Gebühren für Gefahrenabwehr: Die Legitimität der Erhebung von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichen Verfassungsstaates [1 ed.] 9783428534630, 9783428134632

Staatliches Handeln muss dem Gemeinwohl dienen. Verstößt der Staat gegen dieses Ziel, wenn er für die Erfüllung von Aufg

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Gebühren für Gefahrenabwehr: Die Legitimität der Erhebung von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichen Verfassungsstaates [1 ed.]
 9783428534630, 9783428134632

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1176

Gebühren für Gefahrenabwehr Die Legitimität der Erhebung von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichen Verfassungsstaates

Von Stefan Habermann

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN HABERMANN

Gebühren für Gefahrenabwehr

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1176

Gebühren für Gefahrenabwehr Die Legitimität der Erhebung von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichen Verfassungsstaates

Von Stefan Habermann

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13463-2 (Print) ISBN 978-3-428-53463-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83463-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Kristin

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Anfang 2010 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Sebastian Müller-Franken, der mein Interesse auf die untersuchte Problematik gelenkt und mich jederzeit optimal betreut und gefördert hat. Die Untersuchung entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl, die von vertrauensvoller Zusammenarbeit und wissenschaftlicher Inspiration geprägt war. Danken möchte ich auch Frau Professor Dr. Monika Böhm für die zügige Zweitbegutachtung. In Dank verbunden bin ich weiter dem Bundesministerium des Inneren, das die Veröffentlichung der Arbeit durch eine Druckbeihilfe wesentlich gefördert hat. Besonderen Dank möchte ich meinen Eltern sagen, deren vielfältiger Unterstützung ich mir während meiner – nicht nur – juristischen Ausbildung stets sicher sein konnte. Schließlich danke ich meiner Kristin, die mir zu jeder Zeit Rat, Rückhalt und Zuwendung gegeben hat. Die richtigen Worte für diese Unterstützung zu finden, fällt schwer. Ihr ist diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Marburg, im September 2010

Stefan Habermann

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung

17

A.

Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B.

Historische Entwicklung und praktische Dimension des Themas . . . . . . . . . . .

19

C.

Die rechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konkretisierung der Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit von Grenzen der Gebührenerhebung . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehende Grenzen der Gebührenerhebung und ihre Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methodik der Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 24 24 25 27 28

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

D.

Zweiter Teil

A.

Die Aufgaben des Staates

31

Staatsaufgaben im Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Gehalt der Kategorie Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Disziplinäre Verortung der Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Grundgesetz als Ausgangspunkt einer Staatsaufgabendefinition? a) Explizite Aussagen zum Staatsaufgabenbegriff im Grundgesetz . b) Kompetenzkataloge der Art. 72 ff. GG und Staatsaufgaben . . . . . c) Die verbleibende Rolle des Grundgesetzes bei der Bestimmung eines Staatsaufgabenbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Staatsaufgabenbegriff in Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . a) Bedeutung einer begrifflichen Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materieller Staatsaufgabenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formeller Staatsaufgabenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 32 35 35 38 39 40 40 40 41 44 48

10

Inhaltsverzeichnis 4. Öffentliche Aufgabe und Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliches Interesse als gemeinsames Merkmal . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff des öffentlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Begriff des privaten Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überschneidungen von öffentlichen und privaten Interessen dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgabenträgerschaft als Unterscheidungskriterium zwischen öffentlichen und staatlichen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatrechtssubjekte als Aufgabenträger . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelfall: Privatrechtssubjekte außerhalb der staatlichen Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausnahme: Privatrechtssubjekte mit „Staatsaffinität“ . . . (a) Öffentliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beliehene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Exkurs: Zur terminologischen Abgrenzung zwischen dem Beliehenen und der privatrechtlich organisierten Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonderfall: Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Weitere Fälle privater Beteiligung bei der staatlichen Aufgabenerfüllung: Verwaltungssubstitution, Beauftragung, Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufgabenträger im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung (1) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Regelfall: Staatsaufgabenerfüllung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausnahmentrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften . . . . (d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Problem: Erfüllung staatlicher oder öffentlicher Aufgaben durch kommunale Gebietskörperschaften? . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufgabenträger im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Landesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fiskalische Hilfsgeschäfte von Behörden und erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates als Sonderfall staatlicher Aufgabenerfüllung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 50 51 52 55 56 57 57 58 58 62

67 68

70 73 73 74 76 78 78 80 81 85 86 91 92 92 93

94

Inhaltsverzeichnis

11

c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungsaufgaben und Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis der Staatsaufgaben zu Staatszwecken und Staatszielen . . 1. Disziplinäre Verortung der Lehren von den Staatszwecken und Staatszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für das Entstehen von Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Religiöse Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Patriarchaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Patrimonialtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Macht- bzw. Eroberungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwischenergebnis: Staatenbildung als uneinheitlicher Prozess b) Staatszwecke und die Frage nach der Rechtfertigung des Staates aa) Möglichkeiten der Klassifizierung von Staatszwecken. Bewertung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Absolute und relative Staatszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Primäre und sekundäre Staatszwecke . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinwohl als Staatszweck (und Staatsziel) . . . . . . . . . . . . (1) Begriff und Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtliche Verortung des Gemeinwohls . . . . (3) Doppelnatur des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Quadriga oder Trias der Staatszwecke? Ebenen staatlicher Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Innere Sicherheit als fundamentaler Staatszweck . . . . . . . . . 3. Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Bedeutung der Kategorie des Staatsziels . . . . . . . . . b) Ansätze zur Systematisierung von Staatszielen . . . . . . . . . . . . . . c) Das Staatsziel der inneren Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Verhältnis von Staatszweck, Staatsziel und Staatsaufgabe . . . . . a) Gesamtbetrachtung. Die Beziehung von Staatszweck, Staatsziel und Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelbetrachtungen. Das Verhältnis von Staatszweck und Staatsziel, Staatsziel und Staatsaufgabe sowie von Staatszweck und Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis der Staatsaufgaben zu den Funktionen des Staates, Kompetenzen und Befugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 97 101 102 103 106 107 109 111 114 116 119 120 121 121 123 124 125 126 128 129 134 137 137 142 143 145 146

148 151 154 155 156

12

Inhaltsverzeichnis 3. Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

B.

C.

Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Umfang der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . 1. Abwehr von Gefahren i.w. S. als Staatsaufgabe und öffentliche Aufgabe 2. Gefahrenabwehr i. e. S. als Regelungsgegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herleitung der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtliche Schutzpflichten und ihre Bedeutung für die Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten für die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die dogmatische Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten . . a) Grundrechtliche Schutzpflichten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Herleitung von grundrechtlichen Schutzpflichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sog. abwehrrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ableitung aus dem Wortlaut (Wortlaut-These) . . . . . . . . . . . cc) Ableitung aus den Grundrechtsschranken und dem Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ideengeschichtliche Herleitung der staatlichen Schutzpflichten c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gefahrenabwehr im System der Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck und Bedeutung einer Systematisierung von Staatsaufgaben . . 2. Die Einordnung der Gefahrenabwehr in die Kategorien der Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschließliche – konkurrierende Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . aa) Gefahrenabwehr als ausschließliche Staatsaufgabe? . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Verbindlichkeit der Einordnung . . . . . b) Obligatorische – fakultative Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finale – instrumentale Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 160 161 162 164 166 167 169 169 172 172 174 174 175 176 180 180 181 181 181 184 185 187 188

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Inhaltsverzeichnis

13

Dritter Teil Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

193

A.

Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung des Steuerstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Elemente der Steuerstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerstaatsprinzip und tatsächliche Einnahmensituation des Staates 2. Steuerstaatsprinzip und Wirtschafts- und Finanzverfassung . . . . . . . a) Die Trennung von Staat und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuer als Finanzierungsinstrument allgemeiner Staatsaufgaben .

193 193 196 197 200 200 203

B.

Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips im Staate des Grundgesetzes I. Der Steuerstaatsbegriff und die Grundrechte des Grundgesetzes . . . . . . . II. Die Steuerstaatlichkeit: verfassungsrechtliche oder verfassungstheoretische Kategorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsentscheidung . . . . . . . . . . . . 3. Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . 4. Notwendigkeit einer verfassungsdogmatischen Festlegung . . . . . . . . 5. Bewertung. Dogmatische Einordnung der Steuerstaatlichkeit . . . . . . a) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . c) Sozialer Rechtsstaat, Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG d) Grundsatz der Belastungsgleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . e) Finanzverfassung, Art. 104a ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das etablierte Modell: die Finanzverfassung als normativer Hort des Steuerstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die „nüchterne“ Sichtweise: keine Aussage der Finanzverfassung zum Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zu der „nüchternen Sichtweise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsentscheidung . . .

207 207

C.

Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff und seine Verankerung im Text des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Steuerbegriff . . . . . . 2. Merkmale des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs . . . . . . . . . . . . a) Geldleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Auferlegtsein“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auferlegung durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen . . . .

209 209 209 210 213 214 214 216 221 223 224 225 230 234 235 239 241 241 242 244 244 245 246

14

Inhaltsverzeichnis d) Gegenleistungsunabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einnahmeerzielung zur Erfüllung allgemeiner Staatsaufgaben . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wesensmerkmale der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuer als Ausdruck der Allgemeinheit der Last . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuer als Ausdruck der Gleichheit der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuer als Ausdruck der Unbefangenheit staatlicher Aufgabenerfüllung 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerfinanzierung staatlicher Aufgaben, insbesondere staatlicher „Kernaufgaben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben und ihre Bedeutung für die Abgrenzung der Steuer von der Sonderabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Finanzierung der Gefahrenabwehr als einer Kernaufgabe und allgemeinen Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik an einer materiellen Dimension der allgemeinen Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbindung der Staatsaufgabenlehre mit dem Steuerstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D.

248 250 253 254 254 256 257 258 259

259 261 262 262 264 265

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Vierter Teil

A.

Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

270

Begriff der Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsrecht und einfaches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung des Gebührenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rezeption eines „traditionellen Gebührenbegriffs“ durch das Grundgesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Merkmale des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs . . . . . . . . . . . . . 1. Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs? . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff als Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Gebührendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffliche Übereinstimmungen der Gebühr mit dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270 270 271 273 275 276 276 277 280 281

B.

Inhaltsverzeichnis

15

a) Geldleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auferlegung durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen . . . . 4. Begriffliche Abweichungen der Gebühr von dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einnahmeerzielung zur Deckung des durch die gebührenpflichtige Maßnahme entstandenen Finanzbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenleistungsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Formelles Verständnis des Gebührenbegriffs . . . . . . . . . . . . (1) Sog. formeller Gebührenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sog. streng formeller Gebührenbegriff . . . . . . . . . . . . . . bb) Materielles Verständnis des Gebührenbegriffs . . . . . . . . . . . (1) Sog. doppelgliedriger Gebührenbegriff . . . . . . . . . . . . . . (2) Höhe der Gebühr als Kriterium des Gebührenbegriffs . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum materiellen Gebührenverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum formellen Gebührenverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis. Definition des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gebührenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Benutzungsgebühr und Verwaltungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verleihungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 282

Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Polizei- bzw. Polizeikostenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorbehalt des Gesetzes und Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überwiegendes öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grundrechte der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kommerzielle Motivation des Gebührenpflichtigen . . . . . . . . . . . aa) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . .

283 283 286 286 287 288 290 290 292 293 293 297 300 300 301 303 305 306 307 307 311 312 312 315 316 316 318 320 320 321 321 322 324

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Inhaltsverzeichnis b) Ideelle Motivation des Gebührenpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG. Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Kostendeckungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C.

Eigener Ansatz zur Begrenzung der Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsaufgabenlehre und Steuerstaatsprinzip: Vorzüge einer Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des eigenen Ansatzes . . . . . . . . . .

324 325 326 327 327 329 329 331 333 334 334 336 338 338 339 339 341 342 344

Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

Abkürzungen Die hier verwendeten Abkürzungen sind die üblichen. Sie orientieren sich an dem Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Hildebert Kirchner, 6. Auflage, 2008.

Erster Teil

Einleitung A. Gegenstand der Untersuchung Der Staat handelt zum Wohle seiner Bürger. Alle hoheitlichen Akte müssen sich messen lassen an ihrem Nutzen für das Gemeinwohl, dem bonum commune. 1 Verstößt der Staat gegen dieses „Ziel der Ziele“, 2 wenn er für die Erfüllung von Aufgaben, die nur er erfüllen kann und muss, vom Bürger eine besondere Geldleistung verlangt? Ist es, anders gewendet, mit dem Gebot der Gemeinwohlorientierung staatlichen Handelns zu vereinbaren, wenn der Staat eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe unerfüllt lässt, weil der Betroffene es ablehnt, das geforderte Entgelt zu entrichten? Ungewissheit im Hinblick auf dieses Problem besteht in Deutschland seit einigen Jahren auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts. Bund und Länder werden hier zur Abwehr von Gefahren tätig, welche für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen. Die Einsätze von Polizei- und Ordnungsbehörden finanziert der Staat dabei zu einem großen Teil aus Steuermitteln. 3 Daneben greift er aber auch auf weitere Abgabenformen zurück, um die jeweils entstehenden Kosten zu decken. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang das staatliche Finanzierungsinstrument der Gebühr. 4

1 Das Gemeinwohl als der Rechtfertigungsgrund für staatliches Handeln ist Ausgangspunkt staatstheoretischer bzw. staatsphilosophischer Überlegungen vieler Epochen. Es änderten sich im Laufe der Zeit nicht nur die jeweiligen Bezeichnungen (bona vita, beatitudo, salus publica), sondern auch die Inhalte, vgl. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 9; zur Ideengeschichte Herzog, Art. Gemeinwohl, in: Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. III, Sp. 256 ff. 2 Isensee, in: v. Arnim / Sommermann (Hrsg.), Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 95, 106; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 2. 3 Abstrakt lässt sich die durch Steuern finanzierte staatliche Tätigkeit zur Gewährleistung der Sicherheit ermitteln, indem zunächst der Aufgabenbereich der Polizei- und Ordnungsbehörden bestimmt wird und hiervon wiederum all diejenigen Tätigkeiten in Abzug gebracht werden, für die der Bürger nichtsteuerliche Abgaben zu entrichten hat. 4 Zu Begriff und Funktion siehe unten Vierter Teil, A.

18

1. Teil: Einleitung

Ob die Gebühr im Gefahrenabwehrrecht als Finanzierungsinstrument herangezogen werden kann, erscheint indes fraglich. Zwar bestehen keine generellen Einwände gegen den Einsatz von Gebühren, werden sie doch vom Grundgesetz ausdrücklich erwähnt 5 und in den einfachen Gesetzen näher ausgestaltet. 6 Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit Gebühren, welche für die Gefahrenabwehr erhoben werden, vergleichbar sind mit anderen, seit jeher anerkannten Gebühren, wie etwa den Benutzungsgebühren für Museen oder Bibliotheken. 7 In letzterem Falle geht es um die vom Einzelnen zu erbringende Gegenleistung für staatlich bereitgestellte Freizeit- und Kulturangebote; die Gewährung von öffentlicher Sicherheit garantiert hingegen die physische Existenz des Bürgers und ist damit Voraussetzung für die Ausübung aller weiteren Rechte und Freiheiten. Die vorliegende Arbeit fragt nach der Rechtmäßigkeit von „Gebühren für Gefahrenabwehr“. Sie soll aufzeigen, ob staatstheoretische sowie staatsrechtliche Grenzen bei der Auferlegung von Gebühren im Gefahrenabwehrrecht zu beachten sind. Sollte dies der Fall sein, müssen die gefundenen Ergebnisse auf ihre rechtliche Bindungswirkung für die staatliche Gewalt untersucht werden. Nur dann, wenn es sich um Grenzen des Verfassungsrechts handelt, sind sie zwingend vom Staat zu beachten, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. Lassen sich dem Text des Grundgesetzes selbst keine ausdrücklichen begrenzenden Vorgaben für eine Auferlegung von Gebühren entnehmen, so bedarf es der Klärung, inwieweit Gedanken der Allgemeinen Staatslehre zur Rechtfertigung des Staates Eingang in das Staats- und Verfassungsrecht gefunden haben und so mittelbar zu einer Beschränkung staatlicher Kostenüberwälzung durch Einführung neuer Gebührentatbestände beizutragen im Stande sind. Die Arbeit verbindet Aspekte des staatlichen Handelns mit Vorgaben über die Zulässigkeit eines konkreten Finanzierungsinstruments: Sie wird hierbei die Grundfrage der Legitimität der Erhebung 8 von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichen Verfassungsstaates zu untersuchen haben.

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Siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Art. 80 Abs. 2 GG. Vgl. z. B. die §§ 1, 9, 10 des hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG Hessen) v. 17. 3. 1970, GVBl. I 1970, S. 225. Vergleichbare Regelungen finden sich in den Kommunalabgabengesetzen aller anderen Bundesländer. 7 In diesem Bereich hat sich die Gebührenerhebung etabliert, vgl. etwa für BadenWürttemberg die Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die Erhebung von Bibliotheksgebühren (BiblGebVO) v. 28. 11. 2006, GBl. 2006, S. 384. 8 Der Begriff der Erhebung meint im vorliegenden Zusammenhang die Statuierung von Gebühren als solche. Er ist nicht in dem technischen Sinne des Fünften Teils der Abgabenordnung (vgl. §§ 218 – 248 AO: „Erhebungsverfahren“) zu verstehen. 6

B. Historische Entwicklung

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B. Historische Entwicklung und praktische Dimension des Themas Die Erhebung von Vorzugslasten 9, insbesondere von Gebühren, durch staatliche Stellen ist kein Phänomen der Neuzeit. Bereits im Mittelalter bestritten Stadtstaaten und Monarchien einen Teil ihrer Einnahmen aus dieser Abgabenart. 10 Die erste umfassende gesetzliche Fixierung des Gebührenrechts erfolgte im Jahre 1893 auf dem Gebiet des preußischen Kommunalabgabenrechts. Der zweite Teil des preußischen Kommunalabgabengesetzes (PrKAG) 11 unterschied zunächst zwei bedeutsame Gebührenarten auf kommunaler Ebene: Benutzungsgebühren 12 und Verwaltungsgebühren. § 4 Abs. 2 PrKAG machte dabei für die Erhebung von Benutzungsgebühren zur Voraussetzung, dass dem Einzelnen durch die Benutzung der gemeindlichen Anlagen, Anstalten und Einrichtungen ein Vorteil erwächst. Eine Legaldefinition der Verwaltungsgebühr enthielt § 6 Abs. 2 PrKAG, wonach hierunter jede Gebühr für die einzelnen Handlungen der Gemeindeorgane zu verstehen war. Präzisierend gestattete § 6 Abs. 1 PrKAG die Erhebung von Gebühren für die „ordnungs- und feuerpolizeiliche Beaufsichtigung von Messen und Märkten, von Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralischen Vorstellungen und sonstigen Lustbarkeiten“. Eine weitere gesetzliche Ausgestaltung erfuhr die Verwaltungsgebühr durch das preußische Gesetz über staatliche Verwaltungsgebühren von 1923 (Verwaltungsgebührengesetz). 13 Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes ergangene Verordnung 14 machte einerseits deutlich, dass sowohl der Begünstigte als auch der Veranlasser einer Amtshandlung zur Zahlung der Gebühr verpflichtet werden konnte. 15 Auf der anderen Seite ließ sich aus § 2 der Verwaltungsgebührenordnung sowie 9 Eine gesetzliche Umschreibung der Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) findet sich in § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 der Reichsabgabenordnung (RAO 1919) vom 13. 12. 1919, RGBl. 1919, S. 1993. Zum Ursprung des Begriffs vgl. bereits Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., 1913, S. 387 f. 10 Einen Überblick anhand ausgewählter Staaten und Epochen vermittelt Körner, in: Schremmer (Hrsg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart, S. 53, 73 ff. 11 Kommunalabgabengesetz v. 14. 7. 1893, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152. 12 § 4 Abs. 1 PrKAG verwendete lediglich den Begriff der Gebühr; der Sache nach war damit jedoch die Benutzungsgebühr gemeint. So definierte die genannte Vorschrift Gebühren als von den Gemeinden zu erhebende besondere Vergütungen „für die Benutzung der von ihnen im öffentlichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen (Anlagen, Anstalten und Einrichtungen)“. 13 Gesetz v. 29. 9. 1923, Preußische Gesetzsammlung 1923, S. 455. 14 Verwaltungsgebührenordnung v. 30. 12. 1926, Preußische Gesetzsammlung 1926, S. 327.

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1. Teil: Einleitung

aus § 1 Abs. 1 des Verwaltungsgebührengesetzes aber auch entnehmen, welche Amtshandlungen gebührenfrei zu erfolgen hatten. So durfte eine Gebühr insbesondere nicht erhoben werden für verwaltungsbehördliche Maßnahmen, die überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgten. Auf dem für die vorliegende Arbeit relevanten Gebiet des Polizeikostenrechts schuf nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland zunächst Baden-Württemberg eine gesetzliche Bestimmung, die es ermöglichte, bei privaten Großveranstaltungen die Kosten des Polizeieinsatzes auf den Veranstalter abzuwälzen. So konnte nach § 82 Abs. 2 S. 1 des Polizeigesetzes (PolG BW) von 1955 16 für die Kosten polizeilicher Maßnahmen bei privaten Veranstaltungen von dem Veranstalter Ersatz verlangt werden, soweit „weitere als die im üblichen örtlichen Dienst eingesetzten Polizeibeamten herangezogen werden müssen“. In Hessen wurde 1964 eine zur Kostenerhebung bei privaten Veranstaltungen ermächtigende Vorschrift im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) geschaffen, die mit der Regelung in Baden-Württemberg vergleichbar war. 17 Eine verstärkte verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzung mit der Frage der Überwälzung von Polizeikosten setzte jedoch erst Ende der 1970er-Jahre ein. Dies deshalb, weil bis weit in das 20. Jahrhundert hinein von Seiten des Staates von der Möglichkeit der Kostenerhebung für Polizeieinsätze trotz der Existenz von Kommunalabgaben- und Verwaltungsgebührengesetzen, später von den genannten Ermächtigungsnormen in den Polizeigesetzen der Länder, häufig nicht Gebrauch gemacht wurde. 18 In einigen Bundesländern änderte sich diese 15

Vgl. § 13 der Verwaltungsgebührenordnung: „Zur Zahlung der Gebühr ist derjenige verpflichtet, der die Amtshandlung veranlaßt hat, bei Genehmigungen und dergleichen auch derjenige, zu dessen Gunsten die Amtshandlung vorgenommen, insbesondere die Genehmigung erteilt wird.“ Gemäß § 9 Abs. 1 der Verwaltungsgebührenordnung wurden auch im Falle der Ablehnung oder Zurücknahme eines Antrages Gebühren fällig: Bei Ablehnung mussten 10 bis 50 Prozent, bei Zurücknahme 10 bis 25 Prozent der Gebühr erhoben werden. 16 Polizeigesetz v. 21. 11. 1955, GBl. 1955, S. 249. Mit der Neufassung des Polizeigesetzes v. 16. 1. 1968, GBl. 1968, S. 61, wurde die Regelung in § 81 Abs. 2 S. 1 PolG BW übernommen. 17 Gem. § 84 Abs. 2 S. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) v. 17. 12. 1964, GVBl. I 1964, S. 209, konnte Kostenersatz von privaten Veranstaltern dann verlangt werden, wenn weitere als die im üblichen örtlichen Dienst eingesetzten Polizeivollzugsbeamten herangezogen werden mussten. Durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung v. 17. 12. 1971, GVBl. I 1971, S. 333, wurde der in § 84 Abs. 2 S. 1 HSOG enthaltene Tatbestand der privaten Veranstaltung ersetzt: Nach der neuen, weiteren Formulierung konnte derjenige, der „außergewöhnliche Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr verursacht“, zum Ersatz der Kosten herangezogen werden. Nach der Neufassung des HSOG v. 26. 1. 1972, GVBl. I 1972, S. 23, regelte wortgleich § 82 Abs. 2 S. 1 HSOG den Kostenersatz bei polizeilichen Maßnahmen.

B. Historische Entwicklung

21

Sichtweise jedoch aufgrund der zunehmenden Belastung ihrer Etats mit den Kosten für Polizeieinsätze seit Mitte der 1970er-Jahre. Die Gerichte hatten sich in der Folge mit Kostenforderungen für Polizeieinsätze anlässlich fälschlicher Alarmierung durch private Alarmanlagen, 19 bei Haus- und Geländeräumungen 20 und kommerziellen Großveranstaltungen 21 zu befassen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Recht der Polizeikosten als Kosten der Gefahrenabwehr um eine Materie der Landesgesetzgebung handelt, 22 sind die Entscheidungen der Gerichte stets unter Berücksichtigung der länderspezifischen Besonderheiten im Gebühren- und Polizeikostenrecht zu lesen. Auch die jeweils von den Gerichten angeführten Begründungen für 23 und gegen 24 die Zulässigkeit einer Kostenerhebung können nicht verallgemeinert werden, beziehen sie sich doch im Wesentlichen auf die konkret vorgefundenen Gegebenheiten des einfachen Landesrechts. Die in den 1980er-Jahren einsetzenden Aufarbeitungsversuche in der rechtswissenschaftlichen Literatur 25 beleuchteten die Problematik zumeist ebenfalls nur partiell, da sie häufig einzelne landesrechtliche Kostenregelungen untersuchten oder sich mit Urteilen zu konkreten Fallgestaltungen beschäftigten. Nicht zuletzt deshalb war eine übergreifende Auseinandersetzung, die sowohl die allgemeinen Grundsätze des Abgaben- bzw. Gebührenrechts als auch Fragen des Finanzverfassungsrechts berücksichtigt, schwierig. Zu Beginn der 1990er-Jahre – mittlerweile waren die Polizeikostenregelungen in Hessen und Baden-Württemberg aus rechtspolitischen Gründen ersatzlos 18 Prägnante Beispiele für den Bereich des Demonstrationsrechts nennt v. Brünneck, NVwZ 1984, 273, 274. Kostenersatz wurde demnach weder für Maßnahmen bei Demonstrationen und Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik noch für Polizeieinsätze während der Studentenrevolte des Jahres 1968 bei den Teilnehmern geltend gemacht. Vgl. ferner zu den Aufgaben der „Vereins- und Versammlungspolizei“ bis zum Jahre 1931 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 486 ff.; sowie, zu den Polizeikosten im Zusammenhang mit der Reichspräsidentenwahl 1932, Lipphardt, JZ 1976, 552 ff. 19 VGH Kassel, DVBl. 1976, 717; VGH München, BayVBl. 1981, 625; OVG Bremen, DVBl. 1983, 462; OVG Lüneburg, DVBl. 1983, 464. 20 OVG Lüneburg, DVBl. 1977, 832; NVwZ 1984, 323. 21 VGH Mannheim, DVBl. 1981, 778; VG Frankfurt, NVwZ 1985, 214. 22 Vgl. nur Knemeyer, JuS 1988, 866, 867. 23 Vgl. etwa OVG Lüneburg, DVBl. 1977, 832; DVBl. 1983, 464; VGH Mannheim, DVBl. 1981, 778; OVG Bremen, DVBl. 1983, 462. 24 VGH Kassel, DVBl. 1976, 717; VGH München, BayVBl. 1981, 625; OVG Lüneburg, NVwZ 1984, 323. 25 Kühling, DVBl. 1981, 315; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167; dies., VBlBW 1982, 78; Albrecht, in: FS Samper, S. 165; Broß, VerwArch. 74 (1983), 388; ders., DVBl. 1983, 377; Schenke, NJW 1983, 1882; ders., DVBl. 1983, 678; Würtenberger, NVwZ 1983, 192; Götz, DVBl. 1984, 14; v. Brünneck, NVwZ 1984, 271; Weichert, KJ 1984, 314; Kilian, VR 1985, 342; Kränz, JuS 1987, 451; Knemeyer, JuS 1988, 866; zu den Kosten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung am Beispiel der Beiträge für die Straßenbeleuchtung vgl. Gaßner, DÖV 1983, 412.

22

1. Teil: Einleitung

gestrichen worden – 26 ebbte die Diskussion zunächst ab. Mit der Einführung neuer Gebühren zur Finanzierung der Gefahrenabwehr folgten jedoch erneut gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Gebührenschuldnern und Gebührengläubigern. Die sog. Luftsicherheitsgebühr 27 sowie die Inpflichtnahme der Deutschen Bahn AG für die bahnpolizeilichen Kosten des ehemaligen Bundesgrenzschutzes 28 sind jüngere Beispiele für die staatliche Gebührenerhebung auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts. Die hierzu ergangenen Entscheidungen der Gerichte 29 haben die Behandlung der Problematik im jüngeren Schrifttum wieder belebt. 30 Die praktische Bedeutung der angesprochenen Thematik ergibt sich indes nicht allein aus der langjährigen gebührenrechtlichen Regelungstradition und der damit einhergehenden stetigen Präsenz im öffentlichen Bewusstsein. 31 Die zum Teil hohen 32 Kostenforderungen auf dem Gebiet staatlicher Gefahrenab26 Art. 5 des hessischen Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und anderer Vorschriften v. 20. 12. 1979, GVBl. I 1980, S. 12; für Baden-Württemberg vgl. Art. 1 Nr. 35 des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes v. 22. 10. 1991, GBl. 1991, S. 625; zu den Erwägungen des dortigen Gesetzgebers näher Götz, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 25, 31; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 909. 27 Vgl. § 17 Abs. 2 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) v. 11. 1. 2005, BGBl. I 2005, S. 78, i.V. m. § 3 der Luftsicherheitsgebührenverordnung (LuftSiGebV) i.V. m. Nr. 2 der Anlage (Gebührenverzeichnis) zu § 1 LuftSiGebV v. 23. 5. 2007, BGBl. I 2007, S. 944. 28 Vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Bundespolizei v. 19. 10. 1994 (Bundespolizeigesetz – BPolG), BGBl. I 1994, S. 2978, i.V. m. § 1 der Verordnung zur Festsetzung des Ausgleichs für die Erfüllung bahnpolizeilicher Aufgaben des Bundesgrenzschutzes v. 6. 12. 2000, BGBl. I 2000, S. 1683. 29 Zur Luftsicherheitsgebühr vgl. BVerfG, DVBl. 1998, 1220; zuvor VG Frankfurt, Urt. v. 8. 7. 1992 – III/1 E 2516/90, juris; BVerwGE 95, 188; ferner OVG Hamburg, GewArch. 2006, 430 (zu der Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht); zu den Kosten für bahnpolizeiliche Tätigkeiten der Bundespolizei BVerwGE 126, 60; zuvor OVG Koblenz, Urt. v. 4. 11. 2004 – 12 A 10337/04, juris. 30 Zur Luftsicherheitsgebühr etwa Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 171 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch. 86 (1995), 307 ff.; Scholz, in: FS Friauf, S. 439 ff.; zur Ausgleichspflicht der Deutschen Bahn AG Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 99 ff.; Kilian, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 35 ff.; Ronellenfitsch, DVBl. 2005, 65 ff.; Wolff, Die Verwaltung 35 (2002), 553 ff. 31 So findet eine Diskussion über die Finanzierung von Polizeieinsätzen nicht nur in der juristischen Fachliteratur statt, vgl. etwa P. Kirchhof, FAZ Nr. 109 v. 11. 5. 1995, S. 12; Kube, FAZ Nr. 177 v. 31. 7. 2008, S. 6; sowie allgemein zu der Finanzierung staatlicher Aufgaben durch Steuern bzw. nichtsteuerliche Abgaben Hank, FAZ Nr. 15 v. 18. 1. 2003, S. 11; dazu wiederum Kube, FAZ Nr. 34 v. 10. 2. 2003, S. 18. 32 Der etwa gegenüber der Condor Flugdienst GmbH für den Monat Juli 1990 ergangene Bescheid, der allein die Luftsicherheitsgebühr für Maßnahmen am Flughafen Frank-

C. Die rechtliche Problematik

23

wehr befördern das Interesse von Gebührenschuldner wie -gläubiger, Grund und Grenzen der Gebührenerhebung näher zu erforschen.

C. Die rechtliche Problematik Die staatliche Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht kann aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. So lassen sich etwa rechtspolitische Erwägungen darüber anstellen, ob es zweckmäßig ist, dass sich der Staat seine Leistungen im Bereich der Gefahrenabwehr entgelten lässt. 33 In diesem Zusammenhang wird für eine verstärkte Gebührenerhebung angeführt, dem Gebührenpflichtigen werde stärker als bei der Steuer bewusst, dass mit seiner Geldleistungspflicht eine konkrete staatliche Gegenleistung korrespondiere. 34 Auch müsse berücksichtigt werden, dass sich die Polizei an die allgemeine Staatsverwaltung, die für eine Vielzahl von Amtshandlungen Verwaltungsgebühren erhebe, 35 angenähert habe. Das Vorhalten von Polizeipersonal und Polizeieinrichtungen sei gegenwärtig eine „Staatsaufgabe unter vielen“, ein Verbot der Gebührenerhebung daher nicht mehr zeitgemäß. 36 Diese Überlegungen sind wichtige Fundamente, auf denen der politische Willenbildungsprozess über die Zukunft staatlicher Einnahmengestaltung aufbauen kann. Sie müssen jedoch von der rechtsdogmatischen Frage nach den verbindlichen Grenzen für eine Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht unterschieden werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob es im geltenden (Verfassungs-)Recht Grenzen für eine Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr gibt. 37 Ob es dagegen unter rechtspo-

furt / Main festsetzte, belief sich auf über 300 000 DM, vgl. Ronellenfitsch, VerwArch. 86 (1995), 307, 313. Die Ausgleichsforderungen gegen die Deutsche Bahn AG für bahnpolizeiliche Maßnahmen der Bundespolizei für das Jahr 2002 betrugen ca. 64 Mio. Euro, hierzu BVerwGE 126, 60, 62. 33 In diese Richtung Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54 ff. 34 Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 55 f. 35 Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 169 f. 36 Vgl. Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 39 f.; weitere rechtspolitische Aspekte bei Schmidt, ZRP 2007, 120, 121; zu Zweckmäßigkeitserwägungen in diesem Zusammenhang insgesamt Broß, VerwArch. 74 (1983), 388, 398 ff.; Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 91 f.; Wolff, Die Verwaltung 35 (2002), 553, 571 ff. 37 Aktuelle Beispiele für die staatliche Gebührenerhebungspraxis stellen etwa die bereits erwähnte Luftsicherheitsgebühr sowie die Ausgleichspflicht der Deutschen Bahn AG für bahnpolizeiliche Maßnahmen der Bundespolizei dar.

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1. Teil: Einleitung

litischen Gesichtspunkten zweckmäßig wäre, den Einzelnen mit Gebühren auf diesem Gebiet zu belegen, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

I. Konkretisierung der Problemstellung Die Frage, ob die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht rechtlichen Begrenzungen unterliegt, lässt sich weiter konkretisieren: In einem ersten Schritt wird zu klären sein, ob überhaupt Grenzen der Gebührenerhebung existieren. Sollte dies zu bejahen sein, ist in einem weiteren Schritt zu untersuchen, ob es sich dabei um Grenzen im Rang des einfachen Rechts handelt oder ob sie vielmehr auf verfassungsrechtlicher Ebene der Gebührenerhebung entgegenstehen. Von den gefundenen Ergebnissen hängt es ab, ob und wenn ja, in welchem Umfang dem Staat bei der Erhebung von Gebühren für die Gefahrenabwehr eine Gestaltungsfreiheit zukommt. 1. Notwendigkeit von Grenzen der Gebührenerhebung Die Auferlegung von Geldleistungspflichten für polizeiliche und ordnungsbehördliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts belastet den betroffenen Kostenschuldner. Sie muss als ein Akt der Eingriffsverwaltung daher den Rechtmäßigkeitsanforderungen genügen, die das höherrangige Recht aufstellt. Dies ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass jedes staatliche Verhalten, auch und gerade solches mit für den Bürger belastender Wirkung, im Einklang mit Recht und Gesetz stehen muss. 38 Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, so etwa die Einhaltung der Gesetzgebungskompetenzen und des Gesetzgebungsverfahrens, gelten für alle Abgabengesetze, denn diese stellen jedenfalls einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG dar. 39 Die besonderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen hingegen sind für jeden Abgabentyp oder eine bestimmte Gruppe von Abgabentypen gesondert festzulegen. 40 Hierzu zählen im Bereich der Vorzugslasten insbesondere das Äquivalenz- sowie das Kostendeckungsprinzip.

38 Zum Rechtsstaatsprinzip allgemein Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 26 insb. Rn. 69 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 759 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 28 ff. 39 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 529; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 Rn. 47 f. 40 Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 Rn. 49.

C. Die rechtliche Problematik

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2. Bestehende Grenzen der Gebührenerhebung und ihre Bindungswirkung Unterliegt die Gebührenerhebung somit allgemeinen und besonderen Rechtmäßigkeitsanforderungen, rückt sodann die Frage in das Zentrum der Untersuchung, welche konkreten Grenzen bei der Gebührenerhebung bestehen und welcher Ebene, Staatstheorie, Verfassungsrecht oder einfaches Recht, sie zuzuordnen sind. In der gebührenrechtlichen Literatur findet eine Auseinandersetzung mit diesem Fragenkomplex regelmäßig zunächst in der Gestalt statt, dass die einfachgesetzlichen und sonstigen nichtverfassungsrechtlichen Schranken der Gebührenerhebung aufgezeigt und erörtert werden: Bereits in ihrem Tatbestand macht die konkret in Rede stehende, einfachgesetzliche Gebührennorm Vorgaben über die Voraussetzungen der Gebührenerhebung. So finden sich dort Regelungen über den Gebührenschuldner sowie eine Aufzählung bzw. Umschreibung der als kostenpflichtig angesehenen polizeilichen Maßnahmen. 41 Ein Teil der wissenschaftlichen Abhandlungen zu Polizeigebühren konzentriert sich daher auf die Frage, ob die konkret erhobene Gebühr mit dem einfachgesetzlichen Gebührentatbestand zu vereinbaren ist. Die jeweilige Gebührennorm lässt sich indes freilich nicht heranziehen, um allgemeine Aussagen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer staatlichen Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht zu treffen. 42 Sie kann stets nur auf den Einzelfall bezogen die konkrete Gebührenforderung gestatten oder verbieten. Einige Autoren untersuchen daher weitere Kriterien unterhalb bzw. jenseits der Verfassung, um die Gebührenerhebung zu begrenzen. Zu diesen Kriterien zählen das Kostendeckungsgebot, 43 die Lehre von den Zwecken des Staates 44 sowie das Verhältnis von Polizeikostenrecht und allgemeinem Verwaltungskostenrecht und die damit einhergehenden Fragen zu Anwendbarkeit und Sperrwirkung einzelner Normen. 45

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Vgl. nur § 81 PolG BW a. F., dessen Absatz 2 u. a. festlegte, dass vom Veranstalter einer privaten Veranstaltung (Kostenschuldner) Ersatz dafür verlangt werden konnte, dass weitere als die im üblichen örtlichen Dienst eingesetzten Beamten herangezogen werden mussten (kostenpflichtige polizeiliche Maßnahme). Zu dem konkreten Regelungsinhalt des § 81 Abs. 2 PolG BW a. F. Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 174 ff. 42 Vgl. Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 4. 43 Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 14; Kühling, DVBl. 1981, 315, 316. 44 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 277 ff.; Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 113 f.; Ronellenfitsch, DVBl. 2005, 65, 68 ff.; Scholz, in FS Friauf, S. 439, 443 ff. 45 Broß, VerwArch. 74 (1983), 388, 397; Knemeyer, JuS 1988, 866 ff.; Kränz, JuS 1987, 451, 452 f.; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des

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1. Teil: Einleitung

In einem zweiten Schritt werden im Schrifttum sodann verfassungsrechtliche Grenzen der Gebührenerhebung aufgezeigt. Als eine solche Schranke wird etwa das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip herangezogen. 46 Die aus ihm abzuleitenden Aussagen und Grenzen werden jedoch mitunter als zu allgemein empfunden. 47 Um die wenig konkreten Inhalte in effektiv handhabbare Maßstäbe zu überführen, müssten, so der teilweise erhobene Einwand, einzelne Aspekte des Rechtsstaatsprinzips herausgestellt werden, etwa das Äquivalenzprinzip oder das Bestimmtheitsgebot. 48 Weitere verfassungsrechtliche Kriterien zur Begrenzung der Gebührenerhebung stellen die Freiheitsgrundrechte 49 und der Gleichheitssatz 50 dar. Geläufig sind schließlich auch Begrenzungsversuche, die sich auf das Steuerstaatsprinzip stützen 51 oder danach fragen, ob die Verteilungsregelungen des Grundgesetzes über die Gesetzgebungskompetenzen einer Gebührenerhebung im Einzelfall entgegenstehen. 52

deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 67 ff., 75 f. 46 Kränz, JuS 1987, 451, 454; Kühling, DVBl. 1981, 315, 316; Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 89; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 175 ff.; dies., VBlBW 1982, 78; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 91 f.; Ronellenfitsch, VerwArch. 86 (1995), 307, 319 f.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 20 ff. 47 Schenke, NJW 1983, 1882, 1884. 48 Kühling, DVBl. 1981, 315, 316; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 11 ff.; Schenke, NJW 1983, 1882, 1884 ff. 49 Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 176; Gusy, DVBl. 1996, 722, 725 ff.; Kränz, JuS 1987, 451, 453 ff.; Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 89; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 185 f.; Middelberg, NVwZ 1997, 543, 545; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 86 ff.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 70 ff.; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887 ff.; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197. 50 Broß, DVBl. 1983, 377, 380; Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 275; Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 89; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 180 ff., 186 f.; dies., VBlBW 1982, 78, 80 f.; Middelberg, NVwZ 1997, 543, 545; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 15; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Scholz, in: FS Friauf, S. 439, 448. 51 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 273 ff.; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 46 ff.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 16 ff. 52 Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 174 f.; Broß, VerwArch. 74 (1983), 388, 389; ders., DVBl. 1983, 377, 379 f.; Kühling, DVBl. 1981, 315, 316 f.; Schenke, NJW 1983, 1882, 1889; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197 ff.

C. Die rechtliche Problematik

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II. Methodik der Problemlösung Sobald die einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Maßstäbe festgelegt sind, ist in einem weiteren Schritt zu fragen, welche Vorgehensweise bei der Problemlösung sinnvoll und ertragreich erscheint: Es lässt sich dabei zwischen einer partiellen und einer abstrakten Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zulässigkeit von Gebührenerhebungen im Gefahrenabwehrrecht unterscheiden. Die partielle bzw. auf den Einzelfall bezogene Klärung findet sich naturgemäß in den Entscheidungen der Gerichte. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass eine konkrete Regelung oder ein konkreter Sachverhalt herausgegriffen und einer rechtlichen Würdigung unterzogen wird. Geprüft wird in diesen Fällen, ob die Kostenüberwälzung für Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder deren Hilfsorgane etwa bei privaten Großveranstaltungen 53 oder Fluggastkontrollen 54 mit den aufgezeigten Maßstäben vereinbar ist. Gerichte sind grundsätzlich auf diese Problembehandlung festgelegt; sie nehmen in aller Regel nicht abstrakt zu einem Problem Stellung, das nicht Gegenstand des Verfahrens ist. 55 Diesem Vorgehen steht eine abstrakte oder generelle Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zulässigkeit von Polizeigebühren gegenüber. Auf diese Weise kann das Problem erörtert und einer Lösung zugeführt werden, ohne dass lediglich ein konkreter Sachverhalt Berücksichtigung finden müsste. Gleichwohl ist aber auch bei diesem Vorgehen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, die gefundenen Ergebnisse auf einen konkreten Sachverhalt anzuwenden: Ist eine abstrakte Regel aufgestellt, so lässt sich der Einzelfall hierunter subsumieren. Ein solches Vorgehen bietet sich für die Rechtswissenschaft geradezu an, da diese – anders als die Gerichte – nicht auf die Entscheidung über einzelne Rechtsstreitigkeiten festgelegt ist. Umso mehr mag es überraschen, dass in einer Vielzahl von Abhandlungen ein spezieller Sachverhalt 56 und / oder eine spezielle Kostennorm 57 heraus53

Vgl. VGH Mannheim, DVBl. 1981, 778; VG Frankfurt, NVwZ 1985, 214. BVerwGE 95, 188; BVerfG, DVBl. 1998, 1220. 55 Obiter dicta sind von Rechts wegen nicht als Regel, sondern als eine Ausnahme vorgesehen, vgl. z. B. die Vorgaben in § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesgerichtshofes v. 3. 3. 1952, BAnz. Nr. 83, S. 9: „Tatbestand und Entscheidungsgründe sind klar und möglichst kurz abzufassen. Sie sollen sich auf das Wesentliche und auf den Gegenstand der Entscheidung beschränken, auch entbehrliche Fremdwörter und nicht allgemein übliche Ausdrücke möglichst vermeiden.“ In der Rechtswirklichkeit sind über den Fall hinausgehende Feststellungen der Gerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, mitunter jedoch häufiger anzutreffen, vgl. dazu etwa Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 191 f. 56 Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 174 ff.; dies. VBlBW 1982, 78 ff. (jeweils private Veranstaltungen); Lege, VerwArch. 89 (1998), 71 ff. (Fußball-Bundesligaspiele); v. Brünneck, NVwZ 1984, 273 ff.; Kränz, JuS 1987, 451 ff.; Weichert, KJ 1984, 314 ff. (jeweils Demonstrationen); Ronellenfitsch VerwArch. 86 (1995), 307 ff. (Luftsicherheitsgebühr); Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 99 ff.; Kilian, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finan54

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1. Teil: Einleitung

gegriffen und zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden. Erklären lässt sich dieses Vorgehen mit der Tatsache, dass die mannigfaltigen Begrenzungskriterien im Rahmen einer Abhandlung von wenigen Seiten kaum erschöpfend durchleuchtet werden können.

III. Eigener Ansatz Die in Schrifttum und Rechtsprechung offerierten Ansatzpunkte sind regelmäßig nicht geeignet, die Frage nach der Zulässigkeit von Polizeigebühren über den jeweils in Rede stehenden Einzelfall hinaus zu beantworten. Bei der Auseinandersetzung mit der gebührenrechtlichen Problematik wird nicht selten übersehen, dass der Staat mit dem Bereithalten und dem Einsatz von Polizei- und Ordnungsbehörden seiner originären Verpflichtung zur Gewährleistung von Sicherheit nachkommt. Der Staat handelt zum Wohle seiner Bürger. Es ist ein bedeutsamer Zweck des modernen Staates, private Übergriffe und Gewalttätigkeiten zwischen den Individuen zu unterbinden und so dem menschlichen Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen. 58 Das dem Staat zur Gewährleistung dieses Zieles anvertraute Gewaltmonopol übt er durch seine Polizei- und Ordnungsbehörden aus. Die Leistung, die der Staat hierbei erbringt – Erhaltung des inneren Friedens und Schutz der staatlichen Gemeinschaft – ist für die physische Existenz des Menschen elementar. Rechtliche Bindungs- und Begrenzungswirkung kann diesem staatstheoretischen Ansatzpunkt indes nur dann zukommen, wenn das Grundgesetz diesen Gedanken in verbindliches Verfassungsrecht überführt hat. Es wird in dieser Arbeit zu zeigen sein, dass es für die Transformation des Staatszweckgedankens in bindendes Verfassungsrecht auf die Lehre von den Schutzpflichten des Staates für das Leben und die Gesundheit seiner Bürger ankommt. 59 Geht man davon aus, dass die Verfassung eine verbindliche Aussage über die im Interesse der Allgemeinheit durchzuführende Staatsaufgabe der Gefahrenabzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 35 ff. (jeweils bahnpolizeiliche Maßnahmen der Bundespolizei). 57 Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 174 ff.; dies. VBlBW 1982, 78 ff. (jeweils hinsichtlich § 81 Abs. 2 PolG BW a. F.); Middelberg, NVwZ 1997, 543 ff. (hinsichtlich § 32 des Landeskatastrophenschutzgesetzes Schleswig-Holstein [LKatSG] v. 4. 12. 1995, GVBl. 1996, S. 2); Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 99 ff.; Kilian, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 35 ff. (jeweils hinsichtlich § 3 Abs. 2 des Bundespolizeigesetzes [BPolG], BGBl. I 1994, S. 2978). 58 Siehe unten Zweiter Teil, A. II. 2. b) dd). 59 Dazu unten Zweiter Teil, B. II.; vgl. auch Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 27 ff.

D. Gang der Untersuchung

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wehr enthält, so muss in einem weiteren Schritt nach Vorgaben bezüglich ihrer Finanzierung gesucht werden. In diesem Zusammenhang gewinnen die Aussagen der Finanzverfassung des Grundgesetzes 60 an Bedeutung. Die Bundesrepublik Deutschland wird als Steuerstaat bezeichnet. 61 Ließe sich die Steuerstaatlichkeit nicht nur als eine Beschreibung der tatsächlichen Einnahmensituation begreifen, sondern stünde sie im Rang von Verfassungsrecht, so könnten ihr rechtsverbindliche Vorgaben auch zu der Finanzierung von staatlichen Aufgaben entnommen werden. Für die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr hätte dies möglicherweise zur Folge, dass sie aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden müsste, in welchen die Steuer als Gemeinlast einfließt. Setzte man die Aussagen der Verfassung zu der originären und finalen Staatsaufgabe und -verpflichtung der Gefahrenabwehr sowie den Finanzierungsmöglichkeiten staatlicher Aufgaben im Steuerstaat in Beziehung, so ließe sich eine neue Grenze für die Gebührenerhebung im Sicherheitsrecht ausmachen: die Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe müsste im Staate des Grundgesetzes über Steuermittel finanziert werden. Als eine Schranke von Verfassungsrang wäre sie vom Bundes- wie von den Landesgesetzgebern zwingend zu beachten.

D. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit soll klären, ob verfassungsrechtliche Grenzen existieren, jenseits derer es dem einfachen Abgabengesetzgeber untersagt ist, die staatliche Aufgabe der Gefahrenabwehr über Gebühren zu finanzieren. Bevor untersucht werden kann, welche Aussagen das Grundgesetz zu der Finanzierung von Staatsaufgaben enthält, ist in einem ersten Schritt herauszuarbeiten, was den Begriff der Staatsaufgabe ausmacht (Zweiter Teil, A.). Es kommt dabei insbesondere auf die Frage an, wie sich die staatliche von der öffentlichen Aufgabe abgrenzen lässt. Eine exakte Unterscheidung zwischen beiden Aufgabenarten ist von zentraler Bedeutung, da die weiteren Untersuchungen den Begriff der Staatsaufgabe voraussetzen und hierauf aufbauen. Es wird aber auch darauf einzugehen sein, wie sich die Staatsaufgabe zu den Kategorien des Staatszwecks sowie des Staatsziels verhält.

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Vgl. Art. 104a-115 GG, siehe ferner unten Dritter Teil, B. II. 5. e). Vgl. Scholz, in: FS Leisner, S. 797; zu der Frage, welche Vorgaben und Aussagen das Grundgesetz zu dem Begriff des Steuerstaates enthält – normative Verbindlichkeit im Sinne einer Verfassungsentscheidung oder Verfassungsvoraussetzung als Kategorie der Verfassungstheorie – vgl. Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 72; sowie unten Dritter Teil, B. 61

30

1. Teil: Einleitung

Die gewonnenen Ergebnisse sollen dazu beitragen, in einem zweiten Schritt Aussagen über Inhalt und Verbindlichkeit der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr zu entwickeln (Zweiter Teil, B.). Besteht Klarheit darüber, welchen Rang die Gefahrenabwehr im Staat einnimmt, kann überprüft werden, welche Vorgaben das Grundgesetz zur Finanzierung staatlicher Aufgaben enthält. Ausgangspunkt wird dabei die geschichtliche Entwicklung und die aktuelle Bedeutung der Staatsform des Steuerstaates sein (Dritter Teil, A.). Sollen die inhaltlichen Bestandteile des Steuerstaates den einfachen Gesetzgeber rechtlich binden, wird die Untersuchung aufzuzeigen haben, dass es sich bei der Steuerstaatlichkeit um eine Kategorie des Verfassungsrechts handelt (Dritter Teil, B.). Hieran anschließend muss untersucht werden, welche Folgen die Qualifizierung des deutschen Staates als Steuerstaat für die Finanzierung staatlicher Aufgaben im Allgemeinen, sowie für die Finanzierung der Gefahrenabwehr im Besonderen hat (Dritter Teil, C.). In dem abschließenden vierten Teil der Arbeit soll anhand der gefundenen Ergebnisse ein Ansatz entwickelt werden, mit dem sich die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht effektiv begrenzen lässt. Zunächst wird jedoch aufzuzeigen sein, welche Vorgaben das Grundgesetz zum Begriff der Gebühr enthält und für welche Maßnahmen des Staates Gebühren erhoben werden dürfen (Vierter Teil, A.). Daran anschließend soll überprüft werden, ob die Kriterien, die von Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagen werden, eine Gebührenerhebung effektiv begrenzen können (Vierter Teil, B.). Den angebotenen Lösungen wird schließlich der eigene Ansatz gegenüberzustellen sein, der die im dritten und vierten Teil der Untersuchung herausgearbeiteten Aussagen der Staatsaufgabenlehre mit denen des Steuerstaatsprinzips vereinigt (Vierter Teil, C.).

Zweiter Teil

Die Aufgaben des Staates Die Frage, wie der Staat die von ihm zu gewährleistende innere Sicherheit finanzieren muss, ist Gegenstand dieser Untersuchung. Bevor aber hierauf eine Antwort gegeben werden kann, muss zunächst untersucht werden, was unter der Aufgabe der Sicherheitsgewährleistung zu verstehen ist und wie sich dieser Handlungsbereich in das System staatlicher und öffentlicher Aufgaben einfügt. Bei der Gewährleistung von Sicherheit könnte es sich um eine dem Staat von der Verfassung übertragene und daher besonders wichtige Aufgabe handeln. Dies würde zum einen voraussetzen, dass die Kategorie der staatlichen Aufgabe überhaupt existiert und die Gefahrenabwehr zur Gewährleistung der inneren Sicherheit als eine solche staatliche Aufgabe anzusehen ist. Zum anderen müsste nachgewiesen werden, dass der inneren Sicherheit eine wichtige Funktion für die in einem Staat lebenden Menschen zukommt. Einen Beitrag zur Klärung dieser Frage leisten die Kategorien des Staatsziels und des Staatszwecks. Was sie bedeuten, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede diese Begrifflichkeiten aufweisen und welche rechtliche Verbindlichkeit ihnen zukommt, ist von Bedeutung für den weiteren Gang der Untersuchung. Denn: Ob ein Staat auf einem Sachgebiet tätig werden kann bzw. muss und welche Bedeutung dieses staatliche Engagement für die Gesellschaft hat, ist erheblich auch für die Frage nach dessen Finanzierung.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat I. Begriff und Gehalt der Kategorie Staatsaufgabe Hinsichtlich der Betätigungsfelder des Staates ist die Terminologie in Rechtsprechung und Literatur nicht immer einheitlich; insbesondere in den ersten zwei Jahrzehnten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1 als ungewollter Beitrag zur 1 Bei H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 756 f. findet sich eine Zusammenstellung der verschiedenen Aussagen des Gerichts zu staatlichen und öffentlichen Aufgaben: BVerfGE

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Begriffsverwirrung auf dem Gebiet der staatlichen Aufgabenerfüllung kritisiert. 2 So sei nicht immer klar zwischen dem Begriff der Staatsaufgabe und dem der öffentlichen Aufgabe getrennt worden. Auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird der Begriff der öffentlichen Aufgabe vielfach mit dem der Staatsaufgabe gleichgesetzt. 3 Für die Arbeit ist es daher von zentraler Bedeutung, dass Klarheit darüber hergestellt wird, was den Begriff der Staatsaufgabe auszeichnet und wodurch er sich von dem der öffentlichen Aufgabe unterscheidet. In einem ersten Schritt ist jedoch zunächst zu untersuchen, ob es sich bei der Lehre von den Staatsaufgaben um einen Teilbereich des Staatsrechts oder der Allgemeinen Staatslehre handelt. Dies deshalb, weil von der Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Disziplin sowohl die konkrete methodische Vorgehensweise als auch das heranzuziehende Quellen- und Anschauungsmaterial abhängt. 1. Disziplinäre Verortung der Staatsaufgabenlehre Der Begriff der Staatsaufgabe wird in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht. So ist einerseits in einem staatsrechtlichen Sinne von den „Staatsaufgaben im Grundgesetz“ 4 sowie der „Verfassung als Grundlage der Staatsaufgabenlehre“ 5 die Rede; daneben beschäftigt sich jedoch etwa auch die Allgemeine Staatslehre mit dem Problembereich staatlicher Aufgabenbewältigung. 6 Um die jeweiligen Aussagen über Begriff und Bedeutung von Staatsaufgaben für diese Untersuchung nutzbar zu machen, ist es zunächst erforderlich, sich die wesentlichen Unterschiede zwischen der Allgemeinen Staatslehre und dem Staatsrecht 8, 51, 63 (Abhaltung von Wahlen als öffentliche Aufgabe der Parteien); 10, 302, 327 (öffentliche Aufgaben des Vormunds); 11, 30, 39 (öffentliche Aufgabe des Kassenarztes); 14, 312, 317 (öffentliche Aufgabe der Sozialversicherung); 15, 235, 241 (öffentliche und staatliche Aufgaben der Industrie- und Handelskammern); 16, 147, 172 (Straßenbau als öffentliche Aufgabe). 2 Häberle, JuS 1967, 64, 73; H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 756; Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877; siehe später etwa Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 34. 3 Stellvertretend Baer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11 Rn. 14. 4 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 41. 5 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99; vgl. auch Häberle, AöR 111 (1986), 595, 600 f.; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 15 f. 6 Vgl. hierzu, und zu den ebenfalls mit den Staatsaufgaben befassten wissenschaftlichen Disziplinen der Staatsphilosophie, Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Verwaltungswissenschaft Becker, in: FS Geiger, S. 755 ff.; sowie ferner v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 465 ff.; Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 27 ff., S. 50 ff., der sich neben der „Lehre von den Staatsaufgaben im Bonner Grundgesetz“ auch mit den historischen und wissenschaftsgeschichtlichen Aspekten bei der Entwicklung von Staatsaufgaben befasst.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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zu verdeutlichen. Daran anschließend muss geklärt werden, in welcher dieser beiden staatsbezogenen Disziplinen die Staatsaufgabenlehre zu verorten ist. Die Allgemeine Staatslehre als die „Lehre vom Staat“ 7 behandelt das staatliche Gemeinwesen als eine allgemeine politische Erscheinung und konzentriert sich dabei auf die Themenkomplexe von prinzipieller Bedeutung: Staatsbegriff, Rechtfertigung des Staates, Wesen, Aufbau (Struktur sowie institutionelle und organisatorische Ausgestaltung) und Funktionen des Staates sowie seine klassischen Erscheinungsformen. 8 Es geht ihr mit anderen Worten um die Frage, was Staaten in ihren verschiedenen Erscheinungsformen ausmacht. 9 Zwar muss die Allgemeine Staatslehre zur Beantwortung dieser Frage auf das empirische Material konkreter Staaten und ihrer Verfassungen zurückgreifen; die wissenschaftlichen Erörterungen sind jedoch nicht auf einen bestimmten Staat ausgerichtet. 10 Die einzelnen staatlichen Erscheinungsformen der Vergangenheit und Gegenwart dienen vielmehr als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung auf systematischer und theoretischer Ebene, die insbesondere auch staatsphilosophische Fragestellungen in ihre Betrachtung mit einbezieht. 11 Die Allgemeine Staatslehre, disziplinär zwar bei den Rechtswissenschaften angesiedelt, 12 bemüht sich um den Staat als den Gegenstand ihrer Forschung aus juristischer, aber auch historischer, soziologischer und philosophischer Perspektive. 13 Dieser integrative und fachübergreifende Ansatz hat Einfluss auf die wissenschaftliche Methode der Allgemeinen Staatslehre, die nicht durch eine rechtsdogmatische Herangehensweise geprägt ist, sondern sich durch das Zusammentragen und Auswerten von rechtlichen Gegebenheiten und damit durch erklärende und beschreibende Momente auszeichnet. 14 Den Gegenstand des Staatsrechts bildet dagegen zum einen die Organisation des Staates, sowie zum anderen das Verhältnis zwischen Staat und Individuum. 15 7

Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 4. Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 3; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 48. 9 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 86; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, § 1 Rn. 6. 10 Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 3; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 49. 11 Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 3 f. 12 J. Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 2; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, § 1 Rn. 6. 13 Möllers, Art. Staatslehre, allgemeine, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2318 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 48 f. Zu den historischen, juristischen und soziologischen Methoden der Allgemeinen Staatslehre Badura, Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre, S. 124 ff., 133 ff., 151 ff. 14 Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 49; vgl. auch Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 8 f.; J. Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 2 f. 15 Vgl. nur Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 113 ff. Es handelt sich hierbei um eine geläufige Untergliederung des Staatsrechts, die auch in Literatur und Lehre nachgezeichnet wird. So lassen sich Lehrbücher wie auch Vorlesungen häufig in die Abschnitte Staatsorganisationsrecht (Staatsrecht I) sowie Grundrechte (Staatsrecht II) unterteilen. 8

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Auch dieser Teilbereich der Rechtswissenschaft, dies ergibt sich bereits aus dessen Bezeichnung, beschäftigt sich mit dem Staat. Das Staatsorganisationsrecht etwa hat neben den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen die Verfassungsorganisation sowie die Staatsfunktionen zum Gegenstand. 16 Anders als die Allgemeine Staatslehre aber, die sich abstrakt mit dem Phänomen Staat befasst, untersucht das Staatsrecht alle auftretenden Fragen im Hinblick auf einen konkreten Staat. Das Staatsrecht arbeitet daher mit einer konkreten Staatsrechtsordnung, so in der Bundesrepublik Deutschland mit den Vorgaben des Grundgesetzes. Die staatsrechtlichen Aussagen lassen sich aus diesem Grund verfassungsrechtlich fundieren und erlangen eine höhere rechtliche Verbindlichkeit als die Erkenntnisse der Allgemeinen Staatslehre. 17 Wenn von der Staatsaufgabenlehre unter dem Grundgesetz die Rede ist, so sind hiermit Gegenstand, Inhalt und Leitlinien staatlicher Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland angesprochen. 18 Im Einzelnen beschäftigt sich die Staatsaufgabenlehre mit der Entwicklung eines Staatsaufgabenbegriffs sowie mit der Katalogisierung und Kategorisierung staatlichen Handelns. Die so gewonnenen Aussagen tragen dazu bei, einzelne Staatsaufgaben und ihre Bedeutung für das Gemeinwesen bewerten zu können. 19 Weitere Fragestellungen betreffen die einzelnen Modalitäten der Aufgabenerfüllung sowie die Fragen der Organisation und Finanzierung von staatlicher Tätigkeit. 20 Die Aussagen über Grenzen und Maßgaben der Betätigung des Staates in Deutschland sind dabei eng verbunden mit den hierauf gerichteten Verfassungsaussagen und erlangen, anders als die Erkenntnisse der Allgemeinen Staatslehre, unmittelbare normative Verbindlichkeit. Zwar greift die Staatsaufgabenlehre auch auf die Erkenntnisse über Staatszwecke und damit auf staatstheoretische Aussagen zurück. Die Bezugnahme auf die Zwecke des Staates hat dabei jedoch nur unterstützenden und erklärenden Charakter; sie kann nicht zur Begründung unmittelbar verbindlicher Aussagen herangezogen werden. Die Staatsaufgabenlehre dagegen ist disziplinär dem Staatsrecht zuzuordnen; ihre Erkenntnisse sind nicht staatstheoretischer, sondern staatsrechtlicher und damit rechtsverbindlicher Natur.

