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German Pages [468] Year 2012
Papsttum im mittelalterlichen Europa BA N D 1
Herausgegeben von Jochen Johrendt und Harald Müller
Harald Müller | Brigitte Hotz (Hg.)
GEGENPÄPSTE Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen
2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Das Buch wurde gedruckt mit freundlicher Unterstützung der RWTH Aachen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: De magno schismate von Antonio Baldana, Ausschnitt (ca. 1420). Parma, Biblioteca Palatina, Ms. 1194, fol. 7v, mit Genehmigung des Ministero per i Beni e le Attività Culturali.
© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20953-7
Inhalt Papsttum im mittelalterlichen Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Harald Müller, Brigitte Hotz Zu diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Harald Müller Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter . . . . . . . . . . . . 13 Klaus Herbers Konkurrenz und Gegnerschaft. „Gegenpäpste“ im 8. und 9. Jahrhundert . . 55 Rudolf Schieffer Das Reformpapsttum und seine Gegenpäpste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Nicolangelo D’Acunto Das Wibertinische Schisma in den Quellen des Regnum Italiae . . . . . . . . . . . 83 Kai-Michael Sprenger Der tote Gegenpapst im Fluss – oder wie und warum Clemens (III.) in den Tiber gelangte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Jochen Johrendt Das Innozenzianische Schisma aus kurialer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Werner Maleczek Das Schisma von 1159 bis 1177. Erfolgsstrategie und Misserfolgsgründe . . 165 Gerald Schwedler Zur damnatio memoriae bei Gegenpäpsten. Chancen und Grenzen eines diachronen Vergleichs von Hippolyt (217–235) bis Felix V. (1439–1449) . 205 Andreas Rehberg Ein ‚Gegenpapst‘ wird kreiert. Fakten und Fiktionen in den Zeugenaussagen zur umstrittenen Wahl Urbans VI. (1378) . . . . . . . . 231
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Armand Jamme Réseaux, stratégies de communication et Storytelling au début du Grand Schisme d’Occident . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Patrick Zutshi Continuity and discontinuity in the chanceries of Urban VI and Clement VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Óscar Villarroel González Formas de comunicación en Castilla durante el Gran Cisma de Occidente . 315 Hélène Millet Autour de Télesphore de Cosenza (1386). Des précurseurs de l’histoire des antipapes et des schismes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Otfried Krafft Heiligsprechungen im Schisma. Chancen und Grenzen eines Mittels der Obödienzfestigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Ursula Giessmann Die renuntiatio Felix’ V. (1449) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Heribert Müller Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter: Zusammenfassung der Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Farbabbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Resümees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liste der im Band genannten Päpste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Papsttum im mittelalterlichen Europa Das Papsttum prägte die religiösen, politischen und kulturellen Strukturen im mittelalterlichen Europa nachhaltig, es wurde aber auch seinerseits aus den Regionen der lateinischen Christenheit heraus geformt. Die Reihe Papsttum im mittelalterlichen Europa soll Arbeiten vereinen, die sich mit dieser inzwischen ältesten Institution europäischer Geschichte in der Perspektive der wechselseitigen Interaktion mit den Kirchen des Kontinents, der gegenseitigen Beeinflussung und Formung beschäftigen. Das Spektrum möglicher Themen schließt dabei nicht nur den Ausbau der päpstlichen Autorität in gesamtkirchlicher Perspektive ein, sondern bietet breiten Raum für die Betrachtung der hierzu eingesetzten Instrumente: Funktionsweisen und Handlungsgewohnheiten der Kurie wie das Reisen, die Erteilung von Weihen durch den Papst, Zeremonie und Memoria am Hof des römischen Bischofs, dazu die im Hochmittelalter beginnende Ausbildung eines kurialen Apparates mit zentralen Einrichtungen wie der Kanzlei, der Kammer, der päpstlichen Kapelle, der Audientia oder der Rota, mit deren Hilfe die Kommunikation mit den Partnern der gesamten Christenheit und darüber hinaus in geregelte Bahnen gelenkt wurde. Mittel der päpstlichen Fernwirkung wie Legaten, delegierte Richter, Kollektoren oder dem Heiligen Petrus direkt unterstellte Institute, nicht zuletzt Synoden und Konzilien als Knotenpunkte kirchlicher Kommunikation und Willensbildung sind hier mit einzubeziehen. Die künftig in dieser Reihe erscheinenden Studien werden ihr Augenmerk vor allen Dingen auf das Prozesshafte und die interaktive Qualität richten, um auf diese Weise mögliche Zentralisierungs- und Homogenisierungseffekte, die Ausrichtung auf und die Angleichung an Rom exemplarisch sichtbar zu machen, aber auch um gegenläufige Entwicklungen wie die Ausbildung regionaler Eigenheiten, landeskirchliche Abschottungen oder die Ausbildung von Häresien als Reaktion auf einen von der römischen Zentrale forcierten Verdichtungsprozesses zu charakterisieren. Im Zentrum stehen Formung und Wirksamkeit des mittelalterlichen Papsttums – eines Papsttums, das nicht isoliert bestand und daher nur in seinem Austausch, dem Geben und Nehmen, mit den europäischen Kirchen und Reichen zu beschreiben und zu verstehen ist. Jochen Johrendt und Harald Müller
Zu diesem Band Die Aufmerksamkeit der vom 8. bis 10. September 2011 in Aachen veranstalteten Tagung „Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter“ galt dem Behauptungskampf konkurrierender Papst-Prätendenten, gleichsam der agonalen Phase ihres ‚Kampfes um Rom‘. Ziel war es, in der Betrachtung der Gegenpäpste über das historische Urteil ,Gegenpapst‘ an sich und seine traditionellen rechtlichen Angelpunkte hinauszugehen, indem die Perspektive auf Handlungsmuster und kommunikative Aspekte verlagert wurde1. Mit dem vorliegenden Band, der die Ergebnisse dieser Veranstaltung zugänglich macht, steht nun erstmals eine systematisch angelegte Bestandsaufnahme zum Thema zur Verfügung. Die Gefahr, sich bei einem Betrachtungsobjekt mit einer europäischen Spannweite von über 400 Jahren in Details zu verlieren, ist groß. Ihr wird durch die Verschränkung von Einzelfallstudien mit zeitübergreifenden Betrachtungen grundsätzlicher Erscheinungsformen begegnet. Es geht dabei nicht um eine lückenlose Übersicht über Schismen unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Reichweite oder gar über sämtliche (von wem auch immer) approbierten oder vermuteten Gegenpäpste. Vielmehr gilt es, den Konkurrenten um das römische Bischofsamt als historischen Akteuren näher zu kommen, Spezifika dieses Konkurrenzkampfes herauszuarbeiten und dabei mögliche Veränderungen aufzuzeigen, etwa im Stellenwert legitimierender Elemente, im politischen Gebaren oder in der zeitgenössischen Wahrnehmung. Die konzertierte Annäherung orientiert sich an gemeinsamen Leitfragen. Sie eröffnen Vergleichshorizonte auch dort, wo die historischen Einzelfälle im Hinblick auf die prägenden Umstände päpstlicher Amtsausübung divergent sind. Fünf Betrachtungsfelder verleihen dem Erkenntnisinteresse ein wenig innere Ordnung: 1. Exempla: Einzelfälle päpstlicher Konkurrenz werden in ihrer Entstehung, ihren Parteienkonstellationen, Ereignisabfolgen und Handlungsmotiven analysiert, um die Mechanismen und Wirkkräfte besser verfolgen zu können. 2. Instrumente: Mittel und Techniken der Obödienzfestigung wie das Verschicken von Wahlanzeigen, das Aussenden von Legaten, das zu einem regelrechten Wettlauf geraten konnte, das Locken mit Privilegien oder das Drohen mit Sanktionen, um Unentschlossenen auf die Sprünge zu helfen. Welche Rolle 1 Vgl. dazu den Tagungsbericht bei H-Soz-u-Kult, 04.01.2012, http://hsozkult.geschichte. hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3976.
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spielte hierbei ein effizienter kurialer Apparat? Für Innozenz II. etwa war es 1130 von großem Vorteil, dass er auf die eingespielte und zugleich formale Autorität spendende päpstliche Kanzlei zurückgreifen konnte, weil der Kanzler Haimerich auf seiner Seite stand. Das Konzil von Basel musste sich in den 1430er Jahren eine solche Behörde nach römischem Vorbild (ad instar curiae Romanae) dagegen erst aufbauen. 3. Argumente: Jeder Kandidat im Rennen um die Cathedra Petri suchte seine eigene Position unanfechtbar zu machen, dabei zugleich die Position der Kontrahenten zu schwächen. Wählerkreis und Amtserhebung boten die ersten legitimatorischen Ansatzpunkte. Die publizistische Auseinandersetzung, die nach 1159 zwischen Alexandrinern und Viktorinern um die Immantation der Kontrahenten geführt wurde, ist ein Musterbeispiel für den Kampf um die eigene Legitimation, die den reinen Wahlakt deutlich transzendiert. Wie sonst wäre es zu erklären, dass man für Felix V. in Basel alle Etappen des traditionellen römischen Einsetzungszeremoniells peinlich genau glaubte nachbilden zu müssen – bis hin zur Huldigung durch die städtische Judengemeinde, die es freilich in Basel 1439 nicht mehr gab. Legitimationselemente und Legitimationsdefizite wurden genau abgewogen und bewusst kommuniziert. Dies gilt in der Phase der aktiven Auseinandersetzung ebenso wie post mortem. Die Erinnerung an überwundene Konkurrenten wurde häufig verhindert, getilgt oder überschrieben – wie in Santa Maria in Trastevere, das Innozenz II. neu erbaute, um die daran haftenden Erinnerungsspuren seines Gegenspielers Anaklet II. zu verwischen. Dort, wo Grabmäler bezeugt sind wie etwa für Clemens III./ Wibert von Ravenna und Viktor IV./Octavianus de Montecelli, fehlt es nicht an Berichten über deren zornige Zerstörung durch spätere Päpste. Bei Nikolaus V. (†1333) endete diese Praxis. Dieser Papst-Prätendent durfte von seinen Ordensbrüdern dezent bestattet werden, nachdem er offiziell seinen Irrtum eingestanden hatte. Damit war der Weg zu den Grablegen konkurrierender Päpste des Großen Abendländischen Schismas gewiesen, als verfestigte und langwirkende Obödienzbereiche zur Stein gewordenen Memoria auch von Gegenpäpsten führten. 4. Wahrnehmung: Die Zeitgenossen mussten die verwirrende, gegebenenfalls ihre persönliche Heilserwartung gefährdende Störung in der Kirchenstruktur bewältigen. Ihre Haltung entschied, wer im Ringen um den römischen Bischofsstuhl am Ende siegte. Dieser Blickwinkel wurde bisher selten eingenommen. Übertragen in die Diktion der Urkundenforschung könnte man sagen: Aussteller- und Empfängerperspektive müssen intensiver korreliert werden. Hier ist allerdings das Feld weiter und unübersichtlicher als bei der Konzent-
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ration auf die Akteure im direkten Umfeld der jeweiligen päpstlichen Rivalen. Ob man eigene Urkunden nach einem der konkurrierenden Prätendenten datierte, ob man Privilegien zu erlangen suchte und sie in längerer Perspektive auch beim Scheitern des Kandidaten aufbewahrte oder vernichtete, kann als Indiz für den variablen Autoritätswert der jeweiligen Aussteller gewertet werden. 5. Wirkungen: Erfolgte die Beilegung der Konflikte durch gewaltsame Verdrängung oder wurden die Unterlegenen in die siegreiche Kirchenfraktion ‚resozialisiert‘, wie zuletzt Felix V., der nach seiner Abdankung 1449 eine neue Rolle als Kardinallegat fand? Was besagen die unterschiedlichen Lösungswege im Hinblick auf schwankende Machtverhältnisse oder differente Vorstellungen von der Heilbarkeit eines Schismas? Zu fragen ist schließlich auch, ob es sich bei Gegenpäpsten und Schismen um produktive Autoritätskrisen handelte, die zu konstruktiven Ergebnissen führten, etwa durch Verfeinerung des Papstwahlverfahrens oder durch Ausformung alternativer ekklesiologischer Konzepte. Dieser letzte Punkt wirft die grundsätzliche Frage nach der kirchengeschichtlichen Bedeutung der Gegenpäpste auf: Sie werden in diesem Band nicht als Reihung individueller, exotischer Sonderfälle einer ansonsten geregelt voranschreitenden Papstgeschichte betrachtet, sondern als Störfälle, als Herausforderungen für das mittelalterliche Papsttum als Institution – gleichsam als Prüfsteine universaler Autorität, wie es im Titel des zu Grunde liegenden, von der DFG geförderten Forschungsprojekts heißt. Denn neben den persönlichen Konkurrenzen der Protagonisten stand nicht weniger auf dem Spiel als die universale Autorität des römischen Bischofs. An ihrer Ausformung hatten die Päpste des hohen Mittelalters unentwegt gearbeitet, nachdem sie der stadtrömischen Begrenzung entwachsen waren: an einem universalen Führungsanspruch in der lateinischen Christenheit, der nicht nur auf die christliche Lehre zielte, sondern selbstbewusst die umfassend normgebende auctoritas im Blick hatte2. In der Konkurrenzsituation um das römische Bischofsamt musste sich im ursprünglichen Sinne des griechischen Begriffs der krisis nicht nur entscheiden, welcher der Prätendenten sich am Ende durchsetzen sollte und aus welchen Gründen. Es stand auch zur Debatte, ob und wie die 2 Vgl. zum Prozess Jochen Johrendt, Harald Müller (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Berlin 2008 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F. 2) und Dies. (Hg.), Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Mittelalter (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 19), Berlin 2012.
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Autorität des Amtes in einer solch grundlegenden strukturellen Störung bewahrt werden konnte. Die Beiträge dieses Bandes bewegen sich also im gedanklich weit gesteckten Rahmen des Themas ‚Autorität und Krise‘, für das die Gegenpäpste ein lohnendes Untersuchungsfeld eröffnen.3 Die Herausgeber empfinden tiefe Dankbarkeit gegenüber den Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die sich bei der Abfassung ihrer Beiträge einem engen Terminplan unterworfen und sich inhaltlich an den oben skizzierten Leitfragen des Projekts orientiert haben. Dank schulden wir auch denjenigen, die seinerzeit die Tagung durch ihre Vorträge und Diskussionsbeiträge bereichert haben, ohne dass man diese hier unmittelbar nachlesen kann; manche Impulse daraus sind in die vorliegenden Aufsätze eingeflossen. Vielfältige Hilfestellungen haben die Durchführung des Symposions und die Drucklegung des Bandes erleichtert: Die Philosophische Fakultät der RWTH Aachen gewährte durch ihren Dekan, Herrn Prof. Dr. Will Spijkers, einen namhaften Zuschuss. Die Zusammenarbeit mit dem Böhlau-Verlag, insbesondere mit der Lektorin Frau Dorothee Rheker-Wunsch, erwies sich als anregend und zielführend. Das Team des Lehrstuhls für Mittlere Geschichte schließlich hat es durch seinen gemeinsamen Einsatz erst ermöglicht, die Tagung organisatorisch zu meistern. Auch die Redaktion des vorliegenden Bandes in so kurzer Zeit hätte ohne die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere durch Tabea Amthor, Kathrin Steinhauer und Christian Schiffer, nicht bewältigt werden können. Ihnen allen gilt daher unser aufrichtiger Dank! Aachen, im April 2012 Harald Müller
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3 Die in den Beiträgen verwendeten Siglen orientieren sich am Gebrauch im Lexikon des Mittelalters.
Gegenpäpste Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter Harald Müller Als am 19. April 2005 Josef Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt und sein Amtsname Benedikt XVI. publik gemacht wurde1, fragten sich Journalisten, Fernsehzuschauer und Zeitungsleser, welche programmatische Botschaft sich in dieser Namenswahl wohl manifestiere. Besonders beliebt war es, mit zahlreichen Experten nach Vorgängern gleichen Namens zu suchen. Benedikt von Nursia rückte kurz – obwohl nie Papst – als europäisch integrierende Figur ebenso in den Mittelpunkt wie als Symbol einer verinnerlichten Kirche. Die 15 Päpste mit dem Namen Benedikt vor 2005 nach Vorbildern im Geiste des neuen Pontifex zu durchmustern, erwies sich am Ende einmal mehr als der richtige Ansatz. Ins Visier gerieten allerdings nur diejenigen Benedikte, die von der Kirche als rechtmäßige Päpste anerkannt sind. Blickt man genauer zurück, so sind aber immerhin mindestens fünf mittelalterliche Namensvettern zu zählen, deren Rechtmäßigkeit zumindest umstritten ist. Während bei den meisten dieser Kandidaten die Zählung stillschweigend fortgesetzt wurde, versagte man Benedikt XIII. und Benedikt XIV., die beide der Avignoneser Obödienz des Großen Abendländischen Schismas angehörten, den Eintrag in die offizielle Papstliste, so dass 1724 erneut ein Benedikt XIII. zu Buche schlug2. Als Bezugspunkte für die Namenswahl des neuen Papstes schieden diese aus der Liste getilgten Petrusnachfolger selbstverständlich von vornherein aus. 1 Wahl 19.04.2005, Inthronisierung 24.04.2005. Der Beitrag vertieft die Tagungseinleitung von September 2011 durch Betrachtungen zu einzelnen Aspekten, die aus der mehrjährigen Arbeit am von der DFG geförderten Projekt ‚Gegenpäpste. Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter‘ resultieren. Für die Gelegenheit, in den Jahren 2005–2011 Überlegungen zum Thema in Berlin, Frankfurt, Köln, Leipzig und Mainz zur Diskussion stellen zu können, danke ich den dortigen Kolleginnen und Kollegen herzlich. 2 Benedikt V. (964, Zählung läuft weiter), Benedikt IX. (regulär 1032–44, dann 1045 und 1047–48, Zählung läuft weiter), Benedikt X. (1058–59, Zählung läuft weiter), Benedikt XIII. (1394–1417, hat die Absetzungen nie akzeptiert), Benedikt XIV. (1425–1430) sowie dessen gleichnamiger, nicht von allen aufgeführter Nachfolger (1430). Nur bei den letzten wurde die Ordnungszahl kassiert: Benedikt XIII. nun 1724–1730, Benedikt XIV. nun 1740–1758.
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Solche ‚Gegenpäpste‘ sind Schattenseite und gegebenenfalls Katastrophenfall eines römischen Bischofsamts schlechthin, das die wichtigste Legitimation seines Führungsanspruchs in der christlichen Kirche des Mittelalters seit dem 5. Jahrhundert aus der ununterbrochenen und eindeutigen apostolischen Sukzession von Petrus bis in die Gegenwart schöpft3. Die kettengleiche Nachfolge Petri ist ein exklusives Amt, das keine Konkurrenz, erst recht keine Teilung dulden konnte und kann; gleichwohl kam dies bis zu 40 Mal vor4. Was ist eigentlich ein ‚Gegenpapst’? Die Definitionsversuche der einschlägigen Nachschlagewerke erläutern lediglich, dass es sich um jemanden handelt, der den Namen und das Amt des Papstes zu Unrecht führte und ausübte oder beides zumindest vorgab zu tun. Es handelt sich also um Usurpationen des römischen Bischofsamtes, deren Verläufe und deren unrechtmäßiger Charakter weiter spezifiziert werden. So unterscheidet der ‚Dictionnaire de droit canonique‘ zwischen gewaltsamer Usurpation des vakanten römischen Bischofsstuhls und der Errichtung eines Gegenpapsttums, nachdem bereits ein rechtmäßiger Papst gewählt worden war5. Das ‚Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte‘ kennt nur Gegenpäpste, die in diesem zweiten Sinne, also konkurrierend bzw. im engeren Sinne schismatisch erhoben wurden6. Umsichtiger differenziert Olivier Guyotjeannin im ‚Dictionnaire de la Papauté‘ das unkanonische, angemaßte Papsttum. Er unterscheidet drei Ausgangssituationen eines solchen kirchenrechtlichen Mangels: a) die unrechtmäßige Wahl eines Kandidaten bei Vakanz des Bischofsstuh3 Vgl. Michele Maccarrone (Hg.), Il primato del vescovo di Roma nel primo millennio. Ricerche e testimonianze, Vatikanstadt 1991. 4 Die Zählung ist uneinheitlich und variiert zwischen rund 20 und 40 Gegenpäpsten; vgl. Olivier Guyotjeannin, Antipape, in: Philippe Levillain (Hg.), Dictionnaire de la Papauté, Paris 1994, S. 118–121, hier S. 118. Für den Zeitraum von 1045–1449 verzeichnet Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung, Hannover 121982, S. 124–127, insgesamt 22 ausdrückliche antipapae, auf 25 kommt dagegen Bernhard Schimmelpfennig, Das Papsttum. Grundzüge seiner Entwicklung von der Antike bis zur Renaissance, Darmstadt 1984, 62009, S. 369–379. Armand Amanieu, Antipape, in: Dictionnaire de droit canonique 1 (1924), Sp. 598–622, zählt Sp. 606–616 nur 19, weil er die Konkurrenten des Großen Schismas separat behandelt. Die Bedeutung einer möglichst eindeutigen Papstliste für die römisch-katholische Kirche im Sinne einer historischen Legitimation unterstreicht die jährlich im ,Annuario pontificio‘ publizierte Aufstellung. Ihr liegt eine zuletzt 1947 vom Präfekten des vatikanischen Archivs erstellte Liste zu Grunde: Angelo Mercati, The new list of the popes, in: MSt 9 (1947), S. 71–80. 5 Amanieu, Antipape (wie Anm. 4), Sp. 598–617 als Liste der Gegenpäpste mit prägnanten, meist rechtlich ausgerichteten Kommentaren. 6 Hans-Jürgen Becker, Gegenpapst, in: HRG 1 (²2008), Sp. 1995f. Zum Schismabegriff vgl. unten bei Anm. 25.
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les, b) eine Doppelwahl in dieser Situation und c) die gewaltsame Aneignung des römischen Bischofsstuhls in Konkurrenz zu einem amtierenden Papst. Diese formalen Grundkonstellationen, so räumt auch Guyotjeannin ein, besagen jedoch wenig über die rechtliche Substanz der Ansprüche einzelner Kandidaten, denn weder die Wahlverfahren noch die Umstände der Erhebungen zum römischen Bischof waren im Mittelalter so eindeutig festgelegt, dass stets zweifelsfrei zwischen rechtmäßig und unkanonisch zu unterscheiden ist7. Nicht zuletzt daraus erklärt sich auch die je nach Liste schwankende Zahl der Gegenpäpste. Die mangelnde Eindeutigkeit von Phänomen und Begriff überfordert pointierte Erklärungen. Es bedarf einer sorgfältigen Betrachtung, die mehr leisten muss als nur die Klärung der rechtlichen Grundlagen eines solchen Anspruchs, Papst zu sein. Die Komplexität liegt dabei im grundsätzlichen Antagonismus von Papst und Gegenpapst begründet. Der ‚Gegenpapst‘ existiert allein in der polaren Spannung mit einem rechtmäßigen, historisch kanonisierten Amtsinhaber – ohne Papst kein Gegenpapst – und vor dem Hintergrund eines im Prinzip unteilbaren (römischen) Bischofsamtes. Man kann in den Gegenpäpsten pauschal die Inhaber der Cathedra Petri sehen, die als illegitim oder zumindest als zweifelhaft aus der Liste der Päpste ausgesondert wurden. Damit aber wird die Bezeichnung ‚Gegenpapst‘ zum historischen Werturteil. Sie präsentiert ein Ergebnis mit eindeutig negativen Zügen, denn mit dem hochmittelalterlichen Aufstieg der römischen Bischöfe zur dogmatischen und rechtlichen Führungsinstanz einer zunehmend hierarchisch strukturierten lateinischen Kirche erhielt die unbestrittene und ungeteilte Autorität des Papstes eine universale Relevanz für das Funktionieren der Amtskirche und die Heilserwartung der Gläubigen8. Gegenpäpste und die aus ihrer Konkurrenz 7 Guyotjeannin, Antipape (wie Anm. 4), S. 118f. 8 Aus der überreichen Literatur zu diesem Thema seien stellvertretend genannt: Schimmelpfennig, Papsttum (wie Anm. 4), S. 147–222; Michael Borgolte, Europa entdeckt seine Vielfalt, Stuttgart 2002 (Handbuch der Geschichte Europas, 3), S. 75–94; Rudolf Schieffer, Papsttum und mittelalterliche Welt, in: Rudolf Hiestand (Hg.), Hundert Jahre Papsturkundenforschung. Bilanz – Methoden – Perspektiven. Akten eines Kolloquiums zum hundertjährigen Bestehen der Regesta Pontificum Romanorum vom 9.– 11. Oktober 1996 in Göttingen, Göttingen 2003 (Abhandlungen Akademie Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, 261), S. 373–390; Jochen Johrendt, Harald Müller, Zentrum und Peripherie. Prozesse des Austausches, der Durchdringung und der Zentralisierung in der lateinischen Kirche des hohen Mittelalters, in: Dies. (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Berlin 2008 (Abhandlungen Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 2), S. 1–16, bes. S. 1–6 (mit Literatur); knapper Überblick zum Thema bei Harald Müller, Das Papsttum, in: Johannes Fried, Olaf B. Rader (Hg.), Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends, München 2011, S. 448–459.
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resultierenden Schismen werden daher als Störungen gekennzeichnet, deren Wirkungsspektrum von der lokalen Irritation bis zur europaweiten Kirchenspaltung reicht und deren Negativmarkierung bis zum Stigma der Ketzerei gesteigert werden kann. Insofern erscheint es zumindest aus der Perspektive einer kirchennahen Geschichtsschreibung plausibel, dass denjenigen, die vom approbierten Pfad der Papsthistorie abwichen, weniger analytische Aufmerksamkeit als affirmierende Ausgrenzung zuteil wurde. Die wenigen Beiträge, die sich explizit mit konkurrierenden oder zweifelhaften historischen Päpsten beschäftigen, folgen oft implizit dieser Logik der Bereinigung: Sie spüren vorrangig der Gültigkeit von Wahl- und Erhebungsakten nach, um rechtmäßige Päpste von angemaßten zu unterscheiden. Das Projekt ‚Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter‘ strebt demgegenüber eine erweiterte Betrachtungsweise des Phänomens ‚Gegenpäpste‘ an. Sein Ziel ist eine umfassende Charakterisierung dieser unerwünschten konkurrierenden Vervielfältigung päpstlicher Autorität in ihren jeweiligen Bedingungen, Verläufen und Ergebnissen. Weniger Beschreibung und Bewertung als das detailgenaue wie systematisierende Verfolgen der Konkurrenz an sich stehen in seinem Zentrum. Insbesondere den Handlungs- und Kommunikationsstrategien sowie der Wahrnehmung und Erinnerung durch die Zeitgenossen gilt das Interesse. Nicht die Gegenpäpste als historisch Gescheiterte, sondern als aktiv konkurrierende Prätendenten um das Papstamt werden in den Mittelpunkt gerückt. Es geht, pathetisch formuliert, um den ‚Kampf um Rom‘ – um ein Rom, das teils konkret geographisch, teils als Metapher für die Spitzenposition in der lateinischen Christenheit zu verstehen ist. Die realen Ausprägungen dieses Kampfes sind dabei über einen Untersuchungszeitraum von rund 600 Jahren betrachtet so facettenreich, dass man sich fragen muss, ob etwa die kurzzeitige Usurpierung des römischen Bischofsstuhls durch Anastasius Bibliothecarius im 9. Jahrhundert vergleichbar ist mit den konsekutiven Erhebungen konkurrierender Päpste im Großen Abendländischen Schisma des Spätmittelalters. Gehören Gegenpäpste, die aus dem Konflikt zwischen weltlichen Mächten und Papsttum hervorgingen und die mitunter von den Zeitgenossen als idolum imperatoris bezeichnet wurden9, in dieselbe Kategorie wie 9 So Calixt II. in einem Schreiben vom 27. April 1121 ( JL 6902) über Gregor VIII./Burdinus, in: Bullaire du Pape Calixte II, ed. Ulysse Robert, Paris 1891 (ND Hildesheim 1979), Bd. 1, Nr. 228, S. 337f., hier S. 337: Diu siquidem peccatis exigentibus, per illud Teutonicorum regis idolum, Burdinum videlicet, fideles Ecclesiae conturbati sunt; et alii quidem capti sunt, alii usque ad mortem carceris maceratione afflicti sunt. In der von Rahewin überlieferten Wahlanzeige Alexanders III. wird dessen Kontrahent Oktavian als Apostat und Schismatiker sowie als tanqum ydolum aut simulacrum bezeichnet; Ottonis et Rahewini
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solche, die aus dem Dissens der wählenden Kardinäle resultierten? Funktioniert der ‚Gegenpapst‘ als Forschungsbegriff überhaupt und zumal im Frühmittelalter, wenn wir von Papsttum im Sinne seiner hoch- und spätmittelalterlichen Gestalt noch gar nicht sprechen wollen? Beide Probleme – Vergleichbarkeit der Einzelfälle und terminologische Unschärfe – verweisen in ihrer Grundsätzlichkeit erneut auf die unbefriedigende Erforschung des Themenkomplexes. Das Etikett suggeriert eine Klarheit, die man bei näherer Betrachtung von Quellen und Literatur vergeblich sucht. Deshalb und weil schon seine bloße Benutzung die zuvor skizzierte, historisch urteilende, traditionsbewusste Sichtweise dokumentiere, wurde im Vorfeld der Tagung mehrfach angeregt, auf den Begriff ‚Gegenpäpste‘ zu verzichten oder zumindest konsequent Anführungszeichen als Indikatoren des Problembewusstseins zu benutzen. Auch dies verweist letztlich auf den grundsätzlichen Klärungsbedarf in der Sache, denn eine neue Begriffsbildung wird nur überzeugen, wenn ihr eine systematische Erforschung des Phänomens vorausgegangen ist. Eine solche umfassende Untersuchung ist Gegenstand des genannten Aachener Gegenpäpste-Projekts; die folgenden Einzelstudien bilden wichtige Trittsteine auf diesem Weg. Am Beginn steht die Aufgabe, Grundlagen und Erkenntnisziele zu skizzieren, die als Wegmarken dienen können. Einen Schlüssel für das Verständnis der Thematik liefert insbesondere die zeitgenössische Begriffsverwendung. Sie weist mit ihrem aggressiven, ja stigmatisierenden Potenzial künftigen Annäherungen die Richtung und folgt deshalb unmittelbar auf eine kurze Skizze des Forschungsstandes. Aus der Verwendung der mittelalterlichen Begrifflichkeit in den Quellen lassen sich inhaltliche Problemfelder und Fragehorizonte entwickeln, innerhalb derer sich die voranschreitende Projektarbeit ebenso bewegen wie die hier anschließenden Einzelbeiträge.
1. Themen der Forschung Gemessen an der Selbstverständlichkeit, mit welcher der Begriff ,Gegenpapst‘ benutzt wird, erweist sich das wissenschaftliche Interesse an diesem Phänomen als Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz, Bernhard von Simson, Hannover, Leipzig 1912 (MGH SRG in us. schol., 46), S. 299–303 (IV.61), hier S. 302. Dazu Odilo Engels, Kardinal Boso als Geschichtsschreiber, in: Georg Schwaiger (Hg.), Konzil und Papst. Festgabe für Hermann Tüchle, München u. a. 1975, S. 147–168, wieder abgedruckt in: Odilo Engels, Stauferstudien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert, hg. v. Erich Meuthen, Stefan Weinfurter, Sigmaringen ²1996, S. 203–224, hier S. 219. Zu idolum und Idolatrie vgl. auch unten bei Anm. 62ff.
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schwach. Eine moderne Geschichte der Gegenpäpste existiert bislang nicht. Das Thema wurde als Ganzes nur in einer 1754 verfassten ‚Istoria degli antipapi‘ des Sorrenter Erzbischofs Lodovico Agnello Anastasio behandelt, die jedoch ohne wissenschaftliche Relevanz ist. Ähnliches gilt für ein nunmehr gut 40 Jahre altes, im Titel gleich lautendes Bändchen Ludovico Silvanis10; beide bieten hauptsächlich aneinandergereihte Viten und verfolgen apologetische Ziele. Zu den seltenen Versuchen übergreifender Betrachtung gehören die beiden bereits genannten Lexikonartikel von Armand Amanieu mit seinen prägnanten, rechtlich ausgerichteten Kommentaren und Olivier Guyotjeannin11. Monographisch behandelt allein die ungedruckte Dissertation von Michael Edward Stoller ,Schism in the Reform Papacy. The documents and councils of the antipopes 1061–1121‘ die Gegenpäpste eines längeren Betrachtungszeitraums12. Die Mehrzahl der Beiträge verfolgt das Thema chronologisch selektiv, meist auf konkrete schismatische Situationen bezogen. Lässt man die überbordende Literatur zum Großen Abendländischen Schisma beiseite13, so geraten auf diese Weise vor allem die Doppelwahlen von 1130 und 1159 mit ihren ausgreifenden (kirchen-)politischen Dimensionen, deutlich seltener Einzelgestalten wie Felix V. (1439–1449) oder die Gegenpäpste des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts in den Blick, darunter Wibert von Ravenna/Clemens III. – mit Anaklet II. (1130–1138) der einzige, dem bislang eine eigene Monographie zuteil wurde14. Daneben überwiegt in der Forschung die 10 Lodovico Agnello Anastasio, Istoria degli antipapi, 2 Bde., Neapel 1754. Ludovico Silvani, Storia degli antipapi, Mailand 1971. Angekündigt ist Christiane Laudage, Kampf um den Stuhl Petri. Die Geschichte der Gegenpäpste, Freiburg 2012. Im Folgenden wird kein lückenloser Forschungsbericht angestrebt. 11 Amanieu, Antipape (wie Anm. 4); Guyotjeannin, Antipape (wie Anm. 4). 12 Diss. Columbia University (N.Y.) 1985; daraus ausgegliedert Michael Edward Stoller, Eight anti-gregorian councils, in: AHC 17 (1985), S. 252–321. Jetzt auch Mary Stroll, Popes and antipopes. The politics of eleventh century church reform, Leiden 2012 (Studies in the history of Christian traditions, 159). 13 Als Zugänge jüngeren Datums: Joëlle Rollo-Koster, Thomas M. Izbicki (Hg.), A companion to the Great Western Schism (1378–1417), Leiden 2009 (Brill’s companions to the christian tradition, 17); Heribert Müller, Die kirchliche Krise des Spätmittelalters. Schisma, Konziliarismus und Konzilien, München 2012 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 90), S. 5–34, 61–68, 134–136 (Literatur). 14 Jürgen Ziese, Wibert von Ravenna. Der Gegenpapst Clemens III. (1084–1100), Stuttgart 1982 (Päpste und Papsttum, 20); Mary Stroll, The jewish pope. Ideology and politics in the papal schism of 1130, Leiden 1987 (Brill’s studies in intellectual history, 8). Zugang zu Quellen und Literatur des so genannten Alexandrinischen Schismas eröffnet Johannes Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Köln 1997 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J.F. Böhmer, 16); ganz aktuell Peter
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Fokussierung auf sachliche Segmente konkurrierender Pontifikate. Nur gelegentlich wurde dem Aufbau jeweils eigener Kurien etwa durch Kardinalserhebungen Beachtung geschenkt15. In jüngerer Zeit hat die Frage nach konkreten Mechanismen der Obödienzbildung und damit der faktischen Durchsetzung des jeweiligen Anspruchs stärkeres Gewicht erlangt. Vor allem für die langwierigen Schismen von 1130, 1159 und 1378 wurden diese politischen Dimensionen von Anhängerwerbung und Parteinahme eingehender behandelt. Dabei fanden besondere Aufmerksamkeit: Kardinäle, kuriale Strukturen, Urkunden, Kanzlei und Kirchenrecht16, die Rolle der geistlichen Orden als Propagandisten und Brückenköpfe der Einflussnahme17, schließlich Ausdrucksformen der Anerkennung päpstlicher Clarke, Anne J. Duggan, Pope Alexander III (1159–81). The art of survival, Farnham 2012 (Church, faith, and culture in the Medieval West). Zu Amadeus von Savoyen vgl. stellvertretend auch für den individuellen Bezug Bernd Andenmatten, Agostino Paravicini Bagliani (Hg.), Amédée VIII – Félix V. Premier duc de Savoie et pape (1383– 1451), Lausanne 1992; Ursula Lehmann, Die ‚heikle‘ Bartfrage – Verhandlungen und Zeremoniell anläßlich der Wahlannahme von (Gegen-) Papst Felix V., in: AK 91 (2009), S. 79–98. Ursula Lehmann hat 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Dissertation mit dem Titel ,Der Konzilspapst Felix V. Studien zu Legitimationsstrategie und Herrschaftspraxis‘ abgeschlossen. Vgl. auch den Beitrag der Autorin (jetzt Giessmann) in diesem Band. 15 Als Pionierarbeit Konrad Eubel, Der Gegenpapst Nikolaus V. und seine Hierarchie, in: HJb 12 (1891), S. 277–309. 16 Werner Maleczek, Das Kardinalskollegium unter Innocenz II. und Anaklet II., in: AHP 19 (1981), S. 27–78; Ders., Die Kardinäle von 1143 bis 1216. Exklusive Papstwähler und erste Agenten der päpstlichen plenitudo potestatis, in: Jürgen Dendorfer, Ralf Lützelschwab (Hg.), Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, Stuttgart 2011 (Päpste und Papsttum, 39), S. 95–154; Jörgen Vogel, Zur Kirchenpolitik Heinrichs IV. nach seiner Kaiserkrönung und zur Wirksamkeit der Legaten Gregors VII. und Clemens’ (III.) im deutschen Reich 1084/85, in: FMASt 16 (1982), S. 161–192; Elisa Mongiano, La cancelleria di un antipapa. Il bollario di Felice V (Amedeo VIII di Savoia), Turin 1988; Johannes Helmrath, Das Konzil als Behörde. Eine unbekannte Kanzleiordnung des Basler Konzils von 1439, in: Brigitte Flug, Michael Matheus u. a. (Hg.), Kurie und Region. Festschrift für Brigide Schwarz zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2005 (Geschichtliche Landeskunde, 59), S. 93–112; Johannes Helmrath, Poggio Bracciolini als päpstlicher Propagandist. Die invectiva in Felicem antipapam (1447), in: Fabio Forner u. a. (Hg.), ������ Margarita amicorum. Studi di cultura europea per Agostino Sottili, Mailand 2005, S. 541–584, hier S. 546. 17 Hubertus Seibert, Autorität und Funktion. Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen in Mönch- und Kanonikertum, in: Ernst-Dieter Hehl, Ingrid Heike Ringel u. a. (Hg.), Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (MittelalterForschungen, 6), S. 207–241; Rinaldo Comba, I monaci bianchi e il papato in Italia: caratteri e metamorfosi delle identità e idealità cisterciensi nella prima metà del XII secolo,
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Autorität in den Quellen, etwa durch die Datierung von Urkunden nach einem der Prätendenten18. In all diesen Studien wird die Konfliktsituation des Schismas mit dem daraus resultierende Bedarf an Orientierung und Entscheidung wie ein Brennglas für die Analyse von Verhaltensweisen benutzt. Gemeinsam ist ihnen der leitende Blick auf strukturelle Gegebenheiten, größere Handlungszusammenhänge und verschärfende oder beruhigende Faktoren im Schisma, während die konkurrierenden Päpste als Personen, ihr Ringen um Anerkennung und gegebenenfalls ihr persönliches Scheitern eher am Rande bleiben. Insgesamt dominiert die Frage der formalen Rechtmäßigkeit konkurrierender Ansprüche. Hierin zeigt sich eine die Forschung prägende legalistische Grundauffassung. Sie ist im Kern durch die Ekklesiologie der römischen Kirche vorbestimmt, deren Spitzenamt – anders als auf weltlicher Seite, wo es häufiger zum Gegen- oder Nebeneinander mehrerer Herrscher in einem Reich kam19 – keine Verdopplung duldete; es kann nur einen rechtmäßigen Papst geben. Gegenpäpste geraten infolgedessen gleichsam per definitionem auf die illegale Seite, ihr Scheiin: Klaus Herbers, Jochen Johrendt (Hg.), Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia, Berlin, New York 2009 (Abhandlungen Akademie Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 5), S. 515–555; Coralie Zermatten, L’obédience urbaniste et les chartreuses de Franconie de 1378 a 1410, in: AnalCart 293 (2011), S. 1–28. Die Problematik von einheitlicher Ordenspolitik und differierender Länderobödienz berührt am Beispiel einer englischen Niederlassung des Ordens von S. Spirito im Großen Schisma Andreas Rehberg, Päpstliche Caritas auf dem Prüfstand. Anmerkungen zu einer neuen Studie zum Heilig-Geist-Orden, in: QFIAB 86 (2006), S. 562–581, hier S. 576. 18 Jürgen Petersohn, Papstschisma und Kirchenfrieden. Geistesgeschichtliche Stellung und stadtrömischer Hintergrund des Traktats ,De vera pace contra scisma sedis apostolicae‘ aus dem Jahre 1171, in: QFIAB 59 (1979), S. 158–197, bes. S. 185–195; Werner Goez, Zur Geschichte des Alexander-Schismas im nordöstlichen Mittelitalien, in: FranzReiner Erkens, Hartmut Wolff (Hg.), Von sacerdotium und regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter. Festschrift für Egon Boshof zum 65. Geburtstag, Köln 2002, S. 519–540; Jochen Johrendt, Cum universo clero ac populo eis subiecto id ipsum eodem modo fecerunt. Die Anerkennung Alexanders III. in Italien aus der Perspektive der Papsturkundenempfänger, in: QFIAB 84 (2004), S. 38–68 (mit Literatur). Weitere Erkenntnisse verspricht die noch unveröffentlichte Mainzer Dissertation von Kai-Michael Sprenger, Zwischen den Stühlen. Studien zur Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas in Reichsitalien (1159–1177), Tübingen 2012 (Bibliothek des DHI in Rom, 125). 19 Vgl. Tilman Struve, Das Bild des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben in der zeitgenössischen Historiographie, in: Ex ipsis rerum documentis. Beiträge zur Mediävistik. Festschrift für Harald Zimmermann, Sigmaringen 1991, S. 459–476. Zum Problem künftig die Bonner Dissertation von Michaela Muylkens, Reges geminati – Die „Gegenkönige“ in der Zeit Heinrichs IV., Husum 2012 (Historische Studien).
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tern erhält in der historischen Bilanz etwas Zwangsläufiges. Nicht von ungefähr ist Harald Zimmermanns bekanntes Buch über die Papstabsetzungen des Mittelalters eine Fundgrube für Nachrichten über gescheiterte Papst-Prätendenten20. Das juristische Paradigma ist für die Betrachtung schismatischer Konstellationen von fundamentaler Bedeutung, seine genaue Rolle im Kontext einer umfassenderen Erforschung der Gegenpäpste bleibt aber noch zu diskutieren. Eine ebenfalls auf bereits überwundene Rivalen im päpstlichen Konkurrenzkampf zielende Erweiterung des formalrechtlichen Aspekts bieten Einzeluntersuchungen zu Strafen und spektakulären Schandritualen, denen überwältigte Gegenpäpste zu Lebzeiten und nach ihrem Tod unterworfen wurden. Verstümmelung an den Sinnesorganen beraubte den Rivalen erkennbar jeder Möglichkeit, künftig als priesterlicher Konkurrent in Erscheinung zu treten, und markierte jenseits juristischer Spitzfindigkeiten für alle sichtbar die Niederlage und Illegitimität des Bestraften. Nacktes Reiten auf einem Esel gab den Delinquenten der Lächerlichkeit preis und zeigte in drastischer Symbolik, dass er sich außerhalb der Ordnung bewegte hatte, die nun im Umkehrschluss wiederhergestellt worden war21. Der Blick auf Bestrafung und rituelle Bewältigung des Krisenszenarios verschiebt die Gewichtung vom Ius zum Agon. Es wird deutlich, dass bis zuletzt, mitunter bis zum physischen Ende, um die Cathedra Petri gekämpft wurde und dass die Diskreditierung der Rivalen im Umkehrschluss die eigene Legitimitätsbehauptung unterstrich. Mit dieser Sichtweise, die dem seit den 1980er Jahren wachsenden Interesse der Mediävistik an symbolischen Handlungen und kulturellen Dimensionen geschuldet ist, erreicht auch die Beschäftigung mit Gegen20 Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz 1968. 21 So schon der von Otto III. abgesetzte Johannes XVI. Philagatos im Jahr 998; vgl. Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium, ed. Claudia Zey, Hannover 1994 (MGH SRG in us. schol., 67), I,12, S. 135: Pseudopapa vero Grecus effossis occulis, abscisis naso et auribus, dorso asine retroversus manu tenens caudam totam distrahitur per urbem. Zu den Ereignissen vgl. RI II/5, Nr. 814–820, 836; zur Sache August Nitschke, Der mißhandelte Papst. Folgen ottonischer Italienpolitik, in: Staat und Gesellschaft in Mittelalter und Früher Neuzeit. Gedenkschrift für Joachim Leuschner, Göttingen 1983, S. 40–53; Gerd Althoff, Otto III., Darmstadt 1996, S. 100–113; weitgehend wertlos ist Burkhard Malich, Die Tragik des Gegenpapstes Johannes XVI. (997–998), in: Armenuhi Drost-Abgarjan u. a. (Hg.), Sprache, Mythen, Mythizismen. Festschrift für Walter Beltz zum 65. Geburtstag am 25. April 2000, Halle/S. 2004 (Hallesche Beiträge zur Orientwissenschaft, 32/2001), Teil 2, S. 439–480. Zum Rituellen vgl. Klaus Schreiner, Gregor VIII., nackt auf einem Esel. Entehrende Entblößung und schandbares Reiten im Spiegel einer Miniatur der „Sächsischen Weltchronik“, in: Dieter Berg, Hans-Werner Goetz (Hg.), Ecclesia et regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale zu seinem 65. Geburtstag, Bochum 1989, S. 155–202.
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päpsten eine neue Qualität, indem sie sich prinzipiell für die kommunikativen Aspekte dieser Konkurrenz öffnet. Sie reicht von der Propaganda der Protagonisten, ihrer Publizisten und Historiographen22 bis auf das Feld der verbotenen oder verfemten Memoria, das freilich für die Gegenpäpste erst ansatzweise untersucht ist23. Wie fruchtbar und angemessen diese Öffnung sein kann, zeigt sich beim genauen Blick auf die zeitgenössische Terminologie.
2. ‚Gegenpäpste‘ – Begriffsproblem oder Problembegriff ? Der Terminus Gegenpapst stößt in Singular und Plural aufgrund seiner Unschärfe und weil bereits die bloße Benutzung ein Werturteil im Sinne einer Aussonderung aus der rechtmäßigen Tradition der römischen Bischöfe impliziert, bei Historikern auf Vorbehalte. Die Unsicherheit wird durch die Vermeidung des Begriffs oder durch den Rückgriff auf Anführungszeichen im Sinne von Problem-Markierungen dokumentiert24. Bei aller wohlbegründeten Reserve gegenüber dem Begriff fehlt es aber bislang an überzeugenden Alternativen. ‚Papstschisma‘ böte sich 22 Deutlich herausgearbeitet von Stroll, Pope (wie Anm. 14), S. 169–178; Myriam Soria Audebert, La propagande pontificale et sa réception au temps des schismes (XIe–XIIe siècles). Innocent II, Anaclet II: la mémoire d’une guerre de libelles, lectures et débats, in: Rossana Castano, Fortunata Latella u. a. (Hg.), Communicazione e propaganda nei secoli XII et XIII. Atti del convegno internazionale Messina, 24–26 maggio 2007, Rom 2007, S. 595–612; Dies., La propagande pontificale au temps des schismes. Alexandre III à la reconquête de l’unité de l’Église, in: Martin Aurell (Hg.), Convaincre et persuader. Communication et propagande aux XIIe et XIIIe siècles, Poitiers 2007 (Civilisation médievale, 18), S. 349–381. 23 Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichungen des MPI für Geschichte, 95), verzeichnet auch die Bestattungsorte gescheiterter, abgesetzter und zurückgetretener Prätendenten und kann als Ausgangspunkt dienen. Zum Thema jüngst KaiMichael Sprenger, Damnatio memoriae oder Damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit sogenannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der Papstgeschichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31–62; Ders., Damnatio memoriae o damnatio in memoria. Qualche osservazione metodologica sui cosiddetti antipapi, in: Isa Lori Sanfilippo, Antonio Rigon (Hg.), Condannare all’oblio: pratiche della damnatio memoriae nel Medioevo. Atti del convegno di studio svoltosi in occasione della XX edizione del Premio internazionale Ascoli Piceno, Ascoli Piceno, Palazzo dei Capitani, 27–29 novembre 2008, Rom 2010, S. 67–88. Vgl. die Beiträge von Gerald Schwedler und Kai-Michael Sprenger in diesem Band sowie unten bei Anm. 80ff. 24 Insbesondere Dieter Girgensohn hat im Laufe der Tagung mehrfach vehement für die Vermeidung der Bezeichnung Gegenpapst plädiert.
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als Beschreibung einer durch ihre Verdopplung funktional irritierten Kirchenführung an. Das Phänomen lässt sich im Spätmittelalter breit aufzeigen und wurzelt zudem in einer klaren kirchenrechtlichen Definition: „Wenn gegen einen amtierenden Bischof ein anderer Bischof erhoben wird“, heißt es bei Gratian mit Rückgriff auf den Kirchenvater Cyprian25. Doch auf die begrenzt wirksamen päpstlichen Konkurrenzen vom Frühmittelalter bis ins beginnende 12. Jahrhundert passt der mit modernen, wirkungsbezogenen Vorstellungen aufgeladene Begriff ebenso unvollkommen wie auf die Amtszeit Nikolaus’ V. (1328–1330), den Gegenpontifex von Ludwigs des Bayern Gnaden. Rückt man zudem gegenüber dem Sachverhalt die konkurrierenden Prätendenten in den Vordergrund, so gerät man mit der personalisierten Form ‚Schismatiker‘ unweigerlich in dieselbe Bredouille einer Legitimitätsbewertung a priori, wie sie der beanstandete ‚Gegenpapst‘ enthält. Zunächst scheinen alle Wege doch wieder zum inkriminierten Gegen-Begriff zurückzuführen und dies nicht nur mangels Alternative. ‚Gegenpapst‘ wird als heuristischer Begriff tauglich, wenn man ihn (und sich selbst) so weit wie möglich von der wertenden Konnotation befreit. Dazu muss der Sinngehalt der sprachlich zugrundeliegenden griechischen Präposition anti auf seine genuine konfrontative Bedeutung reduziert werden: auf das Gegenüberstehen, das buchstäblich Widerständige. In dieser semantischen Rumpfversion wird der Gegenpapst zu einem Konkurrenten um das römische Bischofsamt im Sinne der Situationskennzeichnung, ohne dass schon etwas über die Legitimität des Anspruchs, die Wirksamkeit der Rivalität oder gar den historischen Ausgang des Rennens gesagt würde. ‚Konkurrenzpäpste‘ ist eine sinnvolle Bezeichnung, freilich ohne jeden provokanten Charme. Nicht die wertende Gegenüberstellung von Papst und Gegenpapst, sondern die zunächst neutrale Opposition von (Gegen-)Papst und (Gegen-)Papst wäre das Muster. Diese gedankliche Reduktion auf die zunächst unbewertete Konfrontation mehrerer Papst-Prätendenten ist im Kern eine kontrafaktische Operation, denn sie verlangt dem Historiker ab, den bekannten Lauf der Kirchengeschichte ein Stück weit zu ignorieren. Gleichwohl erscheint dies sinnvoller, als sich in apologetische Diskussionen um das Sein oder Nichtsein einzelner Gegenpapst-Figuren zu verstricken. Auch sei an dieser Stelle daran erinnert, dass es im genannten Forschungsprojekt ganz bewusst um Gegenpäpste im Plural geht. 25 Decretum Gratiani, C. 7 q. 1, Einleitung und c. 9, in: Corpus Iuris Canonici, ed. Aemilius Friedberg, Leipzig 1879 (ND Graz 1959), Bd. 1, Sp. 566, 569f., hier Sp. 569: Denique quam sit inseparabile unitatis sacramentum, et quam sine spe sint et perditionem sibi maximam de indignatione Dei adquirant qui scisma faciunt et relicto episcopo alium sibi foris pseudoepiscopum constituunt. Vgl. auch Winrich Alfried Löhr, Schisma, in: TRE 30 (1999), S. 129–135.
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Nicht der individuellen kirchenhistorischen Bilanz, sondern möglichen gemeinsamen Merkmalen einer Personengruppe, die durch ihren hartnäckigen Anspruch auf den Petersthron die mittelalterliche Kirche herausforderte, gilt das Interesse. Bei allem Unbehagen gibt es derzeit keinen triftigen Grund, den eingeübten Begriff Gegenpäpste in der genannten wertneutralen Weise zur Markierung des zu untersuchenden Konkurrenzproblems über Bord zu werfen.
Invasor – pseudopapa – antipapa Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des Phänomens Gegenpäpste und damit auch für die Konzeption seiner Erforschung liegt in der zeitgenössischen Begriffsverwendung. Dem in alle modernen europäischen Sprachen eingebürgerten ‚antipope‘ oder ‚antipape‘ steht das lateinische antipapa nicht gleichgewichtig und erst relativ spät gegenüber26. Michael E. Stoller hat 1985 das Aufkommen des Begriffs antipapa untersucht und eine weitgehend simultane Genese um die Mitte des 12. Jahrhunderts konstatiert. Für die Zeit vor 1200 lassen sich kaum 20 Quellen finden, die einen antipapa aufweisen27. Als erste berichtet die Yorker Chronik des Hugo Cantor über den 1121 von Calixt II. in einem Schandritt durch Rom gejagten Gregor VIII./Mauritius von Braga in Form der Klimax antipapa, anti26 Bei der Belegsuche in Quellenwerken ist Vorsicht geboten. Oftmals wird in den Indices der Wortlaut nicht präzise wiedergegeben, sondern von den Bearbeitern in Schlagworte umgesetzt. So kommen z.B. sämtliche im Register der Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. Giuseppe Alberigo u. a., Bologna 31973, ausgewiesenen antipapa-Stellen im Wortlaut der Texte selbst ohne dieses Schlüsselwort aus. 27 Vgl. die 16 Texte umfassende Aufstellung bei Michael Edward Stoller, The emergence of the term antipapa in medieval usage, in: AHP 23 (1985), S. 43–61, hier S. 46–58; die Studie ist seiner Dissertation (wie Anm. 12) entnommen. Vgl. auch Gabriele Hoppe, Die Herausbildung von ant(i)- + : ant(i)- + Ethnika, ant(i)- + Personennamen in der Buchtiteltradition. Für und wider: II ant(i)-. Ein Nachtrag, in: OPAL– Online publizierte Arbeiten zur Linguistik 2 (2009), S. 1–61, bes. S. 2: „Personenbezeichnungen […] mit ant(i)- zur Bezeichnung von Würdenträgern und Amtsinhabern, welche in die aufgrund von Bann und Absetzung geschaffenen, durch Usurpation erstrebten Würden und Ämter als Nachfolger oder Gegenspieler von deren ehemaligen oder gleichzeitig amtierenden Inhabern gelangt sind: antiabbas, antiepiscopus, antimonachus, antipapa […]. Eine allgemeinere, deutlichere Nuancierung in Richtung auf ‚falsch, pseudo-; angemaßt; Gegen-‘ (vgl. Antichrist) scheint für diese ant(i)-Neubildungen aber gegeben.“ Die ebd., S. 26–28 genannten mittellateinischen Beispiele können aufgrund ihrer selektiven Quellengrundlage (Werktitel) eine weitgehende Synonymität von anti und pseudo im genannten Sinne nicht nachweisen. Ich danke Isolde Schröder (Köln) für den Hinweis auf diese germanistische Arbeit.
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Petrus, anti-Christus28. Sie wird von Stoller auf circa 1127 datiert, doch endet in diesem Jahr zunächst nur ihr Berichtszeitraum; Hugo starb erst am 4. Juli 1139. Wann genau in dieser Zeitspanne der Text zu Pergament gebracht wurde, bleibt offen, auch wenn gute Gründe für eine Niederschrift vor 1130 sprechen. Als Beleg für die Verwendung von antipapa bleibt die Chronik ein früher Solitär29. Stollers behutsamer Vorschlag, den anglo-normannischen Raum als Wiege des antipapaBegriffs zu betrachten, übersieht zumindest die Historia Compostellana, die ebenfalls wohl noch vor 1140 den anti-Terminus verwendet30. Der Wert der Begriffsuntersuchung liegt jedoch ohnehin weniger in der Ermittlung eines Datums für die ‚Erfindung‘ des Gegenpapstes als in der Herausarbeitung unterschiedlicher, von der Perspektive des Autors abhängiger sprachlicher Einkleidungen des Phänomens. Wohl zu Recht weist Stoller darauf hin, dass 28 Hugh the Chanter, The History of the Church of York 1066–1127, ed. Charles Johnson, Toronto, New York 1961, revised by Martin Brett, Christopher N. L. Brooke, Michael Winterbottom, Oxford 1990 (Oxford Medieval Texts), S. 84: Exaugustus vero Henricus […] Burdinum archiepiscopum degradatum per quosdam Rome fautores maliciosos antipapam et anti-Petrum aut potius anti-Christum, Rome constituit, proper quod in urbe et ecclesia dissensio et turbacio magna fuerat, nec tunc quidem sedata erat. Zu Burdinus vgl. unten bei Anm. 32. 29 Stoller, Emergence (wie Anm. 27), S. 46; ihm folgt Becker, Gegenpapst (wie Anm. 6), Sp. 995. Zum wahrscheinlichen Tod des Verfassers vgl. Hugh the Chanter, History (wie Anm. 28), S. XXIII. Genauere Angaben zur Abfassungszeit des Textes macht auch die überarbeitete Edition des Textes nicht. Das Fehlen leicht ergänzbarer Fakten aus den Jahren 1128–1130 und ein rasch schwindendes Interesse an dem Werk nach der Rückkehr Erzbischof Thurstans legen es nahe, dass Hugo den Text nach 1127 nicht mehr fortschrieb. Ich danke Martin Brett (Oxford) sehr für seine instruktiven Erläuterungen in der Datierungsfrage. 30 Stoller, Emergence (wie Anm. 27), S. 60; Historia Compostellana, ed. Emma FalqueRey, Turnhout 1988 (CCCM, 70), III. 25.1, S. 461: Iuxta humani deliberationem arbitrii uisum est illis qui ueritatem mendacio fulciri nolunt, Innocentium Romanum pontificem, post obitum papae Honorii, canonica electione subrogatum fuisse; alium uero antipapam, P. Leonis filium, ambitionis et inuidiae stimulis agitatum, per uiolentiam suorum qui plures et ditiores in urbe manebant, justitiae normam penitus negligentem, non honoris, sed [1190C] pestilentie cathedram arripuisse. Die Passage stammt aus der Feder des Fortsetzers Gerhard und ist bis ca. 1139 niedergeschrieben worden; ebd. S. XIXf. Zur Datierung zuletzt summarisch Klaus Herbers, „Historia Compostellana“ und „Liber Sancti Jacobi“ – Die Überlieferung päpstlicher Schreiben zwischen historiographischer Propaganda und pragmatischer Schriftlichkeit im 12. Jahrhundert, in: Ders., Ingo Fleisch (Hg.), Erinnerung – Niederschrift – Nutzung. Das Papsttum und die Schriftlichkeit im westeuropäischen Mittelalter, Berlin 2011 (Abhandlungen Akademie Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 11), S. 119–136, hier S. 122. Dabei wird für das dritte Buch auch eine Abfassung nach 1140 ins Kalkül gezogen.
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die Chroniken sich des antipapa-Begriffs bedienen, um mit relativer historischer Distanz schismatische Situationen zu schildern; dass andererseits, wie er knapp bemerkt, vorgängig und parallel zum antipapa auch andere Vokabeln benutzt wurden, bevorzugt pseudopapa und invasor/intrusus, um eine Konkurrenzsituation an der Spitze der römischen Kirche zu kennzeichnen31. Ein Beispiel mag genügen, um die Beobachtungen zu illustrieren. Der schon erwähnte Erzbischof Mauritius von Braga, genannt Burdinus, war im März 1118 von Heinrich V. zum Papst Gregor VIII. erhoben worden. Erst Calixt II. gelang es, Burdinus gefangen zu nehmen, ihn nackt und verkehrt herum auf einem Esel reitend, von der Bevölkerung geschmäht und mit Kot beworfen, in einer Art negativem Triumphzug durch Rom führen zu lassen, um ihn anschließend für immer in Klosterhaft zu stecken32. Die unmittelbar zeitgenössischen Quellen bezeichnen Burdinus durchgehend als pseudopapa, als intrusus und apostata, als bestia und als Häresiarchen, auch zweiter Arius wird er genannt, nicht aber antipapa. Erst in den 1140er Jahren verurteilt Abt Suger von Saint-Denis denselben Gregor VIII. in einer an die Formulierung der Yorker Chronik erinnernden Wendung als tortuosus antipapa, imo antichristus33. Auch Wilhelm von Tyrus kennt 1174 rückblickend dann einen antipapa Burdinus34. Mit weiterem Blickwinkel wird dieser Befund bestätigt. Sigebert von Gembloux benutzt für alle Gegenpäpste in seinem bis 1111 reichenden Berichtszeitraum 31 Stoller, Emergence (wie Anm. 27), S. 60f. 32 Zu Burdinus immer noch wichtig Carl Erdmann, Mauritius Burdinus (Gregor VIII.), in: QFIAB 19 (1927), S. 205–261; zuletzt Jürgen Petersohn, Kaisertum und Rom im spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II., Hannover 2010 (MGH Schr., 62), S. 32f. Zu Verlauf, Deutung und Rezeption des Schandritts vgl. Schreiner, Gregor VIII. (wie Anm. 21). 33 Quellenbelege und -interpretation bei Schreiner, Gregor VIII. (wie Anm. 21), S. 156– 169; Suger, Vie de Louis le Gros, ed. Henri Waquet, Paris 1964 (Les classiques de l’histoire de France au Moyen âge, 11), S. 205f.: […] tortuoso animali camelo, tortuosum antipapam, immo Antichristum, crudis et sanguinolentis pellibus caprinis amictum, transversum superposuerunt et, ignominiam ecclesie Dei ulciscentes, per medium civitatis via regia, ut magis publicaretur, educentes, imperante domino papa Calixto perpetuo carcere in montanis Campanie prope Sanctum Benedictum captivatum damnaverunt et, ad tante ultionis memorie conservationem in camera palatii sub pedibus domini pape conculcatum depinxerunt. Zu den Bildern vgl. Ingo Herklotz, Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums, in: Hehl, Ringel u. a., Papsttum (wie Anm. 17), S. 273–291, bes. S. 276f. 34 Willelmi Tyrensis archiepiscopi chronicon, ed. R.B.C. Huygens, Turnhout 1986 (CCCM, 63), S. 555: Anno sequenti mortuus est dominus Gelasius papa secundus, domini Paschalis successor, qui et Johannes Gaietanus dictus, vir litteratus; qui fugiens domini Henrici imperatoris persequutionem, et emuli sui antipape, qui cognominatus est Burdinus, declinans violentiam, in regnum Francorum se conferens, apud Cluniacum diem clausit extremum, ibidem etiam sepultus. Weitere Quellenbelege bei Schreiner, Gregor VIII. (wie Anm. 21).
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ausschließlich die Kennzeichnung pseudopapa, während die späteren Fortsetzer seiner Weltchronik, etwa Robert von Torigny, Abt von Mont St-Michel (†1186), und die sogenannte Fortsetzung von Anchin sämtliche Gegenspieler Alexanders III. zwischen 1159 und 1177 ganz selbstverständlich antipapae nennen35. Der antipapa betritt also erst kurz vor der Mitte des 12. Jahrhunderts die Bühne der Chronistik, ohne indessen den Pseudopapst je gänzlich verdrängen zu können. Hierfür dürfte eine semantische Differenz von Bedeutung sein, denn anti- und pseudopapa sind keineswegs synonyme Begriffe. Hinter beiden stehen unterschiedliche Wahrnehmungen und Absichten. Der pseudopapa Burdinus ist in der Sprache der Quellen ein invasor und Ketzer – wahlweise Apostat oder Häretiker36. Pseudopapa bündelt damit die beiden Hauptvorwürfe, die konkurrie35 �������������������������������������������������������������������������������������� Chronique de Robert de Torigni, abbé du Mont St-Michel suivie de divers opuscules historiques de cet auteur et de plusieurs religieux de la même abbaye, ed. Léopold Delisle, 2 Bde., Rouen 1872–73 (Société de l’histoire de Normandie), Bd. 1, S. 364f.: […] Leoninam Romam obsedit et cepit, et quaedam juxta ecclesiam Beati Petri destruxit, scilicet porticum et alia nonnulla. Antipapam etiam Widonem de Creme Romam adduxit, et per manum ipsius uxorem suam imperatricem fecit coronari. Subsecuta est e vestigio ultio divina. Ebd., Bd. 2, S. 9: Nichilominus obiit Romae Guido de Creme antipapa et successit in scismate quidam pseudoclericus, cognominatus Calixtus. ��������������������������������������������������������� Archiepiscopo quoque Senonensi in fata secedente, Willermus electus Carnotensis ei successit, concesso tamen ei episcopatu Carnotensi per biennium a papa Alexandro. Chronicon Sigeberti Continuatio Aquicinctina a. 1149–1237, ed. Ludwig C. Bethmann, in: MGH SS, 6, Hannover 1844, S. 405–438, hier S. 418: […] iterum quemdam clericum de progenie illorum, quos Frangipanes Romani vocant, contra papam Alexandrum antipapam statuunt, quem mutato nomine Innocentium tercium vocitarunt. Weitere Beispiele aus der anglonormannischen Historiographie nach 1150 hat Stoller, Emergence (wie Anm. ����������������������������������������������������������������� 27) beigebracht. Ordericus Vitalis (†1142) benutzt dagegen durchgehend pseudopapa. 36 Der Vorwurf des Apostaten ist in der Sanctio des Papstwahldekrets (verfälschte Fassung) von 1059 prominent: non apostolicus sed apostaticus und an die rechte Wahl geknüpft; Detlev Jasper, Das Papstwahldekret von 1059. Überlieferung und Textgestalt, Sigmaringen1986 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 12), S. 58–67, 107; vgl. auch Decretum Gratiani, D. 79 c. 1, ed. Friedberg (wie Anm. 25), Sp. 276. Gleichsam definitorisch in dem Gunther von Pairis zugeschriebenen Werk, De oratione, jejunio et eleemosyna, ed. Migne, PL 212, Sp. 117f.: Restricta autem praefati nominis significatione, talis fieri potest divisio: Eorum qui post accepta fidei sacramenta a veritatis ratione prave vivendo degenerant et cadunt: alius in Ecclesia latet, et eam pravis moribus perturbat, ut falsus catholicus; alius omnino fidei Christianae renuntiat, cum tamen nequeat non esse Christianus, ut apostata vel apostaticus; alius servata fidei forma ab unitate Ecclesiae sese violenter abrumpit, ut antipapa sive schismaticus; alius sacrae Scripturae sensum scienter corrumpit, et dici potest erraticus; alius sacramenta Ecclesiae vel articulos fidei pervertit, et hic proprie vocatur haereticus. Dicitur autem haereticus ab haeresi Graeco, quod est electio, quod quisque pro suo arbitrio eligat quid sequatur. Omnium igitur infidelium, licet in sua impietate dissentiant,
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rende Prätendenten um das Petrus-Amt einander in verbaler Auseinandersetzung entgegenschleuderten. Als Invasor oder Usurpator galt, wer die Cathedra Petri zu Lebzeiten eines amtierenden Papstes gewaltsam an sich gerissen hatte. Die Durchsicht der Quellen fördert darüber hinaus einen Pulk von Ungestalten aus Bibel und Kirchengeschichte zutage, der aufgeboten wurde, um den Vorwurf zu orchestrieren, ein angemaßter Papst zu sein. Der in Diensten Eugens IV. stehende Florentiner Humanist Poggio Bracciolini demonstriert 1447 in einer Schmähschrift gegen Felix V., den Papst des Basler Konzils, und in ihr vorausgehenden Briefen eindrucksvoll die Bandbreite dieses Arsenals. Der letzte mittelalterliche Gegenpapst ist für ihn Architekt des Bösen, Schüler Satans, Cerberus, Mahumet, Antichrist, Diokletian, Arius und Moloch, an anderer Stelle nach Vergil ein monstrum horrendum37. Vor allem das Alte Testament liefert dabei mit Noahs abtrünnigem Sohn Kanaan (Gen. 9,25), mit Belial und Baal die eingängigen Bilder wechselseitiger Verketzerung38. Idolatrie – Götzendienst – war dabei una tamen est sors et aequa conditio: in eo scilicet quod omnes extra sunt, et ab his quae tantum in Ecclesia vel fieri vel prodesse possunt, infidelitatis suae merito segregati. Hier erfolgt die Gleichsetzung von Schisma und Häresie. 37 Vgl. zur Motivik der Diffamierung die detaillierte Quellenanalyse bei Helmrath, Poggio (wie Anm. ����������������������������������������������������������������������������� 16), S. 569–576; ferner Poggio Bracciolini, Lettere, Bd. 2: Epistolarum familiarium libri, ed. Helene Harth, Florenz 1984, S. 357f. Nr. 8, 1439 Dez. 20 (monstrum horrendum); ebd., S. 359–362 Nr. 9, 1440 Feb. 24, an Francesco Pizolpasso mit S. 361: Exemplar duarum epistolarum quas nomine pontificis scripsi contra Basilienses et idolum illud at te mitto, quanquam illas quorundam superstitiosa religio in deterius mutaverit; sed te accipere volui epistolas incorruptas. Möglicherweise war ihm der ausschmückende Rückgriff auf die nichtchristliche Antike verwehrt worden. In die andere Richtung schaut Jesse Dayton Mann, The devilish pope. Eugenius IV as Lucifer in the later works of Juan de Segovia, in: ChH 65 (1996), S. 184–196. Zur Gattung vgl. Johannes Helmrath, Streitkultur. Die ‚Invektive‘ bei den italienischen Humanisten, in: Marc Laureys, Roswitha Simons (Hg.), Die Kunst des Streitens. Inszenierung, Formen und Funktionen öffentlichen Streits in historischer Perspektive, Göttingen 2010 (Super alta perennis. Studien und Wirkungen der Klassischen Antike, 10), S. 259–293. 38 Belial mitsamt Simon Magus und Nero sehr deutlich bei Deusdedit, Libellus contra invasores et symonicos et reliquos scismaticos, ed. Ernst Sackur, in: MGH L. d. L., 2, Hannover 1892, S. 292–365, hier S. 329f: Huius rei causa et ecclesiae paene totius regni desolatae, et christiana religio propemodum dissipata, et XCa millia hominum et eo amplius in diversis regionibus, beato papa Guiberto cooperante, caesa sunt. Qui etiam pulsis catholicis episcopis et abbatibus, sceleratos et idiotas singulis civitatibus, et cenobiis vel ecclesiis singulos, interdum autem binos vel annuos prelatos damnabili prioris et magistri sui Simonis mercimonio substituens in depredationibus sanctorum locorum, christianorum sibi non faventium, immo et faventium, dum non esset qui armato resisteret, longe lateque voluntate quidem non minus sui Neronis, sed minus possibilitate crassatus est. [12.] Sed gratias Deo, qui, ut ait Apostolus, „Semper triumphat nos in Christo Iesu“, quoniam idem imperator eius Nero ab uxore, quam multis
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ein durchschlagendes Argument. Calixt II. nannte den Kontrahenten Burdinus/ Gregor VIII. ein Götzenbild des deutschen Königs, ein Teutonici regis idolum, und enthüllte damit, wen er für den eigentlichen Motor des Schismas hielt39. Das ist die Sicht des Investiturstreit-Zeitalters, die wesentlich an der Auseinandersetzung der Gregorianer mit Wibert von Ravenna/Clemens III. entwickelt wurde40. Die Wortwahl der Quellen offenbart bei genauerer Betrachtung deskriptive und denunzierende Elemente. Je nach persönlichem Standpunkt des Verfassers und Textsorte sind Situationen unterschiedlicher aggressiver Potenz zu beobachten. Es lässt sich ein gut bestücktes Arsenal des Illegitimitätsvorwurfs erkennen, das sich grob in die Themenfelder Usurpation, Häresie und antichristliche Erscheinungsformen gliedert und dessen sich die konkurrierenden Parteien ebenso differenziert bedienten wie vermeintlich distanzierte Historiografen. Deo teste prostituit, et a filiis propter sui crudelitatem relictus, iam tandem non cuiuslibet regis et ducis sive marchionis, sed unius feminae, scilicet gloriosae et Deo dilectae comitissae Mathildis, congressione adeo debilitatus est, ut vix quinquagenarius magnus Romanorum imperator incidat iusto districtoque Dei judicio, et Dei frequentissimus venditor et abiurator femineo superetur triumpho; qui Dei suave iugum a se proiciens, sicut pater eius Belial, et immemor illius sancti regis Iob, qui ait: „Si contempsi iudicium subire cum servo meo“ ad satisfaciendum his quorum infestissimus exstitit persecutor, beati apostoli Petri subici dedignatus est iudicio. Idem vero Guibertus, qui multo rectius papa Demens quam papa Clemens dici debuit, […] in oppidulo suo […] prestolatur simoniacos angelos […] His de Guiberto et suo Henrico, symoniacorum [et] invasorum et scismaticorum principibus succincte prelibatis, ad priora redeamus. Vgl. auch John of Salisbury an Radulf von Sarre, Domdekan in Reims, 1160 über die Synode von Pavia: Non invenit adhuc qui tanta consentiret iniquitati, ideoque repugnante Moyse, id est, contradiente lege Dei, Balahamitam sibi asciuit pontificem, per quem malediceret populo Dei; The letters of John of Salisbury, vol. I: The early letters (1153–1161), ed. W. J. Millor, H. E. Butler, C. N. L. Brooke, London 1955, S. 204–215 Nr. 124, hier S. 207. 39 Vgl. dazu oben bei Anm. 32 und Beate Schilling, Guido von Vienne – Papst Calixt II., Hannover 1998 (MGH Schr., 45), S. 468f. 40 ������������������������������������������������������������������������������������ Vgl. Vita Altmanni episcopi Pataviensis, ed. Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 12, Hannover 1856, S. 226–243, hier S. 233f.: Quo facto Gregorius pervigil pastor ecclesiae ab Urbe violenter armis fugatur, ovile Christi a saevis lupis dissipatur, Wicpertus haereticus, vir omnia spurcitia plenus, apostolicam sedem invadit, qui sacerdotium profanavit, totum populum et regnum foedavit. O facinus! Electi ecclesiae pastores de sedibus suis perturbantur. Dieselbe Stelle aus einer gegen Ende des 12. Jahrhunderts überarbeiteten Fassung bei Migne, PL 148, Sp. 880: Quo facto, Wichpertus quidam (Guibertus, pseudopapa), cujus laus non est in pontificum Catalogo, apostolicae sedi intruditur. Quid dico, intruditur? Propria ambitione invadit, anhelat et praeripit. Abhinc veri pastores ubique terrarum sedibus suis proturbantur; subrogantur vero schismatici vel Simoniaci. Horum etiam factione Altmannus a grege suo fugatur et Hermannus quidam frater ducis Luipoldi substituitur. In hoc maledictio in Judam prolata, id est, „episcopatum ejus accipiat alter“ (Ps. 108), citius completa est. Vix enim biennio oves alienas totondit et mulsit, et pastoris nomen, quod falso gerebat, cum vita finivit.
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An den drei zentralen Begriffen invasor, pseudopapa und antipapa lässt sich auf der Basis einer umfänglicheren eigenen Belegsammlung die Problemlage skizzieren. Der intrusus/invasor (seltener usurpator) steht für das illegale, oft gewaltsame An-sich-Reißen des Amtes. Dies mag die Realitäten des Kampfes um die Cathedra Petri widerspiegeln, doch spielt die Kennzeichnung auch auf eine rechtliche Komponente an: invasio, das Eindringen, ist Bestandteil der erwähnten kanonistischen Schisma-Definition41. Pseudopapa ist demgegenüber spezieller. Der so Bezeichnete wird in eine Reihe gestellt mit den pseudoprophetae, den falschen Propheten der Apokalypse42. Das Stigma ist damit grundsätzlich zugleich ein Häresievorwurf. Die Schreckensgestalten des Alten Testaments illustrieren den Pseudopapst in den Texten ebenso wie die Vorwürfe der Idolatrie und der Apostasie oder der Titel haeresiarcha. Hierin eine bloß dogmatische Komponente zu sehen, griffe allerdings zu kurz. Denn nur in einem einzigen Falle erlaubte das Kirchenrecht den Papst abzusetzen, dann nämlich, wenn er sich als Häretiker, als a fide devius, erwies; die Initiierung oder Aufrechterhaltung eines Schismas fiel unter diesen Tatbestand43. Der Häresievorwurf war das umfassende, geradezu letale Argument gegen einen Konkurrenten um den Papstthron, deshalb ist es zutreffend, von der Verketzerung des Konkurrenten zu sprechen. Pseudopapa betont dabei zugleich im Sinne eines
41 Vgl. oben bei Anm. 25. Der Vorgang ist meist mit dem Vorwurf übersteigerten Ehrgeizes (ambitio) verbunden. Vgl. Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 20), S. 175–177. 42 Offb. 6,4. Vgl. auch Decr. Grat. C. 7 q. 1 c. 9, ed. Friedberg (wie Anm. 25), Sp. 569f., wo die Schismatiker unter die pseudoprophetae et gentiles gezählt werden. 43 Decr. Grat. D. 79 c. 2, ed. Friedberg (wie Anm. 25), Sp. 276f. (Wahl); ebd., Sp. 146, D 40 c. 6: Si papa […] inutilis et remissus in operibus suis […] Huius culpas istic redarguere presumit mortalium nullus, quia cunctos ipse iudicaturus a nemine est iudicandus, nisi deprehendatur a fide deuius; pro cuius perpetuo statu universitas fidelium tanto instantius orat, quanto suam salutem post Deum ex illius incolumitate animaduertunt propensius pendere. Die Verbindung zwischen Schisma und Häresie des Papstes stellt Stephan von Tournai in seiner Dekretsumme her: Stephan von Doornick, Die Summa über das Decretum Gratiani, ed. Johann Friedrich von Schulte, Giessen 1891 (ND Aalen 1965), S. 60. Vgl. dazu das Zitat aus Gunther von Pairis, oben Anm. 36 und Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 20), S. 219. Grundlegend zur Problematik Brian Tierney, Foundations of the conciliar theory. The contribution of the medieval canonists from Gratian to the Great Schism, Cambridge 1955 (Cambridge studies in medieval life and thought, n. s., 4), S. 56–67. ��������������� Gleichsam definitiorisch behandelt mit Verweis auf Augustinus im sog. Tractatus de scismaticis, ed. Julius Dieterich, Heinrich Böhmer, in: MGH L. d. L. 3, Hannover 1897, S. 109–130, hier S. 119: „Haereticus est, qui non sequitur catholicam fidem. Scismaticus est qui non amplectitur catholicam pacem.“ Quid autem dicit catholicam pacem nisi universalis ecclesiae concordiam?
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„asymmetrischen Gegenbegriffs“ (Koselleck) die eigene Orthodoxie und Rechtmäßigkeit des Sprechers44. Der antipapa schließlich reiht sich erst um 1130 in das Begriffsarsenal ein und bleibt im 12. Jahrhundert noch selten; das um 1140 entstandene Decretum Gratiani kennt ihn nicht. Überhaupt begegnet das griechische Präfix anti in der mittelalterlichen Kirche nur in wenigen Wortverbindungen: musikalisch-liturgisch in antíphona, theologisch in antichristus, dessen assoziative Nähe zu antipapa evident ist45. Es gab also definitiv Gegenpäpste avant la lettre, doch darf man bezweifeln, dass das späte antipapa nur des falschen Papstes neues Sprachgewand war, das nach Gusto angelegt wurde. Die Begriffswahl begleitete wohl eher einen Wahrnehmungswandel der Zeitgenossen. Zwischen pseudo und anti, zwischen dem falschen und dem Gegenpapst könnte, wie das Einsetzen der Belege suggeriert, die Erfahrung eines tiefgreifenden Schismas liegen, in dessen Verlauf nicht nur die personalen Spitzen konkurrierten, sondern sich getrennte Hierarchien etablierten und dessen Wirkung weit über Rom hinausreichte. Vor diesem Hintergrund ist auf einen Brief Bernhards von Clairvaux an die Bischöfe Aquitaniens hinzuweisen. Der Zisterzienser, wirkungsvollster Propagandist Innozenz’ II., polemisiert darin gegen Bischof Gerhard von Angoulême, der als Legat im Lager Anaklets II. stand46. In dem Brieftraktat fällt der Begriff antipapa erwartungs44 Reinhart Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: Ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M. 1989, S. 211–259. 45 Vgl. die Belege im Mittellateinischen Wörterbuch, Bd. 1: A-B, redigiert v. Otto Prinz unter Mitarbeit v. Johannes Schneider, München 1967, Sp.711, die sich sämtlich auf das Alexandrinische Schisma beziehen. Eine frühe Ausnahme (9. Jh.) verzeichnet Albert Blaise, Lexikon latinitatis medii aevi, Turnhout 1975 (CCCM), S. 52 s. v. Die Inaugenscheinnahme der Referenzstelle (Agnelli qui et Andreas liber pontificalis ecclesiae Ravennatis, ed. Oswald Holder-Egger, in: MGH SRL, Hannover 1878, S. 265–391, hier S. 611, 617) zeigt jedoch, dass es sich um den Index der Druckausgabe handelt. 46 Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, ed. Gerhard B. Winkler, Bd. 2, Innsbruck 1992, S. 858–879 Nr. 126. Bernhard wirft Gerhard den Parteiwechsel von Innozenz zu Anaklet deutlich vor: Heri catholicus, et sanctus, et summus Pontifex; hodie nequam schismaticus et turbator. Heri pater Innocentius, hodie Gregorius diaconus Sancti Angeli. Itaque uno quidem ex ore, sed corde profecto duplici contraria processere; ebd., S. 864. Vgl. dazu Stroll, Pope (wie Anm. 14), S. 97f. Zuvor verfasste Abt Gottfried von Vendôme bereits einen ähnlich motivierten Brief an den Bischof Gerhard von Angoulême, der allerdings dessen Hybris als Legat zum Thema hat, ed. Migne, PL 157, Sp. 61–64 Nr. 21. Darin wird Gerhard als Balaam alter (Sp. 63) bezeichnet und mit dem Vorwurf konfrontiert, quasi alterum papam vos fecistis (Sp. 64), u. a. weil er die Appellation an den Papst behindere.
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gemäß nicht. Anaklet und Gerhard werden in bewährter Weise als Schismatiker und Häretiker gebrandmarkt47. Bernhard arbeitet jedoch durchgehend mit Gegenüberstellungen: christianus – antichristus, die Heiligen werden vertrieben, damit die Bestie angebetet werden könne (Offb. 13,6), schließlich: „er versucht Altar gegen Altar zu errichten, Äbte den Äbten, Bischöfe den Bischöfen gewaltsam überzustülpen, dabei die Rechtgläubigen zu verjagen und Schismatiker zu erheben.“48 In dieser Passage wird eine organisatorische Struktur beschworen, die dem catholicus entgegengesetzt ist. Über den pauschalen Vorwurf persönlichen Irrglaubens geht das hinaus ins Systematische, und erst damit ins Anti-päpstliche. Das entspräche zumindest der u. a. von Ordericus Vitalis und den Bischofsgesten von Le Mans geäußerten Wahrnehmung, das Schisma habe in vielen Bistümern, Klöstern und Stiften zu Doppelwahlen geführt49. Nicht die schiere Dauer eines Konkurrenzpapsttums oder sein Zustandekommen, sondern seine organisatorische Reife, überörtliche Verankerung und damit Wirksamkeit könnten 1130 bei den Zeitgenossen in weit stärkerem Maße als bei den vorausgegangenen, kaiserlich forcierten Eigenpäpsten des Investiturstreit-Zeitalters die Wahrnehmung einer veritablen Gegenhierarchie verstärkt und zu neuer Begriffsbildung inspiriert haben. Dass diese Schisma obendrein nicht von außen hineingetragen worden war, sondern im engsten Führungskreis der Ecclesia Romana entstanden war, dürfte ein Übriges zur verschärften Wahrnehmung beigetragen haben. Der antipapa-Begriff scheint in seiner konkreten historischen Genese wie in seiner Signifikanz deutlich auf die Sphäre der ausgeprägten Schismen zu verweisen. Trotz seiner deskriptiven Qualität, die ihn vom aggressiven pseudopapa 47 Z.B. als schismatiarcha (Bernhard, ed. Winkler, [wie Anm. 46], S. 860), invasor (ebd., S. 862, 870), schismaticus und divisor ecclesiae (ebd., S. 866). Vgl. dazu die komplementäre Briefserie Anaklets II., ed. Migne, PL 179, Sp. 696–702 Nr. V–XII ( JL 8374–8383), in der die Parteigänger Innozenz’ II. ihrerseits mit Vorwürfen in der genannten Form und Bandbreite (falsi fratres, pseudofratres, pseudoepiscopi, Beelzebub) belegt werden. 48 Altare contra altare erigere tentat, confundere fasque nefasque non confunditur. Abbates ����������� abbatibus, episcopos episcopis nititur superintrudere, amovere catholicos promovere schismaticos; Bernhard, ed. Winkler (wie Anm. 46), S. 868. 49 The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis, liber XIII/11, ed. Marjorie Chibnall, Bd. 6, Oxford 1978, (Oxford Medieval Texts), S. 418; Actus pontificum Cenomannis in urbe degentium, cap. 36, ed. G. Busson, A. Ledru, Le Mans 1901 (Archives historiques du Maine, 2), S. 434. So wurden z. B. die Bischöfe von Limoges und Poitiers vertrieben und durch Anhänger Anaklets ersetzt; Wilhelm Janssen, Die päpstlichen Legaten in Frankreich vom Schisma Anaklets II. bis zum Tode Coelestins III. (1130–1198), Köln, Graz 1961, S. 8f.; vgl. auch Rolf Grosse, La fille aînée de l’Église: Frankreichs Kirche und die Kurie im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8), S. 299–321, hier S. 308.
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deutlich trennt, verliert er nie seine assoziative Nähe zum Antichristen50. Auch sollte man den Glauben an die Stringenz zeitgenössischen Sprachgebrauchs nicht überstrapazieren. Immer wieder vermischen sich in den Texten Deskription und Diffamierung, und es bleibt offen, was man sich unter dem Wortungetüm pseudoantipapa vorzustellen hat, mit dem die Fortsetzung des Liber Pontificalis im 15. Jahrhundert den von Ludwig dem Bayern 1328 kreierten Nikolaus V. verunglimpfte51. Dem Ausflug in die antipapale Namenkunde ist abschließend anzufügen, dass man sich hütete, dem jeweils anderen den Rang eines regulären Amtsinhabers zuzubilligen. Stattdessen ignorierte man die vorgebliche Papstwürde des Konkurrenten – Beschädigung durch bewusstes Unterlassen. Hier waren die Petrusnachfolger eine besonders leichte Beute, denn von der Mitte des 10. Jahrhunderts an nahmen sie nach der Wahl einen neuen Namen an, um ihren Übertritt in das Amt zu signalisieren. Die bekannte Aufforderung Heinrichs IV. aus dem Jahr 1076, der „falsche Mönch Hildebrand“ möge vom Stuhle Petri herabsteigen, negierte durch Weglassung des Papstnamens den Rang des Trägers. Burdinus war bei seinen Gegnern nie Gregor VIII., Petrus Pierleoni nie Anaklet II., Clemens III. blieb bei den Gregorianern stets Wibert von Ravenna. Otto von Freising und Rahewin nennen Alexander III. in ihren Gesta Friderici stets nur magister Rolandus, nie beim Papstnamen; die einzige Ausnahme dort geht auf einen inserierten Brief zurück, stammt also nicht von den Verfassern selbst52. Und als Silvester IV. nach sechsjährigem Gegenpontifikat 1111 sein angemaßtes Amt in die Hände Paschalis’ II.
50 Hoppe, Herausbildung (wie Anm. 27), S. 29, macht eine neue, eindeutig polemische Potenz erst in den anti-Begriffen der Reformationszeit aus. Vgl. in der Sache jetzt Wolfram Brandes, Felicitas Schmieder (Hg.), Antichrist. Konstruktionen von Feindbildern, Berlin 2010; Mariano Delgado, Volker Leppin (Hg.), Der Antichrist. Historische und systematische Zugänge, Stuttgart 2011. 51 Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, 2 Bde., Bd. 3 ed. Cyrille Vogel, Paris 1886–1892, 1957, hier Bd. 2, S. 485: Qui [i. e. Ludovicus] […] contra summum pontificem vicarium domini nostri Iesu Christi et contra Ecclesie unitatem et apostolicam sedem multipliciter et barbarice se erexit, et quendam pseudoantipapam Rome fieri fecit, dictum fratrem Petrum de Corbario, ordinis Fratrum Minorum, anno M°CCC°XXVIIII, qui scindere nisus est et adhuc hodie nititur Ecclesiae unitatem et tunicam inconsutilem domini nostri Iesu Christ, utpote membrum Antichristi. 52 Brief des Propstes Heinrich von Berchtesgaden an Erzbischof Eberhard von Salzburg, in: Gesta Friderici I. ed. Waitz, von Simson (wie Anm. 9), S. 337–339 (IV,82), hier S. 338, Die Akten des Konzils von Pavia 1160 sprechen von Alexander stets als Rolandus (quondam/olim) cancellarius; ebd., S. 324–336.
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legte, nannte er sich selbst nur noch bei seinem Taufnamen53. Zu dieser selektiven Beispielreihe der Titel- und Namensverweigerung passt die Berichterstattung der Fortsetzung von Anchin über den Frieden von Venedig 1177, in der Johannes von Struma/Calixt III. bei seiner Unterwerfung unter Alexander III. als apostolici nominis presumptuosus invasor bezeichnet wird54. Die bloße Verwendung des Titels antipapa in solchen Situationen wäre wohl einer indirekten Anerkennung des päpstlichen Ranges gleichgekommen. Schon deshalb war das umfassend diffamierende pseudopapa in der direkten Kontroverse die Diktion der Wahl55.
3. Kampf um Rom – Behauptungsstrategien und Untersuchungsfelder Der Wortlaut der Quellen lässt pseudopapa als den Begriff mit der höchsten Signifikanz erkennen. Man kann diesen Terminus als richtungweisenden Indikator für eine Annäherung an das Phänomen nehmen, wird in ihm doch das enorme agonale Potenzial der zu untersuchenden Situation deutlich. Das Bestreben der Rivalen im Kampf um den römischen Bischofsstuhl zielte mit aller Konsequenz darauf, den Vorwurf, ein pseudopapa zu sein, abzuwehren, ihn umzulenken auf die Kontrahenten und keinesfalls als antipapa in den Chroniken oder gar in den römischen Bischofslisten zu enden. Schon die Zeitgenossen besaßen in dieser Hinsicht ein ausgeprägtes ‚Listenbewusstsein‘. So berichtet Helinand von Froidmont in seiner um 1204 verfassten Chronik, der Name Konstantins II. (767–769), eines der markantesten Invasoren auf dem Stuhl Petri, sei aus der Papstliste und der Zäh53 Ego Monoegealdus abrenuntio omni errori, maxime quem in apostolicam sedem presumpsi et promitto fidem et oboedientiam Deo digno et catholico papę Paschali; Georg Heinrich Pertz, Verzeichniß der auf der Oesterreichischen Reise untersuchten Handschriften, in: AdG 10 (1851), S. 447–693, hier S. 464; Nikolaus V. beginnt 1330 im Rahmen der Abdankung seine umfangreiche confessio mit […] ego frater Petrus de Corbario, de ordine fratrum Minorum, sceleratissimus peccator; Etienne Baluze, Vitae paparum Avenionensium, nouvelle édition par Guillaume Mollat, Bd. 1, Paris 1914, S. 146–151, hier S. 146. 54 Chronicon Sigeberti Continuatio Aquicinctina (wie Anm. 35), S. 416. 55 Stroll, Pope (wie Anm. 14), S. 178, charakterisiert die Auseinandersetzungen im Schisma von 1130 summarisch als kaum von Sachauseinandersetzungen geprägte persönliche Diffamierungskampagne mit apokalyptischem Sprachhorizont: „In the end, the outcome of the schism was determined not by the legitimacy of either election, not by the qualifications of the two men, and not by their characters. ����������������������������������������������� It was determined by a skillful propaganda campaign which neutralized law as a factor and perpetuated such a pernicious image of Anaclet that it was even speculated that he was a beast of the apocalypse.”
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lung vollständig entfernt worden: iste pseudopapa de ordine et numero paparum abrasus est56. Ein Verständnis für die geordnete historische Legitimation im Sinne der Zugehörigkeit zu einer klar abgegrenzten Gruppe (ordo) scheint ebenso vorhanden wie der Gedanke einer zeitübergreifenden Reihe, als die der Verweis auf den numerus der römischen Bischöfe gelesen werden kann. Deshalb wollte Pandulf, der Biograph Paschalis’ II., den Namen Wiberts von Ravenna/Clemens’ III. nicht nur auf Erden getilgt sehen, sondern auch im himmlischen Liber vitae. Die Begründung: non iam papa qui numquam papa – Häresiarch sei sein wahrer Titel57. Um ein solches Ende zu vermeiden, mussten die Rivalen indes auf mehreren Feldern erfolgreich sein.
Rechtmäßigkeit und Häresievorwurf Der ,Kampf um Rom‘ wurde nicht nur auf dem Feld der juristischen Legitimation ausgefochten. Zu unpräzise waren die Wahlordnungen des Frühmittelalters, zu spärlich die Informationen über die Erhebungsvorgänge, als dass sich stets zuverlässig entscheiden ließe, welcher Kandidat auf sichererem rechtlichem Grund stand58. Nicht von ungefähr ist zu beobachten, dass gerade schismatische Wahlen zu einer schrittweisen Präzisierung der Wahlordnungen führten, um formalrechtliche Schwachstellen zu tilgen, häufig aber auch um den Modus der eigenen Erhebung rückwirkend zu kanonisieren59. Zudem stellte sich das grundlegende Problem, dass nach päpstlicher Ansicht in der Gesamtkirche keine Instanz bestand, 56 Migne, PL 212, Sp. 830 (zu 767): Post mortem Pauli papae, dicit magister Hugo in Chronicis suis, cessasse episcopatum anno uno, et mense uno, et Constantinum praefatum sedisse tantum temporis, id est annum unum, et mensem unum, papam nonagesimum sextum. Sed iste pseudopapa de ordine et numero paparum abrasus est; et ideo totum tempus sessionis ejus appellatur cessatio episcopatus. 57 Pandulf, Vita Paschalis II., Liber Pontificalis glossato nella recensione di Pietro Guglielmo […] glossato da Pietro Bohier, Bd. 2: Liber pontificalis, ed. Oldrich Přerovský, Rom 1978 (Studia Gratiana, 22), S. 709: non iam papa qui numquam papa, […] diabolum servivit, […] cuius nomen Deus in caelis de libro vitae delevit. Haeresiarcha fuit; sic sibi sit titulus. Pandulf war Kardinal Anaklets II., seine Papstviten sind von Petrus Guillermus 1142 überarbeitet worden und in den Liber Pontificalis gelangt. Vgl. dazu Harald Zimmermann, Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der Historiographie, Stuttgart 1981, S. 120. 58 Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 20), S. 162, stellt fest, dass sichere Urteile für das Frühmittelalter nicht zu gewinnen sind und auch konkurrierende Päpste legitime Ansprüche besitzen konnten. 59 So etwa die Zweidrittelmehrheit der Kardinäle, die von Alexander III. im ersten Kanon des III. Lateranum 1179 für künftige Wahlen fixiert wurde; Josef Wohlmuth (Hg.), De-
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die zu einem Urteil über den römischen Bischof befugt war. Der Satz prima sedes a nemine iudicatur erwies sich gerade in Schismazeiten als prekär, verlangte doch die paralytisch wirkende Konkurrenz an der Kirchenspitze mit ihrer Tendenz zur Verfestigung der Lagerbildung ganz besonders nach rascher und verbindlicher Klärung60. In geradezu paradoxer Weise scheint Anaklet II. aus der Doppelwahl des Jahres 1130 als der Kandidat mit der höheren rechtlichen Qualität hervorgegangen zu sein, durchgesetzt hat sich am Ende jedoch Innozenz II. Politisches Geschick und die schlagkräftigeren Parteigänger erwiesen sich als stärker als die Buchstaben der Papstwahldekrete61. Wie wenig man der Konkurrenz um den Stuhl Petri allein mit dem Blick auf die rechtlichen Argumente beizukommen vermag, belegt schließlich die Tatsache, dass bis ins 15. Jahrhundert hinein der Vorwurf der Häresie das konstanteste Stigma war, das man einem Konkurrenten um das Papstamt einzubrennen suchte62. Das mag überraschen, handelt es sich beim mittelalterlichen Gegenpapsttum doch zunächst eher um ein Problem der Kirchenstruktur als um eines des Glaubens. Beide Ebenen sind jedoch ineinander verschränkt. Zum einen wird das Herbeiführen eines Schismas als Vergehen an der Einheit der Kirche und damit als Häresie gewertet. Die Spaltung besaß also eine grundsätzliche ketzerische Komponente63. Zum anderen hat Othmar Hageneder 1978 überzeugend herausgearbeitet, dass sich das Papsttum von der Mitte des 11. Jahrhunderts krete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters, Paderborn u. a. 2000, S. 211 c. 1. 60 Vgl. dazu Albert Michael Koeniger, Prima sedes a nemine iudicatur, in: Ders. (Hg.), Beiträge zur Geschichte des christlichen Altertums. Festschrift für Albert Ehrhard, Bonn, Leipzig 1922, S. 273–300; Salvatore Vacca, Prima sedes a nemine iudicatur. Genesi e sviluppo storico dell’assioma fino al decreto di Graziano, Rom 1993 sowie unten bei Anm. 109. 61 Vgl. Stroll, Pope (wie Anm. 14), S. 82–101, 178. 62 Vgl. exemplarisch MGH Const., 1, Hannover 1893 (ND Hannover 1963), S. 264 (Pavia 1160): conspiratores […] se contulerunt et ydolum sibi Rolandum cancellarium erexerunt, dicentes hunc esse Symonem Petrum, qui apostolicae dignitatis apicem tam nefaria invasione attingere presumebat. Umgekehrt John of Salisbury: Eos Papiensis concilii sententia nequaquam terret, sed in ipsum imperatorem et idolum suum cum omnibus cultoribus suis, sperantes in Domino et in potentia uirtutis eius, confortati in Spiritu Sancto sententiam anathematis intorserunt; Letters of John of Salisbury, Bd. 1 (wie Anm. 38), S. 204–215 Nr. 124, hier S. 211. Ebd., S. 213: Nam hoc satis persuasum credo, ut non acquiescat imperatoris idolum adorare. […] Si scismaticus furor roboratis partibus nimis ingruerit, ut penes quos ecclesiae Romanae constet auctoritas, esse possit ambiguum, nichil mihi uidetur consultius quam praeelectionis sententiam differri in diem reuelationis iusti iudicii Dei. 63 Vgl. oben bei Anm. 62.
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an die sogenannte „Häresie des Ungehorsams“ zur Waffe machte. Mit dem stärker werdenden Primat des römischen Bischofs ging eine Dogmatisierung römischer Entscheidungen einher, die immer weniger auf den Bereich der christlichen Lehre beschränkt blieb. Der Papst verkörperte und sicherte die Einheit der Kirche. Gregors VII. Leitsatz aus dem Dictatus papae, dass katholisch nur sei, wer mit der römischen Kirche übereinstimme, bringt dies auf den Punkt. Umgekehrt formuliert: Wer sich hartnäckig gegen Rom stellte, war ein Häretiker, als Gegenpapst ein Götze64. Der genuin dogmatisch gebundene Häresiegedanke wird durch einen rechtsrelevanten performativen Akt ergänzt, durch eine Häresie des Verhaltens, deren verbale Kennzeichen Simonie65, Invasion und schließlich offener Ungehorsam – in der lateinischen Form periurium als Meineid oder Eidbruch – gegenüber Rom sind, wobei Rom gedanklich mit der Einheit der Kirche unter päpstlicher Führung gleichgesetzt wird. Paschalis II. schloss die Formel, mit der er das Anathem über Wibert von Ravenna und dessen Anhänger verhängte, mit einer selbstbindenden Sanctio: Quod si, quod absit, aliqua excusatione vel argumento me ab hac unitate divisero, periurii reatum incurrens, eternę penę obligatus inveniar et cum auctore scismatis habeam in futuro seculo portionem66. Ein vom Papst in Kauf genommener Verlust der kirchlichen Einheit käme dem Eidbruch gleich. 64 Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanę ecclesię; Das Register Gregors VII., ed. Erich Caspar, Berlin 1920, 1923 (MGH Epp. sel., 2), Nr. II,55a, S. 207 Z. 12f. Vgl. dazu Horst Fuhrmann, „Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae“. Randnotizen zum Dictatus Papae, in: Kurt Ulrich Jäschke, Reinhard Wenskus (Hg.), Festschrift für Helmut Beumann, Sigmaringen 1977, S. 273–287. Gregor VII. verbindet in besonderer Weise Ungehorsam mit Idolatrie. Dazu benutzt er 1 Kg. 15,23, eines seiner häufigsten Bibelzitate überhaupt. Vgl. Register Gregors VII., ed. Caspar, S. 535f. Nr. VIII,15, 1080 Dez. 12, an die Leute von Valva, die ihrem Bischof Transmund den Gehorsam aufkündigen sollen, da dieser contempnens et per inobedientiam idolatrie scelus incurrens seine Diözese eigenmächtig besetzt habe. Ähnlich gegen die Simonisten im Bericht über die Fastensynode von 1080, ebd., S. 480–478 Nr. VII,14a mit sub crimine […] in obientiae, quod est scelus idolatriae. Vgl. auch Bonizo von Sutri, Liber ad amicum, ed. Ernst Dümmler, in: MGH L. d. L. 1, Hannover 1891, S. 568–620, hier S. 605: In qua Guibertus vocatus, dum venire noluisset, ob periurii crimen ab episcopali officio suspensus est. Zur Quelle jetzt Thomas Förster, Bonizo von Sutri als gregorianischer Geschichtsschreiber, Hannover 2011 (MGH Studien und Texte, 53); Othmar Hageneder, Die Häresie der Ungehorsams und das Entstehen des hierokratischen Papsttums, in: RHM 20 (1978), S. 29–47. 65 Zum Zusammenhang von Simonie und pseudo vgl. Deusdedit, Libellus (wie Anm. 38), S. 327f.: Preterea, ut omnis aditus sacri officii symoniacis obstruatur, ita argumentamur de eorum pseudosacerdote, scilicet symoniace ordinatore vel ordinato: Omnis sacerdos symoniacus aut sacerdos est, aut sacerdos non est. 66 Überliefert im Anhang an ein Schreiben des Papstes an Bischof Hermann von Augsburg, (1100) April 7 ( JL 5825, Germ. Pont. II/1, S. 33f. Nr. 19); die Formel des Anathems bei
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Wohl nicht zufällig sind die wenigen Zeugnisse gegenpäpstlicher Abdankung in der Form der confessio gehalten, die schwere eigene Irrtümer und Verfehlungen eingesteht und damit weniger in den Bereich des förmlichen Rechtsstreits verweist als in die Sphäre grundsätzlicher Glaubensproblematik, auch wenn diese kirchlich-strukturell folgenreich war67. Erst Ludwig der Bayer kehrte im Übrigen 1328 beim Versuch der Absetzung Johannes’ XXII. zu einem dogmatisch fundierten Häresieverständnis im Sinne der Irrlehre zurück68. In diesem Dokument ist vom pseudopapa Iacobus de Caturcho die Rede, der sich Johannes nenne. Das Präfix pseudo rückt auch ihn hier explizit in eine Reihe mit den falschen Aposteln und – stets mitschwingend – mit den falschen Propheten69.
Legitimitätsbehauptung und Obödienzfestigung Für juristische Spitzfindigkeiten scheint im Behauptungskampf um den eigenen Anspruch auf den päpstlichen Thron wenig Platz. Er wurde nicht primär auf dem Feld der Legalität, sondern auf dem sehr viel weiteren Feld der Legitimität ausgefochten. Legitimität und Reputation des Gegners galt es massiv zu bestreiten, die eigene im Gegenzug zu festigen. Das bei der historischen Beschreibung von Schismen oft benutzten Wort der Obödienz, ihrer Gewinnung, Festigung oder ihres Entzugs, erhält seinen Sinn erst durch die Person, der man Gehorsam entgegenbringt bzw. an deren Autorität man sich auszurichten bereit ist. Autorität ist jedoch ein höchst elastisches Wort, das im Hinblick auf das Amt des römischen Bischofs im Mittelalter zwischen moralischem Ansehen und rechtlicher Julius von Pflugk-Harttung, Briefe aus den Jahren 1047–1146, in: NA 6 (1881), S. 626–636, hier S. 628f. Nr. II. 67 Vgl. die Confessio antipape Nikolaus’ V. mit dem eröffnenden, eindeutigen Selbstbezug auf den sceleratissimus peccator, Signalworten wie confiteor und mit der finalen Rückkehr zum Glauben der Römischen Kirche: Confiteor insuper me credere et tenere fidem illam quam sancta romana Ecclesia tenet ac vos, pater sanctissime, tenetis, predicatis atque docetis; Vitae paparum Avenionensium, ed. Mollat (wie Anm. 53), S. 146f., 150. Romuald von Salerno gibt die Abdankung Calixts III. nach dem Frieden von Venedig 1177 folgendermaßen wieder: In conspectu cardinalium […] publice confessus est dicens: „Domine uenerande pater, peccatum meum manifeste confiteor […] omnem heresim et scisma abiuro, et uos in dominum et uniuersalem patrem totius ecclesie deuote recipio“; Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Carlo Alberto Garufi, Cittá di Castello 1914 (RIS, 7.1), S. 297 . 68 MGH Const., 6, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914–27, S. 344–350 Nr. 436, S. 350– 361 Nr. 437. In ��������������������������������������������������������������������������� diesem zweiten Absetzungsschreiben wird Johannes detailliert die Kanonisierung von sieben errores vorgeworfen. 69 Ebd., S. 350, wo er mit Matth. 19,17 und 19,21 (Pseudo-Apostel) in Verbindung gebracht wird.
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Gewalt changiert70. In der Krisensituation miteinander konkurrierender PapstPrätendenten bildeten Autoritäts- und Obödienzfestigung zwei Seiten derselben Medaille. Autorität führte zu Anhängerschaft und deren Vergrößerung ihrerseits zu einer Vermehrung des autoritativen Gewichts der Führung; umgekehrt gilt dasselbe. Im Großen Schisma wirkt der Entzug der Obödienz oder die diesbezügliche Drohung einzelner Reiche katalytisch. Bisweilen galt die Meinung der ecclesia Gallicana als entscheidend in der Frage, welcher der konkurrierenden Prätendenten die Oberhand behalten sollte71. Der Kampf um das römische Bischofsamt fand in einer Gemengelage von rechtlichen und außerrechtlichen Aspekten statt, die eine umfassend beschreibende Annäherung an das Phänomen empfiehlt. Sie muss vor allen Dingen auf die Überzeugungsarbeit und Gewinnungsstrategien der Rivalen abzielen. Dabei waren effiziente Strukturen des eigenen Hofes, der Kommunikation, Rechtsprechung und Verwaltung von wachsender Bedeutung. Erfolgte die Doppelwahl aus dem Innersten der römischen Kirche selbst heraus, so war die Loyalität zumindest eines Teiles der Kardinäle und kirchlichen Amtsträger zweifelhaft. Eine Ergänzung bzw. partielle Ersetzung durch eigene Kräfte wurde erforderlich. Trat ein Papst von außen gegen die bestehende römische Hierarchie an, musste er Kardinalskollegium und Kurie sogar weitgehend komplett nachbilden. Ein eigenes Kardinalskollegium stärkte langfristig die eigene Legitimationsbasis und war der Nukleus einer eigenen Administration72. Die eigenen Ansprüche und Sichtweisen auch über große Entfernungen hinweg und möglichst flächendeckend zu verbreiten, setzte die entsprechenden Instrumentarien und ihre Handhabung ebenso voraus wie deren Aufnahme und Akzeptanz bei den Empfängern. Auch die Urkunden der Gegenpäpste wurden in weit überwiegender Zahl auf Nachfrage ausgefertigt, ihre richterliche Autorität gesucht oder gemieden, ihre Legaten willkommen geheißen oder ferngehalten. Insbesondere Legaten wurden als Medien der Obödienzgewinnung forciert ein-
70 Vgl. Horst Rabe, Autorität, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhard Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 382–406, bes. S. 382–389; mit Blick auf die Spätantike Ulrich Gmelin, Auctoritas. Römischer Princeps und päpstlicher Primat, Stuttgart 1937 (Forschungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte, 11), S. 80–149. 71 Vgl. dazu Rolf Grosse, La fille aînée de l’Église. Frankreichs Kirche und die Kurie im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8), S. 299–321, hier S. 302–304. 72 Vgl. Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 16), S. 73–75; Eubel, Gegenpapst (wie Anm. 15), S. 279, 285–308.
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gesetzt, wobei es zu regelrechten Wettläufen an die umworbenen Höfe kommen konnte73. Die Bindung zwischen der römischen Zentrale und den Kirchen und Menschen in den Regionen Europas manifestierte sich in zunehmender Weise durch päpstliche Urkunden. In den meisten Fällen handelten die Päpste hier reaktiv, d. h. sie stellten Privilegien oder Mandate deutlich seltener aus eigenem Antrieb (motu proprio) aus als auf Nachfrage der Urkundenempfänger. Wer sich mit einem solchen Begehren an den römischen Bischof wandte, der erkannte in sehr direkter Weise dessen rechtliche Autorität an74. Schismatische Zustände an der Spitze der römischen Kirche verlangten von den Petenten entweder hohe Flexibilität oder ein Bekenntnis für eine Seite. Die prinzipielle Unteilbarkeit des römischen Bischofsamtes führte allerdings dazu, dass Zeugnisse historisch unterlegener Prätendenten häufig aus den Archiven und damit aus dem Gedächtnissen der Empfänger getilgt oder zumindest die Namen der Aussteller unkenntlich gemacht wurden75. 73 Auf die Rolle der Kardinallegaten bei den Papstschismen des 12. Jahrhunderts und die Tatsache, dass sich die sanior pars des Kardinalskollegiums im Sinne des legationserfahrenen Teils dabei stets im Gefolge der siegreichen Kandidaten befand, weist hin Claudia Zey, Die Augen des Papstes – zu Eigenschaften und Vollmachten päpstlicher Legaten, in: Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8), S. 77–108. Zur Gerichtsbarkeit vgl. Harald Müller, Entscheidung auf Nachfrage. Die delegierten Richter als Verbindungsglieder zwischen Kurie und Region sowie als Gradmesser päpstlicher Autorität, in: ebd., S. 109–131. In diesen Kontext gehören auch die Wahlanzeigen, für welche u. a. die Doppelwahl von 1159 schöne Beispiele bereithält. Vgl. Robert Somerville, The beginning of Alexander III’s pontificate. Aeterna �������������������������������������������������������������������������� et incommutabils and Scotland, in: Filippo ������������������������������� Liotta����������������� (Hg.), Miscellanea Rolando Bandinelli. Papa Alessandro III, Siena 1986, S. 217–236; Christoph Egger, Päpstliche Wahldekrete und Wahlanzeigen – Formen mittelalterlicher Propaganda?, in: Karel Hruza (Hg.), Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.–16. Jahrhundert), Wien 2002 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-histor. Kl. Denkschriften, 307 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 6), S. 89–125; zuletzt Rolf Grosse, Die Wahlanzeige Papst Alexanders III. für die Abtei Saint-Denis ( JL 10588), in: Horst Kranz, Ludwig Falkenstein (Hg.), Inquirens subtilia diversa. Dietrich Lohrmann zum 65. Geburtstag, Aachen 2002, S. 79–84 (mit der einschlägigen Literatur). Ein Beispiel brieflicher Obödienzwerbung bei Friedrich Liebermann, Lanfranc and the antipope, in: EHR 16 (1901), S. 328–332. 74 Grundsätzlich und mit einer Reihe exemplarischer Beobachtungen zur Interaktion zwischen den Päpsten und den Kirchen in den europäischen Regionen die Sammelbände Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8), und Dies. (Hg.), Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Mittelalter Berlin 2012 (Abhandlungen Akademie Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 19). 75 So verschweigen die cluniazensischen Quellen tunlichst, dass die Abtei im Alexandrinischen Schisma in Gestalt ihres Abtes Hugo III. zeitweise auf der Seite Friedrich Barbarossas und Viktors IV. stand. Vgl. dazu Giles Constable, The abbots and anti-abbot of Cluny
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Niemand wollte mit Urkunden, die von einem Illegitimen, vielleicht sogar von einem Häretiker herrührten, in Verbindung gebracht werden. Günstigenfalls verloren sie ohnehin ihre Rechtskraft, ungünstigenfalls machten sie den Empfänger verdächtig, mit der historisch als falsch erwiesen Partei sympathisiert zu haben oder gar selbst ein Schismatiker zu sein. Die gezielte Vernichtung solcher Stücke ist also in Betracht zu ziehen76. Merkwürdig nimmt sich in diesem Zusammenhang das Verhalten der Kölner Erzbischöfe im Alexandrinischen Schisma aus. Rainald von Dassel und sein Nachfolger Philipp von Heinsberg ließen sich von den Päpsten, die sie anerkannt hatten, weder die nötigen Weihen erteilen noch nahmen sie aus den Händen Viktors IV. und Calixts III. das Pallium entgegen.
during the papal schism of 1159, in: RevBén 94 (1984), S. 370–400, wieder abgedruckt in Ders., The abbey of Cluny. A collection of essays to mark the eleven-hundredth anniversary of its foundation, Berlin 2010 (Vita regularis, 43), S. 491–520, bes. S. 498 („carefully suppressed in all official Cluniac sources“), 512 (Reaktion Alexanders III.), S. 515f. (Dro����� hungen Barbarossas), S. 517f. (Verlust Clunys an Prestige und Einfluss an der Kurie). 76 Für Urkunden Viktors IV. und Wiberts von Ravenna in italienischen Archiven vermutet dies u. a. Jochen Johrendt, Cum universo clero ac populo eis subiecto id ipsum eodem modo fecerunt. Die Anerkennung Alexanders III. in Italien aus der Perspektive der Papsturkundenempfänger, in: QFIAB 84 (2004), S. 38–68, hier S. 42f. Auf Stücke der unterlegenen Clemens III. und Anaklet II. sowie der Gegenpäpste-Trias aus dem alexandrinischen Schisma kann zurückgreifen Otfried Krafft, Bene Valete. Entwicklung und Typologie des Monogramms in Urkunden der Päpste und anderer Aussteller seit 1049, Leipzig 2010, S. 129–134. Krafft sieht in den Abweichungen der Monogramm-Gestaltung Indizien für Kontinuität oder Neuansatz in der Kanzlei der jeweiligen Prätendenten. Eine Urkunde, in welcher der Bezug auf den Gegenpapst Viktor IV. durch Rasur nicht ganz getilgt werden konnte, behandelt Johannes Ramackers, Niederrheinische Urkunden und Briefe des 12. und 13. Jahrhunderts aus französischen und belgischen Archiven und Bibliotheken, in: AHVN 121 (1932), S. 61–78, hier S. 72 Nr. 5. Vgl. dazu auch Wolfgang Petke, Reimser Urkunden- und Siegelfälschungen des 12. und 13. Jahrhunderts für Priorate und Pfarrei Meerssen. Mit einem Originalbrief von 1136 und einem Urkunden- und Regestenanhang, in: Hermann Jakobs, Wolfgang Petke, Papsturkundenforschung und Historie. Aus der Germania Pontificia Halberstadt und Lüttich, Köln 2008 (Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia, 9), S. 129–276, hier S. 130f. sowie die Neuedition der Urkunde ebd., S. 229f. Nr. 17. Urkunden gegenpäpstlicher Legaten sind erstmals aus dem Pontifikat Anaklets II. erhalten. Vgl. dazu Stefan Weiss, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis zu Coelestin III. (1049–1198), Köln 1995 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 13), S. 392. Die Übersicht nennt nach Anaklet noch Stücke Paschalis’ III. und Calixts III., nicht aber Viktors IV. Eine ebd., S. 228 verzeichnete Urkunde eines Legaten Paschalis’ III. ist nicht nach dem Papst, sondern nach Barbarossa und den Amtsjahren des Bischofs von Utrecht datiert und formal ohne Anklänge an zeittypische Papsturkunden.
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Ob dies einer Politik der Distanz gegenüber Rom geschuldet war oder Zweifel an der Dauerhaftigkeit der von Barbarossa gestützten Päpste andeutet, bleibt offen77. Nicht immer war eine Fehlausrichtung im Schisma rückwirkend reparabel. So verharrte Kalabrien, dessen Kirchenorganisation zu wesentlichen Teilen von Anaklet II. geschaffen worden war, nach dessen Niederlage gegen Innozenz II. in Distanz zum Papsttum. Zumindest erreichte die Zahl der Papsturkunden für dortige Empfänger im 12. Jahrhundert über Jahrzehnte hinweg nicht mehr die Frequenz früherer kalabrisch-päpstlicher Kontakte78. Neben der Funktion solcher päpstlicher Instrumente der Bindung durfte die Form nicht vernachlässigt werden; sie war an traditionelle Konventionen gebunden. Mit einer bewussten imitatio Romae auf den Gebieten des päpstlichen Zeremoniells, ikonographischer Elemente oder des Urkunden- und Kanzleiwesens konnte der historische Zentralort päpstlicher Tradition auch fern des Tibers zumindest symbolisch behauptet werden. Paul Ewald stellte für Anaklet II., aber in durchaus grundsätzlicher Perspektive fest: „dass wir es hier mit einem der Gegenpäpste zu thun haben, dass also von diesen, wie überhaupt alle Formen des päpstliche Regiments, auch die Canzleiinstitutionen gewahrt wurden.“79 Wer wie Innozenz II. von Beginn an die Kanzlei mit dem Kanzler Haimerich in seinem Rücken wusste, der war befreit von der Last, für diese Aufgaben loyales Personal zu finden, es gemäß dem Herkommen für die Abfassung päpstlicher Urkunden auszubilden oder sich selbst erst dieses traditionellen Formen-Regelwerks zu versichern. Er konnte vielmehr die routinierte Effizienz des Schreibbüros und die dort angeknüpften personalen Netze für seine Zwecke nutzen80. Selbst die Väter des Basler Konzils, die sich phasenweise explizit vom amtierenden Papst abgrenzten, 77 Vgl. Stefan Weiss, Papst und Kanzler. Das Papsttum und der Erzbischof von Köln im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8), S. 285–298, hier S. 290f. Der Mainzer Erzbischof Christian von Buch stand dagegen fest im Lager des BarbarossaPapstes Paschalis III.; vgl. Kai-Michael Sprenger, Ein Deperditum Paschalis’ III. für den gegenpäpstlichen Legaten Christian von Buch? Überlegungen zu einem archäologischen Fund aus Mainz, in: HJb 118 (1998), S. 261–276. Zum Verhältnis der Mainzer Erzbischöfe zum Papsttum jetzt Stefan Burkhardt, Die Mainzer Erzbischöfe zwischen Zentrum und Peripherie, in: Johrendt, Müller, Rom (wie Anm. 74), S. 429–457. 78 Jochen Johrendt, Der Sonderfall vor der Haustüre: Kalabrien und das Papsttum, in: Ders., Müller, Zentrum (wie Anm. 8), S. 235–258. 79 Paul Ewald, Registrum Anacleti II antipapae, in: NA 3 (1878), S. 164–168, hier S. 165. 80 Innozenz gelang auch dank der Fortführung der Kanzlei die Herstellung einer Kontinuität zu seinem Vorgänger. Demgegenüber funktionierte die Urkundenausstellung seines Gegners organisatorisch und formal eher schlecht; Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 16), S. 48, 50, 75. Vgl. dazu auch den Beitrag von Jochen Johrendt in diesem Band, der auch auf Innovation und Improvisation in solchen Zwangslagen hinweist. Die Proble-
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erachteten es als unverzichtbar, am Rhein eine betont nach römischem Muster agierende Kanzlei und weitere Ämter ad instar curie Romane zu schaffen81. Ebenso deutlich tritt die suggestive Kraft der Form im Bereich des Erhebungszeremoniells hervor. Neben Strukturen und Instrumenten galt es natürlich Argumente zu finden und publik zu machen, welche die jeweils eigene Position im Rennen um die Cathedra Petri unanfechtbar erscheinen ließen. Die Auseinandersetzung zwischen Alexandrinern und Viktorinern nach der Doppelwahl von 1159 um die Immantation der Kontrahenten lehrt, dass hier der Ablauf des gesamten Erhebungszeremoniells ein zentraler, den Wahlakt deutlich transzendierender Baustein päpstlicher Legitimation war. Ihn galt es in der jeweils eigenen Lesart unter das Volk zu bringen, mögliche Defizite zu verschleiern bzw. umzudeuten82, denn ein mangelhafter Erhebungsakt, ein Rechts- oder Formverstoß bei Wahl und Weihe boten sich in allen betrachteten Konfliktkonstellationen als buchstäblich kardinales Argument in der Legitimitätsauseinandersetzung an83. Wie sonst wäre es zu erklären, dass man für Felix V. in Basel die Etappen des traditionellen stadtrömischen Einsetzungszeremoniells peinlich genau glaubte nachbilden zu müssen – bis hin zur Huldigung durch die städtische Judengemeinde, die es freilich in Basel 1439 nicht mehr gab84. Legitimationselemente und Legitimationsdefizite wurden genau abgewogen und bewusst kommuniziert. Mit ihnen sorglos umzugehen, wäre sträflich gewesen.
Besetzung der Erinnerung Solche abgestimmten Handlungsweisen lassen sich nicht nur im Kontext der Obödienzgewinnung beobachten, sondern auch beim Umgang der Päpste mit überwundenen Konkurrenten. Hatten frühmittelalterliche Invasoren des Papstthrons nicht selten ein gewaltsames Ende gefunden, das jegliche Befähigung für das angematik des Aufbaus konkurrierender Kanzleien verfolgt Patrick Zutshi für den Beginn des Großen Abendländischen Schismas in diesem Band. 81 Helmrath, Konzil (wie Anm. 16), S. 95f. 82 Vgl. Laudage, Alexander (wie Anm. 14), S. 114–116. 83 Vgl. schon die Vorwürfe von Seiten des Reichsepiskopats gegen Gregor VII. im sogenannten Wormser Absageschreiben von 1076, die Verfahrensmängel mit dem Vorwurf übersteigerten Ehrgeizes kombinierten. Dazu Herbert E. Cowdrey, Pope Gregory VII. 1073– 1085, Oxford 1998, S. 137. 84 Ausführlich zum Krönungszeremoniell Ursula Lehmann, Felix V. als „Gegenpapst“ und sein Verhältnis zum Basler Konzil und zur Kirchenreform, Magisterarbeit, HU Berlin 2006, S. 60–76, zum Import von Juden aus dem Elsass S. 73, 75. Zur Problematik des regulären Amtsantritts zusammenfassend zuletzt Dies., Bartfrage (wie Anm. 14), S. 82f., 87.
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maßte Amt durch Blendung oder Verstümmelung demonstrativ zunichte machte, so markiert der aufsehenerregende Schandritt des Burdinus von 1121 einen Einschnitt85. Danach breitet sich weitgehende Stille aus. Sofern man ihrer habhaft wurde, verbrachte man die Gegenpäpste in Klosterhaft. An die Stelle des öffentlichen Triumphs in urbe wie bei Burdinus trat die dauerhafte Verbannung der Konkurrenten aus der öffentlichen Wahrnehmung. Bei der Suche nach ihren Begräbnisstätten verliert sich die Spur der meisten im Nebel. Nur wenige Graborte der hochmittelalterlichen Papst-Prätendenten bis zu Nikolaus V. (†1333) sind überhaupt bekannt, wobei die fehlende Erinnerung kaum zwingend am häretischen, eine christliche Bestattung verhindernden Charakter des Gegenpapsttums festzumachen sein dürfte; hier scheinen simples Vergessen oder ein gezieltes Verschweigen die näher liegenden Motive zu sein86. Der Ort der Bestattung ist bis heute ein potentieller Nukleus unerwünschter Verehrung, wie das von Neonazis regelmäßig frequentierte, mit Zustimmung der Familie am 20. Juli 2011 schließlich aufgegebene Grabmal des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß in Wunsiedel oder ex negativo die verhinderte Bestattung der sterblichen Überreste Osama bin Ladens zeigen. Wibert von Ravenna/Clemens III. fand 1100 in Civita Castellana sein Grab, nicht aber seine letzte Ruhe. Als Gerüchte von Wundern an seiner Tumba die Runde machten, ließ Paschalis II. die Leiche entfernen, nach Rom überführen und in den Tiber werfen87. Und während Alexander III. seinen 1164 verstorbenen Konkurrenten Viktor IV. in Lucca ruhen ließ88, sorgte Gregor VIII. 1187 in zorniger Aufwallung dafür, dass dessen Knochen vor die Kirchentür gesetzt wurden89. Angesichts dessen ist es ein Rätsel, dass Paschalis III., Viktors Nachfolger, ausgerechnet in St. Peter, in Tuchfühlung mit dem Apostelfürsten, bestattet werden
85 Vgl. oben bei Anm. 32. 86 Vgl. die Übersicht bei Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23), S. 354–356 (mit Einzelnachweisen). 87 Vgl. ebd., S. 141 Anm. 98 und ausführlich den Beitrag von Kai-Michael Sprenger in diesem Band. 88 Während umgekehrt Alexanders III. Leiche nur unter Steinwürfen der Römer überhaupt schnell in den Lateran überführt werden konnte; Chronicon Sigeberti Continuatio Aqui cinctina (wie Anm. 35), S. 418–420 (zu 1179–1180). 89 Sigeberti Auctarium Nicolai Ambianensis, ed. Ludwig Bethmann, in: MGH SS, 6 (wie Anm. 35), S. 473f., hier S. 474 zu 1187: agressusque Ferrariam, Romam properans, Lucam, inveniens ibi confracto sepulcro Octaviani ossa deiecit extra ecclesiam. Vgl. dazu Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23) S. 174 und künftig ausführlich Sprenger, Zwischen den Stühlen (wie Anm. 18), S. 308–336. Für die Übermittlung des Kapitels in einem frühen Stadium danke ich Herrn Sprenger herzlich.
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durfte90. Mit Nikolaus V. änderten sich die Zeiten. Er wurde nach seiner Unterwerfung unter Johannes XXII. im Jahre 1330 an der Kurie in ehrenvoller Haft gehalten und fand drei Jahre später ebenfalls in Avignon, in der Kirche seines Ordens eine unauffällige letzte Ruhestätte. Die Grabsorge der konkurrierenden Päpste des Großen Abendländischen Schismas wurde entweder von deren Ordensbrüdern übernommen oder fand ihren öffentlichen Ort in der jeweiligen Heimat oder an einer früheren Wirkungsstätte des Kandidaten, nicht jedoch an den für das Papsttum traditionsbildenden Begräbnisorten, der Peterskirche oder der Lateranbasilika91. Der stark schematisierte Überblick über die Bestattungssituationen zeigt eine deutliche Tendenz zum freieren Umgang mit den toten Gegnern und das Einräumen der Möglichkeit zur Erinnerung an diese. Eine konsequente damnatio memoriae hätte dagegen wie bei Wibert/Clemens III und Oktavian/Viktor IV. auf völlige Tilgung zielen müssen. In den letzten beiden Jahrhunderten des Mittelalters war es dagegen möglich, dass sich Familien, Ordensbrüder, Gönner und Verehrer durch ein Grabmal als Form ‚gebauter Memoria‘ zu dem Bestatteten bekannten. Parallel zu dieser schleichenden Gewöhnung an öffentliche Hinweise auf päpstliche Konkurrenz ist ein zunehmend milderer Umgang mit den überwundenen Konkurrenten zu deren Lebzeiten zu beobachten. Hatte Innozenz II. auf dem II. Laterankonzil 1139 die wieder gewonnene Einheit der Kirche auch dadurch demonstrativ betont, dass er den Kardinälen Anaklets eigenhändig die Zeichen ihrer Würde abriss – und damit nach Meinung Bernhards von Clairvaux zu weit ging92 –, so ließ Alexander III. knapp drei Jahrzehnte später Calixt III. nach des90 Gesta Friderici I. imperatoris (wie Anm. 9), S. 350. Vgl. Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23), S. 174. In den Katakomben von St. Peter findet man heute keinen Hinweis auf sein Grab. 91 Vgl. Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23), S. 240; zur Ausbildung einer avignonesischen Grabtradition und zu den Gegenpäpsten des 15. Jahrhunderts ebd., S. 250–252, 261–263. 92 La Chronique de Morigny (1095–1152), ed. Léon Mirot, Paris 1909 (Collection de textes pour servir á l’étude et a l’enseignement de l’histoire, 41), S. 72. Vgl. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, ed. Gerhard B. Winkler, Bd. 3, Innsbruck 1992, S. 186–189 Nr. 213. In dem Brief klagt Bernhard den Adressaten, Papst Innozenz II., mangels eines höheren irdischen Tribunals vor diesem selbst an und fordert die Rücknahme der Absetzung des Kardinals Petrus von Pisa. Vgl. zum Geschehen Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 16), S. 55; Raymonde Foreville, Lateran I–IV, Mainz 1970 (Geschichte der ökumenischen Konzilien, 6), S. 219f. Auf demselben Konzil wurden zugleich Weihen und Ordinationen Anaklets und seiner Anhänger für nichtig erklärt; Wohlmuth, Dekrete (wie Anm. 59), S. 203, c. 30. Die identische Vorgehensweise nach Schismen schon auf dem Ersten Laterankonzil (1123), ed. ebd., S. 190 c. 5, und auf dem Dritten (1179), ed. ebd., S. 211f. c. 2.
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sen Unterwerfung als päpstlichen Vikar von Benevent tätig werden, übertrug ihm eine Abtei und entließ dessen vermeintliche Kardinäle in die Ämter und Ordines, aus denen sie gekommen waren93. Felix V. wurde im 15. Jahrhundert für seine Abdankung gar mit dem prestigeträchtigen Titel eines Kardinalbischofs der Sabina und mit der Würde eines ständigen päpstlichen Legaten in Savoyen belohnt – der Gegenpapst also gewissermaßen in die Papstkirche resozialisiert94. Ob die Spaltung der Kirche machtvoll oder maßvoll beigelegt wurde, hing offenbar von den situativen Rahmenbedingungen der Resignationen ab. Die Reichweite des Schismas und die Intensität der Schisma-Erfahrung dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Rivalitäten römischen Zuschnitts und kurzlebige Konkurrenzen vermochte man durch Ausschaltung des Konkurrenten und demonstrative Wiederherstellung der ‚rechten Ordnung‘ aus der Welt zu schaffen, die lang anhaltenden, die europäischen Mächte spaltenden Schismen oder gar die spätmittelalterliche Dauerkrise von 1378 bis 1417 (und regional darüber hinaus) waren mit solchen mehr oder weniger grobschlächtigen Mitteln der Verdrängung, wie sie Verstümmelung, Klosterhaft oder Schandritt darstellten, nicht mehr zu glätten. Die Überlieferung gibt hier Hinweise. Für Wibert von Ravenna/Clemens III. sind 55 Urkunden, sechs Synoden und mindestens vier Legatenmissionen zu verzeichnen; er verfügte mit eigenen Kardinälen, einem Kanzler und einer Kammer über einen frühen Behördenapparat und ragte damit über die anderen Gegenpäpste von des deutschen Herrschers Gnaden weit heraus. Für Anaklet II. schlagen mehr als 70 Urkunden in nur acht Jahren seines Wirkens zu Buche, Viktor IV. bringt es in fünf Jahren immerhin auf knapp 60 Urkunden – jeweils bei grundsätzlich schlechter Überlieferungschance95. Den 93 MGH Const., 1, ed. Ludwig Weiland, Hannover 1893, S. 363 (Pax Veneta 1177, § 13): Ei autem qui dicitur Calixtus una abbatia dabitur. Illi autem qui dicebantur eius cardinales redibunt ad loca que primo habuerunt, nisi ea sponte vel iuditio dimiserant, et in ordinibus, quos ante scisma perceperunt, relinquentur. Die vergleichsweise geringe Bedeutung des päpstlichen Kontrahenten zeigt sich deutlich daran, dass Calixt als Problemfall im Vertragstext weit hinter wichtigen Reichsbischöfen behandelt wird. 94 Ähnlich schon Gregor XII. (1415) als Kardinalbischof von Porto; Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23), S. 262. 95 Zahlen ermittelt aus den Nummern bei Philipp Jaffé, Regesta pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum 1198, Editionem secundam curave runt Ferdinand Kaltenbrunner (anno 64–590), Paul Ewald (anno 590–882), Samuel Loewenfeld (anno 882–1198), 2 Bde., Leipzig 1885–1888 (ND Graz 1956): Anaklet II.: JL 8370–8432, Viktor IV. JL 14425–14484; die Zahl für Wibert nach der Aufstellung bei Stoller, Schism (wie Anm. 12), S. 14–162, 318. Zu Viktors Urkundenausstoß vgl. auch den Beitrag von Werner Maleczek in diesem Band.
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Endpunkt markiert auch hier Felix V., der ein achtbändiges Bullarium hinterlassen hat96. Es bedurfte in wachsendem Maße integrierender Anstrengungen, um die Konkurrenten selbst, ihre Administration und Anhängerschaft mittels Verhandlungen und Kompensationen in die eine römische Kirche zurückzuführen. Dieser Befund des Wandels bietet im Übrigen rückblickend noch einmal ein Indiz für die besondere Eindringlichkeit der Kirchenspaltung von 1130. Nach den kaiserlich gestützten Gegenpäpsten des Investiturstreits ging dieser Riss nun durch das innerste Zentrum der Kirche. Dass Innocenz II. damals die Titelkirche seines Gegenspielers Anaklet, S. Maria in Trastevere, abreißen und neu erbauen ließ, dürfte vorrangig das Ziel verfolgt haben, im römischen Nahbereich des Konfliks jegliches Andenken an den unterlegenen Konkurrenten durch bauliche Überschreibung mit der eigenen Memoria zu überdecken97. Die rigorosen Techniken der Verbannung aus der Öffentlichkeit, der Unterdrückung bzw. Überschreibung von Memoria funktionierten auf lange Sicht nicht mehr. Mit der Zulassung wahrnehmbarer Bestattung und Erinnerungspflege tritt unmittelbar die Frage nach der Gestaltung solcher Grabmäler und dem möglicherweise an ihnen etablierten Kult in den Vordergrund. Aufwand und Aussage solch einer ‚gebauten Memoria‘ waren heikel, denn der Verstorbene musste verbal und symbolisch bezeichnet werden – mit seinem Namen, seiner Herkunft und seinen Ämtern. Das Grabmonument konnte zum Träger biographisch-historischer Information und Interpretation werden, indem man temporäres Papstsein oder den Anspruch darauf etwa durch Verwendung päpstlicher Embleme wie der gekreuzten Schlüssel oder der Tiara manifestierte. Die kunsthistorische Erforschung der Grabmäler von Päpsten und Kardinälen hat sich bislang aus Überlieferungsgründen auf die frühe Neuzeit konzentriert. Eine Ausweitung des Betrachtungsfeldes ins späte Mittelalter dürfte insbesondere für die Zeiten der Konkurrenz um den Stuhl Petri neue Einblicke versprechen. Fühlten sich die ikonographischen Legitimationsbestrebungen ex post einer vollständigen Imitation traditioneller Formen verpflichtet
96 Vgl. Mongiano, Cancelleria (wie Anm. 16), S. 5–11. 97 Vgl. Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 16) S. 55; Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 23), S. 174 sowie den Beitrag von Jochen Johrendt in diesem Band. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Zerstörung der sogenannten Cisterna Neronis nördlich Roms durch Paschalis III. im Jahr 1165 hinzuweisen, die möglicherweise die Tilgung der lokalen Erinnerung an Alexander III. bewirken sollte, der an diesem Ort 1159 geweiht worden war; Chronicon Sigeberti Continuatio Aquicinctina (wie Anm. 35), S. 411.
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wie beim päpstlichen Erhebungszeremoniell oder lassen sich in Marmor geschlagene Formen einer kreativen gegenseitigen Überbietung feststellen?98 Der Umgang der Päpste mit überwundenen Konkurrenten um das Amt zu Lebzeiten und nach deren Tod ist in einer eigentümlichen Spannung zwischen Schaffung und Vermeidung von Öffentlichkeit anzusiedeln. Einerseits musste der eigene Sieg in der zeichenorientierten Welt des Mittelalters eindeutig inszeniert werden, andererseits konnten Zweifel an der Eindeutigkeit der päpstlichen Sukzession und erst recht memoriale Keimzellen des Widerstands eine gefährliche Wirkung entfalten, weil sie eine andere Lesart der Kirchengeschichte boten, indem sie dem ordo und numerus der Päpste, wie es Helinand von Froidmont nannte, die Eindeutigkeit nahmen99.
Wahrnehmung und Wirkung Die Zeitgenossen waren in Schisma-Zeiten dagegen von anderen Sorgen geplagt. Wie laut die Nachrichten von Konkurrenzen um das römische Bischofsamt im früheren Mittelalter an das Ohr der einfachen Bevölkerung drangen, lässt sich nicht genau beantworten. Die Chronisten der Kirchenspaltungen des 12. und erst recht des ‚langen‘ 14. Jahrhunderts lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass die Verdopplung kirchlicher Strukturen bis in die Diözesen hinein von den Menschen wahrgenommen wurde und zu Verunsicherung führte. Solange das Schisma andauerte, waren die rechtlichen und administrativen Verhältnisse der Kirche ebenso infrage gestellt wie die reine Lehre und die Verwaltung der Sakramente, mithin am Ende auch das individuelle Seelenheil der Gläubigen. Konkurrierende Päpste und Schismen drangen vom Hochmittelalter an immer stärker als reale Phänomene in das Bewusstsein. In der Historiographie lässt sich hierfür aus dem Aufkommen und Eindringen des meist deskriptiv verwendeten antipapa- Begriffs möglicherweise ein Indiz gewinnen100. Geschichtsschreibung setzt bei aller Gefahr der Verzerrung durch Fehlinformation und persönliche Interessen doch stets 98 Die vertiefte Betrachtung gegenpäpstlicher Memoria in schriftlicher, bildnerischer und monumentaler Form steht im Zentrum der zweiten Phase des Projekts ‚Gegenpäpste. Prüfsteine päpstlicher Autorität im Mittelalter‘. Es wird unter Federführung von Brigitte Hotz ein ergänzender Schwerpunkt ,gebaute Memoria‘ eingerichtet, der sich mit der Erschließung und historisch einordnenden Interpretation gegenpäpstlicher Grabmonumente und der dort verwendeten Petrus-Ikonographie befasst. Hierzu ist ferner die Kooperation mit dem Requiem-Projekt (Berlin, Wuppertal) vereinbart, das sein Augenmerk künftig auch auf die Grabmäler des hohen und späten Mittelalters richten will. 99 Vgl. dazu oben bei Anm. 56. 100 Vgl. dazu oben bei Anm. 50.
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eine Reflexion des aufgezeichneten Geschehens voraus. Insofern spiegeln sich in den Formulierungen, Vergleichskategorien und Beurteilungen zeitgenössische Wahrnehmungskategorien. Sie sind freilich selten wertneutral, sondern entwerfen das Bild der Protagonisten gemäß einem je eigenen historischen Ablaufmuster. Auch sie sind dadurch wie die Papstlisten, Inschriften und Denkmäler ein Teil der polaren päpstlich-gegenpäpstlichen Memoria – ein Befund, der bis in die gegenwärtige Kirchengeschichtsschreibung zu beobachten ist101. Ansonsten ist die Wahrnehmung der Zeitgenossen primär aus dem Wechselspiel zwischen den päpstlichen Rivalen einerseits und den Empfängern ihrer Anordnungen auf rechtlichem, dogmatischem und liturgischem Gebiet andererseits herauszulesen; Wahrnehmung wird in Handlung übersetzt. Ein Indiz für den Verlust selbstverständlicher Orientierung bieten etwa die Datierungen der Schriftstücke nach Pontifikatsjahren, die eine Festlegung verlangten, in denen mitunter aber mangels Eindeutigkeit an der Kirchenspitze nach alternativen Haltepunkten gesucht wurde, an denen man Geschehnisse zeitlich-autoritativ verankern konnte102. So berechtigt die Konzentration auf die Gegenpäpste als Akteure der Auseinandersetzung ist, so klar sind aber auch die in jüngerer Zeit deutlich herausgearbeiteten Einschränkungen eines linearen Herrschaftsbegriffs in Rechnung zu stellen. Noch stärker als bei der weltlichen Herrschaft, für die der Konsens und die Folgebereitschaft der Großen gegenüber dem Befehl des Herrschers deutlich an Gewicht gewonnen hat103, basierte die Kraft des römischen Bischofs innerhalb 101 Der Hinweis auf das Gegeneinander papalistisch-apologetischer und patriotisch motivierter Bewertungstendenzen gerade in Bezug auf das Große Abendländische Schisma, das von Johannes Haller bis Heribert Müller immer wieder konstatiert wurde, kann hier genügen. Vgl. den kritischen Bericht über den diesbezüglichen Forschungsstand bei Müller, Krise (wie Anm. 13), S. 62–64. Vergleichende Untersuchungen der Sprachpraxis in papstgeschichtlichen Werken dürften ebenfalls erhellend sein. Völlig willkürlich herausgegriffen: Schimmelpfennig, Papsttum (wie Anm. 4), übt sich durchgängig in der bloßen Feststellung von Doppelwahlen und Konkurrenzen auf dem Papstthron, das Register des Bandes scheidet aber klar in Päpste und Gegenpäpste. Zimmermann, Papsttum (wie Anm. 57), behandelt Gegenpäpste stets mit eingeklammerter Zählung, gewährt ihnen im Register aber die Sigle P(apst). Walter Brandmüller, Das Konzil von Pavia-Siena 1423–1424, Paderborn u. a. 2002 (Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen), spricht Benedikt XIII. durchgehend mit Papstnamen und Ordnungszahl an und verzeichnet ihn im Register als „Papst der avignonesischen Obödienz“ (S. 351), während die von ihm begründete Linie als „Spuk von Peñiscola“ (S. 173) gilt. 102 Vgl. dazu oben bei Anm. 18. 103 Vgl. Bernhard Jussen, Um 2005: Diskutieren über Könige im vormodernen Europa. Einleitung, in: Ders. (Hg.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, S. XI–XXIV, bes. S. XVII–XIX. Auf neue
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eines weit geschnittenen, de facto unkontrollierbaren Autoritätsbereichs auf dem Willen der regionalen Kirchen, Orientierung, Hilfe und Entscheidung an der Kurie zu suchen. Deshalb ist diese Interaktion gerade in der Zeit von Konkurrenzen noch stärker aus der Perspektive der Petenten, Privilegien- und Mandatsempfänger zu betrachten. Sie waren es, die vermittelt durch die Obödienzgewährung oder den Obödienzentzug ihrer kirchlichen oder politischen Anführer über die Durchsetzung individueller Ansprüche auf das Papstamt entschieden. Insofern erscheint die zunehmende regionale Fokussierung des papstgeschichtlichen Blicks auch in schismatischen Situationen nicht erst für das Große Abendländische Schisma sehr berechtigt104. Spärliche Einblicke in die zeitgenössische Gemütslage erlauben zudem Schisma-Traktate. Sie führen die Auseinandersetzung mit der gestörten Kirchen- und Heilsordnung meist polemisch, aber nicht gänzlich ohne analytische Züge und lassen dabei übliche Ordnungsvorstellungen ebenso erkennen wie heilspraktische Befürchtungen und gedankliche Ansätze zur Beseitigung der Störung105. Herrschaftsmodelle, die in der Salierzeit eindrücklich werden, hat Stefan Weinfurter in vielen Beiträgen hingewiesen. Charakteristisch gebündelt für unsere Überlegungen Ders., Das Reich im Mittelalter. Kleine deutsche Geschichte von 500 bis 1500, München 2008, S. 111: „Der lateinische Begriff für Reich lautet regnum, und es ist deutlich zu erkennen, dass er an dieser Stelle nicht mehr wie noch zu Beginn des salischen Jahrhunderts mit ‚Königsherrschaft‘ übersetzt werden kann. Das regnum um 1120 hatte sich verselbständigt und war dem König gegenübergetreten. Das kam auch darin zum Ausdruck, dass die Fürsten sich zu einer Schwurgemeinschaft zusammenschlossen, um den Kaiser notfalls mit Gewalt zur Erfüllung der Abmachungen zu zwingen.“ 104 Jüngere Studien zum Verhältnis des Papsttums zu einzelnen Reichen und Regionen beachten weitgehend selbstverständlich die Schismen als mögliche Schwellen der Interaktion. Vgl. etwa Johrendt, Sonderfall (wie Anm. 78) sowie durchgehend die von einem gemeinsamen Frageraster geleiteten Beiträge in Johrendt, Müller, Zentrum (wie Anm. 8) und Johrendt, Müller, Rom (wie Anm. 74); Santiago Domínguez Sanchez, Klaus Herbers (Hg.), Roma y la Península Ibérica en la alta edad media. La �������� construcción de espacios, normas y redes de la relación / Rom und die Iberische Halbinsel im Hochmittelalter. Die Konstruktion von Räumen, Normen und Netzwerken, Salamanca 2009; Ders., Fleisch, Erinnerung (wie Anm. 30). 105 Das Gebiet erscheint weder mit Blick auf Einzeltexte noch systematisch hinreichend erschlossen. Das Spektrum reicht zumindest vom Investiturstreit über Arnulf von Lisieux, Telesphorus von Cosenza, Heinrich von Langenstein, Dietrich von Niem bis Thomas Ebendorfer. Vgl. u. a. Wido episcopus Ferrariensis de scismate Hildebrandi, ed. Roger Wilmans, Ernst Dümmler, in: MGH L. D. L., 1, Hannover 1891, S. 529–567; Arnulfi Sagiensis archidiaconi, postea episcopi Lexoviensis, invectiva in Girardum Engolismensem episcopum, ed. Julius Dieterich, in: MGH L. d. L., 3, Hannover 1897, S. 81–108; Tractatus de schismaticis (wie Anm. 43); Theoderici de Nyem de scismate libri tres, ed.
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In den Schismatraktaten deuten sich auch die Wirkungen des Streits um die Cathedra Petri an. Waren Gegenpäpste bloße Irrtümer der Geschichte, Ungestalten, die von der Orthodoxie überwunden wurden? Oder kann man in ihnen sogar providentielle Herausforderungen sehen, an denen die Kirche wuchs? Zweifellos dominieren die Bilder von Verunsicherung und gestörter Ordnung, aber man kann die Situationen konkurrierender Papst-Prätendenten mit guten Gründen auch im Sinne einer produktiven Autoritätskrise deuten. Die schwierige, mitunter paralytische Spaltung an der Kirchenspitze provozierte zugleich Verfeinerungen der Verfahren von Papstwahl und Absetzung und förderte die Ausformung alternativer ekklesiologischer Konzepte. Sowohl das Papstwahldekret Nikolaus’ II. von 1059 als auch die Einführung einer zur Wahl notwendigen Zweidrittelmehrheit der Kardinäle durch das III. Laterankonzil 1179 reagierten unmittelbar auf Schisma-Situationen, deren Wiederholung sie rechtlich vorzubeugen suchten106. Gleichwohl ist es trügerisch, an eine wachsende Sicherheit der Papsterhebung durch immer engmaschigere Rechtsvorschriften zu glauben. Das Große Schisma von 1378 beruhte gerade darauf, dass man bei der zeitlich versetzten Konkurrenzwahl Urbans VI. und Clemens’ VII. für keinen der Kandidaten einen wahlrechtlichen Defekt und damit eine schwächere Legitimation feststellen konnte107. Ohne Georg Erler, Leipzig 1890; Le Tractatus de moderno ecclesie scismate de saint Vincent Ferrier (1380). Édition et étude par Paul-Bernard Hodel, Claudien Chevrolet, Patrizia Conforti, Fribourg 2009 (Studia Friburgensia, 104). Gustav Sommerfeldt, Zum Schismentraktat Heinrichs von Langenstein, in: MIÖG. Ergänzungsbd. 7, Graz 1907, S. 436–470; Georg Kreuzer, Zu einem bislang unbeachteten Schismatraktat Heinrichs von Langenstein (gest. 1397), in: AHC 10 (1978), S. 131–144; Ders., Ein übersehener Schismentraktat des Karmeliten Johannes von Hildesheim (†1375), in: Hubert Mordek (Hg.), Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag, Tübingen 1991, S. 347–367; Harald Zimmermann, Thomas Ebendorfers Schismentraktat, in: AÖG 120 (1954), S. 45–147; Jürgen Sarnowski, Historiographische Texte für die Kanzlei: Ein Schismentraktat und eine Kaiserliste in einem Vatikanischen Register, in: Ders. (Hg.), Bilder – Wahrnehmungen – Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und späten Mittelalters, Göttingen 2007 (Nova mediaevalia. Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter, 4), S. 203–229. Vgl. auch Petersohn, Papstschisma (wie Anm. 18) und den Beitrag von Hélène Millet in diesem Band. 106 Vgl. oben bei Anm. 59 sowie zusammenfassend Maleczek, Kardinäle (wie Anm. 16), S. 128–132. Zum Thema jetzt auch Stefan Schima, Papsttum und Nachfolgebeeinflussung. Von den Anfängen bis zur Papstwahlordnung von 1179, Freistadt 2011 (Kirche und Recht, 26). 107 Schimmelpfennig, Papsttum (wie Anm. 4), S. 248, konstatiert eine juristisches wie mit Blick auf die jeweiligen Unterstützerkreise moralisches Patt. Mit derselben Grundaussage Klaus Herbers, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, Darmstadt 2012, S. 252;
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die Bereitschaft eines der Aspiranten zum Rücktritt war kirchenrechtlich nichts zu bewegen; doch war auch dieser Weg angesichts der raschen Obödienzbildung und den daraus resultierenden politischen Konstellationen bald versperrt108. In dieser Lage zeigte sich die Ausweglosigkeit, in die der konkurrenzlose Aufstieg des römischen Papsttums im Hochmittelalter die Kirche als Institution geführt hatte. Zwar gab es mit dem Tatbestand der Häresie eine Begründung, die die Absetzung eines Papstes erlaubt hätte, in Zeiten schismatischer Blockade ließ sich aber zunächst kein Tribunal realisieren, das eine solche Verurteilung des vicarius Christi hätte aussprechen können109. 1160 versuchte es in Pavia eine vom Kaiser initiierte – selbstverständlich parteiische – Synode, das Große Schisma sah erst im 15. Jahrhundert in Pisa und Konstanz den Versuch, das Schisma durch Generalkonzilien und auf der Basis eines geänderten ekklesiologischen Modells beizulegen, in dem nicht mehr der Papst allein die Kirche repräsentierte. Die Gegenpäpste des Mittelalters waren eine grundsätzliche Herausforderung der Kirche und der päpstlichen Autorität. In diesen Krisensituationen offenbarte sich, auf welchen strukturellen Fundamenten und auf welchen Personenkreisen das Papsttum im Mittelalter ruhte – und wie sicher. Warum sich die Reformpäpste des 11. Jahrhunderts mit einer Serie kaiserlicher Gegenspieler konfrontiert sahen, während im 13. Jahrhundert selbst der machtbewusste und konfliktfreudige Friedrich II. nicht zum Mittel eines antirömischen Eigenpapstes griff, ist eine der Fragen, die erst eine systematische Untersuchung des Phänomens wird erhellen können, wie sie das Aachener Gegenpäpste-Projekt auf den hier grob umrissenen Müller, Krise (wie Anm. 13), S. 7: „[…] kaum eindeutig entscheidbare Legitimitätsdiskussion“. Zu kontroversen Äußerungen der Forschung vgl. ebd., S. 63f. 108 Grundlegend zu diesem rechtlichen und politischen Dilemma Dieter Girgensohn, Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro des Lunas), in: AHP 27 (1989), S. 197– 247, bes. S. 228–232. Die seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert kirchenrechtlich denkbare Abdankung eines Papstes löst das Problem de facto selten. Grundlegend zum Thema Martin Bertram, Die Abdankung Papst Cölestins V. (1294) und die Kanonisten, in: ZRG KanAbt 66 (1970), S. 1–101. Einen umfassenden Überblick bietet Thomas Wetzstein, Renuntiatio – resignatio. Zum Amtsverzicht in der Kirche des hohen und späten Mittealters, in: Susan Richter, Dirk Dirbach (Hg.), Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2010, S. 30–61. Vgl. auch den Beitrag von Ursula Giessmann zur Abdankung Felix’ V. in diesem Band. 109 So Bernhard, ed. Winkler (wie Anm. 46), S. 874f. Gratian sah das Problem deutlich, nennt aber zur Lösung keine Kanones, sondern schlägt lediglich die Ordination eines neuen Kandidaten vor, der sich auf das göttliche Urteil und den consensus universitatis stützen kann; Decr. Grat. D. 79 c. 8, ed. Friedberg (wie Anm. 25), Sp. 278. Vgl. zu Problem und Lösungsansätzen bündelnd Maleczek, Kardinäle (wie Anm. 16), S. 130f.
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Feldern unternimmt. Manche Probleme sind noch ähnlich dunkel wie die Botschaft des Bildes ‚The antipope‘ von Max Ernst, das möglicherweise die gebärende Päpstin Johanna zeigt110. Klar ist dagegen, dass die Konkurrenten um den Stuhl Petri alles in ihren Kräften Stehende daran setzten, bei ihren Zeitgenossen nicht als pseudopapa zu gelten und historisch keinesfalls als antipapa zu enden.
110 Vgl. Abb. 4 auf S. 428. Für den plausiblen Hinweis zur Bildinterpretation danke ich Ludwig Vones (Köln) sehr herzlich.
Konkurrenz und Gegnerschaft „Gegenpäpste“ im 8. und 9. Jahrhundert Klaus Herbers*
I. Einleitung Benedictum beatissimum papam volumus ipsumque desideramus! „Wir wollen Benedikt als Papst, ihn wünschen wir uns“, so soll das römische Volk im Jahr 855 extensa voce, also laut, gerufen haben. Und nach Einlenken der kaiserlichen missi sei Anastasius aus dem Lateran vertrieben und verstoßen worden: Eiciatur … expellatur, hieß der Ruf der anwesenden Bischöfe. So jedenfalls berichtet die offiziöse Benediktsvita im Liber Pontificalis über das Ende des „Gegenpapstes“ Anastasius, der später als Bibliothekar in Rom noch eine große Karriere machen sollte1. Über die anderen Phasen von Konkurrenz im 8. und 9. Jahrhundert, die ich in diesen Beitrag einschließen möchte, gibt es weniger ausführliche Berichte; am ehesten hilft das Papstbuch noch mit der Berichterstattung zu den Ereignissen von 767– 769, während für die Konkurrenzen in der formosianischen Epoche der Papstgeschichte, am Ende des 9. Jahrhunderts, meist nur die parteiischen Streitschriften als Quelle dienen können. Es werden drei Situationen kurz analysiert, die leicht anhand der Tabelle bei Thomas Frenz mit den Pontifikaten und „Gegenpäpsten“ oder anderer Papstlisten auszuwählen waren. Insgesamt scheinen das 8. und 9. Jahrhundert wesentlich we-
* Um Raum zu sparen, verweise ich vor allem auf die Papstregesten der Karolingerzeit und folge im Wesentlichen der Vortragsform des Beitrags. Die Belege beschränken sich deshalb auf Quellennachweise und werden nur zur formosianischen Zeit (für die neue Regesten noch in Vorbereitung sind) ausführlicher. – Für Hilfe bei der Einrichtung des Manuskriptes danke ich Cornelia Scherer und Katharina Götz (beide Erlangen). 1 Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, 2 Bde., Bd. 3 ed. Cyrille Vogel, Paris 1886–1892, 1957, hier Bd. 2, S. 143; Johann Friedrich Böhmer, Klaus Herbers, Regesta Imperii I: Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918 (926/962), 4: Papstregesten 800–911. Teil 2: 844–872, Lfg. 1: 844–858, Köln, Weimar u. a. 1999, Nr. 349 mit den weiteren Quellen und Kommentierung.
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niger Spaltungen als die Zeit danach aufzuweisen2. Sieht man von einer kurzen Episode 844 ab, so sind vor allem die drei Zeitabschnitte 767–769, 855 und 897– 904 betroffen. Die Ereignisse böten zweifellos genügend Stoff für einen Thriller oder einen historischen Roman, aber unter welchen Aspekten lohnt sich in unserem Zusammenhang ein Neulesen der Quellen, eine „dichte Beschreibung“ im Sinne von Clifford Geertz3? Will man auf strukturelle und gegebenenfalls typische Aspekte der Zeit abheben, was sich im Rahmen eines Sammelbandes über Gegenpäpste im Mittelalter anbietet, dann scheinen einige Fragen zentral: Wie lange dauerten die jeweiligen Konkurrenzsituationen, inwiefern waren sie sukzessiv und nicht gleichzeitig? Welche Personen und welche Interessen standen hinter den jeweiligen Kandidaten? Welche Verfahren oder Verfahrensdefizite lassen die Beispiele erkennen? Welche Ergebnisse wurden nach der Auflösung der Konflikte sichtbar, welche Konsequenzen gezogen? Schließlich: Inwieweit passen die Titelworte des Bandes bzw. der Tagung – „Gegenpäpste“ und „universale Autorität“ – zu den Phänomenen der von mir in den Blick genommenen Zeit? Ich werde die angesprochenen drei Beispiele bzw. Zeitphasen kurz vorstellen, um daraus Systematisierungen und einige vielleicht für den Gesamtband interessante, strukturelle Überlegungen abzuleiten.
II. 767–769: Zwischen Langobarden, Rom und Byzanz Deutlich wurde die komplizierte Gemengelage der Interessen in Rom zum Beispiel 767, als nach dem Tod Pauls I. (757–767) drei Gruppen um den Pontifikat konkurrierten: die alten Verwaltungsspitzen, eine Parteiung um die bedrängten Grundbesitzer des Umlandes und eine langobardische Gruppierung4. Obwohl schließlich mit Stephan III. (768–772) die erste Fraktion zum Zuge kam, zeigen die grausamen Auseinandersetzungen, wie hart um Positionen gerungen wurde. Der Führer der alten und stärksten Adelspartei, der primicerius Christophorus, meinte, für die Zeit nach Pauls Tod vorgesorgt zu haben. Aber der Papst war kaum tot – er starb am 28. Juni 767 –, da wurde noch am folgenden Tag durch den Führer einer Gegenpartei, Toto, dessen Bruder Konstantin II. gewählt. Konstantin musste aber als Laie ohne Beachtung der Interstitien im Schnellverfahren am 5. 2 Thomas Frenz, Das Papsttum im Mittelalter, Köln, Weimar 2010 (Uni-Taschenbücher, 3351), S. 210–220. 3 Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt/M. 61999 (Suhrkamp Taschenbuch, 696), S. 7–43. 4 Zum folgenden: Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 468–470.
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Juli geweiht werden. Dennoch hielt er sich dreizehn Monate lang ziemlich unangefochten auf der Cathedra Petri5. Christophorus und seinem Sohn Sergius gelang es nur unter dem Vorwand, in ein Kloster eintreten zu wollen, Kontakt zum langobardischen König herzustellen. Als sie mit dessen Truppen unter der Führung eines Priesters Waldipert auf Rom marschierten, wurde Toto in den Handgemengen hinterrücks erstochen, Konstantin II. gefangen gesetzt und eingekerkert. Parteigängern wurden Augen und Zungen ausgerissen, der Usurpator Konstantin als Spottgestalt durch Rom geführt. Waldipert beeilte sich nun, einen Mönch namens Philipp aus einem stadtrömischen Kloster erheben zu lassen. Da diesem jedoch offensichtlich der Rückhalt in der Stadt fehlte, erfuhr auch er die Rache der Römer. Nach dem Gerücht, dass er Rom dem Herzog von Spoleto verraten wolle, stellte man ihn im Pantheon, wo er Asyl gesucht und ein Heiligenbild umklammert hatte, setzte ihn gefangen und brachte ihn um. Erst so konnte der später ankommende Christophorus die Wahl Stephans III. schließlich erzwingen. Insofern bietet die Situation der Jahre 768–769 keine eigentlichen Ausprägungen eines Gegenpapsttums, sondern eher drei sukzessive Pontifikate, von denen zwei mit Gefangennahme bzw. Absetzung endeten. Diese beiden erscheinen aber nicht in der offiziellen Papstliste. Grausam mutet auch noch die anschließende Synode an, die Stephan 769 abhalten ließ: Der geblendete Konstantin II. breitete die Hände aus, warf sich zu Boden und flehte um Erbarmen6. Sein Ende ist ungewiss, jedenfalls verbrannte die Synode die Akten des ‚falschen‘ Papstes. Vor dem Hintergrund dieser blutigen Ereignisse versuchte Stephan III. mit den 769 auf dieser Synode erlassenen Bestimmungen zur Papstwahl, den Einfluss des höheren Klerus wieder zu steigern7 – allerdings mit eingeschränktem Erfolg, denn in kaum einer der folgenden Wahlen wurde diese Ordnung erkennbar angewandt. Vielleicht hüllte sich auch deshalb die Vita Hadrians I. nach der Wahl von 772 in Schweigen; sie berichtet jedenfalls keine Details über die Erhebung8. Problematisch blieben die Wahlakte aber vor 5 Ebd. S. 469; vgl. Philipp Jaffé (Bearb.), Regesta pontificum Romanorum (bis 1198), 2Aufl. überarbeitet von Wilhelm Wattenbach, Samuel Löwenfeld u. a., 2 Bde., Leipzig 1885–1888 (ND Graz 1956), hier Bd. 1, S. 283f. 6 Jaffé 1, S. 285; Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 472–477; MGH Conc., 2,1, Hannover 1906 (ND Hannover 1997), S. 76–92. 7 Jaffé 1, S. 285; MGH Conc., 2,1 (wie Anm. 6), S. 74–92, bes. S. 86f.; vgl. hierzu Stefan Schima, Papsttum und Nachfolgebeeinflussung. Von den Anfängen bis zur Papstwahlordnung von 1179, Freistadt 2011 (Kirche und Recht, 26), S. 167–170, 196f. 8 Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 486f.
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allem deshalb, weil viele der weltlichen Amtsträger inzwischen zumindest zum niederen Klerus gehörten. Ein Papst stammte darum auch künftig in der Regel aus einer angesehenen römischen Familie und musste gegebenenfalls die Anhänger seines Vorgängers gewinnen oder zumindest neutralisieren. Im Dekret Stephans III. zur Papstwahl wurden aber aus der Gruppe der Diakone und Presbyter Kardinäle (unus de cardinalibus presbiteris aut diaconibus) hervorgehoben. Erstmals berichtet auch der Liber Pontificalis zu dieser Zeit über sieben Kardinalbischöfe. Sie sollten wöchentlich an der Lateranbasilika den Dienst versehen und sonntags in Sankt Peter zelebrieren9.
III. 855: Zwischen Karolingern, Rom und Byzanz Anders war die Situation knapp 100 Jahre später, denn nun schien in vielfacher Hinsicht die Wendung der Päpste zu den Franken endgültig vollzogen. Sieht man von frankenfeindlichen Umtrieben ab, hinter denen 823/824 fränkische Autoren sogar Papst Paschalis I. vermuteten10, so scheint jedoch die Alternative Byzanz oder Frankenreich unter Papst Leo IV. kurz erneut virulent geworden zu sein. Dies lässt vor allem eine Passage am Schluss der Vita dieses Papstes erkennen11. Der magister militum Daniel hatte den karolingischen Kaiser Ludwig II. 855 informiert, der magister militum und superista Gratian beabsichtige, mit Hilfe der Griechen 9 Ebd., S. 478. 10 ������������������������������������������������������������������������������������ Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, ed. Friedrich Kurze, Hannover 1895 (MGH SRG in us. schol., 6), S. 161f.; Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, ed. Ernst Tremp, Hannover 1995 (MGH SRG in us. schol., 64), c. 37, S. 416–418; vgl. Johannes Fried, Ludwig der Fromme, das Papsttum und die fränkische Kirche, in: Peter Godman, Roger Collins (Hg.), Charlemagne’s heir. New perspectives on the reign of Louis the Pious (814–849), Oxford 1990, S. 231–273, hier S. 257f. Jüngst verbindet Caroline J. Goodson, The Rome of pope Paschal I. Papal power, urban renovation, church rebuilding and relic translation 817–824, Cambridge u. a. 2010 (Cambridge studies in medieval life and thought, Ser. 4, 77), S. 33–43, die allgemeinen politischen Entwicklungen mit der Fürsorge des Papstes für die Stadt. 11 Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 134; Pietro Bohier, Liber pontificalis nella recensione di Pietro Guglielmo e del card. Pandolfo, 3 Bde., ed. Oldrich Přerovský, Rom 1978 (SG, 21–23), hier Bd. 2, S. 579; vgl. Johann Friedrich Böhmer, Herbert Zielinski, Regesta Imperii I: Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (926), 3: Die Regesten des Regnum Italiae und der burgundische Regna. Teil 1: Die Karolinger im Regnum Italiae 840–887 (888), Köln, Wien 1991, Nr. 131–132 sowie Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 329–330 mit weiterer Literatur.
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die Franken und deren Volk zu vertreiben. Daraufhin eilte Kaiser Ludwig II. nach Rom, wo ihn Papst Leo IV. beruhigte. Daniel wurde der falschen Anklage bezichtigt und nach römischem Recht dem Gratian überstellt. Als Daniel zugab, falsch ausgesagt zu haben, entging er auf Bitten Ludwigs II. dem Tod12. Selbst wenn am Ende der Verhandlung invidia der beiden Personen als Ursache für die falsche Beschuldigung angegeben wird, so bleibt die Bemerkung zu einer angeblich erneuten Hinwendung zu den Griechen aufschlussreich, und diese wurde anscheinend auch von Ludwig II. als ernsthafte Bedrohung empfunden. Offensichtlich standen sich in Gratian und Daniel zwei Vertreter rivalisierender Gruppen gegenüber, beide bekleideten als magistri militum, ja einer sogar als superista in Rom wichtige Positionen. Ziemlich sicher kann Gratian im Zusammenhang mit dem nach dem Tod Leos IV. 855 in Rom ausbrechenden Schisma zwischen (dem „Gegenpapst“) Anastasius und Benedikt III. nachgewiesen werden. Hier erscheint er als Feind des Anastasius und wohl auch Kaiser Ludwigs II.: Daniel suchte gegen Gratian offensichtlich kaiserliche Hilfe, Ludwig II. stand auf der Seite Daniels, Gratian eher auf der Seite eines unabhängigen, vielleicht sogar griechenfreundlichen Papstes. Bezieht man die Episode vor dem Tod Leos IV. ein, so erklärt sich das Gegenpapsttum des Anastasius, der als Kandidat Ludwigs II. galt, in neuer Weise. Anastasius war eine der profiliertesten und intellektuell gebildeten Gestalten Roms in der Mitte des 9. Jahrhunderts, wie an seiner Rolle in der ‚Kanzlei‘ Nikolaus’ I. und dessen Nachfolgern vor allem bei der Abfassung von Briefen und einigen Schriften deutlich wird. Er war vielleicht ein Parteigänger Kaiser Ludwigs II. und hatte unzulässigerweise 848 seine römische Titelkirche San Marcello verlassen. Mehrmals geladen, wurde der spätere päpstliche Konkurrent nach wiederholtem Nichterscheinen und mehreren Urteilssprüchen endgültig auf einem römischen Konzil im Dezember 853 verurteilt und mit dem Anathem belegt. Über den Toren von Sankt Peter ließ Leo IV. die Urteilssentenz sogar als Inschrift anbringen; sie machte die Opposition sichtbar13. Nach dem Tod Leos IV. im Sommer 855 kam es zu der schon genannten schismatischen Wahl, über die der Liber Pontificalis auf etwa vier Druckseiten ausführlich berichtet. Nach einer ersten Erhebung Benedikts III. kamen missi mit Briefen des Kaisers nach Rom zurück, deren Inhalt nicht bekannt ist. Vielleicht lehnten sie die Wahl Benedikts ab. Dies könnte man vermuten, weil die päpstlichen Bo12 Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 330; vgl. Klaus Herbers, Leo IV. und das Papsttum in der Mitte des 9. Jahrhunderts. Möglichkeiten und Grenzen päpstlicher Herrschaft in der späten Karolingerzeit, Stuttgart 1996 (Päpste und Papsttum, 27), S. 224–227. 13 Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 308.
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ten angeblich von Bischof Arsenius von Orte in Gubbio abgefangen wurden und zugunsten einer Wahl Anastasius’ umgestimmt worden seien14. Daraufhin wurde Anastasius von einer kaiserlichen Parteiung, zu der sein Onkel Bischof Arsenius, Markgraf Adalbert von Tuszien und Bernhard von Verona gehörten, nach Rom geschickt, wo er weitere Anhänger gewann, darunter Bischof Nikolaus von Anagni sowie die magistri militum Mercurius, Gregor und Christophorus15. Benedikt schickte darauf nochmals Boten zum Kaiser, die aber Anastasius abfangen und gefangen nehmen ließ16. Bei seinem Marsch auf Rom gewann Anastasius den superista Gratian und den Skriniar Theodor für seine Sache17, zerstörte dann in Sankt Peter zahlreiche Bilder, darunter das mit Inschrift versehene Bild über seine Absetzung18, um sich schließlich des Lateranpalastes und des dortigen Thrones zu bemächtigen. Zuvor hatte er Benedikt III. durch Bischof Romanus von Balnorea vom Throne stoßen lassen. Außerdem wurde Benedikt der Pontifikalgewänder beraubt und den früher von Leo IV. abgesetzten Priestern Johannes und Hadrian zur Inhaftierung übergeben19. Es folgte der Versuch der kaiserlichen missi, Klerus und Volk zur Teilnahme an der Erhebung des Anastasius zu bewegen. Dies erfolgte mit verschiedenartiger Androhung von Gewalt20. Erst nach langen Auseinandersetzungen – weil auch die Bischöfe von Ostia und Albano zur Weihe nicht gewonnen werden konnten – lenkte die kaiserliche Parteiung ein, jedoch – wie die Benediktsvita unterstreicht – nach zahlreichen Drohungen und nach verschiedenen Beratungen, die sie auch in ihrer eigenen Sprache führte21. Es folgte dann die Vertreibung des Anastasius 14 Ebd., Nr. 336–338. 15 Ebd., Nr. 339. 16 Ebd., Nr. 342–343; vgl. zur zweiten Entsendung von Boten ebd., Nr. 344. 17 Ebd., Nr. 345. 18 Ebd., Nr. 346; vgl. Anm. 13. 19 Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 347. 20 Altera quidem die, praedicti episcopi cum universo clero ac populo Emilianae titulo convenerunt, in quo etiam Augusti sepius dicti legati frementes magnaque tumentes supervia pervenerunt, et impetu facto, apsida quam episcopi psallentes residebant cum clero, leones veluti ferocissimi, conscenderunt erectisque baculis eos conabantur elidere ensibusque punire, dicentes: „Acquiescite, et vestro consensu pontificali Anastasius culmine subrogetur.“ Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 142f.; vgl. Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 348. 21 Illi vero, sancto repleti Spiritu adfirmabant, dicentes: „Numquam in depositum et anathemate sancto presule beataque synodo vinctum consentimus, sed modis omnibus abicimus ac Dei caetibus segregamus.“ Ipsi denique furibundi verberibus eos tormentisque dicebant punire; sed beatissimi Deique omnipotentis antistes et qui eum ipsis aderant, terrores vel minas eorum parvipendentes, inmobiles persisterunt. Quorum constantiam iamdicti Franci cernentes ab eis ira discesserunt repleti, et in quodam cubiculo ipsius basilice sunt ingressi, diversaque consilia
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aus dem Lateran. Auf Druck des Volkes, das – wie eingangs erwähnt – Benedictum beatissimum papam volumus skandierte, wurde Benedikt erneut in den Lateran geführt und auf das Pferd Leos IV. zur Prozession nach Santa Maria Maggiore gesetzt22. Erst danach wurde Benedikt nach dreitägigem Beten und Fasten in Santa Maria Maggiore auch von den Parteigängern des Anastasius anerkannt, denen er vergab, um dann im Lateran inthronisiert und in Sankt Peter geweiht zu werden23. Anastasius ließ er am selben Tag der priesterlichen Gewänder entkleiden und erlaubte ihm nur die Laienkommunion24. Neu an diesem Schisma war gegenüber früheren strittigen Wahlen, dass nun einer der Kontrahenten als Gefolgsmann des Karolingers Ludwig II. für sich bessere Chancen sah und die Fraktionen im römischen Klerus trotz seiner Absetzung auszunutzen versuchte.
