsprachlichen Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" ungenau oder sehr kompliziert werden würde.
Die durch die Sätze 37.5, 37.6 und 37.7 entschiedene Frage, ob die Relation „gleich" symmetrisch, transitiv und reflexiv ist, läßt sich für die entsprechende Frage hinsichtlich der Relation „verfassungsrechtlich gleich" nicht ebenso eindeutig beantworten. Der Grund liegt darin, daß die Definition 38.10 den Ausdruck „Gr (Hr, x, y)" enthält und die Wortgebrauchsregelung 38.4 dieses Ausdrucks nicht korrekt genug ist, um diese Frage zu entscheiden. „Vgl" ist jedoch symmetrisch, wenn „Gr" symmetrisch ist. Es gilt also folgender Satz: 38.13
Sym (Gr)
Sym (Vgl)
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
240 Beweis
38.13 ist bewiesen, wenn unter der Voraussetzung Sym(Gr) Vgl(Hr,y,x) folgt. (1)
Sym (Gr)
(2)
Gr (Hr, y, x)
aus Vgl(Hr,x,y) Prämisse
Gr (Hr, y, x)
36.12.1, 36.10.1
(3)
Vgl (Hr, x, y)
Prämisse
(4)
Glch (Hr, x, y) V Gr (Hr, x, y)
38.10
(5)
Glch (Hr, y, χ) V Gr (Hr, x, y)
37.5, 38.2
(6)
Glch (Hr, y, χ) V Gr (Hr, y, x)
(2)
(7)
Vgl (Hr, y, x)
38.10
Da der Ausdruck „Begründung" i n dem Ausdruck " x w i r d durch ein gegebenes Rechtsverhältnis y gegenüber m i t zureichendem Grund ungleich behandelt" nur dann zweckmäßig verwendet wird, wenn i m zutreffenden Fall auch die Ungleichbehandlung von y gegenüber χ m i t zureichendem Grund geschieht, empfiehlt es sich, die Symmetrie von „Gr (Hr, x, y)" durch Konvention festzusetzen. Diese Frage bedarf jedoch noch der näheren Untersuchung. „Vgl (Hr, x, y)" kann reflexiv für eine gegebene Person nur insoweit sein, als sie gegenüber sich selbst durch Η gleich beihandelt wird. Entsprechend der Reflexivität von „Gl (Hr, x, y )" spricht nicht gegen diese Reflexivität. Der folgende Satz ist mangels Beweisbarkeit als Konvention zu formulieren: 38.14
Konvention
C
Die durch Satz 38.10 definierte Relation der verfassungsrechtlichen Gleichheit ist symmetrisch und reflexiv. Eine entsprechende Konvention über die Transitivität würde der Rechtsordnung widersprechen. Auch dieser Punkt bedarf noch weiterer Untersuchungen. Der Beweis für den folgenden Satz über die NichtTransitivität geschehe durch Angabe eines Beispiels. 38.15
Die durch Satz 38.10 definierte Relation der verfassungsrechtlichen Gleichheit ist nicht-transitiv.
Beweis Ausgegangen werde von der i n § 9 der vorliegenden Untersuchung angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Rabattgesetz (BVerfGE 21, 292). Die Richtigkeit beider Leitsätze, die nicht aus logischen Gründen folgt u n d juristisch möglich ist, werde unterstellt. Durch § 6 Rabatt G i n der ursprünglichen Fassung werden hinsichtlich des Rabatt-Verbots ein Warenhaus-Inhaber u n d ein Inhaber eines mittelständigen Unternehmens i n -
§ 38 Präzision des Ausdrucks „verfassungsrechtlich gleich" (zu § 6)
241
sofern verfassungsrechtlich gleich behandelt, als es einen zureichenden Grund für die Ungleichbehandlung gibt. Der Inhaber des mittelständigen Unternehmens und ein Inhaber eines Versandhauses werden verfassungsrechtlich gleich behandelt, da sie gleich behandelt werden — f ü r beide gilt das Verbot nicht —. Dennoch werden der Inhaber des Warenhauses u n d der Inhaber des Versandhauses verfassungsrechtlich ungleich behandelt, da sie ohne zureichenden G r u n d ungleich behandelt werden.
Relationen, die symmetrisch und reflexiv sind, werden i n der Logik Ähnlichkeit genannt 2 . Es gilt also der folgende Satz: 38.16
Die durch Satz 38.10 definierte Relation der verfassungsrechtlichen Gleichheit ist eine Ähnlichkeit, jedoch — i m Gegensatz zu der durch Satz 37.2 definierten Relation der Gleichheit — keine Äquivalenzrelation.
Beweis Nach Satz 38.14 ist die Relation der verfassungsrechtlichen Gleichheit symmetrisch und reflexiv und nach Satz 38.15 nicht-transitiv.
Dieses Ergebnis, daß verfassungsrechtliche Gleichheit keine Gleichheit i m Sinne der Logik und der Umgangssprache ist, muß eindringlich davor warnen, rechtslogischen Untersuchungen ungeprüft umgangssprachliche Ausdrücke zugrundezulegen. Jede solche Untersuchung setzt die Klärung der logischen Struktur der Ausdrücke der Normsprache und der rechtswissenschaftlichen Sprache — die nur partiell identisch sind — voraus. Exkurs: Verfassungsrechtliche Gleichheit und Ähnlichkeit (zum Exkurs zu § 3)
Es sei noch angemerkt, daß Satz 38.16 nicht der i m Exkurs zu § 3 dargelegten Auffassung widerspricht, daß Art. 3 GG nicht gebiete, hinreichend ähnliche Personen gleich zu behandeln. Die dort aus der weiteren Untersuchung ausgeschiedene Ähnlichkeit betrifft Personen. Dieser Ausschluß ist eine Vorwegnahme des Satzes 7.2 — insofern, was hier nicht ausgeführt werden soll, Gleichheit Ähnlichkeit impliziert, nicht aber umgekehrt —. Die durch Satz 38.16 beibaiuptete Ähnlichkeit betrifft nicht Personen, sondern Relationen zwischen Personen, hier eben die Relation der verfassungsrechtlichen Gleichheit. Diese Ähnlichkeit vermag nichts beizutragen zu der Frage, i n welchem Fall gegebene Personen verfassungsrechtlich gleich zu behandeln sind, also zu der Frage nach dem zureichenden Grund einer Ungleichbehandlung. I m Exkurs zu § 3 wurde nur — i n der inzwischen erarbeiteten Terminologie ausgedrückt — dargelegt, daß eine Aussage über die Ähnlichkeiten von Personen nichts er2
Vgl. dazu R. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, S. 13.
16 Podlech
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
242
gibt für die Frage nach dem zureichenden Grund für eine etwaige Ungleichbehandlung dieser Personen. Auch der Ausdruck „Ähnlichkeit" ist i n rechtslogischen Untersuchungen nicht zu verwenden ohne Klärung seiner logischen Struktur. § 39
D i e Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung u n d die Theoreme von v. K e m p s k i (zu §§ 5,29 f.)
I n der Theorie der rechtlichen Gleichheit und der liberalen Staatsauffassung gibt es eine Ideal-Ordnung von ausgezeichneten Eigenschaften. Von ihr läßt sich nachweisen, daß sie und nur sie eine Rechtsordnung ist, die alle Zivilpersonen (4.3) gleichbehandelt i m Sinne der Definitionen (3.7, 37.2). Von i h r läßt sich weiter nachweisen, daß sie und nur sie für jeden Handlungsbereich 1 die größtmögliche Klasse miteinander verträglicher Verhalten zuläßt. Beide Kennzeichnungen gestatten zu sagen, daß sie die maximal gerechte und maximal liberale Verhaltensordnung ist. Z u r Vermeidung von Mißverständnissen sei auf zweierlei hingewiesen. E r stens: „ I d e a l " w i r d die gesuchte Rechtsordnung n u r insofern genannt, als sie keine effektive Rechtsordnung 2 sein, sie vielmehr n u r idealiter konstruiert werden kann. Zweitens: Der Ausdruck „Gerecht" w i r d hier u n d i m folgenden n u r auf Verhaltensordnungen angewandt. M i t einer m a x i m a l gerechten V e r haltensordnung ist vereinbar sowohl eine ungerechte Zustandsordnung 3 w i e ein ungerechter Zustand. Eine Gesamtrechtsordnung, die sowohl Verhaltensw i e Zustandsteilrechtsordnungen enthält, verdient gerecht genannt zu werden erst dann, w e n n sowohl alle ihre Teilrechtsordnungen w i e auch die durch sie (mit-) definierten Gesellschaftszustände gerecht genannt zu werden verdienen.
Diese ausgezeichnete Rechtsordnung ist von J. v. Kempski konstruiert und von i h m Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung genannt worden 4 . Da sich m i t Hilfe dieser Rechtsordnung Satz 5.1 beweisen läßt und sie als Diskussionsfolie i n §§ 29 f. dient, werde die Konstruktion hier durchgeführt. Die Konstruktion bedingt die Aufspannung eines umfangreichen Begriffsnetzes. Für die Plausibilitätsüberlegungen, die m i t den eingeführten Ausdrücken angestellt werden können, muß auf die Originalarbeiten von J. v. Kempski verwiesen werden. Gegeben seien eine Klasse von Zivilpersonen (4.3) Ζ = {p if p 2 , . . . } , unbestimmt angedeutet durch pi oder pj, und eine Klasse von räumlich1
Z u m Ausdruck „Handlungsbereich" vgl. oben S. 24. Z u m Ausdruck „effektive Rechtsordnung" vgl. oben S. 44. 3 Z u Zustandsregeln, die eine Zustandsordnung bilden können, vgl. oben S. 25. 4 J. v. Kempski, Naturrecht u n d Völkerrecht, S. 9 f f . ; ders., Bemerkungen zum Begriff der Gerechtigkeit, S. 50 ff.; ders., Grundlegung zu einer S t r u k t u r theorie des Rechts, passim. Z u r Bedeutung des Namens vgl. unten S. 257. 2
§ 39 Die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung
243
zeitlichen Gegenständen G = {g lf g2i...}, unbestimmt angedeutet durch gi oder gj. Gegeben sei ferner eine Klasse Ρ von über der Vereinigung (36.18.1) von Ζ und G definierten Relationen, die folgenden beiden Bedingungen genügt: 39.1.1
Ρ ist abgeschlossen gegenüber der Konversenbildung (36.9.1), d. h. m i t R ist auch immer R" 1 Glied aus P.
39.1.2
Ρ ist abgeschlossen gegenüber der Verkettung (36.8), d. h. m i t R und Q sind auch immer R I Q und Q I R Glieder aus P.
Wie J. v. Kempski dargestellt hat, lassen sich aus den Gliedern aus Ζ und G, d. h. aus Personen und räumlich-zeitlichen Gegenständen gebildete Situationen als Verkettungen mittels der Relationen aus Ρ darstellen 5 . Das gestattet es, i n unschädlicher Verallgemeinerung festzulegen: 39.2
Situation heißt jede Verkettung (36.8) von Relationen aus P. Die Zivilpersonen, die Glieder der eine Situation definierenden Relationen sind, heißen Beteiligte der Situation.
(Auch) durch menschliches Verhalten werden Situationen i n andere Situationen überführt. Logisch läßt sich diese Überführung als A b b i l dung oder Transformation (36.13.1) beschreiben 6 . Dieser Umstand gestattet folgende Definition: 39.3
Verhalten heißt jede Transformation einer Situation (Anfangssituation) i n eine — von der Anfangssituation möglicherweise nicht verschiedene — Situation (Endsituation), deren Korrelator (36.13.1) als Verhaltenserwartung der Beteiligten interpretierbar ist. Jeder solche Korrelator heißt Maxime. Sind an einer Situation mehrere Personen beteiligt, heißt der Korrelator auch Gesamtmaxime.
Erläuterung Jede Anfangssituation So u n d eine M a x i m e M definiert genau eine E n d situation Si· Logisch ist eine Endsituation ein M-Bild von S0 (36.13.2).
39.4
Handlung heißt jedes Verhalten, dessen Anfangs- und Endsituationen verschieden sind. Unterlassen heißt jedes Verhalten, dessen Anfangs- und Endsituationen identisch sind.
Da Unterlassen i m vorstehend eingeführten Sinn für die meisten der i m folgenden behandelten Probleme problemirrelevant ist, werde ge5 Ders., Handlung, M a x i m e u n d Situation, S. 235 ff.; ders., Grundlegung zu einer Strukturtheorie des Rechts, S. 16 ff. Vgl. dazu jetzt auch J. Rödig, Die Denkform der Alternative i n der Jurisprudenz, S. 16 ff. β Vgl. dazu J. v. Kempski, Handlung, M a x i m e u n d Situation, S. 237 f.; G. v. Wright, N o r m and Action, S. 35 ff.
16*
244
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
legentlich unvermittelt von Verhalten zu Handlung oder von Handlung zu Verhalten übergegangen. Dieses Verfahren vereinfacht die Darstellung. Erstrebte Situationen werden von Beteiligten häufig nicht unmittelbar verwirklicht, sondern erst auf dem Umweg über weitere Situationen. Dies führt zur Einführung des Ausdrucks „Zwischensituation". Gegeben sei eine Anfangssituation So und eine durch eine Maxime M definierte Endsituation Sm. Dann werde der Ausdruck „Zwischensituation" folgendermaßen definiert: 39.5
Zwischensituation heißt jede von So und Sm verschiedene Situation Su für die sich eine Folge von Maximen Μι, M2, . . . M n angeben läßt derart, daß Si das M i - B i l d von So, S2 das M2-BÌM von S i , . . . , und Sn das M n-Bild von Sn _ 1 ist.
39.6
Verbunden heißen Transformationen- oder Maximenpaare M i und Mi +1, wenn Mi nur i m Hinblick auf M* + i besteht.
39.7
Mehrstufige
Handlung
heißt jede Handlung, w e n n die E n d -
situation der Handlung dadurch herbeigeführt wird, daß zuerst Zwischensituationen herbeigeführt werden. Zum Verständnis des folgenden werde ein einfaches Beispiel geschoben, daß J. v. Kempski angeführt hat 7 .
ein-
x, y u n d ζ seien drei Personen aus Z. u und ν seien zwei Gegenstände aus G, u etwa ein Brot u n d ν eine bestimmte Summe Geldes. B, A, N, F u n d Τ seien Relationen aus P. B(x,u) bedeute: χ besitzt ein Brot (Besitz); A(x,u) bedeute: χ bietet ein Brot (zu Tausch, Verkauf oder Schenkung) an (Angebot); N(y,u) bedeute: y wünscht ein Brot (zu kaufen, einzutauschen oder geschenkt zu erhalten) (Nachfrage); F(x,y) bedeute: χ ist ein Freund von y; T(u,v) bedeute: Brot soll gegen Geld getauscht werden (wird gegen Geld getauscht, ist gegen Geld getauscht worden) (Tausch).
Eine Anfangssituation So sei folgendermaßen beschrieben: (1)
B(x,u):
χ besitzt Brot,
(2)
B(y,v) :
y besitzt Geld,
(3)
A(x,u):
χ bietet Brot an,
(4)
N(y,u) :
y fragt nach Brot.
Diese Anfangssituation läßt sich folgendermaßen schreiben: 39.8
(3x) (3y) (3u) (3v) [B (x, u) A B (y, ν) A A (x, u) A N (y, u)]
Satz 39.8 geht durch Konversenbildung (36.9.1) und Umstellung über i n 39.9 7
(ffx) (3y) (Zu) 3v) [B -1 (v, y) A N (y, u) A A - 1 (u, χ) A B (x, u))
J. υ. Kempski, Handlung, M a x i m e und Situation. S. 236 f.
§ 39 Die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung
245
Satz 39.9 geht durch Verkettung (36.8) über i n 39.10
(3u) (3 ν) [Β -ι1 Ν \ A -11 Β (υ, u)]
Da eine Relationskette nach der Definition 36.8 wiederum eine Relation ist, k a n n der Ausdruck 39.10 kurz u n d unter Fortlassung der Existenzquantoren — die n u r das Wirklichsein der Situation ausdrücken — folgendermaßen geschrieben werden 39.11
Sq =
B-1\N\A~1\B
F ü r die beiden an So beteiligten Personen χ u n d y heißt die M a x i m e dieser Situation 39.12
Τ (u, ν)
wobei f ü r das folgende zu beachten ist, daß Τ eine symmetrische (36.11.1) Relation ist, also ,,T(u,v)" beliebig gegen ,,T(v,u)" ausgetauscht werden kann. Verhalten sich alle Beteiligten nach der M a x i m e 39.12, so stellt sich folgende Endsituation Si her: (1)
T(u,v):
χ hat Brot gegen Geld getauscht,
(2)
B(x,v):
χ besitzt Geld,
(3)
A(x,u):
χ bot Brot an,
(4)
T(v,u):
y hat Geld gegen Brot getauscht,
(5)
B(y,u):
y besitzt Brot,
(6)
N(y,u):
y hat nach Brot nachgefragt 8 .