16 Die genannten Themenbereiche finden sich etwa bei Maurer, Staatsrecht I, in den Teilen zwei bis vier, S. 165 ff., 359 ff., 513 ff. 17 Vgl. auch Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 3 f. 18 Vgl. v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 470; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 89. 19 Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 9 f. 20 Vgl. Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 9 f., auch zu weiteren Fragestellungen und Erkenntnismöglichkeiten der Staatsaufgabenlehre.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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2. Das Grundgesetz als Ausgangspunkt einer Staatsaufgabendefinition? Der Verfassungstext selbst enthält möglicherweise bereits erste Hinweise darauf, was unter einer staatlichen Aufgabe zu verstehen ist. a) Explizite Aussagen zum Staatsaufgabenbegriff im Grundgesetz Das Grundgesetz selbst erwähnt u. a. in Art. 30 GG im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im föderalistischen System die „Erfüllung der staatlichen Aufgaben“. 21 Als Ausgangspunkt für eine erste begriffliche Bestimmung lässt sich diese aus bundesstaatlicher Sicht zentrale Norm zwar durchaus heranziehen; 22 es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass der von Art. 30 GG gebrauchte Begriff der staatlichen Aufgabe nur dort verwendet werden kann, wo es um die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern geht. Die Norm gibt dabei vor, wann staatliche Aufgaben von den Ländern zu erfüllen sind und in welchen Ausnahmefällen der Bund zur Aufgabenwahrnehmung berufen ist. Um das Verteilungssystem des Art. 30 GG nicht zu umgehen, wird daher dem Sinn dieser Vorschrift eine Definition der staatlichen Aufgabe am besten gerecht, die möglichst umfangreich und umfassend ist. 23 Nur dann, wenn möglichst viele Tätigkeitsfelder als „staatliche Aufgaben“ i. S.v. Art. 30 GG anzusehen sind, kann diese Vorschrift zum Einsatz 21 So heißt es in Art. 30 GG: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.“ Neben Art. 30 GG finden sich in weiteren Vorschriften vereinzelt Aussagen zu staatlichen Aufgaben. So regelt Art. 24 Abs. 1a GG, unter welchen Voraussetzungen die Länder befugt sind, die ihnen zur Erfüllung zugewiesenen staatlichen Aufgaben auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen. Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG verdeutlicht, dass dem Bund bei der Bundeswasserstraßenverwaltung solche staatlichen Aufgaben betreffend die Binnen- und Seeschifffahrt durch Gesetz übertragen werden können, die über das Territorium eines Landes hinausreichen. Setzt man die zitierten Vorschriften in Bezug zu Art. 30 GG, so wird deutlich, dass der Begriff der staatlichen Aufgabe stets in dem gleichen Kontext verstanden wird. Art. 24 Abs. 1a sowie Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG knüpfen an die Grundentscheidung des Art. 30 GG zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung an und regeln Einzel- bzw. Sonderfälle der staatlichen Aufgabenverteilung. Für die vorliegende Untersuchung soll daher ausschließlich Art. 30 GG als die Grundnorm der staatlichen Aufgabenverteilung Berücksichtigung finden. 22 So etwa H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 757 f.; ders., Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24: „Der Begriff der ,staatlichen Aufgaben‘ ist in Anlehnung an Art. 30 GG und damit an das föderalistische Kompetenzverteilungssystem zu bestimmen.“ Auf Art. 30 GG verweist auch Di Fabio, JZ 1999, 585, 587. 23 Gubelt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 6 ff., 10; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 146, 150 ff.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 14 ff., 18: „umfassender Aufgabenbegriff“.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

gelangen und so die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern aufteilen. Vor diesem Hintergrund werden als staatliche Aufgaben im Sinne des Art. 30 GG gemeinhin all diejenigen Tätigkeiten verstanden, zu deren Erfüllung der Staat verpflichtet ist oder zu deren Wahrnehmung er sich berufen fühlt. 24 Obwohl ein Grundkonsens über den Begriff der staatlichen Aufgabe hergestellt werden kann, sind Einzelfragen auf diesem Gebiet im Schrifttum zu Art. 30 GG noch umstritten. Ungeklärt ist etwa, ob nur solche Tätigkeitsbereiche von dem Staatsaufgabenbegriff erfasst werden, die eine rechtsförmliche Betätigung des Staates erfordern oder ob etwa auch schlicht-hoheitliches Handeln unter Art. 30 GG subsumiert werden kann. Zudem bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine staatliche Aufgabe zwingend durch Stellen der unmittelbaren Staatsverwaltung wahrgenommen werden muss oder ob auch juristische Personen des Privatrechts zum Einsatz gelangen dürfen. 25 Als zu eng erscheint in diesem Zusammenhang die Beschränkung auf staatliche Maßnahmen der Eingriffsverwaltung. 26 Gelangte Art. 30 GG nur auf diesem Gebiet zur Anwendung, würde eine Vielzahl staatlicher Handlungsbereiche von der Aufgabenzuweisung nicht erfasst, obwohl in der Vergangenheit gerade im Bereich der Leistungsverwaltung ein kontinuierlicher Anstieg der Staatstätigkeit zu verzeichnen ist. 27 Vermittelnd wird daher vorgeschlagen, Staatsaufgabe im Sinne des Art. 30 GG sei jedwedes staatliche Handeln mit Ausnahme der fiskalischen Hilfsgeschäfte sowie der erwerbswirtschaftlichen Betätigung. 28 Dies solle jedenfalls dann gelten, wenn die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit oder die fiskalischen Hilfsgeschäfte von Bund und Ländern ersichtlich nicht im öffentlichen Interesse liegen. 29 Auch eine solche Sichtweise entspricht aber nicht dem Zweck, eine möglichst umfassende Verteilungsregel aufzustellen, von der Ausnahmen nur durch die Verfassung zugelassen werden können. Denn gerade auch die Veräußerung staatlichen Eigentums, die Beteiligung an Wirtschaftsunterneh24 Vgl. nur Gubelt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 6; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 146. 25 Vgl. etwa Gubelt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 8. 26 Ebenso die ganz h. M., vgl. BVerfGE 12, 205, 244; Gubelt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 8; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 14; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 150; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 3; Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 32 f.; März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 44 f.; a. A. noch Peters, in: FG Kaufmann, S. 281, 294 („staatlich“ im Sinne von „obrigkeitlich“). 27 Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 150. 28 Gubelt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 8; ähnlich Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 19. 29 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 19. Vgl. aber auch dens., a. a. O., der zutreffend darauf hinweist, dass sich erwerbswirtschaftliche Erwägungen und öffentliche Aufgabenwahrnehmung häufig nicht klar unterscheiden lassen.

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men oder das Tätigen von Bedarfsdeckungsgeschäften sind bedeutsame Bereiche staatlichen Handelns, die einen Bezug zu den Belangen der Allgemeinheit aufweisen können. 30 Auch faktisch stellen die genannten Tätigkeitsfelder keine zu vernachlässigende Ausnahme dar, der nur untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung zukäme. 31 So ist etwa der Bund derzeit an wirtschaftlich potenten Unternehmen wie der Deutschen Bahn AG, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie den Betreibergesellschaften der Flughäfen Berlin-Schönefeld, Köln / Bonn und München beteiligt. 32 Die zur Bedarfsdeckung von der Verwaltung getätigten Geschäfte haben einen jährlichen Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro. 33 Aus diesem Grund wird im Rahmen von Art. 30 GG vielmehr von einem weiten, auch erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten und fiskalische Hilfsgeschäfte umfassenden Staatsaufgabenbegriff auszugehen sein. 34 Wie erwähnt, lassen sich Art. 30 GG zwar wichtige Aussagen über die Verteilung von staatlichen Aufgaben zwischen Bund und Ländern entnehmen. Für die vorliegende Untersuchung kann die Norm jedoch nicht herangezogen werden: Der Vorschrift liegt ausweislich ihres Wortlauts die Entscheidung des Verfassunggebers zugrunde, grundsätzlich die Länder mit der Erfüllung staatlicher Aufgaben zu betrauen. Dieses Verteilungssystem würde umso stärker destabilisiert, je weniger Sachgebiete dem Begriff der staatlichen Aufgabe in Art. 30 GG zugeordnet werden könnten. Das Bemühen um eine weite, umfassende Definition lässt sich unter diesem Aspekt durchaus nachvollziehen. Der Staatsaufgabenlehre, auf die es vorliegend ankommt, geht es jedoch nicht um eine Unterscheidung zwischen Bundes- und Länderaufgaben, ihr Interesse richtet sich vielmehr auf die Abgrenzung der staatlichen Wirkbereiche von Handlungsfeldern der Gesellschaft. 35 Je umfassender in diesem Zusammenhang der Begriff der Staatsaufgabe definiert würde, desto vehementer stünde der Vorwurf einer Bevormun30

So sichert die Beteiligung etwa an großen Automobilkonzernen dem Staat ein erhebliches Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht und ermöglicht so die Umsetzung arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Zielsetzungen. Auch die Ausstattung der Bundeswehr mit neuen Waffen und Fahrzeugen trägt einen Teil zur Gewährleistung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik bei. 31 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 73. 32 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Beteiligungsbericht 2007, S. 25 ff., 52 ff., 75 ff. 33 Vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 43 (300 Milliarden Euro); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 21 (250 Milliarden Euro), jeweils bezogen auf die jüngere Vergangenheit, jedoch ohne Nennung eines genauen Bezugszeitraums; zuletzt Kramer / André, JuS 2009, 906 (360 Milliarden Euro). 34 So auch Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 3; Bothe, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 30 Rn. 17; Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 33; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 28; März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 44 f. Ebenso Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 54 f.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

dung der Bürger durch einen autoritären Staat im Raume. 36 Gesellschaftliche Einheiten würden regelmäßig von der Aufgabenerfüllung ausgeschlossen, wenn der Staat den ganz überwiegenden Teil der Tätigkeitsbereiche für sich beanspruchte. Damit gem. Art. 30 GG die Aufgaben des Staates zwischen Bund und Ländern verteilt werden können, muss bereits feststehen, welche Aufgaben der Staat im Verhältnis zur gesellschaftlichen Sphäre überhaupt wahrnehmen darf. Diese verfassungsrechtliche Verteilungsregel setzt damit bereits voraus, dass Klarheit darüber besteht, ob Staatsaufgaben – in Abgrenzung zu Aufgaben der Gesellschaft – vorliegen. 37 Differenziert man zwischen einer primären Ebene, auf der geklärt werden muss, ob es sich bei der konkreten Angelegenheit überhaupt um eine staatliche Aufgabe handelt, und einer sekundären Ebene, auf der danach gefragt wird, wer die staatliche Aufgabe zu erfüllen hat, so ist Art. 30 GG auf der letztgenannten Stufe anzusiedeln. 38 Der Staatsaufgabenbegriff des Art. 30 GG kann damit nicht übertragen und angewendet werden auf die Abgrenzung von Aufgaben des Staates zu solchen der Gesellschaft. Was unter Staatsaufgaben – als Aufgaben des Staates in Abgrenzung zu Aufgaben der Gesellschaft – zu verstehen ist, kann daher nicht mit Hilfe von Art. 30 GG, sondern nur anhand von solchen Aussagen untersucht werden, die sich mit dem Verhältnis des Staates und seinen Untergliederungen zu dem Bereich der Gesellschaft befassen. b) Kompetenzkataloge der Art. 72 ff. GG und Staatsaufgaben Verschiedentlich wird bei der Bestimmung dessen, was den Begriff der Staatsaufgabe ausmachen soll, auf Art. 72 Abs. 3, Art. 73 Abs. 1 GG sowie Art. 74 Abs. 1 GG verwiesen. 39 Für diese Verfassungsnormen gelten jedoch cum grano 35 Ob die mit Problemen der Staatsaufgabenlehre befassten Abhandlungen tatsächlich stets einen Beitrag zur sinnvollen Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft leisten, ist damit freilich noch nicht gesagt, vgl. dazu nur die Bedenken bei Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 75. 36 Zu diesem Einwand Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 888. 37 Ebenso Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 53; vgl. auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 317. 38 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 69, spricht bei den verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die das Vorliegen einer Staatsaufgabe voraussetzen, prägnant von „Konsequenzenvorschriften“. 39 Vgl. Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 41; zu den Kompetenzkatalogen der Art. 70 ff. sowie Art. 83 ff. GG und ihrer Funktion als Erkenntnisquelle für Staatsaufgaben Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 42; sowie Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 316, wonach Anhaltspunkte für Staatsauf-

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salis die Ausführungen zu Art. 30 GG. Sie betreffen mit der Gesetzgebungskompetenz einen Teilbereich der bundesstaatlichen Zuständigkeitsverteilung. Ebenso wie Art. 30 GG setzen diese Normen voraus, dass bereits eine staatliche Aufgabe vorliegt, damit diese zwischen den staatlichen Ebenen verteilt werden kann. Aussagen darüber, was eine staatliche Aufgabe kennzeichnet oder welche Elemente für den Begriff der Staatsaufgabe konstitutiv sind, finden sich in diesen Bestimmungen nicht. 40 c) Die verbleibende Rolle des Grundgesetzes bei der Bestimmung eines Staatsaufgabenbegriffes Die vorstehenden Ausführungen erwecken den Eindruck, dass der Verfassung für den Bereich der Staatsaufgaben keine Aussagen entnommen werden können. 41 Eine solche Bewertung würde indes die vielfältigen Regelungsgehalte des Grundgesetzes nicht hinreichend berücksichtigen. Richtig ist zunächst, dass eine Definition dessen, was staatliche Aufgabe ist, im Verfassungstext nicht zu finden ist. Keine Norm des Grundgesetzes behandelt die Frage, was die wesentlichen Merkmale einer Staatsaufgabe sind und in welchem Zusammenhang dieser Begriff gebraucht werden kann. Der Wunsch nach einer (Legal-)Definition steht jedoch zumeist nur am Anfang einer umfassenden Auseinandersetzung mit einer Sachfrage. Ihm folgen weitere methodische Überlegungen: Neben der Definition muss etwa geklärt werden, welche Staatsaufgaben das Grundgesetz nennt, welcher Stellenwert bestimmten Staatsaufgaben zukommt und in welchen Bereichen staatliche Aufgabenwahrnehmung besonders intensiv ist. Angesprochen sind damit systematische Aspekte wie Rangfolge, Typen und Sachmaterien von Staatsaufgaben, die zum Teil von den oben 42 genannten Normen behandelt werden. Auch für weitere Fragen staatlicher Aufgabenerfüllung lassen sich dem Grundgesetz wichtige Regelungen entnehmen, auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung noch einzugehen sein wird. 43 Festzuhalten ist jedoch, dass die gaben „am ehesten den Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 72 ff. und 83 ff. GG“ zu entnehmen seien; kritischer zu Recht Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 31 f., der feststellt, dass „Kompetenzkataloge nicht ohne weiteres als Kataloge von Staatsaufgaben aufgefasst werden können“. Vgl. zu der begrifflichen Unterscheidung von Aufgaben und Kompetenzen auch unten A. III. 2. 40 Ähnlich Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 21. 41 In diese Richtung etwa Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 315; sowie Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 23 f., der auf den höheren Normierungsgrad anderer europäischer Verfassungen verweist. 42 Oben A. I. 2. a) und b). 43 Mittelbar lassen sich dem Grundgesetz Aussagen über die staatliche Aufgabenerfüllung etwa durch die Staatszielbestimmungen entnehmen, dazu näher unten A. II. 3. und 4.

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Frage nach dem Begriff der Staatsaufgabe anhand der Art. 30, 70 ff. GG nicht zu beantworten ist. Zur Klärung dieser Frage muss vielmehr auf die formellen bzw. materiellen Kriterien zurückgegriffen werden, die in Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden sind. 44 3. Der Staatsaufgabenbegriff in Rechtsprechung und Lehre a) Bedeutung einer begrifflichen Präzisierung Mit dem Begriff der Staatsaufgabe soll deutlich gemacht werden, dass eine bestimmte Betätigung der staatlichen Sphäre zugeordnet wird. Die Frage, ob etwas Staatsaufgabe ist, hat insbesondere Bedeutung für die Modalitäten der Aufgabenerfüllung: Problematisch ist in diesem Zusammenhang etwa, ob, und wenn ja, in welchem Umfang der Staat die Erfüllung bestimmter Aufgaben an Private übertragen und ob er die Wahrnehmung einzelner staatlicher Aufgaben von der Zahlung einer Gegenleistung abhängig machen kann. Mit dem Begriff der Staatsaufgabe können zudem stärkere rechtliche Bindungen korrespondieren, als dies bei dem Vorliegen einer nicht-staatlichen Aufgabe der Fall wäre. Der Staat ist bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben möglicherweise in viel stärkerem Maße an die Verfassung, hier insbesondere an die Grundrechte, gebunden als dies bei dem Bürger der Fall ist, der im öffentlichen Interesse tätig wird. Diese Erwägungen machen eine klare Unterscheidung zwischen Staatsaufgaben und (nicht-staatlichen) öffentlichen Aufgaben erforderlich, 45 die ihrerseits von einer eindeutigen Bestimmung des Begriffs der Staatsaufgabe abhängt. Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, was Aufgabe des Staates ist, lassen sich zwei Ansätze unterscheiden, die zu der Herausbildung eines materiellen bzw. eines formellen Staatsaufgabenbegriffs geführt haben. b) Materieller Staatsaufgabenbegriff Nach einer gelegentlich vertretenen Auffassung sollen nur solche Aufgaben als Staatsaufgaben bezeichnet werden, die sich aus der Verfassung ergeben oder die aus einem Staatszweck abgeleitet werden können. 46 Die Vertreter dieser Position 44

Siehe dazu sogleich im Folgenden. Anders Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 35 f., für den öffentliche wie staatliche Aufgaben dasselbe bezeichnen sollen und der daher auf den Begriff der öffentlichen Aufgabe verzichten will. Aufgaben, die von der Gesellschaft im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden (öffentliche Aufgaben) können dann aber nicht mehr von denjenigen Aufgaben unterschieden werden, die rein privaten Interessen dienen sollen (private Aufgaben). Kritisch zu der Unterscheidung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben auch Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 151 f. 45

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argumentieren, das Grundgesetz selbst lege inhaltlich fest, welche Aufgaben vom Staat wahrzunehmen seien. 47 Staatliche Betätigungsfelder, die sich verfassungsrechtlich nicht begründen ließen, könnten durch den einfachen Gesetzgeber daher nicht mehr eingeführt werden. Als zweite Quelle legitimer Staatsaufgaben könne darüber hinaus die staatstheoretische Kategorie des Staatszwecks herangezogen werden. Der Zweck des Staates betreffe dabei die Frage nach der Legitimität eines Gemeinwesens und umfasse so bedeutsame Ziele wie die Gewährleistung von Sicherheit und Freiheit, auf deren Erreichen alle staatlichen Einrichtungen hinzuwirken hätten. 48 Da alles staatliche Handeln, so die Argumentation, nur dann gerechtfertigt werden könne, wenn es der Förderung eines bestimmten Staatszwecks diene, ließen sich alle staatszweckorientierten Betätigungen des Staates – aber auch nur diese – als Staatsaufgaben begreifen. c) Formeller Staatsaufgabenbegriff Nach Ansicht der Rechtsprechung wie auch des überwiegenden Teils der Literatur soll der Begriff der Staatsaufgabe dagegen in einem formellen Sinne zu verstehen sein. 49 Als Staatsaufgaben werden demnach alle im öffentlichen Inter46 Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, S. 33 f.; vgl. auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 91, für den der Bezug zum Staatszweck zwingende Voraussetzung für eine Staatsaufgabe ist; dagegen allein auf die Verfassung als Quelle der Staatsaufgaben abstellend Häberle, AöR 111 (1986), 595, 600 f.; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 15 f.; zustimmend Schuppert, Staatswissenschaft, S. 310. Siehe ferner auch Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 153, der Staatsaufgaben versteht als öffentliche Aufgaben, welche durch einen Rechtsakt auf Verfassungsstufe oder Völkerrecht dem Staat zur selbständigen Erfüllung übertragen werden. 47 Häberle, AöR 111 (1986), 595, 600 f.; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 15 f.; in diesem Sinne auch Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, S. 32 ff., ohne dabei aber konkrete Beispiele von verfassungsrechtlich normierten Staatsaufgaben zu nennen. 48 Vgl. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 91: „Staatszweck als Sinn und Seinsbestimmung des Staates“; sowie allgemein zu der Bedeutung des Staatszwecks unten A. II. 2. b). 49 BVerfGE 12, 205, 243; 37, 314, 322; 41, 205, 217; sowie Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 61; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 288; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 18 f.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben durch Private, S. 14 f.; Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 30; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 13; Kube, DStJG 29 (2006), 11, 13; Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 8; Schoch, DVBl. 1994, 962; Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 150 f.; im Grundsatz ebenso Badura, in: FS Selmer, S. 19; Gusy, DÖV 1996, 573, 578; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 50; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 116; Pernthaler, in: Blickle / Hüglin / Wyduckel (Hrsg.), Subsidiarität als

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esse liegenden Aufgaben verstanden, die dem Staat verbindlich zugewiesen sind oder auf die er im Rahmen des Rechts zugreift. 50 Nach diesem Ansatz sind als staatliche Aufgaben damit zum einen alle Angelegenheiten anzusehen, deren Erfüllung dem Staat vom Grundgesetz vorgegeben ist. 51 Zum anderen werde eine Angelegenheit aber auch dadurch zur Staatsaufgabe, dass sich der Staat in „irgendeiner Form“ mit ihr befasse. 52 Der zunächst expansiv erscheinende Charakter dieses Verständnisses („alle Aufgaben, auf die der Staat zugreift“) lasse sich durch den zweiten Aspekt („im Rahmen des Rechts“) sodann wieder relativieren. Legt man den formellen bzw. offenen Staatsaufgabenbegriff zugrunde, so gliedert sich die Qualifizierung einer Aufgabe als Staatsaufgabe in zwei Schritte. Es muss zunächst festgestellt werden, ob der Staat die Aufgabe in irgendeiner Form an sich gezogen hat bzw. auf diese Aufgabe zugreift. Dies kann durch ein die Sachmaterie betreffendes Gesetz geschehen; 53 darüber hinaus ist es aber auch denkbar, dass der staatliche Zugriffsakt etwa über die Errichtung neuer Fachbehörden, die mit der Erfüllung bestimmter Aufgaben betraut werden, oder auf andere Weise erfolgt. 54 Wenn festgestellt worden ist, dass ein staatlicher Zugriffsakt vorliegt, muss sodann untersucht werden, ob sich der Staat rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 179, 188; Püttner / Kretschmer, Die Staatsorganisation, S. 59; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52. 50 Zu den beiden begriffsbestimmenden Momenten der Orientierung am öffentlichen Interesse und des staatlichen Zugriffsakts innerhalb der rechtlichen Vorgaben vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 13. 51 Die Tatsache, dass Staatsaufgaben auch bei Anwendung des formellen Staatsaufgabenbegriffs durch eine verfassungsrechtliche Verpflichtung entstehen können, wird nicht immer deutlich herausgestellt, vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 61 („Aufgrund der in Art. 1 Abs. 3 GG enthaltenen Kompetenzregel ist der Staat prima facie allzuständig. Öffentliche Aufgaben werden dadurch zu Staatsaufgaben, daß er sie wahrnimmt“); Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 358 („staatliche Aufgabe ist nur, was der Staat oder ein ihm zuzurechnendes Rechtssubjekt selbst tut“). So wird man auch unter Zugrundelegung eines formellen Verständnisses anzuerkennen haben, dass es sich bei Aufgaben, deren Erfüllung dem Staat vom Grundgesetz zwingend vorgeschrieben ist, um Staatsaufgaben handelt, vgl. zu Beispielen unten Fn. 64. 52 BVerfGE 12, 205, 243. 53 Vgl. etwa § 2 des Luftsicherheitsgesetzes v. 11. 1. 2005, BGBl. I 2005, S. 78, wonach die Luftsicherheitsbehörde die Aufgabe hat, Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwenden. 54 Beispiele hierfür sind in der Praxis freilich selten. Zieht die Verwaltung neue Aufgaben an sich, so unterliegt sie jedenfalls dann dem Vorbehalt des Gesetzes, wenn damit Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger verbunden sind, Schnapp, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 54; zum Meinungsstreit in Bezug auf die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes vgl. dens., in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 53 ff. In „wesentlichen“ Fragen ist dann jedoch ein Gesetz im materiellen Sinne nicht ausreichend, so dass auch hier häufig der Zugriffsakt über ein Parlamentsgesetz erfolgen wird (vgl. zur „Wesentlichkeitstheorie“ nur Schnapp, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 56).

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nach Maßgabe des Rechts mit dieser Aufgabe befasst hat. Eine bedeutsame verfassungsrechtliche Grenze staatlichen Handelns stellt nach zutreffender Ansicht etwa das Subsidiaritätsprinzip dar, 55 wonach dem Staat zwar eine Verantwortung, nicht aber das Monopol für gemeinwohlorientierte Aufgaben zukommt. 56 Das Subsidiaritätsprinzip entfaltet dort, wo der Einzelne oder die Gesellschaft eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahrnehmen können, eine Sperrwirkung gegenüber der staatlichen Betätigung. 57 Nur dort, wo privater Einsatz oder gesellschaftliches Engagement der Umsetzung einer Aufgabe nicht oder nicht hinreichend gerecht werden, ist der Staat dazu berufen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln tätig zu werden. 58 Im Unterschied zum materiellen Staatsaufgabenbegriff, der einen abgeschlossenen Katalog von staatlichen Aufgaben voraussetzt, stellt der formelle Staatsaufgabenbegriff es dem parla-

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Ob es sich hierbei um eine Grenze der Staatstheorie oder aber eine solche des Verfassungsrechts handelt, ist umstritten. Richtigerweise wird man von einer (jedenfalls mittelbaren) verfassungsrechtlichen Verankerung auszugehen haben, so etwa Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 315; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 69 (normative Wirkung über die Grundrechte); Ronellenfitsch, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 98 Rn. 34 (Bestimmung des Subsidiaritätsprinzips über Grundrechte und andere Verfassungsprinzipien); Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 51 f.; Kalkbrenner, in: FS Küchenhoff, Hbd. II, S. 515, 529 f.; Karpen, NJW 1988, 2512, 2516, 2519; Oppermann, JuS 1996, 569, 570 („ungeschriebenes Strukturprinzip“, vergleichbar mit Staatszielbestimmungen); dagegen etwa Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 96 f.; Herzog, Der Staat 2 (1963), 399, 411 ff.; Schuppert, VerwArch. 71 (1980), 309, 333 f.; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 156; tendenziell auch Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 35 f. Unbestritten sind hingegen die Fälle, in denen das Subsidiaritätsprinzip deutlich durch die grundrechtlichen Gewährleistungen umgesetzt wird. So würde etwa eine Staatsaufgabe „Kinderpflege und -erziehung“ mit der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG kollidieren, in der das Subsidiaritätsprinzip seinen Ausdruck gefunden hat, vgl. BVerfGE 10, 59, 83; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 282 f.; Häberle, Verfassungsschutz der Familie, S. 31; kritisch hierzu aber Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 88. Näher zum Ganzen Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 70 ff.; Pieper, Subsidiarität, S. 36 ff.; Würtenberger, StWuStPr 4 (1993), 621, 623 f. 56 Fleiner-Gerster, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 25, 36; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 367; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 110 f.; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 65 ff., 68; vgl. auch Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 51; sowie ausführlich Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 190 ff. 57 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 278; Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 51 („Funktionssperre“). 58 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 272 f.; Pieper, Subsidiarität, S. 37.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

mentarischen Gesetzgeber weitgehend frei, sich mit einer Aufgabe zu befassen und sie damit zu einer staatlichen Aufgabe zu machen. d) Bewertung Die Argumente, die von den Vertretern eines materiellen Staatsaufgabenbegriffes angeführt werden, halten einer kritischen Überprüfung nicht stand. So wird etwa hervorgehoben, dass der materielle Staatsaufgabenbegriff besser dazu geeignet sei, auf aktuelle Anforderungen an staatliches Handeln zu reagieren. 59 Als Beispiel für eine materiell verstandene Staatsaufgabe wird der Umweltschutz genannt, für den der Staat mit Art. 20a GG eine leicht umzusetzende Handlungsanweisung erhalten habe. Nur durch die verfassungsrechtliche Verankerung sei es möglich gewesen, dass der Staat seine Aufgaben auf diesem Gebiet flexibel und dynamisch erfüllen könne. 60 Bereits ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von Art. 20a GG zeigt indes, dass dieses Argument an der Realität vorbeigeht. Die im Bundestag vertretenen Fraktionen konnten sich erst nach mehreren Legislaturperioden über den genauen Wortlaut der Norm verständigen. 61 Das Beispiel des grundgesetzlich vorgegebenen Umweltschutzes macht deutlich, dass der materielle Staatsaufgabenbegriff wenig geeignet ist, auf kurzfristigen staatlichen Handlungsbedarf angemessen zu reagieren. Jede neue Aufgabenbegründung wäre mit einer Verfassungsänderung verbunden; staatliche Aufgabenerfüllung könnte so über Jahre hinweg gelähmt werden. Der materielle Staatsaufgabenbegriff verzögert jedoch nicht nur die Aufgabenwahrnehmung, er kann sie mitunter gar vollständig verhindern. Wenn alle Staatsaufgaben entweder im Grundgesetz normiert oder durch einen Staatszweck vermittelt sein müssten, so führte dies dazu, dass der Staat bestimmte Aufgaben zwingend wahrzunehmen hätte, andere Aufgaben dagegen mangels Normierung oder Ableitbarkeit nicht wahrnehmen dürfte. Alle im öffentlichen Interesse lie59 Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, S. 33 f. Anders zu Recht Eichenberger, in: Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. I, S. 103, der gerade bei einem formalen Aufgabenverständnis die Möglichkeit des Staates hervorhebt, auch auf kurzfristig eintretende Ereignisse zu reagieren. 60 Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, S. 34. 61 Vgl. zur Entstehungsgeschichte BT-Drucks. 10/990 (Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN); BT-Drucks. 10/1502 (Gesetzentwurf der SPD-Fraktion); BTDrucks. 10/4636 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); BTDrucks. 11/10 (Gesetzentwurf der SPD-Fraktion); BT-Drucks. 11/604 sowie 11/663 (Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN); BT-Drucks. 11/885 (Gesetzentwurf des Bundesrates); BT-Drucks. 11/7423 (Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU / CSU und FDP); BT-Drucks. 12/6000 (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und zum Tierschutz).

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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genden Aufgaben, für die der Staat keine Wahrnehmungskompetenz besäße, verblieben damit im Verantwortungsbereich der Gesellschaft. Probleme ergäben sich jedoch dann, wenn weder der einzelne Private noch eine gesellschaftliche Gruppierung über den erforderlichen Sachverstand oder die nötigen Finanzmittel zur Aufgabenerfüllung verfügten. Obwohl die Aufgabe in diesem Fall von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden könnte, wäre es auch der staatlichen Sphäre untersagt, in dem betroffenen Bereich tätig zu werden. Ein solches Ergebnis ließe sich nur dann vermeiden, wenn von dem Erfordernis eines abgeschlossenen Aufgabenkatalogs in bestimmten Fällen abgesehen würde. Wohingegen der materielle Staatsaufgabenbegriff nicht ohne dogmatische Inkonsequenz zu einer Aufgabenzuweisung gelangen könnte, ist es dem Staat nach der formellen Betrachtungsweise problemlos möglich, die Aufgabe – unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, das eine nachrangige staatliche Aufgabenwahrnehmung nur bei ebenso effektiver Erfüllung durch die Gesellschaft vorsieht – an sich zu ziehen. Neben den sich schon hier abzeichnenden Schwächen eines materiellen Staatsaufgabenbegriffs, soll im Folgenden untersucht werden, ob die Vorwürfe gegenüber einem formellen Aufgabenverständnis berechtigt sind. Ein Einwand, dem sich der formelle Staatsaufgabenbegriff ausgesetzt sieht, ist geradezu obligatorisch bei Meinungsstreitigkeiten, die sich in formelle und materielle Positionen unterteilen lassen: 62 Der rein formellen Bestimmung von Staatsaufgaben, so wird vorgebracht, ermangele es an inhaltlichen Vorgaben. Ihr Nachteil bestehe darin, dass sie rein formaler Natur sei. 63 Bei einem solchen Vorwurf handelt es sich zunächst jedoch nur um eine feststellende Behauptung, die noch nichts über Vor- oder Nachteile der jeweiligen Methode aussagt. Selbst wenn man aber diese Tatsache ausblendet, bestehen hinsichtlich der geäußerten Sachkritik erhebliche Bedenken. Inhaltliche Aspekte fließen auch bei der formellen Staatsaufgabenbetrachtung durch die Vorgabe ein, dass sich der staatliche Zugriff per definitionem in den Bahnen des Verfassungsrechts zu bewegen hat. Dieses Erfordernis stellt damit zum einen sicher, dass der Staat die Vorgaben umsetzt, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. So könnte dort nicht von einer staatlichen Aufgabe gesprochen werden, wo das Verfassungsrecht einem staatlichen Tätigwerden entgegensteht. Zum anderen enthält das Grundgesetz – wenngleich nicht abschließend im Sinne eines Aufgabenkatalogs – durchaus Verpflichtungen zu staatlicher Aufgabenübernahme, die auch von einem formellen 62 Vgl. nur die unterschiedlichen Positionen etwa bei der Auslegung des Merkmals der Unmittelbarkeit im Zusammenhang mit § 25 Abs. 1 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) i. d. F. der Bekanntmachung v. 1. 4. 2005, GVBl. I 2005, S. 142. Auch hier werden gegen die sog. formelle Ansicht des VGH Kassel, NVwZ 1982, 44, 45; NVwZ-RR 1993, 94, 97 (dort allerdings zu Recht) Bedenken vorgebracht, so etwa von Molitor, JA 1992, 303 ff. 63 So Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 91.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Aufgabenverständnis zu berücksichtigen sind. 64 Der Sache nach handelt es sich also um einen überwiegend formalen Staatsaufgabenbegriff, der durch materielle Aspekte angereichert wird. Der Vorteil einer formellen Bestimmung liegt demgegenüber nahe: Die Abgrenzung zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben wird befreit von der bestehenden Unsicherheit, ob einzelne Verfassungsnormen oder Staatszwecke für die Aufgabenbestimmung konkret fruchtbar gemacht werden können. Ein weiterer Einwand gegen den formellen Staatsaufgabenbegriff betrifft das Verhältnis von Staatszwecken und Staatsaufgaben. Da Staatszweck und Staatsaufgabe aufeinander bezogen seien, könnten nur solche Aufgaben vom Staat wahrgenommen werden, deren Notwendigkeit sich aus einem Staatszweck ergebe. 65 Staatsaufgaben dürften folglich Staatszwecke nicht überschreiten. 66 Ein formelles Staatsaufgabenverständnis könne jedoch gerade nicht gewährleisten, dass jede staatliche Aufgabe mit einem Staatszweck korrespondiere. Richtig an dieser Überlegung ist zunächst, dass auch die staatstheoretische Kategorie des Staatszwecks mit der Staatsaufgabenerfüllung in Beziehung steht. 67 So kommt den Zwecken des Staates bei der Systematisierung und Bewertung von Staatsaufgaben insoweit eine Bedeutung zu, als einzelne Staatszwecke in Bezug zueinander gesetzt werden können und dieses Verhältnis auf die Erfüllung von Staatsaufgaben ausstrahlt. 68 Bei Staatszwecken handelt es sich aber nicht um eine rechtliche Kategorie, 69 so dass sie für eine normativ verbindliche Begründung von Staatsaufgaben nicht herangezogen werden können. Die Beschränkung von Staatsaufgaben auf mit ihnen korrespondierende Staatszwecke lässt sich zudem mit der Realität staatlicher Aufgabenerfüllung nur schwer in Einklang bringen. Nimmt man die klassischen Staatszwecke Sicherheit, Freiheit und soziale Sicherheit in den Blick, 70 so können hiermit zwar die Kernbereiche staatlicher Betätigung bzw. Aufgabenerfüllung erfasst werden. Die aktuelle Situation staatlicher 64 Aufgabenzuweisungen ergeben sich dabei insbesondere aus den Grundrechten, so etwa aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG (Aufgabe der Überwachung von elterlicher Erziehungstätigkeit) und Art. 7 Abs. 1 GG (Aufgabe der Überwachung des gesamten Schulwesens). Auch die sog. Staatszielbestimmungen machen Vorgaben zu staatlicher Aufgabenerfüllung, vgl. dazu näher unten A. II. 3. 65 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 91. 66 Vgl. Herschel, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 221, 232; Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 264; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 91. 67 Zu diesem Aspekt unten A. II. 4. b). 68 Ähnlich auch Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 53, der zwischen formellem Staatsaufgabenbegriff und der Verfolgung bestimmter Staatszwecke keinen Widerspruch erblickt. Zum Verhältnis des Staatszwecks der (physischen) Sicherheit zu Freiheit und sozialer Sicherheit vgl. unten A. II. 2. b) dd). 69 Näher zu der Kategorie des Staatszwecks unten A. II. 2. 70 Vgl. etwa Isensee, JZ 1999, 265, 271, sowie unten A. II. 2. b) cc).

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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Aufgabenerfüllung, die den Tierschutz gleichermaßen umfasst wie wirtschaftslenkende Maßnahmen, lässt sich aber nur mit großen Schwierigkeiten auf die genannten klassischen Staatszwecke zurückführen. Ein letzter Einwand gegen den formellen Staatsaufgabenbegriff setzt schon bei den Voraussetzungen für eine formelle Staatsaufgabenbestimmung an. Wenn sich Staatsaufgaben dadurch auszeichneten, dass der Staat hier als Aufgabenträger in Erscheinung trete, bei öffentlichen Aufgaben dagegen Private oder Teile der Gesellschaft mit der jeweiligen Angelegenheit befasst seien, so müsse Klarheit darüber bestehen, wie sich die staatliche von der gesellschaftlichen Sphäre abgrenzen lasse. Gerade eine solche Abgrenzung sei aber nicht für jeden Einzelfall möglich, da in der Praxis häufig organisatorische Mischformen bestünden, die weder dem Staat noch der Gesellschaft eindeutig zugeordnet werden könnten. 71 Dieser Einwand ist nicht unberechtigt: Tatsächlich lassen sich Aufgabenträger ausmachen, die Bezüge zu beiden Rechtssphären, der staatlichen wie der gesellschaftlichen Sphäre, aufweisen. Der Beliehene, obwohl formal natürliche oder juristische Person des Privatrechts, rückt durch den Beleihungsakt der staatlichen Sphäre näher. Auf der anderen Seite nehmen öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften, obwohl formal als juristische Person des öffentlichen Rechts verfasst, vom staatlichen Einwirkungsbereich Abstand, wenn bei der Aufgabenwahrnehmung ihre Grundrechte betroffen sind. Diesen Beispielen ließen sich weitere hinzufügen. Der vorgebrachte Einwand wird damit zu einer Vorgabe an und Voraussetzung für den formellen Staatsaufgabenbegriff. Nur dort, wo feststeht, ob die staatliche oder die gesellschaftliche Sphäre handelt, ist eine formelle Abgrenzung anhand der Aufgabenträgerschaft überhaupt möglich. Nur dann, wenn für jeden Fall geklärt ist, dass es sich bei dem Aufgabenträger um den Staat und nicht um die Gesellschaft handelt, lässt sich bestimmen, ob eine Aufgabe Staatsaufgabe oder öffentliche Aufgabe ist. 72 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass ein materielles Staatsaufgabenverständnis nicht flexibel auf die sich ändernden Anforderungen an staatliche Tätigkeitsfelder reagieren kann. Zudem besteht die Gefahr, dass staatliches Engagement in nicht normierten oder nicht von Staatszwecken erfassten Bereichen unterbleiben muss. Für den formellen Staatsaufgabenbegriff spricht dagegen, dass er eine einfache und damit rechtssichere Unterscheidung von staatlichen und nicht-staatlichen Aufgaben ermöglicht. Er erlaubt es dem Staat zudem, in angemessenem Umfang tätig zu werden, ohne dabei jedoch Teile 71 Vgl. zu diesem Aspekt etwa Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 31; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 94 ff. 72 Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Frage, in welchen Fällen es sich um einen Aufgabenträger aus der staatlichen Sphäre handelt und wann dagegen Teile der Gesellschaft eine konkrete Aufgabe wahrnehmen, erfolgt im Rahmen der Abgrenzung von öffentlicher und staatlicher Aufgabe, dazu unten A. I. 4. b).

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

der Gesellschaft von der Erfüllung staatlicher Aufgaben auszuschließen bzw. zu benachteiligen. e) Zwischenergebnis Es kann damit festgehalten werden: Unter den Begriff der Staatsaufgabe fallen nach hergebrachtem und auch dieser Arbeit zugrunde gelegtem Verständnis solche Handlungs- und Tätigkeitsbereiche, die dem Staat rechtsverbindlich zugeordnet sind oder von diesem nach Maßgabe des Rechts konkret wahrgenommen werden. 73 Die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Wahrnehmung muss dabei durch die Verfassung vermittelt werden. 74 Eine verfassungsrechtliche Vermitt73 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 13; Stern, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 5, 18; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 153 f.; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 365; ähnlich Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 150. Die Definition von Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 32, 95, die allein auf das Verpflichtungsmoment abstellt und dieses als den entscheidenden Begriffsbestandteil ansieht, überzeugt dagegen nicht. Wäre der Begriff der Staatsaufgabe per definitionem mit einer Handlungsverpflichtung gleichzusetzen, so verbliebe für die Kategorie der obligatorischen Staatsaufgabe kein eigener Anwendungsbereich mehr, vgl. dazu unten B. III. 2. b). 74 Di Fabio, JZ 1999, 585, 587; Häberle, AöR 111 (1986), 595, 604; Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 30; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 13. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht kann Staatsaufgaben schaffen und zuweisen, vgl. Art. 10 S. 1 EGV, BGBl. II 1998, S. 386, der insoweit von Verpflichtungen spricht, die sich aus dem Vertrag oder den Handlungen der Gemeinschaftsorgane ergeben, vgl. dazu schon Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50. Das Begriffserfordernis einer verfassungsrechtlichen Vermittlung meint jedoch nicht, dass nur das Grundgesetz selbst Staatsaufgaben kreieren und benennen kann. Der einfache Gesetzgeber muss sich keinem absoluten Verfassungsvorbehalt für Staatsaufgaben unterwerfen, er ist vielmehr berufen, neue Staatsaufgaben unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten politischen Ermessens festzulegen, vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 44 ff. Die möglicherweise aufkeimende Befürchtung, der Staat könne nun jede öffentliche Aufgabe zu einer Staatsaufgabe machen, wenn er sich nur in irgendeiner Form damit befasse (vgl. BVerfGE 12, 205, 243), wird durch den Verweis auf den Subsidiaritätsgrundsatz der Boden entzogen. Danach darf sich der Staat nur dann einer Aufgabe annehmen, wenn sie durch gesellschaftliche Gruppierungen oder Einzelinitiativen nicht ebenso gut und effektiv erfüllt werden kann, vgl. oben A. I. 3. c). Diese Beschreibung lehnt sich an den Subsidiaritätsgedanken der katholischen Soziallehre an. Zwar ist dieser von dem unter dem Grundgesetz geltenden Subsidiaritätsprinzip zu unterscheiden, vgl. Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 52. Da aber bei der Entstehung des Grundgesetzes eine „subsidiaritätsfreundliche Grundstimmung“ (Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 148) herrschte, kann bei der inhaltlichen Bestimmung des verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips auch auf die Aussagen der katholischen Soziallehre zurückgegriffen werden: „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten (...) für die (...) übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen (...). Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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lung ist jedoch nicht im Sinne eines materiellen Aufgabenbegriffes dahingehend zu verstehen, dass Staatsaufgaben nur von dem Grundgesetz zugewiesen werden könnten. 75 Der Begriff meint vielmehr, dass der Zugriffsakt des Staates auf eine Aufgabe nicht den Vorschriften des Grundgesetzes widersprechen darf. Ein so verstandener formeller Staatsaufgabenbegriff setzt allerdings voraus, dass ein in sich konsistentes System zur Bestimmung der staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre vorhanden ist. Anders gewendet ist ein formell bestimmter Staatsaufgabenbegriff nur dann praktikabel, wenn zuvor Klarheit darüber hergestellt wurde, welche Personengruppen und Rechtsfiguren als staatliche Aufgabenträger angesehen werden können. Die nachstehenden Ausführungen sollen zur Entwicklung eines solchen Systems der Aufgabenträgerschaft beitragen und so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass öffentliche und staatliche Aufgaben anhand von formellen Kriterien voneinander abgegrenzt werden können. Der hier zugrunde gelegte formelle Staatsaufgabenbegriff ist zunächst nur für die Frage bedeutsam, ob überhaupt eine Staatsaufgabe in Rede steht. Für die daran anknüpfenden Problemfelder, etwa ob die Staatsaufgabe verfassungsrechtliche Bindungswirkung entfaltet und ob es sich um eine ausschließliche Staatsaufgabe handelt, sind dagegen materielle Erwägungen, hier insbesondere solche der Staatstheorie und des Verfassungsrechts, von erheblicher Bedeutung. Auf diese Erwägungen wird an anderer Stelle zurückzukommen sein. 76 4. Öffentliche Aufgabe und Staatsaufgabe Mit der Frage, wer durch Staatsaufgaben begründende Normen berechtigt oder verpflichtet wird, ist zugleich und zwangsläufig das Verhältnis von öffentlichen und staatlichen Aufgaben angesprochen. a) Öffentliches Interesse als gemeinsames Merkmal Der öffentlichen Aufgabe ist zunächst mit der Staatsaufgabe gemein, dass die jeweils in Bezug genommene Angelegenheit im Interesse des Gemeinwohls, d. h. im öffentlichen Interesse, erfüllt wird. 77 (...) subsidiär (...).“ (n. 79 der Enzyklika Quadragesimo Anno v. 15. 5. 1931, zit. nach v. Nell-Breuning, Die Rundschreiben Leos XIII. und Pius’ XI., S. 96 f.). Siehe hierzu auch Herzog, Der Staat 2 (1963), 399 ff., insb. 401 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 18 ff. 75 Vgl. oben Fn. 74. 76 Dazu am Beispiel der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr unten B. II. und III. 77 Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 56; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 12; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 16 f.; zum Begriff

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Denn öffentliche wie staatliche Aufgaben werden von den jeweils Berechtigten oder Verpflichteten wahrgenommen, um einen Teil zu der Herstellung des „guten Lebens“ 78 beizutragen. Eine wichtige Voraussetzung für die Qualifizierung einer Aufgabe als öffentliche Aufgabe oder Staatsaufgabe ist daher das Tätigwerden im öffentlichen Interesse. 79 Die Öffentlichkeit muss an der Aufgabenerfüllung maßgeblich interessiert sein. 80 Nach dem Gesagten kann es sich somit weder um öffentliche Aufgaben noch um Staatsaufgaben handeln, wenn der Aufgabenträger ausschließlich im privaten Interesse tätig wird. Bevor eine Abgrenzung zwischen öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben vorgenommen werden kann, ist in einem ersten Schritt daher stets die zugrunde liegende Interessenlage zu erörtern. Um unter die Begriffe des öffentlichen Interesses sowie Privatinteresses subsumieren zu können, muss zunächst deren Bedeutung und Inhalt näher bestimmt werden. aa) Der Begriff des öffentlichen Interesses Als öffentliche Interessen sind solche Güter zu qualifizieren, die von dem Gemeinwesen gehegt oder angestrebt werden. 81 Dies können etwa die Belange der in den Staat eingegliederten Verbände (besondere öffentliche Interessen) 82 oder die Interessen einer in der staatlichen Gemeinschaft zusammengeschlossenen unbestimmten Anzahl von Rechtsträgern (allgemeine öffentliche Interessen) sein. 83 Da der Begriff des öffentlichen Interesses Bedeutsamkeit für die der öffentlichen Aufgabe ferner Stober, NJW 2008, 2301, 2303. Die Begriffe „öffentliches Interesse“ und „Gemeinwohl“ werden häufig synonym gebraucht, vgl. Häberle, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, S. 157, 159. Für die nähere Bestimmung dessen, was öffentliche Aufgabe ist, muss demnach eine Inhaltsbetrachtung vorgenommen werden; vgl. auch Pernthaler, in: Blickle / Hüglin / Wyduckel (Hrsg.), Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 179, 186. 78 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 14. 79 Zum Interessenbegriff im Allgemeinen sowie zum Begriff des öffentlichen Interesses im Besonderen Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 29 Rn. 3, 6 ff. 80 Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 151. 81 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 5. Dass mit dieser Definition nicht alle terminologischen Probleme beseitigt sind, vielmehr weiterhin in großer Zahl offene Fragen und Unsicherheiten verbleiben, belegen die engagierten wie umfangreichen Auseinandersetzungen mit dem Begriff des Öffentlichen bzw. des öffentlichen Interesses, vgl. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff; Preuß, Zum staatsrechtlichen Begriff des Öffentlichen; Uerpmann, Das öffentliche Interesse. Zum öffentlichen Interesse aus polizeirechtlicher Perspektive vgl. Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 228 ff. 82 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 29 Rn. 13. 83 Leisner, DÖV 1970, 217, 218; vgl. Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 29 Rn. 6 ff.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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Legitimation staatlichen Handelns erlangt, verwundert es nicht, dass er in der Rechtswirklichkeit des Verfassungsstaates stets zugegen ist. 84 In vielen Gesetzen wird der Begriff explizit verwendet, 85 ohne ihn dabei jedoch zu definieren. Mitunter finden sich in einzelnen Normen auch Umschreibungen oder spezielle Ausprägungen des Begriffs des öffentlichen Interesses. 86 Die Allgegenwärtigkeit des Begriffs folgt aus der Gemeinwohlbindung des Staates. Jede Staatstätigkeit geschieht im öffentlichen Interesse; sie ist auf die öffentlichen Belange auszurichten. 87 Der Staat besitzt indes kein Monopol bei der Realisierung öffentlicher Belange. Auch private Akteure können im öffentlichen Interesse tätig werden. 88 bb) Der Begriff des privaten Interesses Im Gegensatz zu öffentlichen Interessen werden private Interessen umschrieben als Belange und Sonderinteressen des Einzelnen oder einer Gruppe von Personen, die keinen Bezug zum staatlichen Gemeinwesen aufweisen. 89 Tätigkeiten im ausschließlich privaten Interesse können zwangsläufig nur von priva84

Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 169 ff. Kritisch zu dieser Situation Leisner, DÖV 1970, 217, der Bedenken gegen eine ausufernde Verwendung des Begriffs hegt, solange seine Bedeutung nicht hinreichend geklärt sei. Ähnlich auch Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 54 ff., der von einer Überfrachtung von Vorschriften mit Gesichtspunkten des öffentlichen Interesses spricht. 85 Vgl. z. B. § 38 Abs. 3 Nr. 2 AktG: „Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung der Satzung darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind (...)“; § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG: „Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Umweltauswirkungen, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen“; § 136 Abs. 1 BauGB: „Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen in Stadt und Land, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegen, werden nach den Vorschriften dieses Teils vorbereitet und durchgeführt“; § 525 Abs. 2 BGB: „Liegt die Vollziehung der Auflage im öffentlichen Interesse, so kann nach dem Tod des Schenkers auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen“; weitere Beispiele: § 25 Abs. 5 BBodSchG; § 14 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, S. 2 BDSG; § 21 Abs. 1 Nr. 3, 4 BImSchG; § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG sowie § 224a Abs. 1 S. 1 AO. 86 § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst v. 10. 9. 1998 (DWDG), BGBl. I 1998, S. 2871 (Interesse an einer sparsamen Haushaltsführung); § 9 Abs. 1 S. 2 BWaldG sowie § 9 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) i. d. F. der Bekanntmachung v. 26. 6. 2006, BGBl. I 2006, S. 1386 (Belange der Allgemeinheit). 87 Dürig, JZ 1953, 535, 536; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 208 f.; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 5; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 73; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 166; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 29 Rn. 1; vgl. auch Isensee, Salus publica – suprema lex?, S. 47. Speziell zur Gemeinwohlorientierung der Verwaltung Trute, in: Schuppert / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329, 330. 88 Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 56 f.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

ten Gruppen und Einzelpersonen wahrgenommen werden; 90 dem Staat ist ein Engagement in diesem Bereich aufgrund der Verpflichtung auf das Gemeinwohl untersagt. 91 Ausschließlich privatnütziges Staatshandeln wäre illegitim. Der Rekurs auf private Interessen oder deren Umschreibung findet sich zwar in einigen Normen; im Vergleich zum Begriff des öffentlichen Interesses ist der Begriff im Rechtsalltag jedoch unterrepräsentiert. 92 cc) Überschneidungen von öffentlichen und privaten Interessen Eine allgemeingültige Qualifizierung einzelner Angelegenheiten als im öffentlichen oder im privaten Interesse liegend ist – von wenigen evidenten Fällen einmal abgesehen – 93 wegen der häufig bestehenden Wechselwirkungen zwischen den Interessensphären des Staates sowie des Einzelnen schwierig. Wie das öffentliche Interesse mittelbar auch einem privaten Interesse, kann auch das private dem öffentlichen Interesse zugutekommen. 94 Wollte man etwa die 89

Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 5; ferner Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 149 f.; zu Beispielen aus dem Bereich des Bauplanungsrechts vgl. Krautzberger, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 1 Rn. 101. 90 Zwar sind Konstellationen denkbar, in denen ein privates Interesse auch im öffentlichen Interesse liegen kann, ein staatliches Engagement folglich nicht ausgeschlossen ist, vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 37. Das Vorliegen eines ausschließlichen Privatinteresses ist von dieser Situation aber gerade zu unterscheiden: Im erstgenannten Fall verwandeln sich private in öffentliche Interessen und werden damit (auch) zu einem Belang der Allgemeinheit. Im zweiten Fall findet eine solche „Transformation“ gerade nicht statt; das Privatinteresse zeitigt hier keinen Nutzen für das allgemeine Wohl. 91 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 5; vgl. zur Ausrichtung staatlichen Handelns auf das Gemeinwohl auch Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 69; dens., DVBl. 2009, 1072, 1077; dens., AöR 134 (2009), 542, 548, 554; dens., Plebiszitäre Gesetzgebung in das Grundgesetz?, im Erscheinen, sub III. 3. 92 Siehe etwa § 1 Abs. 7 BauGB, der eine Abwägung der öffentlichen mit den privaten Belangen vorschreibt, sowie § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, wonach die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nur dann entfällt, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet wird, dazu Häberle, DVBl. 1967, 220, 221. Weitere Beispiele von gesetzlich normierten Einzelinteressen finden sich bei Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 61 ff. 93 Ein klassisches Beispiel für die im öffentlichen Interesse erfolgende Staatstätigkeit ist die Gefahrenabwehr, vgl. Leisner, DÖV 1970, 217, 220. Kauft etwa eine Privatperson, um ein klassisches Gegenbeispiel zu benennen, einen Luxusgegenstand für den eigenen Gebrauch, so erfolgt dies im privaten (partikularen) Interesse. 94 Vgl. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 269. Zu den Schwierigkeiten, Individualinteressen und Kollektivinteressen klar voneinander abzugrenzen,

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Geschäfte, welche die Verwaltung zur Deckung ihres Sachbedarfs tätigt, dem rein privaten Interesse zuordnen, so wird übersehen, dass die Beschaffung von Einsatzwagen der Polizei mittelbar der im öffentlichen Interesse liegenden Gefahrenabwehr dient. 95 Allein der privatrechtliche Charakter eines Vertrags, den die Behörde zur Bedarfsdeckung schließt, macht die staatliche Tätigkeit nicht zu einer privatnützigen Tätigkeit. Auch die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, die mit der Gewinnerzielungsabsicht ein scheinbar privates Interesse verfolgt, dient häufig übergeordneten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zielsetzungen und damit einem öffentlichen Interesse. 96 Daneben kann die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand zu einer Belebung des Wettbewerbs, Förderung strukturschwacher Regionen sowie Sicherung wichtiger Güter führen, bei deren Produktion der Staat nicht ausschließlich auf private Unternehmen angewiesen sein möchte. Trotz dieser Verquickung von unterschiedlichen Interessensphären lassen sich Kriterien ausmachen, die einen ersten Anhaltspunkt für die Abgrenzung von individuellen und öffentlichen Belangen geben. So kann etwa danach unterschieden werden, auf wie viele Personen sowie auf welche Rechtsgüter sich die in Rede stehende Maßnahme konkret auswirkt. Je größer der betroffene Personenkreis und je schützenswerter das betroffene Rechtsgut, desto eher wird man ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung annehmen können. 97 Einen Hinweis kann auch das Rechtsgebiet geben, dem die konkreten Rechtsbeziehungen zuzuordnen sind: 98 Ein nach bürgerlichem Recht zu beurteilender Kaufvertrag über einen beweglichen Gegenstand i. S.v. § 433 BGB sowie die Übereignung der Kaufsache nach § 929 S. 1 BGB liegen im Interesse der Vertragsparteien und damit im privaten Interesse. Der Staat hat sich durch die Gewährleistung der Privatautonomie 99 aus diesem Bereich weitgehend zurückgezogen. 100

siehe etwa Schuppert, in: ders. / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 19, 30 f. 95 Zu einem anderen Beispiel siehe bereits oben Fn. 30. 96 Im Ergebnis ebenso Cremer, DÖV 2003, 921, 922; vgl. zur Grundrechtsbindung des Staates bei privatrechtlichem Verwaltungshandeln etwa Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 102 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 38 ff. 97 Vgl. Leisner, DÖV 1970, 217, 221 f.; sowie dens., Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 269, der am Beispiel der Gefahrenabwehr feststellt, dass private Interessen von besonderem Gewicht Teil des öffentlichen Interesses werden können. 98 Zum öffentlichen Interesse im Rahmen der Unterscheidung von Privatrecht und öffentlichem Recht vgl. bereits Neumann, Annalen des Deutschen Reichs 1886, 357, 407 ff. 99 Zu Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit als einzelnen Ausprägungen der Privatautonomie nur Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, Rn. 100. 100 Freilich tritt der Staat in Gestalt der Legislative zunächst durch die Schaffung der einschlägigen Rechtsnormen in Erscheinung. Kommt es während oder nach dem Kauf-

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In Zweifelsfällen, in denen öffentliche und private Interessen eng miteinander verschränkt sind, 101 spricht vieles dafür, das öffentliche Interesse in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. 102 Wenn eine bestimmte staatliche Tätigkeit sowohl öffentliche als auch private Interessen tangiert, sollte ihr Gemeinwohlbezug daher nicht in Abrede gestellt werden. Dies ergibt sich für staatliches Handeln aus dem bereits erwähnten Leitbild, nach dem alle Staatstätigkeit auf das öffentliche Interesse auszurichten ist. Die Verfassung selbst misst etwa dem öffentlichen Interesse an der wirtschaftlichen Betätigung des Staates eine Bedeutung bei, indem sie in dem zugewiesenen Rahmen eine entsprechende Tätigkeit der öffentlichen Hand akzeptiert. 103 Würde man in diesem Fall hingegen von einem ausschließlich privaten Interesse ausgehen, so müsste der Staat die entsprechenden Tätigkeiten aufgrund der Gemeinwohlverpflichtung seines Handelns einstellen. 104 vorgang zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien, so müssen u. U. staatliche Gerichte über den Fall entscheiden. 101 Dies wird mit Ausnahme der erwähnten Evidenzfälle regelmäßig der Fall sein, vgl. zum Zusammenwirken öffentlicher und privater Interessen etwa Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, S. 558 ff.; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 60 ff., und passim; Leisner, DÖV 1970, 217 ff.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 198; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 150 f.; Schuppert, in: ders. / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 19, 30 f.; sowie aus der Literatur zu § 1 Abs. 7 BauGB exemplarisch Krautzberger, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 1 Rn. 101. 102 Ähnlich Wertenbruch, in: GS Schmidt, S. 89, 96, der es (für das Vorliegen von Staatsaufgaben) genügen lässt, dass eine „überlagernde öffentlich-rechtliche Zwecksetzung“ vorliegt. Damit lassen sich auch solche Aufgaben als Staatsaufgaben qualifizieren, die zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend im öffentlichen Interesse liegen. Auch Saladin, Wozu noch Staaten?, S. 106 schlägt vor, den Bereich des „Öffentlichen“ weit zu interpretieren. 103 Cremer, DÖV 2003, 921, 922. So beinhaltet der Begriff des Bundesbetriebs in Art. 110 Abs. 1 GG (vgl. F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 [1998], 137, 140) ebenso wie das in Art. 135 Abs. 6 GG genannte Unternehmen des privaten Rechts eine wirtschaftliche Betätigung des Staates, vgl. Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 71. Ob von den genannten Verfassungsbestimmungen jedoch auch die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates erfasst sein soll, wird angezweifelt von Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 226 f. 104 Dass auch Fälle denkbar sind, in denen das private Interesse das öffentliche Interesse überwiegen kann, wird etwa anhand von § 1 Abs. 7 BauGB deutlich. Die Norm sieht vor, dass die öffentlichen und privaten Belange untereinander abzuwägen sind und schließt damit nicht aus, dass im Einzelfall einem privaten Interesse der Vorrang vor einem öffentlichen Interesse einzuräumen ist. Der hier vorgestellte Ansatz, wonach bei einem Zusammentreffen von privaten und öffentlichen Interessen die letztgenannten Interessen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken sind, wird von § 1 Abs. 7 BauGB jedoch nicht berührt: § 1 Abs. 7 BauGB enthält Vorgaben dazu, wie der Staat den Schutz von privaten Interessen im bauplanungsrechtlichen Abwägungsvorgang zu gewährleisten hat. Die vorliegende Untersuchung behandelt jedoch nicht die Problematik, welche Interessen der Staat bei bestimmten Sachfragen berücksichtigen muss. In Rede steht vielmehr die

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dd) Zwischenergebnis Festzuhalten ist damit, dass sowohl öffentliche als auch staatliche Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllt werden. Sie unterscheiden sich in diesem Merkmal von privaten bzw. rein privatnützigen Aufgaben, die an den individuellen Belangen einzelner Personen ausgerichtet sind. Öffentliche Aufgaben werden dabei von der Gesellschaft und ihren Untergliederungen wahrgenommen; die staatliche Aufgabe kann hingegen begriffsnotwendig nur aus der Sphäre des Staates heraus erfüllt werden. 105 Die hier vorgenommene Differenzierung zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben darf indes nicht den Blick dafür versperren, dass auch die vom Staat wahrgenommenen Aufgaben im öffentlichen Interesse liegen und – von ihrem materiellen Gehalt her – als „öffentliche“ Aufgaben zu qualifizieren sind. Anders gewendet handelt es sich bei der Staatsaufgabe um einen Unter- bzw. Spezialfall der öffentlichen Aufgabe. Um eine klare Aussage darüber zu ermöglichen, aus welcher Sphäre heraus die jeweilige Angelegenheit erfüllt wurde, sollte bei einer Aufgabenwahrnehmung durch den Staat der Begriff der öffentlichen Aufgabe aber vermieden werden. Öffentliches und privates Interesse unterscheiden sich durch das materielle Kriterium des Gemeinwohlbezugs. Lässt sich eine Nähe zum Gemeinwesen nicht feststellen, so liegt die in Rede stehende Tätigkeit im privaten Interesse. Dient die Aufgabe dagegen den Belangen der Allgemeinheit, so werden stets öffentliche Interessen berührt. Da häufig sowohl öffentliche als auch private Interessen betroffen sind, sollte in diesen Fällen dem öffentlichen Interesse das stärkere Gewicht beigemessen werden, um staatliche Aktivitäten mit (jedenfalls mittelbarem) Gemeinwohlbezug nicht in den Bereich des Rechtswidrigen zu rücken. Wenn ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung feststellbar ist, so muss auf einer zweiten Stufe zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben unterschieden werden.

jeder staatlichen Aktivität vorgelagerte Frage, in welchen Konstellationen sich staatliches Handeln überhaupt rechtfertigen lässt. 105 Vgl. auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 303, der die öffentliche Aufgabe als „trägerneutral“ beschreibt. Eine solche Bezeichnung sollte indes vermieden werden, da sie Unklarheiten über den Kreis der potentiellen Aufgabenträger nicht beseitigt, sondern verstärkt: Öffentliche Aufgaben fördern das Gemeinwohl und werden von Teilen der Gesellschaft wahrgenommen. Auch staatliche Aufgaben dienen dem öffentlichen Interesse. Sie können jedoch nur aus der staatlichen Sphäre heraus erfüllt werden. Staatsaufgaben stellen damit einen Unterfall der öffentlichen Aufgaben dar, vgl. dazu auch sogleich im Folgenden. Berücksichtigt man diese Differenzierung, bezeichnet man die vom Staat wahrgenommenen Aufgaben folglich als Staatsaufgaben, kommt als Aufgabenträger für öffentliche Aufgaben in jedem denkbaren Fall nur die Gesellschaft in Betracht. Öffentliche Aufgaben sind daher nicht „trägerneutral“, sondern „gesellschaftsimmanent“.

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b) Aufgabenträgerschaft als Unterscheidungskriterium zwischen öffentlichen und staatlichen Aufgaben Öffentliche Aufgaben und Staatsaufgaben können somit nicht danach unterschieden werden, ob sie im öffentlichen Interesse liegen. 106 Wie gezeigt, ergeben sich Unterschiede dagegen in Bezug auf den jeweiligen Kreis der Aufgabenträger. So lassen sich verschiedene Gruppen von Adressaten identifizieren, die mit der Aufgabenerfüllung in Verbindung stehen: Eine erste Gruppe besteht dabei aus Privatpersonen, juristischen Personen des privaten Rechts und sonstigen privaten Vereinigungen. 107 Erfüllen die genannten Rechtssubjekte Aufgaben im öffentlichen Interesse, so bedarf der Klärung, ob es sich hierbei um staatliche oder öffentliche Aufgaben handelt. Eine zweite Gruppe stellen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts dar. Ebenso wie für die erste Gruppe ist auch hier zu untersuchen, ob die genannten juristischen Personen der gesellschaftlichen oder der staatlichen Sphäre zuzurechnen sind. Im letztgenannten Fall nehmen sie staatliche, im erstgenannten Fall öffentliche Aufgaben wahr. Schließlich bilden Bund und Länder, die durch Bundes- bzw. Landesbehörden handeln, eine dritte Gruppe von Aufgabenträgern. Auch bei der Aufgabenerfüllung durch Einrichtungen der unmittelbaren Staatsverwaltung sind Fälle denkbar, in denen zweifelhaft ist, ob klassische Staatsaufgaben erfüllt werden. So wird zu klären sein, ob Behörden auch dann der staatlichen Sphäre zuzuordnen sind, wenn sie etwa fiskalische Hilfsgeschäfte vornehmen.

106 Wenn Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 878, öffentliche Aufgaben definiert als solche, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist, so ist damit das für eine Unterscheidung unerlässliche Merkmal noch nicht genannt. Wie soeben gezeigt, werden auch Staatsaufgaben im öffentlichen Interesse erfüllt. 107 Zu den sonstigen privaten Vereinigungen zählen zum einen die nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen, wie etwa der nicht rechtsfähige Verein oder die Bruchteilsgemeinschaft nach den §§ 741 ff. BGB. Zum anderen unterfallen dem Begriff auch die nicht rechtsfähigen Vermögensmassen, vgl. zu beiden Begriffen näher Müller-Franken, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 122 AO Rn. 136 ff. Soweit es um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben geht, kommt der nicht rechtsfähigen Stiftung des privaten Rechts besondere Bedeutung unter den sonstigen privatrechtlichen Vereinigungen zu, da ihr Ziel doch häufig die Unterstützung und Förderung im künstlerisch-kulturellen Bereich sein wird. So nennt etwa § 2 Abs. 2 der Satzung der Stiftung zur Förderung begabter Schüler der Städtischen Musikschule Düsseldorf v. 13. 1. 1981, Düsseldorfer Amtsblatt Nr. 4 v. 24. 1. 1981, S. 3, als Stiftungszweck die „leihweise Bereitstellung guter Musikinstrumente“. Die Stiftung John Neumeier, um ein weiteres Beispiel für eine nicht rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts zu nennen, widmet sich der Erhaltung von Sammlungen zu den Themen Tanz und Ballett für die Stadt Hamburg, vgl. das Profil der Stiftung, abrufbar unter http://www.johnneumeier.org/index_1.html (zuletzt aufgerufen am 2. 1. 2010).

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aa) Privatrechtssubjekte als Aufgabenträger (1) Regelfall: Privatrechtssubjekte außerhalb der staatlichen Sphäre Öffentliche Aufgaben, die nicht zugleich Staatsaufgaben sind, werden grundsätzlich von solchen Individuen, Gruppen und Einrichtungen erfüllt, die außerhalb des staatlichen Organisationszusammenhangs stehen. 108 Natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts sowie sonstige, dem Privatrecht zuzurechnende Vereinigungen gehören, soweit sie nicht hoheitlich tätig sind, weder zur unmittelbaren noch zur mittelbaren Staatsverwaltung. Handeln die angesprochenen Personen oder Personengruppen im Gemeinwohlinteresse, so erfüllen sie öffentliche, nicht aber staatliche Aufgaben. Unerheblich ist dabei, ob die konkrete Tätigkeit egoistische oder altruistische Motive verfolgt. 109 So mag der Unternehmer, der in seinem Betrieb neue Stellen schafft, zunächst die eigene Expansion und Gewinnoptimierung im Sinn haben. Die Bereitstellung neuer Arbeitsplätze ist jedoch ein Beitrag zur Erreichung eines höheren Beschäftigungsstandes und damit eine im öffentlichen Interesse liegende Maßnahme. 110 Nur dort, wo Individuen oder sonstige private Rechtssubjekte ausschließlich für sich handeln und die in Rede stehende Maßnahme auch eigenständig wahrnehmen, liegt keine öffentliche, sondern eine private Angelegenheit vor. 111 Das Beispiel des wirtschaftenden Unternehmers macht deutlich, dass eine Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Aufgaben im Einzelfall schwierig sein kann. Ist jedoch begrifflich hinreichend bestimmt, was unter einem öffentlichen Interesse zu verstehen ist, so lässt sich für jede Tätigkeit klären, ob sie – ausschließlich, überwiegend oder nur peripher – öffentliche Belange tangiert, oder ob überhaupt kein Gemeinwohlbezug ersichtlich ist: Kann ein solcher Gemeinwohlbezug hergestellt werden, so handelt es sich, wie erwähnt, um eine öffentliche Aufgabe. 112 Lässt sich ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung dagegen nicht erkennen, so handelt es sich um eine Angelegenheit, die in den Bereich des Privaten fällt. 108

Häberle, AöR 111 (1986), 595, 604; H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 40 ff.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 23. 110 Ebenso Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 23. 111 Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 38; Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 149 f.; vgl. auch oben A. I. 4. a) bb). 112 Vgl. v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 136 f.; unklar Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 38: „Daß z. B. allgemein privatnütziges gewinnorientiertes Wirtschaften Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen kann, macht aus dem privaten Wirtschaften des Einzelnen keine öffentliche Aufgabe. Wohl aber ist das ‚Private Wirtschaften‘ im Sinne der Existenz einer funktionierenden Privatwirtschaft im öffentlichen Interesse; deren Bewahrung also auch eine öffentliche Aufgabe.“ 109

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(2) Ausnahme: Privatrechtssubjekte mit „Staatsaffinität“ (a) Öffentliche Unternehmen Einen Sonderfall auf dem Gebiet des Privatrechts stellen jene juristischen Personen dar, die von der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben geschaffen werden. 113 Öffentliche Unternehmen lassen sich begreifen als solche juristische Personen des Privatrechts, auf die „die öffentliche Hand auf Grund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“. 114 Dass die Errichtung entsprechender Privatrechtssubjekte möglich ist, lässt sich dem Grundgesetz selbst an einigen Stellen entnehmen. So stellt Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG dem Bundesgesetzgeber frei, ob die Luftverkehrsverwaltung in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform geführt werden soll. Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG bestimmt für die Eisenbahnen des Bundes eine privatrechtliche Rechtsform und auch Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gestattet Organisationsformen des Privatrechts auf dem Gebiet der Postdienstleistungen. Auf der anderen Seite verdeutlicht Art. 33 Abs. 4 GG, dass hoheitliche Befugnisse als „ständige Aufgabe“ in der Regel von solchen Angehörigen des öffentlichen Dienstes ausgeübt werden sollen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Staatliches Handeln in Organisationsformen des Privatrechts bleibt damit, jedenfalls aus Sicht der Verfassung, 115 eine Ausnahme. Gerade im Bereich der Leistungsverwaltung, insbesondere auf dem weiten Gebiet der Daseinsvorsorge, spielt diese Ausnahme aber eine bedeutende Rolle. 116 Zu denken ist in diesem Zusammenhang zunächst an eine Vielzahl von Unternehmen auf dem Sektor der Gas-, Stromund Wasserversorgung, die in der privatrechtlichen Rechtsform der Gesellschaft 113

Hierzu näher Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 15 ff., der nach Träger (Bund, Länder, Kommunen), Tätigkeitsfeld und Rechtsform der öffentlichen Unternehmen differenziert; vgl. auch dens., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 72 ff.; Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 45 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 25 f., § 21 Rn. 15 ff., § 23 Rn. 61; Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, passim; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 271 ff. 114 Vgl. nur Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 178 in Anknüpfung an die Formulierung in Art. 2 der Richtlinie 80/723/EWG der Kommission v. 25. 6. 1980, ABl. L 159 v. 29. 7. 1980, S. 35. 115 Eine andere Frage ist es, in welchem Dienstverhältnis die Beschäftigten des Staates tatsächlich tätig sind. So waren im Jahr 2006 (Stichtag 30. 6. 2006) von den insgesamt 4,56 Mio. Beschäftigten im Öffentlichen Dienst nur 1,69 Mio. Beamte oder Richter; vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2007, S. 598. 116 Gusy, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 7. Grundlegend zum Begriff der Daseinsvorsorge bereits Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 9 f., und passim; ausführlich Ossenbühl, DÖV 1971, 513, 514 ff.; sowie Rüfner, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 96 Rn. 3 ff.

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mit beschränkter Haftung (GmbH) oder der Aktiengesellschaft (AG) betrieben werden. Daneben kommen solche Betriebe in Betracht, die Dienstleistungen im Bereich der Wasser- und Abfallentsorgung anbieten. Schließlich ist auch ein Teil des Beförderungs- und Verkehrswesens betroffen. Die genannten Ver- und Entsorgungsunternehmen sollen sicherstellen, dass die Allgemeinheit in ausreichendem Maße mit den für sie wichtigen Gütern versorgt wird. 117 Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass von den genannten Unternehmen Aufgaben erfüllt werden, die dem öffentlichen Interesse dienen. Angelegenheiten, die ausschließlich im Bereich des Privaten liegen, werden auf dem Gebiet des Verwaltungsprivatrechts daher nicht wahrgenommen. Die für den Bereich der Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung anerkannte Formenwahlfreiheit der Verwaltung 118 bedeutet somit keineswegs, dass die Tätigkeit etwa einer Stadtwerke-GmbH oder Straßenbahn-AG nicht auf die Erfüllung von Staatsaufgaben gerichtet sein kann. Kennzeichnend für die von Hoheitsträgern betriebenen Unternehmen des Privatrechts ist doch gerade die in vielfacher Weise bestehende Staatsaffinität; es handelt sich hierbei um einen Fall der mittelbaren Staatsverwaltung. 119 So bleiben privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger stets abhängig von den ihnen übergeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts, da diese über alle oder jedenfalls die Mehrheit der jeweiligen Gesellschaftsanteile verfügen. 120 Auf diese Weise nehmen Bund, Länder und Gemeinden maßgebenden Einfluss auf die Ausrichtung und den Geschäftsbetrieb der nach 117 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 74; vgl. auch Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 187 f. 118 Hierzu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 64 f.; ders., in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 241 ff.; Faber, Verwaltungsrecht, S. 146 ff., 152 f.; Frotscher, Die Ausgestaltung kommunaler Nutzungsverhältnisse bei Anschluß- und Benutzungszwang, S. 10 ff.; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 23; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 125 ff.; Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff.; Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 222; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 6 ff. Kritisch zu einer „Wahlfreiheit“ der Verwaltung jedoch Pestalozza, „Formenmißbrauch“ des Staates, S. 177; ähnlich auch Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 122, 129. 119 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 8 f., § 7 Rn. 17; Isensee, in: FS Vogel, S. 93. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 83, spricht von der „privatrechtlichen Verwaltung“; ähnlich auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 513, der öffentliche Unternehmen als eine „Organisationsform der öffentlichen Verwaltung“, ihre Tätigkeit als „Verwaltung im funktionellen Sinne“ beschreibt. Kritisch zu dieser Einordnung dagegen H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 206, mit der Konsequenz, dass eine Staatsaufgabenerfüllung durch öffentliche Unternehmen für ihn ausscheiden muss. 120 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 15. Ein weiterer Fall der Abhängigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass der Staat durch Geldzahlungen eine bestimmte Einrichtung des Privatrechts unterstützt, so etwa das als gemeinnütziger Verein verfasste Goethe-Institut, vgl. hierzu Burgi, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 23 m. N.

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Privatrecht entstandenen Gesellschaften. Die öffentlich-rechtliche Überlagerung dieser privatrechtlich organisierten Unternehmen wird zudem an einem weiteren, bedeutenden Punkt ersichtlich. Da sich die Verwaltung durch die Wahl einer bestimmten Rechtsform nicht ihren gesetzlichen Pflichten und Bindungen entziehen darf, sind auch von ihr geschaffene Unternehmen in privatrechtlicher Rechtsform an öffentlich-rechtliche Vorgaben gebunden, wenn sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. 121 So entschied der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1969, dass sich eine Straßenbahn-AG bei der Ausgestaltung ihres Tarifsystems unmittelbar an den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zu orientieren habe. 122 In einer späteren Entscheidung stellte das Gericht klar, dass ein Wasserversorgungsunternehmen, an welchem eine Kommune als Mehrheitsaktionärin beteiligt war, bei der Erhebung von Entgelten die gleichen öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu beachten habe, wie die Gemeinde selbst im Falle einer Abgabenerhebung. 123 Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied in Bezug auf einen Kindergarten, der von einer Gemeinde betrieben wurde und der Elternbeiträge in Form eines privatrechtlichen Entgelts erhob, dass auch in diesem Fall die privatrechtlichen Vorschriften durch Normen und Grundsätze des öffentlichen Rechts überlagert und modifiziert würden. 124 So habe die Verwaltung neben den Grundrechten und 121 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 80 ff.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 273; vgl. auch Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 40. Die privatrechtlich organisierte Verwaltungstätigkeit unterliegt daneben aber konsequenterweise auch den Vorgaben, die dem Privatrecht immanent sind. So muss hier die Regel beachtet werden, dass die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Privatrechtsgemeinschaft auf der Ebene der Gleichordnung angesiedelt sind. Der mittels einer Gesellschaft des Privatrechts handelnden Verwaltung ist es damit grundsätzlich untersagt, von dem hoheitlichen Handlungsinstrument des Verwaltungsakts Gebrauch zu machen. Zu den (rechtfertigungsbedürftigen) Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Verwaltung bei der Handlung in Privatrechtsform auf die Mittel des Privatrechts reduziert ist, vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 79; Sadler, VwVG / VwZG, § 1 VwVG Rn. 6. Siehe auch Engelhardt / App, VwVG / VwZG, § 1 VwVG Rn. 23 f., wonach durch Landesrecht bestimmt werden kann, dass auch privatrechtliche Forderungen der öffentlichen Hand im Verwaltungswege vollstreckt werden dürfen, wenn darin kein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht bzw. Art. 3 Abs. 1 GG zu erblicken ist. Da demnach auch das Privatrecht Vorgaben machen kann, die von der „Verwaltung in Privatrechtsform“ zu beachten sind, kann für die hier behandelten Fälle durchaus von einer Bindung an oder Unterwerfung unter das Zivilrecht gesprochen werden, so zutreffend Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 133. Anders sieht dies Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 272, für den bei hoheitlichem Handeln in Privatrechtsform stärker der staatliche Wunsch nach Entledigung von öffentlich-rechtlichen Zwängen im Vordergrund steht. 122 BGHZ 52, 325, 327 ff.: „Die Rechtsform entscheidet nicht darüber, ob die öffentliche Hand dem Verwaltungs- und nicht dem Privatrecht unterworfen und damit an den Gleichheitssatz gebunden ist. Alles was funktionell zur Daseinsvorsorge gehört, ist nach den Grundsätzen des öffentlichen und nicht des privaten Rechts zu beurteilen.“ 123 BGHZ 91, 84, 97 f.

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dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls die substantiellen verfassungsund verwaltungsrechtlichen Grundsätze zu beachten. 125 Zu diesen wesentlichen Direktiven des öffentlichen Rechts zählen nach hergebrachtem Verständnis die Ermessensbindung, 126 die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 127 sowie die Kompetenzverteilungsregeln des Grundgesetzes. 128 Dass es trotz dieser öffentlich-rechtlichen Bindungen für den Staat interessant und vorteilhaft sein kann, Unternehmen in Privatrechtsform zu betreiben, anstatt die anfallenden Aufgaben unmittelbar selbst wahrzunehmen, soll hier nicht unerwähnt bleiben. 129 Denn der Staat ist bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben in der Organisationsform des Privatrechts zwar an die essentiellen Grundsätze des öffentlichen Rechts gebunden, er muss aber nicht sämtliche Vorgaben auf diesem Rechtsgebiet beachten. 130 So kann etwa die privatrechtlich organisierte Deutsche Bahn AG in den kommenden Jahren bzw. Jahrzehnten den Anteil der Beamten deutlich absenken und schließlich vollends beseitigen. 131 Auch muss die privatrechtlich organisierte Verwaltung haushaltsrechtliche Vorgaben, die für den Bund und die Länder sonst gelten, nicht berücksichtigen. 132

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OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91, 92. OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91, 92; ebenso Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 64; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 196; Ossenbühl, DVBl. 1974, 541, 543. 126 Vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 17 f. 127 Zu den Besonderheiten auf der Ebene des Kommunalrechts vgl. Stober, NJW 1984, 449, 452. 128 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 81; im Ergebnis ebenso H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758; zu der Frage, ob und inwieweit die Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts Anwendung finden vgl. etwa Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 116 ff. m. N.; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 67 f. 129 Zu den Erwägungen zusammenfassend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 292 ff.; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 38; Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 29 f.; Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 125 ff.; Stober, NJW 1984, 449, 452; Ossenbühl, DÖV 1971, 513, 519 f.; Schmidt, ZGR 1996, 345, 348; Unruh, DÖV 1997, 653, 654 ff. 130 Frotscher, Die Ausgestaltung kommunaler Nutzungsverhältnisse bei Anschluß- und Benutzungszwang, S. 29; Stober, NJW 1984, 449, 452. 131 Nach den Berechnungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden ab dem Jahr 2041 keine Beamte mehr bei der DB AG tätig sein, vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Friedrich, Döring, Günther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT-Drucks. 16/7653, S. 1. 132 Zu diesem und weiteren Motiven für die privatrechtlich organisierte Verwaltung Stober, NJW 1984, 449, 452; kritisch zu einer Befreiung von öffentlich-rechtlichen Bindungen aber offenbar Unruh, DÖV 1997, 653, 656. 125

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Trotz dieser Modifizierungen bleibt der Staat, der ein Unternehmen in Privatrechtsform betreibt, im Kern identisch mit dem Staat als Hoheitsverband; für ihn gelten weiterhin wichtige Bindungen des öffentlichen Rechts. 133 Das öffentlichrechtliche und privatrechtliche Tätigwerden des Staates sind Handlungsformen einer identischen Rechtsperson; eine Freistellung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften für den Bereich des Verwaltungsprivatrechts kommt daher nicht in Betracht. 134 Anders gewendet stehen dem Hoheitsträger bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nur die Organisationsformen des Privatrechts, nicht aber dessen materielle Freiheitsgewährleistungen zur Seite. Aufgrund der dargestellten Staatsnähe lassen sich die mit Verwaltungsaufgaben betrauten Privatrechtssubjekte auch als „Verwaltungsstellen in Privatrechtsform“ 135, „rechtstechnisch abgesonderte Erscheinungsformen der Staatsgewalt“ 136 oder auch „Verwaltungstrabanten“ 137 begreifen. Diese Umstände rechtfertigen es daher, die im Bereich des Verwaltungsprivatrechts von privatrechtlich organisierten Unternehmen übernommenen öffentlichen Aufgaben als Staatsaufgaben zu qualifizieren. (b) Beliehene Einen weiteren Fall der Beteiligung von Privatrechtssubjekten an der Aufgabenerfüllung der Verwaltung stellt das Rechtsinstitut der Beleihung dar. 138 Als Adressaten einer Beleihung kommen dabei sowohl natürliche als auch juristische Personen des Privatrechts in Betracht. 139 Es besteht jedoch keine Notwendigkeit, über die beiden genannten klassischen Adressaten der Beleihung, Privatpersonen oder privatrechtlich organisierte juristische Personen, sonstige Meta- oder Unterformen der Beleihung zu konstruieren. 140 Denn auch der regelmäßig als 133 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 77, 212 ff., insb. 246; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 23; Ossenbühl, DVBl. 1974, 541, 543; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 62, 64 ff. 134 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 72; Hendler, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 494. 135 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 11; Ossenbühl, ZGR 1996, 504, 506 (in Bezug auf Eigengesellschaften der öffentlichen Hand). 136 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 85. 137 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 85. 138 Vgl. dazu v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben durch Private, S. 30 ff.; Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 26 ff.; Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, passim; Steiner, JuS 1969, 69 ff.; dens., DÖV 1970, 526 ff.; Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 46 ff.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 39 ff. 139 Vgl. nur Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 26. 140 So aber Burgi, in: FS Maurer, S. 581, 587; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 25, der den TÜV-Sachverständigen einer eigenen Adressatengruppe zuordnen will, weil es sich bei diesem zwar um eine natürliche Person

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prominentes Beispiel für die Beleihung ins Feld geführte (Prüf-)Ingenieur oder Sachverständige der technischen Überwachungsvereine (TÜV) 141 lässt sich, wenn er Tätigkeiten nach § 29 Abs. 2 –14 StVZO 142 vornimmt, problemlos in den oben aufgezeigten Kreis der zulässigen Beleihungsadressaten einordnen. Der Sachverständige selbst ist Beliehener in Bezug auf die Durchführung der gem. § 29 Abs. 1 StVZO vorgeschriebenen Hauptuntersuchungen. Es ist zwar richtig, dass es sich bei den Prüfingenieuren um rechtlich unselbständige und wirtschaftlich abhängige Personen handelt, die vertraglich mit der Prüforganisation verbunden sind. 143 Aus Ziffer 3.1.1 der Anlage VIII zu § 29 Abs. 1 bis 4, Abs. 7, 9, 11, 13 StVZO (Untersuchung der Fahrzeuge) ergibt sich jedoch, dass ausschließlich die anerkannten Sachverständigen oder die Prüfer sowie Prüfingenieure mit der Durchführung der Hauptuntersuchung betraut werden dürfen. 144 Auf dem Gebiet der Kfz-Überwachung kommen als Beliehene daher nur die genannten natürlichen Personen in Betracht. Neben den Untersuchungsaufgaben im Kraftfahrzeugbereich findet sich das Rechtsinstitut der Beleihung von natürlichen Personen etwa auch auf dem Gebiet des Flugverkehrs 145 und im Bereich der Schifffahrt. 146 Einen Fall aus der jüngeren Vergangenheit, in dem eine juristische Person des Privatrechts mit der Wahrnehhandele, der Sachverständige aber vertraglich an eine juristische Person des Privatrechts, den technischen Überwachungsverein, gebunden sei. 141 Hierzu Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211, 212. Die Bezeichnung TÜV als Synonym für den Rechtsträger der Kfz-Hauptuntersuchung ist organisationsrechtlich ungenau: in Deutschland existieren mehrere regionale TÜV-Gruppen, die ihrerseits wiederum als Unternehmensverband aufgebaut sind. Innerhalb des Verbunds bestehen eigene Dienstleistungsunternehmen u. a. für den Bereich des Kraftfahrzeugwesens, bei denen zwischen technischen Prüfstellen, §§ 10 f. des Gesetzes über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr (KfSachvG) v. 22. 12. 1971, BGBl. I 1971, S. 2086, und Überwachungsorganisationen, Anlage VIIIb zu Anlage VIII Nr. 3.1 und 3.2 zu § 29 Abs. 1 bis 4, Abs. 7, 9, 11, 13 StVZO, zu unterscheiden ist. 142 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung i. d. F. der Bekanntmachung v. 28. 9. 1988, BGBl. I 1988, S. 1793, zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung v. 21. 4. 2009, BGBl. I 2009, S. 872. 143 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 25. 144 Ebenso Fehling, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 115, 116; Lukes, in: Götz / Lukes, Zur Rechtsstruktur der Technischen Überwachungs-Vereine, S. 51, 88 ff., insb. 92; Steiner, JuS 1969, 69, 74 f.; Lisken / Denninger, in: dies. (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. C Rn. 189; a. A. – ohne Begründung – Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 53; unklar in Bezug auf den Beleihungsadressaten BVerfG, NJW 1987, 2501, 2502; zur Privatisierung der staatlichen Prüfstelle in Hessen (TÜH) vgl. z. B. VGH Kassel, ESVGH 45, 191 f. 145 Der Luftfahrzeugführer ist Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges, vgl., insoweit eindeutig, § 12 Abs. 1 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) v. 11. 1. 2005, BGBl. I 2005, S. 78, zuletzt geändert durch Artikel 9a des Gesetzes v. 5. 1. 2007, BGBl. I 2007, S. 2.

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mung einer im öffentlichen Interesse liegenden Angelegenheit beauftragt wurde, stellt die Beleihung der Deutschen Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH durch § 28 S. 1 UAG 147 i.V. m. § 1 UAG-Beleihungsverordnung 148 dar. 149 Der Beliehene zeichnet sich dadurch aus, dass er als natürliche oder juristische Person des Privatrechts in eigenem Namen mit der hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Staatsaufgaben betraut ist. 150 Übertragen werden können dabei nur Aufgaben der Exekutive; Angelegenheiten in den Bereichen Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung sind dagegen beleihungsfeindlich. 151 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob nur dort von Beleihung gesprochen werden kann, wo obrigkeitliche Befugnisse übergehen sollen, oder ob auch die Aufgabenübertragung auf dem Gebiet der schlicht-hoheitlichen Verwaltung an ein Privatrechtssubjekt als Beleihung zu qualifizieren ist. 152 Teilweise wird vertreten, das Beleihungsverhältnis könne sich nur auf solche Verwaltungstätigkeiten beziehen, deren Charakter wesentlich geprägt sei durch die Androhung oder Durchsetzung von Zwang (enger Beleihungsbegriff). 153 Als 146

Der Kapitän eines Schiffes hat für die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit an Bord zu sorgen und ist berechtigt, die dazu notwendigen Maßnahmen zu treffen, vgl. § 106 Abs. 2 des Seemannsgesetzes (SeemG) v. 26. 7. 1957, BGBl. II 1957, S. 713, zuletzt geändert durch Artikel 324 der Verordnung v. 31. 10. 2006, BGBl. I 2006, S. 2407. Zu weiteren Fällen der Beleihung natürlicher Personen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 15 f.; Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 40 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 6 ff. 147 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19. 3. 2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (Umweltauditgesetz – UAG) v. 7. 12. 1995, BGBl. I 1995, S. 1591, i. d. F. der Bekanntmachung v. 4. 9. 2002, BGBl. I 2002, S. 3490. 148 Verordnung über die Beleihung der Zulassungsstelle nach dem Umweltauditgesetz (UAG-Beleihungsverordnung – UAGBV) v. 18. 12. 1995, BGBl. I 1995, S. 2013. 149 Dazu Peine, DÖV 1997, 353, 360 f.; Burgi, in: FS Maurer, S. 581, 582; umfassend Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 124 ff. 150 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 24; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56. Der rechtsterminologische Begriff der Beleihung geht zurück auf die (aus heutiger Sicht zu weite, da auch Konzessionsfälle umfassende) Theorie Otto Mayers von der „Verleihung öffentlicher Unternehmungen“, vgl. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 95, 243 ff. Zu früheren Untersuchungen des Beliehenen siehe auch W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 526 ff. 151 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 18; anders offenbar Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 14, der unter Beleihung die Übertragung insbesondere von Verwaltungsaufgaben verstehen will. 152 Überblick bei Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 6 ff. 153 Vgl. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 81. Siehe auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 39 f., der aufgrund des uneinheitlichen Ver-

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klassisches Anwendungsgebiet für die Beleihung kommt nach diesem Verständnis das Polizei- und Ordnungsrecht in Betracht, da in diesem Bereich regelmäßig von Befehls- und Zwangsbefugnissen Gebrauch gemacht wird. 154 Ob eine Beleihung möglich ist, bestimmt sich unter Zugrundelegung dieser Auffassung damit primär nach der konkreten Form der Aufgabenerfüllung. Überträgt der Staat obrigkeitliche Befugnisse an Privatpersonen, so wäre dies nach dem Gesagten im Wege der Beleihung möglich; werden Private dagegen nur mit schlichthoheitlichen Aufgaben betraut, so müsste eine Beleihung ausscheiden. Der Wunsch nach formalen, leicht handhabbaren Voraussetzungen für eine Beleihung, von dem die Vertreter des engen Beleihungsbegriffs getragen sind, versperrt jedoch den Blick für die gesetzgeberische Praxis der vergangenen Jahrzehnte. So wurden und werden Private in einer Vielzahl von Fällen in die Erfüllung schlicht-hoheitlicher Befugnisse einbezogen, 155 weil auch und gerade im Bereich der Leistungsverwaltung private Initiative gefördert werden soll und Verantwortungsteilung die Bereitschaft zu Akzeptanz und Kooperation erhöht. 156 Diesen Erwägungen des Gesetzgebers kann nur mit einem umfassenden, auch schlicht-hoheitliche Tätigkeiten einbeziehenden Verständnis des Rechtsinstituts der Beleihung Rechnung getragen werden. Der Legislative muss es gestattet sein, eine eigene Entscheidung über den Rechtsträger einer staatlichen Aufgabe zu treffen, um so die personellen und sachlichen Mittel zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben sachangemessen zu erweitern. 157 Nur ein weites Verständnis des Beleihungsbegriffs ermöglicht es dem Gesetzgeber, die staatlichen Aufgaben nach Gesichtspunkten der Effektivität zu verteilen. Um von Beleihung sprechen zu können, muss das Privatrechtssubjekt folglich im Rahmen der jeweiligen Ermächtigung und in eigenem Namen entweder obrigkeitliche Gewalt ausüben oder aber schlicht-hoheitlich tätig werden. 158 Der Beliehene ist damit in Bezug auf seinen Status im Geltungsbereich des Privatrechts angesiedelt, seine Funkständnisses von einer „schlicht-hoheitlichen Betätigung“ zunächst an dem engen, auf die Übertragung hoheitlicher Befugnisse beschränkten Beleihungsbegriff festhalten will. 154 Beispiele für eine Beleihung mit obrigkeitlichen Kompetenzen auf dem Gebiet des Polizei- und Ordnungsrechts etwa bei Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 14. 155 Nachgewiesen sind die entsprechenden Fälle bei Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 15. 156 Vgl. Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 256; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 2 f. Zu weiteren Gründen für eine Beleihung allgemein Burgi, in: FS Maurer, S. 581, 584. 157 Zu den weiteren Argumenten dieser Sichtweise, aber auch der ihr widersprechenden Auffassung, muss im Rahmen dieser Untersuchung verwiesen werden auf die Darstellungen bei Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 23 f.; Steiner, JuS 1969, 69, 70 f. sowie Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 39 f. 158 Zustimmend Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 59; Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 29; Schmitz, in: Stelkens / Bonk /

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tion hingegen ist – im Rahmen der beliehenen Aufgabe – dem öffentlichen Recht zuzuordnen. 159 Die sachlich begrenzte Übertragung von staatlichen Aufgaben an den Beliehenen muss dabei durch Gesetz oder auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen. 160 In dem letztgenannten Fall ist es etwa zulässig, ein Privatrechtssubjekt durch Rechtsverordnung zu beleihen, sofern diese Möglichkeit durch eine hinreichend bestimmte formal-gesetzliche Regelung zugelassen ist. 161 Unabhängig von im Einzelnen umstrittenen Fragen hinsichtlich der Terminologie sowie den Voraussetzungen und Schranken 162 der Beleihung handelt es sich bei dem Beleihungsvorgang um die Übertragung staatlicher Aufgaben auf ein Privatrechtssubjekt. Der Beliehene wird durch den formalen Beleihungsakt zum Träger exekutivischer hoheitsrechtlicher (schlicht-hoheitlicher oder obrigkeitlicher) Befugnisse und damit zu einem Verwaltungsträger. 163 Soweit er die übertragenen Aufgaben und Kompetenzen wahrnimmt, ist der Beliehene Teil der mittelbaren Staatsverwaltung 164 und unterfällt dem Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG 165 sowie dem staatshaftungsrechtlichen Beamtenbegriff. 166 Durch die Beleihung werden originär dem Hoheitsträger zugewiesene Aufgaben in Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 256; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 35; vgl. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 80 f. 159 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 61; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 58 f. 160 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 57; Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 23 f.; vgl. auch BT-Drucks. 15/5824, S. 6. 161 Stadler, Die Beleihung in der neueren Bundesgesetzgebung, S. 32 ff. Bei der Beleihung aufgrund eines Gesetzes ist von Verfassungs wegen zu prüfen, ob den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes hinreichend Rechnung getragen wurde, vgl. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Zu diesen Anforderungen allg. BVerfGE 1, 14, 59 f.; 2, 307, 334; 5, 71, 76 f.; 78, 249, 272; 85, 97, 104 f. 162 Als Grenze auf verfassungsrechtlicher Ebene kommt dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG zentrale Bedeutung zu, vgl. Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 28; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 186 ff. 163 Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 26. 164 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 24; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 60 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56; Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 28; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 222 ff.; a. A. offenbar noch H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758; kritisch zu der hier vorgenommenen organisationsrechtlichen Einordnung F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 129, wonach der Beliehene nur „ähnlich der mittelbaren Staatsverwaltung“ in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis zum Staat stehe. 165 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 58; Schulze-Fielitz, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 12 Rn. 106.

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einer dem Staat angegliederten und von diesem überwachten Organisationsform erfüllt. Die Tätigkeit des Beliehenen lässt sich daher zu Recht beschreiben als die „Fortsetzung der staatlichen Tätigkeit mit anderen organisatorischen Mitteln und anderen Methoden“. 167 Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass auch dann Staatsaufgaben erfüllt werden, wenn der Staat im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben im Wege der Beleihung auf Privatrechtssubjekte überträgt. 168 Beliehene sind damit, ebenso wie öffentliche Unternehmen, Träger von Staatsaufgaben. (c) Exkurs: Zur terminologischen Abgrenzung zwischen dem Beliehenen und der privatrechtlich organisierten Verwaltung Der privatrechtlich organisierten Verwaltung und dem Beliehenen ist zunächst gemein, dass es sich jeweils um organisatorisch dem Privatrecht zugehörige Erscheinungsformen der Verwaltung handelt, die zur Erfüllung von Staatsaufgaben eingesetzt werden können. Ein Unterschied zwischen diesen beiden „Verwaltungstrabanten“ besteht jedoch darin, dass im Falle der Beleihung die Verwaltung auf bereits existierende Privatrechtssubjekte zurückgreifen kann, während öffentliche Unternehmen speziell zur Aufgabenerfüllung vom Staat geschaffen werden. Der Beliehene wird durch den Beleihungsakt im Rahmen der ihm zugewiesenen Befugnisse hoheitlich tätig und ist nur insoweit funktionell dem Verwaltungsbereich zuzurechnen. Bei Tätigkeiten, die von dem Beleihungsakt nicht erfasst werden, unterscheiden sich die natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts nicht von sonstigen Privatrechtssubjekten. Sie weisen in diesem Bereich keinen Bezug zu der Verwaltungsorganisation auf und sind allein dem privaten Rechtsregime unterworfen. Die privatrechtlich organisierte Verwaltung hingegen gehört, da sie speziell zur Wahrnehmung von zunächst dem Bund bzw. den Ländern obliegenden Staatsaufgaben geschaffen wurde, vollumfänglich zum Bereich der öffentlichen Verwaltung. Überschneidungen zwischen den Begriffen des Beliehenen bzw. des öffentlichen Unternehmens können sich allerdings dann ergeben, wenn der privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger mit der Wahrnehmung bestimmter Staatsaufgaben beliehen wird. 169 So ist es denkbar, dass ein öffentliches Unternehmen nicht nur im Interesse der Allgemeinheit 166

Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 14; Grzeszick, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 43 Rn. 15. 167 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 58. 168 Burgi, in: FS Maurer, S. 581, 592; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 24 f.; Steiner, JuS 1969, 69, 70; vgl. auch Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 143. 169 Vgl. etwa § 33 Abs. 1 S. 2 des Postgesetzes (PostG) v. 22. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 3294, wonach der Briefzustellungsdienstleister für den Bereich der förmlichen Zustellung mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist.

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handelt, sondern zugleich auch mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beliehen wird. 170 (3) Sonderfall: Verwaltungshilfe Auch Verwaltungshelfer oder technische Erfüllungshelfer 171 werden an der Erfüllung staatlicher Aufgaben beteiligt und sind insoweit in die Verwaltungsorganisation integriert. 172 Sie können von staatlichen Stellen in verwaltungsrechtliche Entscheidungs- und Handlungsprozesse einbezogen werden, sind in diesem Fall jedoch, anders als Beliehene, nicht selbst Zurechnungssubjekt der in Rede stehenden Maßnahme. Ein weiterer Unterschied zu dem Beliehenen besteht darin, dass der Verwaltungshelfer keines förmlichen Beleihungsaktes bedarf, um für die Verwaltung tätig zu werden. 173 Eine Abgrenzung zwischen den beiden Rechtsfiguren lässt sich anhand des Merkmals der Verwaltungsabhängigkeit vornehmen: Der Beliehene zeichnet sich durch nach außen selbständiges, auf einem eigenen Willensentschluss beruhendes Handeln aus; die Beziehung zwischen Verwaltungshelfer und Hoheitsträger ist dagegen regelmäßig durch Auftrag und Weisung gekennzeichnet. 174 Der Tätigkeitsbereich von Verwaltungshelfern ist dabei vielschichtig und umfasst sowohl Informations- und Aufklärungsbeiträge für die entscheidungszuständige Behörde als auch das Ausführen von konkreten Arbeitsanweisungen des Hoheitsträgers. 175 Klassische Beispiele für solche 170 Auch Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 17, halten eine Kombination von privatrechtlich organisierter Verwaltung und Beleihung für möglich; ebenso OVG Frankfurt (Oder), NVwZ 1997, 604, 608. 171 Vgl. zu dieser Terminologie Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 153; ähnlich Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 1: „Vollzugshelfer“. 172 Jestaedt, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 14 Rn. 31 mit Fn. 150. Zu dem Wandel bei den Gründen für die Inanspruchnahme von Verwaltungshelfern vgl. F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 130: Während die Verwaltung früher auf die besondere Sachkunde von Privaten angewiesen war, so streitet heute das Argument der finanziellen Entlastung für das Rechtsinstitut der Verwaltungshilfe. Diese Aussage F. Kirchhofs dürfte auch auf die anderen Rechtsinstitute übertragbar sein, bei denen die Verwaltung Private im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben einschaltet. 173 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 18; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 239. 174 Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 16; Herdegen, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 101; F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 128; Peine, DÖV 1997, 353, 357; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 1. 175 Vgl. in systematischer Hinsicht näher Krajcsir, Staatliche Hoheitsverwaltung durch Private, S. 135 ff., der bei der Verwaltungshilfe zwischen Teilakten im Rahmen eines behördlichen Realakts, Unterstützung bei dem Erlass eines Verwaltungsakts sowie untergeordneten Tätigkeiten im Bereich der Verordnungsgebung differenziert.

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Hilfstätigkeiten sind etwa der Einsatz von Personen als Hilfspolizeibeamte, 176 Schülerlotsen 177 oder Ordnungsschüler. 178 Der Verwaltungshelfer erbringt einen aus objektiver Sicht untergeordneten Beitrag und wird wegen seiner fehlenden Entscheidungskompetenzen als Werkzeug 179 oder Erfüllungsgehilfe 180 der Verwaltung bezeichnet. Er hat primär dem Staat gegenüber seine Pflicht zu erfüllen, im Hintergrund steht dagegen seine Rechts- und Machtposition im Verhältnis zu Dritten. 181 Betrachtet man die zwischen Bürger, Verwaltungshelfer und Behörde bestehenden Rechtsbeziehungen, so ist zwischen dem Innen- und Außenrechtsverhältnis zu differenzieren. Während das Innenverhältnis zwischen Verwaltungshelfer und Behörde besteht, betrifft das Außenverhältnis die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Behörde. Nur das Außenverhältnis ist dabei für die Frage von Bedeutung, wem die Aufgabenträgerschaft konkret zugerechnet werden kann. Aus der Perspektive des Bürgers wird der Verwaltungshelfer für die Behörde tätig; zwischen Bürger und Verwaltungshelfer entstehen dagegen keine Rechtsbeziehungen. 182 Im Fall der Verwaltungshilfe kann daher nicht von einer eigenen Aufgabenträgerschaft auf Seiten des Verwaltungshelfers gesprochen werden. Der Verwaltungshelfer selbst übernimmt, anders als der Beliehene, weder staatliche noch öffentliche Aufgaben. Er ist vielmehr lediglich in untergeordneter Funktion an der Aufgabenerfüllung durch staatliche Einrichtungen beteiligt. Aus alldem folgt, dass die Verwaltung auch bei der Einschaltung eines Verwaltungshelfers selbst Aufgabenträger bleibt. 183 176

Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 12 Rn. 106; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 7. 177 OLG Köln, NJW 1968, 655, 656; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 16; Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 12 Rn. 106; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 2; zwischen Verwaltungs- und Amtshelferstatus differenzierend Stober, Schüler als Amtshelfer, S. 91. 178 LG Rottweil, NJW 1970, 474, 475; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 194; Koch / Rubel / Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 138; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 18 ff. 179 Peine, DÖV 1997, 353, 357; kritisch zu dieser Terminologie Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 16 f.; vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 21 ff.; sowie Krajcsir, Staatliche Hoheitsverwaltung durch Private, S. 133, der vom „willenlosen Werkzeug“ spricht. 180 Peine, DÖV 1997, 353, 357; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 22 Rn. 53. 181 Boge, Der Verwaltungshelfer im Polizeirecht, S. 32. 182 Peine, DÖV 1997, 353, 357; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 1; prägnant F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 129: der Verwaltungshelfer trete zwar tatsächlich, nicht jedoch rechtlich in Erscheinung.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

(4) Weitere Fälle privater Beteiligung bei der staatlichen Aufgabenerfüllung: Verwaltungssubstitution, Beauftragung, Indienstnahme Neben dem öffentlichen Unternehmen, der Beleihung sowie der Verwaltungshilfe existieren noch drei weitere, weniger prominente Rechtsinstitute im Zusammenhang mit der Übertragung ehemals staatlicher Aufgaben auf Private. Hierzu zählt zunächst die Verwaltungssubstitution bzw. Verwaltungsmittlung, bei der staatliche Aufgaben durch bürgerlich-rechtlichen Vertrag zur eigenverantwortlichen Ausübung an private Dritte übertragen werden. 184 Daneben ist es denkbar, dass die Verwaltung Kontrollaufgaben nicht selbst wahrnimmt, sondern die jeweils betroffenen Unternehmen dazu verpflichtet, eigenes Personal zur Überwachung bestimmter gesetzlicher Vorgaben einzusetzen. Hat ein Betrieb etwa immissions- oder strahlenschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten, so können Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens eingeschaltet werden, wenn es um die Überwachung von sicherheitsrelevanter Unternehmenstätigkeit sowie um die Beratung des Unternehmens in Sicherheitsfragen geht. Diese Rechtsfigur, deren Ausprägungen mitunter Gegenstand einfachgesetzlicher Vorschriften sind, 185 wird als Beauftragung bezeichnet. 186 Verpflichtet schließlich der Staat 183 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 194; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 59 Rn. 57; vgl. auch Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 46, der von einer „fortbestehenden Verwaltungseinstandsverantwortung“ spricht. 184 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 139; F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127; vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 155 f.; sowie allgemein zum Verwaltungsmittler Brüning, NWVBl. 1997, 286. Nach Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90a Rn. 23, bestehe für die Schaffung dieses Rechtsinstituts kein Bedürfnis, wenn man die Beleihung in einem weiten, sowohl obrigkeitliche als auch schlicht-hoheitliche Maßnahmen umfassenden Sinne verstehe. In diesem Fall lasse sich zwischen der schlicht-hoheitlichen Betätigung eines Beliehenen und der Tätigkeit eines Verwaltungssubstituten kein Unterschied erkennen. Bezogen auf die rechtliche Einordnung der jeweils in Rede stehenden Tätigkeit ist dies zwar richtig: In beiden Fällen treten der Beliehene sowie der Verwaltungssubstitut dem Dritten nicht mit obrigkeitlichen Mitteln gegenüber. Der bedeutende Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten, der eine unterschiedliche terminologische Behandlung rechtfertigt, liegt jedoch in der Rechtsqualität der „Beauftragung“ durch die Verwaltung. Der Beliehene steht deshalb der mittelbaren Staatsverwaltung nahe, weil ihm durch Hoheitsakt bestimmte Befugnisse eingeräumt werden, siehe oben A. I. 4. b) aa) (2) (b). Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis tritt der Verwaltungssubstitut hingegen zu der Verwaltung – wie zu jeder Privatperson – durch bürgerlich-rechtlichen Vertrag in Beziehung, siehe dazu sogleich im Folgenden; sowie Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, S. 78. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtsbeziehungen würden mit einer Gleichsetzung der beiden Rechtsinstitute wesentliche Unterschiede eingeebnet. 185 Vgl. etwa § 53 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge i. d. F. der Bekanntmachung v. 26. 9. 2002 (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG),

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einzelne Private gesetzlich dazu, ihm bestimmte Leistungen zu erbringen, so steht die Rechtsfigur der Indienstnahme bzw. Inpflichtnahme in Rede. 187 Allen drei Rechtsinstituten ist zueigen, dass, im Unterschied zur Beleihung, die herangezogenen Privaten keine Staatsaufgaben wahrnehmen. Der Staat überträgt bei dem Rechtsinstitut der Verwaltungssubstitution zwar Aufgaben, die ihm zustehen oder obliegen. Durch die Übertragung dieser ehemals staatlichen Aufgaben auf Privatrechtssubjekte wird jedoch der staatliche Bezug unterbrochen. Zwar erfüllen die über das Rechtsinstitut der Verwaltungssubstitution bzw. Verwaltungsmittlung tätigen Privaten die ihnen anvertrauten Aufgaben ebenso wie Beliehene eigenverantwortlich und im eigenen Namen. 188 Im Unterschied zur Beleihung geschieht dies jedoch aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zwischen der Verwaltung und dem Verwaltungssubstituten, folglich in den Bahnen des Privatrechts. 189 Das öffentliche Recht als Bindeglied zwischen Staat und Privaten gelangt bei der Verwaltungssubstitution daher nicht zum Einsatz. 190 Dem Staat ist es, anders als bei der Gründung öffentlicher UnterBGBl. I 2002, S. 3830: Betriebsbeauftragte für Immissionsschutz bzw. Immissionsschutzbeauftragte, sowie §§ 31 ff. der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen v. 20. 7. 2001 (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV), BGBl. I 2001, S. 1714; I 2002, S. 1459: Strahlenschutzbeauftragte. 186 Das Rechtsinstitut der Beauftragung wird hier mit F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127 f. in dem engen, auf das Verhältnis zwischen Betrieb und Beauftragten bezogenen Sinne verstanden. Nur dort, wo das Gesetz bestimmten Unternehmen die Bestellung eigener Mitarbeiter etwa als Immissionsschutzbeauftragte oder Strahlenschutzbeauftragte vorschreibt, steht eine Beauftragung in dem hier interessierenden Zusammenhang in Rede. Vgl. zum Betriebsbeauftragten auch v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 68 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 61; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 469 ff. 187 Der Begriff stammt von H. P. Ipsen, in: FG Kaufmann, S. 141 ff.; vgl. auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 38 ff.; F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 128; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 143; Stober, Schüler als Amtshelfer, S. 84; ferner Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 140 f. 188 Vgl. F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, S. 78. 189 Vgl. etwa in diesem Zusammenhang das häufig gebrachte Beispiel der Beauftragung Dritter gem. § 16 Abs. 1 KrW- / AbfG, die die ihnen übertragenen Aufgaben als Verwaltungssubstituten wahrnehmen, Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 155. Diese Beauftragung wird als zivilrechtlicher Vertrag qualifiziert, vgl. nur Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 47; Versteyl, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 11. Siehe zu der Bergung eines verunfallten Pkw als einem weiteren Anwendungsfall der privatvertraglichen Beauftragung, BGHZ 121, 161, 164 ff. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 195, spricht in diesem Zusammenhang von „privatrechtlich Beauftragten“. 190 F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 67; ähnlich zunächst auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und

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nehmen, zudem nicht möglich, etwa über die Mehrheit von Gesellschaftsanteilen auf die Subjekte des Privatrechts einzuwirken und so eine Verbindung zu der staatlichen Sphäre herzustellen. Der Verwaltungssubstitut gehört damit nicht nur organisatorisch dem Privatrecht an, er steht auch bei der Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgaben außerhalb der staatlichen Sphäre und nimmt demnach keine Staatsaufgaben wahr. Bei dem zweiten Rechtsinstitut, der Beauftragung, fehlt es an einem staatlichen Bezug, weil sämtliche Pflichten des Beauftragten nur für das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem betroffenen Betrieb bedeutsam sind. 191 Der Beauftragte ist selbst Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens und hat dafür Sorge zu tragen, dass dieses seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt. Eigene hoheitliche Befugnisse stehen ihm weder gegenüber seinem Arbeitgeber, noch in Bezug auf sonstige Privatrechtssubjekte zu. 192 Da der Beauftragte organisatorisch und funktionell in das Unternehmen eingegliedert ist, stellt er keinen Teil der staatlichen Verwaltung dar. 193 Auch wenn die von ihm zu erfüllenden Pflichten, etwa im Bereich des Immissionsschutzes, im öffentlichen Interesse liegen, nimmt der Beauftragte daher keine Staatsaufgaben wahr. Was schließlich das Institut der Indienst- bzw. Inpflichtnahme anbelangt, so ist auch hier eine Verbindung von Indienstgenommenem und staatlicher Sphäre zu verneinen. Auch der Indienstgenommene wird zwar für den Staat tätig. 194 Für ihn besteht, und dies ist der entscheidende Unterschied zum freiwillig tätigen Verwaltungssubstituten, eine gesetzliche Pflicht („Bürgerpflicht“), 195 nach den jeweils normierten Vorgaben tätig zu werden. Er bleibt aber als Privatperson ein Glied der Zivilrechtsordnung und ist in keiner Weise in die Verwaltung integriert. 196 Die gesetzliche Indienstnahme ist hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen für den Betroffenen vergleichbar mit der Auferlegung einer Handlungspflicht durch behördlichen Verwaltungsakt. Für den letztgenannten Fall kann indes nicht zweifelhaft sein, dass sich Bürger und Staat klar gegenüberstehen und Private, S. 139, die sodann aber ausführt, in der Verbindung von Verwaltungssubstitution und Staatsaufgabenerfüllung liege kein Widerspruch. 191 Zu den Pflichten des Immissionsschutzbeauftragten ausführlich Jarass, BImSchG, § 53 Rn. 3. 192 So kommt dem Immissionsschutzbeauftragten zwar das Recht zu, im Rahmen seiner Zuständigkeit sicherheitsrelevante Vorschläge oder Bedenken gegenüber der Geschäftsleitung zu äußern. Ein Recht darauf, dass seine Vorschläge Berücksichtigung finden, hat er allerdings nicht, vgl. dazu Kotulla, Umweltschutzbeauftragte, S. 80. 193 In diese Richtung wohl auch Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 259; vgl. zu der Rechtsstellung etwa des Immissionsschutzbeauftragten Jarass, BImSchG, § 53 Rn. 3; Kotulla, Umweltschutzbeauftragte, S. 24. 194 F. Kirchhof, in: FS Rengeling, S. 127, 128. 195 Vgl. Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 428. 196 Vgl. Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 428.