IV. 897–904: Formosianisches Zeitalter Der insgesamt komplexeste dritte Bereich sei nur knapp angedeutet. Nach dem Tod des Formosus kam es 897 zum bekannten Leichengericht, auf das ich hier ebenso wenig wie auf die damit zusammenhängenden Streitschriften näher eingehen möchte25. Allerdings gilt in der offiziellen Papstliste zu dieser Zeit nur einer meditabant; in quo etiam Ostie Albanique antistites coactos introduxerunt, quos molliori sermone blandisque reducere adulationibus decertabant et postmodum asperis promissionibus circumdabant, quibus stridula etiam voce dicebant: „Nullatenus vitam possidere potestis, sed capitali subiacebitis sanctione, nisi consecrationis Anastasio gratiam dederitis.“ Illi autem ante se morti tradere proferebant, membratimque se laniari quam deposito, anathemate damnato, consecrationis tribuerent benedictionem. Arguebant autem eosdem missos et universas demonstrabant sacrae responsiones Scripturae, qualiter nullatenus eundem depositum ordine quo poscebant constituere valuissent. Protinus vero secretius lingua eorum confabulantes, furor qui in eis exuberabat minuit, mentibusque eorum videbatur expulsus. Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 143; vgl. Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 348. 22 Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 349. 23 Ebd., Nr. 350–353. 24 Ebd., Nr. 355. 25 Vgl. hierzu meinen Beitrag: Erinnern, vergessen und verformen. Papst Formosus (891– 896) in der Erinnerung, in: Sebastian Scholz, Gerald Schwedler (Hg.), Damnatio in memoria – Deformation und Gegenkonstruktionen in der Geschichte (im Druck). Zum Ansehen der Päpste dieser Zeit vgl. Klaus Herbers, Päpstliche Autorität und päpstliche Entscheidungen an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert, in: Wilfried Hartmann (Hg.), Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, München 2007 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, 69), S. 7–30 (nachgedruckt in: Klaus Herbers, Pil-
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der Päpste als „Gegenpapst“: Christophorus, der 903 Papst Leo V. einkerkern ließ. Zählt man diesen Christophorus mit, so folgten auf Formosus in einem Zeitraum von etwa 15 Jahren neun Päpste (Bonifaz VI., Stephan VI., Romanus, Theodor II., Johannes IX., Benedikt IV., Leo V., Christophorus, Sergius III.). Schaut man genauer hin, so stellt sich das Problem einer grundsätzlich ‚normalen‘ Papstfolge etwas komplizierter dar. Papst Stephan VI. wurde im Juni 897 laut dem Epitaph von den Römern gefangengenommen, seiner Würde beraubt, eingekerkert26 und Ende Juli im Kerker erdrosselt27. Dessen Nachfolger und Gegner Romanus beendete seinen Pontifikat zu Lebzeiten (November 897) und wurde Mönch28, wahrscheinlich nicht ganz freiwillig: Mönch werden oder zum Mönch ger, Päpste, Heilige. Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Gordon Blennemann, Wiebke Deimann u. a., Tübingen 2011, S. 313–337, mit Originalpaginierung). Zur formosianischen Zeit vgl. fortlaufend Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz, Wien u. a. 1969, S. 53–76; Sebastian Scholz, Transmigration und Translation. Studien zum Bistumswechsel der Bischöfe von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter, Köln u. a. 1992 (Kölner Historische Abhandlungen, 37), S. 219–242; Jochen Johrendt, Eine Leiche vor Gericht. Streit vor und um Päpste in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, in: Matthias Becher, Alheydis Plassmann (Hg.), Streit am Hof im frühen Mittelalter, Göttingen 2011 (Super alta perennis. Studien zur Wirkung der klassischen Antike, 11), S. 389–410; Marie-Luise Heckmann, Der Fall Formosus. Ungerechtfertigte Anklage gegen einen Toten, Leichenfrevel oder inszenierte Entheiligung des Sakralen?, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, Ostfildern 2012 (MittelalterForschungen, 38), S. 223–238. 26 Epitaph bei Petrus Mallius, Descriptio basilicae Vaticanae aucta atque emendata, ed. Roberto Valentini, Giuseppe Zucchetti, Rom 1946 (Fonti per la storia d’Italia, 90), S. 375–442; vgl. Flodoard von Reims, De Christi triumphis apud Italiam (Migne, PL 135), Sp. 595–886, hier Sp. 830; Jaffé 1, S. 445; vgl. zur Sache Paolo Brezzi, Roma e l’impero medievale, Bologna 1947 (Storia di Roma, 10), S. 93; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 59; zu den Epithaphen und Grablegen der Päpste vgl. grundsätzlich auch Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 95), S. 124–126. 27 Vgl. ebenso das Epitaph bei Petrus Mallius, Descriptio (wie Anm. 26), S. 416; Flodoard von Reims, De Christi triumphis (wie Anm. 26), Sp. 829f.; Auxilius von Neapel, In defensionem sacrae ordinationis papae Formosi, ed. Ernst Dümmler, in: Ders., Auxilius und Vulgarius, Leipzig 1866, S. 59–95, hier S. 72 und die in der vorigen Anm. angegebene Literatur. 28 Liber pontificalis (cod. Par. 5140), ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 230; Jaffé 1, S. 441; vgl. zur Sache Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 59. – Einen nicht ganz freiwilligen Verzicht des Papstes folgern manche Autoren aus einer Bemerkung des 11. Jahrhunderts, Romanus sei zum Mönch gemacht worden. Laut Liber pontificalis,
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gemacht werden – letzteres suggeriert eine Notiz des 11. Jahrhunderts – waren eben doch zweierlei Dinge. Der Pontifikat Theodors II., römisch-griechischer Herkunft, scheint reibungslos, aber kurz gewesen zu sein. Nach seinem Tod kam aber ein „Gegenpapsttum“ zustande, denn der Antiformosianer Sergius III. wurde gegen Johannes IX. erhoben29. Sergius’ Pontifikat kam als Gegenpapsttum wohl deshalb oft nicht in den Blick – so beispielsweise bei Jaffé –, weil er sieben Jahre später die Cathedra Petri erneut errang und von 904–911 unangefochten innehatte. In seinem eigenen Verständnis waren jedoch die seit Johannes IX. agieed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 230 Anm. 1, könnte diese Notiz auch zu Papst Stephan VI. gehört haben und als Randglosse irrig zu den Bemerkungen über Romanus geraten sein. Jedoch wird die Vermutung eines erzwungenen Amtsverzichtes durch das Fehlen eines Epitaphes weiter verstärkt; vgl. lediglich die sehr vagen Verse bei Flodoard von Reims, De Christi triumphis (wie Anm. 26), Sp. 830 sowie Renzo U. Montini, Le tombe dei papi, Rom 1957, S. 148 Nr. 115, S. 442 App. IIIa mit Verweis auf die mögliche Bestattung in einem Sammelgrab in Sankt Peter. 29 Epitaph des Sergius bei Flodoard von Reims, De Christi triumphis (wie Anm. 26), Sp. 830; Auxilius von Neapel, In defensionem (wie Anm. 27), S. 61; Jaffé 1, S. 445; vgl Joseph Duhr, Le Concile de Ravenne en 898. La réhabilitation du pape Formose, in: RechSR 32 (1932), S. 541–579, hier S. 578f.; Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 93; Massimo Petrocchi, La personalità di un papa tiburtino: Giovanni IX. (898–900), in: Atti e memorie della Società Tiburtina di Storia e d’Arte già Accademia degli Agevoli e Colonia degli Arcadi Sibillini 39 (1966), S. 7–14, hier S. 8; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 60; Scholz, Transmigration (wie Anm. 25), S. 228–231. Zum genannten Epitaph, das am klarsten nur von einer Wahl des Sergius bis zu dessen Vertreibung durch Papst Johannes IX. berichtet, vgl. auch Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 238 Anm. 7 sowie Montini, Tombe (wie Anm. 28), S. 150f. Nr. 120. Sergius hielt auch noch später an der Rechmäßigkeit seiner Wahl fest und betrachtete die Päpste von Johannes IX. bis zu Christophorus als Invasoren; vgl. die zitierte Quellennotiz des Auxilius. In dieser in Dialogform gehaltenen Schrift wird jedoch auch in der Gegenrede auf eine nur durch eine Parteiung vorgenommene Wahl hingewiesen: Nonne publica electione nec advocatus nec electus fuisti, sed ex parte tantum et ideo ad tanti honoris apicem regulariter pertingere non valuisti. Aufgrund der folgenden Ereignisse ist eine quellenmäßig zwar nicht bezeugte, aber wahrscheinlich etwa gleichzeitige Wahl des Presbyters Johannes anzunehmen. Der von Papst Marinus I. zum Subdiakon und von Papst Stephan V. zum Diakon geweihte Sergius war 893 von Papst Formosus zum Bischof von Cerveteri ordiniert worden, hatte jedoch seit 896 dieses Amt wohl nicht mehr ausgeübt. Sergius war ein Parteigänger des Papstes Stephan VI. und Antiformosianer, der die Weihen des Formosus nicht anerkannte; wahrscheinlich wurde er deshalb von Stephan VI. erneut zum Priester geweiht, wie Pietro Fedele, Ricerche per la storia di Roma e del papato nel secolo X, in: ASRSP 33 (1910), S. 177–247, hier S. 190, vermutet. Nach manchen späteren Quellen war Sergius Gegenkandidat gegen Papst Formosus; diese Behauptung beruht wohl auf einer Verwechslung mit dem Gegenpapsttum 897–898.
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renden Päpste allesamt Invasoren. Allerdings datieren die von ihm überlieferten Papsturkunden in der Zählung der Pontifikatsjahre nach der Weihe 904. Denkt man an die freilich nicht ganz unumstrittenen Einlassungen der bayerischen Bischöfe und Hattos von Mainz an Johannes IX., so scheint nach Ansicht der Zeitgenossen außerhalb Roms Johannes unangefochten gewesen zu sein30. Allerdings wissen wir nur vom Ende seines Pontifikates, über seinen Tod schweigen die Quellen31. Der anschließend erhobene Benedikt IV. scheint bis 903 konkurrenzlos gewesen zu sein und starb eines natürlichen Todes. Probleme und Fragen stellen sich erst wieder mit Leo V. Er soll als auswärtiger Priester in Rom spontan erhoben worden sein. Spätere Viten aus der Bretagne wollen sogar wissen, dass Leo V. zwei Jahre später nach Frankreich zurückgekehrt sei32. Ob die auswärtige Herkunft den schon erwähnten Christophorus auf den Plan rief, ist unsicher. Jedenfalls wurde der Papst von dem römischen (Kardinal-)Presbyter von San Lorenzo in Damaso im Auftrag von Christophorus gefangen genommen und eingekerkert33.
30 Herbers, Päpstliche Autorität (wie Anm. 25), S. 24–27; die ebd. Anm. 79 zitierten Abhandlungen Egon Boshofs zur Sache jetzt auch nachgedruckt in: Franz-Reiner Erkens (Hg.), Königtum, Kirche und Mission im Südosten des Reiches. Ausgewählte Aufsätze von Egon Boshof. Festgabe zum 75. Geburtstag, Passau 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen der Universität Passau, 63), S. 33–60, 83–112. 31 Jaffé 1, S. 443; vgl. Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 96; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 63. Keine der überlieferten Quellen spricht den Tod des Papstes direkt an. 32 Auxilius von Neapel, In defensionem (wie Anm. 27), S. 1 und App.; Flodoard von Reims, De Christi triumphis (wie Anm. 26), Sp. 830; vgl. Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 102; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 63; Klaus Herbers, Léon V., in: Dictionnaire historique de la Papauté (1994), S. 1023. Zu Leo heißt es: Leo natione Ardeatinus, de loco qui appellatur Priapi; Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 234. Dies wird gewöhnlich auf die 37 km südlich von Rom gelegene Stadt Ardea bezogen. Diese Charakterisierung als auswärtiger Priester führte vielleicht zu der wohl im 12. Jahrhundert entstandenen Geschichte in zwei Versionen der Vita Tugduali (BHL, Nr. 8351, 8353); Arthur de la Borderie, Les trois anciennes vies de s. Tugdual, in: Mémoires de la Société archéologique et historique des Côtes-du-Nord, 2e série 2 (1886–1887), S. 84–117, hier S. 88f., 106ff. Demnach sei (der im 6. Jahrhundert? lebende) Tugdual anlässlich einer Romreise als Leo Britigena zum Papst erhoben worden und habe das Papstamt zwei Jahre innegehabt, bevor er wieder nach Frankreich zurückgekehrt sei. 33 Zeitgenössisch belegt bei Auxilius von Neapel, In defensionem (wie Anm. 27), S. 60; vgl. Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 234; Jaffé 1, S. 444; vgl. Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 102; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 63.
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Dieser Akt wurde in den meisten mittelalterlichen Quellen als invasio oder ähnlich charakterisiert34. Die Notiz von Christophorus’ Ende ist zugleich die Nachricht vom erneuten Erfolg Sergius’ III., der Christophorus im Januar 904 durch die von ihm beauftragten Franken und einige Römer gefangen nehmen ließ, absetzte und in Klosterhaft schickte. Gestorben ist Christophorus während des Pontifikates Sergius’35. Hier schließt sich ein Kreis: Der 897 oft als „Gegenpapst“ erscheinende Sergius III., der seine Ansprüche nicht aufgab, blieb 904 gegen einen anderen „Gegenpapst“, Christophorus, der Leo V. hatte einkerkern lassen, siegreich. Neben dieser Episode ist das Ende vieler anderer Protagonisten so merkwürdig und widersprüchlich, dass man kaum von einer regulären und formal eindeutigen Folge im Papstamt ausgehen mag.
V. Strukturen und Befunde Die dargestellten drei Situationen erlauben einige strukturelle Beobachtungen: 1. Die ausgeführten Beispiele des 8. und 9. Jahrhunderts, die gelegentlich mit dem Begriff „Gegenpapsttum“ charakterisiert werden, basieren vielfach auf den Interessen von konkurrierenden Familien, aktuellen Parteiungen, die gegebenenfalls auch politische Orientierungen – zum Beispiel auf den karolingischen oder byzantinischen Kaiser oder die Langobarden – repräsentieren konnten. Solche Parteiungen bestimmten aber die Papstgeschichte dieser Zeit durchweg: Man denke an die leidvolle Geschichte eines Leos III., der 34 Vgl. vor allem Auxilius von Neapel, In defensionem (wie Anm. 27), S. 60, 95; vgl. weiterhin Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 102; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 63. – Zumeist ist von einer eigenmächtigen usurpatio, invasio oder intrusio die Rede, so dass auch nirgends eine Wahl oder Weihe explizit erwähnt wird. Die Legitimität des Papstes wurde somit im Mittelalter zwar schon grundsätzlich in Zweifel gezogen, aber trotzdem zählte man ihn in fast allen Papstlisten mit, vgl. dazu und zur Invasio auch Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 162, S. 175–177. 35 Auxilius von Neapel, In defensionem (wie Anm. 27), S. 60; Sigebert von Gembloux, Chronographia a. 889, ed. Ludwig Bethmann, in: MGH SS, 6, Hannover 1844 (ND Stuttgart 1980), S. 268–374, hier S. 345; Jaffé 1, S. 445; vgl. Brezzi, Roma (wie Anm. 26), S. 102; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 25), S. 63. – Die zitierten Quellen berichten mit Varianten über die Absetzung des Papstes Christophorus, der meist als usurpator, invasor oder ähnlich bezeichnet wird. Die wohl verlässlichste Version basiert auf der zitierten Nachricht des Auxilius; demgemäß habe Sergius, der sich zu den Franken geflüchtet hatte, Francorum auxilio et quorundam Romanorum machinationibus Christophorus gefangen nehmen lassen. Dieser Version folgen zahlreiche weitere Zeugnisse.
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sich mit den Anhängern des alten Papstes auseinandersetzen musste36, oder an Johannes VIII. und dessen Streitigkeiten mit Anhängern des Eleutherius37. Daraus ergibt sich die Frage: Wann eskalierten solche Konkurrenzen, führten zu Konflikten und zeitweise zu mehreren – nicht nur im Vorfeld konkurrierenden – Kandidaten? Mehrere Aspiranten gab es jedenfalls häufiger: So soll nach der eigenen Vita im Liber Pontificalis Hadrian II. schon 855 von Klerus und Volk als Papstkandidat ausgewählt worden sein, aber außer dieser Notiz gibt es hierzu keine weiteren Belege38. Die angebliche Einmütigkeit der Wahlen scheint in den Quellen mehrfach Konkurrenzsituationen zu verdecken. Könnte die Damnatio memoriae manche Notiz zu einem Gegenpapst zudem verhindert haben? Über den Topos der einmütigen Wahlen wäre jedenfalls erneut zu diskutieren39; ebenso über die Quellen, denn es fällt auf, dass gerade die Benediktsvita die Konkurrenzsituation von 855 ausführlich darlegt. Gründe der Rechtfertigung und Legitimation der eigenen Anfänge wurden vielleicht dann besonders wichtig und aufzeichnenswert, wenn ein Konkurrent wie der ins Kloster geschickte Anastasius weiterhin eine Bedrohung darstellte. Jedoch betreffen solche Fragen zugleich Überlegungen und Thesen zur Verfasserschaft des alten Liber Pontificalis, auf die ich hier nicht eingehen kann40. 2. Dies führt zu den Begriffen: Wenn die Konkurrenz zweier oder mehrerer Personen ausschließlich zu Pontifikatsbeginn greifbar wird, so scheinen die Bezeichnung „Gegenpapst“ und die damit suggerierte Gleichzeitigkeit von zwei 36 Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 4f. 37 Jaffé 1, S. 388. 38 Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 173: ut ab omni clericali gradu, ab omni senatorio et populari concordissimo cetu, sicut post mortem quarti pape Leonis ita post obitum tertii Benedicti pontificis subire summum pontificium, nisi ipse diversis argumentis et exquisitis excusationibus verecunde subterfugeret, cogeretur. Vgl. dazu auch Hans Grotz, Erbe wider Wille. Hadrian II. (867–872) und seine Zeit, Wien 1970, S. 37; BöhmerHerbers (wie Anm. 1), Nr. 336. 39 Philip Daileader, One will, one voice, and equal love: papal elecions and the ‚Liber Pontificalis‘ in the Early Middle Ages, in: AHP 31 (1993), S. 11–31. 40 François Bougard, Anastase le bibliothécaire ou Jean Diacre? ��������������������������� Qui a réécrit la vie de Nicolas Ier et pourquoi?, in: Jean-Marie Martin, Bernadette Martin-Hisard u. a. (Hg.): Vaticana et medievalia. Études en l’honneur de Louis Duval-Arnould, Florenz 2008, S. 27– 40; François Bougard, Composition, diffusion et réception des parties tardives du ‚Liber pontificalis‘ romain (VIIIe–IXe siècles), in: François Bougard, Michel Sot (Hg.), Liber, Gesta, Histoire. Écrire l’histoire des évêques et des papes de l’Antiquité au XXIe siècle. Actes du colloque international organisé au Centre d’Études Médiévales d’Auxerre les 25, 26 et 27 juin 2007, Turnhout 2009, S. 127–152; Klaus Herbers, Agir et écrire: les actes des papes du IXe siècle et le ‚Liber pontificalis‘, in: ebd., S. 109–126.
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Amtsführungen problematisch. Ich würde den Ausdruck für die frühe Papstgeschichte restriktiver verwenden. Es gab in der vorgestellten Zeit keine „Gegenpäpste“ über eine längere Dauer. Und wenn sie es wie bei Konstantin II. über 13 Monate waren, dann war zugleich eine Abfolge sichtbar: Erhebung und Absetzung kennzeichneten Anfang und Ende dieses Pontifikates, der aber keinen gleichzeitigen Konkurrenten hatte. Eine Wettbewerbssituation, die sich sukzessive, aber in kurzen Zeiträumen regelte – zum Beispiel 769, 844 und 855 –, in der es mithin kaum eine Zeit gleichzeitigen Handelns verschiedener Päpste gab, sollte künftig nicht mehr mit dem Begriff „Gegenpapsttum“, sondern eher mit „Konkurrenz“ bezeichnet werden. Das gilt sogar noch 897, als Sergius III. zwar gewählt wurde, aber erst nach seiner Weihe 904 pontifikal agierte, zum Beispiel durch die Ausstellung von Papsturkunden. Nur in diesem Fall könnte man vielleicht von einem „U-Boot-Gegenpapst“ reden: Laut Ausweis der Quellen weilte Sergius bis 904 bei den Franken und hielt sich dort bereit. Stand er vielleicht als Drahtzieher hinter manchen Aktionen zuvor, verkürzte er einige Amtszeiten, um die Formosianer nicht zu stark werden zu lassen? Eine solche Verschwörungstheorie lässt sich nicht beweisen, aber immerhin ist es möglich, dass Sergius nicht passiv, sondern aktiv auf seine Stunde wartete. Er wäre am ehesten Gegenpapst, aber schauen wir insgesamt auf die Quellen, so sind die – freilich aus der Perspektive der Sieger verwendeten – Begriffe invasor oder usurpator besonders häufig, um die unterlegenen Konkurrenten zu charakterisieren. Von usurpare ist übrigens auch in einer Fassung der Vita Sergius’ II. die Rede, dessen Bruder 847 die Herrschaft an sich gerissen hatte41. Kein Gegenpapst, aber vielleicht ein Nebenpapst? 3. Zur Legitimation und zur Ausgrenzung des unterlegenen Konkurrenten scheinen Verfahren und Ritual besonders wichtig zu sein, wie die Weihe Sergius’ III. und die Ereignisse 855 erkennen lassen: Bilder werden zerstört, und die Inbesitznahme des Throns, die Pontifikalgewänder, der Ritt auf dem Pferd werden nicht nur unter dem Aspekt des Zeremoniells und der Papstweihliturgie, sondern auch als Legitimationsstrategien in den Quellen hervorgehoben. Nicht nur der rechte Ort, der rechte Ritus, sondern auch die richtigen Wei41 Erat denique illius pontificis frater quidam, nomine Benedictus, brutus et stolidus valde, qui propter imbecillitatem illius pontificis curam ecclesiasticam et publicam immerito usurpaverat; Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 97; vgl. hierzu Klaus Herbers, Zu frühmittelalterlichen Personenbeschreibungen im Liber pontificalis und in römischen hagiographischen Texten, in: Johannes Laudage (Hg.), Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdartstellungen und ihre kritische Aufarbeitung, Köln 2003, S. 165–191.
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hepersonen (Kardinalbischöfe von Albano, Ostia) scheinen bedeutend. Die missi Kaiser Ludwigs II. konnten die suburbikarischen Bischöfe nicht für die Weihe gewinnen und scheiterten auch deshalb. Dazu gehören ebenso die Formen, wie man sich des Konkurrenten entledigte: Neben Spottprozession und Einkerkerung scheint die Entsendung in ein Kloster am gängigsten gewesen zu sein. Nur im Falle des Anastasius führte dies offenbar zu einer Auszeit, die anschließend eine kulturell und literarisch ausgesprochen fruchtbare Phase Roms in den 860er und 870er Jahren begründete42. Dies ergibt die allgemeine Frage, wie und unter welchen Bedingungen ‚kaltgestellte‘ Konkurrenten nach ihrer Niederlage weiter agierten. Für das frühe 15. Jahrhundert ist sicher der hochgelehrte Luna-Papst Benedikt XIII. ein ähnlicher Fall. 4. Die Konkurrenzsituationen förderten im 8. und 9. Jahrhundert nur im Ausnahmefall rechtliche Bestimmungen und Wahlverfahren, obwohl 769 auf einem Konzil angesichts der Erfahrungen die Papstwahl geregelt wurde. Der Erfolg dieser Maßnahme erscheint aber gering, denn die Ordnung, die auch den Einfluss des Volkes und weltlicher Interventionen zurückdrängen wollte, wurde nach 769 anscheinend nicht beachtet, sonst hätten die Rufe des Volkes nach Benedikt 855 nicht als Teil der Argumentation einen so prominenten Platz im Liber Pontificalis gefunden. Aber das Sukzessionsverfahren blieb unklar. Unterschiedliche Familien und Fraktionen bestimmten die Papsterhebungen, und dies führte deshalb je nach Konstellation und Machtverhältnissen immer wieder zu Mitbewerbern. Erst eine weitere Universalisierung des Papsttums konnte hier später mildernd auf römische Einflüsse einwirken, die Verfahren selbst bewirkten zunächst nur wenig. Deshalb spielten wohl auch Macht und Gewalt in allen drei Beispielen eine so große Rolle. Am wenigsten ist dies 855 zu erkennen, jedoch ist fraglich, ob hier nicht die Benediktsvita als Hauptquelle Verfahren und Ritual statt Gewalt und Macht legitimierend zugunsten Benedikts betont. Die Darstellungsabsicht der Quelle hat möglicherweise die zwischen den Zeilen noch erkennbare Gewalt zugunsten von Recht, Verfahren und Ritual in den Hintergrund gerückt. 5. Schließlich sei noch ein Wort zu Fragen der Politik und der Stadt Rom angefügt. Die im 8. und 9. Jahrhundert dominierenden und wechselnden Partner der Päpste – Oströmer, Langobarden oder Karolinger – wurden in ein Inter42 Vgl. hierzu Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 3, Stuttgart 1991 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, 10), S. 337–429, bes. S. 372–387; Wilhelm Wattenbach, Wilhelm Levison u. a., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, Bd. 4, Weimar 1963, S. 465–470.
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essensgeflecht einbezogen, konnten aber wohl nur im Verbund mit römischen Fraktionen mehr oder weniger erfolgreich agieren. Dies ist für 767–768 und für 855 sehr deutlich zu erkennen. Weil dies offensichtlich so war, war für Gegenkandidaten außerhalb Roms offenbar kein langfristiger Erfolg wie in späteren Zeiten möglich. Noch galt offensichtlich: ohne Rom kein Papsttum, oder besser: kein Bischof von Rom. Und wenn Kandidaten wie Sergius III. im Verborgenen warteten, waren sie – soweit die Quellen erkennen lassen – von wichtigen Handlungsmöglichkeiten abgeschnitten, denn aus der Zeit zwischen 897 und 904 wissen wir nichts über diesen Papst.
VI. Ausblick Es bleibt nach diesen Bemerkungen, die zum Vergleich mit den weiteren Beiträgen anregen sollen, zum Schluss noch eine kleine Überlegung, die auf den Titel der Tagung anspielt. Als „Prüfsteine universaler Autorität“ erscheinen die von mir bemühten Fälle des 8. und 9. Jahrhunderts kaum. Vielleicht kann man aber doch eine kleine Schneise zum Gesamtthema schlagen – wenn man Liber Pontificalis und Papsturkunden noch an einem Beispiel kurz zusammenführt. Päpstliche Autorität manifestierte sich schon früh in Arengen und weiteren Teilen der Papsturkunden43. Schauen wir deshalb abschließend nochmals auf das Jahr 855. Mehrere Tage nachdem das Volk das besagte „Wir wollen Benedikt“ gerufen hatte und einen Tag nach seiner endgültigen Weihe, am 7. Oktober 855, unterfertigte der gegen Anastasius siegreiche Papst – offensichtlich nachdem in Rom alles geregelt war – eine im Original überlieferte Papyrusurkunde für das Kloster Corbie. Sie enthält eine der eindrücklichsten Arengen dieser Zeit, denn sie drückt das Selbstbewusstsein dieses sonst kaum in den Quellen in Erscheinung tretenden Papstes aus: „Weil es bekannt ist, dass der Bischof des römischen Sitzes das Haupt und der Vorsteher (princeps) aller Kirchen Christi ist und an Stelle des Apostelfürsten Petrus handelt, dem Christus den Prinzipat für die Kirche übertragen und gesagt hat: Du bist Petrus und auf diesem Fels werde ich meine Kirche bauen und dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben (Mt 16,18), bleiben bei keinem Gläubigen Bedenken, dass wir allen Kirchen unsere Sorge zukommen lassen und 43 Judith Werner fertigt hierzu in Erlangen eine Dissertation mit dem Arbeitstitel „Die Zuschreibung päpstlicher Autorität im Spiegel der innern und äußeren Merkmale der Papsturkunden“ an.
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für das Heil, den Frieden und die Ruhe aller Gläubigen in Christo sorgen müssen, damit Schlechtes verbessert, Richtiges bekräftigt, Verdorbenes wiederhergestellt, Intaktes aber bewahrt wird.“44 Universale Autorität wurde schon vor der „papstgeschichtlichen Wende“ des 11. Jahrhunderts45 immer wieder von den Päpsten beansprucht, obwohl sie noch umstritten blieb. Aber könnte vielleicht doch der Sieg über Anastasius eine Arenga, welche die päpstliche Autorität erstmals sehr deutlich erkennen lässt, gefördert haben? Ich weiß es nicht, aber Siege fördern nicht nur den Übermut, sondern manchmal auch die Autorität.
44 Böhmer-Herbers (wie Anm. 1), Nr. 374 (mit Nachweis der Edition); die deutsche Übertragung folgt Sebastian Scholz, Politik – Selbstverständnis – Selbstdarstellung. Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, Stuttgart 2006 (Historische Forschungen, 26), S. 181. 45 Rudolf Schieffer, Motu proprio. Über die papstgeschichtliche Wende im 11. Jahrhundert, in: HJb 122 (2002), S. 27–41.
Das Reformpapsttum und seine Gegenpäpste Rudolf Schieffer Als Heinrich III. auf dem Wege zur Kaiserkrönung im Dezember 1046 nach offenbar kurzfristig gefasstem Entschluss den seit anderthalb Jahren allseits anerkannten Papst Gregor VI. wegen nachträglich aufgekommener, vielleicht auch hochgespielter Vorwürfe zur Resignation in Sutri nötigte und den Römern als Nachfolger einen Bischof von Bamberg präsentierte, den sie noch nie gesehen hatten1, wird es manche gegeben haben, die wie der junge Kleriker Hildebrand, der Gregor VI. ins Exil nach Deutschland begleitete, diesen Clemens II. als einen unkanonischen intrusus, einen Gegenpapst also, einschätzten2. Tatsächlich hatte das von uns so genannte Reformpapsttum seinen Ursprung in einem situationsbedingten massiven Eingriff der weltlichen Gewalt in die Autonomie der römischen Kirche, der elementaren Grundsätzen des hergebrachten Kirchenrechts zuwiderlief. Der Vorgang war nicht beispiellos, sondern hatte mehr oder minder deutliche Analogien bereits zur Zeit der byzantinischen wie der ottonischen Vorherrschaft in Rom3. Neu und für die historische Fernwirkung entscheidend waren unter Heinrich III. zwei Aspekte: zum einen, dass sich der Salier nicht auf einen einmaligen Impuls an Ort und Stelle beschränkte, sondern infolge der Kurzlebigkeit der von ihm be1 Quellen jetzt in: Die Konzilien Deutschlands und Reichsitaliens 1023–1059, hg. v. Detlev Jasper, Hannover 2010 (MGH Conc., 8), S. 184–196; vgl. Papstregesten 1024–1058, 1. Lfg., bearb. v. Karl Augustin Frech, Köln u. a. 2006 (RI III/5,1), S. 240–245 Nr. 324; Papstregesten 1024–1058, 2. Lfg., bearb. v. Dems., Köln u. a. 2011 (RI III/5,2), S. 3–8 Nr. 329, mit der gesamten Literatur. 2 Zeitgenössische Zeugnisse sind bekanntlich der Traktat De ordinando pontifice sowie die kritischen Äußerungen Bischof Wazos von Lüttich; vgl. Hans Hubert Anton, Frühe Stufen der Kirchenreform: Tendenzen und Wertungen, in: Sant’Anselmo, Mantova e la lotta per le investiture. �������������������������������������������������������������� Atti del Convegno Internazionale di studi (Mantova, 23–25 maggio 1986), a cura di Paolo Golinelli, Bologna 1987, S. 241–268, hier S. 259–262 (auch in: Hans Hubert Anton, Königtum – Kirche – Adel. Institutionen, Ideen, Räume von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter, hg. v. Burkhard Apsner, Thomas Bauer, Trier 2002, S. 115–118); Pius Engelbert, Heinrich III. und die Synoden von Sutri und Rom im Dezember 1046, in: RQ 94 (1999), S. 228–266, hier S. 261f. 3 Vgl. Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz u. a. 1968, S. 77–98; Gert Haendler, Das Papsttum unter gotischer und byzantinischer Herrschaft, in: Martin Greschat (Hg.), Das Papsttum I. Von den Anfängen bis zu den Päpsten in Avignon, Stuttgart u. a. 1985 (Gestalten der Kirchengeschichte, 11), S. 71–82.
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stimmten Reformpäpste noch dreimal in einem Jahrzehnt die Gelegenheit bekam und nutzte, auch fern von Rom einen neuen Pontifex auszusuchen, wodurch das Verfahren eine gewisse Geläufigkeit gewann4; und zum anderen, dass er bei seinen Entscheidungen konsequent über den stadtrömischen Klerus hinwegsah, aus dem so gut wie alle Päpste des ersten Jahrtausends hervorgegangen waren, und Mal um Mal amtserfahrene auswärtige Bischöfe zum Zuge kommen ließ, die für ihre Hirtenaufgabe eine gesamtkirchliche Blickrichtung mitbrachten5. Sie mussten sich zwar, so gut es ging, in Rom behaupten, bezogen ihre Legitimität jedoch vornehmlich aus der Resonanz, die sie bei der Christianitas im Ganzen fanden. Die Lebensgeschichte Hildebrands, der Anfang 1049 im Gefolge des wiederum vom Kaiser nominierten Papstes Leo IX. nach Rom zurückkehrte und bald zu dessen rührigsten Helfern gehörte6, zeigt die Sogwirkung des neuen Leitbilds, die stark genug war, um den Tod Heinrichs III. zu überdauern und statt eines Rückfalls in die früheren Verhältnisse die Autonomie der römischen Kirche auf der höheren Ebene des Kardinalskollegs neu zu fundieren7. So gelang es, eine im Rückblick den Umbruch von 1046 zutiefst rechtfertigende Kontinuität des auf Erneuerung und Zentralisierung der lateinischen Kirche bedachten Reformpapsttums zu stiften, das sich schließlich gegen seinen Geburtshelfer, das salische Kaisertum, kehrte und im zähen Ringen der Gewalten den Sieg davongetragen hat8. Dabei war der historische Weg des Reformpapsttums die meiste Zeit gesäumt von Herausforderungen durch Gegenpäpste, die seine Dynamik brechen und eine andere Richtung einschlagen wollten, aber am Ende allesamt gescheitert sind9. Aus den skizzierten Rahmenbedingungen ergibt sich, dass den Nachfolgern Cle4 Vgl. Guido Martin, Der salische Herrscher als Patricius Romanorum. Zur Einflussnahme Heinrichs III. und Heinrichs IV. auf die Besetzung der Cathedra Petri, in: FMASt 28 (1994), S. 257–295. 5 Vgl. Rudolf Schieffer, Motu proprio. Über ����������������������������������������������� die papstgeschichtliche Wende im 11. Jahrhundert, in: HJb 122 (2002), S. 27–41. 6 Vgl. Herbert E. J. Cowdrey, Pope Gregory VII 1073–1085, Oxford 1998, S. 27–74; UtaRenate Blumenthal, Gregor VII. ����������������������������������������������� Papst zwischen Canossa und Kirchenreform, Darmstadt 2001, S. 64–138. 7 Vgl. zuletzt Claudia Zey, Entstehung und erste Konsolidierung. Das Kardinalskollegium zwischen 1049 und 1143, in: Jürgen Dendorfer, Ralf Lützelschwab (Hg.), Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, Stuttgart 2011 (Päpste und Papsttum, 39), S. 63–94. 8 Vgl. Rudolf Schieffer, Das Reformpapsttum seit 1046, in: Christoph Stiegemann, Matthias Wemhoff (Hg.), Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Bd. 1: Essays, München 2006, S. 99–109. 9 Vgl. Michael Edward Stoller, Schism in the Reform Papacy: The Documents and Councils of the Antipopes, 1061–1121, Diss. Columbia University 1985; Ders., Eight AntiGregorian Councils, in: AHC 17 (1985), S. 252–321.
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mens’ II. Gefahren von zwei ganz verschiedenen Seiten drohten: sogleich von lokalen Kräften in Rom und der Campagna, die sich mit dem Verlust ihrer traditionellen Prärogative bei der Papstwahl nicht abfinden mochten, und später vom salischen Königshof, seitdem die Kardinäle auch ihm gegenüber die volle Freiheit ihrer Wahlentscheidung beanspruchten. Die Bemühungen des römischen Adels um Rückgewinnung der cathedra Petri als des Ecksteins seiner jahrhundertealten Herrschaft über die Stadt und ihr Umland richteten sich, soweit erkennbar, nie gegen einen amtierenden Papst, sondern regten sich nur dann, wenn wieder eine Vakanz eintrat. Sie zeigen das Bestreben, das vom Kaiser inaugurierte Papsttum auswärtiger Bischöfe zu einer flüchtigen Episode zu machen, und waren vermutlich von der historischen Erinnerung daran genährt, dass der direkte Einfluss, den einst Otto der Große und dann wieder Otto III. auf die Besetzung des päpstlichen Stuhls gewonnen hatten, auf wenige Jahre beschränkt geblieben war und danach die Dinge in Rom alsbald wieder ihren gewohnten Gang genommen hatten. Eine solche Sicht ist zumal Benedikt IX. aus dem Hause der seit 1012 dominierenden Grafen von Tusculum zu unterstellen, der nach zwölfjährigem Pontifikat (als Neffe seines Vorgängers) im September 1044 vor revoltierenden Gegnern aus der Stadt hatte weichen müssen, bald aber zurückgekehrt war und am 1. Mai 1045 sein Papsttum an Gregor VI. abgetreten hatte10. Er war auf der römischen Synode Heinrichs III. Ende 1046 ausdrücklich für abgesetzt erklärt, aber wohl nicht exkommuniziert worden und kehrte auf die Nachricht vom Tode Clemens’ II. (am 9. Oktober 1047) hin in die Stadt zurück mit der Absicht, seinen Pontifikat, gewiss ohne Neuwahl, fortzusetzen11. Damit fand er soviel Anklang, dass Markgraf Bonifaz von Canossa, den der Kaiser beauftragte, den von ihm bestimmten neuen Papst Damasus II. nach Rom zu geleiten, dies zunächst mit dem Einwand abgelehnt haben soll, die Römer hätten sich ihren Papst zurückgeholt und bedürften keines anderen. Erst ein kaiserliches Machtwort sorgte dafür, dass Bonifaz Damasus in Rom Eingang verschaffte und den längst abgesetzten Benedikt nach achtmonatiger neuer Amtszeit vertrieb12. Wie dieser auf den Tod des Damasus nach bloß 23 Tagen reagiert hat, ist nicht überliefert13, doch finden sich Hinweise darauf, dass Benedikt IX. selbst nach dem
10 Vgl. Klaus-Jürgen Herrmann, Das Tuskulanerpapsttum (1012–1046). Benedikt VIII., Johannes XIX., Benedikt IX., Stuttgart 1973 (Päpste und Papsttum, 4), S. 151–165. 11 Papstregesten 2 (wie Anm. 1), S. 57f. Nr. 386. 12 Ebd., S. 64–66 Nr. 391, 393. 13 Ebd., S. 70 Nr. †400.
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Hinscheiden Leos IX. im April 1054 noch ein letztes Mal, wenngleich vergeblich, versucht hat, in Rom wieder Fuß zu fassen14. Auch nach Benedikts IX. Tod (wohl Ende 1055) war die Sorge der Reformer vor einem Wiederaufleben des Adelspapsttums so groß, dass sie bei der nächsten Vakanz, nach dem Ableben Viktors II. in Arezzo, eine hastige Flucht nach vorne antraten und binnen fünf Tagen den gerade in Rom anwesenden Abt Friedrich von Montecassino zum neuen Pontifex Stephan IX. erhoben15. Als der jedoch acht Monate später in Florenz das Zeitliche segnete, waren diesmal die Gegner schneller und machten nach Wochenfrist, angeblich zur Nachtzeit und unter Waffenlärm, den Bischof Johannes von Velletri zu ihrem Papst, der sich gewiss mit Bedacht Benedikt X. nannte und die Unterstützung des Grafen Gregor von Tusculum, also des Bruders Benedikts IX., wie auch der Crescentier und des Grafen von Galeria hatte16. Er stand von April bis Dezember 1058 konkurrenzlos an der Spitze der römischen Kirche und erteilte Privilegien bis nach England und Sachsen, weil die aus Rom geflohenen Kardinäle viel Zeit brauchten, um sich untereinander und mit dem Hof der Kaiserin Agnes auf die Wahl des Bischofs Gerhard von Florenz zu verständigen17. Erst mit Hilfe Herzog Gottfrieds des Bärtigen, des Machthabers in Tuszien, gelang es, ihn im Januar 1059 in Rom als Nikolaus II. zu inthronisieren und gleichzeitig Benedikt X. in die Flucht zu schlagen. Der schon kurz zuvor in Sutri als invasor verurteilte nunmehrige Gegenpapst18 fand Schutz auf der Burg des Grafen von Galeria und konnte dort erst nach längerer Belagerung mit normannischer Unterstützung, die sich das Reformpapsttum hier erstmals zunutze machte, gefangengenommen werden. Auf der Fastensynode von 1060 wurde er endgültig für abgesetzt erklärt und in ein römisches Kloster abgeschoben19. Nikolaus II. war der letzte Reformpapst, der mit ausdrücklichem Einverständnis des deutschen Hofes ins Amt gelangt ist. Schon beim nächsten Wechsel auf 14 Ebd., S. 630 Nr. 1161. 15 Ebd., S. 730–733 Nr. 1311; vgl. Dieter Hägermann, Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits. Stephan IX. (1057–1058), Benedikt X. (1058) und Nikolaus II. (1058– 1061), Stuttgart 2008 (Päpste und Papsttum, 36), S. 11–13, 25–28. 16 Vgl. Tilmann Schmidt, Alexander II. (1061–1073) und die römische Reformgruppe seiner Zeit, Stuttgart 1977 (Päpste und Papsttum, 11), S. 78–80; Hägermann, Papsttum (wie Anm. 15), S. 57–62. 17 Vgl. Hägermann, Papsttum (wie Anm. 15), S. 73–84, der statt des üblichen Zeitansatzes der Wahl (Siena, 6. 12. 1058) für einen wesentlich früheren Termin (Florenz, April/Mai 1058) plädiert. 18 Jasper, Concilia (wie Anm. 1), S. 349–351. 19 Vgl. Hägermann, Papsttum (wie Anm. 15), S. 152f., 164–167.
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dem Stuhl Petri kam es im Oktober 1061 zu einem folgenschweren ‚renversement des alliances‘, wobei sich der reine Ereignisablauf, formal betrachtet, kaum anders darstellt als drei Jahre zuvor. Gegen eine in Rom vollzogene Papstwahl (damals Benedikts X., jetzt Alexanders II.) wandten sich die damit Unzufriedenen an den Salierhof und erreichten dessen Unterstützung für ihren Kandidaten (damals Gerhard von Florenz, jetzt Cadalus von Parma). Dass es ausgerechnet der 1059 mit Hilfe der Normannen bezwungene Graf Girard von Galeria war, der bei der Kaiserin in Basel erschien, zeigt uns, dass sich der suburbikarische Adel nicht mehr zutraute, allein auf eigene Faust wie seit Jahrhunderten einen Pontifex zu installieren, sondern dass man, gewissermaßen mit der Zeit gehend, das Bündnis mit wichtigen, über den neuen päpstlichen Zentralismus verstimmten Bischöfen Oberitaliens suchte und den ausschlaggebenden Rückhalt vom deutschen Hof erwartete, wo einige Verärgerung über das von Hildebrand eingefädelte Normannenbündnis von Melfi herrschte20. Als die Kaiserin im Namen ihres unmündigen Sohnes Heinrich IV. Cadalus zum Papst bestimmte, der sich Honorius II. nannte, glaubte sie vermutlich, ganz nach dem seit Sutri praktizierten Muster ihres verstorbenen Gatten zu handeln – und dies auch darin, dass die Wahl nicht auf jemanden aus dem römischen Adel oder Stadtklerus fiel, sondern auf einen nach traditionellen Maßstäben bewährten Reichsbischof, der seit 16 Jahren der Kirche von Parma vorstand21. Wenn er sich schließlich nicht durchgesetzt hat und als Gegenpapst in die Geschichte eingegangen ist, so lag das daran, dass die Regierung in Deutschland, aus der sich die Kaiserin kurz darauf zurückzog, nicht die militärischen Machtmittel in Italien und bald auch nicht mehr die Entschlusskraft hatte, um der in Basel proklamierten Entscheidung Geltung zu verschaffen22. Zwar vermochte Cadalus-Honorius mit seinem bewaffneten Anhang 1062 ebenso wie 1063 bis Rom vorzustoßen und Teile der Stadt in seine Hand zu bringen, doch kam es nie zu einer förmlichen Inthronisation, wie sie Alexander II. gleich nach 20 Vgl. Schmidt, Alexander II. (wie Anm. 16), S. 104–133; Stoller, Councils (wie Anm. 9), S. 254–263; Mechthild Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes (1043–1077). Quellenkritische Studien, Köln u. a. 1995 (Münstersche Historische Forschungen, 7), S. 373–376. 21 Vgl. François Baix, Cadalus, in: DHGE 11 (1949), Sp. 53–99; zuletzt Glauco Maria Cantarella, Pier Damiani e lo scisma di Cadalo, in: Pier Damiani l’eremita, il teologo, il riformatore (1007–2007), a cura di Maurizio Tagliaferri, Bologna 2009 (Ravennatensia, 23), S. 233–257. 22 Vgl. Georg Jenal, Erzbischof Anno II. von Köln (1056–75) und sein politisches Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte der Reichs- und Territorialpolitik im 11. Jahrhundert, Stuttgart 1974/75 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 8), S. 231–274; Gerd Althoff, Heinrich IV., Darmstadt 2006, S. 59f.
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seiner Wahl durch die Kardinäle am 1. Oktober 1061 erlebt hatte23. Am Ende war es ein Arrangement der mittlerweile tonangebenden Reichsbischöfe um Anno von Köln und Herzog Gottfrieds des Bärtigen mit Petrus Damiani und weiteren Kardinälen Alexanders, das Cadalus mittels der Synoden von Augsburg (1062) und Mantua (1064) zu Fall brachte24. Zumindest der Form nach fiel nicht in Rom, sondern im Schoß der Reichskirche beiderseits der Alpen die Entscheidung in diesem Schisma. Der im Papstwahldekret von 1059 enthaltene Vorbehalt zugunsten der Rechte „König Heinrichs, des künftigen Kaisers“25, dürfte seit der Erfahrung mit Cadalus in den Augen der römischen Reformer hinfällig geworden sein, während umgekehrt die Art und Weise, in der sein Vater Heinrich III. jahrelang über die Besetzung der cathedra Petri verfügt hatte, zu den politischen Leitvorstellungen gehörte, mit denen Heinrich IV. heranwuchs26. Zum Konflikt darüber kam es noch nicht 1073, als die Beisetzung Alexanders II. in Rom unmittelbar in die tumultuarische Erhebung seines Nachfolgers Gregor VII. überging, sondern erst Anfang 1076 beim Bruch des Saliers und der Mehrheit der deutschen Bischöfe mit diesem Papst. Aus Worms erging die Aufforderung an Klerus und Volk von Rom, Gregor durch einen Aufruhr zur Abdankung zu zwingen, damit sie dann einen vom König erwählten neuen, besseren Papst empfangen könnten27. Als das erhoffte Echo ausblieb, machte Heinrich IV. Monate später den Versuch, Gregor auf einer abermaligen Reichsversammlung in Worms förmlich absetzen und die Person des Nachfolgers zusammen mit der Ankündigung eines Romzuges proklamieren zu lassen28. Dass daraus nichts wurde, weil der Zulauf infolge der Bannsentenzen Gregors allzu spärlich ausfiel, war ein erstes Symptom des rasch fortschreitenden Autoritätsverfalls, der den Salier am Jahresende zum Gang nach Canossa trieb29. 23 Vgl. Franz Herberhold, Die Angriffe des Cadalus von Parma (Gegenpapst Honorius II.) auf Rom in den Jahren 1062 und 1063, in: Studi Gregoriani, Bd. 2, Rom 1947, S. 477–503. 24 Vgl. Georg Gresser, Die Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. 1049–1123, Paderborn u. a. 2006 (Konziliengeschichte, Reihe A, 21), S. 60–63, 71–77. 25 Jasper, Concilia (wie Anm. 1), S. 385f. 26 Vgl. Martin, Herrscher (wie Anm. 4). 27 Die Briefe Heinrichs IV., hg. v. Carl Erdmann, Leipzig 1937 (MGH DMA, 1), S. 12f. Nr. 10; vgl. Christian Schneider, Prophetisches Sacerdotium und heilsgeschichtliches Regnum im Dialog 1073–1077. Zur Geschichte Gregors VII. und Heinrichs IV., München 1972 (Münstersche Mittelalter-Schriften, 9), S. 146–153. 28 Vgl. Schneider, Sacerdotium (wie Anm. 27), S. 166–171. 29 Vgl. Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 2006; Johannes Fried, Der Pakt von Canossa. Schritte zur Wirklichkeit durch Erinnerungsanalyse, in:
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Statt durch einen Gegenpapst Gregor in die Knie zu zwingen, sah sich Heinrich in den nächsten drei Jahren selber von einem Gegenkönig in Deutschland herausgefordert30. Ob er das Patt im Thronstreit Anfang 1080 zu überwinden suchte, indem er, wie Bonizo berichtet, Gregor ultimativ vor die Wahl stellte, entweder Rudolf von Schwaben als Aufrührer zu verurteilen oder zu erleben, dass er, der König, sich einen Papst verschaffe, der ihm zu Willen sei, ist sehr fraglich31; doch liegt auf der Hand, dass sich Heinrich IV. der Gedanke an das Gegenpapsttum aufdrängte, als der auf der Fastensynode von 1080 erneut über ihn verhängte Bann, verbunden mit ausdrücklicher Absetzung und mit der Anerkennung Rudolfs als des rechtmäßigen Königs, ohne sonderliche Wirkung blieb32. Heinrich versammelte zu Pfingsten in Mainz eine Mehrheit der deutschen Bischöfe, die Gregor als dem „Urheber allen Streits“ den Gehorsam aufkündigten und beschlossen, ein Würdigerer solle an seine Stelle treten, „der das Zerstreute sammle, das Zerbrochene heile und nicht Streit, nicht Krieg, sondern Frieden in der heiligen Kirche als guter Hirt anstrebe“33. Keine vier Wochen danach fand in Brixen eine Synode von 30 Bischöfen aus Italien und Deutschland statt, die im Beisein des Königs und des von Gregor längst abgefallenen Kardinals Hugo Candidus, der vorgab, „in Vertretung aller römischen Kardinäle“ zu handeln, das Mainzer Verdikt über den Papst mit starken Worten bekräftigte, aber über den Nachfolger nichts verlauten ließ34. Das oblag dem künftigen Kaiser, der tags darauf der Kirche von Ravenna ein Privileg erteilte, worin er deren Erzbischof Wibert, seinen früheren Kanzler, erstmals als den „erwählten apostolicus summae sedis“ (noch ohne Papstnamen) bezeichnete. Wibert verfügte über eine bis in die 50er Jahre zurückreichende diplomatische Erfahrung, hatte sich nicht schlagartig, sondern allmählich mit
Wilfried Hartmann, Klaus Herbers (Hg.), Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter, Köln u. a. 2008 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 28), S. 133– 197. 30 Vgl. Althoff, Heinrich IV. (wie Anm. 22), S. 160–177. 31 Vgl. zuletzt Thomas Förster, Bonizo von Sutri als gregorianischer Geschichtsschreiber, Hannover 2011 (MGH Studien und Texte, 53), S. 237–254. 32 Vgl. Rudolf Schieffer, Gregor VII. und die Absetzung König Heinrichs IV., in: Recht – Religion –Verfassung. Festschrift für Hans-Jürgen Becker, hg. v. Inge Kroppenberg, Martin Löhnig u. a., Bielefeld 2009, S. 197–204. 33 Vgl. Stoller, Councils (wie Anm. 9), S. 266f.; Gresser, Synoden (wie Anm. 24), S. 202–204. 34 Vgl. Stoller, Councils (wie Anm. 9), S. 267–278; Gresser, Synoden (wie Anm. 24), S. 205–210.
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Gregor entzweit, war seit 1078 exkommuniziert und konnte, wie sich zeigen sollte, auf eine ganz unerschütterliche Machtposition in Ravenna vertrauen35. Es verdient Aufmerksamkeit, wie Heinrich IV. mit ihm während der folgenden vier Jahre umging, in denen er nach Überwindung des Gegenkönigs bestrebt war, nach Rom vorzudringen, um die Kaiserkrone zu erlangen. In den Manifesten an die Römer von 1081 und 1082 betonte er sein ererbtes Anrecht auf das Kaisertum, bot Gregor sogar die erneute Anerkennung an, falls es ihm gelingen sollte, sich öffentlich gegenüber allen Vorwürfen zu rechtfertigen, und wollte nur bei negativem Ausgang zusammen mit den Römern einen anderen Papst bestellen, ohne dabei über Wibert auch nur ein Wort zu verlieren36. Als ihm 1083 vorübergehend die Einnahme der Leostadt jenseits des Tibers gelang, ließ er Wibert ein feierliches Hochamt in der Peterskirche halten, sah aber davon ab, ihn förmlich auf der cathedra zu inthronisieren, was als Geste gegenüber dem Wahlrecht der Römer bzw. der Kardinäle, kaum noch als Hintertür für Gregor zu deuten ist37. Erst als in der Stadt und auch unter den Kardinälen die allgemeine Abkehr von Gregor um sich griff und Rom im März 1084 wie eine reife Frucht dem Salier in den Schoß fiel, war endgültig die Bahn frei für Wibert. Er wurde am Palmsonntag in St. Peter (noch einmal) gewählt, sogleich auf den Thron erhoben und nannte sich fortan Clemens III.38 Während Gregor ohnmächtig in der Engelsburg eingeschlossen war, krönte Clemens am Ostertag Heinrich IV. samt Gattin Bertha in aller Form zum Kaiser. Die Parallelen zu den Geschehnissen von Sutri und Rom 28 Jahre zuvor waren alles andere als zufällig, vielmehr bewusst gesucht: Wieder war ein salischer Herrscher nach Rom gekommen und hatte zunächst einen dort verwurzelten Papst Gregor aus dem Amt gedrängt, da er es vorzog, die Kaiserkrone von einem eigens von auswärts mitgebrachten neuen Pontifex namens Clemens entgegenzunehmen. Die Wibert-Clemens zugedachte und gewiss auch von ihm akzeptierte Rolle sollte es sein, das Reformpapsttum nicht zu beseitigen, sondern nach dessen antimonarchischer Radikalisierung durch den gescheiterten Gregor VII. wieder 35 Vgl. Jürgen Ziese, Wibert von Ravenna. Der Gegenpapst Clemens III. (1084–1100), Stuttgart 1982 (Päpste und Papsttum, 20), S. 55–64; Ingrid Heidrich, Ravenna unter Erzbischof Wibert (1073–1100). Untersuchungen zur Stellung des Erzbischofs und Gegenpapstes Clemens III. in seiner Metropole, Sigmaringen 1984 (Vorträge und Forschungen, Sonderbd. 32), S. 157–164. 36 Erdmann, Briefe (wie Anm. 27), S. 22–26 Nr. 16, 17; vgl. Ziese, Wibert (wie Anm. 35), S. 78f. 37 Vgl. Ziese, Wibert (wie Anm. 35), S. 83f. 38 Vgl. ebd., S. 89–94; Stoller, Councils (wie Anm. 9), S. 279–287; Gresser, Synoden (wie Anm. 24), S. 225–227.
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auf die kooperative Linie der Anfänge unter Clemens II. zurückzulenken. Eine historische Chance für diese Zielsetzung bestand durchaus, denn nach dem Abzug Heinrichs IV., der Befreiung Gregors durch die Normannen und dessen Flucht ins Exil nach Salerno, wo er 1085 starb, war Wibert-Clemens auf Jahre die beherrschende Figur in Rom und ebenso in Ravenna wie in Reichsitalien39. Die Sukzession des gregorianischen Papsttums hing am seidenen Faden, da der erst nach Jahresfrist zum Nachfolger erkorene Viktor III., Abt von Montecassino, bereits ein weiteres Jahr später starb, ohne nennenswerte Wirkung erzielt zu haben40, und Urban II., 1088 in Terracina gewählt, zunächst mühsam um Anerkennung zu ringen hatte41, während Wibert-Clemens seine Obödienz über Heinrichs Reich hinaus auf Dänemark, England, die Länder des Ostens sowie Portugal (aber nie nach Frankreich und Spanien) ausdehnte und sogar Beziehungen nach Russland und Byzanz angeknüpft hat42. Als Höhepunkt seines Pontifikats gilt eine 1091/92 in der römischen Peterskirche abgehaltene Synode, die die Gültigkeit der dem Kaiser geleisteten Treueide einschärfte und die Schismatiker verurteilte, aber zugleich Bestimmungen gegen Simonie und Klerikerehen erließ43. Erst ab 1093 begann Wiberts Erfolgskurve, parallel zum Scheitern von Heinrichs IV. drittem Italienzug, zu sinken. 1094 konnte Urban II. in den römischen Lateran einziehen und von dort 1095 zu seiner berühmten Reise nach Oberitalien und nach Frankreich aufbrechen, die ihm zum Übergewicht als Oberhaupt der lateinischen Kirche verhalf und auch im Salierreich nördlich der Alpen ihren Eindruck nicht verfehlte44. Gleichwohl behielt Wibert-Clemens auch in den folgenden Jahren beachtlichen Anhang in Italien und Deutschland, musste erst 1098 in Rom die Engelsburg räumen und überlebte auch noch Urban II. Er residierte in Albano, Tivoli, Sutri und zuletzt Cività Castellana, wo er, im Grundsätzlichen unbezwungen, am 8. September 1100 gestorben ist45. Zum Gegenpapst, zum Verlierer auf der historischen Bühne, ist Wibert-Clemens letztlich erst dadurch geworden, dass nach seinem Tode der von ihm gekrönte Kaiser Heinrich IV. kein Interesse an einer Fortsetzung des Schismas hatte, 39 Vgl. Ziese, Wibert (wie Anm. 35), S. 99–107, 121–130. 40 Vgl. Monika Gude, Die fideles sancti Petri im Streit um die Nachfolge Papst Gregors VII., in: FMASt 27 (1993), S. 290–316. 41 Vgl. Alfons Becker, Papst Urban II. (1088–1099), Bd. 1, Stuttgart 1964 (MGH Schr., 19,1), S. 91–102, 114–125. 42 Vgl. Ziese, Wibert (wie Anm. 35), S. 134–177. 43 Vgl. ebd., S. 190–212; Stoller, Councils (wie Anm. 9), S. 305–314; Gresser, Synoden (wie Anm. 24), S. 276–283. 44 Vgl. Becker, Urban II. (wie Anm. 41), S. 102–113, 213–226. 45 Vgl. Ziese, Wibert (wie Anm. 35), S. 212–274.
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sondern, wenn auch vergeblich, eine Verständigung mit Paschalis II. suchte46. Das hinderte freilich resolute Parteigänger Wiberts in Rom und Umgebung nicht, sich doch auf eine Fortsetzung seiner Obödienz zu kaprizieren, wodurch das Gegenpapsttum wieder zu einem bloßen Instrument lokaler Auseinandersetzungen wie vor 1061 schrumpfte. So wurde noch im September 1100 Theoderich von Albano, einer der wibertinischen Kardinäle, von einer Versammlung aus Klerikern und Laien, abermals zur Nachtzeit, wie es heißt, in der römischen Peterskirche zum Papst erwählt und auf die cathedra erhoben, als sich Paschalis gerade in Unteritalien aufhielt. Spätestens nach dessen Rückkehr ergriff Theoderich, von dem kein Papstname bekannt ist, die Flucht, angeblich um sich zum Kaiser durchzuschlagen; er wurde aber bald gefasst und von Paschalis zu dauernder Haft ins Kloster La Cava bei Salerno verbannt, wo er bereits 1102 verstarb47. Ohne seinen Tod abzuwarten, nahmen dieselben Kreise einen zweiten Anlauf mit Albert, ebenfalls einem Kardinal Wiberts, auf den wohl Anfang 1101 in der Kirche SS. XII Apostoli ihre Wahl fiel. Beim anschließenden Tumult in den Straßen Roms wurde auch er rasch überwältigt und in den Lateran, später in die Klosterhaft nach Aversa unweit von Neapel verbracht48. Vier Jahre vermeintlicher Ruhe vergingen, bis Ende 1105 wieder eine Gruppe unzufriedener römischer Adliger, die sich diesmal die Waffenhilfe des Markgrafen Werner von Ancona gesichert hatte, die Initiative an sich riss, indem sie in der Kirche S. Maria Rotonda, dem Pantheon, Paschalis für abgesetzt und statt seiner den Erzpriester Maginulf von S. Angelo zu ihrem Pontifex erklärten. Sie zogen mit ihm zur Lateranbasilika, wo er am 18. November 1105 die Weihe empfing und den Namen Silvester IV. wählte. Auch er konnte sich nur ganz kurze Zeit in der Stadt halten und verließ Rom nach schweren Straßenkämpfen im Schutz Markgraf Werners, der ihm einen sicheren Aufenthalt in Osimo verschaffte49. Der Vorfall fand auch nördlich der Alpen Beachtung, und so kam es, dass Maginulf-Silvester sechs Jahre später noch einmal in Erscheinung trat, als Heinrich V. im Frühjahr 1111 den in Ponte Mammolo gefangengesetzten Paschalis unter schärfsten Druck setzte und unter anderem mit seiner Anerkennung dieses Gegenpapstes, also einem neuen Schisma, drohte. Erst als Paschalis 46 Vgl. Carlo Servatius, Paschalis II. ���������������������������������������������������� (1099–1118). Studien zu seiner Person und seiner Politik, Stuttgart 1979 (Päpste und Papsttum, 14), S. 150–153; Althoff, Heinrich IV. (wie Anm. 22), S. 227. 47 Vgl. Rudolf Hüls, Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms 1049–1130, Tübingen 1977 (Bibliothek des DHI in Rom, 48), S. 92f.; Servatius, Paschalis II. (wie Anm. 46), S. 70f. 48 Vgl. Hüls, Kardinäle (wie Anm. 47), S. 136f.; Servatius, Paschalis II. (wie Anm. 46), S. 71. 49 Vgl. Servatius, Paschalis II. (wie Anm. 46), S. 71–74.
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das Investiturprivileg und die Kaiserkrönung zugestand, hatte Maginulf seine Schuldigkeit getan und wurde auf den Neronischen Wiesen veranlasst, öffentlich seinen Verzicht auf die päpstliche Würde zu erklären50. Noch ein letztes Mal fanden opponierende Teile des römischen Adels und das salische Kaisertum zueinander, als nach dem Tode Paschalis’ II. im Januar 1118 dessen Kanzler regulär zum nächsten Papst, Gelasius II., gewählt worden, aber noch vor seiner Weihe in die Gewalt der mächtigen Frangipani geraten war. Heinrich V., der sich auf dem Rückweg von seinem zweiten Italienzug befand, witterte eine neue Chance und kehrte sogleich in die Ewige Stadt zurück, aus der Gelasius im letzten Augenblick fliehen konnte. Noch bevor er im sicheren Gaeta die Weihe nachholte, machte der Kaiser vom Nominationsrecht seiner Vorgänger Gebrauch und bestimmte zum Papst eher zufällig den schon länger in Rom weilenden Erzbischof Mauritius von Braga, einen gebürtigen Franzosen, der ihm im Vorjahr in Abwesenheit von Paschalis II. eine Festkrönung in St. Peter gewährt hatte51. Er nannte sich erstaunlicherweise Gregor VIII., wurde aber von den Römern als Burdinus („spanisches Eselchen“) verspottet und erlangte nie eine Resonanz, die über die Stadt und die Campagna hinausreichte. Seine geschichtliche Rolle bestand darin, endgültig das vom Kaiser dominierte Papsttum als Anachronismus erwiesen zu haben, zumal auch Heinrich V. selbst sich nach seinem Abzug aus Rom im Juni 1118 nicht länger um ihn kümmerte und bald schon trotz des Bannes, den er sich wegen des Schismas zugezogen hatte, Ausgleichsverhandlungen mit dem Reformpapsttum begann52. Dass Mauritius-Gregor dennoch drei Jahre hindurch seinen Anspruch aufrechterhalten konnte, lag daran, dass Gelasius im September 1118 nicht so sehr vor ihm wie vor den Umtrieben der Frangipani die Flucht nach Frankreich antrat und dort gestorben ist. Der in Cluny gewählte Nachfolger Calixt II., zuvor Erzbischof von Vienne, traf erst im Juni 1120 in Rom ein, wo ihm der Lateran offenstand, aber die Petersbasilika in Händen der Partei des Gegenpapstes war. Mauritius-Gregor selber hatte sich in Sutri verschanzt und wurde dort erst nach Ostern 1121 von päpstlichen Truppen festgenommen, um
50 Vgl. ebd., S. 244–251. 51 Vgl. Carl Erdmann, Mauritius Burdinus (Gregor VIII.), in: QFIAB 19 (1927), S. 205– 261; zuletzt Jürgen Petersohn, Kaisertum und Rom im spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II., Hannover 2010 (MGH Schr., 62), S. 32f. 52 Vgl. Beate Schilling, Guido von Vienne – Papst Calixt II., Hannover 1998 (MGH Schr., 45), S. 412–416.
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anschließend in einer Schandprozession durch die Stadt den Römern vorgeführt zu werden53. Auch er beschloss seine Tage als Klosterhäftling in La Cava. Insgesamt betrachtet, hat das von Heinrich III. eher spontan auf den Weg gebrachte Reformpapsttum die Kontinuität der Sukzession zu behaupten vermocht, obwohl es wahrlich nicht an potenten Gegenkräften gemangelt hat, die der Geschichte eine andere Richtung zu geben versuchten. Neben den beiseite geschobenen römischen Eliten, deren zähe Beharrlichkeit die Schwäche der lokalen Fundierung bloßlegt, auf die die meist von auswärts stammenden Reformer zu vertrauen hatten, fielen besonders die wiederholten Bestrebungen Heinrichs IV. und Heinrichs V. ins Gewicht, es in der Verfügung über den Apostolischen Stuhl dem Vater bzw. Großvater gleichzutun. Wenn das Reformpapsttum letztlich allen Stürmen getrotzt hat, lag das zum einen daran, dass sehr bald nach dem Tode Heinrichs III. mit dem Wahlvorrecht der Kardinäle ein relativ klarer Maßstab für die Legitimität weiterer Pontifikate etabliert wurde, der die Römer ebenso wie die salischen Herrscher in die Schranken wies; zum anderen aber und mehr noch an der zunehmenden moralischen Autorität und gesamteuropäischen Ausstrahlung der Reformpäpste, was die Frage nach dem rechtmäßigen Nachfolger Petri zu einer Angelegenheit der ganzen lateinischen Christenheit machte. Tatsächlich hatten mit dem Scheitern des Burdinus die Kräfte historisch ausgespielt, über die sich das Reformpapsttum mit Mühe hinweggeholfen hatte, und neue Schismen konnten im 12. Jahrhundert nur noch aus dem Kardinalskolleg selbst erwachsen. Den Eindruck einer siegreich abgeschlossenen Auseinandersetzung unterstrich Calixt II. anschaulich, als er gleich nach Abschluss des Wormser Konkordats die bekannten Fresken im Lateranpalast in Auftrag gab, die heute nur noch nach Beschreibungen wiederzugeben sind. Sie zeigten Alexander II. als Triumphator über Cadalus, Gregor VII., Viktor III. und Urban II. gemeinsam als Sieger über Wibert, Paschalis II., der sich gegen Theoderich, Albert und Maginulf durchgesetzt, sowie Calixt II., der Burdinus bezwungen hat54.
53 Vgl. ebd., S. 467f. 54 Vgl. Ingo Herklotz, Die Beratungsräume Calixtus’ II. im Lateranpalast und ihre Fresken. Kunst und Propaganda am Ende des Investiturstreits, in: ZK 52 (1989), S. 145–214; Schilling, Guido (wie Anm. 52), S. 589–594; Ingo Herklotz, Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums, in: Ernst-Dieter Hehl, Ingrid Heike Ringel u. a. (Hg.), Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 6), S. 273–291, hier S. 276–284.
Das Wibertinische Schisma in den Quellen des Regnum Italiae Nicolangelo D’Acunto* Im Vortrag werde ich zunächst die Erwähnung Clemens’ III.1 in den Notars- und Kanzleiüberlieferungen untersuchen. Anschließend geht es um den Einfluss, den das Wibertinische Schisma auf die „Überlieferungslandschaften“ („paesaggio delle fonti“) des Regnum Italiae hatte2. Hierbei steht die Frage im Zentrum, ob die große Parteinahme für diesen Papst seitens des kaisernahen Episkopats nach dem Ende des Schismas die Selektionsmechanismen archivalischer Erinnerung beeinflusst hat3. Einige Anmerkungen betreffen hierbei auch die Abfassung und Verwahrung von Streitschriften, die sich im Umfeld dieses bedeutsamen Gegeneinanders von Clemens III. und Gregor VII. entwickelten4. Bezüglich der Quellengeschichte * Die Textfassung orientiert sich weitgehend an meinem Tagungsvortrag, der um zentrale Quellenbelege und Literaturverweise ergänzt wurde. Für seine Erstübersetzung danke ich herzlich Frau Bianca Gabrielli (M. A./Aachen). 1 Die beste Monographie ist nach wie vor die von Jürgen Ziese, Der Gegenpapst Clemens III. (1084–1100), Stuttgart 1982 (Päpste und Papsttum, 20). Ausgezeichnet ist auch der biographische Artikel von Carlo Dolcini, Clemente III, antipapa, in: Enciclopedia dei papi 2 (2000), Sp. 212–217, mit ausführlichen bibliographischen Angaben. 2 Paolo Cammarosano, Italia medievale. Struttura e geografia delle fonti scritte, Florenz 1991, S. 9. 3 Für einige Beispiele betreffend diese Frage vgl. Nicolangelo D’Acunto, I vescovi del Regno Italico, in: Renata Salvarani, Liana Castelfranchi (Hg.), Matilde di Canossa – il papato – l’impero: storia, arte, cultura alle origini del romanico, Mailand 2008, S. 116– 125. Durchweg zu teilen sind die Schlussfolgerungen von Kai-Michael Sprenger, Damnatio memoriae o damnatio in memoria. Qualche osservazione metodologica sui cosiddetti antipapi, in: Isa Lori Sanfilippo, Antonio Rigon (Hg.), Condannare all’oblio: pratiche della damnatio memoriae nel Medioevo. Atti del convegno di studio svoltosi in occasione della XX edizione del Premio internazionale Ascoli Piceno, Ascoli Piceno Palazzo dei Capitani 27–29 novembre 2008, Rom 2010, S. 67–88. 4 Vgl. Ian Stuart Robinson, Authority and resistance in the Investiture Contest. The ������� polemical literature of the late 11th century, Manchester 1978, S. 75–83; Monika Suchan, Publizistik im Zeitalter Heinrichs IV. – Anfänge päpstlicher und kaiserlicher Propaganda im Investiturstreit, in: Karel Hruza (Hg.), Propaganda, Kommunikation und Öffentlich-
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muss man für unseren Interessenbereich anmerken, dass dieses Schisma mit einer Phase immensen Wachstums in der Schriftproduktion einhergeht, die in einem nicht unerheblichen Maße auf zum Teil ideell motivierte Interessenskonflikte zurückzuführen ist, wie sie für den Investiturstreit charakteristisch waren. Betrachtet man frühere Konflikte um die Kontrolle über das Papsttum, fällt auf, dass das, was wir aus Bequemlichkeit und auch erst im Nachhinein als ‚Wibertinisches Schisma‘ bezeichnen, einen großen Einschnitt darstellt. Denn anders als noch im Verlauf des ,eisernen Jahrhunderts‘ standen sich in den letzten 20 Jahren des 11. Jahrhunderts nicht einfach nur verschiedene Personen gegenüber, die von ihren Familien und Anhängern unterstützt wurden, sondern es traten zwei grundverschiedene Konzeptionen von Kirche und Welt und ihren gegenseitigen Beziehungen zueinander auf, die sich durch die sogenannten gregorianischen Reformen als de facto unvereinbar erwiesen hatten – nicht so sehr auf der Ebene der reformerischen Strenge, sondern vor allem in ihren Vorstellungen über die Beziehung zwischen regnum und sacerdotium5. Aufgrund dieses bedeutenden Einschnitts in der Geschichte der Schismen übte der gregorianisch-wibertinische Bruch einen starken Impuls auf die Produktion von Schriftstücken aus, die die verschiedenen ideellen Positionen gegenüberstellten6. Die besagten Überlieferungslandschaften wurden nicht nur beeinflusst durch den immensen Zustrom kanonischer Quellen, sondern auch durch den Umstand, dass der Investiturstreit einen tiefgehenden Bruch in der Geschichte des Abendlandes darstellte. Ein Grund hierfür war, dass sich die Parteinahme für Clemens III. im Nachhinein als unvereinbar erwies mit der darauf folgenden Eingliederung der bischöflichen Kirchen und Klöster in das von Rom geführte – und letztendlich überlegene – Kirchensystem. Während die von den Gregorianern unterstützte veritas in den Archiven und Bibliotheken des Regnum Italiae beträchtliche Spuren hinterließ, lässt sich genau das Gegenteil beobachten für das ,alte‘ System der kaiserlichen Kirche, die durch Clemens III. und seine zahlreiche und mächtige italienische Anhängerschaft verkörpert und vertreten wurde. Ein Beispiel hierfür ist das Schreiben des sogekeit (11.–16. Jahrhundert), Wien 2001 (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 6), S. 29–46. 5 Vgl. Ovidio Capitani, L’Italia medievale nei secoli di trapasso: la riforma della chiesa (1012–1122), Bologna 1984, der sich ungeachtet des Titels nicht auf eine italienische Perspektive beschränkt; Wilfried Hartmann, Der Investiturstreit, München 22007 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 21); Riforma o restaurazione? La cristianità nel passaggio dal primo al secondo millennio: persistenze e novità. Atti del XXVI Convegno del Centro Studi Avellaniti, Fonte Avellana 2004, Negarine di S. Pietro in Cariano (Verona) 2006. 6 Vgl. Ovidio Capitani, Tradizione ed interpretazione. Dialettiche ecclesiologiche del secolo XI, Rom 1990 (Storia Souvence, 26).
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nannten Pseudo-Udalricus7, das von Gregor VII. bereits im Jahr 1079 verurteilt wurde. Es enthält eine glühende Verteidigung der Zulässigkeit der Eheschließung im Klerus und somit auch eine Verteidigung derjenigen Kirchenkonzeption, die diese Praxis zulässt. Für den Bezugszeitraum finden wir jedoch praktisch keine Quelle, die eine Ausbreitung von Eheschließungen in den italienischen Diözesen bestätigt, weder im Pseudo-Udalricus noch in ähnlichen Pamphleten. Während die bedeutenden Werke der gregorianischen Publizistik sich lediglich in der handschriftlichen Überlieferung, die südlich der Alpen geschrieben bzw. aufbewahrt wurde, niederschlägt – wenn auch bisweilen in nur spärlicher oder unzureichender Auswahl, wie zum Beispiel der Liber ad amicum des Bonizo von Sutri8 –, sind alle Pamphlete, die mit Unterstützung von Heinrich IV. oder Clemens III. geschrieben wurden, ausschließlich durch Handschriften außerhalb des Regnum Italiae auf uns gekommen. Dies gilt auch für Werke wie die Defensio Heinrici IV von Petrus Crassus, die uns durch einen einzigen Kodex, den Hannoveranus XI 671 aus dem 16. Jahrhundert, zugänglich wurde9. Sein Ursprungsort Ravenna wurde von Ian Stuart Robinson in Frage gestellt10, jedoch besteht Carlo Dolcini weiterhin darauf, dass der Kodex zumindest dem nahen Umfeld des Gegenpapstes zuzurechnen ist11. Nur eine einzige, in München aufbewahrte Handschrift erlaubt uns den Zugang zu De schismate Hildebrandi von Guido von Ferrara12 – „dem bedeutendsten Wortführer aus Wiberts unmittelbarster Umgebung” (,,il principale portavoce dell’ambiente più immediatamente prossimo a Guiberto”)13; der Text geriet südlich der Alpen, wo er eigentlich eine weite Verbreitung erfahren sollte, völlig in Vergessenheit. Dank einer mailändischen Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert kennen wir 7 Pseudo Udalrici, Epistola de continentia clericorum, ed. Lothar von Heinemann, in: MGH L. d. L., 1, Hannover 1891, S. 254–260. 8 Bonizonis episcopi Sutrini Liber ad amicum, ed. Ernst Dümmler, in: MGH L. d. L., 1 (wie Anm. 7), S. 568–620; vgl. Walter Berschin, Bonizone di Sutri. Vita e opera, Spoleto 1993. 9 Petrus Crassus, Defensio Heinrici IV, ed. Lothar von Heinemann, in: MGH L. d. L., 1 (wie Anm. 7), S. 432–453, zur handschriftlichen Überlieferung vgl. bes. S. 433. 10 Vgl. Robinson, Authority (wie Anm. 4), S. 75–83. 11 Vgl. Dolcini, Clemente III (wie Anm. 1), S. 214. 12 Wido episcopus Ferrariensis, De scismate Hildebrandi, ed. Roger Wilmans, Ernst Dümmler, in: MGH L. d. L., 1 (wie Anm. 7), S. 529–567, zur handschriftlichen Überlieferung vgl. bes. S. 531f. 13 Zelina Zafarana, Sul ,conventus‘ del clero romano nel maggio 1082, in: StM 3. Ser. 7 (1966), S. 399–403, hier S. 401 (nachgedruckt in: Dies., Da Gregorio VII a Bernardino da Siena. Saggi di storia medievale, Perugia, Florenz 1987, S. 3–7, hier S. 5).
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schließlich das Werk des Benzo von Alba, das Bonvesin de la Riva sicher bekannt war; dieser codex unicus befindet sich heute in Uppsala14. Um die Gründe für den geringen Erfolg dieser Werke in Italien zu verstehen, ist es hilfreich, sich an die Freude zu erinnern, mit der Ulrich von Hutten im Jahr 1519 berichtete, ein (heute verlorenes) Manuskript aus dem Liber de unitate ecclesiae conservanda in der Bibliothek von Fulda gefunden zu haben, dessen zweites Buch eine wahrhaftige Sammlung von Wibert gegenüber positiv eingestellten Ausführungen beinhaltet. Ulrich von Hutten war begeistert von seinem Fund, weil der hochmittelalterliche Verfasser strenue pontificum tyrannidem oppugnat et pro libertate Germanica belligeratur15. Das Vergnügen des anti-römischen Polemikers, der sich stolz gegen Papst Leo X. stellte, erklärt uns implizit, weshalb sich in Italien bereits kurz nach dem Ende des Investiturstreits in der gesamten prowibertinischen Libellistik der Schleier des Vergessens ausgebreitet hatte. Keiner der vier Kodizes, die das Decretum Wiberti16 enthalten, ist bezüglich seiner Herkunft und Aufbewahrung italienisch. Dies kann als Bestätigung dafür gelten, dass die zwar große, aber nicht immer in sich geschlossene Gruppe der prowibertinischen Bischöfe und Äbte die Erinnerung an das Papsttum Clemens’ III. nicht weiterpflegen konnte – oder vielmehr: nicht weiterpflegen wollte. Mit anderen Worten: Es erstaunt das Missverhältnis zwischen der hohen Zahl der Bischöfe, die Gerhard Schwartz als „kaiserlich“ definierte, und der spärlichen Zahl der – dokumentarischen wie literarischen – Quellen, die mit diesen Bischöfen in Verbindung gebracht werden können17. Wer sich ein wenig mit den mittelalterlichen series episcoporum auskennt, weiß, dass die cruces und die Lücken in diesen Serien im Verlauf des Investiturstreits zunehmen. Dies erscheint umso bedeutungsvoller, wenn man berücksichtigt, dass sie eigentlich in einer Phase des immensen Wachstums in der Schriftproduktion entstanden sind. Exemplarisch kann der Fall Brescia herangezogen werden, wo vier streng kaisertreue Prälaten aufeinander folgten, denen – trotz einer zumindest befriedigenden Quellenlage für den vorangegangenen Zeitraum – praktisch keine Dokumente mehr zugeordnet werden können. Grund hierfür ist wahrscheinlich die 14 Zum Kodex vgl. Benzo von Alba, Sieben Bücher an Kaiser Heinrich IV., ed. Hans Seyffert, Hannover 1996 (MGH SRG in us. schol., 65), S. 49–61, zum Hinweis auf die Verbreitung des Kodex in Mailand und zur Nachricht von Bonvesin de la Riva vgl. bes. S. 56f. 15 Zafarana, Ricerche (wie Anm. 13), S. 618 (bzw. S. 10). 16 Decretum Wiberti vel Clementis papae, ed. Ernst Dümmler, in: MGH L. d. L., 1 (wie Anm. 7), S. 621–626, zur handschriftlichen Überlieferung vgl. bes. S. 621. 17 Vgl. Gerhard Schwartz, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens unter den sächsischen und salischen Kaisern, Berlin 1913 (unveränderter ND Spoleto 1993).
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Bereinigung der dokumentarischen Erinnerung, die vorgenommen wurde, um die ‚Beweise‘ der verfänglichen Beziehungen zu Heinrich IV. und seinem Papst zu beseitigen, so dass in vielen Archiven der Kirchen Reichsitaliens ein wahrhafter archivalischer Kahlschlag verübt wurde18. Ähnlich ist der Fall der Stadt Perugia, deren einzigartige Überlieferungslandschaft einer Erwähnung würdig ist. In allen dreien der dort befindlichen Archive, die Dokumente aus dem 11. Jahrhundert enthalten, kann man dasselbe Phänomen beobachten – vielleicht nur ein Zufall (gibt es Zufälle?), vielleicht aber auch die Auswirkung einer präzisen archivistischen Auswahl: Für das Kapitel der Kathedrale von San Lorenzo gibt es keine Dokumente zwischen 1060 und 1100; für das städtische Kloster von San Pietro reicht die dokumentarische Lücke von 1065 bis 1115, während die Urkunden des Klosters von San Maria di Valdiponte, ausgehend von 1050 bis 1150, nur Notariatsdokumente aufweisen, die ohne Interesse für die Institutionengeschichte sind19. Das tiefste Dunkel würde sich über unsere Quellen ausbreiten, würden uns nicht diejenigen Dokumente aushelfen, die nicht in Perugia aufbewahrt werden und den Bischof Goffredus betreffen. Dieser hat ebenfalls keine Spur von sich in den hiesigen Urkunden hinterlassen, stand aber sicher den Reformern nahe und wurde von seiner Diözese ferngehalten durch Anfeindungen der perugianischen Befürworter Heinrichs IV. und Clemens’ III., der sicher die Unterstützung der lokalen herrschenden Klasse genoss20. Die Situation für die Diözese Bologna stellt sich ebenfalls in jener eben beschriebenen Weise dar: Genau für die Jahrzehnte des Investiturstreites ist die Überlieferungslandschaft durch ein fast vollständiges Fehlen von Dokumenten charakterisiert21. Während wir für Brescia, Perugia und Bologna ‚aus dem Stillschweigen‘ schlussfolgern müssen, enthält der liber iurium der Bischofskirche von Luni, der Codice Pelavicino, eine beträchtliche Reihe von päpstlichen Privilegien, die alle erst nach 1149 entstanden sind22. Vielleicht besaßen die Bischöfe von Luni vorher keine Privilegien, vielleicht hatten sie solche aber auch von Päpsten 18 Vgl. Nicolangelo D’Acunto, La pastorale nei secoli centrali del medioevo: vescovi e canonici, in: Giancarlo Andenna (Hg.), A servizio del Vangelo. Il cammino storico dell’evangelizzazione a Brescia, Bd. 1: L’età antica e medievale, Brescia 2010, S. 15–95. 19 Vgl. Nicolangelo D’Acunto, L’età dell’obbedienza. Papato, impero e poteri locali nel secolo XI, Neapel 2007 (Nuovo Medioevo, 75), S. 305–324. 20 Vgl. Ders., Goffredo, vescovo di Perugia, in: DBI 57 (2001), S. 519. 21 Vgl. Giovanni Feo, La Chiesa di Bologna e i suoi documenti, in: Ders., Francesca Roversi Monaco (Hg.), Bologna e il secolo XI: storia, cultura, economia, istituzioni, diritto, Bologna 2011, S. 573–604. 22 Il regesto del Codice Pelavicino, ed. Michele Lupo Gentile, Genua 1912 (Atti della Società Ligure di Storia Patria, 44), S. 1–21.
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bekommen, deren Andenken sie in Verlegenheit bringen konnte. In der Tat war die Beziehung, die die Bischöfe von Luni zu den Kaisern unterhielten, sehr eng – auch im 11. Jahrhundert, als die Prälaten den Herrschern das Geleit anboten, um den Apenninenpass des Monte Bardone zu überqueren, der die Poebene mit der italienischen Halbinsel verbindet. Benzo von Alba berichtet von einem Vorfall während des Kampfes zur Unterstützung von Cadalus-Honorius II. und benennt als Zeugen hierfür Wibert von Ravenna, der zur entsprechenden Zeit kaiserlicher Amtsschreiber war, und einen Bernardus Lunensis, eo tempore regis capellanus23, von dem es keine Spur gibt im besagten Codice Pelavicino, dem ansonsten sehr reichhaltigen liber iurium der bischöflichen Kirche. Aus diesem Grund zählt keine der Listen der Bischöfe von Luni Bernardus mit dazu, er erscheint nicht einmal zwischen jenen, bei denen noch Zweifel bestehen, obgleich die series episcoporum für das Jahrzehnt 1085–1095 eine auffällige Lücke aufweisen; sie wird von der dortigen Gelehrtentradition mit einem Lazarus II. gefüllt, für den es jedoch nicht den geringsten Nachweis gibt. Es kommt daher der Verdacht auf, dass der Codice Pelavicino aus dem späten 13. Jahrhundert gar nicht als einfache Abschrift von Dokumenten des bischöflichen Archivs gedacht war, sondern das Ergebnis einer bewussten Auswahl von Materialien, die damals noch zur Verfügung standen – wobei man genau diejenigen Quellen vermied, die die weltliche Verbindung von Luni mit dem Kaiserreich bezeugten24. Dem Fall von Luni ähnelt der von Cremona. Das Buch, das die Privilegia episcopii Cremonensis enthält, wurde im Auftrag Bischof Siccardos zusammengestellt, der die Diözese von 1185 bis 1215 leitete25. Es vereint öffentliche Dokumente in großer Kontinuität, weshalb die Lücke zwischen zwei Diplomen Heinrichs III. von 1054 und Heinrichs V. von 1105 umso bedeutsamer erscheint. Der Umstand erweist sich als noch bezeichnender im Licht der Tatsache, dass das erzbischöfliche Archiv in losen Pergamentblättern eine perfekte Kontinuität der Aufbewahrung zeigt, es sich dabei jedoch um Notariatsdokumente handelt, deren Datierung 23 Benzo von Alba (wie Anm. 14), S. 178. 24 Vgl. D’Acunto, L’età dell’obbedienza (wie Anm. 19), S. 271–287. 25 Vgl. Valeria Leoni, ‚Privilegia episcopii Cremonensis’. Il cartulario vescovile di Cremona e il vescovo Sicardo (1185–1215), in: Scrineum Rivista 3 (2005), . Zur digitalen Edition des Registers vgl. Privilegia episcopii Cremonensis o Codice di Sicardo (715/730–1331), ed. Dies., http://cdlm.unipv.it/edizioni/cr/cremona-sicardo/ [Zugriff: 10.03.2012]. Die komplizierte und widersprüchliche Geschichte der Kirche von Cremona während des Investiturstreits wurde beschrieben von Giancarlo Andenna, Le istituzioni ecclesiastiche dall’età longobarda alla fine del XIV secolo, in: Ders., Giorgio Chittolini (Hg.), Storia di Cremona. Il Trecento. Chiesa e cultura (VIII–XIV secolo), Cremona 2007, S. 42–50.
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keine Bezüge zu universalen Autoritäten aufweisen – so wie es übrigens auch in der gesamten Dokumentation des lombardischen Gebietes der Fall ist, deren Datierungen nur die Tausenderzahl und eine Indiktion angeben. Diese notarielle Praxis verhindert die Erfassung eines fundamentalen Indikators, den wir für die Feststellung benötigen, welcher Papst im Bereich des Regnum Italiae – das zu dieser Zeit ja Heinrich IV. und Clemens III. massiv unterstützte – für legitim gehalten wurde. Als nützlich hat sich die datumsbezogene Betrachtungsweise jedoch in anderen Bereichen des Regnum erwiesen, in denen die Notare das Jahr eines Pontifikats spezifizierten, wie zum Beispiel im Zentrum und in der Umgebung von Rimini, die aufgrund ihrer Grenzposition zwischen den Einflussgebieten von Rom und Ravenna äußerst bedeutsam war. Die überkommene lokale Dokumentation des fraglichen Zeitraums betrifft den Bischof Opizo, der vom gregorianischen zum wibertinischen Lager übertrat, wie der Wechsel der Bezugnahme vom einen auf den anderen Papst in der Datierung der Dokumente verrät. Diese Dokumente wurden alle – und das muss man hervorheben – vom Presbyter Benedikt, sancte Ariminensis ecclesie scriptor, verfasst; er war ein ausgezeichneter Notar und beherrschte die sehr weitläufige diplomatische Minuskel, die stark der kaiserlichen Urkundenschrift ähnelte und der bischöflichen Schriftproduktion daher eine offenkundig ,,kanzleikonforme” („cancelleresca“) Note verlieh26. Nun zu den Stücken im Einzelnen: In einer Urkunde von 107827 finden wir die Bezugnahme auf die Pontifikatsjahre Gregors VII. und die Königsjahre Heinrichs IV. Ungewöhnlich erscheint die Datierung eines Dokuments auf den 11. Februar 1081, als das Wibertinische Schisma bereits aufgeflammt war28: Neben den Pontifikatsjahren Gregors VII. treten die Herrscherjahre Heinrichs IV. nicht in Erscheinung; in einem Stück von 108329 kommen sie jedoch wieder vor. In diesem Fall finden wir tatsächlich einen zweifachen Bezug, sowohl zu Gregor als auch zu Heinrich, obwohl sich der königliche Hof – laut Benzo von Alba – nach 26 Giovanni Rabotti, Le relazioni tra il monastero di San Gregorio in Conca ed il vescovo di Rimini nei secoli XI e XII, in: Studi Romagnoli 13 (1962), S. 215–239, hier S. 222; vgl. Nicolangelo D’Acunto, Rimini durante la lotta per le investiture, in: Augusto Vasina (Hg.), Storia della Chiesa riminese, Bd. 2: Dalla lotta per le investiture ai primi anni del Cinquecento, Rimini 2011, S. 49–66. 27 Luigi Tonini, Storia di Rimini, Bd. 2, Rimini 1856, Nr. 64 S. 557f.; Angelo Turchini, Pergamene/Monumenta (994–1690) e Instrumenta (1041–[1295]) dell’Archivio della Canonica e del Capitolo di Rimini. Regesti, Cesena 2008, Nr. 10 S. 80. 28 Turchini, Pergamene (wie Anm. 27), Nr. 11 S. 80. 29 Tonini, Storia di Rimini (wie Anm. 27), Nr. 65 S. 558–560; Turchini, Pergamene (wie Anm. 27), Nr. 12 S. 80.
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dem Rückzug aus Rom 1082 nach Rimini begeben hatte30. Es lässt sich also folgern, dass weder die Wahl Clemens’ III. im Jahr 1080 noch der Abzug des kaiserlichen Gefolges bereits Einfluss hatten auf diesen Aspekt der Notariatspraxis. Die Situation wandelte sich radikal in einem Dokument vom 11. September 1084: Darin heißt es, dass das angezeigte Inkarnationsjahr dem sechsten Pontifikatsjahr Clemens’ III. und dem zweiten Amtsjahr Heinrichs IV. in Italien entspricht31. Erst die Eroberung Roms durch Heinrich IV. und die wechselseitige Krönung vom 24. März 108432 verleiteten offenbar den Bischof Opizo dazu, das gregorianische Lager zu verlassen und die Regierungsjahre Clemens’ III. neben denen des Kaisers anzugeben – eine Entscheidung, die als Datierungspraxis in den Jahren 108533 und 108634 bestätigt wurde und über den Tod des Bischofs Opizo hinaus bis in die Zeit Paschalis’ II. Bestand hatte35. Diese Dokumente sind also (vielleicht dank ihrer Bedeutung für die patrimoniale Ordnung des Kapitels und der religiösen Behörden Riminis) der darauf folgenden damnatio der wibertinischen Erinnerung entgangen. Aus Datierungen aus Latium lässt sich ableiten, dass – während in Zentren wie Viterbo die wibertinische Parteinahme unzweifelhaft war – in Rom sogar nach der siegreichen Besetzung durch Heinrich IV. im Jahr 1084 noch einige Zellen des gregorianischen Widerstandes fortbestanden. Im Großteil der Dokumente des Zeitraums 1085 bis 1099 überwog jedoch die wibertinische Partei36. In all diesen Fällen erwies sich die Zäsur vom 24. März 1084 als ausschlaggebend. Sie wird auch durch die diesbezügliche Dokumentation der Abtei von Farfa – dem Dreh- und Angelpunkt der kaiserlichen Präsenz in Mittelitalien – bestätigt, wo die Notare in 10% der Fälle Herrscherjahre Heinrichs IV. verwenden, Pontifikatsjahre Clemens’ III. (jedoch erst nach seiner Weihe) in 36% und die Jahre beider in nur 4% der überlieferten Stücke37. Bemerkenswert ist der Rückgriff 30 Benzo von Alba (wie Anm. 14), S. 542. 31 Tonini, Storia di Rimini (wie Anm. 27), Nr. 66 S. 561f.; Turchini, Pergamene (wie Anm. 27), Nr. 13 S. 80f. 32 Vgl. Ziese, Gegenpapst Clemens III. (wie Anm. 1), S. 90–94. 33 Tonini, Storia di Rimini (wie Anm. 27), Nr. 67 S. 563f.; Turchini, Pergamene (wie Anm. 27), Nr. 14 S. 81. 34 Turchini, Pergamene (wie Anm. 27), Nr. 15 S. 81f. 35 Tonini, Storia di Rimini (wie Anm. 27), Nr. 69 S. 567. 36 Vgl. Tersilio Leggio, L’antipapa Clemente III di fronte a Farfa e alle altre abbazie della Sabina, in: Ravenna studi e ricerche 13 (2006), S. 145–180, hier S. 170. 37 Vgl. ebd., S. 168. Zur Abtei von Farfa vgl. Rolando Dondarini (Hg.), Farfa Abbazia imperiale. Atti del convegno internazionale, Farfa-S. Vittoria in Matenano 25–29 agosto 2003, Negarine di S. Pietro in Cariano (Verona) 2006.
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auf hochtrabende Titel wie pontificatus domni Claementis III papae, sedentis in sacratissima sede beati Petri apostoli, was dazu diente, Propaganda zu betreiben und den umstrittenen Papst zu legitimieren – eine Zielsetzung, die das Kloster Farfa aufgrund seiner Verbindungen in viele Gebiete Mittelitaliens verfolgen konnte38. Das Beispiel Farfa betont zugleich die vielfältigen Nuancen, die die Parteinahme für Clemens III. charakterisieren. Im Jahr 1082 hielt Clemens sich zusammen mit Heinrich IV. in der Abtei in Latium auf. Gregor von Catino beschreibt, dass die Mönche seinen Namen in den libro commemoratorio eintrugen, ebenso einige seiner nicht näher bezeichneten Anhänger – quorumdam suorum fidelium39. Auch in diesem Fall ist die Erinnerungsschwäche des Chronisten, der ein Zeitgenosse der Ereignisse war, nicht unschuldiger Natur. Die Erzählung fährt fort mit dem Einmarsch Heinrichs IV. in Rom, wo sich – wie wir jedoch erfahren – Gregorius papa septimus in die Engelsburg geflüchtet hatte. Gregor von Catino bekundete ferner, er hege große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl Clemens’ III. Eine derartige Schizophrenie ist nur schwer nachzuvollziehen. Aufgrund der Geschichtsschreibung Farfas könnte man sogar glauben, dass die Abtei dem Lager der Gregorianer zuzurechnen sei. Indes fügte derselbe Gregor von Catino in das Chronicon Farfense ein Dokument Clemens’ III. ein, das die Sache ein wenig erhellt: Man entnimmt daraus, dass derselbe Chronist sich im Jahr 1090 gegen Regizo, den Bischof von Sabina, gewendet hat. Dieser hatte versucht, sich mit der Unterstützung desjenigen, der in der Chronik als archiepiscopus Ravennatis papa dictus definiert wird, zum Abt von Farfa wählen zu lassen. Jener Erzbischof (Clemens) begab sich umsonst nach Farfa, um seinen Kandidaten zu unterstützen, und er beanspruchte dabei das Recht, an der Abtswahl teilzunehmen – da auch er de societate ac fraternitate sei40. Man versteht daher, weshalb Gregor von Catino es vermieden hatte, Clemens III. ausdrücklich zu erwähnen, als er sich auf 38 Leggio, L’antipapa Clemente III (wie Anm. 36), S. 169. 39 Il Chronicon Farfense di Gregorio di Catino, ed. Ugo Balzani, Bd. 1, Rom 1903 (Fonti per la Storia d’Italia, 33), S. 172. Zu den Beziehungen zwischen Farfa und Heinrich IV. vgl. D’Acunto, L’età dell’obbedienza (wie Anm. 19), S. 289–303, bes. S. 299–303. Der liber vitae aus Farfa ist nicht überliefert; vgl. Thomas Frank, Studien zu italienischen Memorialzeugnissen des XI. und XII. Jahrhunderts, Berlin, New York 1991 (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung, 21), S. 4–10. 40 Il Chronicon Farfense (wie Anm. 39), S. 301; zu den Geschehnissen vgl. künftig Nicolangelo D’Acunto, Mönchs- und Nonnenkonvente aus dem Regnum Italiae in den Libri vitae, in: Gesellschaft im Gebetsgedenken. Ergebnisse und Perspektiven der Erforschung für mittelalterliche Libri vitae. Internationale Tagung Mühleim/Ruhr 8.–10. Dezember 2011, im Druck.
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die Eintragung des Kaisers und die von ,,einigen seiner Getreuen” im liber vitae der Abtei bezog. Zusammengefasst kann man sagen, dass die absolute Treue gegenüber Heinrich IV. nicht automatisch bedeutete, dass die Mönche von Farfa jede seiner Entscheidungen teilten. Im Gegenteil: Der Verteidigung der libertas des Klosters wurde größte Bedeutung beigemessen. Hierfür waren die Kaiser die wichtigsten Garanten, besonders bezüglich päpstlicher Einmischungsversuche. Demnach konnte ein ‚kaiserlicher‘ Papst wie Clemens III. einen institutionellen Kurzschluss verursachen, der möglicherweise tödlich war für die libertas des Klosters. All dies schloss jedoch nicht aus, dass – unabhängig von dieser beiläufigen Kontroverse und unabhängig von der durch Gregor von Catino entworfenen Runderneuerung – Clemens III. im Allgemeinen als der rechtmäßige Papst anerkannt wurde. Dies zeigt die bereits erwähnte Praxis, die Jahre seiner Amtszeit zu zählen, und zwar nicht nur in den Dokumenten, sondern auch – eine publizistische Auswirkung der Notariatspraxis – in den zeitgenössischen Inschriften. Radikal anders, wie ich schon gesagt habe, stellt sich die Situation im nördlichen Italien dar, wo die Erinnerung an das Wibertinische Schisma nur in wenigen Städten aufrechterhalten wurde – nämlich in denen, die man als stark ghibellinisch bezeichnen kann. In der Allgemeinheit der sonstigen Fälle hat die damnatio memoriae jedoch perfekt funktioniert. Die Überlieferungschancen der Diplome und Privilegien, die von oder bezüglich Heinrich IV., Clemens III. sowie ihren Unterstützern angefertigt wurden, waren offenbar geringer als jene der Dokumente ihrer Gegner. Es genügt zu erwähnen, dass sich für Heinrich IV. ein jährliches Mittel von 6,94 Diplomen gegenüber 16 für Heinrich III. verzeichnen lässt, außerdem ein bezeichnender Einbruch der Zahl der Diplome für italienische Empfänger – vielleicht aufgrund unbedeutender archivalischer Umstände oder eines gewandelten Selbstverständnisses der königlichen Macht und einer damit zusammenhängenden Änderung der Kommunikation, wie ich an anderer Stelle bereits angenommen habe41. Aber vielleicht wirken hier auch bewusste Selektionsstrategien bezüglich der Materialauswahl. Für Clemens III. ist die Ausbeute noch magerer: Es gibt ein Privileg für die Kanoniker von Verona (1084)42, eines – fast selbstverständlich – für die Kirche von Ravenna (1086)43, eines für das paduanische Frauenkloster von San Pietro
41 Vgl. D’Acunto, L’età dell’obbedienza (wie Anm. 19), S. 231–234. 42 Wiberti antipapae epistolae et privilegia, ed. Migne, PL 148, Sp. 827. 43 Ebd., Sp. 830f.
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(1091)44 und eines für die Kanoniker von Reggio Emilia (1092)45. Aus einem weiteren für Gislerius, Abt des Klosters Sancti Saviani di Rombona (Diözese Camerino) in den Marken (1096), erfährt man schließlich, dass auch die Bischöfe von Camerino, Fermo, Numana und Pesaro Clemens als den rechtmäßigen Papst anerkannt hatten – ein Zeichen der weitreichenden Anerkennung Wiberts, das von unseren Quellen anderweitig nicht bestätigt werden kann46. Einzigartig hingegen ist die Fülle der Dokumentation zu den von Clemens durchgeführten Synoden, die diesen regelmäßigen Versammlungen von Bischöfen und Äbten offenbar eine große Bedeutung für die Stärkung der wibertinischen Partei beilegt; und nicht zu vergessen ist die mutmaßliche Anstellung von Schreibern, welche die erwähnte Cancelleresca beherrschten und die sogenannten Falsi Ravennati ausarbeiteten, die unter den Wissenschaftlern lebhafte Diskussionen ausgelöst haben47. Das imaginäre Verzeichnis der Privilegien Clemens’ III. eignet sich außerdem für eine weitere Beobachtung: Es spiegelt zwei der vier Empfängerzentren von
44 Ebd., Sp. 838f. 45 Ebd., Sp. 839f. Diese Urkunde orientiert sich inhaltlich stark an dem ebenfalls an die Reggianer Kanoniker gerichteten Privileg Nikolaus’ II. von 1060, erweitert jedoch die Reihe des in der Vorurkunde bestätigten Besitzes; vgl. Marie Ulrike Schmidt, Bischöfliche Schenkungen und eine „imitazione brutta“. Das Diplom Berengars I. †8 im Kontext der urkundlichen Überlieferung für die Canonica Sanctae Mariae von Reggio Emilia, in: Herrscherurkunden für Empfänger in Lothringen, Oberitalien und Sachsen (9.–12. Jahrhundert). Diplomatische und historische Forschung. Internationale Tagung vom 6.–8. Oktober 2011 im Landeshauptarchiv Magdeburg, Druck in Vorbereitung. Aus einem Vergleich des von Clemens III. ausgestellten Privilegs mit späteren Besitzbestätigungen für die Kanoniker wird deutlich, dass – bis auf zwei – alle Orte, die die Clemens-Urkunde erstmals nennt, auch in die späteren Stücke übernommen wurden. Dieser Sachverhalt ließe sich möglicherweise dahingehend interpretieren, dass die Einbeziehung der durch Clemens bestätigten Güter für eine Anerkennung seines Privileges spricht. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kanoniker die Urkunde Clemens’ III. nur aus dem Grund aufbewahrten, weil sie ihnen zwei Orte zusprach, deren Bestätigung ihnen später versagt blieb. Ich danke der Autorin dafür, dass sie mir ihren Text schon vor der Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat. 46 Paul Fridolin Kehr, Italia Pontificia, Bd. 4: Umbria, Picenum Marsia, Berlin 1909, S. 126; Edition bei Ders., Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philol.-hist. Klasse, Göttingen 1898, S. 31f. 47 Vgl. Ovidio Capitani, Per un riesame dei ‚falsi ravennati‘, in: Atti e memorie della Deputazione di storia patria per le province di Romagna, N. S., 22 (1971), S. 21–42; Dolcini, Clemente III (wie Anm. 1), S. 214–216.
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Diplomen Heinrichs IV., in denen Clemens erwähnt wird: Verona und Padua48. Es sei nebenbei gesagt: Die Urkundengestaltung Heinrichs IV. lässt dem ‚kaiserlichen‘ Papst wenig Platz. Er wird nur sechs Mal erwähnt – mit den Titeln domnus apostolicus49, piissimus Romanę sedis apostolicus50, domnus papa51, summus pontifex et universalis papa52, venerabilis domnus papa53 — und dies auch nur an weniger bedeutenden Stellen. Er besitzt den Status eines Teilnehmers, der zwar in erster Reihe steht, jedoch immer neben anderen kirchlichen Würdenträgern von hohem Rang genannt wird. Aber kehren wir zurück zu Verona und Padua. Die nachfolgende ghibellinische Prägung dieser beiden venetianischen Städte – im 13. Jahrhundert durch die Stadtherrschaft des Ezzelin von Romano und im ‚kaiserlichen‘ venetianischen 14. Jahrhundert durch die Signorie54 – sollte bei der Bewahrung des Andenkens von Heinrich und Wibert ins Gewicht fallen. Für Padua darf man nicht das glanzvolle ikonographische Zeugnis des kaiserlichen Ehepaares Heinrich und Berta auf der Türe des Bischofspalastes vergessen, das die Aufmerksamkeit von Tilman Struve auf sich gezogen hat55. Auch im ganzen 13. Jahrhundert befand sich im Dom von Padua auf dem Hauptaltar ein Fresko mit demselben kaiserlichen Paar – und an seiner Seite der Bischof Milo, der in einem verlorenen Epigraph als presul imperialis bezeichnet wird. Nicht zufällig schrieb sein Nachfolger, der Bischof Petrus, den Text über das Wunder, das sich auf dem Grab Clemens’ III.
48 Zu Verona vgl. Die Urkunden Heinrichs IV. (Heinrici IV. Diplomata), ed. Dietrich von Gladiss, Alfred Gawlik, Berlin, Weimar u. a. 1941–1978 (MGH DD, 6; Einzelurkunden künftig: D H. IV. + Nr.), Nr. 364 S. 484. Zu Padua: D H. IV. Nr. 414 S. 552; Nr. 443 S. 598; Nr. 446 S. 602; Nr. 447 S. 603. 49 D H. IV. Nr. 443 S. 598; Nr. 446 S. 602. 50 D H. IV. Nr. 414 S. 552. 51 D H. IV. Nr. 359 S. 478. 52 D H. IV. Nr. 361 S. 480. 53 D H. IV. Nr. 447 S. 603. 54 Vgl. Gian Maria Varanini, Il comune di Verona, la società cittadina ed Ezzelino da Romano (1239–1259), in: Giorgio Cracco (Hg.), Nuovi studi ezzeliniani, Rom 1992 (Novi studi storici, 21), S. 115–165; Gian Maria Varanini, Retaggio imperiale, comuni cittadini e signoria in area veneta tra XIII e XIV secolo, in: Maria Consiglia De Matteis, Berardo Pio (Hg.), Sperimentazioni di governo nell’Italia centrosettentrionale nel processo storico. Atti del convegno di studio, Bologna 3–4 settembre 2010, Bologna 2011, S. 87–112. 55 Vgl. Tilman Struve, Heinrich IV., Bischof Milo von Padua und der Paduaner Fahnenwagen. Zu einem wenig beachteten Bildnis des salisches Kaisers und seiner Gemahlin, in: FMASt 30 (1996), S. 294–314.
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abgespielt habe, und der auch dieses Mal durch einen nicht-italienischen Zeugen wie den Codex Udalrici auf uns gekommen ist56. Im eigenwilligen Stil der zeitgenössischen Hagiographie und auf der Basis dessen, was ihm schriftlich von Bischof Johannes von Civita Castellana überliefert wurde, legte Bischof Petrus von Padua den Grundstein für die Verbreitung des Kultes um Clemens III., der in Rom und Latium zu dessen Tod (8. September 1100) bereits anerkannt war. Neben den Wundern, die an seinem Grab oder am Jahrestag seines Todes geschehen sein sollen, wurde die Heiligkeit Clemens’ III. auch durch Gottesurteile bezeugt; diese hatten von ihm ordinierte Priester gegen Presbyter durchgeführt, die ihrerseits Paschalis II. treu waren und die Rechtmäßigkeit der Weihe Clemens’ anfochten. Diese Episode zeigt die Verwendung der unterschiedlichen Mittel, die alle in derselben Tradition standen wie diejenigen, die bei der Unterstützung der Reformpäpste angewendet wurden. Demnach verwundert die Reaktion Paschalis’ II. nicht, der den Kult um Clemens III. noch im Keim erstickte, indem er auf ebenso offensichtliche Maßnahmen zurückgriff, die das römische Papsttum zu den Gräueln der Leichenschändung des Papstes Formosus zurückbrachte. Aus den Annales Sancti Disibodi, eines Klosters in der Gegend von Mainz, erfahren wir über Clemens: Paschalis II. iussit, ut effoderetur et in Tyberim iactaretur. Quod et factum est.57 Dies geschah, um die Stimmen einiger Befürworter Clemens’ zum Schweigen zu bringen, die sich zu angeblichen Geistererscheinungen an dessen Grab geäußert hatten. Die gesamte Prozedur schien ganz bewusst jene bei der Schändung des Leichnams von Formosus nachzuahmen, der wie Clemens III. beschuldigt wurde, in Arnulf einen deutschen Kaiser bevorzugt zu haben58. Der Chronist aus Mainz definierte seinerseits die Anhängerschaft Wiberts – für den er niemals die Bezeichnung ‚Papst‘ wählte – als eine ‚Sekte‘, die nach dessen Tod ohne Nachfolger geblieben sei und der Häresie abgeschworen habe. Sogar den speziell dafür vorgesehenen Eid gab er im Text wieder. Auch Ekkehard von Aura beschrieb in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Exhumierung Clemens’ III., aber er spezifizierte noch, dass Paschalis II. universa eius instituta, ut vere non apostolici sacerdotis, sed ut apostatici invasoris annullari decreverat59. Dieser hartnäckige Wille Paschalis’, die Erinnerung und sogar 56 Udalrici Codex, ed. Philippus Jaffé, in: Bibliotheca Rerum Germanicarum, Bd. 5: Monumenta Bambergensia, Berlin 1869, S. 194–196. 57 Annales Sancti Disibodi, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 17, Hannover 1861, S. 17. 58 Diese Parallele wird von Kai-Michael Sprenger in seinem in diesem Band erscheinenden Beitrag herausgearbeitet. 59 Ekkehardi Uraugiensis Chronica, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 6, Hannover 1844, S. 234.
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die Spuren physischer Präsenz Wiberts-Clemens’ zunichte zu machen, erklärt vielleicht die Systematik, mit der im Regnum Italiae – außer in einigen Zonen, die besonders mit ihrer kaiserlichen Identität verbunden waren – die damnatio memoriae desjenigen, den die kirchliche Tradition noch immer als einen Gegenpapst betrachtet, umgesetzt wurde.
Der tote Gegenpapst im Fluss – oder wie und warum Clemens (III.) in den Tiber gelangte Kai-Michael Sprenger* „Als Heiliger und toter Gegenpapst lebt man gefährlich“ – unter diese Schlagzeile würde die moderne Boulevardpresse wohl die Nachricht stellen, welche die Annalen des Klosters Disibodenberg zum Jahr 1099 berichten. Als von den Anhängern des – tatsächlich erst im Jahre 1100 – verstorbenen schismatischen Papstes Clemens (III.) (Wiberts von Ravenna) das Gerücht verbreitet wurde, dass an seinem Grab in Civita Castellana Wunder geschähen, ließ Papst Paschalis II., der vermeintliche Sieger des Wibertinischen Schismas, in einem militärischen Kraftakt 1101 die Stadt erobern, seinen einstigen und zeitweilig ja durchaus sehr erfolgreichen Konkurrenten um die Cathedra Petri exhumieren und in den Tiber werfen1. Die gezielte Vernichtung des Leichnams Wiberts von Ravenna verweist * Der hier abgedruckte Vortrag wurde kurzfristig als Ersatz für ein ursprünglich vorgesehenes, aber ausgefallenes Referat mit in das Tagungsprogramm aufgenommen. Er geht zurück auf meinen auf Englisch abgefassten Beitrag zu der Giornata di Studi „Framing Clement III (Anti)pope, 1080–1100“ an der John Cabot University in Rom am 1. April 2011 (, [Zugriff 01.06.2012]). Für die deutsche Druckfassung des Beitrages der Aachener Tagung wurde er in einigen Aspekten ergänzt, mit Blick auf die eher kulturhistorischen Beobachtungen zu Vergleichsfällen und dem Tiber als Erinnerungsort bzw. Ort des Vergessens für die nachmittelalterlichen Jahrhunderte indes stark gekürzt; diese Ausführungen werde ich in einer eigenen Studie zu den „Paradoxien eines römischen Erinnerungsortes“ gesondert veröffentlichen. Der Vortragsstil, ergänzt um die entsprechenden Belege, wurde weitgehend beibehalten. 1 Annales Sancti Disibodi, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 17, Hannover 1861, S. 4–30, hier S. 17 ad annum 1099: Wigbertus Romanae et apostolicae sedis invasor, moritur […]. Quidam autem de fautoribus eius rumorem sparserunt in populum, ad sepulcrum eius vidisse divina micuisse luminaria. Quapropter dominus apostolicus Paschalis zelo Dei inflammatus iussit ut effoderetur et in Tyberim iacteretur. Quod et factum est. �������������������������� Zum Kontext vgl. auch Jürgen Ziese, Wibert von Ravenna. Der Gegenpapst Clemens III. (1084–1100), Stuttgart 1982, (Päpste und Papsttum, 20), S. 273f.; Margherita Giuliana Bertolini, Istituzioni, miracoli e promozione del culto dei santi: il caso di Clemente III antipapa (1080–1100), in: Sofia Boesch Gajano, Lucia Sebastiani (Hg.), Culto dei santi. Istituzioni e classi sociali i età preindustriale, Rom 1984 (Collana di studi storici, 1), S. 69–104; Roberto Rusconi, Santo Padre. La santità del papa da san Pietro a Giovanni Paolo II, Rom 2010 (Sacro/santo, N. S., 14), S. 40–43; mit neuen Akzenten jetzt Umberto Longo, A saint of
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hier auf eine sehr spezifische Form des Umgangs mit dem toten Körper des unterlegenen kirchenpolitischen Gegners. Als Akt, den man in den größeren Kontext einer damnatio oder besser deletio memoriae einordnen könnte, dokumentiert sie den grundsätzlichen Anspruch der Sieger, die Deutungshoheit über die jüngsten Ereignisse und die Krise des Schismas zu besitzen, das zum Zeitpunkt der Grabzerstörung Clemens’ (III.) indes noch keinesfalls endgültig überwunden war. Die Botschaft dieser Maßnahme an die noch immer einflussreichen und gefährlichen Anhänger Wiberts war unmissverständlich: Nach Auffassung Paschalis’ II. und seiner Partei war Wibert ein Gegenpapst und zählte eben nicht zu den rechtmäßigen Nachfolgern Petri. In der kollektiven positiven Erinnerungskultur der Römischen Kirche war daher für ihn kein Platz in der prominenten Reihe der römischen Bischöfe, und es bestand keinerlei Motiv, seine Grablege besonders auszuzeichnen oder überhaupt der Nachwelt zu tradieren. Vielmehr war er als unbelehrbarer Schismatiker gestorben, der zu Lebzeiten dem Schisma nicht abgeschworen hatte. Als Häretiker sollte er daher in alle Ewigkeit verdammt sein: Gott selbst habe den Namen des Häresiarchen Wibert aus dem liber vitae getilgt2, so formuliert der Biograph Papst Paschalis’ II. im Liber pontificalis mit drastischen Worten die grundsätzliche Vorstellung, dass für den in statu excommunicationis verstorbenen Usurpator des Stuhls Petri eine Bestattung in geweihter Erde oder gar innerhalb einer Kirche wie auch eine Tradierung seiner individuellen christlich-liturgischen Memoria nach den strengen Regeln des Kirchenrechtes ausgeschlossen waren3. Schon vor diesem Hintergrund musste eine prominente Grablege Clemens’ (III.) in einer der Kirchen von Civita Castellana der Partei Papst Paschalis’ inakzeptabel erscheinen. Nicht immer jedoch war zur Überwindung eines Schismas die gezielte Zerstörung eines Grabes der früheren Konkurrenten um die Cathedra Petri erforderlich. Vielmehr gestaltete sich der Umgang mit ihnen – die durch ihre Niederlage damned memory. Clement III. (Anti)pope, in: Ders., Lila Yawn (Hg.), Framing Clement III (Anti)pope, 1080–1100, in: Reti medievali Rivista 13.1 (2012) ( [Zugriff: 01.06.2012]). 2 Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, Bd. 2, ed. Louis Duchesne, Paris 1892 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, Ser. 2), S. 297f.: Miser Guibertus, iam non papa qui numquam papa, dimissa Urbe, nec adhuc securus, in Castellum se proripuit et hic minus; et merito: nam dum superbe agendo Deum quem in servis suis impie offenderat fugere nititur, infelix subito morte praeventus, diabolum cui contumaciter servivit invenit. Transitus immo mortis eius diem scire estimo indignum fore mortalibus eiusque memoriam in terris scribere cuius nomen Deus in celis de libro vitae delevit: Heresiarcha fuit, sic sibi sit titulus. 3 Vgl. Sebastian Scholz, Das Grab in der Kirche, in: ZRGKanAbt 84 (1998), S. 270–306.
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im Streit um die Legitimation ihres Pontifikats ja erst dauerhaft zu sogenannten Gegenpäpsten geworden waren – für ihre siegreichen Gegner in der Regel recht unproblematisch. Meist starben Gegenpäpste, von denen manche noch vor ihrem Tod dem Schisma abgeschworen hatten, fernab der Urbs im Exil und fanden ihre letzte Ruhe in weitgehend unbekannten oder zumindest nicht durch eine besonders positive Tradition überlieferten Grablegen, die dann später weitgehend dem Vergessen anheimfielen. Nur von sehr wenigen sogenannten Gegenpäpsten des Hochmittelalters ist daher deren tatsächliche ‚päpstliche‘ Grablege bekannt, und wenn, dann ist diese gerade nicht Bestandteil einer Traditionspflege und positiven Erinnerungskultur geworden4. Wer heute in Rom die Grotten von St. Peter betritt, wird auf der Inschrift mit der Liste der dort bestatteten Nachfolger Petri so manchen ebenfalls dort liegenden Gegenpapst vergeblich suchen – wie etwa den 1168 verstorbenen zweiten ‚staufischen‘ Gegenpapst Paschalis III. (1164–1168)5. Grundsätzlich aber bedeutete die Schändung eines Grabes nach mittelalterlicher Vorstellung einen frevelhaften Akt, und selbst ehemaligen politischen Gegnern ließ man in der Regel ihren Grabesfrieden. Bezeichnend für diese Haltung ist etwa der bekannte Ausspruch Kaiser Heinrichs IV., der auf das Drängen seiner Berater, doch das viel zu ehrenvolle Grab des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden zerstören zu lassen, mit dem Wunsch geantwortet haben soll: „Wenn doch alle meine Feinde so ehrenvoll bestattet lägen“6. Im Falle des toten Clemens (III.) jedoch lagen die Dinge offensichtlich anders. In Einzelfällen und in politisch besonders brisanten Konstellationen nämlich sind die Grablegen sogenannter Gegenpäpste gezielt zerstört worden. Besonders dringend wurden derartige radikale Maßnahmen vor allem dann, wenn sich an diesen 4 Vgl. Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 95), S. 343–360 und zur Grablege einzelner Gegenpäpste des sogenannten Investiturstreites S. 147 Anm. 143, S. 151 Anm. 5, S. 175. 5 Appendix zu Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz, Bern hard von Simson, Hannover 1912 (MGH SRG in us. schol., 46), S. 350: Gwido, qui et Paschalis, moritur et in basilica beati Petri Romae sepelitur. 6 Ebd., S. 23: Fertur de imperatore, quod, cum pacatis paulisper his seditionum motibus ad predictam aecclesiam Merseburch venisset ibique prefatum Rudolfum velut regem humatum vidisset, cuidam dicenti, cur eum, qui rex non fuerat, velut regali honore sepultum iacere permitteret, dixerit: „Utinam omnes inimici mei tam honorifice iacerent”. Mit einer Analyse dieser Textpassage vgl. jetzt Gerald Schwedler, Purifying memory in the Middle Ages. Cleansing soul, deleting remembrances and the example of the attempted purge of Rudolf of Rheinfelden, in: Petra Rösch, Udo Simon (Hg.), How purity is made – persistence and dynamics of the purity mindframe, Wiesbaden 2012.
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Gräbern eine lokale Heiligenverehrung der einstigen Konkurrenten zu etablieren begann. So auch im Falle Clemens’ (III.) bzw. Wiberts von Ravenna, der über seinen Tod hinaus noch eine ganz erstaunliche Wirkkraft und ein sehr ernst zu nehmendes Gefahrenpotenzial für Papst Paschalis II. und dessen Partei zu entwickeln vermochte. Schon ein Grab des Papstes Clemens III. – und nicht etwa des Erzbischofs Wibert von Ravenna – musste ein Stein des Anstoßes sein, denn als legitimen Papst Clemens hatte es ihn – zumindest in der offiziösen Perspektive seines siegreichen Konkurrenten Paschalis II. – nie gegeben. Einen heiligen Papst Clemens III. jedoch durfte es überhaupt nicht geben: Eine Verehrung als wunderwirkender Heiliger musste seine Wahl posthum als kanonisch legitimieren und somit seinen siegreichen Gegenspieler Paschalis II. zum eigentlichen Schismatiker, zum wahren Pseudo- oder Antipapa degradieren, was zwangsläufig eine gefährliche Perpetuierung und Verfestigung des damaligen Schismas zur Folge gehabt hätte und letztlich auch hatte. Genau darin aber lag die spezifische Motivation der Propagierung eines Heiligenkultes durch dezidierte Anhänger der wibertinischen Partei, hier vor allem durch Bischof Johannes von Civita Castellana sowie Bischof Petrus von Padua, die ihrerseits die Legitimität der Wahl Paschalis’ II. mit allen Mitteln bekämpften, ja bekämpfen mussten; ihr kirchenpolitisches Überleben hing in entscheidendem Maße davon ab, ob es ihnen an diesem Wendepunkt des Wibertinischen Schismas gelingen sollte, mit der Propagierung der Legitimität Clemens’ III. auch ihre eigenen prominenten Positionen innerhalb der Führungsgruppe der wibertinischen Obödienz zu sichern7. Wie hätte sich dies wohl besser inszenieren und vertreten lassen als durch die Dokumentation und Verbreitung der am Grabe Clemens’ III. durch Gott selbst gewirkten Wunder? Zur effektiven Unterbindung dieser Verehrung eines unerhört ‚heiligen Gegenpapstes‘ war es daher zwingend erforderlich, mit der Beseitigung des Grabes und der Gebeine als potentiellen Reliquien wie auch des Grabepitaphs zugleich auch die materielle Grundlage jeglichen liturgischen Gebetsgedenkens und einer hagiographischen Memoria zu vernichten, sie gleichsam zu einer Utopie zu machen. Die spezifische Motivation Paschalis’ II. für die Eroberung der Stadt Civita Castellana und die Zerstörung der Grablege seines Konkurrenten als Kampfmaß7 Vgl. zur Motivation und den Wegen, auf denen der Mirakelbericht verbreitet wurde, sowie zur Rolle der Bischöfe Johannes von Civita Castellana und Petrus von Padua bei der Propagierung des Kultes Ziese, Wibert (wie Anm. 1), S. 271; ferner die Vorbemerkung der Edition des auf 1101–1106 zu datierenden Briefes an die Bischöfe wibertinischer Obödienz im Udalrici Babenbergensis codex, ed. Philipp Jaffé, Berlin 1869 (Monumenta
Bambergensia, Biblioteca Rerum Germanicarum, 5), Nr. 108, S. 1–469, hier S. 1f. (zu den Handschriften) sowie jetzt ausführlich Longo, Saint (wie Anm. 1).
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nahme in der noch andauernden Krise des Schismas scheint somit offensichtlich und wurde von der Forschung bereits eingehend herausgearbeitet8. Mit den Wellen des Tibers sollten nicht nur der Leichnam Wiberts, sondern zugleich auch die vermeintliche virtus seiner ‚Reliquien‘ und somit alle positive Erinnerung an den Papst Clemens bzw. alle Zweifel an seiner Illegitimität endgültig weggeschwemmt werden; Paschalis als legitimer Papst hingegen sollte umso klarer als siegreicher Nachfolger der Apostelfürsten erstrahlen. Ein derartiges Vorgehen zur Unterbindung eines Heiligenkultes eines schismatischen Papstes markiert in der Geschichte des hochmittelalterlichen Papsttums dabei keinen Einzelfall. Ganz ähnlich wie Clemens (III.) erging es gegen Ende des 12. Jahrhunderts dem Konkurrenten Papst Alexanders III., Viktor (IV.) (Oktavian), der 1164 in Lucca gestorben und in der Domkirche bestattet worden war. Noch im Dezember 1187, also über zehn Jahre nach dem Ende des Alexandrinischen Schismas, gelang es ihm gleichsam aus dem Grabe heraus, Papst Gregor VIII. zu einem wie es scheint persönlichen Eingreifen zu provozieren, wenn wir denn der ungewöhnlichen Nachricht in der Chronik Sigeberts von Gembloux zum Jahr 1187 glauben dürfen, wonach Gregor VIII. auf seinem Weg von Ferrara nach Rom Lucca passiert, dort das Grab des Oktavian aufgebrochen und dessen Gebeine aus der Kirche hinausgeworfen haben soll9. Auch in diesem Falle wird man die besondere Prominenz der Grablege im Dom zu Lucca wie die lokal tradierten Wunder und die anmaßende Grabinschrift, die Papst Viktor gar den Heiligen zurechnete und eben nicht als den früheren Kardinalpriester Oktavian de Montecelli erinnerte, als ausschlaggebend für diesen Akt einer deletio memoriae durch Papst Gregor VIII. ansehen dürfen10. Doch mit der knappen Nachricht der Annalen aus dem Kloster Disibodenberg zur Zerstörung des Grabes Clemens’ (III.) ist eine Reihe weiterer Fragen verbunden, die keinesfalls so eindeutig zu beantworten sind wie die nach der Motivation; Fragen, die aber gerade für den Umgang mit der Leiche Wiberts von Ravenna alias Papst Clemens’ (III.) und für die Formen der Überwindung des Wibertinischen Schismas von grundsätzlicher Bedeutung erscheinen – auch mit 8 Vgl. die in Anm. 1 zitierte Literatur. 9 Sigebertus Gemblacensis, Chronica, Continuatio Aquicinctina, Auctarium Nicolai Ambienensis, ed. Ludwig Konrad Bethmann, in: MGH SS, 6, Hannover 1844, S. 405–438, hier S. 474 ad annum 1187: Lucam inveniens ibi confracto sepulcro Octaviani ossa deiecit extra ecclesiam. Zu dieser Stelle vgl. auch Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 4), S. 155, aber ohne Kenntnis des kopial überlieferten Grabepitaphs. 10 Den Fall der Zerstörung des Grabes Viktors IV. untersuche ich ausführlich in meiner Dissertation: Kai-Michael Sprenger, Zwischen den Stühlen. Studien zur Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas in Reichsitalien (1159–1177), Tübingen 2012 (Bibliothek des DHI in Rom, 125), S. 308–336.
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Blick darauf, ob und wie man die einstigen Gegner denn künftig noch erinnern sollte. So verrät uns der knappe Eintrag in den Annales Sancti Disibodi eben nicht, an welcher Stelle und unter welchen Umständen der Leichnam Clemens’ (III.) in den Tiber geworfen wurde: Erfolgte dies heimlich oder etwa im Beisein des Papstes und vor Zeugen und somit unter den Augen einer Öffentlichkeit, eventuell sogar nach einem bestimmten Ritual? Und warum warf man den Leichnam des Gegenpapstes überhaupt in den Tiber? Wollte man die Leiche Wiberts nur möglichst schnell und effizient loswerden, oder spielte der Tiber vielleicht doch eine gewisse symbolische Rolle in diesem Vernichtungsakt? Schon die Tatsache der – wenngleich singulären11 – Überlieferung des ungewöhnlichen Endes Wiberts von Ravenna im Fluss in einer historiographischen Quelle aus dem deutschen Reichsteil deutet hier ja ein grundsätzliches Paradoxon an, das uns in vergleichbaren Akten einer gezielten, zumindest intendierten Erinnerungsvernichtung öfters begegnet – die jedoch in derartigen Kontexten bisweilen noch zu wenig differenziert der Kategorie einer damnatio oder deletio memoriae im Sinne einer tatsächlich intendierten vollständigen Auslöschung 11 Ziese, Wibert (wie Anm. 1), S. 273 Anm. 269 gibt den interessanten, aber nicht eingehender diskutierten Hinweis, dass in der Chronik Ekkehards noch für 1106 ein Grab Wiberts bzw. dessen Zerstörung in Ravenna erwähnt wird; Ekkehardi Urauginesis chronica, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 6, Hannover 1844, S. 1–267, hier S. 233f.: Denique in tantum divinae legis subito zelus efferbuit, ut etiam ipsa cadavera pseudoepiscoporum ab ecclesiis eliminarentur, quotquot ab ipsis erant ordinati, usque ad generalem audientiam ab officiis supenderentur. Iam enim exaltatis sibi divinitus aecclesia Romana cornibus, ad incutiendum timorem cunctis usquequaque scismatum membris, etiam capitis ipsius ossa, Wigiberti scilicet dicti papae, de sepulchro suo, quod per sex iam annos in aecclesia Ravennensi possederat, proici fecerat, universaque eius instituta, ut vere non apostolici sacerdotis, sed ut apostatici invasoris, annulari decreverat. Ob es sich hier lediglich um eine Verwechslung (Ravenna – Civita Castellana) handelt oder man tatsächlich mit einer liturgischen Memoria oder gar einer Heiligenverehrung Clemens’ (III.) auch in Ravenna zu rechnen hat, lässt sich nicht klären, da nach Ausweis der einschlägigen Studien sich in Ravenna keine weiteren Spuren diesbezüglich erhalten haben; vgl. etwa Ingrid Heidrich, Ravenna unter Erzbischof Wibert (1073–1100). Untersuchungen zur Stellung des Erzbischofs und Gegenpapstes Clemens III. in seiner Metropole, Sigmaringen 1984 (Vortrage und Forschungen, Sdb. 32). Longo, Saint (wie Anm. 1), S. 14, schließt nicht aus, dass der tote Körper womöglich von seinen Anhängern nach der Versenkung im Tiber geborgen und nach Ravenna transferiert worden sein könnte. Die Stelle belegt zumindest eindeutig, dass auch Ekkehard Informationen über die Initiative Paschalis’ II. besaß, alle Träger einer positiven Erinnerung an Clemens (III.) zu zerstören, inklusive der systematischen Kassierung seiner Verfügungen, der Zerstörung seines Grabes wie auch der hier singulär berichteten Exhumierung von prominenteren Anhängern der Partei Wiberts, die widerrechtlich in Kirchen bestattet worden waren.
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jeglicher Erinnerung zugeordnet werden12. Denn man wird sich fragen müssen, ob es bei derartigen Akten der gezielten Zerstörung der Grablegen ehemaliger Gegner tatsächlich primär um eine möglichst effiziente Verwischung der materiellen Grundlage der (wie hier) liturgischen und hagiographischen Memoria des falschen Papstes gegangen sein mag – oder vielleicht doch auch darum, mit einer spezifischen kommunikativen Handlung der Welt zu zeigen, dass es das Grab des Gegenpapstes nicht mehr gab, nicht gibt und nicht geben durfte? Definierten Ort und Umstände der Vernichtung des Grabes Papst Clemens’ III. als dem Kristallisationspunktes seiner Memoria womöglich doch die Vorzeichen einer spezifisch negativen Erinnerung im Sinne einer diffamierenden und inkriminierenden Memoria des Gegenpapstes Clemens’ (III.)? Wollte Paschalis II., dass man Clemens als Wibert, den toten Gegenpapst im Tiber erinnerte? Betrachten wir zunächst die praktischen Umstände der Tat und die Topographie im Falle Wiberts. Angesichts des Engagements des Ortsbischofs im Kontext der Propagierung der Wunder Clemens’ (III.) darf man davon ausgehen, dass Wibert in Civita Castellana sicher in einer Kirche, sehr wahrscheinlich sogar im Dom bestattet worden sein wird, auch wenn die Quellen die genaue Grablege verschweigen. Um Clemens (III.) nach seiner Exhumierung durch die Truppen Papst Paschalis’ II. in den Tiber zu werfen, mussten diese vom Stadtzentrum gerechnet mindestens 10 Kilometer auf der antiken Via Flaminia mit dem toten Gegenpapst bis zur nächsten Brücke über den Fluss zurücklegen. Warum, so wird man fragen, vernichteten und ‚entsorgten‘ sie ihn nicht auf weniger aufwändige Art und Weise, indem man den Leichnam noch in der Stadt öffentlich verbrannte und die Asche in alle Winde zerstreute? Gerade gegenüber dem bis dahin der gegenpäpstlichen Obödienz anhängenden Klerus von Civita Castellana hätte sich dies durchaus als eindrucksvolle Machtdemonstration des Siegers im Schisma angeboten. Zudem wäre in den Flammen die virtus der vermeintlichen Reliquien Clemens’ effektiver ausgelöscht worden13, auch wenn hierbei freilich grundsätzlich die Gefahr beständen hätte, dass Reste der Asche als potentielle Reliquien in die Hände seiner früheren Anhänger hätten gelangen können – wie dies etwa als konkrete Sorge 12 Erste Vorschläge zu einer weiteren Differenzierung der Kategorien einer damnatio memoriae für die Gegenpäpste bietet der Beitrag von Gerald Schwedler in diesem Band. 13 Zu den Möglichkeiten und Intentionen, die (negative wie positive) virtus der Reliquien durch Verbrennung im Kontext der Verbrennungsstrafe für Ketzer und Häretiker zu zerstören, vgl. jetzt Romedio Schmitz-Esser, Bestrafung des Leichnams zur Purifizierung der Christenheit? Der Ursprung der Verbrennungsstrafe an Häretikern und Hexen im Früh- und Hochmittelalter und sein Verhältnis zum Reliquienkult, in: FMASt 44 (2010) [erschienen 2011], S. 227–263.
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des römisch-deutschen Königs Sigismund im Kontext der Verbrennung des Jan Hus 1415 ausdrücklich belegt ist14. Eine weitere Frage schließt sich an: Warfen die Truppen Paschalis’ II. den Leichnam Clemens’ III. tatsächlich an der nächstgelegen Stelle in den Fluss oder transportierten sie ihn nicht doch erst nach Rom, damit sich Paschalis womöglich persönlich davon überzeugen konnte, dass sein noch immer gefährlicher toter Gegner tatsächlich in den Fluten des Tibers verschwand? Immerhin vermelden die Annales Sancti Disibodi sicher, dass der Befehl des Papstes ausgeführt wurde: Quod et factum est. Stellen wir diese Frage noch einmal zurück und wenden uns zunächst dem Ort des Geschehens zu – dem Tiber. Das tatsächlich erfolgte oder zumindest intendierte Versenken der Leiche eines politischen Gegners im Tiber war hierbei kein Einzelfall: In der Geschichte Roms lassen sich von der Antike bis in das 20. Jahrhundert gerade für prominente politische Fälle eine ganze Reihe interessanter Vergleichsfälle erkennen, die hier nur in Kürze skizziert werden können. Auf deren Folie lässt sich aber vielleicht auch das Ende Wiberts im Tiber besser einordnen und erklären, welchen Traditionslinien diese Praxis möglicherweise folgte bzw. welche Vorstellungen und Funktionen mit dieser Versenkung der Leiche im Tiber bei Paschalis II. eventuell verbunden waren. Der Tiber markiert für Rom ohne Zweifel einen Erinnerungsort von geradezu existenzieller Bedeutung; er ist so etwas wie die mythologische Lebensader der Ewigen Stadt15. Bereits in den Gründungslegenden Roms spielte er eine entschei14 Vgl. Achim Thomas Hack, Heiligenkult im frühen Hussitismus. Eine Skizze, in: Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, u. a. (Hg.), Patriotische Heilige. Beiträge zur Konstruktion religiöser und politischer Identitäten in der Vormoderne, Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie, 5), S. 123–156, hier S. 140f. Anm. 75; siehe auch Petri de Mladoniowicz Relatio de magistro Johanne Hus, ed. V. Novotný, Prag 1932 (FontRerBohem, 8), S. 25–120, hier S. 146f.: Interea carnifex quidam vestem Hussii tenebat; Ludovicus autem, simulatque cognovit esse tunicam Hussii, iussit eam ac cingulum, denique quicquid ipsius esset, iniicere in ignum dicens: „Boemi enim id vice sacramenti haberent ac colerent.” Deinde carnifici pollicitus est iacturam hanc compensaturum esse. Postremo omnia igne in cinerem concremata cum pulvere ac terra alcius effossa in bigas imposuere, deinde in Renum praeterlabenten(!) dissiecerunt, quod ipsius nomen prorsus apud fideles extinguerent. Zu dieser Stelle vgl. jetzt auch Schmitz-Esser, Bestrafung (wie Anm. 13), S. 248. 15 Zum Konzept des Erinnerungsortes vgl. grundsätzlich Pierre Nora, Les lieux de mémoire, 7 Bde., Paris 1984–1991; Ders., Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990. Es existiert eine reiche Literatur zur Geschichte und Beziehung des Tibers und Rom, von der hier exemplarisch genannt sei Cesare D’Onofrio, Il Tevere, Rom 1980. Eine eigene Untersuchung oder museale Präsentation des Tibers als spezifisch römischer Erinnerungsort von der Antike bis heute ist indes ein Desiderat; vgl. auch Bruno Maria Apollonj Ghetti, Per una mostra del Tevere, in: Ders., Tuttotevere, Rom 1980, S. 23–35.
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dende Rolle, als die von Mars mit der Vestalin Rhea Silvia (Ilia) gezeugten Zwillinge Romulus und Remus zur Strafe den Fluten des Tibers zum Opfer fallen sollten. Doch der Flussgott Tiberinus erbarmte sich bekanntlich der beiden Jungen und wurde zum Retter statt zum Rächer16. Schon in dieser hier nur sehr komprimierten Version des römischen Gründungsmythos scheinen zwei Elemente auf, die in der kultischen und liturgischen Beziehung der Stadt Rom zum Fluss Tiber auch in späteren Jahrhunderten immer wieder erkennbar sind: Der lebensspendende einerseits, der strafende und rächende Tiber andererseits, dem man opferte, auch in dem Glauben, damit die regelmäßigen Überschwemmungen abwehren zu können – welche den Römern bis in das späte 19. Jahrhundert die Wirkmacht und stete Gefährdung vor Augen führte, die in dieser Symbiose von Stadt und Fluss ja grundsätzlich begründet war17. Schon aus archaischer vorrepublikanischer Zeit ist das religiöse Ritual der Argei überliefert, bei der im Frühjahr die Priesterkollegien nach einer genau festgelegten Prozession die an zentralen sakralen Orten der einzelnen Stadtteile entgegengenommenen Figuren aus Stroh und Asche in Menschenform vom Ponte Sublicio in den Tiber warfen18. Diese religiöse Zeremonie wurde noch in der Kaiserzeit praktiziert, auch wenn zur Zeit des Augustus der eigentliche Sinn dieses Rituals schon nicht mehr eindeutig erklärt werden konnte. Neben diesen eher rituell-liturgischen Akten eines symbolischen Von-derBrücke-Stoßens menschlicher Figuren scheint für unseren Kontext der gezielten Versenkung des leibhaftigen Leichnams eines politischen Gegners indes eine weitere antike Praxis aufschlussreich. So erfüllte der Tiber bereits in der römischen Antike in symbolisch stark aufgeladenen Strafritualen als Ort der Urteilsvollstreckung eine überaus prominente Funktion. Die sehr alte, aber auch in der Kaiserzeit noch praktizierte Strafe für Vatermörder, die poena cullei, etwa sah vor, dass der Verurteilte nach einer schweren Geißelung zusammen mit einem Affen, einem Hahn, einem Hund und einer Schlange – andere Quellen sprechen auch von einem Skorpion und einer Schlange – in einen Sack eingenäht und dann in den 16 Vgl. Andreas Bendlin, Romulus, in: Der Neue Pauly 10 (2001), Sp. 1130–1133. Zu den unterschiedlichen Textversionen der Gründungsgeschichte vgl. Hans Jürgen Hillen, Von Aeneas zu Romulus. Die Legenden von der Gründung Roms. Mit einer lateinischen Ausgabe der Origo gentis Romanae, Düsseldorf, Zürich 2003; Markus Sehlmeyer (Hg.), Origo gentis Romanae. Die Ursprünge des römischen Volkes, Darmstadt 2004 (Texte zur Forschung, 22). 17 Zu den unterschiedlichen Aspekten dieser Symbiose vgl. Maria Margarita Segarra Lagunes, Il Tevere e Roma. Storia di una simbiosi, Rom 2004. 18 Aus der reichen Literatur über dieses Ritual sei exemplarisch verwiesen auf Robert E. A. Palmer, The archaic community of the Romans, Cambridge 1970, S. 84–97; Hendrik S. Versnel, Argei, in: Der Neue Pauly 1 (1996), Sp. 1057–1059.
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Tiber geworfen wurde, wo er dann zum Meer treiben und schließlich versinken sollte19. Schon die Wahl der Tiere wie auch der Bestimmungsort Tiber bzw. Meer – durch den eine Bestattung und die Vereinigung des Toten mit der Mutter Erde ja unmöglich gemacht wurde – besaßen hohen Symbolgehalt und unterstreichen, wie intensiv hier Strafe und religiöses Sühneopfer in einem archaischen Reinigungsritual ineinander flossen. Die besondere Grausamkeit dieser Strafpraxis bestand nicht zuletzt in der Verweigerung eines regulären Grabes als Ort einer familiären und gesellschaftlichen Memoria, was letzthin die Festschreibung und Verstetigung des Ausschlusses der Delinquenten aus der (Erinnerungs-)Gemeinschaft über den Tod hinaus bedeutete. Vergleichbare Vorstellungen lassen sich ja auch für das christliche Mittelalter erkennen, wenn exkommunizierte Personen zu Lebzeiten per se aus der christlichen, vor allem der liturgischen Gemeinschaft ausgeschlossen waren und ihnen – sofern sie in statu excomunicationis sive anathematis verstarben – als damnati in aeternum konsequenterweise auch das ewige Leben verwehrt bleiben musste, so wie es ja auch der Biograph Paschalis’ II. mit Blick auf Clemens (III.) nicht ohne triumphierenden Unterton hervorhebt20. Diese Praxis, die Leichen hingerichteter politischer Gegner in den Tiber zu werfen, ist in der römischen Kaiserzeit als Teil einer weiteren spezifischen Strafpraxis überliefert, für die sich in der althistorischen Forschung gemeinhin der Begriff der damnatio memoriae durchgesetzt hat21. Das unrühmliche Ende im Fluss erfolgte hierbei keinesfalls spontan, sondern markierte den gleichsam finalen Akt in einem äußerst grausamen Vollstreckungsritual jenes Urteils der memoria damnata, mit der jegliche positive Erinnerung an die Besiegten dauerhaft ausgelöscht 19 Aus der reichen Literatur vgl. etwa Eva Cantarella, I supplizi capitali in Grecia e a Roma, Mailand 1991, S. 264–305; O. F. Robinson, Penal practice and penal policy in ancient Rome, Abingdon 2007, S. 44–47. Vgl. zur noch immer nicht abgeschlossenen Forschungsdiskussion Gerhard Radke, Gibt es Antworten auf die ‚Argeerfrage’?, in: Latomus 49 (1990), S. 5–19 und zur Rezeption Egmond Florike, The cock, the dog, the serpent, and the monkey. Reception and transmission of a Roman punishment, or historiography as history, in: International journal of the classical tradition 2/2 (1995/96), S. 159–192. 20 Vgl. grundsätzlich Elizabeth Vodola, Excommunication in the Middle Ages, Berkeley, Los Angeles 1986. 21 Zur Vertiefung vgl. etwa die noch immer wichtige Monographie Friedrich Vittinghoff, Der Staatsfeind in der römischen Kaiserzeit. Untersuchungen zur Damnatio Memoriae, Berlin 1936. Unter neueren Arbeiten sei verwiesen auf Harriet I. Flower, The art of forgetting: disgrace and oblivion in Roman political culture. Studies in the history of Greece and Rome, Chapel Hill 2006; Florian Krüpe, Damnatio memoriae. Über die Vernichtung von Erinnerung. Eine Fallstudie zu Publius Septimius Geta (198–211 n. Chr.), Gutenberg 2011.
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werden sollte. Antike Schriftsteller wie Cassius Dio haben uns eindrucksvoll die Prozedur überliefert, der die Delinquenten nach ihrer Verurteilung ausgesetzt waren. Besonders drastisch wurde (und wird) etwa der Falle des Lucius Aelius Sejanus erinnert, der im Jahre 31 n. Chr. wegen seiner Verschwörung gegen Kaiser Tiberius zum Tode und zur memoria damnata verurteilt worden war. Auf dem Weg zur Hinrichtung musste er mit eigenen Augen ansehen, wie seine Standbilder zerstört und sein Name aus Inschriften getilgt wurden. Nach der Hinrichtung durch den Strang wurde sein Leichnam auf die Gemonischen Treppen in der Nähe des Kapitols geworfen und dort zur Abschreckung für einige Tage den Hunden zum Fraß liegengelassen, bevor man die Leiche dann an einem Haken durch die Stadt schleifte und schließlich in den Tiber warf22. Abschreckung war offensichtlich ein vorrangiges Ziel dieser politisch motivierten Strafexempel, die zwangsläufig ein hohes Maß an Öffentlichkeit erforderten und – die zum Teil detaillierte Überlieferung derartiger Praktiken bei antiken Schriftstellern belegt dies – auch evozierten: Die ganze Welt sollte von der öffentlichen Ächtung, der Demütigung der Verurteilten und ihrem unrühmlichen Tod erfahren. Nicht zuletzt die Tatsache, dass der Todestag des Sejanus als Festtag in den Römischen Kalender aufgenommen wurde23, belegt hinreichend, dass es im konkreten Falle wie wohl auch generell bei der damnatio memoriae antiker Prägung gerade nicht um die vollständige Erinnerungsvernichtung, sondern um die Festschreibung und Tradierung einer spezifischen Negativerinnerung in den künftigen Geschichtsbildern ging. Nicht ohne Erfolg, denn tatsächlich dominieren oftmals das bizarre Ende und ein moralisch negatives Etikett dieser zur memoria damnata verurteilten Personen in der Erinnerung der Zeitgenossen wie auch späterer Jahrhunderte – demgegenüber sich die Erinnerung an die Sieger meist als die der vermeintlich moralisch besseren Seite deutlicher und unwidersprochen profilieren kann. Für die nachantiken Jahrhunderte des christlichen Mittelalters fließen die Quellen zu vergleichbaren diffamierenden Erinnerungsstrategien nach einem womöglichen Vorbild antiker Prägung weniger reichlich und bedürfen insgesamt noch eingehender Untersuchungen. Zumindest sei jedoch die Frage erlaubt, ob es vor dem Hintergrund der antiken, insbesondere stadtrömischen Praxis nicht geradezu folgerichtig erscheint, wenn auch Kaiser Maxentius als heidnischer Gegenspieler des zum Christen konvertierten Kaisers Konstantin nach der Schick22 Cassius Dio, Historia Romana, ed. Ursul Philip Boissevain, Berlin 21955, Buch 58, 11, 3f., S. 599. 23 Vgl. Dieter Hennig, Lucius Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius, München 1975, S. 146 (nach Cassius Dio, Historia Romana, Buch 58, 12, 4f.).
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salsschlacht an der Milvischen Brücke 312 n. Chr. seinen Tod in den Fluten des Tibers findet – oder besser: finden musste? Fakt oder Fiktion? Dies lässt sich kaum aufklären und hat letztlich für die enorme Symbolkraft, die Nachhaltigkeit und Breitenwirkung dieses Bildes keinerlei Relevanz24. Auch Fiktionen sind mit Blick auf ihre Wirkung eben doch historische Tatsachen. Eine Art Urbild vom Tod des Christen- und Kirchenverfolgers im Tiber war im ertrinkenden Maxentius gleichsam präfiguriert, es wurde und wird noch heute als zentraler Erinnerungsort einer ecclesia triumphans in einer reichen und propagandistisch aufgeladenen Ikonographie im Zentrum der Christenheit jedem Besucher des Laterans oder der Vatikanischen Stanzen ausdrucksstark vor Augen geführt. Für unseren Kontext ist hierbei vielleicht die Beobachtung nicht uninteressant, dass dieses Bild – wohl nicht ganz zufällig – in mittelalterlichen Texten ebenfalls wieder begegnet. Stellvertretend seien hier nur einige Beispiele angeführt. So finden Domitian, der ebenfalls zur memoria damnata verurteilt worden war, aber auch der Christusmörder Pontius Pilatus, zumindest in einzelnen Varianten der Legenden, ebenfalls ihr unrühmliches Ende im Tiber25. Jedoch folgte die Intention, zu Lebzeiten positiv besetzte prominente Personen oder Ereignisse bewusst aus der Erinnerung zu löschen oder aber durch inszenierte Handlungen möglichst negativ zu tradieren, nicht nur im Falle des Pontius Pilatus 24 Vgl. Exemplarisch Wolfgang Kuhoff, Ein Mythos in der römischen Geschichte. Der Sieg Konstantins des Großen über Maxentius vor den Toren Roms am 28. Oktober 312 n. Chr., in: Chiron 21 (1991), S. 127–174. Zur Rezeption dieses Erinnerungstages vgl. Alexander Demandt, 28. Oktober 312. In hoc signo vinces, in: Etienne François, Uwe Puschner (Hg.), Erinnerungstage – Wendepunkte der Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 2010, S. 41–54. 25 Vgl. Manfred Kern, Domitian, in: Ders., Alfred Ebenbauer, u. a. (Hg.), Lexikon der antiken Gestalten in deutschen Texten des Mittelalters, Berlin 2003, S. 230 mit Verweis auf die Kaiserchronik (12. Jahrhundert) sowie die Weltchronik of Jans der Enikel (13. Jahrhundert). Zur Pilatuslegende existiert eine reiche mittelalterliche Tradition; vgl. Andreas Scheidgen, Die Gestalt des Pontius Pilatus in Legende, Bibelauslegung und Geschichtsdichtung vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit: Literaturgeschichte einer umstrittenen Figur, Frankfurt/M. 2002 (Mikrokosmos, 68); Bettina Mattig-Krampe, Das Pilatusbild in der deutschen Bibel- und Legendenepik des Mittelalters, Heidelberg 2001. ����������� Zum vorläufigen Ende des Pilatus im Tiber vgl. auch Arturo Graf, Roma nella memoria e nelle immaginazioni del Medio Evo, 2 Bde., Turin 1882–1883, hier Bd. 1, S. 355: „È noto ciò che si racconta di Pilato, che, buttato nel Tevere, richiama tanti diavoli, e suscita così orrende tempeste, che gli abitatori del paese circostante sono costretti ad estranelo […]“. Die Legende berichtet weiter, dass der Leichnam des Pilatus dann mit ähnlichen Effekten in der Rhone versenkt wurde, bevor er schließlich im ‚Pilatussee‘ in den Emmentaler Alpen seine legendäre Ruhestätte gefunden haben soll.
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einer ganz eigenen Regie. So kommt dem Wiederauftauchen der Verurteilten aus den Fluten des Tibers in den frühchristlichen Erinnerungstraditionen eine entscheidende hagiographische Funktion zu als Beweis für die Unschuld bzw. die politische oder religiöse Legitimation der Opfer. Es wird gleichsam zum erinnerungsstrategischen Bumerang, der die heidnischen Richter der christlichen Märtyrer trifft und – nunmehr erstere selbst als Täter und Usurpatoren entlarvend – Lügen straft: mit entsprechender traditionsbildender Langzeitwirkung in memoriam. In verschieden Passionsberichten erweist sich der Tiber gerade nicht als Bruder Lethes und Ort des Vergessens, sondern wird gleichsam zur Bühne, auf der sich die Glaubwürdigkeit der christlichen Heiligen bewährt; manche erleiden ihr Martyrium im Fluss wie beispielsweise die heilige Symphorosa, die mit einem Stein um den Hals darin versenkt wurde; andere werden nach ihrer Hinrichtung von einer Steinbrücke aus in den Tiber geworfen wie die beiden Brüder Simplicius und Faustinus26. Oft aber werden die Leiber der Hingerichteten wieder an Land geschwemmt oder von ihren Glaubensbrüdern geborgen und etablieren hierdurch in Einzelfällen Erinnerungsorte, an denen Kapellen oder Kirchen gestiftet wurden – als Ausgangspunkt einer zum Teil bis heute anhaltenden Heiligenverehrung27. Auch in der Geschichte des Papsttums spielt dieses Bild des zu Unrecht im Tiber versenkten Kirchenmannes keine unwichtige Rolle. Ein besonders prominentes Beispiel hierfür ist die Leichensynode von 897, auf der der tote Papst Formosus abgeurteilt wurde. Papst Stephan VI. ließ hierzu eigens die Leiche seines Vorgängers neun Monate nach dessen Tod exhumieren, aus reinem politischem Kalkül in einem Schauprozess von großer Symbolkraft posthum zum Pseudopapst aburteilen und zunächst an unbekanntem bzw. nicht eigens ausgezeichneten Ort außerhalb der Stadt verscharren28. Doch die Richter des Formosus hatten 26 Vgl. Ekkart Sauser, Simplicius, Faustinus und Beatrix, in: Traugott Bautz (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 10 (1995), Sp. 488f. 27 Zu diesem Themenkomplex vgl. jetzt auch die materialreiche und beeindruckende Studie von Steffen Diefenbach, Römische Erinnerungsräume. Heiligenmemoria und kollektive Identitäten im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr., Berlin, New York 2007 (Millennium studies, 11). 28 Vgl. Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz, Wien u. a., 1968, S. 53–76; Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 4), S. 124–126; Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, Paderborn u. a. 1989, S. 388–390; Sebastian Scholz, Transmigration und Translation. Studien zum Bistumswechsel der Bischöfe von der Spätantike bis zum Hohen Mittelalter, Köln 1992 (Kölner Historische Abhandlungen, 37), S. 220–224; Jean-Marie Sansterre, Formoso, papa, in: DBI 49 (1997), S. 55–61 und jüngst mit knapper Zusammenfassung Jochen Johrendt, Eine Leiche vor Gericht. Streit vor und um Päpste in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts,
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offensichtlich berechtigte Sorge, dass auch dieses unscheinbare Grab sich später zu einem Ort einer legitimierenden Memoria entwickeln könnte, und ließen ihn wiederum exhumieren, um ihn dann in den Tiber zu werfen. Wenig erfolgreich allerdings, denn die Leiche wurde von Anhängern des Formosus aus den Fluten geborgen und ordentlich bestattet. Durch die spätere Rehabilitierung unter den Päpsten Theodor II. (897) und Johannes IX. (898–900) auf den Synoden von Rom (897) und Ravenna (898/99) sollte Papst Formosus schließlich doch noch nach St. Peter überführt werden – wo er bis zum heutigen Tag nicht als Gegenpapst, sondern eben als legitimer Nachfolger der Apostelfürsten bestattet liegt. Allerdings hält seine Geschichte auf der Suche nach einer endgültigen und würdigen Grablege noch ein interessantes retardierendes Moment bereit, denn unter Papst Sergius III. (904–911) wurde die Legitimität des Pontifikats Formosus’ erneut in Zweifel gezogen. Bei aller Toposhaftigkeit und eventuellen Anlehnung der Bergungsgeschichten des zu Unrecht von Verfolgern im Tiber versenkten Leichnams an frühchristliche Märtyrerlegenden wird man sich fragen müssen, in welchem Maße diese Bilder des Umgangs mit dem toten Formosus oder gar die Praktiken einer damnatio bzw. deletio memoriae antiker Prägung in der kollektiven kulturellen Erinnerung in Rom noch gegenwärtig gewesen sein mögen, als Papst Paschalis II. den Leichnam Clemens’ (III.) im Tiber versenken ließ. Handelt es sich hier um eine eher zufällige, ja nur vermeintliche Parallele oder womöglich doch um eine bewusste Anlehnung an ältere Vorbilder – gleichsam als Modell zur Inszenierung des eigenen Sieges bzw. der eigenen Überlegenheit und Fähigkeit, die Gefährder der etablierten Ordnung zu bezwingen? Insgesamt sind ja nur sehr vereinzelt Fälle von toten (Gegen-)Päpsten im Tiber für das Früh- oder Hochmittelalter überliefert, während – wie erwähnt – die meisten damaligen Gegenpäpste im Exil unbemerkt von der Öffentlichkeit in unbekannten Grablegen ihre letzte Ruhe fanden29. Lediglich in politisch besonders brisanten Fällen bedurfte es offensichtlich derartiger symbolisch aufgeladener Akte, mit denen die siegreichen Nachfolger Petri die endgültige Niederlage und in: Matthias Becher, Alheydis Plassmann (Hg.), Streit am Hof im frühen Mittelalter, Göttingen 2011 (Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike, 11), S. 389–410, hier S. 408; jetzt auch Marie Luise Heckmann, Der Fall Formosus. Ungerechtfertigte Anklage gegen einen Toten, Leichenfrevel oder inszenierte Entheiligung des Sakralen?, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, Ostfildern 2012 (Mittelalter-Forschungen, 38), S. 223–238. 29 Siehe oben Anm. 5.
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den Tod ihrer vermeintlich illegitimen Gegner eindrucksvoll dokumentiert und propagiert wissen wollten. Auch die Notiz in den Annales Sancti Disibodi – das besagte Quod et factum est – lässt kaum einen Zweifel zu, dass der Leichnam Clemens’ (III.) unter den Augen von Zeugen und nicht etwa heimlich in den Tiber gestürzt wurde, denn nur so konnte und sollte wohl die Nachricht überhaupt in die Quellen gelangen. Über diese Antwort auf die oben gestellte Frage hinaus muss es wohl ungeklärt bleiben, auf welchen Wegen diese Nachricht ein geographisch derart fernes Echo – allerdings ausschließlich in Quellen aus dem deutschen Reichsteil – erfahren hat, während Hinweise auf den Heiligenkult Clemens’ (III.) bzw. dessen Bekämpfung in den Quellen Reichsitaliens auffälliger Weise gänzlich zu fehlen scheinen30. Welche Vorstellung aber lief tatsächlich in den Köpfen der Zeitgenossen, vor allem der Römer ab, als sie sahen oder zumindest dem Hörensagen nach zur Kenntnis nahmen, dass der Leichnam Clemens’ (III.) von Paschalis II. im Tiber versenkt wurde? Die brüchige Quellenlage erlaubt bislang leider keine hinreichende Beantwortung einer solchen Frage, denn weder die zeitgenössischen Quellen zur Leichensynode des Formosus noch die Annales Sancti Disibodi im Falle Clemens’ verweisen ausdrücklich in vergleichender Perspektive auf etwaige antike Vorbilder oder Parallelen dieser Handlungen. Hinzu kommt, dass ohnehin die Erforschung der Kontinuität bestimmter Vorstellungen aus dem Kontext der antiken damnatio memoriae für das Früh-, Hoch- und Spätmittelalter erst in jüngster Zeit stärker in das Blickfeld der Mediävistik rückt und noch in einem Anfangsstadium steckt, das über eine erste und notwendigerweise unvollständige Bestandsaufnahme noch nicht hinausgekommen ist31. Die Habilitationsschrift 30 Auch in den Quellen aus dem engsten Umfeld der Kurie, etwa im Liber pontificalis, wird die Unterdrückung des Heiligenkultes als Motivation zur Zerstörung des Grabes Clemens’ (III.) nicht erwähnt. Selbst die Grabzerstörung an sich wird nicht thematisiert, etwa im Kontext der Erwähnung der Eroberung Civita Castellanas. Kam es hier womöglich zu einem bewussten Verschweigen jeglicher, d. h. auch kritischer Hinweise auf eine heiligmäßige Verehrung Clemens’, um jeglicher künftigen Diskussion darüber die Grundlage zu entziehen? Auch das satirisch-spöttische Grabgedicht, das Kardinal Petrus Leo auf Wibert verfasst hat, übergeht diese Aspekte; siehe Ex Oderici Vitalis Historia Ecclesiastica, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 20, Hannover 1868, S. 50–82, hier S. 66: Nec tibi Roma locum, nec dat, Guiberte, Ravenna in eutra positus, nunc ab utraque vacas. Qui Sutriae vivens maledictus papa fuisti, in Castellana mortuus urbe iaces. Sed quia nomen eras sine re, pro nomine vano. Cerberus inferni iam tibi claustra parat. 31 Diese erste Bestandsaufnahme bietet der Tagungsband Antonio Rigon, Isa Lori Sanfilippo (Hg.), Condannare all’oblio: pratiche della damnatio memoriae nel Medioevo. Atti del convegno di studi svoltosi in occasione della XX Edizione del Premio Internazionale Ascoli Piceno, Ascoli Piceno Palazzo dei Capitani 27–29 novembre 2008, Rom 2010. Um
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von Gerald Schwedler (Zürich) wird hier sicher ganz neue Perspektiven zu einem sehr weiten Themenkomplex eröffnen32. Man wird aber schon jetzt konstatieren können, dass vergleichbare Phänomene und gewisse Parallelen einer damnatio memoriae antiker Ausprägung als Figur des römischen Rechts und als Strafe post mortem auch für das Mittelalter existieren, sowohl in den angewandten Praktiken als auch in den dahinterstehenden Funktionen und Vorstellungen. Gerade im Umfeld der Kurie nämlich – als jener Institution des Mittelalters, die sich aufgrund ihrer beeindruckenden Schriftlichkeit und ihrer gleichsam ungebrochenen Kontinuität sowie des Anspruchs einer Überlieferungs- und Deutungshoheit der (Kirchen-)Geschichte als Untersuchungsfeld für die Formen des systematischen Verdrängens, Vergessens und intentionalen Deformierens von Erinnerungen anbietet – lassen sich indizienhaft erste interessante Parallelen beobachten. So ist es sicher kein Zufall, dass gerade in urkundlichen Quellen seit dem 12. Jahrhundert die Gegenpäpste wie auch andere Feinde der Kirche im Einzelfall gerade nicht vergessen, sondern mit dezidiert negativen Vorzeichen der memoria damnata als Gegenbild zu einer bona, felix oder gar einer sancta memoria gleichsam argumentativ in einer Art damnatio in memoria erinnert werden, etwa um ihre Handlungen in spiritualibus et temporalibus als ungültig zu stigmatisieren und zu kassieren – und dies oft noch Jahre nach Beendigung eines Schismas33. Auch die aus dem Kontext der damnatio memoriae antiker Praxis überlieferte Begrifflichkeit des hostis (des öffentlichen bzw. Staatsfeindes) gelangte in kurialen Quellen in diffamierend-inkriminierender Perspektive für die Gegner der Römischen Kirche propagandistisch zur Anwendung, etwa in der Vita Paschalis’ für Kaiser Heinrich V.34 Nicht zuletzt sind aus der Geschichte des mittelalterlichen Papsttums für noch lebende abgesetzte (Gegen-)Päpste diverse
die unterschiedlichen Forschungsansätze zum Thema zu verknüpfen, wurde 2011 in Zürich der international-interdisziplinäre Arbeitskreis „Damnatio memoriae – Deformation und Gegenkonstruktion von Erinnerung in Geschichte, Kunst und Literatur“ gegründet (vgl. ). 32 Vgl. hierzu die grundsätzlichen methodischen Überlegungen von Gerald Schwedler, Damnatio memoriae – oblio culturale: concetti e teorie del non ricordo, in: Rigon, Lori Sanfilippo (Hg.), Condannare (wie Anm. 31), S. 3–18. 33 Vgl. Kai-Michael Sprenger, Damnatio memoriae oder Damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit so genannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der Papstgeschichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31–62. 34 Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 2), S. 300: Viguit autem pax quoadusque exterminatorem terre Henricum Henrici filium divinae ultionis ira in Italiam traxit. Quid vero praedictus hostis ecclesiae in itinere operatus, longum est per singula ambulare atque nuntiare.
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Schandprozessionen – etwa für Johannes XVI. und Gregor VIII.35 – wie auch Leichnamstrafen für schon verstorbene Kandidaten überliefert – etwa für Bonifatius VII.36: In sehr starken und entsprechend später stark rezipierten Bildern wurde in einer Art Anti-Triumphzug ihre Niederlage und hierdurch gleichsam komplementär der Triumph ihrer siegreichen Gegner in Rom vor den Augen der Öffentlichkeit wirkmächtig inszeniert. Inwieweit sich in diesen Akten freilich tatsächlich eine Kontinuität oder zumindest Anlehnung an die Praktiken aus dem Umfeld der damnatio memoriae antiker Prägung spiegeln mag – wie sie etwa für Sejanus auf dem erwähnten Weg zur Hinrichtung oder auch für den Kaiser Elagabal überliefert ist, dessen Leichnam vor der Versenkung im Tiber von der Menge noch demonstrativ durch den Circus Maximus geschleift wurde37 –, müssen künftige Studien in vergleichender Perspektive noch differenzierter zu beantworten versuchen. Beim gegenwärtigen Stand der mediävistischen Forschung erscheint immerhin die Parallelität der Inszenierung und der Bilder bemerkenswert, und der Gedanke, dass man diese Parallelen womöglich auch im Hochmittelalter in Rom im 11. und 12. Jahrhundert noch erkannt und verstanden haben könnte, zumindest erwägenswert und diskussionswürdig. Auch ohne hier über erste Beobachtungen hinaus zu gelangen, lässt sich gleichwohl eine Schnittmenge zwischen den aus der römischen Antike überlieferten öffentlichen Erinnerungsstrategien und den diffamierenden, stigmatisierenden Demütigungen der Kirchenfeinde durch das siegreiche Papsttum des Mittelalters feststellen: eine Schnittmenge, die in der Funktion und Motivation derartiger Praktiken zu liegen scheint. Denn jeder Sieg bedarf einer Öffentlichkeit, eines 35 Vgl. Klaus Schreiner, Gregor VIII., nackt auf einem Esel, in: Dieter Berg, Hans Werner Goetz (Hg.), Ecclesia et regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale zu seinem 65. Geburtstag, Bochum 1989, S. 155–202. Zum Aspekt der Verstümmelungsstrafen an Päpsten vgl. August Nitschke, Der mißhandelte Papst. Folgen ottonischer Italienpolitik, in: Staat und Gesellschaft in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. vom Historischen Seminar der Universität Hannover, Göttingen 1983, S. 40–53. 36 Zur Misshandlung des Leichnams Bonifatius’ VII., der in Anlehnung an die antike Praxis der damnatio memoriae einige Tage am Caballus Constantini, der Reiterstatue Mark Aurels, zur Schau gestellt wurde, vgl. Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 28), S. 103. 37 Die Schändung der Leiche Elagabals überliefern die Scriptores Historiae Augustae, ed. David Magie, Bd. 2, Cambridge/Mass., London 1967, S. 140f.: Post hoc in eum impetus factus est atque in latrina ad quam confugerat occisus, tractus deinde per publicum; addita iniuria cadaveri est, ut id in cloacam milites mitterent. Sed cum non cepisset cloaca fortuito, per pontem Aemilium, adnexo pondere ne fluitaret, in Tiberim abiectum est, ne umquam sepeliri posset. Tractum est cadaver eius etiam per Circi spatia, priusquam in Tiberim praecipitaretur.