Diese Situation läßt sich — unter Fortlassung der Existenzquantoren — folgendermaßen schreiben 39.13
Τ (u, ν) Α Β (χ, ν) A A (x, u) A Τ ( ν , u) Α Β (y, u) A N (y, u)
Satz 39.13 geht durch Konversenbildung u n d Umstellung über i n 39.14
A B - l (u, y) A N (y, u) A A-1
T(v,u)
(u, χ) A Β (χ, ν) A Τ (v, u)
Satz 39.14 läßt sich verketten zu 39.15
Τ \B-l\N
\A~1\B\T
(v,u)
Entsprechend Satz 39.11 läßt sich Satz 39.15 als Beschreibung der Endsituation folgendermaßen schreiben 39.16
S1 =
T|B-
1
|N|A-i|B|T
Die Aufgabe, das Verhalten der Beteiligten gemäß ihrer M a x i m e 39.12 als Transformation von S 0 i n St darzustellen, besteht darin, Si als T - B i l d von So 8 Der hier verwendete einfache K a l k ü l läßt leider noch keine Unterscheidung zeitlicher Verhältnisse zu.
246
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
(36.13.2) — symbolisch „ T ; S 0 " — zu konstruieren. Das T - B i l d von S 0 ist nach 36.13.2 folgendermaßen bestimmt 39.17
T ; S0 ( ν , u) ο (ax) (ay) [Τ (ν, u) A S0 (υ, u) AT (u, ν)] ο (ax) (ay) [Τ -1 (υ, u) A S 0 (υ, u) Α Τ (u, ν)] ο (ax)(ay) [ T - i | s 0 | T ( u , ν)] ο (ax) (ay) [ T\S 0\T (u ,
υ)]
Da nach Satz 39.11 „ S 0 " n u r die A b k ü r z u n g von „ B - 1 1 Ν | A - 1 1 T " ist, läßt sich das Ergebnis v o n 39.17 schreiben als „ T | B - * | Ν | A - * | Β | T". Das aber ist nach Satz 39.16 genau die Endsituation S^ Die Konstruktion von S1 als T - B ü d von S 0 ist also gelungen. Soweit sind die vorstehenden Ausführungen n u r ein Beispiel f ü r das bisher skizzierte Begriffsnetz. N u n werde die durch Satz 39.8 skizzierte Ausgangssituation So erweitert zu der Ausgangssituation So entsprechend der folgenden Beschreibung 39.18
(ax) (ay) (az) (au)
[B
(x, U)
AB
(y, v)
A A
(x, u)
A N
(y, u)
Dieser Satz läßt sich nach k o n j u n k t i v e r Hinzufügung von „B(x,u)" ketung von „F(z,x)" u n d „B(x,u)" schreiben als 39.19
A F
(z, x)]
und Ver-
(ax) (ay) (au)(av) [B (x, U) AB (y, ν) A a (x, U ) A N (y, u) A F I B (z, u)]
Daraus läßt sich ableiten 39.20
So = B - i | t f | A - i | B | B - i | F - i
SQ geht also aus So dadurch hervor, daß der Kreis der Beteiligten durch den Freund ζ von χ erweitert w i r d , ζ sei an dem Geschäft zwischen χ u n d y u n interessiert. Seine M a x i m e i n der Situation S* 0 werde daher Nullmaxime genannt und, da sie durch Desinteresse interpretierbar ist, m i t „ D " symbolisiert. Die i n 5ίο bestehende Gesamtmaxime aller drei Beteiligten ist n u n aus Τ u n d D zusammengesetzt. Sachlich ändert sich durch das Eintreten des ζ i n die Situat i o n So m i t einer N u l l m a x i m e D nichts. Es läßt sich nachweisen, daß sich auch an der entwickelten Darstellung von Situationen als Verkettungen u n d v o n Handlungen als Transformationen durch das Eintreten von Beteiligten m i t N u l l m a x i m e n sich nicht mehr ändert, als daß die Darstellungen komplizierter werden. Diese Überlegungen führen dazu, das bisher entwickelte Begriffsnetz folgendermaßen zu erweitern. 39.21
Nullmaxime heißt bei einer mehrstufigen H a n d l u n g jede M a x i m e eines B e t e i l i g t e n , d i e e i n Nichtinteresse a n e i n e m g e w i s sen B e s t i m m u n g s s t ü c k e i n e r S i t u a t i o n a u s d r ü c k t u n d f o l g e n d e n beiden Bedingungen genügt:
39.21.1
I s t d e r B e t e i l i g t e a n d e r H e r b e i f ü h r u n g v o n Si, n i c h t aber a n d e r w e i t e r e n E n t w i c k l u n g interessiert, so s i n d f ü r i h n a l l e M a x i m e n Mj (j > i) N u l l m a x i m e n .
39.21.2
I s t d e r B e t e i l i g t e a n der H e r b e i f ü h r u n g v o n Si, n i c h t aber a n d e r H e r b e i f ü h r u n g v o n Sj(i> j) interessiert, so i s t k e i n e M a x i m e M n (η > i) eine N u l l m a x i m e .
§ 39 Die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung
39.22
247
Gesamtsituation heißt jede Situation, an der mehr als eine Zivilperson und beliebig viele Gegenstände beteiligt sind.
Erläuterung Insbesondere sind solche Situationen Gesamtsituationen, deren Beteiligte keine gemeinsame M a x i m e haben, deren Gesamtmaximen also N u l l m a x i m e n als Bestandteile haben.
39.23
Gesamthandlung heißt jede Transformation einer Gesamtsituation i n eine andere Gesamtsituation.
Das für die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung grundlegende Postulat ist folgendes 39.24
Konsenspostulat
A
Sei S 0 die Ausgangssituation einer Gesamthandlung und sei die Gesamtmaxime M aus den verbundenen Maximen Μι, M2, . . . M m zusammengesetzt, dann gilt: 39.24.1 Immer dann, wenn So i n das M i - B i l d von So übergegangen ist, und nicht alle Beteiligte an Si f i < i < m) zu einer von M i +1 verschiedenen Gesamtmaxime M* i+1 zusammenstimmen, geht So i n das M - B i l d von So über, d. h. i n die durch M definierte Endsituation Sm. 39.24.2
Ist i n einer Situation Zustimmung aller Beteiligter erforderlich, so gilt die Zustimmung Beteiligter m i t Nullmaximen als erteilt.
39.24.3
Soweit Beteiligte eine Nullmaxime haben, bleiben sie i n Z w i schensituationen Beteiligte m i t Nullmaxime, sofern nicht alle Beteiligte zustimmen, wobei das Postulat 39.24.2 gilt.
Jede Rechtsordnung, i n der das Konsenspostulat 39.24 gilt, erfordert für jede Situation zum gemeinsamen Handeln die Zustimmung aller Beteiligten mit Ausschluß der Desinteressierten. Wichtig für das folgende ist ein K r i t e r i u m für die Verträglichkeit von Handlungen — Unterlassungen i m Sinne der Definition 39.4 sind ja immer verträglich. Für die Verträglichkeit von Handlungen empfiehlt sich folgende Definition: 39.25
Eine Klasse von Handlungen heißt verträglich, lungen der Klasse realisiert werden können.
wenn alle Hand-
Für das folgende empfiehlt sich die Einführung eines Ausdrucks „Einzelhandlung". 38.26
Einzelhandlung heißt jede Handlung, die aus einer Gesamthandlung dadurch entsteht, daß die Nullmaximen der Gesamthandlung eliminiert werden.
248 39.27
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes Einzelhandlungssatz Einzelhandlungen sind diejenigen kleinsten Handlungseinheiten, die v o r g e n o m m e n w e r d e n k ö n n e n , ohne daß andere H a n d l u n g e n (Fremdhandlungen) v o r g e n o m m e n w e r d e n müssen.
Beweis Der Satz enthält zwei Teilsätze. Erstens: Jede aus einer gegebenen Gesamthandlung durch Eliminierung der N u l l m a x i m e n entstehende Einzelhandlung kann ohne die Fremdhandlungen der gegebenen Gesamthandlung ausgeführt werden. Zweitens: Es gibt keine Teilhandlung einer Einzelhandlung, die alleine vorgenommen werden kann. Beweis des ersten Teilsatzes: Angenommen, eine gegebene Handlung könne nicht ohne eine Fremdhandlung vorgenommen werden. I n diesem F a l l lassen sich die gegebene Handlung und die Fremdhandlung als Gesamthandlung darstellen, die beide Handlungen durch eine Gesamtmaxime verbindet. Diese v e r bindende M a x i m e k a n n keine N u l l m a x i m e sein, da mindestens die Beteiligten einer der beiden Handlungen ein Interesse an der Vornahme der anderen Handlung haben. Die gegebene Handlung kann daher nicht aus einer Gesamthandlung als Einzelhandlung entstehen. Beweis des zweiten Teilsatzes: Nach der Definition 38.26 besitzt eine Einzelhandlung auch dann keine Nullmaxime, w e n n sie eine Gesamtmaxime besitzt. Es gibt daher keine Teilhandlung einer Einzelhandlung, zu der ein Beteiligter der Einzelhandlung nicht zustimmen müßte. 39.28
Verträglichkeitssatz Jede G e s a m t h a n d l u n g l ä ß t sich d u r c h E l i m i n i e r u n g der N u l l m a x i m e n i n E i n z e l h a n d l u n g e n zerlegen. Diese E i n z e l h a n d l u n gen sind miteinander verträglich.
Beweis Würden die Einzelhandlungen nicht miteinander verträglich sein, wäre die Gesamthandlung durch die Beteiligten nicht vornehmbar. 39.30
Darstellbarkeitssatz Jede Klasse u n t e r e i n a n d e r v e r t r ä g l i c h e r H a n d l u n g e n l ä ß t sich als G e s a m t h a n d l u n g darstellen.
Beweis Durch die Einführung von N u l l m a x i m e n von Beteiligten einer Handlung hinsichtlich der M a x i m e n anderer Handlungen lassen sich Gesamtmaximen aller miteinander verträglichen Handlungen bilden. 39.31
Verträglichkeitskriterium D i e D a r s t e l l b a r k e i t einer Klasse v o n H a n d l u n g e n als G e s a m t h a n d l u n g ist h i n r e i c h e n d e u n d n o t w e n d i g e B e d i n g u n g f ü r die V e r t r ä g l i c h k e i t dieser H a n d l u n g e n m i t e i n a n d e r .
Beweis Satz 39.31 folgt aus Satz 39.29 und Satz 39.30.
§ 39 Die Rechtsordnung von notwendig möglicher Geltung
249
Das Konsenspostulat A 39.24 läßt sich mit Hilfe der inzwischen gewonnenen Ergebnisse äquivalent umformen i n das folgende Konsenspostulat B, wobei Postulat 39.24.2 nicht neu formuliert wird. 39.32
Konsenspostulat Β Sei So die η Personen pi, p 2 , . . . pn umfassende Anfangssituation einer m-stufigen Handlung und sei die Gesamtmaxime aus den verbundenen Gesamtmaximen Μι, M 2 , . . . M m zusammengesetzt, dann gilt:
39.32.1
Immer dann, wenn So i n das M i - B i l d von So übergegangen ist und nicht alle Beteiligte an Si (1 < i < m) zu einer von M* + 1 verschiedenen Gesamtmaxime M* i+1 zusammenstimmen, geht So i n das M - B i l d von S0 über.
39.32.2
Immer dann, wenn pi, . . . pn, pn +1 darin einwilligen, daß eine Situation Si (1 < i < m), deren Beteiligte die Personen p i bis p n sind, übergeht i n eine Situation , die außer den Beteiligten der Situation Si die Person pn +1 umfaßt, dann geht die Situation Si über i n die Situation Sl.
39.32.2
Immer dann, wenn eine Zwischensituation Si (1 < i < m) m i t den Personen pi, p2, . . . pn erreicht ist und i n die verbundenen Maximen Mi +1, . . . M m (l) A init(^>)(F) A [BPersHr (x) A
C F (BPers) (y) A F (ζ) A Gr (Hr, x, y) =>Gr (Hr, x, z)] Immer dann, wenn die rechtliche Ungleichheit zwischen Personen einer behandelten Klasse und den Personen der Restklasse hinsichtlich einer nächsten Einschlußklasse einen zureichenden Grund besitzt, dann besitzt auch die rechtliche Ungleichheit zwischen den Personen der behandelten Klasse und den übrigen Personen aller Einschlußklassen dieser nächsten Einschlußklasse einen zureichenden Grund. Anstelle eines Beweises werden die folgenden Hilfssätze formuliert und bewiesen. 41.8
1. Hilfssatz Der Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung 9.7, 41.7 ist nicht aus logischen Gründen wahr.
Beweis Satz 41.7 stellt einen Schluß von den Personen einer Klasse auf die Personen der Einschlußklasse dieser Klasse dar. Dieser Schluß ist nicht aus logischen Gründen zwingend, da die die Einschlußrelation i n Satz 36.7 definierende I m p l i k a t i o n bei echten Teilklassen nicht zur Äquivalenz verschärfbar ist.
41.9
2. Hilfssatz Der Satz übe den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung 9.7, 41.7 ist nicht aus logischen Gründen falsch.
Beweis Satz 41.7 ist nicht aus logischen Gründen falsch, wenn der Satz 41.10
(3x) (3y) (3z) (3Hr) (3G) [BPers
Hr
(χ) Λ N EinschlKl
Hr
(G) A
C q (BPers) (y) A P (x) A Q (y) A S (z) A Gr (Hr, x, y) => Gr (Hr, x, z)] eine anerkannte Interpretation findet 2. Eine anerkannte Interpretation dürfte folgende, die Rechtslage nach §§ 1, 3 K r a f t S t G zum Anlaß nehmende I n t e r 2 Z u dem Ausdruck „anerkannte Interpretation" siehe die semantische E r läuterung zu Satz 6.1.
§ 41 Probleme der B i l d u n g der gekennzeichneten Klasse
265
pretation sein. „ P " bezeichne Kraftfahrzeughalter, die Schwerbeschädigte i m Sinne des Bundesversorgungsgesetzes sind, „S" bezeichne Kraftfahrzeughalter u n d „ Q " bezeichne die Kraftfahrzeughalter, die zwar Schwerbeschädigte, nicht aber solche i m Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes sind. „Hr" bedeute eine bestimmte Vergünstigung bei der Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer. Der Satz „Gr(Hr,x,y)" werde folgendermaßen interpretiert: Schwerbeschädigte i m Sinne des Bundesversorgungsgesetzes werden gegenüber anderen Schwerbeschädigten durch (voraussetzungsschwächeren) Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt. Der Satz „Gr(Hr,x,z)" werde folgendermaßen interpretiert: Schwerbeschädigte i m Sinne des Bundesversorgungsgesetzes werden gegenüber anderen Kraftfahrzeughaltern durch E r laß der Kraftfahrzeugsteuer m i t zureichendem G r u n d ungleich behandelt.
41.11
3. Hilfssatz Der Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung 9.7, 41.7 ist unbegründbar.
Begründung Da Satz 41.7 nach Satz 41.8 nicht aus logischen Gründen richtig ist, bedarf seine Aufnahme i n die Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes einer Begründung, w e n n er begründungsfähig ist. A u f g r u n d der Sätze 41.9 und 41.10 steht fest, daß eine Entscheidung der Frage, ob Satz 41.7 i n die Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes aufzunehmen ist oder nicht, n u r inhaltlich, d. h. nicht logisch getroffen werden kann. Ohne die Feststellung des Gehaltes des Ausdrucks ,,Gr(Hr,x,y)" ist eine inhaltliche Begründung des Satzes 41.7 jedoch nicht möglich. A l l e Versuche, Gehalt des Ausdrucks „Gr(Hr,x,y)" zu ermitteln, setzen die Geltung des Satzes 41.7 als Bestandteil der Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes aus folgenden Gründen jedoch voraus. W i r d eine Person gegenüber Gliedern der nächsten Einschlußklasse ungleich behandelt, w i r d sie auch gegenüber Gliedern aller Einschlußklassen der nächsten Einschlußklasse ungleich behandelt. Die Mächtigkeit der Klasse aller verschiedenen Relationsklassen, i n denen eine bestimmte Person steht, ist infolge der Möglichkeit der Potenzklassenbildung — alle Potenzklassen können Person i m Sinne dier Definition 4.2 sein — praktisch unendlich 3 . Müßte die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gegenüber den Gliedern aller E i n schlußklassen festgestellt werden, wäre die Feststellung i n einem praktisch hinzuschreibenden endlichen Satz nicht formulierbar. E i n die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausdrückender Satz kann daher n u r formuliert w e r den, w e n n der Satz 41.7 Bestandteil der Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist.
Satz 41.11 i m Zusammenhang mit seiner Begründung rechtfertigt folgende Festsetzung: 41.12 Der Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung 9.7, 41.7 ist i n die Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes als A x i o m aufzunehmen. I n den einfachen Fällen, die der Regel 9.8 zugrundeliegen, entstehen bei der Anwendung der i n diesem Paragraphen definierten Begriffe und des Satzes 41.7 keine besonderen logischen Probleme. Anders ist es i n 3
Z u dem Ausdruck „praktisch unendlich" vgl. oben § 3, Anm. 13.