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eine Integration in die staatliche Sphäre gerade nicht stattfindet. Der Bauherr, um ein klassisches Beispiel aus dem Gefahrenabwehrrecht zu benennen, verschmilzt als Adressat einer Nutzungsuntersagung oder Beseitigungsanordnung nicht mit der Bauaufsichtsbehörde und wird wegen seiner Pflicht zur Unterlassung der Nutzung bzw. zur Beseitigung der baulichen Anlage nicht zu einem Teil des Staates. Da der Indienstgenommene keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse ausübt, ist ihm auch der Einsatz des öffentlich-rechtlichen Instrumentariums verwehrt. 197 Wegen der fehlenden Verbindung zu der staatlichen Sphäre erfüllt auch der durch das Rechtsinstitut der Indienstnahme verpflichtete Private keine staatlichen Aufgaben. (5) Zwischenergebnis Für die Beteiligung von Privatrechtssubjekten an der staatlichen Aufgabenerfüllung lässt sich somit festhalten: Handeln Privatpersonen, juristische Personen des privaten Rechts und sonstige privatrechtliche Vereinigungen im öffentlichen Interesse, ohne dabei im Wege der Beleihung für oder auf dem Gebiet des Verwaltungsprivatrechts durch die Verwaltung tätig zu sein, so erfüllen sie keine Staatsaufgaben, sondern öffentliche Aufgaben. Weder eigene öffentliche Aufgaben noch Staatsaufgaben erfüllen die Hilfspersonen der Verwaltung, die nur unterstützend und unselbständig für den Staat bei seiner Aufgabenerfüllung tätig werden. Klassisches Beispiel hierfür ist das Rechtsinstitut der Verwaltungshilfe. Eine Staatsaufgabenerfüllung durch Private ist damit zwar insgesamt nicht ausgeschlossen; es handelt sich hierbei jedoch um eine Ausnahme. bb) Aufgabenträger im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung Anders als Individuen und sonstige Privatrechtssubjekte 198 nehmen juristische Personen des öffentlichen Rechts als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung regelmäßig eine dem Staat stärker zugewandte Position ein. Daher spräche zunächst vieles dafür, sämtliche von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wahrgenommenen Aufgaben als Staatsaufgaben zu bezeichnen. 197

Vgl. H. P. Ipsen, in: FG Kaufmann, S. 141, 160; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 67. Auch kann das Argument nicht verfangen, der Indienstgenommene werde durch Gesetz – und damit durch einen Hoheitsakt – zum Tätigwerden verpflichtet und stehe damit dem Staat näher als dies bei dem Verwaltungssubstituten der Fall sei. Die durch Gesetz angeordnete Indienstnahme soll keinen organisationsrechtlichen Bezug zum Staat herstellen, sondern ist aufgrund des Rechtsstaatsprinzips notwendig, damit der Staat in die grundrechtlich gesicherte Freiheit des Bürgers eingreifen kann. Vgl. auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 45, der sich ebenfalls gegen eine Etatisierung des Indienstgenommenen ausspricht. 198 Ausgenommen sind, wie soeben dargelegt, die Fälle der Beleihung sowie der öffentlichen Unternehmen.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Eine abschließende Qualifizierung der von diesen Einrichtungen im öffentlichen Interesse ausgeübten Tätigkeiten als Staatsaufgaben oder öffentliche Aufgaben bedarf aufgrund ihres jedenfalls mittelbaren Staatsbezugs indes der näheren Untersuchung. So muss insbesondere geklärt werden, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts auch dann der staatlichen Sphäre angehören, wenn sie sich wie Rundfunkanstalten, Universitäten und Religionsgemeinschaften auf eigene Grundrechte berufen können. (1) Überblick über den Meinungsstand Die Frage, ob Träger der mittelbaren Staatsverwaltung staatliche oder öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wird in der Literatur uneinheitlich beurteilt. Ein eindeutiges, leicht zu handhabendes Kriterium zur Feststellung, ob die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wahrgenommenen Aufgaben als Staatsaufgaben zu qualifizieren sind, bietet Di Fabio an. Nach seiner Auffassung ist die Staatsaufgabe ein „Spezialfall der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die unmittelbare Staatsverwaltung“. 199 Bundes- und Landesbehörden erfüllen damit Staatsaufgaben; die gemeinwohlorientierte Tätigkeit von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wäre hingegen als öffentliche Aufgabe zu qualifizieren. Nach der Gegenposition H. H. Kleins sind demgegenüber alle Aufgaben der Träger unmittelbarer wie mittelbarer Staatsverwaltung als Staatsaufgaben anzusehen. 200 Öffentliche Aufgaben hingegen würden von außerhalb des staatlichen Organisationszusammenhangs stehenden Personen und Vereinigungen erfüllt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Staat durch gesetzliche Regelungen oder über Aufsichtsmaßnahmen Einfluss auf die gesellschaftlichen Aufgabenträger ausüben könne. 201 Neben diesen divergierenden Positionen versuchen andere Autoren, eine sachgerechte Abgrenzung durch das Herausarbeiten einzelner Fallgruppen zu erreichen. So wird von Peters vorgeschlagen, die Wahrnehmung von öffentlichen bzw. staatlichen Aufgaben in fünf Stadien zu unterteilen. 202 Neben staatlicher Zurückhaltung (1. Stadium), Überwachung (2. Stadium) oder Normierung (3. Stadium) 199

Di Fabio, JZ 1999, 585, 587. H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758 mit Fn. 23, der die zunächst eindeutig erscheinende Grenzziehung freilich dadurch verwischt, dass er einige privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger wie etwa den TÜV nicht dem Staat, sondern der Gesellschaft zuordnet und die von ihnen erfüllten Aufgaben nicht als Staatsaufgaben, sondern als öffentliche Aufgaben qualifiziert. 201 H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758 f. 202 Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 878 f. und 882 ff.; hierzu auch Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 22 f. 200

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bei gleichzeitiger Aufgabenerfüllung durch die gesellschaftliche Sphäre komme eine Übernahme der Aufgaben durch staatliche Behörden (4. Stadium) oder durch vom Staat abhängige Rechtsträger (5. Stadium) in Betracht. 203 Während es sich bei den ersten drei Fällen um öffentliche Aufgaben handele, könne in den beiden letztgenannten Stadien von Staatsaufgaben gesprochen werden. Dieses gestufte System hätte allerdings bei strikter Anwendung letztlich zur Folge, dass bei jeder Handlung der unmittelbaren wie mittelbaren Staatsverwaltung von einer Erfüllung staatlicher Aufgaben gesprochen werden müsste. Um dieses apodiktisch anmutende Ergebnis abzuschwächen, schlägt Peters daher vor, nicht jeden Fall, in dem die mittelbare Staatsverwaltung tätig wird, als eine Staatsaufgabenerfüllung zu bezeichnen. So sollen öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie Einrichtungen der Wissenschaft, Forschung und Lehre keine staatlichen, wohl aber öffentliche Aufgaben wahrnehmen. 204 Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die von einer Gemeinde erfüllte öffentliche Aufgabe in jedem Fall als Staatsaufgabe zu qualifizieren sei. 205 Andererseits wiederum müsse die Tätigkeit von Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens aus historischen Gründen als Erfüllung von Staatsaufgaben angesehen werden. 206 Eine wiederum andere Differenzierung schlägt Isensee vor. Soweit es um juristische Personen des öffentlichen Rechts geht, 207 nimmt er die Träger von Presse und Rundfunk sowie kirchliche Krankenhausträger von der Sphäre des Staatlichen aus. 208 203

Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 878 f. Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 890 ff. 205 Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 879. Diesen Ausführungen lässt sich jedoch nicht entnehmen, in welchen Situationen die Gemeinden gerade keine Staatsaufgaben erfüllen sollen. 206 Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 880, 892. Die Qualifizierung als bedeutende wirtschaftliche Staatsaufgabe ergebe sich hierbei aus der Tatsache, dass mit dem Post- und Fernmeldewesen die kaiserlichen Regalien aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation fortgeführt würden. Dieses Argument kann allerdings nicht überzeugen, wenn man, wie Peters, die Abgrenzung zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben in den Bahnen des geltenden Verwaltungsorganisationsrechts vornimmt. 207 Nach Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 12 erfüllen politische Parteien, Tarifpartner und freie Krankenhausträger (Privatkliniken) ebenfalls öffentliche, nicht jedoch staatliche Aufgaben. Dies ist zutreffend, muss aber in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht näher erörtert werden, da es sich bei den genannten Einrichtungen nicht um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt. Für die beiden letztgenannten Fälle ist dies evident; aber auch bei Parteien, die sowohl dem politisch-gesellschaftlichen als auch dem staatlichen Bereich angehören, handelt es sich um rechtsfähige (§ 21 BGB) oder nichtrechtsfähige (§ 54 BGB) privatrechtliche Vereinigungen, vgl. nur Maurer, Staatsrecht I, § 11 Rn. 19 f. 208 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 12. 204

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Für die dargestellten Ansätze sprechen jeweils nachvollziehbare Argumente. So können die kompromisslosen Konzepte Di Fabios und H. H. Kleins für sich in Anspruch nehmen, ohne Ausnahmen bei der Abgrenzung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben auszukommen und heben sich damit unter dem Aspekt der Rechtssicherheit und Klarheit von den anderen Vorschlägen ab. Diese formalisierten Konzeptionen sind jedoch nicht in der Lage, angemessen auf solche Fälle zu reagieren, in denen eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht in der staatlichen, sondern stärker in der gesellschaftlichen Sphäre verwurzelt ist. So lässt sich jedenfalls im Ergebnis nachvollziehen, wenn Peters zunächst eine enge Verbindung zwischen Staatsaufgaben und der unmittelbaren wie mittelbaren Staatsverwaltung herstellt, dann jedoch Aufgaben in Bereichen wie Wissenschaft und Rundfunk nicht als Staatsaufgaben ansehen will. Dogmatischen Einwänden begegnet jedenfalls eine Lösung, die sich in jedem Einzelfall für oder gegen eine Zuordnung bestimmter Aufgabenbereiche zur staatlichen Sphäre entscheidet, ohne dass eine dahinter stehende Systematik erkennbar wird. Eine offene, jeden Einzelfall nach Wertungsgesichtspunkten beurteilende Lösung hätte zudem den Nachteil, dass mit ihr keine Aussagen über die rechtliche Qualifizierung zukünftiger Aufgabenbereiche von Staat und Gesellschaft getroffen werden könnten. Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wahrgenommenen Aufgaben den Kategorien der Staatsaufgabe bzw. öffentlichen Aufgabe zuzuordnen. Ziel der sich anschließenden Erörterungen ist es, ein Konzept zu entwickeln, das klare und leicht handhabbare Abgrenzungskriterien bereitstellt, zugleich aber auch den atypischen Konstellationen bei der Aufgabenerfüllung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts hinreichend Rechnung trägt. (2) Regelfall: Staatsaufgabenerfüllung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts Um eine sachgerechte Einteilung der von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wahrgenommenen öffentlichen bzw. staatlichen Aufgaben vornehmen zu können, bietet es sich zunächst an, ein übereinstimmendes Merkmal dieser Verwaltungsträger herauszugreifen. So ist allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemein, dass sie durch ein Gesetz oder einen auf einem Gesetz beruhenden staatlichen Hoheitsakt gegründet bzw. gebildet werden. 209 Hierdurch kommt der Wille des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zum Ausdruck, dass bestimmte Aufgaben durch juristische Personen des öffentlichen Rechts erfüllt werden sollen, auch wenn oder gerade weil diese in stärkerem Maße als Privatrechtssubjekte dem öffentlich-rechtlichen Rechtsregime unter209

Vgl. nur Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 181.

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liegen. 210 Wollte man die von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Interesse des Gemeinwohls erfüllten Aufgaben nicht als Staatsaufgaben bezeichnen, so müsste es sich zwangsläufig um die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben handeln. Es bliebe dann festzuhalten, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts zwar in Bezug auf ihre Gründungsmodalitäten sowie im Hinblick auf Mitgliedschafts- und Willensbildungsfragen an die Vorgaben der für sie geltenden Normen des öffentlichen Rechts gebunden wären. Hinsichtlich der Außenbeziehung zum Bürger, die bei der Aufgabenerfüllung regelmäßig in den Vordergrund tritt, würden diese Verwaltungsträger genau wie Privatpersonen oder privatrechtliche Vereinigungen öffentliche Aufgaben erfüllen. Die im deutschen Rechtssystem angelegte Unterscheidung zwischen Rechtssubjekten des privaten Rechts und solchen des öffentlichen Rechts würde hinsichtlich der Aufgabenerfüllung damit teilweise eingeebnet, soweit die Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben in Rede stünde. Darüber hinaus steht einer Gleichsetzung von juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts aber auch entgegen, dass häufig die Aufgaben der jeweiligen juristischen Person des öffentlichen Rechts ausdrücklich in dem für sie geltenden Gesetz geregelt werden 211 und dadurch das die gesellschaftliche Sphäre kennzeichnende Element der Freiheit hinter gesetzlich angeordnete Erfüllungsverpflichtungen zurücktritt. Diese Überlegungen sind mit einer Einteilung, wonach die mittelbare Staatsverwaltung öffentliche, nicht jedoch staatliche Aufgaben wahrnehmen soll, 212 unvereinbar. Im Grundsatz kann daher festgestellt werden, dass Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit der Vornahme solcher Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen, Staatsaufgaben erfüllen. 213

210 Beispiele für Sachmaterien, in denen der Gesetzgeber die Errichtung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorgesehen hat, finden sich etwa in § 1 Abs. 2 S. 1 des hessischen Gesetzes über den Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main (PlanvG) v. 19. 12. 2000, GVBl. I 2000, S. 544; in § 1 Abs. 1 des hessischen Sparkassengesetzes v. 10. 11. 1954, GVBl. 1954, S. 197, in der Fassung v. 24. 2. 1991, GVBl. 1991, S. 78, sowie in § 1 des Gesetzes über die Studentenwerke bei den Hochschulen des Landes Hessen v. 26. 6. 2006, GVBl. I 2006, S. 345. 211 Vgl. für Hessen etwa § 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main (PlanvG) v. 19. 12. 2000, GVBl. I 2000, S. 544; § 3 des Gesetzes über die Studentenwerke bei den Hochschulen des Landes Hessen v. 26. 6. 2006, GVBl. I 2006, S. 345; allg. auch Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 177. 212 Vgl. oben Fn. 199. 213 H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758 mit Fn. 23; Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 879.

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(3) Ausnahmentrias Betrachtet man die Vielzahl der existierenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts näher, so lässt sich feststellen, dass bei ihnen nicht immer ein gleich starker Bezug zu der staatlichen Sphäre auszumachen ist. Eine besondere Rolle kommt dabei denjenigen Körperschaften und Anstalten zu, die sich ausnahmsweise auf eigene Grundrechte berufen können. Namentlich die Rundfunkanstalten, Universitäten sowie die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften unterscheiden sich wegen ihrer – zum Teil jedenfalls partiellen – Grundrechtsberechtigung von den gewöhnlichen bundes- und landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Es bedarf daher der Klärung, ob sie der staatlichen Sphäre angehören. Nur wenn dies zu bejahen wäre, könnte auch bei den genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts davon gesprochen werden, dass sie Staatsaufgaben erfüllen. (a) Rundfunkanstalten Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind zwar als juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgestaltet, 214 sie können sich jedoch in gleichem Maße wie privatrechtlich organisierte Rundfunkveranstalter 215 auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 GG berufen, soweit sie mit der Veranstaltung von Rundfunk zusammenhängende Tätigkeiten ausüben. 216 Die Rundfunkfreiheit garantiert damit den Sendeanstalten eine Unabhängigkeit gegenüber dem Staat, die von der Verfassung sonst nur im bürgerlich-gesellschaftlichen Bereich vorgesehen ist. 217 Diese Staatsfreiheit, die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 GG vermittelt wird, beinhaltet neben dem Recht zur Selbstverwaltung, das auch den sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zusteht, auch eine weitgehende Programmautonomie der Rundfunkanstalten. 218 Begründen lässt sich dieser Sonderstatus mit 214 Vgl. § 3 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrags v. 31. 8. 1991, siehe dazu für Hessen etwa das Gesetz v. 31. 8. 1991, GVBl. I 1991, S. 367, neugefasst durch Bekanntmachung v. 28. 7. 2009, GVBl. I 2009, S. 278. 215 Etabliert hat sich für die Koexistenz von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Veranstaltern im Rundfunkbereich der Begriff des dualen Systems bzw. der dualen Rundfunkordnung, vgl. BVerfGE 73, 118, 125; 83, 238, 296; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 91, 104; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 623; Stock, JZ 1997, 583, 584; dens., in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 118, 120. 216 BVerfGE 59, 231, 254 f.; 78, 101, 102 f.; zur Grundrechtsfähigkeit auch Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 107; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 125. 217 BVerfGE 31, 314, 322; 59, 231, 254 f.; vgl. auch Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 41. 218 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 107.

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der dem Massenkommunikationsmittel Rundfunk zukommenden existentiellen Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. 219 Bei der Veranstaltung von Rundfunk steht der kommunikative Prozess im Vordergrund, der für die Gesellschaft als Forum und Medium öffentlicher Meinungs- und Willensbildung dient. 220 Trotz oder gerade wegen ihrer essentiellen Bedeutung hat das Grundgesetz die Versorgung der Bevölkerung mit Informationen auch aus dem politischen Bereich nicht dem Staat und seinen unmittelbaren Untergliederungen überlassen. 221 Es ist daher zum einen ausgeschlossen, dass der Staat selbst als Rundfunkveranstalter in Erscheinung tritt; zum anderen dürfen staatliche Organe keinen entscheidenden oder beherrschenden Einfluss auf die Rundfunkorganisation ausüben. 222 Zu groß war die Sorge des Verfassunggebers, dass es anderenfalls zu einer staatlichen Instrumentalisierung des Rundfunks wie zu Zeiten des Nationalsozialismus kommen könnte. 223 Da der von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wahrzunehmende publizistische Rundfunkauftrag, wie erwähnt, der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung und damit dem Gemeininteresse zu Gute kommt, handelt es sich um eine öffentliche Aufgabe. 224 Er ist aber wegen des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks eine Angelegenheit der Gesellschaft und wurzelt daher gerade nicht in der staatlichen Sphäre. 225 Obwohl die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter als juristische Personen des öffentlichen Rechts verfasst sind, agieren sie in dem von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 GG geschützten Bereich nicht als Teil des Staates. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkeinrichtungen nehmen mit der Veranstaltung von Rundfunk daher auch keine Staatsaufgaben wahr. 226 219 Vgl. BVerfGE 35, 202, 219; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 83; sowie dens., in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 92 f. 220 Badura, in: FS Knöpfle, S. 1; Leibholz, in: FS Geiger, S. 9, 12; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 622. 221 Zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks BVerfGE 12, 205, 261; 31, 314, 329; 57, 295, 320; 59, 231, 255; 83, 238, 322 f.; 90, 60, 88; Badura, in: FS Jauch, S. 1, 4 f.; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 83 f.; Leibholz, in: FS Geiger, S. 9, 11. 222 Vgl. Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 52; ebenso BayVerfGH, NJW 1990, 311, 313, in Bezug auf Art. 111a der Verfassung des Freistaates Bayern. 223 Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 56; siehe zu dieser Erwägung auch die Dokumentation in JöR NF 1 (1951), 79, 86. 224 Badura, in: FS Knöpfle, S. 1, 8; zum dienenden Charakter des Rundfunks BVerfGE 57, 295, 320; 95, 220, 236; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 92 f., 106; Leibholz, in: FS Geiger, S. 9, 12; Starck, NJW 1992, 3257, 3260. 225 Vgl. auch BVerfGE 31, 314, 329; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 92. 226 Leibholz, in: FS Geiger, S. 9, 11; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 113; a. A. offenbar Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 51, der die Aufgaben der Rundfunkanstalten, ebenso wie jene der kommunalen Gebietskörper-

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(b) Universitäten Auch die im Bereich der Wissenschaft tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind als grundrechtsberechtigt einzustufen, wenn sie Aufgaben wahrnehmen, die dem sachlichen Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterfallen. 227 Neben individuellen Trägern der Wissenschaftsfreiheit wie Forschern und Hochschullehrern sind primär auch Universitäten und deren Teiluntergliederungen wie Fakultäten bzw. Fachbereiche 228 als überindividuelle Organisationseinheiten in Bezug auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundrechtsberechtigt. 229 Dabei ist es unschädlich, dass der universitäre Konstitutionsakt der staatlichen – legislativen wie exekutiven – Regie unterliegt. Organisationsrechtlich hat die staatliche Rechtsetzung und Rechtsanwendung die Funktion, die Lehr- und Forschungstätigkeit der Universität zu schützen und zu befördern. 230 Aber auch die Tatsache, dass die Hochschuleinrichtungen in einigen Bereichen mit der Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten betraut sind, spricht nicht gegen eine Grundrechtsberechtigung der Universitäten. Zwar hat die Universitätsverwaltung in dienstrechtlichen Angelegenheiten oder bei der Abnahme von akademischen Prüfungen die Bindungen des öffentlichen Rechts zu beachten. So sind etwa bei Ernennung, Beförderung und Entlassung von verbeamteten Beschäftigten neben den Grundrechten auch die einfachgesetzlich geregelten Vorgaben etwa des Beamtenrechts zu beachten, 231 bei deren Nichteinhaltung den nachteilig Betroffenen verwaltungs- und verfassungsprozessualer Rechtsschutz offensteht. 232 Diese Grundrechtsbindung gegenüber den Mitgliedern der Hochschule vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass sich die Universitäten im Verhältnis zum Staat auf ihre Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen können. 233 Entscheidend ist, schaften, als „Staatsaufgaben im weiteren Sinne“ behandelt wissen will. Ob mit diesem Begriff eine weitere Gruppe von Staatsaufgaben geschaffen werden soll bzw. wo der Unterschied zu dem Begriff der herkömmlichen Staatsaufgabe liegt, bleibt indes offen. 227 BVerfGE 15, 256, 262. 228 Zur Organisation der Hochschule näher Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 97 Rn. 46 ff. 229 BVerfGE 15, 256, 262; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 125; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 211; vgl. auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 23; Krebs, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 44. Plakativ ist mitunter von dem „Grundrecht der deutschen Universität“ die Rede, vgl. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 80; dens., in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 210; Häberle, AöR 110 (1985), 329, 359; Köttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, passim; zuvor bereits Smend, VVDStRL 4 (1928), 44, 57; dessen Existenz jedoch offen gelassen in BVerfGE 35, 79, 115. 230 Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 81. 231 Vgl. § 49 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) v. 26. 1. 1976, i. d. F. der Bekanntmachung v. 19. 1. 1999, BGBl. I 1999, S. 18; zu den einzelnen Vorgaben ausführlich Reich, Hochschulrahmengesetz, § 3 Rn. 1, §§ 42 ff. (S. 382 ff.). 232 Vgl. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 82.

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dass sich die Universität in einer solchen grundrechtstypischen Gefährdungslage befindet, wie sie auch bei natürlichen Personen bestehen kann, soweit es um die Verteidigung der wissenschaftlichen Tätigkeit geht. 234 Aufgrund der Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und der daraus resultierenden beschränkten Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme sowie der ihr nur in begrenztem Maße zustehenden Hoheitsfunktionen, 235 kann die als Körperschaft oder Stiftung 236 des öffentlichen Rechts organisierte Universität nicht als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung begriffen werden. 237 Sie wird im Wissenschaftsbetrieb außerhalb der staatlichen Sphäre tätig. Die Aufgaben, die den Hochschulen zufallen bzw. von ihnen wahrzunehmen sind, stellen damit keine Staatsaufgaben dar. 238 Es handelt sich jedoch, da forschende wie lehrende Tätigkeiten im Gemeininteresse erfolgen, 239 um öffentliche Aufgaben. (c) Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften Schließlich kommt auch den öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften 240 eine Sonderstellung innerhalb der juristischen Personen des 233

Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 82. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 81; vgl. auch dens., in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 211. 235 Vgl. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 210. 236 Zu dieser Organisationsform der Universitäten, die erst in jüngerer Zeit populär geworden ist, Löwer, RdJB 2004, 190 ff. 237 So i. E. auch Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 81; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 210. 238 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 210 (keine „wesensmäßig staatlichen Aufgaben“). Vgl. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 67, der die Hochschulen zwar der staatlichen Sphäre zurechnet, im Ergebnis aber ebenfalls annimmt, dass Hochschulen keine Staatsaufgaben wahrnehmen. 239 Vgl. BVerfGE 47, 327, 370. 240 Unter den Begriff der öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaft fallen neben den Untergliederungen der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche auch die kleineren Religionsgemeinschaften und Zusammenschlüsse. Auf diese soll vorliegend jedoch nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z. B. Obermayer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 140 Rn. 44. Differenziert man bei den beiden großen christlichen Kirchen nach dem Glaubensbekenntnis, so kommen für die evangelische Kirche als Körperschaften des öffentlichen Rechts deren organisatorische Untergliederungen, die evangelischen Landeskirchen, in Betracht. In der römisch-katholischen Kirche kommt u. a. den Bistümern und Erzbistümern als körperschaftlich organisierten juristischen Personen des öffentlichen Rechts in organisatorischer Hinsicht Bedeutung zu. Soweit im Folgenden von den christlichen Kirchen die Rede ist, gelten die Ausführungen sinngemäß auch für die sonstigen christlichen Kirchen und Zusammenschlüsse, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind. Vgl. zu terminologischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten auch Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 21 f., 104 ff. 234

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öffentlichen Rechts zu. Diese ergibt sich in materieller Hinsicht aus deren umfassender Grundrechtsberechtigung. 241 So steht es ihnen offen, sich neben der von Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten kollektiven Religions- und Weltanschauungsfreiheit 242 auch auf alle sonstigen Grundrechte zu berufen. 243 In formaler Hinsicht werden sie mitunter als Körperschaften besonderer Art bezeichnet, 244 obgleich sich diese Sonderstellung nicht aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ergibt. 245 Dass sich Kirchen trotz ihrer Organisationsform als juristische Person des öffentlichen Rechts umfassend auf Grundrechte berufen können, lässt sich anhand eines Vergleichs zu privatrechtlich organisierten Vereinigungen verdeutlichen: Öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften greifen bei der Erfüllung des ihnen zukommenden Öffentlichkeitsauftrages 246 regelmäßig auf solche Instrumente zurück, die auch den privatrechtlich organisierten Massenverbänden offenstehen. 247 Das Handeln der Kirchen, das soziale Dienste ebenso umfasst wie theologische Lehren, zeichnet sich nicht durch ein Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Kirche und Mensch aus; die Kirchen maßen sich kein politisches oder staatliches Amt an. 248 Was für die Vergleichbarkeit von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften mit privatrechtlich organisierten Vereinigungen 241

Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 78 f. Vgl. nur Kästner, in: Stern / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Art. 4 Rn. 147. 243 Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 165; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 175. 244 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 21; vgl. auch Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 58: „öffentliche Körperschaft sui generis“; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 563: „wegen Art. 4 nicht normale Körperschaften des öffentlichen Rechts“. 245 Die Aussage des Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV ist insoweit eindeutig: „Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes soweit sie solche bisher waren.“ 246 Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen wurde erstmals ausdrücklich von einer staatlichen Institution in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt durch den Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen v. 19. 3. 1955, GVBl. 1955, S. 159; vgl. dazu Klostermann, Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen – Rechtsgrundlagen im kirchlichen und staatlichen Recht, S. 11 ff. 247 Vgl. nur § 2 Abs. 1 VwVfG, wonach das Verwaltungsverfahrensgesetz (und damit die spezifischen Handlungsinstrumente der Verwaltung) auf Kirchen keine Anwendung findet; dazu Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. II, § 45 Rn. 21. Siehe auch Schlaich, in: Listl / Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, Bd. II, § 44, S. 131, 141: „Predigt im öffentlichen Gottesdienst, Gottesdienste im Rundfunk, Hirtenworte, Denkschriften, Akademietagungen, Gesprächskreise in der Gemeinde, Sitz und Stimme im Rundfunkrat, die verzweigte sozial-karitative Tätigkeit – all dies läßt sich rechtlich nicht sinnvoll unter einen Rechtssatz und Titel bringen. (...) die Kirchen erscheinen da und dort in verschiedenfarbigen Gewändern, wie es auch Parteien, Gewerkschaften usw. tun.“ 248 Schlaich, in: Listl / Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, Bd. II, § 44, S. 131, 148. 242

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im Allgemeinen gilt, findet im Besonderen auf Kirchen und Religionsgemeinschaften mit privatrechtlichem Rechtsstatus Anwendung: Da die Gründung der juristischen Person des Privatrechts unmittelbar 249 oder mittelbar 250 auf den Entschluss von natürlichen Personen zurückzuführen und das Auftreten und Agieren dieser juristischen Person zugleich Ausdruck des Willens und der Entfaltung der im Hintergrund stehenden Menschen ist, kann hier dem Kriterium des personalen Substrats, 251 das von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur als Voraussetzung für eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen angesehen wird, besser entsprochen werden als dies bei den Kirchen der Fall ist. Religionsgemeinschaften in privatrechtlicher Rechtsform sind daher aufgrund ihrer Konstitution regelmäßig eher geeignet, den Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 3 GG zu genügen und können damit leichter als grundrechtsberechtigt qualifiziert werden. 252 Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der christlichen Kirchen darf jedoch nicht als Hinderungsgrund für die Wahrnehmung von Grundrechten angesehen werden. Es ist vielmehr anerkannt, dass dieser Status die Kirchen privilegieren und ihnen die mit dieser Organisationsform einhergehenden besonderen Rechte und Wirkungsmöglichkeiten gewährleisten soll. 253 Um eine Schlechterstellung 249 Eine unmittelbare Willensbetätigung liegt der Gründungsentscheidung etwa dann zugrunde, wenn eine Gesellschaft durch eine oder mehrere natürliche Personen errichtet wird, ohne dass in diesen Prozess andere juristische Personen des privaten Rechts eingebunden werden. 250 Sind an der Entscheidung, eine juristische Person des Privatrechts zu errichten und zu betreiben, neben natürlichen Personen auch juristische Personen des Privatrechts beteiligt, so kann zwar nicht ausschließlich von dem Willenentschluss einer natürlichen Person die Rede sein. Zu beachten ist jedoch, dass hinter den beteiligten juristischen Personen letztlich stets der Entschluss einer oder mehrerer natürlicher Personen steht. 251 Das personale Substrat als entscheidendes Kriterium im Rahmen von Art. 19 Abs. 3 GG begreift neben dem Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 21, 362, 369 („Durchgriff auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen“) etwa Dürig, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 19 Abs. 3 (1977) Rn. 1, 6; kritisch Krebs, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 38. Zur Gegenposition, die eine „grundrechtstypische Gefährdungslage“ für ausschlaggebend hält, vgl. etwa Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 33; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 178. 252 Vgl. auch Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 61, der in Bezug auf die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bemerkt, dass dieses Problem wesentlich mehr Brisanz besitze, als die Frage nach der Grundrechtsberechtigung von privatrechtlich organisierten juristischen Personen. Ferner allgemein Schoch, Jura 2001, 201, 204 sowie Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 48, 89 ff., der von Art. 19 Abs. 3 GG in erster Linie die juristischen Personen des Privatrechts erfasst sieht und von einer prinzipiellen Nichtgeltung der Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts spricht. 253 Dazu Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 25; Herzog, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 4 Rn. 40; zu den besonderen Befugnissen und Vorrechten der öffentlich-rechtlich organisierten Kirchen eingehend Muckel, Der Staat 38 (1999), 569, 575 ff.; Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 108 ff.; 125 ff. („Privilegienbündel“).

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der körperschaftlich organisierten Religionsgemeinschaften zu vermeiden, kann deren öffentlich-rechtliche Organisationsform nicht herangezogen werden, um ihre Zugehörigkeit zu der staatlichen Sphäre zu untermauern. Auch die Tatsache, dass Religionsgemeinschaften öffentliche Gewalt ausüben können, steht ihrer Rolle außerhalb des staatlichen Verwaltungsaufbaus nicht entgegen. So können die Kirchen zwar für sich das Recht in Anspruch nehmen, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. 254 Für diese hoheitliche, sonst nur im engeren staatlichen Bereich anzutreffende Befugnis ist allerdings eine Beleihung erforderlich, welche nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen ist, die für die Übertragung von staatlichen Aufgaben und Befugnissen an Private gelten. 255 Daraus ergibt sich, dass öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften nur dann der staatlichen Sphäre angehören, wenn die Erhebung von Kirchensteuer in Rede steht. In den übrigen Angelegenheiten der Kirche sind sie dagegen nicht in den Bereich des Staatlichen integriert. Schließlich bedeutet der Umstand, dass Staat und Kirche auf vielen Gebieten kooperieren, 256 weder eine Absage an das Prinzip der organisatorischen Trennung von Staat und Kirche noch lassen sich daraus Rückschlüsse auf in Bezug von den Kirchen wahrzunehmende Staatsaufgaben ziehen. Was zunächst die institutionelle Trennung von Staat und Kirche anbelangt, so wird gegen dieses verfassungsrechtliche Gebot durch eine staatlich-kirchliche Kooperation nicht verstoßen. Die Aussage von Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV, dass keine Staatskirche besteht, hat zwar Bedeutung für den institutionell-organisatorischen Status der Religionsgemeinschaft, erhebt aber keinen Anspruch auf eine uneingeschränkte Geltung. 257 Mit ihr soll keine Religionsfeindschaft auf Seiten des Staates initiiert oder gefördert werden. Einer gemeinsamen Zusammenar254

Vgl. für die Evangelische Kirche als wichtige grundsätzliche Rechtsquelle § 4 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder (KMitG) v. 10. 11. 1976, ABl. EKD 1976, S. 389. 255 Obermayer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 140 Rn. 80; vgl. dazu auch BVerfGE 19, 206, 217 f. Kritisch zu dem Begriff der Beleihung in diesem Zusammenhang Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 128. Zu den Anforderungen an den Beleihungsakt vgl. bereits oben A. I. 4. b) aa) (2) (b). 256 Zu nennen ist etwa die Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Dienste sowie der Entwicklungshilfe. Der Kirche kommt daneben Bedeutung zu bei der Errichtung und Unterhaltung theologischer Fakultäten sowie der Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Auch in kirchlicher Trägerschaft befindliche Bildungseinrichtungen, deren Ausbildungsgänge staatlich anerkannt sind, stehen beispielhaft für die enge Verzahnung kirchlichen und staatlichen Engagements im Interesse der Allgemeinheit. Zu weiteren Bereichen der Kooperation etwa Obermayer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 140 Rn. 81. 257 Vgl. Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 2; Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 32 f.

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beit in Bereichen, in welchen die großen Kirchen zum Tätigwerden geeignet und berufen sind, steht Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV daher nicht entgegen. 258 Auf der anderen Seite lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen, dass dort, wo Staat und Kirche gemeinsam im öffentlichen Interesse tätig werden, die staatliche Sphäre im Vordergrund stünde und die wahrgenommenen Aufgaben so zu Staatsaufgaben würden. 259 Die gemeinsame Aufgabenerfüllung von Staat und Religionsgemeinschaft hat kooperativen, nicht inkorporierenden Charakter; eine Integration der Kirchen in den staatlichen Bereich findet nicht statt. 260 Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen macht deutlich, dass deren Selbstverständnis auf den Dienst am Menschen ausgerichtet ist. Bei den von den Kirchen wahrzunehmenden und wahrgenommenen Aufgaben handelt es sich daher um öffentliche Aufgaben. Dass ihnen gleichwohl nicht der Charakter einer Staatsaufgabe zukommt, wird daran deutlich, dass sich das Bestehen der christlichen Kirchen weder auf das Grundgesetz, noch auf ein älteres staatliches Regelungswerk zurückführen lässt. Sie sind dem Staat in keiner Weise einverleibt. Die Tradition der Kirche ist älter als jede organisierte Staatlichkeit auf dem heutigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Öffentlich-rechtliche organisierte Religionsgemeinschaften sind damit nicht Teil der mittelbaren Staatsverwaltung; sie erfüllen keine Staatsaufgaben. 261 (d) Bewertung Allen drei Untergruppen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist damit gemein, dass ihnen mit der Ausübung von Grundrechten ein bedeutendes Instrument zur Abwehr staatlicher Einflussnahme zusteht. Was das Verhältnis der Rundfunkanstalten, Universitäten und öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften zum Staat anbelangt, so bleibt festzustellen, dass sie in ihren 258 Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 2; Link, FAZ Nr. 180 v. 6. 8. 1998, S. 8; Obermayer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 140 Rn. 81; Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 32 f. 259 Vgl. auch BVerfGE 102, 370, 396; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/ Art. 137 WRV Rn. 26. Nur ganz vereinzelt macht das Grundgesetz Vorgaben zur Zusammenarbeit von Staat und Kirche, so etwa bei der Erhebung der Kirchensteuer (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) oder dem Religionsunterricht an Schulen (Art. 7 Abs. 3 GG). 260 BVerfGE 18, 385, 386; 42, 312, 321 f.; 55, 207, 230. 261 BVerfGE 18, 385, 386 f.; 19, 1, 5; 21, 362, 374; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 78; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 25, Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, S. 27; grundsätzlich zustimmend Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 129, der aber im Personenstandswesen und im Friedhofsrecht noch einzelne, von den Religionsgemeinschaften wahrzunehmende staatliche Aufgaben erblickt.

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eigenen, vom Staat unabhängigen Bereichen gleich dem Bürger oder einem Zusammenschluss von Bürgern Rechtspositionen verteidigen. 262 Dieser Umstand schließt eine Zuordnung zu der mittelbaren Staatsverwaltung aus. Körperschaftliche Mitgliedschaft und Willensbildung wird hier zu einem Ausdruck größerer Unabhängigkeit vom Staat. In funktions- bzw. statusrechtlicher Hinsicht stellt die Ausnahmentrias im Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts das Gegenstück zu den Beliehenen und der privatrechtlich organisierten Verwaltung im Bereich der Privatrechtssubjekte dar: Bezogen auf ihren Status sind Rundfunkanstalten, Universitäten und öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften dem öffentlichen Recht zuzuordnen, obgleich sie in ihrem grundrechtlich geschützten Wirkungskreis keine Staatsaufgaben wahrnehmen. Öffentliche Unternehmen und Beliehene erfüllen, wenngleich von ihrem Status her dem Privatrecht unterfallend, dagegen Staatsaufgaben, wenn und soweit sie hierzu vom Staat ermächtigt worden sind. (4) Problem: Erfüllung staatlicher oder öffentlicher Aufgaben durch kommunale Gebietskörperschaften? Von den soeben dargestellten Ausnahmen abgesehen können sich die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht auf Grundrechte berufen. 263 Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Erfüllung von Aufgaben des Staates erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde. Denn der Staat ist gerade auch im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung, die überwiegend von juristischen Personen des öffentlichen Rechts getragen wird, darauf angewiesen, dass die in den Vollzug der Gesetze integrierten Einrichtungen zu einer geordneten und verzögerungsfreien Verwaltungstätigkeit beitragen. Das Funktionieren des Verwaltungsapparats wäre empfindlich gestört, wenn sich sämtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gegenüber dem Staat auf ihre Grundrechte berufen könnten und durch Anrufung der Gerichte dringende staatliche Aufträge zunächst unbearbeitet blieben. Diese Grundsätze gelten auch und gerade für die Gemeinden und Gemeindeverbände, obwohl sich die kommunalen Gebietskörperschaften auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG 264 berufen können. 262

Vgl. BVerfGE 45, 63, 79; 61, 82, 103. Vgl. oben A. I. 4. b) bb) (1) und (2). Die Entscheidung des BVerfG v. 14. 5. 1985, BVerfGE 70, 1, 20, in welcher der Erste Senat den Grundrechtsschutz auf den als juristische Person des öffentlichen Rechts organisierten Bundesverband für Orthopädie-Technik sowie die Landesinnung Bayern für Orthopädie-Technik ausgedehnt hat, lässt sich nicht verallgemeinern, da sie sich explizit nur auf den zu erörternden Sachverhalt bezog, vgl. BVerfGE 70, 1, 20 f.; ebenso Epping, Grundrechte, Rn. 165. 264 Das Grundgesetz steht einer abweichenden oder weitergehenden Regelung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch Vorschriften der jeweiligen Landesverfas263

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Der Unterschied zu den Universitäten, Rundfunkanstalten und öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften wird deutlich an der rechtlichen Qualität dieser Gewährleistung. Bei Art. 28 Abs. 2 GG handelt es sich nicht um eine individuelle, sondern um eine institutionelle Garantie. 265 Die Norm vermittelt weder ein Grundrecht auf Selbstverwaltung, noch eine mit der Berufs- oder Versammlungsfreiheit vergleichbare „Gemeindefreiheit“. Dies ergibt sich zum einen aus der Stellung von Art. 28 Abs. 2 GG im zweiten Abschnitt des Grundgesetzes, der sich mit staatsorganisatorischen Fragen im Verhältnis von Bund und Ländern befasst und, anders als der erste Abschnitt, gerade keine Grundrechte definiert und festlegt. 266 Zum anderen lässt sich dies mit der Entstehungsgeschichte der Norm begründen: Art. 28 Abs. 2 GG knüpft, wenngleich mit leicht abgeänderter Formulierung, 267 an die Tradition des Art. 127 WRV an. Gegen Ende der Weimarer Republik hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass Art. 127 WRV zwar einerseits mehr sei als ein bloßes Programm ohne rechtlichen Gehalt, 268 andererseits aber trotz seiner Stellung im Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung 269 ein Grundrecht der Gemeinde nicht verkörpere. 270 Dass der Grundgesetzgeber sungen nicht entgegen, so dass auf Länderebene den einschlägigen Vorschriften eine andere, stärker subjektiv geprägte Ausrichtung zukommen kann, vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 11. Für die vorliegende Untersuchung soll indes nur auf Art. 28 Abs. 2 GG eingegangen werden. 265 BVerfGE 86, 90, 107; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 409 f.; ders., in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 28 Rn. 78; Tettinger, in: Mann / Püttner (Hrsg.), HKWP, Bd. I, § 11 Rn. 4; kritisch zu dieser Formulierung Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 42. 266 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 49; Clemens, NVwZ 1990, 834, 835; Tettinger, in: Mann / Püttner (Hrsg.), HKWP, Bd. I, § 11 Rn. 4 mit Fn. 8. 267 Art. 127 WRV: „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze.“ Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ 268 Vgl. aber zunächst noch Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 10. Aufl., 1929, S. 510 f., der Art 127 WRV hinsichtlich seiner Bindungswirkung für die Staatsverwaltung als „leerlaufenden Grundrechtsartikel“ bezeichnet und die Bindungswirkung für den Gesetzgeber als praktisch bedeutungslos ansieht. Später korrigiert Anschütz seine Haltung teilweise und empfiehlt immerhin, die Bedeutung des Artikels „nicht sehr hoch anzuschlagen“, vgl. dens., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, S. 583. 269 Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. 8. 1919, RGBl. I 1919, S. 1383, beinhaltete neben dem ersten Hauptteil (Aufbau und Aufgaben des Reichs, Art. 1 –108) einen zweiten Hauptteil: Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, Art. 109 ff. 270 Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 408 mit Fn. 65; vgl. F. Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, S. 56 ff., der sich ausführlich mit dem seinerzeitigen Meinungsstand zu Art. 127 WRV auseinandersetzt, sowie S. 131: „Sie (Anm.: die institutionellen Garantien) unterscheiden sich jedoch von anderen reichsverfassungsrechtlichen Festlegungen, insbesondere den ‚Grundrechten‘, wesentlich dadurch, daß sie nicht ‚Freiheiten‘ garantieren, daß sie nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie im Individualinteresse, sondern – wenn auch nicht einzig und allein, so doch – vornehmlich im

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weder über den Gewährleistungsumfang von Art. 127 WRV hinausgehen, noch hinter diesem zurückbleiben wollte, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in einer frühen Entscheidung deutlich gemacht. 271 Darüber hinaus ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a sowie Nr. 4b GG, dass auch in verfassungsprozessualer Hinsicht Unterschiede zwischen Grundrechten und der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG bestehen. So entscheidet das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder weiterer verfassungsrechtlich garantierter Rechte verletzt zu sein. Die Formulierung „jedermann“ ist dabei in einem weiten und umfassenden Sinn zu verstehen. 272 Neben natürlichen Personen werden von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG auch solche juristische Personen erfasst, die sich auf Grundrechte berufen, welche ihrem Wesen nach auf diese Rechtssubjekte anwendbar sind. 273 So lassen sich neben juristischen Personen des Privatrechts auch solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts als „jedermann“ i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG qualifizieren, die sich in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage befinden bzw. bei denen ein personales Substrat erkennbar wird. 274 Handelte es sich bei Art. 28 Abs. 2 GG um ein Grundrecht, so hätte kein Erfordernis bestanden, mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG eine eigene Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde für Gemeinden und Gemeindeverbände zu schaffen. 275 Für die kommunalen Gebietskörperschaften hätten die gleichen Regelungen zur Anwendung gelangen können wie für die Rundfunkanstalten in Bezug auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 GG, Staatsinteresse bestehen. Der Staat läßt hier zunächst um seiner selbst willen solchen Einrichtungen besonderen Schutz und erhöhte Sicherung angedeihen, die einmal seiner ‚Verfassung‘ ein eindeutig bestimmtes Gepräge verleihen und die er zum anderen als die Grundlagen seiner eigenen Existenz ansieht.“ 271 BVerfGE 1, 167, 175. 272 Vgl. nur Sturm, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 82: „(...) jeder, der Träger der in diesen Bestimmungen genannten Grundrechte ist.“ 273 Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 164; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 80 f.; Sturm, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 82; Epping, Grundrechte, Rn. 151, 154 ff. 274 Dies kann, wie bereits oben dargelegt, bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Universitäten der Fall sein; bei Kirchen sowie sonstigen Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus trifft dies vollumfänglich zu. Neben diesen drei Sondergruppen können sich jedoch auch alle anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf die grundrechtsgleichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG berufen, sofern sie der Justizhoheit unterworfen sind, vgl. BVerfGE 6, 45, 49 f.; 61, 82, 104; 64, 1, 11; 75, 192, 200; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 93 Rn. 168; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 172; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 49, 108; Schoch, Jura 2001, 201, 205. 275 Clemens, NVwZ 1990, 834, 835; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 56.