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Publikums, demgegenüber der Sieger seine unterlegenen Feinde vorführen und in gezielt inszenierten Manifestationen der Selbst- und Herrschaftsrepräsentation seine eigene Legitimation untermauern kann. Gerade in Krisenzeiten, in denen der endgültige Ausgang einer bestehenden Konkurrenzsituation keinesfalls letztgültig entschieden war, gewinnen derartige kommunikative Akte als propagandistisches Kampfinstrument besonderes Gewicht zur Festigung und zum Ausbau der eigenen Position. In exakt einer solchen noch unentschiedenen Konkurrenzsituation befand sich das Wibertinische Schisma, als Paschalis II. im Jahre 1101 nach der Eroberung Civita Castellanas den Leichnam Clemens’ (III.) im Tiber versenken ließ. Die bisweilen formulierte Auffassung, dass die nach ihm von der kaiserlich-wibertinischen Partei erhobenen Gegenpäpste Theoderich (1100–1102), Albert (1102) und Silvester IV. (Maginulf, 1105–1111) keine ernstzunehmende Gefährdung mehr für den Pontifikat Paschalis’ II. dargestellt und über keine größere Anhängerschaft mehr verfügt hätten38, scheint mir hierbei zu sehr vom Ergebnis des Schismas und aus jenem methodisch geradezu fatalem Wissensvorsprung heraus beurteilt, über den wir rückblickend immer verfügen – allerdings stets aus der Perspektive und auf der Basis der materiellen Überlieferung der Sieger. Damit ist ja eine grundsätzliche Problematik in der Beurteilung der sogenannten Gegenpäpste aus ihrer Zeit heraus angesprochen – und auch hier greift das bekannte Diktum frei nach Cicero: Galli victi silent, canunt victores39. Den Zeitgenossen bot sich in den ersten Jahren nach der Papstwahl Paschalis’ II. ein ganz anderes Szenario, in dem anhand verlässlicher, adäquater Entscheidungsparameter keinesfalls so folgerichtig und offensichtlich erkennbar war, welche Obödienz der beiden Päpste bzw. beiden Gegenpäpste aus welchen Argumenten heraus als mehr oder weniger legitim anzusehen sei. Vor allem Rom selbst wird man sich noch bis zur Wahl des ‚kaiserlichen‘ Papstes Maginulf – die 1105 im Zentrum der Urbs im Pantheon(!) stattfinden konnte – als eine gleichsam in verschiedene Einfluss- bzw. Demarkationszonen geteilte, von den widerstreitenden Parteien heftig umkämpfte Stadt vorstellen müssen; darauf hat Rudolf Hüls in seismographischer Analyse der lokalen stadtrömischen Auswirkungen des Wibertinischen Schismas zu Recht 38 Siehe etwa Carl Erdmann, Endkaiserglaube und Kreuzzugsgedanke im 11. Jahrhundert, in: ZKG 51 (1932), S. 384–414, hier S. 391 zu den vermeintlich „unbedeutenden stadtrömischen Gegenpäpsten, die nach dem Tode Wiberts noch aufgestellt wurden“. Ähnlich beurteilte Rudolf Schieffer in seinem Aachener Tagungsvortrag die Einflussmöglichkeiten dieser kaiserlichen Gegenpäpste in Rom; vgl. seinen Beitrag in diesem Band. 39 Marcus Tullius Cicero, De Divinatione, ed. Otto Plasberg, Stuttgart 1965, Buch 2, 26, S. 87: […] quia galli vieti solerent, canere victores.
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hingewiesen40. Nicht zuletzt im Liber pontificalis wird diese Zerrissenheit in unterschiedliche urbane, in ihrer Zusammensetzung wechselnde Gruppierungen ausdrücklich thematisiert, ebenso die daraus resultierende stetige Gefährdung Paschalis’ II., bereits erreichte Positionen und scheinbar verlässliche Personennetzwerke in seinem ‚Kampf um Rom‘ wieder an die Gegner zu verlieren. Die Schilderung dieser Auseinandersetzungen im Liber pontificalis vermittelt uns auch eine Vorstellung vom Instrumentarium, mit dem Paschalis II. seinen Anspruch innerhalb der Urbs auf unterschiedlichen Ebenen zu festigen suchte. Mehrfach berichtet sein Biograph von konkreten militärischen Auseinandersetzungen, von den Niederlagen – die zum Teil toposartig als Martyrium der wahren Christen im Kampf gegen die Kirchenverfolger ausgestaltet werden – wie auch von den Siegen der Partei Paschalis’, darunter die bereits erwähnte Eroberung Civita Castellanas im Jahre 1101. Eine Strafaktion Paschalis’ II. gegen die Familie der Corsi, die zu den einflussreichsten Unterstützern des Kaisers und des (Gegen-)Papstes Clemens (III.) zählte, ist hierbei für unseren Kontext von besonderem Interesse, da sich in ihr ebenfalls antike Vorbilder anzudeuten scheinen. Zumindest wird man die gezielte Schleifung der befestigten Häuser der Corsi wohl kaum als eine allein militärische Kampfmaßnahme interpretieren können41. Vielmehr markierte der Abriss in unmittelbarer Nähe des Kapitols an einem auch symbolisch signifikanten Ort innerhalb der Stadt eine gezielte Herabsetzung des Status und der gesellschaftlichsozialen Memoria jener Familie. Denn erst die Bauruine, die schreiende Lücke, machte die – zumindest temporäre – Niederlage und den Machtverlust der Corsi für alle Römer sichtbar und repräsentierte in komplementärer Weise den – ebenso temporären – Sieg der Partei Papst Paschalis’ II. in der noch immer umkämpften Stadt. Eine ganz ähnliche „Semantik des Hausabrisses“ haben neuere Studien zu objektbezogenen Erinnerungspraktiken sowie zur Geschichtskultur im republikanischen Rom als „geschichtspolitisch [raffinierte] … Art von Tilgung“ und 40 Vgl. Rudolf Hüls, Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms 1049–1130, Tübingen 1977 (Bibliothek des DHI in Rom, 48) S. 260–272, hier S. 261f. zur Familie der Baruncii, die im Bereich der Via Lata anzusiedeln ist und noch bis 1105 zu den nachweislichen Unterstützern der gegenpäpstlichen Partei zählt. 41 Liber Pontifcalis, ed. Duchesene (wie Anm. 2), S. 298: Sed et adhuc fumigat sceleratorum Ethna, Paschalicis suffocata virtutibus, tantoque frequentius interius estuat quanto solidius exterius compilatur: quoniam Corsorum domus, videlicet Stephani et filiorum et fratrum eius atque nepotum iam per domnum papam P. omnes destructae erant […]. Zu dieser Stelle vgl. auch Hüls, Kardinäle (wie Anm. 40), S. 266 mit Lokalisierung der Häuser bzw. Befestigungen am Kapitol.
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spezifische Form der damnatio memoriae herausgearbeitet42. Es lässt sich daher zumindest nicht ausschließen, dass man diese antiken Rechtspraktiken zur Zeit Paschalis’ II. in Rom noch erinnert haben mag, und sei es nur als schemenhaftes Modell, zumal sie auch von späteren Päpsten wie etwa Gelasius II. oder Innozenz III. in ähnlich krisenhaften Kontexten gegen ihre Gegner zur Anwendung gelangten43. Doch nicht nur mit dem Schwert, auch mit dem Stab musste Paschalis Rom gegen die gegenpäpstliche Partei gewinnen. Mit gezielten liturgischen Handlungen, Prozessionen sowie der Konsekration diverser stadtrömischer Kirchen und Reliquienstiftungen – zumindest in den ihm zugänglichen Quartieren der Stadt – demonstrierte er hierbei in der Phase der Auseinandersetzung seinen Autoritätsanspruch gleichermaßen als Bischof von Rom wie als universaler Papst, über legitime und authentifizierte und somit über verlässlichere Heilsangebote zu verfügen als seine Gegner44. Einen für die stadtrömische Perspektive besonderen Stellenwert nimmt in diesem Kontext die Konsekration der Kapelle (und späteren Pfarrkirche) S. Maria del Popolo ein. In ihrer Gründungslegende wird die wundersame Geschichte vom Dämon Neros berichtet: Dessen unseliger Geist, so die Legende, spuke in einem Nussbaum, der aus seiner Gruft direkt aus seinem Herz erwachsen sei, und habe schon zahlreiche Opfer gefordert, die an dieser Stelle die Stadt durch die Porta Flaminia betreten oder verlassen hatten. Das römische Volk habe daher den Papst um Abhilfe gebeten, dem daraufhin die heilige Muttergottes im Traum erschienen sei und befohlen habe, den Baum zu fällen, zu verbrennen und das Grab Neros zu zerstören. Im Beisein des versammelten Kardinalkollegiums und des römischen Klerus und Volkes habe Papst Paschalis dann bereits 1099 (1100) unmittelbar nach seiner Wahl eine Prozession an den entweihten Ort durchgeführt, den Baum eigenhändig gefällt, das Grab des dämonischen Nero zerstört 42 Uwe Walter, Memoria und res publica. Zur Geschichtskultur im republikanischen Rom, Frankfurt/M. 2004 (Studien zur Alten Geschichte, 1), S. 170f.; Andreas Hartmann, Zwischen Relikt und Reliquie. Objektbezogene Erinnerungspraktiken in antiken Gesellschaften, Berlin 2010 (Studien zur Alten Geschichte, 11), S. 142f. 43 Calixt II. ließ im Jahre 1122 die Türme der Crescenzier schleifen; vgl. Hüls, Kardinäle (wie Anm. 40), S. 261 mit Verweis auf den Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 2), S. 323. Für Gregor IX. ist eine ähnliche Maßnahme in Viterbo belegt; vgl. Alba Pagani, Viterbo nei secoli XI–XIII. Spazio urbano e aristocrazia cittadina, Rom 2002 (Itinera. Profili di storia rurale e urbana, 2), S. 162 mit Anm. 28 44 Der Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 2), S. 305f. erwähnt noch einmal die Ordinationen und Konsekrationen während des Pontifikats Paschalis’ II., allerdings nicht vollständig; vgl. ebd. S. 310 mit Kommentar und Verweis auf weitere Weihen nach den Papstregesten.
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und – zumindest tradieren Varianten der Legende dieses Detail – dessen Asche wie auch die Knochen unter dem Beifall des zahlreich anwesenden Klerus und Volkes von Rom in den Tiber gestreut; schließlich habe er zum Dank an derselben Stelle eine Kapelle bzw. einen mit prominenten Reliquien und entsprechenden Indulgentien ausgestatteten Marienaltar gestiftet45.
45 Den lateinischen Text der Gründungslegende bietet (ohne genauere Quellenangabe) ��� Iacobo de Albericis, Historiarum ������������������������������������������������������������������� sanctissimae et gloriosissimae Virginis ������������������������ Deiparae de populo Almae Urbis Compendium, Rom 1599, S. 1–10, hier S. 5f. mit dem Auftrag Marias an Paschalis: En [sic] favore divino tertia nocte post ieiunium et orationem illi apparuit Sanctissima Virgo Dei Mater Maria unica et pia maestorum consolatrix, quae benigne hunc in modum loquuta est: „O Paschalis, o Paschalis, hilari et laeto sis animo, Deo enim placuit abstientia tua, exaudita est oratio tua, populi totiusque tui supplicatio, respexit lachrymas, observavit suspiria, mensus est lamenta, et animo quaerimonias posuit, numeravit singultus, cordolia perpendit, et ad extremum cognovit magnam molestiam, qua populus tuus Romanus ab istis mortiferis draconibus afficitur. Propterea ne dubites […], sed egredere, perge, ac irrue quamprimum ad portam Flaminiam, ubi nucem quamdam reperies ea altitudine, et latitudine, quam omnem aliam arborem illic consitam excellit, et praestat, super illam latitant, et commorantur hostes omnium nostrum communes; ecce vide, tot tantisque malis opportunum et paratum remedium singulare, fac illam succidi sine mora, ed radicitus evelli festina, sub qua invenies corpus miseri et semper infelicis Neronis, quod illinc statim admoveri et proiici in Tiberim curabis, ex inde in eodem loco, eodemque situ, Ecclesiam meo nomini consecratam aedificari efficito” […]. Quamobrem eo foelicissimo die a Deo omnipotene populus Romanus liberatus, exauditus fuit proiecto infelicis Neronis corpora ibi reperto in Tyberim. Zu dieser Stelle vgl. auch Graf, Roma (wie Anm. 25), Bd. 1, S. 354f. Eine italienische Version nach der lateinischen Vorlage bietet Ambrogio Landucci Sanese, Origine del Tempio dedicato in Roma alla Vergine Madre di Dio Maria, Rom 1646, S. 7–16, ähnlich auch P. M. Felini, Trattato nuovo delle cose meravigliose dell’alma città di Roma, Rom 1610 (ND Rom 1995 [Le antiche guide di Roma, 4]), S. 27f. Hinzu kommt eine Passage mit unterschiedlichem Datum (1100 statt 1099) im Saggio della Roma descritto da Benedetto Millino (Cod. Chigi 0 VII 141), ed. Giovanna Terzulli, Fiorenza Rausa, in: Ilaria Miarelli Mariani, Maria Richiello (Hg.), Santa Maria del Popolo. Storia e restauri, 2 Bde., Rom 2009, Bd. 2, S. 749–822, hier S. 757: „E’ fama, che’ la prima fondazione di questa chiesa fusse sotto Pasqale II verso gli anni del Signore MC il quale, getta nel Tevere le ceneri di Nerone ivi sepolto, vi ponesse la prima pietra dell’altare.“ Noch heute wird diese Tradition der Konsekration und der Zerstörung des Grabes Neros durch Paschalis II. in den vergoldeten Stuckreliefs (17. �������� Jahrhundert) über dem Hauptaltar sowie in Inschriften in Erinnerung gerufen; vgl. Simonetta Valtieri, L’Altare Maggiore seicentesco, in: ebd., Bd. 2, S. 533–542, hier S. 536 Fig. 402 sowie Enzo Bentivoglio, Simonetta Valtieri, Santa Maria del Popolo a Roma, Bari, Rom 1976, S. 30–32 mit einer Inschrift von 1627: ALTARE A PASCALI PAPA II / DIVINO AFFLATU / RITU SOLEMNI HOC LOCO ERECTUM / QUO DEMONES / PROCERAE NUCIS ARBORI INSIDENTES / TRANSEUNTEM HINC POPULUM DIRE INFESTANTES / CONFESTIM EXPULIT // URBANI VIII PONT. MAX.
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In der Gründungslegende fließen gleichsam beide für unseren Kontext interessanten Ebenen ineinander: die materielle Zerstörung eines Grabes, von dem durch das Wirken dämonischer Kräfte eine konkrete Gefährdung der Menschen und ihres Seelenheils ausgeht, wie auch die Überschreibung des unheilvollen Ortes durch die liturgische Handlung der Weihe und Reliquienstiftung für einen Altar – wodurch Paschalis gleichsam als Retter der Römer erscheint und eindrücklich seine Fähigkeit demonstriert, mit göttlicher Hilfe die Stadt und ihre Bewohner erfolgreich aus einer konkreten Krisensituation zu führen. Die vergleichsweise späte Tradition dieser Gründungslegende wirft natürlich Fragen nach der Authentizität dieser Konsekration sowie ihrer exakten Datierung auf, die hier im Detail nicht geklärt werden können. Es scheint indes wenig wahrscheinlich, dass Paschalis II. bereits 1099 (1100) zu einem vergleichsweise frühen und noch kritischen Zeitpunkt seines Pontifikats in diesem Teil der Stadt die Möglichkeit zur Durchführung einer öffentlichen Prozession in Anwesenheit von zehn Kardinälen, vier Erzbischöfen, zehn Bischöfen und zahlreichen weiteren Prälaten gehabt haben soll46. Vergleichbare, auch inschriftlich dokumentierte Stiftungen und Konsekrationen in Rom sind für ihn bzw. seine Parteigänger erst aus späteren Pontifikatsjahren überliefert, als die Auseinandersetzung des Schismas tatsächlich weitgehend beigelegt war47. In der archivalischen Überlieferung von S. Maria del Popolo ist die Gründungsgeschichte spätestens seit 1426 in einer Abschrift einer indes wohl deutlich älteren Pergamenturkunde belegt, welche die gewährten Ablässe, die gestifteten Reliquien sowie die Konsekration, aber auch die Zerstörung des Grabes Neros durch Paschalis ausführlich berichtet; zu Beginn des 15. Jahrhunderts war diese Urkunde auf einer größeren Holztafel neben dem Hauptaltar aufgebracht und mit einer Kette an einer Statue befestigt, was die bemerkenswerte Publizität der Geschichte erklären dürfte, die in verschiedene Reise- und PilgerberichAUTHORITATE / EXCELSIOREM IN LOCUM QUEM CONSPICIS / TRANSLATUM FUIT / ANNO DOM. MDCXXVII DIE VI MARTII. 46 Diese Anzahl erwähnt die 1426 angefertigte Abschrift des Reliquien- und Ablassverzeichnisses, in dem auch die Gründungslegende enthalten war: Archivio della Curia Generalizia Agostiniana (Rom), F Liber Legatorum (1430–1510), fol. 14r –14Dv, hier fol. 14Bv. 47 Siehe die inschriftlichen Befunde bei Anna Holst Blennow, The latin consecrative inscriptions in prose of churches and altars in Rome 1046–1263, Rom 2011 (Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, 56), Nr. 6 S. 39–42 vom 11. Mai 1107 für S. Gregorio al Celio, Nr. 7 S. 43–48 vom 24. Januar 1112 für S. Lorenzo in Lucina, Nr. 8 S. 48–53 vom 25. Februar 1113 für S. Pantaleo ai Monti, Nr. 9 S. 53f. vom 8. März 1113 für S. Maria in Cappella, Nr. 10 S. 55–58 vom 21. Dezember 1114. Alle Inschriften sind bis auf Nr. 10 nach Pontifikatsjahren Paschalis’ II. datiert. Siehe ferner die ebd. S. 58 Anm. 125 wiedergegebene Inschrift einer im Auftrag Paschalis’ II. 1114 erfolgten Reliquientranslation.
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ten Eingang gefunden hat48. Derzeit lässt sich noch nicht genau verifizieren, wie alt diese römische Tradition der Zerstörung des Nerograbes wirklich ist; jedoch spricht ein weiteres Indiz für eine frühere, zeitlich näher am Geschehen liegende Genese: Der, soweit ich momentan sehe, früheste Textzeuge ist in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts überliefert in einem gerade mit stadtrömischen Belangen sehr vertrauten und eventuell sogar noch zeitgenössischen Kommentar zu Gottfrieds von Viterbo Speculum Regum – unbeschadet der Tatsache, dass der Autor die Grabzerstörung offenkundig fehlerhaft in den Pontifikat Pelagius’ I. (556–561) bzw. Pelagius’ II. (579–590) einordnet49. 48 Im Liber Legatorum (1430–1510) (wie Anm. 46) fol. 14Ar vermerkt der ausfertigende Notar: In eadem ecclesia in quadam tabula lignea quadrata ac carta pergamenata iuxta Altare maius ad quandam statuam marmoream cathena ferrea cathenata, solenniter descriptas reperi, vidi et diligenter perlegi, huius sub tenore […]. Auf den ungewöhnlichen Überlieferungszusammenhang mit dem bislang unbekannten Hinweis zur frühen Ausstattung der Kirche werde ich an anderer Stelle gesondert eingehen. Die Gründungslegende findet einen Reflex etwa in Niklaus Muffels Beschreibung der Stadt Rom, ed. Wilhelm Vogt, in: BLV 128 (1876), S. 5–62, hier S. 53: Item in der kirchen Maria del populo […] und der alter stet an der stat, do Nero der pöß keyser begraben lag, und die teufel allen leutten und allem vich die heubter abprachen, die zu dem thor auß oder einginngen; die teufel waren auf dem nuspaum, der von ihm wuchs aus seine hertzen, und kunt nymant gewissen wo von das kom dann der babst; der bestellet ein proceß und ging daryn mit allem volk vastend dreytag; und darnach kom ein stym von der junckfrau Maria dem babst in den schlaf, sagt ym, das Nero do begraben wer und in dem nuspaum die teufel ir wonung hetten; und sagt dem babst, das er den paum ausgrub und den Nero herausnem und an die stat ein capellen pauet in ir ere; das geschach und die capellen ward gantz gepauet von allem volk nur in eim tag und darumb wurd sie geheissen Marie de populo. Weitere Beispiele bietet Nine Miedema, Rompilgerführer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Die ‚Indulgentia ecclesiarum urbis Romae‘ (deutsch/ niederländisch). Edition und Kommentar, Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit, 72), S. 120f., S. 165 sowie S. 273f., hier mit der Variante, dass Paschalis II. den gefällten Nussbaum verbrannt habe: Da di kirch ist, da hat gestanden ein großer nußbom, darvff so wonten die tufel. Wer dafur ginge ader ritte, den lesterten sie, vnd wist nieman, wer das tet. Sant Pascasio, dem bapst, wart geoffnet, er solt den nussbom abhowen vnd ein kirchen an die stat buen, vnßer lieben Frawen zu ere. Der bapst machet ein gros process mit geistlichem vnd weltlichem volck, vnd gingen zu Rom fur die port, genant Flamminea, zu dem nußbom. Vnd tet der bapst den ersten streich an den bom vnd rutet den selben bom gantz vß der erden. Da vand man vnder dem bom ein sarck, darin so lag der lib des boesen Nerons, der sant Peter vnd sant Paul hette laßen marteren vnd toeten vnd och vil ander cristen. […] Darnach liß der vorgenant bapst Pascalis den lib des boesen Nerons mit dem nußbom zu puluer gantz verbrennen vnd verbannet alle die tufel, die vff dem nußbom gesessen woren, vnd puet da ein kirchen vnd nant sie Maria de Populo darvmb, das so vil volcks da was, vnd gab darzu II tusend iar ablas. 49 Der Autor dieses Kommentars ist nicht bekannt, wird aber von den Herausgebern des Speculum Regum als mit italienischen Dingen sehr vertraut und wahrscheinlich sogar aus Rom stammend angesprochen. Siehe Gotifredi Viterbiensis Speculum Regum, ed. Georg
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Auch wenn sich ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen beiden Handlungen – der Versenkung des toten Clemens (III.) im Tiber und der Zerstörung des Nerograbes – derzeit noch nicht belegen lässt und letztere ohnehin aus einer Quellengattung stammt, die per se andere Ansprüche an die Faktizität stellt, so scheint es doch kein Zufall zu sein, dass gerade Paschalis II. hier Nero besiegt. Nero nämlich figuriert nicht nur in zahlreichen mittelalterlichen Quellen als der Prototyp des Kirchenverfolgers und des Antichristen50, sondern wird in ganz unterschiedlichen Quellenkontexten der gregorianischen Partei mehrfach als Synonym für Waitz, in: MGH SS, 22, Hannover 1872, S. 1–93, hier S. 4: […] auctorem prodit Italum, urbis Romae bene gnarum […]. Multa vero eaque fabulosa de antiqua deorum et regum historia traduntur, quae alibi frustra quaesivi. Alia vero ex populi ore sumpta esse videntur, praesertim quae de ecclesis aliisque aedificiis Romae urbis vel de rebus miraculosis alibi factis referuntur. Der Kommentar dazu ebd., S. 72: Sciendum, quod Nero fuit primus persecutor ecclesie seu servorum Christi […]. Mortuo eo [Nero], lupi corpus eius dilaceraverunt et Romae extra portam, ubi nunc est ecclesia sancte Marie ad populum, est sepultus. Ubi demones tunc circa corpus suum tam homines quam iumenta pretereuntes iugulabant, quousque ad preces et orationes Pelagii [sic! statt Paschalis] pape beata Virgo sibi in sompnis apparuit et arborem subtus quam Nero sepultus fuit succidere iussit. Papa igitur crastino cum clero processionem illuc fecit, arborem propria manu primus cum securi secare incepit, et ecce demones ululantes fugientes locum reliquerunt et cessavit periculum ibidem. Populus Romanus vero videns se a demone liberatum, papam rogavit, ut ecclesiam ibi in honore virginis Marie, cuius auxilio essent liberati, construeret. Quod et papa fecit una cum populo, et Maria ad populum nominavit, que antea porta Flaminea dicebatur. Sanctus Gregorius vero papa immagine gloriose virginis Marie, quam sanctus Lucas depinxit, una cum aliis reliquiis illuc collocavit. Weder im Liber pontificalis noch in den einschlägigen Papstregesten ist ein derartiger Akt für Pelagius I. bzw. Pelagius II. belegt. Zu dieser Stelle vgl. auch Graf, Roma (wie Anm. 25), Bd. 1, S. 332–361 sowie Carlo Pascal, Nerone nella storia aneddotica e nella legenda, Mailand 1923, S. 244f., der den Kommentator für einen Zeitgenossen Gottfrieds hält (S. 244: „Il commentator che scrive in prose, ed è contemporaneo di Goffredo“). Der Autor vertauscht ferner Gregor den Großen (Sanctus Gregorius) mit Gregor IX., der nach römischer Tradition im Jahre 1239 eine Marienikone vom Lateran nach S. Maria del Popolo transferiert haben soll; vgl. Gerhard Wolf, Salus Populi Romani. Die Geschichte römischer Kultbilder im Mittelalter, Weinheim 1990, S. 167 und S. 295 Anm. 382. Auch in späteren römischen Traditionen wird die Zerstörung des Grabes Neros stets mit Paschalis II. assoziiert; vgl. ebd., S. 330f. mit dem Auszug aus einem Traktat Giovanni Battistas von 1464: Quartam [imaginem dei genetricis a beato Luca pictam] veneramur in ecclesia sancte Marie de Populo […]. Hanc in ecclesia sancti Petri antea asservatam Pascasius summus Pontifex ad locum daemoniaco incursu obsessum adduxit, ubi ecclesia, quam nunc videmus, constructa et imagine in ea dimessa, locum ab omni adversitate liberavit. 50 Vgl. Pascal, Nerone (wie Anm. 49), S. 272–286; Graf, Roma (wie Anm. 25), Bd. 1, S. 332–361; Robert Konrad, Kaiser Nero in der Vorstellung des Mittelalters, in: Karl Schnith (Hg.), Festiva Lanx: Studien zum mittelalterlichen Geistesleben. Johannes Spörl dargebracht aus Anlaß seines 60. Geburtstages, München 1966, S. 1–15.
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das gegenwärtige dämonische Wirken, als Hauptverursacher des Wibertinischen Schismas verwendet: Wibert von Ravenna erscheint darin als gelehriger Schüler Neros, als der neue Simon Magus, der ganz von den diabolischen Kräften Kaiser Heinrichs IV., des neuen Nero, erfüllt und gelenkt wird51. Doch auch außerhalb der diffamierenden kirchenpolitischen Propaganda beschäftigten die Wiedergeburt und das Wirken des Antichristen in der Krise des Schismas Paschalis II. im theologischen Diskurs, wie die ausführliche Diskussion der Antichristlehre mit dem Florentiner Bischofs Rainer während einer wohl um 1106 abgehaltenen Diözesansynode deutlich macht52. Den Schüler Neros, Wibert von Ravenna, hatte Paschalis aber ebenso wenig zu dessen Lebzeiten besiegen können wie den gegenwärtigen Antichristen und 51 Vgl. Konrad, Kaiser Nero (wie Anm. 50), S. 9f. Zur Verwendung der Metaphern Nero und Simon Magus in der Streitschriftenliteratur des sogenannten Investiturstreits beispielhaft Donizonis vita Mathildis, ed. Ludwig Conrad Bethmann, in: MGH SS, 12, Hannover 1856, S. 348–409, hier S. 384: Rex et Guibertus faciunt iuvenescere tempus Neronis prisci, qui precepit crucifigi Petrum, cervicem Pauli gladio ferrit idem, et propriae ventrem perscindere matris ab ense fecit, ut inspiceret, requievit ubi malus ipse. Sic ������������������������ propriae matris palmas calcaribus acris transfodit missus sathane Guibertus iniquus. Nullum quippe virum timuit nisi Nero magistrum; ferner Deusdedit Presbyteri Cardinalis Libellus contra invasores et symoniacos et reliquos scismaticos, ed. Ernst Sackur, in: MGH L. d. L., 2, Hannover 1892, S. 292–365, hier S. 329: Sed postea, ut dictum est, a prefato Guiberto, novo Simone mago, veluti alter Nero, seductus est [Henricus IV. imperator] und S. 330: idem imperator eius [Guidonis] Nero; ebenso [Rupert von Deutz?] Monachi cuiusdam exulis S. Laurentii de calamitatibus ecclesiae Leodensis opusculum, ed. Heinrich Boehmer, in: MGH L. d. L., 3, Hannover 1897, S. 622–641, hier S. 625: Cum Nero Romam teneat, Symonque Papa vocetur? und S. 627: „Ei michi!“ dixit „Symon atque Nero nunc revixerunt, miseram matrem rursus oppugnant […]“. Für die Nachfolger Clemens’ (III.) siehe etwa die Stelle im Liber pontificalis, ed. Duchesne (wie Anm. 2), S. 375f.: Huius temporis quidam perversi scismatici ex clero Romano, diabolico inflammatu spiritu, contra pontificem insurgentes, tres heresiarchas et invasores, Albertum videlicet Aginulfum et Theodoricum, in diversis temporibus erigere presumpserunt, insignientes eos papalibus insigniis et sanctorum eis pontificum nomina imponentes. Qui heresiarche, licet in principio turbationes multas et infestinationes eidem domno pape tamquam Antichristi preambuli nefanda presumptione intulerint, processu tamen temporis in sua erubescentia confusi, ab eodem papa prostrati sunt atque a grege scismatico potenter expulsi. 52 Ebd., S. 299: Hostibus Aecclesiae sic exterritis et Urbe iam sedata ex parte, eo anno domnus papa in Tusciam apud Florentinam concilium celebravit, in quo cum episcopo loci de Antichristo, quia eum natum dicebat, satis disputatum est. Zu diesem nicht exakt datierbaren Treffen vgl. Erdmann, Endkaiserglaube (wie Anm. 38), S. 386–394, darunter S. 388f. den Brief der Bischöfe der Ravennater Kirchenprovinz an Bischof Rainer, in dem das Wirken des Antichristen auch mit der neuerlichen Wahl eines pseudopapa durch einen Teil der Römer in Verbindung gebracht wird.
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neuen Nero, Kaiser Heinrich IV. Die Zerstörung der Gräber Wiberts wie auch Neros dürfte daher auf der Folie dieser kirchenpropagandistischen Rhetorik über eine nicht geringes symbolisches Potenzial verfügt haben, sofern den Zeitgenossen diese interpretatorische Parallelität denn überhaupt bewusst war und sich uns nicht nur rückblickend aufdrängt. Unbeschadet der nicht verifizierbaren Faktizität der Zerstörung des Nerograbes scheint für die Beantwortung der eingangs gestellten Frage, wo und warum Clemens in den Tiber gelangte, ein weiterer Aspekt von Bedeutung: Als der unbekannte Kommentator zu Gottfried von Viterbos Speculum Regum zu einem bislang nicht näher einzugrenzenden Zeitpunkt zwischen ca. 1183 und – spätestens – Ende des 14. Jahrhunderts seine Version von der Zerstörung des Grabes Neros formulierte, existierte bei ihm eine sehr konkrete Vorstellung davon, dass die Überwindung der krisenhaften Bedrohung der Stadt durch den Dämon Neros bzw. des Antichristen durch einen kommunikativen Akt unter Zeugen mit möglichst großer öffentlicher Wirkung vollzogen wurde oder zumindest vollzogen werden musste. Wenn aber der Geist und die Knochen Neros in einer öffentlich inszenierten, gleichsam rituell reinigenden Handlung beseitigt werden, wenn in Antike wie auch vereinzelt im Mittelalter symbolisch stark aufgeladene vergleichbare Handlungen diffamierender Erinnerungsstrategien und konkret die Versenkung ehemaliger Gegner im Tiber belegt sind, ist es dann wirklich denkbar, dass die Truppen Paschalis’ II. den Leichnam Wiberts an nächstgelegener Stelle zu Civita Castellana ohne persönliche Beteiligung Paschalis’ und den wichtigsten Anhängern seiner Partei in den Fluss versenkt haben sollen? Wohl kaum. Die knappe Nachricht in den Annales Sancti Disibodi wird man vielmehr in jenen Maßnahmenkatalog einzuordnen haben, mit dem Paschalis II. gerade in der noch ungeklärten Konkurrenzsituation mit den Nachfolgern Clemens’ III. auf der gegenpäpstlichen Cathedra Petri seine Legitimität und seinen Herrschaftsanspruch in Rom selbst deutlich zu machen versuchte. Nur in der noch immer umkämpften Stadt konnte die Versenkung der Leiche des Gegenpapstes Clemens im Tiber als kommunikative Handlung eine größtmögliche Öffentlichkeit erreichen und somit überhaupt erst ihre politische und propagandistische Wirkung entfalten. In Rom fand sich das Publikum, das auch die nicht zu unterschätzende Symbolik der gegenpäpstlichen Leiche im Tiber in der womöglich noch vagen Erinnerung an derartige Praktiken aus der Antike bis hin zu Formosus als Teil einer spezifisch römischen Erinnerungskultur sicher besser verstanden haben wird als die – wenn überhaupt – eher zufälligen Zeugen einer solchen Handlung zehn Kilometer außerhalb Civita Castellanas an der ersten Tiberbrücke auf der Via Flaminia. Die amerikanische Kunsthistorikerin Lila
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Yawn hat jüngst herausarbeiten können, wie sehr beide Aktionsebenen (Zerstörung einer alten und Kreation einer neuen Memoria) gerade bei Paschalis II. in der Schisma-Auseinandersetzung in Rom ineinander fließen und komplementäre Elemente der Repräsentation der siegreichen Schisma-Überwindung sind, indem sie überzeugend den offenbar gezielten Abriss bzw. Neubau von S. Clemente als Teil einer solchen Erinnerungsstrategie Paschalis’ II. gedeutet hat; hier ging es auch darum, die von den Zeitgenossen mit der Verehrung des Kirchenpatrons zumindest assoziierten Stimmen der Heiligkeit Clemens’ III. mit der Neustiftung und Konsekration von S. Clemente als Werk Paschalis’ II. – des Siegers über den ganz ‚unheiligen Gegenpapst‘ Clemens (III.) – mit neuen Bildern und Bezügen zu überschreiben53. Neben derartigen Überschreibungen war jedoch auch die konkrete Erinnerung an den unterlegenen Gegner ein Teil dieser legitimierenden Erinnerungsstrategie des siegreichen Papsttums über die Gegenpäpste des Investiturstreites. Sie begegnet uns nicht nur im Liber pontificalis oder den Streitschriften der gregorianischen Partei mit der Diffamierung Wiberts als Haeresiarcha, sondern auch als Element jener programmatischen Selbstinszenierung im Zentrum der Kurie, die mit den berühmten, allerdings verlorenen Fresken des Lateranpalastes ihre Deutungshoheit der jüngsten (Papst-)Geschichte demonstrierte: In eindrucksvollen Geschichtsbildern propagierte sie ihre Sicht der legitimen Apostelnachfolge und der bildhaft als Fußschemel dargestellten unterlegenen Gegenpäpste54. Die nunmehr dauerhaft zu Gegenpäpsten gewordenen Konkurrenten erfüllten hiermit aber eine wichtige Funktion gleichsam als Katalysatoren der Legitimation in der kulturellen Erinnerung eines siegreichen Papsttums. Denn erst die Erinnerung an ihre Niederlage wies den Sieger als befähigt aus, das Schiff der Römischen Kirche auch in krisenhaften Herausforderungen wie der eines Schismas sicher zu leiten – eine Vorstellung, die am Beginn des Alexandrinischen Schismas Arnulf von Lisieux mit Blick auf Alexander III. und die Fresken des Lateranpalastes pointiert auf die ebenfalls programmatische Formel
53 Vgl. Lila Yawn, Clement’s new clothes. The destruction of Old S. Clemente in Rom, the eleventh-century frescoes and the cult of (Anti)Pope Clement III, in: Rusconi, Yawn (Hg.), Framing Clement III (wie Anm. 1). 54 Vgl. Ingo Herklotz, Die Beratungsräume Calixtus’ II. im Lateranpalast und ihre Fresken. Kunst und Propaganda am Ende des Investiturstreits, in: ZK 52 (1989), S. 145–214; Mary Stroll, Symbols as power. The papacy following the Investiture Contest, Leiden 1991 (Brill’s studies in intellectual history, 24), S. 16–35.
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zusammenfasste, dass nur derjenige ein richtiger Papst sei, der den Sturm eines Schismas sicher und als Sieger überstehe55. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen deutet sich die Versenkung Clemens’ (III.). im Tiber in – wie wahrscheinlich gemacht – Rom als eigenes Element jener Strategie Paschalis’ II. an, die mit Schwert und Stab in der Auseinandersetzung des Wibertinischen Schismas die eigene Legitimation (wie auch Obödienz) festigen und durchsetzen sollte. Liturgische Handlungen und die unter den Augen der Öffentlichkeit inszenierte Stiftung authentifizierter Heilsangebote zählten ebenso hierzu wie militärische Maßnahmen oder gezielte Akte – durch die sozialer Status und Legitimation der Gegner diffamiert und zerstört werden sollten –, wie etwa die Schleifung der Häuser der Corsi oder die rhetorische Stigmatisierung Kaiser Henrichs IV. und Clemens’ (III.) als neuer Nero und dessen Schüler Simon Magus. Die Versenkung der Leiche Clemens’ im Tiber in Rom fügt sich ganz in dieses Bild. Dass man in Rom in der Antike wie auch im Mittelalter als Bühne für derart inszenierte Demütigung und Vernichtung der toten, aber noch immer gefährlichen politischen Gegner mehrfach auf den Tiber zurückgriff, lässt sich hierbei sicher nicht nur mit einem gewissen Pragmatismus und möglichst großer Effizienz erklären. Gewiss, unzählige Leichen verschwanden unbemerkt in den Fluten des Flusses – etwa jene vermeintlichen Ketzer, denen man aus konfessionellen Motiven lange ein katholisches Begräbnis verweigern zu müssen glaubte, bevor es in Rom einen offiziellen cimiterio accatolico gab56. Doch im Falle des Sejanus, des Elagabal, des Formosus, des Gegenpapstes Clemens alias Wibert von Ravenna, eines Domitian und Pontius Pilatus aus der Perspektive mittelalterlicher Legende, aber auch – um einige spätere Beispiel aufzuführen – eines Arnold von Brescia57 55 Ebd., S. 26 nach der Edition in Migne, PL 201, Sp. 35: Quod sane ea ratione factum est, ut sanctis patribus cedat ad gloriam victoriae testis ascriptio, in qua presumptores illi vel compressionis poenam sustinent, vel praesumtionis veniam deprecantur. Unde et sancti apostolatus vestri cathedra sine scabello esse non debuit, sed nobiliore scabello debuit illustrari […]. 56 Zur Geschichte des cimitero acattolico in Rom vgl. Wolfgang Krogel, All’ombra della piramide. Storia e interpretazione del cimitero acattolico di Roma, Rom 1995, bes. S. 23–27 zu den Orten, an denen zuvor die „escommunicati“ verscharrt wurden (etwa in der Nähe des Muro torto). 57 Siehe die Hinrichtung Arnolds von Brescia bei Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. (wie Anm. 5), S. 134: […] tandem in manus quorundam incidens, in Tuscie finibus captus, principis examine reservatus est et ad ultimum a prefecto Urbis ligno adactus ac, rogo in pulverem redacto funere, ne a furente plebe corpus eius venerationi haberetur, in Tyberim sparsus. Zu dieser Stelle vgl. Schmitz-Esser, Bestrafung (wie Anm. 13), S. 249–251 mit Beobach-
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oder der Anhänger Ludwigs des Bayern und seines Gegenpapstes Nikolaus’ V.58 ging es vor allem um die Qualitäten der Erinnerung, die mit solchen kommunikativen Handlungen verbunden werden sollten. Der Tiber erwies sich hierbei gerade nicht als Strom des Vergessens, sondern vielmehr als jene Bühne, auf der mit gezielten rituellen und kommunikativen Handlungen eine alte Erinnerung überschrieben und eine neue konstituiert werden sollte. Weniger die Auslöschung der Erinnerung an die ehemaligen Gegner an sich als die Etablierung einer diffamierenden Negativerinnerung markiert in diesen Fällen die entscheidende Qualität derartiger Akte: Mit ihnen sollte der einst konkurrierende und womöglich sogar legitime Anspruch der unterlegenen Gegner von den Siegern in Form einer Art „damnatio historiae“59 in den zukünftigen Geschichtsbildern ausgelöscht und ohne jegliche Beurteilungsalternative tradiert werden – welche die Zeitgenossen, etwa in der Krise eines Schismas, noch sehr schmerzlich empfanden in Unkenntnis des Ausgangs der Geschichte. Um dieses selektive Geschichtsbild aber auch dauerhaft abzusichern, bedurften derartige Akte zwangsläufig einer entsprechenden Inszenierung und Öffentlichkeit, die diese Vorgänge bezeugen und somit erst eine neue Erinnerung etablieren wie tradieren konnten. Offensichtlich bestand von der Antike bis in die Zeit Paschalis’ II. hinein in Rom ein latentes Bewusstsein, ja vielleicht sogar eine Erinnerung, dass der Tiber ein adäquater Ort für derartige Inszenierungen des eigenen Herrschaftsanspruchs, der Demütigungen der ehemaligen Gegner und der Kreierung zukünftiger Traditionen war. tungen zur Intention, mit der größtmöglichen Publizität derartiger Akte gerade eine Inkriminierung und nicht eine damnatio memoriae antiken Vorbilds zu erzielen – allerdings auch mit dem diskussionswürdigen Verständnis, dass es sich bei dem antiken Modell der damnatio memoriae um eine Erinnerungsvernichtung handele (statt ebenfalls um eine Inkriminierung und Etablierung einer spezifischen Negativerinnerung). 58 Siehe die eindrucksvolle Stelle bei Giovanni Villani, Nuova Cronica, ed. Giovanni Porta, 3 Bde., Parma 1990–1991, hier Bd. 3, S. 638f. (11,95): Come il Bavaro, che si facea chiamare imperadore, col suo antipapa si parti di Roma e venne a Viterbo. […] E a dì VIII d’agosto vennono il legato cardinale e messer Napoleone Orsini con loro seguaci con grande festa e onore; e riformata la santa città di Roma della signoria di santa Chiesa, fecio non molti processi contra il dannato Bavaro e contra il falso papa, e su la piazza di Campidoglio arsonono tutti i loro ordini e brivilegi; ed eziandio i fanciugli di Roma andavano a’mortori, ov’erano sotterrati i corpi de’morti Tedeschi e d’altri ch’aveano seguitato il Bavero, e iscavati de le monimenta gli tranavano per Roma e gittavangli in Tevero. Le quali cose per giusta sentenzia di Dio furono al Bavaro e al suo antipapa e a’loro seguaci grande obrobbio e abbominazione, e segni di loro rovina a abbassamento. 59 Günther Lottes, Damnatio historiae. Über den Versuch einer Befreiung von der Geschichte in der Französischen Revolution, in: Winfried Speitkamp (Hg.), Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik, Göttingen 1997, S. 22–48.
Das Innozenzianische Schisma aus kurialer Perspektive Jochen Johrendt „Dieser ist im Streit am selben Tag zusammen mit Pietro Pierleoni gewählt worden, dem Kardinalpresbyter von S. Calisto, im Jahre 1130, an den 16. Kalenden des März; daraus entstand in der Stadt eine große Zwietracht.“1 So lässt Boso seine Darstellung zu Papst Innozenz II. im Liber Pontificalis nach dem üblichen einleitenden Satz zu Herkunft und Pontifikatsdauer beginnen. Die genaueren Umstände der Wahl schildert er – anders als bei Alexander III. und Viktor IV. – nicht: Inthronisation oder Immantation werden nicht erwähnt2. Boso hält im Folgenden lediglich fest, dass die melior et sanior pars der Papstwähler Innozenz II. angehangen habe, die er dann auch gleich namentlich auflistet. Über die Wähler Anaklets II. erfährt man hingegen nichts3. Zugleich lokalisiert Boso den Konflikt, der 1 Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, Cyrille Vogel, 3 Bde., Paris 1886–1957 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, Ser. 2), hier Bd. 2, S. 379 Z. 28–S. 380 Z. 1. 2 Beide Elemente stellt er für den vorhergehenden Pontifikat noch deutlich heraus, denn damals hatte der zu Papst Cölestin (II.) erhobene Tebaldo nach seiner Abdankung zugunsten Honorius’ II. post septem dies in conspectu fratrum sponte mitram et mantum refutavit atque deposuit, Liber pontificalis (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 379 Z. 11f. Zu Boso als Historiographen vgl. Odilo Engels, Kardinal Boso als Geschichtsschreiber, in: Georg Schwaiger (Hg.), Konzil und Papst. Festgabe für Hermann Tüchle, München u. a. 1975, S. 147–168, Wiederabdruck in: Odilo Engels, Stauferstudien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert. Festgabe zu seinem sechzigsten Geburtstag, hg. v. Erich Meuthen, Stephan Weinfurter, Sigmaringen 21996, S. 203–224, hier S. 209f.; zu Bosos Darstellungsweise vgl. Peter Munz, Papst Alexander III. Geschichte und Mythos bei Boso, in: Saeculum 41 (1990), S. 115–129; zu Boso und seiner Fortsetzung des Liber Pontificalis vgl. Harald Zimmermann, Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der Historiographie, Stuttgart 1981, S. 135f., 146–149. Sowie allgemein zum Liber Pontificalis vgl. Art. Liber pontificalis, in: Repfont 7 (1997), S. 657–661. 3 Zum Ablauf der Wahl am 14. Februar 1130 vgl. Richard Zöpffel, Die Papstwahlen und die mit ihnen im nächsten Zusammenhange stehenden Ceremonien in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 14. Jahrhundert. Nebst einer Beilage: Die Doppelwahl des Jahres 1130, Göttingen 1871, S. 332–395; Engelbert Mühlbacher, Die streitige Papstwahl des Jahres 1130, Innsbruck 1876, S. 96–117; Pier Fausto Palumbo, Lo scisma del MCXXX. I�������� precedenti, la vicenda Romana e le ripercussioni Europee della lotta tra Anacleto e Innocenzo II
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nach seinen Worten in urbe ausgebrochen und auf diese beschränkt ist – andere Obödienzen Anaklets II. werden von Boso nicht erwähnt, weder Mailand noch Aquitanien, und zu Unteritalien heißt es lediglich, dass Roger Petrum heresiarcham (Anaklet II.) errore suo favebat et defensabat4. Die Obödienz Anaklets II. wird von Boso auf die urbs begrenzt. Dazu fügt sich seine weitere Darstellung der Handlungen der beiden Protagonisten: Anaklet II. plündert St. Peter im Vatikan sowie S. Maria Maggiore und weitere namentlich nicht genannte Kirchen Roms, um mit dem auf diese Weise zusammengerafften Geld die Römer hinter sich zu bringen, was ihm auch gelingt5. Innozenz II. hingegen – weil niemand ohne Lebensgefahr zu ihm gelangen kann – beschließt aus Sorge um das Wohlergehen anderer in selbstloser Weise, die Stadt zu verlassen. Er reist nach Pisa, hält Konzile ab, von denen Boso mehrere aufzählt, trifft mit Lothar III., Ludwig von Frankreich und Heinrich von England persönlich zusammen, schlichtet Streit zwischen den lombardischen Städten, erhebt Genua zum Erzbistum und so weiter. Mit anderen Worten: Fast die gesamte christianitas gehört nach Boso zur Obödienz Innozenz’ II., während Anaklet II. die Stadt Rom vorbehalten ist: dem einen der orbis, dem anderen die urbs. Das war die von Boso in der Rückschau zusammengestellte Perspektive der Kurie auf Ausbruch und Verlauf des Innozenzianischen Schismas. Und diese Perspektive deckt sich mit der Vorgehensweise Innozenz’ II., um seine Obödienz aufzubauen und zu vergrößern. Denn das Ende des Schismas ist in Bosos Darstellung auch die Zusammenführung beider, von Stadt und Erdkreis, nach dem Tod Anaklets II.: „Dann bekehrte sich die gesamte Stadt zu Innozenz, sowohl als Hirten als auch als Bischof ihrer Seelen.“6 Als urbs und orbis wieder unter einer Obödienz vereint sind, ist das Schisma für Boso beendet. Stadt und Erdkreis gehören für die universale Autorität zusammen. Doch die Zusammenführung beider war nicht so einfach, und das eine musste sich nicht unbedingt aus dem anderen ergeben. Das hatte Boso auch selbst erfahren müssen, als die Stadt Rom Alexander III. den Einzug in seine Bischofsstadt nach dem pactum mit Friedrich Barbarossa verwehrt hatte. Und diese Haltung behielt Rom auch nach der in Venedig col regesto degli atti di Anacleto II, Rom 1942 (Miscellanea della deputazione Romana di storia patria, 13), S. 171–212; Franz-Josef Schmale, Studien zum Schisma des Jahres 1130, Köln, Graz 1961 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 2), S. 145–161. 4 Liber pontificalis (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 383 Z. 1f. 5 Ebd., S. 380 Z. 20–22: Ad alias preterea Urbis ecclesias manus extendens, quicquid in eis pretiosum invenit similiter rapuit et asportavit. Talibus ergo ac tantis mervibus inique ditatus, maiorem venalis urbis partem emere studuit, corrumpens maiores et minores opprimens. 6 Ebd., S. 383 Z. 14f.: Tunc universa civitas conversa est ad Innocentium tamquam ad pastorem et episcopum animarum suarum.
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öffentlich inszenierten Anerkennung Alexanders III. durch Friedrich Barbarossa bei. Man möchte fast sagen: der orbis machte nicht unbedingt einen besonderen Eindruck auf die urbs7. Die von Boso für das Innozenzianische Schisma vorgenommene Aufteilung der christianitas in einen idealisierten fidelis orbis und eine infidelis urbs macht dieses Schisma geradezu zu einem Idealfall, um danach zu fragen, ob es in katalytischer Weise zu einer Ausweitung der universalen päpstlichen Autorität geführt hat, da von Seiten Innozenz’ II. der orbis gleichsam die urbs kompensieren musste. Oder anders ausgedrückt: Zwang der Rauswurf aus Rom Innozenz II. zur Steigerung der Universalität, da die lokalen Bezüge aufgegeben werden mussten und ein Legitimationsdefizit zu kompensieren war? Man sollte die Bedeutung Roms für das Papsttum nicht unterschätzen – vor allem nicht, wenn Rom einem Gegenpapst zur Verfügung stand und damit die Wirkkraft Petri und alles, was damit zusammenhing. Das beginnt bei der Bedeutung Roms für die zeremonielle Erhebung des Papstes. Doch ebenso ist Rom für die Pallien wichtig, die Innozenz II. allem Anschein nach fehlten. Denn Pallien, die letztlich als Sekundärreliquie die Wirkkraft Petri an die Metropoliten weitergaben, konnte man ausschließlich in Rom erhalten, sofern sie mit dem Grab Petri in Kontakt gekommen waren8. 7 Vgl. dazu nun grundlegend Jürgen Petersohn, Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit, Hannover 2010 (MGH Schr., 62), S. 225–306. 8 Vgl. dazu Jochen Johrendt, Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von St. Peter im Vatikan (11.–13. Jahrhundert), Berlin, New York 2011 (Bibliothek des DHI in Rom, 122), S. 302–309. Zu den Sekundärreliquien vgl. am Beispiel von Tüchern, die in der Spätantike auf das Grab Petri herabgelassen wurden, Peter Brown, Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991, S. 88f.; sowie Alan Thacker, Rome of martyrs: Saints, cults and relics, fourth to seventh centuries, in: Éamonn Ó Carragáin, Carol Neuman de Vegvar (Hg.), Roma felix. Formation and reflections of medieval Rome, Aldershot u. a. 2008 (Church, faith, and culture in the Medieval West), S. 13–49, hier S. 46f.; und allgemein Arnold Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1994, S. 155–158. Zur rechtlichen Bedeutung des Palliums vgl. vor allem Rainer Murauer, Papst, Metropolit, Bischof um 1200. Zur Verzögerung der Weihe des Elekten Heinrich von Straßburg, in: RHMitt 43 (2001), S. 257–310, hier S. 274–280. Paschalis II. machte den Empfang des Palliums zur Voraussetzung für die Weihegewalt des Metropoliten sowie dessen Kompetenz, Provinzialsynoden einberufen zu können, vgl. die Regelung Paschalis’ II. im Liber Extra, X 1.6.4, Corpus Iuris Canonici, ed. Aemilius Friedberg, 2 Bde., Leipzig 1879–1881 (ND Graz 1959), hier Bd. 2, Sp. 49. Zum Pallium als Mittel der Zentralisation der Kirche auf Rom während der papstgeschichtlichen Wende vgl. Matthias Schrör, Metropolitangewalt und papstgeschichtliche Wende, Husum 2009 (Historische Studien, 494), S. 39–44, 76–80, 140–143, 199–204. Zu Entwicklung und Gestalt des Palliums vgl. Josef Braun, Die liturgische Gewandung im Occident und Orient. Nach
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Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen möchte ich nach den Legitimationsstrategien der beiden Päpste, deren Wahrnehmung und Folgen fragen. In einem zweiten Schritt werde ich dann die bereits gut erforschten Wege zum Aufbau und zur Ausweitung der Obödienz knapp darstellen sowie in Verbindung damit nach den Folgen des Schismas für die weitere kirchliche Entwicklung fragen. Der konkrete Ablauf der Doppelwahl und seine Hintergründe sollen hingegen nicht weiter berührt werden9.
I. Legitimationsstrategien Die Legitimationsstrategien sind für das Innozenzianische Schisma gut erarbeitet worden. Beide Päpste erstellten Wahlanzeigen und sandten sie an unterschiedliche Empfänger, darunter der zukünftige Kaiser Lothar III. sowie die Könige Europas und natürlich die kirchlichen Würdenträger10. Authentisch lassen sich die unterschiedlichen Legitimationsstrategien der beiden Kandidaten am besten in ihren eigenen Dokumenten, ihren Briefen und Urkunden fassen. Die Argumente, welche die Kandidaten in ihren Schreiben gegen den Gegner anführen, besitzen Ursprung und Entwicklung, Verwendung und Symbolik, Freiburg/Br. 1907 (ND Darmstadt 1964), S. 620–664, mit Abbildungen der Entwicklung des Palliums in seiner konkreten Gestalt ebd., S. 649. Zur Verleihung der Pallien vgl. Curt-Bogislav Graf von Hacke, Die Palliumverleihungen bis 1143. Eine����������������������������������������������� diplomatisch-historische Untersuchung, Göttingen 1898; José Marti Bonet, Roma y las Iglesias particulares en la concesión del palio a los obispos y arzobispos de Occidente. Año 513–1143, Barcelona 1976 (Colectanea San Paciano, 21); vgl. auch die noch unveröffentlichte Dissertation von Stephan A. Schoenig, The papacy and the use and understanding of the pallium from the Carolingians to the early twelfth century, [Columbia University] 2009. 9 Zur Rekonstruktion des faktischen Ablaufes dürfte der in Anm. 3 genannten Literatur wenig hinzuzufügen sein, weshalb hier auf eine breitere Darstellung verzichtet werden kann. Da es im weiteren Verlauf jedoch immer wieder auch um die Wechselwirkungen von Rom und Erdkreis gehen wird, scheint es mir an dieser Stelle wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Sicht der älteren Forschung, die das Schisma als den Ausfluss des Ringens zwischen Pierleoni und Frangipane sah und damit als das Resultat stadtrömischer Spannungen, überholt ist, zur älteren Forschung vgl. die Darstellung bei Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 1–12. 10 Vgl. zu diesen Wahlschreiben Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 1–40; FranzJosef Schmale, Die Bemühungen Innozenz’ II. um seine Anerkennung in Deutschland, in: ZKG 65 (1953/54), S. 240–269; zu den Wahlanzeigen im Kontext der vorhergegangenen päpstlichen Wahlanzeigen vgl. Felix Gutmann, Die Wahlanzeigen der Päpste bis zum Ende der avignonesischen Zeit, Marburg 1931 (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II, 3), S. 36–47.
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nur bedingt Glaubwürdigkeit. Sie sind oft genug nichts anderes als Verleumdungen. Es ist daher angebracht, auf die Argumente zu achten, welche nach Meinung der Kandidaten den Empfänger ihrer Schreiben für sie einnehmen könnten – und das meint in erster Linie, welche Argumente für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung sprechen, was im Folgenden anhand der Schreiben an den Hof Lothars III. dargelegt werden soll. Vier Tage nach seiner Wahl und sechs Tage vor Anaklet II. schrieb Innozenz II., der sich hier noch Gregorius, quondam S. Angeli cardinalis, nunc autem, Deo disponente, in pontificem Romanum electus, nannte, zusammen mit vier Kardinalbischöfen an Lothar III.11 Innozenz II. erwähnte die Doppelwahl mit keinem Wort. Das gilt auch für das Parallelschreiben an Klerus und Gläubige im Reich, das ebenso von Kardinalpriester Gerhard von S. Croce überbracht werden sollte12. Das Schreiben an Lothar ist nicht als Wahlanzeige im klassischen Sinne aufzufassen, da es die Umstände der Wahl nicht nennt: die sonst formulierte unanimitas der Wähler – das Ideal jeder kirchlichen Wahl13 – sowie jegliche Anspielung auf die Unwürdigkeit der eigenen Person (immeritus o. ä.) fehlen14. Legitimation will Innozenz in diesem Brief nicht durch Argumente herstellen, sondern via factis. 11 RI IV/1, Nr. 218, ed. Migne, PL 179, Sp. 53 Nr. 1, dort auch die Zusammenstellung der neueren Literatur zur Frage, ob es sich bei diesem Schreiben um eine Fälschung handelt, wie Schmale, Bemühungen (wie Anm. 10), S. 244–268; Ders., Studien (wie Anm. 3), S. 200, 296, 300, einst meinte. Das Schreiben ist keine Fälschung, vgl. v. a. Luigi Pellegrini, Osservazioni sulle fonti per la duplice elezione papale del 1130, in: Aevum 39 (1965), S. 45–65, bes. S. 47f., 52. 12 RI IV/1, Nr. 219, ed. Migne, PL 179, Sp. 53f. Nr. 2. Zu beiden Schreiben vgl. auch Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 117f. 13 Vgl. dazu Werner Maleczek, Abstimmungsarten. Wie kommt man zu einem vernünftigen Wahlergebnis?, in: Reinhard Schneider, Harald Zimmermann (Hg.), Wahlen und Wählen im Mittelalter, Sigmaringen 1990 (VuF, 37), S. 79–134, hier S. 81f. 14 Angesichts der Fülle an Informationen, die das Schreiben bietet, ist dessen Kürze mehr als erstaunlich. Es handelt sich ja nicht nur um eine Wahlanzeige, sondern zugleich um die Aufforderung Lothars III. zum Romzug. Der Bescheidenheitsgestus in den Wahlanzeigen hat eine lange Tradition. Urban II. führt aus, dass die Wähler mihi omnium indignissmo contra omne votum et desiderium, Deus scit, et plurimum renitenti regimen sedis apostolicae commisere, et omnium tam praesentium quam et absentium praedictorum fidelium consensu me eligentes, […] imposuerunt, JL 5350, ed. Migne, PL 151, Sp. 283f. Nr. 1. Weniger stark seine Weigerung und Unwürdigkeit betonend teilt Paschalis II. nach seiner Erhebung Abt Hugo von Cluny in knappen Worten mit: die vero post eius [i. e. Urban II.] transitum XVI nos, licet indigni, totius cleri et catholici populi assensu in eius locum suffecti sumus, JL 5807, ed. Migne, PL 163, Sp. 31 Nr. 1. Trotz aller Kürze beschreibt sich Paschalis II. als indignus und betont die Zustimmung von Klerus und Volk zu seiner Wahl, die Wahlanzeige Calixts II. entspricht in etwa derjenigen Paschalis’ II. (= JL 6682, ed. Migne, PL 163, Sp.
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Man möchte fast sagen, in der Art eines abgebrühten Realpolitikers, der sich an die Maxime do ut des hält, bietet er Lothar III. umgehend die Kaiserkrone an, die nicht explizierte Gegenleistung ist die Anerkennung der Legitimität Innozenz’ II. Am 11. Mai 1130 gestaltet Innozenz II. sein zweites Schreiben an Lothar III. regelkonformer und versucht, Argumente nachzuschieben – offensichtlich eine Reaktion auf ein Schreiben Anaklets II.15 Nun finden sich die zuvor vermissten Elemente: „obwohl ich nicht würdig war, haben mich die Kardinäle – wenngleich gegen meinen Willen und Widerstand – einmütig zum römischen Bischof gewählt“16: non dignus, invitum, renitentem und unanimiter. Das war die zu erwartende Ausdrucksform. Zudem beteuerte er, dass er zuvor keinerlei Ambitionen auf das päpstliche Amt gehabt habe. Argumentativ bringen diese und auch die weiteren Schreiben an Lothar III. sowie die geistlichen und weltlichen Großen des Reiches nichts, was darüber hinausgeht17. Es ist die Feststellung der persönlichen Eignung sowie die Berufung auf die unanimiter erfolgte Wahl durch die Kardinäle. Auch in der Konfrontation mit den Gegenargumenten der Anakletianer vermehrten sich die auf den Wahlakt ausgerichteten Argumente zur Legitimierung Innozenz’ II. nicht. Daher setzt die Legitimationsstrategie dieses Papstes auch weniger auf die anfechtbare Rechtmäßigkeit der eigenen Wahl in allen ihren Teilen18, sondern bemüht sich um eine Gewinnung des orbis durch konkretes Handeln oder Handlungsangebote und konzentriert sich ansonsten auf die Delegitimation des Gegners – worin ihm die Anakletianer jedoch nicht nachstanden19. 1093 Nr. 1); vgl. dazu insgesamt auch Gutmann, Wahlanzeigen (wie Anm. 10), S. 32–36. Eine Wahlanzeige Honorius’ II. ist nicht erhalten. 15 RI IV/1, Nr. 230 (= JL 7411), ed. Migne, PL 179, Sp. 55f. Nr. 4. 16 Migne, PL 179, Sp. 55f. Nr. 4, hier Sp. 55B: quod ego dignus non fui, episcopi et Catholici cardinales me licet invitum, et renitentem in Romanum pontificem unanimiter elegerunt. Vgl. dazu auch Gutmann, Wahlanzeigen (wie Anm. 10), S. 39f. Gutmann hält dieses Schreiben offenbar für das erste Schreiben Innozenz’ II. an Lothar III. 17 Bereits am 20. Juni, also fünf Wochen nach dem Schreiben vom 11. Mai, wandte sich Innozenz II., wie am 18. Februar, an die geistlichen und weltlichen Großen des Reiches, RI IV/1, Nr. 239, ed. Migne, PL 179, Sp. 56f. Nr. 5, es entspricht zu weiten Teilen dem Schreiben vom 11. Mai. 18 Zu den Wahlen und dem deutlichen Legitimationsdefizit Innozenz’ II. bemerkte bereits Klewitz, „daß von den beiden Wahlhandlungen des Jahres 1130 diejenige, aus der Anaklet hervorging, auch in der Empfindung der Innocentianer die wesentlich einwandfreiere war“, Hans-Walter Klewitz, Das Ende des Reformpapsttums, in: DA 3 (1939), S. 371–412, hier S. 374, Wiederabdruck in: Ders., Reformpapsttum und Kardinalskolleg, Darmstadt 1957, S. 207–259, hier S. 212. 19 Vgl. dazu zusammenfassend Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 120–125.
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Mit der Verbreiterung der innozenzianischen Obödienz griffen die Innozenzianer zu einem neuen Argument, das jedoch nicht rechtlicher Natur war: Die inzwischen weitgehend erfolgte Anerkennung Innozenz’ II. sollte nun als Argument für die Rechtmäßigkeit seines Pontifikates dienen. So schreibt Bernhard von Clairvaux an Erzbischof Hildebert von Tours: „Von der Stadt ist er vertrieben worden, vom Erdkreis wird er aufgenommen“ – Pulsus urbe, ab orbe suscipitur20. Die Anerkennung durch Frankreich, England, Spanien und das Reich gilt Bernhard als Beleg für die Rechtmäßigkeit Innozenz’ II.: „Haben etwa nicht alle Fürsten erkannt, dass er der wahre Erwählte Gottes ist?“ fragt er daher weiter21. Bernhard reduziert die Partei Anaklets II. auf die urbs und fordert deren Überwindung durch das Urteil des orbis. Die legitimierenden Argumente Anaklets II. unterscheiden sich deutlich von denjenigen Innozenz’ II. Am 24. Februar, einen Tag nach der Weihe der beiden Kardinäle zum Bischof von Rom und damit sechs Tage nach Innozenz II., verfasste Anaklet II. zwei Briefe, wohl in Kenntnis dessen, dass Innozenz II. sich bereits an Lothar III. gewandt hatte. Der erste Brief ging an Klerus und Volk im Reich. Ein Demutstopos ist auch bei Anaklet II. nicht zu finden, doch er berichtet von Anfang an von der Wahl, bei der Kardinäle sowie Volk und Klerus von Rom ihn in erstaunlicher Einmütigkeit (mira et stupenda concordia) zum Papst erhoben hätten. Anschließen sei er unter dem Zulauf des Volkes nach St. Peter geführt und dort auf die Kathedra Petri gesetzt worden22. Anaklet II. betonte damit also nicht nur die unanimitas der berechtigten Wähler, der Kardinäle, sondern auch deren Übereinstimmung mit Klerus und Volk von Rom. Zudem berichtete er von seiner Inthronisation in St. Peter. Innozenz II. wird nicht beim Namen genannt. Anaklet II. warnte die Empfänger seiner Schreiben jedoch davor, etwas anderes zu glauben als das, was er ihnen berichtet habe, da sie nun wüssten, dass seine Wahl 20 Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, ed. Gerhard B. Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990–1998, hier Bd. 2, ep. 124 S. 850–855, hier S. 852 Z. 9. 21 Bernhard von Clairvaux, ed. Winkler (wie Anm. 20), Bd. 2, ep. 124 S. 850–855, hier S. 852 Z. 12–15. In ep. 126 listet Bernhard nicht nur die Bischöfe, Könige und Glaubenskongregationen auf, die Innozenz II. anerkannt hätten, sondern führt aus, dass der Brief leider nicht ausreiche, um alle zu nennen. Die Masse der Anerkennung wird damit zum Argument der Richtigkeit erhoben, ebd. S. 858–879, hier S. 872–874 c. 9–11. 22 RI IV/1, Nr. 220, ed. Migne, PL 179, Sp. 689–691, hier 691A: […] fratres nostri cardinales pastoris solatio destituti, mira et stupenda cleri et populi concordia ad summum nos apicem pontificatus elegerunt. Quanta tunc honorificentia, quanto populi concursu, quanta cunctorum laetitia ad beati Petri apostolorum principis basilicam deducti atque in sacratissima eius cathedra fuerimus positi […].
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in der dargelegten Ordnung abgelaufen sei23. Anaklet II. standen aufgrund der Abläufe in Rom mehr Argumente zur Verfügung, um seine Legitimität darzulegen – und er nutzt sie auch: Die Zustimmung durch Klerus und Volk sowie die Inthronisation in St. Peter konnte Innozenz II. nicht für sich ins Feld führen24. Immer wieder betont Anaklet II., dass seine Wahl in Übereinstimmung mit clero ac populo vollzogen worden war25. Um diese unanimitas zu dokumentieren, wandten sich in etwa zeitgleich zum Schreiben Anaklets II. an Lothar III. vom 15. Mai auch die anakletianischen Kardinäle zusammen mit dem römischen Klerus an den römisch-deutschen König26 sowie der Stadtpräfekt Hugo mit herausragenden Vertretern des römischen Adels27. Beide betonen die Einmütigkeit der Wahl durch die Kardinäle und die concordia von clerus et populus zu dieser Wahl. Die Zustimmung von Klerus und Volk war bereits im Papstwahldekret Nikolaus’ II. vorgesehen, in dem es heißt, dass nach der Wahl durch die Kardinäle reliquus clerus et populus ad
23 Migne, PL 179, Sp. 689–691, hier 691B: falsum tamen, quidquid praeter id quod diximus delatum fuerit, habeatis; cum noveritis electionem nostram hoc ordine celebratam. 24 Vgl. dazu auch Nikolaus Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. Zur Beziehung zwischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht und Liturgie im christlichen Verständnis von Wort und Wirklichkeit, Bonn 1978 (Bonner Historische Forschungen, 41), S. 265–268. Im Schreiben an einen unbekannten Bischof berichtet Anaklet II. sogar von seiner Krönungsprozession entlang der via sacra, vgl. Migne, PL 179, Sp. 704f. Nr. 15 (= JL 8385); erstaunlich ist jedoch, dass Anaklet weder diese noch die Inthronisation im Schreiben an Lothar III. und Richenza anführt, vgl. RI IV/1, Nr. 221, ed. Migne, PL 179, Sp. 691f. Nr. 2. 25 Bei Migne sind 11 Urkunden für das Jahr 1130 zusammengestellt, in denen Anaklet II. seine Wahl durch Volk und Klerus betont, so in Migne, PL 179, Sp. 691A Nr. 1, Sp. 697A Nr. 6, Sp. 699D Nr. 9, Sp. 701B Nr. 10, Sp. 702D Nr. 12, Sp. 703C Nr. 13, Sp. 704D Nr. 15, Sp. 706A Nr. 17, Sp. 710D Nr. 21, Sp. 712C Nr. 29, Sp. 714A Nr. 34. Auch in seinem Schreiben vom 15. Mai weist Anaklet II. Lothar III. gegenüber auf das Einvernehmen mit den Kardinälen und dem römischen Klerus hin, RI IV/1, Nr. 232, ed. Migne, PL 179, Sp. 706f. Nr. 18, hier Sp. 707B: Fratres nostri cardinales et episcopi, et clerus Romanus individua nobis charitate cohaerent. Davon abgesetzt betont Anaklet II. auch die Unterstützung durch den Adel, der zum Teil namentlich genannt wird, sowie das gesamte römische Volk. 26 RI IV/1, Nr. 234, Pontificum Romanorum vitae, ed. Johann Matthias Watterich, 2 Bde., Leipzig 1862, hier Bd. 2, S. 185–187, die Argumente zur Legitimität Anaklets II. auf S. 186. 27 RI IV/1, Nr. 235, Caesare Baronio, Annales ecclesiastici, Bd. 18: 1046–1093, Lucca 1745, S. 438f. c. 24–26, hier S. 439: Der Erhebungsakt wird beschrieben als: Nos siquidem post […] unanimi et spontanea omnium Cardinalium voluntate et concordi electione clericorum omnium dominum Papam Anacletum […] devotione suscepimus und ferner: In cuius utique promotione tantam cleri et populi concordiam vidimus.
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consensum nove electionis accedant28. Die argumentative Legitimation Anaklets II. stützte sich damit auf die zentrale Richtlinie für die Papstwahl und betont deren Einhaltung. Anaklet II. stellte nicht nur fest, dass seine Wahl kanonisch verlaufen sei – wie dies auch Innozenz II. tat –, sondern von Anfang an begründet er diese Rechtmäßigkeit durch die Nennung von für die Wahl konstitutiven Schritten, die vollzogen wurden. Anaklet konzentriert sich damit auf die Ereignisse in der urbs, die (zunächst) nicht nur wegen der Verbreitung seiner Obödienz die Grundlage seines Pontifikates darstellte, sondern auch in seinen Argumenten. Zur Delegitimation Anaklets II. führt Innozenz II. an, dass Anaklet II. die Kathedra Petri schon lange vor seiner Erhebung angestrebt und sein Ziel vor allem durch die gewaltsame und bluttriefende Unterstützung seiner Verwandten erhalten habe. Schließlich werden die Vorwürfe immer abstruser, denn Anaklet II. soll nicht nur Kirchen beraubt, sondern zudem Pilger in St. Peter gefangen und in Ketten gelegt, durch Hunger und Durst gefoltert, ja sogar gekreuzigt haben29. Der Vorwurf, Anaklet habe an den limina Apostolorum friedlich betende Pilger gekreuzigt, ist so abstrus, dass seine Haltlosigkeit keiner näheren Begründung bedarf. Doch der Dreiklang „lange geplant – Anwendung von Gewalt – Einsatz von Geldmitteln“ ist letztlich der rote Faden in der Delegitimationsstrategie gegenüber Anaklet II.30 Die Vorwürfe, dass Anaklet II. aus einer jüdischen Familie stamme und dass es „eine Schmach Christi sei, dass ein jüdischer Spross den Stuhl des heiligen Petrus innehabe“31, wie Bernhard von Clairvaux an Lothar III. schrieb, sind eher Ausnahmen. Von Seiten der Anakletianer wird die Wahl Innozenz’ II. vor 28 Detlev Jasper, Das Papstwahldekret von 1059, Sigmaringen 1986 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 2), S. 102 Z. 55–57. Auch in allen Kurzfassungen, S. 121 Z. 16f., S. 124 Z. 1f. In der verfälschten Fassung fehlt dieser Passus. 29 RI IV/1, Nr. 230, ed. Migne, PL 179, Sp. 55f. Nr. 4., hier Sp. 55C: Postmodo Petrus Leonis, qui papatum a longis retro temporibus affectaverat, parentum violentia, sanguinis effusione, decrostatione sanctarum imaginum B. Petri cathedram occupavit, et peregrinos ac religiosos quosque, ad apostolorum limina devotionis causa venientes, captos et tetris carcerum squaloribus ac ferreis vinculis mancipatos, fame, siti diversisque tormentorum generibus cruciare non desinit. 30 Gewalt und Geld, vis et pecunia, werden auch in der Vita des Petrus Venerabilis, lib. II c. 16, als die Gründe für den Erfolg Anaklets II. in Rom angeführt: Divisa erat, immo discissa, Romana prius, dehinc tota Latina Ecclesia, et primo ex magna parte, vi et pecunia intrusum Leonis filium sequebatur, S. Petri Venerabilis abbatis Cluniacensis Vita ex chronico Cluniacensi, de miraculo, in: Bibliotheca Cluniacensis, ed. Martin Marrier, Paris 1614, Sp. 589–1420, hier Sp. 1315A. 31 Bernhard von Clairvaux an Lothar, in: Bernhard von Clairvaux, ed. Winkler (wie Anm. 20), Bd. 2, ep. 139 S. 910–913, hier S. 910f.: Ut enim constat Iudaicam sobolem sedem Petri in Christi occupasse iniuriam, vgl. dazu auch Mary Stroll, The jewish pope. Ideology
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allem als ein Komplott Haimerichs dargestellt, der dann auch gleich mit ein paar saftigen Epitheta gekennzeichnet wird32. Zum normalen Umgangston der beiden Kontrahenten gehörte es, wenn die Parteigänger des Gegners als falsi fratres, filii Belial, filii pestilentiae, filii agar […] bezeichnet werden33. Und auch in fiktiven Briefen wird dieser Ton beibehalten, wie etwa in einem angeblichen Schreiben Lothars III. an Innozenz II. aus einer lombardischen Briefsammlung, die argumentativ wenig bietet, dafür etliche Dämonisierungen und Beschimpfungen der Partei Anaklets II. liefert34. Den Schreiben der beiden Päpste kann man für die Legitimation der eigenen Position nicht viel mehr als das Dargestellte entnehmen. Doch es gibt noch weitere Quellen, die uns zur Verfügung stehen und einen Zugang zum Selbstverständnis und den Legitimationsstrategien Anaklets II. bieten können. Im Lateranpalast konnte man bis zum Einzug Innozenz’ II. sehen, dass sich Anaklet II. als legitimen Nachfolger Calixts II. und der anderen Reformpäpste verstand. Dazu ließ Anaklet II. die Apsis der Nikolauskapelle im Lateranpalast ausmalen. Die Kapelle gehört zu den Gebäudeteilen, die noch Calixt II. errichten ließ, doch die bildli-
and politics in the papal schism of 1130, Leiden u. a. 1987 (Brill’s studies in intellectual history, 8), S. 166, zu Bernhard insgesamt S. 164–167. 32 So etwa Anaklet II. in seinem Brief an die Cluniazenser, JL 8376, ed. Migne, PL 179, Sp. 696–698 Nr. 6, hier Sp. 697B. 33 JL 8376, ed. Migne, PL 179, Sp. 696–698 Nr. 6, hier Sp. 697A. Auch der Vorwurf des Kirchenraubs wird von Anaklet an die Innozenzianische Partei zurückgegeben, als er Petrus von S. Anastasia beschuldigt, den Kirchenschatz von Cluny geraubt zu haben, so in Migne, PL 179, Sp. 697B (= JL 8376), vgl. dazu auch Werner Maleczek, Das Kardinalskollegium unter Innozenz II. und Anaklet II., in: AHP 19 (1981), S. 27–78, hier S. 37. 34 So dankt Lothar III. Gott, qui vos [i. e. Innozenz II.] in beati Petri, principis Apostolorum, cathedra colocavit, qui turrim dedit contra daemonas cum indissolubili cemento, vos contra perfidam haereticorum erexit, per quem omni scandala iniquitatis de gremio ecclesiae matris exterminabit et idolum Moloch, in templo Dei errectum, sub pedibus per vos potenter conculcabit et zizania, que pullulare coeperunt, radicitus extirpabit, regnum et sacerdotium perpetua pace ligabit et filios suos, terrore sceleratissimi iam praefati symoniaci dispersos, congregabit et in unitate fidei consolidabit, Vitae, ed. in der Onlineedition durch Heinz-Jürgen Beyer bei http://www.uni-saarland.de/verwalt/praesidial/LuSt/Lomb/Lo.html (Zugriff 10.02.2012) als Brief Nr. 2, bisheriger Druck bei Watterich (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 219, vgl. dazu RI IV/1, Nr. †270. Der Brief dürfte kurz nach dem 24. April entstanden sein, so Heinz-Jürgen Beyer, Der Papst kommt … Science & Fiction in der Lombardei (1132), in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München, 16.–19. September 1986, 5 Bde., Hannover 1988 (MGH Schr., 33,1–5), hier Bd. 5, S. 39–62, hier S. 53f.
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che Ausgestaltung der Apsis erfolgte erst durch Anaklet II.35 Das Fresko ist heute – wie fast der gesamte Lateranpalast – nicht mehr vorhanden36. Was wir noch haben, ist ein Stich von 163837. Im Zentrum der Darstellung steht Maria mit dem Christuskind auf dem Thron. Die Vorlage für diese Maria Regina scheint eine Ikone Johannes’ VII. (705–707) gewesen zu sein, die sich in S. Maria in Trastevere befand, der ehemaligen Titelkirche Anaklets II.38 Neben Maria stehend ist vom Betrachter aus gesehen auf der linken Seite der heilige Silvester auszumachen und rechts der heilige Anastasius, zwei Päpste. Zu den beiden knienden Personen kommen wir gleich noch. Werfen wir zunächst einen Blick auf die darunter liegende Ebene: In der Mitte ist zentral der heilige Nikolaus dargestellt, links und rechts von ihm Leo der Große und Gregor der Große. Die drei jeweils links und rechts der päpstlichen Kirchenväter dargestellten Personen sind ebenfalls Päpste – sämtlich Reformpäpste, weswegen die Apsisausmalung auch als Apotheose der Investiturstreitpäpste bezeichnet worden ist. Auf der vom Betrachter aus gesehenen linken Seite sieht man in der Reihenfolge von rechts nach links, also auch chronologisch vom Kirchenvater nach außen fortschreitend, Urban II., Paschalis II. und Gelasius II. Auf der rechten Seite sieht man von links nach rechts in demselben Anordnungsprinzip Alexander II., Gregor VII. und Viktor III. Die darüber dargestellten Personen sind gleichsam als die Erben dieser Tradition zu betrachten. Das gilt auch für die Person, die in der Zeichnung als Anastasius pp IIII bezeichnet ist. Doch die Inschrift lautete – wie schon Duchesne deutlich machte – ursprünglich auf Anaklet II. und ist erst nach dem Einzug Innozenz’ II. in den Lateranpalast in Anastasius umgewandelt worden, von Papst Anastasius IV. 1153/54 dann in Anastasius IIII. Kurzum, wo heute Anastasius IV. draufsteht, ist in Wirklichkeit Anaklet II. drin, das gilt auch für den heiligen Anastasius, der ursprünglich der hei35 Zur Baugeschichte vgl. die zusammenfassenden Bemerkungen bei Ingo Herklotz, Die Beratungsräume Calixtus II. im Lateranpalast und ihre Fresken. Kunst und Propaganda am Ende des Investiturstreits, in: ZK 52 (1989), S. 145–214, hier S. 212f. 36 Vgl. dazu Mary Stroll, Symbols as power. The Papacy following the Investiture Contest, Leiden u. a. 1991 (Brill’s studies in intellectual history, 24), S. 132–149; Dies., Jewish pope (wie Anm. 31), S. 15–18. 37 Dieser Stich geht wiederum zurück auf eine verlorengegangene Zeichnung, aus der auch die Umschrift überliefert ist, so Liber pontificalis (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 325f.; eine qualitativ gute Abbildung findet sich bei Bernhard Schimmelpfennig, Heilige Päpste – päpstliche Kanonisationspolitik, in: Jürgen Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, Sigmaringen 1994 (VuF, 42), S. 73–100, hier S. 89. 38 So Herklotz, Beratungsräume (wie Anm. 35), S. 213; Schimmelpfennig, Heilige Päpste (wie Anm. 37), S. 88; Stroll, Symbols (wie Anm. 36), S. 139–141.
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lige Anaklet war39. Abgesehen von Maria mit Christus sowie dem heiligen Nikolaus, sind somit ausschließlich Päpste dargestellt worden, die zudem alle als sanctus gekennzeichnet sind, weshalb die Apsis als ein Zeugnis für „den gesteigerten Kult päpstlicher Heiligkeit“ gedeutet worden ist40. In diese Aura der Heiligkeit sind zwei Personen kniend am Thron Mariens dargestellt, die nicht als sanctus tituliert wurden und sich durch den rechteckigen Nimbus von den anderen unterscheiden. Es handelt sich dabei um Calixt II., dem Anaklet II. in der Darstellung den eigentlich vornehmeren Platz auf der in heraldischer Perspektive rechten Seite überließ, sowie auf der anderen Seite Anaklet II. selbst. Dass er Calixt II., wie sich selbst, als noch lebend darstellen ließ, hängt wohl damit zusammen, dass die Räumlichkeiten durch Calixt II. errichtet worden waren und Anaklet II. seinen Abschluss damit gleichsam als ein Gemeinschaftswerk beider ansah, man möchte fast sagen ein sympathischer Zug von Bescheidenheit, der nicht jedem seiner Nachfolger beschieden war41. Klar ist auch, dass sich Anaklet II. durch die Gesamtkomposition in eine Linie mit den anderen abgebildeten Päpsten stellen wollte. Man hat immer betont, dass es die Reihe der Päpste des Investiturstreits ist, als deren natürliche Fortsetzung Anaklet II. sich begriff42. Wenn man den Investiturstreit oder sagen wir besser das Reformpapsttum als das zentrale Moment der Komposition sieht, so möchte man aus der Perspektive der heutigen Forschung meinen, dass Anaklet II. besser den mit wenig Erfolg agierenden Viktor III. weggelassen hätte und statt dessen Leo IX. oder gar Nikolaus II. – das wäre ja auch für die Kapelle des heiligen Nikolaus passend gewesen – ausgewählt hätte. Doch es dürfte wohl seinen Grund haben, dass Anaklet II. ausgerechnet diese Päpste, die von Alexander II. bis zu Gelasius II. alle aufeinander folgten, ausgewählt hat, um sich in die Tradition dieser Reihe zu stellen. Nimmt man noch den im oberen Bildbereich dargestellten Calixt II. hinzu, so ergibt sich eine Reihe von Päpsten, die bis zu Anaklet II. reicht – bis auf 39 Vgl. dazu Stroll, Symbols (wie Anm. 36), S. 132–137; zur begleitenden Umschrift, die Anaklet II. nennt, bereits Liber pontificalis (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 325 Anm. 22; ebenso Schimmelpfennig, Heilige Päpste (wie Anm. 37), S. 88, 90. 40 So Herklotz, Beratungsräume (wie Anm. 35), S. 214; vgl. auch Schimmelpfennig, Heilige Päpste (wie Anm. 37), S. 90, der betont, dass keiner der dargestellten Päpste unter Calixt II. kultisch verehrt wurde und das Apsismosaik damit als Ensemble deutet, das als „sichtbares Zeugnis für Tod weiterwirkte.“ 41 Stroll, Symbols (wie Anm. 36), S. 138, deutet die identische Darstellungsweise Calixts II. und Anaklets II. dahingehend, dass Anaklet II. auf diese Weise seine Identifikation mit Calixt II. habe ausdrücken wollen. 42 Vgl. Stroll, Symbols (wie Anm. 36), S. 144; Schimmelpfennig, Heilige Päpste (wie Anm. 37), S. 90.
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eine Lücke. Ausgerechnet der direkte Vorgänger Anaklets II. fehlt. Honorius II. ist nicht dargestellt und unterbricht damit die Reihe der Päpste, die sonst nahtlos von Alexander II. bis zu Anaklet II. gereicht hätte. Wieso sollte Anaklet II. ausgerechnet Honorius in der Darstellung seiner rechtmäßigen Vorgänger auslassen, wenn er eine ungebrochene Tradition darstellen wollte? Ist das Fehlen Honorius’ II. allein der Symmetrie der Darstellung geschuldet? Konnte man sonst Calixt II. nicht auf derselben Ebene darstellen wie Anaklet II.? Ist Honorius II. allein aus bildorganisatorischen und künstlerischen Gründen der Einzug in die Reihe der dargestellten Päpste verwehrt worden43? Man könnte mehrere Gründe anführen, wieso Anaklet II. die Kette der Päpste durch die Weglassung seines direkten Vorgängers unterbrach. Es ist etwa daran zu denken, dass er Honorius II. aus der Reihe entfernte, da er wie Innozenz II. durch denselben ,Papstmacher‘ ins Amt gekommen war: Haimerich, der von Calixt II. ins Kardinalskollegium erhoben worden war und von der anakletianischen Seite immer wieder als der Strippenzieher bei der Wahl Innozenz’ II. dargestellt wurde44. Es wäre auch denkbar, dass Anaklet II. Honorius II. in die Komposition der Päpste, als deren Nachfolger er sich verstand, nicht aufnahm, da die Wahl Honorius’ II. sicherlich nicht kanonisch erfolgt war45. Indem der unkanonisch erhobene Honorius II. nicht aufgenommen wurde, hätte Anaklet II. damit deutlich gemacht, dass er nach seiner Auffassung kanonisch erhoben worden war. Doch auch an der Wahl Calixt’ II., der auf derselben Ebene wie Anaklet II. dargestellt war, hatte es Zweifel gegeben. Auch Calixt II. hatte man vorgeworfen, dass seine Wahl unkanonisch
43 Nichts spricht für eine Abneigung Anaklets II. gegenüber Honorius II. In dessen Privilegien unterzeichnet er mehrfach, vgl. die Zusammenstellung bei Rudolf Hüls, Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms 1049–1130, Tübingen 1977 (Bibliothek des DHI in Rom, 48), S. 190f. In seinen Urkunden nimmt Anaklet II. an drei Stellen explizit Bezug auf Honorius II., auf den er sich in seinen Entscheidungen beruft, oder er führt die Entscheidungen Honorius’ II. zur Bekräftigung seiner eigenen Beschlüsse an, so in Migne, PL 179, Sp. 691f. Nr. 2 (= JL 8371), Sp. 696–698 Nr. 6, Sp. 715 Nr. 37. 44 Zur Rolle Haimerichs vgl. Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 120–125. 45 Ausführlich berichtet über die unkanonische Erhebung Honorius’ II. der Liber Pontificalis aus der Feder Pandulfs, eines späteren Parteigängers Anaklets II., Liber Pontificalis nella recensione di Pietro Guglielmo (OSB) e del card. Pandolfo, glossato da Pietro Bohier (OSB), vescovo di Orvieto, ed. Oldrich Přerovský, 3 Bde., Rom 1978 (SG, 21–23), hier Bd. 2, S. 750–754. Zu den Ereignissen vgl. Gerold Meyer von Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., 7 Bde., Leipzig 1890–1909 ( JDG, 14), hier Bd. 7, S. 312–314; sowie zur unkanonischen Wahl Honorius’ II. Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 63–66, 121f.; Gussone, Thron (wie Anm. 24), S. 264f.
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gewesen war46. Das wusste der bei dieser Wahl als Drahtzieher fungierende Petrus Pierleoni, der spätere Anaklet II., nur zu gut47. Vielleicht ist nicht so sehr danach zu fragen, was Honorius II. ausschloss, sondern was die anderen dargestellten Päpste miteinander verband. Gab es vielmehr eine inhaltliche Gemeinsamkeit, die alle dargestellten Päpste verband, Honorius II. jedoch ausschloss? Wie könnte es bei dem Thema des Bandes auch anders sein: Die dauerhafte und gewaltsame Auseinandersetzung mit Gegenpäpsten ist allen dargestellten Päpsten gemein. Alexander II. musste sich mit Honorius (II.) auseinandersetzen. Gregor VII., Viktor III., Urban II. und anfänglich noch Paschalis II. mussten sich gegen Clemens (III.) behaupten. Paschalis II. erhielt mit Theoderich, Albert und Silvester IV. noch weitere Gegenpäpste. Gelasius II. musste sich gegen Gregor (VIII.) durchsetzen, was auch für Calixt II. zu Beginn von dessen Pontifikat galt48. Mit andern Worten: Anaklet II. stellte sich in eine Reihe von Päpsten, die – nicht immer in einer glücklichen Position – sich einem Gegenpapst gegenüber behaupten mussten, und am Ende über ihren Gegenspieler obsiegten. Zwar hatte auch Honorius II. für wenige Tage einen Gegenpapst, doch Tebaldo, der den Namen Cölestin (II.) angenommen hatte, dankte nach sieben Tagen von sich aus ab, ohne dass es zu einem Schisma gekommen wäre49. Könnte dies nicht der Grund dafür sein, dass Honorius II. fehlte? Interpretiert man das Apsismosaik als eine Darstellung von Päpsten, die sich mit Gegenpäpsten auseinanderzusetzen hatte, so stellt es mehr dar, als allein eine Traditionslinie der vorhergehenden Päpsten – in der Honorius II. nicht hätte fehlen dürfen. Diese Interpretation eines Panoramas von Päpsten, die sich mit Gegenpäpsten auseinandersetzen mussten, liegt insofern auch nahe, als sich die Apsis unweit der Camera pro secretis consiliis befand, in der Calixt II. das Thema 46 Der Hauptvorwurf bestand darin, dass Calixt II. lediglich von einer kleinen Minderheit der Kardinäle erhoben worden war, die Gelasius II. nach Frankreich begleitet hatten, vgl. dazu Beate Schilling, Guido von Vienne – Papst Calixt II., Hannover 1998 (MGH Schr., 45), S. 394–403; Mary Stroll, Calixtus II (1119–1124). A pope born to rule, Leiden u. a. 2004 (Studies in the history of Christian traditions, 116), S. 58–64. 47 Vgl. Schilling, Guido von Vienne (wie Anm. 46), S. 398; Stroll, Calixtus II (wie Anm. 46), S. 65f. 48 Gregor (VIII.) hatte sich noch mit einem Hilferuf gegen Calixt II. an Kaiser Heinrich V. gewandt ( JL 7180), vgl. zur militärischen Unterwerfung Gregors (VIII.) Schilling, Guido von Vienne (wie Anm. 46), S. 467f. 49 Vgl. Martin Bertram, Die Abdankung Papst Cölestins V. (1294) und die Kanonisten, in: ZRGKanAbt 56 (1970), S. 1–101, hier S. 43f.; siehe auch oben bei Anm. 45.
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„Thronen über den Gegenpäpsten“50 hatte darstellen lassen. Dabei wurden, abgesehen von Gelasius II.51, dieselben Päpste dargestellt wie in der Apsis des Nikolausoratoriums durch Anaklet II. Er stellt sich in dieser Perspektive bewusst in die Linie der Päpste, deren Pontifikate bisweilen von heftigen Erschütterungen geprägt waren und die teilweise weder in Rom noch von der päpstlichen Kanzlei gerne zitiert wurden. So wurde die Erinnerung an Gregor VII. in Rom nur widerwillig wach gehalten52 – und auch der einflussreiche Bernhard von Clairvaux, wohl einer der gefährlichsten Gegner Anaklets II., erwähnte diesen Papst in seinem umfangreichen Werk mit keinem Wort53. Doch gerade Gregor VII. gehört in der Perspektive Anaklets II. in die Linie von Pontifikaten, in die er sich durch die Apsisgestaltung stellen will54: Sie sind alle durch Krisen gekennzeichnet, durch teilweise harte und alle auch durch militärische Auseinandersetzungen mit einem Gegenpapst. An bestimmten Punkten ihres Pontifikates sah es für etliche der dargestellten Päpste sogar so aus, als würden sie ihren Gegnern unterliegen. Befand sich Anaklet II. nicht genau in dieser Situation? Zugleich hat das Apsisfresko in dieser Perspektive nichts Resignatives, sondern es zeugt von einer starken Gewissheit Anaklets II., die an Gregor VII. erinnert. Dessen letzte Worte drückten die Heilserwartung Gregors aus und seine Bereitschaft, notfalls auch für die eigene Überzeugung zu sterben55. Gregor VII. 50 So Gerhart Burian Ladner, Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters, Bd. 1: Bis zum Ende des Investiturstreits, Vatikanstadt 1941 (Monumenti di antichità cristiana. Ser. 2, 4), S. 197, zum Zyklus insgesamt ebd., S. 195–201; vgl. auch Herklotz, Beratungsräume (wie Anm. 35); Schimmelpfennig, Heilige Päpste (wie Anm. 37), S. 87f. 51 Vgl. dazu bereits Ladner, Papstbildnisse (wie Anm. 50), S. 198: In einer Kopie der Ausmalung ist auch Gelasius II. dargestellt, was aber wohl nur in Analogie zur Nikolauskapelle erfolgt war. Doch da der Triumph Gelasius’ II. über Gregor (VIII.) ausgeblieben war – er sollte erst Calixt II. gelingen –, ist es in gewisser Weise auch konsequent, dass er in der Camera pro secretis consiliis fehlt. 52 Vgl. Johrendt, Diener (wie Anm. 8), S. 271–273. 53 Vgl. dazu Rudolf Schieffer, Der Investiturstreit im Bilde der Zeit nach 1122, in: Klaus Herbers (Hg.), Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Beiträge zu Ehren von Werner Goez, Stuttgart 2001, S. 248–260, hier S. 254. 54 In seinen Urkunden erwähnt er Gregor VII. hingegen nicht. 55 Die sogenannten letzten Worte Gregors VII. sind überliefert in der sog. Hildesheimer Briefsammlung, Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV., bearb. von Carl Erdmann (†), Norbert Fickermann, Weimar 1950 (MGH Epp. DK, 5), S. 75f. Nr. 35, hier S. 76 Z. 1–3: Ubi vero in extremo positus erat, ultima eius h(e)c verba fuerunt: ‚Dilexi iustitiam et odivi iniquitatem, propterea – morior in exilio.‘ Vgl. grundlegend dazu Paul Egon Hübinger, Die letzten Worte Papst Gregors VII., Opladen 1973 (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G, 185).
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war es auch, der formuliert hatte, dass Verfolgung und Leid ein Wesensmerkmal des päpstlichen Amtes seien56. Und auch hier konnte Anaklet II. anknüpfen. Das Apsisfresko ist damit nicht nur eine Verortung Anaklets II. in der Reihe der Päpste, die mit Gegenpäpsten fertig werden mussten, sondern ebenso eine Verortung unter denen, die ihre Gegenpäpste niedergerungen haben. Damit trifft das Fresko eine Aussage für die Auseinandersetzungen mit Innozenz II.: Auch wenn sich die Waagschale im Kampf mit Innozenz II. im Moment, in dem das Apsisfresko entstand, zugunsten seines Gegners neigte, so war sich Anaklet II. aufgrund seiner Glaubensüberzeugung und – man möchte die Reihe der Päpste geradezu als Veranschaulichung der Devise historia docet – vielleicht auch eines historischen Lernprozesses sicher, am Ende zu obsiegen. Der in der Apsis gleichsam prospektivisch dargestellte Sieg Anaklets II. über Innozenz II. trat nicht ein, wohl vor allem aufgrund des gezielteren und erfolgreicheren Auf- und Ausbaus der eigenen Obödienz durch Innozenz II.
II. Obödienzauf- und -ausbau sowie Folgen des Schismas Die Wege und Mittel des Obödienzauf- und -ausbaus durch Innozenz II. und Anaklet II. sind untersucht. Methodisch spielen bei der Rekonstruktion der Obödienzen häufig urkundliche Kontakte eine entscheidende Rolle, da wir die Bitte um Urkunden als Zeichen der Obödienz werten können57. Aussagekräftig können hier auch Lücken sein, doch sollte man sich davor hüten, anzunehmen, es hätte nach der Beendigung des Schismas eine bewusste Vernichtungsstrategie der Kurie
56 So in Das Register Gregors VII., ed. Erich Caspar, 2 Bde., Berlin 1920/1923 (MGH Epp. sel., 2/1–2), IV/7 S. 305 Z. 13–16: Manifesta apostoli sententia est, quod omnes, qui pie volunt vivere in Christo Iesu, persecutionem patiuntur. Quę sententia cum apostolica sede ad nos quasi hereditario iure pervenit. Zu weiteren Belegen in diesem Zusammenhang vgl. Jochen Johrendt, ‚Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehasst.‘ Gregor VII. in Konflikt und Krise, in: Michael Matheus, Lutz Klinkhammer (Hg.), Eigenbild im Konflikt. Krisensituationen des Papsttums zwischen Gregor VII. und Benedikt XV., Darmstadt 2009, S. 20–44, hier S. 20; zu dieser Thematik über Gregor VII. hinaus Agostino Paravicini Bagliani, Der Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S. 21–34. 57 Vgl. zu diesem Vorgehen für das Alexandrinische Schisma sowie Jochen Johrendt, Cum universo clero ac populo eis subiecto, id ipsum eodem modo fecerunt. Die Anerkennung Alexanders III. in Italien aus der Perspektive der Papsturkundenempfänger, in: QFIAB 84 (2004), S. 38–68, bes. S. 41–44 (methodische Grundlage und Literatur).
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hinsichtlich der Urkunden des retrospektiv unterlegenen Papstes gegeben. Über die Überlieferung oder das mangelnde Bemühen der Tradierung entschied wohl kaum die Kurie – auch wenn sie das gerne gewollt hätte –, sondern die Empfänger, die Stücke bewusst tradierten oder ihnen keinen Wert mehr zuwiesen, wie Arnold Esch betont58. Die acht Originale Anaklets II. sowie das erhaltene Registerfragment sind beredtes Zeugnis dafür, dass die Überlieferung eben nicht zentral gesteuert wurde59. Dennoch ist unverkennbar, dass die Urkunden des retrospektiv als Gegenpapst geltenden Anaklet II. eine schlechtere Überlieferungs-Chance hatten als diejenigen Innozenz’ II. 58 Vgl. dazu grundlegend Arnold Esch, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: HZ 240 (1985), S. 529–570. Die Vorstellung, es habe eine „systematische Kassierung des Großteils der urkundlichen Überlieferung gegenpäpstlicher Obödienz post scisma“ gegeben, Kai-Michael Sprenger, Damnatio memoriae oder Damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit so genannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der Papstgeschichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31–62, hier S. 52, die nach dem Willen der Kurie vollzogen worden sei, suggeriert, dass die Kurie des 12. Jahrhunderts Fähigkeiten besessen habe, die sie nicht einmal am Ende des 13. Jahrhunderts besaß. Denn Bonifaz VIII. bemühte sich um die Revokation der Urkunden seines Vorgängers, wozu er im Falle des Plenarablasses für S. Maria di Collemaggio sogar einzelne Empfänger mehrfach anschrieb, vgl. dazu Reg. Bon. VIII., Nr. 332, 815f. Doch die Interventionen zeigten keinen Erfolg, vgl. dazu Michele Maccarrone, L’indulgenza del Giubileo del 1300 e la basilica di S. Pietro, in: Nagiola Maria Romanici (Hg.), Roma anno 1300. Atti della IV settimana di studi di storia dell’arte medievale dell’Università di Roma La Sapienza (19–24 maggio 1980), Rom 1983, S. 731–752, Wiederabdruck in: Michele Maccarrone, Romana Ecclesia Cathedra Petri, hg. v. Pietro Zerbi, Raffaello Volpini u. a., 2 Bde., Rom 1991 (Italia Sacra, 47, 48), Bd. 2, S. 1157–1206, hier S. 1181; Edith Pasztor, Celestino V e Bonifacio VIII, in: Alessandro Clementi (Hg.), Indulgenza nel medioevo e perdonanza di papa Celestino. Atti del Convegno storico internazionale, L’Aquila, 5–6 ottobre 1984, L’Aquila 1987 (Convegni celestiniani, 1), S. 61–78, hier S. 72. Da die Urkunde noch heute erhalten ist, sollten die Fähigkeiten der Kurie zur systematischen Kassierung von Urkunden auch an diesem Ergebnis gemessen werden. Die Chance der Überlieferung einzelner Urkunden bestimmten die Empfänger und deren Bedürfnisse. Zu den Revokationen Bonifaz’ VIII. allgemein Alessandra Bartolomei Romagnoli, Le bolle di Celestino V cassate da Bonifacio VIII, in: AHP 37 (1999), S. 61–83; Tilmann Schmidt, Critica e revoche di documenti: il pontificato di Bonifacio VIII, un’eredità condizionante, in: Bonifacio VIII. Ideologia e azione politica. Atti del Convegno organizzato nell’ambito delle Celebrazioni per il VII Centenario della morte, Città del Vaticano-Roma, 26–28 aprile 2004, Rom 2006 (Bonifaciana, 2), S. 43–57. 59 Die acht in der Italia Pontificia ausgewiesenen Originale sind nach Pontificienbänden und dann in chronologischer Reihenfolge: IP 8, S. 37 Nr. 137, S. 174 Nr. 230; IP 9, S. 293 Nr. 9, S. 231 Nr. 12, S. 424 Nr. 1, S. 66 Nr. 60; IP 10, S. 357 Nr. 4, S. 364 Nr. 1. Zum Registerfragment Anaklets II. vgl. Paul Ewald, Reisen nach Italien im Winter von 1876 auf 1877, in: NA 3 (1878), S. 139–181, hier S. 164–168.
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Die kurialen Ausgangsbedingungen waren hingegen relativ ähnlich, denn beiden Kandidaten standen Kardinallegaten in ähnlichem Umfang zur Verfügung. Beide hatten herausragende Mitglieder des Kardinalskollegs auf ihrer Seite und beide verfügten über eine funktionierende Kanzlei60. Von Anaklet II. ist sogar noch ein Registerfragment erhalten, ein deutliches Anzeichen für die Funktionsfähigkeit seiner Kanzlei, auch wenn der Kanzler Haimerich auf Seiten Innozenz’ II. stand61. Aus kurialer Perspektive stellt sich die Auseinandersetzung zwischen Anaklet II. und Innozenz II. daher wie ein Ringen zwischen gleichwertigen Partnern dar – zumindest was die Ausgangslage betrifft. Die Instrumente, die beiden zur Verfügung standen, sind rasch aufgezählt: Da sind an erster Stelle die Legaten zu nennen, die als Agenten für die Kandidaten die christianitas bereisten – und dabei hatten die Legaten Innozenz’ II. bessere Erfolge verbuchen können, vor allem durch die bessere Anschlussfähigkeit an einflussreiche Personalnetze, insbesondere die Cluniazenser, Prämonstratenser und nicht zuletzt Zisterzienser, durch die Unterstützung von Petrus Venerabilis, Norbert von Xanten und Bernhard von Clairvaux, denen für Frankreich im Reigen der illustren Namen mindestens noch der einflussreiche Suger von Saint-Denis hinzuzufügen ist62. Zudem sicherte sich Innozenz II. nicht zuletzt durch seine Reisen 60 Vgl. auch den Rückgriff der Kanzlei Anaklets II. auf das Register Gregors I. bei der Formulierung von Schreiben, vgl. Gutmann, Wahlanzeigen (wie Anm. 10), S. 41–47. 61 Vgl. Ewald, Reisen (wie Anm. 59); zu den päpstlichen Registern bis 1198 vgl. allgemein Rudolf Schieffer, Die päpstlichen Register vor 1198, in: Klaus Herbers, Jochen Johrendt (Hg.), Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia, Berlin, New York 2009 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 5), S. 261–273. Abgesehen von den Urkunden Gerhards von Angoulême, der als ständiger Legat für Anaklet II. in Frankreich/Aquitanien wirkte, sind lediglich zwei Urkunden eines anakletianischen Legaten, des Kardinalbischofs Aegidius von Tuskulum, erhalten, zu den Stücken vgl. Stefan Weiss, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis Coeles tin III. (1049–1198), Köln u. a. 1995 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 13), S. 95 Nr. 5f. 62 Dass die Schismen im 12. Jahrhundert zu erheblichen Teilen durch die Personalnetze der Kardinäle entschieden wurden, die sie während ihrer Zeit als Kardinallegaten aufgebaut hatten, betont Claudia Zey, Die Augen des Papstes. Zu Eigenschaften und Vollmachten päpstlicher Legaten, in: Jochen Johrendt, Harald Müller (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Berlin, New York 2008 (Neue Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 2), S. 77–108, hier S. 97f. Zur Bedeutung der neuen religiösen Gemeinschaften für die Anerkennung Innozenz’ II. vgl. Hubertus Seibert, Autorität und Funktion. Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen in Mönch- und Kanonikertum, in: Ernst-Dieter Hehl, Ingrid Heike Ringel u. a. (Hg.), Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 6), S. 207–241.
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und den persönlichen Kontakt mit den Herrschern Frankreichs, Englands und des Reichs deren Unterstützung63. Durch die Synode von Étampes von August/ September 1130 stand Frankreich – abgesehen von Aquitanien, das erst 1135 die Seite wechselte – hinter Innozenz II. Ludwig VI. erkannte Innozenz II. in Orleans feierlich an64. Für den Umschwung König Heinrichs I. von England auf die Seite Innozenz’ II. hatte offenbar Bernhard von Clairvaux gesorgt. Am 13. Januar 1131 war es schließlich so weit, und Heinrich I. erkannte Innozenz II. in Chartres an65. Ende März 1131 folgte schließlich seine Begegnung mit Lothar III. in Lüttich66, der ihn bereits im Oktober 1130 in Würzburg anerkannt hatte67. Für Böhmen und Mähren lassen sich keine Kontakte dortiger Kirchen oder Personen zu Innozenz II. oder Anaklet II. nachweisen68. In Polen ist die Situation aufgrund der mangelnden Quellenlage ebenso unklar69.
63 Vgl. dazu zusammenfassend Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 220–247; zu den Reisen Innozenz’ II. nach Frankreich Rolf Grosse, ‚Ubi papa, ibi Roma‘ – Papstreisen nach Frankreich im 11. und 12. Jahrhundert, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, Ostfildern 2012 (Mittelalter-Forschungen, 38), S. 313–334; sowie Denyse Riche, Michel Rubellin, Le passage des papes à Lyon d’Urbain II à Eugene III (1095–1148), in: Bernard Barbiche, Rolf Grosse (Hg.), Aspects diplomatiques des voyages pontificaux, Paris 2009 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 6), S. 69–96, hier S. 82–85. 64 Zu den Ereignissen vgl. Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 126–129, 173–179; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 224–228; Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 37f. 65 Vgl. Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 130f.; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 233f.; auch die Zustimmung des englischen Königs zu Innozenz II. dürfte zu erheblichen Teilen durch die personellen Bindungen des Innozenz II. tragenden Kreises an der Kurie bedingt gewesen sein, die seit den Tagen Honorius’ II. in engem Kontakt mit den führenden kirchlichen Kreisen Englands stand, vgl. dazu Sally N. Vaughn, Henry I and the english church: The archbishops and the king, in: The Haskins Society Journal. Studies in Medieval History 17 (2006), S. 133–157, hier S. 156f. 66 RI IV/1, Nr. 266, dort die Quellen sowie die weiterführende Literatur. 67 RI IV/1, Nr. 252. 68 �������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. jetzt Bohemia-Moravia pontificia vel etiam Germania pontificia V/3, provincia Maguntiensis VII, congessit Waldemar Königshaus, Göttingen 2011. 69 Vgl. dazu jüngst Przemysław Nowak, Die polnische Kirchenprovinz Gnesen und die Kurie im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Müller (Hg.), Zentrum (wie Anm. 62), S. 191–206, hier 199f. mit weiterer Literatur.
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Anaklet II. verblieben als Obödienzraum daher Rom70, das von ihm zum Königreich erhöhte Sizilien71, bis 1135 Aquitanien72, bis nach 1135 Mailand73 und bis 1138 Schottland74. In der urbs blieb der Rückhalt für Anaklet II. über all die Jahre erstaunlich stabil – was vielleicht schon bei etlichen Zeitgenossen das Bild aufkommen ließ, dass hier wie in der eingangs zitierten Schilderung Bosos im Liber Pontificalis Stadt und Erdkreis miteinander rangen. Wie fest das Band zwischen Anaklet II. und dem römischen Klerus war, wird auch daran deutlich, dass die päpstliche Kapelle offenbar zum größten Teil hinter Anaklet stand. Die päpstlichen Kapläne sind in dieser Epoche neben den Kardinälen das engste Umfeld des Papstes, der Aufstieg ins Kardinalat erfolgte häufig über die päpstliche Kapelle. Und es ist bezeichnend, dass bei den fast 50 Kreationen Innozenz’ II. 70 In Rom hatten sich bald nach dem Ausbruch des Schismas auch die Frangipane auf die Seite Anaklets II. geschlagen, die zuvor die tragende Stütze Innozenz’ II. in Rom gewesen waren. Bereits wenige Wochen nach der Doppelwahl waren die Frangipane in Rom durch ihre Innozenz’ II. unterstützende Haltung isoliert und wandten sich daher bereits im Mai an Lothar III., um für Anaklet II. zu werben. Erst im Sommer 1132 kehrten sie wieder zur Partei Innozenz’ II. zurück, vgl. zu ihnen Matthias Thumser, Die Frangipane. Abriß der Geschichte einer Adelsfamilie im hochmittelalterlichen Rom, in: QFIAB 71 (1991), S. 106–163, hier S. 126–129. 71 Vgl. Hubert Houben, Roger II. von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident, Darmstadt 22010 (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), S. 52–62. 72 Vgl. dazu Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 228–232; Ursula Vones-Liebenstein, Zentrum und Peripherie? Das universale Papsttum und die Kirchenprovinz Narbonne im Hochmittelalter: 1050–1215, in: Jochen Johrendt, Harald Müller (Hg.), Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter, Berlin, New York 2012 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 19), S. 211–252, die betont, dass entgegen der älteren Forschungsmeinung die Bischöfe in der Narbonennsis offenbar doch fast geschlossen zu Innozenz II. hielten, ebd., bei Anm. 142–146; vgl. dazu demnächst auch Ursula Vones-Liebenstein, L’attitude des évêques de la Narbonnensis face au schisme d’Anaclet, in: Bernard Barbiche, Rolf Grosse (Hg.), Schismes, dissidence, oppositions. La France et le Saint-Siège avant Boniface VIII, Paris 2011 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 7). 73 Hier war es vor allem die „ambrosianische Partei“, die Anaklet II. zuspielte, da er es geschickt verstanden hatte, die Eigenständigkeitsbestrebungen der Mailänder Kirche nicht zu schroff mit der Forderung um Anerkennung seines Papates sowie einer Unterordnung unter römische Forderungen zu verbinden, vgl. dazu Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 206–208; jetzt auch Nicolangelo D’Acunto, Lombardos, qui utiles nobis extiterunt admodum et devoti, non possumus non amare. Aspekte päpstlicher Zentralisierung in der Lombardei im 11. und 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Müller (Hg.), Rom (wie Anm. 72) S. 253–283, hier 255, 258, 262. 74 Vgl. dazu Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 236f.
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für keinen einzigen Kardinal nachzuweisen ist, dass er zuvor in der päpstlichen Kapelle tätig war75. Doch in den nördlich von Rom gelegenen Regionen Europas musste Anaklet II. intensiv um seine Anerkennung kämpfen beziehungsweise rasch einsehen, dass er das Feld seinem Gegner überlassen musste. Dieses Werben um Obödienz ganzer Regionen sei am Beispiel von Aquitanien kurz skizziert. In Aquitanien war es zuvorderst Herzog Wilhelm von Aquitanien, der sich hinter Anaklet II. stellte, unter den Geistlichen war es vor allem Bischof Gerhard von Angoulême, den Anaklet II. dort mehrfach als päpstlichen Legaten einsetzte76. Anaklet II. handelte offenbar noch vor Innozenz’ II. und verlängerte wohl Anfang Mai das Legationsmandat Gerhards von Angoulême77. Gerhard war seit 1107 ständiger Legat und wirkte damit in ähnlicher Weise wie zuvor Amatus von Oloron und bis 1106 Hugo von Die/Lyon78. Anaklet II. setzte damit auf ein In75 Vgl. dazu Reinhard Elze, Die päpstliche Kapelle im 12. und 13. Jahrhundert, in: ZRG KanAbt 36 (1950), S. 145–204, Wiederabdruck in: Ders., Päpste – Kaiser – Könige und die mittelalterliche Herrschaftssymbolik. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Bernhard Schimmelpfennig, Ludwig Schmugge, London 1982 (Collected Studies Series, 152), Nr. II S. 145–204, hier S. 164–166; zur Bedeutung der päpstlichen Kapelle für den Aufstieg ins Kardinalat vgl. zusammenfassend Werner Maleczek, Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III., Wien 1984 (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom, 1/6), S. 291–296; jetzt auch Jochen Johrendt, Die päpstliche Kapelle als Bindeglied zwischen Kurie und Kirche, in: Maria Pia Alberzoni, Claudia Zey (Hg.), Legati e delegati papali. Profili, ambiti d’azione e tipologie di intervento nei secoli XII–XIII, Mailand 2012, S. 257–278, hier S. 264. Die Liste der Kreationen ist nun bequem zusammengestellt bei Jürgen Dendorfer, Ralf Lützelschwab (Hg.), Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, Stuttgart 2011 (Päpste und Papsttum, 39), S. 472f. Auf der Seite Innozenz’ II. standen hingegen die beiden päpstlichen Kapläne Richard und Bernhard, die 1137 in Montecassino zugunsten Innozenz’ II. intervenierten, vgl. Elze, Kapelle, S. 162. 76 Zur Tätigkeit Gerhards vgl. nach wie vor Wilhelm Janssen, Die päpstlichen Legaten in Frankreich vom Schisma Anaklets II. bis zum Tode Coelestins III. (1130–1198), Köln, Graz 1961 (Kölner Historische Abhandlungen, 6), S. 5–14. Über die Legationen der beiden Kardinallegaten Aegidius von Tusculum und Romanus von S. Adriano wissen wir hingegen fast nichts. 77 Vgl. ebd., S. 2f., 6. 78 Diese strukturelle Parallelität betont auch Rudolf Hiestand, Les légats pontificaux en France du milieu du XIe à la fin du XIIe siècle, in: Rolf Grosse (Hg.), L’Église de France et la papauté (Xe–XIIIe siècle). Die französische Kirche und das Papsttum (10.–13. Jahrhundert). Actes du 26e colloque historique franco-allemand organisé en coopération avec l’École nationale des chartes par l’Institut historique allemand de Paris (Paris, 17–19 octobre 1990), Bonn 1993 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 1), S. 54–80, hier S. 59f.; zur Tätigkeit Hugos von Die/Lyon vgl. jetzt Kriston R. Rennie, Law and practice
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strument, das bei der Durchsetzung der Reformbemühungen deutliche Erfolge erzielt hatte. Und in der Tat brachte die Unterstützung Gerhards Anaklet II. offenbar weite Teile Aquitaniens ein. Anaklet II. konzentrierte sich folglich nicht auf Rom und dessen Umgebung, sondern war rasch an einer Ausbreitung seiner Obödienz in der christianitas interessiert79. Doch gelang es ihm nicht, diese Position auszubauen oder auch nur zu halten. Innozenz II. bemühte sich erst nach Anaklet II. um die Ausweitung seiner Obödienz in Aquitanien. Als Legaten waren dort für ihn Bernhard von Clairvaux, Joscelin von Soissons und als ständiger Legat Gaufried von Chartres tätig80. Letzterer bemühte sich kontinuierlich um eine Gewinnung Aquitaniens, doch vor allem der persönliche Einsatz Bernhards dürfte Aquitanien auf die Seite der Innozenzianer gebracht haben. Dessen Vorgehensweise bestand darin, Anaklet II. als persönlich ungeeignet für das päpstliche Amt darzustellen. So führt der Zisterzienser in einem Brief vom April 1131 an Herzog Wilhelm X. von Aquitanien aus: „Welches Gewicht an Redlichkeit, an Tugend und Ehrenhaftigkeit legen sie für ihren höchsten Pontifex auf die Waagschale, dass sie auch uns zur Anerkennung verleiten könnten? Wenn das wahr ist, was die Kunde überall verbreitet, ist er nicht einmal der Herrschaft über ein einziges Dörfchen würdig; ist es nicht wahr, so geziemt es sich ganz besonders für das Haupt der Kirche, nicht nur die Gesundheit des Lebens zu haben, sondern auch den Glanz des guten Rufes. Sicher ist es also für Euch, mein liebster Vetter, in der Anerkennung des allgemeinen Papstes nicht von der Übereinstimmung und dem Rat der Allgemeinheit abzuweichen. Auch für Euch ist es ehrenhaft und heilbringend, den anzunehmen, den jede Religion, den die Gesamtheit der Könige angenommen hat. Unseren Herrn, den Papst Innozenz, empfiehlt ein unbescholtenes Leben, ein unversehrter Ruf und die kanonische Wahl. Die zwei ersten Punkte stellen nicht einmal die Feinde in Abrede, der dritte Punkt gab Anlass zu böswilliger Anklage, aber durch den allerchristlichsten Lothar sind die böswilligen Verleumder neulich ihrer Lüge überführt worden.“81 Die Argumente bleiben auf einer rein persönlichen Ebene und in the age of reform: the legatine work of Hugh of Die (1073–1106), Turnhout 2010 (Medieval church studies, 17). 79 Auch Janssen, Legaten (wie Anm. 76), S. 15, spricht von einer bereits zu Beginn des Mai entfalteten „regen Legatentätigkeit“ Anaklets II., während derartige Bemühungen Innozenz’ II. zu diesem Zeitpunkt für Frankreich noch nicht zu fassen sind. 80 Vgl. dazu ebd., S. 16, 18f., 21–23; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 230–232. 81 Bernhard von Clairvaux, ed. Winkler (wie Anm. 20), Bd. 2, ep. 127 S. 880–883: Denique quid boni, quid virtutis, quid honestatis afferunt de summo Pontifice suo, ut et nos provocent ad favorem? Si vera sunt quae ubique divulgat opinio, nec unius dignus est viculi potestate; si vera non sunt, decet nihilominus caput Ecclesiae, non solum vitae sanitatem habere, sed et
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sind im Kern Anaklet II. gegenüber eine Verleumdung. Doch Bernhard beließ es nicht bei diesen Anschuldigungen, sondern suchte den persönlichen Kontakt mit Wilhelm X., um diesen zu überzeugen. In Poitiers kam es schließlich zu diesem Treffen, bei dem es Bernhard offenbar gelang, Wilhelm zu weiten Teilen auf die Seite Innozenz’ II. zu ziehen. Doch blieb der endgültige Erfolg zunächst aus, erst 1134/35 gelang es ihm, Wilhelm X. zum Parteiwechsel zu bewegen82. Als 1136 Gerhard von Angoulême starb, dürfte der letzte Rückhalt Anaklets II. in Aquitanien weggebrochen sein. Das Beispiel Aquitaniens zeigt, dass Anaklet II. zunächst durchaus mit Erfolg aktiv war, Innozenz II. aber offenbar durch das überzeugendere Personalangebot seiner Anhänger seine Obödienz auszubauen verstand. Daran hatte das Charisma Bernhards von Clairvaux offenbar nicht unwesentlich Anteil. Zugleich wird deutlich, dass auch nach der Arbeit Schmales die Beschreibungsebene für das Werben und seine Folgen vor Ort oberflächlich bleibt, was teilweise durch die Quellenlage bedingt ist. Die Überlieferung zeigt vor allem für die innozenzianische Partei, dass sie vorrangig um die Spitze der weltlichen Herrschaftsträger bemüht war, den Herzog von Aquitanien. Dieser erscheint als der Hebel, mit dessen Hilfe die Obödienz verbreitert werden sollte. Doch auch wenn die Parteinahme des Herzogs ohne Frage eine deutliche Unterstützung darstellte, so darf diese Parteinahme keineswegs mit einer geschlossenen Obödienz ganz Aquitaniens oder auch nur aller Bischöfe in seinem Herrschaftsbereich gleichgesetzt werden. Der selektierende Blick der Quellen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Aquitanien auch innozenzianische Bischöfe gegeben zu haben scheint83. Für die Ausbreitung der Obödienz wird man, wie am Beispiel Aquitaniens dargestellt, wohl sagen können, dass sich Innozenz II. dabei nicht als der Papst mit den besseren Argumenten erwies, der zudem rascher handelte84, sondern als der Papst mit den besseren Verfamae decorem. Tutius proinde vobis est, mi cognate carissime, ut in susceptione universalis Papae, ab universitatis consensu et consilio non recedatis, quem omnis religio, quem regum universitas receperunt, vobis quoque et honorificum et salutiferum est ut recipiatis. Domini Papae Innocentii et innocens vita, et integra fama, et electio canonica praedicatur. Priora duo nec hostes diffitentur; tertium calumniam habuit, sed per christianissimum Lotharium nuper falsi calumniatores in suo sunt mendacio deprehensi. Vgl. auch den Kommentar S. 1121. 82 Zu den Ereignissen vgl. Peter Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, Darmstadt 1998 (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), S. 146–148, 158–161. 83 So bereits der Hinweis bei Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 230 Anm. 41; jetzt VonesLiebenstein, Zentrum (wie Anm. 72), bei Anm. 142–146; Dies., Attitude (wie Anm. 72). 84 So war Anaklet II. etwa auch bei der Einschaltung der Königin in den Konflikt schneller. Neben einem Schreiben an Lothar III. und Richenza, RI IV/1, Nr. 221, wandte er sich auch
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bindungen, der auf die entscheidenden Personen gesetzt hatte. Dieses Netzwerk trug Innozenz II. eine fast europaweite Obödienz ein. Doch was in der Retrospektive wie ein Erfolgslauf Innozenz’ II. durch Europa erscheint, war anfangs keineswegs so abzusehen gewesen, da sich etwa der englische König zu Beginn durchaus auf der Seite Anaklets II. sah85. Entscheidend dürfte hier neben dem Wirken der Legaten Innozenz’ II. vor allem auch die persönliche Präsenz dieses Papstes sowie die von ihm abgehaltenen Synoden gewesen sein, auf denen es zu einem persönlichen Kontakt der Bischöfe mit Innozenz II. kam. Modern würde man von einer Wahlkampftour sprechen, die Innozenz II. unternahm. Innozenz II. konzentrierte sich nach anfänglichem Zögern voll und ganz auf den orbis. Die Anerkennung dort war für Innozenz II. – nachdem auch die Frangipane auf die Seite Anaklets II. gewechselt waren – die einzige Chance, auch in der urbs Anerkennung zu finden. Der orbis diente nicht nur als Ersatz für die urbs, sondern die urbs sollte gleichsam durch den orbis überwunden werden. So ist es auch zu erklären, dass Innozenz II. in seinem ersten Brief, vier Tage nach seiner Wahl, Lothar III. nicht nur die Kaiserkrone anbietet, sondern ihn dezidiert auffordert, nach Rom zu kommen und dabei eine ausreichende Streitkraft mitzunehmen, damit er den Frieden wahren sowie die Feinde der Kirche und des Reichs unterwerfen kann86. Bereits in seinem ersten Brief formuliert Innozenz II. damit seinen Plan, durch die Unterstützung des orbis die urbs zu gewinnen, denn die genannten hostes Ecclesiae am Krönungsort waren niemand anderes als Anaklet II. und die ihn unterstützenden Römer. Dort war Anaklet II. nach dem Parteiwechsel der Frangipane fester denn je im Sattel. Ähnlich wie Innozenz II. hatte sich auch Anaklet um Unterstützung außerhalb Roms bemüht. Seine Legaten hatten zunächst in Aquitanien, England, Schottland, Mailand und Unteritalien Erfolg – die Lage in Polen ist unklar. Im Reich versuchte Anaklet II., auf dessen Seite an am 15. Mai in einem eigenen Brief an die Königin, in dem er sie bat, beim König für ihn zu werben, vgl. RI IV/1, Nr. 233. Zu den Schreiben an Richenza vgl. Amalie Fössel, Die Königin im mittelalterlichen Reich, Stuttgart 2000 (Mittelalter-Forschungen, 4), S. 308–310; sowie jüngst auch Dies.‚ Die besonderen Töchter des heiligen Petrus‘. Zur Kommunikation zwischen Päpsten und Königinnen im mittelalterlichen Europa, in: GWU 62 (2011), S. 343–352, hier S. 346–348. 85 Vgl. Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 130f.; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 233. 86 RI IV/1, Nr. 218, ed. Migne, PL 179, Sp. 53. Nr. 1, hier 53B: […] prudentiae tuae mandamus, quatenus proxima ventura hieme ad sedem apostolicam venias, honoris et dignitatis plenitudinem, operante Domino suscepturus. Sicut ergo tantum virum decet, ita munitus accedas, ut et pacem statuere, et hostes Ecclesiae et imperii, suffraganate divina gratia, valeas subiugare.
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herausragender Stelle zunächst der bei der Wahl in Rom anwesende Erzbischof Adalbert von Bremen und Bruno von Straßburg standen87, auch die Kaiserin für sich zu gewinnen, indem er sich direkt an sie wandte88. Doch durch die Erfolge Innozenz’ II., die nicht zu geringem Teil von den genannten Protagonisten und nicht vom Papst selbst erkämpft wurden, schmolz die Obödienz Anaklets II. zusammen. Ab 1135 standen nur noch Unteritalien und Schottland auf der Seite Anaklets II. Innozenz II. hatte sich damit im orbis durchgesetzt. Neben den genannten Netzwerken dürfte für den Erfolg auch eine von diesem vorangetriebene Verdichtung der lateinischen Kirche maßgeblich gewesen sein, die zumindest in ihrer anfänglichen Phase eine zentrierende Wirkung hatte. Diese war auf die nicht in Rom weilende Kurie ausgerichtet. Es handelt sich um die grundsätzliche Zulassung von Appellationen an den Heiligen Stuhl sowie den von Innozenz II. artikulierten Anspruch, grundsätzlich für alle causae maiores zuständig zu sein89. Innozenz II. verdichtete dadurch die Kommunikation zwischen der Kurie und den Kirchen in partibus erheblich, so dass in der Konsequenz die Appellation an Rom nicht mehr nur das Vorrecht Einzelner war, sondern zu einem fast in der gesamten christianitas intensiv genutzten Rechtsmittel90. Je mehr die in Rom angestrengten Prozesse üblich wurden, desto weniger konnten sie eine zentrierende Wirkung entfalten und wirkten eher homogenisierend auf die lateinische Kirche. Doch in der Phase 87 Vgl. Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 44. 88 RI IV/1, Nr. 233; siehe dazu auch oben Anm. 84. 89 Vgl. dazu Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 59, mit dem Hinweis auf JL 7696, ed. Migne, PL 179, Sp. 226f. Nr. 178. Eine eingehende Analyse des Schreibens findet sich bei Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 59–62. 90 Vgl. zusammenfassend Harald Müller, Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie (12. und frühes 13. Jahrhundert), 2 Bde., Bonn 1997 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 4), hier Bd.1, S. 10–13, zum konkreten Ablauf der Appellationen ebd., S. 105–112. Zum aktuellen Forschungsstand der Delegationsgerichtsbarkeit vgl. Ders., Generalisierung, dichte Beschreibung, kontrastierende Einzelstudien? Stand und Perspektiven der Erforschung delegierter Gerichtsbarkeit des Papstes im Hochmittelalter, in: Johrendt, Müller (Hg.), Rom (wie Anm. 72), S. 145–157. Zur Bedeutung Innozenz’ II. in dieser Entwicklung vgl. neben Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 59–62; auch Ludwig Falkenstein, Appellationen an den Papst und Delegationsgerichtsbarkeit am Beispiel Alexanders III. und Heinrichs von Frankreich, in: ZKG 97 (1986), S. 36–65, hier S. 43 Anm. 22; und Ders., Alexander III. und die Abtei Corbie. Ein Beitrag zum Gewohnheitsrecht exemter Kirchen im 12. Jahrhundert, in: AHP 27 (1989), S. 85–196, hier S. 117; sowie jüngst Ders., Des actes de juridiction pontificale effectués sans rescrit ou privilège de la chancellerie? Notes marginales sur les voyages d’Innocent II et d’Eugene III en France, in: Barbiche, Grosse (Hg.), Aspects (wie Anm. 6), S. 141–154.
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unter Innozenz II. steigerten sie nicht nur die Autorität der Kurie Innozenz’ II. gegenüber der Anaklets II., sondern sie förderten zudem die Zentralisierung der lateinischen Kirche auf diese Kurie91. Der von mehreren Aachener Mediävisten behandelte Prozess des Abtes Hariulf von Oudenburg steht hier stellvertretend für viele andere92. Wenn die Kurie unter Innozenz II. zu einem „geschäftigen Gerichtshof “ wurde, wie es Werner Maleczek ausdrückte, so kompensierte sie damit auch das Fehlen der natürlichen Legitimation durch die urbs. Welche Spuren diese Verdichtung während des Innozenzianischen Schismas hinterlassen hat, könnte gerade die Situation in den Gebieten widerspiegeln, die der anakletianischen Obödienz angehörten, etwa im unteritalienischen Regno. Denn dort kam es gerade nicht zu der beschriebenen Verdichtung – und dort spielte auch die Appellation an die Kurie bis einschließlich zum Pontifikat Innozenz’ III. keine nennenswerte Rolle. Handelt es sich dabei geradezu um eine durch die Verwerfungen des Innozenzianischen Schismas eingefrorene Situation? Auch wenn die sizilischen Könige ein kraftvolles Kirchenregiment ausübten und über ein ausgebautes Justizwesen verfügten, das offenbar auch eine Alternative für die Appellationen an Rom bot, blieben diese Appellationen nicht auch deswegen aus, da man gleichsam als gebranntes Kind aus dem Innozenzianischen Schisma gelernt hatte und daher sein Recht lieber an anderer Stelle suchte? Dass die Auseinandersetzungen von Anfang an mit sehr harten Bandagen geführt wurden, kann man nicht nur den – man wird wohl sagen dürfen verleumderischen – Schreiben beider Seiten entnehmen, die sich in wüsten Beschimpfungen 91 Vgl. Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 59–62, 70, 77; sowie bereits Karl Jordan, Die Entstehung der römischen Kurie. Ein Versuch, in: ZRGKanAbt 28 (1939), S. 97–152, hier S. 148. Erstaunlich gering fällt jedoch der quantitative Zuwachs an ausgestellten Urkunden aus. So stellte Paschalis II. bei 221 Monaten Pontifikatsdauer 4,8 Urkunden pro Monat aus, Gelasius II. bei 12 Monaten 5,3 Urkunden, Calixt II. bei 70 Monaten 8,3 Urkunden, Honorius II. bei 62 Monaten 4,5 Urkunden und Innozenz II. bei 163 Monaten fast 6 Urkunden, für die Zahlenangaben bis einschließlich Honorius II. vgl. Johannes Laudage, Rom und das Papsttum im frühen 12. Jahrhundert, in: Klaus Herbers (Hg.), Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Beiträge zu Ehren von Werner Goez, Stuttgart 2001, S. 23–53, hier S. 53. Die Angaben zu Innozenz II. beruhen auf JL, Bd. 2. 92 Vgl. ausführlich zum Bericht des Abtes Ernst Müller, Der Bericht des Abtes Hariulf von Oudenburg über seine Prozessverhandlungen an der römischen Kurie im Jahre 1141, in: NA 48 (1930), S. 97–115, dort auch die Edition des Textes S. 101–115. Vgl. zu dem Prozess zuletzt Dietrich Lohrmann, Berichte von der Kurie über den Erwerb umstrittener Prozessmandate und Privilegien (12.–13. Jahrhundert), in: Herbers, Johrendt (Hg.), Papsttum (wie Anm. 61), S. 311–330, hier S. 316f.; Müller, Delegationsgerichtsbarkeit (wie Anm. 90), Bd. 1, S. 194–196; Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 66.
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über den Gegner ergingen93. Deren Wirkung ist unklar, zumal man im sogenannten Investiturstreit im Umgang mit Pamphleten seine Erfahrungen gesammelt hatte. Doch vielleicht sind die Stimmen, welche die Heftigkeit des Streites beklagen, ein Beleg dafür, dass man in Teilen der christianitas der Auseinandersetzungen um die Kathedra Petri müde war. Zu Beginn des Schismas, wohl noch vor dem Eintreffen Innozenz’ II. in Lüttich am 22. März 1131, verfasste der Lütticher Kanoniker Reimbald eine kurze Abhandlung, die sich mit dem Schisma beschäftigte. In seinem Libellus de Schismate Anacletiano betont er, dass man sich vor einem vorschnellen Urteil hüten solle94. Er beklagt sogar, dass sich die einen für Anaklet II., die anderen für Innozenz II. entscheiden würden, ohne die Angelegenheit überhaupt untersucht zu haben95. Anschließend malt er ein düsteres Bild einer gespaltenen Kirche, in der sich die Parteien unversöhnlich gegenüber stehen und heftig bekämpfen. So spricht er seinen Leser an: „Und höre endlich, wie sie sich beißen und wie sie sich gegenseitig auffressen. Wer Anakletianer ist, bezeichnet die Anhänger der anderen Partei, als ob er ihnen wie einem Verdammten ein Brandmal einprägt, als Innozenzianer (Innocentianum); und umgekehrt, wer zur Partei von Innozenz gehört, bezeichnet die gegnerische Partei als Anakletianer (Anacletianum). Welch trauriges Los! Und siehe, eines Körper, kämpfen sie wie zwei Schlachtreihen gegeneinander.“96 Diese Heftigkeit des Ringens zwang die Parteien zur deutlichen Abgrenzung: So setzte Bernhard von Clairvaux die Anhänger mit der gläubigen Schar Gottes gleich, doch diejenigen, die Anaklet II. anerkannten, seien „entweder ein Freund des Antichrist oder der Antichrist“97. Die aufgeheizte Atmosphäre zwang die 93 Vgl. dazu Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 123–125. 94 Libellus de Schismate Anacletiano, in: Reimbaldi Leodiensis opera omnia, ed. Caroli de Clercq, Turnhoult 1966 (CCCM, 4), S. 117–121, hier S. 118 Z. 15–21. Vgl. dazu auch Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 124. 95 Libellus, ed. de Clercq (wie Anm. 94), S. 118 Z. 32–34: Amplectitur enim hic Anacletum, ille Innocentium, et ante examen negotii dant iudicium non minus temerarium, quam praeproperum. 96 Ebd., S. 119 Z. 37–43: Et tamen audi, quomodo mordeant, quomodo ad invicem sese consumant. �������������������������������������������������������������������������������� Qui Anacletianus est, quasi quodam dampnatorum eum inurens cauterio, Innocentianum eum vocant, qui est partis contrariae; et e converso, qui Innocentianus est, Anacletianum eum, qui partis est oppositae. Sors ������������������������������������������������������������������� misera. Ecce unius corporis quasi duae acies inter se dimicantes. 97 So Bernhard in dem zwischen September 1130 und Oktober 1131 abgefassten Brief an Erzbischof Hildebert von Tour, der zu diesem Zeitpunkt Innozenz II. noch nicht anerkannte. Bernhard von Clairvaux, ed. Winkler (wie Anm. 20), Bd. 2, ep. 124 S. 850–855, hier S. 850 Z. 13–15: Nam qui Dei sunt libenter iunguntur ei [i. e. Innocentio], qui autem ex adverso stat, aut Antichristi est, aut Antichristus.
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Kontrahenten nicht nur zur Schärfung der Argumentation und Steigerung der Vorwürfe, sondern führte auch zu neuen Ausdrucksmitteln des Kirchenregimentes. Und erneut sind es Innozenz II. und seine Kanzlei, die von den gewohnten Formen abwichen. Das galt etwa für die nun intensiver werdende Hinzunahme der Kardinäle bei der Urkundenausfertigung: Die Zahl der feierlichen Privilegien, unter denen die Kardinäle unterschrieben, nahm unter Innozenz II. deutlich zu. Diese Politik der zur Schau gestellten Beteiligung der Kardinäle am Kirchenregiment war bereits unter Calixt II. zum Einsatz gekommen98. Dies hatte offenbar zu einer Festigung des Zusammenhalts von Papst und Kardinalskolleg und damit zu einer stärkeren Position der Kurie geführt99. Bei der Ausstellung von feierlichen Privilegien durch die von Haimerich geleiteten Kanzlei wurde diese Beteiligungspolitik auch unter Innozenz II. fortgesetzt beziehungsweise nach einem Intermezzo unter Honorius II. wieder aufgenommen100. Zudem scheiden ab 1139 andere Prälaten aus den Unterschriftenlisten der Päpste aus – Papst und Kardinälen allein war fortan die Unterschrift unter die feierlichen Privilegien gestattet101. Daneben kam es auch zu einer Weiterentwicklung der Urkunden in ihrer inneren und äußeren Gestaltung, in der sich Innozenz II. beziehungsweise seine Kanzlei von Anaklet II. absetzte. So weisen etwa die Litterae Innozenz’ II. auffallend häufig an ihrem Beginn die Initiale des Papstnamens sowie zwei weitere elongierte Buchstaben auf. Diese Drei-Buchstaben-Elongata in Kombination mit dem gekürzten Papstnamen tritt im Betrachtungszeitraum von Innozenz II. bis zu Innozenz III. einzig bei Innozenz II. auf und kann daher als ein Wesensmerkmal seiner Kanzlei gelten102. Ein weiteres Spezifikum seiner Kanzlei war die häufige Verwendung von Hanfschnur zur Befestigung der Bleibullen an seinen Litterae, auch wenn diese von ihrer sonstigen Gestaltung (Papstname, Gestaltung der Oberlängen des S in servus servorum dei, Hervorhebung des Adressaten, Segenswunsch, Hervorhebung des Kontextbeginns, Ausgestaltung der ct- und st-Ligatu98 Vgl. Hüls, Kardinäle (wie Anm. 43), S. 236 Nr. 3. 99 Vgl. Laudage, Rom (wie Anm. 91), S. 26–32, 52; sowie jüngst auch Claudia Zey, Entstehung und erste Konsolidierung. Das Kardinalskollegium zwischen 1049 und 1143, in: Dendorfer, Lützelschwab (Hg.), Geschichte (wie Anm. 75), S. 63–94, hier S. 82f. 100 Unter Honorius II. ging die Frequenz der pro Monat ausgestellten feierlichen Privilegien wieder erheblich zurück, vgl. Laudage, Rom (wie Anm. 91), S. 53. 101 Vgl. dazu Maleczek, Papst (wie Anm. 75), S. 321. 102 Vgl. dazu Andrea Birnstiel, Diana Schweitzer, Nicht nur Seide oder Hanf ! Die Entwicklung der äußeren Merkmale der Gattung Litterae im 12. Jahrhundert, in: Irmgard Fees, Andreas Hedwig u. a. (Hg.), Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale – Konservierung – Restaurierung, Leipzig 2011, S. 305–334, hier S. 311, 319.
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ren, verwendete Kürzungszeichen und Hervorhebung der Sanctio) her dem Typus einer Littera cum serico entsprechen103. Auch hinsichtlich des Bene Valete sind Unterschiede zu konstatieren, wie sie jüngst Ottfried Krafft herausgearbeitet hat. Während unter Innozenz II. das unter Honorius II. gepflegte Bene Valete weiterentwickelt wurde, griff Anaklet II. auf die unter Calixt II. benutzte Form zurück. Auch wenn Innozenz II. beziehungsweise Haimerich durch diese Neugestaltung nicht stilbildend wurden, so ist doch der Wille zur Weiterentwicklung und damit zur Distinktion zu erkennen104. Stilbildend wurde jedoch die unter Innozenz II. seit 1132 durchgehend praktizierte Unterschrift der Kardinäle in drei Kolumnen, unterteilt nach Kardinalpresbyter, -bischöfen und -diakonen105. Das gilt auch für die Formulierung der Papsturkunden, die unter Innozenz II. in eine andere Richtung lief als in der Kanzlei Anaklets II. Auch hier wurde das von Innozenz II. verwendete Modell das zukunftsweisende. Wie gezeigt werden konnte, fand die Formulierung der enumeratio bonorum unter Innozenz II. eine fast schon komplett ausgebildete Form, die dann ab Eugen III. ausschließlich zu Bestätigung von Besitzungen verwendet wurde106. Die nach ihrem Beginn als eapropter-Formel bezeichnete Formulierung erhielt unter Innozenz II. eine entscheidende Ausprägung und wurde von diesem Papst auch immer wieder eingesetzt. Bei Anaklet II. ist die Verwendung der eapropter-Formel allein in einem einzigen Fall nachweisbar107. Innozenz II. unterschied sich damit von Anaklet II. nicht nur in der Strategie, das Schisma zu seinen Gunsten zu beenden. Die Weiterentwicklung der Urkundenform, ihrer inneren und äußeren Gestal103 Vgl. ebd., S. 331. 104 Vgl. Otfried Krafft, Bene Valete. Entwicklung und Typologie des Monogramms in Urkunden der Päpste und anderer Aussteller seit 1049, Leipzig 2010, S. 72, 85, 130–132. 105 Vgl. ebd., S. 72. 106 Vgl. dazu Jochen Johrendt, Italien als Empfängerlandschaft (1046–1198): ein Vergleich aus der Perspektive des Urkundenalltags in Ligurien, Umbrien und Kalabrien, in: Herbers, Johrendt (Hg.), Papsttum (wie Anm. 61), S. 183–213, hier S. 206–211, bes. 208; Jochen Johrendt, Die Anfänge des Kapitels von St. Peter im Vatikan? Zu den Urkunden Leos IX. für die Basilikalklöster der Peterskirche (1053), in: DA 65 (2009), S. 83–110; Ders., Rusticano stilo? Papst und Rhetorik im 11. und 12. Jahrhundert, in: Florian Hartmann (Hg.), Cum verbis ut Italici solent suavibus atque ornatissimis. Funktionen der Beredsamkeit im kommunalen Italien. Funzioni dell’eloquenza nell’Italia comunale, Göttingen 2011 (Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike, 9), S. 153–176, hier S. 173–175. 107 Es handelt sich um die im Original erhaltene Urkunde IP 9, S. 355 Nr. 1 für das Bistum Giovinazzo. Da keine weitere Urkunde für Giovinazzo überliefert ist, ist es nicht zu klären, ob dies schlicht eine Übernahme aus einer Vorurkunde ist, oder ob die Formulierung bewusst von der Kanzlei Anaklets II. benutzt wurde.
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tung, ist durchaus als der Wille zur Distinktion zu verstehen – was wiederum ein bezeichnendes Licht auf die Anfeindungen der Parteien wirft, wie sie Reimbald von Lüttich beschrieben hat. Auch diese Abgrenzung in der unterschiedlichen Gestaltung der Urkunden war ein Mittel, um sich von der gegnerischen Partei abzuheben und damit den Unterschied zwischen beiden nach außen zu dokumentieren. Zum Umgang der beiden Parteien miteinander gehört ohne Zweifel auch das Verhalten Innozenz’ II. gegenüber Anaklet II. nach dessen Tod und dem dadurch bedingten faktischen Zusammenbruch der anakletianischen Partei. War es ein unversöhnlicher, brutaler Umgang mit dem Erbe oder eine gelungene Vereinnahmung der Gegner, die auf ein gemeinsames Miteinander setzte? Der Umgang mit dem in Rom sichtbaren Erbe Anaklets II. ist rasch dargestellt108. Die genannte Inschrift zur Darstellung in der Nikolauskapelle, in der sich Anaklet II. als Papst hatte darstellen lassen, der sich zwar mit einem Gegenpapst auseinandersetzen musste, diesen aber am Ende überwinden würde, ließ Innozenz II. verändern, und so wurde aus Anaklet II. der 911–913 amtierende Anastasius III. Der Anachronismus des viereckigen Nimbus schien Innozenz II. nicht weiter zu stören, auch wenn jedem verständigen Betrachter klar sein musste, dass in dieser Komposition etwas nicht stimmte. Diese geringfügigen Retuschen in der Nikolauskapelle, in welcher der Papst auch mit seinen Kardinälen zu Gericht saß, erstaunt, wenn man die Rundumlösung Innozenz’ II. für eine andere Kirche bedenkt, die für die Römer klar mit Anaklet II. verbunden war: S. Maria in Trastevere. Es war die Titelkirche des ehemaligen Kardinals Petrus Pierleoni, die Innozenz II. komplett umgestalten ließ. 1139 begann er mit dem Neubau109. Die Ausgestaltung der Apsis dürfte noch zu Lebzeiten Innozenz’ II. vollendet gewesen sein110. Er wird hier in einer Reihe mit heiligen Päpsten dargestellt, weswegen 108 Zur Situation in Rom vgl. zusammenfassend Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 203– 206. 109 Vgl. Walther Buchowiecki, Brigitte Kuhn-Forte, Handbuch der Kirchen Roms. Der römische Sakralbau in Geschichte und Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, 4 Bde., Wien 1967–1997, hier Bd. 4, S. 722; Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 95), S. 162; Dale Kinney, S. Maria in Trastevere from its founding to 1215, Diss. masch., New York University 1975 (Ann Arbor 1977), S. 208–211. 110 So Buchowiecki, Kuhn-Forte, Handbuch (wie Anm. 109), Bd. 4, S. 760; Kinney, S. Maria in Trastevere (wie Anm. 109), S. 210f. Das entscheidende Argument ist der 1143 abgefasste Liber Politicus, in dem die Apsisdekoration als fertiggestellt geschildert wird. Daher muss das Mosaik bereits 1143 abgeschlossen gewesen sein. Edition des Liber Po-
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man in dem Apsismosaik einen bewussten Gegenentwurf zur Nikolauskapelle im Lateran unter Anaklet II. gesehen hat111. Den Neubau könnte man unter der Kategorie ‚Spurenbeseitigung‘ einordnen. Zudem hat sich Innozenz II. an deutlicher Stelle abbilden und in der Umschrift nennen lassen112. Mit einem offiziellen Grabmal Anaklets II. musste sich Innozenz II. nicht mehr auseinandersetzen, da sein Bestattungsort bis heute unbekannt ist, womit Anaklet II. das Schicksal etlicher Gegenpäpste seit Silvester IV. (1111) teilt113. Die in Rom immer noch einflussreichen Pierleoni begruben ihn an unbekanntem Ort – vielleicht aus Angst vor einer Grabschändung114. Zu diesen Befürchtungen hatten die Pierleoni offenbar allen Grund, wie sich bald darauf auch an dem nicht gerade zimperlichen Umgang Innozenz’ II. mit den Kardinälen Anaklets II. zeigen sollte115. Diese hatten sich nach dem Tod Anaklets der Gnade oder Ungnade Innozenz’ II. unterworfen. Auf dem Zweiten Laterankonzil im April 1139 sollten sie erfahren, dass sie sich der Ungnade des Papstes unterworfen hatten. Denn Innozenz II. riss ihnen persönlich den Hirtenstab aus der
liticus bei Le Liber censuum de l’Église romaine, publ. avec une introduction et un commentaire par Paul Fabre, Louis Duchesne, 3 Bde., Paris 1905–1952 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 2e sér., 6), hier Bd. 2, S. 139–177; zur Abfassungszeit vgl. Bernhard Schimmelpfennig, Päpstliche Liturgie und päpstliches Zeremoniell im 12. Jahrhundert, in: Hehl, Ringel u. a. (Hg.), Papsttum (wie Anm. 62), S. 263–272, hier S. 264f.; Bernhard Schimmelpfennig, Die Zeremonienbücher der römischen Kurie im Mittelalter, Tübingen 1973 (Bibliothek des DHI in Rom, 40), S. 6–8. 111 So bereits Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 109), S. 162. 112 Die Umschrift bei Buchowiecki, Kuhn-Forte, Handbuch (wie Anm. 109), Bd. 4, S. 760. 113 Vgl. Borgolte, Petrusnachfolge (wie Anm. 109), S. 162 sowie die Übersichtstabelle S. 354f. 114 So bereits Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 144. 115 Die Verhärtungen der Fronten, die über das Ende des Schismas hinaus zu Verwerfungen führten, beschreiben auch die Fragmente zu Gottfreds Vita et Miracula S. Bernardi (BHL 1207), Teildruck bereits in MGH SS, 26, Hannover 1882, S. 107 in Anm. **, hier nach Robert Lechat, Les Fragmenta de Vita et Miraculis S. Bernardi par Geoffroy d’Auxerre, in: AnalBoll 50 (1932), S. 85–122, hier S. 113 c. 44. Dort wird ein fiktiver Dialog zwischen der Gottesmutter Maria und Petrus Pisanus wiedergegeben, in dem Petrus Pisanus, nachdem er zu Innozenz II. übergetreten war, von Maria zur Rede gestellt wird. Auf die Frage des Petrus Pisanus, warum Maria empört sei und ob dies seinen Grund darin habe, dass er Anaklet II. verlassen habe, antwortet Maria: non quia eum reliquisti, sed quia cum eo fuisti. Anschließend bringt sie Petrus Pisanus mit einem Wurfspeer eine tödliche Wunde bei.
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Hand, das Pallium von den Schultern und den Ring vom Finger116. Das war ein demütigender Akt. Wie sehr Innozenz II. darauf bedacht war, mit seinen – nun eigentlich ehemaligen – Gegnern abzurechnen, zeigt auch der Umgang des Papstes mit dem Kardinalpresbyter Petrus von S. Susanna, aufgrund seiner Herkunft aus Pisa auch als Petrus Pisanus bekannt. Er war nicht zuletzt aufgrund seiner herausragenden Rechtskenntnisse sicherlich einer der gewichtigen Stützen Anaklets II. gewesen117. Im Herbst 1137 hatte ihn Bernhard von Clairvaux zum Parteiwechsel bewogen, bei der Disputation der innozenzianischen und anakletianischen Kardinäle vor Roger II. in Salerno. Dort wurde Petrus Pisanus zugesichert, dass er in seinem Amt verbleiben könne. Doch Innozenz II. setzte ihn wie die anderen Kardinäle Anaklets II. ab, die sich erst nach dem Tod dieses Papstes unterworfen hatten118. Dass nicht alle Kardinäle dieses Verhalten Innozenz’ II. guthießen, wird auch daran deutlich, dass Cölestin II. wenige Tage nach seiner Wahl zum Papst Petrus Pisanus wieder in seine alte Funktion einsetzte119, in der er am 26. Februar 1144 zum letzten Mal nachweisbar ist120. Das harte Vorgehen gegen die Kardinäle und der Wortbruch gegen Petrus Pisanus gehört sicherlich nicht zu den Glanzstunden päpstlicher clementia. Dazu gehört auch, dass Innozenz II. durch den 30. Kanon des Zweiten Laterankonzils alle Weihen Anaklets II. und von dessen Parteigängern für ungültig erklärte, womit 116 So die Darstellung bei La Chronique de Morigny (1095–1152), ed. Léon Mirot, Paris 1909 (Collection de textes pour servir a l’étude et a l’enseignement de l’histoire, 41), S. 72; vgl. dazu auch Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 55; Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 144f. 117 Zu Petrus Pisanus vgl. Hüls, Kardinäle (wie Anm. 43), S. 219f., 210f.; Barbara Zenker, Die Mitglieder des Kardinalkollegiums von 1130 bis 1159, Würzburg 1964, S. 103f.; Johannes Matthias Brixius, Die Mitglieder des Kardinalkollegiums von 1130–1181, Berlin 1912, S. 38f., 81f.; zu seiner Rolle beim Ausbruch des Schismas Palumbo, Scisma (wie Anm. 3), S. 33f., 78f.; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 62f., 295–299; Stroll, Jewish pope (wie Anm. 31), S. 83–86. 118 Zum Übertritt des Petrus Pisanus und den Zusicherungen sowie seiner Absetzung auf dem Zweiten Laterankonzil vgl. Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux (wie Anm. 82), S. 198f., 208f.; Palumbo, Scisma (wie Anm. 3), S. 547–550; Schmale, Studien (wie Anm. 3), S. 262f.; Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 54f.; Stroll, Jewish pope (wie Anm. 31), S. 135. 119 Da Petrus Pisanus bereits im ersten feierlichen Privileg Cölestins II. vom 19. Oktober 1143 ( JL 8433, ed. Migne, PL 179, Sp. 765f. Nr. 1) unterschreibt, muss er unmittelbar nach der Wahl Cölestins am 26. September 1143 wieder in seine alte Position eingesetzt worden sein, vgl. Palumbo, Scisma (wie Anm. 3), S. 560 Anm. 342. 120 Vgl. Zenker, Mitglieder (wie Anm. 117), S. 103 mit Bezug auf JL 6636, der entgegen der Angabe bei Hüls, Kardinäle (wie Anm. 43), S. 210, zu folgen ist.
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er den 7. Kanon seiner Pisaner Synode vom Mai/Juni 1135 wieder aufnahm121. Doch welche Auswirkungen hatten diese Beschlüsse? In Aquitanien sorgte Gaufried von Chartres als Legat Innozenz’ II. dafür, dass alle von den beiden anakletianischen Legaten Gerhard von Angoulême und Aegidius von Tuskulum geweihten Altäre zerstört wurden122. Das war wohl nicht zuletzt deswegen möglich geworden, da der aquitanische Herzog Wilhelm X. 1134 auf die Seite Innozenz’ II. gewechselt war. Wie Innozenz II. in Rom mit Bauten umging, die einen klaren Bezug zu Anaklet II. herstellten, wurde bereits beschrieben. In einer Urkunde für San Stefano Rotondo wies er zudem ein Privileg Anaklets II. zurück. Das ist im Bereich der Italia Pontificia der einzige Fall, in dem die Kanzlei Innozenz’ II. eine Urkunde Anaklets II. direkt nennt, um sie dann für nichtig zu erklären123. Nicht nur die Weihen, sondern auch die rechtlichen Handlungen Innozenz’ II. sollten aufgehoben werden. Doch wie weit reichte der Einfluss Innozenz’ II.? Wie weit blieb dies eine Forderung? Blickt man nach Unteritalien, so wird rasch klar, 121 Die Regelung in c. 30 Lateranum II lautet: Ad haec ordinationes factas a Petro Leonis et aliis schismaticis et haereticis evacuamus et irritas esse censemus, Conciliorum oecumenicorum decreta, ed. Josepho Alberigo et al., Bologna 31973, S. 203 Z. 24f. C. 7 des Pisaner Konzils von 1135 besagt: […] excommunicationes Petri Leonis cum fratribus et fautoribus suis et ordinationes ab eisdem scismaticis facte pariter condempnate, MGH Const., 1 S. 579 Z. 10f. Zum Pisaner Konzil vgl. zuletzt Robert Somerville, Another re-examination of the council of Pisa, 1135, in: Martin Brett, Kathleen G. Cushing (Hg.), Readers, texts and compilers in the Earlier Middle Ages. Studies in medieval canon law in honour of Linda Fowler-Magerl, Aldershot u. a. 2009 (Church, faith and culture in the Medieval West), S. 101–110; Robert Somerville, The council of Pisa, 1135: a re-examination of the evidence for the canons, in: Speculum 45 (1970), S. 98–114. 122 So die Nachricht bei Matheus von Paris ad annum 1136 sowie Chronique de Morigny, ed. Mirot (wie Anm. 116), S. 74f.: Gaufridus etiam, Carnotensis, ut supra dictum est, tocius Aquitanie legatus, accepta domini pape precepcione, omnem Gallie regionem, ipsius quoque Aquitanie, studiose circumiens omnia sanctarum ecclesiarum altaria, que vel Girardus ille sedicionis auctor et obtentor, vel Gilo Tusculanensis episcopus aut eorum conplices chrismalis unctionis benedictione in illius odiosi scismatis tempore consecraverant, propriis manibus dissipavit, nec relinquens lapidem super lapidem, quem non destrueret, solo funditus adequavit et racione dictante alia eorum loco restaurere curavit. Vgl. dazu auch Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 145. 123 IP 1, S. 113 Nr. 1, ed. Paul Fridolin Kehr, Papsturkunden in Italien. Reiseberichte zur Italia Pontificia, 6 Bde., Vatikanstadt 1977 (Acta Romanorum Pontificum, 1–6), hier Bd. 2, S. 348–350 Nr. 17, hier S. 349: Sane illud privilegium quod a Petro Petri Leonis scismatico clerici sancte Marie in Cosmydyn et clerici beatissime dei genitricis virginis Marie Transtiberim matris nostre de possessionibus iam prephate ecclesie dicitur suscepisse, omnino infringimus et evacuamus atque in irritum perpetuo deducimus. Die Urkunde Anaklets II. ist nicht überliefert, vgl. dazu auch Kinney, S. Maria in Trastevere (wie Anm. 109), S. 204f.
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dass Innozenz II. mit seiner Politik einer Generalrevision des Pontifikates Anaklets II. dort keine allzu großen Chancen hatte. Bereits die acht erhaltenen Originale Anaklets II. machen deutlich, dass man hier keineswegs die Privilegien des retrospektiv dann auch im Regno zum Gegenpapst gewordenen Papstes vernichtete oder nicht tradierte124. Innozenz II. betrachtete zwar offiziell die Regelungen Anaklets II. in Unteritalien als null und nichtig, doch blieb ihm angesichts der realen Machtverhältnisse im Regno nichts anderes übrig, als die von Anaklet II. und Roger II. geschaffene Situation zu akzeptieren, auch wenn er etwa die Bestätigung des Königtums Rogers II. in das Kleid einer schon von Honorius II. verliehenen Standeserhöhung Rogers II. zu hüllen suchte125. Die mit Hilfe von Anaklet II. durch den Hauteville geschaffene Kirchenorganisation Unteritaliens bestätigte Innozenz II. zwar nicht, doch sie blieb faktisch bestehen, wodurch der mangelnde Einfluss dieses Papstes auf die unteritalienischen Verhältnisse deutlich zum Ausdruck kam126. Hinsichtlich der Absetzung von Bischöfen und der für unrechtmäßig erklärten Weihen konnte Innozenz II. lediglich Teilerfolge erzielen. Zwar resignierte der Erzbischof Rossemannus von Benevent im August 1139, gegen den Innozenz II. den bereits seit 1133 als Elekten agierenden Gregor unterstützte127. Auch die Erzbischöfe von Amalfi, Capua und Tarent mussten von 124 Zur Ausstellung und Überlieferung der Urkunden Anaklets II. vgl. Johrendt, Cum universo (wie Anm. 57), S. 45–52; zu den Urkunden siehe oben Anm. 59. 125 Die Kirchenorganisation blieb zwar bestehen, doch weigerte sich Innozenz II., die notwendigen Bischöfe zu weihen, so dass ein Teil des unteritalienischen Episkopats lediglich aus Elekten bestand, welche die Bistümer verwalteten, vgl. dazu Norbert Kamp, Der unteritalienische Episkopat im Spannungsfeld zwischen monarchischer Kontrolle und römischer „libertas“ von der Reichsgründung Rogers II. bis zum Konkordat von Benevent, in: Società, Potere e popolo nell’età di Ruggero II, Bari 1979 (Centro di studi normannosvevi, Università degli Studi di Bari, Atti, 3), S. 99–132, hier S. 119–124; gegen ein generelles Weiheverbot oder eine generelle Weigerung Innozenz’ II., Weihen durchzuführen, sprach sich Graham A. Loud, Royal control of the church in the twelfth-century kingdom of Sicily, in: Studies in Church History 18 (1982), S. 147–159, hier S. 152, Wiederabdruck in: Ders., Conquerors and churchmen in Norman Italy, Aldershot 1999 (Variorum Collected Studies Series, 658), X S. 147–159, hier S. 152, aus, mit dem Argument, dass Innozenz II. 1142 Johannes de Porta zum Erzbischof von Amalfi geweiht habe, vgl. dazu IP 8, S. 391 Nr. *14. Zur Beibehaltung der kirchlichen Struktur auch Graham A. Loud, The papacy and the rulers of southern Italy, 1058–1198, in: Ders., Alex Metcalfe (Hg.), The society of Norman Italy, Leiden u. a. 2002, S. 151–184, hier S. 168. 126 Vgl. Houben, Roger II. (wie Anm. 71), S. 74f. 127 Vgl. Kamp, Episkopat (wie Anm. 125), S. 116; vgl. zu den einzelnen Vorgängen in Benevent auch IP 9, S. 66 Nr. *56, *59, 60, *61, S. 67 Nr. *62. Rossemannus nannte sich jedoch weiterhin selbst archiepiscopus, auch wenn er nach 1139 offenbar nicht mehr als Erzbischof von Benevent fungierte, dafür vermutlich auf Betreiben Rogers II. mit einer
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ihrem Amt zurücktreten128. Doch ebenso klar amtierte Wilhelm von Ravenna, ein enger Vertrauter Rogers II., der 1135 zum Erzbischof von Capua gewählt und 1137 auf den Erzstuhl von Salerno transferiert worden war, bis 1152 als Erzbischof von Salerno129. Der Fall des Salernitaner Erzbischofs zeigt, dass Roger II. offenbar in Einzelfällen sowohl willens als auch fähig war, die Absetzung anakletianischer Bischöfe zu verhindern. Letztlich hätte bei einer strengen Auslegung der gesamte unteritalienische Episkopat ausgetauscht werden müssen, was allein schon logistisch unmöglich gewesen wäre. *** Bereits in seinem ersten Schreiben an Lothar III. offenbarte Innozenz II. seinen Masterplan einer Überwindung der urbs durch den orbis. Die nach dem Wechsel der Frangipane auf die Seite Anaklets II. geschlossen ablehnende Haltung Roms zwang Innozenz II., sein Heil in partibus zu suchen. Das blieb für die Wechselwirkung von Papsttum und christianitas nicht ohne Folgen, da Innozenz II. sich nunmehr nicht mit der Beanspruchung einer Universalität seine Amtes begnügen konnte, sondern in direkten Kontakt mit den Kirchen der lateinischen Christenheit treten musste. Diese Konkretisierung der Universalität war an sich kein neues ekklesiologisches Konzept, doch in ihrer Ausgestaltung stellte sie sicherlich eine wichtige Schubphase in der Verdichtung der lateinischen Kirche dar, die ihren Ausgangspunkt letztlich in einem lokalen Anerkennungsdefizit hatte – in der Stadt Rom. Das Konzept einer Überwindung der urbs durch den orbis ging auf und verschob damit die Gewichte zwischen Rom und der christianitas nochmals deutlich zuungunsten der Ewigen Stadt. Ihre Bedeutung für die Legitimität der Päpste verringerte sich weiter, und nach der Entstehung der römischen Kommune war es noch im 12. Jahrhundert mit Urban III. (1185–1187) und Gregor VIII. (1187) zwei Päpsten möglich, in ihrer Legitimität nicht angezweifelt zu werden,
Kirche bei Siracusa entschädigt worden war, vgl. Graham A. Loud, The Latin Church in Norman Italy, Cambridge 2007, S. 228f. 128 Johannes de Porta, der Erzbischof von Amalfi, war Ende 1130 von Anaklet II. zum Bischof geweiht worden, vgl. IP 8, S. 391 Nr. *14; nach seinem Rücktritt ist jedoch erst 1142 die Weihe eines neuen Erzbischofs durch Innozenz II. bekannt, mit Namen Johannes, vgl. IP 8, S. 391 Nr. *15. Zu den Vorgängen vgl. Kamp, Episkopat (wie Anm. 125), S. 116f.; Loud, Latin Church (wie Anm. 127), S. 228f. 129 Vgl. Kamp, Episkopat (wie Anm. 125), S. 114f.; Loud, Latin Church (wie Anm. 127), S. 229, vermutet, dass Wilhelm möglicherweise eine direkte Weihe durch Anaklet II. vermieden hatte.
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obwohl sie Rom nie betreten hatten130. Und auch wenn es dem ab dem 1. November 1137 in Rom weilenden Innozenz II. gelang, sich auch in der Ewigen Stadt durchzusetzen, so wurde ihm der Zugang zu St. Peter letztlich erst durch den Tod Anaklets II. ermöglicht. Ein zweiter und sehr wichtiger Effekt des Innozenzianischen Schismas war die zunehmende Verdichtung der lateinischen Kirche. Nicht nur durch das Bestreben, sich mit Hilfe des Einflusses und der Netzwerke herausragender Persönlichkeiten wie Bernhard von Clairvaux, Norbert von Xanten, Petrus Venerabilis oder Suger von Saint-Denis durchzusetzen und dazu mittelbar oder unmittelbar mit der gesamten christianitas in Kontakt zu treten, kam es zu einer Verdichtung, sondern auch durch die Ausweitung des Appellationsrechtes. Dieses führte einerseits mittelfristig zu einer verstärkten Bindung zwischen der Kurie und den Einzelkirchen, andererseits zu einer weiteren Lösung von der Stadt sowie einer Aufwertung der dadurch ortsunabhängig handlungsfähigen und auch agierenden Kurie. Für die Papstwahlordnung blieb das Schisma von 1130 ohne Folgen. Das erstaunt jedoch wenig, wenn man berücksichtigt, dass Innozenz II. im Grunde ein unkanonisch erhobener Papst war, der sich durchgesetzt hatte. Es ist daher auch kaum vorstellbar, dass Innozenz II. daran interessiert gewesen wäre, das Überrumpelungsmanöver einer Minderheit ex post legitimieren zu wollen. Einer Abgrenzung vom Gegner sollte vermutlich auch die Umgestaltung der Urkunden unter Innozenz II. dienen, sei es in den Litterae oder den feierlichen Privilegien. In ihnen kam nun auch deutlicher die veränderte Stellung der Kardinäle zum Ausdruck. Denn für die Ausbalancierung der Gewichte zwischen Kardinalskollegium und Papst brachte das Schisma eine deutliche Verschiebung zugunsten des sacrum collegium. Das geschah nicht in Form einer dauerhaften Festschreibung erweiterter kardinalizischer Kompetenzen, doch wirkten die Verschiebungen über den Pontifikat Innozenz’ II. hinaus131. Deutlich zu spüren bekam das neue 130 Urban III., am 25. November 1185 in Verona gewählt und von dort im September 1187 aufgebrochen, erreichte Rom nicht mehr, vgl. JL Bd. 2, S. 493–527; zu Urban III. vgl. auch Paolo Grillo, Urbano III, in: Enciclopedia dei papi 2 (2000), S. 311–314. Auch der am 21. Oktober in Ferrara gewählte Gregor VIII. starb, bevor er Rom erreichte, vgl. JL Bd. 2, S. 528–535; zu ihm vgl. Tommaso di Carpegna Falconieri, Gregorio VIII, in: Enciclopedia dei papi 2 (2000), S. 314–316. Zu beiden Päpsten vgl. jetzt auch RI IV/4/4/3. Zu den Aufenthaltsorten der genannten Päpste vgl. Agostino Paravicini Bagliani, La mobilità della Curia Romana nel secolo XIII. Riflessi locali, in: Società e istituzioni dell’Italia comunale: l’esempio di Perugia (secoli XII–XIV), 2 Bde., Perugia 1988, Bd. 1, S. 155–278, hier S. 225–227. 131 Vgl. Maleczek, Kardinalskollegium (wie Anm. 33), S. 52; Ders., Papst (wie Anm. 75), S. 207; zusammenfassend Zey, Entstehung (wie Anm. 99), S. 82–86.
Das Innozenzianische Schisma aus kurialer Perspektive
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Selbstbewusstsein der Kardinäle dann Eugen III., den das heilige Kollegium nach seiner Entscheidung gegen Gilbert Porreta zurückpfiff und zwang, seine Entscheidung zu revidieren, indem es ihn daran erinnerte, von wem er sein Amt habe132. Von Beginn an forcierten beide Parteien die innerkirchlichen Auswirkungen einer Obödienzentscheidung, die zur offiziellen Absetzung durch die Partei führen konnte, welcher man die Obödienz verweigerte. Das Beispiel Unteritaliens zeigt jedoch, dass der Anspruch der Kurie und die konkreten Folgen nicht immer in eins gesetzt werden dürfen, selbst nach dem Tod Anaklets II. und der klaren Niederlage seiner Partei. Dafür spricht auch, dass Eugen III. im März 1148 auf einer Synode in Reims die Weihen durch Anakletianer erneut für ungültig erklärte133. Wäre es Innozenz II. in seinen letzten Amtsjahren tatsächlich möglich gewesen, alle von Anakletianern geweihten Personen aus dem Amt zu drängen, hätte Eugen III. diese Bestimmung kaum wiederholt. Auch das kompromisslose Vorgehen Innozenz’ II. gegen die Anakletianer, bei dem er sich sogar über zuvor gemachte Zusagen hinwegsetzte, vermochte offenbar nicht alle Anakletianer zu erreichen. Dass die von Reimbald von Lüttich beklagten aufgerissenen Wunden durch ein derartiges Verhalten nicht unmittelbar geheilt werden konnten, dürfte klar sein.
132 Vgl. dazu Michael Horn, Studien zur Geschichte Papst Eugens III. (1145–1153), Frankfurt/M. u. a. 1992 (Europäische Hochschulschriften, III/508), S. 177f., 198. 133 Mansi 21, Sp. 717 c. 17; vgl. dazu auch Mühlbacher, Papstwahl (wie Anm. 3), S. 145.