266
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
solchen Fällen, wie einer beispielsweise der 3. Tafel (Seite 72) zugrundeliegt. Solche Fälle sind dadurch ausgezeichnet, daß die Restklasse der behandelten Klasse nicht durch ein wortsprachlich formuliertes Prädikat bezeichnet werden kann, diese Klasse sozusagen namenlos ist. Logisch liegt hier das Problem extensionaler oder intensionaler Sprachen vor. Extensional ist eine Klasse definiert durch ihre Glieder, d. h. die Klasse ist bekannt, wenn ihre Glieder aufgezählt sind. Nun ist es offensichtlich, daß dieses Verfahren i n der empirischen, insbesondere der sozialen Welt auf Schwierigkeiten stößt, die hier nicht weiter zu erörtern sind. Intensional ist eine Klases definiert durch eine Eigenschaft, die allen Gliedern zukommt, d. h. die Klasse ist nicht erst bekannt, wenn alle Glieder aufgezählt sind, denen die definierende Eigenschaft zukommt, sondern bereits, wenn nur die definierende Eigenschaft bekannt ist. Für Klassen ist „Extension" Explikat des Ausdrucks „Begriffsumfang", „ I n tension" Explikat des Ausdrucks „Begriffsinhalt" 4 . Die bisher i n §§ 36 ff. entwickelte Sprache ist prinzipiell extensional. Eine Ausnahme bildet ζ. B. die Einführung des Ausdrucks „Gr(Hr,x,y) u (38.4). Die Umgangssprache und auch die juristische Umgangssprache sind intensionale Sprachen. Das bedeutet, daß i n der praktischen juristischen Arbeit den i n der Regel 9.8 vorkommenden Ausdrücken eine intensionale Deutung zugrunde gelegt wird. Es werde daher definiert: 41.13
Primär-Baum einer behandelten Klasse heißt jeder kennzeichnende Baum einer behandelten Klasse, für desisen behandelte Klasse, nächste Einschlußklasse und Restklasse der behandelten Klasse hiimsichitlich ider nächsten Einschlußklasse es intensional definierte Klassenmerkmale gibt.
Für den oben S. 71 f. behandelten Fall gibt es keinen Primär-Baum, da die Restklasse der behandelten Klasse intensional nicht definiert ist. Solche kennzeichnenden Bäume mögen „Sekundär-Bäume" heißen. 41.14
Sekundär-Baum einer behandelten Klasse heißt jeder kennzeichnende Baum, der kein Primär-Baum ist.
Anstatt der Regel 9.9 werde versuchsweise folgende Vermutung formuliert: 41.15
Gibt es zu einem gegebenen Sekundär-Baum keinen PrimärBaum, so verstößt die den Sekundär-Baum definierende rechtliche Behandlung wenigstens einer Teilklasse der gekennzeichneten Klasse gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
4 H i n t e r diesen von der traditionellen Logik unbefangen verwendeten A u s drücken verbergen sich zahlreiche logische Probleme. Vgl. dazu R. Carnap, E i n führung i n die symbolische Logik, S. 39 ff., 113 f.; W. Stegmüller, Das W a h r heitsproblem und die Idee der Semantik, S. 138 ff., 142 ff., 314 ff.; ders., Wissenschaftliche E r k l ä r u n g und Begründung, S. 19 f., 56 f.
§ 42 Logische Probleme der Argumentationslastregel (zu § 11) § 42
267
Logische Probleme der Argumentationslastregel (zu § 11)
Der allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitssatz enthält nach Satz 11.5 die Argumentationslastregel 11.3, die besagt, daß immer dann, wenn kein zureichender Grund für eine Ungleichbehandlung angegeben werden kann, Gleichbehandlung geboten ist. Abgekürzt läßt sich dieser Sachverhalt — unter Vernachlässigung der deontischen Modalität — folgendermaßen schreiben. 42.1
—iGr=$Glch
Nicht-Grund bedingt Gleichheit. Dem Sinn der Argumentationslastregel widerspricht es, wenn auch der entgegengesetzte Schluß zulässig ist, wenn also gilt: 42.2
—ι Glch
Gr
Ungleichheit bedingt Grund. I n den Systemen der alternären Aussagenlogik besteht jedoch zwischen den Sätzen 42.1 und 42.2 Äquivalenz, d. h. man darf beliebig von dem einen Satz zum anderen Satz übergehen. Es gilt nämlich der Satz: 42.3
Gelten für die Sprache, i n der der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz formuliert ist, die Regeln einer alternären Aussagenlogik, so sind die Sätze 42.1 und 42.2 äquivalent.
Beweis (1)
—ι Gr =5 Glch
Prämisse
(2)
—iGlch=>Gr
W R 14 m i t W R 11
Entsprechend der Beweis f ü r die 2. Prämisse.
Hinter diesem Sachverhalt verbirgt sich eine allgemeinere Problematik. Die Argumentationslastregel 11.3 läßt sich als ein Fall der rechtstheoretisch zu definierenden Vermutung auffassen. Vermutungen greifen ein, wenn das Wissen über das Vorliegen von Tatsachen oder das Gelten von Rechtsregeln nicht ausreicht, u m eine Rechtsfrage zu entscheiden, für deren Entscheidung es auf das Vorliegen der Tatsache oder das Gelten der Rechtsregel ankommt. Diese Unsicherheit liegt bei der Anwendung der Argumentationslastregel 11.3 per definitionem immer vor. Gibt es einen Grund für die Ungleichbehandlung, so ist diese zulässig, gibt es keinen Grund, so ist diese unzulässig. Der problematische Fall ist jedoch der, i n dem nicht feststeht, ob es einen Grund gibt oder nicht. Der Umstand, daß kein Grund gefunden ist, rechtfertigt nicht den Schluß, daß es keinen gibt. Gründe können ja in der Zukunft gefunden werden,
268
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
der Rechtsstreit muß aber in der Gegenwart entschieden werden 1 . I n dieser Lage greift die Argumentationslastregel ein und sagt, daß bereits der Umstand, daß jetzt kein Grund angebbar ist, Gleichheit bedingt. Dies läßt sich so ausdrücken, daß man sagt: Für die Gleichheit spricht eine — nicht statistisch gemeinte 2 — Vermutung. Dieser Vermutungs-Begriff läßt sich präzisieren. Gegeben sei i m Rahmen einer bestimmten Rechtsordnung eine Klasse von Ausdruckspaaren, die folgenden beiden Bedingungen genügt: Erstens ist jeder Ausdruck entweder eine (wahrheitsfähige) Aussage oder eine (geltungsfähige) Rechtsregel (der bestimmten Rechtsordnung). Zweitens sind Glieder jeden Paares ein Ausdruck und seine (semantische) Verneinung 3 . Die Paare der Klasse seien Vermutungspaare genannt. Die Bewertung der Ausdrücke erfolge durch Zuordnung der Werte „Gültig", „Ungültig" oder „Offen". Gültigkeit eines Ausdrucks heiße dabei Wahrheit, wenn der Ausdruck eine Aussage, und Geltung, wenn er eine Rechtsregel ist 4 , Ungültigkeit entsprechend Falschheit beziehungsweise Nichtgeltung und Offenheit, daß nicht feststeht, ob eine Aussage wahr oder falsch ist oder ob eine Rechtsregel nach den Regeln der bestimmten Rechtsordnung gilt oder nicht 5 . Ist es für die Entscheidung einer Rechtsfrage erheblich, ob die Gültigkeit eines Gliedes eines Vermutungspaares angenommen werden muß — und damit die Ungültigkeit des anderen Gliedes des Paares 6 — so werde von einem erheblichen Vermutungspaar gesprochen. M i t Hilfe der eingeführten Ausdrücke läßt sich nun „Vermutung" folgendermaßen »definieren: 42.4
Vermutung zugunsten eines Gliedes eines erheblichen Vermutungspaares heißt der Umstand, daß die Gültigkeit des Gliedes immer dann angenommen wird, wenn dieses offen ist.
Ist eine Vermutung über einem Paar von Aussagen formuliert, werde sie tatsächliche Vermutung, ist sie über einem Paar, enthaltend minde1
Vgl. dazu I. Kant, K r i t i k der reinen Vernunft, A 476. Vgl. dazu N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 55 f. F ü r Aussagen ist es unerheblich, ob gesagt w i r d „p ist w a h r " oder „—ιρ ist falsch". F ü r Rechtsregeln hat O. Weinberger, Über die Negation von Sollsätzen, S. 102 ff., darauf hingewiesen, daß die Parallelität von syntaktischer und semantischer Verneinung nicht gilt. Anstatt vom Gegenteil einer Rechtsregel werde daher oben von ihrer semantischen Verneinung, d. h. ihrer Nichtgeltung gesprochen. 4 Vgl. dazu R. Schreiber, Logik des Rechts, S. 66. 5 Vgl. dazu H. Hermes, Einführung i n die Verbandstheorie, S. 167. Die für die Semantik üblicher intuitionistischer Systeme angenommene Persistenzbedingung, gemäß der eine i n einem beliebigen zeitlichen Stadium wahre (falsche) Aussage i n jedem zeitlichen Stadium eine wahre (falsche) Aussage bleibe, ist für eine Semantik rechtlicher Systeme durch differenzierte Rechtskraft- u n d Wiederaufnahmeregeln zu ersetzen. 6 Der Satz v o m ausgeschlossenen Widerspruch gilt auch i n allen i n t u i t i o n i stischen und derivativen Systemen. Vgl. dazu H. A. Schmidt, Mathematische Gesetze der L o g i k I, S. 343 f. u n d Satz D 32. 2
3
§ 42 Logische Probleme der Argumentationslastregel (zu § 11)
269
stens eine Rechtsregel, formuliert, werde sie normative Vermutung genannt. Eine Vermutung zugunsten eines Gliedes eines erheblichen Vermutungspaares werde unbedingt genannt, wenn seine Gültigkeit immer dann angenommen wird, wenn die Gültigkeit seines Gegenteils nicht feststeht, dieses also offen ist. Eine Vermutung zugunsten eines Gliedes werde bedingt genannt, wenn seine Gültigkeit nur dann angenommen wird, wenn die Gültigkeit seines Gegenteils nicht feststeht und die Gültigkeit eines anderen, des bedingenden Ausdrucks feststeht. M i t Hilfe der vorstehend eingeführten Ausdrücke läßt sich das Verhältnis des durch Satz 42.4 rechtstheoretisch definierten Ausdrucks „Vermutung" zu den einschlägigen dogmatischen Figuren der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland angeben. Beweislastregeln 7 sind unbedingte tatsächliche Vermutungen. Tatsachenvermutungen des Z i vilrechts, d. h. Rechtsregeln, die das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes aus einem tatbestandsfremden Umstand zu erschließen gebieten 8 , sind bedingte tatsächliche Vermutungen. Die Erlaubnis- oder Verbots-Vermutungen des öffentlichen Rechts9 sind unbedingte normative Vermutungen. Die Rechtsvermutungen des Zivilrechts 1 0 sind bedingte normative Vermutungen. I n den Systemen der alternären Aussagenlogik besteht entsprechend Satz 42.3 zwischen entgegengesetzten Vermutungen Äquivalenz 1 1 . Soll dieses Ergebnis — das zur Unbrauchbarkeit des Vermutungsbegriffs i n der Rechtswissenschaft führt — vermieden werden, muß ein Deduktionsgerüst formuliert werden, i n dem die logischen Gesetze nicht gelten, m i t deren Hilfe die Äquivalenz beweisbar ist. Das sind hauptsächlich die beiden Gesetze der starken Kontraposition „(—ip => q) (—\q=$p)" und "(—ιρ=Φ—iq)=>(q=^p)", der Satz vom ausgeschlossenen Dritten "ρ V — i p " " 1 2 und die Zulässigkeit der Reductio inabsurdi „—ι—ip=^p". Ein solches Deduktionsgerüst liefert die intuitionistische Logik 13. Legt man juristischen Deduktionen ein intuitionistisches Deduktionsgerüst zugrunde, dann lassen sich Vermutungen als metasprachlich formulierte Deduktionsregeln auffassen, die kraft positiv-rechtlicher Rege7
Vgl. dazu L. Rosenberg, Die Beweislast, S. 2 f. Vgl. dazu ebd. S. 203; ders., Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, §1131 4 a). 9 Vgl. dazu A. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, S. 61 f. 10 Vgl. dazu L. Rosenberg, Die Beweislast, S. 225 ff.; ders., Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, § 113 I 4 b). 11 F ü r normative Vermutungen haben dies gezeigt G. Frey, I m p e r a t i v - K a l küle, S. 381; L. Philipps, Rechtliche Regelung u n d formale Logik, S. 323; ders., Sinn u n d S t r u k t u r der Normlogik, S. 211 f. 12 Die Gültigkeit des Satzes vom ausgeschlossenen D r i t t e n f ü r Rechtsregeln hat unbedenklich angenommen R. Schreiber, a.a.O., S. 65 f. Kritisch hierzu L. Philipps, Rechtliche Regelung und formale Logik, S. 318 ff. 13 Vgl. dazu Η. A. Schmidt, a.a.O., S. 268 ff., 342 ff. 8
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
270
lung i m Einzelfall den Übergang von „—ι—ip" zu „ p " gestatten, einen Übergang, der i n einem solchen Deduktionsgerüst nicht mehr aufgrund der logischen Regeln zulässig ist. Die doppelte Verneinung ist zu lesen „Es steht nicht fest (ist nicht richtig), daß ~ ι ρ gilt*' oder i n der Deutung der intuitionistischen Logik als Aufgaben-Logik 1 4 „Die Widerlegung von —ip ist nicht gelungen". Da die beiden Negationszeichen i n „—ι—ι p" nicht dasselbe bedeuten, empfiehlt es sich, das Komplement von „ p " weiterhin m i t „ — i p " zu bezeichnen und für die Verneinung der Aussage „—ι ρ " —ι p" zu schreiben 15 . Unter Ersetzung des syntaktischen Zeichens „ " für die Implikation durch das semantische Folgerungszeichen „ |l- " läßt sich dann die Vermutung folgendermaßen darstellen: 42.5
% (p)
äqDef
- —ι ρ | | - R Ρ
ρ heißt i n einer Rechtsordnung SR eine Vermutung, wenn aus dem Mißlingein des Versuches, die Ungültig von non-p nach den Regeln der Rechtsordnung SR zu erweisen, ρ gefolgert werden kann 1 6 . Die Einführung der Regeln einer intuitionistischen Logik für die syntaktischen Zeichen der i n § 36 formulierten Sätze reicht jedoch noch nicht aus, um das Ergebnis des Satzes 42.3 zu vermeiden. Werde für Satz 38.7 kurz „Glch V Gr" geschrieben, so ist die Fassung 42.1„—iGr => Glch" gemäß folgendem Satz 'ableitbar: 42.6
Gelten für die Sprache, in der der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz formuliert ist, die Regeln der alternären oder der intuitionistischen Aussagenlogik, so ist „—ι Gr => Glch" aus „Gl V Gr" ableitbar.
Beweis Prämisse
(1)
Glch V Gr
(2)
Gr V Glch
D 51
(3)
—ι Gr
J7(l)
Glch
Dieser Umstand hat aber auch die Folge, daß auch dieser Satz gilt: 42.7
14
Gelten für die Sprache, in der der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz formuliert ist, die Regeln der alternären oder
Vgl. dazu A. Kolmogoroff, Z u r Deutung der intuitionistischen Logik, S. 58 ff.; Η . A. Schmidt, a.a.O., S. 334 ff., 358 f. 15 Logische Regeln f ü r ein solches System der Verneinung hat entwickelt G. H. v. Wright, On the Logic of Negation, passim. 16 Die Möglichkeit, daß Rechtsordnungen Vermutungen i m definierten Sinn enthalten können, ist der Grund, w a r u m oben bei der Definition der Geltung i n Satz 1.2.2 die negative Formulierung verwendet wurde.
§ 43 Die Problematik der Folgenungleichheit (zu §§ 16, 35)
271
der intuitionistischen Aussagenlogik, so ist „—ι Glch =ï Gr" aus „Glch ν Gr" ableitbar. Beweis (1)
Glch V Gr
(2)
—ι Glch
Prämisse Gr
J7(l)
Das bedeutet, daß -auch i n einer Sprache, für die die Regeln der intuitionistischen Aussagenlogik gelten, Satz 42.3 richtig ist und die Argumentationslastregel 11.3 nicht formulierbar ist. Es bedarf also einer weiteren Einschränkung der zulässigen logischen Regeln derart, daß auch die Regel „p ν q => ρ => q)", die i n alternären und i n intuitionistischen Systemen gilt, nicht mehr gültig ist. Diese Einschränkung leistet die derivative Logik 17. Es gilt also der folgende Satz: 42.8 Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz i n der Arbeitsfassung 12.1 m i t der i n i h m enthaltenen Argumentationslastregel 11.3 ist nur i n einer Sprache formulierbar, für die kein Deduktionsgerüst gilt, das stärker ist als eines der derivativen Logik. Es sei der Satz „Glch ist geboten" abgekürzt durch „O Glch". W i r d beabsichtigt, die Definition des § 38 i n die deontische Modalität zu überführen, hat Satz 42.8 zur Folge, daß von der Definition 38.6 nicht mehr zu einer Formulierung m i t der Struktur von Rechtssätzen wie „—ι Gr=$OGlch" übergegangen werden kann. Beim Übergang von deskriptiven zu deontischen Sätzen muß daher von der Definition 38.8 ausgegangen werden.