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die Universitäten bezüglich Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sowie die Religionsgemeinschaften hinsichtlich sämtlicher Grundrechte des Grundgesetzes. Das eigene Beschwerdeverfahren des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG macht deutlich, dass es bei kommunalen Gebietskörperschaften gerade nicht zu einem klassischen Eingriff in Grundrechte kommen kann. Auch in materieller Hinsicht lässt sich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht das für die Grundrechte charakteristische individualschützende Moment entnehmen. So folgt zwar aus der institutionellen Rechtssubjektsgarantie als Element des Art. 28 Abs. 2 GG, dass die kommunale Selbstverwaltung vor völliger Beseitigung durch staatliche Maßnahmen geschützt ist. 276 Gemeint ist jedoch stets nur die Gemeinde als Gattungsbegriff, nicht aber die individuelle Gemeinde. 277 Gerade die einzelne kommunale Gebietskörperschaft kann sich nicht auf ein subjektiv-öffentliches Recht berufen, das ihren Fortbestand gewährleistet. Art. 28 Abs. 2 GG weist damit zwar grundrechtsähnliche Bezüge auf, gleichwohl handelt es sich bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht um staatsfreie Grundrechtssubstanz, sie gewährt kein Grundrecht. 278 Vielmehr sind die kommunalen Gebietskörperschaften, denen als Glied im gestuften Staatsaufbau auf Landesebene organisationsrechtliche Bedeutung zukommt, 279 in den Staat inkorporiert und daher nach zutreffender Ansicht als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung anzusehen. 280

276 Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 45; vgl. zum Gehalt der institutionellen Garantie allgemein bereits F. Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, S. 130. 277 BVerfGE 50, 50; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 529; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 45; Pieper, Subsidiarität, S. 125; vgl. auch Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 50. 278 Vgl. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 89; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 87; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 56; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 40; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 11; Stern, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 28 Rn. 70; vgl. auch BVerfGE 61, 82, 103. 279 Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 70; Stern, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 28 Rn. 70, 83; Tettinger, in: Mann / Püttner (Hrsg.), HKWP, Bd. I, § 11 Rn. 4. 280 Vgl. Geis, Kommunalrecht, § 5 Rn. 2; offen gelassen bei Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 88; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 402; für eine weitgehende Gleichsetzung von Selbstverwaltung und mittelbarer Staatsverwaltung Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 478. Zur Staatsaffinität der kommunalen Gebietskörperschaft deutlich Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 240: „Die Gemeinden sind auf Grund ihrer Gebietshoheit und der Universalität ihres Aufgabenkreises dem Staat am ähnlichsten.“ Ähnlich auch Friesenhahn, in: FS Imboden, S. 115: „Grundlagen des Staates“.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Um die besondere Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften im Staatsaufbau und der Verwaltungsorganisation zu unterstreichen, wird mitunter der Versuch unternommen, eine weitere Kategorie des Aufgabenbegriffs einzuführen: die Kommunalaufgabe. 281 Als Kommunalaufgaben seien danach jene Angelegenheiten zu verstehen, die für die Gemeinden eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellen. 282 Um Staatsaufgaben auf kommunaler Ebene solle es sich hingegen dann handeln, wenn staatliche Auftragsangelegenheiten oder Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung in Rede stünden. Die Vertreter dieser Auffassung argumentieren, allein die Tatsache, dass Gemeinden der staatlichen Rechtsaufsicht unterlägen, rechtfertige es nicht, den Staatsaufgabenbegriff auf den gesamten Wirkbereich der Kommunen zu erstrecken. Nur dort, wo der Staat umfassende Aufsichts- und Weisungsbefugnisse innehabe, könne von einer Staatsaufgabenerfüllung durch die Gemeinde gesprochen werden. 283 Es ist zwar richtig, dass die Unterscheidung zwischen dem eigenen und dem übertragenen Wirkbereich für eine Reihe von kommunalrechtlichen Fragestellungen von Bedeutung ist. So kommt es etwa für den Umfang und die Art des Rechtsschutzes einer Gemeinde darauf an, ob sich das Aufsichtsverhältnis zwischen Staat und Kommune in einer Rechtsaufsicht erschöpft, oder ob der Staat daneben auch im Wege der Fachaufsicht konkret Einfluss auf die Gemeinde nehmen kann. 284 Entscheidend für die Differenzierung zwischen Staatsaufgabe und öffentlicher Aufgabe ist jedoch, ob die Gemeinden dem staatlichen oder dem gesellschaftlichen Bereich entstammen. Diese Frage wird man jedoch, wie erwähnt, dergestalt beantworten müssen, dass die Kommunen dem Staat eingegliedert sind und als wichtiger Bestandteil des demokratischen Staatsaufbaus zu einer Verflechtung von regionaler und überregionaler Ebene beitragen. 285 Die Gemeinden agieren als „verlängerter Arm“ des Staates. 286 Wenn man den staatlichen Aufgabenbereich aus der gesellschaftlichen Sphäre heraus betrachtet, so ist für den Bürger kein Erkenntnisgewinn damit verbunden, wenn er innerhalb 281

So etwa Becker, in: FS Geiger, S. 755, 775 ff. Vgl. auch Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 38. 283 Becker, in: FS Geiger, S. 755, 775 f. 284 Statt vieler Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 40; Geis, Kommunalrecht, § 26 Rn. 1 ff., jeweils m. N. 285 Diese Tatsache stellt auch Becker, in: FS Geiger, S. 755, 776, nicht in Abrede. Gleichwohl tendiert er nur dann zu einer Gleichsetzung von kommunalen mit staatlichen Aufgaben, wenn den Gemeinden die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel fehlen und sie auf die Zuweisung von Landes- oder Bundesmitteln angewiesen sind: „Wo immer eine solche Entwicklung eingesetzt hat, können kommunale Aufgaben als Staatsaufgaben im weiteren Sinne bezeichnet werden.“ 286 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 51; weitere Nachweise zu dieser Formulierung bei Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 242 mit Fn. 77. 282

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der staatlichen Sphäre zwischen Staatsaufgaben und Kommunalaufgaben unterscheidet. 287 Die Handlungsinstrumente von Bundes- und Landesbehörden sowie Kommunalbehörden sind regelmäßig vergleichbar, so dass sich für den Bürger auch hinsichtlich des Rechtswegs keine bedeutsamen Unterschiede ergeben. Es ist daher aus Gründen der Rechtsklarheit angezeigt, keine weitere begriffliche Differenzierung innerhalb des Wirkungsbereiches des Staates einzuführen. Kommunale Gebietskörperschaften nehmen sowohl im eigenen Wirkbereich, als auch bei Auftragsangelegenheiten oder Angelegenheiten zur Erfüllung nach Weisung Staatsaufgaben wahr. 288 Es besteht daher kein Bedürfnis, den Begriff der Kommunalaufgabe als eine dritte, zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben liegende Kategorie einzuführen. (5) Zwischenergebnis Abgesehen von den genannten Ausnahmen ist es den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts verwehrt, sich auf Grundrechte zu berufen. Zur Anwendung gelangt vielmehr der Grundsatz, dass es sich bei der staatlichen Einflussnahme auf juristische Personen des öffentlichen Rechts lediglich um einen Kompetenzkonflikt handelt. Eine staatliche Einwirkung führt in diesem Bereich gerade nicht zu einer freiheitsverkürzenden Situation, wie sie für den Eingriff des Staates in Grundrechte des Bürgers, für den Einbruch des Staatlichen in die Sphäre der Gesellschaft, kennzeichnend ist. Bei Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist eine grundrechtsgleiche Gefährdungslage regelmäßig nicht auszumachen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts nehmen damit, von den erörterten Ausnahmen abgesehen, keine öffentlichen, sondern staatliche Aufgaben wahr, wenn sie im Interesse der Allgemeinheit tätig werden. 289 287

Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 51. Ebenso Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 67 f. 289 A. A. in Bezug auf das als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Bayerische Rote Kreuz (BRK) Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 4, der mit den im gesellschaftlichen Bereich liegenden Wurzeln dieser Vereinigung argumentiert. Nach seiner Meinung nimmt das BRK lediglich öffentliche Aufgaben wahr. Im Ergebnis mag man dem BRK als einem Sonderfall zwar gesellschaftliche Wurzeln zugestehen. Problematisch ist jedoch, dass das Bayerische Rote Kreuz faktisch, wenngleich aus historischen Gründen, als juristische Person des öffentlichen Rechts ausgestaltet ist. Alle weiteren Landesverbände sowie das Deutsche Rote Kreuz sind als eingetragener Verein organisiert oder haben diesen privatrechtlichen Status unter Aufgabe ihrer vormals öffentlich-rechtlichen Konstitution angenommen. Der in ihrer Klarheit und Voraussehbarkeit liegende Vorteil einer an der Rechtsform des jeweiligen Trägers ausgerichteten Unterscheidung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben würde negiert, wenn man unter Verweis auf die gesellschaftliche Provenienz für jeden Einzelfall eine gesonderte Zuordnung zu öffentlichen Aufgaben bzw. Staatsaufgaben vornehmen wollte. 288

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

cc) Aufgabenträger im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung Neben den natürlichen Personen sowie den juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts können Aufgaben im öffentlichen Interesse auch von Behörden im formell-organisatorischen Sinne 290 wahrgenommen werden. Hierzu zählen neben den Kommunalbehörden, auf die an dieser Stelle nicht mehr näher eingegangen werden soll, 291 die Behörden der unmittelbaren Bundesund Landesverwaltung. Diese organisatorischen Einheiten, derer sich der Bund oder ein Bundesland zum Tätigwerden bedienen muss, sind auf verschiedenen Ebenen und hinsichtlich einer Vielzahl von Sachmaterien tätig. 292 (1) Bundesverwaltung Wenn auf Bundesebene die Verwaltung etwa in den Bereichen des Eisenbahnverkehrs, Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG, und der Bundeswasserstraßen, Art. 89 Abs. 2 S. 1 GG, tätig wird, so dient die Unterhaltung der entsprechenden Infrastruktureinrichtungen auch der freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit, als deren Teilaspekt die individuelle Mobilität anzusehen ist. Aber auch auf anderen Gebieten wie der Bundeswehrverwaltung, Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG, sowie der Bundespolizeiverwaltung, § 1 Abs. 1 S. 1 BPolG, 293 die zunächst den Eindruck erwecken, sie seien gekennzeichnet durch hoheitliche Eingriffe in die freiheitlich Problematisch ist schließlich auch die Qualifizierung der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerksinnungen und -kammern, die jeweils als Körperschaften des öffentlichen Rechts ausgestaltet sind, vgl. § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) v. 18. 12. 1956, BGBl. I 1956, S. 920, sowie §§ 53 S. 1, 90 Abs. 1 Hs. 2 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (HandwO) v. 17. 9. 1953, BGBl. I 1953, S. 1411, i. d. F. der Bekanntmachung v. 24. 9. 1998, BGBl. I 1998, S. 3075. Richtigerweise ist die Wirtschaftsselbstverwaltung als Teil der öffentlichen Verwaltung zu qualifizieren und nimmt gerade keine privaten, in der gesellschaftlichen Sphäre wurzelnden Aufgaben wahr, vgl. zutreffend Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 594. Bei den von diesen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wahrzunehmenden Aufgaben handelt es sich daher um Staatsaufgaben; a. A. aber Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52. 290 Zu der Unterscheidung zwischen dem materiellen bzw. funktionellen und dem formell-organisatorischen Behördenbegriff vgl. etwa Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 200 ff. 291 Zur Qualifikation der im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften als staatliche Aufgabenerfüllung siehe bereits oben A. I. 4. b) bb) (4). 292 Einen Überblick über die Organisation von Bundes- und Landesverwaltung bietet etwa P. M. Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 145 ff. 293 Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) v. 19. 10. 1994, BGBl. I 1994, S. 2978.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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geprägte Sphäre des Bürgers, soll der staatliche Einsatz Sicherheit gewährleisten und damit wesentlich dazu beitragen, dass der Einzelne seine verfassungsrechtlich garantierten Freiheiten wahrnehmen kann. Diese Beispiele verdeutlichen, dass letztlich jede Verwaltungstätigkeit darauf angelegt ist, dem Einzelnen wie dem Gemeinwesen zu dienen. Die unmittelbare Bundesverwaltung ist als Teil des Staates damit materiell auf die Erfüllung gemeinwohlfördernder Aufgaben festgelegt. Dass es sich bei diesen im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben zugleich um Staatsaufgaben handeln muss, liegt im Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung auf der Hand: Rechtsträger der genannten Behörden ist der Bund; die Verwaltungsorganisation ist geprägt von umfassenden Weisungsund Aufsichtsbefugnissen der jeweils übergeordneten Behörde. Heute ist zwar einhellig anerkannt, dass auch die Beziehungen innerhalb des Staates nicht ausschließlich auf Befehl und Weisung beruhen, sondern als Rechtsverhältnisse aufzufassen sind. 294 Die Rechtsnormen, die den verwaltungsinternen Bereich dominieren, stellen aber keine subjektiv-öffentlichen Rechte dar. Es handelt sich hierbei vielmehr um reine Kompetenz- bzw. Zuständigkeitsvorschriften. Die Behörden des Bundes weisen damit keinen Bezug zu der freiheitlich geprägten Sphäre der Gesellschaft auf. Bei den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben handelt es sich damit um Staatsaufgaben. (2) Landesverwaltung Auch die Landesbehörden werden im Interesse der Allgemeinheit tätig. So dienen etwa die Landeskriminal-, Straßenbau- und Schulämter dem Allgemeininteresse, indem sie die innere Sicherheit gewährleisten oder für Mobilität und Bildung sorgen. Zurechnungssubjekt und Verwaltungsträger ist in diesen Fällen das jeweilige Bundesland und damit ein Teil des Staates. 295 Auch Landesbehörden nehmen damit Staatsaufgaben wahr. Die Einordnung der Bundes- und Landesbehörden in die staatliche Sphäre bedeutet indes nicht, dass bei ihrem Tätigwerden gesellschaftliche Berührungspunkte oder gesellschaftliche Einflussnahmen ausgeschlossen sein müssten. Staatliches Handeln erschöpft sich weder in isolierter und abgesonderter Behörden294 Anders noch Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, S. 181: „Das Recht besteht in der Abgrenzung der Befugnisse und Pflichten der einzelnen Subjekte gegeneinander (...). Verhaltungsregeln, die ein einzelner sich selbst gibt, können niemals Rechtsvorschriften sein (...). Dies gilt auch vom Staat (...). Aber nur da, wo die Willenssphäre des verwaltenden Staates (der Verwaltung) mit irgend einer anderen vom Recht anerkannten Willenssphäre in Kontakt kommt, wo ein wechselweiser Eingriff, eine Kollision, eine Ausgleichung möglich ist, kann für einen Rechtssatz Raum sein. Regeln dagegen, die sich innerhalb der Verwaltung selbst halten (...), sind keine Rechtsvorschriften.“ 295 Vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 7.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

tätigkeit, noch setzt es stets das Vorliegen eines strengen Über- / Unterordnungsverhältnisses voraus. So ist anerkannt, dass staatliche Behörden bei ihrer Aufgabenwahrnehmung gesellschaftliche Einrichtungen einbeziehen können, um die Verwaltungstätigkeit dynamisch, flexibel und fortschrittlich zu gestalten. Für das Gebiet des Umweltrechts haben diese Erwägungen ihren Ausdruck in dem Kooperationsprinzip gefunden. 296 Danach soll der Staat die maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligen, um so eine einvernehmliche Verwirklichung der umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Doch auch die Tatsache, dass in einzelnen Phasen der Verwaltungstätigkeit Interessen und Sachverstand aus der gesellschaftlichen Sphäre Berücksichtigung finden, ändert nichts daran, dass die Bundes- und Landesbehörden Herren des jeweiligen Verwaltungsverfahrens mit Letztentscheidungskompetenz bleiben. 297 Kooperation und frühzeitige Beteiligung privater Interesse können staatliche Reglementierung nicht vollständig ersetzen. Wo staatliche Behörden zum Tätigwerden aufgerufen sind, verbleibt ihnen das Recht, das Verfahren durch eine eigene Entscheidung abzuschließen. Daher kann auch dann von staatlicher Aufgabenerfüllung gesprochen werden, wenn Behörden die ihnen zugewiesenen Aufgaben unter Einbeziehung von nicht-staatlichen Einrichtungen durchführen. (3) Fiskalische Hilfsgeschäfte von Behörden und erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates als Sonderfall staatlicher Aufgabenerfüllung? Nachdem festgestellt wurde, dass Bundes- und Landesbehörden staatliche Aufgaben wahrnehmen, wenn sie im öffentlichen Interesse tätig werden, soll abschließend geklärt werden, ob diese Aussage auch in den beiden nachfolgenden Sonderkonstellationen staatlichen Handelns Geltung beanspruchen kann. Mit den sog. öffentlichen Unternehmen wurde an anderer Stelle bereits ein Fall angesprochen, in welchem das Handeln der Verwaltung eine Affinität zu dem Privatrecht aufweist. 298 Gemeint sind damit jene Konstellationen, in denen der Staat die Erfüllung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben an eigens von ihm geschaffene Privatrechtssubjekte überträgt. Die Nähe zum Privatrecht folgt damit aus der Rechtsform des Aufgabenträgers. 296 Zu Inhalt und Bedeutung dieses Prinzips allgemein Di Fabio, DVBl. 1990, 338 f.; Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 116 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 56 ff.; Waechter, Der Staat 38 (1999), S. 279, 280 ff. 297 Vgl. Kloepfer, Umweltschutzrecht, § 3 Rn. 27; sowie allgemein Schmidt, VVDStRL 33 (1975), 183, 199 f.; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 181 f. 298 Vgl. oben A. I. 4. b) aa) (2) (a).

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Neben der Errichtung von öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform erfasst der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand regelmäßig noch zwei weitere Erscheinungsformen: die Bedarfsdeckungsgeschäfte sowie die erwerbswirtschaftliche Betätigung. 299 Fiskalische Hilfsgeschäfte werden vom Staat getätigt, damit die Verwaltung die zur Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben notwendigen Sachmittel erhält. 300 Eine erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates liegt hingegen dann vor, wenn die Verwaltung entweder durch eigene Unternehmertätigkeit oder über die Einwirkung auf juristische Personen des Privatrechts jedenfalls auch zur Erzielung von Gewinnen tätig wird. 301 Soweit der Staat eigene privatrechtliche Gesellschaften errichtet oder beherrschenden Einfluss auf Unternehmen des Privatrechts ausübt, kann auf die Ausführungen zu den öffentlichen Unternehmen verwiesen werden. 302 Es verbleibt als hier zu behandelnder Sonderfall die eigene, jedenfalls auch auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmertätigkeit der Verwaltung. In diesen beiden Fällen der Verwaltungstätigkeit ist es jedoch nicht die Rechtsform des Aufgabenträgers, sondern der materielle Gehalt der Tätigkeit, der ihren Sonderstatus innerhalb der Handlungsformen der Verwaltung begründet: nicht Privatrechtssubjekte, sondern die Verwaltung und ihre Untergliederungen tätigen Geschäfte zur Bedarfsdeckung oder handeln mit Gewinnerzielungsabsicht. Es lässt sich daher feststellen: Errichtet der Staat öffentliche Unternehmen, so werden durch diese Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllt. Wegen der insoweit untypischen Rechtsform des Aufgabenträgers ist aber eine Abgrenzung zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben vorzunehmen. Für die beiden anderen Fälle wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand muss hingegen zunächst geklärt werden, ob die Aktivität überhaupt im öffentlichen Interesse erfolgt, oder ob vielmehr private Interessen im Vordergrund stehen. 303 Diese Unterscheidung erfolgt jedoch nicht anhand des Aufgabenträgers, vielmehr kommt es auf die Zielrichtung des Verwaltungshandelns an. 304 Sollten bei den genannten Betätigungsformen öffentliche Interessen dominieren – und davon ist wegen der Verpflichtung des Staates auf einen öffentlichen Zweck auszugehen –, 305 so 299 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 905 ff.; Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 43 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, S. 123 ff.; im Ergebnis ebenso Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 179 f. 300 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 20; dazu näher Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 46, 49. 301 Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 46; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 20. 302 Oben A. I. 4. b) aa) (2) (a). 303 Vgl. zu der Unterscheidung von öffentlichen und privaten Interessen bereits oben A. I. 4. a). 304 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 151.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

nimmt die Verwaltung auch in diesem Bereich Staatsaufgaben wahr. Mit der erwerbswirtschaftlichen Betätigung und den fiskalischen Hilfsgeschäften sind somit keine Ausnahmen von dem oben dargelegten Grundsatz angesprochen, das Bundes- und Landesbehörden Staatsaufgaben erfüllen. c) Zwischenergebnis Verdeutlicht man sich die vielfältigen Handlungsformen von Staat und Gesellschaft, so rechtfertigt sich der Wunsch nach einer strikten begrifflichen Trennung von öffentlichen und staatlichen Aufgaben. Ein synonymer Gebrauch hingegen führt zu Mehrdeutigkeit und verschleiert den Blick für Verbindungen und Zusammenhänge der Aufgabenerfüllung. 306 Die vorstehend entwickelten Grundsätze erlauben es, für jede denkbare Sachmaterie bzw. jedes Handlungssubjekt eine Abgrenzung von öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben vorzunehmen. So hat die Untersuchung gezeigt, dass Staatsaufgaben nicht nur durch Staatsorgane erfüllt werden können, sondern grundsätzlich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Träger staatlicher Aufgaben in Betracht kommen. Eine Ausnahme stellen jedoch die Rundfunkanstalten, Universitäten sowie die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften dar, die in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich nicht innerhalb der staatlichen Sphäre tätig werden und dort daher keine Staatsaufgaben wahrnehmen. Privatrechtlich organisierte Rechtssubjekte erfüllen hingegen regelmäßig keine Staatsaufgaben. Sie wurzeln in der gesellschaftlichen Sphäre und nehmen, wenn sie im Interesse der Allgemeinheit tätig sind, öffentliche Aufgaben wahr. Auch bei dieser Gruppe von Aufgabenträgern existieren jedoch Ausnahmen: Öffentliche Unternehmen nehmen ebenso wie mit hoheitlichen Befugnissen beliehene Private wegen ihrer Nähe zur staatlichen Sphäre keine öffentlichen, sondern staatliche Aufgaben wahr. Für die Kategorie der Staatsaufgabe lässt sich damit festhalten: Staatsaufgaben werden zwar für die, nicht aber durch die Gesellschaft wahrgenommen. Das Fundament der Staatsaufgabedefinition bilden dabei formelle Aspekte: Staatsaufgabe ist all das, was der Staat (im demokratischen Prozess) dazu macht. 305 Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich – neben weiteren Verfassungsvorgaben, dazu etwa Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542, 554 –, dass jedes Handeln der Staatsgewalt auf die öffentlichen Belange und damit auf das Gemeinwohl auszurichten ist, vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 5; sowie allg. bereits oben A. I. 4. a). Der Staat und seine Untergliederungen haben diese Maxime immer zu beachten, unabhängig davon, ob das konkrete Betätigungsfeld im Bereich der Eingriffsverwaltung oder der wirtschaftlichen Betätigung liegt; dazu auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 24. 306 Peters, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 877, 895; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 22 ff.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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Diese formelle Betrachtungsweise steht unter dem Vorbehalt, dass der Staat auf eine Sachmaterie nach Maßgabe des Verfassungsrechts zugreift. Hierfür können konkrete Verfassungsbestimmungen, so etwa Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG 307 oder Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG, 308 bedeutsam werden. Aber auch dann, wenn dem Verfassungstext selbst keine expliziten Vorgaben zu entnehmen sind, hat der Staat bei seinem Handeln den Subsidiaritätsgedanken zu beachten. 309 5. Verwaltungsaufgaben und Staatsaufgaben In Rechtsprechung 310 und Literatur 311 wird neben oder anstelle von Staatsaufgaben gelegentlich auch der Begriff der Verwaltungsaufgabe gebraucht. Zugleich werden jedoch die Schwierigkeiten beklagt, die bei dem Versuch auftreten, die Verwaltung und ihre Aufgaben näher zu umschreiben. 312 Zeichnet sich die Staatsaufgabe dadurch aus, dass sie von einem beliebigen Teil des Staates wahrgenommen werden kann, so kommt für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe nur ein begrenzter Kreis von Einrichtungen innerhalb des Staatsgefüges in Betracht. Die Abgrenzung zwischen den beiden Aufgabenbegriffen läuft damit auf die Frage hinaus, welcher Teil der Staatsgewalt Träger der jeweiligen Aufgabe ist bzw. welche Organisationseinheit für diesen Aufgabenträger die Erfüllung übernimmt. 313 Anders gewendet kommt es für eine nähere Umschreibung der Verwaltungsaufgabe darauf an, was unter dem Bereich der „Verwaltung“ zu verstehen ist. Ausgangspunkt einer Abgrenzung zwischen beiden Aufgabenbegriffen ist dabei die verfassungsrechtliche Differenzierung zwischen den verschiedenen Staatsgewalten und den von ihnen auszuübenden Funktionen. 314 Angesprochen ist damit die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG vorgenommene zentrale Unterteilung der 307

Siehe oben Fn. 55. Gusy, DÖV 1996, 573, 574, spricht bei der Untersagung einer staatlichen Zensur daher treffend von einer „verbotenen Staatsaufgabe“. 309 Dazu wiederum oben Fn. 55. 310 BVerfGE 10, 20, 43; 15, 235, 241; 17, 172, 184; 63, 1, 36; 106, 275, 305. 311 Vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben durch Private; Kämmerer, Privatisierung, S. 439 ff.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 158 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 154 f., und passim; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 71 ff. 312 Hierzu Katz, Staatsrecht, Rn. 451; Maurer, Staatsrecht I, § 18 Rn. 8; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 8; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 127 f.; vgl. auch Herzog, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 97 f.; aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht Püttner, Verwaltungslehre, § 4 Rn. 1. 313 Eckhardt, Staatliche Finanzierung der Wahrnehmung übertragener Verwaltungsaufgaben durch Private, S. 12. 314 Zu den staatlichen Hauptfunktionen Maurer, Staatsrecht I, §§ 17 ff., S. 513 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 557 ff.; vgl. auch Faber, Verwaltungsrecht, S. 50 f. 308

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Staatsgewalt in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. 315 Wie die Exekutive ein Unterfall der Staatsgewalt ist, so können auch die Aufgaben der Exekutive als ein Unterfall der Staatsaufgaben bezeichnet werden. 316 Der verfassungsrechtliche Begriff der vollziehenden Gewalt in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist jedoch nicht identisch mit dem der Verwaltung, erfasst er doch auch die Regierungstätigkeit: 317 gubernatives wie administratives Handeln ist Aufgabe der Exekutive. Aufgrund der jeweils eigenständigen Bedeutung der Begriffe der Exekutive bzw. der Verwaltung lassen sich Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG keine direkten Hinweise darauf entnehmen, was unter dem Begriff der Verwaltung zu verstehen ist. Das Grundgesetz gebraucht den Begriff der Verwaltung explizit jedoch an anderer Stelle. So ist im achten Abschnitt, Art. 83 ff. GG, von der Ausführung der Bundesgesetze sowie der Bundesverwaltung die Rede. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die genannten Normen stets nur einen Teil der staatlichen Verwaltungstätigkeit betreffen: 318 Der zweite Teil des achten Abschnitts, die Bundesverwaltung, erfasst in Abgrenzung zu der Landesverwaltung lediglich die dem Bund zurechenbare Verwaltung. Aussagen zu einem sämtliche staatliche Ebenen umfassenden Verwaltungsbegriff lassen sich diesem Verfassungsbestandteil daher nicht entnehmen. Soweit mit der Ausführung der Bundesgesetze der erste Teil des achten Abschnitts in Rede steht, enthält auch dieser keine vollständigen Aussagen zum Begriff der Verwaltung. Dies deshalb, weil von den Verfassungsvorschriften über die Ausführung der Bundesgesetze nur die gesetzesakzessorische Verwaltung erfasst wird. 319 Wichtige Bereiche gesetzesfreier Verwaltung, 320 insbesondere der Leistungsverwaltung, sind hingegen nicht Regelungsgegenstand der Art. 83 ff. GG. 321 315 Einige Landesverfassungen heben den Grundsatz der Gewaltenteilung, seiner Bedeutung entsprechend, in einem eigenen Artikel hervor, vgl. Art. 5 BayVerf., Art. 67 BremVerf., Art. 3 NRWVerf., Art. 47 ThürVerf. 316 Baer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11 Rn. 13; Schoch, DVBl. 1994, 962. 317 Baer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11 Rn. 14; Herzog, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 96. 318 Herzog, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 99; vgl. zu den im VIII. Abschnitt gebrauchten Begrifflichkeiten allg. Lerche, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 12 ff. 319 Der Sache nach ebenso Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 782.; ähnlich Trute, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 50; vgl. auch Lerche, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 15; a. A. Broß, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 5. 320 Zum Begriff Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 308. 321 Die gesetzesfreie Bundesverwaltung wird allenfalls von dem zweiten Teil des VIII. Abschnitts, Art. 86 ff. GG, erfasst, vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 18. Dies betrifft jedoch nur die in diesen Verfassungsnormen genannten Tätigkeits-

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Fasst man die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG bzw. Art. 83 ff. GG enthaltenen grundsätzlichen Aussagen über die Staatstätigkeit im Bereich der Verwaltung zusammen, so lässt sich daher formulieren: Der Begriff der Exekutive umfasst nicht nur die Verwaltung, der achte Abschnitt des Grundgesetzes meint hingegen nur einen Teil der Verwaltung. Den genannten Verfassungsnormen lassen sich damit keine erschöpfenden Aussagen zu dem Begriff der Verwaltung und ihren Aufgaben entnehmen. 322 Als Anknüpfungspunkt für eine begriffliche Bestimmung der Verwaltungsaufgabe bieten sich aber möglicherweise die Normen des Verwaltungsorganisationsrechts an. Dass Verwaltungsaufgaben originär durch Einrichtungen der unmittelbaren Bundes- und Landesverwaltung erfüllt werden, ergibt sich auf Bundesebene bereits aus § 1 Abs. 4 VwVfG sowie für die Ebene der Landesverwaltung aus den entsprechenden landesrechtlichen Vorgaben. Nach diesen Vorschriften ist entscheidendes Wesensmerkmal der Behörde, dass sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Unproblematisch ist diese Eigenschaft zunächst für alle staatlichen Stellen, die den organisatorischen Behördenbegriff erfüllen. Es lässt sich daher festhalten, dass Verwaltungsaufgaben jedenfalls alle staatlichen Aufgaben sind, die von Einrichtungen der unmittelbaren Staatsverwaltung wahrgenommen werden. Der funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG macht deutlich, dass Verwaltungsaufgaben aber nicht nur von Behörden der unmittelbaren Bundesund Landesverwaltung, sondern auch von anderen Einrichtungen oder Personen erfüllt werden, sofern sie der staatlichen Sphäre angehören. 323 Das Landesorganisationsgesetz von Mecklenburg-Vorpommern (LOG M-V) 324 hebt diese Tatsache noch einmal ausdrücklich hervor. So können gem. § 4 LOG M-V Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf natürliche oder juristische Personen des Privatrechts sowie auf nichtrechtsfähige Vereinigungen übertragen werden. § 4 Abs. 1 LOG M-V erfasst dabei die Fälle, in denen die Aufgabe in der Handlungsform des öffentlichen Rechts erfüllt werden soll; nach § 4 Abs. 2 S. 1 LOG M-V ist darbereiche. Die gesetzesfreie Landesverwaltung ist dagegen weder Regelungsgegenstand der Art. 83 ff. GG noch der Regelungen über die Bundesverwaltung, Art. 86 ff. GG; dazu Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 782. 322 Der XI. Abschnitt des Grundgesetzes hat zwar in den Art. 134 bis 135a GG Verwaltungsaufgaben zum Gegenstand. Bei diesen Vorschriften handelt es sich primär aber um Verfassungsaussagen zu Fragen der Rechtsnachfolge in Staatsvermögen. Die Vorschrift des Art. 134 Abs. 2 GG trägt nicht zur Klärung der Frage bei, was Verwaltungsaufgaben sind, sie setzt diese vielmehr voraus, um daran anknüpfend den Träger des Verwaltungsvermögens zu bestimmen, vgl. näher hierzu Mußgnug / Hufeld, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 134 Rn. 56 ff. 323 Dazu Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 240 ff., 253 ff. 324 Organisationsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern v. 14. 3. 2005, GVOBl. 2005, S. 98.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

über hinaus, unter speziellen Voraussetzungen, auch eine Übertragung der Verwaltungsaufgaben zur Erfüllung in privatrechtlicher Handlungsform 325 möglich. Die durch Bestimmungen des einfachen Rechts getroffenen Aussagen decken sich mit dem organisationsrechtlichen Begriff der staatlichen Verwaltung. Dieser umfasst neben der unmittelbaren Staatsverwaltung gerade auch solche natürlichen Personen sowie juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts, die mit der Ausübung von administrativer Staatsgewalt betraut sind. 326 Aufgaben der Verwaltung sind demnach nur solche Tätigkeitsbereiche, die organisationsrechtlich diesem Teil der Staatsgewalt zugewiesen sind. 327 Dieser Befund gestattet es, die Verwaltungsaufgabe auf zwei verschiedene Arten zu bestimmen: In negativer Hinsicht versteht man unter Verwaltungsaufgaben alle staatlichen Aufgaben, die nicht von Organen der Gesetzgebung und Rechtsprechung oder von Mitgliedern der Regierung wahrgenommen werden. 328 Positiv lässt sich die Verwaltungsaufgabe beschreiben als eine öffentliche Aufgabe, die vom Staat durch seine unmittelbaren wie mittelbaren Verwaltungsuntergliederungen wahrgenommen wird. Erfasst wird damit als Teil der organisierten Staatlichkeit das Tätigwerden sämtlicher Bundes- und Landesbehörden in den Bereichen der Eingriffs- wie Leistungsverwaltung. Darüber hinaus können neben juristischen Personen des öffentlichen Rechts auch privatrechtlich organisierte Rechtssubjekte Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, soweit ein erkennbarer Bezug 329 zum Verwaltungsbereich – etwa durch das Rechtsinstitut der Beleihung – hergestellt werden kann. 330 Für die vorliegende Untersuchung ist die hier vorgenommene Differenzierung zwischen Staats- und Verwaltungsaufgaben von Bedeutung, weil die vom Bürger zu tragenden Kosten regelmäßig nur bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben anfallen. Werden etwa Bundestag und Bundesrat gesetzgeberisch tätig, so erfül325 326

Rn. 4. 327

Siehe dazu im Einzelnen § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – 3 LOG M-V. Vgl. nur Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1

Vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 154. Eckhardt, Staatliche Finanzierung der Wahrnehmung übertragener Verwaltungsaufgaben durch Private, S. 12. Zum Begriff der Verwaltung siehe schon Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, S. 172 ff.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I (1924), S. 7 ff. 329 Vgl. zu den Grenzen Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 23 Rn. 24. 330 Wenig griffig, weil die Aufgabenträgerschaft vernachlässigend, erscheint dagegen die Definition von Baer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11 Rn. 12, wonach Verwaltungsaufgaben solche Aufgaben seien, „mit denen die Verwaltung etwas zu tun“ habe, die ihr aber nicht zwingend allein zufallen müssten. 328

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len zwar auch sie mit der Kreation von Normen eine staatliche Aufgabe. Die Kosten des Gesetzgebungsverfahrens werden jedoch nicht an einzelne Bürger oder begünstigte Einrichtungen bzw. Unternehmen 331 weitergegeben. 332 Traditionell anders stellt sich die kostenrechtliche Situation dagegen bei Maßnahmen der Verwaltung dar. Wird durch das Handeln der Verwaltung eine natürliche oder juristische Person betroffen oder begünstigt, so hat sie häufig jedenfalls einen Teil der anfallenden Kosten zu tragen. Dies belegen zum einen die vielfältigen Kostentatbestände in den Kommunalabgabengesetzen sowie in Benutzungsund Kostenordnungen der Verwaltung und ihrer Untergliederungen. Zum anderen spiegelt sich in der abgabenrechtlichen Terminologie bereits die besondere Bedeutung der Kostenüberwälzung bei der Verwaltungstätigkeit wider. So wird die abgabenrechtliche Kategorie der Gebühr in Abhängigkeit von der empfangenen Gegenleistung in eine Benutzungsgebühr sowie eine Verwaltungsgebühr unterteilt. 333 Gesetzgebungs- oder Regierungsgebühren haben sich als eigener Gebührentyp hingegen nicht etablieren können, weil hierfür wegen des fehlenden praktischen Bedürfnisses keine Notwendigkeit besteht.

II. Das Verhältnis der Staatsaufgaben zu Staatszwecken und Staatszielen Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Tätigkeitsfeldern des Staates beschränkt sich nicht darauf, die staatlichen Aufgaben näher zu umschreiben und von den öffentlichen Aufgaben abzugrenzen. Neben der Staatsaufgabe existieren mit dem Staatsziel sowie dem Staatszweck vielmehr weitere Kategorien, die für den Umfang und die Rechtfertigung staatlichen Handelns bedeutsam werden können. Die mit einer oder mehrerer dieser Kategorien befassten Abhandlungen kommen daher zumeist nicht umhin, jedenfalls kursorisch ein vollständiges Bild staatlicher Tätigkeit unter Einschluss staatstheoretischer wie verfas331 Vgl. etwa § 51 des Postgesetzes (PostG) v. 22. 12. 1997, BGBl. I 1997, S. 3294, welcher der Deutschen Post AG die bis zum 31. 12. 2007 befristete gesetzliche Exklusivlizenz bei der Beförderung bestimmter Postsendungen einräumte und ihr als der alleinigen Begünstigten gleichwohl die Kosten des Gesetzgebungsverfahrens nicht auferlegte. 332 Nach der fernmündlichen Auskunft von Herrn Ministerialrat Hadamek, Leiter des Fachbereichs Parlamentsrecht, Bundestagsverwaltung Berlin v. 4. 4. 2008 tragen vielmehr die jeweils für die Gesetzgebung zuständigen Organe die Personal- und Sachkosten des Verfahrens. 333 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95. Umstritten ist dagegen, ob als dritter Gebührentyp die Verleihungsgebühr bzw. Konzessionsabgabe anzuerkennen ist, vgl. dazu statt vieler Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 Rn. 284. Zum Ganzen näher unten Vierter Teil, A. III. 2.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

sungsrechtlicher Gedanken zu vermitteln. 334 Auch die vorliegende Untersuchung nimmt die Zwecke und Ziele des Staates näher in den Blick. Beide Kategorien tragen dazu bei, ein Vorverständnis dafür zu entwickeln, welche Bedeutung den einzelnen Aufgaben des Staates für diesen selbst und seine Bürger zukommt. 1. Disziplinäre Verortung der Lehren von den Staatszwecken und Staatszielen Nachdem bereits geklärt wurde, welcher wissenschaftlichen Disziplin – Staatsrecht bzw. Allgemeine Staatslehre – die Staatsaufgabenlehre zuzuordnen ist, 335 soll eine entsprechende Einordnung auch für die Kategorien des Staatszwecks sowie des Staatsziels vorgenommen werden. Die Antwort auf die Frage, wo das Thema Staatszweck bzw. Staatsziel disziplinär verortet ist, umschreibt zugleich das weitere methodische Vorgehen und ermöglicht die Auswahl des heranzuziehenden Quellenmaterials. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Zwecken des Staates erfolgt losgelöst von der Rechtsordnung eines konkreten Gemeinwesens. Staatszwecke sind daher nicht Bestandteil der Verfassung oder des sonstigen positiven Rechts eines Staates, 336 es handelt sich hierbei vielmehr um eine staatstheoretische Kategorie. Begriff und Gehalt von Staatszwecken, aber auch ihre Bedeutung für das staatliche Handeln in einem Gemeinwesen sind traditionell das Thema der Allgemeinen Staatslehre, 337 die ohne den Rückgriff auf das positive Recht sowohl Wesen als auch Legitimation von Staatlichkeit zu ergründen sucht. 334

Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 43 ff.; ders., NVwZ 1989, 801, 802; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 6 ff.; Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, passim; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 35; Schuppert, Staatswissenschaft, S. 215 ff., Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, passim; vgl. auch Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 103 ff. 335 Vgl. dazu oben A. I. 1. 336 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 7 f.; ferner Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 5. Ein weitergehendes Verständnis des Staatszwecks legt aber offenbar Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, zugrunde, nach dessen Vorstellung es unerheblich sein soll, ob sich der Staatszweck aus dem positiven Verfassungsrecht oder aus staatstheoretischen Postulaten ergibt. 337 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 30; Becker, in: FS Geiger, S. 755, 757; Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 78, Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 5; Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325, 340 ff.; Stern, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 5, 18; Stolleis, Art. Staatszweck, in: Ritter / Gründer (Hrsg.), HWP, Bd. 10, Sp. 80, 83; vgl. auch Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107 ff.; ferner Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 63.

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Anders als Staatszwecke entspringen Staatsziele nicht der theoretischen Reflexion der Allgemeinen Staatslehre, sondern der Rechtsordnung eines konkreten Staates. Es handelt sich um „offen gefasste Verfassungsnormen“ 338 bzw. „Richtnormen für die Staatsorgane“. 339 Aus der engen Verbindung zwischen den Zielen staatlichen Handelns und den Vorgaben und Aussagen des Grundgesetzes wird deutlich, dass eine wissenschaftliche Behandlung der Kategorie des Staatsziels dem Staatsrecht vorbehalten ist. 340 Das Staatsrecht als Teilbereich der staatlichen Rechtsordnung 341 umfasst neben der Organisation des Staates auch die Frage, welche Ziele dem Staat vorgegeben sind und welche Mittel ihm zur Erreichung der grundgesetzlichen Vorgaben zur Verfügung stehen. 342 Die Kategorien des Staatszwecks und des Staatsziels entstammen zwar unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, sie stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander. So kann die in einem Staatszweck verkörperte Idee in anderer Form, etwa in der des Staatsziels, 343 Eingang in die Verfassung oder das sonstige Recht eines Staates gefunden haben. 2. Staatszwecke Staatszwecke werden definiert als all jene Zwecke und Ziele, an denen der Staat sein Handeln ausrichtet bzw. auszurichten hat. 344 Mitunter werden sie beschrieben als die „Letztbegründungen für staatliches Handelns“. 345 In der Literatur ist der Begriff des Staatszwecks indes nicht nur auf Zustimmung gestoßen. 346 So wird vorgebracht, nach herkömmlichem Verständnis um338

Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 564. Stern, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 5, 18. 340 Vgl. Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 70; i. E. ebenso Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 6 ff.; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 62. 341 Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 1. 342 Zum Gegenstand des Staatsrechts vgl. allg. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 1; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 86, 113 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rn. 29 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 9 f. 343 Siehe dazu unten A. II. 3. 344 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 7; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348; zum Zweckbegriff allg. Bull, NVwZ 1989, 801, 802. Nicht von Staatszwecken, sondern von Herrschaftszwecken spricht dagegen Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 626 f. 345 Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 5. 346 Vgl. Brugger, NJW 1989, 2425, 2426; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 75 mit Fn. 350, der den Begriff des Staatszwecks für zwei339

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

fasse der Begriff des Staatszwecks als Gegenstand der Allgemeinen Staatslehre eine Vielzahl von Zwecken, unabhängig davon, um welchen konkreten Staat oder welche Staatsform es sich handele. Gehe man aber von einer solch abstrakt-theoretischen Definition aus, so könnten Missverständnisse auftreten, wenn man sich nur mit einem konkreten Staat und den ihm zugrunde liegenden Zielen und Zwecken beschäftige. 347 Es bestehe zudem die Gefahr, dass mit der Verwendung des Staatszweckbegriffs die unzeitgemäße Theorie von dem Selbstzweck des Staates 348 wiederbelebt werden könnte, wonach der Staat sein Handeln in den Dienst der eigenen und damit nicht solcher Zwecke stellen könne, die auf den Menschen bezogen seien. 349 Um Unklarheiten zu vermeiden, solle daher besser von Grundwerten des Staates gesprochen werden. 350 Dieser grundsätzlichen Kritik an dem Begriff des Staatszwecks ist jedoch entgegenzutreten. Die Allgemeine Staatslehre ist durchaus in der Lage, mit den von ihr entwickelten Kategorien des absoluten und relativen Staatszwecks zwischen allgemeingültigen Zwecken einerseits und den auf ein konkretes Gemeinwesen unter bestimmten zeitlichen Bedingungen bezogenen Zwecken andererseits zu unterscheiden. 351 Auch das zweite Argument kann nicht verfangen, wenn man den Begriff des Staatszwecks näher beleuchtet. Nach der Überzeugung v. Arnims suggeriere das zusammengesetzte Wort Staatszweck, es gehe hierbei um den Staat als einen (Selbst-)Zweck. 352 Ein Blick auf ähnlich zusammengesetzte Begriffe wie den des Staatseigentums oder des Staatsanwalts macht aber deutlich, dass ein solcher Rückschluss keinesfalls zwingend ist. So handelt es sich bei den genannten Kompositionen um den Anwalt oder das Eigentum des Staates, nicht aber ist der Staat als Anwalt oder Eigentum gemeint. Es stellt damit keine grammatikalische Regelverletzung dar, wenn man nicht vom Staat als Zweck spricht, sondern den Staatszweck als den Zweck des Staates versteht. felhaft hält und ihm einen über den Staatsaufgabenbegriff hinausgehenden Sinn nicht zugesteht. 347 v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 174 f. 348 Klassisch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 258, S. 195; zur Entwicklung dieser Theorie und ihren prononcierten Vertretern Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 56 ff. 349 v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 175. 350 v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 175. 351 Vgl. zu der Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Staatszwecken etwa G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 242; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107; Hug, Die Theorien vom Staatszweck, S. 13; Katz, Staatsrecht, Rn. 40 ff., 45 ff.; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 61; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2351, sowie unten A. II. 2. b) aa) (1). 352 v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 175.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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Über die Kritik an dem Begriff des Staatszwecks hinaus ging der Einwand von den Vertretern des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden staatsrechtlichen Positivismus, welche die Existenzberechtigung dieser staatstheoretischen Kategorie insgesamt in Abrede stellten oder jedenfalls der Frage nach dem Zweck des Staates nicht mehr nachgingen. 353 Die Staatszwecklehre wurde als überpositiver Maßstab angesehen, der sich dem kodifizierten Recht unterzuordnen habe, dieses daher nicht beeinflussen könne. Richtig ist zwar zunächst, dass es sich bei dem Zweck des Staates nicht um einen staatsrechtlichen Begriff, sondern um einen solchen der Allgemeinen Staatslehre handelt. Wer den Staatszweck aber völlig ausblendet, dem entgeht, dass dieser eine Basis auch für staatsrechtliche Betrachtungen darstellen und so dazu beitragen kann, staatsrechtliche Erkenntnisse zu bestätigen und argumentativ zu untermauern. 354 Wenn Detailfragen ausgespart werden und sich der Blick auf das Ganze richtet, können zudem weiterführende Einsichten gewonnen werden. 355 Staatszwecke sind für staatliches Handeln nicht irrelevant, sondern mittelbar relevant. 356 Diese Tatsache rechtfertigt es, die Bedeutung und den Gehalt von Staatszwecken näher zu untersuchen. Die Frage nach dem Zweck eines staatlichen Gemeinwesens lässt sich in zwei bedeutsame Teilaspekte untergliedern: die Entstehung sowie die Rechtfertigung des Staates. 357 Der erste Teilaspekt beschäftigt sich mit der Frage nach dem Aufkommen von Staatlichkeit. Er zeichnet nach, wie sich der Prozess vom Naturzustand, dem status naturalis, hin zum Staat als Organisationsform menschlichen Zusammenlebens vollzogen hat. Besondere Bedeutung kommt dabei den Gründen und Ursachen für die Entstehung eines Staates zu. Der zweite Teilaspekt rückt den Rechtfertigungsgedanken stärker in den Vordergrund. Die wis353

Neben weiteren Vertretern des staatsrechtlichen Positivismus ist hier stellvertretend Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, zu nennen, der in dem Vorwort zur zweiten Auflage seines Werkes auf S. IX zwar zunächst einräumt, dass auch Politik und Philosophie für die Erkenntnis des Rechts Bedeutung beanspruchen könnten. Für die Dogmatik eines konkreten Rechtsstoffes aber, so heißt es weiter, sei alles Historische, Politische und Philosophische indes ohne jeden Belang. Kritisch zu dieser Ansicht v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 22 ff. 354 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 6; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 74. Vgl. auch v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 23, der zu der Methodik staatsrechtlicher Betrachtungen bemerkt: „Denn niemand tritt an ein solches Unternehmen heran, ohne eine bestimmte Idee von den Gegenständen mitzubringen, welche das philosophische Denken über Staat und Recht vor allem Eingehen in die spezifische juristische Sphäre beschäftigen.“ 355 Bull, NVwZ 1989, 801, 802. 356 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 7; vgl. auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 53, der den Staatszwecken eine „erkenntnisleitende Funktion“ beimisst. 357 Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 8; Isensee, Art. Staat, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), StL, Bd. V, Sp. 133, 146.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

senschaftliche Durchdringung dieser Frage ist Gegenstand der Lehre von der Rechtfertigung bzw. Legitimation des Staates, die sich in der heutigen Ausprägung im Zeitalter der Renaissance und Aufklärung, also am Übergang zur europäischen Neuzeit, ausgebildet hat. 358 Der Begriff des Staatszwecks dient in diesem Zusammenhang vornehmlich der begrenzenden Präzisierung staatlicher Handlungsmöglichkeiten und Befugnisse. 359 Beide Teilaspekte, Entstehung und Rechtfertigung, stehen in einem engen Zusammenhang. Wer nach Idee und Rechtfertigung des Staates fragt, kommt nicht umhin, auch die Gründe und Theorien seiner Entstehung zu durchleuchten. 360 a) Gründe für das Entstehen von Staatlichkeit Seit der Antike suchen eine Reihe von Theorien die Frage nach der Entstehung des Staates zu beantworten. 361 Die Problematik lässt sich dabei in zwei verschiedene Ansatzpunkte aufgliedern. Es kann zunächst die Entstehung der ersten Staaten überhaupt und damit der Übergang vom unstaatlichen in den staatlichen Zustand in den Blick genommen werden. Diese Vorgehensweise, die sich mit den Uranfängen der Menschheit auseinandersetzt, fragt nach der primären Staatsentstehung. 362 Hierfür ist es notwendig, insbesondere die frühzeitlichen Quellen zu 358

Vgl. Badura, Staatsrecht, Kap. A Rn. 2. Gleichwohl gab es bereits in der Antike Bestrebungen, den Legitimationsgrund des Staates näher zu beleuchten. Schon Platon und Aristoteles haben sich mit der Frage nach der besten Staats- und Regierungsform auseinandergesetzt, vgl. Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 5. 359 Stolleis, Art. Staatszweck, in: Ritter / Gründer (Hrsg.), HWP, Bd. 10, Sp. 80, 82. Eine Ausnahme, bei welcher dem Staatszweck keine begrenzende, sondern eine die Staatstätigkeit erweiternde Funktion zukommt, bildet die sog. eudämonistische bzw. eudämonistisch-utilitaristische Staatszwecklehre, wonach dem Staat zum Wohle seiner Bürger umfassende Interventions- und Gestaltungsrechte zukommen sollen, vgl. dazu Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107 f.; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2351. Zu der Kategorie der expandierenden Staatszwecke auch Hug, Die Theorien vom Staatszweck, S. 13. 360 Vgl. Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 8; Isensee, Art. Staat, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), StL, Bd. V, Sp. 133, 146. Auch Hofmann, Legitimität und Rechtsgeltung, S. 11 ff., 16 ff., greift bei seinen Ausführungen zur Legitimität des Staates auf die etablierten Entstehungsszenarien zurück. 361 Überblick bei Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 324 ff.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 89 ff. Vgl. ferner G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 184 ff., sowie Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 33 ff., die sich mit den vertretenen Theorien jedoch unter dem Aspekt der Rechtfertigung des Staates auseinandersetzen. Der erste Teil des neunten Kapitels über die Entstehung und den Untergang des Staates bei G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 266 ff., befasst sich zudem mit der Staatenbildung unter völkerrechtlichen Aspekten. Ausführlich zu den Ursprüngen der ersten Staaten auch Herzog, Staaten der Frühzeit, S. 15 ff. 362 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 266; ihm folgend Horneffer, Die Entstehung des Staates, S. 2.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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sichten, mit deren Hilfe sich Anhaltspunkte für die Entwicklung vom natürlichen hin zum staatlichen Zustand ergeben können. Ein solches Vorgehen sieht sich jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass staatstheoretisches Anschauungsmaterial aus der Zeit des Übergangs vom staatenlosen hin zum staatlichen Zustand, soweit ersichtlich, kaum vorhanden ist. 363 Eine staatstheoretische Untersuchung müsste sich darauf beschränken, Hypothesen aufzustellen; einen Beweis für die Richtigkeit ihrer Überlegungen bliebe sie indes schuldig. Eine Alternative zu der sich auf die Frühzeit beschränkenden Vorgehensweise stellt die Frage nach der sekundären Staatsentstehung dar. 364 Hierbei soll vor allem jene Entwicklung der zumeist jüngeren Staatenbildung in den Blick genommen werden, von der wissenschaftlich relevante Materialien erhalten geblieben sind. Betrachtet man die Entstehung von Staaten aus dieser Perspektive, so erlangen auch Fragen der Um- und Neubildung aus bereits früher entstandenen Staaten eine stärkere Bedeutung. Mehrere Modelle bemühen sich schließlich darum, eine allgemeingültige und generalisierende Antwort auf die Frage sowohl nach der primären als auch nach der sekundären Entstehung von Staaten zu geben. Ausgehend von den vorhandenen Lösungsansätzen soll der Versuch unternommen werden, eine abstrakte und lückenlose Regel über die Entstehung von Staaten aufzustellen. Dabei lässt sich jedoch nicht immer klar trennen zwischen Aspekten der primären bzw. sekundären Staatenbildung. aa) Religiöse Theorie Die Vertreter der religiösen bzw. theologischen Staatstheorie gehen davon aus, dass jeder Staat von Gott eingesetzt werden müsse. Erstmals wurden die nachfolgenden Überlegungen von Augustinus 365 angestellt und – angepasst an die geschichtliche und religiöse Entwicklung – bis in das 19. Jahrhundert hinein vertreten. 366 Der Staat wird nach dieser Vorstellung als „Stiftung Gottes“ 367 auf363

S. 1.

364

Vgl. Herzog, Staaten der Frühzeit, S. 7; Horneffer, Die Entstehung des Staates,

Horneffer, Die Entstehung des Staates, S. 2. Zu Leben und Wirken des Augustinus vgl. etwa Staff, Lehren vom Staat, S. 29 ff. 366 Augustinus (354 – 430) gilt als Begründer der sog. Zwei-Reiche-Lehre; sein Werk „Vom Gottesstaat“ markiert die Wende zwischen der Antike und dem christlichen Zeitalter. In den Abhandlungen des Augustinus stehen nicht mehr die philosophischen Fragen nach Wesen und Entstehung des Staates im Mittelpunkt, sondern seine theologische Begründung, vgl. Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 216. Eine stärkere Verbindung von philosophischen mit theologischen Elementen erfolgt sodann bei Thomas von Aquin, der in seinem Werk „Summa Theologica“ die altchristliche Lehre fortentwickelt, vgl. insb. Summa Theologica, I. Buch, Frage 1, 1.-4. Artikel, (Bd. 1, S. 4 ff.); ferner Staff, Lehren vom Staat, S. 26 f. Die Arbeiten von Suarez, insbesondere das Werk „De legibus ac deo legislatore“ (1612), stammen aus einer Zeit, in der sich die Wende vom theologischen zum weltlichen Staatsdenken bereits abzeichnete, 365

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gefasst und stellt sich als ein Teil der Schöpfungsordnung dar. Bei Augustinus heißt es zu dem Entstehungsprozess: „Wir müssen annehmen, daß mit diesem ersterschaffenen Menschen, zwar nicht sichtlich für uns, aber dem Vorherwissen Gottes bereits offenbar, die beiden Gemeinschaften, gleichsam zwei Staaten, im Menschengeschlecht ihren Anfang genommen haben.“ 368 Augustinus unterscheidet in seiner Lehre zwischen dem Gottesstaat bzw. der Gemeinschaft Gottes (civitas dei) und dem irdischen Staat, der weltlich-orientierten Gemeinschaft (civitas terrena). 369 Die irdische civitas werde wesentlich geprägt durch die bis zur Gottesverachtung gesteigerte Selbstliebe der Menschen, wohingegen in der civitas dei die Gottesliebe vorherrsche. 370 Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Bürgerschaften sei abhängig von der jeweiligen Grundhaltung der Menschen. Das als erstrebenswert angesehene Ziel, der civitas dei anzugehören, könne dabei nur durch die vollständige innere Ausrichtung auf Gott erreicht werden. 371 Nach der Vorstellung der religiösen Theorie stünden die beiden Staaten jedoch nicht nebeneinander, sie seien vielmehr miteinander vermengt. 372 Der irdische Staat, welcher als eine unmittelbare Folge der Vertreibung aus dem Paradies anzusehen sei, soll sich nach der Auffassung Augustinus als eine göttliche Strafe für die Beherrschten und als Prüfung für die Herrscher darstellen. 373 Erst der Sündenfall habe es erforderlich gemacht, eine weltliche Herrschaftsordnung zu errichten, um so den Frieden im Zusammenleben der Menschen aufrechtzuerhalten. 374 Die Menschheits- und Staatengeschichte beginne demnach mit Adam und setze sich mit den Geschehnissen um Kain und Abel fort. 375 Kain, der in vgl. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, Bd. 1, S. 81. Eine letzte Reminiszenz an die religiöse Theorie findet sich schließlich bei Stahl, Die Philosophie des Rechts, Bd. II, 2. Abt., S. 176 f., der den Staat als eine „göttliche Institution“ betrachtet. Kritik dazu bei G. Jellinek, Neue Heidelberger Jahrbücher 3 (1893), 135, 139. 367 Vgl. Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 71; differenzierend zu der Einordnung des Staates als göttliche Institution Waitz, Grundzüge der Politik, S. 6, wonach der Staat zwar, ähnlich wie die Kirche, auf göttlicher Einsetzung beruhe, weder der einzelne Staat noch eine spezielle Staatsform aber eine besondere göttliche Weihe erhalten habe. Auch müsse berücksichtigt werden, dass der Staatsbegriff in engem Zusammenhang stehe mit den Begriffen des Volkes und des Besitztums. 368 Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XII, 28, S. 110. 369 Vgl. Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XIV, 28, S. 214 f. 370 Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XIV, 28, S. 214. 371 Vgl. zu den Anforderungen an diese Geistesausrichtung Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XIX, 19, S. 568: „Darum kümmert sich jedoch dieser Staat nicht, in welcher Tracht oder äußeren Lebensweise jeder den Glaubensweg geht, der zu Gott führt. Man darf nur nicht gegen Gottes Gebote verstoßen. Deshalb nötigt er selbst die Philosophen, wenn sie Christen werden, nicht, ihre Tracht oder Lebensgewohnheiten, soweit sie die Religion nicht beeinträchtigen, aufzugeben, sondern nur ihre falschen Lehren.“ 372 Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 213. 373 Vgl. Isensee, JZ 1999, 265, 269; G. Jellinek, Neue Heidelberger Jahrbücher 3 (1893), 135, 138.

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der biblischen Erzählung seinen Bruder Abel erschlug, könne demnach als erster Repräsentant des irdischen Staates gelten, während Abel als erster Vertreter des Gottesreiches anzusehen sei. 376 Es darf nicht übersehen werden, dass eine Theorie, welche die Entstehung des Staates auf einen göttlichen Einsetzungsakt zurückführt, ihrem Inhalt und Wesen nach eine religiöse Theorie ist. Wegen ihres universellen Geltungsanspruchs erstrecken sich die von ihr getroffenen Aussagen zwar auch auf nicht-religiöse Bereiche. Allein die Bezugnahme auf den Staat macht die religiöse Theorie indes nicht zu einem staatswissenschaftlichen Ansatz. Die notwendige Trennung zwischen Elementen des Glaubens sowie der wissenschaftlichen Erkenntnis wird von der religiösen Theorie nicht hinreichend gewährleistet; sie unterscheidet nicht zwischen religiösen und staatstheoretischen Argumentationsansätzen. 377 Die religiöse Theorie ist damit weder in der Lage, mit den geläufigen Staatstheorien zu konkurrieren oder diese zu widerlegen, noch kann sie überhaupt zur Beantwortung einer politischen oder staatstheoretischen Fragestellung herangezogen werden. 378 bb) Patriarchaltheorie Nach der sog. Patriarchaltheorie hat der Staat als Herrschaftsverband seinen Ursprung in einzelnen Familien, die sich, insbesondere durch Heirat und der 374 Den Zustand vor der Vertreibung aus dem Paradies beschreibt Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XIX, 15, S. 561 wie folgt: „Vernünftig und nach seinem Ebenbild erschaffen, sollte der Mensch nur über die vernunftlosen Geschöpfe herrschen, also nicht Mensch über Mensch, sondern Mensch über Tier. Daher wurden die ersten Gerechten mehr zu Hirten über Vieh als zu Königen über Menschen eingesetzt, und auch dadurch gab Gott zu verstehen, was die Naturordnung der Schöpfung fordert und was verdiente Folge der Sünde ist. Denn das Los der Knechtschaft ist, wie man einsehen muß, mit Recht dem Sünder auferlegt.“ Vgl. auch Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 217. 375 Vgl. G. Jellinek, Neue Heidelberger Jahrbücher 3 (1893), 135, 136. 376 Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch XV, 1, S. 217; dazu G. Jellinek, Neue Heidelberger Jahrbücher 3 (1893), 135, 136. Für Ermacora, Allgemeine Staatslehre, Bd. 1, S. 78, stellt sich die Staatsauffassung des Augustinus allerdings so dar, dass der Staat durch die Menschen geschaffen und gestaltet wird. Vergegenwärtigt man sich die Bedeutung Gottes in der religiösen Theorie, so wird man die auf den irdischen Staat bezogenen Aussagen des Augustinus allerdings dahingehend deuten müssen, dass jeder Staat zwar mit den Menschen seinen Anfang nimmt, dass der Staat und die Menschen selbst jedoch auf den göttlichen Willen zurückzuführen sind, vgl. auch Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 72. 377 Schulze, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 142. 378 Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 329 sowie S. 331: „Die weltliche Staatslehre thut daher wohl daran, die Existenz und die Einrichtungen des Staates von dem menschlichen Standpunkte zu betrachten und menschlich zu nehmen.“

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damit verbundenen Aufnahme von externen Personen, zu Familienverbänden bzw. Sippen weiterentwickelten. 379 Dieses Erklärungsmodell stellt den Staat in seiner Urform folglich als eine erweiterte Familie dar. 380 Innerhalb dieser ersten, auf Verwandtschaften beruhenden Verbände sei den Familienhäuptern eine bestimmende Rolle zugekommen, die sich im Laufe des historischen Prozesses von der Familie hin zum Staat in politische Führungsämter gewandelt habe. Als Beleg aus der Geschichte wird neben dem alten Rom vor allem die griechische Frühzeit angeführt, 381 in welcher der Begriff der „Phyle“ zunächst für Stämme oder Stammesverbände stand, später hierunter jedoch die größte politische und militärische Einheit innerhalb der Polis verstanden wurde. 382 Richtig an dem Patriarchalgedanken ist zunächst, dass die heute in den Nationalstaaten für ein Zusammengehörigkeitsgefühl mitverantwortlichen Faktoren wie gemeinsame Wertvorstellungen und kulturelle Übereinstimmungen schon und gerade in dem Verband der Familie, später auch in Stammes- oder Dorfgemeinschaften eine identitätsstiftende Rolle gespielt haben. 383 In der Gegenwart hat die Identifikation des Einzelnen mit Angehörigen desselben Staates ihren Ursprung daher jedenfalls teilweise in den spezifischen Formen des Zusammenlebens früherer Verbände. 384 Gleichwohl kann die Patriarchaltheorie einen umfassenden Nachweis für die von ihr aufgestellte These der Entstehung des Staates aus einzelnen Geschlechtern nicht erbringen. Eine tatsächliche und vollumfängliche Rekonstruktion der Entwicklungslinien einzelner Familien hin zu bestimmten Staaten der Gegenwart ist nicht möglich. Soweit ersichtlich ist der Versuch, etwa die Bundesrepublik Deutschland auf einzelne Familien zurückzuführen, bisher auch nicht unternommen worden. Dass die Patriarchaltheorie auf der Ebene eines Gedankenmodells verbleibt, ist primär der historischen Entwicklung einzelner Staaten geschuldet. Staatsvölker, aber auch Staatsgebiete und Staatsgewalten waren in den vielen Jahrhunderten ihres Bestehens massiven Veränderungen unterworfen. Durch territoriale Veränderungen fand eine Vermischung von Staatsangehörigen statt. Unterstellt, die ersten Staaten wären 379 Zu den einzelnen Phasen einer Staatenbildung aus Sippen oder Clans Thurnwald, Art. Sippe und Stamm, in: v. Beckerath u. a. (Hrsg.), HDSW, Bd. 9, S. 272, 277; vgl. auch Waitz, Grundzüge der Politik, S. 6 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 89 f. 380 Waitz, Grundzüge der Politik, S. 6 f.; vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 197. 381 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 197 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 90. 382 Smarczyk, Artikel Phyle, in: Cancik / Schneider (Hrsg.), Der neue Pauly, Bd. IX, Sp. 982 f. 383 Auch Waitz, Grundzüge der Politik, S. 6, betont, dass das Wesen eines Volkes durch die Gemeinsamkeit der Besitztümer, der Sprache, der Sitte und des Rechts bestimmt werde. Siehe zu den identitätsstiftenden Gründen einer Nation Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542, 565. 384 Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 90.