Das Schisma von 1159 bis 1177 Erfolgsstrategie und Misserfolgsgründe Werner Maleczek Für Martin von Troppau, den Verfasser der in den Sechzigerjahren des 13. Jahrhunderts geschriebenen, weit verbreiteten Papst- Kaiser-Chronik, war die Beurteilung des etwa ein Jahrhundert zurückliegenden Schismas einfach: „Alexander III., in der Toskana beheimatet und aus Siena von einem Vater namens Rainunccio abstammend, regierte 21 Jahre, 11 Monate, 9 Tage lang. Er besiegte vier Schismatiker, Oktavian, Guido von Crema, Johannes von Strumi und Lando. Der erste ließ sich Viktor nennen, der zweite Paschal, der dritte Calixtus und der vierte Innocenz. Drei von diesen waren Kardinalpriester, die, vom Papst exkommuniziert, eines bösen Todes starben.“1
Der gelehrte Dominikaner, der auf der Reise in das ihm von Nikolaus III. übertragene Erzbistum Gnesen 1278 starb, wusste im großen zeitlichen Abstand genau, auf wessen Seite das Recht lag, weshalb es für ihn auch keine Veranlassung gab, über die Gründe nachzudenken, die Alexander III. zu seinem Sieg verholfen und Viktor IV. und seinen Nachfolgern ihre Niederlage bereitet hatten. Gut und Böse waren für ihn eindeutig zuzuordnen, der Erfolg bestätigte die Legitimität des einen, der Misserfolg die schismatische Gesinnung der anderen. Der von der Kirche sanktionierten Meinung, die Martin von Troppau in knappen Worten wiedergab, wurde von viktorinisch gesonnenen Zeitgenossen des Schismas, die im Einflussbereich Friedrich Barbarossas lebten und gar nicht so selten ihre Überzeugung niederschrieben, in vergleichbarer Unbedingtheit widersprochen2. 1 Martin von Troppau, Chronicon pontificum et imperatorum, ed. Ludwig Weiland, in: MGH SS, 22, Hannover 1872, S. 437: Alexander III nacione Tuscus patria Senensi ex patre Raynucio sedit annis 21, mensibus 11, diebus 9. Hic ����������������������������������������� vicit 4 scismaticos, Octavianum, Guidonem Cremensem, Iohannem Strumensem et Landonem. Primus fecit se vocari Victorem, secundus Paschalem, tercius Calixtum, quartus Innocencium. Quorum tres fuerunt presbiteri cardinales, qui per papam excommunicati mala morte perierunt. 2 Zum Beispiel: Mönch von Sazava, Continuatio Cosmae, ed. Rudolf Köpke, in: MGH SS, 9, Hannover 1851, S. 161 Z. 26–36; Pöhlder Annalen, ed. Georg Heinrich Pertz,
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Nicht wenige der annalistischen Aufzeichnungen aus dem Reich begnügen sich freilich mit der Nennung der konkurrierenden Päpste, so als wollten sie zunächst vorsichtige Neutralität bewahren3. Selten bekennt ein Autor, dass es eigentlich unmöglich festzustellen sei, wer von den beiden Päpsten im Recht sei. Dies tat Botho von Prüfening, ein Mann kontemplativer Geistigkeit und Vertreter des konservativen monastischen Reformdenkens in einer der in den Sechzigerjahren verfassten Homilien zu Ezechiel4. In eine ähnliche Richtung, ins Metaphysische überhöht, dachte der aus rheinischem Adel stammende Benediktiner Ekbert von Schönau, der im Streit der Päpste ein Strafgericht Gottes über die Sünden der Kirche erblicken wollte und es in einem Brief an seinen ehemaligen Studienfreund Rainald von Dassel für ganz unsicher hielt, wer von beiden im Rechte sei5. Selin: MGH SS, 16, Hannover 1859, S. 91–92; Magdeburger Annalen, ed. Georg Heinrich Pertz, in ebd., S. 191 Z. 40f.; Annalen von Stade, ed. Georg Heinrich Pertz, in: ebd., S. 344 Z. 36ff.; Annales Colonienses maximi, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 17, Hannover 1861, S. 773f.; Vinzenz von Prag, Annalen, ed. Georg Heinrich Pertz, in: ebd., S. 678f.; Das Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer, ed. Ferdinand Güterbock, Berlin 1930 (MGH SRG in us. schol., N. S., 7), S. 96–102; auch der etwa 1229/30 schreibende Burchard von Ursberg, Chronik, ed. Oswald Holder-Egger, Bernhard von Simson, Hannover, Leipzig ²1916 (MGH SRG in us. schol., 16), S. 40f. 3 Annales sancti Stephani Frisingenses, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 13, Hannover 1881, S. 54; Deutz bei Köln: Catalogus abbatum [Tuitiensis] continuatio, ed. Oswald HolderEgger, in: MGH SS, 14, Hannover 1883, S. 572; Heilbronn, Diöz. Eichstätt: Annales Halesbrunenses, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 16, Hannover 1859, S. 14; Egmund, Diöz. Utrecht: Annales Egmundani, ed. Georg Heinrich Pertz, in: ebd., S. 461; Metz, St. Vinzenz: Annales sancti Vincentii Mettensis, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 3, Hannover 1839, S. 158; Lobbes, Diöz. Lüttich: Annales Laubienses, Continuatio, ed. Georg Heinrich Pertz, in: ebd., S. 23. 4 Vgl. Josef Anton Endres, Boto von Prüfening und seine schriftstellerische Thätigkeit, in: NA 30 (1905), S. 603–646, hier S. 638–643; Franz Joseph Wortstbrock, in: VerfasserLexikon 1 (²1978), Sp. 971–976 s. v. 5 Friedrich Wilhelm E. Roth, Die Visionen der hl. Elisabeth und die Schriften der Aebte Ekbert und Emecho von Schönau, Brünn 1886, S. 315: Ecce enim effusa est contentio super principes principalis ecclesie, que omnium mater est, et sciderunt unitatem summi sacerdocii, ruperunt vinculum pacis ecclesiastice, ita ut invicem mordeant, invicem se interficiant, anathematizando alterutrum. Est tamen incertum, que duarum partium percutiat in gladio Petri, cum nec posset in partes dividi, nec indivisus sibi adversari. Unde fit, ut non iam correctionis dulcedinem, sed dissensionis amaritudinem amarissimam propinent omnibus terris. – Im Gegensatz dazu seine Schwester, die Mystikerin und Visionärin Elisabeth von Schönau, die in einem Brief an den Erzbischof Hillin von Trier es als göttliche Offenbarung ansah, dass Viktor IV. Gott wohlgefällig sei, ebd. S. 140: Sedes apostolica obsessa est superbia, et colitur avaricia, et cetera. Quod si non indicabis eis, que tibi revelata sunt, et ipsi in peccatis suis moriuntur, iudicium Dei portabis. Et notum sit tibi, quod, qui electus est a Cesare, ipse
Das Schisma von 1159 bis 1177
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ten sind auch die Stimmen, die die Bedingungen für die Durchsetzung Alexanders III. reflektierten. Helmold von Bosau, der seine Slawenchronik im fernen Holstein einige Jahre nach Ausbruch des Schismas begann und sie abschloss, als der Gegenpapst Calixt III. nur mehr wenige Anhänger hatte, erklärt den Erfolg Alexanders III. mit der Unterstützung durch die Kirchen des Heiligen Landes, durch ganz Frankreich, England, Spanien, Dänemark und überhaupt durch alle Königreiche auf der ganzen Welt: omnia regna que sunt ubique terrarum. Darüber hinaus trat der ganze Zisterzienserorden, der auch Erzbischöfe und Bischöfe stellte und einen monachorum inestimabilis numerus aufbieten konnte, auf Alexanders Seite. Ihr jährlich abgehaltenes Generalkapitel habe eindeutige Beschlüsse gefasst und ihr unüberwindlicher Einfluss habe Alexander III. außerordentlich stark gemacht. Friedrich Barbarossa habe sie deshalb vor Zorn aus dem Reich ausweisen lassen, sofern sie nicht Viktor IV. anhingen. Aber, so fügt Helmold hinzu, es sei schwierig anzugeben, wie viele Bischöfe und Mönche aus diesem Grund nach Frankreich geflohen seien6. Wir folgen dem Beispiel des fernen Pfarrers von Bosau und fragen nach den Gründen, die Alexander III. erfolgreich und seine Gegenspieler unterlegen sein ließen. Hingegen ist es nicht mein Anliegen, eine zusammenfassende Darstellung des Schismas von 1159 bis 1177 zu geben, die auf vorliegenden Standardwerken beruhen und angesichts einer nicht enden wollenden wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Literatur zu Friedrich Barbarossa repetitiven oder vergröbernd synthetischen Charakter haben müsste7. Die vorgeschlagenen Gründe acceptabilior est ante me.– In deutscher Übersetzung: Elisabeth von Schönau, Werke, übers. v. Peter Dinzelbacher, Paderborn 2006, S. 168; vgl. Anne L. Clark, Elisabeth of Schönau. A twelfth-century visionary, Philadelphia 1992 (Middle Ages Series), S. 120–123. 6 Helmolds Slavenchronik, ed. Bernhard Schmeidler, Berlin 1937 (MGH SRG in us. schol., 32), S. 176, Zweisprachige Ausgabe durch Heinz Stoob, Darmstadt 1963 (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, 19), S. 314–317; vgl. dazu Martin Preiss, Die politische Tätigkeit und Stellung der Cisterzienser im Schisma von 1159–1177, Berlin 1935 (Histor. Studien, 248); Elke Goez, Die fränkischen Zisterzen im Alexander-Schisma, in: Franz-Reiner Erkens, Hartmut Wolff (Hg.), Von sacerdotium und regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter. Festschrift für Egon Boshof zum 65. Geburtstag, Köln 2002 (Passauer histor. Forschungen, 12), S. 491–518. 7 Ausführlichere Darstellungen des Schismas enthalten die beiden Dissertationen von Timothy Reuter, The papal schism, the empire and the west 1159–1169, Oxford 1975 (ungedruckt) und Willibald Madertoner, Die zwiespältige Papstwahl des Jahres 1159, Wien 1978 (Dissertationen der Universität Wien, 136), weiters sehr umfangreich Johannes Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Köln 1997 (Forsch. z. Papst- u. Kaisergesch. d. Mittelalters, 16). – Bei den Arbeiten zu Barbarossa beschränke ich mich
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lassen sich in die folgenden sechs Abschnitte gliedern: 1. Zufall. – 2. Rechtsstandpunkte. – 3. Qualität des kurialen Apparates. – 4. Päpstliche Gerichtsbarkeit. – 5. Unterstützung durch die Kardinäle. – 6. Gewinnen der Obödienz.
1. Zufall Beim Abwägen der Gründe, die schließlich zugunsten Alexanders III. den Ausschlag gaben, soll gleich ein Warnschild aufgestellt werden, das Historiker aller Epochen auf die Gefahr des Zirkelschlusses hinweist, der sie bei ihren Überlegungen ständig bedroht und den ich als ‚teleologische Falle‘ bezeichnen möchte. Da das Ergebnis einer historischen Entwicklung bekannt ist, haftet den Gründen für diese Entwicklung etwas Zwanghaftes an. Dass sich das Schisma auch in eine andere Richtung hätte entwickeln können, entspricht langer historischer Erfahrung und soll als Möglichkeit immer mitbedacht werden. Das stärkste Argument dafür ist der simple Zufall, der in den 18 Jahren zwischen 1159 und 1177 wie zu allen anderen Zeiten für unerwartete Wendungen sorgte und auch Machtträger mit ausgeprägtem Sinn für politisches Kalkül immer wieder überraschte. Friedrichs II. von Preußen gegenüber Voltaire geäußerte Überzeugung, dass „drei Viertel der auf die Monographien und Sammelbände der letzten zehn Jahre: Knut Görich, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011; Barbarossa: Historie, Mythos, Marketing. Ausstellung im Theodor-Zink-Museum Kaiserslautern, 26. Juni bis 26. September 2010, Kaiserslautern 2010 (Schriften des Theodor-Zink-Museums, 22); Stefan Burkhardt u. a. (Hg.), Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte, Netzwerke, politische Praxis, Regensburg 2010; Elena Percivaldi, I Lombardi che fecero l’impresa. La Lega e il Barbarossa tra storia e leggenda, Mailand 2009; Caspar Ehlers, Karl-Heinz Ruess (Hg.), Friedrich Barbarossa und sein Hof, Göppingen 2009 (Schriften zur staufischen Geschichte, 28); Johannes Laudage, Friedrich Barbarossa (1152–1190). Eine Biografie, hg. v. Lars Hageneier, Matthias Schrör, Regensburg 2009; Pierre Racine, Frédéric Barberousse (1152–1190), Paris 2009; Christian Uebach, Die Ratgeber Friedrich Barbarossas (1152–1167), (Diss. Düsseldorf 2007) Marburg 2008; Camilla G. Kaul, Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser. Bilder eines nationalen Mythos im 19. Jahrhundert, 2 Bde., Köln 2007 (Atlas, 4, 1.2); Holger Berwinkel, Verwüsten und Belagern. Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand (1158–1162), Tübingen 2007 (Bibliothek des DHI in Rom, 114); Stefan Weinfurter (Hg.), Stauferreich im Wandel. Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 8); Jan-Ulrich Keupp, Dienst und Verdienst. Die Ministerialen Friedrich Barbarossas und Heinrichs VI., Stuttgart 2002 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 48); Knut Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001.
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Geschäfte in dieser miserablen Welt durch seine geheiligte Majestät den Zufall besorgt werden“, verdient auch hier zitiert zu werden8. Es ist mir bewusst, dass ich mit der Einführung der Kategorie ‚Zufall‘ in die Überlegungen zum Schisma ein Feld betrete, das beim Nachdenken über menschliches Schicksal und über den Verlauf der Geschichte insgesamt die unterschiedlichsten Gewächse des Geistes hervorbrachte9. Eines davon ist die sogenannte ‚kontrafaktische‘ oder ‚virtuelle‘ Geschichtsschreibung, die die Möglichkeit historischer Verläufe bewusst von tatsächlichen Verläufen abgrenzt und die Frage ‚Was wäre gewesen, wenn…‘ zum Ansatzpunkt ihrer Überlegungen macht. Dieses methodische Instrument der historischen Konstruktion wurde besonders von althistorischer Seite als sinnvolle Ergänzung des Erkenntnisprozesses propagiert und gegen Vorwürfe des müßigen Gedankenspiels und der unseriösen Spekulation, der Unwissenschaftlichkeit verteidigt10. Im Gegensatz zu Karl Hampes apodiktischer Feststellung „Die Ge8 Plus on vieillit, et plus on se persuade que Sa sacrée Majesté le Hasard fait les trois quarts de la besogne de ce misérable univers […]. (Breslau, 12.3.1759), Œuvres de Frédéric le Grand, ed. Johann David Erdmann Preuss, Bd. 22, Berlin 1853, S. 27 Nr. 349. Einige Monate später, nach der verlorenen Schlacht von Kunersdorf, ähnlich an seinen Bruder Ferdinand: Il faut de la fortune pour que ceci tourne à bien; les dés sont sur la table, le hasard en décidera. (Fürstenwalde, 28.8.1759), in: Oeuvres (wie oben), Bd. 26, Berlin 1855, S. 620 Nr. 12. Auch sonst kommt hasard häufig in Briefen an zahlreiche Empfänger vor; vgl. Helmut Neuhaus, Der Historiker und der Zufall, in: Frank-Lothar Kroll (Hg.), Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag, Paderborn 1996, S. 61– 80, hier S. 63f. 9 Vgl. den umfangreichen, von mehreren Autoren verfassten Artikel „Zufall“ in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12 (2004), S. 1408–1424; Klaus Mainzer, in: Petra Kolmer, Armin G. Wildfeuer (Hg.), Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 3 (2011), Sp. 2663–2675, hier Sp. 2663: „Zufällig heißt ein Ereignis, das ohne Grund eintritt oder dessen Grund nicht bekannt ist. Unvorhergesehene Unfälle und glückliche Wendungen sind Beispiele von Zufällen des menschlichen Lebens“; Arnd Hoffmann, Zufall und Kontingenz in der Geschichtstheorie, Frankfurt 2005 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 184). 10 Besonders Alexander Demandt, Ungeschehene Geschichte. Ein Traktat über die Frage: Was wäre geschehen, wenn…?, Göttingen 2011 (Erstausgabe 1984), der Abschnitt der Beispiele erweitert von Alexander Demandt, Es hätte auch anders kommen können. Wendepunkte deutscher Geschichte, Berlin 2010, zusammengefasst und weitergeführt von Hoffmann, Zufall (wie Anm. 9), S. 141–158; (Zusammenfassung auch durch Alexander Demandt, Kontrafaktische Geschichte, in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe [2002], S. 190–193). – Beispiele aus späteren Epochen: Gerd Tellenbach, Ungeschehene Geschichte und ihre heuristische Funktion, in: HZ 258 (1994), S. 297–316; Michael Salewski (Hg.), Was wäre wenn. Alternativ- und Parallelgeschichte. Brücken zwischen Phantasie und Wirklichkeit, Stuttgart 1999 (Histor. Mitteilungen, 36) (mit dem einleitenden Aufsatz von Hermann Ritter, Kontrafaktische Geschichte. Unter-
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schichte kennt kein Wenn“11 vertritt diese Forschungsrichtung mit guten, plausiblen Argumenten die Auffassung, dass das Nachdenken über ungeschehene Geschichte sinnvoll, ja nötig sei: Der Vergleich der geschehenen und ungeschehenen Geschichte könne eine klärende heuristische Funktion haben. Er vervollständige unser Wissen, lasse Entscheidungssituationen besser verstehen, gewichte die Kausalfaktoren umsichtiger, führe auch zur Erkenntnis negativer Tatsachen, helfe Werturteile zu begründen und Wahrscheinlichkeiten besser abzuschätzen. Historische Alternativkonstruktionen erweisen sich als heuristisch nützlich und didaktisch unentbehrlich. Obwohl sie natürlich die Überprüfung ihrer Aussagen an den Quellen unterlässt, bereichert sie dennoch die Vorstellungskraft und trägt damit zur Urteilsbildung bei. Außerdem entspricht sie dem zielorientierten Einsatz der menschlichen Phantasie bei der Rekonstruktion des tatsächlichen Geschehens und widerlegt die Möglichkeit historischer Gesetze. „Das Nachdenken über Alternativen ist ein unentbehrliches Geschäft der Geschichtswissenschaft. Die Kräfte, die sich durchgesetzt haben, können wir nur beurteilen im Vergleich zu jenen, die unterlegen sind. Die Ereignisse, die eingetreten sind, gewinnen ihr Profil erst vor dem Hintergrund jener, die anderenfalls zu erwarten gewesen wären […]. Die nicht eingetretenen Möglichkeiten haben selbst keinen Belang, liefern uns aber die notwendige Folie, vor der wir die Bedeutung des wirklich Geschehe12 Die kontrafaktische Geschichtsschreibung erleichtert den nen erst erkennen.“ �� Zugang zur Kategorie ‚Zufall‘, da sich dieser als zentrales Element in der möglichen und nicht tatsächlichen Geschichte erweist. ‚Zufall‘ wird im Folgenden sicher nicht als mathematisch-naturwissenschaftliche Aussage gebraucht, die in der Evolutionsbiologie oder Quantenphysik der Jetztzeit ihren Platz einnimmt13. Der Begriff soll auch nicht in der Linie der aristotelischen Tyche – Spekulation mit seiner ethischen Fragestellung erörtert, sondern eher im Erfahrungshorizont eines unerwarteten, jenseits und im Gegensatz haltung versus Erkenntnis, S. 13–42); Robert Cowley (Hg.),Was wäre geschehen, wenn? Wendepunkte der Weltgeschichte, München 2004 (Originalausgabe 2001); Niall Ferguson (Hg.), Virtuelle Geschichte. Historische Alternativen im 20. Jahrhundert, Darmstadt 1999. 11 Karl Hampe, Geschichte Konradins von Hohenstaufen, Leipzig ³1942, S. 327. 12 Demandt, Ungeschehene Geschichte (wie Anm. 10), S. 51. 13 Es sei an die breite Diskussion erinnert, die 1970 das vehement evolutionsgläubige Werk des Nobelpreisträgers Jacques Monod, Le hasard et la nécessité, Paris 1970 (dt.: Zufall und Notwendigkeit, München 1970, seitdem oft aufgelegt) auslöste; Marc Oraison, Le hasard et la vie, Paris 1971 (dt.: Zufall und Leben. Hat die Biologie das letzte Wort?, Frankfurt 1972); Paul Erbrich, Zufall. Eine naturwissenschaftlich-philosophische Untersuchung, Stuttgart 1988 (Münchener philosophische Studien, N. F., 2).
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zu menschlichem Kalkül stehenden Ereignisses verwendet werden. Auch die aus der scholastischen Philosophie übernommene Spekulation über Kontingenz, die seit dem 17. Jahrhundert die Geschichtsphilosophie bei der Frage nach der Bedeutung des Zufalls für den Geschichtsverlauf mitbestimmte, soll hier nicht wieder aufgenommen werden14. Es möge genügen, den aus der Antike übernommenen und in der Begrifflichkeit des Mittelalters in vielen Spielarten präsenten Begriff der fortuna als interpretierbares Bild zu gebrauchen. Die heidnische fortuna als eine unbeständige, menschlichem Einfluss unzugängliche Macht, die für das blindwütige, unberechenbare Auf und Ab des Lebens verantwortlich war, wurde von den christlichen Autoren der Patristik wegen ihrer inneren Widersprüche und wegen des Wirkens der providentia Gottes vehement kritisiert15. Augustinus beispielsweise reduziert das Unheimlich-Numinose der fortuna auf ein unerwartetes Ereignis, dessen Ursache nicht zu erkennen ist, oder ein zufälliges Ereignis, dessen Anlass und Ursache unerklärlich bleiben. Außerdem seien alle zufälligen Ereignisse letztlich göttlicher Vorsehung zuzuschreiben16. In De civitate Dei legt er schließlich dar, dass die causae fortuitae oder die fortuna eben nichts anderes als causae latentes seien, die dem Willen des wahren Gottes unterworfen sind17. Für Augustinus gibt es letztlich keinen Zufall, denn was uns als Zufall erscheine, habe seine Ursache in Gründen, die uns aus mangelndem Verständnis der göttlichen Weltordnung verborgen bleiben18. Prinzipiell gab es also für die religiös und christlich geprägten Zeitgenossen des Schismas den „Zufall“ als geschichtsmächtige Kategorie nicht, da die providentia Gottes alles lenke, wobei aber den Menschen das Erkennen von Gottes vorsorglichem Lenken oft verschlossen bleibe. 14 Vgl. Reinhart Koselleck, Der Zufall als Motivationsrest in der Geschichtsschreibung, in: Ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M. 1979, S. 158–175; Neuhaus, Historiker und Zufall (wie Anm. 8); Peter Vogt, Kontingenz und Zufall in der Geschichte. Eine Auseinandersetzung mit Reinhart Kosellecks Deutung der Sattelzeit, in: Hans Joas, Peter Vogt (Hg.), Begriffene Geschichte. Beiträge zum Werk Reinhart Kosellecks, Berlin 2011 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1927), S. 514– 556. 15 Vgl. Johannes Köhler, Vorsehung, in: HWP 11 (2001), Sp. 1206–1218. 16 Augustinus, Retractationes 1, 1, 2, ed. Pius Knöll, Wien, Leipzig 1902 (CSEL, 36), S. 12: etenim fortasse, quae vulgo fortuna nominatur, occulto quodam ordine regitur, nihil que aliud in rebus casum vocamus, nisi cuius ratio et causa secreta est. Fast identisch Augustinus, Contra academicos 1, 1, ed. Pius Knöll, Wien, Leipzig 1922 (CSEL, 63), S. 3. 17 Augustinus, De civitate Dei, I, 5, 9: Nos enim eas causas, quae dicuntur fortuitae, unde etiam fortuna nomen accepit, non esse dicimus nullas, sed latentes, eas que tribuimus vel Dei veri vel quorumlibet spirituum voluntati, ipsas que naturales nequaquam ab illius voluntate seiungimus, qui est auctor omnis conditorque naturae. 18 Vgl. Iiro Kajanto, Fortuna, in: RAC 8 (1972), S. 182–197.
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Gerade Augustinus, dessen Nachdenken über die Vorsehung diesen Begriff in die Nähe von Vorherwissen (praescientia) und Vorherbestimmung (praedestinatio) geführt und die menschliche Willensfreiheit damit problematisiert hatte, erfuhr in der Theologie des 12. Jahrhunderts eine Wiederbelebung und damit auch eine Ausdifferenzierung von providentia. Petrus Lombardus, der seinen für die weitere Theologie und Philosophie überaus wirkmächtigen Sentenzenkommentar knapp vor Ausbruch des Alexandrinischen Schismas abschloss, schreibt Gott eine allgemeine Vorsehung und Sorge für alles Geschaffene zu, sodass jeder hat, was ihm zukommt. Eine besondere Vorsehung und Sorge habe er für Vernunftbegabte, denen er seine Gebote erließ, Gesetze zum richtigen Leben vorschrieb und Belohnung in Aussicht stellte. Diese Vorsehung jedoch habe er nicht für Wesen, denen die Vernunft abgehe. Er sorgt für alle vor – providet tamen omnibus – er regiert alles, er lässt (nach Matth. 5,45) über allen die Sonne aufgehen und Regen niedergehen19. Die am meisten akzeptierten Gedanken zu diesem Problemkomplex wird jedoch erst Thomas von Aquin etwa ein Jahrhundert später formulieren20. Dass aber diese Weltdeutung nicht voll zu befriedigen vermochte, entsprach der ständigen Erfahrung der meisten Menschen. Unerklärbare, eben im landläufigen Sinn ‚zufällige‘ Ereignisse bestimmten oft ihr Leben und ließen die launische fortuna im Untergrund weiterhin existieren. Deutlichster Ausdruck dessen war das im intellektuellen Milieu ungebrochene Weiterleben von Boethius’ De consolatione philosophiae, in dessen zweitem Buch die unberechenbare und launenhafte fortuna mit ihrem Rad als Agens der Geschichte reflektiert wird21. Freilich 19 ������������������������������������������������������������������������������������������� Petrus Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae, I, 39, 4, 2, cura PP. Collegii ��������������� S. Bonaventurae Ad ClarasAquas, Ed. tertia, Grottaferrata 1971 (Spicilegium Bonaventuranum, 4/1), S. 283: Providentiam ergo et curam universaliter de cunctis quae condidit habet, ut habeat unumquodque quod sibi debetur et convenit. Sed specialem providentiam atque curam habet de rationabilibus, de quibus praecepta tradidit, eisque recte vivendi legem praescripsit ac praemia promisit. Hanc providentiam et curam de irrationabilibus non habet… Providet tamen omnibus, et curat, id est gubernat omnia, qui omnibus solem suum facit oriri et pluviam dat. 20 Vgl. Karl Rawer, Otto Hermann Pesch, Kausalität – Zufall – Vorsehung, in: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft 4, Freiburg 1982 (Enzyklopädische Bibliothek), S. 47–119, bes. S. 74–77; Norman Kretzmann, The metaphysics of providence. Aquinas's natural theology in ,Summa contra gentiles‘ III, in: Medieval philosophy and theology 9 (2000), S. 91–213. 21 Bes. De consolatione. 2,4; 2,6 u.ö.; vgl. Pierre Courcelle, Étude critique sur les commentaires de la consolation de Boèce (IX-XV siècle), in: AHDL 12 (1939), S. 5–140; Ders., La consolation de philosophie dans la tradition littéraire. Antécédents et postérité de Boèce, Paris 1967; Jerold C. Frakes, The fate of fortune in the early middle ages. The Boethian tradition, Leiden 1988 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters,
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fällt Boethius letztlich nicht in das Heidentum zurück, sondern für ihn ist fortuna vor allem ein poetischer Ausdruck für die Unsicherheit des menschlichen Lebens und die Unzuverlässigkeit des Glücks, das in äußerlichen Dingen besteht. Gerade im 12. Jahrhundert nimmt die handschriftliche Verbreitung von De consolatione philosophiae erheblich zu22. Miniaturen mit dem Rad der Fortuna gibt es seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, in größerer Dichte im folgenden Jahrhundert, wobei der von Boethius geprägte Typus vorherrscht, nach dem sie ein doppeltes oder zweiseitiges Antlitz hat, ihr Rad dreht und auf diese Weise als blinde Vermittlerin von Glück und Unglück zu sehen ist. Die Aufnahme dieses Motivs bei Fensterrosen an Kirchenfassaden beginnt noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts23. Die ausführlichste hochmittelalterliche Beschreibung von Gestalt und Wohnort der fortuna findet sich im Anticlaudianus des Alanus ab Insulis (ca. 1125–1202)24. Die literarische Verarbeitung des fortuna-Motivs begegnet ab dieser Zeit in vielen Beispielen in allen europäischen Ländern25, wovon die vier Gedichte in den
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23), weiters der von Joerg O. Fichte hg. Sammelband: Providentia – Fatum – Fortuna, Berlin 1996 (Das Mittelalter. Zs. d. Internationalen Mediävisten-Verbandes, 1,1), mit der gleichnamigen Einleitung, S. 5–20. Vgl. Codices Boethiani. A conspectus of manuscripts of the works of Boethius, bearb.v. Margret T. Gibson, Marina Passalacqua, 1: Great Britain and the Republic of Ireland. – 2: Austria, Belgium, Denmark, Luxembourg, the Netherlands, Sweden, Switzerland. – 3: Italy, Vatican City 2001. – 4: Portugal and Spain, London 1995, 2001, 2009 (Warburg Institute Surveys and Texts, 25, 27–29). Vgl. Matthias Vollmer, Fortuna Diagrammatica. �������������������������������������� Das Rad der Fortuna als bildhafte Verschlüsselung der Schrift De consolatione Philosophiae des Boethius, Frankfurt/M. 2009 (Apeliotes. Studien zur Kulturgeschichte und Theologie, 3), bes. S. 139ff., 211ff.; vgl. die Lexikonartikel: Günther Ristow, in: LCI 2 (1970), Sp. 53f. und den umfangreichen Beitrag von Sibylle Appuhn-Radtke, in: RDK 10, Fasz. 111, 112 (2005), Sp. 271–384. Alanus ab Insulis, Anticlaudianus, ed. Robert Bossuat, Paris 1955 (Textes philosophiques du moyen âge, 1), S. 169–174 (VII v. 405–VIII v. 62). Neben den älteren Arbeiten von Alfred Doren, Fortuna im Mittelalter und in der Renaissance, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 2,1, 1922/23. Leipzig 1924, S. 71–144, bes. 86–95; Howard R. Patch, The goddess Fortuna in medieval literature, Cambridge (Mass.) 1927 (ND New York 1967); und Karl Hampe, Zur Auffassung der Fortuna im Mittelalter, in: AK 17 (1927), S. 20–37; vgl. Anna Viola Siebert, Fortuna und ihr Rad. Die Bedeutung eines antiken Symbols im Mittelalter, in: Mamoun Fansa (Hg.), Der sassenspeyghel. Sachsenspiegel – Recht – Alltag, Bd. 2: Beiträge und Katalog zur Ausstellung ‚Aus dem Leben gegriffen – ein Rechtsbuch spiegelt seine Zeit‘, Oldenburg 1995 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft, 10), S. 91–96, sowie mehrere Aufsätze in Fichte (Hg.), Providentia (wie Anm. 21) und Charles M. Radding, Fortune and her wheel: the meaning of a medieval symbol, in: Mediaevistik 5 (1992), S. 127–138.
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Carmina Burana wohl die prominentesten sind26. Auch in der Historiographie ist die fortuna-Figur ein ständig wiederkehrendes Element, um die unberechenbaren, schicksalhaften Wechselfälle des politischen Lebens zu kennzeichnen, die letztlich unbegreiflich blieben. Gerade bei Chronisten des 12. Jahrhunderts – Otto von Freising, Rahewin, Petrus von Eboli, Sicard von Cremona – ist es ein häufig gebrauchtes Bild27. In die Kategorie ‚Zufall‘ möchte ich das Gelingen der Flucht Alexanders III. aus Rom Ende Juli 1167 einreihen. Nach seiner Rückkehr nach Rom im November 1165 hatte er wieder den Lateran als die traditionelle Residenz eingenommen und mit dem Senat sowie dem römischen Adel einen Modus vivendi gefunden. Der Zug Barbarossas gegen die Stadt – im Januar 1167 von Oberitalien aus mit der Absicht begonnen, einen seit etlichen Jahren geplanten, aber nie durchgeführten Zug gegen das Normannenreich im Süden ins Werk zu setzen und den Gegenpapst Paschal III. in Rom zu installieren,– hatte im Laufe des Frühjahrs zu einer allmählichen Verschlechterung der Position des Papstes innerhalb der Mauern geführt, wofür sein Rückzug Ende Mai in die Befestigung der ihn unterstützenden Frangipane bei S. Maria Nova nahe des Kolosseums das deutlichste Zeichen ist28. Seitdem sich Barbarossa mit den Würzburger Eiden von 1165 aufs engste mit Paschal III. verbunden hatte, war nunmehr die Beendigung des Schismas für ihn zu „ […] einer existentiellen Frage geworden. In Rom gedachte er, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden.“29 Die dramatischen Ereignisse des Sommers – Verhandlungen mit dem Ziel, die römische Bürgerschaft von Alexander III. zu trennen, Einnahme des Borgo und der Peterskirche, Inthronisation Paschals III. in St. Peter am 26 Carmina Burana 14 (O varium / Fortune lubricum), 16 (Fortune plango vulnera), 17 (O Fortuna, velut luna), 18 (O Fortuna levis !), Carmina Burana, ed. Alfons Hilka, Otto Schumann, Heidelberg 1930, Bd. 1: Text, S. 31–37, Bd. 2: Kommentar, S. 23–31, in der doppelsprachigen Ausgabe mit der Übersetzung von Carl Fischer, Hugo Kuhn, München 1979 (dtv Klassik, 2063), S. 34–47. 27 Vgl. Hans-Werner Goetz, Fortuna in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung, in: Fichte (Hg.), Providentia (wie Anm. 21), S. 75–89, der viele Beispiele aus Hans F. Haefele, Fortuna Heinrici IV Imperatoris. Untersuchungen zur Lebensbeschreibung des dritten Saliers, Graz 1954 (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 15), bes. S. 49–86, bezieht. 28 Zur engen Bindung der Frangipane an Alexander III. vgl. Matthias Thumser, Die Frangipane. Abriß der Geschichte einer Adelsfamilie im hochmittelalterlichen Rom, in: QFIAB 71 (1991), S. 106–163, hier S. 133–143. 29 Jochen Johrendt, Barbarossa, das Kaisertum und Rom, in: Burkhardt u. a., Kaisertum (wie Anm. 7), S. 75–107, hier S. 105. Ausführlich auch Jürgen Petersohn, Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II., Hannover 2010 (MGH Schr., 62), S. 210–224, 225–242.
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30. Juli, Krönung des kaiserlichen Paares am 1. August, Anerkennung und Privilegierung der römischen Kommune und ihr Treueversprechen, kurz: der Triumph Barbarossas – brauchen hier nicht nacherzählt zu werden. Alexander III. befand sich in einer unhaltbaren Lage und floh, so berichtet Romuald von Salerno, als Pilger verkleidet, wobei der genaue Zeitpunkt und die Umstände unklar sind30. Dabei war es eine der Absichten des Staufers gewesen, Alexander III. zu fangen oder abzusetzen, zu vertreiben oder ihn sogar umzubringen31. Ebenso Zufall, bei den klimatischen und hygienischen Verhältnissen jedoch nicht unwahrscheinlich, war der Ausbruch der mörderischen Ruhr in den ersten Augusttagen, der bis Mitte des Monats zahlreiche Große und einfache Soldaten aus dem Heer des Kaisers zum Opfer fielen und aus dem Triumph einen schmählichen Abzug machten32. Aber gerade in diesem Fall sahen die alexandrinischen Parteigänger keinen Zufall, sondern Gottes Strafe wirken33. Dem Zufall war es wohl auch zu danken, dass der Kaiser der plötzlich hereinbrechenden Seuche entkam. 30 Boso, Gesta pontificum Romanorum, in: Le liber pontificalis, ed. Louis Duchesne, Bd. 2, Paris 1886, S. 417; Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Carlo Garufi, Città di Castello 1935 (RIS², 7, 1), S. 255f.; Annales Ceccanenses, ed. Georg H. Pertz, in: MGH SS, 18, Hannover 1863, S. 285; Annales Casinenses, ed. Georg H. Pertz, in: MGH SS, 19, Hannover 1866, S. 312; Helmold v. Bosau, Slavenchronik, ed. Schmeidler (wie Anm. 6), S. 208f. 31 Davon glaubte man im fernen England Kunde zu haben: Johannes von Salisbury an Gerard Pucelle, 1166/67 (Ep. 186, Letters II, ed. W. J. Millor, Chistopher N. L. Brooke, Oxford 1986, S. 228): Etenim (ut aiunt) proposito in Italiam profecti sunt, ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et vicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant. 32 Die Quellen zusammengestellt in: RI IV/2: Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I., 2. Lfg. (1158–1168), bearb. v. Ferdinand Opll, Wien, Köln 1991, Nr. 1697; vgl. Petersohn, Kaisertum und Rom (wie Anm. 29), S. 210–242. 33 Einige Beispiele: Anonymer Fortsetzer des Otto Morena, ed. Ferdinand Güterbock, Berlin 1930 (MGH SRG in us. schol., N. S., 7), S. 206 (divino miraculo); Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 417f. (Set quoniam in cunctis actibus suis omnipotentis Dei et beati Petri mansuetudinem et patientiam, sicut homo qui non posuit Deum adiutorem sibi set speravit in multitudine divitiarum suarum, non cognovit, iratus est ei Dominus cum beato Petro cuius ecclesiam incendere, Dei timore postposito, non abhorruit. Inmisit enim tantam subitanee mortis pestilentiam in eius exercitum […]); Haimo von Saint-Germain, Continuatio, in: MGH SS, 26, S.152 (sed sola divina ultione facta est. Mirabile dictu contigit quod dominus super exercitum nefandissimi tiranni manum ultionis extendens […]); Albert Milioli, Cronica, in: MGH SS, 31, S. 642 (Sed ultione divina plamatus malleus adversus plastem iam tam improvisus hostis ferit); Annales Ratisponenses, in: MGH SS, 17, S. 588 (tantam ire divine plagam incidit, ut fere omnes regni Teutonici primates et presules quos secum habuit, pestilentia prevalente amitteret […]); Annales Teokesburienses, in: MGH SS, 26, S. 464 (etiam pro hoc facto magna pars exercitus sui divina ultione percussa est); Annalen von Winchelcombe,
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In die Kategorie ‚Zufall‘ möchte ich gleichfalls den langen, fast 22 Jahre dauernden Pontifikat Alexanders III. – den längsten des Mittelalters – einreihen und damit die – ebenfalls dem ‚Zufall‘ geschuldeten – kurzen Pontifikate seiner ersten beiden Gegenspieler – Viktor IV.: 4 Jahre, 8 Monate; Paschal III.: 4 Jahre – kontrastieren. (Die beiden nachfolgenden Gegenpäpste – Calixt III.: 10 Jahre; Innocenz III.: 4 Monate – können hier wegen ihrer dahingeschmolzenen Bedeutung außer Betracht bleiben). Über das Geburtsdatum der Konkurrenten von 1159 weiß man nichts, und die Vermutungen über ihr Lebensalter müssen sich auf die ersten Nennungen als Kardinäle stützen. Roland, dessen Gleichsetzung mit dem Bologneser Kanonisten ebenso wie sein Familienname Bandinelli zu streichen sind34, taucht im Oktober 1150 als Kardinaldiakon von SS. Cosma e Damiano auf. Sein Biograph Boso liefert über sein Vorleben nur karge Notizen, die er in Lob über seine hohe theologische Bildung, seine Gelehrsamkeit und seine Tugendhaftigkeit kleidet: Er war Kleriker der Diözese Pisa und wurde von Eugen III. an die Kurie berufen35. Oktavian erhielt die Kardinalsdiakonie von S. Nicola in Carcere Tulliano unter Innocenz II. im Jahre 1138. Die Gleichsetzung mit dem gleichnamigen Subdiakon, der 1137 nach der Chronik des Falco von Benevent als Rektor dieser päpstlichen Enklave genannt wird, wurde allgemein akzeptiert, aber gesichert ist dies nicht36. Wenn die Fortsetzung des Sigebert von Gembloux aus in: MGH SS, 16, S. 481 (Sed pro hoc sacrilegio innumera multitudine exercitus eius divina ultione percussa […]); Robert de Monte, Cronica, in: MGH SS, 6, S. 516 (Subsecuta est e vestigio ultio divina); vgl. Peter Herde, Die Katastrophe vor Rom im August 1167. Eine historisch-epidemiologische Studie zum vierten Italienzug Friedrichs I. Barbarossas, Stuttgart 1991 (Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-WolfgangGoethe-Universität Frankfurt am Main, 27, 4). 34 Vgl. John T. jr, Noonan, Who was Rolandus?, in: Kenneth Pennington, Robert Somerville (Hg.), Law, church, and society. ������������������������������������������ Essays in honor of Stephan Kuttner, Philadelphia 1977, S. 21–48; Rudolf Weigand, Magister Rolandus und Papst Alexander III, in: AKKR 149 (1980), S. 3–44; Rudolf Weigand, Glossen des Magisters Rolandus zum Dekret Gratians, in: Filippo Liotta (Hg.), Miscellanea Rolando Bandinelli, Papa Alessandro III, Siena 1986, S. 389–423. – Die Zuschreibung zur Familie findet sich erst in Sieneser Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts, und die Etablierung von Verwandtschaftsverhältnissen in den Generationen, die dem Tod Alexanders III. folgten, ist nicht schlüssig, diese bei Marcel Pacaut, Alexandre III. Étude sur la conception du pouvoir pontifical dans sa pensée et dans son oeuvre, Paris 1956 (L’Église et l’État au Moyen Âge, 11), S. 55–58. 35 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 397. 36 Falco Beneventanus, Chronicon, in: RIS, 5, Mailand 1724, S. 122; Paul Fridolin Kehr, Zur Geschichte Viktors IV., in: NA 46 (1926), S. 53–85; Hans Martin Schwarzmaier, Zur Familie Viktors IV. in der Sabina, in: QFIAB 48 (1968), S. 64–79, behandeln die Herkunft, gehen aber auf die Karriere Oktavians nicht ein. Vgl. Madertoner, Papstwahl (wie Anm. 7), S. 96.
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Anchin den 1181 verstorbenen Alexander III. senex et plenus dierum nennt37, ist dies nach einer mehr als drei Jahrzehnte währenden kurialen Laufbahn verständlich, bietet aber für das tatsächliche Lebensalter nichts Aufschlussreiches. Sicher kann man sagen, dass Oktavian älter war, aber die Langlebigkeit seines Konkurrenten gehört eben in den Bereich des biologischen Zufalls.
2. Rechtsstandpunkte Unter den argumentativ solideren Gründen für den Erfolg Alexanders soll an erster Stelle sein ständig durchgehaltener Rechtsstandpunkt genannt werden, der sich auf zwei Bereiche erstreckte. Zum einen war er von der Rechtmäßigkeit seiner Wahl unbedingt überzeugt, und kein Quellenzeugnis berichtet je von Selbstzweifeln. Dieses starre Festhalten an seiner Legitimität ist jedoch – nach sorgfältigem Abwägen aller Zeugnisse über die Vorgänge bei der Wahlversammlung in St. Peter am 7. September 1159 – nicht gerechtfertigt, weil das Verfahren, in dem die Stimmenabgabe, die Immantierung mit dem roten Papstmantel und die Akklamation durch das anwesende Volk die wichtigsten Elemente waren, nicht ausreichend geregelt war, die Papstwahlordnung von 1059 keine Rolle spielte und die Wahl in einen Tumult ausartete38. Diese unbedingte Überzeugung ließ Alexander III. alle die Jahre hindurch an der Forderung festhalten, das Schisma könne nur durch die Anerkennung seines eigenen, legitimen Papsttums gelöst werden. Der andere Rechtsstandpunkt bezog sich auf den aus Pseudoisidor stammenden Grundsatz, dass der römische Stuhl von niemandem gerichtet werden könne39. Damit stießen alle Versuche, irgendeine Instanz mit der Beurteilung der Wahl oder mit einer Art Schiedsgericht zu betrauen, auf strikte Ablehnung. Schon als die von Barbarossa gesandten Bischöfe von Verden und von Prag im November 1159 Alexander III. die Ladungsschreiben für die allgemeine Zusammenkunft in Pavia im Januar 1160 nach Anagni überbrachten, wies dieser – nach dem ex eventu schreibenden Boso – unter Hinweis auf die canonica traditio et reverenda sanctorum patrum auctoritas ein Erscheinen auf einer nicht von ihm, sondern vom Kaiser einberufenen 37 Sigebert von Gembloux, Continuatio Aquicinctina, ed. Ludwig C. Bethmann, in: MGH SS, 6, Hannover 1844, S. 419. 38 Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 104–114, bemüht sich um die gewissenhafteste Rekonstruktion des Wahlvorgangs und will das Papstwahldekret Nikolaus’ II. von 1059 eine wichtige Rolle spielen lassen, meines Erachtens nach mit wenig Erfolg. 39 Vgl. Salvatore Vacca, Prima Sedes a nemine iudicatur. Genesi e sviluppo storico dell'assioma fino al Decreto di Graziano, Rom 1993 (Miscellanea historiae pontificiae, 61).
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Versammlung zurück40. Die Kölner Königschronik legt aus Anlass dieser Vorsprache Alexander III. eine Kurzformel seiner Überzeugung in den Mund: Ego vocare debeo, non vocari; ego iudicare debeo, non iudicari41. Aber auch das Schreiben der alexandrinischen Kardinäle, das den beiden Bischöfen als Antwort zu Barbarossa mitgegeben wurde – ein zweifellos zeitgenössisches Dokument –, war im Ton weniger schroff, jedoch in der Sache nicht weniger deutlich: die römische Kirche, die Haupt und Mutter aller Gläubigen sei, sei niemandes Urteil unterworfen; hingegen müssten sie alle Gläubigen ehren wie die Glieder das Haupt42. Es bedeutete ein gewisses Entgegenkommen, dass drei alexandrinische Kardinäle nach Genua reisten. Sie waren bereit, an der Synode von Pavia teilzunehmen, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie den Vorsitz – eben als Vertreter des rechtmäßigen Papstes – führen könnten. Damit hätte die Möglichkeit bestanden, die Verhandlungen in ihrem und ihres Herrn Sinn zu leiten. Es ist verständlich, dass die in Pavia versammelten Geistlichen dieses Ansinnen ablehnten43. Viktor IV. war hingegen bereit, den Wünschen Barbarossas entgegenzukommen, der schon bei der Einberufung der allgemeinen Zusammenkunft in Pavia im Januar, später dann im Februar 1160, die Frage der Doppelwahl allein durch den Urteilsspruch kirchlicher Personen remoto omni seculari iudicio entscheiden lassen wollte44. Ein zum Ende des Jahres 1161 vom Kaiser angedachtes Schiedsgericht über die konkurrierenden Päpste wies Alexander III. durch den als Vermittler tätigen Erzbischof Eberhard von Salzburg zurück und beharrte darauf, dass sich Barbarossa nach der Exkommunikation bekehren und wieder der katholischen, also der alexand40 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 401. 41 Chronica regia Coloniensis, ed. Georg Waitz, Hannover 1880 (MGH SRG in us. schol., 18), S. 106. 42 Vgl. Walter Holtzmann, Quellen und Forschungen zur Geschichte Friedrich Barbarossas, in: NA 48 (1930), S. 384–413, hier S. 398f. 43 Gerhoch von Reichersberg, De investigatione Antichristi I,55, ed. Ernst SACKUR, in: MGH L. d. L., 3, Hannover 1897, S. 365. Die Erwähnung der Kardinäle in Genua auch im Rundschreiben der Synode von Pavia bei Otto v. Freising, Rahewin, Gesta Friderici I. imperatoris IV,80, ed. Georg Waitz, Bernhard von Simson, Berlin 1912 (MGH SRG in us. schol., 46), S. 333f. zweisprachige Ausgabe Otto von Freising, Gesta Friderici Imperatoris, ed. Franz-Josef Schmale, Darmstadt 1965 (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, 17), S. 690. Vgl. Hans Wolter, Friedrich Barbarossa und die Synode von Pavia im Jahre 1160, in: Hanna Vollrath, Stefan Weinfurter (Hg.), Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. Fs. Odilo Engels, Köln 1993 (Kölner histor. Abhandlungen, 39), S. 415–453, hier 437f.; Görich, Ehre (wie Anm. 7), S. 130. 44 DF I. 285, in: Die Urkunden Friedrichs I. 1158–1167, ed. Heinrich Appelt, Hannover 1979 (MGH DD, 10.2), S. 97 Z. 37f.
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rinischen Kirche zuwenden solle. Dann sei er entschlossen, alle Kränkungen zu vergessen. Mit Alexander sollte also keinesfalls über die Rechtmäßigkeit seiner Erhebung diskutiert werden können45. Das Motiv der Nicht-Judizierbarkeit des römischen Stuhles begleitet die Auseinandersetzung all die Jahre hindurch. Als bei der Vorbereitung des Treffens zwischen dem Kaiser und dem französischen König Ludwig VII. im August 1162 auf der Brücke von St-Jean-de-Losne Alexander III. unter erheblichen Druck geriet und die Gefahr bestand, dass die beiden Herrscher das Schisma über die Köpfe der Konkurrenten hinweg auf ihre Weise beenden könnten, traf sich der Papst mit Ludwig VII. in Souvigny. Dabei gab er etwas nach, nicht jedoch im Prinzipiellen: Er berief sich wieder auf den Grundsatz der Nicht-Judizierbarkeit der prima sedes und weigerte sich, den Kapetinger zum Treffen mit Barbarossa zu begleiten. Er erklärte sich jedoch bereit, dem König fünf seiner Kardinäle mitzugeben, die die Rechtmäßigkeit seiner Wahl einwandfrei beweisen sollten46. Die am meisten akzentuierte Gegenposition nahm Barbarossa – nach dem für diesen Zeitabschnitt verlässlichen Bericht des Saxo Grammaticus – auf dem Hoftag in St-Jean-de-Losne Anfang September 1162 ein: Nach einer Ansprache Viktors IV., in der er das legale Verfahren bei seiner Wahl und die erfolgte Prüfung durch die Synode von Pavia betonte und seinen Widersacher kritisierte, der die kanonische Untersuchung seines Amtsantrittes abgelehnt habe, hielt der Kaiser eine kurze Rede. Darin hob er hervor, dass er die provinciarum reges nur gnadenhalber zu einem Gespräch zur Beendigung des Schismas eingeladen habe, weil er sich deren Meinung nicht einfach widersetzen wollte. Anschließend wies er aber 45 Die Admonter Briefsammlung, ed. Günther Hödl, Peter Classen, München 1983 (MGH Epp. DK, 6), S. 131 Nr. 73. 46 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 406; ergänzend Chronique de Vézelay, IV, in: Monumenta Vizeliacensia. Textes relatifs à l'histoire de l'abbaye de Vézelay, ed. Robert B. C. Huygens, Turnhout 1976 (CCCM, 42), S. 525; vgl. Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 143. Die vieldiskutierten Umstände und Details des Treffens können hier außer Betracht bleiben. Vgl. Walter Heinemeyer, Die Verhandlungen an der Saône im Jahre 1162, in: DA 20 (1964), S. 155–189; Franz-Josef Schmale, Friedrich I. und Ludwig VII. im Sommer des Jahres 1162, in: ZBLG 31 (1968), S. 315–368; Walther Kienast, Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900–1270). Weltkaiser und Einzelkönige, Stuttgart 1974/75, S. 203–210; Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 79–101; Hubert Mayr, Der Pontifikat des Gegenpapstes Viktor IV. Beiträge zu seiner Biographie. Diss. Wien 1977, S. 152–170; Wolf gang Georgi, Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte. Studien zur Außenpolitik 1159–1180, Frankfurt/M. 1990 (Europ. Hochschulschriften, III/442), S. 64–79; Beate Schuster, Das Treffen von St-Jean-de-Losne im Widerstreit der Meinungen. Zur Freiheit der Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert, in: ZfG 43 (1995), S. 211–245; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 129–148; Görich, Barbarossa (wie Anm. 7), S. 398–402.
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darauf hin, dass es allein seine Aufgabe sei, über die Papstwahl zu entscheiden. Rom liege eindeutig in seinem Herrschaftsgebiet, weshalb es völlig widerrechtlich sei, wenn sich die anderen Könige anböten, in einer ihnen fremden Stadt einen Bischof zu kreieren47. Rainald von Dassel schob in einer auf Latein, Französisch und Deutsch gehaltenen Rede ähnliche Argumente nach. Als der französische König Ludwig VII. drei Wochen später vereinbarungsgemäß wieder in St-Jeande-Losne erschien, war Barbarossa gar nicht mehr anwesend, sondern Rainald von Dassel übernahm die Aufgabe, die kaiserliche Rechtsposition zu vertreten: In einem lebhaften Wortwechsel hielt er dem König entgegen, dass Friedrich Barbarossa niemals auf das Recht verzichtet habe, ein consortium iudicandi Romanam ecclesiam einzusetzen, und dass es ausschließlich den Prälaten des römischen Reiches zustehe, über die Wahl des römischen Bischofs zu urteilen. Ludwig VII. entgegnete, dass auch die französischen Könige und Bischöfe zu der Herde gehörten, die Christus dem Petrus zu weiden aufgetragen habe48. Damit war dieser deutsch-französische Versuch, das Schisma durch eine Art Schiedsgericht aufzulösen, an den scharf kontrastierenden Rechtspositionen und wohl an der vom Kaiser nie ernsthaft in Zweifel gezogenen Parteinahme für Viktor IV. gescheitert. Im Spätherbst 1163 machte sich eine alexandrinische Gesandtschaft unter Bischof Peter von Pavia auf den Weg zum Hofe des Kaisers, um erneut in aller Vorsicht das kaiserliche Projekt eines Schiedsgerichtes zu erörtern. Aber viel weiter als bis zum Südabhang des Mont-Cenis kam sie nicht, weil die sieben ins Auge gefassten Schiedsleute alle aus dem Kreis dieser Gesandtschaft gewählt werden sollten, was ein so starkes Präjudiz darstellte, dass die Verhandlungen rasch ergebnislos abgebrochen wurden49. Etwa zur selben Zeit bat der Prior der Kartause von Arvières in Savoyen Papst Alexander, sich zur Beendigung der Kirchenspaltung doch einem iudicium, also wohl einem Schiedsgericht, zu unterwerfen. Alexanders Antwortbrief ist überliefert und enthält in aller Deutlichkeit die schon öfters wiederholten Argumente: Die Rechtmäßigkeit seiner Wahl sei schon entschieden, die römische Kirche könne sich nicht dem iudicium aliorum unterwerfen, da doch das Urtei47 Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, XIV,28, ed. Gustav Waitz, in: MGH SS, 29, Hannover 1892, S. 114. Zu dieser „zum Hoheitsanspruch über den Bischof von Rom“ übersteigerten kaiserlichen Romhoheit Barbarossas vgl. Petersohn, Kaisertum und Rom (wie Anm. 29), S. 199f., 331. 48 Chronique de Vézelay, IV (wie Anm. 46), S. 527; Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 407; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 146f.; auch RI IV/2 (wie Anm. 32), Nr. 1150, 1154. 49 Das einzige Zeugnis ist der Brief des Bischofs Ulrich von Treviso an Erzbischof Eberhard von Salzburg, in: Admonter Briefsammlung (wie Anm. 45), S. 187 Nr. 27.Vgl. Görich, Ehre (wie Anm. 7), S. 142f.
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len ihr aufgetragen sei50. Barbarossa prangerte in dem Rundschreiben, das er nach dem Pfingst-Reichstag 1165 zu Würzburg ausschickte und in dem er seinen und seiner Getreuen Eid mitteilte, Alexander III. niemals anzuerkennen, dessen Starrsinn an. Während er selbst stets bereit gewesen sei, sich der iusticia zu unterwerfen, seien seine und der Kirche Feinde entweder aus Hochmut oder aus fehlendem Vertrauen in ihre eigene Sache nie dazu bereit gewesen51. Alexanders starres, von Bedenken ungeschmälertes Festhalten durch all die Jahre des Schismas hindurch erleichterte zweifellos seinen Anhängern die Loyalität. Gleichwohl hat es nicht an Versuchen gefehlt, aus dieser doppelt versperrten Sackgasse – einerseits die Würzburger Eide zugunsten Paschals III., die allen Verweigerern den Verlust ihrer kirchlichen Würden und Pfründen bzw. aller Lehn- und Eigengüter androhten, andererseits das Prinzip der Nichtjudizierbarkeit des Papstes – herauszukommen. Gerhoch von Reichersberg verfasste zwischen Sommer und Frühherbst 1166 sein Opusculum ad cardinales, das wahrscheinlich an verständigungsbereite Männer aus der Umgebung Alexanders III. gerichtet war. In ihm entwarf er Vorschläge für mögliche Vermittlungen zur Beseitigung des Schismas. Die Nichtjudizierbarkeit wurde darin argumentativ allein auf das Amt und die Person des Papstes bezogen, nicht jedoch auf weltliche Angelegenheiten, über die weder der römische noch irgendein anderer Bischof sich anmaßen dürfe, ein abschließendes Urteil abgeben zu wollen. Aber von einer Reaktion auf das Opusculum ist nichts bekannt, und es ist auch nicht sicher, ob es seine Adressaten überhaupt erreicht hat52. Allein Boso verdankt man weiters die Nachricht, dass Barbarossa knapp vor der heimlichen Flucht Alexanders III. aus Rom Ende Juli 1167 diesem habe ausrichten lassen, dass er bereit sei, dessen Ordination anzuerkennen und Paschal III. zum Rücktritt zu bewegen, wenn auch Alexander III. selbst zurücktrete. Ein großes Generalkonzil sollte dann eine dritte Person zum Papst erheben. Er, Barbarossa, wolle 50 JL 11003 (26.2.1164), ed. Storia critico-cronologica diplomatica del patriarca S. Brunone e del suo ordine Cartusiano, Bd. 4, ed. Benedetto Tromby, Neapel 1774 (ND durch James Hogg, Salzburg 1981 [Analecta Cartusiana, 84.4]), S. 80f. Nr. 64; vgl. Görich, Ehre (wie Anm. 7), S. 143f.; Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 111. 51 DF I. 480 (wie Anm. 44), S. 397 Z. 27–29: Quia vero iusticie, quam hostes ecclesie Dei ac nostri sive superbia sive ex cause sue diffidentia devitarunt, nos semper hactenus stare parati, nunc tandem ad insolita sacramenti ex eorum manifesta obstinatione sumus impulsi, a scis maticorum communione omnis homo omnisque ordo caveat. Auch RI IV/2 (wie Anm. 32), Nr. 1482. 52 Gerhohi praepositi Reichersbergensis opera inedita 1: Tractatus et libelli, ed. Odulf van den Eynde, Rom 1955, S. 309–350; zur Datierung und Interpretation vgl. Peter Classen, Gerhoch von Reichersberg, eine Biographie, Wiesbaden 1960, S. 276f., 284–287, 426; Görich, Ehre (wie Anm. 7), S. 147–156.
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sich danach in die Angelegenheit der Papstwahl nicht mehr einmischen. Dieses Angebot, so Boso, hätten Bischöfe und Kardinäle erörtert, dann aber dem Kaiser geantwortet, es sei nicht ihre Sache, über den Papst zu richten, denn Gott allein habe sich dieses Urteil vorbehalten. Damit war der Ausweg, den der Kaiser in seiner Position der Stärke ohne Gesichtsverlust anbot und der während des Großen Schismas im Spätmittelalter als via cessionis und via concilii bezeichnet werden sollte, am Festhalten Alexanders an der Nichtjudizierbarkeit gescheitert53.
3. Qualität des kurialen Apparates Zugunsten Alexanders III. wirkte sich sehr rasch aus, dass sein kurialer Apparat schon nach wenigen Wochen der Unsicherheit zu arbeiten anfing und die Zahl der expedierten Briefe jene seines Widersachers hinter sich ließ. In diesem Bereich zeigte sich, dass der ehemalige Kanzler, der diese Funktion seit den letzten Monaten Eugens III. bis zum Tode Hadrians IV. bekleidet hatte, über die Wichtigkeit der schriftlichen Kommunikation mit möglichst vielen Gliedern der christianitas gut Bescheid wusste. Nach der Weihe Alexanders in Ninfa (einige Kilometer nördlich des heutigen Latina gelegen) am 20. September 1159 etablierte sich die Kurie im etwa 50 Kilometer entfernten Küstenort Terracina, dessen Bischof an der Weihe beteiligt gewesen war, von wo aus zwischen dem 26. September und dem 19. Oktober die Wahlanzeige Eterna et incomutabilis expediert wurde. Sie ist in einer beachtlichen Zahl in nur wenig voneinander abweichenden Rezensionen erhalten. Diese wurden adressiert an den Erzbischof von Genua und seine Suffragane, an den Bischof von Bologna und die Doktoren der dortigen Schulen, an Odo von Deuil, den Chronisten und Abt von Saint-Denis, an Petrus Lombardus, den berühmten Theologen und Bischof von Paris, an den Erzbischof von Canterbury und seine Suffragane, an König Heinrich II. von England, an den Erzbischof von Mainz und seine Suffragane sowie an den gesamten Klerus in Schottland, Frankreich, England und Norditalien. Weiters findet sie sich in den Chroniken Rahewins, den anonymen Fortsetzern des Johann von Hexham und des Robert von Torigny. Ein heute verlorenes Exemplar ging an den Klerus des Königreichs Jerusalem, ein anderes lag der Synode von Pavia im Februar 1160 vor. Wenig später wurden Briefe an den Bruder des französischen Königs, Bischof
53 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 417 Z. 12–21; vgl. Görich, Ehre (wie Anm. 7), S. 156f. mit Anm. 322.
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Heinrich von Beauvais, und an die französische Königin Konstanze expediert54. Kurz: es drängt sich die Einsicht auf, dass möglichst viele kirchliche Kreise und die Herrscher Westeuropas erreicht und mit der alexandrinischen Version des Wahlvorganges vertraut gemacht werden sollten. Dies mutet wie die Beeinflussung der ‚öffentlichen Meinung‘ und eine frühe Form von Propaganda an55. Es ist symptomatisch, dass die Reaktion Viktors IV. auf diese Wahlanzeige, das von Segni aus – kaum 70 km von Terracina entfernt – am 28. Oktober 1159 expedierte Rundschreiben, Quantum honorem imperii, das auf den Text von Eterna et incommutabilis Bezug nimmt, nur in zwei Versionen überliefert ist, und zwar in dem für den Patriarchen Peregrin von Aquileja bestimmten Exemplar in der Admonter Briefsammlung, jenem Dossier von Schriftstücken, die Erzbischof Eberhard von Salzburg seit dem Ausbruch des Schismas sammelte und 1162 dem Abt von Admont übergab, und in einer allgemeineren Version, die in Rahewins Gesta inseriert ist56. Vor Mitte Dezember 1159 ließ sich die Kurie Alexanders III. in Anagni nieder und blieb dort etwa 16 Monate lang. Aus dieser Zeit sind etwa 100 Urkunden überliefert oder bezeugt, die eine beachtliche Streuung der Adressaten belegen: Schottland, französische Bischöfe, französische, englische, oberitalienische und spanische Klöster, der Abt von Viktring in Kärnten, der Salzburger Erzbischof und seine Suffragane, der Erzbischof von Toledo sowie sizilische Bi-
54 JL 10595, 10596, 10600; vgl. Marcel Pacaut, Louis VII et Alexandre III (1159–1181), in: RHEF 39 (1953), S. 5–45, hier S. 6f.; Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 232–235; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S.106–116; Robert Somerville, The beginning of Alexander III’s pontificate: ,Aeterna et incommutabilis‘ and Scotland, in: Liotta, Miscellanea (wie Anm. 34), S. 357–368, wiederabgedruckt in: Robert Somerville, Papacy, councils and canon law in the 11th–12th centuries, Aldershot 1990 (Variorum Collected Studies, 312), S. 357–368; Rolf Grosse, Die Wahlanzeige Papst Alexanders III. für die Abtei Saint-Denis ( JL 10588), in: Horst Kranz, Ludwig Falkenstein (Hg.), Inquirens subtilia diversa. Dietrich Lohrmann zum 65. Geburtstag, Aachen 2002, S. 79–84. – Aus Spanien ist bislang noch kein Exemplar bekannt geworden. Im größeren Zusammenhang vgl. Felix Gutmann, Die Wahlanzeigen der Päpste bis zum Ende der avignonesischen Zeit, Marburg 1931 (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte, 2–3), S. 49f. 55 Vgl. Myriam Soria Audebert, La propagande pontificale au temps des schismes. Alexan dre III à la reconquête de l’unité de l’Église, in: Martin Aurell (Hg.), Convaincre et persuader. Communication et propagande aux XIIe et XIIIe siècles, Poitiers 2007 (Civilisation médiévale, 18), S. 349–381, die sich freilich auf Frankreich beschränkt und Arnulf von Lisieux in den Mittelpunkt stellt. 56 Gesta Friderici, IV,60, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 622–624; Admonter Briefsammlung (wie Anm. 45), S. 89–90 Nr. 44.
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schöfe57. Ein Teil dieser Urkunden sind litterae de curia, d. h. auf Initiative der Kurie redigierte Schreiben, ein Teil resultiert aber aus Suppliken, die ein verlässliches Bild der Akzeptanz Alexanders III. als rechtmäßiger Papst abgeben. Bescheiden nimmt sich dagegen die Leistung der Kanzlei Viktors IV. aus. Auch wenn man die eingeschränkte Überlieferungschance von Urkunden eines Papstes in Rechnung stellt, der spätestens seit dem III. Lateranum von 1179 zu den Gegenpäpsten zählte und ins Vergessenwerden gedrängt wurde, kam dessen Kanzlei viel langsamer in Schwung. In den ersten beiden Jahren Viktors IV., die diesen von der Anfang Oktober 1159 in Farfa vollzogenen Weihe zunächst nach Süden, nach Segni, führte, dann über Viterbo in den Norden, zur Synode von Pavia und, oft in Begleitung Friedrich Barbarossas, zu anderen Orten in Oberitalien (Parma, Turin, Vercelli, Cremona, Lodi) reisen ließ, stellte seine Kanzlei nicht viel mehr als 40 Urkunden aus, die zum größten Teil an deutsche Köster und Bischöfe, vereinzelt auch an oberitalienische Empfänger, gerichtet waren58. Noch deutlicher wird der Abstand, wenn man die Jahre bis zum Tod Viktors IV. in Lucca am 20. April 1164 vergleicht. Der Gegenpapst war bis zum Juli 1162 an verschiedenen Orten in Oberitalien, dann zusammen mit Barbarossa in Burgund (Saint-Jeande-Losne), in Lothringen und Trier, von wo er im Spätherbst 1163 wieder nach Oberitalien zurückkehrte. Alexander III. hielt sich in der zweiten Jahreshälfte 1161 in Rom und im südlichen Patrimonium Petri auf, war dann in den ersten Monaten des Jahres 1162 in Genua und setzte Anfang April nach Südfrankreich über, wo er in Montpellier bis zum Juli 1162 Aufenthalt nahm. Danach bereiste er das Zentrum Frankreichs und gelangte in einem Bogen durch die Bretagne nach Tours, wo er sich ab Ende September 1162 bis Januar 1163 aufhielt. Nach einem etwa dreimonatigen Aufenthalt in Paris (Februar bis April 1163) kehrte er nach Tours zurück (Mai bis Juni 1163); weitere Stationen waren Déols bei Châteauroux ( Juli 1163), Bourges (August bis September 1163) und schließlich Sens, wo er sich bis April 1165 aufhielt. Beide Päpste waren also viel unterwegs und die Pferde, die Wagen, die bewaffneten Begleiter, die Fuhrknechte, die reisenden Händler gehörten ebenso zum Ambiente wie die Kurialen aus dem Klerikerstand. Während man aus diesen zweieinhalb Jahren (September 1161 bis April 1164) weniger als 50 Urkunden Viktors IV. zählt, produzierte die Kanzlei 57 JL 10596–10662; Zusätze bei Rudolf Hiestand, Initienverzeichnis und chronologisches Verzeichnis zu den Archivberichten und Vorarbeiten der Regesta Pontificum Romanorum, München 1983 (MGH Hilfsmittel, 7), S. 221–223; Itinerar bei Mayr, Pontifikat (wie Anm. 46), S. 213–216. 58 JL 14426–14456; Hiestand, Initienverzeichnis (wie Anm. 57), S. 341.
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Alexanders III. mehr als 600! Noch deutlicher ist der Abstand bei den nachfolgenden Gegenpäpsten. Die Gesamtzahl der von der Kanzlei Alexanders III. expedierten Urkunden wird wohl zwischen 6000 und 10000 betragen haben. Ein überzeugendes Zeichen für die Kontinuität der päpstlichen Kanzlei ist die Führung von Registern, die zwar – wie alle Papstregister des 12. Jahrhunderts – verloren, aber gut bezeugt sind und eine gewisse Zahl von daraus gefertigten Abschriften überliefert haben59. Das früheste Zeugnis findet sich in einem Brief Alexanders III. vom 17. November 1160, aus Anagni, an die Bischöfe von Saintes und Toulouse, in dem er ihnen die Untersuchung über die zwiespältige Bischofswahl in Pamplona übertrug. Die beiden Abschriften in Chartularen der Kirche von Toledo aus dem 13. Jahrhundert, wo der Brief überliefert ist, geben als Quelle In secundo libro domini Alexandri III an, was mit der Weihe am 20. September 1159 korrespondiert60. Die Leistungsfähigkeit der alexandrinischen Kanzlei geht auch aus Briefsammlungen hervor, die knapp aufeinanderfolgende päpstliche Briefe verzeichnen. Als Beispiel sei die Admonter Briefsammlung genannt, die schon kurz beschrieben wurde und in der neben der Wahlanzeige Eterna et incommutabilis weitere sechs Briefe bis zum September 1162, in der Mehrzahl an Erzbischof Eberhard von Salzburg, enthalten sind61. Markanter ist jedoch jene Sammlung, die auf den Bruder des französischen Königs, Bischof Heinrich von 59 Vgl. Walther Holtzmann, Die Register Papst Alexanders III. in den Händen der Kanonisten, in: QFIAB 30 (1940), S. 13–87; Uta-Renate Blumenthal, Papal registers in the twelfth century, in: Peter A. Linehan (Hg.), Proceedings of the VIIth International congress of medieval canon law, Cambridge 23–27 July 1984, Città del Vaticano 1988 (MIC, C 8), S. 135–151. 60 Paul F. Kehr, Papsturkunden in Spanien II, Göttingen 1928 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 2. Folge, 22), S. 411 Nr. 91; JL 10634. Spätere Hinweise auf das Register Alexanders III. finden sich in einer englischen Handschrift der Appendix Concilii Lateranensis, Tit. 50, vgl. Holtzmann, Register (wie Anm. 59), S. 18–54. – Auch Honorius III. konsultierte 1218 die Register Alexanders III., um dem Erzbischof von Toledo ein Privileg zu erneuern: […] quod in regestis felicis recordationis Adriani quarti, Anastasii quarti et Alexandri tertii Romanorum pontificum predecessorum nostrorum continentur littere in hec verba[…]. Demetrio Mansilla, La documentación pontificia de Honorio III (1216–1227), Rom 1965 (Monumenta Hispaniae Vaticana, Registros, 2), S. 94f. Nr. 121. 61 Admonter Briefsammlung (wie Anm. 45), S. 103 Nr. 53 (an Ebf. Eberhard von Salzburg und seine Suffragane, 4.4.1160; JL 10628), S. 106 Nr. 54 (an den Patriarchen von Grado und seine Suffragane und die anderen Prälaten der Mark Verona, 14.6.1161; JL 10666), S. 118 Nr. 65 (an Ebf. Eberhard von Salzburg, 20.1.1161; JL 10645), S. 129 Nr. 73 (an Ebf. Eberhard von Salzburg, 16.3.1162; JL 10702), S. 142 Nr. 84 (an den Bf. von Verona, 17.5.1162; JL 10719), S. 146 Nr. 87 (an Ebf. Eberhard von Salzburg, 18.9.1162; JL 10758).
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Beauvais (1149–1162), dann Erzbischof von Reims (1162–1175), zurückgeht. Ludwig Falkenstein hat mehrere, zum Teil umfangreiche Aufsätze auf Grund dieser Sammlung, heute die Handschrift 964 der Bibliothèque municipale von Arras, verfasst62. Sie enthält 519 Papstbriefe des 12. Jahrhunderts, von denen 423 an Heinrich adressiert sind. Davon stammt der Löwenanteil, nämlich 405 Briefe, aus der Kanzlei Alexanders III. Die neun Briefe an Heinrich, als dieser noch Bischof von Beauvais war, verteilen sich zwischen dem 9. November 1159 und dem 9. Februar 116263, die weiteren 396 umspannen die Zeit bis zum letzten Regierungsjahr des zum Reimser Erzbischof Aufgestiegenen. 73 Schreiben sind persönlichen Charakters, die, vor allem in den Anfängen des Schismas, entweder politische Themen zum Gegenstand haben oder die Geldsorgen des Papstes lindern sollen. Manchmal wird auch eine Person dem Wohlwollen ihres Adressaten anempfohlen. Zwischen 1168 und 1172 reden mehrere Schreiben dem Erzbischof ins Gewissen. Bei den übrigen 323 an Heinrich adressierten Schreiben handelt es sich dagegen ausschließlich um Justizsachen. Aber die Briefsammlung, wohl im erzbischöflichen Archiv von Reims entstanden, ist weit davon entfernt, vollständig zu sein. Falkenstein schätzt den verlorenen Anteil, auf den aus vielfältigen Erwähnungen geschlossen werden kann, auf „mehrere hundert Papstbriefe.“64 62 Ludwig Falkenstein, Alexander III. und der Streit um die Doppelwahl in Châlons-surMarne (1162–1164), in: DA 32 (1976), S. 444–494; Ders., Analecta pontificia Cameracensia. Zu Datum und Inhalt mehrerer Mandate Alexanders III., betreffend Cambrai (1169–1172), in: AHP 21 (1983), S. 35–78; Ders., Pontificalis maturitas vel modestia sacerdotalis? Alexander III. und Heinrich von Frankreich in den Jahren 1170–1172, in: AHP 22 (1984), S. 31–88; Ders., Appellationen ��������������������������������������������������� an den Papst und Delegationsgerichtsbarkeit am Beispiel Alexanders III. und Heinrichs von Frankreich, in: ZKG 97 (1986), S. 36–65; Ders., Decretalia Remensia. Zu Datum und Inhalt einiger Dekretalen Alexanders III. für Empfänger in der Kirchenprovinz Reims, in: Liotta, Miscellanea (wie Anm. 34), S. 153–213; Ders., Leistungsersuchen Alexanders III. aus dem ersten Jahrzehnt seines Pontifikates, in: ZKG 102 (1991), S. 45–75, 175–208; Ders., Alexandre III et Henri de France. Conformités et conflits, in: Rolf Grosse (Hg.), L’Église de France et la papauté (Xe-XIIIe siècle). Die französische Kirche und das Papsttum (10.–13. Jahrhundert), Bonn 1993 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 1), S. 103–176; Ders., Wilhelm vom Champagne, Elekt von Chartres (1164–1168), Erzbischof von Sens (1168/69–1176), Erzbischof von Reims (1176–1202), Legat des apostolischen Stuhles, im Spiegel päpstlicher Schreiben und Privilegien, in: ZRGKanAbt 89 (2003), S. 107–284. 63 Reihenfolge in Hs. 964: JL 10661, 10656, 10660, 10752, 10595, 10636, 10788, 10809, 11017. 64 Falkenstein, Alexandre III et Henri de France (wie Anm. 62), S. 105. Die Sammlung wurde schon von Edmond Martène, Ursin Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum… amplissima collectio II., Paris 1724, col. 622–1011, gedruckt und gelangte in Migne, PL 200.
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Jedenfalls erscheint Heinrich von Beauvais/Reims als ein enger Vertrauter, zu dem schon vor 1159 von Wohlwollen geprägte Beziehungen bestanden, die wohl auf die frühen Fünfzigerjahre zurückgingen, als Heinrich dreimal an die Kurie nach Rom gereist war65.
4. Päpstliche Gerichtsbarkeit Die inhaltliche Analyse der Urkunden der konkurrierenden Päpste macht das gewonnene Bild noch deutlicher. Die überwiegende Mehrzahl der von Viktor IV. ausgestellten Urkunden sind Privilegienbestätigungen, Schutzbriefe und andere Indulgenzen, die auf die Initiative der Petenten zurückgingen. Einige Briefe spiegeln die Bemühungen um Anerkennung oder Erweiterung der Obödienz wider, während Dokumente zur kurialen Gerichtsbarkeit fast vollständig fehlen66. Einer der wenigen Fälle handelt von einem Streit zwischen den Prämonstratensern von Heylissem (Brabant) und den Benediktinern von Florennes (Namur) um Besitzungen, der von Viktor IV. an den Abt von St. Truiden und den Archidiakon von Lüttich delegiert wurde, die zugunsten der ersteren entschieden. Der Gegenpapst bestätigte dieses Urteil am 1. April 1162 in Cremona, wohin Vertreter der erfolgreichen Partei gekommen waren67. Ein anderer Fall betraf einen Streit zwischen Heylissem und den Augustiner-Chorherren von Flône, den Viktor IV. an den Bischof von Lüttich delegierte68. Alexander III. hingegen setzte sehr rasch die richterliche Tätigkeit seines Vorgängers Hadrian IV. fort und machte die Kurie schon in Anagni, kaum drei Monate nach der umstrittenen Wahl, in den Jahren 1160 und 1161, zu einem Gerichtshof, der von Streitparteien aus zahlreichen 65 Brief vom 8.11.1159, wo die preterite quidem amicitie betont werden, JL 10595, ed. Migne, PL 200, Sp. 80D, Brief vom 29.11.1160, mit ähnlichen Ausdrücken: Nos enim quoniam ante promotionem nostram personam tuam, sicut tu ipse nosti, caram satis habuimus et acceptam, nunc, ad maiora domino disponente promoti, te habere volumus in nostris visceribus cariorem […]. Tu quoque sicut antequam essemus ad officium apostolice dignitatis assumpti, personam nostram specialiter dilexisti et fidelis extisti nobis admodum et devotus […], JL 10636, ed. Migne, PL 200, 96CD. Zu den Romreisen vgl. Falkenstein, Alexandre III et Henri de France (wie Anm. 62), S. 107–109. 66 Vielleicht JL 14452, 14484. 67 Zwei Urkunden Viktors IV. (1.4.1162, 13.4.1162) sind ebenso wie der Bericht der Delegaten (1161) als Original bzw. als Kopie im Chartular von Heylissem erhalten, Johannes Ramackers, Papsturkunden in den Niederlanden, Berlin 1933 (��������������������� Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, 8), S. 228–232 Nr. 97–99. 68 Urkunde Viktors IV. vom 4.9.1162, St-Jean-de-Losne, ed. ebd. S. 233f. Nr. 101.
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Gegenden seiner Obödienz angerufen wurde und der Entscheidungen fällte, die zu Dekretalen wurden69. Selbst die relativ kurzen Aufenthalte in Genua und in Montpellier, bei denen Alexander III. eher als Flüchtling denn als vicarius Petri auftrat, der über gentes et regna gesetzt wurde70, hinderten den kurialen Gerichtshof nicht am Funktionieren71. Bei seinem Aufenthalt in Frankreich in den Jahren 1162 bis zum Herbst 1165 fungierte Alexander III. in vielfältiger Weise als iudex supremus und zahlreiche Justizbriefe wurden in oft dichter Abfolge in die Gebiete seiner Obödienz versandt. Schon weiter oben wurde darauf hingewiesen, dass der größte Teil der an Erzbischof Heinrich von Reims adressierten Schreiben die päpstliche Gerichtsbarkeit betraf, was man als untrügliches Zeichen dafür interpretieren kann, dass die kuriale Justizmaschinerie bald und effizient wieder am Laufen war. Die mit Hilfe dieser Sammlung genauer untersuchten Verfahren der 69 JL 10612 (1.1.1160), an den Bf. v. Châlons-en-Champagne, der einen Boten geschickt hatte, um den Papst wegen eines Problems der Appellationen und wegen eines Kanonikers zu konsultieren, der aus seiner Kirche vertrieben worden war, in: Epistolae Pontificum Romanorum, ed. Samuel Loewenfeld, Leipzig 1885, S. 131f. Nr. 237. – JL 10613 (4.1.1160), an die Diözesanen von Thérouanne, dass sie dem Gegner des rechtmäßigen Elekten, der nach Anagni gekommen war, nicht folgen sollten; dazu JL 10618 (17.1.1160), an den Ebf. v. Reims, dass er den rechtmäßigen Elekten weihen möge und seinen Gegenspieler, der die Diözese nach Boulogne verlegen wolle, verfolge, ed. Migne, PL 200, Sp. 98f. – JL 10634, auch Kehr, Papsturkunden in Spanien II (wie Anm. 60), S. 411 Nr. 91: Alexander III. überträgt den Bischöfen von Saintes und Toulouse die Untersuchung über die zwiespältige Bischofswahl in Pamplona (Anagni, 17.11.1160). – JL 10647–10651 (22.–27.1.1161), Vergleich zwischen dem Bistum Lincoln und St Albans. – JL 10662 (8.4.1161), Delegation an den Bischof von Chichester und den Abt von Westminster wegen eines Zwistes zwischen zwei Adeligen, PL 200, col. 114. – Walther Holtzmann, Papsturkunden in England I, Berlin 1930 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 2. Folge, 5,1), S. 345 Nr. 84: Delegation eines Prozesses zwischen den Kanonikern von St-Sepulcre und St Mary in Warwick um Pfarrrechte an den Bischof v. Hereford und den Archidiakon von Worcester (3.8.1160/61). – Johannes Ramackers, Papsturkunden in Frankreich V: Touraine, Anjou, Maine und Bretagne, Göttingen 1956, (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, 35), S. 202 Nr. 111: Alexander III. beauftragt die Bischöfe von Le Mans und Rennes mit der Entscheidung des Streites zwischen dem Kloster St-Melaine in Rennes und Petrus Pigotii und dessen Neffen (Anagni, 7.2.1161). 70 Zu dieser Selbsteinschätzung, die oft wiederholt wurde, vgl. Pacaut, Alexandre III (wie Anm. 34), S. 189ff. 71 In Montpellier entschied er am 11.7.1162 einen Streit zwischen dem Bischof Petrus von Rodez und den Mönchen von St-Victor in Marseille wegen der Kirche von Bozouls, Wilhelm Wiederhold, Papsturkunden in Frankreich VII: Gascogne, Guienne und Languedoc, Göttingen 1913 (Nachrichten der Akademie zu Göttingen, 1913, Beih.), S. 104 Nr. 58 (wiederabgedruckt in: Papsturkunden in Frankreich. Reiseberichte zur Gallia Pontificia, Bd. 2, Vatikanstadt 1985 [Acta Romanorum Pontificum, 8], S. 814f.).
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folgenden Jahre – Doppelwahl von Châlons-en-Champagne 1162/64, Wahl des Bischofs von Arras 1163, Wahl des Bischofs von Tournai 1166/67, Konflikt des Erzbischofs von Reims mit seinem Kapitel 1167, Kanzler des Kapitels von Noyon 1167/68, Konflikt des Erzbischofs von Reims mit der Abtei Saint-Basle de Verzy 1169/70, Streit um die Exemtion der Abtei Corbie 1171/72 und anderes mehr – zeigen die vielfältigen Verflechtungen der päpstlichen delegierten Gerichtsbarkeit mit lokalen Angelegenheiten und damit die Anerkennung Alexanders III. als oberste richterliche Autorität. Eine weitere Sammlung von 56 Justizbriefen Alexanders III. aus der Zeit von November 1170 bis Januar 1173 – nach ihrem Erst editor Jacques Sirmond benannt –, geht wahrscheinlich auf Petrus von Celles, Abt von Saint-Rémi bei Reims (1162–1180), zurück, der als vielbeschäftigter päpstlicher Delegat die eingelaufenen Stücke zusammen mit anderen, kanonistisch interessanten Texten zusammenstellte72.
5. Unterstützung durch die Kardinäle Zugunsten Alexanders III. wirkte sich aus, dass die Mehrheit der Kardinäle und vor allem die qualifizierteren unter ihnen auf seiner Seite standen und sich unmittelbar nach der von ihnen verursachten Doppelwahl für ihn einsetzten. Die Frage der politischen Parteiungen innerhalb des Kardinalskollegiums – hier kaiserliche Partei, dort sizilische Partei –, die von der älteren Forschung gerne als Ursache des Schismas ins Treffen geführt wurde, kann hier als wackelige Hypothese beiseitegeschoben werden. Zutreffender ist wohl, dass die zunehmenden kaiserlich-päpstlichen Spannungen in den letzten Pontifikatsjahren Hadrians IV. bei der einen Gruppe die Überzeugung reifen ließen, dass es für das Wohl der römischen Kirche besser sei, das Arrangement mit Barbarossa um jeden Preis zu suchen, während die andere in der Distanz zum Kaiser den wirksameren Garanten für die Freiheit der römischen Kirche erkannte. Der Exponent der einen Gruppe war der mit dem europäischen Hochadel verwandte und als deutschfreundlich bekannte Oktavian, der spätere Viktor IV., während die andere Gruppe der Kardinäle sich am Kanzler Roland orientierte, mit dem Barbarossa seit dem Eklat des Reichstages von Besançon im Jahre 1157 unheilbar zerfallen war, weil die Ehrverletzung nicht besänftigt werden konnte. Diese Gruppe, zum Teil aus den 72 Vgl. Ludwig Falkenstein, Die Sirmondsche Sammlung der 56 Litterae Alexanders III., in: Rudolf Hiestand (Hg.), Hundert Jahre Papsturkundenforschung. Bilanz – Methoden – Perspektiven, Göttingen 2003 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, 261), S. 267–334, dabei S. 326–332, 25 weitere Texte für Petrus als Delegat.
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Kommunen Ober- und Mittelitaliens stammend, war eher durch die anti-kommunale Politik Friedrichs I. geeint. Aber die Mehrzahl der Kardinäle lässt sich vor 1159 nur schwerlich einer der beiden Gruppen zuordnen. Das Stimmenverhältnis bei der Patt-Situation am 7. September 1159 lässt sich ebenfalls nicht mit Sicherheit feststellen, da neben dem Kern von Anhängern der beiden Päpste eine Gruppe von Kardinälen schwankte und das Lager wechselte73. Unbezweifelbar bleibt jedoch, dass Roland immer die zahlenmäßige Mehrheit hatte. Aber von den Beteiligten wurde die maior pars nie ins Treffen geführt, selbst von Alexander III. nicht. Er und seine Anhänger behaupteten immer, er sei concorditer atque unanimiter von allen außer von dreien gewählt worden74. Viktor IV. und seine Anhänger gaben ihre numerische Unterlegenheit zu, bezeichneten ihre Gruppe aber als sanior pars.75 Sein Anhang, der anfänglich neun Kardinäle gezählt haben mag, bröckelte aber in den nächsten Monaten ab und umfasste nach der Synode von Pavia nur noch vier oder fünf Kardinäle76. In der Krise des Papst-Schismas zogen die Kardinäle beider Parteien die Initiative zur Durchsetzung ihrer Überzeugungen an sich. Nicht allein Alexander III. ließ in den letzten Septembertagen nach seiner Weihe in Ninfa Rundschreiben mit der Darstellung der Ereignisse aus seiner Sicht ergehen, sondern auch seine Anhänger im Kardinalskollegium. Boso berichtet, dass Alexander seine Botschaften erst nach Beratung mit den Kardinälen abgesandt habe77. Ende Oktober/Anfang November 1159 wandten sie sich in einem respektvollen Schreiben an Kaiser Friedrich Barbarossa, von dessen Haltung viel abhing. Das Paveser Konzil war noch nicht einberufen, und wenn Viktor IV. die Unterstützung des Kaisers nicht erhielt, standen seine Chancen 73 Vgl. Madertoner, Papstwahl (wie Anm. 7), S. 120ff., mit Diskussion der früheren Literatur. 74 Alexander in seiner Wahlenzyklika Eterna et commutabilis, am leichtesten zu benutzen bei Gesta Friderici, IV 61, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 626. Weiters im Rundschreiben der alexandrinischen Kardinäle nach dem Konzil von Pavia, Pontificum Romanorum qui fuerunt inde ab exeunte saeculo IX usque ad finem saeculi XIII Vitae, Bd. 2, ed. Johann Matthias Watterich, Leipzig 1862 (ND Aalen 1966), S. 494, und im Brief der alexandrinischen Kardinäle an Friedrich Barbarossa, Holtzmann, Quellen und Forschungen (wie Anm. 42), S. 399. 75 Brief des Kanonikers von St. Peter, Gesta Friderici, IV,76, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 668; Brief Viktors IV. an den Kölner Erzbischof, Chronica regia Coloniensis (wie Anm. 41), S. 106; DF I. 307 (wie Anm. 44), ebd. S. 124 Z. 31ff. 76 Brief der viktorinischen Kardinäle bei Gesta Friderici, IV,62, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 682; Konzilsrundschreiben in: MGH Const., 1, ed. Ludwig Weiland, Hannover 1893, S. 266 Nr. 190 § 2. 77 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 400.
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schlecht.78 Als die beiden kaiserlichen Gesandten, die Bischöfe Hermann von Verden und Daniel von Prag, die Aufforderung nach Terracina überbrachten, sich dem Konzil zu stellen, verhandelte nicht allein Alexander III., sondern in erster Linie das Kardinalskollegium79. Die Kardinäle wiesen das kaiserliche Ansinnen nicht von vornherein als unkanonisch zurück, sondern boten umfassende Aufklärung durch Legaten an und stellten in Aussicht, dass s i e selbst ein Konzil nach Rom einberufen würden, um davon ihr Verhalten bei der Wahl iuxta normam beurteilen zu lassen. Dies lehnten die kaiserlichen Gesandten ab und verlangten die Stellung von Geiseln80. Auch die viktorinischen Kardinäle hatten gemeinsam ein erklärendes Rundschreiben verfasst, in das sie unter anderem das Übereinkommen des gesamten Kardinalskollegiums wörtlich inserierten, das sie nach Hadrians IV. Tod in Anagni geschlossen hatten, um eine geregelte Wahl zu erreichen. Überliefert ist dieses Dokument, ebenso wie das Schreiben der alexandrinischen Kardinäle, in Rahewins Gesta Friderici imperatoris81. Aber selbst in dieser Situation zeigten sich die Kardinäle Alexanders flexibel. Sie entsandten drei ihrer angesehensten Kollegen zu Verhandlungen mit dem Staufer, in denen sie wohl die Beschickung des geplanten Konzils ablehnten, aber die Tür zu weiteren Verhandlungen offenließen82. Die Kardinäle waren in den folgenden Jahren beim Ausbau der Obödienzen, auf welche es, wie bei der Lösung des Schismas von 1130, in erster Linie ankam, in hohem Maße mitbeteiligt. Dies geschah zwar nicht mehr durch das Kardinalskollegium als Ganzes, sondern durch Legationen, bei denen Alexander III. gezielter und konsequenter vorging. Noch vor der Jahreswende 1159/60 brachen die Erfahrensten aus beiden Lagern aus auf, wobei die Planung zum Teil wieder bei den Kardinälen selbst lag83. In Frankreich trugen 78 Gesta Friderici, IV,63, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 640–644. 79 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 401. Die dort stehende Antwort des Papstes ist nach der überzeugenden Beweisführung Holtzmanns, Quellen und Forschungen (wie Anm. 42), S. 390ff., aus dem nach dem Paveser Konzil abgesandten Brief der Kardinäle (Vitae [wie Anm. 74], S. 497) geschöpft. 80 Vitae (wie Anm. 74), S. 497. 81 Gesta Friderici, IV,62f., ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 634–645. Der Brief der Viktoriner auch in der Admonter Briefsammlung (wie Anm. 45), S. 84–87 Nr. 42. Vgl. Madertoner, Papstwahl (wie Anm. 7), S. 48ff., 120ff.; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 118–123. 82 Vgl. den entsprechenden Brief bei Holtzmann, Quellen und Forschungen (wie Anm. 42), S. 398ff. 83 Vitae (wie Anm. 74), S. 497. Das hohe Verdienst der Legaten bei der Stabilisierung der Obödienz betont auch Claudia ZEY, Handlungsspielräume – Handlungsinitiativen. Aspekte der päpstlichen Legatenpolitik im 12. Jahrhundert, in: Gisela Drossbach, Hans-
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die alexandrinischen Legaten unverkennbar zum Frieden zwischen Heinrich II. von England und Ludwig VII. im Mai 1160 als Voraussetzung für eine unbelastete Parteinahme der beiden westeuropäischen Mächte bei. Obwohl durch das Wirken viktorinischer Kardinäle und durch die Machenschaften Heinrichs II. behindert, erlebten sie, dass sich die englische Kirche auf der Synode von London ( Juni 1160) und die französische Kirche auf den Synoden von Beauvais und Neufmarché ( Juni 1160) zum Großteil für Alexander entschieden84. Ein anderer Kardinallegat versteifte die antikaiserliche Front in der Lombardei und gewann Anhänger für Alexander85. Schon im Sommer 1160 weilten alexandrinische Kardinäle im Heiligen Land und konnten nach anfänglichen Schwierigkeiten, da sich König Balduin III. zunächst neutral verhalten wollte, die Synode von Nazareth im Juli 1160 dazu veranlassen, sich für ihren Auftraggeber zu entscheiden86. Etwa zur selben Zeit leiteten andere Alexandriner Verhandlungen mit Kaiser Manuel ein, die zwar zu keinem sofortigen Erfolg führten, aber die Komnenen stärker mit Alexander als mit Viktor sympathisieren ließen87. Die Bemühungen der Legaten in Ungarn führten sogar zum vollen Erfolg88. Viktor IV. hingegen ließ mehrere Monate verstreichen, bevor er Entsprechendes zur Erweiterung der Obödienz unternahm. Nach der Synode von Pavia entsandte er zwei seiner Kardinäle nach Frankreich, um der alexandrinischen Joachim Schmidt (Hg.), Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikation und Raumstrukturen im Mittelalter, Berlin 2008, S. 63–92, hier S. 63–65. 84 Vgl. Werner Ohnsorge, Die Legaten Alexanders III. im ersten Jahrzehnt seines Pontifikats (1159–1169), Berlin 1928 (ND Nendeln 1965) (Histor. Studien, 175), S.15ff; Pacaut, Louis VII et Alexandre III, (wie Anm. 54), S. 5–20; Wilhelm Janssen, Die päpstlichen Legaten in Frankreich vom Schisma Anaklets II. (1130) bis zum Tode Coelestins III., Köln, Graz 1961 (Kölner histor. Abhandl.,6), S. 61ff., korrigiert durch Mary G. Cheney, The recognition of pope Alexander III: some neglected evidence, in: EHR 84 (1969), S. 474–497, bes. 478ff. und Peter Classen, Das Konzil von Toulouse 1160, eine Fiktion, in: DA 29 (1973), S. 220–224, zusammenfassend Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 37ff. 85 Vgl. Ohnsorge, Legaten Alexanders III. (wie Anm. 84), S. 12ff.; Gerhard Dunken, Die politische Wirksamkeit der päpstlichen Legaten in der Zeit des Kampfes zwischen Kaisertum und Papsttum in Oberitalien unter Friedrich I., Berlin 1931 (Histor. Studien, 209), S. 53ff. 86 Vgl. Dunken, Politische Wirksamkeit (wie Anm. 85), S. 66ff. Hans Eberhard Mayer, Die Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, Bd. 1, Hannover 2010 (MGH Diplomata regum Latinorum Hierosolymitanorum, 1), S. 496f., D Jerus. *257. 87 Vgl. Dunken, Politische Wirksamkeit (wie Anm. 85), S. 69ff.; Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 47ff. 88 Vgl. Ohnsorge, Legaten Alexanders III. (wie Anm. 84), S. 109ff.; Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 47ff.
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Werbung entgegenzuarbeiten. In Nordfrankreich scheiterten sie. In der Folgezeit verzichtete Viktor IV. darauf, Kardinäle nach Westeuropa zu schicken. Nuntien niedrigeren Ranges war ebenso wenig Erfolg beschieden89. In seinem, vom Kaiser bestimmten Einflussbereich, findet man Mitte 1160 Kardinallegaten in Sachsen90. Die geringere Anhängerschaft unter den Kardinälen suchte Viktor IV. dadurch auszugleichen, dass er noch im Spätherbst, wohl im Dezember 1159, Kardinäle kreierte91. Aber wie unter Anaklet II. blieb sein Kardinalskollegium, das er in den folgenden Jahren auf insgesamt 15 oder 16 Personen aufstockte, eine konturenlose Gruppe, aus der nur jene stärker herausragten, die schon vor 1159 ihr Amt bekleidet hatten – etwa Imar, Kardinal-Bischof von Tusculum, der aber schon 1162 starb, oder Guido von Crema, Kardinal-Priester von S. Maria in Trastevere, der dann 1164 als Paschal III. sein Nachfolger werden sollte. Viktors beide Nachfolger kreierten etwa 15 Kardinäle, aber viel mehr als ihren Namen auf vereinzelten Privilegien kennt man nicht. Alexander III. konnte sich hingegen so sehr auf seine Kardinäle verlassen, dass er – abgesehen von zwei einzelnen Kreationen 1160 und 1163 – erst 1165 oder 1166 sein Kardinalskollegium um acht Männer aufstockte. Weitere fünf Kreationen bis zum Jahr 1179 brachten noch anderen 21 Männern diese Würde. Die alexandrinischen Kardinäle sind fast alle als Persönlichkeiten zu fassen, sie verfügten über eigene Netzwerke, zum Teil über ganz Europa, und dienten dem Papst häufig bei Legationen – als herausragende sei jene des Iacinthus, Kardinaldiakon von S. Maria in Cosmedin, auf der Pyrenäenhalbinsel 1171/74 genannt. Er hatte sich schon unter Hadrian IV. 1154/55 dort bewährt92. Häufig waren sie auch in der kurialen Gerichtsbarkeit als Auditoren beschäftigt. Die 89 Vgl. Janssen, Legaten (wie Anm. 84), S. 122f. 90 Vgl. Werner Ohnsorge, Päpstliche und gegenpäpstliche Legaten in Deutschland und Skandinavien 1159–1181, Berlin 1929 (Histor. Studien, 188), S. 7f. 91 Vgl. den Brief der alexandrinischen Kardinäle bei Holtzmann, Quellen und Forschungen (wie Anm. 42), S. 393, 400. Die ersten Unterschriften viktorinischer Kardinäle befinden sich auf JL 14434 (19.2.1160). 92 Vgl. Stefan Weiss, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis Coelestin III., 1049–1198, Köln, Wien 1995 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 13), S. 173–203; Ingo Fleisch, Rom und die Iberische Halbinsel. Das Personal der päpstlichen Legationen und Gesandtschaften im 12. Jahrhundert, in: Jochen Johrendt, Harald Müller (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Göttingen 2008 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., N. F., 2.), S. 135–190; Damian Smith, The Iberian legations of cardinal Hyacinth Bobone, in: John Doran, Damian J. Smith (Hg.), Pope Celestine III (1191–1198). Diplomat and Pastor, Aldershot 2008 (Church and faith in the medieval West), S. 81–111.
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Kardinäle Alexanders III., rechtlich wohl in einer undeutlichen Schwebelage und völlig von ihrem Herrn abhängig, bildeten den Kern der kurialen Zentralverwaltung der Kirche, die ungeachtet der unsicheren Situation des Schismas – die bis zur Machteinbuße Friedrich Barbarossas in Ober- und Mittelitalien in den frühen Siebzigerjahren jähe Umschwünge nicht ausschloss –, die Christianitas auf Alexander III. hin orientierte. Auf der Gegenseite sucht man Vergleichbares vergeblich.
6. Gewinnen der Obödienzen Der wohl entscheidende Grund, warum die Erfolgsstrategie Alexanders III. zum Ziele führte, liegt – wie beim Schisma von 1130 – im Gewinnen einer breiten Obödienz im weltlichen und kirchlichen Bereich und ihrer Stabilisierung durch eine geschickte, soeben in ihren Grundzügen dargestellte Diplomatie. Alexander III. handelte, als nach der Weihe seines Gegenspielers in Farfa am 4. Oktober 1159 das Schisma manifest war, schneller und effizienter. Offensichtlich schätzte er seinen Handlungsspielraum besser ein, während Viktor IV. zunächst ausschließlich auf Friedrich Barbarossa fixiert war: Die wenigen Schriftstücke, die von seiner Seite in den ersten Monaten seines Pontifikates erhalten blieben, zeigen, dass er nur beim Kaiser Unterstützung suchte93. Dieser, schon nach 10 Tagen von der misslungenen Wahl informiert und zunächst schwankend, aber sehr wahrscheinlich von Anfang an auf Oktavian/Viktor IV. festgelegt, legte sich in der zweiten Oktoberhälfte auf eine unter seinem Einfluss stehende Synode zur Untersuchung der Doppelwahl fest. Nichtsdestoweniger bemühte sich auch die alexandrinische Partei, wie schon weiter oben erwähnt, um die Gunst des Kaisers: Nicht weniger als 23 Kardinäle, darunter die Kardinalbischöfe von Sabina, Ostia, Preneste, Porto und Albano, adressierten an ihn – wohl Ende Oktober/ Anfang November 1159 – ein im Ton sehr verbindliches Schreiben, in dem sie ihn im Hinblick auf seine Verantwortung für die römische Kirche um Unterstützung zur Beseitigung des Schismas baten und zum Vorgehen gegen Oktavian/ Viktor IV. aufforderten94. Die vom 5. bis zum 11. Februar 1160 dauernde Syn93 Es sind dies: ein undatierter Brief an Rainald von Dassel (Chronica regia Coloniensis [wie Anm. 41], S. 107), die Wahlanzeige vom 28.10.1159 an die beim Kaiser versammelten geistlichen und weltlichen Großen des Reiches, das Rundschreiben der Wähler an die gesamte Kirche (Gesta Friderici, IV,50 und 62, ed. Schmale [wie Anm. 43], S. 622–624, 634–641). 94 Gesta Friderici, IV,63, ed. Schmale (wie Anm. 43), S. 641–644. Zur Datierung Holtz mann, Quellen und Forschungen (wie Anm. 42), S. 390; vgl. Laudage, Alexander III.
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ode von Pavia95 ließ deutlich erkennen, dass sich die Obödienz Viktors IV. weitgehend mit dem Einflussbereich des Kaisers deckte. Friedrich Barbarossa hatte sich seit Mitte Oktober des Vorjahres – trotz der militärischen Anstrengungen in der Lombardei und besonders der Belagerung von Crema, das schließlich Ende Januar hatte kapitulieren müssen – bemüht, die Zahl der Teilnehmer zu vergrößern. Dies hatte freilich nicht den gewünschten Erfolg und ließ die Absicht eines allgemein anerkannten, gesamtkirchlichen Schiedsgerichtes scheitern, zumal Alexander III. sein Kommen prinzipiell verweigerte. Nachdem die Synode mit der feierlichen Exkommunikation Alexanders III. und seiner wichtigsten Helfer im Kardinalskollegium geendet hatte, wurden Gesandtschaften ausgeschickt, um für die Annahme der Entscheidungen in Pavia zu werben und die Obödienz Viktors IV. zu vergrößern. Bezeichnenderweise war der Kaiser ihr Auftraggeber. Erfolgreich waren die Viktoriner in Ungarn, Polen, Böhmen und Dänemark, wo sich die Nähe dieser Länder zum Kaiser auswirkte. Beim letztgenannten Königreich wirkte sich jedoch das vom dänischen Chronisten Saxo berichtete Treffen von St-Jean-de-Losne von 1162 aus, und König Waldemar schwenkte auf die alexandrinische Seite um96. Aber zu schematisch sollte man auch die Gleichsetzung ‚Herrschaftsbereich Barbarossas = Obödienz Viktors IV.‘ nicht beurteilen. Denn bei der Untersuchung der in der Datierung von Privaturkunden aus der heutigen Region ‚Marche‘ vorkommenden Herrscher- und Papstnamen, die einen verlässlichen Hinweis auf Zustimmung oder Ablehnung geben, zeigte sich, dass man wohl Friedrich Barbarossa respektierte, aber dass die von ihm gestützten Gegenpäpste von Anfang an niemals eine Chance hatten97. Alexander III. setzte bewusst auf die westeuropäischen Königreiche, vernach lässigte aber auch nicht seine Anhänger in Deutschland und in Italien. Wilhelm I. von Sizilien hatte auf die Doppelwahl rasch reagiert. Romuald von Salerno berichtet, dass der König schon zur Weihe in Ninfa eine Gesandtschaft geschickt hatte98. Dies leitete eine stabile Parteinahme bis zum Ende der Regierungszeit 1166 ein. Bei der Rückkehr Alexanders III. aus Frankreich 1165 unterstützte er ihn mit Schiffen zur Überfahrt von Messina nach Gaeta, und auch sein gleichna(wie Anm. 7), S. 118. 95 Vgl. Hans Wolter, Friedrich Barbarossa und die Synode von Pavia im Jahre 1160, in: Vollrath, Weinfurter, Köln (wie Anm. 43), S. 415–453. 96 Zu diesen Ländern Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 50–57. 97 Vgl. Werner Goez, Zur Geschichte des Alexander-Schismas im nordöstlichen Mittelitalien, in: Erkens, Wolff, Von sacerdotium und regnum (wie Anm. 6), S. 519–540. 98 Romoaldi archiepsicopi Salernitani Annales, ed. Wilhelm Arndt, in: MGH SS, 19, Hannover 1866, S. 430.
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miger Nachfolger erhielt von Boso eine lobende Beurteilung, besonders weil er dem Papst bei der Flucht aus Rom im Jahre 1167 entscheidende Unterstützung gewährte99. Die wichtigen Etappen bei der Etablierung seiner Anhängerschaft im Westen waren die Synoden von London im Juni 1160, von Neufmarché im Juni oder Juli 1160 und jene von Beauvais im Juli 1160 und nicht eine Synode von Toulouse, die auf einem Missverständnis des Gerhoch von Reichersberg beruhte100. Bei der einen entschied sich der englische Klerus, bei der anderen der französische für Alexander. Die Voraussetzung war der genannte Friedensschluss zwischen den beiden Königen im Mai, der den Kampf um Toulouse beendete. Es ist freilich nicht ganz zu durchschauen, was den Ausschlag gab, der die Kirchen der beiden Länder und ihre Monarchen ins alexandrinische Lager zog. Wahrscheinlich war die entscheidende Triebfeder die seit längerer Zeit bestehenden Verbindungen Rolands/Alexanders nach Westeuropa, seine Bekanntschaften mit maßgeblichen Personen aus dem dortigen Klerus, zusammen mit dem schon geschilderten Wirken der Legaten, kurz das in der kirchlichen Elite bestehende Netzwerk, das auf gemeinsamem Studium, auf Reisen an die Kurie, auf Einsatz als päpstliche delegierte Richter beruhte. Er stützte sich dabei auf wichtige Meinungsträger in Frankreich, aus denen in erster Linie der schon genannte Bruder des Königs Ludwig VII., Heinrich, Bischof von Beauvais und später Erzbischof von Reims, hervorragt, der auch im Reich gelegene Suffraganbistümer wie Cambrai auf die alexandrinische Seite ziehen konnte. An seinem Bischofssitz fand eine der entscheidenden pro-alexandrinischen Synoden statt. Alexander bemerkte einige Monate später, dass er Heinrich, den er übrigens schon von dessen Reisen an die Kurie in den Fünfzigerjahren gut kannte und mit ihm befreundet war, mehr als allen anderen seine Anerkennung in Frankreich verdanke101. Aus der Briefsammlung des Bischofs Arnulf von Lisieux (1141–1181) lässt sich erkennen, dass auch dieser, sehr lange regierende Oberhirte schon vor 1159 mit Roland/Alexander III. in Verbindung stand102. Nach Ausbruch des Schismas wurde er sofort einer 99 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 412–414, 416f. 100 Vgl. Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 36ff.; Wolfgang Georgi, Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte. Studien zur Außenpolitik 1159–1180, Frankfurt/M 1990 (Europ. Hochschulschriften, III/442), S. 46–51 mit den jeweiligen Quellenstellen. 101 JL 10660 (7.4.1161), ed. Migne, PL 200, Sp. 111B–112D: Nostram vero receptionem que in concilio in Francia celebrato sollempniter facta est, magis quam tibi nullum mortalium imputamus. – Ähnlich JL 11347 (30.4.1167), ed. Ebd. Sp. 443C. Die Kontakte von vor 1159: JL 10595 (8.11.1159), ed. ebd., Sp. 80D, und JL 10636 (29.11.1160), ed. ebd., Sp. 96AD. 102 Vgl. Carolyn Poling Schriber, The dilemma of Arnulf of Lisieux. New ideas versus old ideals, London 1990, S. 39–48, beruhend im Wesentlichen auf Frank Barlow (Ed.),
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von dessen eifrigsten Parteigängern, dem insofern größeres Gewicht zukam, als er, im Herrschaftsbereich des englischen Königs wirkend, auch diesen und dessen Anhänger beeinflussen und auf der ‚richtigen‘ Seite halten konnte, solange er in dessen Gunst stand, also bis etwa 1162. Die Briefe an den Papst und seine Anhänger im Kardinalskollegium, besonders aus den Jahren 1159 bis 1161, geben davon beredtes Zeugnis ab103. Aber auch in späteren Jahren wandte sich Arnulf wiederholt an Alexander III. Er war einer der wenigen Kirchenmänner, dessen persönliche Erinnerung an das Schisma zwischen Innocenz II. und Anaklet II. zurückreichte. Er hatte 1133 als Archidiakon von Sées in der Normandie einen polemischen Traktat gegen Gerhard von Angoulême, den Legaten Anaklets II. in Frankreich, verfasst und so wohl zur Erweiterung der Obödienz des PapareschiPapstes beigetragen104. Wie sehr Alexander III. auf Westeuropa setzte, zeigt sich ferner in wiederholten Aufforderungen, ihn finanziell zu unterstützen und aus der auch seinem Gegenspieler Viktor IV. bekannten Geldnot zu befreien. Ebenfalls wurde dieses finanzielle Motiv von Friedrich Barbarossa thematisiert, der in einem hasserfüllten Schreiben an den Kanzler des Königreiches und Bischof von Soissons, Hugo von Champfleury, im Frühjahr 1162 spottete, dass Roland nun nach Frankreich komme, um das Land auszurauben und irgendwie 20.000 Pfund zusammenzukratzen, damit er seine Gläubiger zufriedenstellen könne105. Der erste, in fünf Exemplaren erhaltene Appell stammt aus dem Februar/März 1161 und richtete The letters of Arnulf of Lisieux, London 1939 (Camden series, 3,61), engl. Übers. durch Carolyn Poling Schriber,The Letter collections of Arnulf of Lisieux, Lewiston (NY) 1997 (Texts and studies in religion, 72); vgl. auch Soria Audebert, Alexandre III (wie Anm. 55), S. 358–362; hier von Interesse Brief an Kanzler Roland: Ep. 15, ed. Barlow, S. 20f.; übersetzt bei Schriber, S. 36f. 103 Ep. 23–25, 27, 29f., 33–35, ed. Barlow (wie Anm. 102), S. 29–34, 36–38, 43–50, 50f., 53–63, übers. Schriber (wie Anm. 102), S. 49–53, 60f., 88–90. 104 �������������������������������������������������������������������������������������� Arnulfi Sagiensis archidiaconi, postea episcopi Lexoviensis, invectiva in Girardum Engolismensem episcopum, ed. Julius Dieterich, in: MGH L. d. L., 3, Hannover 1897, S. 81–108. 105 Das Urteil Viktors: Schreiben an Raimund der Provence und dessen Frau, 17.11.1161, Paul Fridolin Kehr, Papsturkunden in Spanien I, Göttingen 1926 (Abhandlungen der Akademie zu Göttingen, phil.-hist. Kl., 2. Folge, 18), S. 371 Nr. 87. Der Brief Barbarossas bei Martin Bouquet, Recueil des historiens des Gaules et de la France, Bd. 16: 1060– 1180, Paris 1871, S. 202 Nr. 10, ein Hinweis darauf in MGH DD F. I., Bd. 5, S. 507, Anhang I Nr. 10); vgl. RI IV/2 (wie Anm. 32), Nr. 1051: […] ut terram Francigenarum intret eamque scismatice pravitatis errore utpote manifestus Dei et ecclesie ac imperii inimicus commaculet et spoliet, ut etiam quomodocumque corradat viginti mille libras et amplius, unde creditoribus suis debita persolvat […].
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sich an Diözesen und exemte Klöster im Norden und im Süden Frankreichs, aber auch jenseits der Pyrenäen106. Aus späteren Quellen erfährt man, dass sich Alexander III. schon in den Anfängen des Schismas gezwungen sah, bei privaten Finanziers Kredite aufzunehmen. Auch bei den Templern verschuldete er sich während seines langen Aufenthaltes in Frankreich107. Entscheidend zur Stabilisierung der Obödienz Alexanders III. in Frankreich trug das schon weiter oben erwähnte persönliche Erscheinen bei108. Auf dieser etwa dreijährigen Reise wirkte der persönliche Kontakt mit zahlreichen Bischöfen und weltlichen Machthabern. Auf der Synode von Montpellier Mitte Mai 1162 traf er mit Raimund V. von Toulouse und mit Wilhelm, dem Herrn von Montpellier, zusammen, und die Exkommunikation über seinen Widersacher Viktor verkündete er zusammen mit den anwesenden Erzbischöfen und Bischöfen von Sens, Tours, Auch, Narbonne, Auxerre, Saint-Malo, Nevers, Thérouanne, Maguelonne und Toulouse. Die Oberhirten von Bourges und Reims sowie von Évreux und Bayeux kamen einige Tage später109. An anderer Stelle ist auch von den anwesenden Bischöfen von Autun, Périgueux, Cahors, Chartres, Nîmes und Oviedo die Rede110. Im Herbst desselben Jahres kam es im Abstand von einigen Tagen an der Loire und in Déols zum Treffen des Papstes mit dem englischen und dem französischen König111. Zur Machtdemonstration Alexanders III. auf französischem Boden und quasi zur Heerschau seiner Anhänger wurde dann das Konzil von Tours im Mai des folgenden Jahres 1163. Boso zählte unter den Teilnehmern 17 Kardinäle und 124 Bischöfe und weiters zahlreiche Äbte und hohe weltliche Würdenträger112. Die moderne Forschung bestätigte grosso modo seine Angaben. Prälaten aus Frankreich, England, Schott106 Vgl. Arye Graboïs, Les séjours des papes en France au XIIe siècle et leurs rapports avec le développement de la fiscalité pontificale, in: RHEF 49 (1963), S. 5–18, wiederabgedruckt in: Ders., Civilisation et société dans l’Occident médiéval, London 1983 (Variorum Collected Studies, 174), Nr. II.; Falkenstein, Leistungsersuchen (wie Anm. 62). 107 Vgl. Falkenstein, Leistungsersuchen (wie Anm. 62), S. 175–179. 108 Siehe oben S. 184; vgl. Pierre Jounel, Les voyages des papes en France au Moyen Âge, in: Mélanges de science religieuse 49 (1992), S. 5–32, bes. S. 21–23, und Rolf Grosse, Ubi papa, ibi Roma. Papstreisen nach Frankreich im 11. und 12. Jahrhundert, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, Ostfildern 2012 (Mittelalter-Forschungen, 38), S. 313–334, hier S. 331–334. 109 JL 10719. 110 JL 10729; Robert Somerville, Pope Alexander III and the Council of Tours (1163). A study of ecclesiastical politics and institutions in the twelfth century, Berkeley 1977, S. 7. 111 Vgl. Somerville, Council of Tours (wie Anm. 110), S. 3f., nach Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 407f. 112 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 408.
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land, Spanien und der Lombardei waren anwesend, als die vorbereiteten Kanones verabschiedet wurden, unter denen sich erneut eine Verurteilung der Schismatiker und die Erklärung der Ungültigkeit der Weihen Viktors IV. befand113. Nach dem Ende des Konzils erging ein Aufruf des Papstes zur Leistung der honestae procurationes, womit einmal mehr die finanzielle Notlage Alexanders III. und seiner Kurie deutlich wurde, die durch den Reichtum Westeuropas und besonders Frankreichs gemildert werden konnte. In diesen Bereich fallen auch Nachrichten über großzügige Geldgeschenke von Seiten der königlichen Verwandten und finanzielle Leistungen der französischen Kirche knapp vor und nach der Rückkehr nach Italien114. Alexanders mehr als achtzehn Monate dauernder Aufenthalt in Sens (Oktober 1163 bis April 1165), inmitten der Kardinäle und der anderen Kurialen, zog zahlreiche Petenten, Prälaten und Adelige an und trug zur tieferen Stabilisierung der westeuropäischen Obödienz bei. Die vielen in dieser Zeit überwiegend für französische Abteien ausgestellten Privilegien setzen jeweils die Vorsprache von deren Abgesandten voraus115. Zu Ende des Jahres 1163 kam auch König Ludwig VII. zu Besuch, Zeichen eines Wohlwollens, das nur vereinzelt getrübt war, etwa durch konkurrierende Gerichtsbarkeit116. Seit Thomas Becket, von König Heinrich II. aus England vertrieben, sich ab November 1164 in der Zisterzienserabtei Pontigny – eine gute Tagesreise von Sens entfernt – aufhielt, geriet die Politik des englischen Königs und die englische Kirche verstärkt ins Blickfeld von Alexander III. und dessen Kurie. Becket war von mehreren Reisen nach Rom in den Fünfzigerjahren mit Kardinälen und anderen Persönlichkeiten des päpstlichen Hofes bekannt oder vertraut und hatte auch am Konzil von Tours im Jahr zuvor teilgenommen, verfügte also über ein Netzwerk, das ihn bei Alexander III. unterstützte und den Druck Heinrichs II. auf den Papst, den unbequemen Erzbischof von Canterbury fallen zu lassen, neutralisierte. Das persönliche Zusammentreffen zwischen Papst und Erzbischof, von diesem mit dem Ziel der Resignation angestrebt, bewirkte im Gegenteil dessen Bestätigung auf dem Erzstuhl von Can-
113 Vgl. Somerville, Council of Tours (wie Anm. 110), bes. S. 19–32, 63–67. 114 Vgl. Falkenstein, Leistungsersuchen (wie Anm. 62), S. 63–70, 175–184, 206f. 115 JL 10944–11173. Die in Sens für Empfänger in der Franche-Comté und in Burgund stellt zusammen Benoît Chauvin, Les conséquences diplomatiques des voyages pontificaux à travers les comté et duché de Bourgogne (milieu XIe – milieu XIIe siècle), in: Bernard Barbiche, Rolf Grosse (Hg.), Aspects diplomatiques des voyages pontificaux, Paris 2009 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 6), S. 31–68, hier S. 66–68. 116 Chronicon S. Columbae Senonensis, in: Bouquet, Recueil (wie Anm. 105), Bd.12: 1060–1180, S. 281.
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terbury, freilich aber auch das Verbot, gegen Heinrich II. zu agitieren, und die Empfehlung, sich in Pontigny aufzuhalten117. Die Anerkennung durch das byzantinische Kaiserreich war mit einer gewissen Verzögerung erfolgt, die Kirche des lateinischen Königreiches Jerusalem hatte sich nur zum Teil für Alexander entschieden. Norwegen, Schweden, Schottland, Irland hatten von Anfang an im Lager Alexanders gestanden. Auch die Kirchen der spanischen Königreiche und die Könige hatten diesen seit Ausbruch des Schismas anerkannt, wobei die einzelnen Motive nicht klar zu Tage liegen118. Allein Raymond-Berengar IV. von Barcelona hatte 1160/61 in verhaltener Weise Viktor IV. zugeneigt. Die Verteilung der Obödienzen hatte in Grundzügen ab der zweiten Hälfte des Jahres 1160 festgelegen, und daran sollte sich auch nicht mehr viel ändern, obwohl die entsprechenden Versuche von beiden Seiten nicht fehlten. Dabei griffen Verhandlungen zur Lösung des Schismas und das Abwerben von Unterstützern ineinander. Die Versuche mögen im Folgenden mehr aufgezählt als detailliert dargestellt werden: Im Frühjahr 1162, durch die Einnahme und Zerstörung von Mailand selbstbewusster und mächtiger denn je, setzte Friedrich Barbarossa den französischen König unter Druck, das Schisma durch ein persönliches Treffen zu beenden und damit das Ausweichen Alexanders III. nach Frankreich seit dem Spätherbst 1161 unwirksam zu machen. Ludwig VII., wahrscheinlich durch deutsch-englische Bündnisgespräche im Dezember 1161 aufgeschreckt, willigte ein. Damit begannen jene monatelangen Verhandlungen, die zu den Treffen an der Reichsgrenze an der Saône in Saint-Jean-de-Losne Ende August 1162 und dann drei Wochen später im September an derselben Stelle führen sollten. Das von kaiserlicher Seite erhoffte Ergebnis blieb aus und die Obödienz Viktors IV. blieb auf das Reich und seine lehnsabhängigen Nachbarn beschränkt119. Das Ergebnis soll freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für Alexander zeitweilig eng wurde, und es ist wohl seinem eigenen Verhandlungsgeschick, besonders beim Gewinnen der englischen Unterstützung, dem Festhalten am eigenen 117 Vgl. Frank Barlow, Thomas Becket, London 1986, S. 121–127; Anne Duggan, Thomas Becket's Italian network, in: Frances Andrews u. a. (Hg.), Pope, church and city. Fs. Brenda Bolton, Leiden 2004 (The medieval mediterranean, 56), S. 177–201, bes. S. 179–189; wiederabgedruckt in: Dies., Thomas Becket: Friends, networks, texts and cult, Ashgate 2007 (Variorum Collected Series, 877), Nr. I, S. 1–21, bes. S. 3–10); Hanna Vollrath, Thomas Becket. Höfling und Heiliger, Göttingen 2004 (Persönlichkeit und Geschichte, 164), S. 102–104. 118 Vgl. Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 47f., 57f. 119 Am ausführlichsten mit Diskussion der bisherigen Studien Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 128–149.
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Rechtsstandpunkt, der Gewandtheit seiner Diplomaten und der Einflussnahme seiner französischen Anhänger an prominenter Stelle zuzuschreiben, dass der französische König auf seine strikte Ablehnung eines Schiedsgerichtes einschwenkte und es zum entscheidenden Treffen in der letzten Septemberwoche ohne Alexander III. kam. Auch der schon kurz erwähnte Ausbruch des Konflikts Heinrichs II. von England mit Thomas Becket 1164 barg für Alexander III. die latente Gefahr, dass der König auf die Seite Paschals III. umschwenken könnte120. Tatsächlich fand bald darauf ein Austausch von Gesandten statt – Rainald von Dassel reiste 1165 nach Rouen und dann nach Westminster, englische Vertreter begaben sich zum Hoftag in Würzburg im Mai 1165 –, und es sah danach aus, dass der öffentliche Seitenwechsel Heinrichs II. unmittelbar bevorstand. Dies mochte den Kaiser in der Absicht bestärken, rauere Töne anzuschlagen, die gesamte Reichskirche auf die Seite Paschals III. zu bringen, gegenüber Alexander III. fortan auf Verhandlungen zu verzichten und eine Art via facti zu wählen. Aber es blieb bei der Drohung. Es soll auch nicht vergessen werden, dass die Reichskirche trotz der erzwungenen Eide von Würzburg kein monolithischer viktorinischer Block war. Verschiebungen zwischen den Obödienzen fanden auch nach 1164 statt121. Barbarossas kurzzeitiger Triumph in Rom im Sommer 1167, die darauffolgende Katastrophe und sein Rückzug nach Norden mischten quasi die Karten neu und erlaubten es Alexander III., in Oberitalien seine Obödienz auszubauen. Aber der Lombardenaufstand bedeutete für ihn nicht den Sieg. Die Spannungen zwischen dem englischen und dem französischen König wuchsen bedrohlich an, und wieder musste Alexander sein ganzes diplomatisches Geschick aufbieten, um den Übertritt eines der beiden Könige in die gegnerische Obödienz zu verhindern. Nach dem Tod Paschals III. am 20. September 1168 und der knapp darauf erfolgten Wahl des Gegenpapstes Calixt III. sondierte Barbarossa im Frühjahr 1169 vorsichtig bei Alexander III. durch eine Mission der Äbte von Clairvaux und Cîteaux und des Bischofs Eberhard von Bamberg, hauptsächlich wegen der kaiserlichen Rechte in Italien, aber nach weiteren Gesprächen war es im Frühjahr 1170 damit wieder vorbei. Verhandlungen in Veroli scheiterten. Auch ein Treffen des Kaisers mit dem französischen König im Februar 1171 bei Vaucouleurs an der deutsch-französischen Grenze blieb folgenlos und verschob die bestehenden Obödienzen nicht. Angesichts all dieser mehr als ein Jahrzehnt währenden Versuche beider Seiten, 120 Vgl. Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 128–130; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 154–158; Görich, Barbarossa (wie Anm. 7), S. 408f. 121 Vgl. Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 173ff.; Laudage, Alexander III. (wie Anm. 7), S. 158–166.
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die starren Grenzen der Obödienzen aufzubrechen, stellt sich die Frage, wann sich die Waagschale entscheidend zugunsten Alexanders III. senkte. Am plausibelsten ist wohl, dies mit der Verschiebung des Machtgefüges in Oberitalien anzusetzen, die durch den Lombardenbund dem Kaiser mehr und mehr zusetzte, die Anhängerschaft Alexanders III. stetig vergrößerte und den Weg über Montebello, Legnano und Anagni nach Venedig bahnte. Vielleicht hat auch das Wirken des Magdeburger Erzbischofs Wichmann Anteil an diesem Einlenken122. Hier soll nochmals die Warnung vor der teleologischen Falle ausgesprochen werden. Ein anderer Ausgang der Schlacht von Legnano 1176 hätte Alexanders III. Position wieder entscheidend verändern können. Zum Abschluss dieses Abschnitts soll noch ein kurzer Blick auf die Obödienzenverteilung bei den religiösen Orden geworfen werden123. Vorauszuschicken ist aber, dass ein über einzelne Klöster hinausreichendes Bewusstsein eines Gesamtordens nur bei einigen wenigen Mönchsgemeinschaften existierte und dort durch eine zentralistische Ordensverfassung gefördert wurde124. Cluny und seinem weitgespannten Verband kam eine wichtige Rolle zu, aber nach dem Tod des Petrus Venerabilis (†1156), der 35 Jahre lang Abt gewesen war und entschei dend zum hohen Prestige der ecclesia Cluniacensis beigetragen hatte, wurde dieses durch interne Streitigkeiten und nur kurz regierende Äbte in Frage gestellt. Hugo von Fraisans, aus einem kleinen Adelsgeschlecht der zum Reich gehörigen Franche-Comté stammend und seit geraumer Zeit Prior von Cluny, wurde 1158 zum Abt gewählt. Nach Ausbruch des Schismas entschied er sich für Viktor IV. – nach der Aussage der Chronik von Vézelay auf Druck seines Konventes125 –, wohl auch wegen der Bindung seiner Familie zu den Staufern und in Rücksicht auf die Cluniazenserklöster im Reichsgebiet – wie er 1163 in einem Brief an Gilbert Foliot, den neuen Bischof von London, schrieb126 – und reiste zum Konzil nach Pavia im Februar 1160. Der einzige Cluniazenser unter den Kardinälen, Imar von Tusculum, war einer der Wähler und eifrigen Anhänger Viktors IV. Die Exkom122 Görich, Barbarossa (wie Anm. 7), S. 431f. 123 Vgl. Reuter, Schism (wie Anm. 7), S. 180ff. 124 Vgl. Constance Hoffman Berman, The Cistercian evolution. The invention of a religious order in twelfth-century Europe, Philadelphia (Pa) 2000 (The middle ages series), zusammengefasst bei Gert Melville, Die Zisterzienser und der Umbruch des Mönchtums im 11. und 12. Jahrhundert, in: Franz Felten, Werner Rösener (Hg.), Norm und Realität. Kontinuität und Wandel der Zisterzienser im Mittelalter, Berlin 2009 (Vita regularis., 42), S. 23–43. 125 Chronique de Vézelay (wie Anm. 46), S. 513. 126 Materials for the history of Thomas Becket, ed. James C. Robertson, Bd. 5, London 1881 (Rolls Series, 67, 5), S. 30–32, hier S. 31f.
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munikation und Absetzung durch Alexander III. beziehungsweise seine Legaten erfolgte prompt, und Hugo wurde von seinen Mönchen vertrieben (1162 oder 1163?). In Cluny wurde als sein nunmehr stramm alexandrinischer Nachfolger Stephan von Boulogne gewählt, der am Konzil von Tours 1163 anwesend war und die nochmalige Exkommunikation seines Konkurrenten miterlebte. Die ecclesia Cluniacensis in Frankreich blieb alexandrinisch, der frühere Abt Hugo fand sich nach seiner Vertreibung im Umkreis des Kaisers und vertrat die Interessen der Cluniazenserklöster in dessen Obödienzbereich, unterwarf sich aber schließlich 1177 in Venedig Papst Alexander III.127 Die Prämonstratenser waren nach politischen Strukturen geteilt, aber dies galt schon vor dem Ausbruch des Schismas. Am prononciertesten bezogen die Zisterzienser Position, und zwar für Alexander III. Das Generalkapitel fasste im September 1160, nachdem bereits auf der Synode von Beauvais im Juli desselben Jahres eine entsprechende Obödienzerklärung erfolgt war, den Beschluss zugunsten Alexanders128. Im Reich rechts des Rheins setzten bald Repressalien ein. Aber in Deutschland gelang es den meisten Zisterzen – trotz des auf der Würzburger Synode von 1165 erlassenen Ediktes gegen die grauen Mönche, das bei Ungehorsam gegenüber dem Gegenpapst den Landesverweis androhte –, sich mit der Zwangslage zu arrangieren und nicht offen Stellung zu beziehen. Einzelne Konvente wie Eberbach im Rheingau hatten freilich den Weg ins Exil anzutreten129. Die Kartäuser waren ebenfalls alexandrinisch, aber die wenigen deutschen Kartausen konnten sich bei öffentlichen Stellungnahmen in ihre strenge Klausur zurückziehen. Die Ritterorden verhielten sich opportunistisch und warben Privilegien von beiden Seiten ein. 127 Vgl. Dieter Hägermann, Ein Brief Erzbischofs Christian I. von Mainz an die Mönche von Cluny. Cluny und das Papstschisma von 1159, in: ADipl 15 (1969), S. 237–250; Giles Constable, The abbots and anti-abbot of Cluny during the papal schism of 1159, in: Ders., The abbey of Cluny. A collection of essays to mark the eleven-hundredth anniversary of its foundation, Münster 2010 (Vita regularis, 43), S. 491–520 (Erstfassung in: Revue bénédictine 94 [1984], S. 370–400). 128 Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786, Bd. I., ed. Joseph Marie Canivez, Louvain 1933, S. 73. – Bericht über die Versammlung von Beauvais durch Abt Fastrad von Clairvaux in einem Brief an Bf. Omnibonus von Verona, Admonter Briefsammlung (wie Anm. 45), S. 125–127 Nr. 70. 129 Vgl. Preiss, Stellung der Cisterzienser (wie ���������������������������������������������� Anm. 6), S. 187–255, bes. S. 221–227; Timothy Reuter, Das Edikt Friedrich Barbarossas gegen die Zisterzienser, in: MIÖG 84 (1976), S. 328–336; DF I. 479 (wie Anm. 44); Goez, Die fränkischen Zisterzen (wie Anm. 6), S. 491–518; Hubertus Seibert, Autorität und Funktion. Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen in Mönch- und Kanonikertum, in: Ernst-Dieter Hehl u. a. (Hg.), Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (MittelalterForschungen, 6), S. 207–241, hier S. 224–229.
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*** In seinen eigenen Briefen äußerte sich Alexander III. nie differenziert über die Gründe seines Erfolges gegen die seiner Überzeugung nach schismatischen Päpste. Für ihn war es offensichtlich, dass Gott auf seiner Seite stand und ihm, dem rechtmäßigen Papst, zum Erfolg verholfen hatte. Die Ansichten seines Herrn gibt wohl am besten sein Biograph Boso wieder, der seit etwa 1165 die Ereignisse kontinuierlich niederschrieb und dessen Beitrag zum Liber Pontificalis eigentlich nur ein einziges Thema hatte, nämlich die siegreiche Überwindung des Schismas. Gegen Ende seiner Vita, die mit der triumphalen Rückkehr des Papstes nach Rom nach dem Friedensschluss von Venedig 1177 aufhört, gibt Boso eine knappe Beurteilung des glücklichen Ausgangs: scismaticis malum per divinam potentiam omnino extinctum – „das Übel des Schismas wurde durch die Macht Gottes zur Gänze beseitigt“130.
Zwischen den ersten und den zweiten Druckfahnen erschien der Sammelband Peter Clarke, Anne J. Duggan (Hg.), Pope Alexander III (1159-1181). The art of survival, Farnham 2012 (Church, faith and culture in the Medieval West), mit dreizehn Beiträgen, die fast alle das hier behandelte Thema berühren. Ein Einarbeiten hätte die Akzente wohl etwas verschoben, aber nicht grundlegend geändert.
130 Boso, Gesta (wie Anm. 30), S. 445 Z. 30.
Zur damnatio memoriae bei Gegenpäpsten Chancen und Grenzen eines diachronen Vergleichs von Hippolyt (217–235) bis Felix V. (1439–1449) Gerald Schwedler Als legitimer Papst gilt, wer sein Amt durch von Zeitgenossen anerkannte Verfahren wie Wahl und Inthronisation erhielt1. Wer hingegen als ‚Gegenpapst‘ zu gelten hatte, darüber befand die Partei, die sich in einem Schisma durchsetzte und diese Position nachhaltig vertreten kann. Um die Unrechtmäßigkeit des Opponenten zu erweisen, gab es keine anerkannten Regeln, es handelte sich gewissermaßen um eine Verfahrenslücke. Allerdings traten im Kampf opponierender Päpste wiederholt ähnliche Mechanismen und Vorgehensweisen hervor, mit denen um Anerkennung und Durchsetzung der eigenen Rechtmäßigkeit gerungen wurde. Neben politischem Vorgehen beispielsweise durch ökonomische Anreize oder durch das Inaussichtstellen von Ämtern, Würden und Vorteilen, Unterstützung zu erhalten oder durch juristische Verfahren wie das Herbeiführen von synodalen bzw. konziliaren Beschlüssen, sind vor allem auch die publizistischen Techniken von Diffamierung und Delegitimierung zu nennen, die noch lange nach dem Tod des Opponenten eingesetzt wurden. Teil dieser postmortalen Rufschädigung sind sowohl das Verschweigen als auch das Vernichten von Beweisen und Hinweisen, die ein Ausüben eines Pontifikates belegen und somit einen in einem Schisma unterlegenen Opponenten erst zum Gegenpapst machen. Für diese Erinnerungsvernichtung zwischen Rezeption und Rezeptionsverweigerung gegenüber unterlegenen Päpsten liegt der Begriff der damnatio memoriae nahe, der im Folgenden in seiner spezifischen Erscheinungsform innerhalb der Papstgeschichte untersucht werden soll. Der Begriff wird allgemein in Anlehnung an einen terminus technicus der frühneuzeitlichen Altertumsforschung (erstmals Leipzig 1689)2 für das Verschwindenlassen von Relikten und Informationen unerwünschter Persönlichkeiten ver1 Der vorliegende Beitrag steht in engem Zusammenhang mit meinem Forschungsprojekt zur damnatio memoriae im Mittelalter. Der Vortragsstil wurde beibehalten und um zentrale Nachweise ergänzt. 2 Christoph Schreiter, Dissertationem juridicam de damnatione memoriae, praescitu superiorum, in florentissima Philurea, Lipsiae 1689.
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wendet. Er findet nicht nur Anwendung für den deletorischen Umgang mit dem Andenken an antike Kaiser oder Staatsfeinde, wie die Forschungen im Bereich der Alten Geschichte zeigen konnten3. Auch im heutigen Zeitalter der Informationstechnologie und Massenkommunikation ist das Phänomen nicht ungeläufig4. Die Vernichtung der Erinnerung bzw. der positiven Erinnerung an einen einstigen Gegner scheint sich zwar geradezu wie eine historische Konstante durch die Geschichte zu ziehen, ist aber für den Bereich des Mittelalters noch nicht systematisch untersucht worden5. Gerade aber im Umgang mit der Geschichte von schismatischen Päpsten zeigen sich innerhalb und außerhalb der Kirche höchst differenzierte und reflektierte Vorgehensweisen, die nicht mit einem Zusammentragen von einzelnen Akten des Löschens, Ausmeißelns, Schwärzens, Verbrennens oder im Fluss Versenkens dem Phänomen angemessen erklärt werden können. Gerade in Bezug auf die Verlierer eines Schismas zeigt sich, dass es nie ausschließlich zu Akten der Zerstörung und Tilgung kam. Siegreiche Päpste propagierten stets parallel zur Vernichtung der positiven Erinnerungsträger eine spezifisch negative Erinnerung an ihre einstigen Konkurrenten. Jüngst schlug Kai Sprenger in einem Beitrag hierfür – in Anlehnung an die Verwendung des Begriffs der memoria damnata, mit dem in kurialen Quellenkontexten seit dem 12. Jahrhundert die Gegenpäpste erinnert werden – für diese spezifische Form einer damnatio memoriae den Begriff damnatio in memoria vor, auch in Abgrenzung zu der zumindest häufig assoziativen Vorstellung der damnatio memoriae als Erinnerungsvernichtung6. Dieser Befund aus Tilgung und Negativdarstellung ist im Folgenden weiter zu differenzieren und innerhalb der medi3 Seit der zentralen Studie von Friedrich Vittinghoff, Der Staatsfeind in der römischen Kaiserzeit. Untersuchung zur „damnatio memoriae“, Berlin 1936, entstanden zahlreiche Arbeiten im Bereich der Alten Geschichte, zuletzt Florian Krüpe, Die Damnatio memoria. Über die Vernichtung von Erinnerung. Eine Fallstudie zu Publius Septimius Geta (198–211 n. Chr.), Gutenberg 2011, Forschungsüberblick bes. S. 19–23; zur Einordnung in die internationale Erinnerungsforschung vgl. Gerald Schwedler, Damnatio memoriae – oblio culturale: concetti e teorie del non ricordo, in: Antonio Rigon (Hg.), Condannare all’oblio. Pratiche della damnatio memoriae nel Medioevo. Atti del Convegno del XX Premio Internazionale ‘Cecco D’Ascoli‘, Ascoli Piceno 2010, S. 3–18. 4 Vgl. Florian Gresshake, Damnatio memoriae. Ein Theorieentwurf zum Denkmalsturz, München 2010. 5 Vgl. Rigon, Condannare (wie Anm. 3); Marc von der Höh, „damnatio memoriae“, in: Jens Ruchatz, Nicolas Pethes (Hg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon, Reinbek 2001, S. 109. Christian Gizewski, damnatio memoriae, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike 3 (1997), S. 299f. 6 Kai-Michael Sprenger, Damnatio memoriae oder Damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit so genannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der Papstge-
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alen Manifestation von ‚gegenpäpstlicher‘ memoria klarer zu unterscheiden. Damit können die jeweils spezifisch eingesetzten Möglichkeiten zwischen deletorischer Praxis, delegitimierenden und erinnernden Verfahrensweisen (insbesondere in der Geschichtsschreibung) im diachronen Vergleich präziser erfasst werden. Die Aufgabe, die damnatio memoriae an ‚Gegenpäpsten‘ im diachronen Vergleich zu untersuchen, kann hier nur anhand weniger zentraler Aspekte auf einer methodischen Ebene angegangen werden. Problematisch ist erstens, dass kein Konsens darüber besteht, wer im engeren oder weiteren Sinne als ‚Gegenpapst‘ zu zählen ist. Nennt Amato Pietro Frutaz 36 „Antipapi autentici“, 7 „Antipapi dubbi“ und 9 „Antipapi impropriamente detti“7, so weist die Encyclopedia dei Papi (2000) 38 Gegenpäpste aus8, und im Annuario Pontifico 2010 werden bei einigen der 37 als Gegenpäpste markierten Personen Zweifel an einer klaren Zuordnung zugelassen9. Herders Lexikon der Päpste (2010)10 zählt erstmals die avigonesischen Schisma-Päpste wohl zu Recht nicht mehr als Gegenpäpste. Von einer klar umrissenen Personengruppe kann also keineswegs ausgegangen werden. Zweitens ist die untersuchte Epoche enorm lang und reicht von Hippolyt (217– 235) bis Felix V. (1439–1449). In dieser Zeit wandelten sich Verfahrensweisen der Papstwahl, Kommunikationswege, Traditionen und Vorstellungen substanziell und erschweren die Vergleichbarkeit11. Drittens ist zu berücksichtigen, dass die Untersuchung der damnatio memoriae bei Gegenpäpsten bei Weitem nicht nur die Ereignisse während des eigentlichen Pontifikates betrifft. Vielmehr wäre zu jedem opponierenden Papst eine eigene Rezeptionsgeschichte zu erstellen, die schichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31–62. Ich danke Kai Sprenger für zahlreiche weitere Hinweise. 7 Amato Pietro Frutaz, Antipapa, in: ECatt 1 (1948), Sp. 1483–1490, hier Sp. 1485–1498. 8 Encyclopedia dei Papi, ed. Istituto della Enciclopedia Italiana, 3 Bde., Rom 2000, vgl. die Eintragungen der Inhaltsverzeichnisse zu Bd. 1–2 . 9 Annuario Pontifico per l’anno 2010, Città del Vaticano 2010. Die Liste der Päpste ist den Jahresbänden des Annuario stets als eigene Lage vorangebunden, im Jahre 2010, S. 7*–20*. Der Redaktionsvermerk S. 7 Anm. 2 schränkt die Autorität des Liber Pontificalis als Hauptquelle ein: „Con le correzioni opportune secondo i risultati della scienzia storica fino ad oggi. Tra parentesi quadre sono i nomi degli antipapi.“ Ansätze einer Rehabilitation bei Dioskur (539): S. 9* Anm. 11: „Forse può sostenersi la segittimità di Dioscoro, che morì dopo 22 giorni dall’elezione.“ ����������������������������������������������������������� Zu Leo VIII. (963–965) wird die Frage „Fu valida tale deposizione?“ unbeantwortet gelassen, S. 12* Anm. 19. 10 Bruno Steimer (Hg.), Herders Lexikon der Päpste, Freiburg, Basel u. a. 2010, S. 19. 11 Lexikonartikel mit synthetisierendem Anspruch: Hans-Jürgen Becker, Gegenpapst, in: HRG 1 (22008), Sp. 1995f.; Arnaud Amanieu, Antipape, in: DDC 1 (1935), Sp. 598– 622; Odilo Engels, Gegenpapst, in: LThK 4 (31995), S. 346; Pierre Kerbrat, Antipope, in: Encyclopedia of the Middle Ages 1 (2000), S. 75f.
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den unterschiedlichen Akten an Tilgungen und Negativdarstellung in den darauffolgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten nachgeht12. Die bisherigen Forschungen sind hierzu unbefriedigend, denn einzelne Papstschismen und Gegenpäpste wurden zwar umfangreich, aber nur biographisch bearbeitet, und nicht deren Nachwirkungen und Rezeption in der Geschichtsschreibung. Ein Vergleich der Gegenpäpste und der Mechanismen einer damnatio memoriae erfolgte bisher nicht, auch nicht in den beiden monographischen Studien von Ludovico Agnello Anastasio (1754) und Danielo Maria Zingarelli (1859), die den gesamten Zeitraum der Gegenpäpste umfassen, sich aber im Wesentlichen mit dem Erweis der „antipapalitas“ beschäftigen, was eine theologischkirchenrechtliche, aber keine hinreichende historische Fragestellung ist13. Der nun in Aachen vorangetriebene Forschungsansatz, Papstschismen als Prüfsteine der päpstlichen Autorität zu untersuchen, richtet den Blick erneut auf die historischen Phänomene14. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, das Durchsetzen der einen Partei nicht notwendigerweise als Beweis von Rechtmäßigkeit zu betrachten und ex post formulierte Legitimationsargumente innerhalb der Historiographie zu wiederholen. Im Folgenden geht es allerdings nicht nur um Bewertung historiographischer Strukturen und Mechanismen im Umgang mit Geschichte von unterlegenen Schismatikern, sondern vielmehr um die Bandbreite an Medien, mit denen Legitimität auch noch Jahrhunderte nach Beendigung eines Schismas hergestellt werden kann. Einleitend wird hierzu der Fall von (Gegen-) Papst Konstantin II. (767–768) vorgestellt. Davon ausgehend werden drei zentrale Wirkungsweisen und -absichten einer damnatio memoriae entwickelt, die jeweils eine bestimmte Ebene im Umgang mit einem päpstlichen Gegner berühren und einen anderen methodischen Zugang erfordern.
12 Eine derartige Rezeptionsstudie bietet Walter Brandmüller, Johannes XXIII. im Urteil der Geschichte – oder die Macht des Klischees, in: AHC 32 (2000), S. 106–145; die Papstschismen des 4. Jahrhunderts untersucht unter dem Aspekt der Erinnerungsbildung Steffen Diefenbach, Römische Erinnerungsräume. Heiligenmemoria und kollektive Identitäten im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr., Berlin u. a. 2007 (Millennium-Studien: zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 11), bes. S. 222–251. 13 Zwei Monographien versammeln die Gegenpäpste als Ansammlung kirchenfeindlicher Persönlichkeiten: Ludovico Agnello Anastasio, Istoria degli Antipapi, Neapel 1754 (ND Mailand 1971); Danielo Maria Zingarelli, Storia degli��������������������������� �������������������������������� Antipapi e di taluni memorabili avvenimenti delle epoche rispettive dello scisma, Neapel 1859 (ND o. O. 2010). 14 Vgl. das in Aachen angesiedelte DFG-Projekt „Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter“, das den Rahmen der Tagung bildete.
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I. Methoden und Funktionen einer damnatio memoriae am Beispiel Konstantins II. Am Pontifikat Konstantins II. (767–768) können exemplarisch verschiedene Facetten einer damnatio memoriae eines Gegenpapstes gezeigt werden15. Nach dem Tod von Papst Paul I. (765–767) konnte Herzog Toto von Nepi nach Eroberung des Laterans seinen Bruder Konstantin als Papst durchsetzen. Bischof Georg von Palestrina weihte den Laien Konstantin zunächst zum Subdiakon und Diakon und dann gemeinsam mit den Bischöfen von Albano und Porto am 5. Juli 767 zum Papst. Der durch Konstantin verdrängte päpstliche Primicerius Christophorus arbeitete konsequent gegen dessen Herrschaft an16. Seine politischen Aktivitäten führten zu einem unerwarteten Schulterschluss mit dem Langobardenkönig Desiderius, dessen Heer mit Hilfe bzw. durch Verrat der Parteigänger von Christophorus im Juli 768 Rom einnahm. Im Rahmen der Eroberung wurde Papst Konstantin vertrieben und Philippus, ein Mönch aus dem Veitskloster am Esquilin, als Papst inthronisiert. Als jedoch noch am selben Tag der Primicerius Christophorus in Rom erschien, wurden beide, Konstantin und Philippus, für abgesetzt erklärt und Stefan III. (768–772) als neuer Papst gewählt. Die beiden Hauptquellen, die Vita Stefans III. und ein Fragment der Akten des Absetzungskonzils, geben eindeutig die Sichtweise der siegreichen Partei wieder17. Stimmen der Gegenseite sind nicht 15 Ausführlich: Costantino Anon, Antipapa, in: Encyclopedia dei Papi 1 (2000), S. 670– 675; Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz u. a. 1968, S. 13– 25; John S. Gibaut, The Clerical Cursus of Constantine of Nepi, in: Ecclesia Ornans 12 (1995), S. 195–206; Quellen: Le Liber Pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, Cyrille Vogel, 3 Bde., Paris 1886–1957 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 2,3), hier Bd. 1, S. 463f., 468–477. Die Edition des Liber Pontificalis von Theodor Mommsen, Berlin 1898 (MGH GPR, 1), enthält lediglich die Viten bis Papst Konstantin I. (708–715). 16 Dazu Ottorino Bertolini, La caduta del primicerio Cristoforo (771) nelle versioni dei contemporanei e le correnti antilongobarde e filolongobarde in Roma alla fine del pontificato di Stefano III (771–772), in: RSCI 1 (1947), S. 227–262, 349–378, wieder abgedruckt in: Ders., Scritti scelti di storia medioevale, 2 Bde., Livorno 1968 (Università degli Studi di Pisa. Pubblicazioni dell’Istituto di Storia della Facoltà di Lettere, 3), S. 615–677. Zuletzt mit ausführlicher Einordnung der Quellen Yvonne Leiverkues, Die invasio apostolice sedis des Konstantin. Das Papsttum nach der ‚Pippinischen Schenkung‘, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, Ostfildern 2012 (Mittelalter-Forschungen, 38), S. 27–49. 17 Vita Stephani, in: Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 469; Bericht des Primicerius Christophorus innerhalb der Konzilsakten: Concilium Romanum a. 769, ed. Albert Werminghoff, in: MGH Conc. 2,1, Hannover 1906, S. 74–92, hier S. 83–85; dazu Sebastian
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erhalten. So wissen wir, dass Papst Philippus, der nach nur einem Tag abdankte, ehrenvoll in sein Kloster zurückkehren durfte. Gegen den abgesetzten Konstantin II. wählte die Partei des Primicerius Christophorus und des neuen Papstes Stefan III. ein ungleich härteres Vorgehen. Es lässt sich ein mehrstufiges Verfahren erkennen, bei dem die Usurpation des Amtes durch Konstantin erwiesen und gleichzeitig die Existenz des Pontifikats ungeschehen gemacht werden sollte: Am 6. August 768 versammelten sich Bischöfe, Presbyter und Kleriker zu einer Synode in Rom. Konstantin wurde durch Verlesen der Kanones für abgesetzt erklärt (depositus) und seiner Gewänder und Insignien entkleidet, die symbolisch vor ihm zu Boden geworfen wurden18. Am darauffolgenden 7. August erfolgte die Weihe Stefans III. zum Papst. Die Überführung Konstantins in die Klosterhaft in San Saba auf dem Aventin sollte eine offensichtliche Demütigung sein: Er musste auf einem Pferd mit Damensattel reiten, und seine Füße wurden mit Gewichten belastet19. Wenige Monate später wurde Konstantin von einer aufgebrachten Volksmenge bzw. einer Zusammenrottung unter der Führung des Chartulars Gratiosus aus dem Kloster geholt, und es wurden ihm auf offener Straße die Augen ausgestochen20. Ein halbes Jahr später fand die römische Frühjahrssynode zu Ostern 769 statt, zu der Stefan III. geladen hatte und an der etwa 100 kirchliche Würdenträger teilnahmen21. Al-
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Scholz, Politik – Selbstverständnis – Selbstdarstellung: Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, Stuttgart 2006 (HF, 26), S. 75. Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 472: Sabbato vero die, diluculo, ante unam diem ordinationis praefati beatissimi Stephani papae, aggregati aliquanti episcoporum seu presbiterorum et cleri in basilica Salvatoris, iterum praefatus Constantinus ad medium adfertus est; lectisque sacratissimis canonibus ita depositus est. Accedens enim Mausianus subdiaconus orarium de eius collo abstulit et ante pedes eius proiecit, et campagos ipsius abscidit. Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 471: Nam Constantinus invasor apostolice sedis deductus ad medium est; et magno pondere in eius adhibentes pedibus, in sella muliebrile sedere super equum fecerunt et in monasterio Cellanovas coram omnibus deportatus est. Aus���� führliche Bewertung bei Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 15), S. 17; Zum Motiv des demütigenden Ritts eines Papstes: Klaus Schreiner, Gregor VIII., nackt auf einem Esel. Entehrende Entblößung und schandbares Reiten im Spiegel einer Miniatur der Sächsischen Weltchronik, in: Dieter Berg, Hans-Werner Goetz (Hg.), Ecclesia et Regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale zu seinem 65. Geburtstag, Bochum 1989, S. 155–202. Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 472. Vita Stephani III., in: Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 475 sowie die Überlieferung der Konzilsakten: Concilium Romanum (wie Anm. 17); Karl Josef Hefele, Histoire des conciles d’après les documents originaux, par Henri Leclerq, 11 Bde., Paris 1907– 1952 (ND Hildesheim 1973), Bd. III, (1909), S. 730–737; Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 15), S. 19–21; Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, Paderborn 1989, S. 84–86; Letha Böhringer, Zwei Frag-
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lein aus dem Frankenreich reisten 13 Bischöfe an. Erneut wurde Konstantin nach Verhören und Beratungen als Invasor verurteilt, der als Laie nach dem Papstamt getrachtet hatte. Für sein ehemaliges Wirken als Papst traf man erstaunlich differenzierte Regelungen: Seine Rechtshandlungen wurden widerrufen, seine Weihehandlungen außer Kraft gesetzt. Wer durch ihn Priester oder Bischof geworden war, sollte in den status quo ante zurückfallen, doch eröffnete man die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen das Amt wiederzuerlangen. Klostergelübde während der Amtszeit Konstantins hatten keinen Bestand und mussten erneuert werden22. Alle, die auf diese Weise wieder in Ämter kamen, die sie unter Konstantin erworben hatten, sollten nicht weiter aufsteigen können – ihnen sollte jeder höhere Klerikergrad und die passive Papstwahl verwehrt sein. Den Höhepunkt stellte die feierliche Verbrennung seines Wahldekretes, der Schriften über seine Amtshandlungen und der Akten der von ihm abgehaltenen Synoden dar. So heißt es in der Vita Stefans III.: „Dann wurde, nachdem alle seine Handlungen vorgelegt worden waren, zugleich jenem Konzil das benannt, was in den Schriften gleichsam seine Bestätigung trug, und die Priester verbrannten sie (die Schriften) im Feuer mitten in der Kirche.“23 Darauf verschwand Konstantin im Kloster, starb weder als Märtyrer noch als Papst, sondern als Sünder zu einem unbekannten Zeitpunkt. Es blieb kein Grabmal, kein Hinweis auf die Ruhestätte seines Leichnams, kein Nachleben, auch kein kultisches Wiederaufflackern seines Gedächtnisses an einem wiederentdeckten Grab. Auch später fand sich niemand, der sich mit ihm identifizierte, sich auf ihn stützte und sich deswegen zum Fürsprecher gemacht hätte: In der Geschichte gilt Konstantin II. als nichts anderes, als ein erfolgloser Invasor, ein Gegenpapst. Sein Fall ist eine erfolgreiche Erinnerungsvernichtung, geradezu ein Modell einer damnatio memoriae. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn das Verständnis der damnatio memoriae im Sinne eines reinen Löschens von Erinnerung inhaltlich präzisiert und gleichzeitig erweitert wird. mente der römischen Synode von 769 im Codex London, British Library, Add. 16413, in: Hubert Mordek (Hg.), Aus Archiven und Bibliotheken. Festschrift für Raymund Kottje zum 65. Geburtstag, Frankfurt u. a. 1992, S. 93–105. 22 Zur Gültigkeit von Weihen, die durch schismatische Kleriker gespendet wurden: Paul Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland. System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Berücksichtigung auf Deutschland, 6 Bde., Berlin 1869–1897 (ND Graz 1959), Bd. 1, S. 83–85. 23 Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 475: Tunc defertis omnibus eius actionum gestis, simul et concilio illo quod in scriptis de eius quasi confirmatione editum fuerat, igne combuserunt in medio presbyterii eiusdem ecclesiae. Für vielfältige Hilfe zur Einordnung danke ich Sebastian Scholz, Zürich.
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Im Falle Konstantins ging es gerade darum, ihn als invasor und usurpator zu präsentieren und nicht darum, ihn für Erinnerung und Geschichte unsichtbar zu machen. Die öffentliche Verbrennung sämtlicher Schriftstücke brandmarkte ihn als einen, dessen anmaßenden Amtshandlungen null und nichtig sind, und der es nicht wert ist, dass von ihm etwas in Schrift überdauern sollte. Seine Rechtshandlungen wurden indes nicht einfach nur ignoriert, als ob es sie nicht gegeben hätte. Man entwickelte eine differenzierte Konstruktion, wie damit umzugehen sei. Dazu wählte man nicht allein die Rückkehr zum status quo ante, sondern legte schriftlich für die Zukunft nieder, dass alle, die er erhöht hatte, zurückfallen sollten und nicht mehr aufsteigen durften. Zuletzt trug die Geheimhaltung seines Grabmals und Unterdrückung eines möglichen Kultes – soweit dies aus dem Schweigen zu so prominenten Grablegen zu schließen ist – zur erfolgreichen Verdammung seines Pontifikats bei. Dabei ist nicht als Sonderfall zu werten, dass zu Lebzeiten und nicht erst nach dem Tode von Konstantin II. die Vernichtung seines Ansehens und künftigen Andenkens betrieben wurde: Die Techniken blieben dieselben. Der beschriebene Modellfall zeigt viele Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zum Vorgehen bei anderen Päpsten, die nicht als legitime Päpste der Kirche anerkannt wurden und werden. Für die folgenden Überlegungen werden drei Aspekte in den Vordergrund gestellt, um daran das Konzept einer damnatio memoriae im Umgang mit Gegenpäpsten im diachronen Vergleich darzustellen. Erstens gilt der Blick der materiellen Vernichtung von Erinnerung, also der damnatio memoriae als deletio memoriae. Im Falle Konstantins II. tritt dieser Aspekt, abgesehen vom Verbrennen der Akten nicht eindeutig zu Tage. Zumindest kann aus dem Fehlen jeglicher Hinweise auf Leichnam und Grabmal geschlossen werden, dass eine Traditionsbildung nicht erfolgte, weil sie möglicherweise erfolgreich unterbunden wurde. Zweitens wird der öffentlich vollzogene Umgang mit seinen ungültigen Weihe- und Rechtshandlungen in den Vordergrund gestellt. Dies wäre als damnatio im Sinne einer öffentlichen Ächtung zu bezeichnen. Drittens wird der Blick auf die Rezeptionsgeschichte gerichtet, wie also Gegenpäpste in der Nachwelt dargestellt wurden. Diesen letzten Aspekt könnte man wohl am Besten mit der Formulierung einer rhetorischen damnatio umreißen, auch wenn nicht ausschließlich sprachliche Mittel der Herabwürdigung, sondern auch bildliche Darstellungen wie etwa Schandbilder zum Einsatz kamen.
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II. Damnatio memoriae als deletio memoriae Im erfolgreichen Falle der damnatio memoriae Konstantins II. zeigt sich, wie wichtig der Zugriff auf den Leichnam eines päpstlichen Gegners war. Auch wenn dies ein methodisch gewagtes Argument e silentio ist, kann mit der gebotenen Vorsicht festgehalten werden, dass alle erhaltenen Textzeugnisse ein etwaiges Begräbnis und die Existenz eines Grabmals verschweigen – und archäologisch verwertbare Befunde fehlen. Wurden die sterblichen Überreste beseitigt, um jede manifeste Erinnerung zu verhindern? Nichts Greifbares war übrig geblieben, was seinen Anhängern hätte hilfreich sein können, um die Unrechtmäßigkeit von Konstantins Verurteilung zu beweisen. Nach Auffassung der Zeitgenossen wohnte dem leblosen Körper noch die virtus des Toten inne, die als vis vegetans sogar Hinweise und Nachrichten des Verstorbenen aus dem Jenseits übermitteln konnte24. Sollte am Grab oder durch Berührung der sterblichen Überreste eines Gegenpapstes ein Wunder geschehen, konnte sich seine Verurteilung und Deposition als unrechtmäßig erweisen. Es ist bemerkenswert, dass sich in der Geschichte des Papsttums derartige Fälle finden: Persönlichkeiten, die, obwohl sie wegen erwiesenen Häresien oder errores aus der Liste der Päpste entfernt wurden, trotz der Unregelmäßigkeiten auf dem Papstthron mit Wunderhandlungen in Verbindung gebracht werden. Eine derart ambivalente Figur ist beispielsweise Hippolyt (217–235), der gleichzeitig als erster Gegenpapst und Heiliger gezählt wird, auch wenn jüngere Forschungen eher von unterschiedlichen Personen ausgehen25. Als unterlegener Opponent von Papst Calixt I. (217–222) wurde er aus der Liste der Päpste gelöscht, erlitt jedoch im Jahre 235 den Märtyrertod und wurde deshalb in West- und Ostkirche als Heiliger verehrt26. Das bedeutete, dass alle, die sich in ihrer Amtsführung auf Papst Calixt beriefen, somit stets damit konfrontiert waren, 24 Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 42009, S. 690–692; zur vis vegetans Philippe Ariès, Geschichte des Todes, München 2005, S. 451–454. 25 Vgl. Emanuela Prinzivalli, Ippolito, antipapa, santo, in: Enciclopedia dei Papi 1 (2000), S. 246–258; Zuletzt ausführlich zur Debatte: Diefenbach, Erinnerungsräume (wie Anm. 12), S. 108–110. 26 Zusammenfassung der Forschungsthesen zu Hippolyt bei Pasquale Testini, Vetera e nova su Ippolito, in: Nuove ricerche su Ippolito, hg. v. Istituto Patristico Augustinianum, Rom 1989 (Studia ephemeridis Augustinianum, 30), S. 7–22; zur Verehrung in der Ostkirche Enrica Follieri, Sant’Ippolito nell’agiografia bizantina: Richerche Recenti, in: ebd., S. 131–135. Vgl. dazu Annuario Ponteifico (wie Anm. 9), S. 8*, Anm. 6: „Esilato, come S. Ponziano, in Sardegna; vi morì, riconciliato con la Chiesa“.
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dass auch eine Opposition zu Calixt als heilsbringend gelten konnte, zumindest konnte damit eine Sondergemeinde innerhalb Roms gerechtfertigt werden27. Seit Hippolyt war also bekannt, dass die Frage, ob ein Verstorbener als Papst oder Gegenpapst zu gelten habe, auch durch Wundergeschehnisse an dessen Grab geklärt werden konnte. Jeder Heiligenkult konnte einer juristischen oder gar im Konzil getroffenen Entscheidung zum Trotz die Wahrhaftigkeit eines Papstes erweisen. So ist Felix II. (355–358, †365) zu nennen, der unterlegene Gegner von Papst Liberius (352–366); sein Grab wurde während des Pontifikats Gregors XIII. am 29. Juli 1582 geöffnet. Auf seinem unversehrten Sarg sei wundersam Papa et Martyrus gestanden, obwohl in der Historiographie bis dahin sein Märtyrertum immer umstritten gewesen war28. Die Episode bedeutet letztlich eine Zurücksetzung der Partei der Liberianer nach über 1200 Jahren. Eine Parallelität von Kult um eine Person einerseits und deren Ablehnung als Papst andererseits findet sich insbesondere auch bei den Gegenpäpsten, denen eine Anerkennung innerhalb der Kirchenstrukturen erschwert war, wenn sie von ausserhalb der römischen Kurie kamen wie beispielsweise die von den Kaisern eingesetzten Päpste der Salier- und Stauferzeit. Der Kult um Clemens III. (1080/1084–1100), Wibert von Ravenna, dauerte bis Paschalis II. die Zerstörung des Grabes bewirken konnte29. Auch am Grabmal von Viktor IV. (1159–1164) in Lucca sind Wunder geschehen, wie Acerbus Morena und die Annales Laubienses berichten30 – wohl mit ein Grund für die spätere Zerstörung der Grabstätte 27 Vgl. dazu Diefenbach, Erinnerungsräume (wie Anm. 12), S. 64f., ausführlich bei Bernhard Poschmann, Paenitentia secunda. Die kirchliche Buße im ältesten Christentum bis Cyprian und Origines. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung, Bonn 1940, S. 348–367. 28 Versuche einer Kanonisierung des Kultes dieses Gegenpapstes ziehen sich bis ins 19. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang ist auch auf jene merkwürdige Steininschrift zu verweisen, die einem unbekannten Papst (nach Mommsen als Papst Liberius identifiziert) zuzuordnen wäre (CLE 787 = ICVR n. s. IX, 24381 = ILCV 967). 29 Annales sancti Disibodi a. 891–1200, hg. v. Georg Waitz, in: MGH SS, 17, Hannover 1861 (ND Stuttgart 1989), S. 4–30, hier S. 17, ad annum 1099; ausführlich dazu Jürgen Ziese, Wibert von Ravenna. Der Gegenpapst Clemens III. (1084–1100), Stuttgart 1982 (Päpste und Papsttum, 20), bes. S. 271–273; Margherita Giuliana Bertolini, Istituzioni, miracoli, promozione del culto dei santi: il caso di Clemente III antipapa (1080–1100), in: Sofia Boesch Gajano, Lucia Sebastiani (Hg.), Culto dei santi, istituzioni e classi sociali in età preindustriale, Rom 1984, S. 71–104; zuletzt Kai-Michael Sprenger, The Tiara in the Tiber. An Essay on the damnatio in memoria, in: Reti medievali Rivista 13/1 (2012) . 30 Acerbus Morena, Historia, ed. Ferdinand Güterbock, in: MGH SS rer. Germ., N. S., 7, Berlin 1930 (ND Berlin 1964), S. 130–176, hier S. 175: Dominus vero papa Victor die Lune, que fuit […] dies mensis Aprilis, in civitate Luce fati munus impleverat. Pro cuius sanctis
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durch Papst Gregor VIII. (1187)31. Erst eine Vernichtung der materiellen Relikte beendet eine unkontrollierbare, von der Bevölkerung getragene memoria. Ein Erinnern wurde damit in die Bereiche verschoben, die politisch, juristisch bzw. historisch durch kirchliche Hierarchien beeinflussbar, ja kontrollierbar waren und innerhalb derer positive Gegenpapsterinnerung oder Zweifel ausgeschlossen werden konnten. Schließlich findet man eine heiligenmäßige Verehrung des Grabes eines Gegenpapstes durch die Bevölkerung in Ripaille. Dort lagen die Gebeine des Konzilspapstes Felix V., Amadeus VIII. von Savoyen, der am 7. Januar 1451 starb. Er hatte zuvor zwar resigniert – was jedoch dem von der Bevölkerung getragenen Kult nach dessen Tod keinen Abbruch tat. Erst die Zerstörung seiner Grabstätte im Jahre 1536 führte zum Ende der Verehrung, denn am neuen Standort seines Grabes in Turin mochte kein rechter Kult mehr entstehen. Bliebe noch zu ergänzen, dass die deletio des Grabmals bei diesem letzten ‚offiziellen‘ Gegenpapst bereits nach der Reformation erfolgte und durch die Schweizer Truppen aus Bern, die dadurch ohne es zu wissen – und sicherlich zu wollen – zu Erfüllungsgehilfen Roms wurden32. Insgesamt ist es also nicht verwunderlich, dass von den 37 Gegenpäpsten, die im Annuario Pontifico genannt werden, nur 13 Grabstätten, überwiegend von avignonesischen Vertretern, bekannt sind33. Bei zwei Dritteln war demnach eine deletio ihrer Grabmäler erfolgreich. Die Deutung von Grabmals-
meritis dicitur Deum multa miracula ibi fecisse. Annales Laubienses, continuatio a. 1056– 1505, ed. Georg Waitz, in: MGH SS, 4, Hannover 1841, S. 28–30, hier S. 24, ad annum 1164: Domnus Octavianus diem ultimum clausit […] cuius sanctitas et in vita et in morte claruit, et ad eius sepulcrum innumera miracula ostensa sunt, Domino videlicet papatum eius signis evidentibus approbante; cui succedit in papatu Paschalis. 31 Dazu ausführlich Kai-Michael Sprenger, Zwischen den Stühlen. �������������������� Studien zur Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas in Reichsitalien (1159–1177), Tübingen 2012 (Bibliothek des DHI in Rom, 125) (im Druck). 32 Zum Pontifikat vgl. Bernard Andenmatten, Agostino Paravicini-Bagliani (Hg.), Amédée VIII – Félix V, premier duc de Savoie et pape (1383–1451), Lausanne 1992; Francesco Cognasso, Felice V, antipapa, in: Enciclopedia dei Papi 2 (2000), S. 640–644; zu den Wundern am Grab und der Zerstörung durch die Berner Truppen vgl. Marie José, La maison de Savoie, 3 Bde., Paris 1956–1962, Bd. 3, S. 300f., sowie Max Bruchet, Le Château de Ripaille, Paris 1907, S. 131–133. 33 Zur Liste mit 37 Gegenpäpsten vgl. oben Anm. 7f.; zu den Grabmälern vgl. Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 95), S. 309; Ders., Papstgräber als Gedächtnisorte der Kirche, in: HJb 112 (1992), S. 305–323; Jean-Charles Picard, Etude sur l’emplacement des tombes des papes du IIIe au Xe siècle, in: MAH 81 (1969), S. 725–782.
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zerstörung als deletio memoriae ist umso naheliegender, als für das Frühmittelalter das Synonym sepulcrum zu memoria belegt ist34. Eine Annihilierung der Relikte eines Gegenpapstes findet sich nicht nur bei kultfähigen Objekten wie Reliquien oder Grabmälern, sondern auch an Orten, an die eine besondere Erinnerung an den Gegenpapst geknüpft war. Dies waren vor allem die Bauwerke, insbesondere Kirchen, die Gegenpäpste errichteten oder ausstatteten. Beispielsweise werden im Liber Pontificalis bis ins 9. Jahrhundert bei erwiesenen Gegenpäpsten Bauwerke nicht erwähnt, obwohl Bautätigkeit, Gründungen und Stiftungen bei Personen, deren Position als Papst unangezweifelt ist, oft mit geradezu buchhalterischer Penibilität aufgezeichnet werden und mehr als ein Drittel des Textes einer Vita einnehmen35. So muss man von systematischem Verschleiern gegenpäpstlicher Bautätigkeit ausgehen, die archäologisch jedoch nur an wenigen Beispielen nachgewiesen werden kann. Ein solcher Fall ist die Basilica Santa Maria in Trastevere, deren Neubau einer creative destruction gleichkommt und durchaus auch als Akt der damnatio memoriae zu sehen ist36. In Bezug auf die Gegenpäpste ist von Bedeutung, dass es die Titelkirche von Papst Anaklet II. (Pietro Pierleoni 1130–1138), war, die er allem Anschein nach reich ausstatten 34 Memoria als sepulcrum als erste Bedeutung im Glossarium mediae et infimae Latinitatis, hg. v. Charles du Fresne Du Cange, Niort 1883–1887 (ND Graz 2000), Bd. 5, S. 335: Memoria, Monumentum, Sepulcrum, Festum; als Nebenbedeutung z. B. Jan Frederik Niermeyer, Co van de Kieft u. a. (Hg.), Mediae latinitatis lexicon minus, 2 Bde., Leiden 2002, Bd. 1, S. 872: memoria 3: monument funéraire, tombeau d’un saint, lieu où sont conservées ses reliques… Sepultus est […] in memoriam quam sibi ipse prius fabricaverat et in qua Zacchariam ac Symeonem sepelierat, Gregor. Turonensis, Gloria martyrum, lib. 1, c. 26, ed. in MGH SRM, 6, Hannover 1913, S. 382. Zur Wortbedeutung memoria im frühen Mittelalter bereite ich eine Untersuchung vor. 35 Vgl. Herman Geertman, Le biografie del Liber Pontificalis dal 311 al 535: Testo e commentario, in: Ders., Sible de Blaauw (Hg.), Hic fecit basilicam: studi sul Liber Pontificalis e gli edifici ecclesiastici di Roma da Silvestro a Silverio, Leuven 2004, S. 169–236; Herman Geertman, La genesi del ,Liber Pontificalis‘ romano: un processo di organizzazione della memoria, in: François Bougard, Michel Sot (Hg.), Liber, Gesta, Histoire. Écrire l’histoire des évêques et des papes de l’Antiquité au XXIe siècle. Actes du colloque international organisé au Centre d’Études Médiévales d’Auxerre les 25, 26 et 27 juin 2007, Turnhout 2009, S. 37–107; Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter 1: Von der Passio Perpetuae zu den Dialogi Gregors des Großen, Stuttgart 1986, S. 271f. 36 Vgl. Karin Bull-Simonsen Einaudi, L’arredo liturgico medievale in Santa Maria in Trastevere, in: Mededelingen van het Nederlandsch Historisch Instituut te Rome 59 (2000), S. 175–194, bes. 184–187, 190f.; dagegen spricht Stroll von „totally destroyed and replaced“, Mary Stroll, The jewish pope. Ideology and politics in the Papal Schism of 1130, Leiden u. a. 1987, S. 125–127.