§ 43
D i e Problematik der Folgenungleichheit (zu §§ 16, 35)
I n diesem Paragraphen soll kurz auf die Problematik hingewiesen werden, die m i t möglichen Ungleichheiten durch Folgen rechtlicher Normierungen zusammenhängt. Diese Problematik wurde bereits i n § 16 kurz berührt, erhält ihre dogmatische Bedeutung jedoch erst bei der Be-, handlung der Chancengleichheit i n § 35. Zur Darstellung »der Problematik seien die beiden Symbole „ f | s " und „ U s" eingeführt, die gelesen werden „Disjunktion aller s" und „Konjunktion aller s*". 43.1 43.2
U s i o D e f S]L V s2 V . . . V s n i=l η Π si o D e f s1 A s 2 A . . . A s n
17 Vgl. dazu Η. A. Schmidt, a.a.O., S. 271 ff. Die Nichtgültigkeit der Regel J 7 (1) i n derivativen Systemen ist m i t Hilfe des EntscheidungsVerfahrens nachweisbar, das ebd., S. 409 ff., angegeben ist.
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
272
Wie i n § 16 ausgeführt wurde, hat die Verwirklichung eines Zieles ρ durch rechtlich angeordnete funktional äquivalente M i t t e l qi, qa, . . . , q n die Verwirklichung von (p A qi) V (ρ Λ q2) V . . . V (p A q n) (n ^ 1) zur Folge. Dafür kann auch geschrieben werden: ρ Λ (qi V qj V . . . V qn). Es gilt also der Satz: 43.3 (16.5)
P4
η p A UQi L i=1
Aus der Wahl (bzw. der normativen Anordnung) eines Zieles folgt die Wahl (bzw. die normative Anordnung) der Disjunktion aller funktional äquivalenten Mittel zu diesem Ziel. Aus Satz 16.6 ergibt sich, daß Art. 3 GG eine rechtliche Normierung gebietet derart, daß zur Verwirklichung eines erlaubten Zieles nur solche M i t t e l qi normiert werden dürfen, die die Betroffenen verfassungsrechtlich gleich behandelt. Jedoch ist die Problematik komplizierter, als Satz 16.6 erkennen läßt. Aus der Wahl von ρ folgt nämlich nicht nur die Wahl wenigstens eines der funktional äquivalenten M i t t e l qi, sondern auch die Wahl aller Folgen wenigistens eines der M i t t e l qi. Da bereits die Anzahl der Folgen fj,—f l v sei die v-te Folge des i-ten Mittels qi — eines einzigen verwirklichten Mittels praktisch unendlich ist 1 , gilt folgender Satz: 43.4
ρ=Φ p A U QiA (J Π ft 1=1
ι=1 v=l
Aus der Wahl (bzw. der normativen Anordnung) eines Zieles folgt die Wahl (bzw. normative Anordnung) der Disjunktion aller funktional äquivalenten Mittel zu diesem Ziel und die Wahl der Disjunktion aller Konjunktionen der Folgen der funktional äquivalenten M i t t e l zu diesem Ziel. Zur Reduktion der sich aus diesem Satz ergebenden infinitesimalen Problematik jeden menschlichen Verhaltens sind i n der Rechtswissenschaft bisher nur die Vereinfachungsregeln der Adäquanztheorie und der persönlichen Zurechnung 2 gebräuchlich. Beide Vereinfachungsregeln sind für die Problematik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes unbrauchbar 3 . Die spezifische Problematik des Gleichheitssatzes liegt darin, 1
Z u dem Ausdruck „praktisch unendlich" vgl. oben § 3, A n m . 13. Z u m Sachproblem vgl. N. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 134. 2 Z u m ideologischen Charakter der Zurechnungsregel vgl. N. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 63 ff. 3 Z u r prinzipiellen Möglichkeit, solche erforderlichen Vereinfachungsregeln einzuführen, vgl. ders., öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 63 f., u n d die dort zitierte weitere Literatur.
§ 43 Die Problematik der Folgenungleichheit (zu §§ 16, 35)
273
daß normative Gleichheit i n einem gegebenen Bereich, d. h. eine solche, die darin besteht, daß alle Personen des Bereichs rechtlich gleichbehandelt werden, tatsächliche Ungleichheiten i n diesem Bereich dann verstärkt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse i n dem gegebenen Bereich ungleich sind. Es gilt also der Satz: 43.5 (31.1)
Immer dann, wenn gleiche rechtliche Regelungen Bereiche regeln, die durch tatsächliche Ungleichheiten beschreibbar sind, sind die tatsächlichen Folgen der Regelung ungleich 4 .
Erläuterung W i r d ζ. B. von jedem volljährigen Bürger eine Kopfsteuer i n konstanter Höhe erhoben, so t r i f f t diese gleiche rechtliche Regelung unterschiedlich vermögende Bürger finanziell ungleich. Prinzipieller ist die W i r k u n g des Satzes 43.5, die er bei der i n §§ 28 ff. behandelten Freisetzung der bürgerlichen V e r kehrsgesellschaft durch die Normierung der rechtlichen Gleichheit gespielt hat.
Durch Satz 35.19 ist für diese Problematik folgende Vereinfachungsregel i n die Dogmatik des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes aufgenommen worden: 43.6
1. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz regelt den — durch die Geltung des Satzes über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung 9.7, 41.7 übersehbaren — Bereich der Mittel, der durch die Tatbestandsmerkmale rechtlicher Regelungen beschreibbar ist, uneingeschränkt. 2. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz regelt den — prinzipiell i n seiner Gesamtheit unübersehbaren — Bereich der Folgen dieser M i t t e l nur i n denjenigen Bereichen, für die die Möglichkeit und die Bedürftigkeit einer solchen Regelung begründbar ist.
Der Unterschied zwischen den Regelungsumfängen des Satzes 43.6.1 und des Satzes 43.6.2 ist der Grund, weswegen dem Art. 3 GG zwei Gleichheitsbegriffe auf Verfassungsebene entnommen worden sind. Dem Regelungsumfang des Satzes 43.6.1 entspricht die durch Definition 6.3 eingeführte der Arbeitsfassung 12.1 zugrundeliegende verfassungsrechtliche Gleichheit. Dem Regelungsumfang des Satzes 43.6.2 entsprechen die durch die Definitionen 35.14 und 35.24 eingeführten verfassungsrechtlichen Chancengleichheiten.
4
Ebenso K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, S. 180.
18 Podlech.
274
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes § 44
Das Theorem von A r r o w (zu § 34)
Gegeben sei eine Klasse G = {a, b,..., j,...} von Individuen, unbestimmt angedeutet durch „i". Die Klasse G werde auch Gesellschaft genannt. Gegeben sei ferner eine Klasse 31 = { . . . , w,x,y,...} zwischen denen die Glieder aus G wählen können 1 .
von Alternativen,
Uber 31 seien zwei zweistellige Relationen Pi und Ii gegeben, wobei I i eine Abkürzung gemäß folgender Regel ist: 44.1
Ii (x, y) oDe{
—I P i (X, y ) Α ~ι P i (y, χ)
»Pi(x,y)" werde gelesen: „Das I n d i v i d u u m i zieht χ gegenüber y vor." „Ii(x,y) werde gelesen: „Das I n d i v i d u u m i ist gegenüber χ u n d y indifferent."
u
Für die Relationen Pi und U gelten folgende Postulate: 44.2
1. Postulat der Asymmetrie —\(3x) (3 y) [Pi (x, y) A Pi ( y , χ)]
2. Postulat der Transitivität (VX) (Vy) (VZ) [Pi (x, y) A Pi (y, ζ) =» Pi (χ, ζ)]
3. Postulat der Konnektivität (VX) (vy) [Pi (X, y) ν ρ* (ν, χ) ν i f (χ, ν)]
2
)
Jede Wahl von Alternativen, die den Postulaten 44.2 genügt, heiße eine rationale Wahl. Aufgrund des Postulats 44.2.3 ist für jedes I n d i v i duum der Gesellschaft für alle Glieder aus 31 eine Ordnung bestimmt. Jede dieser Ordnungen heiße individuelle Vorzugsordnung des betreffenden Individuums. Gibt es für alle Glieder aus 31 eine entsprechende Ordnung, nach der die Gesellschaft zwischen den Gliedern wählt, heiße diese Ordnung gesellschaftliche Vor zugsordnung. Auch die Vorzugsordnung einer nichtleeren Teilklasse der Gesellschaft heiße gesellschaftliche Vorzugsordnung. Jedes n-Tupel von Vorzugsordnungen beliebiger η Individuen oder Teilklassen der Gesellschaft heiße Präferenzprofil der η Individuen oder Teilklassen der Gesellschaft. Sind die Relationen Ρ oder I Bestandteile gesellschaftlicher Vorzugsordnungen, werde dies dadurch angedeutet, daß ,,Ρ ω " und , , Ι ω " oder kurz „ P " und „ I " geschrieben w i r d . 1 Vgl. dazu K. J. Arrow, Social Choice and I n d i v i d u a l Values, S. 11 ff.; R. D. Luce, H. Raiffa, Games and Decisions, S. 331 ff. 2 K. J. Arrow, a.a.O., S. 13 ff.; R. D. Luce, H. Raiffa, a.a.O., S. 331 f.
§ 44 Das Theorem von A r r o w (zu § 34)
275
Das Arrowsche Theorem betrifft soziale Wohlfahrtsfunktionen. 44.3
Eine Regel F ist eine soziale Wohlfahrtsfunktion genau dann, wenn sie jedem Präferenzprofil genau eine gesellschaftliche Vorzugsordnung zuordnet 3 .
Zur Einschränkung des Bereichs möglicher sozialer Wohlfahrtsfunktionen werden die fünf Arrowschen Bedingungen formuliert, was m i t Hilfe der folgenden Ausdrücke geschieht. 44.4
Eine gesellschaftliche Vorzugsordnung heißt auferlegte Vorzugsordnung genau dann, wenn es kein Alternativen-Paar χ und y gibt derart, daß die gesellschaftliche Vorzugsordnung χ gegenüber y genau dann vorzieht, wenn es wenigstens eine i n d i v i duelle Vorzugsordnung gibt, die χ gegenüber y vorzieht 4 .
44.5
Eine gesellschaftliche Vorzugsordnung heißt diktierte Vorzugsordnung genau dann, wenn für jedes Alternativen-Paar χ und y gilt, daß es eine individuelle Vorzugsordnung gibt derart, daß die gesellschaftliche Vorzugsordung χ gegenüber y genau dann vorzieht, wenn die individuelle Vorzugsordnung χ gegenüber y vorzieht. Die individuelle Vorzugsordnung heißt dann ausgezeichnete Vorzug sor dnung 5„
Die fünf Arrowschen Bedingungen formulieren die Voraussetzungen, unter denen eine soziale Wohlfahrtsfunktion für Gesellschaften eine annehmbare Wohlfahrtsfunktion ist. 44.6
Eine soziale Wohlfahrtsfunktio F heißt annehmbare Wohlfahrtsfunktion, wenn für sie gilt: 1. Postulat der Vollständigkeit F bestimmt für alle möglichen Präferenzprofile eine gesellschaftliche Vorzugsordnung auch dann, wenn G aus mindestens zwei Individuen und 31 aus mindestens drei Alternativen besteht; 2. Postulat der positiven Verbindung individueller gesellschaftlicher Werte Bestimmt F für ein gegebenes Präferenzprofil Ρ (x, y), so bestimmt sie dasselbe, wenn das gegebene Präferenzprofil nur innerhalb der folgenden Bedingungen geändert w i r d : 1. die Ordnung für alle Alternativen-Paare, die χ nicht enthalten, bleibt unverändert;
3 4 5
18*
K. J. Arrow, a.a.O., S. 23; R. D. Luce, H. Raiffa, a.a.O., S. 332. K. J. Arrow, a.a.O., S. 28; R. D. Luce, Η. Raiffa, ebd. K . J. Arrow, a.a.O., S. 30; R. D. Luce, Η. Raiffa, a.a.O., S. 338.
276
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes
2. die Ordnung für alle Alternativen-Paare, die χ enthalten, bleibt unverändert oder sie w i r d zugunsten von χ geändert; 3. Postulat der Unabhängigkeit
irrelevanter
Alternativen
Es sei 33 c 21. W i r d ein gegebenes Präferenzprofil geändert derart, daß die Ordnung für alle Alternativen aus 33 unverändert bleibt, dann sind die gesellschaftlichen Vorzugsordnungen, die F für das gegebene und für das geänderte Präferenzprofil bestimmt, hinsichtlich der Alternativen aus 3? identisch; 4. Postulat der Souveränität
der Bürger
Die durch F bestimmten gesellschaftlichen Vorzugsordnungen sind nicht auferlegt i m Sinne der Begriffsbestimmung 44.4; 5. Postulat der Nichtexistenz eines Diktators Die durch F bestimmten gesellschaftlichen Vorzugsordnungen sind nicht diktiert i m Sinne der Begriffsbestimmung 44.5e. Das Ergebnis der Untersuchungen von K. J. Arrow läßt sich formulieren als 44.7
Arrowsches Theorem von der Nichtexistenz annehmbarer Wohlfahrt s funktionen Die Klasse der Bedingungen 44.6.1 bis 44.6.5 ist inkonsistent derart, daß immer dann, wenn eine Funktion die Bedingungen 44.6.1 bis 44.6.3 erfüllt, die durch sie bestimmten gesellschaftlichen Vorzugsordnungen auferlegt oder diktiert sind 7 .
Dem Beweis des Theorems 8 seien zwei Hilfssätze vorausgeschickt. Eine (echte oder unechte) Teilklasse der Gesellschaft werde i m Hinblick auf eine gegebene Wohlfahrtsfunktion F für ein gegebenes AlternativenPaar χ und y entscheidende Klasse genau dann genannt, wenn die durch F bestimmten gesellschaftlichen Vorzugsordnungen χ gegenüber y immer dann vorziehen, wenn die individuellen Vorzugsordnungen aller Individuen der Teilklasse χ gegenüber y vorziehen. β Die Originalfassung der Postulate findet sich bei K . J. Arrow, a.a.O., S. 24— 30. Modifizierte Fassungen finden sich ebd. S. 96 ff. Die vorstehende Fassung folgt D. Luce, Η . Raiffa, a.a.O., S. 334—338. Diese Formulierung ist einfacher als die Originalfassungen u n d gestattet einen einfacheren Beweis. 7 K . J. Arrow, a.a.O., S. 59, 97; R. D. Luce, Η . Raiffa, a.a.O., S. 339. 8 Beweise für das Theorem finden sich bei K . J. Arrow, a.a.O., S. 51—59 und S. 97 ff. Der folgende Beweis folgt der Beweisskizze bei R. D. Luce, Η. Raiffa, a.a.O., S. 339 f. Dieser Beweis ist kürzer und durchsichtiger als der von A r r o w gegebene Beweis.
§ 44 Das Theorem von A r r o w (zu § 34)
44.8
277
1. Hilfssatz Die Gesellschaft ist für jede annehmbare Wohlfahrtsfunktion eine entscheidende Klasse.
Beweis Satz 44.8 folgt aus der Bedingung 44.6.4.
Eine gegebene entscheidende Klasse werde minimale entscheidende Klasse genau dann genannt, wenn keine echte Teilklasse der gegebenen Klasse eine entscheidende Klasse ist. 44.9
2. Hilfssatz Für jede annehmbare Wohlfahrtsfunktion gibt es eine minimale entscheidende Klasse.
Beweis Nach Satz 44.8 ist die Gesellschaft entscheidende Klasse. W i r d von der Gesellschaft i n einer bestimmten Reihenfolge je ein I n d i v i d u u m ausgeschieden, so ist nach jedem Ausscheiden zu prüfen, ob die verbleibende Klasse noch e n t scheidend ist. Die verbleibende Klasse verliert die Eigenschaft, entscheidend zu sein, spätestens, w e n n das letzte I n d i v i d u u m ausgeschieden, sie also leer w i r d , da i n diesem Falle i h r Komplement, die Gesellschaft minimale entscheidende Klasse ist.
Der Gedankengang des folgenden Beweises ist folgender: Das Theorem 44.7 ist bewiesen, wenn sich für jedes Präferenzprofil und für jede gesellschaftliche Vorzugsordnung, die den Postulaten 44.6.1 bis 44.6.3 genügt, nachweisen läßt, daß es ein Individuum gibt, das eine minimale entscheidende Klasse bildet. Die individuelle Vorzugsordnung dieses Individuums ist dann eine ausgezeichnete Vorzugsordnung i m Sinne der Begriffsbestimmung 44.5 und die Existenz einer solchen individuellen Vorzugsordnung verstößt gegen das Postulat 44.6.5. I n den Beweisvoraussetzungen werden drei Präferenzprofile angegeben, für die die Existenz einer ausgezeichneten Vorzugsordnung nachgewiesen wird. Satz 44.14 weist nach, daß dieser Nachweis zum Beweis des Theorems 44.7 ausreicht. 44.10
Beweisvoraussetzungen 1. V sei eine minimale entscheidende Klasse für χ gegen y und j ein bestimmtes Individuum aus V. 2. W sei die Klasse aller übrigen Individuen aus V außer j und U die Restklasse der Gesellschaft i m Hinblick auf V. 3. W und V seien nicht beide zusammen leer. 4. Es seien folgende Präferenzprofile betrachtet, wobei ζ Φ x, z ^ y und w ^ x sei:
278
Anhang: Einzelprobleme des Gleichheitssatzes 1. das erste
Präferenzprofil
{j}W χ z y χ ζ y 2. das zweite
U y ζ χ
Präferenzprofil
ω
υ
w X ζ
ζ w χ
3. das dritte
Präferenzprofil m υ w ζ ζ χ Χ W.