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tatsächlich aus früheren Familienverbänden entstanden, so wird die Konzeption der Patriarchaltheorie jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem ein Fall der Gebietsveränderung etwa durch Annexion oder Fusion vorliegt, unüberschaubar. 385 Vollends unmöglich wird eine Herleitung moderner Staaten aus einzelnen Familien, wenn man die Entstehung etwa von Australien oder den USA als klassischen Einwanderungsländern in den Blick nimmt. Zwar befanden sich auf dem australischen Kontinent zu Beginn der Besiedelung Ende des 18. Jahrhunderts die in Stämmen organisierten Ureinwohner; das heutige Commonwealth of Australia lässt sich als Staat jedoch weder in kultureller Hinsicht noch bezüglich seiner gegenwärtigen Staatsstruktur auf die einzelnen Stämme der Aborigines zurückführen. 386 Die Patriarchaltheorie kann daher allenfalls für einige räumlich überschaubare Frühstaaten, zu denken wäre hierbei etwa an die griechische Polis, die Entwicklung vom status naturalis hin zum status civilis erklären. Mit der wachsenden Bevölkerungszahl sowie der fortschreitenden Entwicklung der Gesellschaft erscheint dieses Entstehungsmodell für Staaten jedoch anachronistisch. cc) Patrimonialtheorie Die Patrimonialtheorie versucht, die Entstehung des Staates mit dem Landbesitz eines Herrschers zu erklären. 387 Das Gebiet, über das der Landesherr Gewalt ausübe und Verfügungsmacht innehabe, sei als der Ursprung eines jeden Staates anzusehen. Nach diesem Erklärungsmodell nimmt das landesherrliche Grundeigentum die zentrale Rolle bei dem Übergang vom natürlichen hin zum staatlichen Zustand ein: Das Eigentum begründe die Herrschaftsgewalt; die Eigentumsordnung stelle sich als rechtlicher Grund der Staatsordnung dar. 388 Bei der von einem Grundherrn abhängigen Bevölkerung, den sog. Grundholden, solle es sich um 385 Entsprechendes gilt für die Fälle der Zession, bei der die Gebietshoheit über ein bestimmtes Territorium von einem Staat auf einen anderen übertragen wird, oder der Dismembration (Auseinanderfallen eines Staates), vgl. zu diesen Fallgruppen der Staatensukzession näher K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 37 ff. (Annexion), Rn. 50 ff. (Zession); Stein / v. Buttlar, Völkerrecht, Rn. 310 ff. (Fusion und Dismembration). 386 Vgl. zu den historischen Fakten der australischen Staatsgründung und -gliederung etwa Zeitverlag (Hrsg.), Lexikon der Zeit, Bd. 1, Artikel Australien, S. 488 ff. sowie Artikel Australier, S. 494. 387 v. Haller, Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1, S. 473 f., 510 ff., sowie ausdrücklich Bd. 2, S. 57. Eine Verbindung zwischen Eigentum und Staatsentstehung zieht schon Cicero, Von den menschlichen Pflichten, Buch II, 21, S. 216, wenngleich dort nicht das Eigentum als solches, sondern der Wunsch der Menschen nach dem Schutz desselben als Grund für die Entstehung von Staaten genannt wird: „Denn Sicherheit des Eigenthums war die vornehmste Absicht, warum die Menschen bürgerliche Gesellschaften und Staaten errichteten.“ 388 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 199.

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einen Bestandteil des Grundbesitzes und damit um das zu beherrschende Staatsvolk handeln. Verdeutlicht man sich diese Grundannahmen, so liegt für die Vertreter der Patrimonialidee der Schwerpunkt des Herrschaftsverbandes nicht im Volk, verstanden als eine durch ein bestimmtes Näheverhältnis geprägte Gruppe von Menschen, sondern in dem unabhängigen Fürsten und seinen privatrechtlichen Eigentumspositionen. 389 Der Staat wird nicht in Individuen, sondern in Fürsten und Stände aufgelöst. 390 Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich die Staatengeschichte nach diesem Modell als die Geschichte der Erwerbungen und Verluste einzelner Individuen liest: 391 Staaten entstehen, wenn Menschen Grundeigentum erwerben und sich darauf niederlassen. Sie verschwinden, wenn der Besitz an dem Land aufgegeben wird und entstehen wiederum neu, wenn sich ein Nachfolger auf den Ländereien etabliert hat. Setzt man dieses Entstehungsmodell konsequent um, so stellt sich das Staatsrecht als Modifikation eines im natürlichen, d. h. vorstaatlichen Sinne verstandenen Privatrechts dar. 392 Das Erklärungsmodell der Patrimonialtheorie ist zugeschnitten auf den Feudalismus, der seinen Ursprung bereits im Europa des frühen Mittelalters hatte. 393 Bei der Entstehung von Einwanderungsländern wie etwa den USA ist allerdings festzustellen, dass sich diese Staaten nicht über die Eigentumspositionen einzelner Landesherren gebildet haben, sondern dass ihr Entstehungsprozess gerade eng mit der erkämpften Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien von ihren Kolonialherren zusammenhängt. So stellt sich die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika dar als das Ergebnis gewaltsamer Unabhängigkeitsbestrebungen der britischen Kolonien gegenüber dem Königreich Großbritannien. 394 Nicht das Bedürfnis nach Schutz auf dem Grundeigentum des Herrschers, sondern die Forderung nach Unabhängigkeit war ursächlich für diese Staatsgründung. 395 Darüber hinaus kann auch die Entstehung von Staaten in jüngerer Zeit 389

Vgl. Preuß, AöR 4 (1889), 62, 66 f. Dazu Preuß, AöR 4 (1889), 62, 67. 391 Vgl. v. Sonntag, Die Staatsauffassung Carl Ludwig v. Hallers, S. 63. 392 Zu dieser Konsequenz auch v. Sonntag, Die Staatsauffassung Carl Ludwig v. Hallers, S. 62; ferner Preuß, AöR 4 (1889), 62, 67. 393 Ausführlich zur Entstehung des Lehenswesens Mitteis / Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 80 ff. 394 Berber, Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, S. 258: „Es wäre falsch zu sagen, daß die Engländer Staaten in Amerika gründeten. Sie gründeten kleine Niederlassungen, und diese Niederlassungen entwickelten sich auf ihre eigene Weise zu Staaten.“ Vgl. ferner zu den Bestrebungen der britischen Kolonien in Amerika, sich vom Mutterland zu emanzipieren, Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 116 f. 395 Vgl. aus der Schlusserklärung der von Thomas Jefferson verfassten und am 4. 7. 1776 von dem Kontinentalkongress angenommenen Declaration of Independence: „We, therefore, the Representatives of the United States of America, in General Congress, Assembled, appealing to the Supreme Judge of the world for the rectitude of our intentions, do, in the Name, and by Authority of the good People of these Colonies, solemnly 390

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nicht mehr befriedigend mit dem Modell erklärt werden. 396 Insbesondere für das Entstehen moderner Demokratien lässt sich die Patrimonialtheorie nicht fruchtbar machen, fehlt es hier doch an dem patrimonialen Entstehungsszenario, bei dem ein starker Feudalherr als Staatsgründer erscheint, auf dessen Grundbesitz sich schutzsuchende Menschen ansiedeln und dafür in ein Dienst- und Abhängigkeitsverhältnis eintreten. Die demokratische Staatsform zeichnet sich durch die Herrschaft des Volkes, nicht durch die eines mächtigen Grundbesitzers aus. In dogmatischer Hinsicht muss sich die Patrimonialtheorie vorwerfen lassen, dass das Eigentum, welches von ihr als Ausgangspunkt von Staatlichkeit angesehen wird, zwangsläufig einer vorstaatlichen Eigentumsordnung entstammen müsste. 397 Nur wenn vor einer Staatsgründung bereits feststünde, dass es sich bei den gutsherrlichen Ländereien um rechtsverbindlich zugeordnetes Eigentum handelte, wäre es überhaupt nur denkbar, dass sich Staaten aus Eigentumspositionen heraus entwickelten. Woraus sich aber eine solche vorstaatliche Eigentumsordnung ergeben soll und welche Vorgaben sie enthält, lässt sich der Patrimonialtheorie aber gerade nicht entnehmen. In Bereichen, in denen keine etablierten Regeln existieren, besteht jedoch die Gefahr, dass die Modalitäten hinsichtlich des Erwerbs und Verlustes von Eigentum willkürlich festgelegt werden. 398 Befremdlich wirkt zudem, dass nach der Patrimonialidee das Land über dem Volk steht, das territoriale Element des Staates also über seine persönliche Grundlage erhoben wird. 399 Die Patrimonialtheorie ist aufgrund der Gleichsetzung von Staat und Grundeigentum daher mit Recht als ein übersteigerter Formalismus bezeichnet worden. 400

publish and declare, that these United Colonies are, and of Right ought to be Free and Independent States; that they are Absolved from all Allegiance to the British Crown, and that all political connection between them and the State of Great Britain, is and ought to be totally dissolved; and that as Free and Independent States, they have full Power to levy War, conclude Peace, contract Alliances, establish Commerce, and to do all other Acts and Things which Independent States may of right do (...).“ 396 Vgl. insgesamt auch Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 92, der den Patrimonialstaat eher als Randerscheinung denn als Leitmodell der Entwicklung bezeichnet. Ähnlich bereits zuvor G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 200. 397 So die Auffassung v. Hallers, Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 2, S. 57: „Diesemnach ist es gewiß, daß das Eigenthum vor allen menschlichen Gesetzen bestanden hat und es besteht noch häufig ohne dieselben.“ 398 Zu diesem Aspekt auch G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 201. 399 Ebenso Schulze, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 146. 400 So auch v. Sonntag, Die Staatsauffassung Carl Ludwig v. Hallers, S. 63 f.

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dd) Macht- bzw. Eroberungstheorie Nach der Macht- bzw. Eroberungstheorie 401 unterliegt der Staat vor allem einer Gesetzmäßigkeit: der Herrschaft der Sieger über die besiegte Menschengruppe. 402 Auch die Entstehung eines jeden Staates sei das Ergebnis eines solchen Machtkampfes zwischen den verschiedenen Gruppen. Die Vertreter dieser Theorie verstehen Macht dabei als die gewaltsame Herrschaft der Sieger über die Besiegten. 403 Zugeschnitten ist dieses Modell auf die Eroberung fremder Staaten durch Feldzüge expandierender Völker. Den Überlegungen ist zunächst zuzugeben, dass Staatlichkeit in ihrer Entstehungs- wie Entwicklungsphase ohne die Möglichkeit, Gewalt – nach innen wie nach außen – in Anspruch zu nehmen und auszuüben, nicht denkbar wäre. Darüber hinaus ist Macht für einen Staat notwendig, um sich gegenüber potentiellen Aggressoren effektiv behaupten zu können. 404 Die Theorie greift indes zu kurz, wenn sie die Macht, die zu der Entstehung eines Staates führt, nur als von den Eroberern ausgeübte Gewalt begreift. 405 Dieser verengte Machtbegriff mag die Entstehung vieler vormoderner Staaten erklären; in dem Verfassungsstaat westlicher Prägung stellen Angriffskriege und territoriales Eroberungsdenken hingegen einen Fremdkörper dar. 406 Betrachtet man die Entstehung moderner Verfassungsstaaten, so muss bei dem Macht- bzw. Eroberungsmodell hinsichtlich der Art der ausgeübten Macht differenziert werden. Auch bei der Gründung moderner, auf einer Verfassung basierender Staaten ist Macht ein bedeutender Faktor. Gemeint ist damit jedoch nicht der auf Eroberungsfeldzüge ausgerichtete archaische Machtbegriff. In einer 401

Der Begriff der Eroberungstheorie findet sich etwa bei Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 143. 402 Vgl. Oppenheimer, Der Staat, S. 5; Rehm, Allgemeine Staatslehre, S. 272 f.; zuvor bereits ähnlich Macchiavelli, Der Fürst, Kap. 6 und 7, S. 19 ff., 23 ff. 403 Zusammenfassend Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 142 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 92 f. 404 Dies gilt auch für den Rechtsstaat, der Gewalt und Zwang gegenüber seinen Bürgern freilich nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes ausüben darf, vgl. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 36. Zum Gewaltmonopol des Staates auch M. Weber, Politik als Beruf, S. 8; ders., Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. I, S. 29, Bd. II, S. 829 f. Zur Geschichte des staatlichen Gewaltmonopols vgl. etwa Faller, in: FS Geiger, S. 3, 5 ff. 405 So kann ein primär durch physische Gewalt geprägter und auf ein Eroberungsszenario ausgerichteter Machtbegriff stets nur die Herrschaft der siegreichen Gruppe über die besiegte Menschengruppe erklären, vgl. dazu Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 93. 406 Vgl. Art. 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen, abgedruckt in BGBl. II 1973, S. 431: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“; sowie, für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 26 Abs. 1 GG; zum Gewaltverbot im Völkerrecht auch K. Ipsen, Völkerrecht, § 59 Rn. 9 ff.

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umfassenderen Weise, die auch die Verhältnisse innerhalb einer Gruppe von Menschen in den Blick nimmt, ist Macht vielmehr zu verstehen als die Chance, die eigenen Ziele innerhalb einer sozialen Gruppierung auch gegen den Widerstand anderer durchzusetzen. 407 So darf auch bei der Entstehung moderner Verfassungsstaaten im Rahmen zuvor festgelegter Grenzen politische Macht ausgeübt werden. 408 Darüber hinaus kommt moderne Verfassungsstaatlichkeit nicht ohne feste Regeln aus, die das Verhältnis zwischen Bürger und Staat i. S. eines Über- / Unterordnungsverhältnisses ausgestalten. 409 Der moderne Rechtsstaat ist jedoch nicht nach dem Gesetz angetreten, völlige Macht, verstanden als die physische oder psychische Gewalt über Menschen, zu erlangen. 410 Die Gewährleistung und Achtung der persönlichen Freiheit nimmt einen hohen Rang in vielen modernen Verfassungen ein und verträgt sich nicht mit der Idee einer durch Unterwerfung bzw. Gewalt gegen die eigenen Bürger erzwungenen Staatenbildung. 411 Die 407 Klassisch M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. I, S. 28; vgl. auch Isensee, in: FS Sendler, S. 39, 47 f. 408 Ebenso selbstverständlich ist für den Verfassungsstaat aber auch, dass die politische Macht kontrolliert werden muss. So ist sie nach feststehenden, von dem Staatsvolk akzeptierten und durch dieses legitimierten Regeln auszuüben, vgl. dazu Loewenstein, Verfassungslehre, S. 8 f. 409 Das Gewaltmonopol, bedeutsamstes Charakteristikum des modernen Staates, ist auch im demokratischen Verfassungsstaat unerlässlich, um Bürgerfrieden und Sicherheit der Menschen zu garantieren, vgl. etwa Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23 ff. 410 So bedeutet Rechtsstaatlichkeit doch gerade die „Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit“, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 781. Siehe aber noch Oppenheimer, Der Staat, S. 5, der in Bezug auf den „primitiven Staat“ ausführt, „das Gesetz, nach dem er angetreten“ sei, lasse sich beschreiben als die Herrschaft der siegreichen über die besiegte Menschengruppe. 411 Auch bei Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 335, klingen bereits Bedenken gegen eine ausschließliche Gründung des Staates auf Macht und Gewalt an; seine gegen diese Theorien vorgebrachte Argumentation erscheint indes nur auf den ersten Blick überzeugend. Bluntschli führt mit Verweis auf die Geschichte aus, dass dort, wo Gewalt in ihrer barbarischen Rohheit auftrete, sie regelmäßig nicht von schöpferischer, sondern von zerstörerischer Natur sei. Macht und Gewalt könnten daher in aller Regel nicht als die entscheidenden Faktoren bei der Entstehung von Staaten angesehen werden. Aus dem Gesagten lässt sich in dieser Allgemeinheit eine Folgerung für die Geschichte der Staatenentstehung aber nicht ziehen. Bluntschli ist zuzugeben, dass Gewalteinwirkung auf Personen und Gegenstände bis hin zu Tod und Zerstörung führen kann. In vielen Fällen, auch dies lässt sich der Staatengeschichte entnehmen, trägt Gewalt indes auch zur Gründung von Staaten bei. So führte der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) letztlich mit dem Friedensvertrag von Paris v. 3. 9. 1783 zur Anerkennung der Unabhängigkeit durch England, vgl. Berber, Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, S. 258 ff. (insb. S. 263). Auch in der jüngeren Geschichte finden sich Beispiele für Staatengründungen, denen gewaltsame Auseinandersetzungen vorausgingen: Die am 24. 5. 1993 proklamierte Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien und damit die letzte Stufe auf dem Weg zu einer eigenen Staatlichkeit war Folge eines lange andauernden Unabhän-

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Gewaltausübung im Verfassungsstaat gründet sich nicht auf Unterwerfung, sondern auf die freie Zustimmung der Bürger. 412 Die Macht- bzw. Eroberungstheorie kann daher zwar einzelne, vorwiegend frühe Entstehungsprozesse von Staaten beschreiben, die Gründung moderner Verfassungsstaaten wird indes durch einen Verweis auf Gewalt und Unterwerfung nicht zutreffend wiedergegeben. ee) Vertragstheorie Nach der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufkommenden Vertragstheorie beruhen Entstehung und Fortdauer des Staates auf der freien Übereinkunft seiner Bürger. 413 Sämtliche Individuen, von Natur aus mit gleichen Rechten ausgestattet, geben nach dieser Vorstellung ausdrückliche oder konkludente Willenserklärungen ab, die in ihrer Gesamtheit den Gesellschaftsvertrag und damit den Rechtsgrund wie Ursprung des Staates bilden. Der Gesellschaftsvertrag lässt sich danach beschreiben als das freiwillige Zusammenschließen ursprünglich gleicher und freier Menschen. 414 Aus Sicht der Vertragstheorie markiert das Moment eines kollektiven Kontrahierens damit den Wendepunkt auf dem Weg vom Naturzustand hin zu dem status civilis. 415 Die Individuen unterwerfen sich dem in freier Übereinkunft geschlossenen Gesellschaftsvertrag und entäußern sich dadurch ihrer vorstaatlichen Freiheit. Der Grund, aus dem sich Menschen unter Aufgabe ihrer natürlichen Freiheit zu einem Staatsvolk zusammengeschlossen haben, liegt für Hobbes in dem Wunsch und Bedürfnis des Einzelnen nach physischer Sicherheit. 416 Bleibt bei Hobbes das vertragliche Entstehungsszenario auf einen Grundkontrakt beschränkt, verfeinert von Pufendorf die einzelnen gigkeitskrieges zwischen den verfeindeten Parteien, vgl. FAZ Nr. 119 v. 25. 5. 1993, S. 7; Stein / v. Buttlar, Völkerrecht, Rn. 678. 412 Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 25. 413 Zur Vertragstheorie Hobbes, Leviathan, Kap. 17, S. 131 ff., insb. S. 134 f.; Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Buch I, Kap. 6, S. 47 ff.; differenzierend v. Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur, Zweites Buch, Kap. 6, § 7 – 9, S. 165, der bei dem Vertragsschluss zwei Stufen unterscheidet, dazu sogleich. Kritische Auseinandersetzung mit der Vertragstheorie etwa bei Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 336 ff.; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 201 ff. 414 Pieroth, in: Gabriel / Große Kracht (Hrsg.), Brauchen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag?, S. 53, 54. 415 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 208. 416 Geläufig ist in diesem Zusammenhang das Szenario des Krieges „eines jeden gegen jeden“, Hobbes, Leviathan, Kap. 13, S. 96, sowie die Feststellung, der Mensch sei ein Wolf für den Menschen (Homo homini lupus), vgl. Hobbes, Vom Bürger, Widmung an Wilhelm von Devonshire, S. 59. Die Frage nach der Ursache für das Eingehen einer vertraglichen Verpflichtung ist allerdings für die Lehre von der Entstehung des Staates unbedeutend, da letzterer ein rein deskriptiver Ansatz zugrunde liegt. Der Grund des Zusammenschlusses gibt eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“; für den rein faktischen Entstehungsvorgang ist er indes ohne Belang.

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Schritte der staatlichen Entwicklung insofern, als für ihn zwei Phasen der Gründung maßgebend sind. 417 Zunächst erfolgt der Zusammenschluss der Individuen zu einem Staatsvolk im Wege des sog. Unionsvertrages (pactum unionis). Durch einen zweiten Kontrakt, dem sog. Unterwerfungsvertrag (pactum subjectionis), wird dem Herrscher sodann die Regierungsgewalt übertragen. 418 Die Kritiker der Vertragstheorie wenden ein, dass sich in der Staatengeschichte kein Beleg dafür finden lasse, dass die Entstehung eines Staates durch die Verabredung von einzelnen Individuen zustande gekommen sei. 419 Es ließen sich zwar Fälle anführen, in denen einzelne Staaten miteinander Abkommen geschlossen hätten, deren Inhalt die Gründung neuer Staaten oder die Abtretung von Teilen des Staatsgebiets betreffe. Es gebe aber keinen historischen Beweis dafür, dass Staaten – ähnlich wie Aktien- oder Handelsgesellschaften – durch den Willen gleicher Bürger errichtet worden seien. 420 Die Vertragstheorie fingiere daher lediglich einen Vertragsschluss, um zu verdecken, dass ein solcher nie stattgefunden habe. Schließlich wird gegen die Vertragstheorie vorgebracht, jedes neu in die Gesellschaft hinzukommende Individuum müsse und könne nicht erst zu einem bestehenden Gesellschaftsvertrag zustimmen, um Staatsbürger zu werden. Ein jeder Mensch werde vielmehr bereits als Glied des Staates geboren. 421 Ein erheblicher Teil der vorgebrachten Kritik knüpft an den bildhaften Charakter der Vertragsidee an. Unverholen tritt bei einzelnen Kritikern dabei der „voraufklärerische“ Charakter ihres Staatsverständnisses in den Vordergrund, wenn die Lehre vom Gesellschaftsvertrag als ein verunglückter Gedanke der Revolution abgetan wird. 422 Richtig an der geäußerten Kritik ist zwar, dass das 417

v. Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur, Zweites Buch, Kap. 6, § 7 – 9, S. 165. 418 Vgl. v. Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur, Zweites Buch, Kap. 6, § 7 – 9, S. 165; dazu G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 211; Rolin, Der Ursprung des Staates, S. 36; vgl. auch Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542, 559. 419 Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 337; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 214. 420 Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 337. 421 Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 337 f. 422 So bemerkt etwa Bluntschli in seinem 1886 in der sechsten Auflage erschienenen Werk über die Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 336 f. in Bezug auf die Vertragstheorie, es handele sich bei dieser um die Lieblingstheorie der Revolution, mit deren Hilfe die alte Staatsform niedergerissen werde und verschiedene, aber verunglückte Versuche unternommen würden, über den Schutthaufen ein neues, allen zusagendes Staatsgebäude zu errichten. Wiederum in Bezug auf die Vertragstheorie heißt es bei Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 336: „Sie schmeichelte der Selbstgefälligkeit der Individuen, von denen sich jeder einzelne nach ihr als Staatengründer denken konnte, und schien ihre Lüsternheit zu befriedigen, indem sie jeden beliebigen Inhalt aufzunehmen verhiess.“

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vertragliche Erklärungsmodell in seiner bildhaften Form nur von theoretischem Wert ist, da einer Staatsgründung durch Gesellschaftsvertrag, mithin durch einen Vertragsschluss eines jeden Bürgers mit jedem, unüberwindbare praktische Hindernisse entgegenstehen. 423 Gerade diese gedankliche Konstruktion trägt aber dazu bei, den modernen Staat als vernünftiges Produkt menschlicher Willensbetätigung zu begreifen. 424 Die ablehnenden Stimmen verkennen, dass der große Verdienst der Vertragstheorie darin besteht, den menschlichen Entscheidungsprozess in den Entstehungsvorgang des Staates einzubeziehen. Auf diese Weise lässt sich verdeutlichen, dass Staaten keine von den Menschen unabhängigen Gebilde darstellen, die bereits vor diesen entstanden sind oder durch den Willen einer übernatürlichen Macht erschaffen wurden. Darüber hinaus darf zwar nicht übersehen werden, dass der moderne Verfassungsstaat nicht durch ein zivilrechtlich anmutendes kontraktualistisches Verhalten eines jeden Bürgers mit jedem zustande gekommen ist. 425 Moderne Verfassungen lassen sich aber durchaus als moderne Gesellschaftsverträge verstehen, 426 sodass der Ursprung des neuzeitlichen Verfassungsstaates in dem Gründungsakt durch den pouvoir constituant zu erblicken ist. Die Prämissen der Vertragstheorie stellen, wenngleich modifiziert und weiterentwickelt, noch immer das Fundament des Verfassungsstaates der Gegenwart dar. 427 Die Vertragsidee hält die Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages für erforderlich; auch das Grundgesetz geht von dieser Prämisse aus. 428 423 So auch Homann, Rationalität und Demokratie, S. 178. Zudem besteht das Problem, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein staatlicher Apparat existiert, der das Verfahren zur Entäußerung des Willens eines jeden Bürgers koordinieren und so einen geordneten Ablauf des kollektiven Kontrahierens garantieren könnte. Auch für Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 198 f., stellt sich der Gesellschaftsvertrag lediglich als ein gedankliches, wenngleich nützliches Konstrukt dar: „Der Act, wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat constituirt, eigentlich aber nur die Idee desselben, nach der die Rechtmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist der ursprüngliche Contrakt, nach welchem alle (omnes et singuli) im Volk ihre äußere Freyheit aufgeben, um sie als Glieder eines gemeinen Wesens, d. h. des Volks als Staat betrachtet (universi) sofort wieder aufzunehmen (...).“ 424 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 214; vgl. auch Calliess, ZRP 2002, 1, 3: Vertrag als „Denkmodell“. 425 Vgl. hierzu schon die Kritik bei Bluntschli, Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, S. 339. 426 So Häberle, in: ders., Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Politik und Rechtswissenschaft, S. 55, 68; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 13 mit Fn. 15; vgl. auch Pieroth, in: Gabriel / Große Kracht (Hrsg.), Brauchen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag?, S. 53 ff., der den Titel seines Beitrages bereits entsprechend gewählt hat: „Das Grundgesetz als Gesellschaftsvertrag“. 427 Calliess, ZRP 2002, 1, 4; Pieroth, in: Gabriel / Große Kracht (Hrsg.), Brauchen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag?, S. 53 ff., insb. S. 54, 56.

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Dass aber letztlich auch diese Theorie nicht geeignet ist, die Entstehung eines jeden Staates zu erklären, ergibt sich bei einem Blick auf die Staatengeschichte der vergangenen Jahrhunderte: In den europäischen Staaten des Mittelalters lebten keine mit den gleichen Rechten ausgestatteten Bürger, sondern zu einem großen Teil unfreie und unterdrückte Untertanen, die bei der Entstehung und Umbildung von Staaten von den Fürsten und Feudalherren in den Entscheidungsprozess nicht mit einbezogen wurden. 429 Eine Sichtweise, die die Entstehung des Staates mit dem Zusammenschluss freier und gleicher Individuen erklärt, ist daher vornehmlich für die Geschichte der demokratischen Staaten von Relevanz, weil nach dem Demokratiegedanken die Staatsgewalt als mitkonstituierendes Element des Staates 430 von den politischen Entscheidungen und der Mitbestimmung aller in dem Staat lebenden Bürger abhängt. 431 ff) Zwischenergebnis: Staatenbildung als uneinheitlicher Prozess Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass einerseits zwischen der Entstehung eines bestimmten Staates und andererseits dem Entstehen von Staatlichkeit überhaupt zu unterscheiden ist. 432 Für den einzelnen, konkreten Staat lassen sich die Entstehungsbedingungen und -gründe zwar zumeist anhand der dargestellten Theorien aufzeigen. Eine allgemeinverbindliche, auf jedes denkbare oder historisch belegte Gemeinwesen zutreffende Theorie der Staatenbildung existiert hingegen nicht; die Entstehungsgründe von Staaten sind – ebenso wie jene von Nationen – 433 vielmehr kontingent. Der konkrete Prozess der Entstehung eines Staates hängt von vielfältigen Faktoren ab, die sowohl zwischen den

428 Vgl. die Präambel des Grundgesetzes sowie Pieroth, in: Gabriel / Große Kracht (Hrsg.), Brauchen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag?, S. 53, 54. Es muss in diesem Zusammenhang allerdings darauf hingewiesen werden, dass das von Hobbes entworfene Vertragsmodell freilich auch gravierende Unterschiede zu den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes aufweist, wenn es die persönliche Freiheit eines jeden Individuums dem Friedenszweck des Gesellschaftsvertrages unterordnet, vgl. Hobbes, Leviathan, Kap. 21, S. 164 f. Schon Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, Abhandlung II, Kap. 11, §§ 134 ff., S. 283 ff., distanzierte sich wenige Jahre später von dieser den absolutistischen Herrscher huldigenden Gedankenwelt und setzte in seinem Werk über den Gesellschaftsvertrag klare Akzente hin zum freiheitlichen Verfassungsstaat. 429 Vgl. allg. zu der Tatsache, dass die Herrschaftsordnung im Europa des Mittelalters eine freie und gleiche politische Mitwirkung der Menschen nicht zuließ, Böckenförde, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24 Rn. 60. 430 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 427 ff. 431 Vgl. z. B. Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 11; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 593 f. 432 Vgl. auch Preuß, AöR 4 (1889), 62, 68; Waitz, Grundzüge der Politik, S. 5. 433 Dazu Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542, 566.

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einzelnen Gesellschaften als auch im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung variieren können. Bei der Bildung von kleinen, bevölkerungsarmen Staaten vor mehreren Jahrtausenden ist der Gedanke der Patrimonialtheorie nicht zwangsläufig von der Hand zu weisen, da in diesem Fall eine Verbindung von einzelnen Großfamilien und Stämmen hin zu einer überschaubaren staatlichen Gemeinschaft leichter hergestellt werden kann als bei bevölkerungsreichen Staaten der Neuzeit. Das Aufkommen der Patrimonialidee erklärt sich aus der Epoche des Feudalismus, in welcher die Verbindung von Grundherrschaft und Leibeigenschaft das Staatsverständnis beherrschte. Die starke rechtliche und persönliche Abhängigkeit der Leibeigenen von ihren Grundherren sowie die Bedeutung des Lehenswesens als Staats- und Gesellschaftsordnung hatten mehr Berührungspunkte mit einer Entstehungsidee des Staates aus dem Grundbesitz als etwa aus der freien Willensbetätigung von untereinander gleichen Bürgern. Der Befund, wonach die Staatenentstehung von historischen und gesellschaftlichen Bedingungen abhängt, zeigt aber auch, dass durchaus Modelle existieren, die den Ursprung einer ganzen Kategorie von Staaten erklären können. So nimmt in der Gruppe moderner Verfassungsstaaten die Verfassung jene Rolle ein, die nach der Vertragstheorie dem Gesellschaftsvertrag zukommt. Auch sie stellt die rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens dar und ist hierbei auf die möglichst große Zustimmung der Menschen angewiesen, die unter ihr leben sollen. 434 Die Idee von einem Gesellschaftsvertrag ist auch heute noch für die Fragen nach der Entstehung und dem Fortbestand des Staates von Bedeutung, basiert doch die ganz überwiegende Zahl der existierenden Staaten auf einer geschriebenen Verfassung. 435 Mit ihrer Hilfe lassen sich zudem wichtige Erkenntnisse gewinnen, wenn die Frage nach der Rechtfertigung von Staaten beantwortet werden soll. b) Staatszwecke und die Frage nach der Rechtfertigung des Staates Die Kategorie des Staatszwecks ist nicht nur eng verbunden mit den Entstehungstheorien, sondern auch mit der Lehre von der Rechtfertigung des Staates. 436 434

Hesse, in: ders. / Maihofer / Vogel (Hrsg.), HdbVerfR, § 1 Rn. 5 f. Dazu, sowie zu Neuseeland und England als den gegenwärtig bedeutsamsten Staaten ohne geschriebene Verfassung, Loewenstein, Verfassungslehre, S. 137. 436 Brugger, NJW 1989, 2425, 2429 f.; Isensee, Art. Staat, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), StL, Bd. V, Sp. 133, 147 f.; ders., JZ 1999, 265, 270 ff.; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 6; Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 17; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 62; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 12; Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 30; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 93. 435

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Wer danach fragt, warum sich Menschen überhaupt in Form von Staaten zusammengeschlossen haben, warum also Staat ist und nicht Anarchie, der wird in einem zweiten Schritt fragen müssen, woraus der Staat als allgemeines Organisationsschema menschlichen Zusammenlebens seine Rechtfertigung bezieht. Staaten müssen sich messen lassen an den Zwecken, deren Verwirklichung sie anstreben. Sie können dann als legitim angesehen werden, wenn sie besonders bedeutsame Zwecke für das Gemeinwesen besser oder effektiver erfüllen können als das einzelne Individuum oder Gruppen von Individuen. Eine Sachmaterie ist dabei umso bedeutsamer, je eher sie dazu geeignet ist, dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen. Jede Staatstätigkeit findet somit letztlich ihre Rechtfertigung in auf die Menschen bezogenen Zwecken. 437 Negativ gewendet können Staatszwecke aber auch einen Beitrag dazu leisten, solche Handlungsfelder aufzudecken, auf denen sich ein staatliches Engagement gerade nicht legitimieren lässt. 438 Aus dieser Perspektive demaskieren sie ungerechtfertigte Staatstätigkeit. aa) Möglichkeiten der Klassifizierung von Staatszwecken. Bewertung und Kritik Die Zwecke des Staates lassen sich augrund ihres hohen Abstraktionsgrades begrifflich nur schwer konkretisieren. Vor diesem Hintergrund sind die Ansätze zu sehen, die eine Unterteilung der einzelnen Staatszwecke in verschiedene Gruppen vorschlagen. (1) Absolute und relative Staatszwecke Eine Klassifizierung der Staatszwecke lässt sich zunächst danach vornehmen, in welchem Umfang und für welche Zeitspanne sie Geltung beanspruchen. Angesprochen ist mit diesem Kriterium die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Staatszwecken: 439 Absolute Staatszwecke zeichnen sich dadurch aus, dass sie zeitlos sind und ohne Berücksichtigung von konkret-realen Umständen einer Gesellschaft Allgemeingültigkeit beanspruchen. 440 Sie zielen nicht auf die 437 Isensee, Art. Staat, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), StL, Bd. V, Sp. 133, 147 f.; Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, Teil IV, S. 11; vgl. auch Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 60, wonach der Staat „um des autonomen Individuums willen besteht“. 438 Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 62. 439 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 242; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107; Hug, Die Theorien vom Staatszweck, S. 13; Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 11; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 61; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2351.

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Rechtfertigung eines konkreten Staates ab, es geht ihnen vielmehr um die Legitimation von Staatlichkeit als solcher. 441 Aus diesem Grund ist es nicht möglich, absolute Staatszwecke im demokratischen Prozess zu bestimmen. Sie sind jeder staatlichen Willensbildung nicht auf-, sondern vorgegeben. Als absoluter Staatszweck wurde in der Antike die Verwirklichung eines guten Lebens in der staatlichen Gemeinschaft angesehen. 442 Die Vertreter der religiösen Staatstheorie dagegen sahen den allein gültigen und maßgeblichen Staatszweck darin, den Willen Gottes auf Erden zu verwirklichen. 443 Ebenfalls im Zusammenhang mit den absoluten Staatszwecklehren steht die Idee vom Selbstzweck des Staates, wonach sich der Staat als gewachsener Organismus darstelle mit der Folge, dass er einer über seinen eigenen Existenzzweck hinausgehenden inhaltlichen und auf den Menschen bezogenen Rechtfertigung nicht bedürfe. 444 Relative Staatszwecke hingegen zeichnen sich durch ihre Dynamik und Anpassungsfähigkeit an die Gegebenheiten innerhalb einer bestimmten Gesellschaft in einer konkreten historischen Situation aus. 445 Sie orientieren sich an den wandelnden Bedürfnissen der Menschen, die in der Gegenwart zumeist im demokratischen Willensbildungsprozess zum Ausdruck kommen. Die Festlegung auf einen statischen, für alle Zeiten unveränderbaren Legitimationsgrund ist hier nicht denkbar, vielmehr berücksichtigen die relativen Staatszwecke die politi440 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107; Hug, Die Theorien vom Staatszweck, S. 13; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 61. 441 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 242; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 61. 442 Aristoteles, Politik, Buch I, S. 55: „Da wir sehen, daß jeder Staat eine Gemeinschaft ist und jede Gemeinschaft um eines guten Willens besteht (...).“ sowie Buch III, S. 142: „Ziel des Staates ist also das edle Leben, und das andere ist um dieses Zieles willen da. Und der Staat ist die Gemeinschaft der Geschlechter und Dorfgemeinden um des vollkommenen und selbständigen Lebens willen. Dieses endlich ist, wie wir sagten, das glückselige und edle Leben“; vgl. auch Isensee, JZ 1999, 265, 268; Katz, Staatsrecht, Rn. 41. 443 Vgl. die Nachweise oben A. II. 2. a) aa); sowie Katz, Staatsrecht, Rn. 42. 444 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 258, S. 195: „Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens, die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbstbewußtsein hat, das an und für sich Vernünftige. Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck (...).“ Vgl. aus dem 20. Jahrhundert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 677: „Der Staat ist ein Wert an sich selbst, nicht erst ein Wert durch das, was er für andere Werte bedeutet“; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 60: „Der Staat muß sich nicht bestätigen. Er ist nicht, weil er wirkt, er wirkt, weil er ist.“ Zu der organischen Staatstheorie ausführlich v. Gierke, ZGS 30 (1874), S. 153 ff., sowie S. 265 ff. 445 Hug, Die Theorien vom Staatszweck, S. 13; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 61; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2351.

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schen und weltanschaulichen Überzeugungen einer konkreten Gesellschaft. 446 Folgerichtig trat mit Aufkommen und Verbreitung des demokratischen Verfassungsstaates die Theorie von den relativen Staatszwecken in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zunehmend in den Vordergrund. 447 Im Folgenden sollen jedoch nicht die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Kategorien des absoluten bzw. relativen Staatszwecks untersucht, sondern einzelne konkrete Staatszwecke sowie deren mögliche Ausstrahlungswirkung auf das positive Recht in den Blick genommen werden. (2) Primäre und sekundäre Staatszwecke Gelegentlich wird zwischen primären und sekundären Staatszwecken unterschieden. 448 Als primärer Staatszweck bzw. Staatszweck im engeren Sinne ist danach ein solcher Zustand der gesellschaftlichen oder staatlichen Organisation anzusehen, dessen Verwirklichung durch den Staat unbedingt anzustreben ist. Primäre Staatszwecke könnten demnach umschrieben werden als die Endzwecke der staatlichen Tätigkeit. Allen anderen staatlichen Zwecksetzungen kommt demnach nur noch Bedeutung bei der Realisierung und Umsetzung von primären Staatszwecken zu. 449 Dementsprechend werden alle staatlichen Zwecksetzungen, die mittelbar der Realisierung eines primären Staatszweckes dienen, als sekundäre Staatszwecke oder Staatszwecke im weiteren Sinne bezeichnet. 450 Einer solchen Differenzierung ist allerdings entgegenzutreten, da sie mit dem sekundären Staatszweck eine neue Kategorie schafft, für die eine Notwendigkeit nicht besteht. Sekundäre Staatszwecke in dem dargestellten Sinne sind Mittelzwecke; sie geben dem Staat vor, auf welchem Wege er einen primären Staatszweck zu erfüllen hat. Das „Wie“ der Realisierung von Staatszwecken ist dem Staat und seinen Untergliederungen jedoch von überpositivem Recht nicht vorgeschrieben. 451 Staatszwecke dienen vielmehr der Rechtfertigung von staatlicher Existenz. Würde man die Mittel staatlichen Handels als Staatszwecke begreifen, 446

Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 107; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 242; Katz, Staatsrecht, Rn. 45; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2351. 447 Vgl. zum Niedergang der absoluten Staatszwecktheorien im 19. Jahrhundert etwa Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 29 f.; dens., Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2349. 448 Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation, S. 104. 449 Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation, S. 104. 450 Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation, S. 104. 451 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 17 zum Gemeinwohl als dem abstraktesten Staatszweck: „Vorgegeben ist lediglich die Aufgabe, die Lösung muß auf den Entscheidungswegen des freiheitlichen Gemeinwesens gefunden werden.“

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so liefe dies auf den anachronistischen Versuch hinaus, den Staat aus seinen Mitteln und damit letztlich aus sich selbst heraus zu rechtfertigen. 452 Es wäre zwar denkbar, dass der Verfassunggeber dem Staat durch die Festschreibung von sekundären Staatszielen im Grundgesetz Vorgaben im Hinblick auf die von ihm einzusetzenden Instrumente und Mittel macht. 453 Bei solchen Vorgaben würde es sich dann jedoch gerade nicht mehr um eine staatsphilosophische Kategorie, sondern um eine solche des Verfassungsrechts handeln. bb) Gemeinwohl als Staatszweck (und Staatsziel) Eine Untersuchung über die Zwecke des Staates lässt sich nicht durchführen, ohne auf Begriff und Inhalt des Gemeinwohls Bezug zu nehmen. Aufgrund des Gemeinwohlbekenntnisses (auch) des modernen Verfassungsstaates 454 nimmt es nicht Wunder, dass ebenso das Grundgesetz in sprachlich leicht modifizierter Form von Gemeinwohl spricht. 455 Da der Verfassungstext den zeitlosen und zugleich „nebulösen“ Begriff 456 des Wohls der Allgemeinheit aber nicht definiert, soll im Folgenden der Versuch einer Annäherung an den Gemeinwohlbegriff unternommen werden, um diesen für das Staatsrecht handhaben zu können. Hieran schließt sich eine kursorische Befassung mit Inhalt und Funktion des Gemeinwohls an. Sodann wird zu klären sein, wie sich die Aussagen der Verfassung zu der Idee des Gemeinwohls verhalten und ob dem Gemeinwohl eine Bindungswirkung für staatliches Handeln zu entnehmen ist. Es können dabei im Rahmen dieser Arbeit nur einzelne Aspekte der Gemeinwohlproblematik herausgegriffen werden; für eine umfassendere Auseinandersetzung muss auf die einschlägigen staatstheoretischen bzw. staatsrechtlichen Abhandlungen verwiesen werden. 457

452 Vgl. zu dieser Idee Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 258, S. 195; Stahl, Die Philosophie des Rechts, Bd. II, 2. Abt., S. 144: „Es ist also der Staat nicht bloß zum Zwecke des einzelnen Menschen da, sondern nicht minder zum Zwecke der Nation, zur Vollendung des gemeinsamen (objektiven) Zustandes.“ 453 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 26. 454 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 1 ff. 455 Vgl. etwa Art. 14 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG: Wohl der Allgemeinheit; Art. 56 S. 2 GG: Wohl des deutschen Volkes. 456 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 4. Ähnlich auch v. Arnim, in: ders. / Sommermann (Hrsg.), Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 63, 75, der den Begriff des Gemeinwohls als „meist undeutlich und vage“ bezeichnet. 457 Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union; v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen; ders. / Sommermann (Hrsg.), Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung; Brugger / Kirste / Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 1 ff.;

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(1) Begriff und Gehalt Eine abschließende Definition des Gemeinwohls kann es im demokratischen Verfassungsstaat nicht geben, da sich die Interessen innerhalb einer Gesellschaft wandeln und auf diese Weise das Wohl der Allgemeinheit stets um neue inhaltliche Aspekte angereichert wird. 458 Es lassen sich jedoch zwei Ansätze ausmachen, die zu einer ersten Konkretisierung des Gemeinwohlbegriffs beitragen: Betrachtet man den Gemeinwohlbegriff aus einer instrumentalen Perspektive, so ist nach den Mitteln und Instrumenten zu fragen, derer sich der Staat bedient, um das gute Leben seiner Bürger zu gewährleisten. 459 Als Gemeinwohlbelange kommen nach diesem Ansatz etwa solche staatlichen Maßnahmen in Betracht, die der freien Entfaltung des Einzelnen in der Gesellschaft dienen: rechtsstaatliche Verfahren zur Grundrechtssicherung oder Vorkehrungen zum Schutz des freien demokratischen Willensbildungsprozesses. Demgegenüber wird von dem materiellen Gemeinwohlverständnis nicht das Instrumentarium zur Zielerreichung, sondern das Ziel selbst umschrieben. Als Gemeinwohl erscheint danach das gute Leben, so wie es sein soll. Die Idee des Gemeinwohls umfasst damit menschenwürdige Existenzbedingungen ebenso wie Arbeit, Wohlstand und Vollbeschäftigung für alle Mitglieder des Gemeinwesens. 460 Je nach eingenommener Perspektive lässt sich das Gemeinwohl begreifen als die Gesamtheit der von staatlicher Seite zu gewährleistenden Voraussetzungen und Mittel zur Erreichung des guten Lebens eines Gemeinwesens, aber auch als das gute Leben der im Staat vereinigten Menschen selbst. 461 Der Gemeinwohlbegriff ist mit der Säkularisation und dem Aufkommen des konfessionell neutralen modernen Verfassungsstaates allerdings auf das irdische gute Leben beschränkt. 462 Ebenso wie das Gemeinwohl sind auch die anderen Staatszwecke letztlich auf das gute Leben ausgerichtet. Sie tragen zu dessen Realisierung bei, indem sie sich ders., Salus publica – suprema lex?; Schuppert / Neidhard (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach der Substanz; v. Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff. 458 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 3; vgl. auch Musil, Wettbewerb in der staatlichen Verwaltung, S. 380. 459 Zum instrumentalen Gemeinwohlbegriff Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 30. 460 Zu diesem „outputorientierten“ Gemeinwohlverständnis Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 13 f. 461 Isensee, Salus publica – suprema lex?, S. 11 f. Zu der engeren Definition des Gemeinwohls, die sich auf den Aspekt der staatlichen Gewährleistungspflichten zur Erreichung des guten Lebens beschränkt, vgl. dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 30 m.w. N. 462 Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 20.

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auf einen Teilbereich des bonum commune konzentrieren. Da das Gemeinwohl selbst alle sonstigen Staatszwecke in sich vereinigt und somit zugleich oberster, umfassendster und abstraktester Staatszweck ist, wird es als Legitimationsgrund aller Staatlichkeit bezeichnet. 463 Seinem Inhalt nach kann das Gemeinwohl verstanden werden als Sammelbecken der öffentlichen Interessen innerhalb eines Gemeinwesens. 464 Es ist dabei jedoch zu beachten, dass die Bestimmung des bonum commune nicht willkürlich durch schwankende Mehrheitsverhältnisse in der politischen Auseinandersetzung geändert werden kann. Auch in demokratischen Staaten sind gemeinwohlunverträgliche Mehrheitsentscheidungen denkbar, sodass staatliche Fehlentwicklungen durch parlamentarische Entscheidungen ausgelöst werden können. 465 Aus diesem Grund ist das Gemeinwohl auch nicht als Abbild, sondern vielmehr als Vorbild des legislativen, aber auch exekutiven und judikativen Handelns zu begreifen. 466 (2) Verfassungsrechtliche Verortung des Gemeinwohls Seine bedeutendste inhaltliche Prägung, die nicht zur Disposition der öffentlichen Meinung oder des verfassungsändernden Gesetzgebers steht, 467 erhält das Gemeinwohl durch das vom Grundgesetz vorausgesetzte Menschenbild. 468 Als eine Reaktion auf die Unrechtserfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus wird von der Verfassung eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die den Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt ihrer Regelungen stellt. 469 Der Schutz und die Achtung der Menschenwürde ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG. Wird die Menschenwürde als anthropologischer Leitgedanke des Gemeinwohlbegriffes berücksichtigt, so ist die weitere Bestimmung und inhaltliche Anreicherung des Gemeinwohls im modernen Verfassungsstaat Sache des demokratischen Prozesses. 470 Zugleich zeigt aber der rechtsstaatli463 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 2; Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 19; ferner auch Brugger, NJW 1989, 2425, 2434: „Integrationsformel aller Staatszwecke“; sowie Schuppert, in: v. Arnim / Sommermann (Hrsg.), Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, S. 269: „Grund und Grenze staatlichen Handelns“. 464 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 36. 465 Vgl. v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 125; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 22. 466 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 53. 467 Vgl. Art. 79 Abs. 3 i.V. m. Art. 1 GG. 468 Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 23; vgl. auch Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 67. Zum Menschenbild als Verfassungsprinzip Häberle, Das Menschenbild im Verfassungsstaat, S. 37 ff., und passim. 469 Grundlegend BVerfGE 39, 1, 67. 470 Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 25 f.; vgl. auch Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 71 f.

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che Sicherungsmechanismus der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 GG, dass sich das Grundgesetz eine realistische Sichtweise zu Eigen gemacht hat, welche die Unvollkommenheit des mit Macht über andere ausgestatteten Menschen berücksichtigt. 471 Die gegenseitige Kontrolle der Staatsgewalten soll verhindern, dass es zu gemeinwohlunverträglichen staatlichen Maßnahmen kommt. Neben Art. 1 Abs. 1 GG finden sich im Grundgesetz noch weitere Prinzipien, die zur Verankerung des Gemeinwohls in der Verfassung beitragen können. Dazu zählen das Republikprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, 472 das Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, 473 sowie das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 2, 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. 474 Das Gemeinwohl ist zwar Legitimationsgrund aller Staatlichkeit, aufgrund der hohen Abstraktheit des Begriffs muss im Einzelfall in Bezug auf seine rechtliche Bindungswirkung aber differenziert werden. 475 Soweit sich einzelne Bestandteile und Facetten des Gemeinwohls ausdrücklich im Verfassungstext niedergeschlagen haben, geht von diesen eine positivrechtliche, unmittelbar bindende Wirkung aus. Dies gilt etwa für die soeben dargelegten Verfassungsprinzipien der Menschenwürde, 476 der Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie der Republik. Auch über diese materiellen Grundsätze hinaus sind die Umschreibungen des Gemeinwohlbegriffs im Text des Grundgesetzes präsent. 477 Der Gemeinwohlbegriff, der, wie erwähnt, zu großen Teilen offen für die inhaltliche Anreicherung im demokratischen Prozess ist, darf aber nicht zur Umdeutung oder Aushebelung von solchen Regeln benutzt werden, die sich selbst unter der Ägide der Demokratie entwickelt haben. Das Gemeinwohl geht als vorpositiver Grundsatz, als Ver471

Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 25. Anderheiden, in: Brugger / Kirste / Anderheiden (Hrsg.), S. 391, 436; ders., Gemeinwohl in Republik und Union, S. 63; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 66; vgl. auch Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 14. 473 Vgl. Uerpmann, in: Schuppert / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 179, 182. 474 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 66. Zu diesem und den zuvor genannten Grundsätzen auch Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542, 554. 475 Ossenbühl, Gutachten B für den 50. DJT, S. 138 spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „Leerformel“; Eichenberger, in: Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. I, S. 103, 112, kritisiert die „lenkungsschwache Vagheit“ des Begriffs; zu weiteren Einwänden vgl. etwa v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 5 ff.; Gegenkritik bei Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 49. 476 Zur Menschenwürde als einem Verfassungs- bzw. Konstitutionsprinzip vgl. etwa BVerfGE 6, 32, 36; 45, 187, 227; 50, 166, 175; 72, 105, 115; 87, 209, 228; 96, 375, 398; 102, 370, 389; 109, 279, 311; 115, 118, 152; Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 70 ff.; dens., in: Stern / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Art. 1 Rn. 9 f. 477 Vgl. oben Fn. 455. 472

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fassungsvoraussetzung, den Regelungen des Grundgesetzes nicht vor, es bildet vielmehr deren außerrechtliche Grundlage. 478 Eindeutige Verfassungsvorschriften wie etwa die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen können folglich nicht mit Hinweis auf das Gemeinwohl außer Kraft gesetzt werden. 479 (3) Doppelnatur des Gemeinwohls Berücksichtigt man, dass das Gemeinwohl als „der allgemeinste Staatszweck“ 480 angesehen wird, so kann in Bezug auf die normative Verbindlichkeit nichts anderes gelten als bei allen anderen Staatszwecken auch: Es handelt sich um eine Kategorie der allgemeinen Staatslehre, die ohne das Hinzutreten vermittelnder Verfassungsprinzipien keine rechtliche Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Wenn andererseits wie selbstverständlich und zum Teil ohne weitere Erläuterung in Rechtsprechung und Literatur davon ausgegangen wird, dass alles staatliche Handeln im öffentlichen Interesse liegen müsse und der Förderung des Gemeinwohls zu dienen habe, 481 so erweisen sich diese Aussagen zunächst als unvereinbar mit dem zuvor erwähnten Verständnis des Staatszwecks. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen einer rechtlichen Bindung des Staates an das Allgemeininteresse und der Natur des Gemeinwohls als einer Kategorie der Staatstheorie lässt sich jedoch auflösen: Die Gemeinwohlverpflichtung des Staates ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. 482 Das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip legt zunächst fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen hat, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. Es handelt es sich bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages um „Vertreter des ganzen Volkes“, Art. 38 Abs. 1 S. 2 478

Vgl. zur Qualität des Gemeinwohls als einer dem Grundgesetz vorausliegenden Idee Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 51. 479 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 64. 480 Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 85. 481 BVerfGE 108, 186, 228: „Die Förderung des Gemeinwohls ist notwendiges Ziel jeder staatlichen Aktivität, (...); BVerfGE 62, 1, 43: „Daß Bundeskanzler, Bundesregierung und Bundestag sich von Verfassungs wegen solchen Aufgaben nach besten Kräften zu stellen haben, folgt aus ihrer Verpflichtung auf das Gemeinwohl, daraus, daß ihnen Staatsgewalt anvertraut ist, und letztlich aus dem Sinn von Staatlichkeit“; BVerfGE 33, 125, 159: „Der Staat erfüllt hier durch seine gesetzgebende Gewalt die Aufgabe, Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen zu sein.“ Vgl. ferner auch Brugger, NJW 1989, 2425, 2427 (Staatszwecke als verbindliches Verfassungsrecht); Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 17 (Staatszwecke als begrenzende Konstanten der Staatstätigkeit) sowie Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 62: „Der Staatszweck fragt (...) damit nach der Begrenzung des Staates“. 482 Vgl. auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 333 f., der im Schwerpunkt auf das Demokratieprinzip als Grund für die staatliche Gemeinwohlverpflichtung abstellt.

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GG. Anders gewendet, dürfen Partikularinteressen im System der parlamentarischen Repräsentation niemals Legitimationsgrund gesetzgeberischer Tätigkeit sein, 483 der Abgeordnete hat sein Handeln vielmehr am Wohle der Allgemeinheit auszurichten. 484 Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet sowohl die vollziehende Gewalt als auch die Rechtsprechung auf das von der Legislative geschaffene und damit seinerseits dem Gemeinwohl verpflichtete Recht, Art. 20 Abs. 3 GG. Wenn Art. 64 Abs. 2 i.V. m. Art. 56 GG den Bundeskanzler und die Bundesminister als die Spitze der Exekutive ausdrücklich auf das Wohle des deutschen Volkes verpflichtet, so hat diese Regelung des Grundgesetzes daher lediglich flankierenden bzw. deskriptiven Charakter. 485 Verdeutlicht man sich die enge Beziehung zwischen Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG, wird der Transformationscharakter von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip in Bezug auf das Gemeinwohl sichtbar. Das Gemeinwohl, genuin staatstheoretischer Natur, erlangt über diese beiden bedeutsamen Verfassungsprinzipien rechtliche Verbindlichkeit und stellt sich nicht nur als Staatszweck, sondern auch als Staatziel dar. 486 Die Gemeinwohlverpflichtung ist damit nicht nur eine „ungeschriebene Voraussetzung des geschriebenen Verfassungsgesetzes“, sie kommt in diesem vielmehr selbst zum Ausdruck. 487 Es lässt sich daher formulieren: Wird der Staat nicht zum Wohle und im Interesse der Allgemeinheit tätig, so handelt er verfassungswidrig, weil den demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen der Gemeinwohlverpflichtung zuwiderlaufend. cc) Quadriga oder Trias der Staatszwecke? Ebenen staatlicher Legitimation Dort, wo die Rechtfertigung des modernen Staates in Rede steht, drückt sich die Idee des Gemeinwohls in einzelnen Staatszwecken aus. Zu den klassischen Staatszwecken zählen die (physische) Sicherheit, die Freiheit sowie die soziale Sicherheit bzw. Wohlfahrt der in dem Gemeinwesen lebenden Menschen. 488 Gelegentlich ist nicht lediglich von der Trias, 489 sondern von der „Quadriga der Staats483 Badura, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 38 Rn. 49 (Zweitbearbeitung); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 38 Rn. 129; Trute, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 38 Rn. 77. Vgl. aus staatsphilosophischer Perspektive bereits Suárez, Abhandlung über die Gesetze, 7. Kap., S. 151, der die Ausrichtung auf das Gemeinwohl als den innersten Zweck und das allerwichtigste Merkmal des Gesetzes bezeichnet. 484 Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 145 mit Fn. 103; Isensee, in: Schuppert / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 241, 254; dazu auch Achterberg, Parlamentsrecht, S. 224. 485 Zutreffend Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 333. 486 Ebenso Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 11; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 8; Brugger, NJW 1989, 2425, 2434; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 70. 487 Isensee, Salus publica – suprema lex?, S. 47.

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zwecke“ 490 die Rede. Die drei genannten staatlichen Legitimationsgründe werden hierbei um das Gemeinwohl als einem eigenständigen Staatszweck ergänzt. Unabhängig davon, welcher Begriff zur Beschreibung der elementaren Staatszwecke zutreffender erscheint, 491 soll im Folgenden näher auf Inhalt und Entstehungsgeschichte der Staatszwecke Sicherheit, Freiheit und soziale Sicherheit eingegangen werden. Die physische Sicherheit ist das zentrale Motiv bei der Idee vom Gesellschaftsvertrag. Die Wirren der religiös motivierten Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts 492 führten zu einem starken Bedürfnis der Menschen nach Schutz vor gegenseitigen gewaltsamen Übergriffen. 493 Diesem Grundbedürfnis versuchte die Staatstheorie der Frühmoderne Rechnung zu tragen, indem sie ein neues, von den antik-philosophischen bzw. religiös geprägten Staatszwecklehren emanzipiertes System staatlicher Legitimation entwickelte. Für Thomas Hobbes lag der einzige Grund, aus dem sich Menschen zu einem Staat zusammenschließen, in ihrer Furcht voreinander. 494 Im Naturzustand der Menschen (status naturalis) gebe es 488 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 17 f.; ders., JZ 1999, 265, 271 f.; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 118; Musil, Wettbewerb in der staatlichen Verwaltung, S. 381 ff. Letztlich lässt sich auch die Einteilung von Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 67 (Menschenwürde, Frieden, Selbstschutz des Staates, Grundund Menschenrechte, soziale Sicherheit und geistig-sittliche Integration der Bürger) auf die drei Hauptzwecke zurückführen: Frieden und Selbstschutz des Staates als Aspekte der Sicherheit, Menschenwürde, Grund- und Menschenrechte als Aspekte der Freiheit sowie die geistig-sittliche Integration als zusätzlicher Aspekt der sozialen Sicherheit. Vgl. auch Brugger, NJW 1989, 2425, 2432 f. 489 Vgl. auch die Begriffsbildung bei Schuppert, VVDStRL 48 (1990), 130, 131: „Troika“. 490 Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 18; Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 5; Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 293; Pieper, Subsidiarität, S. 94; vgl. auch Saladin, Wozu noch Staaten?, S. 46; SchulzeFielitz, NJW 1990, 31 f. 491 Für den Begriff der Quadriga mag sprechen, dass das Gemeinwohl als Staatszweck qualifiziert wurde. Die Gemeinwohlidee besitzt jedoch einen höheren Abstraktionsgrad als die anderen Staatszwecke und dient in Bezug auf diese letztlich als Oberbegriff. Diesem Unterschied trägt der Begriff der Trias Rechnung, ohne dass damit das Gemeinwohl aus der Betrachtung ausgeschlossen wäre. Denn die genannten Staatszwecke sind jeweils auch als Aspekte des Gemeinwohls anzusehen; die Idee vom Wohl der Allgemeinheit speist sich aus ihnen. 492 In Frankreich die insgesamt acht Bürgerkriege zwischen Protestanten (Hugenotten) und Katholiken (1562 – 1598); in Kontinentaleuropa der Dreißigjährige Krieg (1618 –48); in England der Englische Bürgerkrieg (1642 – 49). 493 Bull, NVwZ 1989, 801, 802; Grimm, in: ders. (Hrsg.), Staatsaufgaben, S. 613, 616 f.; Herzog, JR 1969, 441, 443; Isensee, JZ 1999, 265, 271. Zu der Bedeutung dieser religiösen Kriege für den Begriff der legitimen Herrschaft Hennis, Merkur 30 (1976), 17, 19. 494 Vgl. Hobbes, Leviathan, Kap. 13, S. 96; sowie ferner dens., Vom Bürger, Widmung an Wilhelm von Devonshire, S. 59.