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ließ, so dass sie zu seiner memoria gereichte. Nach seinem Tod 1138 obsiegte Innozenz II. (1130–1143), der die Kirche in seinem Sinne umbauen und vollenden, sich selbst als Stifter im beeindruckenden Apsismosaik auf Goldgrund darstellen ließ und damit jede Spur Anaklets auslöschte37. Wie bei geweihten Kirchen, bei denen die Gültigkeit der Weihe und damit deren Wirksamkeit in Frage gestellt wurde, so waren auch Rechtsakte nicht zweifelsfrei gültig und mussten erneuert werden38. Im Hinblick auf eine damnatio memoriae ist somit eine Untersuchung der Schriftstücke von Gegenpäpsten weiterführend, soweit diese als Ausweis der pontifikalen Herrschaftsgewalt in Rom, aber vor allem auch in der lateinischen Christenheit Belange regelten – und letztlich ihre materielle wie immaterielle Bedeutung verloren. Gerade in partibus – außerhalb des direkten Einflusses der Kurie – ist die materielle Überlieferung gegenpäpstlicher Urkunden häufiger. Von den wenigen erhaltenen Urkunden ist aber nicht darauf zu schließen, dass die Urkundentätigkeit der Gegenpäpste rückständig gewesen wäre. Im Kapitulararchiv Bologna, einem durchweg gut erhaltenen Bestand, scheint es regelrechte Säuberungsaktionen im Hinblick auf die Urkunden von Gegenpäpsten gegeben zu haben39. Eine Urkunde Gregors VII. für Bologna aus dem Jahre 1074 wurde lange wegen Ungereimtheiten als Fälschung angesehen. Erst die minutiöse philologische Argumentation von Antonio Pini konnte erweisen, dass es sich in Wirklichkeit um eine Urkunde Clemens’ III. aus dem Jahre 1084 handelte, die für eine spätere Bestätigung an der Kurie unter dem Namen Gregors ‚angepasst‘, das Original dann vernichtet wurde40. Ausgehend von der Überlegung, dass Tilgungsaktionen vor allem dort stattfanden, wo eine starke Ausrichtung auf die Kurie greifbar ist, können beispielsweise auch Ausnahmen erklärt werden. Von Anaklet II. finden sich im Regnum Siciliae noch Originale – was im Innozentianischen Norden undenkbar wäre41. Bleibullen von 37 Eine mögliche Lücke wurde gerade auch dadurch vermieden, dass die Kirche nicht als zeitgenössischer Neubau erstellt, sondern weitestgehend der Stil einer byzantinischen Basilika des 5. Jahrhunderts imitiert wurde. 38 Hinschius, Kirchenrecht (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 83–85. 39 Antonio Ivan Pini, Città, Chiesa e culti civici in Bologna medievale, Bologna 1999 (Biblioteca di Storia Urbana Medievale, 12), hier S. 9. 40 Antonio Ivan Pini, Le bolle di Gregorio VII (1074) e di Pasquale II (1114) alla chiesa bolognese: autentiche, false o interpolate, in: Atti e memorie (Romagna) Ser. NS 48 (1997), S. 345–386, bes. S. 361. 41 Paul Fridolin Kehr, Italia pontificia, Bd. 9: Samnium – Apulia – Lucania, ed. Walter Holtzmann, Berlin 1962, Nr. 502 (1130 Okt. 30), S. 293; Nr. 504 (1130 Nov. 5), S. 334; Nr. 507 (1130), S. 355; Nr. 520 (1134 Dez. 7), S. 424; Nr. 524 (1136 Okt. 21), S. 66; Paul Fridolin Kehr, Italia pontificia, Bd. 11: Calabria, ed. Dieter Girgensohn, Zürich 1975,
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Diplomen, die auf Gegenpäpste mit kaiserlicher Unterstützung zurückgehen, sind wie im Falle von Paschalis III. (1164–1168) eher im Reich erhalten42. Auch Münzen von Gegenpäpsten hatten geringe Überlieferungschancen: Der Katalog von Francesco Muntoni listet von den vielen und langjährigen Pontifikaten der Gegenpäpste lediglich einen Denar von Christoporus (903–904) und einen Denar von Bonifaz VII. (974–984) auf sowie – nicht weiter verwunderlich – von den avignonesischen (Gegen-)Päpsten insgesamt 55 Münzen in Gold und Silber43. Allerdings bleibt stets zu bedenken, dass nicht jeder, der als ‚Gegenpapst‘ in die Geschichte einging unmittelbar einer damnatio memoriae unterworfen wurde und umgekehrt weist nicht jede Vernichtung von Erinnerung auf Unregelmäßigkeiten der Wahl oder Amtsführung hin. Die Werke und das Andenken vieler Päpste wurden nach ihrem Tode zerstört, Spoliierungen in Zeiten der Sedisvakanz hatten durchaus auch rituellen Charakter44. Der römische populus, der niedere Klerus oder opponierende Gruppen fragten selten danach, ob jemand als Gegenpapst im Gespräch war, und ihre Zerstörungswut richtete sich gegen so prominente Päpste wie Bonifaz VIII. (1294; 1295–1303)45. Selbst dem Andenken Papst Gregors des Großen widerfuhr eine derartige damnatio memoriae. Die aufgebrachte Menschenmenge schritt nach seinem Tode zur Verbrennung aller seiner Schriften. Wirksam war dies freilich nicht, denn wie schon die zum Schutze hinzu geeilten
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Nr. 640 (1131 Sept. 14), S. 357, Nr. 641 (1131 Sept. 14), S. 364. Insgesamt finden sich in den Bänden der Italia Pontificia und der Germania Pontificia gut zwei Dutzend original überlieferte Briefe von Gegenpäpsten, jeweils fett gesetzt und mit Angabe des Fundorts (A). Einige tragen deutliche Spuren der Zerstörung, z. B. Viktor IV., Cremona (1161 Mai/ Juni); Paul Fridolin Kehr, Italia Pontificia, Bd. 6.1: Liguria sive Provincia Mediolanensis: Lombardia, Berlin 1913, S. 294 Nr. 1. Zum Nachweis der beiden Bullen mit Abbildungen: Kai-Michael Sprenger, Ein Deperditum Paschalis’ III. für den gegenpäpstlichen Legaten Christian von Buch? Überlegungen zu einem archäologischen Fund aus Mainz, in: HJb 118 (1998), S. 261–276. Francesco Muntoni, Le monete degli antipapi, in: Le monete dei papi e degli Stati Pontifici, Bd. 4,2, Rom 1974, S. 143–149. Andreas Rehberg, Sacrum enim opinantur, quicquid inde rapina auferunt. Alcune osservazioni intorno ai „saccheggi rituali“ di interregno a Roma (1378–1534), in: Thomas Ertl (Hg.), Pompa sacra. Lusso e cultura materiale alla corte papale, Rom 2010, S. 201–238, bes. S. 201–208. Silvia Maddalo, Oblio della memoria. Il destino delle immagini di Bonifacio, in: Ilaria Bonincontro (Hg.), Bonifacio VIII. Ideologia e azione politica. Atti del convegno organizzato nell’ambito delle celebrazioni per il VII centenario della morte, Città del Vaticano, Roma, 26–28 aprile 2004, Rom 2006, S. 117–138.
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Kleriker meinten, konnten die Flammen dem Werk Gregors nichts anhaben, es sei schon durch Abschriften in der ganzen Welt verbreitet46.
III. Damnatio memoriae als Teil einer öffentlichen Ächtung Der Zugriff auf den Körper oder den Leichnam des unterlegenen Papstes hatte den Vorteil, dass dieser ohne öffentliche Opposition entfernt werden konnte. Bei vielen Gegenpäpsten wie beispielsweise bei Innozenz (III.)/Lando von Sezze (1179–1180) sind nicht einmal die Umstände bekannt, wie und wann diese in Gefangenschaft verstarben. Durch den Tod des Gegners konnte demonstriert werden, dass ein schicksalhafter – ja göttlicher – Entscheid den Sieger bestimmt hatte. An Beispielen für Schändung der Leichname von Gegenpäpsten herrscht kein Mangel. Der wohl bekannteste Fall ist die Leichensynode gegen Papst Formosus, auf die hier nicht vertieft eingegangen werden muss47. Es bleibt festzuhal46 Sancti Gregorii Magni Vita a Ioanne Diacono scripta, cap. 69, ed. Migne, PL 75, Sp. 221–222: Q������������������������������������������������������������������������������� uo scilicet liberalissimo pastore defuncto, vehementissima fames eodem anno incubuit: et quanto patrono tunc Roma caruit, licet rerum inopia toto pene mundo monstraverit, invidorum tamen feritas minime recognovit. Nam sicut a majoribus traditur, cum calumniarum veterum incentores, Gregorium prodigum dilapidatoremque multiplicis patriarchatus thesauri perstreperent, deficiente personali materie, ad comburendos libros ejus coeperunt pariter anhelare. Quorum dum quosdam jam combussissent, ac reliquos vellent exurere, Petrus Diaconus familiarissimus ejus, cum quo quatuor Dialogorum libros disputaverat, creditur vehementissime obstitisse dicens, ad obliterandam ejus memoriam librorum exustionem nihil proficere quorum exemplaria, diversis petentibus, mundi ambitum penetrassent. Übersetzung von Sebastian Scholz: „Denn so wie es von vielen alten überliefert wird, haben die Urheber der alten Verleumdung mit großem Lärm behauptet, dass Gregor ein Verschleuderer und Verschwender des großen Schatzes des Patriarchats gewesen sei, und da er persönlich nicht mehr da war, begannen sie zugleich danach zu verlangen, seine Bücher zu verbrennen. Der ihm sehr vertraute Petrus Diaconus, mit dem er die vier Bücher der Dialoge erörtert hatte, soll ihnen Widerstand geleistet haben und gesagt haben, dass die Verbrennung der Exemplare dieser Bücher nichts für die Auslöschung seines Andenkens bringe, weil viele sie erbeten hätten und sie in der ganzen Welt verbreitet seien.“ Vgl. dazu Horst Fuhrmann, Von Petrus zu Johannes Paul II., München 1984, S. 96. Die historische Wahrhaftigkeit der Gregorsvita bezweifelt Helmut Goll, Die Vita Gregorii des Johannes Diaconus, Freiburg 1940, bes. S. 39. 47 Vgl. Sebastian Scholz, Transmigration und Translation. Studien zum Bistumswechsel der Bischöfe von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter, Köln u. a. 1992, S. 216–242; Klaus Herbers, Formosus, Papst (891/ca. 816–896), in: LexMA 4 (1989), Sp. 655f. sowie Ders., „Päpstliche Autorität“ und päpstliche Entscheidungen an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert, in: Annette Grabowsky, Wilfried Hartmann (Hg.), Recht und
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ten, dass Papst Stefan VI. selbst die abwegige Form der Exhumierung und Montage auf einem Stuhl vor versammelten Richtern nicht scheute, um den Leichnam des Formosus einem Gerichtsurteil zu unterziehen. Auch wenn das Urteil der Absetzung und Leichenbestrafung – ein Rechtselement der Antike – nicht von Dauer war, zeigt es doch die an der Kurie des 9. Jahrhundert existierende Bedeutung von konsensualem (hier konziliarem) Urteil (senatus consultum) und Strafe – auch am Leichnam. Der Fall des Formosus macht deutlich, dass es in erster Linie darum ging, ihn vor der Weltöffentlichkeit, repräsentiert durch die Synode, als Gegenpapst zu erweisen. Die öffentliche Ächtung als Bestandteil einer damnatio memoriae konnte umso wirkungsvoller ausfallen, wenn der Betreffende seine Schuld selbst bekannte. Insofern ist auch der formale Akt des Abschwörens als offensichtliche Äußerung des eigenen Willens von Bedeutung. Bis Nikolaus V. (1328–1330) und seiner Abdankung kam es in mindestens neun Fällen zu einer öffentlichen Unterwerfung48. Besonders plakativ fiel diese im Fall des letzten kaiserlichen Gegenpapstes aus, der in Avignon vor Papst Johannes XXII. (1316–1334) nicht nur mit einer Schnur um den Hals unter Tränen einen Fußfall leisten, ein umfangreiches Sündenlibell anerkennen und persönlich eine Predigt mit dem Titel Pater, peccavi (Lk 15,18 und 21) halten musste49. Ebenso sind die zahlreichen Akte zu bewerten, bei denen päpstliche Schriften nicht einfach kassiert wurden, sondern inmitten des Kirchenschiffs verbrannt wurden, wie eingangs bei Konstantin II. dargestellt. Der helle Schein der FlamGericht in Kirche und Welt um 900, München 2007, S. 7–30 (wieder abgedruckt in: Klaus Herbers, Pilger, Päpste, Heilige. Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Gordon Blennemann u. a., Tübingen 2011, S. 313–340); zuletzt Marie Luise Heckmann, Der Fall Formosus. Ungerechtfertigte Anklage gegen einen Toten, Leichenfrevel oder inszenierte Entheiligung des Sakralen?, in: Weinfurter, Päpstliche Herrschaft (wie Anm. 16), S. 223–238. 48 Vgl. Hinschius, Kirchenrecht (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 294–308 (§31: VI. Die Erledigung des päpstlichen Stuhles), mit ausführlicher Darlegung der Argumente die für bzw. gegen eine Abdankung der einzelnen Personen sprechen; Zdenko Vinzenz Lobkowitz, Statistik der Päpste, auf Grund des Papstverzeichnisses der „Gerarchia Cattolica“, Freiburg/Br. 1905, S. 80, nennt sechs Päpste, „welcher ihrer Würde bei Lebzeiten sich freiwillig entsagten“, und 13 Päpste, „welche sich unterwarfen“. 49 Vgl. Franz-Xaver Glasschröder, Die Unterwerfung des Gegenpapstes Petrus von Corbara und seine Haft in Avignon (1330–1333), Innsbruck 1889, hier S. 9–11. Zum Testament Nikolaus’ vgl. Konrad Eubel, Die letztwilligen Legate des Gegenpapstes Nikolaus V. (Petrus von Corbara), in: RQ 17 (1903), S. 181f.; Giovanni Maceroni, L’antipapa Niccolò V, Rieti 1978.
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men erzeugt Erinnerung, nicht Vergessen, dass dies die Handlungen eines Nichtpapstes waren. Eine derart öffentliche Zerstörung des Ansehens wirkt auf einer anderen Ebene wie eine deletio der Erinnerung. Sie entstellt und verunmöglicht jegliche Bezugnahme auf einen früher amtierenden, im späteren Verlauf aber als illegitim überführten Papst. Auch sind alle formalen Anlässe als öffentliche Ächtung zu werten, in denen Personen mündlich oder schriftlich als Gegenpäpste bezeichnet und ihre Rechtshandlungen für ungültig erklärt wurden. Besonders prominent treten hierbei die beiden Laterankonzilien von 1139 und 1179 hervor. Während 1139 Rechtsakte und Weihen von Anaklet II. – nur als Petrus Leonis bezeichnet – und seiner Anhänger für null und nichtig erklärt wurden (Kanon 30), verwarf das Konzil von 1179 die Handlungen und Weihen sowie die Anhängerschaften gleich dreier Päpste: Viktor IV. (1159–1164), Paschalis III. (1164–1168) und Calixt III. (1168– 1178) wurden als Häresiarchen Oktavian, Guido und Johannes von Strumi gebrandmarkt (Kanon 2)50. Zu bedenken ist zudem, dass die Aufmerksamkeit, die durch das Verbrennen päpstlicher Dokumente erzeugt wird, auch für individuelle Interessen genutzt werden kann. Erzbischof Christian von Buch verbrannte 1177 öffentlich vor Papst Alexander III. (1159–1181), den versammelten Kardinälen und Bischöfen der alexandrinischen Obödienz sowie den deutschen Reichsfürsten und Bischöfen der ehemaligen Obödienz Paschalis’ III. (1164–1168) bzw. Calixts III. (1168–1178) das ihm von Paschalis verliehene Pallium, um so zu demonstrieren, dass er von nun an auf Seiten Alexanders III. stehen werde51. Bei diesem Vorgang handelt es sich demnach um den Ausdruck einer plakativen (Selbst-) Reinigung und Neupositionierung innerhalb einer sich neu formierenden Kirchenhierarchie. Die ausdrucksstärkste Form einer Ächtung war die öffentliche Exkommunikation, mit der sich in der Regel immer beide Pontifikatsprätendenten gegenseitig zu 50 Vgl. Hefele, Histoire (wie Anm. 21), zu Lateran II: Bd. 5/1, S. 721–756, zu Lateran III: Bd. 5/2, S. 1086–1112; Raymonde Foreville, Lateran I–IV, Mainz 1970 (Geschichte der ökumenischen Konzilien, 6), S. 109f., 177. 51 Ex gestis Henrici II. et Ricardi I., ed. Felix Liebermann, Reinhold Pauli, in: MGH SS, 27, Hannover 1885, S. 81–132, hier S. 97: Et Cristianus cancellarius ipsius imperatoris successit prefato Coenredo in archipresulatum Maguntinum et pallium suscepit a Widone de Crema; quod quia ab eo acceperat, facta pace inter dominum papam et imperatorem, propriis manibus suis combussit Venecie in Rivo-alto, in [palatio] patriarche, coram prefato papa Alexandro et cardinalibus suis et coram archiepiscopis et episcopis et aliis viris ecclesiasticis et principibus Teutonici regni qui paci aderant; et postea absolvit eum dominus papa et pallium ei dedit. Vgl. dazu Knut Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas: Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001, bes. S. 167–177.
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delegitimieren suchten. Konsequenterweise wurde davon ausgegangen, dass derjenige, der im Status der Sünde als Schisma provozierender Gegenpapst verstarb, als gleichsam vorab vom Jüngsten Gericht verurteilt und seiner Seele für immer verlustig anzusehen war. So wird beispielsweise Viktor IV. als Octavianus heresiarcha damnatae memoriae bezeichnet52, was ein früher Beleg für die Wiederverwendung der antiken Terminologie ist53.
IV. Rhetorische damnatio memoriae Die dritte Art einer möglichen damnatio memoriae kann zeitlich, räumlich und inhaltlich weit entfernt vom Geschehen erfolgen: Sie findet in der Literatur, der Geschichtsschreibung und der Kunst statt. Es handelt sich dabei vor allem um längerfristige Prozesse von Umschreibung, Deformation und Stigmatisierung, für die der Begriff der réécriture erfolgreich eingeführt wurde. Er bedarf jedoch im Hinblick auf die damnatio memoriae im Bereich des (Gegen-)Papsttums der Präzisierung54. Zum Phänomen einer rhetorischen damnatio memoriae gehören nicht nur die Tilgungen, also Auslassungen und Streichungen, sondern vor allem die historiographischen Verzerrungen und die im Nachhinein zugeschriebenen Vergehen des Betroffenen wie errores, heresia, usurpatio, invasio, ambitio, novitas, simonia, das Verlassen des eigenen Bistums und anderes mehr. Gerade auch die unwidersprochene Bezeichnung als ‚Gegenpapst‘ ist als Negativdarstellung und somit als damnatio memoriae im weiteren Sinne zu bewerten. Dabei entstand das Wort antipapa erst im 11. Jahrhundert und wurde seit dem Hochmittelalter in der Historiographie zur Beschreibung frühmittelalterlicher Papstprätendenten zurückprojiziert55. Gesteigert wurde der Begriff durch Bernard Gui zum pseudoantipapa für Nikolaus V.56 In gewisser Weise gipfelt die rhetorische Herabwürdigung 52 Brief Alexander III. vom Juni 1168 an den Diözesanklerus von Reggio, Regest bei Paul Fridolin Kehr (Hg.), Italia Pontificia 5. Aemilia sive Provincia Ravennas, Berlin 1911, S. 380f. Nr. 7, ed. Migne, PL 200, Sp. 495; ausführlich dazu Sprenger, Damnatio (wie Anm. 6), S. 36. 53 Eine Aufstellung der Belegstellen zwischen Spätantike und hohem Mittelalter erarbeite ich derzeit. 54 Vgl. Monique Goullet, Martin Heinzelmann (Hg.), La réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval. Transformations formelles et idéologiques, Ostfildern 2003 (Beihefte der Francia, 58). 55 Vgl. Michael E. Stoller, The emergence of the term ‚Antipapa‘ in medieval usage, in: AHP 23 (1985), S. 43–62. 56 Zweite Vita von Papst Johannes XXII., ed. Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 2, S. 485.
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eines Gegenpapstes in der Invektive des Poggio Bracciolini gegen Felix V., den er als perversor fidei, antistes malignitatis, leo rugiens, draco vorax, alter Mahumetes, infandum monstrum, Dei hostes acerrimus, Antichristus oder auch als alumnus Sathanae bezeichnet. Durch die Aufnahme von einzelnen Passagen in die Annales Ecclesiastici erhielt diese Diffamierung enorme Verbreitung57. Das historisch-kritische und philologische Vorgehen einer damnatio memoriae in der Geschichtsschreibung kann am Besten am Liber Pontificalis, der halboffiziellen Papstgeschichtsschreibung, demonstriert werden. Unlängst wurde erneut hervorgehoben, wie sehr diese Textsammlung Umschreibungsvorgängen unterworfen war58. Siegreiche Päpste waren Teil der römischen Erfolgsgeschichte, die Jahre und Jahrzehnte nach den eigentlichen Ereignissen immer wieder überarbeitet wurde. Die Paradigmen und Mechanismen, nach denen ex post Änderungen durchgeführt wurden, waren im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen. Es wäre lohnenswert, den Liber Pontificalis systematisch unter dem Aspekt einer nachträglichen Delegitimierung der Gegenpäpste zu untersuchen. Damnatio memoriae kann durchaus als movens einer Geschichtsschreibung der siegreichen Kirche gesehen werden, einer ecclesia triumphans, in der sich das Wirken Gottes manifestiert. Da gerade für die Legitimität der Petrusnachfolger eine ununterbrochene Reihenfolge legitimer Amtsinhaber von besonderer Bedeutung war, sind Unsicherheiten bei Abfassung und Abschrift der Viten umso aufschlussreicher. Das Beispiel der rivalisierenden Päpste Anastasius Bibliothecarius (855–878) und Benedikt III. (855–858) soll eine langwährende Unsicherheit bezüglich der Bewertung von Päpsten in der Handschriftenüberlieferung des Liber Pontificalis verdeutlichen59. Anastasius Bibliothecarius wurde im September 855 vom Papstthron verdrängt – als ehemals exkommunizierter, aber höchst begabter Theologe war er als Papst in 57 Zur Schrift der Invektive ausführlich Johannes Helmrath, Poggio Bracciolini als päpstlicher Propagandist: die ‚Invectiva in Felicem antipapam‘ (1447), in: Fabio Forner, Carla Maria Monti u. a. (Hg.), �������������������������������������������������������������� Margarita amicorum. ������������������������������������������ Studi di cultura europea per Agostino Sottili, Mailand 2005 (Bibliotheca erudita. Studi e documenti di storia e filologia, 26), 2 Bde., S. 541–584. Als maßgebliche Edition führt Helmrath, ebd., S. 547 an: Poggii Florentini oratoris clarissimi invectiuarum liber; et prima in Felicem Antipapam, in: Poggii Florentini Oratoris et Philosophi opera, collatione emendatorum exemplarium recognita, Basel 1538. Der Text wurde übernommen in: Poggius Bracciolini Opera, ed. Riccardo Fubini, Bd. 1, Turin 1996, S. 155–164; Übernahmen in die Annales Ecclesiastici, ed. Odorico Rinaldi, Bd. 18, Köln 1673, S. 224f., spätere Auflagen mit abweichender Seitenzahl. 58 Vgl. Geertmann, Genesi (wie Anm. 35). 59 Vgl. Neil Brownen, Seventh-century popes and martyrs. The political hagiography of Anastasius Bibilothecarius, Turnhout 2007.
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Rom auch mit Unterstützung Kaiser Ludwigs II. gegen Benedikt III. nicht durchsetzbar60. Er konnte jedoch in Rom bleiben, wo er seiner Tätigkeit als Schriftsteller und Übersetzer nachging. In Bezug auf den Liber Pontificalis ist die Auseinandersetzung der beiden Prätendenten und das schwindende Organisationsgefüge der päpstlichen Verwaltung in Rom von hoher Bedeutung, da das Verstummen des alten Liber Pontificalis als ausführliche historiographische Quelle gegen Ende des 9. Jahrhunderts in diese Zeit fällt61. Um den komplexen Sachverhalt für die Fragestellung der Erinnerungsvernichtung bei Gegenpäpsten herausarbeiten zu können, ist in diesem Einzelfall eine detailliertere Sichtung des Quellenmaterials nötig. Zunächst ist festzuhalten, dass die Vita Benedikts III.62, in der die Illegitimität des Anastasius ausführlich behandelt wird, nur in der Handschriftengruppe E, also einer sehr späten, aber vor allem wegen der Vita Benedikts wichtigen Gruppe erhalten ist63. Sie fehlt hingegen in den Gruppen C und D, während A und B diesen Zeitbereich nicht berühren. Hervorzuheben ist, dass die Gruppe D (vor allem D1, Paris BNF lat. 5516; 9. Jh.) mit der Vita Papst Leos IV., Vorgänger des Anastasius bzw. Benedikts, abbricht64. Die Handschrift D1 endet auf eine besondere Weise. Die Viten der Päpste wurden durchgehend von Petrus bis etwa zur Hälfte der Vita Leos IV. von einer Hand des 9. Jahrhunderts geschrieben65. Eine zweite Hand ergänzte später zwei Seiten auf dem Schmutzblatt bis manere cupitis66. Damit bricht die Handschrift ab (fol. 115), obwohl der in der Handschrift enthaltene Katalog der 60 Der negative Eintrag im Liber Pontificalis: Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 2, S. 141– 144; Zu seiner Person zuletzt Girolamo Arnaldi, Anastasio Bibliotecario, antipapa, in: Enciclopedia dei papi 1 (2000), S. 735–746. 61 Vgl. Klaus Herbers, Das Ende des alten Liber Pontificalis (886) – Beobachtungen zur Vita Stephans V., in: MIÖG 119 (2011), S. 141–145. 62 Vita Benedicti III. (855–858), Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 140–150, hier S. 141. 63 Überliefert in: E1, E2, E3, E6. E1=Vaticanus 3764 (Ende 11. Jh., Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. CXCV); E2=Paris BNF lat. 5143 (14. Jh., Liber Pontificalis, Bd. 1, S. CXCVIII ), E3=Mutinensis capitoli VII C–I, Nr. 12, (8. Jh., Liber Pontificalis, Bd. 1, S. CXXII); E4=Estensis VI F 5, (Ende 11. Jh., Liber Pontificalis���������������������������� , Bd. 1, N������������������ r. 54) ist eigentlich nur ein Katalog, z. T. ohne Notizen); E5=Farnesianus (verloren, aber von Duchesne rekonstruiert, 8–9. Jh.); E6=Laurentianus LXVI, 35 (15. Jh., Liber Pontificalis, Bd. 1, S. CC). Die soeben abgeschlossene Dissertation von Clemens Gantner, Die Wahrnehmung von Anderen in päpstlichen Quellen des achten und neunten Jahrhunderts, Wien 2011, war mir noch nicht zugänglich. 64 Liber Pontificalis (wie Anm. 15), Bd. 1, S. CXCIII. 65 Ebd., Bd. 1, S. 122 Nr. 531: bis pens. simul libras CII. 66 Ebd., Bd. 1, S. 126 Nr. 538.
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Päpste samt Pontifikatsjahren bis Nikolaus I. (†867) geführt wird. Man hatte also mehr Informationen als wiedergegeben wurden67. Noch deutlicher wird die Strategie der historiographischen Unsicherheitsvermeidung in der Gruppe C, insbesondere C4 (Paris BNF lat. 5140). Diese Handschrift stammt zwar aus dem 11. Jahrhundert, zeigt aber gerade durch diesen zeitlichen Abstand, dass noch zu jener Zeit über lang zurückliegende Legitimitätsdebatten nachgedacht wurde. In der Handschrift wird die inhaltlich korrekte Darstellung aus C3 (Bern) mit anderen Ereignissen vermengt, die aus einer unbekannten, E1 ähnlichen Quelle stammen, die in Klasse C fehlt. In dieser Handschrift C4 werden die Viten zwar bis Hadrian II. (†872) geführt, doch fehlt die zweite Hälfte der Vita Leos IV. und zur Gänze die Vita Benedikts III68. Die Vita Leos endet mit den Worten cum oculis Amen auf fol. 131v, der größte Teil der Seite bleibt aber leer. Das folgende Blatt beginnt mit der Vita Nikolaus’ I. (858–867), worauf die von Hadrian II. (867–872) folgt, mit der die Handschrift abbricht. In der Handschrift C4 selbst bzw. deren Vorlage wurde also zumindest für den Schluss der Vita Papst Leos IV. und für die darauffolgende Vita – wenn auch beschränkt – Platz freigehalten. Die Vorgehensweise, einen ganzen Pontifikat auszusparen, aber die beiden darauffolgenden Pontifikate zu beschreiben, kann eigentlich nur damit erklärt werden, dass man unsicher war, was die richtige Formulierung zur Geschichte von Anastasius und Benedikt III. sei. Im Exemplar sollte keine voreilige Position bezüglich eines Gegenpapstes, eines falschen Papstes, bezogen werden. Damit wird aber auch ersichtlich, welchen Anspruch man an die Viten der Päpste stellte: Sie sollten nur die wirklichen Päpste positiv darstellen. Und um sicher zu sein, dass diese auch obsiegt hatten, konnte mit der Abfassung bzw. Eintragung auch Zurückhaltung geübt werden – und das Pergament blieb leer69. Doch nicht nur frühe Historiographie wie der Liber Pontificalis, sondern auch spätmittelalterliche Geschichtsschreibung ließe sich intensiver nach dem Phänomen eines bewussten Ausklammerns oder Negativdarstellens von Gegenpäpsten untersuchen. Gerade die Art und Weise der Darstellung vergangener 67 Die anderen Handschriften der Gruppe D brechen meist bei Stefan II. ab; ebd., Bd. 1, S. CXCIV. 68 ������������������������������������������������������������������������������������� Zur Klasse C ebd.�������������������������������������������������������������������� , Bd. 1, S.��������������������������������������������������������� CLXXXIX, zu Paris BNF lat. 5140 ebd. S. CXCI und die Einleitung bei Mommsen, Liber Pontificalis (wie Anm. 15), S. LXXXIII. 69 Doch bezieht spätestens die Vita Hadrians II. Position gegen Anastasius, wie unlängst gezeigt wurde. Vgl. dazu Klaus Herbers, Rom und Byzanz im Konflikt. Die Jahre 869/870 in der Perspektive der Hadriansvita des Liber Pontificalis, in: Wilfried Hartmann, Klaus Herbers (Hg.), Die Faszination der Papstgeschichte: Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter, Köln 2008 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 28), S. 55–71.
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Papstschismen wurde im Großen Abendländischen Schismas dazu verwendet, die Legitimität der eigenen Obödienz zu unterstreichen, was sich bei nahezu allen geschichtsschreibenden Klerikern der Schismazeit bis hin zu Thomas Ebendorfer demonstrieren lässt70. Das prominenteste Beispiel ist jedoch ein Papst selbst, der als junger Kleriker Aeneas Sylvius Piccolomini, dem Konzil und Papst Felix V. zugeneigt, durchaus positive Worte findet. Als er später als Pius II. (1458–1464) auf den Stuhl Petri gelangte, stellte er Felix V. negativ dar, ja selbst die Beschreibung seiner Gesichtszüge fiel nun negativ aus71. Negativdarstellungen von unterlegenen Gegenpäpsten wie in den Viten siegreicher Päpste im Liber Pontificalis, in der kurialen oder papstnahen Historiographie oder aus der Feder von Päpsten selbst finden sich ebenso häufig außerhalb der Geschichtsschreibung in theologischen oder auch juristischen Schriften, auf die hier nicht mehr eingegangen wird. Erwähnt sei nur am Rande die einflussreichste pastorale Schrift des früheren Mittelalters, die Dialogi Gregors des Großen. Auch fast 100 Jahre nach dem Schisma von Symmachus (498–514) und Laurentius (498–506) ist für Gregor die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen, und er beschreibt, wie die Anhänger des Symmachus für ihre sündhafte Fehlentscheidung in der Hölle anzutreffen seien72. Neben der rhetorischen damnatio in Texten war eine negative Darstellung auch in der bildenden Kunst als propagandistisches Mittel anwendbar. Gegenpäpste wurden bisweilen als Fußschemel vor den rechtmäßigen Päpsten als kauernde Gestalten dargestellt. Diese Ikonographie kann als eigener Darstellungstypus identifiziert werden73. 70 Vgl. dazu den Beitrag von Hélène Millet in diesem Band. 71 Pii II. Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, ed. Adrian van Heck, 2 Bde., Città del Vaticano 1984 (Studi e testi, 312–313), Bd. 1, S. 437f.; dazu ausführlich Thomas M. Izbicki, The missing antipope. The rejection of Felix V and the Council of Basel in the writings of Aeneas Sylvius Piccolomini and the Piccolomini Library, in: Viator 41.1 (2010), S. 301–314, hier S. 310 mit der Übersetzung „like a very ugly monkey“. 72 Gregoire le Grand: Dialogues, ed. Adalbert de Vogüé, franz. übers. Paul Antin. 3 Bde., Paris 1978–1980, hier Bd. 3, Kap. 42, S. 150–154; Zum Schisma ausführlich: Eckhard Wirbelauer, Zwei Päpste in Rom: der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514): Studien und Texte, München 1993 (Quellen und Forschungen zur antiken Welt, 16), insbesondere auch zu den konkurrierenden Papstmedaillionsreihen in San Paolo fuori le Mura und im Lateran, S. 155–159. 73 Zur Darstellung auf den verlorenen Fresken im Lateranpalast vgl. Ingo Herklotz, Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums, in: Ernst Dieter Hehl, Ingrid Heike Ringel, Hubertus Seibert (Hg.), Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 6), S. 271–293; Mary Stroll, Symbols
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*** Die enorme Spannbreite eines diachronen Vergleichs der damnationes memoriae von Gegenpäpsten lässt an dieser Stelle keine Aussagen zu Detailfragen zu. Doch gerade in vergleichender Perspektive findet man in Verbindung mit Gegenpäpsten immer wieder ähnliche oder gleichartige Vorgehensweisen, die auf bestimmte Handlungsmotive schließen lassen. Vier Aspekte möchte ich hervorheben, um so sowohl der uneinheitlichen Gruppe der Gegenpäpste wie auch dem Begriff der damnatio memoriae ein klareres und erkenntnisförderndes Profil zu geben. Erstens hat sich gezeigt, dass eine damnatio memoriae nicht mehr als reine Tilgung verstanden werden kann, sondern nur als Kombination von deletio und maledictio bzw. Schwärzung der Erinnerung. Somit muss der Forschungsbegriff erweitert werden, um dem Phänomen der Erinnerungsvernichtung gerecht werden zu können. Dabei kommen beide Bedeutungen des Begriffs ‚Negativerinnerung‘ zum Tragen, denn einerseits ist es ja eine Nicht-Erinnerung und andererseits ist es eine ‚Schlecht-Erinnerung‘, mit der ein nicht erfolgreicher Papstkandidat verleumdet wird. Je nach den Umständen, der Schwere des Schadens und dem betroffenen Personenkreise kann der Schwerpunkt auf das Tilgen oder das rhetorisch ausgefeilte Schlechtreden verlegt werden, was in Bezeichnungen als ‚Heresiarch‘ und ‚Gegenpapst‘ deutlich wird, aber auch durch die subtile sprachliche Unterscheidung zwischen papa se fecit und inthronizatus fuit Rechtmäßigkeit zuschreibt. Zweitens fördert die Frage nach der Qualität einer damnatio memoriae jeweils spezifische Vorstellungen über den Amtscharakter des Papsttums zu Tage. Es zeigt sich die negative Folie zum idealen Wirken des römischen Bischofs in der Welt. Denn der Katalog der Techniken der damnationes memoriae wird den jeweiligen Vorstellungen angepasst und der zu Verdammende mit den jeweils aktuellen Gegenvorstellungen diffamiert (simonia, heresia, ambitio, novitas…). Die positiv bewerteten Tätigkeiten wie Bauen, Spenden, Weihen, Lehren oder gar Heilen werden verschwiegen, in Frage gestellt oder ins Gegenteil verkehrt. Drittens führt die Betrachtung der in ihrem Amt nicht erfolgreichen Päpste vor Augen, dass es sich bei Papstgeschichte um die Geschichte der siegreichen Päpste handelt. Bei der Institution ecclesia hat dies eine spezifische Ausformung der ecclesia triumphans, in der das Wirken Gottes zum Sieg über Widrigkeiten verhilft. Gerade das öffentliche Tilgen in der Form eines plakativen Ausschneias power. The Papacy following the Investiture Contest, Leiden 1991, S. 16–35; allgemein zum Schandbild vgl. Gherardo Ortalli, “…pingatur in Palatio…”. La pittura infamante nei secoli XIII–XVI, Rom 1979 (Storia. Jouvence, 1).
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dens aus dem Körper der Kirche kann als Reinigung von Fremdkörpern verstanden werden. Das Ausmerzen der Erinnerung an die Taten von Gegenpäpsten, die durch Unterstützung außerkirchlicher Machthaber in den innersten Kern der Kirche eingedrungen waren, bestätigt wiederum die nunmehr wiederhergestellte Ordnung und Reinheit. Viertens scheint es sinnvoll, sich generell den blinden Flecken der Geschichtsschreibung zu widmen, da sich dadurch Einstellungen der gesellschaftlichen Gruppen zum eigenen Erinnern und der eigenen Identität klarer erkennen lassen. Die Art und Weise, wie damnatio memoriae betrieben wurde, kann gerade für Zeitepochen, für die wenig Quellen vorliegen, die Bedeutung von Geschichte demonstrieren. Durch Fragen wie „Wer ist es, der da erinnert?“ und „Welcher Zielgruppe soll die Erinnerung genommen werden?“ werden damit auch Geschichte und memoria als Vorteilssuche spezifischer Interessengruppen ersichtlich. Diese Vorüberlegungen zu einer Theorie der damnatio memoriae des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung der Gegenpäpste kann man vielleicht dadurch zuspitzen, dass man das Phänomen der damnatio memoriae als zielgerichtete Politik mit Negativerinnerung in den beiden erwähnten Sinnen versteht. Diese Politik erfolgte in allen jeweils zur Verfügung stehenden Medien der Erinnerung und mit den jeweils aktuellen Vokabeln der Delegitimierung in besonders polarisierender Weise. Damit erforscht die Frage nach damnatio memoriae beides, den narrativen Charakter und den Objektcharakter von Erinnerung. Gleichzeitig zeigt die damnatio memoriae Grenzen eines gedächtnismanipulativen Handelns. Als eine zwischen Katharsis und Amnesie angelegte Technik funktioniert sie nur effektiv, wenn die Parteiung des Opfers kein gegenläufiges Gedächtnis aufbauen und damit den Zugriff auf identitätsrelevante räumliche Zentren – insbesondere innerhalb Roms – nicht durchsetzen kann, wodurch Erinnerungsräume unbesetzt dem Gegner überlassen werden müssen. Doch vor allem macht die Beschäftigung mit intentionalem Vergessenmachen sensibel für das auf natürliche Art abnehmende, allmählich in Vergessenheit geratene Quellenmaterial. Denn genauso, wie man davon ausgehen kann, dass es zu den unterschiedlichen Zeitpunkten das Bewusstsein vom Vergessen gab, gab es die Versuche, das Vergessen aus den verschiedensten Gründen zu beschleunigen. Wenn also der Begriff der damnatio memoriae – wie dargestellt – offen verwendet wird, kann er auch in Bezug auf Gegenpäpste sowohl bei offensichtlichen Tilgungen als auch bei den elaborierten kirchlichen wie außerkirchlichen Kommunikationsprozessen im differenzierten 15. Jahrhundert erkenntnisfördernd angewendet werden. Es zeigt sich dabei gerade für das spätere Mittelalter,
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dass bezüglich einer damnatio memoriae verfeinerte propagandistische Mittel eingesetzt wurden, die von strategischer medialer Meinungsführerschaft bis hin zur Zensur reichen konnten.
Ein ‚Gegenpapst‘ wird kreiert Fakten und Fiktionen in den Zeugenaussagen zur umstrittenen Wahl Urbans VI. (1378) Andreas Rehberg* Die Umstände keiner anderen Papstwahl des Mittelalters sind so eingehend dokumentiert wie die der Wahl Urbans VI. Dass trotz der Fülle von Quellen noch heute Unklarheit über die Rechtmäßigkeit dieses Neapolitaners auf dem Papstthron herrscht1, lässt all die Facetten des Für und Wider der Kennzeichnung ‚Gegenpapst‘, die auf der Aachener Tagung diskutiert wurden2, wieder aufscheinen. Gerade bei den Päpsten des Großen Abendländischen Schismas ist es schwierig, zu einer geeigneten Terminologie zu finden. Urban VI. war bei seiner Wahl im * Dieser Beitrag wurde von den Herausgebern zusätzlich in den Tagungsband aufgenommen. 1 An wichtigen Quellenpublikationen und Darstellungen sind zu nennen: Étienne Baluze, Guillaume Mollat (Hg.), Vitae Paparum Avenionensium, 4 Bde., Paris 1914–1927, bes. Bde. 2 und 4; Louis Gayet, Le Grand Schisme d’Occident d’après les documents contemporains déposés aux archives secrètes du Vatican, 2 Bde., Paris, Florenz u. a. 1889; Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, Bd. 1, Paris 1896; Michael Seidlmayer, Die Anfänge des großen abendländischen Schisma. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit, Münster 1940 (SFGG, Reihe 2, 5); Walter Ullmann, The origins of the Great Schism, London 1948; Olderico Přerovský, L’elezione di Urbano VI e l’insorgere dello Scisma d’occidente, Rom 1960 (Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, 20); Genèse et débuts du Grand Schisme d’Occident. Avignon 25–28 septembre 1978, hg. v. Centre National de la Recherche Scientifique, Paris 1980 (Colloques internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique, 586); Armand Jamme, Renverser le pape. Droits, complots et conceptions politiques aux origines du Grand Schisme d’Occident, in: François Foronda, Jean-Philippe Genet u. a. (Hg.), Coups d’État à la fin du Moyen Âge? Aux fondements du pouvoir politique en Europe occidentale, Madrid 2005 (Collection de la Casa de Velazquez, 91), S. 433–482; Joëlle Rollo-Koster, Raiding Saint Peter: Empty sees, violence, and the initiation of the Great Western Schism (1378), Leiden, Boston 2008 (Brill’s series in church history, 32); Joëlle Rollo-Koster, Thomas M. Izbicki (Hg.), A companion to the Great Western Schism (1378–1417), Leiden, Boston 2009 (Brill’s companions to the christian tradition, 17). 2 Siehe die methodischen Vorbemerkungen Harald Müllers (mit weiterführender Literatur) und die Zusammenfassung Heribert Müllers im vorliegenden Tagungsband.
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April 1378 keineswegs ein ‚Gegen’-Papst; zu einer ‚Doppelwahl‘ kam es erst mit der Wahl seines Widersachers Klemens’ VII. am 20. September 1378 in Fondi. Der vorliegende Beitrag will am Fall des umstrittenen Urban VI. das Prozesshafte und einige Antriebskräfte auf dem Weg zur Eskalation in eine Gegenwahl untersuchen. In diesem Sinne wurden Gegenpäpste ‚gemacht‘, d. h. die Zeitgenossen bzw. spätere Chronisten und Geschichtsschreiber gaben ihre Urteile ab und ‚stilisierten‘ sie erst zu solchen. Das Schicksal eines jeden Gegenpapstes hatte seine eigenen Charakteristika; und es ist gewiss ein Verdienst des Aachener Treffens, den Weg für eine vergleichende Gegenpapst-Forschung geebnet zu haben. Der Fall Urbans VI. ist der eines Papstes, der zunächst trotz der Umstände seiner turbulenten Wahl die allgemeine Anerkennung gefunden hat und erst in einem zweiten Schritt diese durch sein ungeschicktes Verhalten aufs Spiel setzte und schließlich verlor. Um ihren Abfall vom gewählten Papst zu rechtfertigen und diesen als einen schismatischen Papst zu entlarven, kamen die französischen Kardinäle und ihre Anhänger im Zeugenstand in Erklärungsnöte. Ihnen blieb nur der Ausweg in die geschickte Mischung von Fakten und Fiktionen. Darin nahm die Geißelung des bedrohlichen Verhaltens der Römer eine besondere Stellung ein. Dieses Motiv soll im Folgenden als ein Beispiel für den Umgang mit einem in der Geschichte der Papstschismen (und auch in ihrer historiographischen Aufarbeitung) wiederkehrenden, beliebten Versatzstück untersucht werden. Der Vorwurf an die Römer, durch ihr aufsässiges Verhalten und ihren Eigensinn Schismen provoziert zu haben, war keineswegs neu3. Mit Blick auf das Alteritäts- bzw. Abgrenzungsmoment, das im Urteil der Zeitgenossen über das Verhalten der Römer sichtbar wird und schließlich in die Brandmarkung Urbans VI. als Schismatiker und ‚Gegenpapst‘ mündete, kommt auch ein kulturgeschichtlicher Ansatz zum Tragen (Teil II). Gilles Gérard Meersseman hat treffend von der „Inkubationszeit“ („période d'incubation du schisme“) gesprochen4, die man eigentlich schon lange vor den tragischen Ereignissen des Jahres 1378 beginnen lassen kann. Damit können die Ereignisse von 1378 und die aus ihnen erwachsenen Quellen zu einem Paradebeispiel und methodischen Exempel für das Studium der Abhängigkeit nicht 3 Zu Ab- und Einsetzungen von Päpsten im frühen und hohen Mittelalter vgl. Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz, Wien u. a. 1968; Alexander Keller, Machtpolitik im Mittelalter. Das Schisma von 1130 und Lothar III. Fakten und Forschungsaspekte, Hamburg 2003 (Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters, 19). Für weitere Literatur siehe unten Anm. 84. 4 Gilles Gérard Meersseman, Études sur l’ordre des frères Prêchers au début du Grand Schisme, in: APraed 25 (1955), S. 213–257; 26 (1956), S. 192–248; 27 (1957), S. 168– 199, hier 26 (1956), S. 195.
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nur der Historiographie, sondern schon der Zeitgenossen selbst von der Faktizität, den Fiktionen und Perzeptionen historischer Ereignisse werden. Mögliche Folgerungen zum Verhalten der Römer werden danach gezogen (III. Schluss). Zuvor ist aber ein Blick auf die spezifische Quellenlage unabdingbar (Teil I).
Teil I. Die Tücken der Überlieferung 1. Die Befragungen von Zeugen zur Wahl Urbans VI. Jüngere Tagungen zum Großen Abendländischen Schisma haben eine Fülle von Quellen und methodischen Zugängen aufgezeigt5. Dabei rückten auch wieder die als Quellentyp wohlbekannten Zeugenaussagen zur Wahl Urbans VI. am 8. April 1378 und ihren unmittelbaren Folgen in das Zentrum des Interesses6. Befragungen von Zeugen haben in den letzten Jahrzehnten ein großes wissenschaftliches Interesse erfahren7. Die Untersuchungen zu 1378 im großen Stil waren eine Folge 5 Neben der Tagung von 1978 in Avignon (wie Anm. 1) und den „Jornardes sobre el Cisma d’Occident a Catalunya, les Illes i el país Valencià“, die im April 1979 in Barcelona und Peníscola stattfanden (der zweiteilige Tagungsband erschien erst 1986 und 1988 in Barcelona), sind etwa der am DHI Paris unter Mitarbeit des DHI Rom am 17. November 2006 veranstaltete Studientag „Der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas im Jahre 1378 – Neue Forschungen“ (außer zwei Francia-Beiträgen von Patrick Zutshi und Brigitte Hotz [siehe unten Anm. 33 und 123] ohne zusammenhängende Publikation von Tagungsakten) sowie die am 13.–15. November 2008 von der Universität Avignon, der École française de Rome, dem CNRS und der Universität Lyon II organisierte Tagung „Avignon, Rome, la Papauté et le Schisme. Langages politiques, impacts institutionnels, adaptations sociales“ zu nennen (Tagungsband im Druck). 6 Vgl. Andreas Rehberg, Le inchieste dei re d’Aragona e di Castiglia sulla validità dell’elezione di Urbano VI nei primi anni del Grande Scisma. Alcune piste di ricerca, in: Antonio Rigon, Francesco Veronese (Hg.), L’età dei processi. Inchieste e condanne tra politica e ideologia nel ’300. Atti del convegno di studio svoltosi in occasione della XIX edizione del Premio internazionale Ascoli Piceno, Ascoli Piceno Palazzo dei Capitani 30 novembre–1 dicembre 2007, Rom 2009 (Atti del premio internazionale Ascoli Piceno, Ser. 3, 19), S. 247–304. 7 Vgl. etwa Jean-Claude Maire Vigueur, Giudici e testimoni a confronto, in: Ders., Agostino Paravicini Bagliani (Hg.), La parola all’accusato, Palermo 1991 (Prisma, 139), S. 105–123; Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996 (darin bes.: Ders., Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung „Ego-Dokumente“, S. 11– 30; Ders., Zur Ergiebigkeit von Zeugenbefragungen und Verhören, S. 319–325); Ralf-Peter Fuchs, Winfried Schulze (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörpro-
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des Umstandes, dass die Könige von Aragon und Kastilien gegenüber den beiden Papstprätendenten die Neutralität bzw. Indifferenz wahrten und ihre abwartende Haltung mit eingehenden Recherchen zum Verlauf des April-Konklaves und zu den nachfolgenden Ereignissen zu legitimieren suchten8. Vor allem das monatelang dauernde Prozessverfahren, das der kastilische König 1380/81 in Medina del Campo veranstaltete, war – mit den Worten Michael Seidlmayers – „ein Schauspiel, wie es die Geschichte nicht zum zweitenmal kennt“9. Dabei sind insgesamt fünf Verfahren zu unterscheiden10: Eine erste Untersuchung in Rom im März 1379 wurde von einem Gesandten des Königs von Aragon, Mathaeus Clementis, sowie von Alfonso Pecha, dem vormaligen Bischof von Jaen und Ratgeber Birgittas von Schweden (kanonisiert 1391), betrieben. Eine zweite Untersuchung fand im Mai bzw. September 1379 in Barcelona auf Geheiß des Königs von Aragon statt. Die dritte Untersuchung wurde in Rom im November 1379 durchgeführt. Für sie wurden 21 urbanistisch gesinnte Zeugen vom Dominikaner-Kardinal Nicolaus Misquinus und seinem Ordensbruder Petrus de Yspania, magister in theologia, befragt. Die vierte Untersuchung war die bereits erwähnte, während der in Avignon, Rom und zuletzt in Medina del Campo von Mai/Juni 1380 bis Februar 1381 etwa 100 Aussagen gesammelt wurden. Ihren Niederschlag haben sie in einer Pariser Handschrift gefunden, die gleich näher vorzustellen ist. In der fünften Untersuchung wurden Aussagen in den Monaten Juni bis August 1386 in Avignon von aragonesischen Gesandten gesammelt, die auch einige Kardinäle befragten. Die bei dieser Gelegenheit gemachten Aussagen sind schon davon geprägt, dass die Versöhnung der beiden längst versteinerten Obödienzbereiche unmöglich geworden war und es damals eigentlich nur noch um die Bestätigung der eigenen Positionen ging. Trotzdem enthalten auch diese Aussagen eine Reihe von Details, die man nicht außer Acht lassen sollte. Dieses umfangreiche, nur in Teilen publizierte Material ist im Wesentlichen an zwei Orten überliefert: Zum einen in einem Codex (Ms. lat. 11745) der Natokolle als Quelle für soziale Wissensbestände der Frühen Neuzeit, Münster 2002 (darin bes.: Dies., Zeugenverhöre als historische Quellen – einige Vorüberlegungen, S. 7–40; Arnold Esch, Mittelalterliche Zeugenverhöre als historische Quelle. Innenansichten von Zeiterfahrung und sozialem Leben, S. 43–56); ferner in allgemeinerer Perspektive Kaspar von Greyerz, Vom Nutzen und Vorteil der Selbstzeugnisforschung für die Frühneuzeithistorie, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 2004 (2005), S. 27–47. 8 Zum Kontext vgl. Rehberg, Inchieste (wie Anm. 6) (mit weiterer Literatur) und den Beitrag von Óscar Villarroel González im vorliegenden Tagungsband. 9 Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 26. 10 Zur Natur dieser Untersuchungen vgl. ebd, S. 206–228 und Rehberg, Inchieste (wie Anm. 6), S. 252–296.
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tionalbibliothek in Paris und zum anderen im Bestand der Libri de Schismate im Vatikanischen Archiv. Die Pariser Handschrift umfasst insgesamt 279 großformatige Folios und stellt das offizielle, sorgfältig geschriebene Protokoll des Prozesses von Medina del Campo von Ende 1380 dar11. Die 35 Bände umfassende Sammlung der Libri de Schismate im Vatikanischen Archiv (Arm. 54, vol. 14–48) wurde von dem Anhänger Benedikts XIII., Martino de Zalva (†1403) – Bischof von Pamplona (seit 1377) und dann Kardinal (ab 1400)12 – angelegt und „im 17. Jahrhundert völlig falsch wieder zusammengebunden“13. Die Sammlung enthält auch Kopien – das genaue Verhältnis ist noch zu klären! – einiger Verhöre in der Pariser Handschrift und darüber hinaus weiteres, ähnlich interessantes Material, das ebenfalls nur in Teilen ediert ist. Darunter fallen die schon 1379 von den Gesandten des Königs von Aragon in Rom betriebenen Verhöre, die übrigens in Barcelona weitergingen. Um sich eine Vorstellung von der Fülle der Informationen zu machen, beachte man folgende Zahlen. Man hat von etwa 150 Zeugen (darunter eine einzige Frau) über 170 Aussagen. Die Zeugen lassen sich folgendermaßen nach ihrer nationalen Herkunft unterscheiden: 60 Italiener, 45 Spanier, rund 40 Franzosen, 5 Deutsche, 2 Engländer, 1 Ungar14. Da die meisten im Jahre 1378 wenigstens zeitweise in Rom weilten, sind schon diese Zahlen ein beachtlicher Beleg für die ‚Internationalität‘ der Ewigen Stadt, wenn der Papst und die Kurie in Rom residierten. Natürlich variieren die Aussagen nicht nur im Umfang, sondern auch in ihrem Wert. Viele Zeugen unterlagen der unterschiedlichsten Beeinflussung15. 11 Zum Inhalt und Aufbau der Handschrift vgl. Baluze, Mollat, Vitae Paparum (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 800–809; Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 41–47. 12 Zur Person vgl. etwa Barbara von Langen-Monheim, Un mémoire justificatif du pape Benoît XIII: l’Informatio seriosa. Étude de ses reformulations, de 1399 aux actes du concile de Perpignan (1408), Canet 2008 (Études roussillonnaises, 23), S. 88–92. 13 Michael Seidlmayer, Die spanischen ‚Libri de Schismate‘ des Vatikanischen Archivs, in: Johannes Vincke (Hg.), Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, Münster 1940 (SFGG, Reihe 1, 8), S. 199–262, hier S. 199. Michael Seidlmayer hielt den „erste[n] Teil der Sammlung, der sich mit den Anfangsjahren der Kirchenspaltung beschäftigt, durch die älteren Benützer und durch mein [Seidlmayer, Anfänge] genanntes Buch in der Hauptsache wohl ausgeschöpft. Der zweite Teil dagegen, der die Fragen der Zession und der Subtraktion der Obedienz zum Gegenstand hat, vermag zweifellos […] noch manches wertvolle […] Stück herzugeben“: ebd. S. 202. 14 Zu diesen Zahlen vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 207; zur einzig befragten Frau, wie Alfonso Pecha aus dem Umfeld der römischerseits kanonisierten Birgitta von Schweden, siehe den Beitrag von Otfried Krafft im vorliegen Tagungsband. 15 Vgl. etwa Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 40.
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Der derzeitige Stand der Erschließung der Zeugenaussagen zu diesem Schisma ist als ungenügend einzustufen. Bis eine wissenschaftlich voll befriedigende Abhilfe geschaffen werden kann, ist allerdings noch ein beschwerlicher Weg zurückzulegen. Besonders Baluze und Seidlmayer publizierten längere Textpassagen; ihre Auswahl war aber von ihren jeweiligen Forschungsinteressen bestimmt. Baluzes ‚klementistische‘ Puzzle-Arbeit wurde schon von Valois kritisiert und zum Teil korrigiert16. Seidlmayer bedauerte selbst, dass der mitunter große Umfang einen vollständigen Abdruck der Zeugenaussagen unmöglich machte17. Erstes Ziel für deren systematische Erschließung wäre zunächst einmal eine Edition der Handschrift der Pariser Nationalbibliothek (Ms. lat. 11745)18. Die Materialien aus den Libri de Schismate im Vatikanischen Archiv erfordern angesichts der Komplexität ihrer Genese und Überlieferung sowie der verschiedenen sprachlichen Einheiten die Bildung einer möglichst internationalen Arbeitsgruppe. Unabdingbar ist ferner die mühsame Kollationsarbeit zwischen den Aussagen, die sowohl in der Pariser Handschrift als auch in den Libri de Schismate überliefert sind, wobei im Vergleich zur Pariser Handschrift der Erhaltungszustand und die Ausführung der vatikanischen Bände nicht immer sehr gut sind. Vorarbeiten bzw. Transkriptionen zu den beiden Beständen verdankt man einer Reihe von Autoren, von denen zuvorderst Martene19, Raynaldus20, Muratori21 und der Bibliothekar Colberts Étienne Baluze (mit dem Neubearbeiter Guillaume Mollat)22, dann Abbé Maratu23, Ludwig von Pastor24, Kamil Krofta25 und 16 Als Beispiel für eine durch Valois an Baluze angebrachte Ergänzung siehe Valois, France (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 15f. Anm. 4. 17 Vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 48 Anm. 88. 18 Patrick Zutshi und der Unterzeichnende beabsichtigen gemeinsam ein solches Editionsprojekt. 19 Thesaurus novus anecdotorum … studio et opera Domni Edmundi Martene et Domni Ursini Durand …, 5 Bde., Paris 1717, hier Bd. 2, S. 1099–1122. 20 Odoricus Raynaldus, Annales ecclesiastici ab anno 1198 ubi desinit cardinalis Baronius … . Accedunt in hac editione notae … auctore Joanne Dominico Mansi, 15 Bde., Lucca 1747–1756, hier Bd. 7. 21 Ludovico Antonio Muratori, Rerum Italicarum Scriptores, Bd. 3/2, Mailand 1723, S. 715–730. 22 Baluze, Mollat, Vitae Paparum (wie Anm. 1), bes. Bde. 2 und 4. 23 Abbé Maratu, Guillaume de Noellet cardinal-diacre de Saint-Ange (vers 1340–4 juillet 1394), Angoulême 1875, S. 90–93. 24 Ludwig von Pastor, Ungedruckte Akten zur Geschichte der Päpste vornehmlich im XV., XVI. und XVII. Jahrhundert, Bd. 1, Freiburg/Br. 1904, S. 5–10. 25 Acta Urbani VI et Bonifatii IX Pontificum Romanorum, ed. Camilli Krofta, 2 Bde., Prag 1903–1905, hier Bd. 1, S. 3–17.
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Franz Bliemetzrieder26, schließlich Leslie McFarlane27, Ludovico Saggi28, Walter Brandmüller29, Marc Dykmans30, Josep Perarnau31, Anna Maria Voci32 sowie Patrick Zutshi33 genannt seien. Die zukünftig angestrebte Vereinung und Edition der Texte könnte eine Gelegenheit sein, die viel beklagten Defekte der Transkriptionen Gayets34 endlich zu korrigieren und erstmals brauchbare Texte aus ihnen zu erstellen sowie die notorischen Lücken bei Seidlmayer35 zu ergänzen. 26 Franz Bliemetzrieder, Ein Bericht des Matthäus Clementis an Urban VI. (ca. 1381) über seine Arbeiten zu dessen Gunsten in Aragonien, in: SMBO 29 (1908), S. 580–658; Ders., Die zwei Minoriten Prinz Petrus von Aragonien und Kardinal Beltrand Atgerius zu Beginn des abendländischen Schismas, in: AFrH 2 (1909), S. 441–446. 27 Leslie McFarlane, An English account of the election of Urban VI, 1378, in: BIHR 26 (1953), S. 75–85. 28 Ludovico Saggi, Bartolomeo Peyroni O.Carm., vescovo di Elne e la sua testimonianza circa il conclave del 1378, in: AHP 4 (1966), S. 59–77. 29 Walter Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI., in: AHC 6 (1974), S. 78–120 (verbessert nachgedruckt in: Ders., Papst und Konzil im Großen Schisma (1378–1431), Paderborn 1990, S. 3–41). 30 Marc Dykmans, Du conclave d’Urbain VI au Grand Schisme. Sur Pierre Corsini et Bindo Fesulani, écrivains florentins, in: AHP 13 (1975), S. 207–230; Ders., La troisième élection du pape Urbain VI, in: AHP 15 (1977), S. 217–264. 31 Josep Perarnau, La declaración del beguino gallego fray Alfonso de Mellid sobre los orígenes del Cisma Occidente, in: Anthologica Annua 26–27 (1979–1980), S. 619–633; Ders., Nous fons de la Biblioteca Vaticana sobre el Cisma d’Occident i Catalunya (amb excepció de l’època de Benet XIII), in: Jornardes sobre el Cisma, Bd. 1 (wie Anm. 5), S. 145–203; Jaume De Puig, Josep Perarnau, La ‚Informatio brevis et metrica‘ de Nicolau Eimeric sobre el Cisma, in: ebd., S. 205–223. 32 Anna Maria Voci, Nord o Sud? Note per la storia del medioevale Palatium Apostolicum apud Sanctum Petrum e delle sue cappelle, Città del Vaticano 1992 (Capellae apostolicae Sixtinaeque collectanea acta monumenta, 2); Dies., Alle origini del Grande Scisma d’Occidente. Coluccio Salutati difende l’elezione di Urbano VI, in: BISI 99/2 (1994), S. 279–339; Dies., Giovanna I. d’Angiò e l’inizio del Grande Scisma d’Occidente. La doppia elezione del 1378 e la proposta conciliare, in: QFIAB 75 (1995), S. 178–255. 33 Patrick Zutshi, Jean de Cros and the papal penitentiary on the eve of the Great Schism, in: Francia 37 (2010), S. 335–351, hier S. 348–350. Auch im vorliegenden Band publiziert Patrick Zutshi zwei Aussagen aus der Pariser Handschrift; einen weiteren Text bietet Andreas Rehberg, Il rione Trastevere e i suoi abitanti nelle testimonianze raccolte sugli inizi dello Scisma del 1378, in: Letizia Ermini Pani, Carlo Travaglini (Hg.), Trastevere. Un analisi di lungo periodo. Convegno di Studi, Roma 13–14 marzo 2008, Rom 2010 (Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, 55), S. 255–317, hier S. 309–311. 34 In Gayet, Grand Schisme (wie Anm. 1) sind die Transkriptionen gemäß den Libri de Schismate nicht mit der Pariser Handschrift abgeglichen. 35 Dem Leser wird auch manches Detail in Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1) vorenthalten, so etwa S. 310 bei der Erwähnung des Petrus de sancto Iorio der wichtige Nachsatz qui
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Natürlich sind die Probleme der Quellenkritik dabei immens. Wie soll man etwa mit den bekanntermaßen oft sehr schwer zu entziffernden Marginalnotizen von Martino de Zalva und anderen Benutzern verfahren? Außerdem hat man oft mehrere zusätzliche Textzeugen zu berücksichtigen. Abschriften der Zeugenaussagen finden sich nämlich auch in weiteren Handschriften, vor allem der Vatikanischen Bibliothek und der Pariser Nationalbibliothek. Noch heute liegen im Übrigen in Barcelona im Kronarchiv von Aragon Registerbände, die in Zukunft ebenfalls einmal systematisch durchgesehen werden müssten, da Seidlmayer nur Ausschnitte aus ihnen publiziert hat36. Dies führt zwangsläufig zur Frage nach weiteren noch zu erschließenden Materialien.
2. Die Genese der Zeugenprotokolle und methodische Zugänge Für die kritische Einschätzung der Aussagen muss man sich über die diversen Phasen ihrer Entstehung und ihre Struktur im Klaren sein. Die Quellen von Medina del Campo geben hierzu die meisten Hintergründe preis. Sie gehen auf zwei Schlüsseldokumente zurück: Zum einen handelt es sich um das Factum Urbans VI. (bzw. den Casus primi electi), eine lange Deposition zur Widerlegung der Position der opponierenden Kardinäle37, und zum anderen um den Casus der Kardinäle (bzw. Casus secundi electi), das Manifest der Kardinäle vom 2. August 1378 (Incipit: Cum propter falsam assercionem), mit dem sie sich offiziell von Urban VI. abwandten38. Im Falle des Factum Urbani ließ der kastilische König die littera bullata des Emissärs Urbans VI., also des Bischofs von Faenza, öffnen und genau beschreiben. Der Bischof musste auf Geheiß des Königs den Faszikel (unus sisternus et unus quaternus pergameni) am Anfang und Ende unterschreiben und den Notaren Pedro Fernández de Pinna und Fernando Martini übergeben39. In einem ersten fuerat serviens armorum domini Gregorii et hostiarius. 36 Vgl. ebd., S. 346–362. Für eine systematische Erfassung der Parallelüberlieferung der Zeugenaussagen bietet die von Hugues Labarthe zum Großen Abendländischen Schisma erstellte Datenbank eine wertvolle Hilfestellung (http://obediences.net/). 37 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 10r–15v, ed. Raynaldus, Annales (wie Anm. 20), Bd. 7, S. 348–360; Übersetzung ins Englische in Ullmann, Origins (wie Anm. 1), S. 11–25. 38 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 16r–17v (1378 August 2), ed. Baluze, Mollat, Vitae Paparum (wie Anm. 1), Bd. 4, S. 172–184 und (dem Original in Avignon, Archives de Vaucluse, Célestins, 64 entsprechend) Dykmans, Troisième élection (wie Anm. 30), S. 227– 239; Übersetzung ins Englische in Ullmann, Origins (wie Anm. 1), S. 69–75 (mit Datum 1378 August 9). 39 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 9v–10r, ed. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 44.
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Schritt wurde das Factum Urbani transkribiert. Danach wurden aus dem Text 104 articuli gebildet sowie 35 Ergänzungen in Form von Fragen (additiones) hinzugefügt40. Da die 104 articuli noch aus Aussagesätzen bestanden, mussten sie in einem zweiten Schritt in Fragesätze umgewandelt werden41. Mit demselben Verfahren ergaben sich aus dem Casus der Kardinäle zunächst 89 articuli mit 11 Ergänzungen42. Aus den 89 articuli wurden schließlich 107 Fragen (articuli seu interrogatoria) geschaffen43. Aus der Aussage des Zeugen Johannes Remigii de Guzman, Archidiakon von Alcor, erfährt man etwa, dass seine Deposition im Jahre 1381 neun Seiten in einem elf Seiten starken Heft umfasste. Der Kleriker selbst griff in den Text mit Streichungen ein, die Notare Pedro Fernández und Fernando Martini mit Korrekturen – wohl weniger des Inhalts als der äußeren Gestalt und des Lateins wegen44. Die Bildung von articuli und interrogatoria erinnert an einige Gepflogenheiten des Zivilprozesses, in dem sich die Streitparteien gewöhnlich schriftlich äußerten – sieht man vom Moment der contestatio litis ab, also der Aufforderung der Richter an die Streitparteien, ihre Standpunkte mündlich zu bestätigen, bevor man die Beweise suchte bzw. untersuchte. Zu dieser Gelegenheit brachte man Rechtstitel, Notariatsakten und zuletzt eine Liste von positiones bzw. intentiones mit den strittigen Punkten bei, zu denen sich beide Seiten äußern mussten45. Als ein Präzedenzfall aus der Papstgeschichte sei das umfangreiche Dossier zum Pro-
40 ������������������������������������������������������������������������������������������ Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 22v–28v, abzugleichen mit Città del Vaticano, Archivio Segreto Vaticano (künftig: ASV), Arm. LIV, vol. 15, fol. 94r–109r. Vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 45. 41 Es überrascht, dass die Pariser Handschrift bei 73 interrogatoria (entsprechend den ersten 73 articuli) und bei 18 additiones stehenbleibt und für den Rest (der insgesamt 104 interrogatoria) kurzerhand auf das Original verweist (Ceteri articuli usque ad numerum centum quatuor ac nonnulle additiones, per quos et quas fuerunt infrascripti testes examinati, recipiuntur ex fine dicti casus primi electi per articulos ut supra divisi): Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 28v–31v, hier fol. 31v. Vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 45. 42 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 31v–33r (Casus secundi electi divisus per articulos). Vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 45. 43 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 33r–35v (Hii sunt articuli seu interrogatoria, super quibus interrogandi et examinandi sunt testes in casu secundi electi). 44 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 131v (Medina del Campo, 1381). 45 Vgl. Maire Vigueur, Giudici (wie Anm. 7), S. 110, 112, 116. Für die auf articuli und interrogatoria basierenden Befragungstechniken im Prozessrecht vgl. Thomas Wetzstein, Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter, Köln 2004 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 28), S. 44– 57.
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zess gegen das „Andenken“ (memoria) Bonifaz’ VIII. (†1303)46 genannt, der auf Betreiben des französischen Königs 1303 bis 1310 sowie 1312 stattfand47. Bei der Auswertung des Materials zu 1378 sind sodann eine Reihe methodischer Schwierigkeiten zu beachten. Zunächst ist davor zu warnen, Zeugenaussagen als Selbstzeugnisse einzustufen. Dies geht schon daher nicht, „als sich zwischen dem aussagenden Individuum und dem niedergelegten Text die Ebene eines anderen, schreibenden Individuums auftut, das bestrebt war, Gesprochenes in eine grammatikalisch annehmbare und lesbare Form zu bringen, die konkreten juristischen Bedürfnissen entsprach“48. So mancher Zeuge wird sich auch von der Erwartungshaltung des Befragenden beeinflusst haben lassen. Für die relative Zuverlässigkeit der Aussagen sprechen indes folgende Beobachtungen: Die Zeugen standen unter Eid und mussten darauf achten, dass ihre Aussagen plausibel waren. Letzteres erklärt wohl die erstaunliche Präzision in den Angaben von Örtlichkeiten und Namen. Recht selten sind Fehler in sachlichen Angaben, die zwar zweitrangig für die großen Fragen nach der Rechtmäßigkeit der beiden Prätendenten um den Papstthron waren, aber vom Kenntnisstand der Zeugen künden. Für die Vertrauenswürdigkeit der Texte ist auch die Beobachtung wichtig, dass die Mehrheit der rund 150 Zeugen Kleriker und damit fähig waren, Latein zu verstehen und zu schreiben; ihre Aussagen dürften also weniger den Entstellungen durch die Notare ausgesetzt gewesen sein. Man hat denn auch schon in der Vergangenheit den Verhören aus Kastilien eine gewisse Objektivität zugebilligt, zumal auch einige Aussagen zugunsten Urbans VI. aufgenommen wurden. Allerdings fiel die königliche Entscheidung, die am 19. Mai 1381 in Salamanca verkündet wurde, gegen Urban VI. aus; zu einer förmlichen sententia gegen den Prignano kam es aber nie. Inhaltlich sind die Fragen verschiedenster Natur und wollen natürlich in erster Linie klären, wie weit die Kardinäle unter dem Druck der Römer gehandelt haben. Ging es der älteren Literatur vorrangig darum, ‚klassisch‘ positivistisch den Gang der Ereignisse zu rekonstruieren, rücken heute neue methodische Fragestellungen 46 Tilmann Schmidt, Der Bonifaz-Prozess: Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz’ VIII. und Clemens’ V., Köln, Wien 1989 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 19). 47 Vgl. zusätzlich Jean Coste, Boniface VIII en procès. Articles d’accusation et dépositions des témoins (1303–1311). Édition ������������������������������������������������������������� critique, introductions et notes, Rom 1995 (Pubblicazioni della Fondazione Camillo Caetani. Studi e documenti d’archivio, 5). 48 Ralf-Peter Fuchs, Soziales Wissen nach Reichskammergerichts-Zeugenverhören, in: zeitenblicke 1 (2002), Nr. 2 S. 2 (http://www.zeitenblicke.de/2002/02/fuchs/index.html [Zugriff: 29.02.2012]).
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in den Vordergrund. So soll unten im zweiten Teil auch einigen kulturgeschichtlich relevanten Faktoren nachgegangen werden, die die Ereignisse im Konklave vom April 1378 mitbestimmt haben. Die Zeugen selbst sind prosopographisch noch nicht systematisch erfasst worden. Bereits die Durchsicht der bei Seidlmayer zusammengestellten Namen49 lässt einige erste Schlüsse zu. Allein schon die Tatsache, dass ein Großteil der Zeugen von der iberischen Halbinsel stammte, lässt engere Beziehungsnetze unter ihnen vermuten. Das Sozialprofil dieser Personen anhand lokaler Quellen herauszuarbeiten, ist eine spannende Aufgabe. Soziale Bindungen – z. B. Familiarenverhältnisse der Zeugen – können aufschlussreich für die Entscheidung für oder wider einen Prätendenten sein. Auf die Bedeutung der Kontakte der Kardinäle (oder auch der Zeugen insgesamt) zu den Römern und ihrer Erfahrungen im persönlichen Umgang mit ihnen wird im Folgenden eingegangen. Ein Desiderat ist umgekehrt eine mikrohistorische Untersuchung zum Verhalten der Römer und zu ihrem Umgang mit den Ereignissen, die sich vor ihren Türen abspielten50. Die von Seidlmayer beklagte „Umständlichkeit des Verfahrens“51, das lange Fragenkataloge abarbeitete, birgt – gerade dank des strengen Rasters – zugleich Möglichkeiten für ganz neue (elektronisch unterstützbare) Fragestellungen. So ist beispielsweise noch zu untersuchen, welche Fragen unbeantwortet blieben und ob dabei tatsächlich von Unkenntnis der Tatsachen ausgegangen werden kann oder ob nicht gewisse Sachverhalte bewusst verschwiegen wurden. Außerdem sollten einmal die Aussagen verschiedener Zeugen – in einer Art ‚Kreuzverhör‘ – miteinander verglichen und Unstimmigkeiten aufgedeckt werden, zumal wenn sich die Zeugen untereinander kannten. Ansonsten kann man über die Fragenkataloge auch recht bequem Einzelproblemen nachgehen, wie etwa Patrick Zutshi in einem Beitrag über die Rolle der Pönitentiarie zeigen konnte52. Ihm kommt nämlich zustatten, dass der Artikel 101 des Casus primi electi die Haltung des Kardinalgroßpönitentiars Jean de Cros zu Urban VI. während des Sommer-Aufenthaltes 1378 in Anagni betrifft53.
49 Vgl. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 208–223. 50 Der Frage, wie das Konklave in einem prominenten Stadtviertel Roms – in Trastevere – erlebt wurde, geht Rehberg, Rione Trastevere (wie Anm. 33) nach. 51 Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 45. 52 Vgl. Zutshi, Jean de Cros (wie Anm. 33). 53 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 28r.
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Teil II. Zwischen Fakten und Fiktionen: die Rolle der Römer bei der Wahl Urbans VI. Es geht im Folgenden54 nicht so sehr um die Rekonstruktion der Ereignisse als vielmehr um die Frage, wie die Augenzeugen die Rolle der Römer bei der Wahl Urbans VI. beurteilten. Wurde diese Wahl anfangs noch allgemein anerkannt, so begannen die französischen Kardinäle schon bald, sich von ihr zu distanzieren. Dabei müsste ihren späteren Aussagen zum Verlauf des Konklaves eigentlich das größte Gewicht zukommen55. Das letztlich entscheidende Argument der abgefallenen Kardinäle war, dass die Römer unzulässigen Druck auf sie ausgeübt hätten. Wegen der Mängel bei seiner Wahl wurde Urban zu einem intrusus und schismatischen Papst ‚stilisiert‘. Die Abläufe des turbulenten Konklaves sind seit den Studien Valois’ und Dykmans’ weitgehend bekannt. Aber ihre Rekonstruktion allein reicht nicht aus, um den Abfall der Kardinäle im Frühsommer 1378 zu erklären. Denn die Akzeptanz ihrer Position hing im Grunde – so meine These – nicht nur von der Darstellung der Fakten ab, sondern gründete auch in der von weiten Kreisen geteilten ‚gefühlten‘ Plausibilität der von den Kardinälen gegen die Römer ins Feld geführten Anklagen. Eine Reihe von Fragen stellt sich dazu: Wie beurteilten die Kardinäle und die externen Augenzeugen des April-Konklaves das Gewaltpotential der Bewohner Roms? Was wussten sie über die Römer und ihre Ansichten? Besaßen sie persönliche Kontakte zu ihnen? Ließen sie sich von den in der antiken und mittelalterlichen Literatur weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber den Römern beeinflussen? Benutzten sie diese ‚Negativpresse‘ gar geschickt für ihre Zwecke? Angesichts der aktuellen Forschungslage und der geschilderten Quellenlage sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch keine definitiven Antworten zu erwarten. Auch steht außer Zweifel, dass die Zuspitzung auf die Rolle der Römer in der vorliegenden Untersuchung nicht dem breit gefächerten Spektrum der vielen sonstigen 54 Der zweite Teil stützt sich weitgehend auf die ausführlichere Version in Andreas Rehberg, Ego in aliena patria existens. Immagini e giudizi a confronto fra i cittadini di Roma e gli ultramontani all’origine dello Scisma del 1378, in: Avignon, Rome (wie Anm. 5) (im Druck). 55 Zur Haltung der Kardinäle vgl. etwa Zutshi, Jean de Cros (wie Anm. 33). Der in seinem Beitrag zum vorliegenden Tagungsband mit seiner Aussage zitierte Kardinal Pierre de Monteruc war in Avignon verblieben und hatte nicht am April-Konklave teilgenommen, was seiner Position einen besonderen Stellenwert verleiht. Demnächst wird auch AnneLise Rey-Courtel in Avignon, Rome (wie Anm. 5) eine Studie zur Rolle der Kardinäle publizieren.
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Vorwürfe gegen den Papst aus Neapel gerecht wird. Es geht im Folgenden nur um eine erste Fallstudie. Die Zeugenaussagen lassen unterschiedliche mentale Einstellungen erkennen, die die gegenseitige Wahrnehmung stark beeinflussten. Für deren Aufschlüsselung bietet das kultursoziologische Konzept der ,Alterität‘, also der ,Perzeption des und der Andersartigen‘, wichtige methodische Anknüpfungspunkte56. Der französische Althistoriker François Hartog hat – gemünzt auf die Abgrenzung der Griechen gegenüber den ,barbarischen‘ Skythen – treffend von der „rhétorique de l’altérité“ gesprochen57, der sich auch in den Quellen zu 1378 nachzuspüren lohnt. Das ambivalente Verhältnis der mehrheitlich französischen Kardinäle zu der mit Argwohn betrachteten Bevölkerung Roms bedarf der Kontextualisierung, d. h. der Aufdeckung der Hintergründe und Bedingtheit der gegenseitigen Wahrnehmung. Obgleich es 1378 bei Franzosen und anderen mit der Grenzmetapher58 ultramontani Benannten (darunter vor allem Untertanen der iberischen Königreiche, deren Zeugenaussagen überliefert sind) auf der einen und den Römern auf der anderen Seite – anders als bei Hartogs Griechen und Skythen – nicht um interkulturelle Konflikte und Momente der Konfrontation verschiedener Ethnien und Religionen ging59, so war die Perzeption ‚des Anderen‘ doch schon von einem ‚pränationalen‘ Bewusstsein geprägt60. Vorurteile (Clichés) und Stereotype spei56 Gilles Ferréol, Guy Jucquois (Hg.), Dictionnaire de l’altérité et des relations interculturelles, Paris 2003; Annagreth Horatschek, Alterität, kulturelle, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart, Weimar 2008, S. 15f.; vgl. auch Alois Wierlacher, Corinna Albrecht, Kulturwissenschaftliche Xenologie, in: Ansgar Nünning, Vera Nünning (Hg.), Einführung in die Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen – Ansätze – Perspektiven, Stuttgart, Weimar 2008, S. 280–306. Für die philosophischen Grundlagen vgl. Bernhard Waldenfels, Studien zur Phänomenologie des Fremden, 4 Bde., Frankfurt/M. 1997–1999 und Flavia Monceri (Hg.), Immagini dell’altro. Identità e diversità a confronto, Rom 2006. 57 François Hartog, Le miroir d’Hérodote. Essai sur la représentation de l’autre, Paris 1980, S. 19, vgl. auch S. 225–236. 58 Vgl. ebd., S. 81–128 (S. 81: „La question de l’altérité pose celle de la frontière“). 59 Vgl. hierzu auch materialreich Michael Borgolte, Julia Dücker u. a. (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter, Berlin 2011 (Europa im Mittelalter, 18). 60 Zum Begriff und Konzept ‚Nation‘ im Spätmittelalter vgl. aus einer breiten Literatur hier nur Grover Furr, France vs. Italy. ������������������������������������������������������� French literary nationalism in ‚Petrarch’s last controversy‘ and a humanist dispute of ca. 1395, in: Proceedings of the patristic, medieval and renaissance conference, Bd. 4, Villanova/Pennsylvania 1979 (1981), S. 115–125 (bzw. http://chss.montclair.edu/english/furr/pmr.html [Zugriff: 01.03.2012]); Simon Forde, Lesley Johnson u. a. (Hg.), Concepts of national identity in the Middle Ages, Leeds 1995;
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sten sich dabei auch aus literarischen Topoi. Der Blick in die Vergangenheit wird damit zu einem Mittel der Manipulation und der Instrumentalisierung der öffentlichen und kollektiven Erinnerung, die im deutschen Sprachraum nicht zuletzt von Jan Assmann und Johannes Fried untersucht wurde61. Zwei Zeugen brachten die Stimmung wechselseitiger ‚Alterität‘ auf den Punkt: Der Kardinal Pierre Flandrin gab im Mai 1380 in Avignon gegenüber dem Emissär Kastiliens Rodericus Bernardi an, dass er sich bei seiner Flucht aus Rom im Anschluss an das gestürmte Konklave wie in einem „fremden Land und unter Leuten, die nur einen Italiener zum Papst haben wollten“ befunden habe (ego in aliena patria existens et inter gentes, que omnino volebant Ytalicum)62. Umgekehrt sahen die Römer bis zur Wahl Urbans VI. – wie Énnec de Vallterra, Bischof von Segorve, bestätigt – das Papsttum „okkupiert von Fremden“ (detinebatur papatus sic per alienas gentes occupatus)63. Die Feindseligkeit der Römer galt insbesondere den meist aus Franzosen bestehenden curiales (bzw. den Romanam curiam sequentes), die mit Gregor XI. erst 1377 von Avignon nach Rom gekommen waren64. Wie sich das Negativbild der Römer erklärt und wie es von den Zeugen verwendet wurde, soll im Folgenden in drei Schritten vorgestellt werden: Zunächst werden die schon zum Teil auf die Antike zurückgehenden Diskurse der Romkritik analysiert. Es folgt die Frage nach möglichen Präzedenzfällen römischer Herfried Münkler, Hans Grünberger u. a. (Hg.)., Nationenbildung. ����������������� Die Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller, Berlin 1998 (Politische Ideen, 8). 61 Außer Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, München 42002 sowie Johannes Fried, Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004 vgl. François Hartog, Jacques Revel (Hg.), Les Usages politiques du passé, Paris 2001. Das Sichwiderspiegeln und Konfrontieren im Anderen bzw. der Einsatz der Antithese als Instrument für die Bestimmung der eigenen Position hat nach František Graus generell die mittelalterliche Mentalität bestimmt; vgl. František Graus, Mentalität – Versuch einer Begriffsbestimmung und Methoden der Untersuchung, in: Ders. Graus (Hg.), Mentalitäten im Mittelalter. Methodische und inhaltliche Probleme, Sigmaringen 1987 (VuF, 35), S. 9–48, hier 39–48. 62 ASV, Arm. LIV, vol. 20, fol. 147v–150v, ed. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 342. 63 Nach seiner Aussage beklagten sich die Römer bei den Kardinälen im Einzelnen, dass debebant condolere viduitati illius urbis Romane, que a tantis temporibus citra non habuerat pastorem de patria, sed detinebatur papatus sic per alienas gentes occupatus: Perarnau, Nous fons (wie Anm. 31), S. 185. 64 Für die auch numerisch bedeutsame Größe des päpstlichen Hofes und seiner Verwaltungsapparate und Gerichtshöfe vgl. etwa Bernard Guillemain, La cour pontificale d’Avignon (1309–1376). �������������������������������������������������������������� Étude d’une société, Paris 1962 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 201).
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Eingriffe in die Papstwahl, die den Augenzeugen von 1378 gegenwärtig waren. Abschließend geht es um die reale Präsenz der Römer am Konklaveort und die soziopolitische Einordnung der beteiligten Gruppen.
1. Die antirömischen Diskurse und Stereotypen Die Zeitgenossen der Wahl Urbans VI. wurden nicht müde, den Römern den Spiegel ihrer einstigen Größe vorzuhalten, und scheinen ebenfalls gespürt zu haben, dass ein Teil der Frustration der Bewohner der Ewigen Stadt gerade auf diesen eklatanten Abstieg aus ehemaliger Höhe zurückzuführen war. Der Zeuge Jean Colun (Johannes Columbi), Kleriker der Diözese Avignon und Anhänger Klemens’ VII., sah sich zurückversetzt in die Zeit des Bezwingers der Gallier Julius Caesar, wenn er einem Römer die drohenden Worte in den Mund legt: Iam alio tempore visum est, quod Romani lavarunt sibi pedes cum sanguine Gallicorum. Et non erit mirum, si modo faciant65. Die Zeugen bringen sodann eine Reihe von Stereotypen vor, die auf verschiedene Diskurse historischer, künstlerisch-literarischer, rechtlicher oder philosophischer Prägung zurückgingen66. Anders als viele schon frühhumanistisch ge65 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 170r (Medina del Campo, Anfang 1381). 66 Einen Eindruck von der Vielfalt der Romidee vermitteln unter anderem Arturo Graf, Roma nella memoria e nelle immaginazioni del Medio Evo, Turin 1882, 21923 (ND Bologna 1987); Fedor Schneider, Rom und Romgedanke im Mittelalter. Die geistigen Grundlagen der Renaissance, München 1926; Michael Seidlmayer, Rom und Romgedanke im Mittelalter, in: Saeculum 7 (1956), S. 395–412 (nachgedruckt in: Ders., Wege und Wandlungen des Humanismus. Studien zu seinen politischen, ethischen, religiösen Problemen, hg. v. Hans Barion, Göttingen 1965, S. 11–32); Elisabeth Garms, Jörg Garms, Mito e realtà di Roma nella cultura europea. ���������������������������������� Viaggio e idea, immagine e immaginazione, in: Cesare De Seta (Hg.), Storia d’Italia. Annali, Bd. 5, Turin 1982, S. 561–662; Luigi Prosdocimi, Roma communis patria nella tradizione giuridica della cristianità medievale, in: Jean Gaudement (Hg.), La nozione di Romano tra cittadinanza ed universalità, Rom 1984, S. 43–48; Cristina Nardella, Il fascino di Roma nel Medioevo. Le ‚meraviglie di Roma‘ di maestro Gregorio, Rom 1997 (La corte dei papi, 1); Alessandra Camerano, La restaurazione cinquecentesca della romanitas. Identità e giochi di potere fra Curia e Campidoglio, in: Biagio Salvemini (Hg.), Gruppi ed identità sociali nell’Italia moderna. Percorsi di ricerca, Bari 1998, S. 29–79; Andrea Giardina, André Vauchez, Il mito di Roma. Da Carlo Magno a Mussolini, Rom, Bari 2000; Pietro Zerbi (Hg.), Roma antica nel Medioevo. Mito, rappresentazioni, sopravvivenze nella Respublica Christiana dei secoli IX–XIII. Atti della XIV settimana internazionale di studio, Mendola 24–28 agosto 1998, Mailand 2001 (Storia. Ricerche); Enrico Parlato, Vista da Nord: immagini di Roma dal Medioevo al Quattrocento, in: Fabio Troncarelli (Hg.), Roma. Memoria e oblio, Rom 2001, S. 199–207; Iole Carlettini, Rileggendo Maestro Gregorio: continu-
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prägte Literaten sahen Polemiker und Moralisten – flankiert von der verbreiteten „Romsatire“67 – die Ewige Stadt mit Misstrauen. Rom und die Römer wurden mit der als korrupt verrufenen Römischen Kurie und ihren Apparaten gleichgesetzt. Jean Batany bringt es auf den Punkt: „Les vices qu’on pourrait reprocher aux portiers, aux tribunaux, à la Curie, aux cardinaux et peut-être au Pape, deviennent simplement ceux des ‚Romains’“68. Schon vor 1378 war für viele Franzosen Rom „l’‚anti-France’“69. Beginnen wir mit den verbreitesten Gemeinplätzen, die man den Römern zuschrieb. Schon Hildebert von Lavardin (†1133) kritisierte die Römer für ihren Müssigang70. 1378 will der Franziskaner Menendus, urbanistischer Bischof von Cordoba, eine magnam partem Romanorum octiosorum et pauperum, qui desiderabant derraubare(!) et facere novitates71, gesehen haben. Das Bild der gefährlichen und gewaltbereiten Römer, die gewöhnlich bewaffnet herumgingen72, war fest in der kollektiven Vorstellung des mittelalterlichen Rom verankert73. Der Kardinal ità e mutamenti nel discorso su Roma nel XIII secolo, in: StM 49 (2008), S. 561–588; Juan Carlos D’Amico, Le mythe impérial et l’allégorie de Rome entre Saint Empire, papauté et commune, Caen 2009 (Cahiers de Transalpina); Jochen Johrendt, Romedio SchmitzEsser (Hg.), Rom – Nabel der Welt. Macht, Glaube, Kultur von der Antike bis heute, Darmstadt 2010. 67 Grundlegend ist immer noch Josef Benzinger, Invectiva in Romam. Romkritik im Mittelalter vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, Lübeck, Hamburg 1968 (Historische Studien, 404). Vgl. ergänzend Paul Gerhard Schmidt, Rom aus der Sicht eines Pariser Hochschullehrers ( Johannes de Garlandia), in: Bernhard Schimmelpfennig, Ludwig Schmugge (Hg.), Rom im hohen Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert. Festschrift Reinhard Elze, Sigmaringen 1992, S. 165–168; Pascale Bourgain, Image de Rome dans la littérature (Moyen Âge), in: Dictionnaire historique de la papauté (1994), S. 833–837, hier S. 836f.; Francesco Stella, Roma antica nella poesia mediolatina. Alterità e integrazione di un segno poetico, in: Zerbi (Hg.), Roma antica (wie Anm. 66), S. 277–308. 68 Jean Batany, Les hommes de Rome: géographie et jeux de langage chez deux moralistes français vers 1200, in: Daniel Poirion (Hg.), Jérusalem, Rome, Constantinople: l’image et le mythe de la ville au Moyen Âge. Colloque du Départment d’études médiévales de l’Université de Paris–Sorbonne (Paris IV), Paris 1986 (Cultures et civilisations medievales, 5), S. 83–92, hier S. 88. 69 Ebd., S. 90. 70 Vgl. Seidlmayer, Rom (wie Anm. 66), S. 15. 71 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 135v, ed. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 275. 72 Der abbas de la Vanza in Palencia, Marcus Fernandi, bemerkte, dass omnes Romani portarent arma indifferenter: Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 156r. 73 In Ergänzung der bereits genannten Literatur kann man noch verweisen auf Massimo Miglio, Tradizioni popolari e coscienza politica, in: André Vauchez (Hg.), Roma medievale (VII–XIV secolo), Rom, Bari 2001 (Storia di Roma dall’antichità a oggi, 2), S. 317–338,
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Guillaume Noëllet sah in den ‚blutrünstigen‘ Römern notorische Aufständige und Unruhestifter (consueverunt seditiones et rumores facere), die es nicht bei Worten beließen und zur Tat schritten (et quod audent dicere, sunt ausi facere)74. Für den Abt Johannes von S. Isidoro in Sevilla war das römische Volk ungebändigt und irrational (indomitus et irrationabilis)75. Nach dem Engländer Albertus Coffes hätten sich die Römer gegenüber den verhassten Franzosen sogar zu Akten von Kannibalismus hinreißen lassen, nachdem sie am 16. Juli 1378 eine empfindliche Niederlage gegen die bretonischen Söldner der Kardinäle erlitten hatten76. Selbst der Kardinal Bertrand Lagier trug zu dieser schwarzen Legende bei77. Dabei hatten sich zu diesem Zeitpunkt die meisten Kardinäle und viele Kuriale schon längst nach Anagni abgesetzt! Ein anderes bekanntes Stereotyp, das gegen die Römer ins Feld geführt wurde, war das ihres vermeintlichen latenten Unglaubens. Kardinal Bertrand Lagier griff es in seinen Informationes auf, die er vor dem Juli 1380 in Avignon gegen den urbanistischen Franziskaner aus königlichem Haus Pedro von Aragon verfasst hatte78, und ironisierte mit Worten des hl. Bernhard von Clairvaux über die Unbelehrbarkeit der Römer79. Man fände, so der Kardinal, unter 100 Römern nicht einen, der hier S. 317f. und Claudia Märtl, Die grausame Stadt. Ein Motiv der Rombeschreibung von der Antike bis zum 21. Jahrhundert, in: Johrendt, Schmitz-Esser (Hg.), Rom (wie Anm. 66), S. 191–206. 74 ASV, Arm. LIV, vol. 19, fol. 97r–101v, hier fol. 100v–101r (Avignon, Juni–August 1386), ed. Gayet, Grand Schisme (wie Anm. 1), Bd. 2, Pièces S. 135, zitiert auch in Joëlle RolloKoster, Civil violence and the initiation of the Schism, in: Dies., Izbicki (Hg.), Companion (wie Anm. 1), S. 9–65, hier S. 20. 75 ���������������������������������������������������������������������������������������� Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 199r (Medina del Campo, Anfang 1381). Weitere Negativurteile ebd., fol. 201r (Romani sunt gens sublevata et sediconsa[!]) und fol. 246r ([…] populi qui est crudelis conditionis). 76 ASV, Arm. LIV, vol. 16, fol. 10r–20r, hier fol. 19v (Avignon, Juni–August 1386), ed. Voci, Nord (wie Anm. 32), S. 184. 77 Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 337. 78 ASV, Arm. LIV, vol. 17, fol. 148r–152r, ed. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 326– 338. 79 Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 331: Est demum, quod facias exire de urbe Caldeorum et dicito: oportet me aliis civitatibus evangelizare. Puto, quod non penitebit exilii, orbe pro Urbe commutato. Hec Bernardus. Der Traktat Bernhards von Clairvaux De consideratione ad Eugenium papam wurde zwischen 1148 und 1153 verfaßt: Sancti Bernardi Opera, ed. Jean Leclercq, Henri M. Rochais, Bd. 3, Rom 1963, S. 379–493 (Zitat: S. 455), deutsche Übersetzung in Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke, ed. Gerhard B. Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990–1999, hier Bd. 1, S. 611–841 (Zitat: S. 751). Vgl. für den Kontext Pietro Zerbi, Ecclesia in hoc mundo posita. Studi di storia e di storiografia medioevale raccolti in occasione del 70. genetliaco dell’autore, hg. v. Maria Pia Alberzoni, Annama-
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in den letzten zehn Jahren einmal gebeichtet und die Kommunion empfangen hätte (certe dum eramus Rome considerando parochias, estimabamus, quod de C personis non confitebatur unus nec communicabat semel in X annis)80. Rom ist für den Kardinal das Babylon des Alten Testaments. Den Römern mangele es am Respekt vor allem Sakralen. Schlecht kommen die Römer meist auch in den Reise- und Pilgerberichten81 sowie in der prophetischen Literatur weg82. Beide Quellengenres finden ihr Echo in der Aussage des Katalanen Guillem Morer (Guillelmus Morerii), einem Kleriker aus der Diözese Elne im Dienste des Königs von Aragon. Er berichtete 1379 von Übergriffen gegen Pilger und von der Bosheit der Römer und rief – mit Berufung auf eine ihm bekannte Römerin – nach dem längst verheißenen göttlichen Strafgericht gegen die Stadt Rom, das auch mit der Wahl Urbans VI. verbunden wird: ria Ambrosioni u. a., Mailand 1993, S. 435) und allgemein Paolo Brezzi, San Bernardo e Roma, in: SR 1 (1953), S. 496–509. 80 Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 331. 81 Aus der breiten Literatur seien nur genannt Gerhard Tellenbach, Die Stadt Rom in der Sicht ausländischer Zeitgenossen (800–1200), in: Saeculum 24 (1973), S. 1–40 (nachgedruckt in: Ders., Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. 3, Stuttgart 1988, S. 265–304); Jean Richard, Les récits de voyages et de pèlerinages, Turnhout 1981 (TS, 38); Cristina Nardella, La Roma dei visitatori colti. Della ��������������������������������� mentalità umanistica di Maestro Gregorio (XII–XIII secolo) a quella medioevale di John Capgrave (XV secolo), in: ASRSP 119 (1996), S. 49–64; Debra J. Birch, Pilgrimage to Rome in the Middle Ages. Continuity and change, Woodbridge 1998, S. 170–173; Pedro Tena Tena, Roma en textos españoles de viajes medievales, in: Lemir. Revista de literatura española medieval y del Renacimiento 3 (1999), S. 353–402 (bzw. http://parnaseo.uv.es/Lemir/Revista/ Revista3/Tena/Tena.htm [Zugriff: 03.03.2012]); Vito Castiglione Minischetti, Giovanni Dotoli u. a., Bibliographie du voyage français en Italie du Moyen Âge à 1914, Fasano, Paris 2002; Werner Maleczek, Der Mittelpunkt Europas im frühen 13. ����� Jahrhundert. Chronisten, Fürsten und Bischöfe an der Kurie zur Zeit Papst Innocenz’ III., in: RHMitt 49 (2007), S. 89–157. Aber selbst Reiseberichte des 15. Jahrhunderts verbinden mit dem Rom der eigenen Zeit oft nicht mehr als Klagen über die avaritia der Römer; vgl. etwa Gerhard Tellenbach, Glauben und Sehen im Romerlebnis dreier Deutscher des fünfzehnten Jahrhunderts, in: Erwin Gatz (Hg.), Römische Kurie, Kirchliche Finanzen, Vatikanisches Archiv, Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, Bd. 2, Rom 1979 (Miscellanea Historiae Pontificae, 46), S. 883–912 (nachgedruckt in: Tellenbach, Abhandlungen [wie diese Anm.], S. 1151–1180). Als Beispiel für den Bericht eines Botschafters sei erwähnt Arturo Segre, I dispacci di Cristoforo da Piacenza procuratore mantovano alla corte pontificia (1371–1383), in: ASI, Ser. V, 44 (1909), S. 253–326. 82 Vgl. Gian Luca Potestà, Roma nella profezia (secoli XI–XIII), in: Zerbi (Hg.), Roma antica (wie Anm. 66), S. 365–398; Hélène Millet, Le cardinal Martin de Zalba (†1403) face aux prophéties du Grand Schisme d’Occident, in: MEFRM 98 (1986), S. 265–293 sowie den Beitrag der Autorin im vorliegenden Tagungsband.
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Tunc ipsa [römische Bekannte] negabat ipsum [Urban VI.] esse papam, ymo dixit, quod secundum quod ipsa audiverat per profhetias urbis, ipse debebat esse destructio illius civitatis, et quia citra modicum tempus civitas illa debebat destrui propter malitiam plebis, quia per longa tempora fuerunt perpetrata mala multa et infinita contra peregrinos, qui visitant sanctuarium Dei, et Romani interficiunt unum peregrinum, ut lucrentur unum florenum seu carlenum, et in hoc faciunt suas malas societates et post non puniuntur et anima clamat coram Deo, et ita Deus vult punire hanc civitatem, que semper fuit mala contra sanctos Dei 83.
2. Die Macht der Präzedenzfälle Wenig erbauliche Episoden über die Römer finden sich schon im Liber pontificalis84 und waren gewiss auch 1378 allgemein bekannt. Kardinal Pedro de Luna (der zukünftige ‚Gegenpapst‘ Benedikt XIII.) erinnert in seinen allegationes gegen Urban VI. von 1381 – quasi in einem diachronen Vergleich – an die aus Furcht vor den Römern (metu Romanorum) erfolgte (dann annullierte) Wahl Benedikts X. im Jahre 105885. Der Zufall wollte es, dass die Kardinäle offiziell ihren Abfall von Urban VI. am 2. August 1378 just in Anagni vollzogen, der Stadt, 83 Perarnau, Nous fons (wie Anm. 31), S. 196. 84 Zur Papsthistoriographie im Allgemeinen vgl. etwa Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm. 3); Ders., Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der Historiographie, Stuttgart 1981 (Uni-Taschenbücher, 1151); François Bougard, Michel Sot (Hg.), Liber, Gesta, histoire. Écrire l’histoire des évêques et des papes, de l’Antiquité au XXIe siècle. Actes du colloque d’Auxerre 25–27 juin 2007, Turnhout 2009 (darin bes.: Guy Lobrichon, Paul Payan, Quelle écriture de l’histoire des papes d’Avignon?, S. 179– 198; Alain Tallon, L’histoire ‚officielle‘ de la papauté du XVe au XVIIe siècle, les Vitae pontificum romanorum de Platina, Panvinio, Ciaconius, S. 199–213). Zum Umgang mit Schismen und Gegenpäpsten in der Papstgeschichtsschreibung – einem Desiderat der Forschung – vgl. außerdem die Hinweise in Herman Geertman, La genesi del Liber pontificalis romano, in: ebd., S. 37–107, hier S. 42–44; Stefan Bauer, The censorship and fortuna of Platina’s Lives of the popes in the sixteenth century, Turnhout 2006 (Late medieval and early modern studies, 9), S. 248, 305, 314f., 318; Stefan Bauer, Wieviel Geschichte ist erlaubt? Frühmoderne Zensur aus römischer Perspektive, in: Susanne Rau, Birgit Studt (Hg.), Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiografie (ca. 1350–1750), Berlin 2010, S. 334–347, hier S. 341–343 sowie die Beitäge von Harald Müller und Klaus Herbers im vorliegenden Tagungsband. Auch der theologisch-ekklesiologische Diskurs (z. B. für die Rolle der Papstschismen in heilsgeschichtlicher Perspektive) wäre noch genauer zu untersuchen. 85 ASV, Arm. LIV, vol. 14, fol. 138r; vgl. zu den Details Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 154f.
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die 75 Jahre zuvor Schauplatz der Erniedrigung Bonifaz’ VIII. durch einige Barone Roms und Latiums geworden war (an die französischen Hintermänner des Angriffs mochte man sich indes 1378 nicht mehr erinnern)86. Die Italiener erlitten nun das Trauma des Gangs der Kirche ‚in die babylonische Gefangenschaft‘ nach Avignon87. Das Bild vom verwaisten bzw. verwitweten Rom wurde von den Dichtern Dante Alighieri und Francesco Petrarca kultiviert88 und fand Eingang in alle folgenden Polemiken und in die Zeugenaussagen zum Jahr 137889. Der Angriff auf Bonifaz VIII. und sein bald darauf erfolgter Tod wurden auch 1378 in die Reihe der angeblich kontinuierlichen Morde an gewöhnlichen Menschen, Tribunen (die Anspielung an den nach seinen Triumphen 1354 von den eigenen Leuten ermordeten Cola di Rienzo ist evident90), Senatoren91, Fürsten und Päpsten gestellt ([Romani] pro nichilo habent occidere homines, tribunos, senato86 Vgl. für einen Überblick der Quellen und Literatur Andrea Sommerlechner, Die Darstellung des Attentats von Anagni, in: RHMitt 32/33 (1990–1991), S. 51–102 und zu weiteren Materialien Coste, Boniface VIII (wie Anm. 47), ad indicem. Das Verschweigen der Rolle des Guillaume de Nogaret ist evident in der Aussage des abbas de la Vanza, Marcus Fernandi, in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 227r. 87 Vgl. allgemein Aspetti culturali della società italiana nel periodo del papato Avignonese, 15–18 ottobre 1978, Todi 1981 (Convegni del Centro di studi sulla spiritualità medievale, 19) (darin bes.: Ludovico Gatto, L’allontanamento della sede pontificia da Roma nelle proposte della casata angioina e di Pierre Dubois, S. 227–255). 88 Für Dante Alighieri vgl. aus einer breiten Literatur etwa Charles T. Davis, Dante and the idea of Rome, Oxford 1957; Paolo Brezzi, L’idea e la realtà. Problemi ���������������������������� storici e interpretazioni critiche, in: Roma Costantinopoli Mosca. Seminario 21 aprile 1981, Napoli 1983, S. 87–124, hier S. 110–114; Nicholas R. Havely, From Assisi to Avignon: Dante, the franciscans, and the papal inquiry of 1309–12, in: Journal of the institute of romance studies 3 (1994), S. 43–53; Georges Holmes, Monarchia and Dante’s attitude to the popes, in: John Woodhouse (Hg.), Dante and governance, Oxford 1997, S. 46–57. Für Petrarca vgl. ebenfalls pars pro toto Franco Gaeta, Sull’idea di Roma nell’Umanesimo e nel Rinascimento (Appunti e spunti per una ricerca), in: SR 25 (1977), S. 169–186; Pierre Blanc, La construction d’une utopie néo-urbaine: Rome dans la pensée, l’action et l’œuvre de Pétrarque de 1333 à 1342, in: Poirion (Hg.), Jérusalem (wie Anm. 68), S. 149–168; Maria Grazia Blasio, Anna Morisi u. a. (Hg.), Petrarca e Roma. Atti del convegno di studi, Roma 2–4 dicembre 2004, Rom 2006. Für das Bild des avignonesischen Papsttums in der modernen Historiographie vgl. Daniel Waley, Opinions of the Avignon papacy. A historiographical sketch, in: Storiografia e storia, Studi in onore di Eugenio Dupré Theseider, Rom 1974, Bd. 1, S. 175–188. 89 Siehe die oben Anm. 63 zitierte Aussage des Énnec de Vallterra. 90 Anonimo Romano, Cronica, ed. Giuseppe Porta, Mailand 1979 (Classici, 40), S. 259– 265. 91 1353 kam es im Zuge einer Hungersnot zu einem Aufstand des römischen Volkes, bei dem ein Senator ermordet wurde: ebd., S. 220f.
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res, principes et summos pontifices, sicut paruit de domino Bonifacio)92. Der nächste Eklat war die von Ludwig dem Bayern 1328 eingefädelte Wahl des Gegenpapstes Nikolaus V.93 An diesen vermeintlichen Präzedenzfall erinnerte sich ein Zeuge 1378 mit folgenden Worten: Alio tempore, cum esset papa verus Avinione, [Romani] fecerunt antipapam Rome, tempore Johannis pape, et nominabatur Johannes de Corberio et erat Romanus94. Vage bleiben die Angaben darüber, in welcher Form die Römer denn einen Papst wählen wollten. Angeblich hätten 1378 einige Römer das Wahlrecht sogar dem römischen Klerus95 oder gar nur den Kanonikern der römischen Bischofs kirche S. Giovanni in Laterano reservieren wollen96. Solche Vorstellungen waren natürlich nach der schrittweisen Etablierung des Kardinalkollegs ab dem 11. Jahrhundert völlig obsolet und anachronistisch97. Die Lage im Kirchenstaat verschlechterte sich rapide, als die traditionell guelfische Stadtrepublik Florenz sich ghibellinisch gebärdete und an die Spitze der Rebellen gegen Avignon trat. So mehrten sich schon vor 1378 Stimmen, die die Angst verbreiteten, dass die Römer einen Gegenpapst wählen könnten98. Pietro Tartari, der umtriebige und ehrgeizige Abt von Monte Cassino, war angeblich 92 So die Aussage des Fra’ Angelo di Spoleto, eines Gefolgsmanns Klemens’ VII. und generalis minister ordinis Minorum (1379–1391), in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 248v. 93 Vgl. Andreas Rehberg, Kirche und Macht im römischen Trecento. Die Colonna und ihre Klientel auf dem kurialen Pfründenmarkt (1278–1378), Tübingen 1999 (Bibliothek des DHI in Rom, 88), S. 269–271; Amadeo De Vincentiis, Niccolò V (antipapa), in: Enciclopedia dei papi (2000), S. 522–524 und jetzt Frank Godthardt, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern. Politische Theorie und politisches Handeln, Göttingen 2011 (Nova Mediaevalia, 6), S. 343–385. 94 Baluze, Mollat, Vitae Paparum (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 713. 95 Siehe die Aussage des Johannes Lemosini, Kanonikers von Bazas (Aquitanien) und Gefolgsmanns Klemens’ VII., in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 72v (Avignon, Sommer 1386): […] cum antiquitus electio pape pertineret ad clerum Romanum. Siehe auch ebd., fol. 74r. 96 Siehe den Bericht des Antonio Vetoli aus Viterbo, Bischofs von Fermo und Gefolgsmanns Klemens’ VII., in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 9r (Avignon, Sommer 1386): […] asserentes, quod […] electio spectaret ad Lateranensem capitulum. 97 Verwiesen sei hier nur auf Rudolf Hüls, Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms 1049–1130, Tübingen 1977 (Bibliothek des DHI in Rom, 48); Edith Pásztor, Onus Apostolicae Sedis. Curia romana e cardinalato nei secoli XI–XV, Rom 1999; Tommaso Di Carpegna Falconieri, Il clero di Roma nel medioevo: istituzioni e politica cittadina (secoli VIII– XIII), Rom 2002 (I libri di Viella, 30), S. 103–136; Ambrogio M. Piazzoni, Storia delle elezioni pontificie, Casale Monferrato 2003. 98 Vgl. Richard C. Trexler, Rome on the eve of the Great Schism, in: Speculum 42 (1967), S. 489–509, hier S. 491.
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schon vor 1378 als möglicher Papstkandidat der Römer im Gespräch99. Ein bezeichnenderweise für den Karneval geplanter Umsturzversuch der Römer unter einem Epigonen Colas di Rienzo im Tribunenamt sei noch kurz vor dem Tod Gregors XI. vereitelt worden100.
3. Die Römer vor den Eingängen zum Konklave Sind also schon die Römer und ihr Verhalten aus der Sicht besonders der späteren klementistischen Kardinäle und ihrer Anhänger im Vorfeld des Konklaves negativ konnotiert, so gilt dies natürlich erst recht mit Bezug auf die Ereignisse um das turbulente Konklave selbst, das vom 7. bis 9. April 1378 im Papstpalast bei St. Peter stattfand. Die Bewohner der Stadt Rom, die sich damals gerade von der langen Abwesenheit der Päpste erholte101, sind die unbestrittenen Protagonisten der Ereignisse. Die Zeugenaussagen sprechen meist von populus (romanus), turba oder plebs etc. und suggerieren mit abfälligen Bemerkungen, dass es sich um das niedere Volk gehandelt habe102. In vielen Berichten von 1378 verschwamm das Bild der schreienden Römer zu einer gesichtslosen Masse, in der man soziale Unterschiede auszumachen nicht imstande war. Bezeichnend hierfür ist die Aussage des Fernandus Petri, Dekan von Tarazona und Anhänger Klemens’ VII., dass in Rom Arm und Reich stets schlecht gekleidet seien und er deshalb die ehrbaren nicht von den niederen Römern (an homines honorati vel viles) unterscheiden könne (dixit, quod non cognovit eos pro eo, quod conditio Romanorum est, ut vadant male ornati et male
99 Vgl. Eugenio Duprè Theseider, Roma dal Comune di popolo alla signoria pontificia (1252–1377), Bologna 1952 (Storia di Roma, 11), S. 685. Vgl. zur Person vorerst Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 310 und Andreas Rehberg, Die Kanoniker von S. Giovanni in Laterano und S. Maria Maggiore im 14. Jahrhundert. �������������������������� Eine Prosopographie, Tübingen 1999 (Bibliothek des DHI in Rom, 89), S. 279f. 100 Vgl. Andreas Rehberg, Un tribuno emulo di Cola di Rienzo: Antonio Malavolta, in: Gabriele Scalessa (Hg.), Cola di Rienzo. Dalla storia al mito, Rom 2009, S. 29–41. 101 Vgl. zur Geschichte Roms im 14. Jahrhundert hier nur Duprè Theseider, Roma (wie Anm. 99) und Vauchez (Hg.), Roma medievale (wie Anm. 73). 102 Zum Wortfeld „(niederes) Volk” vgl. Pierre Boglioni, Robert Delort u. a. (Hg.), Le petit peuple dans l’Occident médiéval. Terminologie, perceptions, réalités, Paris 2002 (Histoire Ancienne et Médiévale, 71) und Gérard Delille, Aurora Savelli (Hg.), Essere popolo. Prerogative e rituali d’appartenenza nelle città italiane d’antico regime, in: Ricerche storiche 32 (2002) (der Bd. umfasst die Akten einer Tagung im Jahr 2000 in Florenz).
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distinguntur viles a bonis)103. Eine Parallele für diese Haltung findet sich in der Florentiner Novellistik des 14. und 15. Jahrhunderts, die ebenfalls die Römer – unter Anspielung auf die Dominanz des Agrarsektors in der römischen Wirtschaft – allgemein als „Viehhirten“ (vaccai) abstempelte104. Ganz eindeutig konvergierten die Denkweise und Mentalität der in der Stadt anwesenden auswärtigen Kurialen und Fremden nicht mit denen der einheimischen Römer, denen man generell misstraute und die man – anders als die Barone – nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptieren wollte. Diese Angst vor dem unkalkulierbaren Zorn der Römer habe sich noch verstärkt, als vor dem Zusammentritt des Konklaves die nobiles, d. h. die Barone, die dank ihres gehobenen Status eng mit den Kardinälen verkehrten, der Stadt verwiesen wurden105 (was allerdings in den freien italienischen Kommunen in politischen Krisenzeiten eine gängige Praxis war106). Fakt ist, dass die Römer, die in der Tat nicht mit den Aktivitäten der großen Bankiers in Florenz und Siena sowie der Reeder in Genua und Venedig mithalten konnten, trotzdem sowohl in wirtschaftlicher107 wie kultureller Hinsicht108 nicht zu unterschätzen waren. Eher eine politisch-ökonomische Kategorie stellten die populares der Quellen zu 1378 dar. Sie zielte auf alle die Römer ab, die man im damaligen Rom dem politisch verstandenen populus zuordnete, d. h. die nicht dem exklusiven Kreis der mächtigen Baronalfamilien angehörten, deren einflussreich103 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 172v (Medina del Campo, Anfang 1381). 104 Massimo Miglio, Scritture, scrittori e storia, Bd. 2: Città e corte a Roma nel Q����� ������ uattrocento, Manziana 1993, S. 149; vgl. auch Andreas Rehberg, Nobiles, milites e cavallerocti nel tardo Duecento e nel Trecento, in: Sandro Carocci (Hg.), La nobiltà romana nel medioevo, Rom 2006 (Collection de l’École française de Rome, 359), S. 413–460, hier S. 439f., 459. 105 Bekannt ist die Protektion, die Onorato Caetani Robert von Genf gewährte, der auf seinem Territorium in Fondi zum Papst (Klemens VII.) gewählt wurde. 106 Vgl. zu dieser Thematik etwa Giuliano Milani, L’esclusione dal comune. Conflitti e bandi politici a Bologna e in altre città italiane tra XII e XIV secolo, Rom 2003 (Nuovi studi storici, 63) und Marco Gentile (Hg.), Guelfi e ghibellini nell’Italia del Rinascimento, Rom 2005 (I libri di Viella, 52). 107 Zu den wirtschaftlichen Grundlagen Roms im Spätmittelalter vgl. hier nur Sergio Gensini (Hg.), Roma capitale (1447–1527), Pisa 1994 (Pubblicazioni degli Archivi di Stato. Saggi, 29); Luciano Palermo, L’economia, in: Antonio Pinelli (Hg.), Roma del Rinascimento (1420–1600), Rom, Bari 2001 (Storia di Roma dall’antichità a oggi, 3), S. 49– 91; Anna Esposito, Luciano Palermo (Hg.), Economia e società a Roma tra Medioevo e Rinascimento, Rom 2005. 108 Vgl. Massimo Miglio, Schede per la cultura nobiliare a Roma nel Trecento, in: Carocci (Hg.), Nobiltà (wie Anm. 104), S. 367–392.
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ste Mitglieder wiederum die Colonna und Orsini waren. Das populare Regiment hatte sich in Rom erst 1358 durchgesetzt und war in den Ereignissen von 1378 mit seinen prominentesten Vertretern präsent, und zwar den Bandaresi (d. h. den Anführern der Volksmiliz mit dem pompösen Namen Felice Societas dei Balestrieri e dei Pavesati) sowie den conservatores, den caporioni und den marescialli der Polizeitruppe109. Wie heute gab es schon damals einen ‚Krieg der Zahlen‘, um die Gefährlichkeit des aufgebrachten Mobs auf dem Petersplatz zu unterstreichen. Dabei kamen selbst die französischen Kardinäle nicht zu einheitlichen Angaben: einer spricht von 10.000110, ein anderer geradezu von 30.000111 bewaffneten Personen in drohender Haltung. Ähnliche Divergenzen finden sich bei den nicht so prominenten Augenzeugen, während die Römer die weit realistischere (und bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 15.000 Einwohnern112 immer noch ausreichend beunruhigende) Zahl von 1.000 Bewaffneten anführen113. Einige Augenzeugen zählen zu den Waffenträgern auch die Mitglieder der Bürgermiliz der Felice Societas dei Balestrieri e dei Pavesati, die bekanntermaßen – getrennt in den beiden Kampfeinheiten der Armbrustschützen (balestrieri) und der Schildträger
109 Zur Geschichte des römischen Volksregiments vgl. Duprè Theseider, Roma (wie Anm. 99); Jean-Claude Maire Vigueur, La Felice Societas dei Balestrieri e dei Pavesati a Roma: una società popolare e i suoi ufficiali, in: Antonella Mazzon (Hg.), Scritti per Isa. Raccolta di studi offerti a Isa Lori Sanfilippo, Rom 2008 (Nuovi Studi Storici, 76), S. 577–606; Ders., L’autre Rome. Une histoire des Romains à l’époque des communes (XIIe–XIVe siècle), Paris 2010, S. 352–368. 110 Siehe die Aussage des Kardinals Hugues de Montalais in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 37v (Avignon, Mai 1380). 111 So Kardinal Pierre de Vergne ebd., fol. 38v–39v (Avignon, Mai 1380), ed. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 1), S. 242. 112 Zu den Schätzungen der Bevölkerungszahl Roms im Spätmittelalter vgl. Karl Julius Beloch, Bevölkerungsgeschichte Italiens, Bd. 2, Berlin 1939, S. 3; Maria Ginatempo, Lucia Sandri, L’Italia delle città. Il popolamento urbano tra medioevo e Rinascimento (secoli XIII–XVI), Florenz 1990 (Le vie della storia, 3), S. 129, 224, 277 (außerdem zum Vergleich S. 130: „[Roma] forse toccava i 30 mila abitanti nel 1313–39“). 113 Siehe die Aussagen – beide gemacht in Rom im Juli 1380 – von Jacobus Palucii, aus dem Rione Trevi, in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 68r–v, ed. Gayet, Grand Schisme (wie Anm. 1), Bd. 1, Pièces S. 18–20 und des Kanonikers von S. Giovanni in Laterano sizilianischen Ursprungs, Antonio d’Augusta, in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 68v.
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(pavesati)114 – insgesamt 3.000 Mann umfasste115 und im April 1378 nicht nur in der Stadt zum Schutz der Kardinäle patroullierte, sondern auch die Stadttore bewachte. Auch die Zahl der Römer, die in der Nacht die Ruhe der Kardinäle störten, ist ungewiss. Der spätere Anhänger Klemens’ VII., Bonifacio Ammannati116, spricht von nicht einmal 30 unruhigen Männern, die angesichts der gut bewaffneten Konklavewächter keine große Bedrohung dargestellt hätten, zumal es sich bei ihnen um einfache populares gehandelt habe117. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Phasen der zunehmenden Eskalation zu rekapitulieren, die hinreichend bekannt sind. Entscheidend ist die Feststellung, dass es zum Sturm auf das Konklave erst am folgenden Tag und nach dem (aus urbanistischer Sicht) formell gültig vollzogenen Wahlakt (dem nur noch die Publikation fehlte) gekommen ist. Auslöser war offenbar die Enttäuschung der populares unter den Römern – darunter die sich hintergangen fühlenden, vornehmen Verwandten des kurzzeitig als Papst vorgeführten betagten Kardinals Francesco Tebaldeschi – über die vermeintlich auf einen Franzosen gefallene Wahl der Kardinäle118. Ein weiterer Punkt, an dem sich die abweichenden Perzeptionsmuster ablesen lassen, ist die Gewohnheit, den Konklaveort und die Häuser des neuen Papstes bzw. derjenigen, die als Kandidaten für den Papstthron galten, zu plündern. Für letztere war das besonders bitter (zu ihnen gehörten 1378 der besagte Francesco Tebaldeschi und der oben genannte Abt Pietro Tartari). Die Evolution des Usus dieser „rituellen (Interregnums-)Plünderungen“ – vielleicht kann man sogar von 114 Diesbezüglich ist die folgende Aussage des Alvarus Gundisalvi, Kanoniker von Cordoba, in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 196v interessant: Interrogatus si populus, qui stabat in platea et ad palatium, erat pro maiori parte armatus, dixit, quod erat pro minori parte. Interrogatus quot poterant esse armati, dixit, quod poterant esse duocenti seu trecenti et de istis stabant ad custodiam conclavis usque ad octoginta; et alii ybant divisi in duas partes custodiendo civitatem. Interrogatus si in platea s. Petri et ad palatium erat alia gens armata, dixit, quod non. Interrogatus quot poterant esse inhermes, dixit, quod poterant esse, ut ei videbatur, tria milia vel plures. 115 Für diese Zahl vgl. Maire Vigueur, Felice Societas (wie Anm. 109), S. 580. 116 Zur Person des von Benedikt XIII. 1397 zum Kardinal erhobenen Ammannati vgl. Raoul Manselli, Ammannati, Bonifacio, in: DBI 2 (1960), S. 801 und Domenico Maffei, Profilo di Bonifacio Ammannati giurista e cardinale, in: Genèse et débuts (wie Anm. 1), S. 239–251. 117 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 184r–187r, hier fol. 185r (Medina del Campo, Anfang 1381): Interrogatus in quo numero videbatur sibi, quod essent isti supradicti clamantes, dixit, quod nesciebat, sed credit, quod essent minus quam triginta et erant populares. 118 Als Beispiel sei auf die Schilderung in der Aussage des Hieronymitenbruders Petrus Cordubensis des Klosters San Bartolomé von Lupiana (Guadalajara) in Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 221v verwiesen.
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einer Art Gewohnheitsrecht sprechen – ist ein Thema, das bereits Autoren wie Reinhard Elze, Agostino Paravicini Bagliani und Joëlle Rollo-Koster behandelt haben119. Die Analyse der sozialen Herkunft der Plünderer des 9. April 1378 zeigt, dass entgegen der tendenziösen Darstellung in den Quellen und in der Historiographie die Plünderungen keineswegs nur auf das Konto der dumpfen Masse des niedrigen Volkes, sondern durchaus auch auf das von Handwerkern, Händlern, Klienten von Baronaladelsfamilien sowie sogar von Verwandten der Geschädigten (die damit wohl auch eigenen Besitz in Sicherheit bringen wollten) gingen. Obwohl der Usus auch den Kurialen bekannt war, gab er doch im Nachhinein den von Urban VI. abgefallenen Kardinälen eine willkommene Gelegenheit, auf die Brutalität und die latente Gewaltbereitschaft des römischen Volkes zu verweisen. Aber in Umbruchsituationen kam es keineswegs nur in Rom zu Gewaltausbrüchen, sondern auch anderenorts120, so dass man die (nachträgliche) Empörung der Kardinäle mit Vorsicht zu betrachten hat.
III. Schluss: Romani non sunt ita mali sicut dicitur Welche Folgerungen kann man nun aus den Zeugenaussagen zum politischen Klima in jenen April-Tagen des Jahres 1378 ziehen? Man kann nicht leugnen, dass es Pressionen nicht weniger Römer gegenüber den Kardinälen und einigen ausländischen Kurialen gegeben hat, sie von der Opportunität der Wahl eines Italieners zu überzeugen, der den Verbleib der Kurie in der Ewigen Stadt garantiert 119 Vgl. Reinhard Elze, Sic transit gloria mundi: la morte del papa nel medioevo, in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 3 (1977), S. 23–41; Agostino Paravicini Bagliani, Il corpo del Papa, Turin 1994 (Biblioteca di cultura storica, 204); Carlo Ginzburg, Saccheggi rituali. Premessa a una ricerca in corso, in: Quaderni storici 65 (1987), S. 615–636; Joëlle Rollo-Koster, Looting the empty see: The Great Western Schism revisited (1378), in: RSCI 59 (2005), S. 429–474; Dies., Raiding (wie Anm. 1); Anna Modigliani, Andreas Rehberg, ‚Saccheggi rituali‘ nell’ambito curiale-romano: una chimera degli antropologi?, in: Roma nel Rinascimento (2008), S. 25–36; Ders., Sacrum enim opinantur, quicquid inde rapina auferunt. Alcune osservazioni intorno ai ‚saccheggi rituali‘ di interregno a Roma (1378–1534), in: Thomas Ertl (Hg.), Pompa sacra. Lusso e cultura materiale alla corte papale nel Basso Medioevo (1420–1527). Atti della giornata di studi, Roma Istituto Storico Germanico 15 febbraio 2007, Rom 2010 (Nuovi studi storici, 86), S. 201–237. 120 Reiches Vergleichsmaterial bieten beispielsweise Rollo-Koster, Looting (wie Anm. 119), S. 469–472 und Claude Gauvard, Violence et ordre public au Moyen Âge, Paris 2005 sowie (für Italien) Lauro Martines (Hg.), Violence and civil disorder in Italian cities, 1200–1500, Berkeley 1972.
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hätte. Aber die Interessenslage der Römer war nicht einheitlich. Einige Römer auch aus der im popularen Stadtregiment maßgeblichen Schicht der Händler und Agrarunternehmer (bovattieri) verkehrten mit Kardinälen und Kurialen – sei es als ihre Nachbarn, Handelspartner, Lieferanten, Angestellten, Vermieter ihrer Wohnungen oder sogar selbst als Pächter von Grundstücken oder Immobilien der zahlreichen römischen Titelkirchen. Diese Personen waren sichtlich stolz auf ihre einflussreichen Bekannten. Bezeichnend ist die Episode, in der der erwähnte aragonesische Kardinal Pedro de Luna (später eben Papst der Avignoneser Obödienz unter dem Namen Benedikt XIII.) bei seiner Rückkehr aus dem Konklave beim Passieren der Engelsburg unter Beschuss seitens der dort stationierten französischen Garnision geriet, die angesichts der großen Zahl von Römern unter seinen Begleitern (darunter sein bonus amicus, der adelige Lorenzo Sanguini121) glaubte, der Prälat würde von den Römern als Gefangener abgeführt. Seitens der Römer bestand umgekehrt nicht selten ein Gefühl der Ohnmacht und Missgunst gegenüber den Fremden, da diese als hohe Prälaten und nachgeordnete Kuriale über den Einfluss und die Wirtschaftsmacht verfügten, die den Römern selbst angesichts der Übermacht vor allem der Franzosen in den kurialen Apparaten weitgehend verwehrt blieben. Gelegentliche Ausbrüche von Xenophobie scheint es durchaus gegeben zu haben122. Für eine Totalrehabilitation der Römer besteht also kein Anlass, allerdings kann ihr Verhalten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als alleiniger Grund für das nachfolgende Unheil für die Gesamtkirche herhalten. Unser Beitrag ist einigen – nicht allen! – Elementen nachgegangen, die im Jahr 1378 das römische Terrain für den Ausbruch eines Schismas und das Auftreten von zwei rivalisierenden Obödienzen bereiteten. Schon recht bald begannen die französischen Kardinäle gegen den ihnen unbequem werdenden Urban VI. zu opponieren. Urban wurde für sie auch unter geschickter Bezugnahme auf das turbulente Konklave im April desselben Jahres im Nachhinein zu einem schismatischen Papst und schließlich aus ihrer Sicht nach der Wahl Klemens’ VII. im September 1378 zum eigentlichen Gegenpapst. Die schlechte ‚Presse‘ der Römer unter den Zeitgenossen machte das obige antirömische Argument in weiten Kreisen der Christenheit glaubhaft. Wie eine Umkehr bzw. Umdeutung von Fakten mit Fiktionen begründet wurde, war Thema unserer Ausführungen, die sich vorerst weitgehend auf die Aussagen von Augenzeugen der Wahl Urbans VI. beschränkten und in einem zweiten 121 Paris, BN, Ms. lat. 11745, fol. 228r, ed. Baluze, Mollat, Vitae Paparum (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 703. 122 Vgl. die Hinweise in Rehberg, Sacrum enim opinantur (wie Anm. 119), S. 231 Anm. 166.
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Schritt noch mit rechtlich-ekklesiologischen Aspekten sowie unter Einbeziehung der Einflüsse politisch-dynastischer Faktoren123 zu vertiefen wären. Trotz der Unvollständigkeit der Analyse dürften doch schon die grundsätzliche Bedeutung der iberischen Zeugenprotokolle wie auch deren methodischen Probleme deutlich geworden sein. In ihnen sind verschiedene Diskurse präsent, die mitzudenken sind, will man den Aussagen das richtige Gewicht geben. Zu nennen sind vor allem die Spiegelung von bis auf die Antike zurückgehenden Gemeinplätzen und der ‚pränationale‘ Diskurs. Stereotype wurden indes allenthalben geschickt instrumentalisiert: Die Klementisten rekurrierten auf die Brutalität der Römer, um die impressio zu belegen, die Urbanisten präsentierten dagegen Bartolomeo Prignano als Neapolitaner, der im Grunde ungeeignet gewesen sei, um die Römer zu besänftigen, da er ja nicht ihr Mitbürger gewesen sei. Kritik am Verhalten der Römer übten auch Italiener und nicht wenige Römer selbst – unabhängig von der Obödienz124. Trotz aller Invektiven kann man wohl aber letztlich einem Gefolgsmann Urbans VI., dem Bischof von Recanati Bartolomeo de Zabriciis aus Bologna, beipflichten, wenn er gegenüber dem Kardinal Pierre de Vergne die Römer in Schutz nimmt: Romani non sunt ita mali sicut dicitur125. Trotzdem hielt die Diffamierung Roms und der Römer im politisch-ökonomischen Diskurs wie auch in der Litera123 Zusätzlich zur Literatur in Anm. 1 vgl. etwa Brian Tierney, Foundations of the conciliar theory, Cambridge 1955; Michael Wilks, The problem of sovereignty in the later Middle Ages, Cambridge 1964 und zuletzt Walter Brandmüller, Die kanonistischen Hintergründe der Wahl von Fondi, in: AHC 39 (2007 [tatsächlich 2009]), S. 125–130. Zur Rolle der weltlichen Mächte vgl. Stefan Weiss, Onkel und Neffe. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich unter Kaiser Karl IV. und König Karl V. und der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas, in: Ders. (Hg.), Regnum et Imperium. Die französisch-deutschen Beziehungen im 14. und 15. Jahrhundert, München 2008 (PHS, 86), S. 101–164; Ders., Prag – Paris – Rom. Der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas im Kontext der deutsch-französisch-päpstlichen Beziehungen, in: Gisela Drossbach, Hans-Joachim Schmidt (Hg.), Vom Zentrum zum Netzwerk. Kirchliche Kommunikation und Raumstrukturen im Mittelalter, Berlin, New York 2008 (Scrinium Friburgense, 22), S. 183–246; Brigitte Hotz, Der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas als Chance offensiver landesherrlicher Kirchenpolitik. Motive der Parteinahme Herzog Leopolds III. von Österreich für Clemens VII., in: Francia 37 (2010), S. 353–374 sowie den Beitrag von Armand Jamme im vorliegendem Tagungsband. 124 Zum urbanistischen Bischof Menendus von Cordoba siehe oben bei Anm. 71, zu den italienischen Anhängern Klemens’ VII. Bonifacio Ammannati und Antonio Vetoli, Bischof von Fermo, siehe oben Anm. 116 und 96. 125 ASV, Arm. LIV, vol. 17, fol. 71v–77v, hier fol. 75r, ed. Raynaldus, Annales (wie Anm. 20), Bd. 7, S. 310.
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tur noch lange an126 – und wird noch heute in der Innenpolitik Italiens als populistisches Kampfmittel eingesetzt127.
126 Vgl. etwa Paola Farenga, ‚I Romani sono periculoso populo …‘ . Roma nei carteggi diplomatici, in: Gensini (Hg.), Roma capitale (wie Anm. 107), S. 289–315; Camerano, Restaurazione (wie Anm. 66), bes. S. 31–39; Chiara Cassiani, Roma tra fabula e historia. Parole e immagini alla vigilia della Riforma, Rom 2008; Philippe Levillain (Hg.), ‚Rome, l’unique objet de mon ressentiment‘. Regards critiques sur la papauté, Rom 2011 (Collection de l'École française de Rome, 453). 127 Für einen Eindruck von den berüchtigten Attacken des Mitbegründers und Vorsitzenden der norditalienischen Regionalpartei Lega Nord, Umberto Bossi, gegen Rom als Inbegriff der ihre Provinzen ausbeutenden korrupten Kapitale („Roma ladrona“) genügt ein Klick in Google. Zu den bis heute wirksamen Frakturen im Bild Roms als europäischer Erinnerungsort vgl. jetzt auch Michael Matheus, Rom, in: Pim den Boer, Heinz Duchhardt u. a. (Hg.), Europäische Erinnerungsorte, Bd. 2: Das Haus Europa, München 2012, S. 263–279.
Réseaux, stratégies de communication et Storytelling au début du Grand Schisme d’Occident Armand Jamme Les historiens qui étudient les formes de la communication politique, qui dans sa réalisation eut fondamentalement recours à l’oral, se réfèrent volontiers à l’idée de langage, postulant que les textes qu’ils utilisent sont aussi les reflets d’un échange marqué par des expressions, des modes de pensée et des logiques d’exposition orales, en partie et selon des processus variables, «textualisés». La conservation d’un certain nombre de traités d’art rhétorique pour l’Italie des XIIIe–XIVe siècles signale toute l’importance de compétences oratoires dans une carrière politique communale, au cours de laquelle il fallait être en mesure de «faire passer» un certain nombre d’idées et d’ambitions définies par les cercles dirigeants1. Le foisonnement simultané des florilèges épistolaires et des registres de lettres assure parallèlement de l’attention que les pouvoirs accordaient à leur communication écrite. Ce sera d’ailleurs parce que la lettre était un instrument d’action efficace de l’homme sur son temps que les pré-humanistes et humanistes envisageront que son écriture se conçoive à partir d’une typologie des intentions (demander, exhorter, recommander, dissuader, etc.), à même de donner tout son sens et toute sa force au style2. La prise en compte de l’efficacité d’une communication écrite – en d’autres termes la dimension performative de l’écrit épistolaire – favorisa la construction
1 Enrico Artifoni, I podestà professionali e la fondazione retorica della politica comunale, dans: Quaderni storici 63 (1986), p. 687–719; Id., Retorica e organizzazione del linguaggio politico nel Duecento italiano, dans: Paolo Cammarosano (dir.), Le forme della propaganda politica nel Due e nel Trecento, Rome 1994 (Collection de l’École française de Rome, 201), p. 157–182; Id., Maria Luisa Pesante (dir.), Linguaggi politici, Bologne 1999; Massimo Giansante, Retorica e Politica nel Duecento. I notai bolognesi e l’ideologia comunale, Rome 1999; Andrea Gamberini, Giuseppe Petralia (dir.), Linguaggi politici nell’Italia del Rinascimento, Rome 2007. 2 Guy Gueudet, L’art de la lettre humaniste, Paris 2004; Jean Boutier, Sandro Landi et al. (dir.), La Politique par correspondance. Les usages politiques de la lettre en Italie (XIVe– XVIIIe siècle), Rennes 2008.
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d’espaces spécifiques de subjectivité adaptés aux processus qu’ils alimentaient3, et ceci tout spécialement dans un contexte marqué par une compétition entre des modèles rivaux d’autorité politique et religieuse. On souhaite ici faire porter l’analyse sur les stratégies discursives adoptées par deux papes plus ou moins canoniquement élus au cours de l’année 1378 pour convaincre les populations, les seigneurs et les communes d’Italie centrale, sans revenir sur la trame événementielle complexe qui conduisit finalement le second élu à se replier vers ce qui pouvait apparaître comme la deuxième capitale possible de la chrétienté4. Après avoir été élevés au souverain pontificat, Bartolomeo Prignano et Robert de Genève furent en Italie dans la position, sinon de candidats au siège de Pierre, du moins de candidats à la légitimité apostolique, et se trouvèrent ainsi en mesure de poser la question du pouvoir qu’ils prétendaient réciproquement incarner. Toutefois, avant d’analyser l’image de la papauté qu’ils présentèrent au monde, il convient de revenir ne serait-ce que brièvement sur les raisons et les arguments des cardinaux qui choisirent, à cinq mois d’intervalle, d’élire successivement deux pontifes, ne serait-ce que parce que dans leur affrontement réside l’origine des modèles discursifs développés par les deux partis.
I. Anatomie d’une division Sans s’appesantir sur les sources véritablement exceptionnelles dont nous disposons pour connaître les hommes, les institutions et les lieux dans lesquels se déroulèrent les événements d’avril5, sans revenir sur les pressions et menaces que
3 Hagen Keller, Klaus Grubmüller et al. (dir.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, Munich 1992; Kouki J. Fianu, DeLloyd J. Guth (dir.), Écrit et pouvoir dans les chancelleries médiévales: espace français, espace anglais, Louvain-la-Neuve 1997; Michel Zimmermann (dir.), Auctor et auctoritas. Invention et conformisme dans l’écriture médiévale, Paris 2001. 4 On se permet de renvoyer sur ce point à la contribution à paraître dans les actes du colloque «Avignon / Rome. La Papauté et le Schisme de 1378. Langages politiques, impacts institutionnels, ripostes sociales», à paraître. 5 On renverra simplement aux travaux récents d’Andreas Rehberg, Le inchieste dei re d’Aragona e di Castiglia sulla validità dell’elezione di Urbano VI nei primi anni del Grande Scisma. Alcune piste di ricerca, dans: Antonio Rigon, Francesco Veronese (dir.), L’età dei processi. Inchieste e condanne tra politica e ideologia nel’300, Rome 2009, p. 249–304; Id., Il rione Trastevere e i suoi abitanti nelle testimonianze raccolte sugli inizi dello scisma
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subirent les cardinaux6, rappelons simplement que l’archevêque de Bari partait de très loin favori. Les intentions des cardinaux avaient transpiré hors du sacré collège7 et l’on peut même avancer que si les «princes de l’Église» acceptèrent d’entrer en conclave sous la menace d’une foule qui leur jetait à la face quelques morceaux choisis de son inimitable faconde8, ce fut parce qu’ils n’envisageaient pas de le faire pour disserter longuement des mérites réciproques d’une cohorte de candidats. Bref, au moment où se réunit le conclave dans la soirée du 7 avril, tout annonçait que l’élection serait une simple formalité. La rumeur attribuait de grandes qualités à Prignano, que l’on considérait en mesure de poursuivre cette indispensable réforme de l’Église à l’abandon depuis la mort d’Urbain V9. Se regroupaient autour de sa personne une série d’espérances en un changement profond du gouvernement de l’Église comme il arrive logiquement à la veille d’une élection. Ces espérances venaient en outre croiser une autre attente, celle d’une résidence définitive du siège apostolique à Rome qui apparaissait de ce fait comme le possible ferment d’un renouveau de l’Église. Or après l’élection du 9 avril10, la documentation afférente aux cercles premiers du gouvernement pontifical ne dégage plus du tout la même image d’Urbain VI. del 1378, dans: Laetizia Ermini Pani, Carlo Travaglini (dir.), Trastevere. Un’analisi di lungo periodo I, Rome 2010, p. 255–317 et à la bibliographie afférente. 6 Dès l’annonce du décès de Grégoire XI, Florence avait exhorté Rome à faire pression sur les cardinaux pour qu’ils élisent un pape italien (Gene Brucker, Florentine politics and society 1343–1378, Princeton 1962, p. 355–356; Walter Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI. Quellen und Quellenkritik, dans: AHC 6 (1974), p. 78–120 (rééd. dans: Id., Papst und Konzil im Grossen Schisma (1378–1431). Studien und Quellen, Paderborn 1990, p. 3–41, ici p. 8–9). 7 Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, vol. 1, Paris 1896, p. 26–33. 8 ������������������������������������������������������������������������������������������� Sur les menaces des Romains assemblés sur la place Saint-Pierre, l’historiographie pro-avignonnaise est on le sait particulièrement prolixe. 9 Ludwig Vones, Urban V. (1362–1370). Kirchenreform zwischen Kardinalkollegium, Kurie und Klientel, Stuttgart 1998 (Päpste und Papsttum, 28); Hélène Millet, Un réseau international d’ermites et de réformateurs en quête d’une nouvelle spiritualité dans la seconde moitié du XIVe siècle, dans: Henri Bresc, Fabrice D’Almeida et al. (dir.), La circulation des élites européennes, entre histoire des idées et histoire sociale, Paris 2002, p. 100–120 et Brigitte Hotz, La politique bénéficiale de la papauté en question: culture universitaire et charge ecclésiastique pendant le pontificat d’Urbain V, dans: Mutations d’un pouvoir, construction d’un territoire: la Papauté en Provence (XIIIe–XVe siècle), à paraître. 10 Si l’élection du pontife avait eu lieu le 8 avril, comme le soutiennent encore les travaux des historiens favorables à Urbain, pourquoi aurait-on organisé une nouvelle élection le 9 avec tous les cardinaux encore présents à Rome? L’acceptation par Prignano du choix des cardinaux et la publicisation du résultat par le cardinal de Vergne, deux temps constitutifs d’une procédure élective, ne furent réalisées que dans l’après-midi du 9 avril (Armand
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Dans les premiers mois de son pontificat, celui-ci ne prend aucune mesure annonçant un programme de réforme de l’Église. On assiste à un processus assez banal d’éviction des officiers et serviteurs de son prédécesseur, qui sont remplacés par des Napolitains11. En fait la réforme se résume – voire se concentre! – dans les reproches que le pape jette acrimonieusement à la face des curialistes de haut rang, dénonçant leur style de vie, leur absence de moralité et leur insatiable cupidité. Ses insultes touchent les cardinaux – le phénomène est connu – mais aussi des prélats tel l’évêque de Pampelune, qui n’accepta pas sans broncher de se voir accuser de jouir des superfluités de la vie de cour alors qu’il avait le sentiment de servir laborieusement les intérêts de l’Église12. Les dépositions des cardinaux révèlent par ailleurs qu’Urbain VI n’était pas très bon canoniste. Borsano, ancien professeur à Naples, se rappelle lui avoir fait plusieurs remarques en consistoire et divers témoins soulignent ses commentaires peu élogieux13. Flandrin ira plus loin. En écrivant vers 1379–1380 qu’il «était notoirement très insuffisant, tant à cause de son absence de science, que de son manque de sagesse, et plus, de conscience»14, cet ancien auditeur de Rote affirmait donc sans la moindre retenue que Prignano était en fait… indigne d’être pape! Jamme, Renverser le pape. Droits, complots et conceptions politiques aux origines du Grand Schisme d’Occident, dans: François Foronda, Jean-Philippe Genet et al. (dir.), Coups d’État à la fin du Moyen Âge? Aux fondements du pouvoir politique en Europe occidentale, Madrid 2005 (Collection de la Casa de Velázquez, 91), p. 433–482). 11 Arnold Esch a fait de l’invasion de la cour pontificale par des Napolitains, qui tiendront la papauté pendant une trentaine d’années, une conséquence du schisme, les curialistes ayant majoritairement abandonné Urbain VI au profit de Clément VII (Das Papsttum unter der Herrschaft der Neapolitaner. Die führende Gruppe Neapolitaner Familien an der Kurie während des Schismas 1378–1415, dans: Festschrift für Hermann Heimpel, vol. 2, Göttingen 1972, p. 713–800). En réalité, le remplacement des serviteurs de Grégoire XI par des Napolitains commença dès le mois d’avril comme le révèle le procureur du seigneur de Mantoue (Arturo Segre, I dispacci di Cristoforo da Piacenza, procuratore mantovano alla corte pontificia (1371–1383), dans: ASI 43 (1909), p. 253–326, ici p. 272–273). 12 Valois, La France (voir note 7), p. 67; Walter Ullmann, The origins of the Great Schism. A study in fourteenth century ecclesiastical history, Londres 1948, 21967, p. 45; Olderico Přerovský, L’elezione di Urbano VI e l’insorgere dello Scisma di Occidente, Rome 1960 (Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, 20), p. 73, 85. 13 Stefanus Baluzius, Vitae Paparum Avenionensium (1305–1394), éd. Guillaume Mollat, 4 vol., Paris, 1916–1922, ici vol. 2, p. 659–660. (http://baluze.univ-avignon.fr); Valois, La France (voir note 7), p. 79n; Ullmann, The Origins (voir note 12), p. 48; Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 82, 127, 144–146. 14 Michael Seidlmayer, Die Anfänge des Grossen Abendländischen Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit, Münster 1940 (SFGG, sér. 2, 5), p. 137–141.
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En outre, la manière dont Urbain VI appréhenda les problèmes politiques auxquels le siège apostolique se trouvait confronté inquiéta ses électeurs. Contre l’avis des cardinaux qui avaient œuvré à la négociation d’une paix avec les Florentins et leurs alliés – avec lesquels l’Église était en guerre depuis plus de deux ans15 – Urbain VI décida de ne pas reprendre les pourparlers de Sarzana interrompus par le décès de Grégoire XI. Bien qu’à Florence on eut envisagé de verser une indemnité de guerre de quelque 800.000 florins(!)16, Prignano choisit en effet… de relancer la guerre contre tous les ennemis de l’Église. Une anecdote le campe exhortant l’un des capitaines au service de l’Église, Bernard de La Sale, à faire bonne et forte guerre dicendo sibi ista vel similia verba in effectu, quod faceret ut valens miles, et non dubitaret quod si necessarium esset, ipse juvaret eum cum propria persona, et extrahendo sibi dagam dicebat quod adhuc super unum equum ipse esset homo ad impugnandum suos inimicos17. Une telle décision désavouait les négociateurs qui avaient obtenu une telle promesse, certes. Mais elle intervenait surtout à un moment où les troupes florentines campaient à l’intérieur de l’État pontifical18, où nombre de villes étaient en révolte contre le siège apostolique19, qui était en outre en proie à 15 Sur cette guerre voir Alessandro Gherardi, La guerra dei Fiorentini con papa Gregorio XI, detta la guerra degli Otto Santi, dans: ASI, sér. III, 5–8 (1867–1869), ici 5 p. 16–131, 6 p. 208–232 et 229–251, 7 p. 211–232 et 235–248, 8 p. 260–296; David Peterson, The War of the Eight Saints in Florentine memory and oblivion, dans: William J. Connell (dir.), Society and the individual in Renaissance Florence, Berkeley, Los Angeles et al. 2002, p. 173–214. 16 Archivio di Stato di Firenze, Signoria, Consulte e Praticche 15, fol. 93r, au 27 mars 1378. 17 Déposition de Fernando Perez à Medina del Campo: Baluzius, Vitae paparum (voir note 13), vol. 2, p. 716–717; Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 100–101. 18 ����������������������������������������������������������������������������������������� Les troupes florentines regroupées autour de Pérouse, Assise et Città di Castello, soutenaient aussi plusieurs seigneurs de la Marche d’Ancône. Elle fut surtout l’occasion pour les soldats du pape d’aller chevaucher avec la complicité des Salimbene et des Tolomei, le territoire de Sienne. Les lettres archivées par le Concistoro conservent les traces des dommages qu’ils commirent à Arcidoso et Abbadia San Salvatore (Archivio di Stato di Siena, Concistoro 1794, n° 26–29). Sienne réclama l’aide de Florence qui lui envoya 35 lances anglaises et déplaça 45 lances allemandes affectées à Pérouse et 20 affectées à Arezzo (lettre des Huit de la guerre du 12 mai; ibid., n° 38), ce qui ne semblait pas suffisant aux Siennois (ibid., n° 46). 19 ����������������������������������������������������������������������������������������� Même attitude à l’égard de Francesco di Vico avec lequel la paix était presque faite: Urbain VI répondit à ses émissaires qui lui apportaient 6 000 florins qu’il ne manquait pas d’argent et qu’il voulait Viterbe (Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 100)! Contre Pérouse en guerre avec l’Église depuis 1375, les troupes papales remportèrent fin juin un succès militaire à Scetona, d’après les Riformagioni d’Orvieto (nove rocte date gentibus lighe per gentes Ecclesie iuxta castrum Scetoni: Archivio di Stato, Comune, Rif. 165, fol. 117r), sans pour autant que Pérouse révise sa position.
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de multiples créanciers avec des revenus en forte baisse. Bref, elle ne pouvait que paraître totalement absurde. Le comportement d’Urbain VI que révèlent les multiples dépositions qui ont été conservées apparaît fondé sur des conceptions hautement hiérocratiques de son autorité. Nombreuses sont les anecdotes qui le montrent arcbouté sur des positions maximalistes comparables à celles prises par un autre pape qui avait le verbe haut, Boniface VIII20. Mais si on relève chez Prignano la même affirmation têtue de la supériorité de sa personne, on note aussi qu’il use bien souvent de termes dégradants, non seulement lorsqu’il s’adresse à ses «frères» les cardinaux, mais aussi lorsqu’il répond aux émissaires de puissants seigneurs et souverains. Ne voulait-il pas voir le seigneur de Milan, Bernabò Visconti, à ses pieds, les mains liées dans le dos, pour lui faire prêter serment21? Outre le fait qu’un serment contraint n’avait pour l’Église aucune valeur, sans disposer de sa main droite on conviendra que jurer était assez difficile! Les rois devaient «prendre garde à servir l’Église personnellement, par leurs actes, et non en paroles… sinon je les dépose», affirmait-il encore devant l’ambassadeur du roi de Castille, Henri II22. Les positions théocratiques et la simplicité intellectuelle d’Urbain VI constituaient une vraie rupture par rapport aux méthodes de la papauté avignonnaise. Comme le montrent les chroniques et les dépêches des procureurs en curie23, on usait à Avignon de davantage de circonspection et de courtoisie à l’égard de princes et de seigneurs dont on attendait par ailleurs la soumission, au moins formelle. En trois mois (mai–juillet), tous les cardinaux le quittèrent. Que valait un pape esseulé, abandonné de tous ses frères? À considérer le droit et la tradition, pas grand chose. Urbain VI n’en continua pas moins de prendre des décisions importantes 20 On renverra pour faire court à Agostino Paravicini Bagliani, Boniface VIII. Un pape hérétique?, Paris 2003. 21 Déposition de Juan Sanchez; des propos qui ne durent pas revenir aux oreilles du seigneur de Milan pour qu’il ait envisagé de payer le cens dû au siège apostolique (Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 98–99). 22 Caveant reges quod serviant Ecclesiae corporaliter et de facto et non cum verbis, alioquin ego deponam eos, une sentence peu diplomatique dont la véracité est hors de doute puisqu’elle est rapportée par trois témoins Alvaro Martinez, Bertrand Lagier et Konrad Heinrich von Wesel; Seidlmayer, Die Anfänge (voir note 14), p. 266; Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 90–1; Camil Krofta (éd.), Monumenta Vaticana res Bohemicas illustrantia, vol. 5: Acta Urbani VI et Bonifatii IX pontificum romanorum (1378–1404), Prague 1903–1905, p. 7). 23 Segre, I dispacci (voir note 11); Guillaume Mollat, Relations politiques de Grégoire XI avec les Siennois et les Florentins, dans: MAH 68 (1956), p. 335–376; Brandmüller, Zur Frage (voir note 6).
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qui engageaient le siège apostolique24! De plus en plus persuadés ou convaincus que Prignano ne pouvait et n’aurait jamais dû être pape, les cardinaux qui s’étaient regroupés à Anagni l’invitèrent à plusieurs reprises à renoncer à la fonction pontificale en lui offrant diverses compensations25. Pour eux, il ne s’agissait pas tant de défendre leurs privilèges oligarchiques face à la montée en puissance d’un absolutisme pontifical, comme on le lit trop souvent dans les travaux des historiens anglo-saxons. Il s’agissait de revenir à un mode traditionnel de gouvernement de l’Église contre une dérive autoritariste, précisément imputable à un homme qui se singularisait par ses incompétences et qu’ils estimaient de ce fait en mesure de nuire à l’Église autant qu’à eux-mêmes! Si le fond du problème avait effectivement résidé dans l’invalidité canonique de l’élection d’avril, il aurait suffi d’organiser une réélection pour le résoudre, comme le suggérait entre autres l’archevêque de Tolède, Pedro Tenorio26. Or à cette solution, le cardinal Flandrin apporta une réponse sans nuance: compte tenu des insuffisances multiples de Prignano, «il n’était pas possible, sans offenser Dieu, de le réélire27»… . Tout est dit! Comment se débarrasser de cet homme qui refusait obstinément de renoncer à la tiare aux trois couronnes? Reconnaissons que le problème que les cardinaux avaient à résoudre était singulièrement ardu et, de fait, ils ne réussirent pas à surmonter leurs divergences. Las d’espérer l’arrivée de leurs collègues italiens à Anagni, «Français» et «Limousins» du Sacré Collège finirent par se déterminer. Ils s’étaient assurés du fort Saint-Ange à Rome et d’une série de forteresses dans l’État pontifical. Ils avaient quelques accointances dans les administrations provinciales et s’étaient accordés avec quelques seigneurs ambitieux qui contrôlaient divers territoires dans l’État. Ils avaient surtout pris à leur solde les capitaines au service de l’Église. Après la victoire que l’un d’eux remporta sous les murs de Rome contre les partisans d’Urbain VI pourtant supérieurs en nombre et dans la mesure où ils disposaient à Anagni de cette majorité des deux-tiers indispensable à toute élec24 Comme par exemple la question de la succession de l’empereur Charles IV; voir sur ce point Stefan Weiss, Prag–Paris–Rom: Der Ausbruch des Grossen Abendländischen Schismas im Kontext der deutsch-französisch-päpstlichen Beziehungen, dans: Gisela Drossbach, Hans-Joachim Schmidt (dir.), Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikationen und Raumstrukturen im Mittelalter, Berlin, New-York 2008 (Scrinium Friburgense, 22), p. 183–246, ici p. 201–205. 25 Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 143, 162. 26 Mario Fois, La critica dell’arcivescovo di Toledo, Pedro Tenorio, al trattato del cardinal Pierre Flandrin sull’inizio dello Scisma d’Occidente, dans: Hispania Sacra 33 (1981), p. 563–592. 27 Seidlmayer, Die Anfänge (voir note 14), p. 137–141.
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tion pontificale, ils prononcèrent la déchéance du pape28. Par ce que les historiens appellent généralement la Déclaration du 2 août29, ils affirmèrent que l’élection d’avril était invalide. Par ce qu’ils appellent la Déclaration du 9 août30, ils anathématisèrent Bartolomeo Prignano qui avait refusé de répondre à leurs injonctions en se démettant des pouvoirs dont il s’était emparé: en d’autres termes, le siège apostolique redevenait vacant. Fondamentalement, le schisme ne naquit pas de l’élection de Clément VII. Il naquit de la déposition d’Urbain VI qui faisait du seul sacré collège la tête de l’Église. De ce fait, le processus enclenché à partir de mai 1378 par un parti de cardinaux rebelles, qui sut convaincre la majorité de leurs collègues de les suivre dans leur opposition frontale au pontife, s’apparente à la préparation d’un coup d’État. Même si leur démarche était fondée sur des faits indubitables et sur une solide argumentation juridique – qui a d’ailleurs longtemps occulté leurs agissements – il n’en demeure pas moins qu’elle était trop mûrement réfléchie, trop construite, pour que les conjurés paraissent simplement défendre la canonicité d’une élection au siège apostolique31. Ce fut ensuite la logique du processus ouvert par la Déclaration du 9 août qui conduisit à l’élévation de Robert de Genève au souverain pontificat. Toutefois, dans cette deuxième phase de construction du schisme, le rôle joué par Urbain VI, presque systématiquement présenté comme la victime des machinations des cardinaux, doit être réévalué. Fermement résolu à ne rien céder, Prignano choisit en effet, au moment exact où les cardinaux italiens décidaient de rejoindre leurs collègues qui s’étaient entretemps installés à Fondi, de se doter d’un nouveau sacré collège. Par une promotion massive de 24 à 29 prélats, effectuée entre le 15 et le 18 septembre32, il fit presque automatiquement de tous ceux qui l’avaient couronné en avril précédent des anti-cardinaux. 28 Sur ces enchaînements je me permets de renvoyer à Jamme, Renverser le pape (voir note 10), p. 452–458. 29 Éd. Baluzius, Vitae paparum (voir note 13), vol. 4, p. 173–184 et Marc Dykmans, La troisième élection du pape Urbain VI, dans: AHP 15 (1977), p. 217–264, ici p. 226–238. 30 Éd. Baluzius, Vitae paparum (voir note 13), vol. 1, p. 450–454. 31 C’est la thèse que je défendais dans l’article Renverser le pape (voir note 10). 32 ������������������������������������������������������������������������������������������ La liste des cardinaux promus par Urbain VI telle qu’elle apparaît dans la Hierarchia Cattolica éd. par Konrad Eubel, p. 23 est encore à travailler et à confronter à celle donnée par Jürgen Dendorfer, Ralf Lützelschwab (dir.), Geschichte des Kardinalats im Mittel alter, Stuttgart 2011 (Päpste und Papsttum, 39), p. 492–493. La date de la promotion en revanche est assurément antérieure de quelques jours à l’élection de Clément VII, comme l’ont montré Valois, La France (voir note 7), p. 159 et Paolo Stacul, Il cardinale Pileo da Prata, Rome 1957, p. 101.
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Comme l’a relevé Noël Valois sans l’expliquer, ce fut soudainement, «à l’improviste», que l’on procéda le 20 septembre à Fondi à une nouvelle élection33, car les trois cardinaux italiens avaient surtout rejoint leurs collègues pour discuter avec eux de la solution conciliaire. Convaincus peut-être par les Ultramontains que l’un d’eux allait accéder au souverain pontificat34, ils acceptèrent d’envisager l’élection d’un nouveau pontife, mais se trouvèrent finalement joués par leurs collègues qui élurent l’une des premières têtes de l’opposition à Urbain VI, Robert de Genève35. Qu’ils aient été trompés ou non, il est bien difficile de détacher la précipitation avec laquelle cette deuxième élection fut organisée de la décision auparavant prise par Urbain VI, qui condamnait à brève échéance la rébellion cardinalice. En d’autres termes, les historiens doivent admettre que dans ce long processus qui conduit au schisme invétéré la part de responsabilité du premier élu est au moins aussi importante que celle des cardinaux qui méditèrent son renversement36.
II. Le «clémentisme» existe-t-il? Pour le petit groupe qui après le 20 septembre conseille l’élu de Fondi se pose une question simple: comment convaincre les populations? On sait fort peu de choses de l’impact en Italie des Déclarations du 2 et du 9 août. Il faut supposer qu’elles furent adressées aux principales puissances politiques37. Le nombre, même approximatif, d’originaux produits par les scribes au service du sacré collège n’est pas identifiable à partir des archives actuellement conservées. Par la narration mensongère des événements d’avril – en gros Bartolomeo s’était emparé, à la faveur des graves troubles qui avaient interrompu les réflexions du conclave, des insignes du pouvoir pontifical – elles considéraient 33 Valois, La France (voir note 7), p. 80. 34 C’est la thèse d’Anna Maria Voci, Giovanna d’Angiò e l’inizio del Grande Scisma d’Occidente. La doppia elezione del 1378 e la proposta conciliare, dans: QFIAB 73 (1995), p. 178–255. 35 On se rappelle que dès le 23 mai Robert de Genève déclarait en privé à l’émissaire du roi de Castille que le sacré collège, à l’exception du vieux Tebaldeschi, était convaincu de la nécessité de déposer Urbain VI (Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 121–122). 36 �������������������������������������������������������������������������������������������� Il faut en fait concevoir que l’élection de Clément VII et la promotion cardinalice du Trastevere se trouvent en fait être des phénomènes quasi simultanés. 37 On note en effet que la bulle Nuper cum vinea Domini précise que diversos libellos diffamatorios fecerunt et illos ad diversos prelatos et mundi principes transmiserunt per quos asserebant nos non verum papam fore (Odorico Rinaldi, Annales ecclesiastici cardinalis Baronius, Bar-Le-Duc, Paris et al. 1880, vol. 26, p. 343).
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que Prignano devait être appelé apostaticus, anathematisatus, antichristus, et totius christianitatis illusor et destructor et engageaient les fidèles à ne pas lui obéir38. Clément VII pouvait-il se contenter de ces seuls viatiques? L’absence de lettres secrètes, patentes et curiales, qui ne sont conservées qu’en très petit nombre en tête de quelques registres de lettres communes39, interdit de percevoir autant les personnes, les arguments que les singularités épistolographiques qu’il fut amené à déployer après son élection. J’ai eu toutefois la bonne fortune de découvrir cinq lettres datées des six premiers mois de son pontificat dans les archives de plusieurs communes de la Marche d’Ancône. Elles ne portent aucune marque d’enregistrement et, n’étant délivrées ni sub annulo secreto, ni de curia, doivent être considérées comme des lettres closes. Les pliures que portent encore les parchemins plaident au demeurant pour une telle interprétation. Ces lettres jettent quelque lumière sur les stratégies épistolaires déployées par les clémentistes en Italie centrale dans les mois qui suivirent l’élection de Robert de Genève et il faut donc brièvement en donner l’analyse avant d’examiner leur contenu. Le 22 septembre 1378, Clément VII annonçait à la commune d’Osimo son élection, advenue deux jours plus tôt à Fondi40. Il utilisait probablement une formule qui à quelques détails près fut largement diffusée. Le 20 novembre suivant, deux lettres identiques étaient adressées aux chefs des deux familles seigneuriales qui tenaient Fabriano et San Severino pour leur annoncer l’arrivée d’un nonce apostolique41. Le 3 décembre, Clément VII écrivait à nouveau au seigneur de San Severino pour l’engager à résister aux manœuvres de Bartolomeo Prignano42. Enfin le 19 mars 1379, il exhortait le vicaire de Camerino, Rodolfo da Varano, à cesser toute guerre et à se mettre au service du légat qu’il allait envoyer dans la Marche d’Ancône pour y rétablir la paix43. Ces cinq lettres révèlent autant la politique suivie par Clément VII dans les confins apennins de cette province, l’identité de 38 Éd. Baluzius, Vitae paparum (voir note 13), vol. 1, p. 450–454. 39 Pour quelques bulles originales voir Schedario Baumgarten. Descrizione diplomatica di bolle e brevi originali da Innocenzo III a Pio IX, éd. Giulio Battelli, Sergio Pagano, Vatican 1965–1986, n° 6480–6497 pour la période qui nous intéresse ici. 40 I documenti dei Pontefici e dei rettori della Marca nell’Archivio storico comunale di Osimo (1199–1395), éd. Luciano Egidi, Osimo 2001, p. 192–193. Cette lettre avait été auparavant publiée par Luigi Martorelli, Memorie storiche dell’antichissima e nobile città d’Osimo, Venise 1705, p. 194–196. Cf. Annexe II. 41 Archivio Storico Comunale di Fabriano, Pergamene, busta X, n° 490 et Archivio Storico Comunale di San Severino Marche, Diplomatico, Cassetta VI, n° 27. Cf. Annexe III. 42 Ibid., n° 28. Cf. Annexe IV. 43 Archivio Storico Comunale di Fabriano, Pergamene, busta X, n° 491.
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ses contacts que les éléments qu’il mit en relief pour se faire reconnaître par eux comme souverain et pontife. La première permet de voir d’abord comment le nouveau pape présente son élection survenue deux jours plus tôt à Fondi. Revenant sur le temps où il était légat en Italie, au cours duquel il avait repéré l’inconcussa fidelitas de la commune envers l’Église et relevé que comme l’aurum in fornace probatum, ni les personnes, ni les attaques, incendies et occupations de châteaux par les ennemis de Dieu et de l’Église ne les avaient détournés de leur fidélité, et même que le fléau des persécutions avait fortifié leur dévotion et rallumé les flammes de leur caritas, il leur annonce qu’afin que le veuvage de l’Église ne perdure, les cardinaux l’ont pourvu d’un pasteur idoine. Ayant invoqué l’Esprit saint, ils ont porté leurs suffrages sur lui unanimiter – en réalité il y eut au moins trois abstentions44. Après avoir traditionnellement relevé la faiblesse de ses mérites – ce qui dut avoir quelque résonnance chez ceux qui pensèrent à son action en tant que légat(!) – mais sa confiance en Dieu pour le guider dans cette lourde tâche, il les invite, afin qu’eux-mêmes et tous les fidèles de l’Église voient ce qui est détruit restauré, que les routes les plus difficiles deviennent planes et que l’ensemble des peuples chrétiens, et notamment le «peuple italien», soient délivrés des calamités des guerres et jouissent de la douceur et de la beauté de la paix, à recourir à lui en toute confiance, ayant l’intention dans la mesure où Dieu le lui permettra de récompenser leur fidélité en se comportant tel celui qui a dit: Vos qui secuti estis me centuplum accipietis et vitam aeternam possidebitis. Pour finir, il leur précise qu’ils ne doivent pas s’étonner si la bulle pendue à cette lettre ne porte pas son nom: ses prédécesseurs les pontifes romains ont toujours procédé ainsi dans leur correspondance antérieure au jour de leur couronnement. À quelques excès métaphoriques près, cette lettre, toute en finesse, présente au peuple d’Osimo l’autorité de Clément VII comme naturelle: elle dit simplement que l’Esprit saint a voulu que l’ancien cardinal des Douze Apôtres devienne pape. De l’existence d’un schisme, d’un autre pape, il n’était fait nulle mention. Officiellement le siège apostolique était vacant et l’on feignait de croire que la population d’Osimo avait naturellement adhéré au contenu de la Déclaration du 9 août! Le seul obstacle à sa propre légitimité que Clément VII acceptait d’envisager était d’ordre diplomatique… pour l’écarter aussitôt puisque de fait, les pontifes avaient toujours usé d’une bulle spécifique pour authentifier leurs lettres avant leur couronnement. Ce n’était donc que parce que Robert de Genève se souvenait des grands sacrifices que la commune avait consentis du temps où il était légat du siège 44 Comme l’a montré Valois, La France (voir note 7), p. 80.
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apostolique qu’il invitait la population à se tourner à nouveau vers lui pour obtenir compensation. En se référant aux propos de Jésus-Christ rapportés par saint Mathieu45, il ne cherchait évidemment qu’à se faire reconnaître comme pape. La tactique était habile. Elle n’eut pas néanmoins le succès escompté. En écrivant le 20 novembre suivant à Guido Chiavelli et Bartolomeo di San Severino, Clément VII suivit à peu près la même tactique. Il revint sur le temps de sa légation qui lui avait permis de mesurer l’ampleur de leur fidélité, avant de les informer qu’il avait été depuis élu et couronné pape: manifestement c’était là la toute première lettre qu’il leur adressait. Il leur précisait ensuite le sens qu’il entendait donner à son pontificat, un vrai discours de politique générale en somme pour des hommes qui gouvernaient effectivement des territoires plus ou moins vastes: rassembler les égarés, pardonner les fautes, éteindre les rancœurs, favoriser la concorde et à celle qu’il avait toujours chérie dans son esprit, l’Italie, déchirée depuis trop longtemps par des guerres cruelles, donner la paix. Pour mieux les informer sur ses intentions, il leur annonçait enfin l’arrivée de l’évêque de Pouzzoles – Ludovico de’ Casali de Cortona46 – puisqu’«un sermon épistolaire ne peut exprimer autant qu’une humaine faconde» toute l’affection paternelle qu’il éprouve à leur égard. Et il les engageait en conséquence à faire sorte qu’à l’avenir il puisse être en mesure d’augmenter leur magnificence. Là encore, on ne trouve nul mot de l’existence d’un schisme. La tactique est semblable à la lettre précédente: le pontife nouvellement élu invite – tardivement quand même: deux mois après son élection(!) – les deux seigneurs à se rapprocher de lui pour recevoir ses bienfaits. Clément VII insiste toutefois plus longuement sur l’amour qu’il éprouve pour l’Italie, ce qui signifie que son entourage avait enfin saisi toute l’ampleur du handicap qui dirimait sa cause: prétendre éprouver un tel sentiment relevait en effet d’un culot monstre de la part d’un homme, qui un an et demi plus tôt, alors qu’il était légat en Romagne, avait été directement impliqué dans le massacre de près de 4 000 habitants de Césène47! En vrai politicien 45 Et quiconque aura quitté, à cause de mon nom, ses frères ou ses sœurs ou son père ou sa mère ou sa femme ou ses enfants ou ses terres ou ses maisons recevra le centuple et héritera de la vie éternelle (Matthieu, XIX, 29). 46 Élevé à la dignité épiscopale par Grégoire XI en octobre 1373 (Anne-Marie Hayez, Janine Mathieu et al., Grégoire XI (1370–1378). Lettres communes analysées d’après les registres dits d’Avignon et du Vatican, Rome 1992sqq., n° 29137). 47 Le De Casu Cesenae, ce long poème narrant les horreurs du massacre, aurait été rédigé par un notaire de Fabriano (Armand Jamme, La haine du pape. Des difficiles images du souverain pontife comme prince, dans: Philippe Levillain (dir.), Rome, l’unique objet de mon ressentiment. Regards critiques sur la papauté, Rome 2011 (Collection de l’École française de Rome, 453), p. 13–37, ici p. 13–15.
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sans scrupules, Clément VII affirmait son amour de la paix et des populations italiennes, sa volonté de rassembler les chrétiens, tout rappelant sa bienveillance naturelle! Les San Severino lui répondirent puisque le 3 décembre il s’adressait à nouveau à eux pour les exhorter cette fois à observer perpétuellement la paix qu’ils venaient de signer avec Rodolfo da Varano et Rinaldo di Monteverde, deux seigneurs qui contrôlaient les régions de Camerino-Macerata pour le premier et de Fermo pour le second. La lettre visait clairement à soutenir la politique menée dans la province par Rodolfo da Varano, un des seigneurs ouvertement favorables aux clémentistes48. Le discours a alors nettement changé. La réponse de Cola di San Severino aurait-elle été prudemment équivoque quant aux droits de tel ou tel à exercer la papauté? On ne sait; toujours est-il que Clément VII en vint à développer les thématiques abordées dans la Déclaration du 9 août: tel l’antéchrist, l’exarchevêque de Bari cherche per papatus occupationem à attirer les humains dans les profondeurs de sa secte damnée. Lui et les autres fidèles de la Marche d’Ancône, ils doivent se prémunir contre ses feintes, machinations, faux prêches et basses flatteries, contre sa perfidie qui risque de les conduire, une fois aveuglés par ses dires, jusqu’«aux bouches d’un précipice dont il leur sera difficile de s’extraire». Il lui faut aussi induire les nobles et le peuple de la province à persister dans leur dévotion et obéissance à l’Église – i. e. lui-même – ce pourquoi ils seront à l’avenir dûment récompensés, puisqu’il entend avec l’aide de Dieu offrir à tous la possibilité d’une vie tranquille. L’éventualité d’un alignement urbaniste du seigneur de San Severino est donc évoquée ici dans toute son intensité dramatique. Les clémentistes le présentent comme quasi-irréversible tant le pouvoir de persuasion du Malin est supposé redoutable. On l’aura remarqué toutefois Urbain VI est «tel l’antéchrist». Il n’est pas l’antéchrist lui-même… ce qui aurait signifié qu’il leur annonçait la fin des temps! La formulation reste donc prudente, dans la perspective ouverte par la Déclaration du 9 août. Elle joue sur l’idée millénariste pour susciter la crainte, sans vraiment dire l’inéluctable. Ces quelques éléments d’une correspondance en grande partie perdue permettent de reconstituer l’évolution probable des tactiques de l’épistolographie clémentiste. Les premières missives avaient pour objectif de convertir les élites com48 Le cynisme du personnage étant bien connu, à cette époque tout au moins. Dès qu’il avait été élu, Clément VII avait d’ailleurs accordé divers privilèges à Rodolfo da Varano. Le 21 mars 1379, il y ajoutait la garde de Montesanto «dans le Duché de Spolète» et la reconnaissance d’une créance de 45 000 florins (Archivio Segreto Vaticano, Reg. Aven. 215, fol. 34v–35v et Reg. Vat. 291, fol. 114v–115r).
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munales et les populations urbaines. En conséquence tout le discours reposait sur la normalité de son autorité de pape, qui serait à l’avenir on ne peut plus traditionnelle et pacificatrice. Cette tentative ayant rencontré peu d’échos dans les villes, les clémentistes se replièrent sur quelques réseaux aristocratiques susceptibles de prêter attention à leurs propositions. L’objectif était toujours de s’attacher des fidélités et la tactique consistait encore à promettre que Clément VII serait tout dévoué aux intérêts des Italiens et accorderait à ses soutiens de grandes récompenses. Mais en s’adressant ainsi à quelques seigneurs, les clémentistes se repliaient en fait sur une fidélité essentiellement politique. Si les San Severino, les Varano, les Monteverde entretinrent effectivement des relations plus ou moins secrètes avec Clément VII, ce fut davantage parce que dans cette période d’incertitude celui-ci était en mesure de leur concéder titres et domaines, que parce qu’ils étaient séduits par la beauté de ses thèses sur l’élection d’avril. La dramatisation du discours véhiculé par la dernière lettre révèle l’ampleur des inquiétudes des clémentistes, désormais conscients de la force de résistance des urbanistes à leurs entreprises.