Erläuterung Die Annahmen 44.10.1 u n d 44.10.3 entsprechen Satz 44.9. Die A n z a h l der Alternativen 44.10.4 entspricht der Bedingung 44.6.1. A u f g r u n d d e r B e d i n g u n g e n 44.6 u n d 44.10 lassen sich f o l g e n d e Sätze beweisen: 44.11
Jede a n n e h m b a r e W o h l f a h r t s f u n k t i o n b e s t i m m t a u f g r u n d der B e w e i s Voraussetzungen 44.10.1 b i s 44.10.3 u n d des ersten P r ä ferenzprofils 44.10.4.1 eine gesellschaftliche V o r z u g s o r d n u n g m i t : 1.
P(x,y)
2.
~~ι Ρ (z, y)
3.
P(xfz).
Beweis von 44.11.1 Da von allen I n d i v i d u e n aus V = { j } U W χ gegenüber y vorgezogen w i r d u n d da V nach 44.10.1 f ü r χ gegen y entscheidend ist, zieht die Gesellschaft χ gegenüber y vor. Beweis von 44.11.2 Würde die Gesellschaft ζ gegenüber y vorziehen, wäre W entscheidend für z, da alle Glieder aus W ζ gegenüber y vorziehen, während alle anderen I n d i viduen y gegenüber ζ vorziehen. Dies widerspricht der Annahme 44.10.1 von V als minimaler entscheidender Klasse. Beweis von 44.11.3 Aus 44.11.1 u n d 44.11.2 folgt 44.11.3 nach 44.2.2.
§ 44 Das Theorem von A r r o w (zu § 34)
44.12
279
Jede annehmbare Wohlfahrtsfunktion bestimmt aufgrund der Beweisvoraussetzungen 44.10.1 bis 44.10.3 und des zweiten Präferenzprofils 44.10.4.2 eine gesellschaftliche Vorzugsordnung mit: 1.
P(w,x)
2.
P(x,z)
3.
P(w,z).
Beweis von 44.12.1 44.12.1 folgt aus 44.6.2.
Beweis von 44.12.2 Nach Satz 44.11 ist { j } entscheidend f ü r χ gegen jedes von χ u n d y v e r schiedene z.
Beweis von 44.12.3 Aus 44.12.1 u n d 44.12.2 folgt 44.12.3 nach 44.2.2.
44.13
Jede annehmbare Wohlfahrtsfunktion bestimmt aufgrund der Beweisvoraussetzungen 44.10.1 bis 44.10.3 und des dritten Präferenzprofils 44.10.4.3 eine gesellschaftliche Vorzugsordnung mit: 1.
P(w tz)
2.
P(z,x)
3.
P(w,x).
Beweis von 44.13.1 Nach Satz 44.12 ist { j } entscheidend f ü r jedes w gegenüber z.
Beweis von 44.13.2 44.13.2 folgt aus 44.6.2.
Beweis von 44.13.3 Aus 44.13.1 u n d 44.13.2 folgt 44.13.3 nach 44.2.2.
44.14
Jede annehmbare Wohlfahrtsfunktion bestimmt für beliebige Alternativen, deren Anzahl größer als zwei ist, eine ausgezeichnete individuelle Vorzugsordnung und genügt damit nicht der Bedingungen 44.6.5.
Beweis A u f g r u n d des Satzes 44.11 steht fest, daß { j } entscheidend ist f ü r jedes χ gegen jedes beliebige von χ verschiedene z. A u f g r u n d der Sätze 44.12 u n d 44.13 steht fest, daß { j } ebenso entscheidend ist f ü r jedes beliebige von χ verschiedene w gegen χ u n d z. Das bedeutet, daß { j } entscheidend ist hinsichtlich jeder beliebigen zu einem beliebigen Alternativen-Paar hinzutretenden neuen A l t e r native. Die individuelle Vorzugsordnung von j ist also immer eine ausgezeichnete Vorzugsordnung.
teuverzeichnis ( I n das Literaturverzeichnis sind aufgenommen worden alle zitierten Arbeiten, die sich nach dem T i t e l ausdrücklich m i t der Gleichheitsproblematik befassen, philosophische, methodische u n d logische Arbeiten u n d alle Arbeiten, die mehrmals zitiert worden sind.) Accolas , E.: L a Déclaration des droits de l'homme de 1793 commentée, Paris 1885 Ackermann, W., siehe Hilbert, D. Adorno, Th. W.: Z u r L o g i k der Sozialwissensaften, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 14 (1962), S. 248 - 273 Aiken, H. D.: The Concept of M o r a l Objectivity, i n : H. N. Castaneda, G. N a k h n i k i a n (Hrsg.), M o r a l i t y and the Language of Conduct, S. 69 - 105 Albert , Η . : Wertfreiheit als methodisches Prinzip. Z u r Frage der Notwendigkeit einer normativen Sozialwissenschaft (1963), i n : E. Topitsch (Hrsg.), L o g i k der Sozialwissenschaften, S. 181 - 210 — Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens i n kritischer Beleuchtung (1963), i n : E. Topitsch (Hrsg.), L o g i k der Sozialwissenschaften, S.406 - 434 — (Hrsg.) Theorie u n d Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, Tübingen 1964 — Probleme der Theorie-Bildung. Entwicklung, S t r u k t u r u n d A n w e n d u n g sozialwissenschaftlicher Theorien, i n : ders. (Hrsg.). Theorie u n d Realität, S. 3 - 70 — T r a k t a t über kritische Vernunft, Tübingen 1968 Aldag, H.: Die Gleichheit v o r dem Gesetz i n der Reichsverfassung. Eine öffentlich-rechtliche A b h a n d l u n g auf rechtsvergleichender Grundlage, B e r l i n 1925 Anderson, A . R.: The Formal Analysis of Normative Systems (1956), i n : N. Rescher (Hrsg.), The Logic of Decision and Action, S. 147 - 213 — Logik, Normen u n d Rollen, i n : Ratio 4 (1962), S. 32 - 43 Andokides: On the Mysteries. The T e x t edited w i t h Introduction, Commentary and Appendixes by D. Macdowell, Oxford 1962 Anschütz , G., Thoma, R. (Hrsg.) : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 2 Bde., Tübingen 1931/1932 AppeZt, W.: Die Gleichheit v o r dem Gesetz nach A r t . 3 Abs. 1 GG, i n : JZ 6 (1951), S. 353 - 359 Arioli, S.: Das Verbot der w i l l k ü r l i c h e n u n d der rechtsungleichen Rechtsanwendung i m Sinne v o n A r t . 4 der Bundesverfassung, Basel, Stuttgart 1968 Aristoteles: Categoriae et L i b e r de Interpretation^ Ed. L . Minio-Paluelle, Oxford 1961 — Metaphysica, Ed. W. Jaeger, Oxford 1957 — Ethica Nicomachea, Ed. J .Bywater, Oxford 1954
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Entscheidungsverzeichnis Die i n der vorliegenden Untersuchung zitierten Gerichts-Entscheidungen werden w i e folgt angeführt: Laufende Nummer, D a t u m der Entscheidung, Aktenzeichen, Fundstelle, gegebenenfalls eingebürgerter Name der Entscheidung u n d Seitenzahl der Stelle der vorliegenden Untersuchung, an der die betreffende Entscheidung zitiert ist. Fundstellen ohne besonderen Zusatz nennen Band und Seitenzahl der Veröffentlichung i n der amtlichen Sammlung des betreffenden Gerichts. Die Seitenzahlen der Stellen der vorliegenden U n t e r suchung, an denen Entscheidungen i n Leitsatzform wiedergegeben sind, sind hervorgehoben. A. Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts
1.
23. 11.51
2 B v G 1/51
1,14
2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
10. 12. 51 20. 2.52 5. 4.52 30. 4.52 30. 1.53 7. 5.53 17. 6.53 24. 7.53 1. 8.53 17.12. 53
1 BvR 1 BvF 2 BvH 1 BvR 1 BvR 1 BvL 1 BvR 1 BvR 1 BvR 1 BvR
220/51 2/51 1/52 14/52 u. a. 377/51 104/52 668/52 293/52 281/53 147/52 u. a.
1,97 1,117 1,208 1,264 2,118 2,266 2,336 3,4 3,19 3,58
12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.
17.12. 53 18.12. 53 26. 2.54 3. 7.54 20. 7.54 11. 8.54 25. 1.55 16. 3.55 7. 7.55 7. 7.55 21. 7.55 30.11. 55 6. 2.56 25. 5.56 25. 5.56 25. 5.56 13. 6.56 17. 8.56 17. 1.57
1 B v L 106/53 1 B v L 106/53 1 B v R 371/52 1 B v R 183/54 1 B v R 459/52 u. a. 2 B v R 2/54 1 B v R 136/51 2 B v K 1/54 1 B v R 108/52 1 B v R 635/52 1 B v L 33/51 1 B v L 120/53 2 B v H 1/55 1 B v R 53/54 1 B v R 83/56 1 B v R 128/56 1 B v R 315/53 u. a. 1 B v R 2/51 1 B v L 4/54
3,162 3,225 3,288 3,383 4,7 4,31 4,142 4,144 4,193 4,205 4,219 4,352 4,375 5,9 5,17 5,22 5,77 5,85 6,55
31. 32. 33.
23. 1.57 23. 1.57 19. 2.57
2 B v E 2/56 2 B v R 6/56 1 B v R 357/52
6,84 6,121 6,132
„Südweststaat-Entsch." 39,46, 53, 98 „Witwe-Schneeweiß-E." 207 39 79,110,111 53, 82 46, 53, 60, 82 94 „1. Armenrechts-E." 208, 221 98 209 „131 er-EntScheidung" 39, 46, 53, 82, 88,122, 201 „Angestellten-Entsch." 46 83, 91, 92, 94,136,138 „Soldaten-Entsch." 46,122 34, 209 „Investitionshilfe-E." 34, 39, 98 60, 75,111, 217 111 53 97,154 130 46, 74, 75, 82, 99,122 46 60,111 93, 99 94 38,156 f., 158 111 „KPD-Entscheidung" 56,190 „Ehegattenbesteuerungs-Entscheidung" 74, 83,136,137 111 46 136
298
Entscheidungserzeichnis
34.
21. 2. 57
1 B v R 241/56
6,273
35. 36. 37.
7. 5. 57 10. 5. 57 3. 9. 57
1 B v R 289/56 1 B v R 550/52 2 B v R 5/57
6,386 6,389 7,99
38. 39. 40. 41. 42. 43.
12. 12. 5. 3. 11. 6. 11. 6. 10. 6. 24. 6.
1 B v R 678/57 2 B v F 4/56 1 B v R 596/56 1 B v R 1/52 2 B v F 15/6 2 B v F 1/57
7,194 7,305 7,377 8,1 8,174 8,51
44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90.
23.10. 58 12. 11.58 2. 12. 58 3. 12. 58 16.12. 58 22. 1.59 3. 2. 59 3. 2. 59 17. 3. 59 14. 4. 59 14. 4. 59 20. 5. 59 16. 6. 59 16. 6. 59 14. 7. 59 29. 7. 59 29. 7. 59 15.12. 59 12. 1.60 25. 2. 60 5. 4. 60 4. 5. 60 10. 5. 60 28. 6. 60 7. 7. 60 12. 7. 60 27. 7. 60 11. 10. 60 2. 11.60 15. 11.60 24. 1.61 25. 1.61 7. 2. 61 7. 2. 61 21. 2.61 21. 2.61 22. 2.61 15. 3.61 21. 3.61 9. 5.61 16. 5. 61 17. 5. 61 30. 5. 61 27. 6. 61 27. 6.61 27. 6. 61 17. 7.61
57 58 58 58 58 58
1 B v L 45/56 2 B v L 4/56 u. a. 1 B v L 27/55 1 B v R 488/57 1 B v L 3/57 u. a. 1 B v R 154/55 2 B v L 10/56 1 B v R 419/54 1 B v L 39/56 u. a. 1 B v L 23/57 u. a. 1 B v R 12/58 u. a. 1 B v L 1/58 u. a. 2 B v L 10/59 1 B v R 71/57 2 B v E 2/58 u. a. 1 B v R 205/58 u. a. 1 B v R 394/58 1 B v L 10/55 1 B v L 17/59 1 B v R 239/52 1 B v L 31/57 1 B v L 17 57 1 B v R 190/58 2 B v L 19/59 2 B v R 435/60 u. a. 2 B v R 373/60 1 B v L 5/59 1 B v L 2/59 u. a. 2 B v R 504/60 2 B v R 536/60 2 B v R 74/60 2BvR 582/60 2 B v R 45/61 2 B v R 23/61 1 B v L 29/57 u. a. 1 B v R 314/60 2 B v R 63/61 2 B v L 8/60 2 B v R 27/60 2 B v R 49/60 2 B v F 1/60 1 B v R 561/60 u. a. 3 B v R 366/60 1 B v L 17/58 u. a. 1 B v L 26/58 1 B v R 486/59 1 B v L 44/55
8,210 8,274 8,332 9,3 9,20 9,124 9,137 9,162 9,201 9,237 9,256 9,291 9,334 9,338 10,4 10,59 10,89 10,234 10,264 10,354 11,50 11,64 11,105 11,245 11,263 11,266 11,283 11,310 11,351 12,10 12,81 12,132 12,135 12,139 12,151 12,180 12,200 12,264 12,296 12,326 12,341 12,354 13,1 13,31 13,39 13,46 13,97
„1. Parteispenden-E." 34, 83, 136, 137, 209 137 „175er-Entscheidung" 92, 93 „1. Sendezeiten-Entsch." 136, 159, 209,212,218 116 60 „Apotheken-Entsch." 83, 84 136 46 „2. Parteispenden-E." 136,172, 201,209 f., 209,211,217 150, 136, 137,140 108 136 83 46, 60 136, 208 121,210 219 46, 53, 75 136, 137, 201 „2. Armenrechts-E." 136 99 46 79 136 „Stichentscheid-E. 136 34 „Lex-Platow-Entsch." 46 208 130 136,137 75,122 129 129 136 „ l . K o m m u n a l w a h l - E . " 136 73 74 „2. K o m m u n a l w a h l - E . " 46,136 „3. K o m m u n a l w a h l - E . " 136 136 136 136 130,136 64, 74, 136, 137 136 136 74 59 46, 97 46, 60 115,116 136 99,122,124 155,157 58, 60 „Handwerksordnung-E " 84
Entscheidungserzeichnis 91.
30. 10. 61
1 B v R 833/59
13,181
92.
29.11. 61
1 B v R 148/57
13,225
93. 94. 95. 96. 97. 98.
24. 24. 24. 3. 4. 30.
1 B v L 32/57 1 B v R 232/60 1 B v R 845/58 1 B v L 35/57 2 B v L 9/60 u. a. 2 B v R 158/62
13,290 13.318 13,331 14,34 14,42 14.121
1.62 1.62 1.62 4. 62 4. 62 5. 62
99. 100. 101. 102. 103. 104. 105.
24. 7. 62 11. 10. 62 6. 11. 62 11. 12. 62 16. 1. 63 20. 3. 63 2. 4. 63
2 B v L 15/61 u. a. 1 B v L 22/57 2 B v R 151/60 2 B v L 2/60 u. a. 1 B v R 316/60 1 B v R 505/59 2 B v L 22/60
14,221 14,288 15,46 15,167 15,256 15,337 16,6
106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120.
10. 6. 8. 7. 8. 7. 24. 7. 25. 7. 8. 10. 29. 10. 12. 2. 11. 3. 14. 4. 5. 5. 27. 5. 30. 6. 7. 7. 11. 8.
1 B v R 345/61 1 B v R 319/60 1 B v R 54/61 1 B v L 30/57 u. a. 1 B v R 79/57 2 B v R 108/62 1 B v L 15/58 1 B v L 12/62 1 B v L 4/63 2 B v R 69/62 1 B v R 416/61 u. a. 1 B v L 4/59 1 B v L 16/61 u. a. 2 B v L 22/63 u. a. 2 B v R 456/64
121. 122. 123. 124. 125.
12. 28. 25. 1. 13.
1.65 4. 65 4. 65 6. 65 7. 65
2 BvR 1 BvR 1 BvR 2 BvR 1 BvR
16,203 16,241 16,243 17,1 17,99 17.122 17,148 17,210 17,280 17.319 17,381 18,38 18,97 18,135 N J W 65 147 18,288 19,1 19,64 19,76 19,101
126. 127. 128. 129.
20. 20. 16. 19.
4. 4. 5. 7.
66 66 66 66
1 B v R 20/62 u. a. 1 B v R 16/66 1 B v R 473/65 2 B v F 1/65
20,31 20,40 20,52 20,56
130. 131. 132. 133. 134. 135. 136.
18. 10. 19. 10. 13. 12. 13. 12. 14. 12. 20. 12. 21. 12.
66 66 66 66 66 66 66
2 BvR 1 BvL 1 BvL 1 BvL 1 BvR 1 BvR 1 BvR
20,283 20,312 20,374 20,379 20,6 21,12 21,54
137. 138. 139. 140. 141. 142.