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keine friedliche Kooperation, es herrsche dort vielmehr Krieg „eines jeden gegen jeden“. 495 Die existentiellen Gefahren dieses ursprünglichen Zustands vor Augen, bestand für Hobbes der erste Zweck des Staates daher in der Gewährleistung von physischer Sicherheit. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss der Staat eine für alle Bürger gleichermaßen gültige Rechtsordnung schaffen, die mit Hilfe des staatlichen „Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit“, des Gewaltmonopols, 496 auch tatsächlich durchgesetzt werden kann. Macht der Staat von seinem Gewaltmonopol Gebrauch, so darf er dies nur in dem Rahmen tun, der durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt wurde. Gleichzeitig verlangt das Gewaltmonopol den Bürgern eine Friedenspflicht ab, die es dem Einzelnen – von einigen Ausnahmen abgesehen – 497 verbietet, zur Durchsetzung seiner Rechte private Gewalt auszuüben. 498 Das staatliche Gewaltmonopol markiert damit den Beginn des modernen Staates; es stellt sich als dessen konstitutive Entstehungsbedingung dar. 499 495

Hobbes, Leviathan, Kap. 13, S. 96. Die Definition stammt von Max Weber, Politik als Beruf, S. 8; ders., Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. II, S. 830. Die Idee von der Machtkonzentration beim Staat dominiert freilich schon die Überlegungen von Hobbes. 497 Vgl. dazu etwa Art. 20 Abs. 4 GG, §§ 32, 34 StGB, §§ 227 –229, 859, 860, 904 BGB. Zur Frage, ob die „Jedermann-Notrechte“ in den Grundrechten verankert werden können vgl. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 301 f. 498 Näher dazu Bethge, DVBl. 1989, 841, 845; Faller, in: FS Geiger, S. 3, 8 ff.; Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 26 f.; ders., in: FS Sendler, S. 39, 48 f.; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 56 ff.; Schulte, DVBl. 1995, 130, 132; ferner Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 22; sowie Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 43. Neben die Pflicht, sich jeder privaten Gewalt zu enthalten, tritt die Rechts- bzw. Normgehorsamspflicht des Bürgers, vgl. dazu Kröger, JuS 1984, 172, 173; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 36 f.; sowie umfassend Hirsch, JZ 1983, 1 ff.; beide Pflichten, die Friedens- sowie die Rechtsgehorsamspflicht, stehen in einem unlösbaren Zusammenhang, Isensee, in: FS Sendler, S. 39, 49. 499 Statt vieler Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 26; ders., Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 4; ders., in: FS Sendler, S. 39, 46 ff.; vgl. zu dem Umstand, dass die Institution des (modernen) Staates aus der Gewährleistung von innerer Sicherheit ihre eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet, BVerfGE 49, 24, 56 f. Anders jedoch Möllers, Staat als Argument, S. 214 ff., insb. S. 223 f., der sich gegen die etablierte Vorstellung wendet, das staatliche Gewaltmonopol falle mit der Entstehung von moderner Staatlichkeit zusammen. Bei diesem Modell handele es sich um einen „juristischen Gründungsmythos“ des Staates, der in der Realgeschichte keine Entsprechung finde. Die auf Bodin (und Hobbes) zurückgehenden Gedanken der staatlichen Souveränität und des staatlichen Gewaltmonopols dürften nicht gleichgesetzt werden mit ihrer praktischen Durchsetzung. Eine mit heutigen Maßstäben vergleichbare Monopolisierung staatlicher Gewalt sei erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festzustellen, vgl. Möllers, a. a. O., S. 223. Diesen Überlegungen ist zwar zuzugeben, dass sich die konkrete Ausgestaltung des Gewaltmonopols seit der Zeit von Bodin und Hobbes mit den unterschiedlichen Staatsformen verändert hat. Dieser Umstand vermag indes nichts daran zu ändern, dass die Entstehung des modernen 496

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Die Friedensgewährleistung im Inneren ist noch immer ein Kernbestandteil moderner Staatlichkeit. Vor dem Hintergrund der Entwicklung vom modernen Staat über den bürgerlichen Rechtsstaat hin zum sozialen Rechtsstaat der Gegenwart lassen sich jedoch zwei weitere Staatszwecke ausmachen: Freiheit und soziale Sicherheit. Der Staatszweck der Freiheit trägt der Gefahr Rechnung, dass der übermächtige Herrscher die ihm übertragene Gewalt nicht nur zum Schutz, sondern auch zur Unterdrückung der Bürger einsetzen könnte. 500 Neben der Sicherheit vor dem Mitmenschen, so die Überlegung von John Locke, müsse auch die Sicherheit vor einem übermächtigen Staat gewährleistet sein. 501 Um einem Machtmissbrauch vorzubeugen und zugleich die Freiheit der Bürger nur soweit wie nötig zu beschränken, wird die Institution der Gewaltenteilung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie der Gedanke der Grund- und Menschenrechte entwickelt. 502 Es entsteht die Sphäre der Gesellschaft, die der Staat zu respektieren hat und der er bei der Wahrnehmung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben sogar den Vortritt lassen muss, wenn diese Aufgaben von den gesellschaftlichen Kräften ebenso gut und effektiv erfüllt werden können. 503 Der Staatszweck der Freiheit löst den der Sicherheit jedoch nicht ab, da das Bedürfnis des Menschen nach Schutz vor physischer Gewalt zu elementar ist, um zugunsten anderer Aspekte wieder aufgegeben zu werden. Der Legitimationsgrund „Freiheitsgewährleistung“ baut vielmehr auf dem Staatszweck der Sicherheit auf und ergänzt diesen. 504 Die Idee, dass der Staat auch die Freiheit seiner Bürger gewährleisStaates mit der staatstheoretischen Entwicklung und dem tatsächlichen Aufkommen des Gewaltmonopols zusammenfällt. Die staatstheoretischen Überlegungen Bodins und Hobbes spiegeln die geschichtliche Realität, vgl. zu Recht Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 26; dens., Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 4. 500 Isensee, JZ 1999, 265, 271; Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, S. 46; vgl. Hobbes, Vom Bürger, Kap. VI, 13, S. 139: „Denn der, welcher Macht genug hat, alle zu beschützen, hat auch Macht, alle zu unterdrücken.“ 501 Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, Abhandlung II, Kap. 11, §§ 135 – 139, S. 284 ff., Kap. 12, §§ 143 f., S. 291 ff. 502 Calliess, ZRP 2002, 1, 4; Isensee, JZ 1999, 265, 271; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 98. 503 Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 44 ff.; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 110 ff. Zu der liberalen Tradition als einer bedeutsamen Wurzel des Subsidiaritätsprinzips D’Atena, in: FS Häberle, S. 327, 330. 504 v. Humboldt, Über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates, S. 66: „Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden, noch die Früchte derselben zu geniessen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“ Vgl. aus der Gegenwart statt vieler Brugger, Freiheit und Sicherheit, S. 39: „Leben ist die Grundvoraussetzung aller anderen Aktivitäten. Für die Bedeutung von Leben gilt, was man auch über Sicherheit sagen kann: Leben ist nicht alles, aber ohne Leben ist alles andere nichts“; Stern, Die Politische Meinung Nr. 463, 6/2008, 40, 44; ähnlich auch Di Fabio, NJW 2008, 421, 422 („Ohne Sicherheit keine Freiheit“, „Ohne Freiheit keine Sicherheit“).

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ten muss, führt aber nun dazu, dass die aus dem Staatszweck der Sicherheit hergeleiteten staatlichen Befugnisse begrenzt und kontrolliert werden können. Diese Überlegungen zu den Staatszwecken der Freiheit und Sicherheit, die das Fundament des bürgerlichen Rechtsstaates darstellen, zeichnen die staatstheoretischen Entwicklungstendenzen des 18. und 19. Jahrhunderts nach. 505 Der Staatszweck der sozialen Sicherheit schließlich markiert den Übergang vom aufgeklärten bürgerlichen Rechtsstaat hin zum „sozialen Rechtsstaat“. 506 Auch wenn – oder gerade weil – der Staat es dem Bürger ermöglicht, sich in größtmöglicher Freiheit zu verwirklichen, kann der Einzelne in eine ökonomische Gefährdungslage geraten. Durch den Verlust von Arbeit besteht die Gefahr, dass Teilen der Bevölkerung eine angemessene Lebensführung wenigstens auf einem sozialen Mindestniveau nicht mehr möglich ist. 507 Die noch unter dem Einfluss der Aufklärung vehement geforderte Zurückhaltung des Staates in allen Angelegenheiten, die über die klassische Sicherheits- und Freiheitsgewährleistung hinausgehen, 508 führte im 19. Jahrhundert dazu, dass sich soziale Gegensätze in der Gesellschaft ausbilden konnten. 509 Mit dem Übergang von der Agrar- hin zur Industriegesellschaft brach die überkommene bipolare Lebensordnung zwischen Landbevölkerung und Gutsherr auseinander, die bis dahin nicht nur eine verlässliche Grundlage für die wirtschaftliche Tätigkeit der Bauern darstellte, sondern die dem Gutsherren auch Fürsorgepflichten für seine Untertanen auferlegte. 510 Ein großer Teil der häufig überschuldeten 511 Landbevölkerung konnte sich der liberalisierten Wirtschaftsordnung nicht anpassen und war gezwungen, seine Arbeitskraft den aufstrebenden Industriebetrieben anzubieten. Die daraufhin einsetzende Landflucht hatte zum einen die örtliche und familiäre Entwurzelung der Landbevölkerung zur Folge, zum anderen wirkten sich Krankheit oder Arbeitslosigkeit existenzgefährdend auf die neuen Fabrikar505

Zur begrifflichen Differenzierung zwischen „Rechtsstaat“ und „Gerechtigkeitsstaat“ siehe Del Vecchio, AöR 88 (1963), 249, 250. 506 Der Begriff des sozialen Rechtsstaates geht zurück auf Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, S. 9. Zu Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates auch Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8 ff. 507 Vgl. auch Isensee, JZ 1999, 265, 271. 508 Exemplarisch v. Humboldt, Über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates, S. 59 f. 509 Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, S. 65 f. 510 Zur Situation in Preußen nach den Stein- / Hardenbergschen Reformen vgl. Frotscher / Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 215 ff.; E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 189 (soziale Krise des 19. Jahrhunderts als unmittelbare Folge der weggefallenen Schollengebundenheit und des damit einhergehenden Bauernschutzes). 511 Durch die Stein- / Hardenbergschen Reformen wurde zwar die persönliche Unfreiheit der Bauern beseitig; für die Weiternutzung ihrer Höfe mussten sie jedoch einen Teil des von ihnen genutzten Bodens abgeben oder aber hohe Entschädigungssummen an ihre ehemaligen Gutsherren entrichten, vgl. zu den Einzelheiten Frotscher / Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 217.

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beiter und ihre Familien aus. 512 Als Konsequenz aus dieser Entwicklung wurde die Forderung erhoben, der Staat solle nicht als „Nachtwächterstaat“ (Ferdinand Lasalle) agieren, sondern auch für seine Bürger sorgen. 513 Der Staat hatte die wirtschaftlichen Risiken des gesellschaftlichen Daseins durch Sicherungssysteme zu reduzieren und mit Hilfe von staatlicher Intervention, Umverteilung und Subvention ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit zu garantieren. 514 Durch diese Überlegungen trat der Staatszweck der sozialen Sicherheit an die Seite der klassischen staatlichen Gewährleistungen von Sicherheit und Freiheit. dd) Innere Sicherheit als fundamentaler Staatszweck Die getroffenen Aussagen zu den Bereichen Sicherheit, Freiheit und soziale Sicherheit beziehen sich nur auf den Inhalt sowie auf die ideengeschichtlichen Hintergründe des jeweiligen Staatszwecks. Über eine Rangordnung oder jedenfalls ein Verhältnis innerhalb der einzelnen Staatszwecke ist damit indes noch nichts gesagt. Die weitere Untersuchung hat zu klären, in welcher Beziehung die genannten Aspekte zueinander stehen. Dabei kommt der Frage, wie sich der Staatszweck der physischen Sicherheit zu den Zwecken der Freiheit bzw. der sozialen Sicherheit verhält, besonderes Gewicht zu. Dies deshalb, weil die so gewonnenen staatstheoretischen Erkenntnisse das Vorverständnis über die Erfüllung konkreter staatlicher Aufgaben bereichern. 515 Betrachtet man zunächst das Verhältnis der Staatszwecke Freiheit und soziale Sicherheit zueinander, so lässt sich ein klares Über- / Unterordnungsverhältnis nicht ausmachen. Die beiden Staatszwecke stehen vielmehr in einem gewissen Spannungsverhältnis, da eine umfassend gewährleistete Freiheit, auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten, zur Folge hat, dass die Bürger sich diese Freiheit nach Maßgabe ihrer Talente, ihres Fleißes und ihres wirtschaftlichen Sachverstandes in unterschiedlicher Weise zu Nutze machen. 516 Dieser staatlich gewährte Freiraum führt auf der einen Seite zu wachsendem Reichtum in der Bevölkerung, auf der anderen Seite aber zu Verarmung und Hilfsbedürftigkeit bei denjenigen, die die garantierte Freiheit nicht vollumfänglich nutzen wollen bzw. können. Um diese Unterschiede auffangen oder zumindest abmildern zu können, müssen 512

Zu weiteren Problemen der „rapiden Urbanisierung“ durch die industrielle Revolution Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, S. 49. 513 Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, S. 68 ff.; vgl. allgemein und ohne konkreten historischen Bezug auch Del Vecchio, AöR 88 (1963), 249, 253 ff. 514 Isensee, JZ 1999, 265, 271. Ausführlich zu den Instrumenten der Daseinsvorsorge im 18. und 19. Jahrhundert Habermann, ORDO 39 (1988), 91, 98 f. 515 Vgl. zu dem Verhältnis von Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben auch unten A. II. 4. 516 Starck, in: FS Carstens, S. 867, 873.

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seitens des Staates soziale Sicherungssysteme geschaffen werden. Der von diesen staatlichen oder staatlich kontrollierten Systemen notwendig zu erhebende Sozialbeitrag wiederum begrenzt als eine Abgabe die Freiheitsausübung der Bürger. 517 Der Staatszweck Sicherheit 518 hebt sich dagegen von den beiden anderen Staatszwecken ab; 519 er kann in das Gleichordnungssystem der Staatszwecke Freiheit und soziale Sicherheit nicht eingepasst werden. Zwar lässt sich zwischen allen drei Staatszwecken – und damit auch dem Staatszweck der inneren Sicherheit – eine Verbindung dergestalt herstellen, dass jeder Staatszweck Auswirkungen auch auf die beiden verbleibenden Zwecke zeitigt. So kann die soziale Sicherheit auf der einen Seite als Voraussetzung verstanden werden, den inneren Frieden und damit die Sicherheit des Einzelnen zu wahren. Zugleich führt ihre Finanzierung aber, wie beschrieben, zu einer Beschränkung der persönlichen Freiheit. Die Sicherheit indes ist, und dies unterscheidet sie wesentlich von Freiheit und sozialer Sicherung, die Grundvoraussetzung für jede weitere Aktivität des Individuums in der Gesellschaft. Wenn die physische Sicherheit des Menschen nicht gewährleistet werden kann, seine reale Existenz folglich bedroht ist, sind auch alle hierauf aufbauenden Freiheiten und Sicherheiten in Gefahr. 520 Wer sich unsicher fühlt oder schutzlos ist, der verharrt in ängstlicher Passivität und wird die Freiheitsangebote des Staates nicht annehmen. 521 Der Wunsch nach Freiheit und sozialer Sicherheit kann sich nicht entfalten, wenn die elementarere Forderung nach Schutz von Leib und Leben noch nicht erfüllt ist. 522

517 Zu der für den Bürger belastenden Wirkung einer Abgabenerhebung unten Vierter Teil, B. III. 1.; speziell zu Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Sozialversicherung Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 127 ff., S. 130. 518 Andere Terminologie bei Matz, in: Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. I, S. 82, 84: „Rechtszweck“. 519 Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, S. 95. 520 Vgl. schon Sieyès, Einleitung zur Verfassung (1789), in: ders., Politische Schriften 1788 – 1790, S. 239, 247: „Die Sicherung der Freiheit wird nur dann gut sein, wenn sie hinreichend ist, und sie ist nur hinreichend, wenn die Schläge, die man ihr versetzen kann, nichts ausrichten gegenüber der Gewalt, die zur Verteidigung der Freiheit bestimmt ist. Kein Recht ist vollkommen gesichert, wenn es nicht von einer verhältnismäßig unwiderstehlichen Gewalt geschützt wird.“ Siehe auch Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 19: „Die grundrechtliche Freiheit wird entwertet, wenn sie nicht ein Fundament in der Sicherheit findet.“ 521 Hillgruber, JZ 2007, 209, 211; Kniesel, ZRP 1996, 482, 485; vgl. auch Freiberg, Kriminalistik 1999, 362, der die innere Sicherheit als ein „Grundbedürfnis der Menschen“ beschreibt. 522 Köck, in: FS Verdross, S. 89, 100; vgl. zur Bedeutung der Sicherheit als Staatszweck im Sozialstaat Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 29; zum Verhältnis von Sicherheit und Freiheit statt vieler Gusy, VVDStRL 63 (2004), 151, 162 ff.; Müller-Franken, Die Polizei 2004, 345.

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Die herausgehobene Stellung des Staatszwecks der inneren Sicherheit wird zudem von den Theorien über die Entstehung von Staatlichkeit bestätigt. Sämtlichen der oben dargestellten Entstehungsszenarien lässt sich anschaulich entnehmen, welche besondere Bedeutung dem Sicherheitszweck in den Theorien von der Staatengründung zukam. Die Idee, dass die staatliche Organisationsform den besten Schutz vor den Gefahren für Leib und Leben des Einzelnen bietet, liegt der Vertragstheorie (Unions- und Herrschaftsvertrag als Schutz vor von Mitmenschen ausgehenden Gefahren) ebenso zugrunde wie der religiösen Theorie (civitas terrena als Herrschaftsordnung zur Aufrechterhaltung des Friedens unter den von Gott abgefallenen Menschen) oder der Patriarchaltheorie (Sippen als Schutz- und Ordnungsverbände). Die Sicherheit wird heute deswegen als der notwendige bzw. erste Staatszweck angesehen, weil er für den Staat schlechthin konstitutiv ist. 523 Ohne den Freiheitszweck kann es die Kategorie des bürgerlichen Rechtsstaates nicht geben; der soziale Rechtsstaat seinerseits setzt den Staatszweck der sozialen Sicherheit voraus. Nur der Staatszweck der Sicherheit legitimiert aber die Grundform des Staates und ist daher in sämtlichen weiteren Ausprägungen von Staatsformen enthalten. 524 Schutzzweck und Existenz des Staates stehen in einem „unabweisbaren Konnex“. 525 Sicherheit war Zweck des modernen Staates; sie bleibt es ebenso im freiheitlichen Verfassungsstaat der Gegenwart. Bei der Gewährleistung der Sicherheit lässt sich damit zutreffend von dem historisch evidenten, 526 fundamentalen 527, klassischen, 528 primären 529 bzw. zentralen 530 Zweck des Staates sprechen. Der Staatszweck der Sicherheit steht „am Anfang aller Legitimationsgründe“ 531 und weist damit eine unmittelbare Verbindung zum Begriff des Gemeinwohls auf.

523 Köck, in: FS Verdross, S. 89, 98 f.; der Sache nach ebneso Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 27, der jedoch in diesem Zusammenhang nicht den Begriff des Zwecks, sondern den der Aufgabe gebraucht; vgl. zur Sicherheit des Lebens als dem fundamentalen menschlichen Lebenszweck und grundlegenden Staatszweck Böckenförde, Der Staat als sittlicher Staat, S. 18. 524 Köck, in: FS Verdross, S. 89, 100; die Funktion der Sicherheit als Voraussetzung der Freiheit betonen etwa Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 42, 51; sowie Müller-Franken, Die Polizei 2004, 345. 525 Köck, in: FS Verdross, S. 89, 101. 526 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 199. 527 v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 22. 528 Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, S. 62. 529 Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 83. 530 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 21. 531 Kniesel, ZRP 1996, 482, 485.

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3. Staatsziele Der Begriff der Staatsaufgabe ist nicht nur von dem des Staatszwecks abzugrenzen. Staatliche Aufgaben weisen vielmehr auch eine Verbindung zu Staatszielen auf. Neben der Frage nach Begriff und rechtlicher Verbindlichkeit dieser Kategorie soll untersucht werden, aus welchen Regelungen des Grundgesetzes sich ein Staatsziel der inneren Sicherheit ergeben könnte. a) Begriff und Bedeutung der Kategorie des Staatsziels Staatsziele werden definiert als verfassungsrechtlich positivierte Ziele, die der Staatstätigkeit eine fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorschreiben. 532 Gelegentlich wird der Begriff jedoch auch weiter ausgedehnt und beschreibt „theoretisch begründete, politisch geforderte oder rechtlich positivierte Ziele, an denen sich das Staatshandeln ausrichten soll, wobei es nicht darauf ankommt, aus welcher Weltanschauung, politischer Theorie oder Problemlösungsstrategie heraus sie entwickelt wurden“. 533 Ein solch umfassendes Begriffsverständnis überzeugt jedoch nicht: Setzt man den ersten Teil dieser weiten Definition des Staatsziels mit dem hier vertretenen Verständnis des Staatszwecks als einer staatstheoretischen Kategorie 534 in Beziehung, so verschwimmt der Grenzbereich zwischen den beiden Begriffen. Sowohl für Staatszwecke als auch für Staatsziele wäre es danach ausreichend, wenn sich diese Kategorien staatstheoretisch begründen ließen. Eine zuverlässige Abgrenzung der beiden Begriffe kann aber nur anhand eines prägnanten Unterscheidungsmerkmals vorgenommen werden. Hierfür bietet es sich an, auf den Aspekt der rechtlichen Verbindlichkeit zurückzugreifen. 535 Staatszwecke enthalten als Kategorie der 532

Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 30; anders offenbar Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 76, der von einem programmatischen statt einem verpflichtenden Charakter spricht. Eine nähere Bestimmung des Begriffs findet sich in Art. 3 Abs. 3 der Verfassung von SachsenAnhalt v. 16. 7. 1992, GVBl. 1992, S. 600, wo es heißt: „Die nachfolgenden Staatsziele verpflichten das Land, sie nach Kräften anzustreben und sein Handeln danach auszurichten.“ Vgl. auch Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42; sowie Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 29. 533 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 479; ders., Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352. 534 Vgl. oben A. II. 1. 535 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 8. Wer hingegen nur darauf abstellt, wie abstrakt der jeweils von dem Staatszweck bzw. Staatsziel zum Ausdruck gebrachte Inhalt ist, kann in Grenzfällen eine hinreichend klare Abgrenzung nicht vornehmen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass auch Staatsziele sehr allgemeine Formulierungen enthalten können, die einer Umsetzung durch den Gesetzgeber bedürfen, so z. B. das soziale Staatsziel, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG. Eine Abgrenzung zu dem Staatszweck der sozialen Sicherheit, s. o., kann nicht gelingen, wenn man den jeweiligen

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Staatstheorie keine für den Staat zwingenden Vorgaben; Staatsziele hingegen stellen keine staatstheoretische, sondern – aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung – eine staatsrechtliche Kategorie dar. Richtlinien und Direktiven für staatliches Handeln müssen daher, um als Staatsziele Bindungswirkung entfalten zu können, in der Verfassung festgeschrieben sein. 536 Häufig ist neben oder an Stelle von Staatszielen auch von Staatszielbestimmungen die Rede. 537 Sie werden in Anlehnung an die in dem Bericht der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge“ von 1983 538 gegebene Definition beschrieben als Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreiben. 539 Diese Begriffsbestimmung macht deutlich, dass sich Staatsziele und Staatszielbestimmungen inhaltlich nicht voneinander unterscheiden. 540 Beide Begriffe können daher synonym gebraucht werden. 541

Abstraktionsgrad vergleicht. Viel deutlicher wird eine Unterscheidung der Kategorien indes dann, wenn man auf eine explizite oder implizite Verankerung in der Verfassung abstellt. Es liegt jedoch in der Konsequenz dieses formalen Abgrenzungskriteriums, dass in bestimmten Fällen inhaltlich vergleichbare Aussagen sowohl einem Staatsziel als auch einem Staatszweck zugeordnet werden können. Das in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG niedergelegte Sozialstaatsprinzip stellt ein (verbindliches) Staatsziel dar; geht es hingegen um Überlegungen zur Legitimation des sozialen Rechtsstaats der Gegenwart, ist der Staatszweck der sozialen Sicherheit angesprochen. 536 Ebenso im Ergebnis Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 29; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 8; Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 631. 537 So z. B. bei Herzog, in: FS Scholz, S. 219 ff.; Maunz, BayVBl. 1989, 545; Stern, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 5, 18; vgl. auch Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 630. Der Begriff stammt von H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 14. 538 Bundesminister des Inneren / Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge, S. 21; hierzu näher Maunz, BayVBl. 1989, 545. 539 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42; Brohm, JZ 1994, 213, 215 mit Fn. 16; Bull, NVwZ 1989, 801, 802; H. H. Klein, DVBl. 1991, 729, 733; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 35; Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 9; Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. III, S. 4449, 4450; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 350; kritisch zum Begriff der Staatszielbestimmung Scholz, in: FS Remmers, S. 89, 92 f. 540 A. A. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 479, 482. Diese abweichende Meinung lässt sich mit dem von Sommermann, a. a. O., S. 479; ders., Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352, verwendeten weiten Staatszielbegriff erklären. Erfasst man über diesen Begriff auch theoretisch begründete oder politisch geforderte Ziele, so ist es konsequent, wenn man sodann für Staatszielbestimmungen einengend fordert, es müsse sich hierbei um Verfassungsnormen handeln, vgl. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 482.

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Das Grundgesetz hält sich – anders als dies in der Weimarer Reichsverfassung der Fall war – 542 mit der Proklamation von Staatszielen zurück. 543 In der Weimarer Republik verstanden Rechtsprechung und Lehre einen Teil der umfangreichen Bestimmungen im zweiten Hauptteil der WRV „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“ nicht als subjektiv-öffentliche Rechte, sondern als unverbindliche Programmsätze, auf die sich der Einzelne nicht berufen konnte. 544 Das Grundgesetz entschied sich darauf hin für einen normativ gefestigten Grundrechtsteil, an dessen Spitze sogleich festgeschrieben wurde, dass es sich bei den Grundrechten nicht um bloße Verheißungen, sondern um „unmittelbar geltendes Recht“ handelt, Art. 1 Abs. 3 GG. Mit dieser verfassungsrechtlichen Entscheidung sollte möglichen Unklarheiten über Bindungswirkung und Charakter der Grundrechte vorgebeugt werden. 545 Die Festschreibung von Staatszielen, die dem Einzelnen 541

So verfahren etwa Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42, 44; Bull, NVwZ 1989, 801, 802; Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 18; Maunz, BayVBl. 1989, 545; Stern, in: Gesellschaft für Rechtspolitik Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1984, S. 5, 18. 542 Vgl. den zweiten Hauptteil der Weimarer Reichsverfassung („Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“, Art. 109 ff. WRV), der eine große Anzahl von Programmsätzen enthielt, so etwa in Art. 151 Abs. 1 S. 1 („Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen“); 155 Abs. 1 S. 1 („Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwacht, die Mißbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnund Wirtschaftsheimstätte zu sichern“); 162 („Das Reich tritt für eine zwischenstaatliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Arbeiter ein, die für die gesamte arbeitende Klasse der Menschheit ein allgemeines Mindestmaß der sozialen Rechte erstrebt“); 163 Abs. 2 („Jedem Deutschen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt“); 164 WRV („Der selbständige Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel ist in Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen“). Zum Ganzen näher Badura, ThürVBl. 1992, 73, 75; Müller-Bromley, Staatszielbestimmung Umweltschutz im Grundgesetz?, S. 36 f.; Brohm, JZ 1994, 213, 214 f.; Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 282. 543 Diese Zurückhaltung wird begrüßt von Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 72 f.; sowie Stern, FAZ Nr. 22 v. 26. 1. 1995, S. 8, die übereinstimmend vor einer „Staatszieleuphorie“ oder einer Überladung der Verfassung mit Themen der Tagespolitik warnen. 544 Es heißt daher bei Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, in der Vorbemerkung zum zweiten Hauptteil auf S. 514: „Vieles von dem, was in den Grundrechten steht, ist im Verhältnis zu dem durch die Überschrift dieses Hauptteils bezeichneten Begriff ein aliud: es sind Sätze, die weder den Deutschen noch sonst jemanden ein ‚Recht‘, d. h. ein subjektives Recht verleihen (...).“ Vgl. auch Frotscher / Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 497; Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 280 ff.; Müller-Bromley, Staatszielbestimmung Umweltschutz im Grundgesetz?, S. 36 f. 545 Badura, ThürVBl. 1992, 73, 75; vgl. auch Frotscher / Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 497.

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wegen ihres objektiv-rechtlichen Charakters keine subjektiven Ansprüche vermitteln können, wurde dagegen begrenzt. Diese Zurückhaltung ist gerade auch deswegen angezeigt, weil nur durch einen maßvollen Einsatz von Staatszielen die Übersichtlichkeit bei möglicherweise auftretenden Zielkonflikten gewährleistet und der demokratische Gesetzgeber dadurch in seiner Entscheidungsfreiheit und Reaktionsfähigkeit nicht unnötig eingeschränkt wird. 546 Je mehr Ziele in das Grundgesetz aufgenommen würden, desto größere Schwierigkeiten hätte der Staat, allen darin enthaltenen Vorgaben gerecht zu werden. Zu den sparsam gebrauchten Staatszielen des Grundgesetzes zählen nach überwiegender Ansicht die innere Sicherheit, 547 die Sozialstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG), 548 der Umwelt- und Tierschutz (Art. 20a GG), 549 die europäische Integration (Art. 23 Abs. 1 GG), 550 das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG) 551 sowie, bis zum Jahre 1990, die 546 Vgl. Brohm, JZ 1994, 213, 217; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 590; Merten, DÖV 1993, 368, 375 ff. 547 Die Frage, durch welche konkrete(n) Norm(en) das Staatsziel der inneren Sicherheit zum Ausdruck kommt, wird indes uneinheitlich beurteilt, vgl. zu den einzelnen Ansätzen Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 24; Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 30; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 82, sowie unten A. II. 3. c). 548 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42; Brohm, JZ 1994, 213, 215; Bull, NVwZ 1989, 801, 802; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 198; Herzog, in: FS Scholz, S. 219, 220 f. (älteste und umfassendste Staatszielbestimmung); Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 11; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, S. 103; Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlichdemokratischer Rechtsstaat, S. 65, 68 ff.; Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. III, S. 4449, 4450; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 20; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 348 f.; ders., Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2354. Limbach, in: FS Helmrich, S. 279 ff. Anders Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 9, der zwischen Staatszielbestimmungen und verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen differenziert. Das Sozialstaatsziel beziehe sich auf die Struktur und das Wesen der Bundesrepublik Deutschland und sei daher als verfassungsrechtliche Grundentscheidung zu verstehen. 549 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42, 44; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 198; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 11; Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 71 f.; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2354; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 79; vgl. auch BT-Drucks. 12/6000, S. 65 ff. sowie, zur Entstehungsgeschichte, Badura, ThürVBl. 1992, 73, 76 f. mit Fn. 22. 550 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 42; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 286 („Europaziel“); Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2354; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 78. 551 Brohm, JZ 1994, 213, 217; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 15, 25; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 348; ders., Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2354.

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deutsche Wiedervereinigung (Art. 23 S. 2 GG a. F.). 552 Daneben werden teilweise noch weitere Verfassungsvorschriften als Staatsziele qualifiziert. 553 Staatsziele sind Ausprägungen des Gemeinwohls; sie konkretisieren die Idee vom guten Zustand des Gemeinwesens und überführen einzelne Aspekte von der Ebene der Staatstheorie in den Bereich des geltenden Rechts. 554 Wegen ihres objektiv-rechtlichen Charakters sind Staatsziele vom Gesetzgeber zu beachten und stellen auch für die Exekutive und Judikative verpflichtende Abwägungs- und Auslegungsrichtlinien dar. 555 Der Staat wird auf das Erreichen eines bestimmten Zustandes verpflichtet; wie er dabei vorgehen will, bleibt ihm im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes überlassen. 556 Im Unterschied zu Grundrechten vermitteln Staatsziele, wie erwähnt, dem Bürger aber keine subjektivöffentlichen Rechte. 557 Der Einzelne kann sich daher nicht unmittelbar auf Staatsziele berufen, sondern ist, sofern hierfür überhaupt die Voraussetzungen vorliegen, auf die Möglichkeit einer inzidenten gerichtlichen Kontrolle beschränkt. 558 552 Isensee, ZParl 1990, 309; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 25; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 57 mit Fn. 6; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 78. Art. 23 GG a. F. wurde aufgehoben durch Art. 4 Nr. 2 i.V. m. Art. 3 des Einigungsvertrags v. 31. 8. 1990 i.V. m. Art. 1 des Gesetzes v. 23. 9. 1990, BGBl. II 1990, S. 885. 553 Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 10, nennt ferner die Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG), die Friedenspflicht (Art. 24 Abs. 2, 26 Abs. 1 GG) sowie die Gewährleistung einer Grundversorgung auf den Gebieten Eisenbahn, Post und Telekommunikation (Art. 87e Abs. 4, 87f Abs. 1 S. 1 GG). Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2354, ergänzt die Kulturstaatlichkeit (Art. 5 Abs. 3 GG), vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/6000, S. 80 und 82. Bei Uerpmann, in: Schuppert / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 179, 183, finden sich als Beispiele für Staatszielbestimmungen Art. 87e Abs. 4 sowie Art. 87f Abs. 1 GG. 554 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 2, 11; Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352. 555 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 10; Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. III, S. 4449, 4450. 556 Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 12. Zu den Grenzen des Gestaltungsspielraums durch auf die Staatsorganisation bezogene Staatsziele Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 26. 557 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 9; Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 12; exemplarisch für das Staatsziel des Umwelt- und Tierschutzes Scholz, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 32 ff. 558 Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 14; vgl. auch Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 78 f.; Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. III, S. 4449, 4450; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 447 f. Staatsziele können für den Einzelnen im subjektiven Rechtsschutzverfahren Bedeutung erlangen, weil die Gerichte zum einen das einfache Recht im Lichte der Verfassung – und damit auch der Staatsziele – auszulegen haben und zum anderen überprüfen müssen, ob die Verwaltung bei der Ausübung ihres Ermessens auf die Vorgaben der Staatsziele hinreichend Rücksicht genommen hat.

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b) Ansätze zur Systematisierung von Staatszielen Zur besseren Systematisierung der verschiedenen Staatsziele wird von Maurer vorgeschlagen, diese in drei Untergruppen einzuteilen. 559 Die erste Gruppe soll dabei alle Staatsziele erfassen, die der Umsetzung von politischen Forderungen dienen. In einer zweiten Gruppe werden alle Bestimmungen versammelt, die das soziale Staatsziel weiter ausgestalten. Schließlich sollen der dritten Gruppe jene Staatziele angehören, die der Begrenzung von schrankenlos gewährten Grundrechten dienen. Die von Maurer beschriebenen Gruppenmerkmale können eine klare Abgrenzung und Systematisierung der einzelnen Staatsziele aber nicht garantieren. So wird sich kaum bestreiten lassen, dass alle im Grundgesetz ursprünglich enthaltenen oder später eingefügten Staatsziele auf politischen Forderungen basieren, so dass sie sämtlich der ersten Gruppe zugeordnet werden müssten. 560 Sobald eine politische Idee von einer verfassungsändernden Mehrheit im Parlament unterstützt wird, kann sie unter den Voraussetzungen, die das Grundgesetz hierfür in Art. 79 GG aufstellt, als Staatsziel festgeschrieben werden. Aber auch die Kriterien der dritten Gruppe ermöglichen keine eindeutige Zuordnung sowie eine klare Abgrenzung der Staatsziele untereinander. So besteht die Funktion des von Maurer in die dritte Gruppe eingeordneten Staatsziels des Umwelt- und Tierschutzes nicht nur in der Beschränkung von anderen Grundrechten. Art. 20a GG soll darüber hinaus auch die politische Forderung nach mehr Verantwortung und einer umfassenden Schutzverpflichtung des Staates für kommende Generationen umsetzen. 561 Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass eine Systematisierung nach materiellen Kriterien keine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Staatsziele zueinander gewährleisten kann. Einen anderen Ansatz wählt Isensee und schlägt – neben weiteren Kriterien zur Typisierung – 562 vor, nach primären und sekundären Staatszielen zu unterscheiden. 563 Primäre Staatsziele wie etwa die innere Sicherheit und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen seien unmittelbar auf das gute Leben der Menschen gerichtet. Sekundäre Staatsziele sollen sich hingegen allein auf das Instrumentarium zur Verwirklichung des Gemeinwohls beziehen. Der Vorteil dieser Differenzierung liegt zum einen darin, dass sie eine Abstufung einzel559

Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rn. 11. Vgl. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 78; ferner auch Scholz, in: FS Remmers, S. 89, 93 f., der den „Trend zur Verkonstitutionalisierung bestimmter politischer Ziele“ kritisiert. 561 Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 583; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20a Rn. 23, 89. 562 Näher Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 25. 563 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 26. 560

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ner Staatsziele ermöglicht und damit eine Orientierungshilfe für den Fall bietet, dass einzelne Ziele gegeneinander abzuwägen sind. Zum anderen stellt eine solche Unterteilung einen Bezug zu den personellen, sachlichen, aber auch zu den finanziellen Mitteln her, die zur Wahrnehmung von Staatsaufgaben notwendig sind. Es wird dadurch etwa deutlich, dass für die Erfüllung von Staatszielen ein ausdifferenziertes staatliches Finanzsystem erforderlich ist. Auf diese Weise können sich Bedeutung und Qualität von staatlichen Zielvorgaben auch auf die Finanzierung und Erfüllung staatlicher Aufgaben auswirken. c) Das Staatsziel der inneren Sicherheit Die Gewährleistung der inneren Sicherheit wird von keiner Norm des Grundgesetzes ausdrücklich zum Ziel staatlichen Handelns erklärt, 564 gleichwohl ist sie als Staatsziel anerkannt. 565 Staatsziele müssen nicht explizit in einer Vorschrift des Grundgesetzes niedergelegt sein, sie können auch aus einer Gesamtschau von verschiedenen Verfassungsbestimmungen, insbesondere von Grundrechten, 566 gewonnen werden. 567 Diese Grundsätze finden auch auf den für ein Gemeinwesen so bedeutsamen Bereich der Gewährleistung von Sicherheit Anwendung. Die Vorschläge, die zur verfassungsrechtlichen Verankerung eines Staatsziels der inneren Sicherheit unterbreitet werden, sind vielfältig: Teilweise wird das Staatsziel Sicherheit allein aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Rechtsfriedens hergeleitet, 568 teilweise soll es sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und den grundrechtlichen Schutzpflichten kumulativ ergeben. 569 Daneben bestehen Überlegungen, die Gewährleistung des inneren Friedens mit einer Analogie zu Art. 19 564 Brugger, VVDStRL 63 (2004), 101, 129; ders., Freiheit und Sicherheit, S. 52; Limbach, AnwBl. 2002, 454. Forderungen nach der Festschreibung eines Staatsziels der Sicherheit bestanden jedoch verschiedentlich in der Vergangenheit, vgl. Alois Glück, Pressemitteilung des Bayerischen Landtags Nr. 205 v. 12. 11. 1991, vergriffen, zitiert nach Merten, DÖV 1993, 368, 369 mit Fn. 17. Auch Herzog, in: FS Scholz, S. 219, 224, regt an, einen Grundsatzartikel in das Grundgesetz einzuführen, der unter anderem als Ziel staatlicher Politik die Sicherheit der Bürger festschreibt. 565 BVerfGE 49, 24, 56 f.; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 2. Aufl., § 57 Rn. 46; ders., in: Isensee / F. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 56; H. H. Klein, DVBl. 1991, 729, 734; Limbach, AnwBl. 2002, 454 f.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 73 ff., 455; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 429; vgl. auch BVerwGE 49, 202, 209 (Sicherheit der Bevölkerung als unverzichtbarer Verfassungswert). 566 Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. III, S. 4449, 4450. 567 Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 30; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 76. 568 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 429. 569 Brugger, VVDStRL 63 (2004), 101, 130.

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Abs. 4 GG sowie mit den Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenzen, Art. 70 ff. GG, 570 verfassungsnormativ zu begründen. 571 Den genannten Normen und Prinzipien des Grundgesetzes lassen sich wichtige Anhaltspunkte für die Existenz des staatlichen Sicherheitsziels entnehmen. Sie bringen jedenfalls indirekt zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland als ein Rechtsstaat die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten hat. Die besondere Bedeutung des Staatsziels der Sicherheit kommt jedoch am besten zum Ausdruck, wenn man zu dessen Begründung auf die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten abstellt. 572 Die Grundrechte stellen danach nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat dar, sie verpflichten diesen vielmehr auch dazu, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte der Bürger zu stellen. 573 Eine Anknüpfung an die Schutzpflichtendimension der Grundrechte bietet sich deshalb an, weil grundrechtliche Schutzpflichten in ihrer Wirkungsweise mit Staatszielen vergleichbar sind: 574 Sowohl Schutzpflichten als auch Staatsziele sollen staatliches Handeln determinieren; zugleich kommt beiden Kategorien ein imperativer Charakter zu. Darüber hinaus weist das Staatsziel der inneren Sicherheit aber auch eine enge inhaltliche Verbindung zu dem Gedanken einer staatlichen Schutzverpflichtung auf. Der Schutz von Rechtsgütern des Einzelnen und die Sicherheitsgewährleistung durch den Staat sind untrennbar miteinander verbunden. Die Verpflichtung des Staates, die Rechtsgüter des Einzelnen bestmöglich zu schützen, verdichtet sich mit anderen Worten im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung zu dem Staatsziel der Sicherheit. Da die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten auch für die verfassungsrechtliche Verortung von Staatsaufgaben von Bedeutung ist, 570 Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für Teilbereiche (auch) der inneren Sicherheit sind enthalten etwa in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1, 9a, 10 GG. 571 Vgl. auch Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 30. Die Kompetenznormen der Art. 70 ff. GG betreffen indes eine Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil recht konkreter Tätigkeitsfelder. Würde man sie zur Begründung von Staatszielen nutzen, könnte eine starke Ausweitung der Staatsziele im Grundgesetz kaum mehr verhindert werden. Wie dargelegt, sollte eine „Inflation von Staatszielen“ gerade nach den Erfahrungen mit der Weimarer Reichsverfassung aber bewusst vermieden werden. Zudem haben Gesetzgebungskompetenzen einen weniger starken Verpflichtungscharakter wie Ziele, eröffnen sie doch gerade nur die Möglichkeit zum Tätigwerden. 572 Weitergehend Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 76, der neben dem genannten Aspekt noch die Verfassungsaussagen über das Rechtsstaatsprinzip, die Gemeinschaftsgüter sowie die Sorge für den inneren Frieden zur Begründung eines Staatsziels der Sicherheit heranziehen will. Vgl. zu den einzelnen Grundrechten, aus denen vom Bundesverfassungsgericht Schutzpflichten hergeleitet wurden etwa BVerfGE 55, 37, 54, 68 (Art. 5 Abs. 3 GG); 81, 242, 255 (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie zu Art. 2 Abs. 1 (i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), Abs. 2 GG bzw. Art. 1 Abs. 1 GG BVerfGE 39, 1, 42 ff.; 53, 30, 57; 79, 174, 201 f.; 88, 203, 251. 573 Umfassend hierzu Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111. 574 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 202; Lücke, AöR 107 (1982), 15, 32 f. Vgl. zur Wirkungsweise der grundrechtlichen Schutzpflichten auch unten B. II.

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wird auf sie im Rahmen der Ausführungen zu der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr zurückzukommen sein. 575 Es lässt sich damit festhalten, dass die staatliche Verantwortung für die Sicherheit der Bürger nicht lediglich eine staatstheoretische Dimension aufweist, sondern auch im Grundgesetz ihren Niederschlag gefunden hat. Die Gewährleistung der inneren Sicherheit lässt sich nach der hier vorgenommenen Kategorisierung daher nicht nur als Staatszweck, sondern zugleich auch als Staatsziel qualifizieren. 4. Das Verhältnis von Staatszweck, Staatsziel und Staatsaufgabe Staatszwecke, Staatsziele und Staatsaufgaben weisen gewisse Gemeinsamkeiten auf. Dies ergibt sich in terminologisch-formaler Hinsicht bereits daraus, dass alle Begriffe den Wortstamm „Staats-“ aufweisen. Aus dieser übereinstimmenden Struktur der zusammengesetzten Ausdrücke wird deutlich, dass die genannten Kategorien alle an den gleichen Adressaten gerichtet sind: den Staat. Ob diese Begriffe darüber hinaus aber inhaltlich in einem systematischen Verhältnis zueinander stehen, und inwieweit möglicherweise vorhandene Verbindungen für Aussagen über die geltende Rechtslage herangezogen werden können, bedarf der näheren Untersuchung. Das weitere Vorgehen lässt sich dabei in zwei Teilabschnitte untergliedern: 576 Zunächst soll eine Gesamtbetrachtung (a) vorgenommen werden, die die Begriffe des Staatszwecks, des Staatsziels sowie der Staatsaufgabe insgesamt in Bezug zueinander setzt. Hierbei wird darauf einzugehen sein, welche Auffassungen sich in der Literatur zu der „Begriffstrilogie“ Staatszwecke – Staatsziele – Staatsaufgaben herausgebildet haben. In einem zweiten Schritt (b) sollen jeweils zwei der genannten Kategorien miteinander verglichen und in Bezug zueinander gesetzt werden. Betroffen ist hierbei die Beziehung der Begriffe Zweck – Ziel, Ziel – Aufgabe sowie Zweck – Aufgabe. Die gefundenen Zwischenergebnisse sollen sodann zusammengeführt werden zu einer eigenen Aussage über das Gesamtverhältnis von Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben (c).

575

Dazu unten B. II. Vgl. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 29, der nicht nur zwischen Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben unterscheidet, sondern zusätzlich zwischen Staatszwecken, -zielen, -aufgaben sowie Staatszweck-, Staatszielund Staatsaufgabenbestimmungen differenziert. 576

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a) Gesamtbetrachtung. Die Beziehung von Staatszweck, Staatsziel und Staatsaufgabe Betrachtet man die Aussagen, welche die systematischen Beziehungen innerhalb des Gesamtkomplexes Staatszweck – Staatsziel – Staatsaufgabe in den Blick nehmen, so können in der Literatur zwei gegenläufige Standpunkte ausgemacht werden: Nach Ansicht von Hebeisen, 577 Richli 578 und Weiß 579 lässt sich ein systematisches Verhältnis zwischen den genannten Begriffen, welches eine Abstufung etwa nach dem Grad der rechtlichen Verbindlichkeit oder dem Abstraktionsgrad ermöglicht, nicht begründen. Es gebe keine Rangordnung zwischen den Begriffen, sodass auch keine Aussagen darüber möglich seien, welche Begriffspaare in einem Über- / Unterordnungsverhältnis zueinander stünden. 580 Da den Ausdrücken kein schlüssiges theoretisches Konzept zugrunde liege, könne ihr Verhältnis zueinander auch nicht mit einem bestimmten Begriff beschrieben werden. 581 Es handele sich vielmehr um verschiedene Schichten von staatsbezogenen Direktiven bzw. Programmsätzen, die aus unterschiedlichen geistesgeschichtlichen Kontexten entstanden seien. 582 Aufgrund der Inkompatibilität von Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben sei es daher nicht nur unfruchtbar, sondern auch unzutreffend, von einem schlüssigen theoretischen Konzept der staatlichen Handlungsfelder zu sprechen. 583 Dies gelte sowohl für den Versuch, eine Entwicklung vom Allgemeinen (Staatszweck) hin zum Besonderen (Staatsaufgabe) zu beschreiben, als auch für das teilweise gebrauchte Bild einer Kaskade, deren erste Stufe (Staatszweck) den höchsten Abstraktionsgrad besitze. 584 Demgegenüber vertreten Sommermann 585 und Wahl 586 die Ansicht, Staatszwecke, Staatsziele und Staatsaufgaben stünden in einem Verhältnis fortschreitender Konkretisierung zueinander. 587 Staatsziele seien weniger abstrakt als Staatszwecke, jedoch weniger konkret als Staatsaufgaben und würden daher vom Grad der 577 578

Rn. 4. 579

Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 22, 133 f. Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54

Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 81 f. Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 134; Richli, in: Thürer / Aubert / Mül-ler (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 4. 581 Richli, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, § 54 Rn. 4. 582 Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 134, 165. 583 Vgl. Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 22. 584 Vgl. Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 133 f. 585 Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352. 586 Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 30. 580

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Abstraktion eine Zwischenstellung einnehmen. 588 Die Höhe des Abstraktionsgrades lasse sich bildlich darstellen als der mehrstufige Bau einer Pyramide, an dessen Spitze sich die hochabstrakten Staatszwecke befänden. Bei dem Abstieg seien zunächst auf einem mittleren Abstraktionsgrad die Staatsziele zu passieren, bevor man die deutlich konkreteren Staatsaufgaben am Fuße des Bauwerks erreiche. 589 Diese Sichtweise werde bestätigt, wenn man die Struktur der schweizerischen Verfassung von 1999 590 (BV) betrachte und dabei auch deren Aussagen zu Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben berücksichtige. 591 Zu Beginn werde in Art. 2 BV festgelegt, was als Staatszweck anzusehen sei. Art. 41 BV enthalte auf einer mittleren Stufe der Konkretisierung Aussagen über die anzustrebenden Sozialziele und damit über besondere Ausprägungen der Kategorie des Staatsziels. Daran anschließend ließe sich Art. 42 und 43 BV entnehmen, worin die Aufgaben des Bundes und der Kantone bestünden. 592 Die Überlegung, bei dem Verhältnis von Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben handele es sich um eine Pyramide oder Kaskade, die zu Beginn mit den Staatszwecken den höchsten Abstraktionsgrad erreiche und auf dem Weg über die Staatsziele hin zu den Staatsaufgaben immer konkreter werde, kann indes nicht überzeugen. Dass ein alleiniges Abstellen auf das Merkmal der Abstraktheit für eine Differenzierung nicht geeignet ist, zeigt bereits ein Vergleich von Staatszwecken mit Staatszielen. Das Staatsziel Sicherheit 593 ist nicht weniger abstrakt als der Staatszweck Sicherheit; 594 es liegt jedoch auf einer höheren Stufe rechtlicher Verbindlichkeit. Ebenso ist das Sozialstaatsziel in hohem Maße konkretisierungsbedürftig und kann daher nicht zur näheren Beschreibung des Staatszwecks der sozialen Sicherheit herangezogen werden. Auch der Blick auf die schweizerische Verfassung kann diesen Befund nicht 587

Ähnlich auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 29, sowie Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 221 mit Fn. 738. Kritisch dazu Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 6 mit Fn. 20; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 16; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 62, 72; Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325, 343, die jeweils das Kriterium des Abstraktionsgrades für nicht allein maßgeblich halten bzw. dieses nicht auf den gesamten Komplex Staatszweck – Staatsziel – Staatsaufgabe anwenden wollen. Siehe dazu auch sogleich im Folgenden. 588 Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 30. 589 Vgl. Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 50 f. 590 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 18. 4. 1999, Amtliche Sammlung des Bundesrechts 1999, S. 2556. 591 Zu diesem Verweis Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352. 592 In diesem Sinne, wenngleich weniger detailliert, Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352. 593 Dazu bereits oben A. II. 3. c). 594 Oben A. II. 2. b) dd).

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entkräften. Die Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft geht von anderen als den hier zugrunde gelegten Kategorien aus, wenn sie die „Zwecke des Staates“ mit Art. 2 BV in den Rang von Verfassungsrecht erhebt. Der in der staatswissenschaftlichen Literatur ebenso wie in dieser Untersuchung zugrunde gelegte Begriff des Staatszwecks ist gerade nicht als Bestandteil der Verfassung anzusehen; es handelt sich vielmehr um eine Kategorie der Staatstheorie ohne rechtliche Verbindlichkeit. Die genannten Beispiele des Staatszwecks und -ziels der inneren und der sozialen Sicherheit machen zugleich aber auch deutlich, dass sich jedenfalls die beiden Kategorien des Staatszwecks und Staatsziels anhand des Merkmals der rechtlichen Verbindlichkeit unterscheiden lassen. Es erscheint daher als zu weitgehend, wenn man, wie dies von Hebeisen, Richli und Weiß gefordert wird, einen systematischen Bezug zwischen den Begriffen undifferenziert und ohne weitere Untersuchung ablehnt. Anhand welcher Kriterien sich das Verhältnis zwischen Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben beschreiben lässt, soll im Folgenden durch den Vergleich einzelner Begriffspaare untersucht werden. b) Einzelbetrachtungen. Das Verhältnis von Staatszweck und Staatsziel, Staatsziel und Staatsaufgabe sowie von Staatszweck und Staatsaufgabe Betrachtet man zunächst das Meinungsbild, welches sich zu dem Verhältnis von Staatszwecken zu Staatszielen herausgebildet hat, so überwiegt die Auffassung von einer nur sehr entfernten Beziehung der beiden Kategorien zueinander. 595 Die Vorstellung einer fortschreitenden Konkretisierung von den Staatszwecken hin zu den Zielen des Staates wird überwiegend abgelehnt. Da die systematische Verbindung zwischen Staatsrecht und der älteren Staatszwecklehre abgerissen sei, ließe sich ein Anknüpfungspunkt zwischen Staatszwecken und Staatszielen nicht mehr ausmachen. 596 Es müsse vielmehr klar getrennt werden zwischen der Frage nach der Rechtfertigung des Staates, die von der Staatszwecklehre gestellt werde, und der Frage nach den aktuellen Zielen, die im politischen Meinungsbildungsprozess festgelegt und dem Staat als verbindliches 595

S. 81.

Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325, 340 f.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben,

596 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 81. Unklar indes Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325, 341, 346, der eine Verbindung zwischen Staatszwecken und Staatszielen aus denselben Erwägungen heraus ablehnt, sodann aber in Bezug auf die Staatsziele bemerkt, sie befänden sich auf „einer mehr mittleren Ebene der Reflexion“, vgl. a. a. O., S. 343. Daraus folgt, dass es für Scheuner sowohl eine über den Staatszielen befindliche wie eine darunter liegende Ebene der Reflexion geben muss. Es bleibt dann aber offen, um welche Kategorie es sich bei der darüber liegenden Ebene der Reflexion handeln soll. Einiges spräche hier freilich dafür, dass die Kategorie des Staatszwecks gemeint ist.

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Ziel aufgegeben seien. 597 Was jedenfalls die absoluten Staatszwecke betreffe, so beziehe sich die Lehre von dem Zweck des Staates nicht auf ein bestimmtes Gemeinwesen in einem konkreten historischen Kontext. Das Staatsziel als rechtliche Kategorie hingegen könne nur in der Verfassung eines bestimmten Staates enthalten sein. 598 Anders als bei der Beziehung zwischen Staatszweck und Staatsziel stellt sich die vorherrschende Sichtweise dar, wenn man das Verhältnis von Staatsziel und Staatsaufgabe näher in den Blick nimmt. Die systematische Verknüpfung zwischen beiden Kategorien werde schon daraus deutlich, dass der Aufgabenbegriff zugleich die Hinordnung zu einem bestimmten Ziel erkennen lasse. 599 Der Begriff der Aufgabe leite damit über zu dem zu erreichenden Staatsziel; die Aufgabenerfüllung sei damit kein Selbstzweck, sondern Werkzeug zur Zielerreichung. 600 Staatsziele zeichneten ein verfassungsrechtliches Bild über die Gebiete staatlicher Tätigkeit und leisteten damit in allgemeiner Form einen Beitrag zu der Frage, was gegenwärtig als konkrete Staatsaufgabe anzusehen sei. 601 Gebe die Verfassung dem Staat auf, sich in einem bestimmten Bereich zu engagieren, so ließen sich mit Hilfe dieser Zielvorgabe häufig bereits Anhaltspunkte über den Charakter der staatlichen Aufgabenerfüllung entnehmen. 602 Ein weiterer Unterschied zwischen Staatszielen und Staatsaufgaben bestehe in dem Abstraktionsgrad der beiden Kategorien: Während Staatsziele nur relativ-abstrakt zu bestimmen seien, könnten Staatsaufgaben hingegen relativ-konkret beschrieben werden. 603 Aufgrund ihres höheren Konkretisierungsgrades seien Staatsaufgaben 597 Anders Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 67 f., der zwar auch zwischen den beiden Begriffen differenziert, ihnen letztlich aber andere Bedeutungen beimessen will: Staatsziele liegen bei Leisner in „einer gewissen Ferne“; sie könnten vom Staat nicht vollständig realisiert werden, so dass ihnen auch kein verpflichtender Charakter zukommen könne. Staatszwecke hingegen forderten den Staat, sie seien von ihm zu erfüllen. 598 Vgl. auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 81. 599 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44. 600 Baer, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11 Rn. 11; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44; dies wird auch deutlich, wenn man sich weitere Wortsinnbedeutungen des Aufgabenbegriffs wie etwa Obliegenheit oder Auftrag vergegenwärtigt, vgl. dazu zutreffend Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 26. 601 Vgl. Scheuner, in: FS Forsthoff, S. 325, 341, 343, 346; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 21; Matz, in: Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. I, S. 82, 83, betont dagegen stärker, dass Staatszielen eine wichtige Bedeutung für die Begründung von Staatsaufgaben zukomme. 602 Vgl. auch Saladin, Wozu noch Staaten?, S. 51, zu dem Vorgang des „Herausinterpretierens“ von Aufgaben aus Staatszielen. 603 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44 f.; vgl. ähnlich Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 30; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 295.