III. La vérité d’Urbain VI Il est un peu plus difficile de restituer les stratégies de communication mises en œuvre par les urbanistes, non pas tant du fait de l’absence de lettres dans les archives des destinataires49, que parce que celles qui ont été conservées pour la première année de son pontificat sont souvent des lettres qui suivent les formes plus ou moins stéréotypées d’un courrier à vocation administrative: bref elles ne permettent que rarement d’appréhender un tel questionnement. Comme l’a suggéré Olderico Přerovský, Urbain VI joua sur le fait que contrairement à son adversaire il était italien; et son entourage exploita immédiatement après l’élection de Fondi la renommée de Robert de Genève. Le 29 septembre, Francesco Casini rappelait à ses concitoyens siennois qui était «l’antipape», olim capitaneum et etiam nunc Britonum, quos vult in Tusciam ducere […]. Iste enim 49 Giulio Battelli, La tradizione delle lettere di Urbano VI, dans: StM 44 (2003), p. 1217– 1229 donne une liste des bulles originales de ce pontife, bien incomplète dès lors que l’on se déplace en Italie centrale. Pour les registres de lettres communes voir Patrick Zutshi, Unpublished fragments of the Registers of Common Letters of Pope Urban VI (1378), dans: Brigitte Flug, Michael Matheus et al. (dir.), Kurie und Region. Festschrift für Brigide Schwarz zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2005, p. 41–61, 12 lettres comprises entre le 1er avril et le 17 juin 1378, trop précoces pour espérer y percevoir un quelconque discours anti-schismatique.
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cardinalis semper fuit vester et cuiuslibet de Tuscia inimicus capitalis50. Avec un tel courrier, qui prêtait de surcroît des intentions agressives un peu inattendues aux clémentistes, les subtilités canoniques sur lesquelles la cause de Robert de Genève était fondée avaient peu de chances de triompher! Il est difficile d’affirmer qu’Urbain VI se lança dans une politique cohérente de fidélisation de l’épiscopat; toujours est-il qu’il voulut s’assurer de la soumission personnelle d’un certain nombre d’évêques qui furent invités à se présenter en curie pour lui rendre hommage. Dès la fin juin, Andrea Bontempi, évêque de Pérouse – officiellement toujours en guerre avec le pape51 – avait rejoint Rome52. À la fin septembre, Francesco Casini faisait savoir aux Siennois qu’ils devaient convaincre leur évêque de se rendre à Rome, en des termes qui révélaient un certain agacement du pontife: si autem hoc vos et ipse contempseritis, dubito ne ad magna mala procedat contra ipsum53. Mais avec des schismatiques qui contrôlaient la plupart des forces militaires se trouvant au nord et au sud de Rome, Urbain VI devait surtout trouver rapidement des fonds et des troupes. C’est ce qui peut expliquer qu’il ait finalement accepté le 25 juillet de répondre favorablement aux insistantes offres de paix des Florentins qui ne lui promettaient plus que le versement de 250 000 florins54. Les termes du traité ne furent toutefois validés que le 28 août suivant par un pape… qui refusa tout de même de remettre les lettres d’absolution tant qu’il n’aurait pas reçu le premier terme des sommes promises. La communication d’Urbain VI est alors entièrement fondée sur l’idée d’une énorme supercherie des cardinaux d’Outremont, accusés d’être les auteurs d’une 50 Alcide Garosi, La vita e l’opera di Francesco Casini, archiatro di sei papi, dans: Bullettino senese di Storia Patria 42 (1935), p. 277–378, ici n° 28 p. 331–332 (sub falso dato: les événements rapportés, et notamment la «création» de «l’antipape» Clément VII, situent évidemment cette lettre non millésimée en 1378 et pas en 1379). 51 Dans le Duché de Spolète, les troupes de l’Église avaient subi à l’été 1378 plusieurs échecs (Diario d’anonimo fiorentino dell’anno 1358 al 1389, éd. Alessandro Gherardi, dans: Documenti di Storia Italiana, vol. 6, Florence 1876, p. 355; Cronaca della città di Perugia dal 1309 al 1491, detta del Graziani, éd. Francesco Bonaini, Ariodante Fabretti et al., dans: ASI, vol. 16, 1, Pérouse 1850, p. 227). 52 Sur le personnage voir Enzo Petrucci, Bontempi Andrea, dans: DBI 12 (1970), p. 427– 433. 53 Garosi, La vita (voir note 50), n° 28 p. 331–332. 54 En juin d’après Cristoforo da Piacenza les «ambassadeurs» de Florence et de leurs alliés se trouvaient à Rome pour traiter de la paix (Segre, I dispacci [voir note 11], p. 272–274; Brandmüller, Zur Frage [voir note 6], n° 24); sur le traité de paix voir Brucker, Florentine Politics (voir note 6), p. 356; Peterson, The War (voir note 15) considère qu’en réalité Urbain VI ne reçut pas plus de 30 000 florins.
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fable incroyable. Dans la lettre qu’il adressait à la commune et au peuple d’Orvieto, le 16 septembre 1378, pour leur annoncer le retour du recteur du Patrimoine avec quelques troupes et les conforter dans leur fidélité, le pontife, qui n’ignorait rien des agissements des rebelles, leur demandait de ne pas succomber aux menaces55, ni «aux caresses des schismatiques, plus dangereuses que de cruels venins», claire allusion à une ou des missives semblables à celle conservée à Osimo. La lettre s’achevait par un appel à la constance de leur fidélité: la commune devait demeurer inébranlable, car sa cause était juste et pro iustitia nostra veritas, que Deus est, noscitur dimicare56. En rappelant la supériorité de la vérité sur le mensonge, et en se fondant sur cette équation élémentaire de la catéchèse – Dieu est vérité, ce qui fait que la vérité est Dieu – il les encourageait à persister non pas dans leur fidélité à son égard, mais au fond dans leur foi. Puisqu’à travers la vérité, c’était Dieu qu’ils défendraient, qui finirait nécessairement par s’imposer en assurant son triomphe sur ceux qu’il appelait déja, quatre jours avant l’élection de Fondi, les «schismatiques». Bref, pour les urbanistes il n’y avait rien dans la besace des clémentistes qui n’étaient que de dangereux inventeurs d’une histoire improbable. Cette même logique discursive, les rédacteurs du texte connu sous le nom de Factum Urbani l’adoptèrent aussi: pour démontrer toute la fausseté des thèses clémentistes, ils entreprirent on le sait une narration précise des faits advenus à Rome depuis la mort de Grégoire XI57. L’idée d’un inéluctable triomphe de la vérité sur le mensonge structure apparemment toute la propagande urbaniste à la fin de l’année 1378. On la retrouve également exprimée dans la lettre plus tardive adressée par un des cardinaux d’Urbain VI au roi de France. Le 14 décembre 1378, Pileo da Prata invitait lui aussi Charles V à ne pas procéder contre la vérité, attribuant de surcroît à cet esprit de vérité qui aurait animé Prignano, désireux de corriger les cardinaux de leurs défauts, l’origine du conflit qu’il avait eu avec eux: pro verbo veritatis ab eis persecutionem patitur58. ***
55 ������������������������������������������������������������������������������������������� Une lettre d’Urbain VI du 25 juillet 1378 révèle que Sylvestre Budes avait tenté de s’emparer de la cité (Luigi Fumi, Codice diplomatico della città d’Orvieto. Documenti e regesti dal secolo XI al XV, dans: Documenti di storia italiana 8, Florence 1884, p. 575 n° 711 [sub falso dato]). 56 Ibid., p. 574 n° 710. Cf. Annexe I. 57 Factum Urbani, Éd.: Rinaldi, Annales ecclesiastici (voir note 37), n° 73–102. 58 Stacul, Il cardinale (voir note 32), append. n° 8 p. 268–275.
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Les quelques lettres conservées permettent finalement de dessiner deux stratégies de communication qui se définissent l’une par rapport à l’autre, la première fondée sur un programme politique mettant en exergue les valeurs traditionnelles du pouvoir apostolique, la seconde articulée autour de l’idée d’une victoire de la vérité voulue par Dieu sur le mensonge suscité par le Malin et ses sbires. Les clémentistes font porter leur argumentation sur ce qui au-delà de sa légitimité manque le plus à Prignano, la normalité de son comportement de pontife – on se rappelle l’étrange confidence de Lagier en mai 1378: si Barensis fuerit prudens et sciverit facere, poterit esse papa59! – et sur leur souci de reconstruire politiquement l’Italie. Ce n’est qu’en dernier recours qu’ils jouent sur le millénarisme. À l’inverse, pour mieux nier la tache originelle qui pèse sur la légitimité de Prignano et faire de la noncanonicité de l’élection d’avril un hérétique mensonge, les urbanistes insistent sur la volonté divine – au fond sur le miracle d’une élévation répondant aux vœux des populations – et sur les sordides machinations et fausses séductions de cardinaux étrangers ennemis de l’Italie. En filigrane, ce sont donc deux narrations de l’élection, deux histoires qui s’opposent, dont on retrouve aussi, sinon les lignes de force du moins des variantes plus ou moins originales dans certaines chroniques. L’auteur anonyme du Diario fiorentino par exemple se déclare scandalisé par le fait que les cardinaux aient osé proclamer Urbain VI «hérétique et cathare» – une compréhension plus que décalée et partiale de la Déclaration du 2 août, probablement construite alle bocche della piazza60! À l’inverse, pour le chroniqueur franciscain de Viterbe, Urbain VI aurait été fait pape contra voluntà de tutti li cardinali e a voluntà de Romani che dissero «Romano lo volemo o almeno italiano»61 – une reconstruction historique qui relisait le fil des événements d’avril dans une perspective clairement anti-romaine. Vraisemblablement, les positions adoptées par les populations italiennes à l’égard des deux papes furent le fruit d’un travail de propagande, effectué par les pouvoirs politiques communaux et seigneuriaux plus que par l’un et l’autre pape! Les chroniques montrent qu’en Italie centrale les populations furent amenées à adhérer à des narrations contradictoires de l’élection d’avril, des narrations qui pratiquaient distorsions et omissions à des fins précises afin de faire triompher des thèses qui contribuaient parallèlement à alimenter des logiques conflictuelles 59 Přerovský, L’elezione (voir note 12), p. 139. 60 Gherardi, Diario d’anonimo (voir note 51), p. 375; Alison W. Lewin, Negotiating survival: Florence and the Great Schism, 1378–1417, Madison 2003, p. 62. 61 Pietro Egidi, Le croniche di Viterbo scritte da frate Francesco d’Andrea, dans: ASRSP 24 (1901), p. 197–371, ici p. 344.
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pluriséculaires. À la mode de ce que l’on appelle aujourd’hui le Storytelling62, les pouvoirs locaux offrirent des histoires à fortes valeurs polémiques sur un matériau narratif, l’élection au souverain pontificat, qui il faut le reconnaître, permettait de jouer sur l’affectif plus que sur la raison. Les lettres des deux pontifes rassemblées ici ne concernent hélas que les premiers mois du schisme. Le travail ‹archéologique› de redécouverte de la correspondance des deux papes reste largement à faire. Ces lettres n’interviennent de surcroît qu’en regard ou en complément de déclarations plus solennelles et en conséquence insistent essentiellement sur la fidélité, la soumission, la dévotion ou l’adhésion des destinataires à l’un ou l’autre des pontifes. Dans ses premières relations avec les seigneurs de la Marche, Clément VII livra on l’a vu son programme de gouvernement, en mesure de rassurer ses correspondants sur ses intentions… un programme qui le conduisait globalement à faire l’inverse de ce pour quoi il avait été envoyé deux ans plus tôt par Grégoire XI en Italie! Adopter un tel virage, lui permettait évidemment de faire comprendre à ses correspondants qu’il serait meilleur pape que Prignano… qu’il serait même plus dévoué au peuple italien qu’un natif de la péninsule! Si ces lettres révèlent de part et d’autre un vrai talent pour dissimuler, dans quelles mesures ont-elles contribué à faire croire à l’une ou l’autre des deux versions de l’histoire d’une élection sur lesquelles elles se fondaient? La version clémentiste eut apparemment un certain succès auprès de l’aristocratie seigneuriale; la version urbaniste séduisit davantage le peuple et les gouvernements communaux. Les registres de lettres de Clément VII, la correspondance de son camérier et les comptes de la Chambre avignonnaise montrent que Genève entretint des relations avec les Polenta à Ravenne, les Varano à Camerino, les Vico à Viterbe, les Trinci à Foligno, sans compter les Caetani, Orsini et autres familles du royaume de Naples. En revanche, il n’eut apparemment guère de contacts avec des communes de tradition guelfe attachées à un régime populaire de gouvernement urbain, à
62 Annette Simmons, The Story Factor. Inspiration, influence, and persuasion through the art of Storytelling, New York 2001; Stephen Denning, The leader’s guide to Storytelling. Mastering the art and discipline of business narrative, San Francisco 2005.
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l’inverse d’Urbain VI qui concédait à certaines d’entre elles le vicariat apostolique63, voire installait sa cour en leur sein64. Q�������������������������������������������������������������������������� uelques seigneurs ont manifestement vu dans le schisme l’occasion de revenir à un modèle monarchique antérieur à la mutation albornozienne, un modèle de gouvernement dans lequel le pontife était éloigné des affaires de la cité: la résidence du siège apostolique en Avignon entrait en parfaite résonnance avec leurs ambitions. Pour progresser en Italie le pape avignonnais fut contraint de s’adapter: ce fut par des investitures féodales qu’il pensa se constituer des fidélités, par des négociations secrètes avec les élites sociales qu’il prépara l’organisation d’une expédition militaire pour ramener le siège apostolique à Rome. Tactique épistolaire et tactique politique révèlent chez Clément VII une claire conscience de l’extrême faiblesse de sa position dans l’opinion publique italienne, de l’impossibilité de faire croire à sa version de l’histoire. De ce fait, lorsqu’Urbain VI eut disparu et que Boniface IX se lança dans une politique cohérente de reconstruction de l’autorité pontificale, qui rendait de fait le schisme insoluble par la «voie de fait», les positions acquises par les clémentistes en Italie tombèrent progressivement l’une après l’autre65.
63 Qu’il concéda aussi à des seigneurs, notamment en Romagne. On renvoie à Armand Jamme, De la République dans la Monarchie? Genèse et développements diplomatiques de la contractualité dans l’État pontifical (fin XIIe–début XVIe siècle), dans: François Foronda (dir.), Avant le contrat social. Le contrat politique dans l’Occident médiéval XIIIe–XVe siècle, Paris 2011, p. 37–79, ici p. 67. 64 En 1387–1388, sur proposition de la commune présentée par Francesco Guidalotti (Pier Luigi Falaschi, Guidalotti, Francesco, dans: DBI 61 (2004) [http://www.treccani.it/ enciclopedia/francesco-guidalotti]. 65 On renvoie à la belle thèse d’Arnold Esch, Bonifaz IX. und der Kirchenstaat, Tübingen 1969 (Bibliothek des DHI in Rom, 29).
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Annexe I66 Urbain VI annonce à Orvieto la nomination d’un recteur du Patrimoine de SaintPierre et les engage à persister dans leur soumission à l’égard de l’Église. 16 septembre 1378 – Rome (Archivio di Stato di Orvieto, Diplomatico comunale, A 549 – parchemin: 46 x 3667)
Urbanus episcopus, servus servorum Dei, dilectis filiis septem Urbevetano populo presidentibus salutem etc. Fidelitatis vestre litteras recepimus et earum tenorem pleno consideravimus intellectu. Non sumus autem nescii quod dicta fidelitas vestra cognoscit et certa est nos circa salubrem et pacificam (sic) statum vestrum et aliorum nostrorum et Ecclesie romane fidelium indefessa solicitudine vigilare vehementerque dolere de adversitatibus filiorum. Pro defensione itaque vestra et aliorum devotorum provincie nostre Patrimonii beati Petri in Tuscia dilectum filium, nobilem virum Raynaldum de Ursinis, domicellum romane ipsius provincie pro nobis et Ecclesie rectorem nuper destinavimus ad provinciam prelibatam. Ordinavimus quoque quod idem Raynaldus in brevi plures gentes habebit, cum quibus cum auxilio Domini vos poterit melius defendere et hostium proterviam edomare. Ea propter, dilecti filii, devocionem vestram firmate super constancie immobile fundamentum, nec vos moveant scismaticorum blandicie, que plus quam dira venena nocent, nec minas eorum timeatis, contra quos pro iustitia nostra veritas, que Deus est, noscitur dimicare. Datum Rome, apud Sanctam Mariam in Transtiberim, XVI kalendas octobris, pontificatus nostri anno primo.
66 On n’a fait figurer ici que des lettres conservées pour la première année du schisme et qui évoquent les questions traitées dans cet article. Celle adressée par Urbain VI à Orvieto le 15 mars 1379 (et non 1378, ut. Fumi, Codice diplomatico [voir note 55], p. 568 n° 703) qui les engage à résister aux schismatiques gascons installés à leurs portes ne contient aucune autre information. 67 Éd.: Ibid., p. 574 n° 710. – On n’a pas signalé ici les nombreuses corrections qui ont été apportées à cette édition, grâce à l’examen attentif qu’a effectué Brigitte Hotz, que je remercie grandement.
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Annexe II Clément VII annonce à la population d’Osimo son élection au souverain pontificat. 22 septembre 1378 – Fondi (Archivio Storico Comunale di Osimo, Pergamene, Busta IV, n° 263 – parchemin: 53 x 38; bulle pendante, lisse au revers68)
Clemens electus episcopus, servus servorum Dei, dilectis filiis communi et populo civitatis nostre Oxomensis, salutem et apostolicam benedictionem. Dum in minoribus agebamus in terris sacrosancte Romane Ecclesie in Italia citra regnum Sicilie consistentibus generali vicariatus et legacionis fungentes officio, vestra inconcussa fidelitas erga ipsam sacrosanctam Romanam Ecclesiam dominam et matrem vestram, tamquam aurum in fornace probatum, sic nobis cernentibus claruit ab experto, quod nec personarum cedens, innumere offensiones seu carceres, rerum vestrarum incendia, castrorum occupationes ab inimicis Dei et Ecclesie tunc temporis prothdolor sepefacte, ab ipsius fidelitate et devocione vobis innatis aliquatenus nedum vos retrahere valuerunt quinimmo nec tantisper tepescere vidimus, sed potius in ipsarum persecutionum flagellis fidelitas ferventius augebatur et ardencius occulata fide recipiebat ipsa devocio incrementum, et flammis caritate accensa luce clarius relucebat. Quocirca vobis singulariter devotis et peculiaribus filiis quos scimus in prosperitatibus ipsius Ecclesie matris vestre exultancius gloriari, harum serie nunciamus quod sacrum collegium venerabilium fratrum nostrorum sacrosancte Romane [Ecclesie] cardinalium die vicesimo instantis mensis septembris congregati in unum ut viduate Romane Ecclesie ne ulterius viduitatis deploraret incommoda, de pastore ydoneo providerent, Spiritus Sancti gracia invocata, in nos licet indignum tunc Basilice Duodecim Apostolorum de Urbe presbyterum cardinalem direxerunt unanimiter vota sua in summum nos apostolatus apicem assumentes. Et quamvis ad tante rei pondus nos insufficientem et inmeritum agnoscamus, tamen clemencie divine et apostolorum Petri et Pauli intercessionis confisi presidio ad tam grande onus supposuimus humeros imbecilles, sperantes indubie in eo cuius causa agitur, qui de nichilo cuncta creavit quod Petri naviculam nostris peccatis exigentibus prothdolor sic modernis temporibus fluctuantem per nos servorum suorum minimum ad portum salutis non 68 Éd.: Luciano Egidi, I documenti dei Pontefici (voir note 40), p. 192–193. L’édition présentée ici a été établie à partir de l’original.
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nostris meritis sed sua diriget pietate. Ita ������������������������������������������� quod vestrorum et aliorum Ecclesie prefate fidelium ministerio adiuvante fatigata quiescent, erigentur collapsa et in vias planas aspera convertentur. Nos autem, universo populo christiano et presertim italico guerrarum calamitatibus diucius lacessito, quantum permittetur ex alto et in nobis erit, intendemus totis viribus pacis levitatem et pulcritudinem elargiri. Vos autem, dilecti filii, in communi et particulari cum firma fiducia ad nos recurratis, quia intendimus quantum cum Deo poterimus fidelitati vestre antidora rependere ex fonte uberrimo graciarum emanans eius sequentes vestigia quantum humana fragilitas patitur, cuius licet inmeriti vicariatum tenemus in terris qui inquit: centumplum accipietis69. Ita quod iubilantes congratulemini fideliter sic egisse, et ut alii ad fidelem devocionem simili provocentur exemplo. Nec miremini quod bulla non exprimens nomen nostrum presentibus est appensa, que ante coronationis nostre solemnia transmittitur, cum predecessores nostri in romanos electi pontifices consueverint in bullandis litteris ante sue coronationis et consecrationis munus modum huiusmodi observare. Datum Fundis, X kalendas octobris.
Annexe III Clément VII annonce au chevalier Bartolomeo di San Severino son élection et son couronnement comme souverain pontife, espère son dévouement et l’informe de l’arrivée prochaine de l’évêque de Pouzzoles, nonce apostolique. 20 novembre 1378 – Fondi (Archivio Storico Comunale di San Severino Marche, Diplomatico, Cassetta VI, n° 27 – parchemin: 50 x 39,5)
Clemens episcopus, servus servorum Dei, dilecto filio et nobili viro, Bartholomeo de Sancto Severino, militi, salutem et apostolicam benedictionem. Iam dudum eciam dum in parcium Italie sacrosancte Romane Ecclesie terris legationis fungeremur officio, in dicte Ecclesie gracia et devotione te videre in tantum optabamus quod quicquid pro dicte Ecclesie gracia tibi prestanda potuissemus libentissime fecissemus. Nunc autem, postquam divina clemencia non nostris meritis exigentibus, sed sua ineffabili pietate, et ut viduata Ecclesia 69 Voir note 45.
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ne ulterius viduitatis deploraret incommoda sponsum teneret suum unanimi et concordi venerabilium fratrum nostrorum in partibus Italie degencium dicte Ecclesie cardinalium interveniente consensu, ad apostolatus apicem nos perduxit ipsiusque apostolatus insignia coronationis, sicut hec omnia te credimus non latere debitis solemnitatibus receptivis desiderii nostri effectum facere peroptamus, ut pote devios reducere, culpas ignoscere, odia claudere, concordiam prestare et illam quam semper in mente gerimus tibi et dilecte Italie tot et tantis crudelibus et diuturis guerris miserabiliter lactessito imponere pacem. Quamobrem ad hec paterna cogitatione pensantes, presertim dum non est difficile illos ad gratiam reducere quorum peccatus constat illam desideranter expetere, venerabilem fratrem Ludovicum, episcopum Putheolan., ad te presentialiter mittere decrevimus ut, quia epistolaris sermo tantum exprimat non patitur quantum humana facundia posset explicare, videtur paterne affectionis nostre animum tuis sensibus infundat, cuius relatus gratanter suscipiens et firmiter credas et facias, quod sicut nostre munificentie dona in te ampliare cupimus, ita devotionem tuam nobis inherere probabiliter videamus. Datum Fundis, VII kalendas decembris, pontificatus nostri anno primo.
Annexe IV Clément VII demande à Bartolomeo, Pietro et Onofrio di San Severino d’observer la paix négociée avec les Varano, Monteverde et autres seigneurs et communes et de résister aux offres des sectateurs d’Urbain VI. 3 décembre 1378 – Fondi (Archivio Storico Comunale di San Severino Marche, Diplomatico, Cassetta VI, n° 28 – parchemin: 43 x 52,5)
Clemens episcopus, servus servorum Dei, dilectis filiis et nobilibus viris Bartholomeo, militi, Petro et Honofrio de Sancto Severino, salutem et apostolicam benedictionem. Pacem inter vos et dilectos filios et nobiles viros, Rodulphum de Camerino fratresque et nepotes suos, ac Raynaldum de Monteviridi et alios in ipsa pace comprehensos, ob nostram et apostolice sedis reverenciam factam gratissimam habentes, super qua devotionem vestram multepliciter commendamus. Hortamur vos quatinus ad ipsius pacis observationem perpetuam atque validam et ad dicti
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Rodulphi complacentias in quem vos etiam complacencias reperietis et favores vos cordialiter disponatis per quam vobis sequetur utilitas et honor et nostri ac Romane Ecclesie fideles et subditi nostre Marchie Anconitane eorum facultates pretendere poterunt et in amene tranquillitatis beneficio vitam ducere cum quietem. Et quia humane nature hostis ad capiendum quem devoret semper fiat attentus, alios ad exaltationem aliosque ad profunditatem deducens, ut sue voraginis ingluviem melius possit satiare inter quos Bartholomeus, olim Baren. archiepiscopus, qui per papatus occupationem in quo se nigerit temeritate sua unus est ex illis qui ut antichristus laqueo dicti maligni hostis laqueatus quosquos potest antichristi more ad dampnatam sectam suam in profundum secum trahere machinatur, ne eius perfidia vobis et aliis nostris fidelibus et devotis cecitatem inducat vosque ad fovee precipitium reducat, de qua non possitis postea sublevari, vos tamquam devotos filios affectione paterna presentialiter admonemus, quatinus suis fictis et proans machinationibus falsisque predicationibus et adulationibus aliqualiter non credatis nec per alios de Marchia quantum in vobis est credi permictatis. Ymmo eum et eius maligna tamquam antichristi opera totaliter repellatis omnes quos potestis de dicta Marchia tam nobiles quam populares ad devotionem et obedientiam nostram protinus inducendo quibus intendimus quantum cum Deo poterimus grata rependere et facere quod vos et ipsi sub umbra aleorum nostrarum protectioneque nostra poteritis vitam ducere tranquillam nobisque et dicte Ecclesie matri vestre studeatis singulariter inherere, nam cum tranquillitatem vestram expetamus et non vexationis iniuriam sed que sint fidelibus utilitatis cause profunda cogitatione pensemus, vos in speciali in favoribus et graciis et in exaltatione status vestri quantum cum Deo poterimus habere intendimus favorabiliter commendatos. Datum Fundis, III nonas decembris, pontificatus nostri anno primo.
Continuity and discontinuity in the chanceries of Urban VI and Clement VII Patrick Zutshi1 The subject of this paper is the changes which occurred in the chanceries of the rival popes elected in 1378, Urban VI and Clement VII. Some attempt will be made to compare these two institutions. Despite Walther von Hofmann’s classic account of the papal administration from the Great Schism to the Reformation, now almost a century old, and some useful, more recent studies2, such a comparison does not seem to have been attempted previously. This is perhaps hardly surprising, since the Avignonese curia is much better documented than the Roman, making comparisons between them impossible in many respects3. Nonetheless, there is some compensation in that it is possible to consult – in addition to the sources on which a diplomatist would traditionally rely – what can only be described as a unique source: the depositions of those who were present in Rome at the time of the election of Urban VI. They were collected in the course of the hearings concerning the beginnings of the Schism held on the initiative of the kings 1 ������������������������������������������������������������������������������������� I am most grateful to Brigitte Hotz, Peter Linehan and Daniel Williman for their comments on a draft of this paper and to Michael Reeve for his assistance with Appendix II. I have made use of the new edition of the chancery rules of Clement VII prepared by the University of Marburg project ,Päpstliche Kanzleiregeln‘ under the direction of Andreas Meyer. This is available at http://www.uni-marburg.de/fb06/forschung/webpubl/magpubl/paepstlkanzl (accessed 28 July 2011) and is cited below as Meyer. 2 Walther von Hofmann, Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation, Rome 1914 (Bibliothek des Königlich Preussischen Historischen Instituts in Rom, 12–13); for Urban VI, see Theodor Graf, Papst Urban VI. ������������ Untersuchungen über die römische Kurie während seines Pontifikates, Berlin 1916; for Clement VII, see Javier Serra Estelles, Los Registros de Súplicas y letras pontificias de Clemente VII de Aviñón, Rome 1988 (Publicaciones del Instituto Español de Historia Eclesiástica, Monografias, 29). See also Roger Ch. Logoz, Clément VII (Robert de Genève). Sa chancellerie et le clergé romand au début du Grand Schisme, Lausanne 1974 (Mémoires et documents publiés par la Société d’Histoire de la Suisse Romande, Troisième Série, 10). 3 See below at nn. 22–24. Cf. Jean Favier’s comments in the introduction to Les finances pontificales à l’époque du Grand Schisme d’Occident 1378–1409, Paris 1966 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 211), p. 5: „Que l’on n’attende donc pas le plan net, le parallélisme qu’eût voulu le sujet, mais qu’interdisaient les sources“.
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of Castile and Aragon from 1379 to 1386. The testimonies are found in the Libri de Schismate in the Vatican Archives4, which were assembled by one of Clement VII’s principal supporters, Martín de Zalva, bishop of Pamplona. Among the hearings were those that John I, king of Castile, held at Medina del Campo in 1380–1381, and another source for these hearings is the official protocol of the proceedings, drawn up by a notary public, which survives in the Bibliothèque nationale de France5. The testimonies are a tendentious source, since many of the witnesses had already decided who was the rightful pope and, naturally enough, their statements tended to be influenced by their convictions. Nonetheless, these testimonies contain incidental references to the practices of the papal curia, including the chancery, which do not have a direct bearing on the validity of Urban VI’s election and where there was less reason for providing biased or misleading details. Accordingly I will make some use of this evidence. Among the testimonies cited are those of Pierre de Monteruc, vicechancellor successively of Innocent VI, Urban V, Gregory XI, Urban VI and Clement VII, and of his nephew, Renaud de Gorse, appointed vicechancellor by Urban following Pierre de Monteruc’s defection to Clement. They are printed in full for the first time in Appendix I and II. Bartolomeo Prignano was archbishop of Acerenza and then archbishop of Bari before his election as Pope Urban VI. He may have been in the service of the papal chancery following Urban V’s return to Rome in 13676. He became acting head of the papal chancery (known as the regens), exercising this responsibility, it seems, from shortly before the departure of Gregory XI for Italy in 1376, and acting as deputy of the vicechancellor, Pierre de Monteruc. Urban thus had a close familiarity with the department responsible for issuing most of the letters which went out in his name. Indeed, his reputation at the time of his election was that of a con4 ASV, Arm. LIV, vols 14–48. The fullest account of the Libri de Schismate is Michael Seidlmayer, Die Anfänge des grossen abendländischen Schismas, Münster 1940 (SFGG, 2. Reihe, 5), part 2. See also Andreas Rehberg, Le inchieste dei re d’Aragona e di Castiglia sulla validità dell’elezione di Urbano VI nei primi anni del Grande Scisma, in: Antonio Rigon, Francesco Veronese (eds), L’età dei processi. Inchieste e condanne tra politica e ideologia nel ’300, Rome 2009, pp. 249–304 (with extensive references to the earlier literature). 5 BN, MS. lat. 11745. See Seidlmayer, Anfänge (above, n. 4), part I, ch. 2, and pp. 207f., 216–221; Jaume de Puig, Josep Perarnau, La Informatio brevis et metrica de Nicolau Eimeric sobre el Cisma, in: Jornades sobre el Cisma d’Occident a Catalunya, les Illes i el País Valencià, vol. 1, Barcelona 1986, pp. 205–223, at pp. 207–217; Rehberg, Le inchieste (above, n. 4). 6 Daniel Williman, Schism within the curia: the twin papal elections of 1378, in: JEH 59 (2008), pp. 29–47, at p. 33.
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scientious man thoroughly conversant with the procedures of the curia – something which is evident in Clementist as well as Urbanist sources7. Garsias Martini, bishop elect of Orense, quoted Cardinal Robert of Geneva (the future Clement VII) as saying that he wanted to take Prignano with him on his legation to Italy but omitted to do so pro eo quod regebat bene cancellariam8. Urban’s reputation undoubtedly weighed significantly with the cardinals who elected him pope9. Pierre de Monteruc was one of the Limousin cardinals, a group with whom Prignano had close links. It was precisely to these cardinals, notably to Guillaume d’Aigrefeuille and Jean de Cros, that Prignano owed his election10. Renaud de Gorse alleged that a letter from Guillaume d’Aigrefeuille to Pierre de Monteruc announced the election of the archbishop of Bari with joy, quia ipse de domo vestra fuit et qui multum ad paternitatem vestram afficitur11. Following his election on 8 April, Urban possessed certain advantages as a curial ,insider‘. The Registers of Supplications and perhaps other registers of his immediate predecessor, Gregory XI, had been moved from Avignon to Rome, and Urban presumably had access to them12. Nonetheless, the earlier registers remained in Avignon and were made available to Clement VII13. Urban faced im7 For descriptions of Urban as practicus in curia and nutritus in curia, see Seidlmayer, Anfänge (above, n. 4), pp. 259, 293. See also Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, vol. 1, Paris 1896, p. 34; Olderico Přerovský, L’elezione di Urbano VI e l’insorgere dello Scisma d’Occidente, Rome 1960 (Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, 20), pp. 16–31; Arnold Esch, Das Papsttum unter der Herrschaft der Neapolitaner, in: Festschrift für Hermann Heimpel, Göttingen 1972, vol. 2, pp. 713–800, at p. 715; Rehberg, Le inchieste (above, n. 4), p. 284 n. 160. 8 BN, MS. lat. 11745, fol. 125v. 9 Patrick Zutshi, Unpublished fragments of the registers of common letters of Pope Urban VI (1378), in: Brigitte Flug et al. (eds), Kurie und Region. Festschrift für Brigide Schwarz zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2005 (Geschichtliche Landeskunde, 59), pp. 41–61, at p. 45. Thomas Gundisalvi, treasurer of Compostella, heard that the cardinals elected Urban quia erat bonus et nutritus inter eos (BN, MS. lat. 11745, fol. 237v). Another consideration was his lack of parentes or attinentes: Esch, Das Papsttum (above, n. 7), p. 716 and n. 8. 10 Přerovský, L’elezione di Urbano VI (above, n. 7), pp. 43–50; Patrick Zutshi, Jean de Cros and the papal penitentiary on the eve of the Great Schism, in: Francia 37 (2010), pp. 335–351, at pp. 335f. 11 See Renaud de Gorse’s deposition printed below in Appendix II. 12 The move is explicitly documented for the Registers of Supplications: Léon Mirot, La politique pontificale et le retour du Saint-Siège à Rome en 1376, Paris 1899, p. 125 (see also p. 124). Cf. Gerd Tellenbach, Repertorium Germanicum, vol. 2: Urban VI., Bonifaz IX., Innocenz VII. und Gregor XII., Berlin 1933–1961, p. 2*. 13 E.g., Clement VII reissued a letter of Clement VI in favour of the Dominicans of Geneva on the basis of Clement VI’s register: Patrick Zutshi, Original papal letters in England,
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mediate difficulties in Rome after the election, largely owing to the disorderly state of the city. The deposition of Conradus Henrici de Veselá, whom the Emperor Charles IV and his son Wenceslas had sent as an envoy to Gregory XI, records Urban as saying in late May–early June that he had no means of sealing letters with either the leaden bulla or the private seal and implies that Cardinal Pietro Corsini was dealing with Urban’s correspondence14. According to Paul Maria Baumgarten, the chamberlain, Pierre de Cros, detained the matrix for the Apostles-stamp of the bulla15. Pierre was one of Urban’s most effective and implacable opponents16. This matrix was made available to Clement VII, who issued letters under the bulla dimidia in the normal way between his election and coronation17. Only around 25 July, according to Conradus Henrici, was a matrix produced for Urban’s bulla and did the pope begin to sign petitions18. It was customary for poor clerks to be able to submit petitions for expectative graces at the beginning of each pontificate. The period that Urban designated for this purpose had begun by 24 June19. If the account of Conradus Henrici is correct, it was not until about a month later that the letters issued in response to these petitions could begin to be sealed. How and 1305–1415, Vatican City 1990 (Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum, 5), p. 201, no. 398. For ���������������������������������������� Pierre de Cros’ removal of papal archives to Avignon, see Paul Maria Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei. Untersuchungen über die päpstlichen Tabellionen und die Vizekanzler der Heiligen Römischen Kirche im XIII., XIV. und XV. Jahrhundert, Cologne 1908, pp. 109f. 14 Acta Urbani VI et Bonifatii IX, vol. 1, ed. Kamil Krofta, Prague 1903 (Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas illustrantia, 5), p. 11. 15 Paul Maria Baumgarten, Aus Kanzlei und Kammer. Erörterungen zur kurialen Hof- und Verwaltungsgeschichte im XIII., XIV. und XV. Jahrhundert, Freiburg/Br. 1907, p. 161; Idem, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), p. 110. 16 See especially Williman, Schism within the curia (above, n. 6). 17 Baumgarten, Aus Kanzlei und Kammer (above, n. 15), pp. 169f., 173. An ���������������� original letter of Clement of 24 September 1378 (Avignon, Archives départementales de Vaucluse, Archives municipales d’Avignon, Pintat 76/2512), with the intitulatio: Clemens electus epi scopus servus servorum dei, has the following dating clause: Dat. Fundis sub bulla capitibus Apostolorum Petri et Pauli consignata, qua utuntur ad Apostolatus apicem assumpti ante sui coronationem, viii kal. Octobr., assumptionis nostre anno primo. The leaden seal is not extant. 18 Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), p. 110; Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), p. 46. 19 Walter Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI., in: Idem, Papst und Konzil im Grossen Schisma, Paderborn et al. 1990, pp. 3–41, at p. 41; Andreas Meyer, Arme Kleriker auf Pfründensuche. Eine Studie über das in forma pauperum-Register Gregors XII. von 1407 und über päpstliche Anwartschaften im Spätmittelalter, Cologne et al. 1990 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 20), p. 69.
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when the diplomatic and administrative correspondence of Urban VI dating from before this time was sealed is unclear. Indeed, the existence of such correspondence casts doubt on the testimony of Conradus Henrici20, who was an adherent of Clement VII and as such may have wished to depict irregularities in the functioning of Urban’s chancery at the beginning of his pontificate. He may even have wished to imply that Urban’s reluctance to sign petitions reflected the fact that Urban did not consider himself to be the true pope. This was precisely the point made by Martin, bishop of Lisbon and envoy of Ferdinand, king of Portugal, in a speech before Charles V, king of France, in 138021. Urban’s chancery was affected by the instability of his position in Italy; he was, for instance, besieged by Charles of Durazzo in Nocera for five months in 1384. He had to abandon registers of papal letters and of supplications and other archives when he escaped from Nocera22. The result of these and other vicissitudes is the poor survival of registers of papal letters for Urban’s pontificate23. Urban is in this respect much the worst documented pope of the fourteenth century. There are only fragments, amounting to thirty-eight folios of text, of his registers of so-called common letters (lettres communes). There are three volumes of chamber registers but no registers of petitions at all, although it is likely that they once existed. This contrasts with the equivalent documentation in the Vatican Archives for Clement VII: sixty-nine volumes of registers of common letters, twelve chamber registers and thirty-six registers of petitions24. The discrepancy naturally makes it more difficult to compare the chanceries of these popes. It was not only external forces that impeded the production of papal letters early in Urban’s pontificate, for as we have seen, Urban appears to have been reluctant to sign the petitions submitted to him. There is ample evidence of the cardinals submitting rolls of petitions and individual petitions to the newly elected 20 Cf. Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), p. 48 and n. 49. 21 Noël Valois, Discours prononcé le 14 juillet 1380, en présence de Charles V, par Martin, évêque de Lisbonne, ambassadeur du roi de Portugal, in: BEC 52 (1891), pp. 485–516, at p. 501: […] supervenerunt nova per suos venientes quod iste Bartholomeus non signabat ut papa, et quod steterat per mensem et ultra a die consecracionis quod non apposuerat manum ad signandum. Et tunc eciam magis augmentari sibi [scil. regi Portugalie] cepit scrupulus antecedens, credens quod non signabat quia se non habebat pro papa […]. 22 Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), p. 15. 23 Tellenbach, Repertorium Germanicum (above, n. 12), vol. 2, pp. 2*–7*. 24 Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), pp. 42f. See also Monique MaillardLuypaert, Papauté, clercs et laïcs. Le diocèse de Cambrai à l’épreuve du Grand Schisme d’Occident, Brussels 2001 (Publications des Facultés Universitaires Saint-Louis, 88), pp. 155f.
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pope, and of Urban signing these petitions25. Moreover, the testimony of Ènnec de Vallterra, bishop of Segorbe, implies that Urban made provisions to greater and lesser benefices in the normal way26. Ènnec himself was appointed by Urban at Tivoli to receive certain categories of petitions and to report on them27. Fernandus Petri, dean of Tarazona, refers to Urban post coronationem suam signing the rotulus of the servitores et socii cardinalium qui intrant conclave28. Nonetheless, we cannot be confident that Urban was signing the more routine petitions. At the end of May, according to Pontius Beraldi, secretary and corrector litterarum apostolicarum of Clement VII, he signed only one petition29, while the Dominican Nicholas Eymerich, inquisitor in the kingdom of Aragon, states that it was said publicly that Urban did not sign any petitions while he was in Rome with the cardinals30. In the testimony of another witness, Urban rejected the petitions even of his fellowNeapolitans and his own kinsmen31. Urban’s reluctance to bestow favours was transformed by the circumstances of the Schism and by the need to secure and retain support. His pontificate is characterised by far-reaching nepotism and by his lavish promotion of a group of 25 Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), pp. 46f.; Leslie Macfarlane, An English account of the election of Urban VI, 1378, in: BIHR 25 (1953), pp. 75–85, at pp. 77 and n. 3, 80. See also Logoz, Clément VII (above, n. 2), pp. 53–55. 26 Josep Perarnau, Nous fons de la Biblioteca Vaticana sobre el Cisma d’Occident i Catalunya, in: Jornades sobre el Cisma (above, n. 5), vol. 1, pp. 145–203, at p. 189: eciam dicit quod in illo tempore seu intervallo dedit quamplures prelaturas, archiepiscopatus, episcopatus, abbacias et alia quam plura beneficia, tam dominis cardinalibus quam aliis, ut sibi videbatur et placebat; et in omnibus graciis et iusticiis habebatur ad eum tamquam ad papam et summum pontificem recursus. 27 Ibid., p. 189: […] dedit sibi officium seu sibi commisit quod reciperet omnes supplicaciones quarumcumque nacionum in gracia speciali et faceret relaciones. 28 BN, MS. lat. 11745, fol. 244v. See Andreas Rehberg, Sacrum enim opinantur, quicquid inde rapina auferunt. Alcune oservazioni intorno ai ,saccheggi rituali‘ di interregno a Roma (1378–1534), in: Thomas Ertl (ed.), Pompa sacra. Lusso e cultura materiale alla corte papale nel basso medioevo (1420–1527), Rome 2010 (Nuovi Studi Storici, 86), pp. 201– 237, at p. 215. 29 Přerovský, L’elezione di Urbano VI (above, n. 7), p. 72. 30 BN, MS. lat. 11745, fol. 61r: ut publice dicebatur, nullam supplicacionem signabat toto tempore quo Rome cum collegio fuit. This is the seventh of the reasons given by Eymerich for doubting that Urban was the true pope. On Eymerich see Claudia Heimann, Nicolaus Eymerich (vor 1320–1399) – praedicator veridicus, inquisitor intrepidus, doctor egregius, Münster 2001 (SFGG, 2. Reihe, 37), with discussion of his testimony on pp. 89–94 and 184–186. 31 Přerovský, L’elezione di Urbano VI (above, n. 7), p. 107; Esch, Das Papsttum (above, n. 7), p. 717.
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Neapolitan families, including the Brancacci, his mother’s family32. These families came to Urban’s aid at Nocera. Dietrich of Niem was shocked when the Neapolitans in 1384 submitted a rotulus to Urban making exorbitant requests, even for promotion to the cardinalate. Dietrich’s objections did not prevent the pope creating no fewer than five Neapolitan cardinals later that year33. There was nothing new in a pope bestowing favours on his kinsmen and fellow-countrymen, but the extent of Urban’s patronage and dynastic ambitions are striking. Clement VII, in his patronage of men originating from his family’s territory, the county of Geneva, seems to have behaved more moderately and more in line with the practices of his Avignonese predecessors34. Following the withdrawal of the cardinals to Anagni, Urban was deserted by many curialists. As Dietrich of Niem put it in his De Scismate, with pardonable exaggeration, he was left virtually alone „like a sparrow on a roof “35. The personnel of the chamber almost without exception deserted Urban, following the lead of the chamberlain, Pierre de Cros36. That Pierre was active in attempting to recruit curialists to Clement’s camp can be illustrated by the fact that he sent the papal messenger Iohannes Rebocherii to Rome several times in order to draw one of the bullatores away from Urban37. The scribes of the papal penitentiary deserted Urban en masse along with the cardinal penitentiary Jean de Cros (Pierre’s brother)38. Not all the chancery personnel abandoned Urban. Bartholomeus Francisci, for instance, who had been a scribe and secretary from the pontificate of Urban V 32 See Esch, Das Papsttum (above, n. 7), pp. 718–738. Urban’s reliance of Neapolitan consiliarii is mentioned as early as 24 June 1378, in a letter from Cristoforo da Piacenza, Mantuan ambassador at the curia, printed most recently by Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit (above, n. 19), pp. 40f. 33 Theoderici de Nyem De Scismate libri tres, ed. Georg Erler, Leipzig 1890, pp. 80f.; Esch, Das Papsttum (above, n. 7), p. 728. Cf. Theoderici de Nyem De Scismate, p. 51: uno die creavit dictus Urbanus XXXII archiepiscopos, episcopos vel abbates omnes nacione Neapolitanos, illos potissime, qui partem Karoli dicti in ingressu eius in Neapolim foverunt, quos propterea omni honore dignos reputabat […]. 34 See Louis Binz, Le népotisme de Clément VII et le diocèse de Genève, in: Genèse et débuts du Grand Schisme d’Occident, Paris 1980 (Colloques Internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique, 586), pp. 107–123. 35 Theoderici de Nyem De Scismate (above, n. 33), p. 27; Ernest F. Jacob, Dietrich of Niem, in: Idem, Essays in the Conciliar Epoch, Manchester 31963, pp. 24–43, at p. 30. 36 Favier, Les finances pontificales (above, n. 3), pp. 60, 136–138. 37 See Baumgarten, Aus Kanzlei und Kammer (above, n. 15), pp. 20f. 38 Zutshi, Jean de Cros (above, n. 10), p. 347. Cf. Brigide Schwarz, Die Organisation kurialer Schreiberkollegien von ihrer Entstehung bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, Tübingen 1972 (Bibliothek des DHI in Rom, 37), p. 51.
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onwards, remained in the service of the Roman popes and became regens of the chancery39. Nonetheless, the defections seem to have involved the majority of the chancery personnel. They took place in stages and were not confined to the beginning of the pontificate40. They necessitated the widespread recruitment of new personnel; for instance, the installation of twenty-seven men, apparently all scribes, on one day in 138041. As one might expect, the newcomers were predominantly Italians, but there were opportunities for those from other countries which remained loyal to Urban. There seems to have been an increase in the number of English curialists, and the Germans now enjoyed a more prominent position in the curia than hitherto42. The best known of the latter is Dietrich of Niem, scribe and abbreviator of the chancery43. Clement VII, after his election at Fondi on 20 September 1378, relied on two acting heads of the chancery (or regentes), first Niccolò Brancacci and then Gilles Bellemere44. It is curious that Clement appointed Niccolò Brancacci, a member of the family of Urban’s mother, as regens, while Urban appointed Renaud de Gorse, the nephew of Clement’s vicechancellor, to the same position. Both appointments were no doubt the result of astute calculations. Each of the regentes was elevated to the cardinalate by his respective pope, but only Renaud became vicechancellor45. 39 See Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), p. 44 n. 26. 40 Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 7f., 10f., 14; Theoderici de Nyem De Scismate (above, n. 33), p. 95. 41 ���������������������������������������������������������������������������������������� Der Liber cancellariae apostolicae vom Jahre 1380 und der Stilus palatii abbreviatus Dietrichs von Nieheim, ed. Georg Erler, Leipzig 1888, p. 207 (10 October 1380); cf. Graf, Papst Urban VI. (above, ������������������������������������������������������������������������� n. 2)������������������������������������������������������������ , p. 12. New personnel were taken on even at Nocera and during Urban’s flight: ibid., p. 14. For their recruitment at Genoa, see ibid., p. 16. It is worth noting that Dietrich of Niem prepared copies of two parts of the Liber cancellariae; that published by Erler is the first part. See Michael Tangl, Der vollständige Liber cancellariae des Dietrich von Nieheim, in: MIÖG 10 (1889), pp. 464–466; Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 26f.; Michael Tangl, Neue Forschungen über den Liber cancellariae apostolicae, in: NA 43 (1922), pp. 551–578, at pp. 555–559; Brigitte Hotz, Libri cancellarie spätmittelalterlicher Päpste, in: Peter Erdö, Sz. Anzelm Szuromi (eds), Proceedings of the Thirteenth International Congress of Medieval Canon Law, Vatican City 2010 (MIC, Series C: Subsidia, 14), pp. 397–417, at pp. 397f., 405. 42 See Margaret Harvey, The English in Rome 1362–1420, Cambridge 1999, chs 7f.; Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), p. 17; Christiane Schuchard, Die Deutschen an der päpstlichen Kurie im späten Mittelalter (1378–1447), Tübingen 1987 (Bibliothek des DHI in Rom, 65), pp. 35–37, 45. 43 See Georg Erler, Dietrich von Nieheim. Sein Leben und seine Schriften, Leipzig 1887, ch. 2. 44 See below at nn. 83f. 45 Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), pp. 111f.
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Renaud signed original papal letters with an R in the place where the head of the chancery usually signed (the top right corner of the recto)46. Clement failed to dislodge his rival and to establish his authority in Italy. He decided to return to Avignon, previously the stable seat of the papacy. Clement entered the city on 20 June 1379. There he found, along with other remnants of the curial administration, the vicechancellor, Pierre de Monteruc, known as the Cardinal of Pamplona47. Pierre had remained in Avignon after Gregory XI’s departure for Rome in 1376, just as he had after Urban V’s departure in 1367. He and the five other cardinals who were with him in Avignon had not participated in the two papal elections of 1378. Their authority was required by the castellan of Castel S. Angelo, Pierre Gandelin, for the surrender of the fortress to Urban. Pierre was one of two cardinals who was willing to authorise this, the cardinals’ letter being dated 3 July48. He was the last of the six cardinals to transfer his allegiance from Urban to Clement49. His tardiness in so doing must have led to tense relations with the other five cardinals in Avignon. A memorandum prepared for Gilles Bellemere, the envoy of these cardinals to Clement VII, dated by its editor to the last third of the month of October 1378, has the following article in it: Item, scribat dominus noster, vel scribi faciat domino Pampilonensi cardinali quod desistat ab inceptis et mutet opinionem quam tenet50.
46 ��������������������������������������������������������������������������������������� E.g., Schedario Baumgarten. Descrizione diplomatica di bolle e brev�������������������� i originali da Innocenzo III a Pio IX, vol. 3: Clemente V–Martino V, ed. Sergio Pagano, Vatican City 1983, nos 6405f., 6408, 6410, 6417, 6419f., 6422f., 6427, 6431, 6435, 6442, 6444. 47 For his career, see Anne-Lise Rey-Courtel, Les cardinaux du Midi pendant le Grand Schisme, in: Le Midi et le Grand Schisme d’Occident, Toulouse 2004 (Cahiers de Fanjeaux, 39), pp. 49–108, at pp. 53f., 66f. 48 Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), vol. 1, pp. 65f.; Vitae Paparum Avenionensium, ed. Étienne Baluze, Guillaume Mollat, Paris 1916–1922, vol. 4, pp. 168f., which prints the letter from the two cardinals to the castellan. The letter is somewhat ambiguous with regard to the attitude of the remaining cardinals: credimus etiam quod alii cardinales prefati vobis ita significarunt per suas litteras vel significabunt super premissis eorum intentum. For the background, see Armand Jamme, Renverser le pape. Droits, complots et conceptions politiques aux origines du Grand schisme d’Occident, in: François Foronda et al. (eds), Coups d’État à la fin du Moyen Âge?, Madrid 2005 (Collection de la Casa de Velázquez, 91), pp. 433–482, at pp. 447–451. 49 Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), vol. 1, p. 102 n. 1. 50 Noël Valois, La situation de l’Église au mois d’octobre 1378, in: Mélanges Julien Havet, Paris 1895, pp. 451–464, at p. 464, § 40.
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According to Pierre’s own account, he initially did not believe that Prignano could have been elected, although he thought him to be „a good man“51. The implication is that the latter had been promoted beyond his abilities. Nor did Pierre initially believe the cardinals’ claim that the election had taken place per impressionem, asking: Quomodo cardinales scripsserunt? Quomodo fecerunt tales actus, et modo asserunt oppositum?52 Here scripsserunt refers to the letters that the electors wrote to Pierre and the other cardinals in Avignon53. It was largely as a result of a visit from Martín de Zalva, bishop of Pamplona, an ardent and effective supporter of Clement VII, that he changed his mind54. In 1379, in a letter to the count of Flanders, Pierre de Monteruc put it rather differently: following the declaration made by the cardinals against Urban at Anagni and the election of Clement, he remained neutral; by November 1378, his enquiries had led him to conclude that the election of Urban was invalid and he became an adherent of Clement55. He continued to function as vicechancellor and his initial appears on original letters of Clement VII56. Yet the copy of the first part of the Liber cancellariae apostolicae prepared by Dietrich of Niem shows that in April 1380 Urban’s chancery continued to refer to Pierre de Monteruc as vicechancellor57. Pontius Beraldi was ap51 See his testimony printed below in Appendix I: […] ipse cardinalis dicebat, ,Qualiter posset fieri cum haberent homines ita valentes de collegio?��������������������������������������������� Q������������������������������������������� uomodo elegissent illum?‘, licet ipse reputasset eum bonum hominem pro tunc. 52 See Appendix I. 53 See Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), vol. 1, p. 102 n. 1. For one such letter, from Cardinal Guillaume d’Aigrefeuille, see the testimony of Renaud de Gorse printed in Appendix II. 54 See Appendix I. 55 Vitae paparum Avenionensium (above, n. 48), vol. 4, p. 197: Et licet dicti domini cardinales hujusmodi declarationem et assumptionem dicti domini nostri Clementis nobis per suas litteras significare curaverint, nos tamen volentes de premissis plenius informari, mentem nostram aliquamdiu tenuimus in suspenso, nec ipsis pro tunc adhesimus, donec per nonnullos fide dignos, qui in hujusmodi electione dicti Bartholomei impressiva fuerant in Urbe presentes, fuimus de premissis omnibus plenius informati. Nuper vero, videlicet de mense novembris proxime preterito, quia post diligentem examinationem et informationem legitimam super premissis per nos habitam reperimus predictam electionem de dicto Bartholomeo fore invalidam et per impressionem et violentiam Romanorum celebratam […]. See Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), vol. 1, pp. 176f. 56 Zutshi, Original papal letters (above, n. 13), no. 398; Bernard Barbiche, Les actes pontificaux originaux des Archives nationales de Paris, vol. 3, Vatican City 1982 (Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum, 3), p. 513, fig. 49. Barbiche transcribes this initial as R instead of P. 57 Liber cancellariae apostolicae (above, n. 41), pp. 203f.; Erler, Dietrich von Nieheim (above, n. 43), p. 285. Urban’s own vicechancellor, Cardinal Renaud de Gorse was in office
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pointed as regens of the chancery in 1385, just two days before Pierre’s death58. Pontius had been a chancery scribe under Urban V and Gregory XI. A familiar of Pierre de Monteruc, he was sent to Rome on account of his knowledge of the stilus cancellariae and appointed a secretary by Urban VI59. He transferred his allegiance from Urban to Clement, under whom he was also a secretary and corrector litte rarum apostolicarum60. Urban is quoted as saying early in his pontificate: Ego intendo mundare ecclesiam et ego mundabo. His zeal for reform manifested itself chiefly in denunciations of the cardinals and others and in insults directed at them for their perceived faults rather than in any concrete programme61. None the less, there is some evidence of attempts to reform the curia, and the chancery was not exempt from these62. Urban raised the standard that the candidates for papal provisions to benefices from Spain and Gascony were expected to achieve in the examination in reading, grammar and singing63. The latter ruling contrasts with concessions made by both Gregory XI and Clement VII concerning the attainments of Spanish and Gascon supplicants. Gregory ordered that pauperes clerici in communi forma pauperum impetrare volentes from these regions were to be deemed sufficient even if they were by 1 June 1381: Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), pp. 111f. Baluze was therefore mistaken in claiming that Urban VI did not appoint a vicechancellor while Pierre de Monteruc (d. 30 May 1385) was alive (Vitae Paparum Avenionensium [above, n. 48], vol. 2, pp. 736f.). For Renaud, see Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 5a–6a; Jacques Verger, L’entourage du Cardinal Pierre de Monteruc (1356–1385), in: MEFRM 85 (1973), pp. 515–546, at pp. 527f. 58 Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), p. 126; Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), pp. 157, 163. 59 See below Appendix II: […] missus Romam per dominum [scil. vicecancellarium] in adiutorium officii [scil. cancellarie] quia sciebat valde bene stillum. 60 Brigide Schwarz, Der corrector litterarum apostolicarum. Entwicklung des Korrektorenamtes in der päpstlichen Kanzlei von Innozenz III. bis Martin V., in: QFIAB 54 (1974), pp. 122–191, at pp. 137–140; Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), p. 44 n. 26. For Pontius’ loans to the apostolic chamber, see Favier, Les finances pontificales (above, n. 3), p. 568. 61 See especially Jamme, Renverser le pape (above, n. 48), pp. 443f. 62 Cf. Přerovský, L’elezione di Urbano VI (above, n. 7), part II, ch. 2. 63 Liber cancellariae apostolicae (above, n. 41), p. 13 and n. 4; Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200–1500, ed. Michael Tangl, Innsbruck 1894, p. 48. It is recorded here that the mark Duo competenter et unum male was deemed adequate for candidates from Spain and Gascony (in tota Ispania et Vasconia), but that Urban VI ruled that this should no longer be so (dominus Urbanus non voluit quod isti haberent). Urban had himself been an examiner of candidates in Avignon: see Williman, Schism within the curia (above, n. 6), p. 34.
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incapable of singing64. Clement allowed non-graduates in regionibus in quibus non est copia graduatorum sicut in Hispaniis et in partibus similibus to appear in rolls of supplications for provisions to canonries, prebends, dignities, etc. in cathedral churches65. The acting head of Urban’s chancery, Cardinal Renaud de Gorse, issued a short ordinance in 1380–1382 at the pope’s command66. This renewed the prohibition on scribes and abbreviatores acting as proctors67, and it sought to regulate the checking and signing of letters in the chancery by the scribes and abbreviatores (that is, the processes called the prima and secunda visio)68. It may not be a coincidence that the signatures of such men appear regularly for the first time on the dorse and the plica of original letters of Urban. These no doubt represent the names of those abbreviatores involved in checking the letters69. There is further evidence under Urban VI of attempts to tighten chancery procedures, notably in the arrangements for ,taxing‘ papal letters (that is, calculating the fee due to the scribes from the petitioners)70. In the Avignon period, original papal letters display under the plica to the left the sum payable for the engrossment and the name of the official who calculated the fee. This was the rescribendarius in the case of letters falling within the department of letters of grace or the distributor in the case of letters falling within the department of letters of justice. From early 64 Regulae cancellariae apostolicae. Die päpstlichen Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Nikolaus V., ed. Emil von Ottenthal, Innsbruck 1888, p. 34, § 54: In tota Ispania et Vasconia bene legit, competenter construit, nichil cantat. 65 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 106, § 64; Meyer (above, n. 1), § 52. 66 Kanzleiordnungen (above, n. 63), p. 131. For commentary, see Tellenbach, Repertorium Germanicum (above, n. 12), vol. 2, pp. 52*–54*. 67 See Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 33f., who shows that the restriction was not observed. For the background to this prohibition, see Patrick Zutshi, Letters of Pope Honorius III concerning the Order of Preachers, in: Frances Andrews et al. (eds), Pope, Church and City. Essays in honour of Brenda M. Bolton, Leiden, Boston 2004, pp. 269– 286, at p. 276; Idem, Petitioners, popes, proctors. The development of curial institutions, c. 1150–1250, in: Giancarlo Andenna (ed.), Pensiero e sperimentazioni istituzionali nella ,Societas Christiana‘ (1046–1250), Milan 2007, pp. 265–293, at pp. 280–283. For another ruling concerning proctors, see Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. 53f., § 32. 68 For the meaning of these terms, see Paulius Rabikauskas, La parte sostenuta dalla cancellaria nelle concessioni papali delle grazie, in: Le fonctionnement administratif de la papauté d’Avignon, Rome 1990 (Collection de l’École française de Rome, 138), pp. 223–236, at p. 231. 69 See Zutshi, Original papal letters (above, n. 13), pp. lxxviiif., 309f. (which shows that there are sporadic appearances of such signatures under Urban’s predecessors). 70 The principal study remains Michael Tangl, Das Taxwesen der päpstlichen Kanzlei vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in: MIÖG 13 (1892), pp. 1–106.
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in Urban’s pontificate onwards, a second name often appears: this is the signature of the computator of letters of grace or one of the computatores et auscultatores of letters of justice71. Their task was to check that the tax as given by the rescribendarius or distributor was correct72. Another innovation was the addition of the month when the letter was taxed, under the plica to the left of the tax mark. This first occurs in 138073. When letters were back-dated, one would not expect to find a particular relationship between the month in the dating clause and the month by the tax mark. In other cases, the month is the same in the two places or the month in the dating clause is earlier. When there is a discrepancy between the two months, this may show that the issue of the letter was delayed in the curia. Thus, a series of letters concerning the provision of the archbishop of Bari, dated 8 January 1384, give May as the month by the tax74. However, the innovations described above were not introduced systematically, and by no means all of Urban’s letters display them. We also find changes in the tax-marks in the registers of so-called common letters (lettres communes). While the exiguous fragments of such registers from Urban VI’s first pontifical year do not show any significant differences from the registers of his predecessors at Avignon, the portion of the register from his ninth year shows the tax-mark written at the end of each entry in a distinctive way, that is, interrupting the name of the registrator, for instance, N. XXIII de Ben(even)to75. There is a change, too, in the registration mark as it appears on the original letters, since this now contains the initial or name of the registrator. During Urban’s
71 Cf. ibid., p. 54, citing letters dated 6 July and 15 August 1379. The earliest in date known to me is Tilmann Schmidt, Die Originale der Papsturkunden in Baden-Württemberg 1198– 1417, vol. 2: 1343–1417, Vatican City 1993 (Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum, 6/2), no. 978 of 14 May 1378, but this letter, an expectative grace in favour of a poor clerk, was clearly back-dated. See also Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 35f. 72 Schwarz, Schreiberkollegien (above, n. 38), pp. 108, 254f. For irregularities in the taxing of letters under Urban, see Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 40–42, 47f. 73 The earliest cases are Tilmann Schmidt, Die Originale der Papsturkunden in Norddeutschland (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein) 1199– 1415, Vatican City 2003 (Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum, 7), nos 254f. (30 April 1380). See Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 36–38; Tangl, Taxwesen (above, n. 70), p. 54. 74 Isabella Aurora, I documenti originali pontifici di Bari (1199–1400), in: AHP 39 (2001), pp. 9–103, at pp. 78–80, nos 46–51. 75 Zutshi, Unpublished fragments (above, n. 9), p. 45.
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pontificate, we find Iac. for Iacobus de Teramo for the first time in 138176. Another frequent signature, which is found later in the pontificate, is n. for Nicolaus de Benevento77. The use of such initials had been anticipated under Gregory XI, when the registrator litterarum apostolicarum, Petrus de Cassanhis, occasionally added the initials PC to the right of his registration mark78. The procedural changes that I have noted can be dated to the early years of Urban’s pontificate (1378–1382). They constitute a series of modest innovations rather than an extensive reform of the chancery such as that accomplished by John XXII. The chancery rules of Urban VI give a similar impression, although they date from throughout the pontificate79. One distinctive feature of them, in comparison to those of Urban’s Avignonese predecessors, is predictable enough: the measures concerning the Schism; for instance, the reservation of the benefices of those deprived because of their adherence to Clement VII80. Similarly, Urban in-
76 Schedario Baumgarten (above, n. 46), vol. 3, no. 6441 (12 March 1381). See also Brigide Schwarz, Die Originale von Papsturkunden in Niedersachsen 1199–1417, Vatican City 1988 (Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum, 4), p. 274, fig. 31. 77 See Schwarz, Die Originale von Papsturkunden (above, n. 76), p. 275, fig. 32. For ������� another registrator, Iohannes Embrini, see Tellenbach, Repertorium Germanicum (above, n. 12), vol. 2, p. 67*. 78 E.g., Avignon, Archives départementales de Vaucluse, 1 G 429, no. 7 (a letter of 1376). Petrus de Cassanhis continued in office under Clement VII. His distinctive registration mark (which looks more like N than R) appears on the dorse of original letters of Clement, but I have not found any example where it is accompanied by his initials. An explicit statement of the functions of the registrator litterarum apostolicarum, which occurs in a letter of Clement VII of 1387 (see Emil Göller, Repertorium Germanicum, vol. 1: Clemens VII. von Avignon, Berlin 1916, p. 93*), mentions that he signed the enregistered letters, clearly a reference to the registration mark a tergo. 79 Edith Pásztor’s suggestive article La Curia romana all’inizio dello Scisma d’Occidente, in: Genèse et débuts du Grand Schisme (above, n. 34), pp. 31–43, includes a comparison of the chancery rules of Urban VI and Clement VII at pp. 39–42, but the usefulness of the discussion is reduced by the complete absence of references. This omission is not remedied in the reprint of the article in Eadem, Onus Apostolicae Sedis. Curia romana e cardinalato nei secoli XI–XV, Rome 1999, pp. 365–375. 80 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 49, § 13. Michael Tangl, in his review of Ottenthal (in: MIÖG 11 [1890], pp. 337–342, at pp. 338f.), criticised Ottenthal’s view „dass Clemens VII. in noch höherem Masse als Urban VI. an neue Verhältnisse anknüpfen musste“. While Tangl was undoubtedly right with respect to Clement’s pontificate as a whole, there is, as we shall see, evidence of considerable disruption in the operation of his chancery prior to his arrival in Avignon.
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troduced into the oaths of bishops, abbots and papal notaries a clause to the effect that they would not support Clement VII and his adherents81. In the first months of Clement VII’s pontificate, the period of his residence in Italy, his chancery functioned somewhat shakily – perhaps more so even than that of Urban, whose election was at first not publicly contested82. The vicechancellor, both before and after he accepted Clement as the legitimate pope, remained far away in Avignon. Before his return to Avignon, Clement made use of two acting heads of the chancery. First he appointed as regens Niccolò Brancacci, archbishop of Cozenza83. Following the archbishop’s elevation to the cardinalate in December 1378, Gilles Bellemere, held this office84. There seems to have been no corrector litterarum apostolicarum until the appointment of Pontius Beraldi in February 137985. Clement’s chancery rules perhaps reflect his difficulties, for they have been transmitted in a particularly disorderly state86. It was normal for the pope to revise and reissue the rules of the chancery soon after his election, but in Clement’s case this process was undertaken and completed only in the period 13 January – 1 March 137987. Yet it was necessary to issue new rules before this. These rules provide detailed stipulations concerning the precedence and prerogatives of different categories of petitioners for ecclesiastical benefices – the cardinals and their familiares, the familiares of Gregory XI and of Clement himself, other curialists, university graduates, etc88. It is as if Clement was hearing, or expecting to hear, a mass of petitions and intended to treat them much more favourably than Urban 81 Liber cancellariae apostolicae (above, n. 41), pp. 156f.; Kanzleiordnungen (above, n. 63), pp. 35f., 51f.; Gerd Tellenbach, Beiträge zur kurialen Verwaltungsgeschichte im 14. Jahr hundert, in: QFIAB 24 (1932–1933), pp. 150–187, at pp. 174f. 82 See especially Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. xxxiif. 83 Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), pp. 123f.; Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), p. 158. 84 Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (above, n. 13), pp. 124–126. He is documented in office from 4 January 1379; Brigitte Hotz, Von der Dekretale zur Kanzleiregel. Prärogativen beim Benefizienerwerb im 14. Jahrhundert, in: Martin Bertram (ed.), Stagnation oder Fortbildung? Aspekte des allgemeinen Kirchenrechts im 14. und 15. Jahrhundert, Tübingen 2005 (Bibliothek des DHI in Rom, 108), pp. 197–219, at p. 206f. n. 31. For supplications signed by him see Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, pp. 76*f. 85 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 109, § 78; Meyer (above, n. 1), § 102. Cf. Schwarz, Corrector (above, n. 60), p. 139. 86 See Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. x n. 3, xi, xxviii, xxxivf. See also Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, pp. 56*–59*. 87 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. xxxiii. 88 For the compilation of these, see ibid.
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had done. Clement’s open-handedness is evident in a later ruling in which he upgraded the expectative graces to be granted to poor clerks who had received good marks from their examiners89. His chancery rules may represent a continuation and extension of the tradition of Gregory XI, whose pontificate also saw an expansion in papal provisions to benefices. The date that the petitions for provision to ecclesiastical benefices received was likely to be crucial to the chances of success of the petitioners, as was any precedence that they were able to establish over their competitors. Under Clement VII the practice of back-dating rolls of petitions for benefices increased; there was an elaboration of the principles by which the dates were assigned and of the criteria used in establishing the priority of different categories of petitioners90. The resulting confusion was no doubt the main reason for the introduction of up to three dates in addition to the date in the letters’ dating clause. Two of these are contained in the expedita and tradita parti marks, which occur on original papal letters and in the papal registers from 1387 onwards91. The expedita mark gives the date when the letter left the bullaria after sealing, and the tradita mark the date when the letter was handed out to the impetrant92. One may also find a date inserted in the text of the letter, which represents the date that the petition was actually granted. This could be close to the expedita and tradita dates93. On the other hand, there was often a gap of years between the date in the dating clause and those in the expedita and tradita marks, reflecting the back-dating which was common with letters of provision. In extreme cases, letters dated in the first pontifical year display expedita and tradita marks dated in the fifteenth or sixteenth year94. In Clement’s rules, as in those of Urban, the circumstances of the Schism often manifest themselves. Thus, following the transfer of allegiance of Joan, queen 89 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 118, § 123; Meyer (above, n. 1), § 161 (1385). For another ruling in favour of poor clerks, see Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. 109f., § 81; Meyer (above, n. 1), § 105. 90 See Hotz, Von der Dekretale zur Kanzleiregel (above, n. 84), pp. 206–215. 91 Cf. Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 119, § 131; Meyer (above, n. 1), § 169. 92 Both expedita and tradita marks are accompanied by the names of officials whose identity is discussed by Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), pp. 119–122. 93 See Brigitte Hotz, Krönungsnahe Vorzugsdaten unter Clemens VII., in: QFIAB 82 (2002), pp. 122–192, at pp. 148–153, 162. 94 Ibid., pp. 142f., 148; Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), p. 124; Valletta, National Library of Malta, ARCH 11/30, a letter dated viii id. augusti pontificatus nostri anno primo, with the expedita mark Exp. id. novembris (?) anno quintodecimo. However, ����������������� the latter example is not a provision.
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of Naples, from Urban to Clement, the latter issued rules favourable to petitioners for vacant benefices from the kingdom of Naples95. A noteworthy feature of Clement VII’s chancery rules is their attitude to the validity of letters of Urban VI. On the one hand, the regens Gilles Bellemere was permitted to destroy all letters issued by Urban and his officials96. On the other hand, Clement was willing to re-issue under his own name letters of Urban with the incipit Rationi congruit dated up to the cardinals’ declaration of 9 August 137897. These letters concerned graces approved by Gregory XI where that pope’s death had prevented the issue of the letters under his own name. Similarly, Clement declared all processes and sentences of auditors in the Roman curia between the death of Gregory XI and 9 August to be valid98. One somewhat ambiguous chancery rule of Clement VII records the pope’s order probably given at Fondi on 20 February 1379 to the regens, Gilles Bellemere, to maintain a register with copies of petitions approved by the regens (such petitions were signed Concessum, whereas petitions approved by the pope were normally signed Fiat)99. It further notes that such a register had already been started, and that the pope had approved it. Although it may be implied that the petitions signed by the regens were registered in a separate volume, it seems that registration actually took place in the main series of Registers of Supplications, for petitions approved by Concessum occur in special sections of certain of these volumes100. There is no evidence of the registration of such petitions under Clement’s predecessors. If, as is likely, it is an innovation of Clement, it is remarkable that the pope 95 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. 103f., §§ 57f.; Meyer (above, n. 1), §§ 44f. 96 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 110, § 85; Meyer (above, n. 1), § 109. 97 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 91, § 6; Meyer (above, n. 1), § 79. 98 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), pp. 108f., § 75; Meyer (above, n. 1), § 64. 99 Regulae cancellariae apostolicae (above, n. 64), p. 103, § 56; Meyer (above, n. 1), § 43: dominus noster ordinavit et mihi mandavit, quod facerem per personam idoneam et legalem per me eligendam omnes supplicationes per ,concessa‘ per me ab eodem domino nostro seu de eius mandato recepta [sic] signatas et expeditas cum earum signationibus registrari, et registrum iam de mandato meo per Sanctonem Brachardi diaconum Cenomanensem baccalarium in decretis abbreviatorem, quem ad hoc duxi tamquam fidelem et idoneum eligendum, inchoatum et factum approbavit ac voluit et ordinavit, quod huiusmodi registro facto et fiendo de cetero adhibeatur plena fides. 100 Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, pp. 6*–11*. Göller further notes that ASV, Reg. Suppl. 51 (now 50) consists mainly of petitions granted by Concessum and that there are many such petitions in Reg. Suppl. 52 (now 51) (ibid., p. 6*). See also Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), pp. 97f.
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took the trouble to interest himself in such administrative procedures when he had many more pressing preoccupations. It seems that the pontificate of Clement VII saw the increasing involvement of papal secretaries in the issue of letters of grace101. The prime role of papal secretaries was the drafting, checking and registering of papal letters issued on the initiative of the curia (including, the pope’s diplomatic correspondence), or supervising these activities. But the secretaries played a comparable role with certain types of letters of grace. Annotations in the Avignon Registers of Clement VII suggest that this applies to as many as half the enregistered graces102. The secretaries’ involvement begins earlier than generally thought; the first instances known to me are from the pontificate of Innocent VI103. One kind of letter in which the secretaries became involved consisted of letters which suffered from some irregularity and could not therefore be issued through the chancery. The Registers of Supplications show that the pope might permit such letters to be issued through the chamber104, and it seems that such letters were the secretaries’ responsibility. The second type of letter of grace in whose production the secretaries became involved consisted of certain letters which followed common forms, for instance, appointments of notaries public or licences to choose a private confessor105. In these cases, the involvement of secretaries doubtless arose, not because of irregularities in the let101 Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, pp. 93*–97*; Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), pp. 98–106; Idem, Acerca de la súplicas dirigadas a Clemente VII de Aviñón, in Hélène Millet (ed.), Suppliques et requêtes. Le gouvernement par la grace en Occident (XIIe–XVe siècle), Rome 2003 (Collection de l’École française de Rome, 310), pp. 193–205. 102 Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, p. 93*. 103 See below nn. 104f. Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Berlin 21912–1931, vol. 1, pp. 317–320, produces evidence only from the fifteenth century, while Tellenbach, Repertorium Germanicum (above, n. 12), vol. 2, pp. 58*f., goes back to the pontificate to Gregory XI. However, Hofmann, Forschungen (above, n. 2), vol. 1, p. 144, following Tangl, refers to evidence from the time of Innocent VI. Two more recent discussions of the issue of letters of grace under the Avignon popes ignore the role of secretaries: Anne-Marie Hayez et al., De la supplique à la lettre: le parcours des grâces en cour de Rome sous Urbain V, in: Le fonctionnement administratif (above, n. 68), pp. 171–205; Rabikauskas, La parte sostenuta dalla cancelleria (above, n. 68). Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78) and Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2) amply illustrate the involvement of secretaries in the production of letters of grace of Clement VII. 104 E.g., ASV, Reg. Suppl. 23 (1 Innocent VI), fol. 115v, has a petition signed Fiat per Came ram in forma. However, the words per Cameram were later removed on the pope’s orders. 105 E.g., in ASV, Reg. Av. 145 (9 Innocent VI) many of the letters de tabellionatus officio and de absolutione plenaria have de Camera per A (or R or Z) by them. These are the initials of
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ters, but as a means of enhancing their income, for the secretary received from the petitioner a special fee. It was known in the fifteenth century as the quinta taxa106. One of the types of letters in common form with which the secretaries dealt were letters appointing papal chaplains. Under Clement VII we learn for the first time that secretaries kept their own registers of such letters107. Another register kept by a secretary is worthy of attention; it contains copies of the petitions for which the secretary Egidius Iuvenis was responsible108. The paucity of surviving registers of Urban VI makes it difficult to say whether his curia saw a similar increase in the secretaries’ involvement in the production of letters of grace, but it is likely that this was the case109. For their personal, diplomatic and administrative correspondence, the Avignon popes used, in addition to letters close produced under the supervision of their secretaries and sealed with the leaden seal, a more informal medium: letters closed with the private, wax seal, which bore the impression of the so-called fisherman’s ring (anulus piscatoris). Letters under the wax seal seem to have become commoner under Gregory XI. For the most part, they display the following features: they are written on paper rather than parchment, the intitulatio, inscriptio and salutation are abbreviated (for instance, Gregorius etc. Carissime in Christo fili, […]); and the date gives the day and the month according to the modern, rather than the Roman calendar, with no pontifical year110. Five letters of Clement VII issued under the wax seal survive in the original and one is known from the register of the papal secretary Nicolas le Diseur111. These letters are similar to those
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Innocent’s secretaries, Arnaldus de Moleriis, Raynaldus de Zambrasiis and Zenobius de Strada (or de Florentia). See Bresslau, Handbuch (above, n. 103), vol. 1, p. 341. See Emil Göller, Handschriftliches aus dem Vat. Archiv zur Geschichte des 14. Jahrhunderts, in: RQ 14 (1904), pp. 100–104, at p. 103. Vatican Library, Barb. lat. 2101. See Göller, Repertorium Germanicum (above, n. 78), vol. 1, p. 77*; Serra Estelles, Los Registros (above, n. 2), pp. 100, 152–154, 160f.; Idem, Un registro especial de súplicas dirigidas a Clemente VII, in: AHP 33 (1995), pp. 7–39; Perarnau, Fons de la Biblioteca Vaticana (above, n. 26), pp. 156–170. See Graf, Papst Urban VI. (above, n. 2), pp. 20f. Patrick Zutshi, The political and administrative correspondence of the Avignon popes, in: Le fonctionnement administratif (above, n. 68), pp. 371–384, at pp. 374–377. For the original letters see Pierre Gasnault, Trois lettres secrètes sur papier de Clément VII (Robert de Genève) et une supplique originale signée par ce pape, in: Palaeographica, diplomatica et archivistica. Studi in onore di Giulio Battelli, vol. 2, Rome 1979, pp. 337– 351; Acta Pontificum, ed. Giulio Battelli, Vatican City 21965 (Exempla Scripturarum, 3), no. 27a–b. The register of Nicolas le Diseur survives in various later transcripts. I have used St John’s College, Cambridge, MS. T.12, where a letter of Clement VII sub anulo
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of Gregory XI; even the use of French in one letter of Clement VII is anticipated under Gregory XI112. Nonetheless, all the known letters of Clement mention the method of sealing in the dating clause, which is rarely the case with letters of Gregory XI113. In contrast, for Urban VI, there is only the negative evidence that he had no private seal early in his pontificate114. No doubt he acquired one, but we know nothing about what type of letters were sealed with it; it is impossible to say whether Urban issued briefs (brevia), the form of correspondence under the private seal used by the Roman popes who were his successors. The earliest extant brief is from the first pontifical year of Boniface IX115. The foregoing discussion of the chanceries of the first two popes of the Great Schism does not claim to be comprehensive; in particular, the intricate subject of the registration of papal letters has hardly been touched. Nonetheless, it is clear that Urban VI and Clement VII were not major reformers of the papal chancery, nor did they introduce significant innovations in this department. The circumstances of the Schism meant that their priorities lay elsewhere. Although the chancery of neither pope operated smoothly towards the beginning of the pontificate, certain divergences have been observed in the two chanceries. It is possible to suggests some reasons why these divergences occurred: Clement was able to live in relative security at Avignon in the Palais des Papes, built as a papal residence, fortress and administrative headquarters, whereas Urban led an existence in Italy which at times was peripatetic and vulnerable; Clement took over a substantial proportion – most likely the majority – of the personnel of the chancery and other curial departments of Gregory XI, whereas Urban had to recruit large numbers of new men; finally, Clement enjoyed close relations with the kingdom of France, which had been, and continued to be, a vital support to the papacy, not least financially. It may by now be apparent why in this contribution to a volume entitled Gegenpäpste, the word ,anti-pope‘ has not so far appeared. Of course Urban VI is generally regarded as the legitimate pope and Clement VII as an anti-pope. Nonetheless, the conclusion that these designations represent does not seem to be helpful to a historical understanding of the Great Schism. Latin Christendom was fairly
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nostro secreto appears on pp. 1062f. It is addressed to dilecto filio nobili viro Petro Cornerio, civi Venet. Zutshi, Political and administrative correspondence (above, n. 110), p. 378. Ibid., p. 377. See above n. 14. Acta Pontificum (above, n. 111), no. 28a.
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evenly balanced in its support of the rivals after the adherence of the Spanish kingdoms to Clement, a point that helps to explain why the Schism lasted so long. Moreover, it is Clement VII, not Urban VI, who best represents continuity with the governmental practices of their indisputably legitimate predecessors who resided at Avignon for most of the fourteenth century.
Appendix I Deposition of Cardinal Pierre de Monteruc, known as the Cardinal of Pamplona, vicechancellor of Clement VII, from the process of Medina del Campo (BN, MS. lat. 11745, fols. 43r–43v); Avignon, 17 May 1380. A short extract from the deposition was published by Seidlmayer, Anfänge, p. 246. The spelling of the manuscript has been retained, but punctuation and capitalisation are editorial. Cardinalis Panpilonensis. Dominus cardinalis Panpilonensis vicecancellarius interrogatus de hiis que novit de isto facto et si tenet illum pro intruso etc., dixit et affirmavit in consciencia sua ista que sequuntur die veneris xvii. Quando primo audivit de isto negocio retulit sibi quidam ytalicus mercator qui dicitur Ticius116 et nunciavit isti domino cardinali quod ille Barensis esset electus in papam et iste non credidit sibi licet alius iurasset sibi et ostendisset sibi litteram, nam ipse cardinalis dicebat, ,Qualiter posset fieri cum haberent homines ita valentes de collegio? Quomodo elegissent illum?‘, licet ipse reputasset eum bonum hominem pro tunc. Et aliqui domini cardinales adhibuerunt fidem et volebant facere solempnitatem sed iste prohibuit donec viderent litteras cardinalium. |[fol. 43v] Item dixit quod postquam cardinales fuerunt in Anagnia et fuit divulgatum istud quod electio esset facta per impressionem, iste cardinalis non adhibuit fidem statim, ymo fuit per magnum spacium in opinione contraria et in errore. Nam dicebat ipse, ,Quomodo cardinales scripsserunt? Quomodo fecerunt tales actus, et modo asserunt oppositum?‘ Et diucius conferebat donec venit episcopus Pampilonensis117, quem reputat hominem bone consciencie et magne sciencie et stetit cum ipso cardinali conferendo bene per xx. dies, donec amovit dubia que habebat circa istud, et respondebat iuribus118 que iste allegabat pro parte contraria. 116 See below n. 123. 117 Martín de Zalva, bishop of Pamplona from 1377 until his promotion to the cardinalate in 1390 (after which he continued to administer the see). See above at n. 54. 118 That is, responded to the legal objections.
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Et post venerunt quatuor cardinales de partibus Ytalie, a quibus fuit eciam infor matus. Set non obstante hoc ipse misit ad cardinales ytalicos rogando eos quod scriberent sibi illud quod videbatur eis de isto facto, et prima vice scripsserunt quod adhuc non erant plene informati, et iterum misit ad eos quod placeret scribere quid senciebant. Finaliter nichil voluerunt sibi scribere et quando iste vidit quod illi diferebant respondere et vidit intenciones dominorum cardinalium qui fuerunt presentes et illius episcopi Panpilonensis, ipse tenuit id quod tenet hodie de credulitate quod iste119 est verus papa et alius120 est intrusus, licet de assercione ipse non possit perhibere testimonium quia non fuit presens nec vidit, sed de credulitate bene credit istud quod dicit. Item dicit quod ipsemet scripssit illi B(artholomeo) dicendo sibi quod rediret ad cor et recognosceret errorem et haberet conscienciam de isto scismate et si ipse vellet iste tractaret taliter quod remaneret in bono statu, et non offenderet ecclesiam dei, et talia. Set ille B(artholomeus) recepit bene litteras quas sibi misit et audivit bene121 clericum quem illuc destinavit et rescripssit sibi quod sciebat quod esset verus papa, et ne offenderet conscienciam suam et ecclesiam dei ideo tenebat illum locum ad quem assumptus fuerat, etc. Et respondebat sibi per illa que iste sibi scripssit, scilicet quod rediret ad cor et cognosceret veritatem. Circa consilium122 dixit quod a principio videbatur sibi expediens, set nunc non videt per quam viam posset pervenire ad extirpandum scisma, nam esset expendere tempus et nil facere cum non sit qui presit concilio.
Appendix II Deposition of Cardinal Renaud de Gorse, known as the Cardinal of Sisteron, vicechancellor of Urban VI, from the process of Medina del Campo (BN, MS. lat. 11745, fols. 73v–75r); Rome, July 1380. Substantial portions of the deposition were published by Seidlmayer, Anfänge, pp. 254–257, and extracts were published in Vitae Paparum Avenionensium, ed. Baluze, Mollat, vol. 2, pp. 521, 638, 669, 744f. The spelling of the manuscript has been retained, as has its use of superscript letters. Punctuation and capitalisation are editorial.
119 120 121 122
Clement VII. Urban VI. This word crossed out and subpuncted. That is, holding a General Council.
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Deposicio cardinalis Sistaricensis subscripta manu sua. Primo dum eram in Avinione cum domino avunculo meo cardinali Pampilonensi venit hora cene quidam mercator vocatus Andreas de Ticis123 ad predictum dominum meum et denunciavit eidem quod dominus archiepiscopus Barensis esset assumptus in papam, ad quem dominus predictus, ,Quomodo scis?‘ ,Quia ecce litteram factoris mei qui est in Urbe‘. Et fecit sibi legi litteram, ad quem dominus, ,Et est iste factor talis cui in talibus sit credendus?‘ ,Certe‘, dixit mercator, ,ego credo sibi sicut mihi, et sum certus quod non scripssisset nisi verum fuisset.‘ Et cum ego testis essem in presencia domini et gauderem de premissis et dicerem eidem domino quod alias proposito fueram visitare limina apostolorum et proponebam in proxima quadragesima visitare, idem dominus dixit, ,Ymo volo quod paretis vos statim, et cum venerint littere a dominis cardinalibus qui sunt in Urbe de hoc sitis paratus, quia ego non adhibebo plenam fidem nisi habeam litteras a cardinalibus.‘ Subsequenter post tres dies senescallus Provincie scripsit domino eidem quod applicuerat in civitate Aquensi in Provincia124 unus curssor qui ex parte domini Agapiti de Columpna125 dirigebatur ad regem Portugalie cum litteris quarum copiam sibi mittebat. In copiis dictarum litterarum continebatur quomodo archiepiscopus Barensis erat assumptus in papam. Subsequenter post alios tres dies fuit dictum eidem domino per quendam scutiferum suum nomine Geraldum de Thorono126 quod dominus cardinalis Florentinus127 scripsserat cuidam notario nomine magister Petrus [sic] procuratori suo in Avinione existenti. Quo audito dominus predictus misit pro dicto notario quem in mei presencia interrogavit si litteras habuerat a domino suo, qui respondit quod sic et legit litteras ibidem in continenti, in quibus continebatur quod 123 For Andrea di Tici of Pistoia, see Mirot, La politique pontificale (above, n. 12), pp. 179f. (index); Yves Renouard, Les relations des papes d’Avignon et des compagnies commerciales et bancaires de 1316 à 1378, Paris 1941 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 151), pp. 285, 362; Favier, Les finances pontificales (above, n. 3), especially pp. 480–482; Anne-Marie Hayez, Clément VII et Avignon, in: Genèse et débuts du Grand Schisme (above, n. 34), pp. 125–141, at p. 128; Michel Hayez, Avignon sans les papes (1367–1370, 1376–1379), in: ibid., pp. 143–157, at p. 151. 124 Aix-en-Provence. 125 Agapito Colonna was bishop of Lisbon but resident in the curia. See Marc Dykmans in: DBI 27 (1982), pp. 256–260; Andreas Rehberg, Kirche und Macht im römischen Trecento. Die Colonna und ihre Klientel auf dem kurialen Pfründenmarkt (1278–1378), Tübingen 1999 (Bibliothek des DHI in Rom, 88), pp. 392–394. 126 He appears as Geraldus de Torondo in Anne-Lise Courtel, Les clientèles des cardinaux limousins en 1378, in: MEFRM 89 (1977), pp. 889–944, at p. 890 n. 8, p. 939. 127 Pietro Corsini, cardinal bishop of Porto.
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dominus | [fol. 74r] archiepiscopus Barensis fuerat concorditer electus in papam, et sperabat quod magnus profectus proveniret ex hoc ecclesie sancte dei universali et toti Christianitati. Subsequenter scribebat de factis suis privatis. Subsequenter vero post quatuor vel quinque dies applicuerunt plures nuncii portantes plures et varias litteras ex parte cardinalium qui erant in Urbe ad cardinales qui erant in Avinione, quarum alique erant collegiate misse, alie vero private ad certos, in quibus notificabant de electione concordi prefati domini archiepiscopi in Romanum pontificem. Inter alias t(ame)n litteras dominus meus predictus habuit unam litteram ex parte domini cardinalis de Agrifolio128 in qua sic in effectum continebatur: ,Revendissime pater, nuncio vobis ad tristiciam quod tali die eciam tali hora dominus G(regorius) migravit ad dominum et completis exequiis ut est moris .xa. die intravimus conclave, et tractantes de electione futuri Romani pontificis omnes domini mei concorditer et unanimiter per viam Spiritus Sancti [in] dominum archiepiscopum Barensem direxerunt vota sua, quod nuncio vobis ad gaudium quia ipse de domo vestra fuit et qui multum ad paternitatem vestram afficitur. Et dixit pluries et publice quod faciet vobis et vestris maiora quam fecerat dominus Innocencius129 avunculus vester. Et si aliqui de predicta electione murmurarent non adhibeas fidem, quoniam si aliquis post beatum Petrum fuit canonice electus ipse est.‘ Et tunc fuit inter dominos cardinales qui erant in Avinione ordinatum quod diceretur missa de Sancto Spiritu, et ita fuit factum, et celebravit dominus cardinalis Albanensis130 me presente et audiente presentibus omnibus cardinalibus qui erant in Avinione. Tunc eciam ego habui unam litteram a domino Poncio Beraldi qui erat de domo domini et missus Romam per dominum in adiutorium officii quia sciebat valde bene stillum, et tunc quando scripssit fuerat receptus in secretarium domini nostri pape et de domo sua. Et iste scripssit mihi quod dominus noster papa dixerat sibi quod mandaret michi quod statim deberem venire Romam eciam ligatis pedibus et manibus. Ideo venirem in continenti sine mora pro comodo meo quoniam dominus noster multum loquebatur de me in favorem mei et multa alia. Quibus auditis incepi recipere reverentiam a dominis cardinalibus qui tunc erant in Avinione singulariter a singulis, quorum aliqui me convivaverunt et multum favorabiliter tractaverunt propter hoc plus indubie quia sciebant me esse in gracia domini nostri et multas ambaxiatas per me eidem domino nostro fieri fecerunt, litteras scripsserunt et per me de negociis civitatis Avinionensis 128 Guillaume d’Aigrefeuille, cardinal priest of S. Stefano in Monte Celio. 129 Pope Innocent VI. 130 Anglic Grimouard, cardinal bishop of Albano.
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et communitatis Venetin. [recte comitatus Venaissini] dominum nostrum informaverunt et se ipsos eidem recomendaverunt. Hiis itaque post decem dies peractis iter arripui et cum fui in Orgone ad octo leucas de Avinione inveni ibi episcopum Carpentratensem qui expectabat dominum archiepiscopum Narbonensem131. Et interrogatus per me utrum dominus noster esset papa dixit mihi per iuramentum suum quod sic credebat. Verum est quod tenuerat modos multum extraneos in principio de quibus narravit mihi unam magnam partem, de quibus ut dicebat132 domini cardinales erant male hedificati, propter quod aliqui murmurabant contra ipsum, sed in fide sua quantum ipse potuit informari ab omnibus cardinalibus ipse erat verus papa, et consulebat quod accelerarem quia ipse multum desiderabat me et ipsemet episcopus recommendavit mihi personam suam et ecclesiam suam. Item cum pervenissem ad unam dietam ad locum qui dicitur de sancto Canato133 audivi quod dominus Chiscus et P(etrus) de Murlis134 inde erant transsituri euntes ad ducem Andegavensem135 et ad regem Francie portantesque nova de creatione domini nostri, quos cum expectassem et ibidem applicuissent traxi ad partem dictum P(etrum) de Murlis ultramontanum et hiis verbis vel similibus fui allocutus: ,P(etre) non sine causa hic expectavi te per tres dies. Dominus enim mihi iniunxit quod si occurrerem tibi in via informarem me tecum de electione domini nostri de qua aliqui obloquuntur. Ego rogo te ut per conscienciam tuam dicas mihi si ipse est papa vel non, et illud quod scis in facto isto, nam secretarius ducis Bituricensis136 qui precedit te statim dixit mihi quod iste papa est unus fatuus et quidquid factum est de eo totum est fictivum, quod si scirem ita esse non me exponerem tantis periculis, ymo reverterem inde.‘ Tunc dixit mihi: ,Domine, certo ego non deciperem vos et sciatis quod ipse est verus papa et pro tali reputatur a cardinalibus, nec credo quod ipsi mitterent me ad regem cum tali ambaxiata si non esset papa. Verum est quod in principio sue creacionis fuit aliqualiter alienatus et fuit magnum dubium inter cardinales quod fuisset mente 131 Pierre Laplotte, bishop of Carpentras, and Jean Roger, archbishop of Narbonne. The former had left Rome shortly before Urban’s election: Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), vol. 1, p. 15. 132 The words de quibus ut dicebat are repeated and subpuncted. 133 Saint-Cannat. 134 Francesco or Cicco Tortello and Pierre de Murles, on whom see Valois, La France et le Grand Schisme (above, n. 7), especially vol. 1, pp. 90–93. 135 Louis, duke of Anjou, a key supporter of Clement VII: see Idem, Louis Ier, duc d’Anjou, et le Grand Schisme d’Occident, in: Revue des Questions Historiques 11 (1892), pp. 115–158. 136 Jean, duke of Berry.
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captus, et hoc creditur fuisse propter vigilias inordinatas. Modo vero bene stat quia fuit sibi dictum quod pausaret et requiesceret. Nec illi qui hoc dixit vobis est credendum pro eo quod ex voluntate loquitur et affectione inordinata. Ipse enim ex parte domini sui presentavit unum rotulum magnum ipsi domino nostro et dominus noster multum increpavit ipsum, dicens sibi, „Quomodo tu presentas istum rotulum ex parte domini tui qui adhuc ignorat promocionem meam? Certe tu es falssarius et multum puniendus.“‘ Ideo ipse sic loquitur: ,Set vadatis in nomine domini, quoniam ego consulo quod quam cicius poteritis vadatis quia vere ipse affectat vos multum habere et multociens loquitur de vobis in bona parte.‘ Ego vero adhuc ibidem expectavi et misi unum famulum ad dominum ad intimandum de adventu dictorum militis et Petri, mandando eidem domino quod loqueretur cum ipsis, et postea mandaret mihi quid essem facturus, et idem rescripsit mihi postquam stricte loqutus fuit cum predictis quod prosequerer iter meum, et feci. Cum vero applicui Romam et vidi quod multi et maior pars cardinalium recesserat ad Anagniam, statim cognovi conspiraciones, et visitavi cardinalem de Alvernio137 et propter antiquam noticiam quam habueram cum eo in studio Montispessulani interrogavi eum utrum dominus noster esset verus papa. Qui respondit, ,Certe ego vellem quod te fecisset cardinalem, et dominum Iohannem de Breiduno fecisset archiepiscopum Burdegalensem‘, qui tunc temporis vaccabat138. ,Nichil |[fol. 74v] plus dicam tibi.‘ Postea ivi ad cardinalem Hostiensem139 qui tunc venerat et redierat noviter de visitacione episcopatus Hostiensis et Veletrensis. Et interrogatus de electione domini nostri, cum ego dicerem sibi quod dicebatur quod fuerat impressio in electione pape, respondit, ,Et quis dubitat quin fuerit impressio?‘ Et nichil plus dixit. Alios qui tunc erant in Roma non interrogavi quia non habebam cum eis tantam noticiam. Postea vero accessi ad Anagniam et fui ibi invitatus per dominum cardinalem de Agrifolio in prandio et in cena, cum quo multi cardinales et nobiles fuerunt illa die et fuit festum Corporis Christi. In cena vero traxit me ad capellam et dixit mihi quod multum displicebat sibi quod veneram. Ego respondi sibi, ,Quare domine? Quia certe vos fuistis causa adventus mei et littere vestre.‘ Tunc astrinxit me iuramento et dixit quod non erat aliquis papa nec ille qui erat in Roma erat papa. Tunc dixi, ,Domine quomodo potestis hoc dicere cum vos scripseritis 137 Pierre de Vergne, cardinal deacon of S. Maria in Via lata. 138 The archbishopric of Bordeaux was vacant through the death of Élie de Salignac on 5 May 1378; subsequently both Urban VI and Clement VII made provision to the see: Édouard Perroy, L’Angleterre et le Grand Schisme d’Occident, Paris 1933, pp. 114f. 139 Bertrand Lagier, formerly cardinal priest of S. Cecilia, appointed cardinal bishop of Ostia by Urban VI in April 1378.
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domino meo litteram talis tenoris?‘ Et dixit ipse, ,Et non vidisti ibi contineri „de mandato domini nostri scribo vobis“? Et certe ipse voluit et mandavit mihi quod scriberem sibi.‘ Tunc dixi, ,Certe domine non recordor quod ibi essent illa verba.‘ Postea reversus Romam volens me informare cum quodam domino Poncio140 qui est multum141 astrictus eidem cardinali eciam affinis narrando sibi dicta per dictum cardinalem, dixit mihi: ,Per deum ipse est falssus homo et ego dicam vobis quomodo fuit de illa littera. Statim post creacionem domini nostri pape(?) mandavit pro me, et stantes soli in studio ipse interrogavit me dicens, „Quid dicitis domine Poncii de factis istis? Fecimus bene quia elegimus istum?“ Tunc dixi, „Domine credo quod sic, t(ame)n multi admirantur de hoc.“ Tunc dixit, „Certe specto omne bonum de eo, et tu debes multum gaudere, quia socius tuus fuit, et credo quod faciet te magnum.“ Postea dixit idem cardinalis, „Quid videtur tibi? Non videtur quod ego debeo scribere de hoc domino cardinali Pampilonensi?“ „Vere domine“, respondit [recte respondi]. „Vos debitum vestrum facietis, et dominus habebit multum gratum. Quia142 licet ego scribam sibi quia vos scitis melius modum electionis, bonum est quod vos scribatis sibi.“ Tunc dixit cardinalis, „Ego faciam litteram et postea ostendam tibi eam.“ Et recessi ab eo. Postea cum littera fuit facta de manu sua propria, iterum misit pro me. „Videas“, dixit, „si littera ista stat bene“, et legit eam sibi [recte mihi?], et ego respondi quod bene stabat. Et tunc ipse dixit, „Erit bonum quod ego ostendam domino nostro litteram?“ Tunc respondi, „Certe domine non potest nocere set pocius prodesse quia dominus noster habebit gratum.“ Tunc fecit pulsari pro equitando et accessit ad dominum nostrum et dixit, „Pater sancte ego scribo de electione vestra domino Pampilonensi et ecce litteram.“ Et dicitur quod papa non vidit eam set dixit, „Bene confido quod scitis ordinare litteras. Mittatis quia sufficit mihi, nec curo videre.“ Et ita apparet quod non sit verum quod papa mandasset scribere, nec ordinasset scripta huiusmodi.‘ Post hec vero videns quod scisma et conspiracio incipiebant invalescere, videns quod omnes quodammodo ultramontani recedebant de Roma, ego tamen de licencia domini nostri recessi de Roma et ivi ad quoddam castrum vocatum de Alariano143, ubi steti donec audivi quod papa fuit in Tiburtin(a) et tunc redii ad papam de consilio predicti domini Poncii. Et tunc papa comisit mihi officium cancellarie pro domino meo avunculo recturum. Et cum ego attenderem rumores diverssos et minas quam inferebant cardinales de Anagnia, et Britones et Vascones apropinquarent civitatem Tiburtinam contra nos volentes yrruere, et conflictum 140 141 142 143
Pontius Beraldi, on whom see above at n. 58. This word is repeated and then subpuncted. This word is redundant given its insertion later on. Lariano, Lazio.
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datum per Bernardum de la Sala144 contra Romanos dubitans multum, veni ad dominum cardinalem sancti Petri145 qui tunc erat in civitate Tiburtina cum domino nostro alloquens eum in hec verba: ,Reverendissime pater, scio et expertus sum quod afficimini ad dominum meum avunculum cardinalem Pampilonensem et ipse ad vos sinceri amoris et dilectionis affectu. Ego sicut videtis veni ad partes istas in quibus nunquam fui et ignoro condiciones patrie et gencium. Audio nichilominus quod cardinales dicunt quod iste dominus non est papa et ita dixit dominus de Agrifolio clare. Video istos Britones et Vascones apropinquare animo et intencione nocendi nobis. Percipio nichilominus indignacionem Romanorum contra nos ultramontanos propter conflictum. Nescio quid faciam. Pro deo consularis mihi si debeo recedere vel stare, et serenetis conscienciam meam circa electionem domini nostri.‘ Qui respondit mihi per hec verba vel similia in effectu: ,Ego sum creatura domini mei et pro tali me reputo. Ad ista que dixistis respondeo, et primo de electione domini nostri et assero vobis quod si post beatum Petrum electio Romani pontificis fuit sancta et canonica ista fuit talis. Et miror multum de dominis meis qui fuerunt causa electionis ipsius quomodo p(ossi)nt talia dicere. Quantum ad factum Britonum et Vasconum de quo dubitatis videtur mihi quod non oportet vos dubitare quoniam ista terra est multum fortis et quodammodo inexpugnabilis. Quantum est de Romanis verum est quod pronunc sunt indignati quia multa dampna receperunt, set papa stabit hic ad aliquod tempus et interim Romani pacificabuntur. Et ubi ego ero non oportet vos dubitare quia ego custodiam personam vestram sicut meam.‘ Et obtulit mihi pecunias et alia si indigerem, et consuluit mihi quod nullo modo recederem quia erat certus quod dominus noster afficiebatur ad me, et quod breviter promoveret me, et alia multa. Et ista sunt que scio in facto isto, excepto eo quod quando eram in Anagnia et interrogarem iterum cardinalem de Alvernio utrum dominus noster esset verus papa vel non, et recepit idem cardinalis manus meas dicens, ,Per istas manus si ipse dominus noster vellet credere mihi de hoc quod ego dicerem sibi ipse esset verus papa.‘ Et tunc dixi, ,Domine non posset fieri quod iretis ad eum, et credo quod crederet vobis de eo quod diceretis.‘ Tunc respondit, ,Non bono modo quia alii domini mei haberent me suspectum.‘ Hec autem verba ego interpretatus fui et intellexi146 videlicet quod si dominus noster voluisset ire ad Avinionem quod nullam contradictionem habuisset. 144 Bernard de La Sale or La Salle, one of the mercenary captains of Clement VII in Italy: see Jamme, Renverser le pape (above, n. 48), p. 470 (with further references). 145 Pietro Tebaldeschi, cardinal priest of S. Sabina. 146 There is an illegible superscript word after intellexi.
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Item multe alie presumpciones et coniecture dederunt mihi fidem quod dominus noster sit verus papa, videlicet contradictio card. Lemovicen. et aliorum ultramontanorum, quia dixerunt Lemovicenses, videntes quod non poterant habere Lemovicensem, contradicentes expresse cardinali sancti Eustachii147 et suis sequacibus: ,Nec mihi nec tibi, set dividatur‘148. Item noticia et familiari- | [fol. 75r] tas quam habebant cardinales de domino nostro. Item votum et peticio Romanorum qui petebant Ytalicum vel Romanum. Presumpciones vero contradictionis et rebellionis cardinalium sunt hec: Primo mores quos tenuit dominus noster in principio et contradictio ipsius de transfferendo curiam ultra montes. Item iniurie quas fecerunt Romani dominis cardinalibus post electionem ipsius domini nostri et patrie ipsius abhominacio. Et quia dominus noster non vocatis cardinalibus iniurias et dampna illata per Romanos ipsis cardinalibus non vocatis [sic] remisit et absolvit, de quo cardinalis Pictavensis149 mihi quando fui in Anagnia fuit querelatus et admiratus150. Item littere quas misit rex Francie conquerendo de eis que ita fecerant, quas non vidi, set tenorem ipsarum a fidedignis audivi. Item modi quos tenuit postea idem rex in isto facto sicut patet per litteras predictas publice lectas. Hec omnia suppradicta in consciencia mea assero bona fide et pura non declinans affectione inordinata plus ad unam partem quam ad aliam set desiderans et affectans sedacionem istius pessimi scismatis etc.
147 Pierre Flandrin, cardinal deacon of S. Eustachio. 148 Cf. I Reg. 3.26: Nec mihi nec tibi sit, sed dividatur. 149 Guy de Malesset, cardinal priest of S. Croce in Gerusalemme, known as the Cardinal of Poitiers. 150 For this criticism of Urban VI, see also Rehberg, Sacrum enim opinantur (above, n. 28), p. 235.
Formas de comunicación en Castilla durante el Gran Cisma de Occidente Óscar Villarroel González
1. Introducción Comunicación: ¿qué sentido damos a la palabra en el presente trabajo? El diccionario de la RAE lo define como acto de comunicar o comunicarse, así como correspondencia entre dos o más personas. La definición, así, para nuestro trabajo es muy simple: la acción de comunicar algo a alguien. Es decir, si nos preguntamos por las formas de la comunicación en Castilla durante el Cisma de Occidente hemos de analizar de qué forma se han desarrollado los diferentes medios de recibir o de obtener información. Es evidente que obtener información fue uno de los principales problemas en el desarrollo de la diplomacia a lo largo de toda la Historia. Durante el Cisma, además, estamos ante un problema de política exterior para las monarquías occidentales, con lo cual era un problema diplomático más, del cual convenía informarse adecuadamente. Para los diferentes reyes no fue solo una cuestión religiosa, porque la elección de un papa o de otro conllevaba toda una serie de consecuencias de índole política. La existencia de alianzas en el juego político de Europa Occidental ha sido presentado, tradicionalmente, como una influencia fundamental en la toma de decisión de los diversos reyes; pero esta visión clásica puede no responder a la secuencia de los acontecimientos, porque aparenta ser una visión estática y, al menos, la actuación castellana durante todo el Cisma fue muy poco estática. Para tomar una decisión política cualquiera (incluida, obviamente, la política exterior), debe tenerse en cuenta toda la información posible. Y conseguir esa información suficiente y, sobre todo, correcta fue una de las bases sobre la que se construyó la acción política exterior de los diferentes poderes durante este periodo. A lo largo del presente análisis, se pretende prestar atención a las diferentes formas de comunicación, es decir, a los medios por los cuales la información llegó al poder castellano, para poder juzgar qué influyó sobre la política que se siguió cara al Cisma. Porque, evidentemente, los reyes tenían necesidad de obtener información. A lo largo de todo el periodo Enrique II, Juan I, Enrique III y Juan II tuvieron que tomar decisiones sobre la política a seguir. Y para tomar una decisión debían
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conocer la situación de la forma más verídica posible. Esta necesidad, obviamente, no fue permanente, es decir, no es independiente de aquel que ostentaba el poder regio (ya fuese rey o regente, pues hubo dos minorías de edad en este periodo), y sobre todo, no es independiente de la situación política interior castellana1. Primero porque de quién ostentaba el poder dependía los intereses propios de cada momento, y, además, porque la capacidad e incluso libertad de actuación fue muy diversa a lo largo de los años. Por esta razón se intentará analizar y mostrar los diferentes momentos y las diferentes capacidades de llevar a cabo una acción clara y concreta por parte del poder regio. Veremos que hubo reyes con un papel muy importante, como Juan I o Enrique III, y otros con una actividad inferior (como durante la regencia de Enrique III, o la regencia de Juan II hasta 1414). Es necesario analizar qué medios utilizó el poder castellano para conocer la situación, es decir, para obtener noticias, y qué otras fuentes de información pudo tener. Es muy importante poder discernir y diferenciar las diferentes fuentes de obtención de la información que tuvo el poder castellano. Además de la distinción hecha por Renouard, entre información obtenida por medios públicos y privados2, podemos distinguir dos fuentes posibles: la información que procede de acciones propiamente castellanas (es decir, información buscada) y aquella que procede de otros poderes (es decir, información recibida). Dentro del primer tipo podemos ver que el poder regio castellano envió numerosos embajadores, tanto al papado como a las otras cortes, pero no se quedó ahí su acción. También encontramos otras fuentes: por ejemplo, por medio de castellanos que, sin ser delegados regios, estaban presentes en la curia o en la corte de algún otro monarca, así como por otra suerte de enviados, de diferente calidad, que veremos más tarde. Dentro del segundo tipo se pueden encontrar diversos medios de recepción de noticias: por la recepción de información remitida directamente por otros poderes (por medio de cartas, mensajes, ensayos …). Pero también por las embajadas de diferente tipo que los poderes extranjeros enviaron a Castilla a causa del Cisma. Este segundo tipo de información presenta ciertos problemas que será necesario tener en cuenta en el momento de analizar e interpretar las noticias recibidas. En primer lugar existe la posibilidad de que, al menos, estas noticias muestren una versión parcial o sesgada. Y en segundo lugar, si la información es errónea, hay 1 Un reflejo de esta cuestión durante el reinado de Juan II de Castilla en mi Óscar Villarroel González, El rey y el papa. Política y diplomacia en los albores del Renacimiento (el siglo XV en Castilla), Madrid 2010, p. 313–317. 2 Yves Renouard, Information et transmission des nouvelles, en: Charles Samaran (ed.), L’histoire et ses méthodes, París 1968, p. 92–142, aquí p. 97sq.
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que tener en cuenta que la postura tomada por Castilla podía ser equivocada. Para los historiadores, de esta forma, puede ser muy interesante identificar estos casos concretos. Además, existe un problema suplementario: la desinformación3. Cuando nos encontramos con noticias remitidas por otros poderes se puede pensar que, más allá de que sea una información parcial, puede existir en ella una intencionalidad específica. Evidentemente el mensajero o embajador lleva una carta de creencia4, transmite la información según su soberano ha querido hacerlo, pero, puede haber una intención de deformar esa información por parte del emisor. Así, podemos encontrar desinformaciones interesadas e intencionadas, con un sentido que debe ser tenido en cuenta. Además, se puede apreciar también la desinformación que llegaba en forma de rumores. Los rumores fueron tan habituales en la Edad Media como en nuestros días (e igual de mal conocidos5). Es necesario comprender que los rumores podían tener un valor político que no debe ser obviado6, e intentar comprender la razón política que subyacía en ellos, en especial, en este contexto, a los que afectaban a Castilla, así como su procedencia. Existe información recibida de otros poderes occidentales, como los aliados (como Francia, que muestra una alternancia entre la fidelidad al pacto con el poder castellano y los propios intereses), y de otros reinos ibéricos (cuya preocupación principal es mantener la paz peninsular), y también de enemigos (para Castilla: el reino de Inglaterra, cuyo origen procede de razones puramente dinásticas pro3 Aquí hablaremos de desinformación como la emisión de una información errónea o engañosa de forma intencional. La información y la desinformación ha sido objeto del trabajo de Jean Verdón, Information et désinformation au Moyen Âge, París 2010. La importancia que la desinformación puede tener como propaganda, con ejemplos de la guerra civil francesa de principios del siglo xv en p. 214–220. 4 Es la base de la diplomacia según indicó Donald E. Queller, The office of Ambassador in the Middle Ages, Princeton 1967, p. 111–115. 5 Jean Noël Kapferer, Rumeurs. Le plus vieux média du monde, París 1987, p. 10. En esta obra el autor aporta la definición de «un phénomène fuyant». 6 Gary Alan Fine ha mostrado cómo se puede observar este sentido: Rumeur, confiance et société civile. Mémoire collective et cultures de jugement, en: Diogène 213 (2006), p. 3–22, aquí p. 6sq. Y Lecuppre y Lecuppre-Desjardin han mostrado cómo un rumor en la Edad Media podía tener una notable influencia sobre los acontecimientos recientes, presentes o futuros (del momento de su emisión): Giles Lecuppre, Élodie Lecuppre-Desjardin, La rumeur: un instrument de la compétition politique, en: Maïte Billoré, Myriam Soria (eds.), La rumeur au Moyen Âge. Du mépris à la manipulation, Rennes 2011, p. 149–175, aquí p. 168.
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cedentes de la Guerra de los Cien Años y su ramificación castellana). Todas ellas tendrán que ser tenidas en cuenta.
2. Castilla frente al Cisma: las diversas posibilidades Durante el Cisma de Occidente el reino de Castilla vivió una amplia diversidad de momentos y situaciones que marcaron la política seguida por el poder monárquico. A grandes rasgos podemos ver periodos de gran actividad, que normalmente tienen una relación muy estrecha con la situación interior del reino. Así, Enrique II llevó a cabo una política de espera frente al Cisma. Este fue el inicio de la acción castellana: esperar los acontecimientos mientras que intentaba obtenerse la información necesaria. En el interior Enrique, después de los años de establecimiento y estabilización de su poder, vivía una situación interna tranquila7. Juan I tuvo, en el inicio de su reinado, una intensa actividad, buscando toda la información posible para poder decidir la posición a seguir por su parte. En ese momento vivía una situación interna tranquila. En un segundo periodo de su reinado, cuando Juan ya había abrazado el clementismo, paso a la práctica inactividad total en este sentido, y en esos momentos sí tenía graves problemas internos en la Península Ibérica, con Portugal y con el duque de Lancáster y su reclamación del trono castellano8. Su sucesor, Enrique III, siguió el camino inverso. Durante su minoría (fue rey con once años por la temprana muerte de su padre) encontramos una situación interna muy conflictiva, con grandes enfrentamientos, que tuvieron como consecuencia una inacción cara al Cisma. Después, una vez que tomó el poder en sus manos, desarrolló una intensa actividad para buscarle una solución y ponerle fin. En este periodo, él logró una pacificación general del reino con un reforzamiento notable del poder regio9. Y, finalmente, Juan II durante su larga minoridad (nació el 6 de marzo de 1405 y su padre falleció el 25 de diciembre de 1406) nos encontramos con dos periodos diferentes. Hasta 1414 encontramos un fuerte sostén a Benedicto XIII, tanto por parte del infante y regente Fernando, como por parte de la reina Catalina (también regente). Después, en 1414 Fernando tomó las riendas de la política con respecto 7 Una visión sucinta del reinado en Julio Valdeón Baruque, Enrique II, Palencia 1996. 8 Una revisión del reinado en Luis Suárez Fernández, Juan I, Palencia 1994. Un análisis más profundo del mismo en: Idem, Historia del reinado de Juan I de Castilla, Madrid 1997. 9 Es necesario un análisis más profundo de este reinado. Una visión general en Luis Suárez Bilbao, Enrique III, Palencia 1994.
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al Cisma, con una extensa actividad en aras de lograr el fin del Cisma. A su muerte en 1416 la reina Catalina, única regente, viviría de nuevo momentos de duda que parecieron alejar, al menos de momento, a Castilla de la solución final de la división de la Iglesia10.
3. La realidad de las comunicaciones Durante el largo periodo del Cisma la información llegada a Castilla tuvo un solo destinatario: el reino y la monarquía castellana; pero podía tener tres fuentes distintas, como ya se ha enunciado. En el análisis de la realidad de las comunicaciones debemos tener en cuenta de forma diferenciada las diversas fuentes y sus propias circunstancias. Diversas razones pero un solo objetivo también: informar o estar informado. Según la división mencionada por Renouard parece que casi toda la información recibida en Castilla tiene una fuente institucional, pero podemos encontrar también la presencia de noticias o informaciones que tienen un origen o una transmisión privada, pero que tienen un cierto contenido político en lo tocante al Cisma. Desde nuestro punto de vista debe distinguirse claramente entre la información recibida pero de origen castellano, y otras de origen pontificio o bien de otros poderes occidentales. Se analizarán, pues, primero la actividad castellana para obtener información, y a continuación las del papado y los otros poderes occidentales para informar a Castilla.
3.1. La política desarrollada por Castilla para informarse El poder político castellano desarrolló una actividad muy importante para obtener información. Se podrá ver a continuación cómo se enviaron muchas embajadas, con diversas funciones, aunque pueden esquematizarse en tres grandes grupos: obtener información, transmitir información y transmisión de la posición castellana (en sí es transmitir información pero un punto fundamental de la misma y muy específico, distinto a otro tipo de informaciones más o menos relevantes). Evidentemente hay una diversidad de destinatarios de estas embajadas castellanas y esto otorga una especificidad propia a cada misión. Hay embajadas dirigidas específicamente a los papas, al rey de Francia, al rey de Inglaterra, al rey de Aragón 10 Sobre la minoría de Edad de Juan II, y sobre todo sobre la política eclesiástica en Castilla: Óscar Villarroel González, El rey y la Iglesia castellana. Relaciones de poder en época de Juan II (1406–1454), Madrid 2011, p. 29–90; sobre la política cara al Cisma Idem, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 33–52.
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(…). Y tratan de transmitir la información que posee Castilla sobre el Cisma, sobre la posición a tomar, o, directamente, la posición castellana. Analicemos uno a uno los diversos objetivos. Las misiones dirigidas al papa son, tal vez, las más habituales. Son, desde luego, las primeras en ser enviadas. Por ejemplo, la muy célebre embajada de Rodrigo Bernal fue la primera enviada al papa, aunque para recoger toda la información posible, testimonios, declaraciones (…) antes que para informar al papa. Es decir, en el fondo, no se trata de una embajada al papa11. El contacto directo con la papa, exceptuada la misión ya mencionada, se realizó después de decisión de Salamanca el 19 de mayo de 1381, por la que Castilla tomaba partido por Clemente. En ese momento, además (si creemos a Suárez Fernández) hubo rumores sobre la nefasta decisión tomada12. A partir de 1380 Juan I tuvo como principales ocupaciones la política interior del reino castellano y, sobre todo, la cuestión portuguesa y el enfrentamiento con el duque de Lancáster, con lo que, como se ha mencionado disminuyó su actividad en lo tocante al Cisma. Eso no quiere decir que faltasen contactos con el papa de Aviñón: Pedro de Luna permaneció en Castilla hasta 1390 como legado y con una participación muy activa en la vida política castellana13. Hay que esperar hasta Enrique III para encontrar de nuevo comunicaciones fluidas por la necesidad del rey castellano de información fidedigna por su activa política. Este monarca quiso retomar la iniciativa de encontrar una solución al Cisma. La elección de Benedicto XIII dio la señal de partida. Pese a que se puede encontrar una estrecha relación con el poder francés, para llevar a cabo una política común, el reino de Castilla siguió intentando obtener información proveniente del papa. Así, cuando Enrique III envió a París a Pedro López de Ayala, Juan de Illescas, Álvaro de Isorna y Alfonso Rodríguez, estos también pasaron por Aviñón14. 11 Se puede distinguir entre la primera embajada de Bernal a París, ante Carlos V, y después la embajada a Aviñón y Roma. La primera fue ordenada por Enrique II (él es uno de los doctores que envió junto a Pedro Fernández); Pedro López de Ayala, Crónica de Enrique II de Castilla, ed. Biblioteca de Autores Españoles, 1, Madrid 1953, p. 65. Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, 1–4, París 1896–1904, aquí 1, p. 200). Y la segunda fue remitida por Juan I (cfr. Etienne Baluze, Vitae paparum avinionensium, ed. Georges Mollat, París 1916, 2, p. 794). De estas embajadas se hablará posteriormente. 12 Suárez Fernández, Historia del reinado (citado en nota 8), p. 91sq. No cita ninguna fuente. 13 Idem, Castilla, el Cisma y la crisis conciliar (1378–1440), Madrid 1960, p. 15. 14 Ibid., p. 34.
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Antes de esta embajada parece posible que el rey tuviese informadores en la Curia. La información muy precisa que muestra la crónica de López de Ayala parece una indicación clara. Por ejemplo, Ayala muestra un conocimiento muy concreto del cónclave donde se eligió a Pedro de Luna. Todo el capítulo XI de la Crónica de Enrique III aborda esta cuestión, mostrándonos la muerte de Clemente VII, la reunión de los cardenales y transcribe el juramento que prestaron de, si resultaban elegidos, trabajar por la unión de la Iglesia incluso renunciando a la tiara si fuese necesario15. Además, muestra un claro conocimiento de la embajada de los tres duques16. Así, el cronista transcribe, pese a la posible idealización realizada, los discursos de los embajadores, la respuesta del papa, los tiempos de espera (…). Sin duda parece evidente que Ayala tuvo información precisa de alguien que fue testigo de primera mano. Además, el mismo rey mostró interés por hacer saber al papa su postura. En 1395 Enrique III envió su queja al papa y a los cardenales por la actuación de la embajada de los tres duques sin haber sido consultado, como aliado y como rey17. Eso no significa que el rey castellano renunciase a presionar al papa para obtener una salida. Al contrario, se puede observar cómo Enrique presionó a Benedicto XIII. La política desarrollada en Castilla de no permitir la entrega de beneficios a extranjeros18, y la participación en la embajada de los tres reyes son los mejores ejemplos19. Así, Enrique mostró una activa participación, buscando información y enviando sus embajadores, y poniendo en marcha una política en acuerdo con otros poderes políticos. Después trabajó activamente por la retirada de obediencia, en la que se pueden ver tres momentos diferentes. En un primer momento, aún junto a Benedicto XIII, Enrique envió a sus embajadores y mensajeros para mostrar su descontento con la actuación francesa. Envió su queja a los cardenales porque habían tomado «ciertas conclusiones» sin consultarle e informarle20; el rey se mostraba muy sorprendido21 e indicaba cómo debía ser informado, puesto que su padre Juan I había 15 Pedro López de Ayala, Crónica del rey Enrique III de Castilla, ed. Biblioteca de Autores Españoles, 2, Madrid 1953, p. 237sq. 16 Ibid., p. 238–243. 17 Biblioteca Nacional de España (en adelante BNE), ms. 13236, fol. 14r–15v. 18 Archivo General de Simancas, Cámara de Castilla, Diversos, leg. 2, nº 25, 24 de septiembre de 1396. 19 Una visión general Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 31sq. 20 BNE, ms. 13236, fol. 14v–15r, «son propuestos delante nuestro señor el papa e delante de vosotros algunas cosas de parte del dicho rrey mi hermano, e tomadas ciertas conclusiones, de las quáles yo no sé cosa alguna». 21 «yo so mucho maravillado», BNE, ms. 13236, fol. 14v.
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trabajado por el bien de la Iglesia como los principales reyes cristianos, y que él no estaría de acuerdo con ninguna decisión tomada sin su concurso22. Además, escribió al papa pero no para mostrarle su apoyo, bien al contrario para hacerle ver su sorpresa porque tomase decisiones sin consultarle o, al menos, informarle23. No contento con esto envió al obispo de Cuenca ante el pontífice. Y, evidentemente, Enrique escribió al rey francés: «mi muy caro y bien amado hermano»24. En esa carta mostraba su enfado con el rey Carlos. Indica cómo estaban puestos de acuerdo en trabajar juntos sobre las cuestiones del Cisma, tal y como habían acordado con el señor de Ribadeo y con «mestre Tibaut», embajadores franceses. Y pese a ello acababa de recibir la noticia de la embajada de los tres duques ante el papa (que, obviamente, no respondía a esa política). Como se puede ver, Enrique activó su diplomacia para evitar quedar aislado en la política del Cisma, buscando contactar con todos los posibles actores, dejando clara su posición y manifestando su desacuerdo con todos ellos por no haberle tenido en cuenta. Como se sabe, Enrique acabó llegando a un acuerdo con Carlos y con el rey inglés. Los tres reyes comenzaron a trabajar en el camino de la sustracción. Enrique desarrolló de nuevo una activa diplomacia para estar informado pero, de nuevo, también para llevar a cabo una política en acuerdo con los otros reyes. Así, presionó sobre el papa por medio de sus propios embajadores, que estuvieron en Aviñón antes de llegar a París; pero también por medio de la política eclesiástica (con la retención de los beneficios de extranjeros al reino25). Además, envió embajadores para ponerse de acuerdo con los reyes de Francia e Inglaterra. Mantuvo el contacto con sus embajadores, y sabemos que les envió nuevas informaciones en el transcurso del viaje, ordenándoles acudir a París, donde les esperaban26. Sabemos que los embajadores tenían el poder de poner en marcha la sustracción, siendo la parte castellana de la embajada de los tres reyes, viajando uno de ellos, Alfonso Rodríguez, a Roma con los embajadores ingleses para mostrar al papa romano la misma posición que al aviñonés. La razón del conocimiento que Ayala muestra de esta embajada, en esta ocasión, es que él mismo formó parte de ella27. Por desgracia la crónica no continúa más allá de 1396. Pese a todo, sabemos que López de Ayala 22 Ibid, fol. 15r. 23 Ibid., fol. 15rv. Si bien finalmente muestra la preocupación regia por la situación del papa. 24 Ibid., fol. 14r. 25 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 31. 26 Archives Nationales, París (en adelante ANP), J916, fol. 20, el rey castellano informa a Carlos que ha ordenado a sus embajadores dejar Aviñón inmediatamente para llegar a París. 27 Para la embajada a Francia: ANP, J604, fol. 73, con sus poderes del 24 de septiembre. Para el envío de Alfonso Rodríguez con los ingleses a Roma, véase: ANP, J916, fol. 16.
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habló al papa después de la respuesta pontificia de no avenirse a la opinión de los reyes, y señaló al papa cómo Enrique no iba a detenerse, y que seguiría en acuerdo con los otros reyes28. Pero esta embajada no fue la única fuente de información para el castellano, vemos una intensa acción diplomática (y no sólo castellana) como veremos a continuación. Comienza el segundo momento de la acción política del rey, bajo la sustracción. Lejos de permanecer inmóvil quiso mantenerse informado sobre la situación de la Curia de Benedicto XIII, y también comunicar al rey aragonés su posición. Enrique mantuvo enviados en la Curia al menos hasta 1400. De hecho, ordenó a los castellanos de Aviñón trabajar junto a los aragoneses por la seguridad del papa29. Después, comenzó las negociaciones para restituir la obediencia al papa. Tras una nueva asamblea del clero castellano Enrique decretó la restitución y envió dos embajadores al papa y después un tercero30. Evidentemente, en este tercer momento, de nuevo bajo la obediencia de Benedicto, mostró una comunicación muy estrecha con el papa. Se pueden ver embajadores de una forma casi continua, tanto del rey como de su hermano Fernando (después rey de Aragón). Las razones, diversas: un conflicto por la sede toledana, otro por la sede sevillana (…)31. Y Benedicto XIII hizo lo mismo, pero con algunas precauciones en cuanto a la información. El rey quiso estar informado de la situación en todo momento, y esa es la razón de la recurrencia de las embajadas, y, también, de la larga estancia de Alfonso de Ejea en la Curia32. La información sobre la situación y sobre la política del papa, y de las intenciones de negociación con su rival, parece que fueron muy interesantes para el rey. Este ordenó a Alfonso de Ejea seguir a la Curia y enviar toda la información posible33. Y lo hizo, pese a la censura que Benedicto XIII impuso (un embajador castellano hubo de dejar la Curia por haber enviado información no conforme a los deseos del papa, como veremos más adelante). Lógicamente, hubo también envío de información para defender ante el papa la posición castellana en lo tocante a la sede toledana tras la muerte de Pedro Tenorio y el desacuerdo sobre la elección de su sucesor. La negociación fue asignada, ló28 Edmond Martène, Ursin Durand (eds.), Veterum scriptorum monumentorum amplissima collectio, 8, París 1733, col. 558. 29 Salvador Puig y Puig, Don Pedro de Luna, último papa de Aviñón, Barcelona 1920, p. 97. 30 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 46sq. 31 Ibid., p. 47–52. 32 Ibid., p. 51–56, el autor muestra la continuidad de los embajadores ante el papa. 33 Archivo General de Simancas (en adelante AGS), Estado-Castilla, leg. 1–1, fol. 16sq., 50– 55, 139. Parece que la información fue muy importante de Enrique III.
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gicamente, a Alfonso de Ejea y a diversos embajadores, pero no obtuvieron ningún resultado antes de 1408, después de la muerte del rey34. Defendieron la posición regia ante la actuación del cardenal Pedro Fernández de Frías, antiguo privado del rey, que marchó a la Curia y acabó enfrentándose al rey35. Hubo una última tentativa por parte de Enrique III de presionar al papa, en acuerdo con el rey francés, en 1406. Tras una embajada a París Alfonso de Alcocer, Diego López de Estúñiga y Alfonso Rodríguez fueron enviados a la Curia a Saona, donde trataron con el cardenal de Ostia para obtener una promesa de una entrevista en los dos rivales y la dimisión de ambos si no se alcanzaba ningún acuerdo36. La muerte del rey puso fin a esta política. Efectivamente este hecho cambió la situación de parte a parte. Los regentes desarrollaron un cambio en la política castellana frente al papa y a la comunicación entre ambos poderes. Ambos tuvieron una posición claramente benedictista. De hecho, es uno de los pocos puntos en común que tuvieron ambos, el apoyo a Benedicto XIII37. Así, la comunicación entre los dos poderes buscó poner punto final a las divergencias, como la cuestión toledana. Y después, las relaciones quedaron casi por completo en manos del papa. ¿Hubo alguna razón para ello? Las divergencias en la política interior entre ambos regentes, sin duda, están en la raíz de todo ello. Así, el reino de Castilla y el poder monárquico castellano dejaron su política ante el Cisma y el papa Luna. Incluso no asistieron al Concilio de Perpiñán38. Los contactos con el papa se debieron a cuestiones puramente económicas y de relaciones entre Castilla y la Iglesia. Así, podemos ver contactos por razón de las tercias39, los diezmos y las rentas pontificales, cuestiones que condujeron al envío de Francesc Climent para mostrar la modestia de los ingresos que el papa obtenía de Castilla40. Solamente durante los momentos previos al Concilio de Constanza hubo un resurgimiento de la actividad castellana. En ese momento podemos ver cómo las 34 Ya analizado en Óscar Villarroel González, Relaciones entre la monarquía y el arzobispado de Toledo en época de Juan II de Castilla (1406–1454), Toledo 2002, p. 10–12. 35 AGS, Estado-Castilla, leg. 1–1, fol. 50; publicado en Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 274sq. 36 AGS, Estado-Castilla, leg. 1–1, fol. 49sq. 37 Villarroel, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 40–42. 38 Esta razón fue señalada ya en Óscar Villarroel González, Castilla y el Concilio de Perpiñán, en: Etudes Roussillonnaises. ����������������������������������������������� Le concile de La Réal. Le grand Schisme d’Occident (1408–1409) / El concili de La Real. El gran Cisma d’Occident (1408–1409), 24 (2009–2010), p. 147–157, aquí p. 153sq. 39 Villarroel, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 56sq. 40 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 74.
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comunicaciones entre los dos regentes y el papa crecieron. El infante Fernando, ya rey de Aragón, contó con numerosos castellanos, lo que nos crea ciertos problemas de interpretación: aquellos que negociaron con el papa lo hicieron ¿cómo castellanos o como servidores del rey de Aragón? Es difícil dar una respuesta. La comunicación con el papa era muy fluida. Pedro de Luna estaba en la península Ibérica y eso facilitaba la rapidez. Así, el regente consultó con Benedicto XIII la pertinencia de admitir a los embajadores del Concilio41. Durante las entrevistas de Morella, con el rey aragonés y regente castellano, hubo muchos castellanos: Juan de Tordesillas (obispo de Segovia), Alfonso Enríquez (almirante de Castilla), Fadrique de Trastámara, Sancho (hijo del rey y maestre de la Orden de Alcántara) y el marqués de Villena42. Después, en Perpiñán, Pablo de Cartagena, obispo de Burgos, y Álvaro Martínez de Isorna (obispo de León) estaban junto al rey43. Junto a ellos Juan González de Acevedo, que es nombrado «como uno de los embaxadores de Castilla»44. Tras la muerte del rey aragonés la reina Catalina mantuvo la comunicación y la fidelidad a Benedicto. Sabemos que en 1416 y 1417 hubo embajadores castellanos ante el papa45. Al menos el prior de San Benito de Valladolid46, otro embajador para presentar la solicitud del maestrazgo de Alcántara para Sancho de Castilla (primo del rey) 47, Rodrigo Díaz de Torres (que estaba en Peñíscola en marzo de 1416)48, y Juan de Cervantes incluso en 141749. Es decir, la comunicación siguió siendo casi constante casi hasta la elección de Martín V. Las razones para estas embajadas son diversas, pero la razón del sostén de la reina a Benedicto tiene su origen en la inseguridad de la reina Catalina por estar sin papa50. Como se verá hubo una intervención directa del papa que explica esta situación.
41 Heinrich Finke (ed.), Acta Concilii Constanciensis, 1–4, Münster 1896–1928,1, p. 205– 207, 317sq. 42 Lorenzo Galíndez de Carvajal, Crónica del serenísimo príncipe don Juan segundo de este nombre, ed. Biblioteca de Autores Españoles, 2, Madrid 1953, p. 361. 43 Ibid., p. 367. 44 Ibid, p. 369. 45 Villarroel, El rey y el papa (citado en la nota 1), p. 57sq. 46 BNE, ms. 13236, fol. 16–18. 47 Galíndez de Carvajal, Crónica del serenísimo (citado en nota 42), p. 370. 48 Puig y Puig, Don Pedro de Luna (citado en nota 29), p. 574. 49 Vicente Beltrán de Heredia, Bulario de la Universidad de Salamanca, 2, Salamanca 1966, p. 130sq. 50 Villarroel, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 62sq.
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En algunas ocasiones el poder castellano intentó encontrar o mostrar información en otros lugares. Aunque el reino mostraba su obediencia al papa de Aviñón, envió también embajadores al papa romano y, así, pudo recibir información de Roma. Así, antes de la sustracción de obediencia el rey castellano envió a Alfonso Rodríguez a Roma, donde viajó junto a los embajadores ingleses y franceses, como hemos visto, para mostrar el papa la posición de los tres reyes: renunciar o ver cómo les retiraban la obediencia. Así, sabemos que estuvo en Roma en septiembre de 139751. Era la continuación de los trabajos desarrollados en Aviñón. Esta no fue la única ocasión en la que el poder castellano mostró su interés, al menos, por la situación italiana. Ya durante la minoría de Juan II podemos encontrar que la crónica que compiló Galíndez de Carvajal tiene numerosa información al respecto del entorno italiano. ¿Hubo enviados en Roma o en la Curia del papa rival? Al menos en 1414 podemos decir que sí había ese interés por enviar emisarios a territorio itálico. En esa fecha tenemos constancia de que un enviado del rey, Martín Sánchez de Castrojeriz, había sido enviado a Roma, pero que había sido capturado en Aviñón52. Y, ¿había un informador castellano en Pisa? Sabemos que Pedro de Frías, antiguo privado de Enrique III, asistió al Concilio, pero no se conserva ningún documento que muestre que, efectivamente, remitió información a Castilla. Envió informaciones al rey de Aragón, pero no sabemos más53. Además, hubo otros castellanos que estuvieron en Pisa, aunque enviados por Benedicto XIII y el Concilio de Perpiñán ( Juan de Illescas y Diego Bedán de Mayorga)54. En lo que toca al reino de Francia, parece evidente pensar que la comunicación con su aliado debió ser frecuente, precisamente por los lazos entre ambos reinos. En efecto, fue casi constante durante todo el periodo, pero hubo algunas diferencias entre los reyes, además de las propias vicisitudes de la política interior castellana, que también influyeron. Así, hubo esfuerzos para intentar encontrar y desarrollar una acción conjunta en lo tocante al Cisma. Ya al principio del conflicto la monarquía castellana intentó ponerse de acuerdo con su aliado francés. Sabemos que hubo embajadores castellanos por cuestiones de la Guerra de los Cien Años, pero que a finales de 1379 se 51 Puig y Puig, Don Pedro de Luna (citado en nota 29), p. 61sq.; el rey francés menciona esta embajada en AGS, Estado-Francia, K1482, fol. 16, mostrando cómo en abril ya estaba listo para partir hacia Roma Alfonso Rodríguez, mencionado como consejero del rey. 52 Finke, Acta Concilii, 1 (citado en nota 41), p. 317sq.; Archivo de la Corona de Aragón (en adelante ACA), reg. 2404, fol. 53r. 53 Sobre el cardenal y el Concilio de Pisa Hélène Millet, Le Concile de Pise. Qui travaillait à l’union de l’Église d’Occident en 1409?, Turnhout 2010, p. 242, 304sq. 54 Villarroel, Castilla y el Concilio de Perpiñán (citado en nota 38), p. 155.
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enviaron otros dos a París para tratar sobre una posible posición conjunta55. Esta cuestión ha sido atribuida normalmente a la existencia de la alianza56, pero se han mencionado ya diversos problemas a lo largo de todo el periodo que no concuerdan con ese peso de la alianza. Cierto es que Enrique II intentó convencer a Carlos V de mantener esa posición común57, y que la alianza se manifestó como una razón para esa acción conjunta58 por parte de éste, llamando a evitar una separación entre ambos monarcas en la política espiritual, dado que estaban unidos en la política terrenal. Hubo un contacto constante, no sólo por parte de Castilla, también por parte de Francia, que envía de forma casi continua embajadas. Parece cierto que hubo intención de tomar posturas conjuntas. Efectivamente, después del problema suscitado por la embajada de los tres duques hemos podido ver cómo la actividad castellana devino muy intensa, después de la queja de Enrique y la pacificación de la embajada francesa. En ese contexto, el rey castellano mantuvo un estrecho contacto con el aliado francés. La embajada de Pérez de Ayala, Alfonso Rodríguez, Fernando de Illescas y el obispo de Mondoñedo ante el rey Carlos muestra claramente la intención castellana, pese a la estancia de los embajadores en Aviñón, pues el monarca enviaba a dos de sus mejores diplomáticos: Ayala e Illescas59. Enrique III no dudó en enviar nuevos embajadores, sobre todo cuando hubo rumores sobre la firmeza de la posición castellana. Valois dijo que los rumores provenían del mismo Benedicto60, puede ser, pero la respuesta de Enrique fue rápida y enérgica. Frente a los rumores numerosas cartas fueron intercambiadas entre París y Castilla61, nuevos embajadores fueron enviados62, y ordenó a los presentes en Aviñón que marchasen rápidamente a París63. La actividad diplomática para asegurar que la posición de Enrique III no iba a cambiar fue, 55 Para la primera Geoges Daumet, Étude de l’alliance de la France et la Castille au XIVe et XVe siècles, París 1898, p. 44; Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 200. 56 Ibid., p. 10. 57 Valois, France, 1 (citado en nota 11), p. 200. 58 Ibid., p. 201. 59 La figura de Ayala es bien conocida, para Illescas véase, por ejemplo Óscar Villarroel González, Eclesiásticos castellanos en la negociación de la paz, en: Ana Arranz Guzmán, María del Pilar Rábade Obradó, Óscar Villarroel González (eds.), Guerra y paz en la Edad Media, Madrid 2012 (en prensa). 60 Valois, France, 3 (citado en nota 11), p. 111. 61 ANP, J515, 2; J517 (del mismo rey), J516, 41 (del arzobispo Tenorio), J516, 48 (del cardenal Frías). 62 ANP, J516, nº 48–3, carta de Pedro López de Ayala a Carlos VI. 63 ANP, J916, 16. Publicada en Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 201– 204.
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como se puede ver, de nuevo muy activa, lo que en sí era una prueba de la postura castellana. Sin embargo los rumores no cesaron. En enero de 1398 Enrique III recibió una nueva carta de Carlos VI, mostrando su temor porque Castilla regresase a la obediencia de Benedicto XIII, y el rey castellano tuvo que escribir otra vez para confirmar su posición64. Finalmente hubo también una preocupación castellana por transmitir y obtener información de otros reinos o territorios occidentales. Evidentemente, Aragón, reino vecino, fue el principal objetivo. Al inicio del Cisma hubo intención de tomar una decisión conjunta entre los reinos peninsulares65. Parece que hubo una constante comunicación entre los diversos monarcas66. Incluso durante la sustracción hubo algunas tentativas castellanas para convencer al rey aragonés, Martín I67 (como respuesta a los intentos aragoneses de hacer lo propio con el castellano, como se verá). De cualquier forma, sólo con el rey Fernando (regente de Castilla, recordemos) se puede encontrar una auténtica política común, dado que el monarca dirigía la política de los dos reinos en lo tocante al Cisma. De esta forma, cuando se desarrollaron las negociaciones de Fernando con Benedicto XIII y el emperador Segismundo hubo, siempre, castellanos, si bien es cierto que es difícil discernir si estaban al servicio del rey de Aragón o como representantes castellanos68. Además, la muerte del rey el 2 de abril de 1416 dejó Castilla sin haber abandonado de forma efectiva la obediencia de Benedicto. Por último, nos encontramos con las labores diplomáticas emprendidas por el reino castellano para obtener información, con la misión de Rodrigo Bernal. Diplomáticas en cuanto que las fuentes hablan de ella como una embajada, y dado que seguía formas semejantes, pero su objetivo era bien distinto a una misión normal. Esta “embajada” es, sin duda, el mejor ejemplo del esfuerzo castellano por buscar toda la información necesaria. En esta misión, enviada por Juan I a Aviñón y Roma (y después Aversa), el monarca intentó obtener toda la información posible de una forma directa. Para ello se llevaron a cabo toda una serie de entrevistas que 64 ANP, J916, 17. Publicada en Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 224– 226. 65 Hubo representantes castellanos en Barcelona para ello Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 9; pero la posición de la reina Sibila que menciona Suárez Fernández no parece clara (en la carta no se menciona el Cisma) y la documentación citada por Suárez Fernández para la posición de Pedro IV no parece estar en el sitio citado. Sí hubo intención de tener una entrevista (ACA, Cancillería, Reg. 1268, fol. 65v), que jamás llegó a realizarse. 66 Suárez Fernández, Historia del reinado (citado en nota 8), p. 84–91. 67 BNE, ms. 13236, fol. 6r–12v. 68 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 77–84.
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llevaron a cabo Rodrigo Bernal y Fernando de Illescas. Estas se mantuvieron con aquellos que se supo que habían estado en Roma durante el cónclave (y no sólo en el cónclave). Los resultados de esta encuesta son bien conocidos por la historiografía del Cisma y no es necesario insistir sobre este punto69. Fue, sin duda, la mejor fuente de información sobre el inicio del Cisma que el rey pudo tener y que hoy día los historiadores pueden analizar.
3.2. La política de los papas Como se ha dicho, además de la información buscada y enviada por el poder castellano hay que tener en cuenta la que se recibió en el reino, y especialmente aquella proveniente de los papas. Para enviar y transmitir su información los papas enviaron al reino castellano legados y otros emisarios de diversa índole. Por este medio, evidentemente, el poder monárquico castellano, y su entorno, recibió mucha información. Durante los primeros momentos del Cisma, y cuando la toma de decisión era fundamental para los papas rivales, se pueden encontrar, y son bien conocidos, algunos enviados pontificios. Así, Clemente envió a Pedro de Luna como legado a todos los territorios hispánicos (no solamente españoles, es decir: Aragón, Navarra, Castilla y Portugal)70. Para la transmisión de la información y de la posición de Clemente Pedro de Luna poseía un arma muy importante: el idioma. Sabemos que Pedro habló en castellano delante de la Asamblea del clero castellano reunido en Medina del Campo71. Frente a él, los legados de Urbano: Francesco Uguccione a la 69 Casi toda la información de la encuesta fue presentada en la reunión del clero castellano que tuvo lugar en Medina del Campo, y está recogida en: BNF, ms. lat. 11745. Además, una gran parte ha sido publicada por diferentes medios Michael Seidlmayer, Die Anfänge des Großen Abendländischen Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit, Münster 1940 (SFGG, ser. 2, 5) y también Idem, Peter de Luna (Benedikt XIII.) und die Entstehung des Großen Abendländischen Schismas, en: SFGG. Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 4 (1933), p. 206–247; y una pequeña parte en Josep Perarnau Espelt, La declaracíon del beguino gallego, fray Alonso de Mellid, sobre los orígenes del Cisma de Occidente, en: Anthologica Annua 26/27 (1979–1980), p. 619–633. 70 José Zunzunegui, La legación en España del cardenal Pedro de Luna (1379–1390), en: Miscellanea Historia Pontificiae 7 (1943), p. 83–137. 71 BNP, ms. lat. 11745 dice: «Yn vulgari spanico facto», fol. 1r. Además, está la declaración de Pedro de Luna ante el rey en Medina del Campo conservada en la Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Vat. Lat. 7140, fol. 1–11v, y publicada a partir de esta fuente Seidelmayer, Peter de Luna (citado en nota 69), p. 206–247, transcripción en p. 232–244.
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cabeza (con Francesco Sinclenis de Pavía, Juan Ánglico72 y Cristóforo Franchon73). Y ellos tuvieron todo un problema frente a Pedro de Luna: el idioma. Uguccione, portavoz de los enviados urbanistas, habló en latín delante del rey y de la Asamblea. Si bien es cierto que el rey y los obispos podían, mejor o peor, entender el latín, es evidente que Pedro de Luna pudo ser mejor comprendido (y sin esfuerzo)74. Cierto o no, Pedro de Luna obtuvo la victoria y Castilla acabó siendo clementista y, además, creó un fuerte partido en Castilla75. Ya bajo la obediencia de Aviñón sabemos que hubo una continuidad casi perfecta entre los enviados de Clemente y después Benedicto. Pedro de Luna, y después el obispo de San Ponce, fueron los legados del papa en Castilla. El partido creado por Pedro será confirmado por el obispo, que fue enviado a Castilla en tres ocasiones76. Además, los papas expidieron cartas de forma directa a los reyes, así como al entorno de los reyes77. La construcción de un partido aviñonés en la corte y entre el clero castellano fue uno de los principales éxitos de Pedro de Luna. La política de beneficios desarrollada por los papas, y especialmente el mismo Benedicto XIII, fue un claro intento por atraerse al clero castellano. Es una línea política que siguió hasta el abandono de la obediencia antes de Constanza (e incluso después) y que otorgó al papa sus principales aliados en Castilla78. Se preocupaba, además, por la transmisión de la información y por el control de la que llegaba al poder regio. Para ello fue fundamental en algunos momentos el contacto con los confesores regios. Así, sabemos que hubo contactos con el confesor de la reina Catalina en diciembre de 1415. En ese momento, cuando, tras las entrevistas de Perpiñán, Aragón abandonó a Benedicto y, aparentemente, también lo haría Castilla, Pedro Comuel tuvo la idea de hacer llegar a la reina, por medio de su confesor, la idea de que si 72 BNF, ms. lat. 11745, fol. 20v; Seidlmayer, Anfänge (citado en nota 69), p. 241; Pedro López de Ayala, Crónica del rey don Juan, primero de Castilla e de León, ed. Biblioteca de Autores Españoles, 2, Madrid 1953, p. 70; Valois, France, 1 (citado en nota 11), p. 200. 73 Al menso estaba intentando llegar a Castilla el 8 de junio de 1380, enviado por Urbano (ACA, Cancillería Real, Reg. 1268, fol. 55rv). 74 Óscar Villarroel González, Diplomacia, persuasión y representación en los inicios del Cisma en Castilla, en: Armand Jamme (ed.), Avignon/Rome. La papauté et le schisme. Langages politiques, impacts institutionnels, adaptations sociales (en prensa). 75 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 15–16; Zunzunegui, La legación (citado en nota 70). 76 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 15, 21. 77 Ibid., ahí el autor muestra una comunicación casi constante. 78 Villarroel González, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 32–51 y Idem, El rey y la Iglesia castellana (citado en nota 10), p. 68–85, 427–434.
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retiraba la obediencia a Benedicto la bula de dispensa que éste había dado para su matrimonio con Enrique III dejaría de tener valor. En tal caso, el hijo de ambos, Juan II, sería ilegítimo, con lo cual inválido para ostentar el trono real79. Además de una tentativa de controlar la información que llegaba al poder castellano, se puede apreciar claramente que hubo conciencia de la posibilidad de utilizar esta vía como la más apropiada para influir sobre la reina-regente, dado que dice claramente que el confesor debía transmitir la información y ser prudente con el arzobispo de Toledo, es decir, no se fiaban de la lealtad de Sancho de Rojas, pero sí del confesor80. Esta cuestión nos lleva directamente a una de las más interesantes a propósito de la comunicación entre el papado y la monarquía castellana: el control de la información y de la desinformación. Y en esta no es la única noticia que conocemos. La historiografía, con mucha lógica, ha presentado a Benedicto XIII como el instigador de los rumores. Así, hemos podido ver cómo en 1398, hubo rumores sobre un cambio de la posición castellana. Según Valois «le pape faisait répandre à Paris la nouvelle que Henri III avait changé d’avis»81, y un año antes Enrique III tuvo que desmentir rumores semejantes82. En algunas ocasiones, de cualquier forma, parece difícil que algunos rumores partiesen de la curia pontificia. De esta forma, en 1413 algunas informaciones llegaron al rey Fernando según las cuales la nobleza francesa estaría presionando al rey Carlos para regresar a la obediencia de Benedicto, y aparentemente procedían de un secretario del duque de Guyena, con lo que dieron por verídicas83. Sabemos que Benedicto había dado órdenes de controlar la información que emanaba de su Curia. Se ha visto el ejemplo de la información que, controlada, debía llegar a conocimiento de la reina (es decir, unas noticias según un punto de vista determinado), pero también hubo vigilancia sobre la información que podía ser recogida en la Curia. Así, tenemos constancia de que un mensajero castellano 79 Carta encriptado de Comuel al embajador en la corte castellana, Francesc Climent, Puig y Puig, Don Pedro de Luna (citado en nota 29), p. 562sq.; publicado con correcciones por Finke, Acta concilii, 3 (citado en nota 41), p. 488sq. 80 Et caveatis quid […] sit secretum et plusquam secretum inter vos et confessorem et reginam. Ideo faciatis omnino, quod hec confessor dicat regine et non vos. Set caveatis de archiepiscopo Toletano; Finke, Acta Concilii, 3 (citado en nota 41), p. 489. Sobre Sancho de Rojas Ansgar Frenken, El trabajoso y difícil camino hacia la unión. Sancho de Rojas, arzobispo de Toledo, y el papel clave que jugó en la extinción del Gran Cisma de Occidente en el reino de Castilla, en: En la España Medieval 32 (2009), p. 51–83. 81 Valois, France, 3 (citado en nota 11), p. 111. 82 Véase la nota 64. 83 El rey informó al papa de estas noticias. Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 68; Finke, Acta Concilii, 1 (citado en nota 41), p. 311sq.
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tuvo que huir de la corte pontificia después de que fuese atrapado con información que el papa no quería que se supiese84. De esta forma, la información saliente también estaba bajo control (o al menos se intentaba controlarla). Parece evidente que se pretendía que de la Curia saliese sólo la visión del papa de las diversas cuestiones, lo cual incluía desinformar, obviamente. Los papas rivales intentaron enviar su propia información a Castilla. Conocemos algunas de las noticias enviadas, pero es muy posible que hubiese otras. Así, después de la muerte de Juan I, Bonifacio envió de nuevo legados a Castilla, y utilizó para ello a los embajadores del duque de Lancáster (un castellano petrista y un canciller tolosano). De esta forma, el papa intentó utilizar la política interior y exterior castellana en su propio beneficio, porque el duque de Lancáster era hermano de la nueva reina (Catalina) y uno de los enviados era castellano y fiel a la casa de la reina: Juan Gutiérrez, obispo de Dax85. Además, hay pruebas del envío de emisarios y de diversa documentación de los papas romanos y del Concilio de Pisa. Al menos sabemos que se envió a Giordano Orsini y a Alamán de Pisa con una concesión de cruzada86. En efecto, en los archivos castellanos se conserva documentación proveniente de estos papas y que fue conservada por razones desconocidas, pero que nos indica cómo la información llegaba a Castilla, pese a todo87.
3.3. Los otros reinos y Castilla Finalmente, hay que tener en cuenta las comunicaciones que podían llegar desde otros reinos y la información que podían transmitir al poder regio castellano. Evidentemente Aragón y Francia fueron los más importantes. Sobre Aragón ya se ha podido observar cómo hubo numerosa información compartida, así como la intención de desarrollar una política común, lo que fue el caso de Pedro IV. Sin embargo, con este monarca podemos pensar que hubo también una cierta desinformación. Así, parece plausible que hubo tentativas de llevar a cabo una reunión entre Pedro IV y el rey castellano, algo que jamás llegó a ocurrir88. 84 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 55, cita AGS, Estado-Castilla, leg. 1–1, fol. 16, y la publica en p. 266sq. 85 Villarroel González, El rey y el papa (citado en nota 1), p. 24–26. 86 Archivio Segreto Vaticano (en adelante ASV), Reg. Vat. 367, fol. 25v–27r; Reg. Vat. 370, fol. 212sq.; Finke, Acta Concilii (citado en nota 41), 1, p. 311sq.; Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 66. 87 Por ejemplo, una littera executoria de Alejandro V en el Archivo de la Catedral de Zamora, 1/11. 88 Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 7–10.
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Además, cuando la embajada de Rodrigo Bernal marchaba hacia Italia esperaron durante mucho tiempo en Barcelona para que se les uniese una hipotética embajada aragonesa, para llevar a cabo la misión y las entrevistas de forma conjunta. Sin embargo jamás llegaron y los castellanos tuvieron que marchar solos finalmente89. Aragón, además, intentó atraerse a Castilla a su posición. Para ello envió sus propios embajadores y diversa información en diversos momentos. Así, cuando se preparaba la sustracción de obediencia Martín I envió a Castilla numerosas embajadas y cartas buscando que Enrique III se acercase a sus posiciones (de forma infructuosa)90. Finalmente, la última acción política aragonesa durante el Cisma fue fundamental para atraerse a Catalina de Lancáster hacia la posición conciliar. Alfonso V, continuando la política de su padre, intentó evitar que Castilla se mantuviese en la fidelidad a Benedicto XIII. Por esta razón envió diversas embajadas, con Felipe de Malla a la cabeza, quien consiguió la expulsión de los benedictistas más acérrimos de la corte, y convencer a la reina para abandonar al papa Luna91. Por su parte, Francia, aliado castellano, jugó también un papel fundamental en la comunicación con Castilla durante el periodo, y, ciertamente, se ha podido ya apreciar a lo largo del presente estudio. Las relaciones durante el Cisma oscilan entre la cooperación y la desinformación. Hubo intentos de cooperar, de buscar una salida de forma conjunta. También se ha podido ver cómo hubo envío de desinformación por parte de embajadas casi constantes. Pero, además, también hubo intentos franceses de desarrollar una política unilateral, lo que llegó a crear algún problema con el aliado castellano. Así, después de la embajada de los tres duques, el rey tuvo que enviar una embajada a Castilla para mostrar cómo no tenía intención de hacer nada sin su aliado del sur, proponiendo, de nuevo, desarrollar una política común92 . Además, cuando la posición de Benedicto XIII supuso una posibilidad de división entre los aliados, eso no llegó a afectar a la misma alianza. En 1409 Francia le sustrajo la obediencia por última vez, pero no Castilla, y sin embargo no sufrió la alianza. Incluso, cuando el emperador y el rey aragonés intentaron sustraer a Casti-
89 Villarroel González, Diplomacia (citado en nota 74); BNP, ms. lat. 11745, fol. 18r, en la ed. de Seidlmayer, Anfänge (citado en nota 69), p. 231 n. 26. 90 Los intentos aragoneses de alejar a Castilla de la posición francesa por parte de Martín I: Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), p. 37. 91 Ibid., p. 85 y seq. 92 AGS, Estado-Francia, K1482, fol. 2, publicado por Suárez Fernández, Castilla (citado en nota 13), apéndice.
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lla de la obediencia del Papa Luna no hubo una embajada francesa para convencer a su aliado de unirse al Concilio. Y finalmente, Inglaterra. Aparentemente no hubo contactos con Castilla por la cuestión del Cisma, aunque los hubiese relaciones diplomáticas y acuerdos en estos momentos93. Toda la negociación de la embajada de los tres reyes fue desarrollada por el monarca francés, y él informó de todo al castellano. En esta embajada los castellanos marcharon junto a ingleses y franceses, y marcharon a Aviñón y a Roma, como se sabe. Evidentemente ambos reinos tenían otros problemas políticos que involucraban a ambos (por ejemplo, la continuación de algunos problemas internos de Castilla sobre la cuestión de los herederos del rey Pedro I y sus pretensiones al trono castellano). Sin embargo, hay que tener en cuenta que, desde 1399, el rey de Inglaterra era hermano (aunque fuese solo medio hermano) de la reina castellana. Ambos tenían obediencia distinta, pero, ¿no hubo contactos al respecto? Realmente parece poco creíble. Las relaciones políticas entre ambos reinos son aún objeto de investigación, y sin duda estos contactos acabarán saliendo a la luz, pues sería muy extraño que no existiesen.
4. Conclusiones Finalmente, parece evidente que, pese a los diversos problemas que el poder regio vivió en Castilla el reino jugó un papel activo en lo tocante al Cisma de Occidente, e incluso muy activo en algunos momentos concretos. Evidentemente eso depende de los diversos contextos internos, y esto tuvo como consecuencia que cada reinado conociese una situación diferente, y posibilidades diversas, por parte del poder, de informarse o comunicar su propia situación. Pese a todo, durante casi todo el Cisma el poder político castellano, o al menos casi todos los reyes y regentes, desarrollaron una política activa para sostener a uno u otro papa y, desde el reinado de Enrique III, desarrollaron políticas para conseguir poner fin al Cisma, sin preocuparse de los métodos a emplear. Las iniciativas para conseguir información y para transmitirla, así como para hacer conocer y saber la propia postura, fueron la principal consecuencia de este papel desarrollado por el poder regio.
93 Aunque es necesaria una revisión y recopilación de estas relaciones, se puede ver algún ejemplo de finales del siglo XIV en Luis Suárez Fernández, Algunos datos sobre política exterior de Enrique III, en: Hispania 10 (1950), p. 539–593, aquí p. 554 y seq.
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De esta forma, se puede encontrar una intensa actividad diplomática. Se puede afirmar, incluso, que el Cisma tuvo una influencia muy importante sobre la evolución posterior de la política diplomática castellana. La necesidad de conseguir datos fidedignos, de comunicarse con sus aliados y de mostrar su posición al papa o a los papas, hizo que la actividad diplomática del reino se incrementase de una forma muy importante. De hecho, se puede documentar un incremento de las actividades diplomáticas en Castilla. Durante el Cisma el envío de embajadas, de embajadores y de toda suerte de emisarios conoció una evolución creciente. Se pueden encontrar en las fuentes la aparición de toda una serie de diversos servidores en el contexto diplomático: correos, mensajeros, utilización de los correos extranjeros (…). La presencia castellana en determinados lugares fue casi permanente. Incluso teniendo en cuenta que esto no supone una diferencia muy importante en el desarrollo de la diplomacia, sí supone la existencia de un desarrollo más profundo de la conciencia de la necesidad de obtener información de forma constante para desarrollar una política eclesiástica o exterior concreta y efectiva por parte del poder regio castellano.
Autour de Télesphore de Cosenza (1386) Des précurseurs de l’histoire des antipapes et des schismes Hélène Millet Dans l’argumentaire préparé par Harald Müller et Brigitte Hotz en vue de ce colloque consacré aux antipapes, il était affirmé que son sujet était neuf et serait en visagé pour la première fois dans toute son extension historique: «Wurden Gegenpäpste bislang fast ausschließlich unter theologischen Gesichtspunkten (Spätantike), im Kontext stadtrömischer Konflikte (frühes Mittelalter) oder als Produkte kirchenpolitischer Fraktionsbildungen, stets aber als persönlich gescheiterte Gegenentwürfe rechtmäßigen Papstseins betrachtet, so wird nun erstmals der Versuch einer systematischen Zusammenschau des Phänomens unternommen.»
Pour qui a longtemps travaillé sur le Grand Schisme d’Occident, l’invitation était séduisante, mais la revendication de nouveauté devait d’emblée être corrigée. S’il est bien vrai que, dans l’histoire moderne et contemporaine, la thématique n’a guère retenu l’attention, les médiévaux, ceux des XIVe et XVe siècles du moins, l’ont en effet plusieurs fois abordée tandis qu’ils s’efforçaient de résoudre un problème connexe: établir une liste des schismes passés1. C’est d’ailleurs un défi du même ordre qu’a dû relever Olivier Guyotjeannin pour la rédaction de l’entrée «Antipape» du Dictionnaire historique de la papauté, car son article comporte en annexe une liste des antipapes. Après avoir donné une très claire définition du terme – «on appelle antipape toute personne qui a pris le nom de pape et en a exercé, ou prétendu exercer, les fonctions sans fondement canonique», l’auteur a cette réflexion: «La définition est simple, mais son application, on l’imagine, très ardue». La liste qui suit énumère trente-neuf antipapes, alors qu’on avait auparavant oscillé entre vint-cinq et quarante dans les divers ouvrages d’histoire de l’Église. Elle reprend en fait celle que publie chaque année l’Annuario pontificio depuis 1947 et qui avait été établie par le cardinal Angelo 1 Une thèse récente sur les dépositions de papes a cependant abordé le problème, au moins indirectement, à partir de l’époque carolingienne: Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz, Vienne et al. 1968.
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Mercati. Pourtant, dès 1948, l’article rédigé par Amato Frutaz pour l’Enciclopedia Cattolica indiquait qu’il fallait tenir pour certaine l’illégitimité de trente-six antipapes, douteuse celle de sept autres et que neuf autres pontifes devaient au contraire être réhabilités. C’est pourquoi, malgré la valeur officielle qu’Olivier Guyotjeannin reconnaît à la liste Mercati, il a aussi choisi d’écrire certains noms de sa liste en italiques – ce sont ceux de papes qui, quoique douteux, n’ont pas été étiquetés comme antipapes dans l’Annuario – et d’autres en caractères gras pour désigner au contraire les antipapes que d’autres historiens estiment légitimes2. Vu que toutes ces listes d’antipapes se terminent avec Félix V (1439–1449), ce sont donc sensiblement à partir des mêmes cas que les historiens d’aujourd’hui et ceux de la fin du Moyen Âge ont conduit leurs raisonnements. Mais ils n’avaient assurément ni les mêmes matériaux historiques à leur disposition, ni les mêmes références doctrinales en matière d’ecclésiologie, ni les mêmes motivations. Le problème des sources et de l’expertise chronologique des différents compilateurs a certes un grand intérêt; mais ce n’est pas cet aspect de la recherche qui a le plus retenu mon attention. Les listes médiévales de schismes que je me propose d’examiner s’insèrent toujours dans un propos plus général qui apporte des éclaircissements sur les méthodes et le cadre de pensée de leurs auteurs. À l’exception du premier, tous ont vécu ou connu le traumatisme du Grand Schisme d’Occident (1378–1417), avec ses quarante années d’incertitudes sur l’identité du «vrai pape», ses divisions en obédiences rivales, ses querelles et ses guerres fratricides, l’horrible impression que, décidément, on ne parviendrait pas à y mettre fin. En se penchant vers le passé, ils cherchaient des leçons pour le temps présent. Parmi eux, une figure domine, celle de Télesphore de Cosenza. Sous ce nom a été publiée, à Gênes en 1386, une liste de 22 schismes enchâssée dans un livre prophétique illustré (voir fig. 2, p. 426)3. L’objectif poursuivi par le prophète mélangeait intimement dénonciation des péchés des clercs et analyse des anciens oracles pour prédire la longue chaîne de tribulations qu’il faudrait traverser avant de connaître la résolution de la rivalité engendrée par «le présent schisme». Un roi de France nommé Charles et fils de Charles allait jouer un rôle primordial dans 2 Parmi ces derniers ne figurent d’ailleurs pas les papes issus du concile de Pise, Alexandre V et Jean XXIII, alors que l’Annuario pontificio les donnaient dans la lignée des papes légitimes jusqu’en 1946. Notons en outre que Bernd Ulrich Hergemöller, rédacteur de l’entrée «Onomastique pontificale» du même Dictionnaire historique de la papauté (p. 1208–1212), n’accorde qu’une valeur «officieuse» à la liste de l’Annuario pontificio. 3 L’explicit lui donne pour titre: De cognitione presentis schismatis ac statu universalis ecclesie usque ad finem seculi. Dans la suite de cet article, pour citer le libelle j’utiliserai l’édition de Venise de 1516, sauf exception.
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cette histoire en éliminant un empereur au nom également prédestiné, Frédéric III. La liste des schismes est située après l’annonce d’une séquence de pasteurs angéliques et avant celle de la venue du dernier Antéchrist puis, enfin, d’un millénaire de paix et de réformation de l’Église. Elle donne un numéro à chaque schisme ou «intrusion» et elle s’achève avec des commentaires généraux sur la manière de mettre fin aux divisions, dénotant ainsi la volonté de traiter de façon synthétique et comme un objet d’études en soi les 22 schismes recensés. Télesphore avait-il eu des prédécesseurs? C’est possible, mais faute d’avoir mené des recherches aussi approfondies sur les époques antérieures, je me bornerai à n’examiner que deux antécédents, fort différents l’un de l’autre, dont il n’est d’ailleurs pas certain qu’il ait eu connaissance. En revanche, il eut assurément une postérité. Certes, vu que le passé est le même pour tous, les contemporains de Télesphore avaient pu se livrer, indépendamment de lui, à des recherches menant à un résultat plus ou moins comparable – j’en donnerai d’ailleurs un exemple –, mais il est le seul dont on puisse affirmer que le travail et la pensée furent largement diffusés et reçus, du moins dans l’obédience avignonnaise, puis bien au-delà après 1417. La recherche en la matière avait été lancée, jusqu’à donner naissance à un véritable genre historique: le traité sur les schismes.
I. Avant Télesphore de Cosenza: le temps des précurseurs Johannes von Hildesheim n’est pas un inconnu des spécialistes de la littérature médiévale: il s’est acquis une certaine célébrité grâce à son Historia trium regum («Histoire des rois Mages»), compilée vers 1364. Mais son ouvrage sur les schismes est passé tout à fait inaperçu, jusqu’à ce qu’il soit édité par les soins de Georg Kreuzer, dans un article paru en 1991, à partir de deux manuscrits aujourd’hui suédois4. Frère Johannes appartenait à l’ordre des Carmes. À une date que les manuscrits ne précisent pas, il décida d’adresser à Ruprecht, duc de Bavière et comte palatin du Rhin, le résultat de ses recherches sur les schismes qui avaient divisé l’Église. 4 Georg Kreuzer, Ein übersehener Schismentraktat des Karmeliten Johannes von Hildesheim (†1375), dans: Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag, Hubert Mordek dir., Tübingen 1991, p. 347–367. Cet ouvrage avait auparavant été signalé par Margarete Andersson-Schmitt et Monica Hedlund dans leur catalogue (Mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Uppsala. Katalog über die C-Sammlung, t. 1, Stockholm 1988) où les notices des manuscrits C 43 et C 72 en signalent deux copies.
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L’opuscule est divisé en trois parties. Dans un long prologue, l’auteur entend démontrer que «le schisme présent» avait été annoncé par plusieurs prophéties et il indique, chemin faisant, que le pape Grégoire XI (1370–1378) venait de mourir. Puis vient la dédicace à Ruprecht où il se dit lecteur du couvent de Spire; celle-ci est suivie par les courts récits de dix épisodes où plusieurs papes s’étaient disputés le trône de Pierre. Or, contrairement aux apparences, Johannes de Hildesheim n’avait pas connu les événements de 1378. On sait en effet qu’il mourut en 1375 et, pour le temps de sa résidence à Spire, on dispose d’une seule autre attestation, en 1368. Comme son texte parle du pape Grégoire XI, on peut donc supposer qu’il avait pris la plume entre 1370 et 1375, pour écrire à Ruprecht Ier et non pas à Ruprecht III. Un scribe ayant copié l’ouvrage peu après 1378 avait cru bon d’insérer les précisions qui induisent aujourd’hui le lecteur en erreur quant à la date de rédaction5. Puisque Johannes von Hildesheim ignorait tout de la rivalité entre Urbain VI et Clément VII au moment où il avait rédigé son ouvrage, force est de reconnaître qu’il avait eu la préscience du désastre qui allait se produire quelques années plus tard. De ses multiples lectures prophétiques, il avait en effet acquis la certitude que, à la mort de Grégoire XI, des calamités surviendraient par la faute d’un pseudopontife. Aussi entendait-il alerter son prince, lui qui était entièrement accaparé par les affaires du gouvernement, et lui rapporter les précédents que, en bon historien, il avait pu repérer dans les chroniques. Une phrase de la dédicace résume ainsi sa philosophie: «Pour moi, il est clair que, à l’homme rompu à l’usage des chroniques, presque rien ne peut arriver qui lui paraisse sans précédent»6. De fait, sans toujours citer ses sources historiques, il avait été capable de résumer et dater dix épisodes de confusion successorale, qu’il avait appelés «divisions» (divisio) et numérotés dans l’ordre chronologique, à ceci près que la narration du premier épisode en date arrive en dernier, parce qu’il l’avait découvert en dernier. De cette inversion a probablement résulté que le 9ème schisme narré était annoncé comme étant le 10ème.
5 Sur tous ces points, Kreuzer, Johannes von Hildesheim (voir note 4), p. 348 et note 8. Le prologue ne figure que dans le manuscrit C 72; or la copie de l’Epistola pacis d’Henri de Langenstein qui suit immédiatement le texte de Johannes von Hildesheim dans ce codex est précisément daté du 12 juin 1404 par un colophon. On doit par conséquent imputer à un prédécesseur du copiste l’introduction des mots de presenti scismate et nuper defuncti. 6 Clarum est apud me, quod in cronicis homini bene trito vix aliquid potest accidere novum, quod ipse reputet simpliciter inauditum. Kreuzer, Johannes von Hildesheim (voir note 4), p. 357.