12. 14. 15. 15. 4. 11.
63 63 63 63 63 63 63 64 64 64 64 64 64 64 64
1.67 2. 67 2. 67 3. 67 4. 67 4. 67
454/62 u. a. 346/61 455/62 616/63 771/59 u. a.
386/63 u. a. 24/65 13/65 21/65 496/65 320/57 u. a. 33/64
1 B v R 169/63 1 B v R 25/64 u. a. 2 B v C 1/66 1 B v R 575/62 1 B v R 126/65 1 B v L 25/64
21,73 21,160 21,196 21,227 21,245 21,292
„Schankerlaubnissteuer-Entscheidung" 46, 74,116 „Bahnhofsapotheken-Entscheidung" 83 129, 137 137 74,136,137 129,136,137,138 82 „2. Sendezeiten-Ε." 111,116, 158 f., 212, 217 „Fremdrenten-E." 136 122, 124 f., 125 37,81 74, 122,155, 157 34 „Höfeordnung-E." 77,116 „1. Notarordnung-E." 53, 60, 130 136 136 136 115, 129, 136 136 52, 158 136,137, 141 115,136, 137 43,136, 137, 138,139 46, 60,130 „2. Notarordnung-E." 131 39 136,137 122 43,223 74 34 74 82,122 „1. ZweigstellensteuerEntsch." 82, 99,116,117, 129 53, 75,116 66 98 „1. Parteifinanzierungs-Entscheidung" 111, 217, 219 98 98 99 99 46 129 „Lohnsummensteuer-Entsch. " 66, 130,211,214 136 „2. Ζweigstellensteuer-E." 116 201,217 75 118 „Rabattgesetz-E." 65,66,99,240
300
Entscheidungs Verzeichnis
143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 153. 154. 155. 156. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168. 169.
2. 5.67 2. 5.67 2. 5.67 6. 6.67 20. 6.67 11. 7.67 18. 7.67 19. 7.67 19. 7.67 8.11.67 28.11.67 12. 12. 67 13. 12. 67 19. 12. 67 14. 2.68 6. 3.68 6. 3.68 19. 3.68 7. 5.68 14. 5.68 21. 5.68 21. 5.68 25. 6.68 29. 7.68 16. 10. 68 16. 10. 68 3. 12. 68
1 BvR 1 BvR 2 BvL 1 BvR 1 BvL 1 BvL 2 BvF 1 BvL 2 BvR 1 BvR 1 BvR 2 BvL 1 BvR 2 BvL 2 BvR 1 BvL 1 BvR 1 BvR 1 BvR 2 BvR 1 BvR 2 BvL 2 BvR 1 BvR 1 BvR 1 BvL 2 BvE
578/63 578/63 1/66 282/65 29/66 23/64 3/62 u. a. 1/65 489/66 60/66 515/63 14/62 u. a. 679/64 4/65 557/62 2/63 975/58 554/65 133/67 544/63 610/60 2/61 251/63 394/67 118/62 u. a. 7/62 1,3,5/67
21,322 21,362 21,391 22,83 22,100 22,163 22,180 22,241 22,254 22,322 22,349 22,387 23,1 23,12 23,98 23,135 23,153 23,229 23,258 23,288 23,327 23,353 24,33 24,104 24,203 24,220 24,300
170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 177.
18. 12. 68 12. 2.69 7. 5.69 4. 6.69 4. 6.69 4. 6.69 4. 6.69 4. 6.69
1 BvR 1 BvR 2 BvL 2 BvR 2 BvR 2 BvR 2 BvR 2 BvR
638/64 u. a. 687/62 15/67 429/65 86/66 u. a. 173/66 u. a. 343/66 u. a. 412/66 u. a.
24,367 25,216 25,371 26,72 26,100 26,116 26,141 26,163
Β. Entscheidungen 178. 179. 180. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190. 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206.
7. 10. 54 19.11. 54 18. 2.55 13. 5.55 20. 5.55 21. 6.55 6.10. 55 6.10. 55 17. 11.55 29. 11. 55 7. 2.56 15. 2.56 28. 3.56 3. 5.56 4. 5.56 13. 6.57 27. 6.57 24.10. 57 7.11.57 22. 11.57
I I I A 71.53 I I C 151.54 V C 75.54 V C 71.54 V C 14.55 I C 166.53 I C 192.53 I C 25.54 I C 44.53 I C 191.53 I Β 40.55 I I C 129.54 I I C 301.54 I C 172.53 I I C 71.55 I C 60.56 I C 3.56 I C 50.56 I I C 109.55 V I I C 69.57
34 34 75 „3. Armenrechts-E." 223 129 136 207 122 153 153 66, 98 66, 98 „Kinderfreibetrag-E." 122 34, 52,116 53 129 53 51, 52,158 135 53, 60,134 51, 52, 63, 66, 98, 99,129 34 „ A k u - E n t Scheidung", 116 136 53 122 „2. Parteifinanzierungs-E." 111,136,159,210,217 „Deich-Entscheidung" 118 118 „Rheinstahl-E. " 60 97 97 97 97 97
des Bundesverwaltungsgerichts 1,200 1,242 1,321 2,105 2,114 2,151 2,221 2,224 2,324 2,349 3,127 3,145 3,226 3,254 5,1 5,114 5,143 5,291 5,325 6,19
98, 154 130 81 130 108 46, 81 118 81 98 81,122,151 98 130 122 122 118 131 145 130 36 46
Entscheidungserzeichnis 207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214. 215. 216. 217. 218. 219. 220. 221. 223. 224. 225. 226. 227. 228. 229.
6. 12. 57 19. 12. 57 17. 1.58 7. 3.58 23. 5.58 3. 10. 58 21. 10. 58 21. 11.58 14. 1.59 15. 1.59 20. 3.59 5. 5.59 24. 7.59 5. 11. 59 26. 8.60 24. 3.61 8. 12. 61 23. 2.62 12.10. 62 13.11. 62 13.12. 62 22. 3.63
V I I C 54.57 I C 115.57 V I I C 30.57 V I I C 84.57 V I I C 27.57 V I I C 235.57 I I I C 29.57 V I I C 21.58 V C 617.56 I I C 174.57 V I I C 43.57 V I I C 66.59 V I I C 129.59 I I I C 3.58 I V C 133.58 V I I C 29.60 V I I C 2.61 V I I Β 21.61 V I I C 8.62 V I I C 196.60 I I I C 75.59 V I I C 141.61
230. 231.
3. 9.63 27.11. 63
I C 151.59 V I C 125.61
232. 233. 234. 235. 236. 237. 238. 239. 240. 241. 242. 243. 244. 245. 246. 247. 248. 249. 250. 251. 252. 253. 254. 255. 256. 257.
19.12. 63 31. 1.64 29. 5.64 25. 6.64 26. 6.64 16.10. 64 5. 8.65 24. 9.65 24. 9.65 8.12. 65 26. 1.66 28. 1.66 17. 3.66 11. 3.66 19.10. 66 27.11. 66 11. 11.66 15. 12. 66 16.12. 66 31. 1.67 14. 4.67 14. 4.67 26. 5.67 15.12. 67 30. 8.68 28. 3.69
I C 77.60 V I I Β 37.63 I V C 22.63 V I I I C 23.63 V I I C 6.64 V I I C 103.61 I C 78.62 V I I C 39.63 V I I C 180.63 V C 6.65 V C 88.64 V I I C 128.64 V I I I C 276.63 V I I C 194.64 I V C 99.65 I I C 103.63 V I I C 103.65 V I I I C 111.64 V I I C 45.65 I C 98.64 I V C 179.65 V I I C 15.65 V I I C 92. 65 V I C 168.67 V I I C 122.66 V I I C 49.67 C. Entscheidungen
258. 259. 260. 261.
17. 2.56 8. 5.56 15.10.56 18. 3.59
6 R K a 14/55 1 R A 147/55 3 R K 7/54 10 R V 415/55
6,50 46 6,84 130 6,134 46 6,247 46,130 7,54 46 7,242 89 7,267 141 7,325 53 8,98 46, 82 8,105 46 8,211 46, 98,130 8,287 98 9,97 89 88, 98 9,293 11,101 140, 141 12,140 82,116 13,214 46 209 14,31 15,66 161 15,149 60 15,196 109 D Ö V 63, 475 209,214 16,301 46, 74 DVB1. 64,88 82 17,306 209,220 18,32 92 f. 18,324 53, 60 19,48 109 19,68 53, 60 19,315 98 22,26 60 22,64 101,116,151 f. 22,66 111,116 23,31 60 23,149 136,137 23,194 209 23,288 60 23,347 136, 209 25,147 63, 75,129 25,210 153 25,272 136 25,348 60 34 25,364 26,135 128 26,305 57, 60,153 26,317 60 27,146 60 28,345 34 30,191 209 31,368 212 des Bundessozialgerichts 2,201 3,77 6,41 7,75
116,153 153 89,116,153 118
Entscheidungsverzeichnis
302 262. 263. 264. 265. 266. 267. 268. 269. 270. 271.
18. 11. 10. 24. 8. 15. 22. 18. 20. 12.
3.59 6.59 2.60 2.60 4.60 3.61 3.62 1.62 3.62 9.63
11/9 RV 130/57 11/9 R V 130/57 1 R A 23/59 9 R V 710/56 3 R L w 3/59 1 R A 55/59 7 R A r 26/60 1 R A 117/60 7/3 R L w 22/60 2 R U 81/62
272. 273. 274. 275. 276. 277. 278. 279. 280. 281.
12. 9.63 7. 7.64 30.10. 64 30. 8.66 28.10. 66 25.11. 66 15. 3.67 23. 5.67 31.10. 67 23. 4.68
4 R J 463/62 1 R A 13/62 2 R U 212/63 1 R A 301/61 2 R U 129/64 7 R K g 12/65 7 R K g 8/66 11/1 R A 140/63 3 R K 77/64 9 R V 730/65 D. Entscheidungen
282. 283.
25. 9.53 31.10. 57
284. 285.
6. 5.59 9. 6.59
V I 170/58 U 1167/58 U
286. 287. 288. 289. 290. 291. 292. 293. 294. 295. 296. 297. 298. 299. 300. 301. 302. 303. 304. 305. 306. 307. 308.
9. 7.59 14. 1.60 25.10. 61 18. 1.62 3. 4.62 24. 5.62 2. 8.62 17. 8.62 1. 2.63 25. 10. 63 8.11.63 13.12. 63 13. 3.64 10. 4.64 23. 6.64 5. 11. 64 3. 12. 64 16. 12. 64 11. 2.65 16. 7.65 10. 5.66 3. 8.67 9. 8.68
I V 99/58 U V 250/59 U I I 157/59 S V 228/59 U 1149/60 U I V 356/60 U V 37/60 U I V 290/56 U I I I 268/60 U V I 162/62 S V I 43/63 U I V 166/63 S V I 28/64 U I I I 255/60 U Gr. S. 1/64 S I V 11/64 S I I 12/61 S I I 154/61 U V 141/62 S I I I 180/64 U V I I 12/64 I V 47/65 V I R 220/66
V 69/53 S V I 33/56 S
E. Entscheidungen 309. 310.
15. 5.52 10. 6.52
10,64 10,64 11,278 12,27 12,88 14.95 14,124 16,115 16,276 Breithaupt 64,572 20,28 21,199 22,63 25,170 25,243 25,295 26,160 26,255 27,192 28,54
80 80 90, 122,126, 153 153, 154 153 122, 153 98 129 129,153 125 122,129,153 118 122,155 122 122 133 f. 136 122 158 154
des Bundesfinanzhofs 60 58/109 N J W 58, 199 f. 126 98 70,270 BStBl. 1959 I I I , 336 116 69,175 137 62, 98 70,270 74,21 154 130 74,403 75,255 122,157 73 f. 75,356 136,137 75,526 75,584 137 154 76,729 78,27 136,137 78,96 153 f. 78,116 154 98 79,306 79,334 153 80,73 60 80,356 129 116 81,55 81,374 75 82,57 116 83,171 60,116 86,234 123 89,264 99 119 93,376
des Bundesgerichtshofs
I I I ZR 61/51 GSZ2/52
6,147 6,270
in Zivilsachen
98 75,144
Entscheidungserzeichnis 311. 312. 313. 314. 315. 316. 317. 318. 319. 320. 321. 322. 323. 324. 325. 326.
6.10. 52 22. 12. 52 6. 10. 52 25. 6.53 6. 9.53 28. 1.54 12. 4.54 10. 5.54 20. 5.54 26.11. 54 8. 7.55 2.10. 56 24.10. 56 20. 12. 56 10. 12. 58 30. 4.59
I V R G 11/52 I I I ZR 139/50 V R G 10/52 I I I ZR 373/51 I V R G 11/53 I I I ZR 356/51 GSZ 1/54 I I I ZR 45/53 GSZ 6/53 V ZR 58/53 I ZR 24/55 I ZR 9/54 I V ZR 75/56 I I I ZR 82/55 V ZR 70/57 I I I ZR 24/58
327. 328. 329. 330. 331. 332. 333. 334. 335. 336. 337. 338. 339. 340. 341. 342. 343. 344.
5. 5.59 25. 6.59 26.10. 60 20. 3.61 29. 9.61 26.10. 61 27. 2.62 25. 6.62 16. 7.62 5.11.62 5.11.62 6.10. 64 25. 6.64 18. 3.65 31. 1.66 17. 5.68 29. 5.68 21.11.68
V B L w 47/58 I I I ZR 220/57 V ZR 122/59 A n w Z (B) 15/60 I V ZR 59/61 K Z R 1/61 I ZR 118/60 A n w Z (B) 4/62 A n w Z (B) 9/62 NotZ 11/62 NotZ 103/62 V I ZR 176/63 I I I ZR 139/62 V I I Z B 16/64 I I I ZR 127/64 V ZR 148/65 I ZR 85/67 V I I ZR 77/60
F. Entschiedungen 345. 346. 347. 348. 349. 350. 351. 352. 353. 354. 355. 356. 357. 358. 359. 360. 361. 362. 363. 364. 365.
22. 3. 48 10. 6. 49 17. 8. 49 4. 11.49 10. 3. 51 25. 7.51 7. 12.51 9. 5. 52 2. 8. 52 5. 8. 52 10. 11. 52 6. 2. 53 22. 6. 53 29. 6. 55 30. 11.55 15. 12. 55 19. 1.56 13. 3. 56 25. 5. 56 19. 9. 56 24. 10. 58
Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.
9,390 144,145 f. 8,273 75 11,2* 200 10,125 73 11,34* 100, 53, 91, 96 12,161 126,130 13,88 114,144 13,241 151 f. 13,265 97,129 75,144 15,268 18,81 122 22,1 75 22,65 116 23,30 46, 75 29,76 36 NJW 59,1429 211 30,50 77 30,338 133 33,230 36 34,382 36, 75 36,11 122 36,91 36 37,1 75 122 37,247 38.13 46, 75 38,208 185 38,221 107 34 42,210 43,196 130 43,344 122 45,83 130, 214 50,180 53 111 50,207 51,79 223
des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
32-VI-47 52-VII-47 18-VII-49 18-VII-49 192-VII-49 u. a. 23-VII-50 u. a. ll-VII-51 35-VII-51 128-VI-VII-50 185-VII-50 36-VII-51 154-VII-51 88-VII-52 167-VII-52 2-VII-55 10-VII-53 l-VII-55 69-V-55 83-VII-54 18-VII-56 46-VII-58
1,29 2,45 2,72 2,127 4,30 4,150 4,219 5,122 5,196 5,204 5,243 6,21 6,107 8,38 8,91 8,107 9,1 9,27 9,109 9,141 11,127
46 39, 82 39 39, 82 53 53 82 60 209 34 62 99 60 46,122,128 82 82 141 82 53, 60, 82 130 116
304 366. 367. 368. 369. 370. 371. 372. 373. 374. 375. 376. 377. 378. 379. 380. 381. 382. 383. 384.
Entscheidungserzeichnis 24. 10. 58 31. 10. 58 2. 3. 60 21. 10. 60 30. 11.60 2. 2. 61 7. 4. 61 27. 11.61 13. 4. 62 16. 7. 62 17. 10. 63 2. 11. 64 10. 5. 65 29. 9. 65 28. 4. 66 20. 6. 66 10. 5. 67 10. 1. 68 7. 10. 68
Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.
30-VII-58 50-VII-58 u. a. 38-VII-59 91-VII-58 35-VII-59 119-VII-59 37-VII-60 32-VII-60 41-VII-61 u. a. 101-VII-60 34-VII-63 79-VI-63 39-VII-62 106-VII-63 42-VII-64 72-VI-65 94-VI-66 5-VII-66 15-VII-68
11,146 11,164 13,27 13,133 13,170 14,4 14,30 14,104 15,29 15,59 16,101 17,92 18,51 18,111 19,35 19,51 20,87 21,14 21,173
46 53 130 116 53, 75 43, 53, 57, 75, 82 126 122 98 53, 75, 82,156 98, 99 214 34 60 60 136 53,129 97 61
Personenverzeichnis Ackermann, W. 236 Accolas, E. 183 Adorno, Th. W. 198 Aiken, H. D. 219 Akzin, Β. 45 Albert, Η . 24, 27, 47, 56, 111, 164 Aldag, Η . 53,75, 85 A l k i d a m u s 55 A l k m a i o n 55 Anders, G. 62 Anderson, A. R. 24, 47,179, 261 Andokides 55 A n t i p h o n 55 Apelt, W. 34 Aquist, L. 203 A r i o l i , S. 53, 233 Aristoteles, 21, 32, 43, 44, 53 ff., 60 f., 79, 82,162,175,178, 231, 233 A r n d t , Α. 43, 61,136,186,190, 223 A r n d t , H. J. 148,149 A r r o w , K . J. 19, 41,178, 204 ff., 274 ff. Ashby, W. R. 216 Bachof, O. 89, 99,117,118,129 Badura, P. 82,108,193 Ballerstedt, K . 131 Bassermann, Fr. D. 184 Baur, Fr. 25, 77,116 Beckmann, J. P. 32 Behmann, H. 231 Beizke, G. 96 Bernoulli, J. 77 Bettermann, K . A. 38, 40, 46, 60, 75, 108, 128, 207, 208 Biel, G. 256 Bindewald, H. 45, 53, 54 Blümel, W. 148,150 Böckenförde, Chr. 194 Böckenförde, E. W. 25,123,134,182 Böckenförde, W. 29, 30, 34, 37, 40, 43, 46, 60, 75, 83,128, 233 Bössmann, E. 205 f. Boulding, Κ . E. 212 f. Braun, Κ . 127 Brecht, Α. 38, 80,176 20 Podlech
Breschnjew, L. 1.174 Brunner, E. 83 Buchanan, J. M. 173, 205, 219 Bühler, O. 208 Cantor, G. 24 Carnap, R. 24, 32, 41, 77,105, 224 ff., 233, 241, 260, 266 Casteneda, H. H. 173,207 Cathrein, V. 261 Cohn, N. 79 Coing, H. 83 Curti, E. 59, 75, 233 Dahrendorf, R. 44, 45, 50, 79,162 Dareios, 55 Davidson, D. 24 Decker, G. 174 Diederichsen, U. 41 Dieterich, H. 127 Dietze, G. 208 Demokrit 55 Dirlmeier, Fr. 43, 53 Drath, M. 177,179,192, 202, 207, 208 Duesenberry, J. S. 165 Dürig, G. 34, 50, 75, 77,113,137, 203, 216 Edlauer, Fr. 171 Engels, Fr. 182,190 Engisch, K . 41, 42 Ermacora, F. 216 Esser, J. 41 Eulan, H. 207 Euripides 54, 55 Federlin, G. 36 Felix, G. 41, 129 Fichter, J. H. 64 F i r t h , R. 219 Flechtner, H. J. 23 Flume, W. 114 Forsthoff, E. 34, 46, 47, 85,106,113,123, 127, 128,136,144,147,149, 188,190, 193,194,198, 203, 207, 211
306
ererzeichnis
Frank, H. 86, 169 Frankena, W. K . 207 Frege, G. 234 Freund, J. 55,174,186 Frey, G. 269 Freyer, H. 182 Fro wein, J. 152 Fuchs, C. G. 49 Fuß, E. W. 29, 47, 50, 75, 83, 84, 87, 96, 114,116,124,141,185, 209
Hobbes, Th. 17, 26, 50, 56, 61,186, 255 f., 259 Hoffmann, Α., Ο. P. 79 Hollerbach, Α. 34 Horneffer, R. 38 Huber, E. R. 53, 136, 182, 190, 203, 207, 208 Humboldt, W. v. 193 Husserl, E. 76,198, 231 Hutchison, T. W. 165
Garson, J. 163 Geiger, Th. 41, 56,186 Geiger, W. 38, 53, 75, 201 Gentz, M . 112,113 Gerber, H. 203 Gericke H. 67, 263 Giacometti, Z. 89 Gierke, Ο. 256 Giers, J. 82 Giese, Fr. 80 Goethe, J. W. 185 Grabowski, A. 176,184 Grotius, H. 256 Grundberg, E. 165, Günther, G. 162,163,164
Ihring, R. v. 182,186 Imboden, M. 177 Ipsen, H. P. 34, 40, 45, 75, 76, 79, 83, 91, 93, 96,109,114, 129,131,137, 201, 203, 211,216,219 Iwand, Th. 204 ff .
Haas, D. 80 Habermas, J. 186,198, 207 Häberle, P. 34,193,198 Halldén, S. 29 Hamann, Α. 38,46, 53, 75, 80,114, 201, 203 Hamel, W. 50, 203 Hasenjäger, G. 77, 231 Hauriou, M. 186 Hegel, G. Fr. W. 45,179, 182,185, 233 Heinemann, G. 213 Heinrich von Lettland 257 Heldrich, A. 34 Heller, H. 202 Heller, Th. 31, 41 Hempel, C. G. 165 Henke, W. 216, 217 Henkel, H. 83 Hermes, H. 162,170, 268 Herodot 55 Hesse, K . 28, 35, 38, 43, 75, 76, 77, 79, 83, 171, 173, 177,180,186, 188, 193, 201, 211,216, 217, 233, 273 Hilbert, D. 236 Hildebrand, Br. 184 H i l l , W. 38, 49, 56,192
Jacques, E. 128 Jahrreiss, H. 84,197 Jensen, O. C. 83 Jellinek, G. 25,120, 204 Jesch, D. 82, 83,166 Johann Friedrich von BraunschweigLüneburg 258 Jonas, Fr. 33 Jülich, H. Ch. 34, 111, 158,160, 186, 209, 213, 216, 217, 220, 233 Jünger, E. 163 Kaiser, J. H. 147 Kant, I. 26, 45, 183,187 f., 255, 261, 268 Kanzen, W. 178 Kärner, W. 152 Kaufmann, E .46, 82 Kelsen, H. 38, 44, 45, 54, 56, 83, 111, 114, 174, 186, 204, 260, 261 Kemeny, J. G. 23 Kempski, J. v. 17, 20, 24, 26, 45, 57, 82, 85, 169, 175, 177, 180, 187, 188, 189, 242 ff., 257, 261 Kisker, G. 126 Klaus, G. 164 Klein, Franz 40 ff., 60, 75, 83,136,157, 233 Klein, Friedrich, 34, 37, 46, 57, 94 Kleistenes 54 Knöpfel, G. 43, 96 Kolmogoroff, A. 270 König, Κ . 178 Köttgen, Α. 115,131 Krawietz, W. 26,164,166 Krieie, M. 44, 45, 53, 60, 82, 83,122,185
Personenverzeichnis Krüger, Herb. 44,131,141,175,183,194 Krüger, Hild. 39, 77 Küchenhof f, G. 34, 53,111,186, 209 Langen, E. 209, 220 Lanz, H. 121 Larenz, K . 25, 41, 42, 44, 83,106 Laplace, P. S. M. de 77 Las Casas 257 Leibholz, G. 28, 43, 45 ff., 49, 53, 60, 75, 76, 77, 79, 80, 83, 84,114, 122,171,174, 180,185,197,198, 207, 233 Leibniz, G. W. 42, 258 Leinfellner, W. 29, 32, 76, 204 Lemmen, H. 45, 46 Lerche, P. 53, 83,111,141,147,166,193, 221 Linde, H. 179 Linton, R. 179,181 Locke, J. 255 Lorenzen, P. 32, 87, 258 Luce, R. D. 204 ff ., 274 ff . Lübbe, H. 50,186 Luhmann, N. 22, 33, 35, 40, 45, 51, 53, 54, 56, 57, 59, 60, 76, 83,106,107,108, 109,110, 111,112,114,117,121,123, 127,128,129,144,147, 149,150,164, 168,175,176,178,181,182,185,187, 191,192,193,194, 202, 208, 257, 268, 272 L y k o p h r o n 55 Macdowell, D. 55 Maihofer, W. 54,177 Maine, H. S. 180 Mainzer, 0.43, 76,192 Marschall, K . 83,172 Marsilius von Padua 175 M a r t y , V. 94 M a r x , Κ . 182 Matthies, C. St. 50 Matz, U. 198 Maunz, Th. 46, 53, 56, 82, 92,129,131, 136 Maydell, Β . 134 Meister, Η . 114 Menger, Κ . 53, 82, 83,168, 224 Menne, Α. 32, 321 Mertens, H. J. 39, 52,109,118,121 Mey, H. J. 179 Meyer, P. 43 M e y e r - A r n d t , L. 210, 211 Michelsen, L. J. 183 20=
307
Mohl, R. v. 114,171,192 Mommsen, Th. 178 Montesquieu 180,186 Morgenstern, Chr. 198 Morgenstern, 0.113, 209 Müller, Η . J. 108 Münch, I. v. 40, 201 Nadel, S. 181 Nef, H. 30, 38, 53, 83, 91, 233 Neumann, J. v. 209 Nipperdey, H. C., 44,174 Noll, P. 38, 45, 60, 62,177,185,186, 207 Novalis 174 Ophüls, Fr. 25, 26 Oppenheim, E. 26 Ossenbühl, Fr. 44, 89,107,109,118,121, 129,131 Otanes 55 Pachlatko, P. 55 Pennock, J. R. 207 Pergande, H. J. 132 Perikles 54 f. Philipps, L. 26, 60, 269, 270 Pikalo, A . 116 Planck, M. 258 Plathner, O. H. L. v. 170 Piaton 43, 54 ff., 60 f., 82 Platz, H. 157 Podlech, A. 25, 26, 27, 41, 79, 82, 84, 86, 87, 90,106, 111,116,133 f., 136,142, 144,145,164,180,198, 219, 269 Pohl, H. 111 Popper, K . R. 23, 24, 38, 54, 55,111, 159, 164,167,198, 207 Pufendorf, S. 255 f. Pythagoras 53 Raape, L. 25 Radbruch, G. 53 Raiffa, H. 204 ff., 274 ff. Raiser, L. 79 Rescher, N. 163 Ridder, H. 54,135 Rinck, A. J. 75, 83, 89, 111, 131, 136, 160, 172, 218 Ritter, J. 54,182 Rödig, J. 243, 251 Röhl, H. 111 Rönne, L. v. 169,171 Ronneberger, Fr. 177, 207 Roquette, H. 132
308
ererzeichnis
Rothenberg, J. 205 Rötelmann, W. 77 Rosenberg, L . 222, 269 Ross, A. 24, 25, 26, 55, 83,106,113, 251 Rothacker, E. 56 Rousseau, J. J. 37, 45, 50,178,197, 253, 254 Rüfner, W. 46 Rümelin, M. 46, 53 Rupp, H. H. 82, 83,108,166 Rüssel, B. 234 R ü t t i m a n n 183 Salzwedel, J. 36, 46,137,141,189, 207, 233 Schaumann, W. 60, 83,131, 207, 218 Schelling, Fr. W. J. v. 44 Scheerbarth, H. W. 122,126 Scheller, Fr. E. 171 Schelsky, H. 174 Scheuerle, W. 76 Scheuner, U. 42, 43, 53, 76, 77,127, 210 Schmidt, H. A. 225, 268, 270, 271 Schmidt, R. 52, 81, 83 Schmidt, W. 84,115,137,141 Schmitt, C. 38, 43, 49, 54, 55, 77,114, 172,175,177,179,193, 198, 213, 219, 260 Schneider, H. 149 Schneider, P. 87 ff., 186 Schnelle, E. 202 Scholler, H. 172, 209, 220 Scholz, H. 24, 76, 231, 258 Scholz, R. 209, 211 Schreiber, R. 25, 268, 270 Schütte, K . 162 Schweitzer, H. 231 Scupin, H. U. 31, 43, 60 Seibt, H. J. 73 Seilmann, W. 147 Sievers, E. R. 137 Sieyès, E. 169,183 Silbernagel, Α. 53, 60,172,183,188 Simitis, Sp. 83 Simon, H. 169 Simon, L. 184 Smend, R. 159 Sorel, G. 178 Stachowiak, H. 169, 215, 216 Stammler, R. 253 Stauder, B. 76,115 Stegmüller, W. 24, 29, 49, 253, 254, 266 Steiger, H. 174
Stein, L. v. 50,163,168,169,174,182, 183, 186, 201 Stern, K l . 201, 203, 215, 216 Stier-Somlo, Fr. 82,183 Suarez, C. G. 79 f., 255 Suarez, Fr. 82 Suhr, D. 86,164, 207 Sundbom, I. 79,174, 176 Tarski, A. 29,186 Thoma, R. 36, 40, 91 Thomas von A q u i n 32, 79,82, 256 Thukydides 54 Tönnies, Fr. 181 Toqueville, A. de 183,186 Topitsch, E. 24, 27, 54, 56, 57, 83,165 Triepel, H. 46 Tsien, H. S. 216 Tullock, G. 173, 205, 219 Ule, H. C. 136 Viehweg, Th. 76,168 Vecchio, G. del 178 Vogel, Κ . 133 f. Wagner, Η . 142 Waismann, Fr. 33 Wallerath, M. 29, 36, 38, 42, 46,115,118, 121,122, 129, 131,135,137, 171, 233 Weber, Η . H. 127 Weber, W. 160,193, 203, 207 Weidner, V. 96 Weinberger, 0.110,112,168, 268 Weingartner, P. 61 Weizsäcker, C. Fr. 23 Wellnitz, K . 78 Wengler, W. 53, 60,131 Werner, Fr. 187, 201, 203 Wernicke, K . G. 36 Wertenbruch, W. 83 Windelband, W. 32, 33, 233 Wittgenstein, L. 17, 24, 42, 85 Wolff, Chr. 253, 255, 258, 262 Wolff, H. J. 25, 34, 35, 36, 37, 46, 75, 76, 81,106, 107,108,115,118,122,123, 147,185 Wright, G. Η . v. 24, 76,167, 243, 251, 270 Zacher, H. 82, 87, 98,114,115,135,191, 207, 213, 216, 219 Zeidler, W. 40 Zippelius, R. 31, 41, 53, 75, 79, 83
chverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seiten. Stellen, an denen Ausdrücke definiert oder erklärt werden, sind hervorgehoben. A b b i l d u n g 164 f., 229 Adäquanz 29,112,186 Adäquanztheorie 272 A d e l 79,168,181,197 Ähnlichkeit 31 ff., 241 f. Altersstufen 62,170,178,183 Amtspflichts Verletzung 153 Anfangsglied 226 Anliegerbeitrag 63 Äquivalenz, funktionale, siehe M i t t e l , f u n k t i o n a l äquivalentes, Äquivalenzrelation 234, 241 Arbeitsfassung des Grundrechts der Gewissensfreiheit 142 — des Gleichheitssatzes 90 ff., 91,200, 221 Arbeitsrecht 92,166 Arbeitszeitbestimmung 93,166 Argument, soziales 162,162 ff. Aristokratie 175 Argumentationslastregel 52, 85 ff., 87, 89, 99, 267 ff. Armenrecht 221 ff. Artgleichheit 56 Arztrecht 156 A u f k l ä r u n g 253 ff. Ausdruckspaar 268 Ausland 133 ff. Ausländer 151 f. Ausnahmegesetz, siehe Maßnahmegesetz Aussage 25, 47 A x i o m 258, 259, 265 Bauer 181 B a u m 67, 263 — , kennzeichnender, 263 f. - , Klassen- 67, 262 ff., 263 — , P r i m ä r - 266 — , Sekundär- 266 Begründungszusammenhang 173 ff., 175
Benachteiligung 39,141 Berufsfreiheit 155 Beamtenrecht 126,151 f. Bestimmung 27 Besoldungsrecht 97 Beteiligter 242 Bevorzugung 39 Beweislast 89,269 Bewertung 41 — , logische 41 Beziehung, soziale 179 Bildungsprivileg 178 Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz 39 f., 84,171,192 Boolescher Verband 67 Bundeskanzler 185 Bundespräsident 185 Bürgerkrieg 206 B ü r g e r t u m 178 C D U 160 Ceteris-paribus-Klausel 165 Chancengleichheit, siehe Gleichheit der Chancen Concours 214 D a t u m 212 ff. —, beschreibendes 212 —, diskriminierendes 222 — , entscheidungserhebliches 222 —, konstantes 212 — , variables 212 D D R 135 Definition, normative 25 Demokratie, 54 f., 171,172,173 f. — , parlamentarische 178 Dezision, siehe Entscheidung D i a l e k t i k 162 Dienstalter 62 Differentialquotient 62 Differenz 230 Differenzierung, regionale 131 —, soziale 44
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averzeichnis
Diktator, d i k t i e r t 206, 275 f. D i k t a t u r 178 Dissident 182 D r i t t w i r k u n g des Gleichheitssatzes 36 Durchschnitt 230 Dynastie 176 Effektivität einer Rechtsordnung, siehe Rechtsordnung Ehe 187 f. Eherecht, siehe Familienrecht Eineindeutigkeit 226 Einkommenshilfe 213 Einmehrdeutigkeit 226 Einschlußklasse, siehe Klasse Einschlußrelation 227 Entscheidung 149 — , politische 202, 206 f. — sbedürftigkeit 202, 219 f. — serheblichkeit 222 — sfähigkeit 217, 220 — smonopol des Staates 202 — sverfahren 86 Enteignung 48,144 ff. Entschädigungsrecht 58,124 E n t w ä h r u n g 182 Erblichkeit (logische) 229 Erbrecht 116 Erbsünde 79 Erbuntertänigkeit 79,181 Erlaubnis 24 Erlaubtheit von Zielen 13,127 Ermessen 86, 88,108 f., 117 ff., 128 Erstglied 226 Extensionalität 85,101, 266 Extensionalitätsthese 77 Extremalbedingung 258 Fall, singulärer 120 Faschismus 178 Falsifikation 164 Familienrecht 95,114,139,140 F D P 160, 217 Fehlschluß, naturalistischer 38 Feld 226 Fiskus 36 Formalität eines Verfahrens 175, 178, 219 Frauenstimmrecht 171 Freiheit 185 ff., 186, 258, 262 Frontmetermaßstab 63 Fristsetzung 122 ff., 159