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Voici, brièvement résumé, l’état de ses connaissances: N°
Date
Schisme
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Libère vs. Félix
1
414
Boniface Ier vs. Eulalius
2
489
Symmaque vs. Laurent
3
889
Formose vs. Serge III
4
983
Grégoire V vs. Jean évêque de Plaisance
5
1052
Grégoire VI vs. Clément II
6
1060
Grégoire VII vs. Clément III
7
1118
Gélase vs. Burdinus
8
1131
Honorius II vs. Anaclet
10
1180
Alexandre III vs. Victor, Pascal, Calixte, Innocent
Source avouée
Sigebert de Gembloux Martin von Troppau
Geoffroy de Viterbe
Martin von Troppau
Avec ses dix divisions, Johannes von Hildesheim était donc encore bien loin des 22 schismes de Télesphore de Cosenza! En outre, il n’avait aucunement essayé de tirer des enseignements généraux des dix cas qu’il avait repérés. Il paraît peu probable que le frère carme saxon ait influencé l’ermite calabrais. Ils avaient pourtant en commun d’avoir numéroté les épisodes et de justifier leur démarche en se référant à des textes prophétiques, tous ceux cités par le carme étant aussi connus de l’ermite. Ce sont les Vaticinia de summis pontificibus (attribués pour la partie Principium malorum à Hildegarde de Bingen et pour Ascende calve à Jean de Roquetaillade) et surtout l’Oraculum Cyrilli. Pierre Bohier, le deuxième précurseur, offre un exemple totalement opposé au précédent7. Moine bénédictin formé au droit canonique, il était devenu abbé de Saint-Chinian en Languedoc puis évêque d’Orvieto et il fut chargé du vicariat de Rome de 1364 à 1370. Plusieurs travaux sur la règle de son ordre lui avait assuré une réputation d’excellent historien. Aussi le roi Charles V lui avait-il demandé de composer une chronique des papes dans la continuité du Liber pontificalis et, à 7 Enzo Petrucci a donné une biographie détaillée de Pierre Bohier dans: DBI 11 (1969), p. 193–203. Les travaux d’Ulderico Přerovský ont encore fait progresser nos connaissances sur ce personnage trop peu connu, en particulier: Liber pontificalis nella recensione di Pietro Guglielmo OSB e del card. Pandolfo glossato da Pietro Bohier OSB, vescovo di Orvieto, Rome 1978 (SG, 21–23); la biographie de l’auteur et les informations sur son œuvre se trouvent au tome 1, p. 153–200.
342
Hélène Millet
la fin de 1378, il l’avait fait venir à Paris pour profiter de son savoir historique en matière de schismes et apprendre de lui comment ils avaient été résolus. À défaut du ou des rapports remis au roi de France, on dispose d’un «traité», ou plutôt d’une ébauche de traité, dont Franz Bliemetzrieder a donné l’édition en 1909 et dans lequel Bohier exprimait son opinion sur une brûlante question d’actualité8. On était alors en 1379 et beaucoup de voix s’élevaient pour s’opposer aux cardinaux et demander la convocation d’un concile général à qui incomberait la responsabilité de trouver la solution9. Sous l’incipit Cum inter nonnullos, Bohier développe une position originale découlant de conceptions ecclésiologiques qui tranchent sur celles de son temps. Vu qu’on appelle concile général une assemblée qui réunit toute l’Église, tant latine que grecque, pour traiter de problèmes universels, ou bien une assemblée de l’Église grecque ou de l’Église latine ou encore l’assemblée d’un seul patriarcat pour les affaires touchant son patriarcat ou sa province au sens large, il n’est pas nécessaire d’en réunir une pour une division survenue entre deux prétendants au siège romain. En pareils cas, la discorde a été résorbée autrement. On peut distinguer six façons de faire différentes: 1) on avait rassemblé seulement les évêques des provinces voisines de l’Église de Rome; 2) les électeurs eux-mêmes, c’est-à-dire le clergé et le peuple romain, furent les juges du litige; 3) le dernier élu au siège romain avait pu expulser le ou les premiers élu(s); 4) un rival sans scrupules avait éjecté le vrai pape et s’était maintenu; 5) les Romains avait éjecté le nouvel élu ou un ancien évêque pour en mettre de nouveaux; 6) les empereurs et les rois d’Italie s’étaient mêlés des controverses. À chaque fois, l’évêque d’Orvieto se réfère à des cas qu’il identifie très brièvement, souvent en ne donnant que les noms des rivaux, parfois en rappelant quelques particularités du débat. Il ne donne aucune indication de date ou de source: il écrit 8 Le mot latin tractatus est mieux rendu par l’anglais «tract» que par le français «traité»; sous ce dernier terme en effet, on s’attend à trouver un ouvrage approfondi sur une question alors que le tractatus peut se réduire à quelques feuillets la traitant précisément mais succinctement. Franz Bliemetzrieder, Le traité de Pierre Bohier, évêque d’Orvieto, sur le projet de concile général (1379), dans: Les Questions ecclésiastiques 2 (1909), p. 40–51 (version électronique de cette édition: Obediences.net > Ecrits e 367; mis en ligne le 01 février 2006. URL: http://obediences.net/repformschismresearch.php?id_ecrit=367). 9 Voir Franz Bliemetzrieder, Das Generalkonzil im grossen abendländischen Schisma, Paderborn 1904, p. 39–83.
Autour de Télesphore de Cosenza (1386)
343
pour lui-même ou pour des lecteurs avertis. Voici les conflits qu’il a mentionnés, classés par catégorie10: Cate 1
Conflit Damase vs. Ursin Symmaque vs. Laurent Boniface II vs. Dioscore Étienne III vs. Constantin
2
Théodore Pascal vs. Serge Benoît XI vs. Nicolas II
3
Étienne III a expulsé Philippe et Constantin Pascal II a expulsé Albert, Théodoric et Maginulfe Honorius II a expulsé Théobald (Célestin)
4
Jean XI a expulsé Léon Sylvestre a expulsé Benoît IX
5
Les Romains ont expulsé Léon pour Benoît et expulsé Benoît pour Léon à nouveau Ils ont expulsé Christophe pour Serge III Ils ont expulsé Célestin II et mis Honorius
6
Libère vs. Félix Boniface Ier vs. Gilalius Symmaque vs. Laurent
Après avoir évoqué tous ces précédents, Bohier conclut: aucun de ces conflits n’a été réputé cause universelle et les Romains ont résolu leurs querelles entre eux ou avec les évêques de la province, voire de l’Italie, sans inquiéter les autres. Ils ont cependant pris parfois conseil de quelques experts, comme au temps de Charlemagne où douze évêques canonistes sont venus de France pour Étienne et Constantin. Ceci étant posé, l’auteur examine longuement un second aspect de la controverse, qui conditionne le premier. Si, dans le cas présent, certains estiment qu’on doit réunir un concile universel, c’est parce que, à leurs yeux, l’Église romaine est universelle, qu’elle est pour ainsi dire le tout. Or, répond Bohier, «l’Église romaine n’est pas universelle mais elle relève de l’universalité de l’Église, laquelle est 10 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Mais un seul cas peut relever de plusieurs catégories: ainsi pour Étienne III contre Constantin et Honorius II contre Célestin II.
344
Hélène Millet
catholique et apostolique»11. De fait, il serait bon que l’Église latine se réunisse en concile, non pour résoudre le schisme, mais pour relever ce qui en elle était ruiné. Un tel point de vue, quelque peu décalé par rapport au consensus ambiant, n’a eu que peu d’écho. Cum inter nonnullos n’est connu que par deux manuscrits12. Le parcours personnel de l’évêque d’Orvieto avait aussi de quoi dérouter. Aspirant à la vie érémitique, Bohier avait restauré un vieux monastère près de l’abbaye de Subiaco en vue d’y fonder une maison de hiéronymites et de s’y retirer. Ses projets avaient été interrompus en 1378. D’abord favorable au pape romain Urbain VI, il était venu en France, couvert d’anathèmes par ce pontife, pour répondre à l’invitation de Charles V. Mais à la mort du roi (1380), il s’était retrouvé à l’écart et on peut supposer que le cours des événements, avec l’engagement du royaume dans la voie de fait sous la bannière de Louis d’Anjou, l’avait rendu amer. Sous l’effet de scrupules de conscience, en août 1386, il avait décidé de regagner l’obédience urbaniste et de retrouver ses amis de Subiaco. Il se rendit à Gênes pour faire sa soumission à Urbain VI, avant la Noël de cette même année. Puis on perd sa trace. L’un de ses proches, Alphonse Pecha – un ancien évêque de Jaén lui aussi devenu ermite – parlait de lui au passé en août 1388. La présence de Pierre Bohier à Gênes, alors même que Télesphore de Cosenza adressait son œuvre au doge de cette ville à l’automne 1386, et les relations du bénédictin avec les hiéronymites conduisent à s’interroger sur une possible connexion entre les deux hommes. Que frère Télesphore ait été un ermite, c’était ce qu’il disait de lui-même et ce qu’avait retenu Henri de Langenstein. Mais appartenait-il au tout jeune ordre des hiéronymites, approuvé en 1373? L’hypothèse a été privilégiée par Emil Donckel13. Quoi qu’il en soit, Alphonse Pecha avait pu servir d’intermédiaire. En 1374, il avait reçu de Grégoire XI une mission qui l’avait conduit dans le Regno, probable patrie du prophète, pour un projet d’union des moines ermites et il avait fondé à��������������������������������������������� Q������������������������������������������� uarto dans les faubourgs de Gênes un monas11 Videtur tamen quibusdam quod in discordia presenti ecclesie romane universale concilium sit habendum, cum ipsa romana ecclesia universalis et quasi totum videatur […]. Sed ad hec, sub protestatione descripta superius, videtur respondendum, et primo dicendum quod romana ecclesia non est universalis, sed est de universitate, catholice scilicet et apostolice ecclesie. Bliemetzrieder, Pierre Bohier (voir note 8), p. 47. 12 Paris, BnF, Lat. 14643, fol. 328r–334r et Rouen, Bibliothèque municipale, ms 1355, fol. 170r–171v. Le premier de ces manuscrits a été attribué à Gerson par Gilbert Ouy, ce qui a été contesté par Howard Kaminsky. Le second a été réalisé par Simon du Bosc, abbé de Jumièges. L’exemplaire du traité de Bohier y est plus complet et il a été annoté. 13 Emil Donckel, Studien über die Prophezeiung des Fr. Telesforus von Cosenza, O.F.M. (1365–1386), dans: AFrH 26 (1933), p. 29–104 et 282–314.
Autour de Télesphore de Cosenza (1386)
345
tère de hiéronymites susceptible d’avoir accueilli Bohier14. Cependant, comme il ne s’est encore trouvé nulle trace de Télesphore dans les fonds d’archives, force est de rester dans le flou et de se borner à constater la proximité de leurs itinéraires spirituels. De plus, comme on va le voir, même s’il existe une certaine parenté au niveau des idées, entre le clémentin convaincu qu’était Télesphore et le passeur d’obédiences que fut Bohier, les écarts sont aussi très considérables.
II. Télesphore de Cosenza Tout ce qu’on sait de Télesphore de Cosenza tient aux mots dont il s’est servi pour se présenter. Que ce soit dans la lettre au doge Antonio Adorno, dans le titre, au début ou à la fin du libelle, l’énoncé est identique: «Frère Télesphore de Cosenza, prêtre et ermite». Mais il admet aussi parfois quelques additions: «Pauvre prêtre et ermite près de Thèbes», «près de Thèbes en Lucanie» précise même un manuscrit15. «Dans le désert de la campagne d’Herculanum près de Thèbes» indique le datum de la lettre16. Emil Donckel a fait remarquer que l’identification de ces lieux conduit toujours à des sites d’ancienne colonisation grecque, qu’il s’agisse de l’actuelle Luzzi (l’ancienne Thèbes) ou de la célèbre Herculanum près de Naples. Ce qui s’accorde bien avec le prénom hellénisant du prophète et son toponyme d’origine, Cosenza. Mais la prétendue proximité d’Herculanum avec Thèbes fait toutefois problème puisque cette dernière n’est pas en Campanie mais dans le nord des Pouilles. L’identification des lieux, longtemps restée flottante, n’est apparemment pas encore complètement résolue. Malgré toute sa science et sa perspicacité, Emil Donckel – dont l’étude continue à faire autorité – a donc dû s’en tenir à des supputations. Selon lui, il faut distinguer entre le corps de l’ouvrage et la dédicace, qui ne seraient pas du même auteur et qui auraient été écrits à près de trente ans de distance. Télesphore, l’homme de la dédicace, se serait approprié un texte antérieur à 1378 et il l’aurait sommairement mis à jour, laissant ainsi quelques contradictions, y compris à propos du nombre des schismes. En effet, dans sa lettre, il pointe le schisme survenu sous Alexandre 14 Voir Mario Sensi, Alfonso Pecha e l’eremitismo italiano di fine secolo XIV, dans: RSCI 47 (1993), p. 51–80, ici p. 79 et 71–76. 15 Emil Donckel est redevable à Noël Valois (La France et le Grand Schisme d’Occident, 4 vol., Paris 1896–1902, ici t. 1, p. 372) pour cette précision et l’identification de Thèbes qui en a résulté. 16 In heremo agri Herculani prope Thebas. Donckel, Telesforus von Cosenza (voir note 13), p. 95.
346
Hélène Millet
III et l’empereur Frédéric Ier comme étant le dernier en date, sans égard pour l’intrusion de Pietro da Corbara au temps de Jean XXII et de Louis de Bavière parce que, explique-t-il dans l’introduction, les chroniqueurs lui refusent la qualification de schisme. Pourtant, dans la liste, l’épisode est répertorié comme étant le vingtet-unième schisme17. En l’occurrence, la contradiction pourrait n’être qu’une hésitation, bien compréhensible, et l’argument serait de peu de poids s’il n’y en avait d’autres plus probants, à commencer par cette affirmation de l’introduction: «je ne mets rien de moi dans ce livre, obéissant ainsi à la révélation de l’ange qui m’est apparu de révéler aux autres ce que j’ai trouvé dans ces écrits [ceux des prophètes et des saints]»18. Télesphore n’est d’ailleurs pas avare de références à ses sources; il les met même spécialement en avant lorsqu’il en vient à sa liste. En début de chapitre, il annonce: le lecteur doit savoir que lui et son compagnon Eusèbe n’ont fait que puiser dans des chroniques véridiques et approuvées, en particulier celle de l’archevêque de Cosenza et celle de Ptolémée de Lucques, car elles ont rapporté l’histoire de l’Église romaine, de l’incarnation de Jésus à l’année 1316, après quoi il n’y eut plus de schisme. Il achève enfin par ces mots: «tout ce qui vient d’être dit a été fidèlement extrait des chroniques mentionnées plus haut; ce qui sautera aux yeux de quiconque voudra les lire»19. De fait, Ptolémée (ou Barthélemy) de Lucques est l’auteur d’une Historia ecclesiastica nova qui est aujourd’hui bien connue, mais dont les dix-huit manuscrits subsistants remontent presque tous au XVe siècle20. Au temps de Télesphore, l’œuvre n’était donc pas à la portée de n’importe qui. Elle n’était pas non plus un modèle de précision chronologique. Pour les pontificats du VIIIe siècle, Bernard Guenée a calculé des écarts de vingt-cinq ans avec les dates fixées par l’érudition moderne alors que Landolfo Colonna les avait réduits à moins de cinq ans21. Ptolémée de Lucques reconnaissait lui-même sa dette envers un Cusentinus qui avait compilé une vaste histoire de l’humanité partant d’Adam et s’arrêtant à Frédé17 Ibid., p. 79. 18 Quorum prophetarum et sanctorum virorum verba inseram pura fide [in] hoc libello, nichil de meo ponens, obediensque in hoc mandato angelico qui michi revelavit ut inventa in predictis scripturis aliis revelarem. Cité ibid., p. 80. 19 Omnia supradicta fideliter extracta sunt de supradictis cronicis, que patet omnibus volentibus eas videre. Édition de Venise (voir note 3), p. 29. 20 Ludwig Schmugge, Zur Überlieferung der Historia ecclesiastica nova des Tholomeus von Lucca, dans: DA 32 (1976), p. 495–545. 21 Bernard Guenée, Histoire et culture historique dans l’Occident médiéval, Paris 1980, p. 163. Landolfo Colonna (†1331) est un continuateur du Liber pontificalis.
Autour de Télesphore de Cosenza (1386)
347
ric II22. Sans doute ce nom désigne-t-il l’archevêque de Cosenza auquel Télesphore se réfère avec la plus grande révérence et qu’il salue comme un compatriote23. Mais on cherche en vain dans les fastes cusentins lequel des archevêques avait aussi été historien24. L’ermite a rendu compte de deux manières différentes de ses investigations dans les chroniques. En premier lieu, il a établi un répertoire chronologique des schismes, numérotés de 1 à 22, le vingt-deuxième étant celui dont il était le témoin. Le descriptif qu’il fait de chaque épisode est bref. Après avoir donné une date, il énumère les protagonistes – sans toujours les désigner par leur nom de pape – et il fournit parfois quelques indications sur le déroulement des événements. Mais il n’indique nullement lequel ou lesquels doivent être retenus comme «vrais papes», si ce n’est pour le 21ème schisme où Pietro da Corbara et Louis de Bavière sont respectivement traités d’antipape et d’anti-empereur. Il a en effet presque toujours réservé ses commentaires pour une deuxième partie où il envisage le problème de la résolution des conflits de manière synthétique. Examinons d’abord sa liste des schismes. Comme un passage de cette nature est sujet aux erreurs de copie, faute d’un manuscrit d’auteur et d’une édition critique du libelle, je me suis reportée à plusieurs manuscrits. J’ai utilisé le plus ancien exemplaire conservé (Paris, BnF, Lat. 3184), datable de 1396, un luxueux codex réalisé vers 1440 pour Leonello d’Este (Modène, Bibliothèque Estense, Lat. 233) – qu’on peut donc supposer avoir été réalisé avec grand soin – ainsi que l’édition de Venise de 1516. Dans le tableau cidessous, j’ai fait apparaître leurs discordances de la manière suivante: – dans les deux premières colonnes figurent les numéros et les informations fournies par le manuscrit parisien; – la troisième colonne mentionne les divergences du manuscrit de Leonello d’Este avec le premier; 22 Hoc refert Cusentinus in suis magnis Historiis quas contexuit, compositis serie multa ab Adam usque ad tempora Friderici II. Cité par Donckel, Telesforus von Cosenza (voir note 13), p. 71 n. 1, d’après l’édition de Muratori (RIS, 11, p. 1069). Dans la nouvelle édition de Ptolémée de Lucques par Ottavio Clavuot et Ludwig Schmugge, Hannover 2009 (MGH SS, 39), l’archiepiscopus Cusentinus cujus nomen ignotum cité p. 121 est identifié, dans l’index, à Romuald de Salerne (†1181) cité p. 122. 23 Télesphore cite les veras cronicas et approbatas et specialiter antistitis nostri Cusentini reverendi episcopi, verissimi antiquitatum relatoris. Édition de Venise (voir note 3), p. 28. 24 Pour Cosenza, les tablettes de Conrad Eubel (Hierarchia catholica medii aevi, t. 1, Münster 1913, p. 220) mentionnent un Opizo d’Asti qui siégea de 1224 à 1250 ou 1254, durant le règne de l’empereur Frédéric II par conséquent; mais je n’ai pas trouvé qu’il ait écrit une chronique universelle.
348
Hélène Millet
– dans la quatrième colonne, la version de l’édition de 1516 est rapportée lorsqu’elle est originale ou lorsqu’elle diverge de l’une des deux précédentes; – la date restituée par l’érudition contemporaine figure enfin dans la dernière colonne, ainsi que, s’il y a lieu, les actuelles identifications des pontifes. Paris BnF Lat. 3184 fol. 121v (1396)
Modène BE Lat. 233 fol. 49r–50r (ca 1440)
Édition de Venise p. 28 (1516)
Dates et noms actuels
1
275 Corneille vs. Novatien
idem
idem
251
2
376 Libère vs. Félix
idem
idem
355
3
388 Damase Ier vs. Ursin
idem
idem
366
4
437 Boniface Ier vs. Eulalie prêtre
Pas cité
427 Boniface Ier vs. Eulalie prêtre
418
516 Symmaque Ier vs. Laurent
498, 501
5
6
4ème schisme 516 Symmaque Ier vs. Laurent
Symmaque Ier vs. Laurent 6 ème schisme
724 Sisinus vs. Dioscore
Sisinus vs. Dioscore
724 Sisinus vs. Dioscore
530*
783 Etienne III vs. S. Vitus vs. Constantin Simile instanti scismati
783 Etienne III sanctus vir vs. Constantin II Simile instanti scismati
783 Etienne III sanctus vir vs. Constantin II Simile instanti scismati
767
8
848 Grégoire II vs. Sisinus
849 Grégoire II vs. Sisinus
849 Eugène II vs. Sisinus vs. Christophe prêtre
844? Grégoire IV vs. Sisinus = Sergius II?
9
930 Léon V vs. Christophe prêtre
980 Léon V vs. Christophe prêtre
980 Léon vs. Christophe
903
7
S. Vitus = Philippe?? ou Vigile (555)??
349
Autour de Télesphore de Cosenza (1386) Paris BnF Lat. 3184 fol. 121v (1396)
Modène BE Lat. 233 fol. 49r–50r (ca 1440)
Édition de Venise p. 28 (1516)
Dates et noms actuels
982 Jean XII noble romain vs. Léon VIII
idem
idem
963
? Gregoire V vs. Jean de Plaisance
1021 Gregoire V vs. Jean évêque de Plaisance
12ème schisme 999 Gregoire V vs. Jean évêque de Plaisance
988 Benoît V vs. Léon susdit
999 Benoît V vs. Léon
11ème schisme 1021 Benoît V vs. Léon
1036 Benoît VIII, éjecté puis restitué
idem
14
1052 Benoît IX vs. trois autres
idem
1078 au temps de Benoît IX, expulsé vs. trois élus
1045–1048 Silvestre III Grégoire VI Clément II
15
1078 Alexandre II vs. Cadule évêque Parvisiensis
1078 Alexandre II vs. Cadule évêque de Parme
1085 Alexandre II vs. Cadule évêque de Parme
1061
1085 Grégoire VII vs. archevêque de Ravenne
idem
1101 Grégoire VII vs. archevêque Cavanensis
1101 Pascal II vs. 3 prélats favorisés par l’empereur Henri
idem
1110 Gélase II vs. Burdinus espagnol
idem
1131 Innocent II vs. Pierreleoni
idem
10
11
12
13
16
17
18
19
1052 au temps de Benoît VIII, éjecté puis restitué
997 Jean XVI
964
1012 Grégoire VI
Honorius II 1080–1100 Clément III / Wibert
1110 Pascal II vs. 3 prélats de l’empereur Henri V
1100–1105
1131 idem
1118
1149 idem
Thierry Albert Silvestre IV
Grégoire VIII 1130 Anaclet II
350
Hélène Millet Paris BnF Lat. 3184 fol. 121v (1396)
Édition de Venise p. 28 (1516)
Dates et noms actuels
20
1149 Alexandre III vs. 4 schismatiques
idem
1310 idem
1159–1180 Victor IV Pascal III Calixte III Innocent III
21
? sous Louis de Bavière Jean XXII vs. Pietro da Corbara
1310 idem
1316 sous Louis de Bavière, qui fit fr. Petrus de Corbario antipape contre Jean XXII
1328
Prophetisatum a Spirito sancto pro punitione cleri et reformatione Ecclesie
idem
22
*
Modène BE Lat. 233 fol. 49r–50r (ca 1440)
Le présent schisme: peius et melius collocatum aliquo alio
Nicolas V 1378
Malgré l’erreur de près de deux siècles que cette identification entraîne, on ne peut guère avoir de doute, car Dioscore est le seul pontife à porter ce nom. Mais aucun de ses opposants ne s’appelle Sisinus. L’un d’eux, Boniface II, avait cependant un père dénommé Sigisvult (ou Sigibuld); sa désignation comme «fils de Sigisvult» est peut-être à l’origine de cet énigmatique Sisinus.
Outre les habituelles variantes sur les noms et les erreurs de copie sur les dates25, on relève des omissions, des probables sauts de ligne et des inversions, en particulier au niveau des 11ème et 12ème schismes pour lesquels les difficultés sont omniprésentes et multiples. Le manuscrit de Paris est ici déjà fautif en ce qu’il a fait précéder le schisme de Benoît V contre Léon par celui de Grégoire V contre Jean de Plaisance, commettant ainsi une erreur chronologique dont le scripteur dut avoir conscience car, pour le schisme de Grégoire V contre Jean de Plaisance, il a omis de préciser la date: le lecteur non averti ne perçoit donc pas l’inversion. À ce même niveau de la liste, le copiste de Leonello d’Este a conservé inversion et datation, ce qui met en lumière la contradiction entre les deux systèmes de repérage. Il avait d’ailleurs achoppé sur une première difficulté. Dans sa liste manque le schisme de Boniface Ier contre Eulalie, normalement classé 4ème, ce rang étant attri25 Les écarts chronologiques avec les dates actuellement retenues sont conformes à ce qu’on pouvait attendre d’un utilisateur de l’Historia ecclesiastica nova de Ptolémée de Lucques. Ils n’auraient certainement pas été aussi grands si Télesphore avait été en relations suivies avec Pierre Bohier, car ce dernier avait travaillé sur l’exemplaire jadis en la possession de Landolfo Colonna.
Autour de Télesphore de Cosenza (1386)
351
bué au suivant (Symmaque contre Laurent); puis, s’étant probablement aperçu de sa bévue mais ne voulant pas la corriger au prix d’une rature, il a sauté le numéro 5 et repris ordre et numérotation convenables pour le 6ème schisme (Sisinus contre Dioscore). L’éditeur de 1516 a dû disposer d’un manuscrit appartenant à la même famille que celui de Paris, car il a voulu en corriger l’inversion des 11ème et 12ème schismes. Mais, comme il a aussi permuté les dates, le classement est donc correct alors que la datation semble le dénoncer. Ensuite, il a constamment commis un fâcheux décalage: le 13ème schisme s’est vu attribuer la date du 14ème, et ainsi de suite jusqu’au 20ème, qui s’est dès lors trouvé rajeuni de près de deux cents ans! Le 21ème, celui de Pietro da Corbara, a quant à lui été situé à l’avènement de Jean XXII, en 1316. Mieux vaut donc ne pas se fier à l’édition pour juger de la fiabilité historique de Télesphore de Cosenza! La brève énumération des 22 schismes a une évidente fonction de mémento tandis que les considérations qui suivent cette liste répondent à de tout autres préoccupations. De l’examen des cas particuliers, l’historien veut tirer un enseignement sur «l’éclosion, le déroulement, les décisions, les négociations et la fin des schismes» et il présente ses observations comme une série de vérités d’évidence, introduites par les mots nota quod ou item26. Mais il faut d’emblée remarquer que la sècheresse des énoncés de la liste rend illusoire la possibilité de s’y reporter pour vérifier le bien-fondé des allégations. L’objectivité de la démarche ne dissimule qu’à demi le partisan. Dans les trois premiers items, Télesphore dégage des conclusions qui se veulent des règles applicables à tous les schismes: cela s’était «toujours» passé ainsi. D’abord, s’il y eut des divisions, «ce fut toujours le fait d’une machination et de l’envie des plus mauvais prêtres et du clergé, lesquels ont toujours reçu l’appui et l’aide des empereurs ou du peuple romain, à l’exception de Charlemagne et des trois premiers Ottoniens27». Après cette leçon du moraliste vient le point de vue du juriste, reposant sur deux constats: «Dans tout schisme, c’est toujours celui qui avait le droit pour lui qui est ressorti vainqueur, qu’il ait été élu en premier ou en second» et «le pape qui est apparu comme ayant le droit pour lui avait toujours 26 Ainsi commence cette seconde partie du chapitre: Circa quorum scismatum et intrusionum confectionem, processum, ordinationem, oblationem et finem ex flore supradictarum cronicarum notatum est. Édition de Venise (voir note 3), p. 28. 27 Omnia et singula intrusiones et scismata […] semper fuerunt opere, ingenio et invidia pessimorum sacerdotum et cleri Dei, sibi semper faventibus et auxiliantibus imperatoribus aut populo romano, excepto Karolo magno et tribus Octonibus primis de Sansonia. Ibid.
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été élu, ou il le fut, par la majorité des électeurs devant prendre part à l’élection»28. Q����������������������������������������������������������������������������������� uoiqu’énoncées de façon à avoir une portée générale, ces règles, on le voit, répondaient aussi à des préoccupations dictées par «le schisme présent». En 1378, les urbanistes ne reconnaissaient aucune validité à l’élection de Clément VII, par le fait même qu’elle était seconde: une circonstance qui, selon Télesphore, n’avait pas à intervenir pour dire le droit des parties, car c’était le respect des procédures électorales qui fondait la légitimité de l’élu. Or, par leur tapage et leurs menaces, les Romains avaient perturbé le déroulement du premier conclave, créant ainsi un vice de forme d’après les cardinaux électeurs. On devine donc sans mal où se trouvaient les sympathies du prophète. Celles-ci sont encore plus évidentes à la lecture des trois commentaires suivants. Ils portent sur les rôles joués par les puissances séculières. «Depuis la conversion de Constantin», déclare Télesphore, «les empereurs romains ou le peuple romain ont expulsé de Rome vingt-cinq vrais souverains pontifes»29, une affirmation étayée par une litanie de noms qui devaient être vingt-cinq à l’origine mais que l’édition de Venise a réduite à vingt par inadvertance. L’ignominie de ces Romains est encore rendue plus manifeste par la conduite exemplaire des rois de France. «Ceux qui furent témoins des événements», affirme l’historien-prophète, «n’ont jamais adhéré au parti des schismatiques mais à celui des vrais papes. Bien plus, ils ont accueilli huit des souverains pontifes qui avaient été expulsés, ils les ont reconduits et réinstallés sur leur siège»30. Et, ici encore, l’argument est étayé par une liste de noms dont la moins grande longueur a permis la stabilité. Il est enfin avéré, poursuit le prophète, que, lorsqu’elle a chancelé, «l’Église a toujours été tirée d’affaire par quelques princes séculiers, tels Charlemagne, les Otton de Saxe, le roi de France, la commune de Gênes, les Pisans et divers autres»31. La question cruciale du mode de résolution des schismes est donc d’abord abordée par le biais de la bénéfique intervention des laïcs. La voie de concile général n’est envisagée que dans un second temps. Tout d’abord, pour être catégoriquement récusée: «Jamais durant un schisme un concile général n’avait été convoqué 28 In omni scismate semper ille vicit et obtinuit qui habuit ius, sive primo sive secundo electus fuerit […]. Semper ille papa visus est habere ius qui electus fuerit vel fuit a maiori parte eligentium et habentium vocem in electione papatus. Ibid. 29 A conversione Constantini magni […], imperatores romani vel populus romanus 25 veros et summos pontifices expulerunt de Roma. Ibid. 30 Omnes reges Francie qui pro tempore fuerunt nunquam […] adheserunt scismaticis, sed semper veris pontificibus. Immo octo summos pontifices expulsos receperunt, reduxerunt et posuerunt in sede propria. Ibid. 31 Semper ecclesia erepta fuit per aliquos principes seculares, ut per Karolum magnum, Octones de Sansonia, regem Francie, Commune Janue, Pisanos et Venetos et diversos alios. Ibid.
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par l’Église». L’affirmation est ensuite tempérée par cette remarque: «Mais ceux qui furent vrais papes durant les schismes convoquèrent des conciles particuliers, en divers lieux, selon ce qui leur semblait bien». Et Télesphore de conclure: «Cependant, je n’ai pas trouvé de schisme qui ait été résorbé sans concile»32. À ce stade des commentaires, on pressent que leur auteur connaît la singulière opinion de Pierre Bohier et que, partageant ses conceptions ecclésiologiques, il tient lui aussi à réserver la dénomination de concile général aux assemblées ayant précédé la rupture avec l’Église grecque. Ne serait-ce pas d’ailleurs en référence à la pensée de Bohier qu’il croit nécessaire de positionner la sienne propre en l’introduisant par l’adverbe «cependant…» et en abandonnant son habituel mode impersonnel d’expression au profit de la première personne: «je n’ai pas trouvé»? Il manifeste ainsi une certaine prudence, se gardant bien de dire «jamais». Il reprend d’ailleurs la même expression «j’ai trouvé» pour évoquer un cas très particulier, fort peu canonique, qui rend précisément boiteuse sa précédente affirmation. «Le concile33 convoqué par l’empereur Henri III, au temps de Grégoire VI et de Clément II, s’était réuni sans qu’aient été appelés ni le pape ni les cardinaux parce qu’ils étaient en désaccord». Pourtant, précise Télesphore, «les décisions qu’on y prit furent considérées comme valables et appliquées dans l’Église, malgré l’absence du pape et des cardinaux»34. Il y avait certes de l’audace à regarder un tel précédent comme une assemblée d’Église, mais le propos est aussi en parfaite cohérence avec l’hommage qui venait d’être rendu aux actions de certains princes laïcs. On peut même aujourd’hui lui reconnaître une saveur prophétique quand on songe à la manière dont furent conviés les conciles de Pise et de Constance! Pour énoncer les deux propositions sur lesquelles s’achèvent ses commentaires, Télesphore est retourné au mode impersonnel. Il veut, pour finir, mettre en valeur des situations singulières. Ce sont des sortes de «nota bene»35. Le fait que, à cinq reprises, des «intrus» ont régné sans qu’il y ait pour autant un schisme semble laisser l’historien perplexe; mais il n’en tire pas de conséquence et laisse ouverte 32 Nunquam infra scismate per ecclesiam generale concilium fuit vocatum. Sed illi qui fuerunt in scismatibus veri pontifices vocaverunt singularia concilia in diversis locis prout videbatur eis expedire. Tamen non reperio aliquod scisma sine aliquo concilio fuisse ablatum. Ibid. 33 L’édition de Venise et le manuscrit d’Este accolent ici l’étiquette «général» au mot «concile». Copistes et lecteurs n’ont donc pas toujours perçus la finesse ecclésiologique du raisonnement de Télesphore et ce qu’il signifiait de respect vis-à-vis des Orientaux. 34 Item, reperio quod, tempore Gregorii VI et Clementis II […], Henricus imperator secundus convocavit et congregavit concilium generale, non vocato papa vel cardinalibus, quia erant discordes. Et quod ibi ordinatum fuit valuit et servatum est in ecclesia, non obstante absentia pape et cardinalium. Édition de Venise (voir note 3), p. 28–29. 35 Elles commencent par les mots: Notandum est quod […]. Ibid., p. 29.
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la réflexion36. Sa dernière remarque en revanche ressemble fort à une invitation lancée aux belligérants de son époque à suivre deux beaux exemples de volonté pacificatrice. «Plein de doutes sur la validité de son élection, le pape Léon IX a renoncé à la papauté, mais les cardinaux reconnaissant là sa bonté l’ont réélu. Et la même chose est arrivée pour Honorius II, natif de Bologne»37.
III. La postérité de Télesphore de Cosenza Tel qu’il a été établi par Emil Donckel en 1933, le décompte des manuscrits et des éditions qui ont fait connaître le libelle de Télesphore de Cosenza est éloquent. Trente-deux copies ont pu être recensées, dont une traduction en français, sans compter treize manuscrits ne comportant que des extraits, dont deux donnent des traductions en allemand et un en français. Tous ces exemplaires, à quelques exceptions, ont été réalisés dans le courant du XVe siècle. L’œuvre a été imprimée à Venise deux fois, à deux années d’intervalle, en 1516 puis 1518. D’une édition réalisée à Cologne, il n’a pas été conservé d’exemplaire. À Paris, Rouen et Lyon, c’est une version française qui est sortie des presses dans le courant du XVIe siècle. Tout cela suffit amplement pour parler d’un grand succès. À qui objecterait que le libelle a pu être possédé et conservé comme une curiosité à cause de ses belles images, on peut apporter maints témoignages montrant qu’il a également été lu et discuté. Le plus évident signe de cette réussite et de sa propagation dans les milieux universitaires est la réplique qu’un théologien urbaniste, ancien professeur à l’université de Paris ayant émigré à Vienne, avait cru devoir lui donner: les «invectives» d’Henri de Langenstein contre «l’ermite vaticinant sur la fin des temps dénommé Télesphore» sont parues en 139238. Toutefois, l’éminent docteur s’insurgeait surtout contre la prétention du prophète à savoir quand viendrait l’Antéchrist annonciateur de la Parousie; il contestait la validité 36 Item notandum est quod [quinque] intrusi in sede apostolica et tenentes papatum iniuste suis temporibus regnaverunt sine scismate. 37 Item notandum est quod Leo papa IX dubitans ne eius electio esset bona renunciavit papatum, tamen cardinales videntes eius bonitatem reelegerunt ipsum. Et idem contigit de Honorio II nato Bononie. Ibid. 38 Le pamphlet de Henri de Langenstein a été édité sous le titre Invectiva contra quemdam eremitam de ultimis temporibus vaticinantem nomine Telesphorum par Hieronymus Pez, Thesaurus anecdotorum novissimus, t. 1, Augsbourg 1721, col. 505–564. Voir André Vauchez, Les théologiens face aux prophéties à l’époque des papes d’Avignon et du Grand Schisme, dans: Les textes prophétiques et la prophétie en Occident (XIIe–XVIe siècle), Rome 1990, p. 577–588 (Tirage-à-part de MEFRM 102 [1990], p. 287–298).
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de ses prédictions sur l’avenir de l’Église, non celle de ses recherches sur le passé. À cet égard, sa seule objection visait la prétendue clairvoyance des rois de France qui leur permettait, lors d’un schisme, de toujours embrasser le parti du vrai pape39. L’argument, il est vrai, avait fait florès et, emprunté directement à Télesphore ou revêtu de l’habit d’un aphorisme prêté à saint Jérôme et à d’autres autorités – sola Gallia monstra caruit – il a souvent été brandi pour défendre les positions de la royauté française, quelles qu’elles aient pu être40. Dans la décennie suivant la publication du libelle, il s’est trouvé beaucoup de bons esprits pour encourager Charles VI à intervenir dans les affaires de l’Église. Si, dans la formation de ce courant de pensée, il est difficile d’évaluer l’influence de la grande fresque prophétique de Télesphore conduisant à Jérusalem le roi Charles, fils de Charles, devenu empereur pour y être couronné d’épines, deux ouvrages au moins se signalent par une certaine proximité dans l’inspiration. Celui d’un dominicain anonyme, très proche de Pierre Bohier, paru en 1388 fait une grande place à l’histoire dans ses développements ecclésiologiques et manifeste la même volonté d’inclure l’orthodoxie grecque dans l’universalité de l’Église41. Quant au premier traité Ihesus Dei filius benedictus de Bernard Alaman, évêque de Condom en Gascogne, il invite à lire dans les tribulations présentes les signes avant-coureurs de la fin des temps42. Longtemps tenu pour confus par les érudits, il a bénéficié d’une récente édition électronique par Hugues Labarthe43. L’évêque avait aussi des attaches dans ce même milieu d’ermites et de réformateurs à la spiritualité exigeante44. Mais le 39 ��������������������������������������������������������������������������������������� Q�������������������������������������������������������������������������������������� uoique son propos ait évidemment visé le roi de France, Henri de Langenstein avait apporté une réfutation sur un plan général: il ne croyait vraiment pas qu’une principauté ou un royaume ait pu ne jamais avoir failli au cours d’un schisme. 40 Sur l’usage d’un tel argument par Pierre d’Ailly et ses amis, voir Bernard Guenée, Entre l’Église et l’État. Quatre vies de prélats français à la fin du Moyen Âge, Paris 1987, p. 175. 41 Sur cet ouvrage, voir Richard Scholz, Eine Geschichte und Kritik der Kirchenverfassung vom Jahre 1406, dans: Papsttum und Kaisertum, Paul Kehr zum 65. Geburtstag, Munich 1926, p. 595–621; Hélène Millet, Le Liber dialogorum hierarchie subcoelestis (1388), dans: Vaticana et medievalia. Études en l’honneur de Louis Duval-Arnould, Jean-Marie Martin, Bernadette Martin-Hisard et al. dir., Florence 2008, p. 367–394. 42 Dans le manuscrit déjà cité de Simon du Bosc (Rouen 1355: voir note 12), on remarque que les traités de Bernard Alaman (fol. 134r–168v) et de Pierre Bohier (fol. 170r–171v) encadrent une liste des schismes de Télesphore (fol. 169r–169v). 43 Obediences.net > Ecrits e 411; mis en ligne le 01 février 2006. URL: http://obediences. net/repformschismresearch.php?id_ecrit=411. 44 Hélène Millet, Un réseau international d’ermites et de réformateurs en quête d’une nouvelle spiritualité dans la seconde moitié du XIVe siècle, dans: La circulation des élites européennes. Entre histoire des idées et histoire sociale, Henri Bresc, Fabrice D’Almeida et al. dir., Paris 2002, p.100–122.
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chapitre 10 du traité comporte un récit des schismes qui ne doit rien à celui de Télesphore. Docteur en droit canonique, Alaman avait pris la plume en 1393 pour montrer dans quel péril se trouvaient les schismatiques séparés de la communion de l’Église45. Convaincu du bon droit d’Urbain VI mais fidèle au roi de France, Bernard Alaman avait gardé ses convictions pour lui, mais il est clair que, dans son esprit, les schismatiques en question étaient les clémentins. Il pressait Charles VI de travailler à ramener les papes sur le chemin de l’unité. Car «le Christ n’avait pas donné les clés de l’Église à un homme seul, mais à l’unité» et, «hors de l’unité de l’Église, il n’y a point de clés». Bien que, «là où il s’agit de la vérité de la foi, le synode de l’universelle Eglise soit supérieur au pape», comme «le pape est vicaire de Jésus-Christ et successeur de Pierre», il avait consacré un long développement aux conditions à la fois juridique et historique de la succession à ce pouvoir vicarial46. Dans ce passage, l’évêque délaisse ses sources habituelles – les Pères de l’Église et surtout saint Augustin – pour emprunter au Décret, aux décrétales, aux chroniques (sans autre précision) et au Speculum historiale de Vincent de Beauvais presque toute la matière de sa narration. En retraçant les difficultés successorales, il signale à la faveur de quelles circonstances la législation canonique fut amendée: il offre ainsi à son lecteur une remarquable leçon de droit. Ses points de repère chronologiques ne sont jamais datés par l’année de l’incarnation; il se contente d’indiquer le rang du pape dans la série par rapport à tel ou tel autre pontife. Il n’a pas non plus le souci de numéroter les perturbations et, quoique sans le dire explicitement, il semble établir une distinction entre les conflits ayant entraîné un schisme et ceux qui n’opposèrent que des antipapes. Chemin faisant, il signale d’ailleurs d’autres irrégularités commises par des «usurpateurs» (invasores) comme l’usage de la violence, de l’argent ou de la magie pour se hisser sur le trône de Pierre, et il parle du «schisme des donatistes», lequel portait sur des questions de foi sans qu’il y ait eu contestation sur la personne du pape. Sa vision des faits ne se laisse donc pas aisément réduire à un tableau et la simple comptabilité des termes «schisme» et «antipape» négligerait des épisodes ou des pontifes qu’il considérait assurément comme tels. À titre d’exemple, je citerai simplement le pas45 Voir Hugues Labarthe, Bernard Alaman, un évêque lecteur de saint Augustin en vue de résoudre le Grand Schisme d’Occident, dans: RevMab, ns 18 (2007), p. 193–216. 46 Les quatre citations sont empruntées au chapitre 10: Claves Ecclesie per Christum tradite fuerunt non homini uni sed unitati […]. Extra unitatem Ecclesie non sunt claves […]. Est vicarius Ihesu Christi successor Petri […]. Ubi de veritate fidei agitur tunc synodus universalis Ecclesie maior est papa. URL: http://obediences.net/index.php?nompage=interventions& TEI=411&partie=12 (accès: 02.04.2012).
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sage où il rend compte du schisme de Novatien: «Ainsi a cru l’ambition. Si bien que, au temps de Corneille qui fut le cinquième pape après Urbain, Novatien a fait un schisme, comme on le voit dans les chroniques et les canons Factus est Cornelius et Novatianus (q. 7, c. 1); il ressemble beaucoup au cas dont il s’agit à présent»47. S’il en était besoin, cette dernière remarque achèverait de nous persuader que Bernard Alaman avait travaillé indépendamment de Télesphore. Aux yeux de l’ermite en effet, ce n’était pas le schisme de Novatien mais celui de Constantin contre Étienne III qui était le plus comparable à celui de son temps. Cette assertion, qui accompagne le descriptif du 7ème schisme dans la liste du libelle (voir le tableau des 22 schismes p. 348), peut d’ailleurs faire office d’estampille lorsqu’on se trouve en présence de pareil document sans que rien ne le rattache au libelle ou à son auteur. Lorsqu’on le rencontre dans un codex, un tel catalogue, même s’il comporte 22 schismes, ne saurait en effet être automatiquement attribué à Télesphore, car on ne peut écarter l’éventualité qu’un autre lecteur de Ptolémée de Lucques ne fût arrivé de lui-même à semblable résultat. Dans quelques manuscrits, les commentaires – ou au moins certains d’entre eux – trahissent la provenance de la liste. Mais un lecteur seulement soucieux de se constituer un mémento n’avait cure de les copier. C’est pourquoi la liste des 22 schismes de Télesphore a connu une diffusion autonome, sans que rien ne permette d’identifier son auteur, si ce n’est le jugement accolé au 7ème schisme48. Devenu anonyme, l’extrait a fait une superbe carrière. C’est du moins ce qui ressort de deux séries de faits. D’une part, le chiffre de 22 schismes a été souvent évoqué dans le cours des débats et des polémiques de manière allusive, comme s’il s’agissait d’une évidence historique. D’autre part, en tant que mémento, la liste a été l’objet d’une utilisation banalisée, dont je connais deux exemples particulièrement édifiants. Le premier dort paisiblement dans les dossiers de travail du cardinal Martin de Zalba (†1403)49. Des notes prises sur trois feuillets se présentent comme le résultat d’un travail de recherche original intitulé: «Sur les schismes». Il commence 47 Et sic crevit ambitio, ita ut tempore Cornelii qui fuit quintus ab Urbano, Novacianus scisma fecit ut patet in cronicis et vii q. i Factus est Cornelius et c. Novatianus. Que multum facere videntur ad casum de quo agitur de presenti. Ibid. 48 Sur la diffusion autonome de la liste, voir Hélène Millet, Écoute et usage des prophéties par les prélats pendant le Grand Schisme d’Occident, dans: Les textes prophétiques et la prophétie en Occident (XIIe–XVIe siècle), Rome 1990, p. 425–455 (Tirage-à-part de MEFRM 102 [1990], p. 291–683; article réédité dans: Ead., L’Église du Grand Schisme 1378–1417, Paris 2009, p. 220–242, ici p. 232–236). 49 Archivio Segreto Vaticano (= ASV), Arm. LIV, t. 22, fol. 10r–13r. C’est ce document qui me fit découvrir que la liste de Télesphore avait circulé de manière autonome.
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par l’énumération des sources où l’homme est allé puiser: «Trouvés dans diverses chroniques, de Paul diacre, de Martin, du cardinal, du Cusentin et dans l’Historia ecclesiastica nova de Ptolémée»50. Suivent vingt-deux paragraphes, soigneusement numérotés, qui reprennent chacun des 22 schismes identifiés par l’historien-prophète mais qui agrémentent leur description de détails complémentaires. Parvenu au septième, celui qu’il faut bien nommer un plagiaire a repris la formule de l’ermite, en la transformant légèrement: «ce qui s’est passé ne s’est jamais mieux reproduit que dans le schisme présent»51. Les commentaires ont également été étoffés, multipliés et parfois légèrement modifiés. Mais de Télesphore, il n’est aucunement question. Il n’en est pas davantage question dans le réemploi pur et simple qu’en a fait une sommité intellectuelle et ecclésiastique, le cardinal Pierre d’Ailly, dans son De concordia astronomice veritatis et narrationis historice, fini de rédiger à Bâle en mai 1414 et diffusé durant le concile de Constance52. Au chapitre 58 intitulé «Des vingt-deux schismes de l’Église», on peut lire en effet une copie simplifiée, débarrassée de ses dates, de la liste élaborée par l’ermite, car elle porte sa marque de fabrique au 7ème schisme53. Les commentaires ont également été supprimés au profit de considérations sur le «Grand Schisme de l’Église» formant le chapitre 5954. Le cardinal y expose ses craintes. Le concile va-t-il enfin venir à bout du «monstre», 50 Reperta ex diversis cronicis Pauli diaconi, Martini / cardinalis, Cusentini, et Istorie ecclesiastice nove Tolomei. La ponctuation originale et le saut de ligne laissent penser que «cardinal» est un surnom donné à l’un des chroniqueurs, mais je n’ai pas su l’identifier. Quant au «Cusentin», on a vu plus haut (voir note 24) que l’adjectif désignait un archevêque de Cosenza dont la chronique n’a pas été retrouvée. 51 Gesta istorum magis assimilantur presenti scismati quam alia. ASV, Arm. LIV, t. 22, fol. 10v. 52 Le traité a été édité avec deux autres ouvrages de Pierre d’Ailly sur le même sujet par Erhardt Ratdolt, Augsbourg 1490. 53 Septimum inter Stephanum tertium et Constantinum, quod scisma, si bene consideretur, multum simile presenti scismati reperitur. Ibid., chapitre 58, sans pagination. 54 De magno ecclesie scismate. Ibid., chapitre 59, sans pagination. Ce qui suit est une citation libre de ce chapitre: Ad huius exterminationem scismatis sepe et multum multifarie multisque modis laboratum est […] nec tamen adhuc istud monstrum extirpari voluit. ��������������� Q�������������� uapropter iterum decretum hoc anno sacrum concilium congregandum in civitate Constanciensi […]. Et nihilominus secundum aliquos astronomos prenosticatum est ex figura celi anni presentis quod retrogradatio Jovis in principio anni in prima domo significat destructionem religionis, et pacem in ecclesia adhuc non firmari. Sed Deus poterit adhiberi remedium alioquin formidandum est ne istud sit illud magnum scisma quod debet esse preambulum adventus Antechristi, de quo multa scripserunt sancta Hildegardis et venerabilis abbas Joachim et quidam alii […]. De quo scismate apostolus Paulus dicit Antechristum non esse venturum nisi venerit discessio primum etc. Exponunt sapientes de discessione, id est scismatica divisione vel subtractione obediencie romane ecclesie seu romani imperii.
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alors que les astronomes pronostiquent «la destruction de la religion» pour l’année à venir? Si Dieu n’y met bon ordre, ce pourrait être «ce grand schisme qui doit précéder la venue de l’Antéchrist» et dont parlent sainte Hildegarde et Joachim de Flore, ainsi que saint Paul55. Gageons qu’Henri de Langenstein a dû frémir dans sa tombe! Dans la suite du XVe siècle, la succession des schismes a continué à faire travailler les clercs, avec comme premier résultat de modifier leur quantité: ce n’était pas vint-deux mais plutôt vingt-quatre ou vingt-cinq schismes qui étaient survenus. Les corrections qui permettent d’atteindre ces nombres varient d’un auteur à l’autre et elles apportent également leur lot de nouvelles erreurs. Témoin en est la liste qui termine, dans certains manuscrits, une continuation du Liber pontificalis comportant un récit du Grand Schisme et une vie de Martin V (1417–1431): constituée de 25 alinéas, elle commence en inversant les premier et second épisodes56. Comme au siècle précédent, les grandes tribulations qui ont encore secoué l’Église sont à l’origine de l’intérêt soutenu porté au sujet. Parmi tous ceux qui l’ont traité, deux auteurs se signalent à notre attention par le fait qu’ils ont transformé en ouvrage ce qui n’était auparavant qu’un passage dans un livre ou bien une liste tenant sur une feuille volante. Contemporain de Félix V (1439–1449), le pape que s’était donné le concile de Bâle, Thomas Ebendorfer a rédigé entre 1451 et 1458 un Tractatus de schismatibus qui a été édité par Harald Zimmermann en 200457. Quant au Traicté de la différence des schismes et des conciles de l’Église de Jean Lemaire de Belges, il a paru en 1511, à la veille de la réunion de «l’anticoncile» de Pise suscité par le roi Louis XII contre le pape Jules II, et il a été ré édité en 1997 par Jennifer Britnell58. Signe de l’évolution des temps: Ebendorfer était un éminent théologien qui prit part au concile de Bâle en tant que délégué de l’université de Vienne, tandis que Lemaire de Belges mena une vie d’homme de lettres et d’historiographe au service des princes et il écrivit en français. Le traité de Thomas Ebendorfer n’est connu que par un seul exemplaire, autographe: l’auteur ne souhaitait probablement pas le diffuser. Le début en est du 55 II Thessaloniciens (2, 3). 56 Louis Duchesne, Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaires, 2 vol., Rome 1886–1892 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome), t. 2, p. 542–543. 57 Thomas Ebendorfer (1388–1464), Tractatus de schismatibus, Harald Zimmermann éd., Hanovre 2004 (MGH SRG in us. schol., ns 20). 58 Jean Lemaire de Belges, Traicté de la différence des schismes et des conciles de l’Église, avec l’Histoire du Prince Sophy et autres œuvres, Jennifer Britnell éd., Genève 1997 (Textes littéraires français, 484).
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reste assez confus et sa numérotation des schismes a du mal à se mettre en place; il avait fini par affecter le 24ème rang au schisme de 1378. Le savant théologien avait consulté de nombreuses sources, à commencer par la chronique d’Andreas von Regensburg, et on conçoit parfaitement qu’il ait eu du mal à introduire de l’ordre dans toutes ces informations discordantes. Il avait également prêté attention à la littérature prophétique et il cite en particulier les Vaticinia de summis pontificibus. Même s’il commence par parler de lui comme d’un quidam, à la manière de son lointain collègue Henri de Langenstein, il connaissait aussi fort bien Télesphore de Cosenza. Mais après l’avoir suivi d’assez près, il le critique ouvertement – d’ailleurs pas toujours à bon escient – et il se gausse des prétentions prophétiques d’un homme qui n’avait pas su lire le passé correctement59. L’œuvre de Jean Lemaire des Belges est d’une tout autre ampleur et elle connut un vrai succès, attesté par dix-neuf éditions entre 1511 et 1549, et neuf autres encore entre 1532 et 1546, avec un nouveau titre: Le promptuaire des conciles. Il n’est pas sûr que l’historiographe du roi ait répondu à une commande de Louis XII, mais il est certain qu’il s’était livré à fond dans la bataille et qu’il y perdit sa situation. Il définit ainsi lui-même son propos: «affin de montrer apertement dont procede la racine et fundation de l’orgueil des ministres de l’Eglise rommaine, et que ce n’est pas de maintenant que telz choses adviennent, et oultreplus que cecy designe et prenosticque le futur tresgrand xxiiiie scisme en l’Eglise catholicque et universelle […], on pourra entendre et goûter les choses qui s’ensuivent»60. Davantage polémiste qu’historien, Lemaire n’a pas fait preuve d’un esprit critique remarquable et il s’est noyé dans toutes les sources qu’il avait à sa disposition et qu’il s’est le plus souvent dispensé de citer. Lui aussi connaissait Télesphore de Cosenza; il en était tellement tributaire qu’il en resta à son nombre de 22 schismes61. Il se contenta d’ajouter un 23ème, celui de Félix V, et de prédire l’ouverture d’un 24ème, très redoutable, annoncé par saint Paul et quantité de prophètes. ***
59 Sed mirum quod is, qui se prophecie spiritu dotatum gloriabatur, plurima non vidit. Mais c’est lui, Ebendorfer qui ne fait qu’un seul schisme (son 14ème), là où Télesphore en a vu deux (ses 10ème et 11ème schismes). Thomas Ebendorfer, Zimmermann éd. (voir note 57), p. 29. 60 Lemaire de Belges, Britnell éd. (voir note 58), p. 94. 61 Dans son livre, Jennifer Britnell (voir note 58) signale des emprunts à Aytinger, Foresti ou Lichtenberger, mais ces derniers m’ont fort souvent paru dépendre de Télesphore. Il aurait fallu pour s’en convaincre disposer, pour chacun de ces auteurs, de travaux comparables au sien.
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Que retenir au terme de ce trop rapide parcours parmi les œuvres de nos lointains prédécesseurs? Nous retrouvons chez eux une démarche que nous connaissons bien: après un temps de recherche plus ou moins laborieux dans les sources, mettre en ordre ses observations pour en tirer des conclusions. Mais cette pratique que nous exerçons comme un métier, ils l’ont développée au service d’un engagement hautement proclamé, tandis que la militance est aujourd’hui regardée avec méfiance. Le clivage est pour nous devenu très net entre un passé objet de science et un avenir à modeler avec foi. Nos devanciers se pensaient embarqués dans une aventure qui avait un début et une fin, également marqués par le sceau de la révélation divine. Leur usage des textes prophétiques est à cet égard très éclairant. À l’exception de Pierre Bohier, ils ont scruté ce qui était révolu pour mieux prévenir de ce qui allait advenir. Le dernier schisme se vivait dans la crainte de la fin des temps ou, lorsqu’il était dans les mémoires, il préfigurait le suivant. Le processus d’érection de la matière événementielle luxuriante en champ d’études ordonné est également très remarquable. La clarté avec laquelle Télesphore de Cosenza a su traiter ce sujet complexe explique pour une bonne part son étonnante réception; il a formulé des règles simples, adossées sur un passé qui paraissait si bien maîtrisé qu’il leur conférait une autorité difficilement contestable. Son format de lecture en 22 schismes a gommé les approximations et figé les erreurs en certitudes. Possible conséquence de la condamnation du prophète – et non de l’historien – par Henri de Langenstein, sa liste s’est diffusée dans l’anonymat et, dissociée de ses commentaires, elle a exercé une durable emprise sur les esprits. Toutefois, nos devanciers n’ont pas défini ce sujet de l’exacte manière où il nous a été proposé. Alors que nous avons été invités à travailler sur les antipapes et à laisser de côté les schismes doctrinaux, ils n’ont parlé de schismes que là où ils voyaient des antipapes. S’ils ont ainsi monopolisé leur attention sur les querelles successorales pour accéder à la dignité de pape, c’est que, plus ou moins inconsciemment – mais assurément en toute connaissance de causes pour Pierre Bohier – leur façon de penser l’Église universelle était réduite aux dimensions du patriarcat latin. Dans ce cadre, l’exaltation du pouvoir des clés remises à Pierre avait eu pour conséquence de dramatiser une rupture dans la continuité de sa transmission; savoir qui était le «vrai pape» était conçu comme une nécessité de salut. C’est pourquoi, chez certains des contemporains du schisme de 1378, la durée et la violence du conflit, la situation d’équilibre entre les obédiences et la multiplication du nombre des prétendants à la tiare ont engendré un état de grande tension mo-
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rale et psychologique. L’incertitude fut ressentie comme insupportable. Elle l’est encore pour beaucoup. Rien ne manifeste mieux l’espèce de fascination suscitée par la lignée des papes que les vicissitudes séculaires de l’élaboration des Vaticinia de summis pontificibus62. Tout en paraissant immuable, ce livret d’images assorties d’oracles énigmatiques, où chaque planche figure un pape, a fait une place croissante aux spéculations sur le schisme annonciateur de la fin des temps; une place aussi au personnage de l’antipape. Dans la série Ascende calve, parue avant 1350, sur la 9ème planche représentant Jean XXII, Nicolas V est aussi dessiné, sous la forme d’un avorton tiaré, nanti d’une queue recourbée et d’ailes de chauve-souris (voir fig. 3, p. 427). Et sur la 15ème, qui a précisément coïncidé avec l’élection d’Urbain VI, la place est entièrement occupée par un animal du même type, à tête d’homme: la menace de schisme s’est incarnée dans un pape! À l’époque du concile de Constance, la série a été prolongée de quinze autres planches reprenant d’antiques oracles légèrement remaniés pour s’adapter à la lignée urbaniste et à sa suite pisane: la volonté de légitimation d’un parti est ici plus que manifeste et le dernier pape de la série dépose sa tiare sur la tête humaine d’un animal hybride… . D’aucuns y ont vu la prédiction du schisme protestant, doctrinal et ecclésiologique assurément, mais fort peu pontifical.
62 Voir Hélène Millet, Il libro delle immagini dei papi. Storia di un testo profetico medievale, Rome 2002; édition française: Les successeurs du pape aux ours. Histoire d’un livre prophétique médiéval illustré, Turnhout 2004; voir la reproduction d’un manuscrit entier p. 13–42.
Heiligsprechungen im Schisma Chancen und Grenzen eines Mittels der Obödienzfestigung Otfried Krafft* Es war eine Innovation des ausgehenden 10. Jahrhunderts, dass neue Heilige auch durch Päpste anerkannt wurden. In den folgenden Jahrhunderten nahm die Zahl solcher Kanonisationen allmählich zu, doch Beispiele, die unter den Bedingungen eines Papstschismas stattfanden, gab es erst seit dem späten 11. Jahrhundert. Da das Wibertinische Schisma in anderen Beiträgen des vorliegenden Bandes eigens betrachtet wird, beginnt diese Untersuchung mit den Heiligsprechungen des Jahres 1131. Darauf werden die Fälle vom Beginn des Alexandrinischen Schismas und aus dem Großen Abendländischen Schisma behandelt. Bei allen Längs- oder Quervergleichen, die dabei zu unternehmen sind, ist der Hinweis nötig, dass es sich um Momentaufnahmen aus höchst unterschiedlichen Entwicklungsphasen der päpstlichen Kanonisation handelt: Was im 12. Jahrhundert eine im Ausbau begriffene Praxis war, die konkurrierend auch von Bischöfen und Synoden ausgeübt wurde, galt Ende des 14. Jahrhunderts als unumstrittenes Reservat des römischen Pontifex, das nach verfestigten Normen ausgeübt wurde. Dennoch lassen sich die angestrebten und realisierten päpstlichen Kanonisationen in den erwähnten Zeiten des Schismas, ihr Erfolg oder Scheitern und bestimmte Aspekte der Wirkung durchaus vergleichen, da sich dabei immer auch Verbindungen zu den Fragen der Festigung der Obödienzen ergaben.
I. Innocentianisches und Alexandrinisches Schisma 1. Die frühen Kanonisationen Innocenz’ II. (1131 und 1135) Die beiden frühesten Heiligsprechungen durch Innocenz II. fanden im Jahr nach seiner Wahl statt. Bekannt ist der Fall Godehards, des einstigen Abtes von Niederaltaich, Tegernsee, Hersfeld und späteren Bischofs von Hildesheim. Ein Translationsbericht erwähnt, dass seine Kanonisation wegen der großen Entfernung nach * Aufgrund der beibehaltenen Vortragsform werden die Verweise auf Darstellungen knapp gehalten. – Mein besonderer Dank gebührt Brigitte Hotz.
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Rom so lange unterblieben sei, bis ein Papst in der Nähe erschien1. Die Petition erfolgte bei einer Synode in Lüttich vom 22. März bis 2. April 11312, als Innocenz II., König Lothar III. und zahlreiche Teilnehmer über das im Februar 1130 entstandene Schisma berieten. Dabei trug Bischof Bernhard von Hildesheim den Wunsch vor, Godehard kanonisieren zu lassen, und verlas dessen Vita im Plenum. Innocenz versprach eine baldige Entscheidung, und beim folgenden Konzil von Reims3 sprach er mit Rat der Kardinäle im Oktober 1131 Godehard heilig. Dabei war Norbert von Xanten4 der maßgebliche Unterstützer, wie der Bericht hervorhob5. Auch wenn die Obödienzerklärung Lothars III. bereits im Oktober 1130 erfolgt war6, so rückte der Translationsbericht die Diskussion über Godehard und über das Schisma aneinander: Ausdrücklich genannt wurde die Beteiligung Norberts von Xanten7, dessen Einfluss auf Lothar in der Schismafrage bedeutsam war. Zudem verwies Innocenz darauf, dass die deutschen Fürsten ihm die Sache Godehards hinreichend dargelegt hätten, weswegen die Vernehmung von Zeugen nicht notwendig sei. Schließlich fällt auf, dass Godehards Kult nach 1131 rasch und breit auflebte, vor allem in Mitteleuropa, ohne dass dies von Hildesheim ausging8. Damit wurde erstmals eine allgemeine Wirkung erreicht, die auch in den nächsten Jahrhunderten bei erfolgreicheren Heiligsprechungen eintrat. Der Ablauf des Verfahrens spricht ebenso wie der Unterstützerkreis dieser Kanonisation und ihre Wirkkraft dafür, dass der Erfolg in dieser Frage mit der Obö-
1 Translatio Godehardi episcopi Hildesheimensis, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 12, Hannover 1856, S. 639–652, hier S. 641. 2 RI IV/1/1, Nr. 266. 3 RI IV/1/1, Nr. 288 (18. Oktober–5. November 1131). 4 Norbert kam am 26. Oktober an, die Littera zur Heiligsprechung stammt vom 29. Oktober ( JL 7496); vgl. Otfried Krafft, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zur Reformation. Ein Handbuch, Köln, Weimar u. a. 2005 (ADipl, Beih. 9), S. 80–85; Wilfried Marcel Grauwen, Norbert, Erzbischof von Magdeburg (1126–1134), Duisburg 21986, S. 331. 5 Translatio (wie Anm. 1), S. 642. 6 RI IV/1/1, Nr. 252. 7 Grauwen, Norbert (wie Anm. 4), S. 337f., zweifelt am Engagement Norberts für die Heiligsprechung, wogegen aber spricht, dass dieser 1131 oft mit Bernhard von Hildesheim auftrat; vgl. ebd., S. 330. 8 Dies betont Jürgen Petersohn, Der südliche Ostseeraum im politisch-kirchlichen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhundert, Köln, Wien 1979 (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart, 17), S. 145–152.
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dienzfestigung Innocenz’ II. zusammenhing9. Der Eindruck verstärkt sich, zieht man einen selten beachteten Vergleichsfall hinzu. Innocenz erkannte gleichfalls 1131 einen weiteren Heiligen an, den lothringischen Klosterreformer Gerhard von Brogne10. Nur eine Urkunde des Bischofs Alexander von Lüttich berichtet von der Reliquienerhebung Gerhards als Anlass einer Schenkung durch Graf Gottfried von Namur11. Alexander handelte dabei explizit als Delegat aufgrund von Mandaten des Papstes Innocenz12. So belegt seine Urkunde, dass die Kanonisation oder – in damaliger Terminologie nicht eindeutig davon unterschieden – Q����������������� uellen die päpstdie Reliquientranslatio delegiert wurde13, während die übrigen������������������� liche Beteiligung für nicht erwähnenswert hielten14. Die beiden Kanonisationen, die Innocenz II. 1131 vornahm, wurden erst durch seinen Aufenthalt im Reich möglich, und sie waren eindeutig Gunsterweise an die dortigen Bischöfe und Fürsten, die ihn im Schisma unterstützten. Ähnliches scheint für seine dritte Heiligsprechung zu gelten, die 1135 nach dem Konzil von Pisa erfolgte: Mit Bischof Hugo von Grenoble (†1132) wurde auf Wunsch der Kartäuser der Förderer eines Ordens kanonisiert15, der Innocenz auf Betrei9 So auch Pier Fausto Palumbo, Lo scisma del MCXXX. I precedenti, la vicenda Romana e le ripercussioni europee della lotta tra Anacleto e Innocenzo II, Rom 1942 (Miscellanea della R. deputazione Romana di storia patria, [13]), S. 412. 10 Vgl. dazu Daniel Misonne, Gérard de Brogne. Moine et réformateur (†959), in: RevBén 111 (2001), S. 25–49, hier S. 44 (Bibliographie S. 46–49); Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 85; S. Couneson, La canonisation de S. Gérard de Brogne en 1131, in: Revue liturgique et monastique 12 (1931), S. 298–302. 11 Ed.: Léopold Genicot, L’économie rurale namuroise au Bas Moyen Âge (1199–1429), Bd. 3: Les hommes – le commun, Louvain-la-Neuve, Brüssel 1982 (Recueil de travaux d’histoire et de philologie, Ser. 6, 25), S. 370–373 (1131, kein Tagesdatum); zu dem Stück vgl. Jean-Louis Kupper, La charte du comte Henri de Namur pour l’église de Brogne (1154). Étude critique, in: RevBén 95 (1985), S. 293–310, hier S. 302 Anm. 40. 12 Es heißt dort: […] ego Alexander, Dei gratia Leodiensis episcopus […] divina revelatione et preceptis salutaribus monitus, nec non et mandatis domini pape Innocentii, qui et Gregorius fuit, delegatus, hac in die recolo sacrosancti corporis attolentiam. Ed.: Genicot, Économie (wie Anm. 11), S. 370. 13 Vgl. grundsätzlich dazu Jürgen Petersohn, Die päpstliche Kanonisationsdelegation des 11. und 12. Jahrhunderts und die Heiligsprechung Karls des Großen, in: Stephan Kuttner (Hg.), Proceedings of the fourth international congress of medieval canon law, Toronto 21.–25. August 1972, Città del Vaticano 1975 (MIC, Ser. C, Subsidia, 5), S. 163– 206. 14 So etwa die Fortsetzung der Annales Laubienses ad a. 1131, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS, 4, Hannover 1841, S. 22. 15 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 86f.
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ben des Kanzlers Haimerich schon früh unterstützt hatte16. Diese Parteinahme im Schisma dürfte wiederum den Verfahrensausgang positiv beeinflusst haben.
2. Die frühen Kanonisationen Alexanders III. (1159 bis 1169) Vieles spricht dafür, dass das Papsttum erst durch Alexander III. die Kanonisation gleichsam für sich entdeckte17, auch wenn er zunächst wieder nur auf äußere Anstöße reagierte. In die Anfangsphase des 1159 entstandenen Schismas fiel die erste Kanonisation Alexanders. Sie betraf König Eduard (als Heiliger ‚der Bekenner’) von England. Schon 1139 hatte es eine entsprechende Petition gegeben, aber nur als Einzelinitiative des Priors von Westminster, Osbert von Clare. Innocenz II. hatte sie abgelehnt und verlangt, dass Bittschriften des gesamten Königreiches vorzulegen seien18. Dies erfüllte der spätere Prior Laurentius von Westminster, als er nach Beginn des Alexandrinischen Schismas erneut um die Kanonisation Eduards nachsuchte: Er legte Alexander III. Petitionen der englischen Bischöfe und des Königs, aber auch zweier päpstlicher Legaten vor19. In diesen Schreiben häuften sich die Anspielungen auf die Parteinahme für Alexander im Schisma. So kennzeichneten die Kardinallegaten Prior Laurentius als Streiter gegen die Schismatiker20, Viktor IV. wurde mit einem zischenden Drachen verglichen21, auch der Sieg Alexanders III. wurde bereits damals (um 1160) konstatiert22. Nicht nur der Bischof von Chichester verband als Mitpetent die Obödienzwahl Englands mit der erhofften Kanonisation: Sic, sic, pater, sic ecclesie sic regi et regno, nuper ut sem16 Vgl. Franz-Josef Schmale, Studien zum Schisma des Jahres 1130, Köln, Graz 1961 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 3), S. 165. 17 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 103f., 151–159. 18 Quoniam religiosum, 9. Dezember [1139], JL 8182. 19 Zu den Bittschriften vgl. Frank Barlow, Edward the confessor, Berkeley, Los Angeles 1970 (ND 1984), S. 279f. 20 Die Legaten Heinrich und Otto verwiesen darauf, dass Laurentius contra scismaticos tanquam vir catholicus exstitit ferventissimus decertator. Ed.: ebd., S. 312. 21 Bischof Roger von York schrieb, die Reise zu Papst Alexander sei unmöglich, donec conteratur draco iste, qui sibilat in Italia. Ed.: ebd. 22 Gilbert Foliot, Bischof von Hereford, stellte den Heiligen als Lichtpunkt gegenüber dem Schisma dar: Qui nube tristicie nuper obducti, matre nostra sancta Romana ecclesia gravi scismatis errore concussa, altius ingemendo doluimus, luce veritatis bonorum cordibus illuscente, tota gaudii plenitudine […] exultavimus, quod […] post noctem dies nobis tam profecto grata quam serena resplenduit. Ed:. ebd., S. 313f. Vgl. dazu das Regest: Gilberti Foliot … epistolae, bearb. von Rudolf Hiestand, Stefan Hirschmann, Göttingen 2011 (Anglia Pontificia, Subsidia, I/3), Nr. 89 S. 132. Weitere, sehr deutliche Anspielungen finden sich in den übrigen Petitionen, vgl. etwa Barlow, Edward (wie Anm. 19), S. 316, 318f.
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per ecclesie Romane fideliter obsequenti, celeberrima gaudia suscitabitis23. All diese Bekundungen fallen deswegen auf, weil Heinrich II. von England – den die Heiligsprechung seines Vorgängers besonders auszeichnete24 – lange gezögert hatte, sich für Alexander zu entscheiden. Auch aus der Kanonisationslittera Alexanders III. vom 7. Februar 1161 geht ein eindeutiger Zusammenhang mit der Festigung seiner Obödienz hervor25: So lobt ihr Initium Illius devotionis constantiam die Treue der Empfänger, deren Wünsche der Papst gern erfülle. Damit richtete er sich sowohl an Westminster als auch an die Kirche Englands, wie die divergierenden Adressen der beiden überlieferten Fassungen zeigen. Mit nahezu identischen Einleitungsworten und gleichfalls unter abweichenden Adressen26 ergingen in dieser Zeit zahlreiche weitere Schreiben Alexanders an seine Anhänger. In diese Korrespondenz fügte sich die Littera über Eduard nahtlos ein. Zweifellos handelte es sich bei dieser Heiligsprechung um einen Gunsterweis des Papstes an die englische Kirche insgesamt und speziell an Heinrich II. Dessen persönliches Interesse erwies sich eindeutig daran, dass die Erhebung der Eduardsreliquien bis 1163 aufgeschoben wurde, damit der König schließlich selbst Hand dabei anlegen konnte27. Unterdessen wiederholte sich eine Situation, wie sie ähnlich schon 1131 in Lüttich zu beobachten war: Alexander III. berichtete von der großen Zahl von Heiligsprechungsbegehren, die ihm 1163 auf dem Konzil von Tours vorgebracht wurden28, und im Anschluss an die Versammlung delegierte er, so wie einst sein Vorgänger 1131, eine Kanonisation (Anselm von Canterbury), während zwei weitere derartige Fälle (Helena von Skövde, Iñigo von Oña) zweifelhaft sind29. Dass solche Kirchenversammlungen als Foren dienten, um Heiligsprechungen zu erbitten und zu diskutieren, stellte im Übrigen ein Spezifikum vor allem 23 Ed.: Barlow, Edward (wie Anm. 19), S. 315. 24 In seiner Bittschrift wies der König auf seine durch Blutsbande und Herrschaft belegte Verbindung zu Eduard hin: De cuius sanguine propagatum me […] dignatus est dominus in solio regni eiusdem regis [Eduardi] sullimare. Ed.: ebd., S. 310. 25 Illius devotionis constantiam, 7. Februar 1161, JL 10654; Ed.: Barlow, Edward (wie Anm. 19), S. 323. 26 Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 113, 155; Ders., Kommunikation und Kanonisation: Die Heiligsprechung der Elisabeth von Thüringen 1235 und das Problem der Mehrfachausfertigung päpstlicher Kanonisationsurkunden seit 1161, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte 58 (2004), S. 27–82, hier S. 37f. 27 Zu den Problemen der Datierung des Vorgangs, vgl. Barlow, Edward (wie Anm. 19), S. 325–327. 28 JL 10886, 12330. 29 Vgl. dazu Petersohn, Kanonisationsdelegation (wie Anm. 13), S. 177–180.
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der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts dar. Es scheint, dass gerade in Lüttich und Tours, also jeweils nach Beginn eines Schismas, eine erhöhte Zahl solcher Wünsche vorgetragen wurde. Da Heiligsprechungen damals kein exklusives Vorrecht der Päpste waren – obgleich ihre Zuständigkeit gerade durch die Petenten betont wurde – stärkte dies zweifellos ihre Position im Schisma. Alexander III. übte aber in einer derartigen Situation dieses Recht nicht nur aus, sondern modifizierte es zudem, wie sich bald zeigte. Alexanders nächste gesicherte Heiligsprechung fand im Spätherbst 1169 statt. Sie betraf Knud Lavard, den Vater des damals herrschenden dänischen Königs Waldemar. Der Papst adressierte seine Kanonisationslittera30 an Eskil, Erzbischof von Lund und päpstlichen Legaten, der eine Schlüsselfigur der dänischen Kirche dieser Zeit und langjähriger Gegner Waldemars war31: Ihr Streit hatte die anfängliche Option des Dänenkönigs für Victor IV. beeinflusst32. Alexander III. mahnte noch 1165/66 Waldemar nach dessen Übertritt zu seiner Obödienz, darin zu verbleiben und Eskil aus dem Exil zurückzurufen, was 1167 geschah33. Am 25. Juni 1170 zeigte sich bei einem Hoftag in Ringsted, wie eng die Obödienzwahl und die Kanonisation des Knud Lavard mit der Herrschaftssicherung Waldemars zusammenhingen34: Eskil krönte Waldemars Sohn Knud VI. zum König, zugleich wurden die Überreste des Knud Lavard feierlich erhoben35. Diese
30 Ex literis karissimi, 8. November [1169], JL 11646; Ed.: Diplomatarium Danicum, ed. ���� Lauritz Weibull, Reihe 1, Bd. 2, Kopenhagen 1963, Nr. 190 S. 346–348; vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 117f. 31 Vgl. Erich Hofmann, Königserhebung und Thronfolgeordnung in Dänemark bis zum Ausgang des Mittelalters, Berlin, New York 1976 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 5), S. 101, 105. 32 Waldemar hing einige Jahre Victor IV. an, wie vor allem gegen Saxo Grammaticus festzuhalten ist; vgl. Wolfgang Seegrün, Das Papsttum und Skandinavien bis zur Vollendung der nordischen Kirchenorganisation (1164), Neumünster 1967 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 51), S. 180–183. 33 Diplomatarium (wie Anm. 30), Nr. 167 S. 314–316 ( JL 11304); vgl. dazu Seegrün, Papsttum (wie Anm. 32), S. 181, 198; Hofmann, Königserhebung (wie Anm. 31), S. 105. 34 Schon Saxo Grammaticus bemerkte zu Waldemar: maxima claritatis incrementa accepturum se ratus, si una eademque luce ex hiis alterum ara, alterum corona donasset. Vgl. Gesta Danorum. Danmarkshistorien, Bd. 2, ed. Karsten Friis-Jensen, [Kopenhagen 2005], (XIV c. 40, 1) S. 380. 35 Dabei bleibt indes fraglich, ob König Waldemar selbst Hand an den Reliquien anlegte; vgl. dazu Jürgen Petersohn, Saint-Denis – Westminster – Aachen. Die Karls-Translatio von 1165 und ihre Vorbilder, in: DA 31 (1975), S. 421–454, hier S. 452 Anm. 117.
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doppelte kirchliche Legitimation begründete in Dänemark die Erbmonarchie36. Waldemar band sich damit seinerseits an Eskil und Alexander III., so wie diese beiden den Verbleib Dänemarks in der alexandrinischen Obödienz sicherten37. Erneut ist die Kanonisationslittera erhellend, die gegenüber ihrer Vorurkunde über Eduard den Bekenner verändert wurde: Statt des Verweises auf die prinzipielle Heiligsprechungskompetenz der Konzilien wurde nun die Autorität der Apostel Peter und Paul hervorgehoben38. Weiter ist festzuhalten, dass Waldemar bereits eine Reliquienerhebung Knuds angestrebt hatte, seinerzeit aber von Eskil daran gehindert worden war39. Im Schisma hingegen wurde 1170 in Ringsted dieser Wunsch durch päpstlich-‚apostolische‘ Autorität erfüllt. Der Fall Knuds illustriert also, wie die Kanonisation bei Alexander III. verstärkt zu einer papsttypischen Handlung und als Gunsterweis zugleich Mittel der Politik, auch im Sinne gegenseitiger Herrschaftslegitimierung, wurde.
3. Die durch Paschalis III. delegierte Kanonisation Karls des Großen (1165) Im Kontext des Schismas von 1159 ist auch eine Kanonisation der gegnerischen Seite zu besprechen. Bei diesem Vorgang, der nicht zufällig bald nach der Translatio Eduards des Bekenners erfolgte, war abermals eine Herrscherfigur betroffen, nämlich Karl der Große. Die entscheidende Quelle ist eine Urkunde Friedrichs I. vom 8. Januar 1166 für Aachen, in welcher er dem Stift und der Stadt Rechte und Freiheiten gewährte, und zwar nach einem ausführlichen Bericht über Karl und dessen Kanonisation40. Die Erhebung der Reliquien des einstigen Kaisers und
36 Vgl. dazu Seegrün, Papsttum (wie Anm. 32), S. 199; Thomas Riis, Les institutions politiques centrales du Danemark 1100–1332, Odense 1977 (Odense university studies in history and social sciences, 46), S. 215. 37 Vgl. dazu Hofmann, Königserhebung (wie Anm. 31), S. 108; Ders., Politische Heilige in Skandinavien und die Entwicklung der drei nordischen Reiche und Völker, in: Jürgen Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, Sigmaringen 1994 (VuF, 42), S. 277–324, hier S. 289; Bernhard Schimmelpfennig, Heilige Päpste – päpstliche Kanonisationspolitik, in: ebd., S. 73–100, hier S. 83f. 38 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 118f.; zum Formular vgl. auch Riis, Institutions (wie Anm. 36), S. 202 Anm. 43. 39 Vgl. dazu Riis, Institutions (wie Anm. 36), S. 201 Anm. 36; Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 116. 40 D F.I. Nr. 502; RI IV/2, Nr. 1539, mit weiteren Angaben; vgl. dazu auch Max Kerner, Karl der Große. Entschleierung eines Mythos, Köln, Weimar u. a. 2000, S. 114–118.
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die Verkündung seiner Feste waren am 29. Dezember 1165 in Aachen erfolgt41. Rechtliche Grundlage dafür bildete eine Delegation durch Papst Paschalis III., die sich wohl an den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel richtete. Ein solches Verfahren kam in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wiederholt vor und war formal nicht zu beanstanden42. Die einstige Graböffnung durch Otto III. hatte nicht zu einem Heiligenkult geführt, wiewohl sie den Aachener Stiftsgeistlichen in Erinnerung geblieben sein dürfte43. Anders als etwa bei den Prioren von Westminster sind von ihrer Seite keine vorbereitenden Bemühungen für eine Kanonisation zu belegen; in der Urkunde Friedrichs wurden sie eigens nur dabei erwähnt, wie sie um Erneuerung eines (gefälschten) Privilegs Karls baten44. Für Aachen war dieser Kult dennoch wichtig, um konkurrierenden Ansprüchen aus Saint-Denis entgegenzutreten45. Da die Karlsnachfolge Friedrich I. als Grundlage eines imperialen Anspruchs dienen konnte46, trafen sich offenbar in dem neu anerkannten Heiligen zumindest zeitweilig die Interessen von Herrscher und Grablege. Die spezifische und forcierte Umsetzung des Kultaktes 1165/66 ging aber auf Friedrich I. zurück, und er verwies dafür ausdrücklich auf das Eintreten Heinrichs II. von England. Dessen Erhebung der Eduardsreliquien von 1163 stellte das maßgebliche Vorbild dar, und zwar auch bei der praktischen Ausführung47. Somit beeinflusste die erste Kanonisation Alexanders III. einen analogen Akt der gegne-
41 Zum Ablauf vgl. Petersohn, Kanonisationsdelegation (wie Anm. 13), S. 202; Ders., Saint-Denis (wie Anm. 35), S. 423–427; Ders., Kaisertum und Kultakt in der Stauferzeit, in: Ders., Politik (wie Anm. 37), S. 101–146, hier S. 108–112. 42 Petersohn, Kanonisationsdelegation (wie Anm. 13), S. 200 Anm. 184, S. 203. 43 Vgl. Knut Görich, Erinnerung und ihre Aktualisierung: Otto III., Aachen und die Karlstradition, in: Franz J. Felten u. a. (Hg.), Robert Folz (1910–1996). Mittler zwischen Frankreich und Deutschland. Actes du colloque „Idée d’empire et royauté au Moyen Âge: Un regard franco-allemand sur l’œuvre de Robert Folz“, Dijon 2001, Stuttgart 2007 (��� Geschichtliche Landeskunde, 60), S. 97–116, hier S. 112–114. 44 Knut Görich, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 636, sieht für Karls Kanonisation indes die Initiative der Aachener Stiftsgeistlichen als maßgeblich an. 45 Vgl. Petersohn, Saint-Denis (wie Anm. 35), S. 444–447. 46 Vgl. Ders., Kaisertum (wie Anm. 41), S. 128f. Auch von außen sah man das so; vgl. Johannes Laudage, Friedrich Barbarossa (1152–1190). Eine Biografie, Regensburg 2009, S. 239. 47 Vgl. Petersohn, Kanonisationsdelegation (wie Anm. 13), S. 203f.; Ders., Saint-Denis (wie Anm. 35), S. 433–436; Ders., Kaisertum (wie Anm. 41), S. 111f., 130f.; Laudage, Friedrich (wie Anm. 46), S. 238; Kerner, Karl (wie Anm. 40), S. 119.
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rischen Obödienz48. Das Interesse Friedrichs I. am Karlskult war nach 1165/66 jedoch wenig ausgeprägt49, möglicherweise in Folge der politischen Rückschläge und personellen Veränderungen der folgenden Jahre, besonders durch den Tod des Rainald von Dassel. Im Rückblick wurde die Kanonisation Karls wegen der Mitwirkung eines Papstes, der seit 1177 als Schismatiker gelten musste, zum Problem: Bald gab es daher dissimulierende Stimmen, die diese Heiligsprechung unter oder durch Alexander III. stattfinden ließen; hinzu kamen Aussagen, die allein Friedrich I. als Handelnden bezeichneten50. Selbst für eine Tolerierung durch Rom findet sich ein Hinweis aus den 1260er Jahren. In dem bedeutendsten Kommentar zum Liber Extra, der Lectura des Kardinals Hostiensis, wurden Kanonisationen eingehend erörtert, auch unter dem Aspekt ihrer Allgemeingültigkeit. Hostiensis bemerkte dazu: Ex tolerantia tamen Romanae ecclesiae magnificus Carolus tanquam sanctus in sola capella sua Aquisgrani, et non in aliis ecclesiis veneratur51. Somit gab es 100 Jahre nach der Heiligsprechung an der Kurie die Meinung, es existiere eine päpstliche Kult-Dispens für Aachen. Dorther stammte anscheinend auch diese Auffassung. Der Kommentator hatte 1251 den Kardinal Hugo von St-Cher auf einer Legation in den Westen des Reichs begleitet52. Hugo selbst hatte am 13. Oktober 1251 in Aachen geurkundet53 und passierte danach die Stadt mehrmals54. Dabei könnte sein juristisch geschulter Begleiter die später niedergelegte Information zu der sonst nirgends 48 Ihrerseits beeinflusste Karls Kanonisation diejenige Knud Lavards; vgl. Hofmann, Königs erhebung (wie Anm. 31), S. 99f. 49 Vgl. Görich, Friedrich (wie Anm. 44), S. 635. 50 Vgl. Petersohn, Kanonisationsdelegation (wie Anm. 14), S. 201 mit Anm. 189f. 51 Henricus de Segusio, C����������������������������������������������������������� ardinalis Hostiensis, In tertium Decretalium Librum Commentaria, Venedig 1581 (ND Turin 1965), fol. 172Ab (zu X 3.45.1, Audivimus). Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 152f.; Thomas Wetzstein, Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 28), Köln, Weimar u. a. 2004, S. 255; Albert Sieger, Probleme um die Kanonisierung Karls des Großen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 104/5 (2002/3), S. 637–672, hier S. 653, 657. 52 Zu Hostiensis vgl. Andreas Fischer, Kardinäle im Konklave. Die lange Sedisvakanz der Jahre 1268 bis 1271, Tübingen 2008 (Bibliothek des DHI in Rom, 118), hier S. 215f. 53 RI V, Nr. 10281; vgl. dazu Johann H. H. Sassen, Hugo von St. Cher. Seine Tätigkeit als Kardinal 1244–1263, Bonn 1908, S. 39f.; zur Legation vgl. Agostino Paravicini Bagliani, Cardinali di curia e ‚familiae‘ cardinalizie dal 1227 al 1254, Padua 1972 (Italia sacra. Studi e documenti di storia ecclesiastica, 18), S. 262. 54 Im Einzelnen: im April 1252 (RI V, Nr. 10337f.), im Oktober 1252 (ebd. Nr. 10368f.), Ende Dezember 1252 (ebd. Nr. 10382f.), im März 1253 (ebd. Nr. 10394a, 10396).
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erwähnten Duldung durch Rom gewonnen haben. Unklar bleibt indes, ob damit die durch Paschalis III. delegierte Kanonisation umgedeutet wurde oder ob ihr später, etwa in Zusammenhang mit der Schreinlegung 1215 oder der Altarweihe 1226, eine solche Dispens tatsächlich gefolgt war. Hostiensis ließ jedenfalls die einstige Kanonisation unerwähnt und musste deshalb Karl nicht als Heiligen bezeichnen. Womöglich verschleierte er die Hintergründe eines Ausnahmefalls, um ein stimmiges Gesamtbild zu generieren. Zu klären war die Frage aber auch für andere Verehrer Karls, etwa in Zürich, wo der Kaiser als ein Gründungsheiliger des Großmünsters galt. Fast zeitgleich zu Hostiensis finden sich dort Spuren einer Auseinandersetzung damit: Bischof Eberhard von Konstanz stellte 1272 in einer Ablassurkunde für Zürich fest, Gregor IX. (1227–1241) habe Karl den Großen kanonisiert55. Durch eine unzutreffende Behauptung war damit das Problem gleichfalls gelöst. Die generelle Frage, ob Kanonisationen einer nicht obsiegendenden Obödienz wirksam waren, sollte sich nach 1415 erneut stellen; indes kam dabei das Beispiel Karls des Großen nicht als Präzedenzfall vor, was wohl aus den pragmatischen Lösungen für seinen Kult resultiert, die im 13. Jahrhundert gefunden wurden. Karls Kanonisation bleibt aber der einzige bekannte Fall, welcher aus Autorität eines im Schisma letztlich eindeutig unterlegenen Papstes ausgeführt wurde.
II. Die Frühzeit des Großen Abendländischen Schismas Das Problem von Kanonisationen im Schisma kam erst nach 1378 wieder auf. Die Heiligsprechung war nun – anders als im 12. Jahrhundert – ein Reservat des Pontifex; sie hatte sich formal verfestigt und dies aufgrund rechtlicher und bürokratischer Hemmnisse nicht immer zum Vorteil päpstlicher Gestaltungsfreiheit. Nun lassen sich die (vorerst) gescheiterten Verfahren besser greifen, denn die obligatorische Vorstufe jeder Kanonisation, ein Prozess mit Zeugenverhören an den Wirkungsstätten des Heiligenkandidaten, wurde stets durch päpstliche Mandate delegiert; außerdem wurden Kardinalskommissare öfter schriftlich benannt: Für solche Urkunden lassen sich aus dem Großen Schisma in Ergänzung der Litera-
55 Er erwähnte nämlich das Fest Caroli ab inclite recordationis Gregorio papa nono sollempniter canonizati: Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 4, ed. Jakob Escher, Paul Schweizer, Zürich 1896/98, Nr. 1480 S. 195 (22. Februar 1272).
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tur weitere Beispiele finden56. So ist hier trotz schwieriger Überlieferung neuerlich eine Bestandsaufnahme samt vergleichender Würdigung zu unternehmen.
1. Die Kanonisationsverfahren der avignonesischen Obödienz (seit 1381) Nur zwei Kanonisationsprozesse sind auf Seiten Avignons bekannt. Die Heiligsprechung Papst Urbans V. war bereits vor dem Schisma 1375 durch den dänischen König erbeten worden57. Urbans Grab befand sich in St-Victor in Marseille, und ein Kanonisationsprozess wurde im April 1381 durch Clemens VII. veranlasst58. Als Petenten nannte das einschlägige Mandat neben dem südfranzösischen Klerus eine Fürstengruppe bestehend aus Johanna von Neapel, den französischen Königen Karl V., der mittlerweile verstorben war, und Karl VI., also seinen Sohn, sowie dessen Onkel Ludwig von Anjou59. Damit waren hier die wichtigsten Unterstützer aus der Anfangszeit des ersten avignonesischen Schismapapstes versammelt. Aus dem anschließenden Prozess sind allein die Frageartikel des Prokurators erhalten60. Sie geben ein idealisiertes Bild Urbans V. als integre Herrscherfigur der Gesamtkirche und als Reformer61. Ob Zeugen nach diesem suggestiven Ras56 Der aus diplomatischer Sicht gegenüber ‚Commissio‘ zu bevorzugende Terminus ‚Mandat‘ für die entsprechenden Urkunden ist in den kurialen Quellen bestens belegt: So finden sie sich unter anderem in der Taxordnung Johannes’ XXII. im Abschnitt De mandatis (dort so subsumiert: mandatur examinari testes super canonisatione et vita unius sancti), nicht aber unter De commissionibus; vgl. Michael Tangl, Das Taxwesen der päpstlichen Kurie vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in: MIÖG 13 (1892), S. 1–106, hier S. 79 §29. Die klassische Übersicht über die Verfahren im Großen Abendländischen Schisma stammt von André Vauchez, La sainteté en occident aux derniers siècles du Moyen Âge d’après les procès de canonisation et les documents hagiographiques, Rom 21988 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, 241), S. 299. 57 Vgl. Heinrich Denifle, Zur Geschichte des Cultes Urbans V., in: ALKGMA 4 (1888), S. 349–352, hier S. 350; Ludwig Vones, Urban V. (1362–1370). Kirchenreform zwischen Kardinalkollegium, Kurie und Klientel, Stuttgart 1998 (Päpste und Papsttum, 28), S. 16. 58 Exultare debet in, 1381 IV 17; Ed. Denifle, Geschichte (wie Anm. 57), S. 351f. Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 861 Anm. 2; Vones, Urban V. (wie Anm. 57), S. 16. 59 Ludwig von Anjou, Regent für Karl VI. und 1380 durch Johanna von Neapel adoptiert, begünstigte dieses Kanonisationsverfahren auch testamentarisch; vgl. Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 94f. Anm. 69. 60 Actes anciens et documents concernant le bienheureux [pape] Urbain V., Bd. 1, ed. Joseph H. Albanès, Ulysse Chevalier, Paris 1897. 61 Vgl. Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 368–372; Vones, Urban V. (wie Anm. 57), S. 18.
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ter verhört wurden, ist unklar62, da nichts über den Fortgang bekannt ist. Auch dürften praktische Gründe den Verhören entgegengestanden haben: Schauplatz zahlreicher Artikel war Rom, doch für die Seite Clemens’ VII. war es nicht mehr möglich, dort Zeugnisse einzuholen. In der Ansicht eines deutschen Chronisten waren es freilich die einstigen Kardinäle Urbans, die aus Neid dessen Kanonisation vereitelten63. Der zweite Prozess innerhalb der avignonesischen Obödienz betraf wieder einen Angehörigen der Kurie. Es handelte sich um den 1387 mit nur 18 Jahren verstorbenen Kardinal Peter von Luxemburg, einen nahen Verwandten der französischen Könige64. Unmittelbar nach seinem Tod65 wurden in Avignon über 1100 Wunder aufgezeichnet66. Hochrangige Unterstützer aus Frankreich – unter anderem das Königshaus und die Universität Paris – erbaten einen Kanonisationsprozess, der 1389 vom Papst eingeleitet wurde und 1390 stattfand; dennoch kam es nicht zur Heiligsprechung, womöglich, weil sich Clemens VII. in der Frage zurückhielt67. Eine gewisse Reserve mochte aus der Person Peters resultieren, den man wegen seiner exaltierten Frömmigkeit als „bizarre Figur“ bezeichnet hat68, bei dem aber gleichermaßen Ansätze zur radikalen Kritik der luxuriösen Verhältnisse an der Kurie zu erkennen sind69. 62 Vgl. Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 660 Nr. 32; zu den Wundern vgl. ebd. S. 655 Nr. 6. 63 Die Weltchronik des Mönchs Albert, 1273/77–1454/56, ed. Rolf Sprandel, München 1997 (MGH SRG in us. schol., N. S., 17), S. 116f. 64 Zu diesem Verfahren vgl. nun vor allem Johannes Helmrath, Aktenversendung und Heilungswunder: Peter von Luxemburg (1369–87) und die Überlieferung seines Kanonisationsprozesses, in: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift für Matthias Werner zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe, 24), hg. v. Enno Bünz, Stefan Tebruck u. a., Köln, Weimar u. a. 2007, S. 649–672. 65 AA SS Juli I, S. 495. 66 Zu der Sammlung vgl. Helmrath, Aktenversendung (wie Anm. 64), S. 656; Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 656 Nr. 7. 67 Zu den Initiatoren des Verfahrens vgl. Sonia Comte, Les Célestins du Midi, une antenne de la cour de France à Avignon?, in: Le Midi et le Grand Schisme d’Occident, hg. v. Centre National de la Recherche Scientifique, Toulouse 2004 (Cahiers de Fanjeaux, 39), S. 175– 208, hier S. 179, 204f. Anm. 7. Nachlässigkeit in dieser Frage warf dem Papst Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, Stuttgart 111975, S. 258, vor. 68 Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449, Forschungsstand und Probleme, Köln, Wien 1987 (Kölner Historische Abhandlungen, 32), S. 404 Anm. 191. 69 Zu diesem Punkt vgl. Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 357.
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Die Umstände, die den Tod und die Bestattung Clemens’ VII. begleiteten, lassen jedoch die Bedeutung Peters erkennen. Als der Papst starb, rief er Gott und die Heiligen an und ergänzte dabei angeblich: Ha, Ha, Luxembourg, je te prie que tu me veuilles aider70. Dieser Ausspruch dürfte als Herausforderung an einen persönlich Bekannten zu sehen sein, sich durch Fürsprache als Heiliger zu offenbaren. Clemens’ Überreste fanden jedenfalls 1401 ihre Ruhestätte im Cölestinerkloster von Avignon, das als Grablege Peters erbaut wurde71. Dort wurde die Beziehung des Papstes zu dem von ihm ernannten, wundertätigen Kardinal auch inschriftlich festgehalten72. Diese Umstände belegen, wie weit Peter einem Heiligen angenähert wurde73, wenngleich die explizite Bezeichnung als solcher fehlte. Sein Grabkloster stellte allein schon durch die Eigenart des Gebäudes und die finanzielle Unterstützung seitens der Valois eine Verbindung nach Paris her74. Für die innere Festigung der avignonesischen Obödienz und ihre ‚wundersame‘ und damit göttliche Legitimierung wäre Peters Heiligsprechung sicherlich von Nutzen gewesen, gerade für Clemens VII. In der folgenden Zeit standen einer Durchführung aber wiederholte Krisen im avignonesischen Lager entgegen, insbesondere das seit 1398 dauerhaft verschlechterte Verhältnis zum französischen Königshaus75.
70 Roger Ch. Logoz, Clément VII (Robert de Genève). Sa chancellerie et le clergé romand au début du grand schisme (1378–1394), Lausanne 1974 (Mémoires et documents, publiés par la société d’histoire de la Suisse romande, Ser. 3, 10), S. 173 Anm. 600. 71 Der von Clemens initiierten Klostergründung ging eine entsprechende testamentarische Verfügung Peters voraus, obgleich er sich ein Grab im Freien gewünscht hatte; vgl. AnneMarie Hayez, Clément VII et Avignon, in: Genèse ����������������������������������������� et débuts du Grand Schisme d’Occident. Avignon 25–28 septembre 1978, hg. v. Centre National de la Recherche Scientifique, Paris 1980 (Colloques internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique, 586), S. 125–141, hier S. 133f.; Comte, Célestins (wie Anm. 67), S. 178–180. 72 Der nur abschriftlich überlieferte Text des Epitaphs lautet nach Logoz, Clément (wie Anm. 70), S. 176 Anm. 603: Hic requiescit dominus Clemens papa septimus, primus huius coenobii fundator […], dominum Petrum cardinalem de Luxemburgo, miraculis corus������ cantem, in hoc cimiterio sepultum, ad cardinalatum assumpsit […]. 73 Logoz, ebd., S. 175, ging daher irrig von einer Kanonisation aus. 74 Vgl. Huizinga, Herbst (wie Anm. 67), S. 258f.; Comte, Célestins (wie Anm. 67), S. 181–184. 75 Zu dem zunehmend gespaltenen Verhältnis zwischen Paris und Benedikt XIII. vgl. Hélène Millet, La France et le Grand Schisme d’Occident: chronologie, in: Midi (wie Anm. 67), S. 39–46. Zum weiteren Fortgang des Kanonisationsverfahrens über Peter auf den Konzilien von Konstanz und Basel vgl. Helmrath, Aktenversendung (wie Anm. 64).
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2. Die Kanonisationsverfahren der römischen Obödienz (seit 1379) Die erste Untersuchung über Leben und Wunder einer möglichen Heiligen im Großen Abendländischen Schisma betraf Margarethe von Ungarn, die 1270 als Dominikanerin verstorbene Prinzessin aus dem Haus der Arpaden. Über sie waren schon bald entsprechende Verfahren geführt worden, doch ohne Erfolg. Urban VI. beauftragte am 1. Juni 1379 den ungarischen Kardinal Demetrius von SS. Quattro Coronati76 und drei Bischöfe mit neuerlichen Erkundungen77. Als Petentin nannte sein Mandat die ungarische Königin Elisabeth, die Mutter Ludwigs des Großen. Ihr Vorstoß ist bemerkenswert, da sie seit Jahrzehnten an der Verehrung Margarethes interessiert war, aber anscheinend erst 1379 die Chance sah, ihr Ansinnen an der Kurie zu erwirken: Offensichtlich lag dies an der besonderen Situation des Schismas78. Urban VI. bot sich hingegen die Möglichkeit, durch Förderung einer königsnahen Kandidatin die Anjou in Ungarn und Polen an sich zu binden, was im Blick auf seine Politik gegenüber Neapel wichtig war79. Ob es danach zu Zeugenverhören über Margarethe kam, ist nicht zu sagen, doch gilt dies auch für die meisten anderen der damals begonnenen Prozesse. Für die römische Obödienz sind folgende weitere Verfahren festzuhalten: Zu Thomas de la Hale, einem als Märtyrer verehrten Benediktiner aus Dover, erging ein päpstliches Mandat 138080, und erste Schritte zu Verhören wurden im Oktober
76 Der von Urban VI. erhobene Kardinal stammte aus Gran; vgl. Martin Souchon, Die Papstwahlen in der Zeit des großen Schismas. Entwicklung und Verfassungskämpfe des Kardinalats von 1378 bis 1417, Bd. 2, Braunschweig 1899, S. 270 Nr. 196; Gábor Klaniczay, Kísérletek Árpád-házi Szent Margit szentté avatására a Középkorban, in: Századok 140, 2 (2006), S. 443–453, hier S. 451f. 77 Dignum et debitum, 1. Juni 1379; Ed.: Otfried Krafft, Árpád-házi Szt. Margit szentté avatási perének 1379-es újrafelvétele, in: Századok 140, 2 (2006), S. 455–464, hier S. 462– 464. Vgl. dazu Ders., Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 862 Anm. 8; Klaniczay, Kísérletek (wie Anm. 76), S. 450–453. 78 Vgl. dazu Krafft, Szt. Margit (wie Anm. 77), S. 461; Klaniczay, Kísérletek (wie Anm. 76), S. 450f. 79 Vgl. dazu Klaniczay, Kísérletek (wie Anm. 76), S. 450f.; Jerzy Kłoczowski, Avignon et la Pologne à l’époque d’Urbain V et de Grégoire XI (1362–1378), in: Genèse (wie Anm. 71), S. 533–540, hier S. 536. 80 Grandis nobis adest, 19. Dezember 1380; Ed.: Concilia Magnae Britanniae et Hiberniae …, Bd. 3, ed. David Wilkins, London 1737, S. 174 (zu 1382). Vgl. dazu Paul Grosjean, Thomas de la Hale. Moine et martyr à Douvres en 1295, in: AnalBoll 72 (1954), S. 167– 191, hier S. 184f. mit Anm. 7; Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 376 mit Anm. 210; Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 862 Anm. 4.
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1382 im königlichen Palast zu Westminster vollzogen81. Über den Anglo-Iren Richard Fitzralph, einst Erzbischof von Armagh, der in Dundalk (Irland) begraben lag, erging ein erstes Mandat an irische Kommissare im Jahre 138582. Der Auftrag wurde von Urbans Nachfolger Bonifaz IX., der zuvor als Kommissar an diesem Prozess beteiligt gewesen war, unmittelbar nach seiner Krönung 1389 erneuert und 1399 auf Verhöre in Lichfield und Oxford erweitert83. Auch bei König Eduard II. von England, der 1327 ein unrühmliches Ende gefunden hatte und in Gloucester begraben war, wurde die Heiligsprechung durch seinen Nachkommen Richard II. zunächst 1385 mehrmals vergeblich postuliert84. Darauf wurde vor 1389 ein Prozess eingeleitet85 und unter Bonifaz bis 1399 betrieben86. Bei Johannes von Bridlington bestellte Bonifaz IX. 1391 eine Kardinalskommission87, und 1401 kam es zur Kanonisation, auf die unten zurückzukommen ist. Erst 1404 folgte ein Mandat über Dorothea von Montau88. All diese Petitionen kamen aus dem Norden Euro81 Am 28. Oktober 1382; vgl. Concilia (wie Anm. 80), S. 175 und dazu Grosjean, Thomas (wie Anm. 80), S. 185f. mit Anm. 1. 82 The Westminster Chronicle, ed. L. C. Hector, Barbara F. Harvey, Oxford 1982, S. 158 Anm. *: Eodemque anno [1385] Hibernienses satis solliciti fuerunt in curia pape pro canonizacione magistri Ricardi filii Radulfi archiepiscopi ecclesie Armachane; contra quos viriliter steterunt fratres Mendicantes et inpediverunt in quantum potuerunt. Vgl. dazu Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 88 Anm. 43. 83 Oraculo digne laudis, 28. Januar 1399; Regest: W. H. Bliss, J. A. Twemlow, Calendar of entries into the papal registers, Bd. 4–5, London 1902–1904, hier Bd. 5, S. 245. Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 862 Anm. 5; zum Prozess vgl. Katherine Walsh, A fourteenth century scholar and primate. Richard Fitz-Ralph in Oxford, Avignon and Armagh, Oxford 1981, S. 455–458. 84 Westminster Chronicle (wie Anm. 82), S. 158 Anm. *; Ed. der Petition des Königs: The diplomatic correspondence of Richard II., ed. Édouard Perroy, London 1933 (Camden soc., Ser. 3, 48), Nr. 95 S. 62f. Vgl. dazu Édouard Perroy, L’Angleterre et le Grand Schisme d’Occident. Étude sur la politique religieuse de l’Angleterre sous Richard II (1378–1399), Paris 1933, S. 301; John M. Theilmann, Political canonisation and political symbolism in medieval England, in: Journal of British studies 29 (1990), S. 241–266, hier S. 256f. 85 Westminster Chronicle (wie Anm. 82), S. 438 (zu 1390); dies wird durch Zahlungen bestätigt: Issues of the Exchequer … from King Henry III to King Henry VI inclusive, ed. Frederick Devon, London 1837, S. 247f. Vgl. dazu Correspondence (wie Anm. 84), S. 210; Perroy, Angleterre (wie Anm. 84), S. 330; Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 196; Theilmann, Canonisation (wie Anm. 84), S. 257. 86 Perroy, Angleterre (wie Anm. 84), S. 342 Anm. 1–2; vgl. auch Correspondence (wie Anm. 84), S. 210; Theilmann, Canonisation (wie Anm. 84), S. 257. 87 Quia sepe et, 16. Februar 1391; Ed. unten im Anhang; Regest: Calendar, Bd. 4 (wie Anm. 83), S. 378f. Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 920. 88 Vgl. dazu unten Anm. 127.
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pas, zum überwiegenden Teil aus England. Offenbar war man dort besonders an Heiligsprechungen interessiert und fähig, die gewaltigen Kosten zu tragen. Der geographische Schwerpunkt fällt zudem auf, weil die Kurie seit Jahrzehnten keine derartigen Prozesse in England eingeleitet hatte89. Zu beachten ist dabei, dass aus Sicht der Kurie die Bestellung solcher Kommissionen zwecks Untersuchung von Leben und Wundern möglicher Heiliger ideal war, um die päpstliche Gunst zu demonstrieren, ohne sich auf ein Ergebnis zu verpflichten: Der Papst veranlasste allein die Prüfung der vorgebrachten Umstände, was Voraussetzung jeder Kanonisation war, keineswegs aber den positiven Ausgang in absehbarer Zeit versprach. Es scheint, dass Bonifaz IX. dabei das immanente Potential zur Eigenwerbung erkannte und auch nutzte. Zudem setzte dieser Schismapapst ein Mittel in bisher nicht gekanntem Maße ein: die Kulterlaubnis durch Ablässe für die Grablege90. Zu Fällen aus Mittelitalien – wie Nikolaus von Tolentino (seit 1390)91, Margarete von S. Severino (1396), Jakob von Bevagna (1400) und Peter von Foligno (1401) – kamen Roger Niger, einst Bischof von London92, Sebald von Nürnberg (beide 1391)93 und der bei Prag begrabene Eremit Gunther (1390)94. Bei mehreren der Genannten hatte es erfolglose Kanonisationsprozesse gegeben, wie bei Gunther95, Nikolaus96 und vielleicht bei Jakob von Bevagna97. Solche Ablässe stellten einen gewissen Ersatz für Kanonisationen dar, aber ohne deren langwieriges und ergebnisoffenes Verfahren, da die betreffenden Figuren in den Urkunden als sancti bezeichnet wurden. Dies kam einem Zugeständnis des Papstes im Schisma gleich, was dadurch um so deutlicher hervortrat, dass bereits Urban V. kanonisierte sancti von nicht 89 Hingegen waren im frühen 14. Jahrhundert unter Johannes XXII. zahlreiche Fälle aus England anhängig gewesen; vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 678 Anm. 14. 90 Vgl. dazu Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 105 Anm. 20; Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 1009. 91 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 867 Anm. 37. 92 Calendar, Bd. 4 (wie Anm. 83), S. 399 (22. Juli 1391). 93 Vgl. Martin Weigel, Dr. Conrad Konhofer (†1452). Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Nürnbergs, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 29 (1928), S. 169–297, hier S. 213 Anm. 149 (10. April 1391). 94 Vgl. Otfried Krafft, Heiligsprechungen im Mittelalter aus ‚hessischer‘ Sicht, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte 114 (2009), S. 13–38, hier S. 31. 95 Meist wird sein Prozess (1254/61) übersehen; vgl. Krafft, Heiligsprechungen (wie Anm. 94), S. 31f. 96 Zu früheren Prozessphasen (1325/61) vgl. Ders., Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 677, 793, 947. 97 Vgl. Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 250 Anm. 197.
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approbierten beati unterschieden hatte98. Im Übrigen gewährte Bonifaz IX. oft und großzügig Ablässe, die er aber schon 1402 teils wieder annullierte99. Seine davon auch betroffenen Kultgenehmigungen bargen somit das Risiko der Aufhebung – was sie wesentlich von Heiligsprechungen unterschied –, aber sie konnten offensichtlich ungeachtet ihres interimistischen Charakters als kompensatorische Gunsterweise nutzbar gemacht werden.
3. Die von Bonifaz IX. realisierten Heiligsprechungen (1391 und 1401) Während des Großen Abendländischen Schismas kam es lediglich in Rom zu zwei Kanonisationen: Bonifaz IX. sprach 1391 die Schwedin Birgitta heilig und ließ ihr 1401 den erwähnten Augustinerprior Johannes von Bridlington folgen. Birgittas Prozess100 war schon vor dem Schisma 1375 in Avignon begonnen worden101, worauf es 1376/77 zu Zeugenverhören in Schweden und in Neapel gekommen war. Noch unter Gregor XI. war die Angelegenheit an der Kurie verhandelt worden, und Urban VI. hielt am 15. Dezember 1378 das formal notwendige dritte Konsistorium in dieser Sache ab. Gleichfalls noch in diesem Jahr benannte er eine Kommission, um die Offenbarungen Birgittas zu begutachten102. Nahtlos wurde dieser Kanonisationsprozess also in Rom fortgesetzt. Ein Grund dafür war, dass Birgitta dort lange gelebt hatte und stets für die Rückkehr des Papsttums dorthin eingetreten war. Überdies hatte ihre Tochter Katharina der Wahl Urbans VI. beigewohnt, zugunsten dessen sie als einzige Frau unter allen Befragten im März 1379 aussagte103. Als Zeugen der Papstwahl erschienen wei98 Vgl. ebd., S. 103f.; Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 1012 Anm. 369. 99 Dies galt für die Ablässe ad instar; vgl. Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses am Ausgang des Mittelalters, Darmstadt 22000, S. 133. 100 Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 864–871; Tore Nyberg, The canonization process of St. Birgitta of Sweden, in: Gábor Klaniczay (Hg.), Procès de canonisation au Moyen Âge. Aspects juridiques et religieux. Medieval canonization processes. Legal and religious aspects, Rom 2004 (Collection de l’École française de Rome, 340), S. 67–85; Pavlína Rychterová, Die Offenbarungen der heiligen Birgitta von Schweden. Eine Untersuchung zur alttschechischen Übersetzung des Thomas von Štítné (um 1330–um 1409), Köln u. a. 2004 (AK, Beih. 58), S. 63f., 69f., 74f. 101 Sepe a multis, 13. November 1375; Ed. u. a.: C. A. Christensen, Herluf Nielsen, Diplomatarium Danicum, Reihe 3, Bd. 9, Kopenhagen 1982, Nr. 535 S. 449–451. 102 Carl-Gustaf Undhagen, Une source du prologue (Chap. 1) aux Révélations de Sainte Brigitte par le cardinal Jean de Turrecremata, in: Eranos 58 (1960), S. 214–226, hier S. 222. 103 Vgl. Michael Seidlmayer, Die Anfänge des großen abendländischen Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistlichen Kämpfen
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tere Anhänger Birgittas104, von denen einige die Polemik gegen Avignon aufnahmen105. So stand ihre Parteinahme außer Frage. Bei einer ersten Erhebung der Gebeine Birgittas 1380 war davon die Rede, dass Urban VI. einen eingeschränkten Kult erlaubt habe, bis das Schisma beendet sei106 – was etwas an den Umgang der gegnerischen Seite mit Kanonisationswünschen erinnert. Der Streit Urbans VI. mit seinen Kardinälen (1385), von denen mehrere eingekerkert wurden, beeinflusste dann den Fortgang des Verfahrens über Birgitta. Allein der englische Kardinal Adam Easton überlebte dank der Unterstützung aus seiner Heimat107, doch stellte er selbst die Sache so dar: Er schrieb Anfang 1390 dem Konvent von Vadstena in Schweden108, dass Birgittas Fürsprache ihn vor dem Tod bewahrt und immun gegen die Foltern Urbans gemacht habe, weswegen er sich ihrer Kanonisation und der Verteidigung ihrer Lehren widmen wolle. Nachdem Bonifaz IX. Easton rehabilitiert hatte, organisierte dieser die Wiederaufnahme des Verfahrens und reaktivierte das birgittinische Netzwerk zwischen Rom und Schweden. Der Papst bildete eine neue Kardinalskommission, und da ihr Easton angehörte, war ein positiver Ausgang vorgezeichnet. Schon im März 1391 gaben der Kardinal und sein Kollege Philipp von Alençon positive Voten ab, die dem Papst nahelegten, er könne künftig auf den Beistand Birgittas bauen. Philipp schloss mit der Empfehlung Birgittas, que pacem ecclesie sancte dabit tibique [sc. Bonifacio] de inimicis victoriam et triumphum109. Als Bonifaz IX. am 7. Oktober 1391 Birgitta heiligsprach, griff er in seiner Predigt den ihm zuvor suggerierten Punkt auf110: Er erklärte, Birgitta habe die von Häretikern und Schis-
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der Zeit, Münster 1940 (SFGG, Reihe 2, 5), S. 207f.; James Hogg, Cardinal Easton’s letter to the abbess and community of Vadstena, in: Studies in St. Birgitta and the Brigittine Order, Bd. 2, Salzburg 1993 (AnalCart, 35/19), S. 20–26, hier S. 22 Anm. 7. Darunter befanden sich Adam Easton und Alfons von Jaén; vgl. Seidlmeyer, Anfänge (wie Anm. 103), S. 208. So etwa Alfons von Jaén; vgl. ebd., S. 133. Zur Problematik der Zeugenaussagen siehe den Beitrag von Andreas Rehberg in diesem Band. Dies ist indes nicht zweifelsfrei belegt; vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 866f. Vgl. Correspondence (wie Anm. 84), S. 210f. zu Nr. 96; Perroy, Angleterre (wie Anm. 84), S. 294; Margaret Harvey, The case for Urban VI in England to 1390, in: Genèse (wie Anm. 71), S. 541–560, hier S. 552f.; zur Rolle Eastons bei der Kanonisation vgl. außerdem Rychterová, Offenbarungen (wie Anm. 100), S. 74. Hogg, Letter (wie Anm. 103), S. 24f.; vgl. dazu auch Anette Creutzburg, Die heilige Birgitta von Schweden. Bildliche Darstellungen und theologische Kontroversen im Vorfeld ihrer Kanonisation (1373–1391), Kiel 2011, S. 244f. Zu der Rede vom 11. März 1391 vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 870. Zu der Predigt vgl. ebd., S. 873–875; Roger Ellis, The Swedish woman, the widow, the pilgrim and the prophetess: images of St. Bridget in the canonization sermon of Pope
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matikern bedrängte Kirche befreit, denn während man über ihre Kanonisation beriet, sei ein lauernder Drache durch wenige Getreue besiegt worden. Bonifaz spielte damit auf eine Schlacht vom 25. Juli 1391 an, bei der ein Anhänger Avignons, Graf Johann III. von Armagnac, durch die Mailänder geschlagen worden war111. Er modifizierte zudem die Kanonisationsformel, also den definitorischen Ausspruch über die Heiligkeit einer Person, da er Birgitta ad sedationem schismatis ac fidei et ecclesiae unionem heiligsprach112. Diese Erweiterung des üblichen Formulars im Hinblick auf die Lösung des Schismas und die Kircheneinheit blieb singulär. Dazu erschienen in der Kanonisationsurkunde113 überwiegend Wunder aus Rom und Neapel, aber nur eines aus Schweden. Dieser Schwerpunkt auf Italien war bewusst gesetzt, nahm man es doch in Kauf, einige Mirakel zu Lebzeiten Birgittas, mithin kirchenrechtlich nicht verwertbare Beispiele, anzuführen. Zudem verlieh Bonifaz dabei nicht nur der Grablege Vadstena höhere Ablässe als je zuvor bei einer Heiligsprechung, sondern stattete auch die mit Birgitta verbundene römische Kirche S. Lorenzo in Panisperna mit einem Jubelablass aus114. Diese Art der Kultgestaltung verband Zentrum und Peripherie nicht allein so, wie der Lebensweg Birgittas die Verbindung zwischen Italien und Schweden vorgezeichnet hatte. Hier wurde in der Tat innerhalb der römischen Obödienz eine Kultachse geformt, zu der selbst das lange Zeit umstrittene Neapel zählte – die Heimat des Papstes und zugleich ein Ort, an dem Birgitta Wunder gewirkt hatte: Sie war dadurch und durch jene Visionen, die den Rombezug des Papsttums herausstellten, zur idealen Heiligenkandidatin geworden115. Dies erklärt, warum Bonifaz IX. sein Vertrauen auf Birgittas – durchaus auch gewaltsame – Sieghilfe Boniface IX., in: Santa Brigida profeta dei tempi nuovi – Saint Bridget prophetess of new ages.������������������������������������������������������������������������������ Atti dell’incontro internazionale di studio, Roma 3–7 ottobre 1991 – Proceed�������� ings of the international study meeting, Rome October 3–7 1991, Rom 1993, S. 93–120; Creutzburg, Birgitta (wie Anm. 108), S. 249–251. 111 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 874f.; Edmond-René Labande, L’attitude de Florence dans la première phase du schisme, in: Genèse (wie Anm. 71), S. 483–492, hier S. 489 Anm. 36. 112 Zu der in Urkunde und Sermo parallel überlieferten Formel vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 895 Anm. 217. 113 Ab origine mundi, 7. Oktober 1391; Ed.: AA SS Okt. IV, S. 468–472 sowie Julia Bolton Holloway, Jeremy Duquesnay Adams, A Bridgettine document from the Florentine Paradiso written at Vadstena, 1397, and its context, in: Santa Brigida (wie Anm. 110), S. 860–879, hier S. 867–876. 114 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 899–901, 1042, 1075. 115 So auch Rychterová, Offenbarungen (wie Anm. 100), S. 75, mit Blick auf die Revelationes.
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im Schisma derart deutlich ausdrückte. Für die Anhänger der 1391 anerkannten Heiligen barg die enge Bindung an eine Obödienz allerdings Risiken116, wie sich später zeigen sollte. Wenn Bonifaz auch Birgittas Heiligsprechung mit seinen ureigensten Interessen verband, bedeutete dies nicht, dass er vergleichbare Kandidatinnen vorbehaltlos begünstigt hätte. Den damals vorgebrachten Wunsch der Dominikaner, Katharina von Siena zu kanonisieren, verschleppte er117, obwohl ihr Leib in Rom lag und ihre Sicht des Schismas ebenfalls die römische Obödienz stützte. Als Bonifaz 1401 nochmals eine Person zur Ehre der Altäre erhob, handelte es sich um Johannes von Bridlington, einen Augustinerprior aus Yorkshire, dessen Bedeutung sich weitgehend auf diese Region beschränkte118. Nie war eine Kanonisation so wortreich119 – wenngleich unter Anleihen aus zahlreichen Vorurkunden120 – mit weitgehenden Verweisen auf die Autorität der römischen Kirche und mit einer derart breiten Adressatenliste propagiert worden; und selten war die Wirkung so gering, denn Johannes blieb von der Reformation bis 1913 völlig vergessen121. Erst die Situation des Großen Abendländischen Schismas ermöglichte es überhaupt, dass eine ganze Schar englischer Heiligenkandidaten geprüft wurde, und als einer von ihnen hatte Johannes von Bridlington Erfolg. Er war zwar Vertre116 Vgl. dazu sehr deutlich ebd., S. 75f. 117 Näheres bei Otfried Krafft, Many strategies and one goal. The difficult road to the canonization of Catherine of Siena, in: Jeffrey Hamburger, Gabriela Signori (Hg.), Catherine of Siena. The creation of a cult, Turnhout (Medieval Women: Texts and Contexts) (im Druck). 118 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 919–935; Nyberg, Process (wie Anm. 100), S. 78. 119 De summis celorum, 24. Sept. 1401; Ed.: John Stanley Purvis, St. John of Bridlington, Bridlington 1924 ( Journal of the Bridlington Augustinian society, 2), S. 31–37; Regest: Calendar, Bd. 5 (wie Anm. 83), S. 458–460. 120 Zu diesen vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 922f. Der Anfang des Exordiums entstammt der Sammlung des Richard von Pofi; vgl. Ernst Batzer, Zur Kenntnis der Formularsammlung des Richard von Pofi, Heidelberg 1910 (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, 28), Nr. 261 S. 69. 121 Die Wiederentdeckung geschah durch J. A. Twemlow, The liturgical credentials of a forgotten English saint, in: Mélanges d’histoire offertes à M. Charles Bémont par ses amis et ses élèves à l’occasion de la 25e année de son enseignement à l’École pratique des Hautes Études, Paris 1913, S. 365–371. Nicht nur in der Historiographie sind Hinweise auf diese Kanonisation rar; siehe aber die Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau, ed. Wolfgang-Valentin Ikas, Hannover 22004 (MGH SRG in us. schol., N. S., 19), S. 288, oder ein Offizium des Heiligen bei Twemlow, Credentials (wie diese Anm.), S. 368 Anm. 4.
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ter einer modernen, mystischen Frömmigkeit, wie seine Verbindung zu Margery Kempe belegte, vor allem aber bot er kaum Angriffsflächen. Vielleicht zeichnete ihn genau das vor den übrigen Kandidaten aus: Richard Fitzralph mochte wohl in Irland die Seite Urbans VI. stärken122, doch war er nicht allein als Gegner der Mendikanten problematisch123, sondern auch, weil er den Lollarden als heilig galt. Eduard II. war zwar Objekt der Volksfrömmigkeit geworden, doch wurde er vom Klerus kaum positiv gesehen124. Thomas de la Hale war schließlich das Opfer eines französischen Überfalls auf Dover125, seine Kanonisation hätte sicherlich im Hinblick auf eine Lösung des Schismas zu sehr polarisiert. Die Sache fiel womöglich auch deshalb zugunsten des Priors von Bridlington aus, weil Bonifaz IX. 1391 in diesem Fall zwei seiner Nepoten zu Kommissaren bestellt hatte126. Nachteilig für die Bestrebungen, England durch Heiligsprechungen fester an Rom zu binden, war es indes, dass der Förderer dieser Verfahren, König Richard II., 1399 abgesetzt wurde. Dass die dennoch 1401 erreichte Kanonisation eines Engländers eine derart geringe Resonanz hatte, dürfte zudem aus den wachsenden Zweifeln an der päpstlichen Autorität im überlangen Schisma resultieren. So folgten dem Andrang der ersten Jahrzehnte kaum neue Petitionen. Als Bonifaz IX. schließlich 1404 auf Bitten des Deutschen Ordens Verhöre über die erwähnte Dorothea von Montau einleitete, war dies das Resultat der früheren Einsetzung einer Kommission um 1395/96127.
III. Ausblick auf die Konzilienzeit Für Bonifaz’ IX. zweiten Nachfolger Gregor XII. sind Schritte zu Kanonisationen aus lediglich zwei Fällen bekannt: Im Jahre 1412 wurde erstmals ein Kardinalskommissar für einen weiteren englischen Kandidaten, Osmund von Salisbury, 122 Vgl. Katherine Walsh, Ireland, ��������������������������������������������������������������� the papal Curia and the Schism: A border case,�������� in: Genèse (wie Anm. 71), S. 561–574, hier S. 573. 123 Zur Gegnerschaft der Bettelorden gegen diese Kanonisation vgl. oben Anm. 82. 124 Vgl. dazu Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 189. 125 Vgl. Grosjean, Thomas (wie Anm. 80), S. 173–180. 126 Zu den beiden Kardinälen vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 920 mit Anm. 361, 363 und unten Anm. 135, 137. 127 Dudum pro parte, 18. März 1404; Ed.: Die Akten des Kanonisationsprozesses Dorotheas von Montau von 1394 bis 1521, ed. Richard Stachnik, Köln, Wien 1978 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands, 15), S. 8–10. Vgl. dazu Wetzstein, Heilige (wie Anm. 51), S. 358, 519; Vauchez, Sainteté (wie Anm. 56), S. 661 Nr. 34.
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benannt128. Konkretere Schritte erfolgten bei Katharina von Siena, da Gregor XII. 1408 anscheinend plante, den seit längerem postulierten Fall im Konsistorium zu erörtern129. Allerdings sahen die Petenten davon ab, eine Heiligsprechung bei dem letzten römischen Schismapapst weiter zu betreiben – offenbar, weil dies nach dem Konzil von Pisa kaum mehr erstrebenswert schien. Schon für das Konstanzer Konzil und für Martin V. ist dagegen belegt, dass die einschlägigen Gesuche wieder auflebten. So bemühten sich auch die Anhänger Birgittas um eine Bestätigung der einstigen Kanonisation. Martin V. konfirmierte erst 1419 die Heiligsprechungsurkunde Bonifaz’ IX.130 – deren Geltung er im Nebensatz auf die Gesamtkirche ausdehnte, indem er alle Nachteile, die durch das Schisma entstanden waren, für beseitigt erklärte. Zu einer neuerlichen Kanonisation Birgittas in Konstanz durch Johannes XXIII., wie der Chronist Ulrich Richental meinte131, oder durch Martin V. ist es allerdings nicht gekommen: Der Einheitspapst erkannte lediglich die frühere Kanonisation an, was die theologische Diskussion um die Offenbarungen Birgittas auf den Reformkonzilien keineswegs beendete. Gleichermaßen wurde auf den Kirchenversammlungen von Konstanz und Basel der aus dem avignonesischen Lager herrührende Fall Peters von Luxemburg wiederum aufgegriffen, aber – anders als bei seiner ‚Gegenheiligen‘ Birgitta – zu keinem definitiven Ende gebracht132. *** Die Kanonisationspraxis in Zeiten des Schismas war – gemessen an anderen Perioden – stark von der kirchlich-politischen Ausnahmesituation geprägt. Die Anhänger der angefochtenen Päpste nutzten die Lage und passten die Strategien an, um ihren Heiligenkandidaten möglichst zur Anerkennung zu verhelfen. Bereits aus den Quellen des 12. Jahrhunderts ging hervor, dass im Schisma die Bittsteller bessere Chancen sahen, ihr Ansinnen zu erreichen, zugleich die Beziehung zu ‚ihrem‘ Papst zu kräftigen und sich nicht zuletzt himmlischer Fürsprecher zu versi128 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 940f. 129 Attendentes civitatis Senarum, 7. Januar 1408; Ed.: AA SS April III, S. 979 §18. Vgl. zu der problematischen Urkunde Krafft, Strategies (wie Anm. 117). 130 Vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 915–919. 131 Chronik des Konstanzer Konzils 1414–1418 von Ulrich Richental, ed. Thomas Martin Buck Ostfildern 2010 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, 41), S. 38f.; zur Kritik der Stelle vgl. Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 907–914. 132 Peter von Luxemburg wurde 1527 von Clemens VII. seliggesprochen, und es handelte sich um eine der ersten Beatifikationen. Seine Kanonisation scheiterte indes 1589 unter Sixtus V. daran, dass ihn der ‚Gegenpapst‘ Clemens VII. zum Kardinal promoviert hatte. Vgl. dazu Helmrath, Aktenversendung (wie Anm. 64), S. 671f.
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chern. Solche Petitionen und ihre Erfüllung führten – vor allem aufgrund äußerer Anstöße und nicht durch zentrale Koordination – im wechselseitigen Austausch zur Konsolidierung der Obödienzen. Päpstliche Heiligsprechungen waren dabei bedeutsam, stachen sie doch vor anderen möglichen Gunsterweisen durch ihre Exklusivität und ihr hohes Prestige hervor. Kanonisationen fielen schon bei Innocenz II. und stärker noch bei Alexander III. mit Bestrebungen zusammen, bestimmte Königreiche an ihre Obödienz zu binden, was das Hervortreten heiliger Herrscher, die ihre jeweiligen Nachfolger zusätzlich legitimierten, in dieser Zeit zweifellos förderte – mit Einflüssen auch auf die gegnerische Seite, wie sich bei der Kanonisation Karls des Großen erwies. Nicht zufällig wurden gerade Innocenz II. und Alexander III. zu den aktivsten Kanonisatoren vor 1191 (jeweils mindestens vier Fälle). Auch die späten, hier nicht behandelten Beispiele beider Päpste ähnelten in ihrer Zielrichtung den am Beginn der Schismen vorgenommenen Kanonisationen. Die eifrige äußere Nachfrage beschleunigte gerade unter Alexander III. die Ausformung der päpstlichen Kanonisation erheblich. Das Alexandrinische Schisma sah zudem im Falle Karls des Großen die einzige Heiligsprechung durch eine unterlegene Obödienz, wobei es eigentümliche Wege zur nachträglichen Besserung oder Heilung des Vorganges gab. Insgesamt wurde der Aufschwung der päpstlichen Heiligsprechung gerade im Hinblick auf eine breitere und schließlich vom Anspruch her universale Geltung durch die Praxis in den Schismen des 12. Jahrhunderts merklich beschleunigt. Hingegen dauerte es im Großen Abendländischen Schisma trotz vermehrter Petitionen lange, bis Heiligsprechungen erfolgten. An Kandidaten mangelte es nicht, indessen zeigten sich Urban VI. und Clemens VII. in diesen Fragen zögerlich. Ihre sich möglicherweise auf prinzipielle Bedenken gründende Zurückhaltung stimmte damit überein, dass bedeutende Theologen wie Heinrich von Langenstein die zeitgenössischen Kanonisationsbestrebungen – und dies obödienzübergreifend unter namentlicher Nennung Birgittas und Urbans V. – unter Hinweis auf die große Zahl vorhandener Heiliger kritisierten133. Allein Bonifaz IX. setzte sich darüber hinweg und nahm zwei Heiligsprechungen vor. Deren Spezifika lagen in der Wirkung, die bei Johannes von Bridlington fast ausblieb und bei Birgitta von Schweden trotz des beachtlichen Kulterfolgs zu massiven Zweifeln führte. So musste für Birgitta nach dem Schisma die neuerliche Anerkennung gesucht werden. Dies gelang unter Martin V., es kam aber nicht, wie verschiedentlich behauptet, zu einer wiederholten Heiligsprechung. Dies ist fest133 Vgl. dazu Krafft, Papsturkunde (wie Anm. 4), S. 863.
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zuhalten, hätte doch ein solches Vorgehen – da so die Ungültigkeit der Handlung Bonifaz’ IX. festgestellt worden wäre – im Nachhinein die päpstliche Autorität in Zeiten der Kirchenspaltung zusätzlich delegitimiert. Die Päpste in Avignon sahen letztlich von Kanonisationen ab, doch war das Bild auf ihrer Seite ebenso aufschlussreich. Was Urban V. und Peter von Luxemburg verband und von anderen unterschied, war ihr Amt an der Kurie sowie die Grablege bei oder in Avignon. Dies war möglicherweise Ausdruck eines Defizits des provenzalischen Papstsitzes gegenüber dem an Heiligen reichen Rom, und insofern hätte ein erfolgreicher Abschluss beider Kanonisationsverfahren das Zentrum Avignon stärken können. Gleichwohl gelang es bei Peter von Luxemburg, die französischen Unterstützer anfangs auch ohne Heiligsprechung stärker anzubinden. Danach lebte sein offenbar geduldeter Kult in Avignon trotz der Streitigkeiten Benedikts XIII. mit Frankreich fort. Bei dem Kanonisationsprojekt bezüglich Urbans V. hätte sich die Möglichkeit eröffnet, den Anspruch auf Namen und Nachfolge dieses Reformpapstes nicht der Gegenseite zu überlassen und auch einen gemeinsamen Heiligen für Rom und Avignon zu schaffen, eine Perspektive, die nach Verfestigung der Obödienzen wenig Chancen besaß. Anders sah es bei Birgitta aus, die das Zentrum, hier Rom, mit auswärtigen Kultorten, darunter das politisch so wichtige Neapel, verbinden konnte. Zunächst hatte Urban VI. ihre Heiligsprechung aufgeschoben, was dem Vorgehen der Gegenseite entsprach. Dass Adam Easton zum maßgeblichen Förderer dieser Kanonisation wurde, ergab sich eigenartigerweise als Folge der inneren Konflikte der urbanistischen Obödienz. Erst nach dem Ausgleich mit den Kardinälen wurde diese Kanonisation möglich, wobei Bonifaz IX. darauf hinwies, dass Birgittas Hilfe via facti die Lösung bringen sollte. Damit hob sich Birgittas Heiligsprechung aus der gleichzeitigen Politik dieses Papstes heraus, Heiligenkulte verstärkt, doch unter implizitem Vorbehalt durch Ablässe zu ermöglichen. Letzteres gehörte ebenso in den Bereich der Gunsterweise wie die bis etwa 1400 merklich verstärkte Einleitung von Kanonisationsprozessen an der nördlichen Peripherie seitens der römischen Päpste. Derartige Begünstigungen, dies erwies sich an Johannes von Bridlington, konnten durchaus zur Heiligsprechung führen, die jedoch einen äußerst begrenzten Nachhall hatte. Ungeachtet grundsätzlicher Zweifel an der päpstlichen Kanonisation, die etwa auf den Reformkonzilien artikuliert wurden, sollte diese im mittleren 15. Jahrhundert noch einmal eine beachtliche Frequenz erreichen. Doch zeichneten sich bereits an den Kanonisationen und Kultgewährungen in der Zeit des Großen Abendländischen Schismas wie an der gänzlich abgeflauten Zahl einschlägiger Petitionen im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts die Grenzen universaler Autorität deutlich ab.
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Anhang Bonifaz IX. beauftragt, nachdem König Richard II. und Königin Anna mitsamt den Großen Englands die Kanonisation erbeten hatten, die Kardinäle Franziskus von Palestrina, Bartholomäus von S. Pudenziana und Rainald von S. Vito, Leben und Wunder des Johannes von Thwing134, einst Prior der Augustinerchorherren von Bridlington, zu untersuchen, um gegebenenfalls eine Untersuchung in England anzusetzen. Rom, St. Peter, 1391 Februar 16
Abschrift: Archivio Segreto Vaticano, Reg. Lateran. 12, fol. 216r (alt: 239r); Regest: Twemlow, Calendar, Bd. 4 (wie Anm. 83), S. 378f.; vgl. dazu oben Anm. 87.
Bonifacius etc. Venerabili fratri Francisco episcopo Penestrin. vicecancellario135 et dilectis filiis Bartholomeo tituli sancte Potenciane presbitero136 ac Raynaldo sancti Viti in Macello diacono137 cardinalibus sancte Romane ecclesie salutem etc. Quia sepe et instanter nobis pro parte carissimi in Christo filii nostri Ricardi regis et carissime in Christo filie nostre Anne eius consortis regine Anglie illustrium et quamplurimum prelatorum et personarum ecclesiasticarum necnon ducum, magnatum et baronum regni Anglie et crebris litteris et multiplicatis instanciis pro canonizatione fienda de recolende memorie Iohanne de Thwemg priore prioratus de Bridlington ordinis sancti Augustini Eboracen. dioc. ac eciam more solito tribus vicibus in consistoriis publicis et demum per venerabilem fratrem nostrum Philippum episcopum Squillacen.138 in sacra theologia magistrum reveren134 Thwing unweit Bridlington, Yorkshire. 135 Franciscus Moricotti Prignani (†1394 Februar 6); vgl. Konrad Eubel, Hierarchia Catholica medii aevi, Bd. 1, Münster 21913, S. 23 Nr. 3; Arnold Esch, Das Papsttum unter der Herrschaft der Neapolitaner. Die führende Gruppe Neapolitaner Familien an der Kurie während des Schismas 1378–1415, in: Festschrift Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag, Bd. 2, Göttingen 1972 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institutes für Geschichtswissenschaften, 36,2), S. 713–800, hier Stammtafel; Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 76), S. 264 Nr. 179. 136 Bartholomaeus Uliario (†1396 April 16); vgl. Eubel, Hierarchia (wie Anm. 135), S. 25 Nr. 2; Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 76), S. 276 Nr. 221. 137 Rinaldo Brancacci (†1427); vgl. Eubel, Hierarchia (wie Anm. 135), S. 25 Nr. 39; Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 76), S. 276 Nr. 215; Esch, Papsttum (wie Anm. 135), S. 730, 752f. Brancacci wurde später Kommissar im Verfahren der Dorothea von Montau; vgl. Stachnik, Akten (wie Anm. 127), S. 6 mit Anm. 67, S. 11. 138 Filippo Crispi, Bischof von Squillace, später Messina; vgl. Eubel, Hierarchia (wie Anm. 135), S. 337, 462.
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ter et solemniter coram nobis fuit propositum et instancius supplicatum ac, sicut a multis accepimus, fide dignis meritibus et intercessionibus139 eiusdem Iohannis140, cuius corpus in ecclesia dicti prioratus requiescit, non solum dum ageret in humanis vivus, eciam post ipsius obitum multa in testimonium beatitudinis eius signa et miracula gloriose, longe lateque suis fidelibus dignatus est ostendere dominus noster Iesus Christus, que non141 decet latere sub modio, sed ut super candelabrum142 posita ceteris in exemplum lucem prebeant clariorem, necessarium est et consentaneum rationi, ut143 cognoscant gentes144 et enarrent mirabilia145 Dei et benedicat omnis caro nomini sancto eius146, qui facit magna et inscrutabilia absque numero147, propter informandam humane fragilitas ignoranciam tam excelsas et mirificas Dei virtutes testium fide dignorum testimonio comprobari. Nos igitur, quos in certis festinos et in dubiis lentos convenit reperiri et qui sumus omnibus iusticie debitores, quia de premissis certam noticiam non habemus, regis et regine ac aliorum predictorum supplicationibus annuentes in hac parte favorabiliter tamquam iustis de consilio eciam fratrum nostrorum, ut cum debita maturitate in tanto negocio mediante iusticia procedamus, circumspectioni vestre, de qua in hiis et aliis specialem in Domino fiduciam obtinemus, per apostolica scripta committimus et mandamus, quatenus de fama premissorum, vita et miraculis ac de devocione populi et eorum circumstanciis universis iuxta datam a Deo vobis prudenciam veritatem a testibus, quantum sinit humana fragilitas, omni exceptione maioribus diligencius in curia et extra148 inquiratis vel inquiri faciatis, et an vobis videatur ad maiorem rei probacionem, quod super veritate eorumdem prelatis ydoneis et bone consciencie in partibus ad inquirendum in specie committimus. Quicquid autem inde repperitis nobis referre fideliter procuretis, ut
139 Dahinter fide gestrichen. 140 Dahinter wohl sicut gestrichen. 141 Dahinter licet gestrichen. 142 Mt. 5, 15. 143 Ut über der Zeile ergänzt, darunter quod gestrichen. 144 Sir. 46, 8. 145 Sir. 36, 10. 146 Ps. (G) 144, 21. 147 Iob 5, 9. 148 In curia et extra am Rande nachgetragen, darunter der Vermerk correctum de mandato N. de Ben.to, bezogen auf Nicolaus de Benevento; zu ihm vgl. Heinrich Kochendörffer, Päpstliche Kurialen während des großen Schismas, in: NA 30 (1905), S. 549–601, hier S. 567 Nr. 4.
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vestra huiusmodi relacione instructi consulcius et maturius in premissis procedere valeamus. Datum Rome apud sanctum Petrum149 quartodecimo kl. Marcii anno secundo.150
149 Sanctum Petrum zusammengeschrieben. 150 Dahinter der Taxvermerk Iac. xxx de Theram. Er stammt von Jacobus Palladini von Teramo; zu dessen Person vgl. Kochendörffer, Kurialen (wie Anm. 148), S. 574 Nr. 58, S. 590 Nr. 4; Eubel, Hierarchia (wie Anm. 135), S. 347, 473, 461, 251. In der Taxordnung Johannes’ XXII. wurden derartige Mandate taxiert auf 20 Turnosen; vgl. Tangl, Taxwesen (wie Anm. 56), S. 79 §29. Die Praxis sah aber uneinheitlicher aus; vgl. Krafft, Papsturkunde (Anm. 4), S. 677 Anm. 11. Zur eigentümlichen Verschränkung von Taxbetrag und Registratorennamen siehe den Beitrag von Patrick Zutshi in diesem Band.
Die renuntiatio Felix’ V. (1449) Ursula Giessmann Den letzten Gegenpapst der mittelalterlichen Kirchengeschichte, Felix V. (1439– 1449)1, zeichneten während seines Lebens sehr unterschiedliche Kleidungsstücke als Träger etlicher Würden bzw. gesellschaftlicher Positionen aus. Seit seiner Geburt 1383 war Amadeus VIII. Graf von Savoyen, bis König Sigismund sein Herrschaftsgebiet aufwertete und ihm 1416 den Herzogshut verlieh. Mitte der 1430er Jahre legte er den herzoglichen Ornat ab und eine graue Eremitenkutte an, ohne damit aber letztlich seine herzogliche Macht aufzugeben2. Vom Basler Konzil im November 1439 zum Papst gewählt, wurden ihm im folgenden Dezember im Zeremoniell der Immantation die päpstlichen Gewänder angelegt; im Juli 1440 wurde er schließlich in Basel mit der Tiara zum Papst gekrönt3. Nach fast zehn Jahren als Papst mit einer stetig schrumpfenden Obödienz, die letztlich nur aus dem Herzogtum Savoyen bestand, legte er am 7. April 1449 in Lausanne schließlich einige der päpstlichen Insignien, wie den Fischerring, ab und resignierte zugunsten des römischen Prätendenten Nikolaus V. (1447–1455). Doch der nun konkurrenzfreie und unangefochtene römische Pontifex gestattete dem zum Kardinal und legatus a latere erhobenen Amadeus in seinem Legatensprengel 1 Der savoyische Herzog Amadeus VIII. war der letzte Laie, der zum Papst gewählt wurde. Nach seiner Berufung durch das Basler Konzil nahmen 22 Jahre nach dem Ende des Abendländischen Schismas wieder zwei Prätendenten die Petrusnachfolge für sich in Anspruch. Diese Konkurrenz ist fundamental, da das Papstamt unteilbar ist. Der Titel ,Gegenpapst‘ kommt entsprechend einem Verdikt gleich, mit dem in erster Linie die Illegitimität seines Trägers angezeigt werden soll. Diese Illegitimität ist jedoch zumeist eine geschichtspolitische Festschreibung ex post. Der in die offizielle Papstreihe aufgenommene, legitime Papst ist in der Regel der vormalige Prätendent, dem es gelang, die Machtfrage für sich zu entscheiden. 2 Zum Forschungsstand zu Amadeus VIII. vgl. bisher Bernard Andenmatten, Agostino Paravicini-Bagliani (Hg.), Amédée VIII – Félix V. Premier Duc de Savoie et Pape (1383–1451), Lausanne 1992. Zum Rückzug von der Herzogswürde vgl. Valerio Gigliotti, La renuntiatio alla corona ducale di Amadeo VIII di Savoia: un’abile mossa per non perdere il potere, in: RSDI 76 (2003), S. 339–392. 3 Zur Immantation Felix’ V. vgl. Ursula Lehmann, Die ‚heikle‘ Bartfrage – Verhandlungen und Zeremoniell anläßlich der Wahlannahme von (Gegen-)Papst Felix V., in: AK 91 (2009), S. 79–98.
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und vormaligen Obödienzbereich, dem Herzogtum Savoyen, die päpstlichen Gewänder bis auf wenige Ausnahmen auch weiterhin zu tragen4. Dieser Vorgang – den päpstlichen Habit auch nach dem Rücktritt weiterhin tragen zu dürfen – ist erklärungsbedürftig. Dabei stellt sich zum einen die Frage, wie es Felix V. gelang, nach seinem Verzicht auf die Papstwürde, die päpstlichen Gewänder nicht ablegen zu müssen5. Auf einer wesentlich grundsätzlicheren Ebene ist zum anderen zu fragen, wieso Nikolaus V. seinem Basler Fundamental-Konkurrenten soweit entgegen kam, dass dieser nach seiner renuntiatio in Savoyen bis zu seinem Tod gewissermaßen als papa in territorio suo agieren konnte und auch von seinen Zeitgenossen zumindest partiell weiterhin als Papst wahrgenommen wurde6. Weder die Abdankung Felix’ noch die damit verbundene Kompensation des Amtsverlusts durch einen hohen Kardinalsrang und einen zugewiesenen Legatensprengel ist in der Papstgeschichte singulär. Durch den Amtsverzicht Cölestins V. am 13. Dezember 1294 hat die Abdankung eines Papstes Eingang in das kanonische Recht gefunden. Mit der Aufnahme der Konstitution Quoniam aliqui in den Liber Sextus von 1298 setzte sich die Auffassung durch, aufgrund seiner plenitudo potestatis könne der Papst auch sein Amt niederlegen7. Eine solche renuntiatio in Verbindung mit einem Ausgleich für den Verzicht auf die Papstwürde lässt sich 4 Documents inédits relatifs au concile de Bâle (1437–1449), ed. Gabriel Pérouse, in: Bulletin historique et philologique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques 1905, S. 364–399, hier Nr. 15 S. 397–399. 5 Zur symbolischen Dimension von Kleiderwechseln vgl. auch mit weiteren Angaben Jan Keupp, Die Wahl des Gewandes. Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalter, Ostfildern 2010 (Mittelalter-Forschungen, 33); Valentin Groebner, Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Mittelalter, München 2004; Peter von Moos, Das mittelalterliche Kleid als Identitätssymbol und Identifikationsmittel, in: Ders. (Hg.), Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation von der vormodernen Gesellschaft, Köln, Weimar u. a. 2004 (Norm und Struktur, 23), S. 1–42. 6 Vgl. unten Anm. 53. 7 Die nach Cölestins Amtsverzicht verfassten Traktate De renuntiatione papae wie auch die kuriale Praxis, den Begriff resignatio für den Pfründenverzicht zugunsten eines Dritten, resignatio in favorem tertii, zu verwenden, legen es nahe, für den päpstlichen Amtsverzicht den Begriff renuntiatio zu wählen. Vgl. dazu grundlegend Martin Bertram, Die Abdankung Papst Cölestins V. (1294) und die Kanonisten, in: ZRGKanAbt 56 (1970), S. 1–101; jetzt auch zusammenfassend Thomas Wetzstein, Renuntiatio – resignatio. Zum Amtsverzicht in der Kirche des hohen und späten Mittealters, in: Susan Richter, Dirk Dirbach (Hg.), Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln, Weimar u. a. 2010, S. 30–61, bes. S. 37. Vgl. auch Pier Giovanni Caron, La rinunzia all’ufficio ecclesiastico, Mailand 1946, S. 168f.
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wenige Jahrzehnte vor Felix V. bereits im Fall Gregors XII. (1406–1415) beobachten. Dessen Prokurator Carlo Malatesta hatte vor dem Konstanzer Konzil am 4. Juli 1415 die päpstliche Cedula Ego Carolus in Stellvertretung des Venezianers verlesen und damit dessen Abdankung vollzogen8. Zuvor hatte Gregor ausgehandelt, dass er und seine bisherigen Kardinäle nach seiner Abdankung „in alle Rechte des Kardinalats eingesetzt wurden“9. Er blieb Kardinalbischof von Porto und legatus a latere der Mark Ancona, bis er am 18. Oktober 1417 in Recanati verstarb10. Die bei aller Unterschiedlichkeit der Pontifikate zu beobachtende Ähnlichkeit der Kompensationen, die nach der Abdankung Gregors XII. und Felix’ V. erfolgten, wirft weitere Fragen auf. Zum einen ist zu diskutieren, ob territoriale Entschädigungen für ausgeschaltete Papst-Prätendenten als ein sich bewährendes Mittel zur Lösung von Schisma-Situationen verstanden werden können. Zum anderen gibt die Kompensation durch einen Legatensprengel Hinweise auf die territoriale Machtbasis des Papsttums in der Mitte des 15. Jahrhunderts insgesamt, die abschließend in den Blick genommen wird. Zunächst soll kurz die Entwicklung des Basler Schismas umrissen werden: In Konstanz war es einem Generalkonzil gelungen, die kirchliche Einheit innerhalb der westlichen Christenheit weitgehend wiederherzustellen, doch zugleich ergaben sich damit neue Konflikte. Einerseits strebte das wiedererstarkte Papsttum in Rom unter Martin V. (1417–1431) eine Restauration seiner Macht an, andererseits hatten Anhänger der konziliaren Theorie durch den erfolgreichen Abschluss des Konstanzer Konzils erheblich an Selbstbewusstsein gewonnen und setzten sich entschieden für die Umsetzung des Konstanzer Dekrets Frequens ein. Gemäß dessen Vorgaben trat nach dem Konzil von Pavia/Siena (1423/24) in Basel 1431 ein weiteres Konzil zusammen und sollte – in stark veränderter Zusammensetzung – bis 1449 bestehen bleiben11. 8 Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio, Bd. 27, Paris 1906, Sp. 744. Vgl. mit weiteren Angaben Valerio Gigliotti, La renuntiatio papae nella riflessione giuridica medioevale (secc. XIII–XV): tra limite ed esercizio del potere, in: RSDI 79 (2006), S. 291–401, hier S. 377. 9 Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, Bd. 1, Paderborn 1991 (Konziliengeschichte, Reihe A, Darstellungen), S. 317. Zu den Zessionsbedingungen vgl. Mansi, 27 (wie Anm. 8), Sp. 731. 10 Zum Grabmal des Kardinals Angelo Correr (Gregor XII.) in Recanati vgl. Dieter Girgensohn, Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts, Göttingen 1996, S. 161f. Zur Abdankung Gregors XII. in Konstanz gibt Girgensohn keine weiteren Hinweise. 11 Vgl. zum Konzil von Basel mit umfangreichen Literaturangaben Heribert Müller, Das Basler Konzil (1431–1449) und die europäischen Mächte. Universaler Anspruch und na-
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Der Versuch Eugens IV. (1431–1447), das Konzil durch Verlegung nach Bologna bereits kurz nach der Eröffnung wieder aufzulösen, führte zu einem irreparablen Vertrauensbruch zwischen Papst und Kirchenversammlung. Die Frage, wo ein Konzil die Union mit der Ostkirche herbeiführen könnte, ließ den Streit offen eskalieren. Der ursprüngliche Dissens wurde überlagert von dem längst angelegten Verfassungskonflikt um die Superiorität der kirchlichen Leitungsinstanzen. Er fand seinen vorläufigen Höhepunkt in einem Häresieprozess, durchgeführt durch das Basler Konzil, der mit Eugens IV. Absetzung am 25. Juni 1439 und der Wahl des savoyischen Herzogs Amadeus VIII. am 5. November 1439 zum Papst endete. Dieser gab sich nach dem Tagesheiligen den Papstnamen Felix V.12 Seine Legitimation als Papst hing vor allem davon ab, inwieweit das Wahlverfahren dem regulären Verlauf einer päpstlichen Wahl entsprochen hatte. Dies war kaum möglich, da nach der Konzilsspaltung nur noch ein einziger Kardinal in Basel geblieben war13. Orientierung über die Zusammensetzung des Wahlgremiums bot das Konklave auf dem Konstanzer Konzil, aus dem Martin V. als Papst hervorgetreten war. Dort waren die Reihen der anwesenden Kardinäle mit anderen Konzilsangehörigen aufgefüllt worden. Dazu entschloss man sich in Basel ebenfalls. Der sonstige Ablauf des Basler Konklaves selbst habe sich, soweit man dem Bericht des Zeremonienmeisters Enea Silvio Piccolomini, des späteren Papstes Pius II., in seiner Konzilsgeschichte folgen möchte, minutiös nach der Konklaveordnung von 1274 gerichtet14. Von Enea Silvio Piccolomini erfährt man auch die Gründe, warum ausgerechnet der savoyische Herzog vom Basler Konzil zum Papst gewählt worden war: In seinem Bericht über das Konklave im Basler Haus zur Mücke lässt er einen der Wähler, der zugleich savoyisches Landeskind war, kurz vor dem entscheidentionale Wirklichkeiten, in: HZ 293 (2011), S. 593–629. Grundlegende Forschungsergebnisse zum Basler Konzil in Auswahl: Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln, Wien 1987 (Kölner Historische Abhandlungen, 32); Stefan Sudmann, Das Basler Konzil. Synodale Praxis zwischen Routine und Revolution, Frankfurt/M. u. a. 2005 (Tradition – Reform – Innovation, 8); vgl. auch den Sammelband zu den Konzilien des 15. Jahrhunderts: Johannes Helmrath, Heribert Müller (Hg.), Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), Ostfildern 2007 (VuF, 67). 12 Vgl. hierzu Lehmann, Bartfrage (wie Anm. 3), S. 88. 13 Zur Papstwahl vgl. grundsätzlich Bernhard Schimmelpfennig, Papst- und Bischofswahlen seit dem 12. Jahrhundert, in: Reinhard Schneider, Harald Zimmermann (Hg.), Wahlen und Wählen im Mittelalter, Sigmaringen 1990 (VuF, 37), S. 173–195. 14 Aeneas Sylvius Piccolominius, De Gestis Concilii Basiliensis Commentariorum, ed. Denys Hay, Wilfrid K. Smith, Oxford 1967, S. 188–254.
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den letzten Wahlgang ein Herrscherlob auf Amadeus VIII. anstimmen, in dem dessen Fähigkeiten, künftig das Papstamt zu versehen, hervorgehoben werden. Zunächst stehen dabei seine Erfolge als säkularer Fürst im Vordergrund: Savoyen hatte unter der fast 40-jährigen Herrschaft von Amadeus VIII. einen signifikanten Aufstieg und seine größte Ausdehnung erfahren. Der Savoyer galt in seiner Zeit als angesehener Diplomat und verstand es, dieses Bild von sich erfolgreich zu verbreiten. Innerhalb seines Fürstentums führte er ein straffes Regiment. 1430 regelte er durch eine Landesordnung, die Decreta Sabaudiae, die entscheidenden Herrschaftsbereiche neu: Verwaltung, Finanzen, Gerichtswesen und Polizei. Diese wurden hierarchisiert und in der Person des Fürsten zusammengeführt. Das erste Buch seiner Landesordnung zeugt zudem von der Absicht, in Savoyen eine geschlossene, streng christlich geprägte Gesellschaftsordnung zu verwirklichen15. Durch seine familiären Verbindungen gehörte Herzog Amadeus VIII. wichtigen Fürstenhäusern Europas an. Selbst ein Enkel Bonnes de Bourbon, der Schwester König Philipps VI. von Frankreich, war er mit Maria von Burgund, der Tochter Philipps des Kühnen, bis zu ihrem Tod 1422 verheiratet gewesen und hatte die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder mit den großen Fürstenfamilien Europas vermählt. Er war Schwiegervater von Philipp Maria Visconti und Louis von Anjou, sein ältester Sohn hatte Anna von Zypern geheiratet. Für die Basler stellten diese dynastischen Verbindungen, insbesondere die Verwandtschaft zum französischen König Karl VII., neben der finanziellen Potenz sowie Amadeus’ Ruf als Diplomat die entscheidenden politischen Gründe für seine Wahl dar16. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die für die Basler Versammlung besonders günstigen ,geostrategischen Merkmale‘ des Kandidaten, der – so Enea Silvio Piccolomini – „einen Fuß in Italien und den anderen in Frankreich hatte“17. Amadeus von Savoyen galt zudem als außergewöhnlich frommer Fürst, was mit seiner umfassenden Stiftung in Ripaille, seiner Altersresidenz, und der Gründung des Ritterordens von St. Mauritius, dem Familienpatron, in Zusammenhang gesetzt wurde. Neben seiner öffentlich präsentierten soll zugleich eine privat-abgeschiedene Frömmigkeit bestanden haben, deren Nachweis allerdings kaum zu führen ist18. 15 Vgl. Rinaldo Comba, Les Decreta Sabaudiae d’Amédée VIII: un projet de société, in: Andenmatten, Paravicini-Bagliani, Amédée VIII (wie Anm. 2), S. 179–190. 16 Vgl. Helmrath, Konzil (wie Anm. 11), S. 236. 17 Piccolominius, De Gestis Concilii (wie Anm. 14), S. 250: Amadeus, qui alterum in Italia, alterum vero in Gallia pedem habet. 18 Zu einer Neuinterpretation der Stiftung in Ripaille vgl. künftig die Dissertation der Verfasserin: Der Konzilspapst Felix V. – Untersuchungen zu Herrschaftspraxis und Legitimationsstrategien (Drucklegung in Vorbereitung).
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Die Interessen seines vormaligen Herzogtums verfolgte Felix V. auch als Papst. So erwirkte er von den Basler Konzilsvätern für seine finanziellen Bedürfnisse, die er offenbar nicht allein aus der herzoglichen Kasse bestreiten wollte und konnte, die Erlaubnis, sich in Savoyen eine Reihe von Pfründen „anstelle des Kirchenstaates“ (loco patrimonii ecclesie)19 anzueignen. Diese Übertragung des Konzepts Patrimonium Petri auf Savoyen sanktionierten die Konzils-Dekrete Etsi inscrutabili (1442) und Rerum dispensationem (1446). Unter diesen Pfründen befand sich seit März 1444 auch der Bischofsstuhl von Genf20. Genf war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollständig vom Herzogtum Savoyen umschlossen, jedoch war es Amadeus VIII. bis dahin nicht gelungen, realen Zugriff auf die Stadt zu gewinnen, die aufgrund ihrer Wirtschaftskraft – als Messe- und Bankenstadt – und ihrer strategischen Lage an der Rhône immense Attraktivität besaß; letztlich versuchten die Savoyer bereits seit 200 Jahren sich der Stadt zu bemächtigen, deren nomineller Stadtherr der jeweilige Bischof war21. Seit März 1444, nach dem Tod des Bischofs François de Metz, war dies der ehemalige Herzog von Savoyen, nunmehr also Felix V. höchstselbst; damit hatte er ein zentrales Ziel seiner politischen Laufbahn als Papst erreicht: die Integration Genfs in das savoyische Herzogtum. Zuvor, im November 1442, hatte Felix V. bereits seine Kurie von Basel an den Genfer See verlegt und residierte abwechselnd in den herzoglichen Residenzen Ripaille und Evian, in Lausanne oder ab 1444 dauerhaft in Genf, vorzugsweise im Dominikanerkonvent Plainpalais vor den Stadtmauern und damit im savoyischen Machtbereich22. Genf war auch Schauplatz der Rücktrittsverhandlungen Felix’ V., die außerdem in Rom und Lyon stattfanden, während der neue Tagungsort des Konzils, Lausanne, keine Rolle spielte. Bereits in diesen Ortswahlen deutet sich an, welche politischen Mächte die Beendigung des Basler Schismas bestimmten: Nikolaus V. 19 Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel, Bd. 7, ed. Hermann Herre, Basel 1910, S. 336. 20 Vgl. dazu Ursula Lehmann, Von Schätzen und Landschaften: Savoyische Verhältnisse unter Amadeus VIII. – Felix V., in: Heribert Müller (Hg.), Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450), München 2012 (im Druck). Vgl. zu den Provisionsverhandlungen Alexander Eckstein, Zur Finanzlage Felix’ V. und des Basler Konzils, Berlin 1912, S. 39–49 sowie Concilium Basiliense, VII (wie Anm. 19), S. 57; Elisa Mongiano, Privilegi concessi all’Antipapa Felice V (Amedeo VIII di Savoia) in materia di benefici, in: RSDI 52 (1979), S. 174–187, hier S. 176. 21 Dazu mit weiteren Angaben Louis Binz, Vie religieuse et réforme ecclésiastique dans le diocèse de Genève pendant le grand schisme et la crise conciliaire (1378–1450), Genf 1973, bes. S. 85–101. 22 Vgl. ebd., S. 126.
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in Rom, Felix V. in Genf und als Vermittler der französische König Karl VII. in Lyon.
Die Rücktrittsverhandlungen Felix’ V. Die Abdankungsverhandlungen, die der Sohn des Gegenpapstes und amtierende Herzog von Savoyen, Ludwig, sowie der französische König Karl VII. bereits Ende 1445 aufgenommen hatten, nahmen im Verlauf des Jahres 1447 an Intensität zu23. Die Chancen für einen Kirchenfrieden und die Lösung des Schismas standen nach dem Tod des in Basel wenig geschätzten und als Häretiker verurteilten Papstes Eugen IV. erheblich besser. Als sein Nachfolger ging am 19. März 1447 Nikolaus V. aus dem Konklave in Rom hervor. Dieser war selbst in den 1430er Jahren auf dem Konzil in Basel gewesen und dem Konzilspapst gegenüber letztlich erheblich versöhnlicher gesinnt als sein Vorgänger. Jedoch merkte man diese friedfertigere Grundhaltung einem Schreiben Nikolaus’ V. an Karl VII. vom 12. Dezember 1447, das sich mit der Beilegung des Schismas befasst, noch nicht an. Darin begrüßte der Papst im Vorfeld jedes, wohl auch gewaltsames Vorgehen des französischen Königs gegen das Konzil und Felix V., sofern damit nur der Frieden der Kirche wiederhergestellt würde24. Die Verhandlungen zwischen den Kurien in Rom und Lausanne um die Beilegung des Schismas lenkte der französische König Karl VII. über die von ihm dafür betrauten Vertreter Jacques Juvénal des Ursins und den langjährigen Konzilstheologen Thomas de Courcelles25. Als weiterer Akteur ist erneut Herzog Ludwig von 23 Umfangreiches Material zu den Verhandlungen über eine renuntiatio Felix’ V. ist ediert in: Procés-Verbal des conférences tenues en 1447 à Lyon et à Genève pour mettre fin au schisme de Bâle, ed. Gabriel Pérouse, in: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel, Bd. 8, Basel 1936. 24 Vgl. dazu die Instruktionen Nikolaus’ V. an seine Gesandten: Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum in Galliae bibliothecis delituerant, Bd. 3, ed. Luc d’Achery, Paris 1723 (ND Farnborough 1968), S. 774: Nos de omnipotentis Dei misericordia, ac Beatorum Petri et Pauli Apostolorum eius auctoritate confisi, omnibus qui cum Rege aut Delphino praefato contra Amedeum et sequaces eosdem in propriis personis, propriisque expensis processerint, plenam suorum peccatorum veniam indulgemus, et in retributionem iustorum vitae aeternae pollicemur augmentum. Dazu auch Noël Valois, La crise réligieuse du XVe siècle. Le Pape et le Concile (1418–1450), Bd. 2, Paris 1909, S. 339. 25 Zu Thomas de Courcelles vgl. Heribert Müller, Thomas von Courcelles. Zum Lebensweg eines Pariser Universitätslehrers und Basler Konzilvaters am Ausgang des Hundertjährigen Krieges, in: Johannes Arnold, Rainer Berndt SJ u. a. (Hg.), Väter der Kirche – Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit. Festgabe für Hermann Josef Sieben SJ
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Savoyen zu nennen, der aufgrund seiner kriegerischen Aktivitäten – insbesondere um das Erbe des letzten Visconti – auf die Rückendeckung Frankreichs angewiesen war und ein vitales Interesse am Rücktritt seines Vaters hatte. Auch musste Ludwig die Absage der bereits lange vereinbarten Hochzeit des savoyischen Thronfolgers Amadeus IX. mit der französischen Prinzessin Yolande befürchten. Diese insgesamt schwache Position des Fürsten, vor allem in finanzieller Hinsicht, sollten die französischen Verhandlungsführer ausnutzen. Karl VII. hatte sie instruiert, ausschließlich mit Herzog Ludwig zu verhandeln und eine Begegnung mit Felix V., dessen diplomatisch versiertem Kardinal Ludwig Aleman oder anderen Basler Konzilsvätern möglichst zu vermeiden26. Doppelstrategisch versicherte sich der französische König der Unterstützung von vier taktierenden und Basel bzw. Felix V. zuneigenden Kurfürsten, die im Vorfeld der Lyoner Gespräche in Bourges einen vom französischen Königsrat vorbereiteten Vertrag unterzeichnet hatten. Darin wurde Felix V. und den verbliebenen Konzilsvätern ein würdevoller Abgang garantiert27. Zudem wurden auch Forderungen formuliert, die von römischer Seite erbracht werden sollten: Von Nikolaus V. wurde erwartet, das Konstanzer Dekret Frequens anzuerkennen und entsprechend für 1451 ein neues Konzil einzuberufen28. Im August 1447 verhandelten französische und savoyische Delegationen in Lyon mit den Konzilsvertretern Ludwig Aleman und Johannes von Segovia, während Felix V. seinen Sekretär Martin Le Franc sowie Nicolas Lami und Jean de Grolée entsandt hatte. Dieses Treffen aller beteiligten Gruppen wurde vom 8. November bis zum 3. Dezember 1447 in Genf, der Bischofsstadt Felix’ V., fortgesetzt29. Die Unterredungen verliefen also keineswegs in der Weise, die Karl VII. zum 70. Geburtstag, Paderborn u. a. 2004, S. 861–915. Zur Familie Juvénal des Ursins vgl. Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), Paderborn 1990 (Konziliengeschichte, Reihe B, Untersuchungen), S. 393–414. 26 Spicilegium (wie Anm. 24), S. 771f., hier S. 771: Item, Et si’il besoin et ils voyent que ce soit le bien des matieres, pourront aller ou envoyer aucuns d’eux par devers mondit Sieur de Savoye, parler à luy, et y besongner ainsi qu’ils verront estre à faire. Item, Et au regard du pere de mondit Sieur de Savoye, semble qu’ils ne y doivent point aller si les choses se peuvent faire autrement: Mais toutesvoies s’ils voient que l’allée d’eux, ou d’aucuns d’eux y feust si prouffitable, que vray semblemment bonne conclusion en peust advenir, ils y iront ou envoyeront, ainsi qu’ils verront estre pour le meieux. Vgl. auch Valois, Crise (wie Anm. 24), S. 331. 27 Vgl. dazu ausführlich Heribert Müller, Les Pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du Concile de Bâle. Une leçon d’histoire politique, in: Francia 30 (2003), S. 107– 133, hier S. 127. 28 Spicilegium (wie Anm. 24), S. 770f. 29 Concilium Basiliense, 8 (wie Anm. 23), S. 265–428.
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sich gewünscht hatte. Anstelle ausschließlicher Gespräche mit dem unter Druck stehenden savoyischen Herzog wurden die Verhandlungen von den Konzilsvätern Ludwig Aleman und Johannes von Segovia und schließlich von Felix V. selbst übernommen. Diese gestalteten sich langwierig und betrafen zu einem beträchtlichen Anteil Regelungen über Huldigungsgesten und Anredeformen gegenüber Felix V. Es erstaunt wenig, dass der französische König dies hatte vermeiden wollen. Doch es mussten, um nicht gleich die Verhandlungen scheitern zu lassen, Kompromisse zwischen weit auseinandergehenden Positionen gefunden werden: Während Felix V. drei Kniefälle und einen abschließenden Fußkuss erwartete, wollten andere Verhandlungsteilnehmer auf alle Begrüßungsformen gegenüber dem von ihnen als Häretiker angesehenen Basler Papst verzichten. Man einigte sich schließlich auf zwei Kniebeugen vor Felix V., eine am Eingang und eine weitere vor seinem Thron. Ein huldigender Fußkuss und die damit verbundene Anerkennung als legitimer Papst wurden also vermieden. Ähnliches galt auch für die Sprachregelung: Felix’ Gesandten bestanden auf der Anrede clementissime pater30, die für die Unterhändler inakzeptabel war. Und so einigte man sich auf excellentissime ou insignissime, clarissime, celeberrime ou prestantissime domine31. Zuletzt wurde auch noch das auf den Papst verweisende clementissime dieser Reihe hinzugefügt32. Erst im Juli 1448 wurden die Verhandlungen in Rom substantiell weitergeführt. Zu diesem Zeitpunkt war das Konzil entscheidend geschwächt worden: Der außerhalb der Resignationsverhandlungen agierende deutsche König Friedrich III. hatte dem Konzil das freie Geleit entzogen und den Basler Rat aufgefordert, die Konzilsväter aus der Stadt zu vertreiben33. Der Rat weigerte sich zunächst, doch war er nach einem Urteil des Kammergerichts in Graz schließlich gezwungen, das Konzil aus Basel auszuweisen. Am 4. Juli 1448 verließen die letzten noch verbliebenen etwa 100 Konzilsväter, eskortiert von etwa 500 Reitern und Bewaffneten, die langjährige Konzilsstadt am Rhein. Nach einer 20-tägigen Reise über Solothurn und Bern setzten sie am 24. Juli 1448 ihre Sitzungstätigkeit in Lausanne in Anwesenheit Felix’ V. fort34. 30 Ebd., S. 331. 31 Ebd., S. 338. 32 Ebd., S. 339. 33 Berthe Widmer, Geleitbriefe und ihre Anwendung in Basel zur Zeit des hier tagenden Generalkonzils von 1431–1449, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 92 (1992), S. 9–99, hier S. 98. 34 Josef Schmidlin, Die letzte sessio des Basler Konzils, in: Strassburger Diözesanblatt 21 (1902), S. 24–30, hier S. 29.