Fünfprozentklausel 110 Funktion — einer Rechtsregel 162 ff., 165 — en des Gleichheitssatzes, 40,103 - , bürokratische 172,191,191 ff., 200, 261 - , egalisierende 179 ff., 180,192 — , entprivilegisierende 169 — , klassische 192,195 f. - , politische 168 ff., 172,184,192 —, politische Verfahrens- 220 — , prozeßrechtliche Verfahrens- 223 — , sozialstaatliche 200,202 — zur Gewährleistung der Chancengleichheit 200, 209 ff. — swandel 166 Funktionalismus 164 Gaststättenrecht 92,101,152 Gebilde 262 ff., 263 Gebot 24 Gehalt 21, 23, 23 ff., 159,169,176,189, 202 —, empirischer 24 - , geschichtlicher 28,103,162 ff. — , normativer 27 - , pragmatischer 27, 85 ff., 87,167 - , semantischer 27, 78 ff., 84 f., 86,167 — eines Aussagesatzes 23 — des Gleichheitssatzes 40, 77 ff., 84, 89,191 Geltung, Geltungsfähigkeit 25, 26, 113 Geltungsbereich ,des Grundgesetzes 134 f. Geltungsregel 25, 78 Gerechtigkeit, gerecht 18, 53 ff., 82 f., 153,173, 215, 242, 252 Gesamtmaxime 243 Geschlechtsunterschied 92 Gesellschaft 162 ff., 165 ff., 179,187, 190,193, 196 ff., 200,1274 — svertrag 258 ff. — szustand 173 ff., 180 ff., 188 ff., 199 Gesetzesbegriff, unbestimmter 107 Gewaltverhältnis, besonderes 180 Gewerbefreiheit 181 Gewerberecht 95,116,181 Gewissen 38 — sfreiheit 142 ff. gleich 29 ff., 31, 230, 235 f. Gleichberechtigung (Isonomie) 55 Gleichberechtigung von M a n n u n d Frau 57, 66, 92 ff., 187
Sachverzeichnis Gleichheit — u n d Ähnlichkeit 31 ff., 241 f. - , arithmetische 21, 54, 60 ff. — von Belastungen 61 — der Chancen 167, 200, 209 ff., 272 — — bei Bewerbungen 214 — — bei Prüfungen 213 f. , rechtliche, 217, 220,222, 254 — —, —, von politischen Parteien 217 ff. — —, —, von Verfahrensbeteiligten 222 — der Folgen 210 ff., 214, 271 ff. — , geometrische 21,48, 54 — , gesellschaftliche 45, 50 — des Gesetzes 49 — von Gruppen 21,48, 64 — , M a x i m i e r u n g der —, 50,170 ff., 180,188,193 - , moralische 50, 254, 254 ff. — , natürliche — aller Menschen 253 ff., 258 f., 262 — von Personen 49 f., 61,100 — von Progressionen 61, 63 — , proportionale, siehe geometrische Gleichheit - , physische 254, 254 ff. - , rechtliche37 f., 50 ff., 183, 200, 210 ff. — von Hollen 81,101,151 ff. — , substantielle 17,21 - , tatsächliche 37 f., 50 ff., 66, 84, 200, 210 ff. — , verfassungsrechtliche 28,45 ff., 48, 235 ff., 237, 239 — des Wahlrechts 209 ff. Gleitklausel 127 Gott 174, 256 Grundherrschaft, 79,181 Grundrechtssubjektivität 34 Gruppe 64, 74,144 Gültigkeit 268 Gültigkeits Voraussetzung 105,113 Handlung 243 — , Einzel- 247 - , Fremd- 248 — , mehrstufige 244 — , Gesamt- 247 — , Verträglichkeit von - e n 247, 247 f. — sbereich 24, 249 Handwerksrecht 166 „ H e r r u n d Knecht" 79
311
Hierarchie 230,262 ff. Hinsicht der Gleichheit 35 Hochschulrecht 171 f. Höferecht 116 Hoheitlichkeit 36 Identität 32 42,225, 230 Ideologie 56,141,176,176 f., 259 I n d i v i d u u m 24 35 Individuenbereich 29, 33 f., 186,213 Information 23,118 — sgehalt 27 - stheorie 24, 83,169,189 Inkommensurabilität 32,42 Intensionalität, siehe Extensionalität Intersubjektivität 33,215 Interpretation, anerkannte 47, 264 Inventar, Inventarisierung 33 I n s t i t u t i o n 187,187 ff. Irrelevanz 205,215 Isonomie, siehe Gleichberechtigung Jude 94,169,171,182 Kardinalzahl 225 Kausalität 111 Kindergeldrecht 133 f. Klammerregel 224 Klasse, behandelte 69, 71, 95, 96 ff., 263, 263 ff. - , entscheidende 276, 276 ff. — , der infragekommenden Personen 120 - , gekennzeichnete 59, 64 ff., 96 ff., 75, 89, 90, 95, 96 ff. - , logische 23 f., 24 - , offene 170 — , soziale 173,176 - nbaum, 67, 262 ff., 263 —, Einschluß- 67, 226 -, , nächste 70, 71, 262 ff., 263 - , Teil- 67, 226 K l e r i k e r 168 Kommunismus 168 Konditionalprogrammierung 106, 106 f., 118 Konfession 171,181,185,197 Konfliktsfeld 213, 213 ff. Konfliktssituation 212, 212 ff., 219 K o n k r e t i o n 41 K o n n e k t i v i t ä t 274 Konsenspostulat A, 247 - Β 249
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averzeichnis
Konservativismus 163 Kontextisoliertheit 84 K o n t r a d i k t i o n 24 Kontraposition 104, 269 Konvention 29, 42 - A 31, 230 - Β 47, 48, 49, 236 - C 240 Korrelator einer A b b i l d u n g 165, 229 Konverse 39,227 Kopfsteuer 60, 62, 211, 273 K P D 178 Kriterien, positive, negative, h i n r e i chende, notwendige 91,104, 104 f. K y b e r n e t i k 86,162,164, 202, 216 Lastenausgleichsrecht 51 f., 88,140 Lebensalter 62 Leerformel 24 Legitimierung, L e g i t i m i t ä t 174,177, 257 Legeshierarchie 255 f. Leibeigenschaft 79 Leistungsort 132 Leitsatz 98 Lernfähigkeit von Behörden 121 Liberalismus 186,188 ff., 192,196,199, 200, 242, 252 Logik, alternäre 162 f., 267 f. — , derivative 271 - , effektive 87 — , intuitionistische 162 f., 269 ff. Losverfahren 218 Macht 256 ff. Maßnahmegesetz 49, 55 M a x i m e 243 Mehreindeutigkeit 226 Metasprache 49,167 Metatheorie 168,173, 258, 260 Mietrecht 131 ff. Minus-Staat 174 M i t t e l 107,110,117,127, 210 ff., 272 — , f u n k t i o n a l äquivalentes 112,156, 272 Mittel-Zweck-Schema 110,127 Mittelstandsschutz 117 Modalität 163 Monarchie 176,193 Moralordnung von notwendig möglicher Geltung 45 M o t i v a t i o n 117 Mutterschutzbestimmung 92
Nachbereich 226 Nacheindeutigkeit 226 Nasciturus 34 Nation 173,176 Nationalsozialismus 80, 94,197,261 Nationalversammlung - , Frankfurter 49,170,184 — , Französische 165,168,171 — , Weimarer 197 Naturrecht 168, 261 Neutralität einer Instanz 219 N o r m 25, 78,148, 256 Normsystem 24 Normverdoppelung 114 N P D 160 NSDAP, siehe Nationalsozialismus N u l l m a x i m e 246 Numerus clausus 214, 218 Oberklasse, siehe Einschlußklasse Objektsprache, siehe Metasprache Offenheit 268 — eines Umfangs 42 Operator, deontischer 24, 24 f. Ordnung 169,189 Ordnungsrecht, siehe Polizeirecht Organisationsregel 25 Paar 24 Paradoxon 41 Pareto-Optimalität 205 Parteifinanzierung 209 f., 218 Parteienrecht 209 f., 217 ff. P a u s c h a l i e r u n g 129 Pension 73 Person 34 f., 35,100 — , juristische 34 f. Plan, 25,148,148 ff. Plausibilität 79 f. Plebiszit, siehe Volksentscheid Polen 134 Polizeirecht 108,128 Position, soziale 81,179 Positionsflexibilität 182 f. Potsdamer A b k o m m e n 134 Präferenzprofil 204, 204 ff., 274 ff. Präferenzskala 33, 213, 215, 274 ff. Pragmatik 86 Primogenitur 176 Privilegium fori 168 Prozeßrecht, siehe Verfahrensrecht Prüfungsrecht 99 Psychologismus 198
Sachverzeichnis Rabatt 65 ff., 71 f. Rasse 57,173,176,197 Rechtsbewußtsein 17,197 Rechtskraft 157 Rechtsnorm, siehe N o r m Rechtsordnung 25 f., 249 ff., 259 — , Gesamt- 25 - , Teil- 25 — von notwendig möglicher Geltung 45,169,189, 242 ff., 250, 253 ff., 259, 261 —, absolut gleichbehandelnde — 252 - , effektive 44, 44 f., 86 242, 259 —, Lückenlosigkeit von -en 250 —, S t r u k t u r einer — 169 —, Widerspruchsfreiheit von -en 250 Rechtsregel 25, 47, 85,165 Rechtssatz, hypothetischer 25 Rechtssoziologie 166 Rechtsstaat 172 Rechtstheorie 20, 24, 29, 89,100,164, 165,166, 258, 259 Rechtsverhältnis 37,49, 210 Rechtswesentlichkeit 76 Reduktion, erste 256 — , zweite 259 Reflexivität 228 233 f., 239 ff. Reine Rechtslehre 261 Rekonstruktion, rationale 253,261 Relation 226 Relationspotenz 227 Religionsgesellschaft 34 f., 171,173,182 Rentenrecht 73, 97,124 f. Restklasse 67,230 Revolution 206 — , Französische 162,165,168,182 - , J u l i - 163 Rittergutsbesitzer 181 Rolle 81,152,179, 179 ff., 184 f., 187 Rückkopplung 86,164 R ü c k w i r k u n g 126 Sanktionsnorm 186 Schuld 158 Sein u n d Sollen 38 Selbstbindung der V e r w a l t u n g 118 Selbsteffektivität von Verfassungsnormen 171,190,192 f. Semantik 29, 41, 49, 77 ff., 113,162 Sendezeiten 158 f., 212,218 Situation 212, 243 —, transformierbare 212 - , Gesamt- 247
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—, Unvereinbarkeit von -en 212 —, Zwischen- 244 Sklaverei 55, 79 Sollen, siehe Sein u n d Sollen Sonderopfer 144 f. Sozialrecht 201, 204 Sozialversicherungsrecht 158, siehe auch Rentenrecht, U n f a l l v e r sicherungsrecht Sozialismus 196 Sozialstaat 109,113,115, 200 ff. SPD 160 Spielraum 24, 84, 86,189 Spieltheorie 209, 216 Splitterpartei 110,160 Sprache 173 Sprachstufe 49 SS 80 Staat 35 ff., 191, 202, 235 — als Glied der Gleichheitsrelation 35 ff., 235 — sgrenze 133 — sideologie 134 — swillensbildung 172,175 f., 219 — szielbestimmung 202 Stabilität gesellschaftlicher Systeme 202 Stand 176 Status 152,179 f. Steuerprivilegien 79,181 Steuerrecht 62, 73,114,117,119,138, 153, 157, 210 Stichtag 122,122 ff. Strafgefangener 158 Strafrecht 156 f., 168 Substanz, substanziell 77 Subsumtion 41 f. Subvention 211, 213, 215 f. Symmetrie 228, 232, 239 ff., 274 Syntax 86 Talion, siehe Vergeltung Tautologie 24, 83,114, 260 Tautologisierungsstrategie 56 Territorialprinzip 134 T e r r i t o r i u m der Bundesrepublik Deutschland 134 f. Topik, Topos 76, 82,102,158, 254 Transformation, siehe A b b i l d u n g Transitivität 228, 232, 239 ff., 275 Tripel 24 Trümmergrundstück 66 ff. Tupel 24
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averzeichnis
Unehelichkeit 139,140,151 Unendlichkeit 32, 265, 272 Unfallversicherungsrecht 106,125 f., 155 Ungleichheit 234 Ungleichheitsgebot 53 ff. Unterlassen 243 Unterscheidungsmerkmal 144,144 f. Vagheit 41 f., 203 Verbot 24 Verbundenheit von Maximenpaaren 244 Vereinfachungsregel 272 f. Vereinigung 230 Verfahrensrecht 220 ff. Vergeltung 53 Verhalten 24,186, 243 — , Konsistenz von — 257, 261 — sregel, siehe N o r m — sunbestimmtheit 208 Verhältnismäßigkeit 18,112 Verkehrsgesellschaft, bürgerliche 182 ff. Verkehrszeichen 78,149 Verkettung 227 Vermutung 25, 89, 267 ff., 268, 270 —, bedingte 269 —, normative 269 — , tatsächliche 268 — , unbedingte 269 — spaar 268 — —, erhebliches 268 - , Rechts- 269 - , Tatsachen- 269 - , Verbots- 269 Vertrag 55, 80, 258 ff., 260 Versorgungsrecht 80, 99 Verwaltung, Ermessens- 108,117 - , gebundene 106,118
Volksentscheid 173 Völkerrecht 133 ff. Vorbereich 226 Voreindeutigkeit 226 Vorzugsordnung 204, 204 ff., 274 ff. Vorzugsregel, siehe Wert Wahl, rationale 274 Wahlrecht, 110 f., 158,170,183 f. Wahrheitsunfähigkeit von Werten 198 Wehrpflicht, 43,114,161 Wert 17, 82,110,121,176,198 f., 205, 215 Wertung, W e r t u r t e i l 41 f., 47, 79 Wesen, wesentlich 33, 75 ff. Wesensschau 76, 233 Wettbewerb 65 Wettbewerbslage 212 Widerspruchsfreiheit 26, 251 Wiederaufnahmeverfahren 157 Wiedergutmachungsrecht 94 W i l l k ü r 18, 48, 80 ff., 89,128,153,170, 207 W i l l k ü r v e r b o t 46 f., 80,192,197 Wohlfahrtsfunktion, soziale 204 ff., 275 ff. Zeit 79 f., 122 ff., 162 ff. Ziel 65,107,109,159,195, 272 Zielbegriff 107 ff. Zirkelschluß 83,115 Zivilperson 35, 242 Zurechnung 272 Zustandsregel, siehe Plan Zweck 110,117,121,155,199 Zweckbegriff 107 ff. Zweckprogrammierung 106 ff., 107, 117,119 Zweigstellensteuer 116 Zweitglied 226 Z y n i k des Gesetzgebers 193
Verzeichnis der Symbole Angeführt sind die Einführungs- oder Definitionsstellen. a) Logische Symbole a, b, c 224 As 228 Baum 263 C 230 Corr 229 Diff 230 F, G, Η 224 Her 229 Hier 229 I 225 i n i t 226 Intr 228 Irr 228 J 225 Κ 224 M,iV 224 mem 226 p, q 224
P, Q R , S , T 224 Refi 228 271 Sym 228 Trans 228 u, υ, κ; 224 Un 226 x, y, ζ 224 V D i s j u n k t i o n 224 Λ K o n j u n k t i o n 224 I m p l i k a t i o n 224 ο Äquivalenz 224 I Negation 224 y A l l q u a n t o r 224 5TExistenzquantor 224 λ Lambda-Operator 224 = Identität 225
Φ Nichtidentität 225 c , =3, Einschlußrelation 226 U Vereinigung 230 Π Durchschnitt 230 U s t D i s j u n k t i o n 271 Π Sj K o n j u n k t i o n 271 I Verkettung 227 H - 1 , H°, H 1 Relationspotenzen 227 H\K A b b i l d u n g 229 H>° Erblichkeit 229 { } Klammern, die die Glieder einer Klasse einschließen 224
b) Nichtlogische Symbole α 235 α, b 274 51 274 BPers 263 f 272 G 243,274 243 G l 231 m 232 Glch 235 Gr 235 /li 249
Hr 235 I i 274 j 274 KennBaum 263 M 244 NEinschlKl 263 Pi 242, 274 Pers 235 9ft 249 S0, Sl 205, 243 U 277 Vi 249
V 277 Verfgl 236 Vgl 239 w,x,y 274 W 277 Ζ 242 α, /?, γ 263 Γ 249 H 249 Ρ 243 f 263 Ω 263