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Bereits am 10. Juli 1448 hatte eine hochrangige französische Delegation Rom erreicht, um dort Nikolaus V. als legitimem Papst zu huldigen. Diese späte Obödienzleistung hängt möglicherweise mit der savoyischen Bedingung zusammen, Frankreich solle erst dann in Rom seinen Gehorsam erklären, wenn die Verhandlungen mit Felix V. und dem Konzil abgeschlossen wären. Darauf wurde zwar nicht gewartet, jedoch war Nikolaus V. inzwischen bereit, seine harte Haltung gegenüber Konzil und Gegenpapst aufzugeben. Er akzeptierte die für Felix günstigen Bedingungen, die in Genf und Lyon ausgehandelt worden waren. Möglicherweise hatten auch der prachtvolle Einzug der Franzosen in Rom und die damit implizierte Hochachtung ihn milder gestimmt. Nach harten Verhandlungen wurden schließlich am 9. und 16. August 1448 Bullen verfasst, die Felix V. den Kardinalshut, den Genfer Bischofsstuhl sowie monatliche Zahlungen zusicherten, sofern er dem Frieden der Kirche nicht weiter im Weg stünde. In der zweiten Bulle wurden außerdem den Anhängern von Konzil und Gegenpapst ausgesprochen günstige Bedingungen gewährt. So wurde in Aussicht gestellt, die Exkommunikationen zurückzuziehen, während die von Felix gewährten Provisionen und Benefizien ihre Gültigkeit behalten sollten35. Mit diesen Ergebnissen setzten die französischen Unterhändler im Herbst 1448 die Verhandlungen in Lausanne fort, doch tat sich bis Februar 1449 wenig. Erst die akute Finanznot der Savoyer im Ringen um das mailändische Erbe eröffnete der französischen Seite wieder neuen Spielraum. So wurden schließlich während der gut 18-monatigen Abdankungsverhandlungen Bedingungen erzielt, denen Felix zustimmen konnte. Genauer gesagt war der Basler Gegenpapst neben dem französischen König der große Gewinner dieser diplomatischen Aktion. Das Restkonzil hingegen spielte nur eine marginale Rolle. Das von den Basler Vätern bereits einberufene Generalkonzil, das 1451 in Lyon eröffnet werden sollte, wurde von Papst Nikolaus V. ignoriert und fand auch nicht statt. Felix V. legte mit der Garantie auf den Kardinalsrang am 7. April 1449 die Papstwürde nieder und unterzeichnete insgesamt drei entsprechende Bullen36. Am 29. August 1449 ernannte Nikolaus V. Kardinal Amadeus zu seinem Legaten a latere und vollgültigen Stellvertreter in Felix’ vormaligem Obödienzbereich, der die Diözesen Lausanne, Basel, Genf, Straßburg, Konstanz, Chur und Sitten umfasste37. 35 Der Wortlaut beider Bullen in Valois, Crise (wie Anm. 24), S. 342–344. 36 Mansi (wie Anm. 8), 35, Sp. 77: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, papatui, eiusdem oneri, honori, dignitati, titulo et possessioni cedimus et renuntiamus per praesentes. 37 Zur Diözese Sitten ist anzumerken, dass der dortige Bischof Wilhelm (III.) von Raron (1437–1451) schon aus Opposition zu Savoyen, das sich seit dem Vertrag von 1392 aus dem bischöflichen Wallis zurückgezogen hatte, Felix V. nicht als Papst anerkannte. Er visi-
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Nikolaus V. ermöglichte diesen Kirchenfrieden, indem er auf überkommene Regelungen nach der Beendigung eines Schismas verzichtete und die von Felix in höhere Würden promovierten Geistlichen nicht in ihren vorschismatischen Status zurückversetzte38. Diese Form der Rückabwicklung der Kirchenspaltung blieb hier aus. Abgesehen von einigen Kardinalstiteln, die Felix verliehen hatte und die nicht weitergeführt wurden, gab es innerhalb der alten Obödienz Felix’ V. kaum materielle Verlierer des Schismas. Die weitreichenden Zugeständnisse hatten ihre Ursache nicht allein in der großen Milde Nikolaus’ V.39 Schließlich war dieser noch zu Beginn seines Pontifikats bereit gewesen, mit aller Härte gegen seinen Konkurrenten vorzugehen. Doch besaßen Felix V. und mit ihm die restlichen Konzilsväter durch ihre relativ sichere Position in Savoyen eine günstige Verhandlungsbasis. Insofern konnte Felix V. auf Zeit spielen, während der römische Papst und der französische König den Frieden der Kirche unbedingt erreichen wollten. Gemeinsam mit dem Restkonzil hätte Felix V. noch sehr lange in Lausanne residieren können40. Dieser Beharrungswille zermürbte offenbar die ursprünglich rigide Einstellung Nikolaus’ V. Es war zuletzt der schrumpfende Spielraum des savoyischen Herzogtums, der Felix V. zur Resignation bewegte. Das eigene Herzogtum verausgabte ab 1448 seine Kräfte im Krieg um Mailand. Zuvor konnte der recht aufwändige Krieg gegen Fribourg im Uechtland im Sommer 1447 zwar erfolgreich beendet werden, doch hatte dieser aufgrund des Einsatzes von Berner Söldnern die Kassen Savoyens erschöpft41. Der immense Bedarf an hohen Geldmitteln im Krieg um das Erbe des letzten Visconti, Schwiegersohn Felix’ V., wuchs stetig und damit die Abhängigkeit Savoyens von Kreditgebern. Letztlich waren es die Mittel französitierte in seiner Amtszeit alle Pfarreien dreimal: 1440/41, 1444/45 und 1448/49. Vgl. dazu mit weiterer Literatur Gilbert Coutaz, Bischöfe Diözese Sitten, in: Patrick Braun, Brigitte Degler-Spengler u. a . (Hg.), Das Bistum Sitten. Le ������������������������������� diocèse de Sion. L’archidiocèse de Tarentaise, Basel 2001 (Helvetia Sacra, I,5), S. 208–211. 38 Vgl. Kai-Michael Sprenger, Damnatio memoriae oder damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit so genannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der Papstgeschichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31–62, hier S. 39–41. 39 Vgl. zu dieser Einschätzung Ignaz Miller, Jacob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983, S. 171. 40 Wie zuvor Pedro de Luna, der nach seiner Absetzung am 26. Juni 1417 bis zu seinem Tod am 23. Mai 1423 weiterhin als Benedikt XIII. in Peñíscola residierte. Vgl. dazu Dieter Girgensohn, Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro de Luna), in: AHP 27 (1989), S. 197–247. 41 Vgl. dazu jetzt umfassend Robert Biolzi, „Avec le fer et la flamme“: La guerre entre Fribourg et la Savoie (1447/1448), Lausanne 2009.
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scher Bankiers, insbesondere des Kaufmanns Jacques Coeur, die Felix V. einlenken ließen42. Denn Coeur war erst nach der Abdankung Felix’ V. dazu bereit, die dringend benötigten 50.000 Dukaten zur Verfügung zu stellen43. Für Felix V. respektive Kardinal Amadeus schloss sich mit seiner Renuntiation ein Kreis. Das Territorium und seine Machtressourcen hatten den Herzog auf die Cathedra Petri gebracht, und zuletzt war es gewissermaßen die ‚Staatsraison‘, die ihn zu seinem Verzicht auf die päpstliche Würde veranlasste.
Die Repräsentation des Kardinals Amadeus Aus dem Umkreis Felix’ V. sind Vereinbarungen überliefert, aus denen hervorgeht, welche Vorrechte ihm nach seinem Rücktritt als Papst in seiner neuen Würde als Kardinal und Legat sowie als Bischof von Genf gebühren sollten. Demnach dürfe er sich weiterhin in allem so gerieren wie der Papst, außer in vier Punkten: Ihm dürfe nicht das Corpus Christi vorangetragen werden, auch dürfe er auf seinen Schuhen kein Kreuz tragen, da ihm kein Fußkuss mehr zustand44. Zudem sei es ihm nicht gestattet, Fischerring und den päpstlichen Schirm zu gebrauchen45. Dieses Verbot von vier päpstlichen Zeichen ist insofern aufschlussreich, als diese offenbar im Verständnis von Nikolaus V. und seiner Kurie in besonderer Weise den römischen Pontifex auszeichneten und nur ihm exklusiv zukamen. Selbst dem Hybrid, das der zurückgetretene savoyische Gegenpapst darstellte, wurden diese Zeichen daher verweigert. Das vorangetragene Corpus Christi, die mit Kreuzen geschmückten Schuhe, Fischerring und Schirm sind vor allem per42 Zur Rolle Jacques Coeurs bei den Verhandlungen vgl. Michel Mollat, Der königliche Kaufmann. Jacques Coeur oder der Geist des Unternehmertums, München 1991, S. 231– 234. 43 Correspondance du Pape Felix V (Amédée VIII) et de son fils, Louis, Duc de Savoie, au sujet de la ligue de Milan et de l’acquisition du Milanais (1446–1449), ed. Eusèbe Henri Gaullieur, in: Archiv für Schweizerische Geschichte 8 (1851), S. 269–364, hier S. 297; vgl. Valois, Crise (wie Anm. 24), S. 347. 44 Zu päpstlichen Füßen und Schuhen vgl. Michail A. Bojcov, Wie der Kaiser seine Krone aus den Füßen des Papstes empfing, in: ZHF 32 (2005), S. 163–198, hier S. 196. Zu applizierten Kreuzen auf dem päpstlichen Schuh vgl. Agostino Paravicini-Bagliani, Der Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S. 75 mit Anm. 61. 45 Documents inédits (wie Anm. 4), Nr. 15 S. 397–399: Dominus Felix debet se habere in omnibus ut papa, salvis quatuor, videlicet quod non deferatur Corpus Christi ante eum, quod non portet crucem in pede, hoc est in salutari qui alias debet osculari, quod non utatur annullo piscatoris et etiam umbraculo. Vgl. dazu die Anmerkungen bei Valois, Crise (wie Anm. 24), S. 353.
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formativ einsetzbare Zeichen, die einen starken Christusbezug aufweisen bzw. das Petrusvikariat hervorheben. Der päpstliche Schirm kam als Devise insbesondere dann zum Einsatz, wenn eine symbolische Bezeichnung für die weltliche Macht des Papstes benötigt wurde, hingegen war der Schirm in liturgischen Kontexten nicht präsent46. Auch wenn Amadeus einzelne exklusive Papstzeichen vorenthalten blieben, erstaunt es dennoch, dass er als Kardinal in seinem Legationssprengel ansonsten wie der Papst auftreten durfte. Höchstwahrscheinlich wurde die Kleidung des Papstes bei den Zeitgenossen relativ unspezifisch wahrgenommen. Um die günstigen Bedingungen der renuntiatio Felix’ V. besser einordnen zu können, sei diese mit der Deposition Papst Johannes’ XXIII. in Konstanz 1415 verglichen. In diesem Kontext wird von der konzilsöffentlichen Zerstörung des päpstlichen Bullenstempels und Wappens berichtet47. Das vollständige Ritual der depositio actualis, insbesondere der Kleiderwechsel und das Ablegen der päpstlichen Insignien, unternahm Johannes hingegen in Anwesenheit von nur einigen Gesandten des Konzils in Radolfzell48. Diese vollständige Statusumkehrung wurde bei Felix V. nur partiell vollzogen; im Gegensatz zu Johannes XXIII. musste er künftig lediglich auf die bereits erwähnten päpstlichen Insignien verzichten, nicht aber auf den übrigen päpstlichen Ornat. Über ein entsprechend angepasstes Entkleidungsritual ist nichts bekannt49. Obwohl die Renuntiationsverhandlungen über zwei Jahre andauerten, war der Kardinal und Bischof von Genf auf sein neues Amt zunächst nicht oder nur schlecht vorbereitet. So fehlte seiner Kanzlei lange Zeit das große Siegel50. Ins46 Zum Schirm als päpstlicher Insignie umfassend Michail A. Bojcov, Der Schirm des Papstes, der Sonnengott und die historischen Wege Russlands, in: Jörg Gengnagel, Monika Horstmann (Hg.), Prozessionen, Wallfahrten, Aufmärsche: Bewegung zwischen Religion und Politik in Europa und Asien seit dem Mittelalter, Köln 2007 (Menschen und Kulturen, 4), S. 163–203, hier S. 165. 47 Mansi (wie Anm. 8), 27, Sp. 115: praedicta bulla fuit rupta et arma ipsius Johannis deleta. 48 Mit anderer Gewichtung des Kleiderwechsels Harald Zimmermann, Die Absetzung der Päpste auf dem Konstanzer Konzil. Theorie und Praxis, in: August Franzen, Wolfgang Müller (Hg.), Das Konzil von Konstanz. Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie, Freiburg, Basel u. a. 1964, S. 113–137, hier S. 128. Vgl. Mansi (wie Anm. 8), 27, Sp. 718: ac si vestes mutatorias habuisset, omnia et singula insignia papalia, sicut disposuerat dicta die Mercurii, qua dicta sententia fuit lata, tunc coram praelatis praedictis deposuisset. 49 Zur rituellen Ausgestaltung des Rücktritts bei Cölestin V. vgl. Peter Herde, Cölestin V. (1294), Peter von Morrone. Der Engelpapst. Mit einem Urkundenanhang und Edition zweier Viten, Stuttgart 1981 (Päpste und Papsttum, 16), S. 141f. 50 Archives d’État de Genève (künftig AEG), Ms. lat. 126/1, Registrum Epistolarum Amadei fol. 2r: Datum Lausanne, nonis maii anno a nativitate Domini millesimo quadringentesimo
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gesamt hatte Amadeus’ Kurie einen bescheidenen Umfang: Es gab eine Kanzlei, die Aymerico Sagaud, Bischof von Mondovì, leitete, der schon zwischen 1440 und 1442 an der Spitze der päpstlichen Kanzlei Felix’ V. in Basel gestanden hatte. Ergänzt wurde die Kanzlei von einer Kammer und einem Gericht51. In Genf erhaltene Suppliken-Register zeigen, dass aus seinem vormaligen Obödienzbereich weiterhin Bittschriften an den Legaten Amadeus gerichtet wurden, in denen er als Papst tituliert wurde. Insbesondere die in den Abdankungsverhandlungen diskutierte und letztlich von den Gegnern Felix’ V. nicht zugestandene Anrede clementissime pater findet sich in zahlreichen Schreiben52. Auch ein Eintrag im Anniversarienbuch der Genfer Kathedrale anlässlich des Todes von Amadeus am 7. Januar 1451 zeugt davon, dass der Kardinal und Legat in seinem Sprengel teilweise weiterhin als papa angesehen wurde53. Dem Kardinalbischof von Santa Sabina und Bischof von Genf war es als päpstlichem Legaten gestattet, alle Benefizien innerhalb seines Legationsbereichs in den ersten sechs Monaten der Vakanz zu besetzen. Zudem durfte er sämtliche kanonische Wahlen und Pfründenvergaben bestätigen, auch erhielt er das Vorschlagsrecht bei der Vergabe der Bistümer. Die Reservation der Benefizien der Offizialen seines Hofes, die sonst an der Kurie erledigt wurden, oblag nicht etwa Nikolaus V., sondern Amadeus selbst. Zuletzt wurde ihm auch die Verfügung über Einkünfte der päpstlichen Kammer aus seinem Legationsbereich gewährt. Nach Amadeus’ Tod verlor das savoyische Herrscherhaus keineswegs alle Vorrechte, die dem vormaligen Gegenpapst gewährt worden waren, vielmehr verteilte Nikolaus V. dessen Benefizien innerhalb der savoyischen Fürstenfamilie54. Die Aufenthaltsorte des Genfer Bischofs und Kardinals Amadeus sind aufgrund des Registrum Epistolarum Amadei vom 15. April 1449 bis zu seinem Tod am 7. Januar 1451 nachvollziehbar55. So blieb er bis Ende Juni 1449 weiterhin
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quadragesimo nono sub signeto nostro parvo quo ad presens utimur cum aduc majus sigillum non habemus; fol. 6v.: Datum Lausanne sub signeto nostro parvo quo ad presens utimur cum maiori sigillo adhuc careamus; fol. 29r.: Datum Aquiani, Gebennensis diocesis, sub sigillo nostro secreto presentibus appenso, quo ad presens certis causis utimur, vero VII kalendas augusti. Vgl. Guillaume Mollat, La Légation d’Amédée de Savoie (1449–1451), in: Revue des Sciences Religieuses 22 (1948), S. 74–80, hier S. 76. Vgl. die Anrede clementissime pater in den Suppliken: AEG, Ms. lat. 126/2, fol. 6v, fol. 16v, fol. 21v, fol. 109r, fol. 138r. Documents Genevois inédits pour la généalogie historique del la maison souveraine de Savoie depuis le douzième siècle jusqu’au quinzième, ed. Edouard Mallet, Turin 1856, S. 27: Anno Domini m. cccc. et lj et die septima Januarii Papa Felix decessit Gebennis. Vgl. Mongiano, Privilegi (wie Anm. 20), S. 186f. Anm. 47–49. Das Itinerar ist den Documents Genevois (wie Anm. 53), S. 153–155, zu entnehmen.
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in Lausanne und verbrachte den Juli in Evian und Ripaille, bevor er sich im August nach Genf begab, wo er, wie schon zuvor, Quartier im Dominikanerkonvent Plainpalais nahm. Dort blieb er nicht lange, sondern brach Ende August 1449 ins Piemont auf, wo er nach Überquerung des Großen St. Bernhard und kurzen Aufenthalten in Aosta, Ivrea und Turin drei Monate in Moncalieri blieb; erst im Januar begab er sich über den Mont Cenis wieder auf die andere Seite der Alpen56. Ab Februar residierte Amadeus in Chambéry, im März pendelte er dann zwischen Lausanne und Ripaille. Von April bis Ende August hielt er sich erneut in Evian auf und kehrte erst im September 1450 nach Genf zurück, wo er ohne weitere Unterbrechungen bis zu seinem Tod am 7. Januar 1451 blieb. Aus diesem Itinerar wird deutlich, dass Amadeus in seiner Bischofsstadt Genf zunächst kaum anwesend war, sondern sich in seinem weiten Legatensprengel aufhielt. Die Alpen passierte Amadeus über die zwei wichtigsten Passrouten Savoyens: Maurienne – Mont Cenis – Valle di Susa und Wallis – Groß St. Bernhard – Val d’Aosta. Diese Pässe und die Stationen entlang des Weges stellten das Kerngebiet des Herzogtums dar57. Zugleich sicherte die Herrschaft über die Pässe der Westalpen mit ihren Zolleinkünften finanziellen Reichtum und die geostrategische Macht des gesamten Territoriums, das von der Forschung mitunter auch als „Passstaat“ bezeichnet wird58. 56 Vgl. Arnold Esch, Spätmittelalterlicher Passverkehr im Alpenraum. Typologie der Quellen, in: Ders. (Hg.), Alltag der Entscheidung. Beiträge zur Geschichte der Schweiz an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Bern, Stuttgart u. a. 1998, S. 173–248, S. 198. Zum savoyischen Hospiz am Großen St. Bernhard vgl. Lucien Quaglia, Jean-Marie Theurillat, Les comptes de l’Hospice du Grand-Saint-Bernard (1397–1477), in: Vallesia 28 (1973), S. 1–162 und 30 (1975), S. 169–374. 57 Auch nutzte er auf dem Hinweg die durch die Savoyer neu eingerichtete Linienführung Lanslebourg – Seehospiz am Mont Cenis. Vgl. Louis Carlen, Zur Rechtsgeschichte der Schweizer Alpenpässe, in: Ders. (Hg.), Recht, Geschichte und Symbol, Hildesheim 2002, S. 3–19 und Herbert Hassinger, Die Alpenübergänge vom Mont Cenis bis Simplon, in: Jürgen Schneider (Hg.), Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Festschrift für Hermann Kellenbenz, Bd. 1, Stuttgart 1978, S. 313–372. 58 Vgl. dazu die überblickshafte Darstellung von Giovanni Tabacco, La formazione della potenza sabauda come dominazione alpina, in: Theodor Mayer (Hg.), Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, Konstanz, Stuttgart 1965, S. 233–244; Guido Castelnuovo, Isabella Massabò Ricci, Le Alpi occidentali sabaude alla fine del Medioevo: una civiltà principesca?, in: Enrica Pagella, Elena Rossetti Brezzi u. a. (Hg.), Corti e Città. ������������������������������������������������������������������������� Arte del Quattrocento nelle Alpi occidentali, Mailand 2006, S. 5–13; Hektor Ammann, Zur Geschichte der Westschweiz in savoyischer Zeit, in: ZSchG 21 (1941), S. 1–57, hier S. 51. Die Zolleinkünfte dieser zwei Routen sind für das 14. und 15. Jahrhundert gut erhalten und ausgewertet von Maria Clotilde Daviso di Charvensod, I pedaggi delle alpi occidentali nel medio evo, Turin 1961 und Henri Dubois, Les foires de Chalon et le commerce dans la vallée de la Saône à la fin du moyen âge, vers 1280–1430, Paris 1976;
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Dem fast sechsmonatigen Piemont-Aufenthalt des Amadeus muss aufgrund des Krieges, den Savoyen um die Herrschaft über Mailand und die Nachfolge der Visconti führte, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nicht nur verlangte Amadeus von seiner Bischofsstadt Genf eine finanzielle Unterstützung dieser Unternehmung, die ihm tatsächlich gewährt wurde, auch konnte im Oktober 1449 eine zeitweilige Waffenruhe zwischen Savoyen und Francesco Sforza erreicht werden59. Am 27. Dezember 1450 schließlich wurde ein Frieden geschlossen, der zwar nicht lange hielt, dessen Bedingungen aber gegenüber dem 1454 vereinbarten Frieden von Lodi für Savoyen erheblich günstiger waren60. Doch Amadeus war auch in seiner Diözese Genf nicht untätig. So erließ er neue Statuten für das bischöfliche Gericht (Offizialat), das durch seine Stellung als Reichsfürst und Stadtherr auch Stadtgericht war61. Es handelte sich dabei um einen Gesetzgebungsakt, mit dem Bischof Amadeus an seine legislative Aktivität als Herzog von Savoyen anknüpfte und nach den Visitationen in seinem Bistum in den 1440er Jahren nun auch auf normativer Ebene die Herrschaftsintensität erhöhte62. Ein besonderes Anliegen dieser Reform bestand in der Anhebung des vgl. Hassinger, Alpenübergänge (wie Anm. 57), S. 319f.; Esch, Passverkehr (wie Anm. 56), S. 209–212. Arnold Esch merkt ebd., S. 231 an, dass Amadeus VIII. anlässlich seiner Standeserhebung zum Herzog 1416 den alpinen Charakter seines „Passstaates“ mit einem riesigen Tortengebilde würdigte, das die Reliefform des Herzogtums nachbildete. Vgl. dazu auch Marie-Claude Schöpfer-Pfaffen, Verkehrspolitik im schweizerischen Alpenraum. Bernische und Walliser Erscheinungsformen vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, Ostfildern 2007 (VuF, 66), S. 289–329, hier S. 316. 59 Durch eine Erhöhung der Steuer, die der Conseil Général am 30. Juni 1449 beschloss, wurden an Amadeus 1000 fl. parvi ponderis gezahlt. Vgl. dazu Paul-E. Martin, La Communauté de Genève et la maison de Savoie de 1449–1455, in: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie de Genève 12 (1963), S. 265–307, hier S. 276–278. 60 Vgl. ebd., S. 275f. 61 Edition der Genfer Offizialat-Statuten, in: Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 22. Abteilung: Les sources du droit du Canton de Genève, Bd. 1: Des origines à 1460, ed. Emile Rivoire, Victor van Berchem, Aarau 1927, Nr. 193 S. 365–394. Vgl. ���������������� dazu Ferdinand Elsener, Justizreform in den Constituciones et Statuta des Genfer Offizialats von 1450, in: ZRGKanAbt 61 (1975), S. 63–83. Zur Statutengesetzgebung allgemein vgl. Gisela Drossbach (Hg.), Von der Ordnung zur Norm: Statuten in Mittelalter und Früher Neuzeit, Paderborn u. a. 2010. 62 Zu Überschneidungen zwischen den Statuta Sabaudiae von 1430 und den Genfer Constitutiones et Statuta von 1450 vgl. Ferdinand Elsener, Der „Arme Mann“ (pauper) im Prozeßrecht der Grafen und Herzöge von Savoyen, in: Ders. (Hg.), Studien zu Rezeption des gelehrten Rechts, Sigmaringen 1988, S. 220–239, hier S. 233 Anm. 59. Zum Zusammenhang von Visitation und Synodalstatuten vgl. Johannes Helmrath, Partikularsyn-
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Niveaus insbesondere des juristischen Personals. So sollten künftige Prokuratoren in einer Prüfung ihre Fähigkeiten in lateinischer Grammatik darlegen und ihren Kurialstil unter Beweis stellen. Zudem wurde den Richtern verboten, irgendwelche Geschenke, Gaben oder anderes anzunehmen sowie Versprechen gegenüber den Prozessparteien zu machen63. Die neuen Genfer Constitutiones et Statuta wurden von einer Kommission aus bewährten Mitstreitern erarbeitet64. Bei allen ist eine lange Tätigkeit im Dienst Amadeus’ als Herzog, als Papst und zuletzt als Kardinal bzw. Bischof von Genf bekannt. Diese ungebrochene Kontinuität im Personal unterstreicht, dass – ungeachtet der unterschiedlichen Würden und Titel – die Herrschaftsauffassung und letztlich auch die Ziele von Amadeus/Felix ähnlich, wenn nicht identisch blieben. Er betrieb auch als Papst und Kardinal eine Erweiterung der fürstlichen Landesherrschaft, indem er den geistlichen Machtbereich in sie integrierte. Zugleich wurde durch legislative Maßnahmen die von Amadeus ausgefüllte Macht geordnet, systematisiert und dadurch nochmals gesteigert65. Als Bischof und Kardinal standen für Amadeus insbesondere die landesherrliche Durchdringung Genfs sowie die Interessen Savoyens im Vordergrund. Zugleich nahm er im Mailandkrieg Genf zum Wohl der Casa Savoia finanziell in Anspruch. Mit der Reform des Genfer Offizialats und Stadtgerichts knüpfte Amadeus an seine umfassende Herrschaftsausübung als savoyischer Herzog an, durch die er in Form von Gesetzgebung und Devianzverfolgungen eine Landesbesserung angestrebt hatte66. Dabei wurde er, wie gezeigt, noch partiell als Papst wahrgenommen, doch erstaunt dies aufgrund der Erlaubnis, sich weiterhin papstähnlich gerieren zu dürfen, wenig. Als Kardinal und Bischof von Genf regelte Amadeus mit Rom auch seine Nachfolge. Papst Nikolaus V. gewährte dem Enkel Peter eine Expektative auf den Genfer Stuhl. Knapp ein halbes Jahr nach Amadeus’ Tod wurde der Zehnjährige oden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich: Vorüberlegungen zu einem möglichen Projekt, in: Michael Borgolte (Hg.), Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beiträge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik, Berlin 2001 (Europa im Mittelalter, 1), S. 135–169. 63 Vgl. Elsener, Justizreform (wie Anm. 61), S. 213f. 64 Es handelt sich dabei um Humbertus de Chissé, Nicolas Lamy, Nicod Festi, Rodolphus Sapientis (Raoul Sage). 65 Vgl. Lehmann, Von Schätzen und Landschaften (wie Anm. 20) und künftig ausführlich die Dissertation der Verfasserin (wie Anm. 18). 66 Vgl. Jean-Etienne Genequand, La Visite de Saint-Gervais en 1446, in: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie de Genève 14 (1968), S. 3–76; Binz, Vie (wie Anm. 21), S. 177–221.
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sein Nachfolger. Dessen Bruder und späterer Nachfolger als Bischof von Genf, Johannes Ludwig, übernahm zudem die Kommenden der Priorate Romainmôtier und Nantua sowie die bereits Felix V. zugekommenen Einkünfte aus den Abteien S. Benigno di Fruttuaria und Payerne67. Eine Übereinkunft zwischen Nikolaus V. und Herzog Ludwig von Savoyen nach Amadeus’ Tod perpetuierte die Besetzung des Genfer Bischofsstuhls durch Angehörige des savoyischen Herzogshauses. Bis zur Reformation sollten, abgesehen von kurzen Ausnahmen, alle künftigen Bischöfe Angehörige der savoyischen Herzogsfamilie sein. In einem Indult vom 10. Januar 1452, das Nikolaus V. Herzog Ludwig gewährte, wurden die starke Stellung des Fürstenhauses in kirchlichen Angelegenheiten des Herzogtums auf eine neue rechtliche Stufe gehoben und die Vergabe kirchlicher Pfründen und Ämter in einer die savoyischen Herrscher ausgesprochen begünstigenden Weise geregelt68. Zwar haben die weltlichen Fürsten generell von der Auseinandersetzung zwischen der episkopalistisch-konziliaren Bewegung und der päpstlichen Zentralgewalt profitiert, doch ist das Maß, in dem der Landesherr auf die kirchliche Stellenvergabe Einfluss gewann, selten so groß gewesen wie in Savoyen69. Die Beendigung des Schismas gelang bei Felix V., wie bei Gregor XII. und partiell auch bei Johannes XXIII., nur durch die entschädigende Kompensation der renuntiatio in Form eines ‚roten Huts‘. Sie wurden alle zu Kardinalbischöfen erhoben, und zwei von ihnen agierten in ihrem Sprengel als Legaten desjenigen Papstes, der sich durchsetzen konnte. Felix’ Vorleben als Herzog von Savoyen führte darüber hinaus jedoch zu der singulären Konstruktion eines papa in territorio suo.
67 Vgl. Mongiano, Privilegi (wie Anm. 20), S. 187 Anm. 49. 68 Raccolta di Concordati su materie ecclesiastiche tra la Santa Sede e le autorità civili, Bd. 1, ed. Angelo Mercati, Rom 1919 (ND Vatikanstadt 1954), S. 195: nisi habitis prius per nos intentione et consensu ipsius Ducis de personis idoneis. Vgl. dazu Wilhelm Bertrams, Der neuzeitliche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, Rom 21950, S. 140–142. 69 Vgl. dazu Bernhard Schimmelpfennig, Der Papst als Territorialherr im 15. Jahrhundert, in: Ferdinand Seibt, Winfried Eberhard (Hg.), Europa 1500. Integrationsprozesse im Widerstreit: Staaten, Regionen, Personenverbände, Christenheit, Stuttgart 1987, S. 84– 95, hier S. 86: „Theoretisch war die weltliche Herrschaft des Papstes umfassender als die jedes anderen Fürsten seiner Zeit, wenn wir von Amadeus VIII. von Savoyen, dem Basler Papst Felix V., absehen.“
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Die Rolle des Territoriums für das Papsttum in der Mitte des 15. Jahrhunderts Für die Wahl Felix’ V. zum Papst durch das Basler Konzil waren die Machtpotentiale seiner Landesherrschaft der maßgebliche Grund. Die territoriale Basis des erfolgreichen Herzogs hebt Enea Silvio Piccolomini in seinem Bericht über das Basler Konklave heraus: In stürmischen Zeiten bedürfe es eines starken Steuermannes (gubernator)70. Wie erwartet nahm Felix V. während seines Pontifikats sein vormaliges Herzogtum stark in Anspruch, denn er begriff Savoyen wörtlich als Substitut für das eigentliche Patrimonium Petri71, auf dessen Gebiete in Mittelitalien und Rom er wegen des Schismas keinen Zugriff hatte. Zudem residierte Felix V. seit November 1442 vorwiegend am Genfer See und übernahm im März 1444 auch den Genfer Bischofsstuhl. Schließlich folgte auch das aus Basel vertriebene Konzil seinem Papst an den Genfer See. Ohne Savoyen, auf das die Obödienz Felix’ V. letztlich beschränkt blieb, sowie die Zugriffsmöglichkeiten auf die Ressourcen des herzoglichen Hofs, aus dessen Beständen auch die gesamte materielle Ausstattung sowie das Dekor des päpstlichen Hofes und die berühmte päpstliche Kapelle stammten72, hätte der Konzilspapst bereits früher resignieren müssen. Doch auch seinen römischen Konkurrenten gelang die dauerhafte Präsenz in Rom nur durch die militärische Konsolidierung des Kirchenstaates, die zur zentralen Aufgabe für die Päpste des 15. Jahrhunderts wurde. Andere Vorhaben, wie etwa ein Kreuzzug gegen die Türken, wurden diesem Ziel letztlich untergeordnet73. Eine entscheidende Ursache für diese Prioritätensetzung ist darin zu sehen, dass die Päpste von ihrer landesherrlichen Machtbasis mehr und mehr auch fi-
70 Piccolominius, De Gestis Concilii (wie Anm. 14), S. 250: Vobis eligendus est gubernator qui non solum consiliis sed etiam viribus navim regat. Validus ventus est. 71 Vgl. dazu bei Anm. 19. 72 Vgl. Lehmann, Von Schätzen und Landschaften (wie Anm. 20). 73 Eine Ausnahme hiervon stellt Papst Pius II. (1458–1464) dar, der sich intensiv für einen Kreuzzug gegen die Türken einsetzte. Vgl. dazu mit weiterer Literatur Johannes Helmrath, Pius II. und die Türken, in: Bodo Guthmüller, Wilhelm Kühlmann (Hg.), Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit, 54), S. 79–137. Mitunter wird sogar erst Papst Julius II. (1503–1513) als Gründer des Kirchenstaates angesehen. Vgl. dazu mit weiteren Hinweisen Stefan Weiss, Delegierte Herrschaft. Innozenz VI., Kardinal Albornoz und die Eroberung des Kirchenstaates, in: Claudia Zey, Claudia Märtl (Hg.), Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, S. 67–84, hier S. 68.
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nanziell abhängig waren74. Es entspricht also der Logik päpstlicher Territorialität, dass Felix V. sein vormaliges Herzogtum Savoyen als Ersatz für das eigentliche Patrimonium Petri begriff. Dieser Logik folgten auch der Ausbau Roms als dauerhafte Residenz der Päpste, der damit zusammenhängende Aufstieg zur Kapitale der Hochrenaissance und die Konsolidierung des Kirchenstaates. Dies stand dabei nicht nur „im Dienst der Restauration“75, sondern war auch eine Konsequenz von Schismen, Konziliarismus und Konkordaten76. Die damit eingetretenen erheblichen Begrenzungen des universalen Papsttums hatten zugleich auch die herausgehobene Stellung Roms und des Patrimonium Petri zur Folge. Zentrale Funktionen nahmen dabei das Petrusgrab sowie St. Peter, der Vatikanpalast und die Leostadt ein. Das Rom Petri war zu einem Argument geworden, das nur durch personale Anwesenheit seines Nachfolgers und Stellvertreters wirksam werden konnte. Damit bestand für das neuzeitliche Papsttum eine gewissermaßen physische Abhängigkeit von Rom. Der universale Anspruch war an ein Territorium und eine evident materielle Basis gebunden und konnte sich nur noch dort mit allen dem Papst zukommenden Zeichen verkörpern.
74 Zur finanziellen Ausstattung von Papst und Kurie in der Renaissance vgl. Götz-Rüdiger Tewes, Die römische Kurie und die europäischen Länder am Vorabend der Reformation, Tübingen 2001 (Bibliothek des DHI in Rom, 95). 75 Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 21995 (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, 95), S. 267. 76 Vgl. zu dieser umfassenden Fragestellung mit Konzentration auf das Basler Konzil und das „Mächte-Europa“ Müller, Basler Konzil (wie Anm. 11).
Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter Zusammenfassung der Tagung Heribert Müller
I. Vorbemerkungen1 Zwanzig Vorträge in dreißig Minuten zusammenzufassen, d. h. deren Inhalte so zu verknüpfen und zu koordinieren, dass der wissenschaftliche Ertrag des Ganzen deutlich wird, ohne dabei aber ebendieses Ganze unzulässig zu vereinfachen, wie soll das gehen? Erschwerend kommt hinzu, dass die Hälfte der Beiträger bis kurz vor der Tagung kein Abstract – wie eigentlich gefordert – schickte, so dass der die Sherpa-Last der Zusammenfassung Tragende Vieles erst während der Veranstaltung zur Kenntnis nehmen konnte, was die Erfüllung von für ein Resümee so wichtigen Kriterien wie Verortung, Einordnung und Vergleich selbstredend erschwerte und ihn für den Fall von Unzulänglichkeiten im Folgenden zumindest partiell um Nachsicht bitten lässt. Natürlich, man kann zur Vorbereitung und Einstimmung ja die einschlägige Literatur konsultieren. Doch da ist mit Blick auf die Generalia die Lage mit ‚trostlos‘ noch beschönigend umschrieben: Die einzige große Monographie stammt m. W. von 1754 – Ludovico Agnello Anastasio: „Istoria degli antipapi“2. Und dass dieses der Gottesmutter gewidmete Werk des Erzbischofs von Sorrent irgendeinen wissenschaftlichen Nährwert hätte, kann nach kurzer Konsultation guten Gewissens verneint werden. Auch wenn die „Storia degli antipapi“ von Daniello Maria Zigarelli (1859) im Jahr 2010 (als book on demand) neu aufgelegt wurde3, gilt für sie dasselbe, wie es für eine weitere italienische Darstellung neueren Datums von Ludovico Silvani (1971) gilt4, da beide Werke sich ebenfalls mehr oder min1 Die Textfassung beruht weitgehend auf dem am 10. September 2011 gehaltenen Vortrag; etliche Formulierungen – so in der einleitenden Passage – erklären sich aus diesem Umstand. 2 Ludovico Agnello Anastasio, Istoria degli antipapi, 2 Bde., Neapel 1754. 3 Daniello Maria Zigarelli, Storia degli antipapi, Neapel 1859. 4 Lodovico Silvani, Storia degli antipapi, Mailand 1971.
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der in der Addition einschlägiger Viten erschöpfen, wobei der letztgenannte Autor Unkenntnis in der Sache mit prorömischer Apologetik gegen seiner Meinung nach schismaträchtige Basiskirchenbewegungen im Gefolge des II. Vaticanum verbindet. Ansonst gibt es einige Artikel in theologischen, rechts- und kirchengeschichtlichen Lexika – Harald Müller hat sie einleitend charakterisiert; kaum etwas Weiterführendes lässt sich den immerhin über 21.000 Einträgen zu „Gegenpäpste/-papsttum“ bei Google (Stand: 12.09.2011) entnehmen. Und in der allgemeinen Geschichtswissenschaft: Schweigen. Solches Schweigen ist umso erstaunlicher, als die Thematik doch erhebliche Relevanz besitzt, und zwar weit über den kirchlichen Bereich hinaus: Weder eine allgemeine Geschichte Europas im 11./12. Jahrhundert noch um 1400 lässt sich ohne sie schreiben, und so darf man dem Veranstalter bescheinigen, dass er auf dem dicht besetzten Themenmarkt eine große, substantielle Lücke aufgetan hat, die schrittweise zu füllen wir in den letzten zweieinhalb Tagen bemüht waren. Am Rande: Erschließung und kritische Analyse galten dabei dem Mittelalter unter gewissem Einschluss der späten Antike, denn im Tagungsprogramm wurden die Gegenpäpste zu „Prüfsteine(n) universaler Autorität im M i t t e l a l t e r “ erklärt. Und in der Tat gab es seit 1449 bis heute ja auch keinen Gegenpapst mehr – sieht man einmal von im Spektrum zwischen ‚unbekannt‘ und ‚belustigend‘ irrlichternden Gestalten unserer Tage wie den sich Pius XIII. bzw. Michael I. nennenden Herren Lucian Pulvermacher (†2009) und David Allen Bawden ab, und einen Petrus II. gibt es obendrein auch noch. Warum aber wurde seitdem kein antipapa mehr erhoben? Hat die Erfahrung der Reformation die katholischen Reihen fest geschlossen? Oder spielt bei der aktuellen Behandlung von Lefèvristen und Pius-Bruderschaft in Rom doch noch eine untergründige Angst vor einem möglichen neuen Schisma mit hinein, hinter der ja die – für unser Thema generell zentrale – singuläre Brisanz der ununterbrochenen apostolischen Sukzession und deren eventuelle Gefährdung stehen? Und wollte Hitler nicht, sofern man einer Eintragung in Rosenbergs Tagebuch 1941 glauben kann, die Macht der römischen Kirche durch die Einrichtung von Gegenpapaten in einzelnen Ländern brechen? Der erste sollte demnach für Spanien in Toledo installiert werden, weitere sollten dann in Frankreich und im Deutschen Reich folgen – worauf auch schon KarlSiegbert Rehberg im Eröffnungsvortrag hinwies5.
5 Der Vortrag konnte für die Drucklegung des Tagungsbandes nicht berücksichtigt werden.
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Doch nach solchem Abweichen zurück zum mittelalterlichen Thema Gegenpapst/antipapa: Laut Michael E. Stoller6 erstmals 1127 und danach vor allem im anglonormannischen Bereich belegt – dahinter sind, wie wir jetzt wissen, einige Fragezeichen zu setzen –, ist dieser dem Antichrist assoziativ nahe Begriff antipapa natürlich ebenso negativ konnotiert wie auch ältere Termini, die alle das Phänomen von der Warte des (vermeintlich) legitimen Amtsinhabers und seiner Anhänger charakterisieren: invasor (der ehrgeizig-gewalttätige Eindringling), heresiarcha (der Ketzerfürst), des weiteren pseudopapa, adulterinus papa, schismaticus, competitor, apostaticus; auch die bestia illa de apocalypsi eines Bernhard von Clairvaux oder die anima puellarum eines Petrus Damiani seien genannt, wie an Poggios Beschimpfungsfortissimo auf Felix V. erinnert sei. Solches Vokabular führt unweigerlich zu einem Punkt, dem sich diese Tagung bewusst und zu Recht versagte: dem der Legitimationsb e w e r t u n g – schon kluge Köpfe der Zeit bis hin zu Juan de Torquemada wussten mit Blick etwa auf das Große Abendländische Schisma, dass hier Einseitigkeit, Apologetik und Polemik nicht weiterhalfen, dass hier am Ende nur ein non liquet stehen konnte. Und im übrigen – darauf wurde im Tagungsverlauf ja immer wieder hingewiesen – waren im Mittelalter die Wahlverfahren und äußeren Umstände von Erhebungen, allen einschlägigen Ordnungen und Dekreten zum Trotz, eben keineswegs immer eindeutig (oder sie wurden gegebenenfalls souverän missachtet, wie es etwa Kaiser Heinrich V. 1118 tat), so dass zwischen kanonisch und unkanonisch zu unterscheiden kaum möglich erscheint. Vielmehr beabsichtigte der Veranstalter, Formen der Legitimationsb e h a u p t u n g ins Zentrum zu rücken und damit – im übrigen: vergleichende – Fragen nach Handlungsmustern und -räumen sowie Kommunikationsstrategien der Gegenpäpste und dann nach deren Wahrnehmung durch Zeitgenossen und Nachwelt zu stellen, um so dem historischen Phänomen Gegenpapsttum in seiner Fülle und seinen Facetten auf die Spur zu kommen. Und schließlich sollten die Analysen jener Auseinandersetzungen um die Nachfolge Petri den universalen päpstlichen Autoritätsanspruch, aber eben auch dessen Grenzen und Fragilität hervortreten lassen, mithin – wie Karl-Siegbert Rehberg betonte – im weiteren Themenkontext von „Autorität und Krise“, von „Amtscharisma und Legitimationsbestreitung“ stehen.
6 Michael E. Stoller, The emergence of the term antipapa in medieval usage, in: AHP 23 (1985), S. 43–61.
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II. Handlungsmuster und -räume Dazu zählt zunächst einmal die Aufarbeitung der ereignisgeschichtlichen Grundlagen: Das bedeutet keine positivistische Faktenhuberei, das ist die Basis, zumal wohl niemand die gesamte Thematik vom Novatianischen Schisma bis hin zur Abdankung Felix’ V. vollständig zu überblicken vermag. Und dabei gibt es zudem – ich denke nur an die honorablen Bedingungen für besagten Rücktritt dieses Savoyerpapstes, die Ursula Lehmann (jetzt Giessmann) behandelte, an die kürzlich aufgefundenen, für Clemens’ VII. Anspruch aufschlussreichen Briefe, denen sich Armand Jamme widmete, oder auch an die Aufdeckung der für ihre Amtsführung bedeutsamen strukturellen Unterschiede der Kanzleien Urbans VI. und Clemens’ VII. durch Patrick Zutshi – noch manch Neues und Unbekanntes aufzuspüren, was natürlich wiederum für Interpretationsfragen von Belang ist. Sodann fällt der Blick auf die Handlungsr ä u m e , die ihrerseits die Akteure durchaus unterschiedlich agieren lassen können bzw. müssen: Zunächst ist der Kampf um das römische Bischofsamt eine lokale Angelegenheit, bleibt er auf die stadtrömische Christenheit beschränkt – woraus Hartmut Leppin spezifische Schlussfolgerungen zog7 –, allerdings schon recht früh mit Einwirkungen aus dem bzw. Auswirkungen für den orbis mediterraneus, so etwa mit Blick auf Karthago und vor allem auf Konstantinopel. Im Frühmittelalter steht das Papsttum unter den Vorzeichen von eher kurzzeitiger Konkurrenz und Kompetition weiterhin im Fokus lokaler wie jetzt auch regionaler Kräfte, wozu ebenfalls die Langobarden zählen; mit den Karolingern – darüber referierte Klaus Herbers – und noch stärker mit den (leider kaum thematisierten) Ottonen greift nunmehr aber auch die Vormacht Lateineuropas von außen unmittelbar in die römischen Verhältnisse ein, woraus aufgrund ihres Zusammenstoßes mit den adeligen Lokalgewalten zwangsläufig eine erhöhte Anzahl an Schismen resultierte. (Die Sektion hieß aus gutem Grund „Serielle Schismen“.) Das in solchem Kontext von Heinrich III. installierte, sich indes alsbald vom römisch-deutschen Kaisertum emanzipierende und dann mit ihm im Kampf liegende Reformpapsttum bedeutete – wie Rudolf Schieffer und danach am anakletianischen Schisma Jochen Johrendt demonstrierten – den entscheidenden Quantensprung von der urbs zum orbis, vom Kampf in Rom zum Kampf um Rom, wobei sich obendrein Wucht und Wahrnehmung des Schismas von 1130 laut Harald Müller auf den Begriffswandel von pseudo- zu antipapa ausgewirkt haben könnten.
7 Der Vortrag konnte für die Drucklegung des Tagungsbandes nicht berücksichtigt werden.
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Ob man Papst oder Gegenpapst war, hing nunmehr zunehmend von der Adhärenz in Lateineuropa ab, wobei besonders das Verhältnis der erstarkenden französischen Krongewalt zum Heiligen Stuhl beachtet sein will. Erst mit Urbans II. Reise nach Oberitalien und Frankreich gewann dessen Papsttum, so Rudolf Schieffer, entscheidendes Übergewicht; und im Zusammenspiel Alexanders III. und seiner französischen Parteigänger offenbart sich dann ein Politikvorsprung, der, wie es Ludwig Falkenstein in der Diskussion auf den Punkt brachte, die deutsche Seite – und vor allem Rainald von Dassel – mit ihren Gegenpäpsten, salopp formuliert, naiv und realitätsfern aussehen lässt. Mit Friedrich Barbarossa neigen sich die schismenträchtigen Jahrhunderte der Einwirkung kaiserlicher Gewalt auf die Besetzung des Petrusamts und der fast unauffällig im Gefolge ihrer Herren verschwindenden idola imperatoris ihrem Ende zu. Stattdessen gewinnt langfristig ein Phänomen an Bedeutung, das Paul Payan, der jüngste Monograph des Großen Abendländischen Schismas, als „fragmentation de l’Europe“ bezeichnet hat8: Nicht weniger als acht Referate haben sich ja mit dem Zeitalter dieses Schismas und dem folgenden der Konzilien auseinandergesetzt, als Stärke und Schwäche der einzelnen päpstlichen Obödienzen sich über die Adhärenz der Einzelmächte definierten. 1378 ist schon ein Scheidejahr; nun ließ sich die Spaltung nicht mehr, wie bis dahin, mehr oder minder improvisierend liquidieren. Was Werner Maleczek herausstellte: Die Geschichte des Großen Abendländischen Schismas und der Konzilien ist bereits ein Teil der Historie von Mächteeuropa. Mithin alles nur eine Frage der Politik und der weltlichen Macht? Sicher, schon in der Antike waren Senat, Armee und Adel wie auch Gotenkönige und Byzanz in unserem Kontext entscheidende Potenzen; und es wurde wiederholt der Kaiser als Schiedsrichter angerufen, wie etwa der sich daraufhin um 420 an einer Papstwahlordnung versuchende Honorius oder dann im Symmachianischen Schisma der Ostgotenkönig Theoderich. Und besagter römischer Adel wird über Jahrhunderte – es sei nur an Crescientier und Tuskulanergrafen, an Frangipani und Pierleoni erinnert – immer wieder nach der Papstwürde greifen, die seinerseits der römisch-deutsche Herrscher unter seine Kontrolle zu bringen suchte, wobei auch unteritalische Normannen und, wie erwähnt, Frankreich auf den Plan treten. Politik bestimmte, wie gesagt, ebenso das Große Schisma von Anfang an: Brigitte Hotz demonstrierte, wie ungleich der Wettstreit zwischen Urban VI. und Clemens VII. sowie deren Kardinälen im Reich angesichts des Vorwaltens politischer Faktoren wie der Sukzession im römisch-deutschen Königtum und 8 Paul Payan, Entre Rome et Avignon. Une histoire du Grand Schisme (1378–1417), Paris 2009, S. 255, 274, 286 u. ö.
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des Urbansbunds ausfiel; andererseits waren bei aller von den weltlichen Mächten vorgegebenen Geschlossenheit der Obödienzen in komplexeren Gebilden wie eben dem Reich – man denke an den deutschen Südwesten – oder etwa der Gascogne, die Hugues Labarthe zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nahm, Dissidenzen nicht ausgeschlossen9. Daneben aber hatten genuin kirchenpolitische Fragen – so schon im 3. Jahrhundert die des Umgangs mit in Zeiten der Verfolgung ‚weich gewordenen‘ Mitchristen – als grundsätzlich schismaträchtig zu gelten. Dies gilt ebenso für aus dem Osten andrängende Theologica – erinnert sei an Arianismus und Mono physitismus –, wie es des weiteren für Vesuche gilt, das Amt durch Designation weiterzugeben, wofür Felix III., Bonifatius II. und Vigilius stehen. Sodann eine anthropologische Konstante: die persönlichen Motive. Bereits beim ersten Schisma in der Papstgeschichte überhaupt, so man den Streit zwischen Calixt I. bzw. dessen Nachfolgern und dem gelehrt-ehrgeizigen Hippolyt im frühen 3. Jahrhundert als solches bezeichnen will, spielen sie – natürlich begleitet von ehrabschneidenden Vorwürfen und Unterstellungen – neben theologischem Dissens offenbar eine ganz wesentliche Rolle. Schließlich sei in diesem Zusammenhang der schlichte Faktor Zufall nicht vergessen, Fortunas Walten, das Werner Maleczek am Beispiel von Alexanders III. Flucht aus Rom 1167 aufgezeigt hat. Und hieße nicht, wie Jochen Johrendt bemerkte, Anaklet II. heute Papst, Innozenz II. aber Gegenpapst, hätte seinerzeit Roger II. nur seinen Vorteil und seine Stärke konsequent genutzt?
III. Kommunikations- und Memorialstrategien Wir erinnern uns des diesbezüglichen Kriterienkatalogs von Harald Müller: Wahlanzeigen – Legationen – Privilegien und Pressionen – Schaffung einer eigenen Kurie – Kreierung von Kardinälen – Kanonisationen. Letzteres ist für Aachen mit der Heiligsprechung Karls des Großen durch Paschalis III. von besonderem Interesse und wurde im übrigen von Otfried Krafft eigens thematisiert; dabei wurde betont, dass die Päpste bei diesem Mittel der Obödienzwerbung auf Ersuchen re-agierten und dass die Gegenpäpste sich solchen Instruments – aufgrund mangelnder Nachfrage? – nur relativ selten bedienten. Wir denken des weiteren an Werbereisen oder ‚Wahlkampftouren‘, an Netzwerkbildungen und Synoden 9 Beide Vorträge konnten für die Drucklegung des Tagungsbandes nicht berücksichtigt werden.
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(sie stehen seit 1139 wiederholt auch am Ende eines Schismas), an Ausbau der Jurisdiktion und an Urkundenausstellung (sie, wie die Suppliken, zugleich auch ein Obödienzecho), ja an auf Distinktion angelegte Neugestaltung der Urkunden. Bei all dem bleibt einmal mehr an die Vorträge u. a. von Jochen Johrendt und vor allem von Armand Jamme zu erinnern, der eindrücklich die von einem „maximalisme théocratiste“ geprägte Strategie Urbans VI. und dagegen Clemens’ VII. Betonung der „normalité de son autorité pontificale“ herausarbeitete. Solcher Instrumente bedienten sich Papst wie Gegenpapst, doch – wie es so schön hieß – nur der Erfolg macht den Papst, der Misserfolg aber den Gegenpapst. Jochen Johrendt hat am Beispiel Innozenz’ II., Werner Maleczek an dem Alexanders III. demonstriert, wie dieser Weg zum Erfolg aussah: Er führte immer mehr aus Rom heraus, da es um die größtmögliche Obödienz in der gesamten lateinischen Christenheit ging, um nach deren Gewinnung Rom zurück zu gewinnen und so orbis und urbs wieder in Deckung zu bringen. Der Sieger ist agiler, besser organisiert, er verfügt über bessere Wähler – die Kardinäle nehmen seit dem 12. Jahrhundert eine zentrale Position ein – und vor allem über effizientere administrative Strukturen. Das erwähnte Defizit der kaiserlichen Kandidaten mag nicht nur in ihrer Abhängigkeit, in ihrem Schicksal als ‚Sekundärexistenzen‘ gründen, sondern vielleicht auch mit einem sich abzeichnenden Vorsprung an Staatlichkeit in Süd- und Westeuropa in Zusammenhang stehen, an dem die Institution römische Kurie partizipierte, ja den sie mit entwickelte. Inhaltlich waren Papst und Gegenpapst natürlich bemüht, jene Argumente für die eigene Legitimität zu verbreiten, die – ich rekurriere einmal mehr auf Harald Müller – von der ordnungsgemäßen, Vorschriften und Ritus beachtenden Erhebung über das Einschreiben in die apostolische Sukzession bis zur Diffamierung des Konkurrenten und Kontrolle der Memoria reichten. Um Wahrheit und Recht ging es dabei eigentlich weniger; man besaß sie selbstredend, betrachtete sich ja als verus et unicus pontifex und beharrte unbeirrt auf seiner Position, was etwa im Fall Alexanders III. von Erfolg gekrönt war, bei Benedikt XIII. aber in die Isolation und zum Scheitern führte. Generell steht unser Thema, da wir es nicht von juristisch-systematischer Warte, sondern eben historisch behandeln – wie all unser Arbeiten überhaupt – selbstverständlich unter ‚Relativitätsvorbehalt‘. So vermochte auch das Moment administrativer Effizienz, ebenfalls bei Alexander III. Teil der Erfolgsstrategie, für Clemens VII., der auf gute Verwaltungsstrukturen in Avignon zurückgreifen konnte, angesichts der Festigkeit und Dominanz der politisch diktierten Obödienzen keinen entscheidenden Ausschlag zu geben. Zu besagter Kontrolle der Memoria: Mit der Sicherung des eigenen Fortlebens auf Münzen, Medaillons und Bildern, in der Historiographie und in Monumen-
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ten – insbesondere Grabmälern (memoria id est sepulchrum) – ging die Zerstörung des Andenkens an die Gegenpäpste und deren Anhänger einher. Nicolangelo d’Acunto hat auf den – wohlgemerkt von Empfängern besorgten – veritablen archivalischen Kahlschlag bei Zeugnissen Wiberts-Clemens’ III. hingewiesen, der allein in ghibellinisch-kaisertreuen Hochburgen wie Verona, Padua oder Farfa nicht stattfand. (Für die Freigrafschaft Burgund ließ sich nachweisen, dass dort neue Privilegien Alexanders III. die dann vernichteten Viktors IV. ersetzten.) Von Gerhard Schwedler wurde diese – einen ganzen Verdammungsritualismus vom Haus- und Klosterarrest bis hin zur öffentlichen Zurschaustellung und Demütigung à la Burdinus umfassende – damnatio memoriae im diachronen Vergleich präzisierend und differenzierend untersucht: deletio memoriae, öffentlich inszenierte damnatio memoriae sowie – wichtig für die Wahrnehmung seitens der Nachwelt – die rhetorische damnatio memoriae vor allem durch die Historiographie. Arne Karsten behandelte die Memoria am Beispiel von Papstgrabmälern vor allem in Rom und als gegenpäpstliches Zeugnis Donatellos berühmtes Florentiner Grabmal für Johannes XXIII.10 In diesem Kontext bildet nun das Vorgehen Paschalis’ II. gegen seinen toten Widersacher Wibert-Clemens III. – die Vernichtung des illegitimen Körpers durch das Hineinwerfen des Leichnams in den Tiber – einen spektakulären Höhepunkt solcher damnatio: Thema eines eigenen, auch mögliche Bezüge zum „Nero-Exorzismus“ desselben Papstes aufzeigenden Referats von Kai Michael Sprenger. Fließend sind die Übergänge von den Kommunikationsstrategien (bei denen im übrigen mit zu berücksichtigen bleibt, auf welchen Kanälen die Mitteilungen der Prätendenten ihre Empfänger erreichten und über welche sonstigen Informationsquellen diese verfügten, was Óscar Villarroel González am Beispiel des Königreichs Kastilien zur Zeit des Großen Schismas aufzeigte); fließend also sind die Übergänge von den Kommunikationsstrategien zu den
IV. Wahrnehmungsformen Die Wahrnehmung von Gegenpäpsten und – so diesen die Installation einer Gegenhierarchie gelang – von Schismen sowie von deren Wirkungen umschließt ein breites Spektrum, wobei nunmehr das Große Abendländische Schisma und die konziliare Epoche im Mittelpunkt stehen. Dies kann Hinnehmen und Indifferenz
10 Der Vortrag konnte für die Drucklegung des Tagungsbandes nicht berücksichtigt werden.
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bedeuten – schon im Rom der Spätantike, so Hartmut Leppin, scheint eine solche Haltung recht verbreitet gewesen zu sein –, oder dies kann das Streben nach eigenem Vorteil (Privilegienwünsche etc.), aber auch Renitenz und Widerstand auslösen. Schließlich kann es – so im Großen Abendländischen Schisma zumindest bei den klügsten und kritischsten Geistern der Zeit wie etwa Jean Gerson, Nicolas de Clamanges oder Matthäus von Krakau – zur Überzeugung führen, dass die Spaltung nur Ausdruck einer allgemeinen, viel tiefer sitzenden Krise sei. Bislang hatte man Schismen durch Verdrängung oder Integration der Unterlegenen beendet; jetzt, nach 1378, aber scheiterten alle viae conventionis, compromissi oder cessionis an der Obstinanz der beiden, seit dem Pisanum gar der drei Prätendenten (wenn Pisa auch den geradezu petrifizierten Barrierecharakter der Obödienzen durchbrach). Und wie oft hatte man sich schon an der Präzisierung und Schärfung des Erhebungsverfahrens versucht – und zwar nicht erst, wie allgemein bekannt, 1059, 1179 und 1274, sondern schon um 420 und 500, dann 769, 824 oder 898 sowie auch noch im 14. Jahrhundert wiederholte Male. Gleiches tat man jetzt mit den berühmten Konstanzer Dekreten Haec Sancta und Frequens (1415/17), die ja auch künftigen Schismen vorbeugen sollten. Doch stehen diese Dokumente bekanntlich vor allem für ein neues ekklesiologisches Modell: Man erhoffte sich via concilii Einheit und Heil aufgrund der – in vielen Schismatraktaten verbreiteten – konziliaren Lehren: Sie stehen für eine stärker kollegial-korporativ akzentuierte Kirchenverfassung, in welcher der allgemeinen Synode und nicht mehr dem Papst die höchste Autorität zukommt; diese „konziliaren Konzilien“ (Hubert Jedin) bewegen sich damit auf einer anderen Ebene als besagte zum Abschluss der Schismen 1139 und 1179 gefeierte Laterankonzilien oder jener Vorschlag Friedrich Barbarossas von 1162, der Spaltung durch ein Konzil ein Ende zu setzen. Sie werden im übrigen noch von Einfluss auf das Verfassungsdenken in der frühen Neuzeit vor allem angelsächsischer Provenienz sein, die gallikanische Opposition gegen Rom im 17./18. Jahrhundert mit prägen und sich im Umkreis des II. Vaticanum bemerkbar machen. Ob die Basler Versammlung (1431–1449) sich dann gar als „institutioneller Gegenpapst“ konstituierte, wie Johannes Helmrath seinen Beitrag betitelte11, bleibe dahingestellt. Recht hat er natürlich, wenn er damit auf den Umstand abhebt, dass das Konzil päpstliche Funktionen an sich zog – und zwar insbesondere mit dem Auf- und Ausbau einer Rom imitierenden antirömischen Kurie, die ihrerseits eine bürokratieimmanente Tendenz zur Verstetigung beförderte –, und dass die Synode mit der Dogmatisierung der konziliaren Superiorität keinen Zweifel an 11 Der Vortrag konnte für die Drucklegung des Tagungsbandes nicht berücksichtigt werden.
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ihrem Anspruch auf Führerschaft als Generalrepräsentanz der universalen Kirche ließ. Allein der radikalste Konzilsvater vermochte sich eine papstlose Kirche nicht vorzustellen; und der im November 1439 zum Papst gewählte ehemalige Savoyerherzog Amadeus VIII., für den, wie wir von Ursula Giessmann gehört haben, Basel immerhin einen Bart wert war, er war bei seinem dortigen Erhebungsakt peinlich auf die Einhaltung des römischen Zeremoniells bedacht. Auch hier also: gegen Rom in römischer Form; ein weiteres Beispiel im Übrigen für mittelalterliche Rom-Raumfiktion. Von großem Interesse ist Johannes Helmraths Hinweis auf den bislang einzigartigen und dennoch nie näher untersuchten Umstand, dass es fortan – neben der Kurie Eugens IV. – faktisch zwei weitere Kurien gab, die des Konzils und von dessen Papst, wobei die latente Dichotomie mit Felix’ Weggang aus Basel eine weitere Differenzierung erfuhr, da Konzil und (Gegen-)Papst um eine abgestimmte Obödienzsicherungsstrategie durch ihre Kurienbürokratien bemüht waren. Seine späten Jahre lassen Felix V. auf einen landesfürstlichen Papat reduziert erscheinen, doch seinem Selbstverständnis mag das in gewissem Grad sogar entsprochen haben; und als eine Art Vizepapst vermochte er diese Stellung nach seiner Resignation 1449 noch bis zu seinem Tod 1451 zu wahren – wohl kein Gegenpapst hat derart günstige Abdikationsbedingungen erreicht wie dieser bislang letzte. Den Gründen – so wäre an den Rekurs auf die sichere, langes Ausharren erlaubende savoyische Territorialbasis, aber auch an die Zugehörigkeit Amadeus’ VIII.-Felix’ V. zur europäischen Fürstenfamilie zu denken – ging ja Ursula Lehmann im finalen Referat „Savoyisches Finale – die Resignation Felix’ V.“ nach.
V. Ausblicke ‚Gegenpapst‘ – der Begriff stieß im Verlauf der Tagung wiederholt auf Widerspruch: Er bedeute per se eine damnatio memoriae, er sei ein Kampfbegriff, er schließe – mit negativer Konnotation und laut Hartmut Leppin im Gegensatz zu dem seltenen und wertneutralen griechischen antiepiskopos – genau jene Bewertung ein, derer wir uns ja enthalten wollten; ‚siegreiche und unterlegene Päpste‘, ‚konkurrierende gegnerische Päpste‘, ‚papes rivaux‘, ja ‚kompetitives Synchronpapsttum‘ u. a. m. wurden als Ersatz vorgeschlagen. Und in der Tat: Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto stärker werden die Zweifel an eindeutiger Abgrenzung von Legitimität und Illegitimität, an den scheinbar sauber-rigoros (aus)scheidenden römischen Papstlisten bis hin zu denen des „Annuario Ponticifio“. Man wird sich mancher Widersprüchlichkeiten wie späterer
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Umwertungen bewusst, und sie betreffen keineswegs allein Alexander V./VI. oder Johannes XXIII. im 15. und im 20. Jahrhundert. Nur: Unser Kolloquium wird nicht das Geringste daran ändern, dass der vereinfachende, teilweise verfälschende und doch so eingängige Begriff ‚Gegenpapst‘ weiterhin der vorwaltende Sprachgebrauch bleibt – hier in Aachen sei an die (sogenannte) ‚Karolingische Renaissance‘ erinnert: Welch heftige und kenntnisreiche Opposition hat der Terminus immer wieder provoziert, und dennoch behauptet er das Feld. Beugen wir uns faute de mieux der Macht des Faktischen, zumal sich mit dem Begriff, wie im Disput mehrfach betont wurde, auch ein heuristischer Mehrwert verbindet. Seien wir aber ein wenig stolz darauf, dass hier in den letzten Tagen erstmals der Versuch einer prinzipiellen, systematischen Bestandsaufnahme gewagt wurde; doch seien wir uns auch bewusst, dass wir damit das Sujet in seiner Komplexität bei weitem noch nicht ausgeleuchtet haben: Ich erinnere an die kaum zur Sprache gekommene und dabei für die Thematik doch zentrale Ottonenzeit oder an Ludwigs des Bayern Papst Nikolaus V., ich weise auf den ausgeblendeten kirchenrechtlichen Bereich sowie auf das eingeforderte, doch weitgehend uneingelöste Kriterium des Vergleichs hin12. Und seien wir bescheiden – denn schon im 14. Jahrhundert hat ein Telesphorus von Cosenza Gegenpäpste und Schismen auf seine Weise zum Objekt historischer Studien gemacht, was uns Hélène Millet in einem Vortrag nahe brachte, der gleichsam für sich selbst stand und als kleines Juwel dank aus der Zeitnot geborener glücklicher Fügung undiskutiert blieb. Ihre weiteren kurzen Erwähnungen von Pierre Bohier, von Bernard Alaman – jenem Bischof von Condom, der auch im Referat von Hugues Labarthe eine Rolle spielte – sowie von Johann von Hildesheim, Thomas Ebendorfer und Jean Lemaire des Belges, aber auch der Hinweis von Johannes Helmrath auf die noch nicht untersuchten Darstellungen und Bewertungen der Gegenpäpste in der protestantischen Literatur – so etwa bei den Magdeburger Centuriatoren –, sie laden zu weiterer Beschäftigung mit dem Thema ein. Schlägt man ein deutschsprachiges Lexikon auf, dann steht Aachen immer am Anfang – und für einen gelungenen Anfang haben wir Harald Müller und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken –, allein es war nur ein Anfang: Weiteres sollte folgen.
12 Die Herausgerber planen einen zweiten Band zum Thema, in dem sowohl die hier nicht berücksichtigten Vorträge publiziert als auch thematische Lücken gezielt geschlossen werden sollen.
Farbabbildungen
Zum Titelbild
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Abbildung 1 De magno schismate von Antonio Baldana
Die Miniatur gehört zu einem Zyklus von 30 Illustrationen in dem Papst Martin V. gewidmeten Werk (ca. 1420). Als Krönung Clemens’ VII. durch Altkardinäle und Urbans VI. Neukreierung eines Kardinalskollegs gedeutet, ergibt sich bei Betrachtung der Doppelszene von rechts nach links die eigentliche Chronologie beider für die Kirchenspaltung von 1378 konstitutiven Akte. Parma, Biblioteca Palatina, Ms. 1194, fol. 7v (mit Genehmigung des Ministero per i Beni e le Attività Culturali).
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Zum Beitrag von Hélène Millet
Abbildung 2 Libellus des Telesphorus von Cosenza
In dieser Leonello d’Este gewidmeten Handschrift (ca. 1440) werden zwei Prophetien zur Bekräf tigung der Vorhersagen zum Schisma von 1378 mit Gegenpapst-Bildern illustriert. Der antipapa wird dabei durch den ihn krönenden Dämon entlarvt. Dans cet exemplaire destiné à Leonello d’Este (ca 1440), deux images d’antipapes illustrent deux prophéties citées à l’appui des prédictions sur le schisme de 1378. L’antipape est dénoncé par le démon qui le couronne. Modena, Biblioteca Estense, Ms. Lat. 233, fol. 38v (mit Genehmigung des Ministero per i Beni e le Attività Culturali).
Zum Beitrag von Hélène Millet
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Abbildung 3 Vaticinia de summis pontificibus
Die Serie von 30 Abbildungen zu jeweils einem Papst schließt in der für Leonello d’Este (ca. 1440) angefertigten Handschrift unmittelbar an den Libellus des Telesphorus von Cosenza an. Dem hier gezeigten Papst Johannes XXII. sucht Petrus von Corvara als Tiara tragende Missgestalt mit dämonenhaften Schwingen und schuppigem Schwanz die Petrusschlüssel zu entreißen. Cette série de trente planches, chacune dédiée à un pape, suit immédiatement le libelle de Télesphore de Cosenza dans le manuscrit réalisé pour Leonello d’Este (ca 1440). Ici, le pape Jean XXII est représenté aux côtés de Pietro da Corbara, monstre tiaré aux ailes démoniaques et à la queue écaillée, qui tente de lui arracher les clés. Modena, Biblioteca Estense, Ms. Lat. 233, fol. 65r (mit Genehmigung des Ministero per i Beni e le Attività Culturali).
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Zum Beitrag von Harald Müller
Abbildung 4 The antipope von Max Ernst
Das 1941/42 entstandene, schwer zu deutende Werk wird meist biographisch als Ansammlung von Frauenpersönlichkeiten aus dem Leben des Künstlers interpretiert. Peggy Guggenheim Collection, Venedig; © Max Ernst/VG Bild-Kunst (Druckvorlage: akg-images).
Resümees Harald Müller: Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter Der Begriff ‚Gegenpapst‘ zielt auf diejenigen römischen Bischöfe, die aufgrund von Legitimationsdefiziten aus der Papstliste getilgt wurden. Doch hinter dem vermeintlich eindeutigen historischen Urteil verbergen sich vehement ausgetragene Konflikte um den römischen Bischofsstuhl von unterschiedlicher Reichweite und Charakteristik. Die historische Forschung hat ihren Blick bisher kaum detailliert auf die Bestandteile dieser Konkurrenzsituationen gerichtet: auf Handlungsmuster und Kommunikationsstrategien der Kontrahenten sowie auf Wahrnehmungsformen der Zeitgenossen. Der Beitrag skizziert daher die Leitgedanken des Forschungs- und Tagungskonzepts und umreißt die Wesensmerkmale des mittelalterlichen Phänomens Gegenpäpste. Dazu wird zunächst die zeitgenössische Begriffsverwendung exemplarisch untersucht. Es zeigen sich Verfahren wechselseitiger Diffamierung der Konfliktparteien, die u. a. den Vergleich mit biblischen Missetätern zur Stigmatisierung des Gegners nutzten. Generell erweisen sich Legitimitätsbehauptung und Legitimitätsbestreitung als zentrale Kommunikationsstrategien in diesem ‚Kampf um Rom‘. Gegenseitige Verketzerung und der Versuch, die Erinnerung an überwundene Kontrahenten zu tilgen, zu kanalisieren oder gar zu überschreiben, dienten dem Ziel der Akteure, sich selbst konkurrenzlos in die ununterbrochene Liste der Päpste von Petrus bis in die Gegenwart einzuschreiben. Die Behauptungskämpfe vollzogen sich bei allen prinzipiellen Gemeinsamkeiten in Handlungsweisen und Kommunikationsformen in jeweils spezifischen historischen Situationen, so dass der diachron vergleichenden Betrachtung des Phänomens ein hoher Stellenwert zukommt: Sie allein vermag sichtbar zu machen, in welcher Weise sich die Grundbedingungen des Agierens änderten, etwa infrastrukturelle Voraussetzungen wie das Funktionieren der päpstlichen Kanzlei oder die diplomatischen Möglichkeiten zur Gewinnung (kirchen-)politischer Unterstützung; erst sie kann zugleich Veränderungen in den prinzipiellen Handlungsformen selbst offen legen. So variierte der Umgang mit überwundenen Kontrahenten vom Hoch- zum Spätmittelalter, wandelten sich die zeremoniellen Abläufe der Papstabsetzung und verschob sich nicht zuletzt die Wahrnehmung von Konkurrenzpapsttum und Schisma selbst. Von lokal begrenzten Irritationen wäh-
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rend des Frühmittelalters bis hin zur Europa spaltenden Dauerkrise des Großen Abendländischen Schismas reicht die Spannweite dieser Konfliktsituationen. Sie werden begleitet von Formen der sprachlichen Gewöhnung an Schismen, von Varianten des liturgischen, rechtlichen und politischen Umgangs mit ihnen und von Versuchen, die offensichtlich gestörte Ordnung an der Spitze der Kirche mithilfe von theologisch und juristisch orientierten Traktaten intellektuell zu bewältigen.
Klaus Herbers: Konkurrenz und Gegnerschaft. „Gegenpäpste“ im 8. und 9. Jahrhundert Im Hinblick auf „Gegenpäpste“ bzw. auf Kontroversen um die Erhebung auf den Stuhl Petri sind für das Frühmittelalter vor allem die Wirren nach dem Tod Pauls I. (767) und Leos IV. (855) sowie die langwährende Krise nach dem Tod des Formosus (896) zu betrachten. Die vergleichende Analyse dieser Beispiele zeigt, dass die Besetzung des römischen Bischofsamtes durchweg von Parteienkonstellationen innerhalb und außerhalb Roms bestimmt wurde, aber nur in wenigen Fällen eine Eskalation des Konflikts Niederschlag in den Quellen fand. Deutlich treten dabei die Strategien der eigenen Legitimierung und gleichzeitigen Diffamierung der Konkurrenten zutage. Problematisch erscheint für diesen Zeitabschnitt jedoch die Verwendung des Begriffs „Gegenpapst“, da selten ein wirkliches Nebeneinander der Konkurrenten festzustellen ist. Angesichts der bestimmenden lokalen Einbettung des Amtes lassen sich die Konkurrenzen des Frühmittelalters zudem noch nicht als „Prüfsteine universalen Autorität“ begreifen. Gleichwohl sind, etwa in einer Arenga des 855 gegen Anastasius Bibliothecarius erfolgreichen Benedikt III., zumindest selbstbewusst vorgetragene Ansprüche auf eine gesamtkirchliche Autorität des römischen Bischofs zu vernehmen.
Rudolf Schieffer: Das Reformpapsttum und seine Gegenpäpste Die Synode von Sutri Ende 1046 ebnete einer neuen Form des Papsttums den Weg, indem sie die traditionelle Dominanz des römischen Klerus beseitigte und auswärtigen Geistlichen, zunächst gestützt auf die Autorität des salischen Kaisers, später nach dem Willen der Kardinäle, den Aufstieg zur cathedra Petri und zu neuartiger gesamtkirchlicher Wirksamkeit eröffnete. Damit wandelten sich zugleich die strukturellen Voraussetzungen für das Auftreten von Gegenpäpsten und die Entstehung von Schismen, die bis dahin stets auf innerrömischen Divergenzen beruht hatten und ohne Beteiligung der übrigen Christenheit in Rom entschieden worden waren.
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Einerseits gab sich das herkömmliche Adelspapsttum nicht ohne weiteres geschlagen und suchte in Gestalt von Benedikt IX. (1047/48, 1054) und Benedikt X. (1058/60) das „Reformpapsttum“ zu verdrängen, sobald eine Vakanz auf dem Stuhl Petri eintrat. In ihrer bloß lokalen Reichweite vergleichbar sind die an Paschalis II. gescheiterten Nachfolger Wiberts, die bei Heinrich IV. und Heinrich V. keine Anerkennung fanden: Theoderich (1100/01), Albert (1101/02) und Silvester IV. (1105/11). Andererseits hatte die Erfahrung von Sutri den neuen Typus des vom salischen Herrscher kreierten, außerhalb Roms verwurzelten und gegen einen amtierenden Pontifex erhobenen Gegenpapstes zur Folge, der früher oder später am gesamteuropäischen Übergewicht des Reformpapsttums scheiterte: Honorius II. (Cadalus, 1061/64), Clemens III. (Wibert, 1080/84–1100), Gregor VIII. (Burdinus, 1118/21). Nach 1122 verschwanden beide Erscheinungsformen, weil das normative Gewicht des exklusiven Wahlrechts der Kardinäle so stark geworden war, dass Schismen nur noch aus dem Kollegium selbst hervorgehen konnten.
Nicolangelo D’Acunto: Das Wibertinische Schisma in den Quellen des Regnum Italiae La documentazione del Regno Italico relativa a Clemente III dimostra che la massiccia adesione al pontefice di nomina imperiale da parte dell’episcopato di tradizione regia riuscì a condizionare, anche dopo la fine dello scisma, la memoria archivistica delle istituzioni ecclesiastiche e religiose, che, terminata la lotta per le investiture, eliminarono le testimonianze più evidenti della loro fedeltà a colui che sarebbe stato considerato un antipapa. La veritas dei gregoriani lasciò cospicue tracce di sé nella libellistica del periodo, mentre la pubblicistica favorevole all’Imperatore Enrico IV e a Clemente III ci è pervenuta solo attraverso pochissimi codici. Le scarse testimonianze documentarie relative all’,antipapa‘ sono concentrate in monasteri dalla perdurante identità imperiale come Farfa o in città come Verona e Padova, che ebbero una forte connotazione ghibellina nei secoli XIII e XIV.
Kai-Michael Sprenger: Der tote Gegenpapst im Fluss – oder wie und warum Clemens (III.) in den Tiber gelangte Ausgangspunkt des Beitrages ist die in den Annales Sancti Disibodi zum Jahr 1099 überlieferte Nachricht, nach der Papst Paschalis II. in einem militärischen Kraft-
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akt die Stadt Civita Castellana erobern und den dort bestatteten Clemens III., seinen früheren Konkurrenten, exhumieren und schließlich in den Tiber werfen ließ, weil angeblich am Grab des toten Gegenpapstes Wunder geschähen. Der Beitrag fragt nach dem konkreten Geschehen wie auch nach der Symbolik dieses Aktes. Wo und mit welcher Öffentlichkeit wurde der Leichnam Wiberts von Ravenna im Tiber entsorgt? Welche Rolle spielte hierbei der Tiber als Bühne eines politisch inszenierten kommunikativen Aktes bzw. eine womöglich noch in Rom gegenwärtige Erinnerung an die bereits aus der römischen Antike überlieferte Praxis, Leichname ehemaliger politischer Gegner im Kontext einer damnatio bzw. deletio memoriae zur Abschreckung im Tiber zu versenken? Waren jene starken Bilder früherer an (Gegen-)Päpsten vollzogener Leichnamstrafen wie das des Papstes Formosus, der nach der Leichensynode von 897 ebenfalls in den Tiber geworfen wurde, Paschalis II. und seinem Umfeld noch präsent, als er Wibert von Ravenna in den Tiber werfen ließ? Und welche Bezüge lassen sich zwischen dem Ende Wiberts im Tiber und einer, wenngleich nur aus einem legendären hagiographischen Kontext überlieferten, vergleichbaren Handlung Paschalis’ II. herstellen, der nur ein Jahr zuvor in Rom das Grab Neros zerstört und dessen Knochen zusammen mit der Asche eines Nussbaumes, in dem angeblich Neros Geist spukte, auf Befehl der Gottesmutter im Beisein von Klerus und Volk Roms in einem exorzistischsymbolischen Akt in den Tiber geworfen haben soll, um dann an der Stelle von Neros Grab – in Form einer Erinnerungsüberschreibung – eine Marienkapelle als Vorgänger der römischen Pfarrkirche S. Maria del Popolo zu stiften? Auf der Grundlage dieser Leitfragen entwickelt der Aufsatz die These, dass mit Vernichtung des Grabes des Gegenpapstes Clemens (III.) keineswegs nur eine möglichst effiziente Verwischung der materiellen Grundlage einer liturgischen und hagiographischen Memoria des ,falschen‘ Papstes, sondern mit der öffentlich inszenierten Versenkung des Leichnams im Tiber in Rom zugleich die Etablierung einer spezifischen diffamierenden und inkriminierenden Memoria des Gegenpapstes Clemens (III.) intendiert war – als Teil einer Strategie Paschalis’ II., in der noch virulenten Auseinandersetzung des Wibertinischen Schismas die eigene Legitimation und Obödienz zu festigen. Der Tiber erwies sich hierbei gerade nicht als Strom des Vergessens, sondern vielmehr als jene Bühne, auf der die Erinnerung an einen womöglich legitimen Konkurrenten mit gezielten rituellen und kommunikativen Handlungen in Form einer memoria damnata um- bzw. überschrieben und die Erinnerung der Sieger als die der vermeintlich moralisch besseren Seite deutlicher und unwidersprochen profiliert werden sollten.
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Jochen Johrendt: Das Innozenzianische Schisma aus kurialer Perspektive Boso spricht rückblickend auf das am 14. Februar 1130 ausgebrochene Innozenzianische Schisma in seiner Vita Innozenz’ II. von einer Zweiteilung der Obödienzen in urbs und orbis. Mit dieser Zuweisung der urbs zu Anaklet II. und des orbis zu Innozenz II. folgt er dem Argumentationsmuster, das die Innozenzianische Partei in der Auseinandersetzung mit Anaklet II. verwendet hatte. Innozenz II. war unmittelbar nach seiner Erhebung aus Rom vertrieben worden. Er musste die Ewige Stadt Anaklet II. überlassen, da er dort nach dem raschen Parteiwechsel der Frangipane zu Anaklet II. faktisch keinen Rückhalt mehr besaß. Daher konnte er sich bei seinem Obödienzauf- und -ausbau nicht auf die Stadt mit dem Grab des Apostelfürsten konzentrieren, sondern musste seine Obödienz von Anfang an im orbis aufbauen. Mit dessen Hilfe wollte er die urbs gewinnen – eine Strategie, die langfristig aufging, als Folge jedoch Papst und Stadt stärker von einander trennte und die Ortsunabhängigkeit der Kurie als handlungsfähige Verwaltungszentrale der lateinischen Christenheit stärkte. Der Beitrag skizziert die unterschiedlichen Argumentationsmuster und Legitimationsstrategien der beiden Parteien, vor allem anhand des Kontaktes zu Lothar III. Für das Selbstverständnis Anaklets II. in diesen Auseinandersetzungen spielt das Apsisfresko in der Nikolauskapelle des Lateranpalastes eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der Instrumente des Obödienzauf- und -ausbaus sind innerkuriale Veränderungen festzustellen, die als das Ergebnis einer bewussten Abgrenzung vom Gegner gedeutet werden können. Diese Veränderungen sind teilweise eine direkte Folge der Strategie Innozenz’ II., den orbis für sich einzunehmen. Denn dadurch wirkte dieser in verstärktem Maße auf die Kurie zurück. Zugleich bewirkte das verstärkte Bemühen der Kurie Innozenz’ II. um die Kirchen in partibus eine Verdichtung der lateinischen Kirche. Faktisch beendet wurde das fast acht Jahre andauernde Schisma – trotz der kurzfristigen Erhebung Viktors IV. durch die anakletianische Partei – mit dem Tod Anaklets II. am 25. Januar 1138. Die Verarbeitung dieses Schismas wird abschließend durch den Umgang Innozenz II. mit dem ‚Erbe‘ Anaklets II. thematisiert. Dabei werden die demütigende Absetzung der Kardinäle, der Neubau von S. Maria in Trastevere oder die Beseitigung von Altären, die durch Anakletianer geweiht worden waren, den begrenzten Möglichkeiten dieser Revisionspolitik Innozenz’ II. in Unteritalien gegenüber gestellt.
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Werner Maleczek: Das Schisma von 1159 bis 1177. Erfolgsstrategie und Misserfolgsgründe Auf die Frage, warum Alexander III. und nicht Viktor IV. (und seine ephemeren Nachfolger) im Schisma nach 1159 den Sieg davontrug, wird in in sechs Teilen geantwortet: 1. Der Zufall, worunter nicht nur der biologische Zufall des Lebensalters, sondern auch das knappe Entkommen Alexanders III. nach der Einnahme Roms durch Friedrich Barbarossa 1167 gemeint ist. Überlegungen zum Zufall in der Geschichte und zur diesbezüglichen Reflexion bei den Chronisten begleiten diesen Abschnitt. – 2. Die unerschütterliche Überzeugung Alexanders III., im Recht zu sein, und deshalb seine konsequente Weigerung, irgendeine Instanz über den Ausbruch des Schismas urteilen zu lassen. – 3. Der kuriale Apparat Alexanders III. funktionierte besser und reagierte schneller, wodurch größere Teile der Christenheit gewonnen werden konnten. – 4. Das kuriale Gerichtswesen kam unter Alexander III. schneller in Gang, umfasste auch in geographischer Hinsicht weitaus mehr Streitfälle und bezog mit seinem ausgedehnten System der delegierten Richter zahlreiche Prälaten in partibus mit ein. – 5. Die Mehrheit der Kardinäle stand auf Alexanders Seite, und besonders die besser Qualifizierten setzten sich für ihn auf zahlreichen Legationen ein. Bei der Ergänzung des Kardinalskollegiums agierte Alexander erheblich geschickter und zielgerichteter. – 6. Entscheidend – wie beim Schisma von 1130 – war die Verteilung der Obödienzen. Während Viktor IV. starr auf den Kaiser setzte, wandte sich Alexander III. rasch den westeuropäischen Mächten zu, wo breite Netzwerke maßgeblicher Persönlichkeiten die Anhängerschaft stabilisierten. Es gelang auch, den drohenden Übertritt Heinrichs II. von England ins gegnerische Lager zu unterbinden.
Gerald Schwedler: Zur damnatio memoriae bei Gegenpäpsten. Chancen und Grenzen eines diachronen Vergleichs von Hippolyt (217–235) bis Felix V. (1439–1449) Der Beitrag beschäftigt sich mit einem zentralen Phänomen der Papstgeschichte, dem Umgang mit der Erinnerung erfolgloser Papstprätendenten. Gerade weil die Autorität der römischen Kirche auf Einheit und Geschlossenheit beruhte, war es unabdingbar, in zweifelhaften Situationen konkurrierende Ansprüche auf den Stuhl Petri auszuräumen. Aus diesem Grund wurden auftretende Konkurrenten als invasores vehement bekämpft und – was von besonderem Interesse ist – auch posthum systematisch als illegitim dargestellt. Dabei kam es zu Akten der Tilgung ihres Andenkens, vor allem durch die Zerstörung von Gräbern, Bauwerken und
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Stiftungen. Derartige Ausschreitungen traten wiederholt zwischen dem ersten ‚offiziellen‘ Gegenpapst Hippolyt (217–235) und dem letzten Gegenpapst Felix V. (1439–1449) auf und wurden in der älteren Forschung verallgemeinernd mit dem Begriff der damnatio memoriae zusammengefasst. Doch bereits ein kursorischer Blick auf den Umgang mit der Geschichte und den Relikten von Gegenpäpsten zeigt, dass es dabei nicht um reine Tilgungen ging, sondern auch um das bewusste Etablieren einer Gegen-Erinnerung. Demnach kann ein Zusammentragen von Einzelbelegen für Löschen, Ausmeißeln, Verbrennen oder andere Vernichtungsakte ohne Berücksichtigung der Techniken zur Herstellung eines dezidierten Negativgedächtnisses dem Phänomen einer damnatio memoriae nicht gerecht werden. Vielmehr ist feststellbar, dass von Seiten der siegreichen Partei ein höchst differenzierter und reflektierter Umgang mit dem Andenken betrieben wurde. Der Beitrag untersucht daher wiederkehrende Strukturen und Muster im Umgang mit Gegenpäpsten im diachronen Vergleich und leistet erste Vorüberlegungen zu einer Theorie der damnatio memoriae. Dazu werden drei unterschiedliche Formen des Umgangs mit gegenpäpstlichen Erinnerungsträgern in den Blick genommen: die eigentliche Tilgung, die inszenierten Akte der Erinnerungsunterdrückung sowie die Techniken der Überschreibung und Negativdarstellung. In Bezug auf die erste Ebene, die Tilgungen gegenpäpstlicher Erinnerung, zeigt sich, dass sich die Momente eines Verschwindenlassens von körperlichen Überresten bzw. der Denkmäler von Gegenpäpsten durchaus über Jahrhunderte ähnlich sind. Techniken einer damnatio memoriae erscheinen hier im Sinne einer deletio memoriae. Auf einer zweiten Ebene, dem inszenierten Unterdrücken, werden die Akte untersucht, in denen jene materiellen Erinnerungsträger öffentlich verbrannt wurden, an denen sich der Anspruch der Gegenpäpste als legitimer Papst manifestieren konnte. Diese publikumswirksamen – und damit erinnerungswürdigen – Akte lassen sich am besten unter den Begriffen der inszenierten bzw. ritualisierten damnatio memoriae zusammenfassen. Drittens wird der Blick auf die Überschreibungen gerichtet, also den Umgang mit Gegenpäpsten in der Geschichtsschreibung. Es zeigt sich, wie ganz bewusst eine diffamierende Sicht propagiert wurde, also eine pejorative Erinnerung. Unterlegene Päpste wurden eloquent mit einer Fülle an Schlüsselbegriffen von Verfehlung und Verwerflichkeit in Verbindung gebracht. Dieser letzte Aspekt wird im Beitrag als rhetorische damnatio memoriae bezeichnet. Erst diese neue Auffassung von damnatio memoriae als dem Ineinanderwirken unterschiedlicher Techniken macht die Gleichzeitigkeit von Erinnerungstilgung und gezielt erinnerter Diffamierung verständlich.
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Andreas Rehberg: Ein ‚Gegenpapst‘ wird kreiert. Fakten und Fiktionen in den Zeugenaussagen zur umstrittenen Wahl Urbans VI. (1378) Obwohl die Umstände keiner anderen Papstwahl des Mittelalters so eingehend dokumentiert sind wie die der Wahl Urbans VI. im April 1378, herrscht noch heute Unklarheit über die Rechtmäßigkeit dieses Neapolitaners auf dem Papstthron. Zu einer ‚Doppelwahl’ kam es erst mit der Wahl seines Widersachers Clemens’ VII. am 20. September desselben Jahres in Fondi. Der Fall Urbans VI. ist der eines Papstes, der zunächst trotz der Umstände seiner turbulenten Wahl die allgemeine Anerkennung fand und diese erst in einem zweiten Schritt durch sein ungeschicktes Verhalten aufs Spiel setzte und schließlich verlor. Der Beitrag will das Prozesshafte und einige Antriebskräfte auf dem Weg zur Eskalation in die Gegenwahl untersuchen. Bei ihrem Abfall vom gewählten Papst und beim Versuch, Urban als schismatischen Papst zu entlarven, kamen die französischen Kardinäle und ihre Anhänger im Zeugenstand in Erklärungsnöte. Ihnen blieb nur der Ausweg in die geschickte Mischung von Fakten und Fiktionen, deren zentrales Argument das bedrohliche Verhalten der Römer war, das eine reguläre Wahl unmöglich gemacht habe. Die Gewaltbereitschaft und Aufsässigkeit der Bewohner Roms sind allerdings zu hinterfragen, handelt es sich doch um beliebte Motive im Kampf der Zeit um die ‚öffentliche’ Meinung, die auch in der historiographischen Aufarbeitung stets wiederkehrt. In diesem Sinne wurden Gegenpäpste ‚gemacht’, d. h. die Zeitgenossen bzw. die späteren Chronisten stilisierten die Unterlegenen zu ‚Gegenpäpsten‘. Nach einer Analyse der spezifischen Natur der von den iberischen Monarchen betriebenen Informativprozesse und ihrer Zeugenaussagen wird unter Berücksichtigung des darin durchscheinenden kulturgeschichtlich interessanten Alteritäts- bzw. Abgrenzungsmoments das Urteil der Zeitgenossen über das Verhalten der Römer untersucht. Unverkennbar scheinen die mitunter bis in die Antike zurückreichenden antirömischen Diskurse und Stereotype durch, die hier mit den – durchaus je nach Stand und Profession zu differenzierenden – Interessenslagen der vor dem Konklave lagernden Römer konfrontiert werden. Im Schlusskapitel zeigt sich die komplexe Wechselbeziehung der Zeugen zu ihrem jeweiligen Rombild. Damit werden die Ereignisse von 1378 und die aus ihnen erwachsenen Quellen zu einem Paradebeispiel und methodischen Exempel für das Studium der Abhängigkeit von Zeitgenossen und Historiographen von der Faktizität, den Fiktionen und Perzeptionen historischer Ereignisse.
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Armand Jamme: Réseaux, stratégies de communication et Storytelling au début du Grand Schisme d’Occident L’objet de cette communication vise à identifier les lignes de force de l’argumentaire choisi par les deux papes Urbain VI et Clément VII au moment où ceux-ci se trouvent tous deux dans la région de Rome en 1378–1379. Quelques lettres dispersées en Italie centrale permettent de restituer les stratégies de communication déployées par les deux partis. Il apparaît que leur propagande repose sur deux histoires à fortes valeurs polémiques d’un même fait. En jouant sur l’affectif plus que sur la raison, les urbanistes l’emportèrent sur les clémentistes qui avaient au début tout au moins fait exactement le choix inverse.
Patrick Zutshi: Continuity and discontinuity in the chanceries of Urban VI and Clement VII The paper seeks to compare the chanceries of the first two popes of the Great Schism. Bartolomeo Prignano was acting head of the papal chancery (known as the regens) before his election as Pope Urban VI. Despite his advantages as a curial ,insider‘, Urban’s chancery faced immediate difficulties, largely through the disorderly state of the city of Rome. Later in his pontificate, Urban’s chancery was affected by the instability of his position in Italy, and he had to abandon registers of papal letters and of supplications in Nocera in 1384. The survival of registers from his pontificate is indeed very poor, in contrast to the abundance of registers of Clement. Early in his pontificate, Urban appears to have been reluctant to sign petitions, but his attitude was transformed by the circumstances of the Schism and by the need to secure and retain support. His pontificate is characterised by his lavish patronage of a group of Neapolitan families, including the Brancacci (his mother’s family). Following the withdrawal of the cardinals to Anagni, Urban was deserted by many curialists. The defections were not confined to the beginning of his pontificate. They necessitated the recruitment of new personnel, predominantly Italians, but with a significant representation of Germans. There is some evidence that Urban attempted reforms of the curia, and the chancery was not exempt from these. The changes in procedure that can be traced date from the years 1378– 1382. They constitute a series of modest innovations rather than an extensive programme of reform. Urban’s chancery rules give a similar impression, although they date from throughout the pontificate. One feature of the curia of Urban as well as Clement was the increasing role of secretaries in the issue of letters of grace, both
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letters in common form and letters suffering from a defect which meant that they could not be issued in the chancery. Clement’s chancery similarly functioned somewhat shakily in the early months of his pontificate. Yet his earliest chancery rules, issued while he was still in Italy, provide extremely detailed stipulations concerning the precedence and prerogatives of different categories of petitioners for ecclesiastical benefices. It is as if Clement was hearing, or expecting, a mass of petitions and intended to treat them more favourably than Urban had done. Having failed to establish his authority in Italy, Clement returned to Avignon in 1379. The vicechancellor, Pierre de Monteruc, who had remained behind there, became the active head of the chancery. Clement’s pontificate saw an increase in the practice of back-dating rolls of petitions for benefices and an elaboration of the principles by which the dates were assigned. The resulting confusion was no doubt the main cause of the introduction of not less than three dates in addition to the date in the dating clause. Clement also brought in the registration of petitions signed by the vicechancellor or regens. Urban VI and Clement VII were not major reformers of the chancery. Nonetheless, certain divergences emerge from a discussion of their chanceries, and it is possible to suggest some reasons why these divergences occurred: After the first unsettled months, Clement was able to live in relative security in the Palais des Papes, whereas Urban led an existence which at times was peripatetic and vulnerable; Clement took over a substantial proportion – most likely the majority – of the personnel of the chancery, whereas Urban had to recruit large numbers of new men; finally, Clement enjoyed close relations with the kingdom of France, which continued to be a vital support to the papacy, above all financially. It is thus Clement, not Urban, who best represents continuity with the governmental practices of their indisputably legitimate predecessors who resided at Avignon for most of the fourteenth century. Appendix I prints the deposition of Pierre de Monteruc from the process of Medina del Campo (1380–1381), while Appendix II prints the deposition of Cardinal Renaud de Gorse, Urban VI’s vicechancellor, from the same source.
Óscar Villarroel González: Formas de comunicación en Castilla durante el Gran Cisma de Occidente Comme il est bien connu, le royaume de Castille était, durant le Bas Moyen Âge, un des principaux acteurs de la politique occidentale, malgré sa position géographique excentrique. Pendant le Grand Schisme d’Occident, la Castille joua un rôle très actif dans le conflit et dans la recherche d’une solution au schisme. Sans
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aucun doute, l’information qui pourrait être reçue en Castille était la seule base afin d’orienter sa politique. Compte tenu de sa position géographique, le recours à toute sorte d’envoyés (des messagers, des ambassadeurs, même des espions) fut essentiel. Et c’���������������������������������������������������������������� était le moment où la diplomatie castillan commença������������� son développement. Bien sûr, on a reçu des nouvelles par le biais de divers canaux, mais cellesci pourraient être intéressées s’ils n’étaient pas déformées. Ainsi, la communication et leurs diverses formes sont un des points clés pour analyser la participation castillan dans le schisme. Évidemment, ici on doit analyser comment et où le pouvoir castillan chercha l’information. En plus, il est nécessaire de faire attention à ce qui était envoyé et reçu en Castille, bien par les papes, bien par le royaume allié (la France), bien par des autres pouvoirs occidentaux: en Castille, on a reçu de nombreux ambassadeurs, légats, rumeurs etc.
Hélène Millet: Autour de Télesphore de Cosenza (1386). Des précurseurs de l’histoire des antipapes et des schismes Durant les débats générés par le Grand Schisme d’Occident, les prélats firent souvent référence à l’histoire pour y trouver des exemples susceptibles d’appuyer leurs thèses. Parmi la documentation qu’ils utilisèrent à cet effet, une liste de 22 schismes – y compris «le schisme présent» – a circulé abondamment et nourri leur réflexion. Il faut y reconnaître un extrait du libelle prophétique que Télesphore de Cosenza offrit au doge de Gênes en 1386. Dans les années précédentes, deux autres religieux-historiens avaient eu des préoccupations similaires: Johannes von Hildesheim avait recensé dix «divisions» dans les années 1370–1375, et, en 1379, en réponse au roi de France Charles V qui l’avait interrogé sur la manière dont les précédents schismes avaient été résolus, Pierre Bohier avait distingué six modes résolutoires et spécifié que celui de 1378 ne relevait pas d’un concile général. Télesphore avait-il eu connaissance de ces prédécesseurs? Rien n’est moins sûr, bien qu’il ait numéroté les schismes, comme Johannes von Hildesheim, et qu’il ait assorti sa liste de commentaires, comme Pierre Bohier. Les nombreuses copies de l’ouvrage et, plus encore, de la seule liste des schismes de Télesphore de Cosenza, ont introduit des erreurs, ici repérées par comparaison entre les versions données par deux manuscrits et celle de l’édition de 1516. Les commentaires ont quant à eux été ignorés ou amendés au gré des intérêts de leurs utilisateurs. Car, sous une apparente objectivité, ils trahissent un partisan de Clément VII et préconisent une intervention du roi de France. On y lit par exemple que les empereurs et le peuple romain furent responsables de l’éviction de vingt-
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cinq «vrais papes» tandis que les rois de France – censés avoir toujours adhéré au vrai pape – en ont rétabli huit. Malgré les invectives du théologien Heinrich von Langenstein, l’œuvre de Télesphore a connu un grand succès. Tandis qu’on peut citer un exemple de réflexion sur les schismes poursuivie de façon indépendante (par l’évêque de Condom Bernard Alaman en 1393), nombreux sont ceux qui l’ont purement et simplement copié, souvent sans même le nommer. Mais leur dette est trahie par un détail qui a valeur de marque de fabrique et qu’on retrouve notamment dans la liste benoîtement fournie par Pierre d’Ailly dans son De concordia astronomice veritatis et narrationis historice (1414). Après la réduction du schisme de 1378, l’intérêt n’a pas faibli, au contraire. Le Tractatus de schismatibus de Thomas Ebendorfer (1458) et le Traicté de la différence des schismes et des conciles de l’Eglise de Jean Lemaire de Belges (publié en 1511) offrent des versions amplifiées du genre, toujours destinées à fournir des enseignements édifiants, qui témoignent à la fois du renom de Télesphore – qu’ils suivent ou critiquent – et de la profonde intrication de ce genre historique avec celui de la prophétie.
Otfried Krafft: Heiligsprechungen im Schisma. Chancen und Grenzen eines Mittels der Obödienzfestigung Päpstliche Heiligsprechungen kommen erst seit 993 vor. Für diesen Beitrag werden Fälle aus den Schismen des 12. Jahrhunderts und aus dem Großen Abendländischen Schisma berücksichtigt. Die verwirklichten Kanonisationen werden hier ebenso wie gescheiterte Verfahren daraufhin untersucht, inwieweit sie mit der Obödienzfestigung der beteiligten Päpste zusammenhängen. Dabei sind zunächst die Kanonisationen des Jahres 1131, die Innocenz II. ausführte, zu betrachten. Sie betrafen Godehard von Hildesheim und Gerhard von Brogne und fanden in Verbindung mit den Synoden von Lüttich und Reims statt, als der Papst schismabedingt im Reich erschien. Für das Schisma von 1159 sind für Alexander III. die Heiligsprechungen zweier Herrscher, Eduards des Bekenners (1161) und Knud Lavards (1169), zu nennen, die England und Dänemark an seine Obödienz banden. Davon beeinflusst war die auf der Gegenseite durch Paschalis III. 1165 delegierte Kanonisation Karls des Großen. Dieser auf Betreiben Friedrichs I. Barbarossa unternommene Vorgang war die einzige bekannte Heiligsprechung, die kraft der Autorität eines im Schisma unterlegenen Papstes ausgeführt wurde, weswegen danach zu fragen ist, wie man dieses nachträglich entstandene Problem zu lösen suchte.
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Für das Große Abendländische Schisma sind zahlreiche Kanonisationsverfahren belegt. So wurden in Avignon Prozesse über Papst Urban V. und den Kardinal Peter von Luxemburg angestrengt, während auf Seiten Roms neben der ungarischen Prinzessin Margarete vor allem englische bzw. anglo-irische Kandidaten (Thomas de la Hale, Richard FitzRalph, Eduard II.) untersucht wurden. Die Reserve der Päpste gegenüber diesen Wünschen war anfangs groß, allerdings stellte schon die Einleitung derartiger Prozesse einen Gunsterweis dar. Nur der römische Papst Bonifaz IX. vollzog zwei Heiligsprechungen, die Birgitta von Schweden (1391) und Johannes von Bridlington (1401) betrafen. Beide Fälle wurden stark vom Schisma beeinflusst, allerdings in unterschiedlicher Weise: Johannes blieb fast unbeachtet, während die Diskussion über Birgitta und die Umstände ihrer Kanonisation nach 1415 nochmals entflammte. Bonifaz IX. fand zugleich einen neuen Weg der Kultgewährung durch Ablässe, um den zahlreichen einschlägigen Wünschen seiner Anhänger gerecht zu werden. Unter ihm ist ein Faktor besonders klar zu greifen, der bereits die Kanonisationen früherer Päpste in Zeiten des Schismas kennzeichnete: Sie waren deutlich von einer kirchlichen Ausnahmesituation geprägt, die es den Petenten aus diversen Regionen Europas sichtbar erleichterte, ihr Ansinnen durchzusetzen. Schon Innocenz II. und Alexander III. begünstigten ihre Anhänger auf diese Weise, und Bonifaz IX. wiederholte dies später, mit durchaus zweifelhaftem Erfolg.
Ursula Gießmann: Die renuntiatio Felix’ V. (1449) Ob ein Papst-Prätendent von der Nachwelt als Gegenpapst eingestuft und tituliert wird, hängt oft mit dem Amtsantritt zusammen, doch ebenso wichtig erscheint das Ende eines Gegenpapstes. Der letzte in der Reihe der sogenannten Gegenpäpste, Felix V. (1439–1449), vollzog am 7. April 1449 seine Renuntiation zu Gunsten Nikolaus’ V. (1447–1455) vor der Konzilsversammlung, die ihn knapp zehn Jahre zuvor in Basel zum Papst gewählt hatte. Damit beendete Felix seinen Pontifikat und schrieb sich gewissermaßen selbst in die Liste der Gegenpäpste ein. Als Kompensation für seinen Amtsverzicht wurde er – jetzt wieder Amadeus – vom römischen Pontifex Nikolaus V. zum Kardinal und legatus a latere für seinen vormaligen Obödienzbereich erhoben, der sich weitgehend mit dem Herzogtum Savoyen deckte, dem Amadeus von 1383–1439 als Herzog vorstand. In diesem Aufsatz wird nachgezeichnet, wieso Nikolaus V. seinem Basler Fundamental-Konkurrenten soweit entgegen kam, dass dieser nach seiner renuntiatio in Savoyen bis zu seinem Tod gewissermaßen als papa in territorio suo agieren konnte. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Amadeus’ letzten Jahren, die er als
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Kardinal und Legat in Savoyen verbrachte. Zuletzt wird, ausgehend von der Bedeutung Savoyens für Felix V., die Rolle der territorialen Machtbasis für das Papsttum in der Mitte des 15. Jahrhunderts in den Blick genommen.
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Nicolangelo D’Acunto, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Università Cattolica del Sacro Cuore (Mailand–Brescia); Forschungsschwerpunkte: Regnum Italiae in ottonischer und salischer Zeit, Kirchenreform des 11. Jahrhunderts (unter besonderer Berücksichtigung des Petrus Damiani), Institutionengeschichte Assisis (10.–13. Jahrhundert). Dr. des. Ursula Gießmann (geb. Lehmann), Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte (Schwerpunkt Spätmittelalter) der Universität zu Köln; Forschungsschwerpunkte: Kirchen- und Konziliengeschichte, Hofkultur des Spätmittelalters, Materielle Kultur (Textilien und Kleidung). Prof. Dr. Klaus Herbers, Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Forschungsschwerpunkte: Papstgeschichte, Geschichte der Iberischen Halbinsel, Hagiographie, Pilgerwesen, Karolingerzeit. Dr. Brigitte Hotz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere Geschichte der RWTH Aachen University; Forschungsschwerpunkte: Avignonesisches Papsttum und Großes Abendländisches Schisma, Grabmäler und Memorialzeugnisse von Päpsten und Kardinälen, Kanzleibücher und Kanzleiregeln. Dr. HDR Armand Jamme, Directeur de recherche au CNRS (Université Lyon 2 – UMR 5648); Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Papsttums, Institutionenund Gesellschaftsvergleich zwischen Frankreich und Italien, Formen der Schriftlichkeit weltlicher Herrschaft (Korrespondenz, Rechnungswesen, Chroniken). Prof. Dr. Jochen Johrendt, Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal; Forschungsschwerpunkte: Papst- und Kirchengeschichte, Geschichte Roms und Italiens, Diplomatik. Dr. Otfried Krafft, Akademischer Rat am Institut für Mittelalterliche Geschichte der Philipps-Universität Marburg; Forschungsschwerpunkte: Papstgeschichte, Diplomatik, Hagiographie.
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Prof. Dr. Werner Maleczek, Ordinarius für Geschichte des Mittelalters und der Historischen Hilfswissenschaften an der Universität Wien und am dortigen In stitut für Österreichische Geschichtsforschung; Forschungsschwerpunkte: Hochmittelalterliche Papst- und Kurialgeschichte, Urkundenlehre, Verfassungsgeschichte, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Österreich im Spätmittelalter. Dr. Hélène Millet, Directeur de recherche émérite au CNRS (Université Paris 1 – LAMOP); Forschungsschwerpunkte: Prosopographie der spätmittelalterlichen Bistumseliten in Frankreich, Großes Abendländisches Schisma, Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Prof. Dr. Harald Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere Geschichte an der RWTH Aachen University; Forschungsschwerpunkte: Papst- und Kirchengeschichte, Renaissance-Humanismus, Rheinische Landesgeschichte. Prof. Dr. Heribert Müller, Professor i. R. für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main; Forschungsschwerpunkte: Kirchengeschichte, Geschichte des Reichs und Westeuropas im späten Mittelalter. Dr. Andreas Rehberg, Wissenschaftlicher Rat am Deutschen Historischen Institut in Rom; Forschungsschwerpunkte: Kirchen- und Sozialgeschichte der Stadt Rom im Spätmittelalter und in der Renaissance, Ordensgeschichte (Heiliggeistorden, Almosenpraxis, Multinationale Konvente). Prof. Dr. Rudolf Schieffer, Präsident i. R. der Monumenta Germaniae Historica und emeritierter Professor für Mittelalterliche Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Forschungsschwerpunkte: Frühes und Hohes Mittelalter, Quellenkunde, Texteditionen. Dr. Gerald Schwedler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte des Frühmittelalters der Universität Zürich, Leiter des internationalen und interdisziplinären Arbeitskreises „Damnatio memoriae – Deformation und Gegenkonstruktion von Erinnerung in Geschichte, Kunst und Literatur“; Forschungsschwerpunkte: Mechanismen des Vergessens und der Tilgung von Geschichte im Mittelalter, Herrschertreffen im Spätmittelalter.
Autorenverzeichnis
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Dr. Kai-Michael Sprenger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Rom; Forschungsschwerpunkte: Mittelalterrezeption (insbesondere Staufer), Italienische und südwestdeutsche Landesgeschichte, Gegenpäpste. Dr. Óscar Villarroel González, Profesor ayudante doctor, Departamento de Historia Medieval, Universidad Complutense de Madrid; Forschungsschwerpunkte: Diplomatiegeschichte, Geschichte des Königreichs Kastilien, Interaktion europäischer Mächte. Dr. Patrick Zutshi, Keeper of Manuscripts and University Archives, Cambridge University Library, and Fellow of Corpus Christi College; Forschungsschwerpunkte: Päpstliche Kanzlei und Pönitentiarie vom 13. bis 15. Jahrhundert, Geschichte der englischen Universitäten im Mittelalter.
Liste der im Band genannten Päpste Bei Papstnamen, die mehrfach mit identischer Ordinalzahl belegt wurden, dienen die in Klammern notierten Zivilnamen oder Jahreszahlen der eindeutigen Kennzeichnung des Trägers. Albert Alexander II. Alexander III. Alexander V. Alexander VI. Anaklet I. Anaklet II. Anastasius I. Anastasius III. (Anastasius Bibliothe carius) Anastasius III. [911–913] Anastasius IV. Benedikt III. Benedikt IV. Benedikt V. Benedikt VIII. Benedikt IX. Benedikt X. Benedikt XIII. (Pedro de Luna) Benedikt XIII. (Pietro Francesco Orsini) Benedikt XIV. (Bernard Garnier) Benedikt XIV. ( Jean Carrier) Benedikt XIV. (Prospero Lambertini) Benedikt XVI. Bonifaz I. Bonifaz II. Bonifaz VI. Bonifaz VII. Bonifaz VIII. Bonifaz IX. Calixt I. Calixt II. Calixt III. ( Johannes v. Struma) Christophorus Clemens II.
Clemens III. (Wibert v. Ravenna) Clemens VI. Clemens VII. (Robert v. Genf ) Clemens VII. (Giulio de’ Medici) Cölestin II. (Thebaldus Buccapeccus) Cölestin II. (Guido de Castello) Cölestin V. Cornelius Damasus I. Damasus II. Dioskur Eugen II. Eugen III. Eugen IV. Eulalius Felix II. Felix III. Felix V. Formosus Gelasius II. Gregor I. Gregor II. Gregor IV. Gregor V. Gregor VI. [1012] Gregor VI. ( Johannes Gratianus) Gregor VII. Gregor VIII. (Mauritius v. Braga, Burdinus) Gregor VIII. (Albertus de Morra) Gregor IX. Gregor XI. Gregor XII. Gregor XIII. Hadrian I.
Liste der im Band genannten Päpste
Hadrian II. Hadrian IV. Hippolyt Honorius I. Honorius II. (Cadalus v. Parma) Honorius II. (Lamberto dei Fagnani) Honorius III. Innozenz II. Innozenz III. (Lando v. Sezze) Innozenz III. (Lothar v. Segni) Innozenz VI. Johannes VII. Johannes VIII. [872-882] Johannes IX. Johannes XII. Johannes XVI. Johannes XXII. Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) Johannes XXIII. (Angelo Guiseppe Roncalli) Julius II. Konstantin II. Laurentius Leo I. Leo III. Leo IV. Leo V. Leo VII. Leo VIII. Leo IX. Leo X. Liberius Marinus I. Martin V. Nikolaus I. Nikolaus II. Nikolaus III. Nikolaus V. (Pietro Rainalducci v. Corvara)
Nikolaus V. (Tommaso Parentucelli) Novatian Paschalis I. Paschalis II. Paschalis III. Paul I. Pelagius I. Pelagius II. Philipp Pius II. Romanus Sergius I. Sergius II. Sergius III. Silvester I. Silvester III. Silvester IV. Sixtus V. Stefan II. Stefan III. Stefan V. Stefan VI. Stefan IX. Symmachus I. Theoderich Theodor I. Theodor II. Urban I. Urban II. Urban III. Urban V. Urban VI. Urban VIII. Ursinus Vigilius Viktor II. Viktor III. Viktor IV. (Oktavian v. Monticelli)
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Register der Orts- und Personennamen Im Register überwiegen deutschsprachige Namensformen, doch wird dem Sprachgebrauch der jeweiligen Beiträge möglichst Rechnung getragen. Länder oder Regionen sind in der Regel nicht verzeichnet, bei Personen nur höhere Ämter vermerkt und bei Namensvarianten lediglich entlegenere fremdsprachige Formen notiert. Mittelalterliche Personen finden sich meist unter ihrem Vornamen. Päpste stehen der jeweiligen Namensauflistung voran. Alle Konkurrenten um das römische Bischofsamt tragen den Zusatz ‚Papst‘. Aachen 369–371, 416, 421 Abbadia San Salvatore 265 Acerbus Morena 214 Acerenza, Ebf. v. → Bartolomeo Prignano Adalbert, Ebf. v. Bremen 151 Adalbert, Mgf. v. Tuszien 60 Adam Easton, Kard. 380, 386 Admont, Abt v. 183 Aegidius, Kard.bf. v. Tuskulum 144, 147, 159 Agapito Colonna, Bf. v. Lissabon 307 Aginulf → Silvester IV. Agnes, Ks.in 74 Aix-en-Provence 307 Alamán de Pisa, Gesandter 332 Alanus ab Insulis 173 Albano 79 –, Kard.bf. v. 60f., 68, 194, 209 Albert, Papst 80, 82, 114, 121, 140, 343, 349 Albertus Coffes 247 Alcor, Archidiak. v. → Johannes Remigii de Guzman Alexander II., Papst 75f., 82, 137–140, 349 Alexander III., Papst 16, 27, 33f., 44, 47, 101, 123, 127–129, 165, 167f., 174–204, 221f., 341, 346, 350, 366–371, 385, 415–418 Alexander V., Papst 338, 421 Alexander VI., Papst 421
Alexander, Bf. v. Lüttich 365 Alfons V., Kg. v. Aragón 333 Alfonso de Alcocer, Gesandter 324 Alfonso de Ejea, Gesandter 323f. Alfonso Enríquez, Almirante v. Kastilien 325 Alfonso Pecha, Bf. v. Jaén 234f., 344, 380 Alfonso Rodriguez, Gesandter 320, 322, 324, 326f. Altmann, Bf. v. Passau 29 Álvaro de Isorna, Gesandter 320 Álvaro Martínez de Isorna, Bischof v. León 325 Alvaro Martinez, Zeuge 266 Alvarus Gundisalvi, Kanon. v. Córdoba 255 Amadeus VIII., Hzg. v. Savoyen → Felix V., Papst Amadeus IX., Hzg. v. Savoyen 398 Amalfi, Ebf. v. 160 Amatus, Bf. v. Oloron 147 Anagni 177, 183, 185, 187, 191, 202, 241, 247, 249, 267, 291, 294, 305, 310–313 Anaklet I., Papst 137 Anaklet II., Papst 10, 18, 25, 31–33, 35f., 41f., 44–47, 127f., 131–163, 193, 197, 216f., 221, 341, 349, 416 Anastasius I., Papst 137 Anastasius III. (Anastasius Bibliothecarius), Papst 55, 59–61, 66, 68–70, 223–225 Anastasius III. [911–913], Papst 156
Register der Orts- und Personennamen
Anastasius IV., Papst 137, 185 Anastasius Bibliothecarius → Anastasius III., Papst Anchin, Kl. 176f. Ancona, Mark 265, 270, 273, 278, 284 Andrea Bontempi, Bf. v. Perugia 275 Andrea di Tici, Händler 305, 307 Andreas v. Regensburg 360 Angelo Correr → Gregor XII., Papst Angelo di Spoleto, Franziskaner-Generalminister 251 Anglic Grimoard, Kard.bf. v. Albano 308 Anjou, Hzg. v. → Louis Anna (v. Böhmen/Luxemburg), Kg.in v. England 387 Anna, Prinzessin v. Zypern 395 Anno II., Ebf. v. Köln 76 Anselm, Ebf. v. Canterbury 367 Antonio Adorno, Doge v. Venedig 345 Antonio d’Augusta, Kanon. v. S. Giovanni in Laterano 254 Antonio Baldana 425 Antonio v. Vetoli, Bf. v. Fermo 251, 258 Aosta 405 Aragón, König v. 234f., 248, 286, 319, 326, 328f., 332f. → Alfons V., Ferdinand I., Martin I., Peter IV. Arcidoso 265 Ardea 64 Arezzo 74, 265 Arius 26, 28 Arnaldus de Moleriis, Sekretär 303 Arnold v. Brescia 124 Arnulf, Bf. v. Lisieux 50, 123, 196f. Arnulf (v. Kärnten), Ks. 95 Arras, Bf. v. 189 Arras, Stadtbibl. 186 Arsenius, Bf. v. Orte 60 Arvières, Prior 180 Assisi 265 Auch, Ebf. v. 198 Augsburg, Synode 76 –, Bf. → Hermann Augustinus, Kirchenvater 30, 171f., 356
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Augustus, Ks. 105 Autun, Bf. v. 198 Auxerre, Bf. v. 198 Auxilius v. Neapel 63, 65 Aversa 328 Aversa, Kl. 80 Avignon 13, 220, 234, 242, 244, 247, 250f., 254, 266, 279, 287f., 293–299, 302f., 305, 307–309, 312, 320, 322f., 326f., 330, 334, 373f., 379–381, 386, 417 –, Btm. 245 –, Cölestinerkl. 45, 375 –, Departementalarchiv 238, 288, 298 –, Papstpalast 304 Aymerico Sagaud, Bf. v. Mondovi, Kanzler Felix’ V. 404 Babylon 248 Balduin III., Kg. v. Jerusalem 192 Bamberg, Bf. v. 71, → Eberhard Barcelona 234f., 323 –, Kronarchiv 238 Bari, Ebf. v. 297, → Bartolomeo Prignano Barnucii, Familie 115 Bartholomäus Francisci, Sekretär, Kanzleiregens 291 Bartholomäus v. Lucca 346, 350, 357f. Bartholomäus Uliario, Kard.pr. v. S. Pudenziana 387 Bartolomeo de Zabriciis, Bf. v. Recanati 258 Bartolomeo Prignano → Urban VI., Papst Basel 75, 358, 391, 394, 399, 409 –, Btm. 405 –, Konzil 10, 28, 42f. 359, 384, 391, 393f. 397–401, 409, 419f. –, Rat 399 Bayeux, Bf. v. 198 Bazas, Kanon. v. → Johannes Lemosini Beauvais, Synode (1160) 192, 196, 203 Benedikt III., Papst 55, 59–61, 66, 68f., 223–225 Benedikt IV., Papst 62, 64 Benedikt V., Papst 13, 343, 349f. Benedikt VIII., Papst 349 Benedikt IX., Papst 13, 73f., 343, 349
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Register der Orts- und Personennamen
Benedikt X., Papst 13, 74f., 249, 343 Benedikt XIII. (Pedro de Luna), Papst 13, 49, 68, 235, 249, 255, 257, 318, 320f., 323–331, 333f., 375, 386, 401, 417 Benedikt XIII. (Pietro Francesco Orsini), Papst 13 Benedikt XIV. (Bernard Garnier), Papst 13 Benedikt XIV. ( Jean Carrier), Papst 13 Benedikt XIV. (Prospero Lambertini), Papst 13 Benedikt XVI., Papst 13 Benedikt v. Nursia 13 Benedikt, Bruder Sergius’ II. 67 Benedikt, Pr. 89 Benevent 160 Benzo v. Alba 86, 88f. Bern 215, 399, 401 Bernabò Visconti, Fs. v. Mailand 266 Bernard Alaman, Bf. v. Condom u. Gascogne 355–357, 421 Bernard Gui 222 Bernard de La Sale, Truppenführer 265, 312 Bernardus Lunensis, kgl. Kaplan 88 Bernhard, Abt v. Clairvaux 31, 45, 133, 135f., 141, 144f., 148f., 153, 158, 162, 247, 413 Bernhard, Bf. v. Hildesheim 364 Bernhard, päpstl. Kaplan 147 Bernhard v. Verona 60 Berry, Hzg. v. → Johann I. Bertha (v. Turin), Ks.in. 78, 94 Bertrand Lagier, Kard.bf. v. Ostia 247, 266, 277, 310 Besançon 189 Bin Laden, Osama 44 Birgitta v. Schweden, hl. 234f., 379–386 Boethius 172f. Bologna 182, 217, 258, 354, 394 –, Bf. v. 182 –, Btm. 87 –, Kapitulararchiv 217 Bonifacio, Gesandter 332 Bonifacio Ammannati, Kard. 255, 258 Bonifaz I., Papst 341, 343, 348, 350
Bonifaz II., Papst 343, 416 Bonifaz VI., Papst 62 Bonifaz VII., Papst 113, 218 Bonifaz VIII., Papst 143, 218, 240, 250f., 266 Bonifaz IX., Papst 279, 304, 377–387 Bonifaz, Mgf. v. Tuszien 73 Bonizo, Bf. v. Sutri 77, 85 Bonne de Bourbon 395 Bonvesin de la Riva 86 Bordeaux, Ebf. v. → Élie de Salignac, Johannes de Breiduno Bordeaux, Ebtm. v. 310 Boso, Kard.pr. v. S. Pudenziana 127–129, 146, 176f., 181f., 190, 196, 198f., 204 Botho v. Prüfening 166 Boulogne 188 Bourges 184, 398 –, Ebf. v. 198 Bozouls, Kirche v. 188 Brancacci, Familie 291f. –, Niccolò, Kard., Ebf. v. Cosenza, 292, 299 Brescia 86f. Bridlington, Kl. 387 –, Prior v. 383 Brixen 77 Bruno, Ebf. v. Straßburg 151 Burdinus → Gregor VIII., Papst Byzanz 58, 79, 415 Cadalus, Bf. v. Parma → Honorius II., Papst Caetani, Familie 278 Cahors, Bf. v. 198 Calixt I., Papst 213f., 416 Calixt II., Papst 16, 24, 26, 29, 81f., 116, 131, 136f., 139–141, 152f., 155 Calixt III. ( Johannes v. Struma), Papst 27, 34, 38, 41, 45f., 165, 167, 176, 201, 221, 341, 350 Cambrai, Btm. 196 Cambridge, St John’s College 303 Camerino 270, 273, 278, 283 –, Bf. v. 93 –, Btm. 93 Canossa 76
Register der Orts- und Personennamen
Canterbury, Ebf. v. 192, 199f. Capua, Ebf. v. 160f. Carlo Malatesta, Prokurator Gregors XII. 393 Carpentras, Bf. v. → Pierre Laplotte Cassius Dio 107 Catalina (de Lancáster), Kg.in v. Kastilien 319, 325, 330, 332f. Cellanova, Kl. 210 Cerveteri, Bf. v. 63 Cesena 272 Cetona 265 Chalôns-en-Champagne, Bf. v. 188 –, Btm. 189 Chambéry 405 Charles → Karl Chartres 145 –, Bf. v. 198 –, Btm. 27 –, Elekt v. 186 Châteauroux 184 Chichester, Bf. v. 188, 366 Christian v. Buch, Ebf. v. Mainz 42, 221 Christophorus, Papst 62–65, 218, 343, 348 Christophorus, Heerführer 60 Christophorus, Primicerius 56f., 209f. Chur, Btm. 400 Cicero 114 Cisterna Neronis 47 Cîteaux, Abt v. 201 Città di Castello 265 Civita Castellana 44, 79, 97f., 100, 102f., 111, 114f., 122 –, Kathedrale 103 Clairvaux, Abt v. 201, → Bernhard, Fastrad Clemens II., Papst 71–73, 79, 341, 349, 353 Clemens III. (Wibert, Ebf. v. Ravenna), Papst 10, 18, 28f., 33, 35, 41, 44–46, 77–80, 82–104, 106, 110f., 114f., 120– 124, 140, 214, 217, 341, 349, 418 Clemens VI., Papst 287 Clemens VII. (Robert v. Genf ), Papst 51, 232, 245, 251–253, 255, 257f., 262, 264, 268–275, 278–279, 281–283, 285–296,
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298–306, 309–311, 320f., 329f., 340, 352, 373–375, 384f., 414f., 417, 425 Clemens VII. (Giulio de’ Medici), Papst 384 Cluny, Kl. 26, 40, 81, 136, 202f. –, Abt v. → Hugo, Petrus, Stefan Cola di Rienzo 250, 252 Cölestin II. (Thebaldus Buccapeccus), Papst 127, 140, 343 Cölestin II. (Guido de Castello), Papst 158, 343 Cölestin V., Papst 392, 403 Colonna, Familie 254, → Agapito, Landolfo Compostella, Thesaur. v. → Thomas Gundisalvi Corbie, Kl. 69, 189 Córdoba, Bf. v. → Menendus –, Kanon. v. → Alvarus Gundisalvi Cornelius, Papst 348, 357 Corsi, Familie 115, 124, → Stefan Cortona 272 Cosenza 345 –, Ebf. v. 346f., 358, → Brancacci, Niccolò Crema 195 Cremona 184, 187 –, Btm. 88 Crescentier, Familie 74, 116, 415 Cristóforo Franchon, Gesandter 330 Cristoforo da Piacenza, Gesandter 275, 291 Cuenca, Bf. v. 322 Cusentinus → Cosenza, Ebf. Cyprian, Bf. v. Karthago 23 Damasus I., Papst 343, 348 Damasus II., Papst 73 Daniel, Ebf. v. Prag 191 Daniel, Heerführer 58f. Dante Alighieri 250 Demetrius, Kard.pr. v. SS. Quatro Coronati 376 Déols 184, 198 Desiderius, Kg. d. Langobarden 209 Diego Bedán de Mayorga, Gesandter 326 Diego López de Estúñiga, Gesandter 324
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Register der Orts- und Personennamen
Dietrich v. Niem, Abbreviator 50, 291f., 294 Diokletian, Ks. 28 Dioskur, Papst 207, 343, 348, 350f. Disibodenberg, Kl. 95, 97, 101 Domitian, Ks. 108, 124 Donatello 418 Dorothea v. Montau 377, 383 Dover 383 Dundalk 377 Eberbach, Kl. 203 Eberhard, Bf. v. Bamberg 201 Eberhard, Bf. v. Konstanz 372 Eberhard, Ebf. v. Salzburg 33, 178, 180, 183, 185 Eduard I. (d. Bekenner, hl.), Kg. v. England 366f., 369 Eduard II., Kg. v. England 377, 383 Egidius Iuvenis, Sekretär 303 Egmund, Kl. 166 Eichstätt, Btm. 166 Ekbert v. Schönau 166 Ekkehard v. Aura 95, 102 Elagabal, Ks. 113 Eleutherius 66 Élie de Salignac, Ebf. v. Bordeaux 310 Elisabeth v. Schönau 166 Elisabeth, Kg.in v. Ungarn 376 Elne, Btm. 248 Enea Silvio Piccolomini → Pius II., Papst England, Kg. v. 317, 319, 322, 334, → Eduard, Heinrich Énnec de Vallterra, Bf. v. Segorve 244, 250, 290 Enrique → Heinrich Ernst, Max 53, 428 Eskil, Ebf. v. Lund 368f. Étampes, Synode (1130) 145 Eugen II., Papst 348 Eugen III., Papst 155, 163, 176, 182, 247 Eugen IV., Papst 394, 420 Eulalius (Gilalius), Papst 341, 343, 348, 350 Eusebius, Kirchenvater 346 Evian 396, 404f.
Évreux, Bf. v. 198 Ezzelin v. Romano 94 Fabriano 270, 272 –, Stadtarchiv 270 Fadrique de Trastámara, Gesandter 325 Faenza, Bf. v. 238 Falco v. Benevent 176 Farfa, Kl. 90–92, 184, 194, 418 –, Abt v. 91 Fastrad, Abt v. Clairvaux 203 Faustinus 109 Felipe de Malla, Gesandter 333 Felix II., Papst 214, 341, 343, 348 Felix III., Papst 416 Felix V., Papst 10f., 18f., 28, 43, 46f., 205, 207, 215, 223, 226, 215, 338, 359f., 391–410, 413f., 420, Ferdinand I., Kg. v. Aragón u. Regent v. Kastilien 318f., 323, 325, 328, 331 Ferdinand I., Kg. v. Portugal 289 Fermo 273 –, Bf. v. 93, → Antonio Vetoli Fernando → Ferdinand Fernando de Illescas, Gesandter 323, 329 Fernando Martini, Notar 238f. Fernando Perez 265 Fernandus Petri, Dekan v. Tarazona 252, 290 Ferrara 44, 101, 162 Filippo Crispi, Bf. v. Squillace u. Messina 387 Flandern, Gf. v. 294 Flandrin → Pierre Flandrin, Kard. Flône, Kl. 187 Florennes, Kl. 187 Florenz 74, 121, 251, 253, 263, 265, 275 –, Kard. v. → Pietro Corsini –, Staatsarchiv 265 Foligno 278 Fondi 232, 253, 268–270, 274, 276, 281– 284, 288, 292, 301 Formosus, Papst 61–63, 95, 109–111, 122, 124, 219f., 341 Francesc Climent, Gesandter 324, 331
Register der Orts- und Personennamen
Francesco Casini 274–275 Francesco Guidalotti 279 Francesco Petrarca 250 Francesco Pizolpasso 28 Francesco Sforza, Hzg. v. Mailand 406 Francesco Sinclenis de Pavia, Gesandter 330 Francesco Tebaldeschi, Kard. 255, 269 Francesco Tortello 309 Francesco Uguccione, Legat Urbans VI. 329 Franciscus Moricotti Prignani, Kard. 387 François de Metz, Bf. v. Genf 396 Frangipani, Familie 27, 81, 130, 146, 150, 161, 174, 415 Frankreich, Kg. v. 240, 309, 313, 317, 319f., 325, 332f., 344, 352, 355, → Karl V.-VII., Ludwig VI.-VII., XII., Philipp VI. Fribourg 401 Friedrich I., Ks. 40–42, 52, 128f., 165, 167, 174f., 177–182, 184, 189f., 193–195, 197, 200–203, 346, 369–371, 415, 419 Friedrich II., Ks. 346f. Friedrich III., Ks. 339, 399 Friedrich II., Kg. v. Preußen 168 Friedrich v. Lothringen, Abt v. Montecassino → Stefan IX., Papst Fruttuaria, Kl. 408 Fulda, Bibl. 86 Gaeta 81, 195 Garsias Martini, Elekt v. Orense 287 Gaufried, Bf. v. Chartres 148, 159 Gelasius II., Papst 26, 81, 116, 137f., 140f., 152, 341, 349 Genf 291, 344, 396–398, 400, 404–407 –, Bf. v. → Johannes Ludwig, François de Metz, Peter –, Btm. 396, 400, 406f. 409 –, Dominikaner 287 –, Plainpalais, Kl. 396, 405 –, Quarto, Kl. 344 Genua 178, 184, 188, 253, 292 –, Ebf. v. 182 –, Ebtm. 128 Georg, Bf. v. Palestrina 209 Geraldus de Thorono (Torondo) 307
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Gerard Pucelle, Bf. v. Coventry 175 Gerhard, Abt v. Brogne 365 Gerhard, Bf. v. Angoulême 31f., 144, 147, 149, 159, 197 Gerhard, Bf. v. Florenz → Nikolaus II., Papst Gerhard, Kard.pr. v. S. Croce in Gerusalemme 131 Gerhard, Magister 25 Gerhoch v. Reichersberg 181, 196 Gilbert Foliot, Bf. v. Hereford u. London 202, 366 Gilbert Porreta, Philosoph 163 Gilles Bellemere, Kanzleiregens 292f., 299, 301 Gilo → Aegidius Giordano Orsini, Gesandter 332 Giovanni Battista 120 Girard, Gf. v. Galiera 74f. Gislerius, Abt v. S. Saviani di Rombona 93 Gloucester 377 Gnesen, Ebtm. 165 Godehard, Bf. v. Hildesheim 363f. Gottfried, Abt v. Vendôme 31 Gottfried, Bf. v. Perugia 87 Gottfried III. (d. Bärtige), Hzg. v. Oberlothringen, Mgf. v. Tuszien 74, 76 Gottfried, Gf. v. Namur 365 Gottfried v. Viterbo 119f., 122, 341 Grado, Patriarch v. 185 Gran 376 Gratian, Kanonist 23, 52 Gratian, superista, magister militum 58–60 Gratiosus, Chartular 210 Graz, Kammergericht 399 Gregor I, Papst 200, 137, 144, 218f., 226 Gregor II., Papst 348 Gregor IV., Papst 348 Gregor V., Papst 341, 349f. Gregor VI. [1012], Papst 349 Gregor VI. ( Johannes Gratianus), Papst 71, 73, 341, 349, 353 Gregor VII., Papst 29, 33, 71f., 75–78, 82f., 85, 89, 137, 140–142, 217, 341, 349
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Register der Orts- und Personennamen
Gregor VIII. (Mauritius, Ebf. v. Braga, Burdinus), Papst 16, 24–26, 29, 33, 44, 81f., 113, 140f., 341, 349, 418 Gregor VIII. (Albertus de Morra), Papst 44, 101, 161f., 215 Gregor IX., Papst 116, 200, 372 Gregor XI., Papst 238, 244, 252, 263–265, 272, 276, 278, 286–288, 293, 295, 298– 304, 308, 340, 344, 379 Gregor XII., Papst 383f., 393, 409 Gregor XIII., Papst 214 Gregor, Gf. v. Tuskulum 74 Gregor, Heerführer 60 Gregor v. Catino, Mönch in Farfa 91f. Gregor Papareschi, Kard.diak. v. S. Angelo → Innozenz II., Papst Großer St. Bernhard 405 Guadalajara → Lupiana Gubbio 60 Guibert → Wibert Guido Chiavelli 272 Guido v. Crema, Kard.pr. v. S. Maria in Trastevere → Paschalis III., Papst Guido v. Ferrara 85 Guillaume d’Aigrefeuille, Kard.pr. v. S. Stefano in Celio Monte 287, 294, 308, 310–312 Guillaume Noëllet, Kard. 247 Guillaume de Nogaret 250 Guillem Morer 248 Gunther v. Pairis 27 Gunther, Eremit 378 Guy de Malesset, Kard.pr. v. S. Croce in Gerusalemme 313 Guyenne, Hzg. v. 331 Hadrian I., Papst 57 Hadrian II., Papst 66, 225 Hadrian IV., Papst 182, 185, 187, 189, 191, 193 Hadrian, Pr. 60 Haimerich, Kard.diak. v. S. Maria Nova, päpstl. Kanzler 10, 42, 136, 139, 144, 154f., 366 Hariulf, Abt v. Oudenburg 152
Hatto, Ebf. v. Mainz 64 Heilbronn 166 Heinrich III., Ks. 71–73, 76, 82, 88, 92, 353, 414 Heinrich IV., Ks. 29, 33, 75–79, 82, 85, 87, 89–92, 94, 99, 121f., 124 Heinrich V., Ks. 25f., 80–82, 88, 112, 140, 413 Heinrich I., Kg. v. England 128, 145, 150 Heinrich II., Kg. v. England 182, 192, 196–201, 367, 370 Heinrich II., Kg. v. Kastilien 266, 315, 318, 327 Heinrich III., Kg. v. Kastilien 315f., 318, 320–324, 326f. 331, 333f. Heinrich, Bf. v. Beauvais, Ebf. v. Reims 183, 185–188, 196 Heinrich, Legat 366 Heinrich, Propst v. Berchtesgaden 33 Heinrich v. Langenstein 50, 340, 344, 354f., 359–361, 385 Helena v. Skövde 367 Helinand v. Froidmont 34, 48 Helmold v. Bosau 167 Herculaneum 345 Hereford, Bf. v. 188 Hermann v. Vohburg, Bf. v. Augsburg 37 Hermann, Bf. v. Passau 29 Hermann, Bf. v. Verden 191 Heß, Rudolf 44 Heylissem, Kl. 187 Hieronymus, Kirchenvater 355 Hildebert v. Lavardin, Ebf. v. Tours 133, 153, 246 Hildegard v. Bingen 341, 358f. Hildesheim 363f. Hillin, Ebf. v. Trier 166 Hippolyt, Papst 205, 207, 213, 416 Hitler, Adolf 412 Honorius I., Papst 415 Honorius II. (Cadalus v. Parma), Papst 75f. 82, 88, 140, 349
Register der Orts- und Personennamen
Honorius II. (Lamberto dei Fagnani), Papst 25, 127, 132, 139f., 145, 152, 154f., 160, 341, 343, 354 Honorius III., Papst 185 Hugo, Ebf. v. Lyon 147 Hugo, Bf. v. Grenoble 365 Hugo Candidus, Kard.pr. v. S. Clemente 77 Hugo Cantor 24f. Hugo v. Champfleury, Bf. v. Soissons 197 Hugo v. St-Cher, Kard.pr. v. S. Sabina 371 Hugo III. v. Fraisans, Abt v. Cluny 40, 131, 202f. Hugo, Stadtpräfekt v. Rom 134 Hugues de Montalais, Kard. 254 Humbertus de Chissé 407 Iacinthus, Kard.diak. v. S. Maria in Cosmedin 193 Iacobus de Caturcho → Johannes XXII. Iacobus de Teramo, Registrator 298 Imar, Kard.bf. v. Tuskulum 193, 202 Iñigo v. Oña 367 Innozenz II., Papst 10, 25, 31f., 36, 42, 45, 47, 127–129, 131–137, 139, 142–163, 176, 197, 217, 349, 363–366, 385, 416f. Innozenz III. (Lando v. Sezze), Papst 27, 41, 165, 176, 219, 341, 350 Innozenz III. (Lothar v. Segni), Papst 116, 152, 154 Innozenz VI., Papst 286, 302f., 308 Italien, Kg. v. 342 Ivrea 405 Jacobus Palladini v. Teramo 389 Jacobus Palucii 254 Jacques Coeur, Kaufmann 402 Jacques Juvénal des Ursins 397 Jaén, Bf. v. → Alfonso Pecha Jakob v. Bevagna 378 Jakob Foresti 360 Jan Hus 104 Jean Colun 245 Jean de Cros, Kard. v. Limoges, Pönitentiar 241, 287, 291, 313 Jean de Grolée 398 Jean Gerson 344, 419
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Jean Lemaire des Belges 359f., 421 Jean Roger, Ebf. v. Narbonne 309 Jean de Roquetaille 341 Joachim v. Fiore 358f. Johann I., Kg. v. Kastilien 286, 316, 318, 320f. 328, 332 Johann II. Kg. v. Kastilien 315f. 318, 326, 331 Johann I., Hzg. v. Berry 309 Johann III., Gf. v. Armagnac 381 Johann v. Hexham 182 Johann v. Hildesheim 339–341, 421 Johanna I., Kg.in v. Neapel 300f., 373 Johanna, fiktive Päpstin 53 Johannes VII., Papst 137 Johannes VIII. [872–882], Papst 66 Johannes IX., Papst 62–64, 110, 343 Johannes XII., Papst 349 Johannes XVI., Papst 21, 113, 341, 349f. Johannes XXII., Papst 38, 45, 220, 251, 298, 346, 350f., 362, 373, 378, 389, 427 Johannes XXIII. (Baldassare Cossa), Papst 338, 384, 403, 408, 418, 421 Johannes XXIII. (Angelo Guiseppe Roncalli), Papst 421 Johannes, Abt v. S. Isidoro in Sevilla 247 Johannes, Bf. v. Piacenza → Johannes XVI., Papst Johannes, Bf. v. Velletri → Benedikt X., Papst Johannes, Bf. v. Civita Castellana 95, 100 Johannes, Ebf. v. Amalfi 161 Johannes, Prior v. Bridlington 377, 379, 382, 385–387 Johannes, Pr. 60, 63 Johannes de Breiduno, Ebf. v. Bordeaux 310 Johannes Embrini, Registrator 298 Johannes Lemosini, Kanon. v. Bazas 251 Johannes Ludwig v. Savoyen, Bf. v. Genf 408 Johannes de Porta, Ebf. v. Amalfi 160f. Johannes Rebocherii, Gesandter 291 Johannes Remigii de Guzman, Archidiak. v. Alcor 239 Johannes v. Salisbury, Bf. v. Chartres 175 Johannes v. Struma → Calixt III., Papst
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Register der Orts- und Personennamen
Johannes v. Thwing → Johannes, Prior v. Bridlington Joscelin, Bf. von Soissons 148 Juan → Johann Juan Ánglico, Gesandter 330 Juan de Cervantes, Gesandter 325 Juan González de Acevedo 325 Juan Gutierrez, Ebf. v. Dax 332 Juan de Illescas, Gesandter 320, 326 Juan Sanchez 266 Juan de Tordesillas, Bf. v. Segovia 325 Juan de Torquemada 413 Julius II., Papst 359, 409 Julius Caesar 245 Karl (der Große), Ks. 343, 351f., 369–372, 385, 416 Karl IV., Ks. 267, 288 Karl V., Kg. v. Frankreich 276, 289, 327, 338, 341f., 344, 355, 373 Karl VI., Kg. v. Frankreich 322, 328, 331, 338, 355f., 373 Karl VII., Kg. v. Frankreich 395, 397–399 Karl III. v. Durazzo, Kg. v. Neapel 289, 291 Kastilien 315–335 Kastilien, Kg. v. 234, 238, 269, 285f., 318f. 324, 332, → Johann I.-II., Heinrich II.III., Ferdinand I., Peter I. Katharina → Catalina Katharina v. Siena, hl. 282, 384 Katharina, Tochter Birgittas v. Schweden 379 Knud VI., Kg. v. Dänemark 368f. Knut Lavard, hl. 368f., 371 Köln 166, 354 –, Ebf. v. 189, → Anno, Philipp, Rainald Konrad I., Ebf. v. Mainz 221 Konrad Heinrich v. Wesel, Gesandter 266, 288f. Konstantin I., Ks. 107, 352 Konstantin II., Papst 34f., 57f., 67, 208– 213, 220, 343, 348, 357 Konstanz, Btm. 400 –, Konzil v. 52, 324f., 330, 353, 358, 384, 393f.
Konstanze, Kg.in v. Frankreich 183 Kunersdorf 169 La Cava, Kl. 80, 82 Lancaster, Hzg. v. 318, 320, 332 Lando v. Sezze → Innozenz III., Papst Landolfo Colonna 346, 350 Langobarden, Kg. d. 57 Lanslebourg 405 Lariano, Burg 311 Latina 182 Laurentius, Papst 226, 341, 343, 348, 351 Laurentius, Prior v. Westminster 366 Lausanne 391, 396f., 399f., 403–405 –, Btm. 400f. Lazarus II., fiktiver Bf. v. Luni 88 Le Mans 32, 301 –, Bf. v. 188 Legnano, Schlacht v. 202 Leo Britigena, fiktiver Papst 64 Leo I., Papst 137 Leo III., Papst 65 Leo IV., Papst 58–61, 66, 224f. Leo V., Papst 62, 64f., 348 Leo VII., Papst 343 Leo VIII., Papst 207, 343, 348–350 Leo IX., Papst 72, 74, 138, 354 Leo X., Papst 86 Leonello d’Este, Hzg. v. Modena 347, 350, 353, 426f. Liberius, Papst 214, 341, 343, 348 Lichfield 377 Lichtenberger 360 Limoges, Kard. v. → Jean de Cros Limoges, Bf. v. 32 Lincoln, Btm. 188 Lissabon, Bf. v. → Agapito Colonna, Martin Lobbes 166 Lodi 184, 406 London, 192, 196 Lorenzo Galindez de Carvajal 326 Lorenzo Sanguini 257 Lothar III., Ks. 128, 130–136, 145f., 148f., 364 Louis I., Hzg. v. Anjou 309, 344, 373
Register der Orts- und Personennamen
Louis III., Hzg. v. Anjou 395 Lucca 44, 101, 184, 214 –, Kathedrale 101 Lucius Aelius Sejanus 107, 113, 124 Ludovico Agnello Anastasio, Ebf. v. Sorrent 18, 208, 411 Ludovico de’ Casali, Bf. v. Pozzuoli 272, 282f. Ludovicus 104 Ludwig II., Ks. 58–61, 68, 224 Ludwig IV. (d. Bayer), Ks. 23, 33, 38, 125, 251, 346f., 350, 421 Ludwig I., Kg. v. Ungarn 376 Ludwig VI., Kg. v. Frankreich 128, 145 Ludwig VII., Kg. v. Frankreich 179f., 182, 185, 196, 198–201 Ludwig XII., Kg. v. Frankreich 359f. Ludwig, Hzg. v. Anjou → Louis Ludwig, Hzg. v. Savoyen 397f., 408 Ludwig Aleman, Kard. 398f. Luitpold, Hzg. v. Bayern 29 Luni, Bf. v. 87f. –, Kathedrale 87 Lupiana (Guadalajara), S. Bartolomé → Petrus Cordubensis Lüttich 145, 153 –, Archidiak. v. 187 –, Bf. v. 187 –, Btm. 166 –, Synode (1131) 364, 367f. Luzzi 345 Lyon 354, 396–398, 400 Macerata 273 Magdeburg, Centuriatoren 421 Maginulf v. S. Angelo, Erzpr. → Silvester IV., Papst Maguelonne, Bf. v. 198 Mailand 86, 128, 146, 150, 200, 401, 406 –, Kirche v. 146 Mainz 77, 95 –, Ebf. v. 182, → Christian, Hatto, Konrad –, Ebtm. 221 Mantua 264, 291 –, Synode (1064) 76
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Manuel I. Komnenos, Ks. 192 Marcus Fernandi, Abt v. La Banza (Vanza) in Palencia 246, 250 Margarethe v. S. Severino, hl. 378 Margarethe, Prinzessin v. Ungarn 376 Margery Kempe, Mystikerin 383 Maria v. Burgund, Hzg.in v. Savoyen 395 Marinus I., Papst 63 Mark Aurel, Ks. 113 Marseille, St-Victor 188, 373 Martin V., Papst 325, 359, 384f., 393f., 425 Martin de Zalva, Bf. v. Pamplona, Kard. 235, 238, 286, 294, 305f., 357 Martin, Bf. v. Lissabon 289 Martin I., Kg. v. Aragón 328, 333 Martin Le Franc, Sekretär Felix’ V. 398 Martin Sánchez de Castrojeriz, Gesandter 326 Martin v. Troppau 165, 341, 358 Mathaeus Clementis, Gesandter 234 Matthäus v. Krakau 419 Mathäus v. Paris 159 Mathilde, Mgf.in. v. Tuszien 29 Mauritius, Ebf. v. Braga, gen. Burdinus → Gregor VIII., Papst Mausianus, Subdiak. 210 Maxentius, Ks. 107f. Medina del Campo 234f., 238f., 245, 247, 253, 255, 265, 286, 305f., 329 Melfi 75 Menendus, Bf. v. Córdoba 246, 258 Mercurius, Heerführer 60 Merseburg, Kathedrale 99 Messina 195 Milo, Bf. v. Padua 94 Modena, Bibl. Estense 347–350, 426f. Mohammed 28, 221 Moncalieri, Familie 405 Mondoñedo, Bf. v. 327 Monoegealdus → Silvester IV. Mont Cenis 405 Montebello 202 Montecassino, Kl. 147 –, Abt v. → Pietro Tartari
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Register der Orts- und Personennamen
Montesanto 273 Monteverde, Familie 274, 283 –, Rinaldo di 273, 283 Montpellier 184, 188, 198, 310 Morella 325 München 85 Nantua, Kl. 408 Napoleone Orsini 125 Narbonne, Ebf. v. 198, → Jean Roger Navarra 329 Nazareth 192 Neapel 80, 243, 264, 278, 291, 301, 345 376, 379, 381, 386 Neapel, Kg. v. → Karl III. v. Durazzo Neapel, Kg.in v. → Johanna I. Nero, Ks. 28, 116–122, 124 Neufmarché 192, 196 Nevers, Bf. v. 198 Nicod Festi, Mitarbeiter Felix’ V. 407 Nicolas de Clamanges 419 Nicolas le Diseur, Sekretär 303 Nicolas Lamy, Mitarbeiter Felix’ V. 398, 407 Nicolaus de Benevento, Registrator 297f., 388 Nicolaus Misquinus, Kard. 234 Nikolaus I., Papst 59, 225 Nikolaus II., Papst 74f., 93, 134, 138, 177, 214f., 343 Nikolaus III., Papst 165 Nikolaus V. (Pietro Rainalducci v. Corvara), Papst 10, 23, 33f., 38, 44f., 125, 220, 222, 251, 346f., 350f., 362, 421, 427 Nikolaus V. (Tommaso Parentucelli), Papst 391f., 396–398, 400–402, 404, 407f. Nikolaus, Bf. v. Anagni 60 Nikolaus, Bf. v. Myra 137, 138 Nikolaus Eymerich, Inquisitor 290 Nikolaus v. Tolentino 378 Nîmes, Bf. v. 198 Ninfa 182, 190, 195 Nocera 289, 291f. Norbert v. Xanten, Ebf. v. Magdeburg 144, 162, 364
Novatian, Papst 348, 357 Noyon, Domkap.189 Numana, Bf. v. 93 Odo v. Deuil, Abt v. St-Denis 182 Oktavian v. Monticelli → Viktor IV., Papst Omnibonus, Bf. v. Verona 203 Onorato Caetani 253 Opizo v. Asti, Bf. v. Cosenza 347 Opizo, Bf. v. Rimini 89f. Ordericus Vitalis 27, 32 Orense, Elekt v. → Garsias Martini Orgo 309 Orléans 145 Orsini, Familie 254, 278 → Giordano Napoleone, Rinaldo Orvieto 276, 280 –, Staatsarchiv 265, 280 Osbert v. Clare, Prior v. Westminster 366 Osimo 80, 270f., 276, 281 –, Stadtarchiv 281 Osmund, Bf. v. Salisbury 383 Ostia(-Velletri), Kard.bf. v. 61f., 68, 194, 310, 324, 371f., → Bertrand Lagier Otto I., Ks. 73, Otto III., Ks. 21, 73, 370 Otto, Bf. v. Freising 33, 174 Otto, Legat 366 Ottonen 351f. Oviedo, Bf. v. 198 Oxford 377 Pablo de Cartagena, Bf. v. Burgos 325 Padua 94, 418 –, Kathedrale 94 –, S. Pietro, Kl. 92 Palencia, Abt v. La Banza (Vanza) → Marcus Fernandi Pamplona, Bf. v. 264, → Martín de Zalva –, Btm. 185, 188 –, Kard. v. → Pierre de Monteruc Pandulf, Kard.diak. v. SS. Cosmas �������������� e Damiano 35, 139 Paris 184, 320, 322, 324, 327f., 351, 354
Register der Orts- und Personennamen
–, Nationalbibl. 234–236, 238f., 241, 245–247, 250f., 253–255, 257, 286f., 290, 305f., 344, 347–350 –, Universität 354, 374 Parma 184 –, Bibl. Palatina 425 –, Btm. 75 Paschalis I., Papst 58 Paschalis II., Papst 26, 33, 35, 37, 44, 80– 82, 90, 95, 97f., 100–104, 106, 110–112, 114–125, 129, 131, 137, 140, 152, 343, 349, 418 Paschalis III., Papst 41f., 47, 99, 165, 174– 176, 181, 193, 201, 218, 221, 341, 343, 349f., 369f., 372, 416 Paul I., Papst 35, 56, 209 Paulus, hl. 358f. Paulus Diaconus 219, 358 Pavia, Konzil (1160) 29, 33, 52, 177–179, 182, 184, 190–192, 194f., 202 Pavia-Siena, Konzil 393 Payerne, Kl. 408 Pedro de Luna → Benedikt XIII., Papst Pedro Comuel, Gesandter 330 Pedro Fernández de Frías, Gesandter 320, 324, 326 Pedro Fernández de Pinna, Notar 238f. Pedro Lopez de Ayala, Gesandter 320–322 Pedro Tenorio, Ebf. v. Toledo 267, 323 Pedro v. Aragón, Franziskaner 247 Pelagius I., Papst 119f. Pelagius II., Papst 119f. Peñiscola 325, 401 Peregrinus, Patriarch v. Aquileja 183 Pérez de Ayala, Gesandter 327 Périgueux, Bf. v. 198 Perpignan, Konzil 324–326, 330 Perugia 87, 265 –, Bf. v. → Andrea Bontempi –, S. Lorenzo 87 –, S. Maria di Valdiponte, Kl. 87 –, S. Pietro, Kl. 87 Pesaro, Bf. v. 93 Peter, Bf. v. Pavia 180
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Peter I., Kg. v. Kastilien 334 Peter IV. Kg. v. Aragón 332 Peter v. Foligno 378 Peter v. Luxemburg, Kard. 374f., 384, 386 Petrus, Bf. v. Padua 100 Petrus, Bf. v. Rodez 188 Petrus, Kard.pr. v. S. Anastasia 136 Petrus, Notar, Prokurator 307 Petrus Bohier, Bf. v. Orvieto 341–345, 353, 355, 361 Petrus de Corbario → Nikolaus V., Papst Petrus Cordubensis, Mönch v. S. Bartolomé in Lupiana 255 Petrus Cornerii 304 Petrus de Cassanhis, Registrator 298 Petrus v. Celles, Abt v. Saint-Rémi in Reims 189 Petrus Crassus 85 Petrus Damiani, Kard.bf. v. Ostia 76, 413 Petrus Diaconus 219 Petrus v. Eboli 174 Petrus Guillermus, Mönch 35 Petrus de Hispania, Dominikaner 234 Petrus de sancto Iorio serviens armorum, 237 Petrus Leonis → Anaklet II., Papst Petrus Lombardus, Bf. v. Paris 172, 182 Petrus Pierleoni, Kard.pr. v. S. Calisto → Anaklet II., Papst Petrus Pigotii 188 Petrus (Pisanus), Kard.Pr. v. S. Susanna 45, 157f. Petrus Venerabilis, Abt v. Cluny 135, 144, 162, 202 Philipp, Papst 57, 209f., 343, 348 Philipp v. Alençon, Kard. 380 Philipp I., Ebf. v. Köln, ksl. Kanzler 41 Philipp VI., Kg. v. Frankreich 395 Philipp II., Hzg. v. Burgund 395 Philipp Maria Visconti, Hzg. v. Mailand 395, 401 Pierleoni, Familie 130, 157, 415 Pierre d’Ailly, Kard. 355, 358 Pierre Bohier 421
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Register der Orts- und Personennamen
Pierre de Cros, Kämmerer 288, 291 Pierre Flandrin, Kard.diak. v. S. Eustachio, 244, 264, 267, 313 Pierre Gandelin, Kastellan 293 Pierre Laplotte, Bf. v. Carpentras 309 Pierre de Monteruc, Kard. v. Pamplona, Vizekanzler, 242, 286f., 292–295, 299, 305, 307, 311f. Pierre de Murles 309f. Pierre de Vergne, Kard.diak. v. S. Maria in Via lata 254, 258, 263, 310, 312 Pietro Corsini, Kard.bf. v. Porto, Kard. v. Florenz 288, 307 Pietro Tartari, Abt. v. Montecassino 251, 255 Pietro Tebaldeschi, Kard.pr. v. S. Sabina, Kard. v. St. Peter 312 Pileo da Prata, Kard. 276 Pisa 128 –, Ebtm. 176 –, Konzil (1135) 159, 365 –, Konzil (1409) 52, 326, 332, 334, 338, 353, 384, 419 –, Konzil (1511) 359 Pistoia 307 Pius II., Papst 226, 394, 409 Poggio Bracciolini 28, 223, 413 Poitiers 149 –, Bf. v. 32 –, Kard. v. → Guy de Malesset Polenta, Familie 278 Pontigny, Kl. 199f. Pontius Beraldi, Kanzleiregens 290, 294f. 299, 308, 311 Pontius Pilatus 108, 124 Porto, Kard.bf. v. 194, 209 Portugal, Kg. v. 307, 318, 329 → Ferdinand I. Pozzuoli, Bf. v. → Ludovico de’ Casali Praeneste, Kard.bf. v. 194 Prag 378 –, Bf. v. 177f. Priapi 64 Pseudo-Isidor 177
Pseudo-Udalricus 85 Radolfzell 403 Radulf 377 Radulf v. Sarre, Domdekan v. Reims 29 Rahewin 16, 33, 174, 182f., 191 Raimund V., Gf. v. Toulouse 197f. Rainald von Dassel, Ebf. v. Köln, ksl. Kanz����� ler 41, 166, 180, 194, 201, 370f., 415 Rainer, Bf. v. Florenz 121 Rainunccio (Vater Alexanders III.) 165 Raoul Sage 407 Ratzinger, Josef, Kard. → Benedikt XVI. Ravenna 77–79, 85, 89, 102, 278 –, Kirche v. 92, 102 –, Synode (898) 110 Raymond-Berengar IV., Gf. v. Barcelona 200 Raynaldus de Zambrasiis, Sekretär 303 Recanati 393 Reggio 222 Reggio Emilia, S. Maria, Kl. 93 Regizo, Bf. v. Sabina 91 Reimbald v. Lüttich, Kaon. 153, 156, 163 Reims 189, 364 –, Archiv 186 –, Ebf. v. 189, 198 –, Synode (1148) 163 Renaud de Gorse, Kard. v. Sisteron, Vizekanzler 286f. 292–296, 306f. Rennes, Bf. v. 188 –, St-Melaine, Kl. 188 Ribadeo, Herr v., Gesandter 322 Richard II., Kg. v. England 377, 387 Richard, päpstl. Kaplan 147 Richard Fitzralph, Ebf. v. Armagh 377, 383 Richard v. Pofi, Notar 382 Richenza, Ks.in 134, 149–151 Rimini 89f. Rinaldo Orsini 280 Rinaldo Brancacci, Kard. 387 Ringsted 368f. Ripaille 215, 395f., 405 Robert v. Genf → Clemens VII., Papst
Register der Orts- und Personennamen
Robert v. Torigny, Abt v. Mont St-Michel 27, 182 Rodericus Bernardi 244 Rodrigo Bernal, Gesandter 320, 328f., 333 Rodrigo Diáz de Torres, Gesandter 325 Roger II., Kg. v. Sizilien 128, 160f., 416 Roger, Ebf. v. York 366 Roger Niger, Bf. v. London 378 Roland Bandinelli → Alexander III., Papst Rom 9f., 25–27, 29, 42, 44, 55–57, 59f., 64, 68f., 71–74, 76, 78–81, 84, 89f., 95, 99, 101, 104f., 110f., 113–119, 122–124, 128f., 133–135, 141, 146–148, 150–152, 156f., 159, 161f., 174, 180f., 184, 187, 191, 196, 199, 201, 204, 209, 214f., 217, 219, 224, 228, 234f., 242–254, 256, 258f., 263, 267, 275f., 279f., 285–288, 290f., 293–295, 306–312, 320, 322, 326, 328f., 334, 341, 352, 364, 371f., 374, 379–383, 386, 389, 393, 396f., 400, 407, 409f., 412, 414, 416–420 –, Synode (768) 210 –, Synode (769) 57, 68, 210f. –, Synode (853) 59 –, Synode (897) 61, 109f., 219 –, I. Laterankonzil (1123) 45 –, II. Laterankonzil (1139) 45, 157–159, 221, 419 –, III. Laterankonzil (1179) 51, 184, 221, 419 –, II. Vatikanisches Konzil 412, 419 –, Borgo 174 –, Circus Maximus 113 –, Engelsburg 78, 91, 257, 267, 293 –, Gemonische Treppen 107 –, Kapitol 107, 115, 125 –, Kolosseum 174 –, Leostadt 27, 78, 410 –, Milvische Brücke 108 –, Muro Torto 124 –, Neronische Wiesen 81 –, Pantheon → S. Maria Rotonda –, Pons Aemilius 113 –, Pons Sublicius 105
461
–, Ponte Mammolo 80 –, Porta Flaminia 116f., 120 –, S. Clemente 123 –, SS. XII. Apostoli 80 –, S. Giovanni in Laterano 44f., 58, 80, 210, 251 –, –, Lateran(palast) 55, 60f., 80–82, 108, 120, 123, 136f., 174, 209, 226 –, –, Nikolauskapelle 136, 141, 156f. –, –, Kanon. v. → Antonio d’Augusta –, S. Gregorio al Celio 118 –, S. Lorenzo in Damaso, Kard.pr. v. 64 –, S. Lorenzo in Lucina 118 –, S. Lorenzo in Panisperna 381 –, S. Marcello 59 –, S. Maria del Popolo 116–119 –, S. Maria di Collemaggio 143 –, S. Maria in Cappella 118 –, S. Maria in Trastevere 10, 47, 137, 156, 159, 216, 280 –, S. Maria Maggiore 61, 128 –, S. Maria Nova 174 –, S. Maria Rotonda 57, 80, 114 –, S. Pantaleo ai Monti 118 –, St. Peter 27, 44f., 58–61, 63, 78f., 81, 99, 128, 133–135, 162, 174, 177, 189, 410 –, –, Palast u. Platz 252, 254f., 263 –, S. Saba 210 –, S. Stefano Rotondo 159 –, S. Vito 209 –, Trastevere 241, 269 –, Trevi 254 –, Vatikan 128, 410 –, Vatikan. Archiv 235f., 239, 244, 247, 249, 258, 273, 286, 289f., 301f., 357 –, Vatikan. Bibliothek 238, 303 –, Vatikan. Stanzen 118 Romainmôtier, Kl. 408 Romanus, Papst 62f. Romanus, Bf. v. Balnorea 60 Romanus v. S. Adriano 147 Romuald, Ebf. v. Salerno 175, 195 Rosenberg, Alfred 412 Rossemannus, Ebf. v. Benevent 160
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Register der Orts- und Personennamen
Rouen 201, 354 –, Stadtbibl. 344, 355 Rudolf (v. Schwaben), röm.dt. Kg. 77, 99 Ruprecht I., Pfgf. bei Rhein 359f. Ruprecht III., Pfgf. bei Rhein 340 Sabina, Kard.bf. v. 194 St Albans, Btm. 188 St-Basle de Verzy, Kl. 189 S. Benedetto (Kampanien) 26 St-Cannat 309 St-Chinian, Kl. 341 St-Denis, Kl 370 –, Abt → Odo, Suger St-Jean-de-Losne, 179f., 184, 187, 195, 200 St-Malo, Bf. v. 198 St. Mauritius, Ritterorden 395 S. Spirito, Orden 20 St. Truiden, Abt v. 187 S. Vitus → Philipp, Papst S. Vitus → Vigilius, Papst Saintes, Bf. v. 185, 188 Salamanca 240, 320 Salerno 79f., 158 –, Ebf. v. 161 Salimbene, Familie 265 Salzburg, Ebf. v. 183 San Ponce, Bf. v. 330 San Severino 270, 273 –, Stadtarchiv 270, 282f. San Severino, Familie 273f. –, Bartolomeo di 272, 282f. –, Cola di 273 –, Onofrio di 283 –, Pietro di 283 Sancho de Castilla, Meister AlcántaraOrden 325 Sancho de Rojas, Ebf. v. Toledo 331 Sancto Brachardi, Abbreviator 301 Saona 324 Sarzana 265 Savoyen, Hztm. 391, 395f. 401, 407–409 –, Hzg. v. → Amadeus VIII.-IX., Ludwig Saxo Grammaticus 179, 195, 368 Scetona → Cetona
Sebald, hl. 378 Segni 183f. Segorve, Bf. v. → Énnec de Vallterra Sens 184, 199 –, Ebf. v. 198 Sergius I., Papst 343 Sergius II., Papst 67, 348, 350f. Sergius III., Papst 62f., 65, 67, 69, 110, 341, 343 Sergius Christophori 57 Sergove, Bf. v. → Énnec de Vallterra Sevilla, San Isidoro, Abt v. → Johannes Sibila, Kg.in v. Aragón 328 Sicard, Bf. v. Cremona 88, 174 Siena 165, 253, 265 –, Staatsarchiv 265 Sigebert v. Gembloux 26, 101, 176, 341 Sigismund, Ks. 104, 328, 334, 391 Sigisvult (Sigibuld), Vater Bonifaz’ II., 350 Silvester I., Papst 137 Silvester III., Papst 343, 349 Silvester IV., Papst 33, 80–82, 114, 121, 140, 157, 343 Simon du Bosc, Abt v. Jumièges 344, 355 Simon Magus 28, 121, 124 Simone Borsano, Kard. 264 Simplicius 109 Siracusa 161 Sisinus → Sergius II., Papst Sisteron, Kard. v. → Renaud de Gorse Sitten, Btm. 400 Sixtus V., Papst 384 Solothurn 399 Souvigny 179 Speyer, Karmeliterkl. 340 Spoleto 273, 275 –, Hzg. v. 57 Stefan II., Papst 225 Stefan III., Papst 56–58, 209–211, 343, 348, 357 Stefan V., Papst 63 Stefan VI., Papst 62f., 109, 220 Stefan IX., Papst 74 Stefan, Bf. v. Tournai 30
Register der Orts- und Personennamen
Stefan v. Boulogne, Abt v. Cluny 203 Stefano Corsi 115 Straßburg, Btm. 400 Subiaco, Kl. 344 Suger, Abt v. St-Denis 26, 144, 162 Sutri 111 –, Synode (1046) 71, 74f., 78f., 81 Sylvestre Budes 276 Symeon 216 Symmachus I., Papst 226, 341, 343, 348, 351 Symphorosa, hl. 109 Tarazona, Dekan v. → Fernandus Petri Tarent, Ebf. v. 160 Telesphorus v. Cosenza 50, 337–362, 421, 426f. Terracina 79, 182f., 191 –, Bf. v. 182 Thebaldus Buccapecus → Cölestin II., Theben → Luzzi Theoderich, Papst 80, 82, 114, 121, 140, 343, 349 Theoderich, Kard.bf. v. Albano → Theoderich, Papst Theoderich, Kg. d. Ostgoten 415 Theodor I. , Papst, 343 Theodor II., Papst 62f., 110 Theodor, Skriniar 60 Thérouanne, Bf. v. 198 –, Btm. 188 Thibaut, Magister, Gesandter 322 Thomas v. Aquin 172 Thomas Becket, Ebf. v. Canterbury 199, 201 Thomas de Courcelles 397 Thomas Ebendorfer 50, 226, 359, 421 Thomas Gundisalvi, Thesaur. v. Compostella 287 Thomas de la Hale 376, 383 Thurstan, Ebf. v. York 25 Thwing 387 Tiberius, Ks. 107 Tivoli 79, 290, 311f. Toledo 412
463
–, Ebf. v. 183, 185, → Pedro Tenorio –, Ebtm. 185, 323 Tolomäus v. Lucca → Bartholomäus v. Lucca Tolomei, Familie 265 Toto, Hzg. v. Nepi 56f., 209 Toulouse 196 –, Bf. v. 185, 188, 198 Tournai, Bf. v. 189 Tours 184 –, Ebf. v. 198 –, Konzil (1163) 198f., 367f. Transmund, Bf. v. Valva 37 Trier 184 Trinci, Familie 278 Tugdual → Leo Britigena Turin 184, 215, 405 Tuskulaner, Familie 415 Tuskulum 73 Ulrich, Bf. v. Treviso 180 Ulrich v. Hutten 86 Ulrich Richental 384 Umberto Bossi 259 Uppsala 86 Urban I., Papst 357 Urban II., Papst 79, 82, 131, 137, 140, 415 Urban III., Papst 161f. Urban V., Papst 263, 286, 291, 293, 295 373f., 378, 385f. Urban VI., Papst 51, 231–233, 238–242, 244f., 248f., 256–258, 262–270, 273– 280, 283–301, 303–313, 329, 340, 344, 356, 362, 376f., 379f., 383, 385f., 414f. 417, 425 Urban VIII., Papst 117 Ursinus, Papst 343, 348 Utrecht, Bf. v. 41 –, Btm. 166 Vadstena, Kl. 380f. Valladolid, San Benito, Prior v. 325 Valletta, Nationalbibl. 300 Valois, Herrscherfamilie 375 Valva 37 Varano, Familie 274, 278, 283 –, Rodolfo da 270, 273, 283f.
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Register der Orts- und Personennamen
Vaucouleurs 201 Venedig 253, 304, 354 –, Frieden (1177) 34, 128, 202–204, 221 Vercelli 184 Verden, Bf. v. 177f. Vergil 28 Veroli 201 Verona 94, 162, 418 –, Bf. v. 185 –, Domkanon. v. 92 Vico, Familie 278 –, Francesco di 265 Vienne Vigilius, Papst 348, 416 Viktor II., Papst 74 Viktor III., Papst 79, 82, 137f., 140 Viktor IV. (Oktavian v. Monticelli), Papst 10, 16, 41, 44–46, 101, 127, 165–167, 176–180, 183f., 187, 189f., 192–195, 197–200, 202, 214f., 218, 221f., 341, 350, 366, 368, 418 Viktring, Abt v. 183 Villena, Marquis v. 325 Vinzenz v. Beauvais 356 Visconti, Familie 405, → Bernabò, Philipp Maria Viterbo 90, 116, 125, 184, 251, 265, 277–278 Voltaire 168 Waldemar I., Kg. v. Dänemark 195, 368f. Waldipert, Pr. 57 Warwick, St Mary 188 –, St-Sepulcre 188
Wazo, Bf. v. Lüttich 71 Wenzel, röm.-dt. Kg. 288 Werner, Mgf. v. Ancona 80 Westminster 201, 367 –, kgl. Palast 377 –, Kl. 370 –, –, Abt v. 188 Wibert, Ebf. v. Ravenna → Clemens III., Papst Wichmann, Ebf. v. Magdeburg 202 Wido → Guido Wien, Universität 354, 359 Wilhelm → Guillaume Wilhelm, Erzbischof v. Sens, Elekt v. Chartres 27 Wilhelm II., Ebf. v. Tyrus 26 Wilhelm III. v. Raron, Bf. v. Sitten 400 Wilhelm v. Ravenna, Ebf. v. Capua, Ebf. v. Salerno 161 Wilhelm I., Kg. v. Sizilien 195 Wilhelm X., Hzg. v. Aquitanien 147–149, 159 Wilhelm, Herr v. Montpellier 198 Wolfgang Aytinger 360 Worcester, Archidiak. v. 188 Worms 76 Wunsiedel 44 Würzburg 174, 180f., 201, 203 Yolande de France, Hzg.in v. Savoyen 398 Zacharias 216 Zenobius de Strada/de Florentia, Sekretär 303 Zürich, Grossmünster 372
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