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damit „operationabler“ als Staatsziele. 604 Jedenfalls aber ließen sich Staatsaufgaben als Mittel dazu begreifen, einem relativ-abstrakt formulierten Staatsziel näher zu kommen. 605 Ähnlich wie zwischen Staatszielen und Staatsaufgaben wird im Schrifttum vielfach auch zwischen Staatszwecken und Staatsaufgaben eine Verbindung hergestellt. 606 Die Frage nach den Staatsaufgaben sei ein bedeutsamer Faktor auch bei den Überlegungen zu der Legitimation des Staates. Staatliche Rechtfertigung erwachse nicht allein aus dem Bekenntnis zu bestimmten Zielen, erforderlich sei vielmehr, dass die Aufgaben zum Erreichen des Ziels auch erfüllt würden. 607 Mit dem Staatszweck sei andererseits eine gedankliche Grenze der Staatsaufgabenerfüllung beschrieben. Eine Aufgabe könne nur in dem Umfang vom Staat sinnvoll wahrgenommen werden, wie er sich aus den Überlegungen zu Staatszweck und Subsidiaritätsprinzip ergebe. 608 Die Lehre von der Entstehung und Rechtfertigung des Staates trage dazu bei, dass sich ein grundsätzliches Verständnis auch zu den Fragen des Staatsrechts ausbilden könne. Dieses Vorverständnis präge sodann auch die Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Staates. 609 So könnten die Erkenntnisse über ein bestimmtes Selbstverständnis des Staates wichtige Aussagen über die Aufgabenerfüllung in einem Gemeinwesen ermöglichen. 610 Dies deshalb, weil sich die einzelnen Staatszweckkonzeptionen unterschiedlich auf den Umfang der staatlichen Betätigung und damit auch auf die Erfüllung von staatlichen Aufgaben auswirken könnten. 611 Solange die Existenz des Staates ausschließlich über den Sicherheitszweck legitimiert werde, korrespondiere damit 604

Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 286. Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 62. Ein anderes begriffliches Konzept entwickelt Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 365, der Staatsaufgabennormen in einem weiteren Sinne versteht und mit Staatszielbestimmungen gleichsetzt. 606 In diesem Sinne auch Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 6; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 72; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 13; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 82. Diese Verbindung geht aber freilich nicht so weit, dass die Begriffe kurzerhand gleichgesetzt werden könnten, wie dies von Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 75 mit Fn. 350, vorgeschlagen wird. 607 In Bezug auf die Verwirklichung des Gemeinwohls findet sich dieser Gedanke bei Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 13 f. 608 Herschel, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 221, 232. 609 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 6 mit Fn. 20. Vgl. schon v. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 22 f., der die Bedeutung der Fragen nach Grund, Zweck und Entstehung des Staates für die juristische Methode herausstellt, freilich ohne dabei auf die erst unter dem Grundgesetz bedeutsam gewordenen Kategorien des Staatsziels und der Staatsaufgabe einzugehen. Allg. zu der Bedeutung eines Vorverständnisses für den Verstehensprozess Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 272 f. 610 Hesse, Staatsaufgaben, S. 9. 611 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 82. 605

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eine im Wesentlichen auf die Gefahrenabwehr beschränkte Staatstätigkeit. 612 Auch dem Freiheitszweck hätte noch die Vorstellung einer viel begrenzteren Staatstätigkeit zugrunde gelegen als der Idee vom Staat als Garant der sozialen Sicherheit. Verdeutliche man sich schließlich die unterschiedliche Bedeutung der jeweiligen Staatszwecke für die Rechtfertigung von staatlicher Tätigkeit, könne die Staatszweckbetrachtung auch für die Unterscheidung zwischen den Begriffspaaren der ausschließlichen bzw. konkurrierenden sowie der obligatorischen bzw. fakultativen Staatsaufgaben von Bedeutung sein. 613 Je stärker eine Aufgabe mit einem staatlichen Kernzweck in Verbindung stehe, desto eher könne von einer ausschließlichen sowie obligatorischen Staatsaufgabe gesprochen werden. 614 c) Bewertung Jede Bemühung, das Verhältnis zwischen den einzelnen Kategorien des Staatszwecks und -ziels sowie der Staatsaufgabe zu bestimmen, kann nur gelingen, wenn zunächst Klarheit besteht über Bedeutung und Gehalt der gebrauchten Begriffe. Nicht selten werden diese Begriffe jedoch synonym gebraucht, 615 so dass Aussagen über das Verhältnis zu den jeweils anderen Kategorien erschwert werden. Die nachstehenden Ausführungen bauen daher auf den in dieser Untersuchung entwickelten Definitionen von Staatszweck, 616 Staatsziel 617 sowie Staatsaufgabe 618 auf. Wie soeben dargestellt, wird in der Literatur ein näherer systematischer Zusammenhang zwischen Staatszwecken und Staatszielen überwiegend abgelehnt, da es sich bei dem Staatszweck um eine staatstheoretische Kategorie handele, der Begriff des Staatsziels hingegen dem geltenden Recht entstamme. 619 612 Vgl. dazu bereits v. Frisch, in: Laband u. a. (Hrsg.), Handbuch der Politik, Bd. I, S. 46, 57 f. 613 Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 72. 614 Zu diesen Kategorien unten B. III. 2. 615 So z. B. im Hinblick auf Zwecke und Ziele des Staates Fleiner-Gerster, Allgemeine Staatslehre, S. 399, der als Staatsziel bezeichnet, was nach der hier gebrauchten Definition als Staatszweck anzusehen ist („In der Antike wurden Staatsziele [Hervorhebung durch den Verf.] im Hinblick auf den idealen, gerechten Staat formuliert.“); ähnlich auch Brugger, NJW 1989, 2425, 2427. Zu weiteren Beispielen Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 82 mit Fn. 194 und 195. Kritisch zu einer Gleichsetzung von Staatszwecken und Staatszielen etwa Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 6; vor einer Vermengung von Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben warnend Leisner, in: Rill (Hrsg.), Fünfzig Jahre freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat, S. 65, 66 f. 616 Oben A. II. 2. 617 Oben A. II. 3. a). 618 Oben A. I. 3. e).

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Richtig an dieser Überlegung ist zunächst, dass es sich bei der Allgemeinen Staatslehre bzw. dem Staatsrecht um zwei unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen handelt, 620 die mit Hilfe verschiedenen Quellenmaterials Erkenntnisse über den Staat zu gewinnen versuchen. Eine Aussage über den jeweiligen Abstraktionsgrad von Staatszwecken und -zielen ist damit indes noch nicht verbunden. Wer gleichfalls mit dieser Argumentation ein systematisches Verhältnis der beiden Begriffe zueinander verneint, der vergleicht nicht Kategorien, sondern wissenschaftliche Disziplinen miteinander. Richtigerweise kann sich eine Aussage über das Verhältnis von Staatszwecken und Staatszielen nur auf eine Gegenüberstellung der Begriffe und ihres jeweiligen Inhalts stützen: Betrachtet man exemplarisch zwei Staatsziele, die für den Staat mit hohen Ausgaben verbunden und daher bereits aus diesem Grund bedeutsam sind – die Gewährleistung physischer sowie sozialer Sicherheit – 621 und setzt sie zu den korrespondierenden Staatszwecken der inneren und sozialen Sicherheit in Bezug, so lässt sich ein unterschiedlicher Abstraktionsgrad der Begriffe nicht feststellen. 622 Beide Wortpaare beschreiben jeweils mit der physischen bzw. der sozialen Sicherheit in allgemeiner Weise einen weiten Bereich staatlicher Betätigung. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis unterscheiden sich die Begriffe des Staatszwecks und des Staatsziels aber in einem anderen Aspekt: dem Grad ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. Während Staatszwecke nicht Gegenstand des Verfassungstextes sind, enthalten die im Grundgesetz niedergelegten Staatsziele rechtlich verbindliche Vorgaben, an denen der Staat sein Handeln auszurichten hat. Die beiden Begriffe des Staatsziels und der Staatsaufgabe, dies ergibt sich bereits aus dem oben zusammengefassten Meinungsstand, werden überwiegend beschrieben als eine Abfolge unterschiedlicher Abstraktionsgrade. Das Staatsziel mache zunächst eine allgemeine, abstrakte Vorgabe, die durch die Erfüllung konkreter Aufgaben umgesetzt werde. Dass es sich hierbei um eine zutreffende Bewertung handelt, lässt sich anhand eines Beispiels nachweisen: Um das ihm aufgegebene Staatsziel der inneren Sicherheit zu erfüllen, obliegt dem Staat die Aufgabe der Gefahrenabwehr. 623 Der Bezug zum Realen, durch den sich das Kon619 Dass die Staatstheorie aber bei der Auslegung von abstrakten Staatszielen gewinnbringend eingesetzt werden kann, betont hingegen Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 410. 620 Vgl. dazu näher oben unter A. II. 1. 621 Bei Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte von ca. 597 Mrd. Euro im Jahr 2003 wurden ca. 182 Mrd. Euro für die soziale Sicherung und ca. 56 Mrd. Euro für die innere und äußere Sicherheit sowie den Rechtsschutz aufgewendet, vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2007, Übersicht 7, S. 372 –375. 622 Für die Werte Freiheit und Sicherheit ebenso Brugger, Freiheit und Sicherheit, S. 52 mit Fn. 211. 623 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 16.

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krete im Gegensatz zum Abstrakten auszeichnet, 624 lässt sich für den Begriff der Gefahrenabwehr terminologisch untermauern. Die öffentliche Sicherheit wird beschrieben als die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen eines Staates; sie verbleibt damit im Bereich des wenig Anschaulichen. Deutlich fassbarer erscheint dagegen der Begriff der Gefahrenabwehr als der präventiven Tätigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden. 625 Die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr weist per definitionem ein reales Moment und damit eine gegenüber dem Staatsziel der physischen Sicherheit höhere Konkretheit auf. Auch das Verhältnis von Staatszweck und Staatsaufgabe zeichnet sich dadurch aus, dass der Abstraktionsgrad vom Zweck des Staates hin zur Staatsaufgabe abnimmt. So wird der abstrakte Staatszweck der inneren Sicherheit erreicht durch konkrete Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Zudem unterscheiden sich Staatszwecke und Staatsaufgaben in dem Grad ihrer rechtlichen Verbindlichkeit: diese sind Bestandteil der Rechtsordnung, jene entstammen der Staatstheorie. Neben dem unterschiedlichen Abstraktionsgrad bzw. der verschieden stark ausgeprägten Rechtsverbindlichkeit lässt sich noch eine weitere Verbindung zwischen Staatszwecken und Staatsaufgaben herstellen: Die Staatszwecklehre ist geeignet, Aussagen über die Bedeutung und die Systematisierung einzelner Staatsaufgaben zu treffen. 626 So liegt es etwa nahe, bei der Erfüllung von klassischen Staatszwecken von einer höheren Wahrnehmungsverantwortlichkeit des Staates auszugehen wie etwa bei der Kulturförderung, bei der weder die physische Sicherheit noch die Freiheit oder die Sicherung eines sozialen Existenzminimums im Vordergrund stehen. Wenn darüber hinaus zur Beschreibung des Verhältnisses von Staatszwecken und Staatsaufgaben aber davon die Rede ist, dass Staatszwecke zugleich umfassend die staatliche Aufgabenwahrnehmung determinierten, 627 so kann dem nicht zugestimmt werden. Ginge man davon aus, dass sich alle Staatsaufgaben auf Staatszwecke zurückführen lassen müssten, so liefe dies auf die Einführung eines materiellen Staatsaufgabenbegriffes hinaus. Die Einwände gegen ein solches Verständnis staatlicher Aufgabenwahrnehmung wurden jedoch bereits dargelegt. 628 624 Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, S. 4, 85 ff.; zuvor bereits Kreibig, Die intellektuellen Funktionen, S. 34; zur Konkretisierung abstrakter Rechtsnormen durch das richterliche Urteil vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 242 f. 625 Zu beiden Begriffen Creifelds (Begr.), Rechtswörterbuch, S. 454 sowie S. 1045. 626 Vgl. etwa Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 72; ähnlich Matz, in: Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. I, S. 82, 83. 627 In diese Richtung Herschel, in: FS Nipperdey, Bd. II, S. 221, 232; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 85. 628 Vgl. Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, S. 32 ff.; sowie oben A. I. 3. d).

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Zusammenfassend lassen sich damit folgende Aussagen über die Beziehung zwischen Staatszwecken, Staatszielen und Staatsaufgaben treffen: Ein Verhältnis fortschreitender Konkretisierung, wie dies gelegentlich beschrieben wird, 629 existiert innerhalb des Gesamtkomplexes Staatszweck – Staatsziel – Staatsaufgabe nicht. Es sind vielmehr Fälle denkbar, in denen zwischen Staatszwecken und Staatszielen ein unterschiedlicher Abstraktionsgrad gerade nicht festzustellen ist. Hinsichtlich des Grades ihrer rechtlichen Verbindlichkeit unterschieden sich Staatszwecke von Staatszielen jedoch deutlich. Ein anderes Bild lässt sich für die Beziehungen zwischen Staatszweck und Staatsaufgabe sowie zwischen Staatsziel und Staatsaufgabe zeichnen. Am Beispiel „Sicherheit“ wurde gezeigt, dass sich der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr anschaulichere Aussagen entnehmen lassen als dem Begriff der Sicherheit als Staatszweck oder Staatsziel. Staatsaufgaben sind damit konkreter als Staatszwecke oder -ziele. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass Staatszwecke für die nähere Untersuchung von Staatsaufgaben fruchtbar gemacht werden können. Dem Verständnis der Staatsaufgaben auf der Ebene des Verfassungsrechts geht zwangsläufig ein Vorverständnis voraus, das auch – und gerade – durch die staatstheoretischen Aussagen über die Legitimation des Staates geprägt wird. 630

III. Das Verhältnis der Staatsaufgaben zu den Funktionen des Staates, Kompetenzen und Befugnissen Auch wenn das Verhältnis von Staatsaufgaben, Staatszielen und Staatszwecken nicht als eine Art „hierarchische Begriffskaskade“ 631 bezeichnet werden kann, bei der mit jeder Stufe der Abstraktionsgrad und die rechtliche Unverbindlichkeit ansteigen, so lässt sich zwischen den einzelnen Begriffspaaren, wie gezeigt, durchaus eine inhaltliche Beziehung herstellen. Mit den Kategorien der Funktion, Kompetenz und Befugnis sind weitere Facetten der Staatstätigkeit angesprochen. Ob sie jedoch eine so enge inhaltliche Beziehung zu der Kategorie der Staatsaufgabe aufweisen, wie dies bei Staatszwecken und Staatszielen der Fall ist, bedarf der näheren Untersuchung. 629 Vgl. Sommermann, Art. Staatszwecke, Staatsziele, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2348, 2352; Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 30; sowie die Nachweise bei Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 50 f. 630 Allgemein zur Bedeutung der Staatstheorie für das Verständnis der Verfassung Isensee, in: ders. / F. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 192; vgl. zur Bedeutung eines Vorverständnisses für die Verfassungsauslegung auch Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 236 f. 631 So die Vorstellung von Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 30.

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1. Funktionen des Staates Neben anderen Wissenschaftsdisziplinen, so insbesondere der Soziologie und der Politologie, beschäftigt sich auch die Rechtswissenschaft mit den Funktionen des Staates. 632 Sie werden definiert als die Erscheinungsformen und Bestandteile der Staatsgewalt 633 und lassen sich aufgliedern in Gesetzgebung, Regierung und Verwaltung sowie Rechtsprechung. Setzt man die Staatsfunktionen in das Verhältnis zu den Staatsaufgaben, so lassen sich Erstere beschreiben als die Mittel zum Vollzug der staatlichen Aufgaben. 634 Staatsaufgaben erledigen sich nicht von selbst, sondern müssen einem bestimmten Teil der Staatsgewalt überantwortet werden, damit dieser sie erfüllen kann. Die vorstehende Definition der Staatsfunktion entstammt dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum; das Grundgesetz selbst enthält keine unmittelbare Aussage über Begriff und Wesen dieser staatsrechtlichen Kategorie. Obwohl auf Verfassungsebene eine Legaldefinition fehlt, enthält das Grundgesetz in den Abschnitten VI bis IX eine Reihe von Vorschriften, die sich mit den Erscheinungsformen und Bestandteilen der Staatsgewalt und folglich auch mit den Staatsfunktionen beschäftigen. So betreffen die Art. 30, 70 ff. GG zunächst wichtige Aspekte der Gesetzgebung. Mit der Exekutive befassen sich die Vorschriften des Grundgesetzes sowohl im sechsten als auch im achten Abschnitt: Art. 62 ff. GG betreffen die Gubernative; die Administrative ist Gegenstand der Regelungen in den Art. 83 ff. GG. Schließlich enthalten die Art. 92 ff. GG Vorgaben über die rechtsprechende Gewalt. Den einzelnen Staatsgewalten (Legislative, Exekutive und Judikative) entsprechen dabei die klassischen Handlungsformen Gesetz, Verwaltungsakt und Urteil. 635

632

Zu den Ursprüngen des Begriffs sowie zu dessen soziologischer und politologischer Bedeutung Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 46. 633 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 23. 634 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 47; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 97. 635 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 24. Es handelt sich bei der Aufzählung um die häufigsten oder jedenfalls regelmäßig mit der jeweiligen Staatsgewalt assoziierten Handlungsformen. Dass die genannten Beispiele nicht abschließend sind, lässt sich an den weiteren Handlungsformen der Verwaltung dokumentieren: neben dem Verwaltungsakt handelt die Administrative in Form von öffentlich-rechtlichen Verträgen, Rechtsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften oder Realakten sowie in der Rechtsform des privaten Rechts. Zum Ganzen Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Kap. 2, S. 143 ff.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

2. Kompetenzen Kompetenznormen treffen eine Aussage darüber, welcher Teil der Staatsgewalt bzw. welches Verfassungsorgan zum Handeln berechtigt ist. 636 Zwar bilden Staatsaufgaben und Kompetenzen gemeinsam die Grundlage zulässiger Ausübung von Staatsgewalt; 637 die Frage nach der Kompetenz setzt das Bestehen einer Staatsaufgabe aber denknotwendig voraus. 638 Erst wenn feststeht, dass der Staat eine bestimmte Aufgabe im öffentlichen Interesse ausführen darf bzw. muss, kann die nachgeordnete Frage geklärt werden, welche Einheit innerhalb der staatlichen Organisation zum Handeln berufen ist. Es muss folglich in einem ersten Schritt die staatliche Aufgabe ermittelt werden, um in einem zweiten Schritt die Kompetenz zuweisen zu können. Innerhalb des Staatsgefüges kann diese Zuweisung dabei an Legislative, Exekutive oder Judikative auf Bundes- wie auf Landesebene erfolgen. Da eine Kompetenznorm das Verhältnis zwischen verschiedenen staatlichen Organen betrifft, kommt ihr lediglich „staatsorganisatorische Binnenrelevanz“ zu. 639 Während Aufgaben von der Gesellschaft oder dem Staat wahrgenommen werden können, sind Kompetenznormen nur für Teile der Staatsgewalt von Bedeutung. Kompetenzen stehen jedoch nicht völlig autark neben der Kategorie der Staatsaufgabe, da von der Kompetenz der Rückschluss auf die zugrunde liegende Staatsaufgabe zulässig ist. 640 Vergleicht man schließlich Aufgaben und Kompetenzen danach, welchen Grad der Verbindlichkeit sie für staatliches Handeln aufweisen, so lassen sich auch in diesem Bereich Unterschiede ausmachen. Während mit der Staatsaufgabe durchaus eine staatliche Handlungsverpflichtung verbunden sein kann, 641 ergibt sich aus der Kompetenznorm keine Pflicht des Staates, tätig zu werden: So muss der Staat besonders bedeutsame Aufgaben wie etwa die Abwehr von Gefahren für Leib 636

Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 19; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, S. 43; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 366. 637 Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 37. Zum einen ist der Staat nur dann legitimer Träger von Aufgaben, wenn er nach Maßgabe und in den Grenzen des Rechts auf sie zugreift, zum anderen kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit darauf an, dass der gesetzlich angeordnete Teil der Staatsgewalt handelt. 638 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 19; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 37. 639 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 20. 640 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 152; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 20; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 366. 641 Die Definition der Staatsaufgabe bringt ihren imperativen Charakter zum Ausdruck: So werden staatliche Aufgaben beschrieben als Handlungs- und Tätigkeitsbereiche, die dem Staat rechtsverbindlich zugeordnet sind oder von diesem nach Maßgabe des Rechts konkret wahrgenommen werden, vgl. oben A. I. 3. e).

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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und Leben seiner Bürger erfüllen, um seiner Verantwortung für ein hohes Maß an innerer Sicherheit nachzukommen. Dem Bürger kann aus Staatsaufgaben in Verbindung mit den Grundsätzen der Ermessenreduzierung auf Null sogar ein Anspruch auf staatliches Handeln erwachsen. Dies setzt zwar unter anderem voraus, dass es sich bei der die Aufgabe des Staates begründenden Norm um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers handelt. Gerade für den ersten Abschnitt des Grundgesetzes mit seinen grundrechtlichen Gewährleistungen trifft diese Voraussetzung jedoch in der Regel zu: 642 Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Nach den Vorgaben des Grundgesetzes muss die Staatsgewalt dort zum Schutz des Menschen tätig werden, wo dieser selbst nicht in der Lage ist, Angriffe auf seine Würde abzuwehren. Bei der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr handelt es sich danach um eine Staatsaufgabe mit imperativem Charakter. Aber auch die verfassungsrechtliche Entscheidung für die Sozialstaatlichkeit führt dazu, dass dort, wo der Bürger Anspruch auf staatliche Leistungen hat, die Grundrechte zum verpflichtenden Gegenstand staatlicher Aufgaben werden. 643 Eine solche Handlungspflicht des Staates kann sich aus Kompetenznormen indes nicht ergeben. 644 So regelt Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 GG zwar, dass dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung zukommt. Eine Pflicht zum Tätigwerden lässt sich hieraus aber nicht ableiten. 645 Der eigentliche Handlungsbefehl ergibt sich aus der Staatsaufgabe der Verteidigung, die neben der Verpflichtung zu den notwendigen Schutzeinsätzen der Bundeswehr in einem vorgelagerten Stadium dem Staat auch aufgibt, durch gesetzliche Regelungen die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte zu optimieren. 646 Auch Art. 72 GG, der als Kompetenznorm die grundlegenden Aussagen zu der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern enthält, ist nicht darauf angelegt, einen Handlungsbefehl für einzelne Teile der Staatsgewalt auszusprechen. So wird der Bund nach Art. 72 Abs. 1 GG gerade nicht dazu verpflichtet, seine Gesetzgebungskompetenzen aus642 Vgl. Badura, ThürVBl. 1992, 73, 77; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 155 ff.; zu der Entwicklung von Menschenrechten zu Staatsaufgaben aus europäischer Perspektive Denninger, in: Brunkhorst / Köhler / Lutz-Bachmann (Hrsg.), Recht auf Menschenrechte, S. 262 ff.; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 14. 643 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 159; vgl. auch Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 103 f.; zu Wirkung und Funktion der Grundrechte im Sozialstaat etwa Scheuner, DÖV 1971, 506 ff. 644 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 366. 645 F. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 84 Rn. 10. 646 Vgl. F. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 84 Rn. 12, zu den aus dem Verfassungsauftrag zur Verteidigung resultierenden Pflichten von Regierung und Parlament.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

zuüben, wenn es dort für den Fall mangelnder Initiative auf Bundesebene heißt: „Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“ Ebensowenig verpflichtet Art. 72 GG die Länder zur Gesetzgebung, wenn für bestimmte Materien in Abs. 3 S. 1 davon die Rede ist, dass die Länder durch Gesetz abweichende Regelungen treffen können, aber nicht müssen. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass Kompetenzen von den Aufgaben des Staates zu unterscheiden sind; ein synonymer Gebrauch der Begrifflichkeiten verbietet sich daher. 647 Während Staatsaufgaben häufig mit einer Pflicht zum Handeln verbunden sind, geben Kompetenznormen lediglich vor, welcher Teil des Staates für die Erfüllung einer bestimmten Maßnahme zuständig ist. Daraus folgt zugleich, dass Kompetenzen erst dann zugewiesen werden können, wenn feststeht, dass der Staat zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe berechtigt oder verpflichtet ist. 3. Befugnisse Der Begriff der Befugnis rückt schließlich in den Mittelpunkt staatlicher Aufgabenwahrnehmung, wenn Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Bereich des Bürgers in Rede stehen. 648 Obwohl auch die Verfassung mit Art. 33 Abs. 4 GG einen ersten Anhaltspunkt für die Frage enthält, was unter „hoheitsrechtlichen Befugnissen“ zu verstehen ist, findet eine umfangreiche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Befugnis und seiner Beziehung zu Kompetenzen und Aufgaben vornehmlich im Polizei- und Ordnungsrecht statt. 649 Befugnisnormen geben Aufschluss darüber, welche Mittel der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben benutzen darf. 650 Dabei stellt die Befugnis, ähnlich wie die Kompetenz, einen gegenüber der Aufgabe nachrangigen Begriff dar. Denn erst 647 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52; anders Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 65 mit Fn. 28. 648 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 21; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 147. 649 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 21. Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) i. d. F. v. 14. 1. 2005, GVBl. I 2005, S. 14, enthält im ersten Abschnitt des ersten Teils (§§ 1 ff.) Regelungen über Aufgaben und Kompetenzen der Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden. Der zweite Abschnitt des ersten Teils befasst sich mit den allgemeinen und besonderen Befugnissen (§§ 11 ff.). Der zweite Teil (§§ 81 ff.) schließlich trifft wiederum Aussagen zu Organisation und Zuständigkeit der handelnden staatlichen Stellen. 650 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 47; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 54; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 30 Rn. 147; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 37.

A. Staatsaufgaben im Verfassungsstaat

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wenn geklärt ist, ob der Staat eine Aufgabe wahrnehmen kann oder muss, wird die Frage bedeutsam, welche Befugnisse ihm dafür von den jeweiligen Gesetzen eingeräumt werden. Mit dieser Feststellung ist jedoch das Verhältnis der beiden Begriffe der Befugnis sowie der Kompetenz zueinander noch nicht hinreichend beschrieben. So zeichnen sich Befugnisnormen dadurch aus, dass von ihnen auf die Kompetenz der in Rede stehenden hoheitlichen Einrichtung geschlossen werden kann: Wenn durch Gesetz Befugnisse eingeräumt werden, so begründet dies zugleich auch die Kompetenz der mit der Befugnis ausgestatteten staatlichen Organisationseinheit. Dagegen kann umgekehrt der Kompetenznorm allein nicht die Befugnis des Staates zu Eingriffen in die Sphäre des Bürgers entnommen werden. Kompetenzund Befugnisnormen zeitigen somit unterschiedlich intensive Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Bürgers mit der Folge, dass die Befugnis zu Eingriffen wegen ihrer Grundrechtsrelevanz dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt. Auch müssen die Normen, die dem Staat die Befugnis zu Eingriffen in die Rechte des Einzelnen verleihen, erhöhten Anforderungen an ihre Bestimmtheit genügen. 651 4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Begriffe der Funktion, Kompetenz und Befugnis des Staates einen gewissen Bezug zu der Kategorie der Staatsaufgabe aufweisen. So lassen sich sowohl von Kompetenznormen wie von Befugnisnormen Rückschlüsse ziehen auf die vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine staatliche Aufgabe erfüllt wird. Die Befugnisnormen der Polizeigesetze, die bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen Eingriffe in die Sphäre des Bürgers erlauben, aber auch die insoweit relevanten Kompetenznormen, lassen vermuten, dass dem Staat die Gewährleistung der inneren Sicherheit als Aufgabe zugewiesen ist. Ebenso können auch die Staatsfunktionen die Ausführung staatlicher Aufgaben beschreiben. So wird etwa in den Art. 92 ff. GG deutlich, dass der Rechtsstaat Gerichte schaffen und unterhalten muss, um das von der Legislative geschaffene Recht durchsetzen zu können. Die Staatsaufgabe der Rechtsdurchsetzung wird damit funktionell durch Einrichtungen der Judikative wahrgenommen. Der Unterschied zu Staatszwecken und Staatszielen liegt jedoch darin, dass mit Funktionen, Kompetenzen und Befugnissen lediglich die Konsequenzen staatlicher Aufgabenerfüllung beschrieben werden. Sie betreffen die Frage, wie staatliche Aufgaben wahrzunehmen sind. Die vorgelagerte Frage, warum der Staat einzelne Aufgaben erfüllt, wird von ihnen nicht geklärt. Eine Antwort darauf geben vielmehr die Zwecke und Ziele des Staates. 651 Vgl. BVerfGE 59, 104, 114; 105, 135, 159; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 7 Rn. 37.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe Nachdem aufgezeigt wurde, was unter dem Begriff der Staatsaufgabe zu verstehen ist, welche Aufgabenträger überhaupt Staatsaufgaben wahrnehmen können und wie sich Staatsaufgaben zu der staatstheoretischen Kategorie des Staatszwecks und dem staatsrechtlichen Begriff des Staatsziels verhalten, soll im folgenden Teil der Untersuchung die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr näher beleuchtet werden. Um Aussagen über die Finanzierung dieser staatlichen Aufgabe treffen zu können, muss zunächst feststehen, was die staatliche Abwehr von Gefahren ausmacht und wie sie sich von anderen staatlichen Tätigkeitsfeldern, aber auch von dem gesellschaftlichen Engagement bei der Abwehr von Gefahren, unterscheidet. In einem ersten Schritt soll anhand des formellen Aufgabenbegriffs und des oben entwickelten Systems der Aufgabenträgerschaft geklärt werden, welche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren überhaupt als Staatsaufgaben zu qualifizieren sind. In einem zweiten Schritt wird zu untersuchen sein, ob sich die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr aus den bereits dargelegten staatstheoretischen und verfassungsnormativen Zwecken und Zielen des Staates herleiten lässt. Sollte das Grundgesetz selbst Vorgaben für die Verpflichtung des Staates zur Gefahrenabwehr enthalten, so käme der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Charakters eine besonders intensive Bindungswirkung zu. Schließlich soll eine Einordnung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr in die Kategorien der Staatsaufgabenlehre vorgenommen werden. Es ist hierbei insbesondere zu untersuchen, inwieweit sich die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr als Kernaufgabe bzw. Pflichtaufgabe des modernen Verfassungsstaates qualifizieren lässt.

I. Begriff und Umfang der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr Die weitere Untersuchung baut auf dem Begriff der Gefahrenabwehr auf. Aus diesem Grund soll zunächst dargelegt werden, welche Tätigkeiten als gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen qualifiziert werden können und welche Aufgabenträger aus Staat und Gesellschaft für die Erfüllung dieser Aufgabe in Betracht kommen. Angesprochen sind damit sowohl organisatorisch-formelle als auch materielle Aspekte des Gefahrenabwehrbegriffs. Sodann ist zu klären, wie anhand der gefundenen Ergebnisse ein für diese Arbeit fruchtbarer Begriff der Gefahrenabwehr als einer staatlichen Aufgabe entwickelt werden kann.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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1. Abwehr von Gefahren i.w. S. als Staatsaufgabe und öffentliche Aufgabe So vielfältig wie die dem Menschen und seinen Rechtsgütern drohenden Gefahren sind, sind die staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und Personen, die mit der Abwehr dieser Gefahren befasst sein können. Selbst wenn man sich begrifflich auf die Abwehr von Gefahren für die physische Sicherheit des Einzelnen beschränkt, und damit etwa die Gefahren und Bedrohungen für die soziale Sicherheit der Bürger unberücksichtigt lässt, wird sowohl ein staatlicher als auch ein privater Bereich der Gefahrenabwehr erkennbar. Die Abwehr von Gefahren durch Private tritt dabei neben die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr: Geht man von dem in dieser Untersuchung zugrunde gelegten formellen Staatsaufgabenbegriff aus, differenziert man folglich zwischen Staatsaufgabe und öffentlicher Aufgabe anhand des Kriteriums der Aufgabenträgerschaft, 652 so lassen sich bestimmte staatliche Aufgabenbereiche ausmachen, die zu der Gewährleistung von Sicherheit im Inland beitragen. Zu diesen Staatsaufgaben zählen die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, der Bundespolizei sowie der Polizeien der Länder, des Bundesnachrichtendienstes, des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter sowie der Bundeswehr bei Inlandseinsätzen. 653 Nach dem formellen Aufgabenbegriff lässt sich aber auch die Tätigkeit von Beliehenen zur Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit als eine staatliche Aufgabe qualifizieren. Auf der privaten bzw. gesellschaftlichen Seite wird die Sicherheit im Inneren als eine öffentliche Aufgabe gewährleistet durch Unternehmen oder Einzelpersonen, die sich etwa auf die Bereiche Objekt-, Personen- und Transportschutz spezialisiert haben, ohne dabei als Beliehene aufzutreten. 654 Daneben sind Einsätze von natürlichen Personen sowie juristischen Personen des privaten Rechts geläufig bei Großveranstaltungen wie Fußball-Bundesligaspielen oder Popkonzerten. 655 Die Tatsache, dass die Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht tätig werden, schließt das öffentliche Interesse an dieser Form von Sicherheitsgewährleistung nicht aus. Wo private Unternehmen zur Abwehr von Gefahren tätig werden, erfüllen sie regelmäßig öffentliche Aufgaben. 652

Vgl. oben A. I. 3. e). Vgl. dazu Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 31 ff. 654 Weitere Beispiele bei Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 41 ff.; ders., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 16 Rn. 36 ff.; Heckmann, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Ergänzungsband, S. 252 f., auch zu den damit einhergehenden Problemen; vgl. zu privaten Sicherheitsdiensten ferner Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 160 ff.; Stober, NJW 2008, 2301, 2303 f.; sowie, zu Sicherheitspartnerschaften zwischen dem Staat und Privaten, die Beiträge in dem Sammelband von Stober (Hrsg.), Public-Private-Partnerships und Sicherheitspartnerschaften. 655 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 124 ff. 653

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Die Gefahrenabwehr in diesem weiten Sinne kann damit sowohl als staatliche als auch als öffentliche Aufgabe qualifiziert werden. Für die vorliegende Untersuchung, deren Zielsetzung es ist, Vorgaben für die Finanzierung der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr zu entwickeln, eignet sich ein derart weit verstandener Gefahrenabwehrbegriff jedoch nicht: Der Begriff der Gefahrenabwehr ist hier vielmehr dahingehend einzuschränken, dass nur solche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren erfasst werden, die von staatlichen Aufgabenträgern wahrgenommen werden. 2. Gefahrenabwehr i. e. S. als Regelungsgegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts Gefahrenabwehr wird nach der Legaldefinition der Polizeigesetze bzw. der Gesetze über die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Länder bezeichnet als die Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden (Sicherheitsbehörden), Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch geeignete Maßnahmen abzuwehren. 656 In organisatorischer Hinsicht können nach diesem Verständnis Aufgaben der Gefahrenabwehr nur von den hierzu berufenen staatlichen Einrichtungen wahrgenommen werden; der Kreis der Aufgabenträger ist auf die staatliche Sphäre beschränkt. Wichtige Gefahrenabwehrbehörden auf Bundesebene sind die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt. 657 Auf Landesebene zählen hierzu die Gefahrenabwehr- bzw. Ordnungs- und / oder 658 Polizeibehörden. 659 Bei Beliehenen handelt es sich zwar nicht um Stellen der unmittelbaren Staatsverwaltung, 656 Vgl. z. B. § 3 Nr. 5 SOG LSA (Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt v. 23. 9. 2003, GVBl. 2003, S. 214); § 1 Abs. 1 S. 1 HSOG. Die Terminologie ist hinsichtlich der Behördenbezeichnung (vgl. z. B. § 1 Abs. 1 S. 1 HSOG: Gefahrenabwehrbehörden und Polizeibehörden; § 3 Nr. 5 SOG LSA: Sicherheitsbehörden und Polizei) sowie des Rechtsguts (vgl. z. B. § 1 Abs. 1 S. 1 HSOG, § 3 Nr. 3a SOG LSA: öffentliche Sicherheit und Ordnung; § 1 Abs. 1 S. 1 PolG NRW [Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen v. 25. 7. 2003, GV.NRW. 2003, S. 441]: öffentliche Sicherheit) uneinheitlich. Vgl. zu der Geschichte staatlicher Gefahrenabwehr etwa Frotscher, DVBl. 1976, 695 ff.; zu der Ergänzung der klassischen Gefahrenabwehr durch den Gedanken der Gefahrenvorsorge Heckmann, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches RechtsLexikon, Ergänzungsband, S. 169 f. 657 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 16 Rn. 19 ff.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 42 ff.; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 78 ff. 658 In Baden-Württemberg, Bremen, Sachsen sowie dem Saarland gilt das sog. Prinzip der Einheitlichkeit der Gefahrenabwehr, wonach alle Aufgaben der Gefahrenabwehr von den Polizeibehörden (Vollzugspolizei / Verwaltungspolizei) wahrgenommen werden, vgl. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55, 70; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 17 Rn. 1. In den übrigen Bundesländern besteht in Angelegenheiten der Gefahrenabwehr eine Differenzierung zwischen Polizeibehörden und Ordnungsbehörden

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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sie erfüllen jedoch den funktionalen Behördenbegriff, der auch dem VwVfG zugrunde liegt, 660 und können daher ebenfalls als Behörde bei der Abwehr von Gefahren tätig werden. Diese Begrenzung von Gefahrenabwehrmaßnahmen in personell-organisatorischer Hinsicht soll für die vorliegende Untersuchung, in der die Finanzierung der staatlichen Gefahrenabwehr in Rede steht, übernommen werden. Private Akteure tragen zwar im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Abwehr von Gefahren bei; es ist ihnen jedoch verwehrt, von dem in dieser Arbeit im Fokus stehenden abgabenrechtlichen Instrumentarium der Gebühr Gebrauch zu machen. Der sachliche Umfang der Gefahrenabwehr i. S. d. Polizeigesetze erstreckt sich auf die beiden Schutzgüter der polizeilichen Gefahrenabwehr, die öffentliche Sicherheit sowie die öffentliche Ordnung. Die öffentliche Sicherheit wird von einigen Landespolizeigesetzen legaldefiniert und umfasst danach „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt“. 661 Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit deckt sich damit mit dem staatsrechtlichen Begriff der inneren Sicherheit. 662 Auch in den Ländern, in denen eine polizeirechtliche Legaldefiniton nicht existiert, wird der Begriff der öffentlichen Sicherheit in dem soeben dargelegten Sinne verstanden. 663 Das zweite Schutzgut der polizeilichen Gefahrenabwehr, die öffentliche Ordnung, umfasst alle ungeschriebenen Normen, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens angesehen wird. 664 bzw. Sicherheitsbehörden (sog. Trennsystem), vgl. näher dazu wiederum Gusy, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 56 f. 659 Zu der unterschiedlichen Terminologie sowie den landesspezifischen Besonderheiten im Verwaltungsaufbau vgl. etwa Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 20 Rn. 1 ff., insb. Rn. 6. 660 Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 256 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 90 Rn. 54. 661 Vgl. § 3 Nr. 1 SOG LSA; § 2 Nr. 2 BremPolG (Bremisches Polizeigesetz v. 6. 12. 2001, Brem.GBl. 2001, S. 441); § 54 Nr. 1 ThürOBG (Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz – v. 18. 6. 1993, GVBl. 1993, S. 323). 662 Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 1, 4; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 127; a. A. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 23, wonach der staatsrechtliche Begriff der inneren Sicherheit nur die Individualrechtsgüter erfassen soll. 663 Vgl. z. B. Kramer, Hessisches Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 79; sowie allgemein Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 3. 664 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 96; vgl. auch BVerfGE 69, 315, 352; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 1. Die verbliebenen Anwendungsfälle dieses Schutzguts sind aufgrund der umfassenden Normierung aller wichtigen Lebensbereiche gering; dort, wo die öffentliche Ordnung noch im Gesetzestext erwähnt wird, wer-

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Für die hier bedeutsame Frage, durch welche Abgabenform die Gewährleistung von Sicherheit durch den Staat für den Bürger finanziert werden soll, steht freilich der Bereich des Individualrechtsgüterschutzes im Mittelpunkt der Untersuchung. Denn gerade dieser Bereich zeichnet sich dadurch aus, dass gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen des Staates dem Einzelnen zugutekommen und sich als eine Leistung an ihn darstellen können. An diesen zugewandten Vorteil, etwa den Schutz des Rechtsguts der Gesundheit, wird sodann von Seiten des Gebührengesetzgebers häufig angeknüpft, um die jeweils entstandenen Kosten zu kompensieren. 665 Der vorliegenden Untersuchung ist daher ein Begriff der Gefahrenabwehr zugrunde zu legen, der sich in organisatorischer und sachlicher Hinsicht wie folgt beschreiben lässt: Überall dort, wo Maßnahmen der Gefahrenabwehr von Bundes- oder Landesbehörden, aber auch von sonstigen Stellen innerhalb der staatlichen Sphäre durchgeführt werden, lässt sich von der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr sprechen. Sie umfasst ihrem Inhalt nach alle Tätigkeiten, die zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, wobei dem Schutz von Individualrechtsgütern besondere Bedeutung zukommt.

II. Herleitung der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr Ebenso wie das Staatsziel der inneren Sicherheit wird auch die „Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr“ im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt. 666 Soll den verschiedene Argumente für eine Streichung erhoben, vgl. dazu näher Gusy, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 99; tendenziell andere Bewertung bei Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 410: „deutliche Renaissance“ des Begriffs der öffentlichen Ordnung. 665 Im Gefahrenabwehrrecht ist zudem denkbar, die Erhebung von Vorzugslasten darauf zu stützen, dass die entstandenen Kosten der Polizei von dem Betroffenen verursacht wurden. Werden etwa Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs bei Haus- und Grundstücksbesetzungen auf den Verantwortlichen übergewälzt, so sind häufig auch die beiden weiteren Schutzgüter der polizeilichen Gefahrenabwehr, die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung sowie der Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen, betroffen. 666 Im Grundgesetz wird der Begriff der Gefahrenabwehr nur von Art. 13 Abs. 5 S. 2 GG gebraucht; von der „Abwehr von Gefahren“ ist ausschließlich in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG die Rede. Beide Normen dienen jedoch nicht dazu, eine neue Staatsaufgabe zu begründen bzw. die Sicherheitsverantwortung des Staates verfassungsrechtlich zu untermauern. Dafür hätte der Wortlaut anders gefasst werden müssen (etwa: „Es ist die Aufgabe des Staates, durch die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit im Bundesgebiet Sorge zu tragen“). Art. 13 Abs. 5 S. 2 GG sowie Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG setzen das Bestehen einer Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr vielmehr voraus, indem sie die Verwertung von durch Überwachung von Wohnungen erlangten Materials nur zum Zwecke der Gefahren-

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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die Verpflichtung des Staates, sich schützend und fördernd für die Sicherheit seiner Bürger einzusetzen, jedoch auch eine solche des Verfassungsrechts sein, dem Staat und seinen Einrichtungen mithin verbindliche Vorgaben machen können, so muss es sich hierbei um einen Bestandteil des Grundgesetzes handeln. 667 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 668 wie in der Literatur 669 herrscht überwiegend die Auffassung vor, die Aufgabe des Staates, für die Sicherheit der grundrechtsbewehrten Rechtsgüter der Bürger Sorge zu tragen, lasse sich mit der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten begründen. 670 Mitunter wird eine Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr dabei aus den einzelnen grundrechtlichen Schranken und Begrenzungen entnommen. 671 Jeder Grundrechtsartikel, der bei einer Bedrohung für den inneren Frieden die Rechte des Einzelnen einschränke, soll nach dieser Betrachtungsweise zugleich die staatliche Verpflichtung enthalten, zur Abwehr der drohenden Gefahren tätig zu werden. Nach Ansicht des überwiegenden Teils der Literatur sowie der Rechtsprechung ergibt sich die staatliche Aufgabe der Abwehr von Gefahren hingegen nicht aus einzelnen Grundrechtsbestimmungen, sondern aus einer Gesamtschau der im ersten Abschnitt des Grundgesetzes enthaltenen Regelungen. abwehr zulassen bzw. dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus zuweisen. Nichts anderes gilt für Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, wonach dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Schutz gegen Gefahren zukommt, die bei dem Freiwerden von Kernenergie entstehen. Auch diese Norm geht bereits von der Existenz staatlicher Schutzpflichten für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit aus und weist lediglich einer staatlichen Ebene die Kompetenz zu, auf diesem Gebiet das Nähere gesetzlich zu regeln. 667 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 26. 668 Vgl. in diesem Sinne BVerfGE 39, 1, 41 ff.; 46, 160, 164; 49, 89, 141 f.; 53, 30, 57 f.; 77, 170, 214; 81, 310, 339; 115, 118, 152; 115, 320, 346; st. Rspr. 669 Vgl. Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 22; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 146 f.; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33 f.; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 84; E. Klein, NJW 1989, 1633 ff.; Stoll, Sicherheit als Aufgabe von Staat und Gesellschaft, S. 3 f.; Wahl, in: Merten / Papier (Hrsg.), HGR, Bd. I, § 19 Rn. 6 f.; siehe auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 413; Brugger, VVDStRL 63 (2004), 101, 130; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 190; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 187, 232 f.; Schuppert, in: ders. / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 19, 31; Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 46 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, passim. 670 Vgl. zum Begriff der Schutzpflichten Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 46 f. Zu den Rechtsquellen für Staatsaufgaben insgesamt Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 34 ff. 671 Vgl. Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 56, wonach die Staatsaufgabe „Schutz der inneren Sicherheit“ in Art. 8 Abs. 1 GG („friedlich“), Art. 9 Abs. 2 GG (Verbot von Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten), Art. 11 Abs. 2 GG (Abwehr von drohenden Gefahren für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung von Bund / Ländern) sowie Art. 13 Abs. 3 GG (Verfolgung von Straftaten) zum Ausdruck komme; vgl. auch unten B. II. 3. b) cc).

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

1. Grundrechtliche Schutzpflichten und ihre Bedeutung für die Staatsaufgabenlehre Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates erfasst eine Vielzahl von Problemfeldern, die zum Teil kontrovers diskutiert werden. So bestehen nicht nur unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die dogmatische Herleitung der Schutzpflichten; unklar ist darüber hinaus etwa auch, ob mit der grundrechtlichen Schutzpflicht zugleich ein dem Bürger zustehendes subjektives Recht auf Schutz verbunden ist. 672 Weitere Problemfelder betreffen etwa die Voraussetzungen für das Bestehen einer staatlichen Schutzpflicht sowie Umfang und Reichweite dieses an den Staat gerichteten Auftrags. 673 Schließlich kann das Verhältnis der grundrechtlichen Schutzpflichten zu der sog. Lehre von der „Drittwirkung der Grundrechte“ in den Blick genommen werden. 674 Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Frage nach der Bedeutung der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr für deren Finanzierung. Normative Impulse, die den einfachen (Gebühren-)Gesetzgeber binden, können von dieser Aufgabe jedoch nur dann ausgehen, wenn sie im Rang von Verfassungsrecht steht. Im Folgenden wird daher der Frage nachzugehen sein, ob der staatliche Schutzauftrag in bestimmten Vorgaben des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt. Eine dogmatisch stringente Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gefahrenabwehraufgabe muss dabei zwischen zwei verschiedenen Ebenen differenzieren: Es wird zunächst auf einer ersten Stufe zu klären sein, wie sich das Verhältnis der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr zu den grundrechtlichen Schutzpflichten beschreiben lässt. Sollte sich eine Verbindung feststellen lassen, so muss auf einer zweiten Stufe untersucht werden, ob sich die grundrechtlichen Schutzpflichten ihrerseits unmittelbar aus dem geltenden Verfassungsrecht herleiten lassen. Nur wenn eine Verbindung sowohl zwischen der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr und den grundrechtlichen Schutzpflichten als auch zwischen den grundrechtlichen Schutzpflichten und dem Grundgesetz her672 Zu dieser Frage etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 411 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1633, 1636 f.; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489, 493 f.; Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 310 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 58 ff. 673 Hierzu E. Klein, NJW 1989, 1633, 1637 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 74 ff. sowie S. 79 ff. 674 Vgl. auch Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 134 f.; E. Klein, NJW 1989, 1633, 1639 f.; Müller-Franken, in: FS Bethge, S. 223, 243; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 201 ff.; Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 66 ff.; Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 248 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 66 ff., insb. S. 71 ff. Teilweise werden die Gedanken zu den grundrechtlichen Schutzpflichten sowie zur Drittwirkung von Grundrechten auch verschmolzen bzw. zusammengeführt, vgl. etwa BVerfGE 103, 89, 100.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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gestellt werden kann, lässt sich die verfassungsnormative Verbindlichkeit einer Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr belegen. 2. Die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten für die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr Die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr beschreibt den staatlichen Auftrag, Gefahren für die Rechtsgüter des Einzelnen abzuwehren. Es ist, wie erwähnt, in Rechtsprechung und Literatur mittlerweile 675 ganz überwiegend anerkannt, dass der staatliche Schutzauftrag für diese Rechtsgüter aus den bestehenden grundrechtlichen Schutzpflichten abgeleitet werden kann. 676 Ein solches Verständnis erkennt neben der abwehrrechtlichen Dimension auch einen an den Staat gerichteten positiven Förderungsauftrag der Grundrechte an. Dieser ergebe sich aus der Gesamtheit der im ersten Abschnitt des Grundgesetzes gewährleisteten Rechtsgüter. 677 Nach einem anderen Konzept soll die staatliche Verpflichtung zur Abwehr von Gefahren bereits in einzelnen Grundrechten enthalten sein. 678 Die Begrenzung in Art. 8 Abs. 1 GG auf friedliche Versammlungen ohne Waffen sowie die Einschränkungen der Grundrechte in Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 11 Abs. 1 GG und 675 In den Anfangsjahren des Grundgesetzes war die Rechtsfigur der grundrechtlichen Schutzpflicht nicht geläufig; auch zuvor im Parlamentarischen Rat stand die ausdrückliche Garantie von grundrechtlichen Schutzpflichten nicht zur Diskussion, vgl. m. N. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 23. 676 BVerfGE 39, 1, 41 ff.; 46, 160, 164; 49, 89, 141 f.; 53, 30, 57 f.; 77, 170, 214; 81, 310, 339; 115, 118, 152; 115, 320, 346; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 146 f., 148 ff.; Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 31; Kniesel, ZRP 1996, 482, 486 f.; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 103 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 64; Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 24 (in Bezug auf das Staatsziel Sicherheit); vgl. auch allgemein zum Verhältnis von Staatsaufgaben und Grundrechten Badura, Staatsrecht, Kap. C Rn. 22; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 155 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 177; Häberle, AöR 111 (1986), 595, 602 f., 605; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 420 f.; Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 424 ff.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 113 ff., 147 ff.; kritisch Hebeisen, Staatszweck, Staatsziele, Staatsaufgaben, S. 33; Wahl, in: Ellwein / Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften, S. 29, 44. 677 Vgl. Jarass, AöR 110 (1985), 363, 378 f.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 25. Zu den Grundrechtsfunktionen allgemein etwa Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rn. 75 ff., zur Schutzfunktion insb. Rn. 101 ff. 678 Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 56. Zu weiteren Begründungsansätzen, die auf Normen außerhalb des Grundrechtsabschnitts rekurrieren, vgl. Herzog, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 72 Rn. 30. Allgemein zu einzelgrundrechtlichen Schutzpflichten Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 103 ff. m.w. N.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Art. 13 Abs. 1 GG würden unmittelbar zum Ausdruck bringen, dass der Staat zur Gewährleistung von Sicherheit verpflichtet sei. 679 Vordergründig mag für dieses Konzept zwar sprechen, dass es im Vergleich zu der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten mit einem geringeren Begründungsaufwand auskommt, wenn es um die Verankerung des staatlichen Auftrags zur Gefahrenabwehr im Grundgesetz geht. So kann eine Argumentation, die auf den Wortlaut einer Norm verweist, für sich in Anspruch nehmen, dass das Gesetz selbst eine Aussage zu einer bestimmten Materie trifft. 680 Problematisch ist jedoch, dass die genannten Grundrechte gerade nicht zu dem Kernbereich gehören, der von der Pflicht des Staates zum Schutz von Leib und Leben vor Angriffen Dritter regelmäßig betroffen ist. Das Staatsziel der physischen Sicherheit wird umgesetzt durch die staatliche Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen. An diese Gewährleistungen ist primär zu denken, wenn es um die elementare Sicherheit der Bürger geht. Zunächst wird der Einzelne auf den Schutz vor Angriffen auf Leib und Leben bedacht sein, allenfalls in einem zweiten Schritt dürften die Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung eine Rolle spielen. Die Herleitung einer staatlichen Schutzpflicht für Leib und Leben aus den genannten Grundrechten trägt dazu bei, dass ein verzerrtes Bild grundrechtlicher Schutzgüter entsteht, wenn es um die Abwehr von Gefahren durch den Staat geht. Als Folge davon könnten Missverständnisse auftreten über Umfang und Reichweite der staatlichen Schutzverpflichtungen. 681 Darüber hinaus ist dieser Ansicht vorzuwerfen, dass sie die Verpflichtung zu staatlicher Gefahrenabwehr letztlich aus den Begrenzungen und Schrankenbestimmungen einzelner Grundrechte konstruieren muss. Die Funktion von Grundrechtsschranken besteht aber darin, den Eingriff in die Schutzbereiche der betroffenen Grundrechte durch den Gesetzgeber zu legitimieren; sie enthalten nicht oder jedenfalls nicht primär einen staatsgerichteten Auftrag, die von den Schrankenbestimmungen angesprochenen Rechtsgüter zu schützen. 682 Die Vorstellung vom Bestehen umfangreicher grundrechtlicher Schutzpflichten für alle im ersten Abschnitt des Grundgesetzes enthaltenen Rechtsgüter ist dagegen nicht auf den Wortlaut einzelner Artikel festgelegt und bietet so einen Anknüpfungspunkt für den Gefahrenabwehrauftrag des Staates, der von textlichen Veränderungen der Verfassung unabhängig ist. 679

Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 56; vgl. schon oben Fn. 671. In Art. 13 Abs. 4 S. 1 GG heißt es: „Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit (...) dürfen technische Mittel eingesetzt werden.“ Aus dieser Formulierung komme unmittelbar zum Ausdruck, dass es sich bei der Abwehr von Gefahren um eine staatliche Aufgabe handele. 681 Vgl. zu der begrenzten Reichweite einzelner (ausdrücklicher) Schutzpflichten im Grundgesetz Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 28. 682 Vgl. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 49. 680

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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Als Zwischenergebnis bleibt damit festzuhalten, dass sich die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr nicht aus einzelnen Grundrechten, sondern aus der Gesamtheit der grundrechtlichen Schutzpflichten herleiten lässt. Sollte sich die Rechtsfigur der grundrechtlichen Schutzpflichten ihrerseits wiederum unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben, so ließe sich über die grundrechtlichen Schutzpflichten die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr in der Verfassung verankern. Im Folgenden sollen daher Ursprung und Rechtsnatur der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten näher untersucht werden. 3. Die dogmatische Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten Mit der Feststellung, dass die Staatsaugabe der Gefahrenabwehr mit der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten erklärt werden kann, ist indes noch keine Aussage über die dogmatische Begründung dieser Schutzpflichten getroffen. Sie bedürfen vielmehr ihrerseits der verfassungsrechtlichen Verortung, um höchste rechtliche Verbindlichkeit zu erlangen. 683 Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Abtreibungsentscheidung aus dem Jahre 1975 die Rechtsfigur der grundrechtlichen Schutzpflicht entwickelt hatte, bildeten sich im rechtswissenschaftlichen Schrifttum neben zustimmenden Beiträgen auch verschiedene neue, von der Konzeption des Gerichts abweichende Ansätze zur dogmatischen Einordnung der grundrechtlichen Schutzpflichten heraus. a) Grundrechtliche Schutzpflichten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In seiner ersten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch 684 hat das Bundesverfassungsgericht die Existenz von grundrechtlichen Schutzpflichten auf zwei dogmatische Fundamente gestützt. Zum einen wird betont, dass der objektiv-rechtliche Gehalt der grundrechtlichen Normen den Staat zu Schutzmaßnahmen verpflichten könne, 685 zum anderen ergebe sich die Existenz von grundrechtlichen Schutzpflichten aus der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschen683

Zutreffend Gusy, DÖV 1996, 573, 578. BVerfGE 39, 1 ff.; näher dazu Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 27 f., sowie ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 78; vgl. auch Stern, in: ders. / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Einl. Rn. 49. 685 BVerfGE 39, 1, 41 f.: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Grundrechtsnormen nicht nur subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat, sondern sie verkörpern zugleich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt (...). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Staat zu rechtlichem Schutz des werdenden Lebens von Verfassungs wegen verpflichtet ist, kann deshalb schon aus dem objektiv684

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

würde. 686 Diese doppelte verfassungsrechtliche Absicherung der grundrechtlichen Schutzpflichten findet sich wenige Jahre nach der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch auch in dem Kalkar-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. 687 In anderen Entscheidungen wiederum steht allein der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte im Vordergrund, wenn die Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen, begründet werden soll. 688 In seiner zweiten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch 689 sowie in dem Schleyer-Urteil 690 verweist das Bundesverfassungsgericht schließlich allein auf Art. 1 Abs. 1 GG als dem verfassungsrechtlichen Ursprung der staatlichen Schutzpflichten. Diese unterschiedlichen Ansatzpunkte zur Begründung der grundrechtlichen Schutzpflichten dürfen nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Bundesverfassungsgericht eine klare Position zur ihrer Verortung noch nicht eingenommen hätte. Die Dimension der Grundrechte als einer objektiven Wertordnung lässt sich vielmehr unmittelbar in Bezug setzen zu der Garantie der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG. 691 So kommt bereits im Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, dass die in dem Grundrechtsabschnitt aufgerichtete Wertordnung ihren Mittelpunkt in der Würde der menschlichen Persönlichkeit findet. 692 Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt auf die Menschenwürde reichert auf diese Weise den schwer zu fassenden Begriff der objektiven Wertordnung inhaltlich an. 693 Es ist daher möglich, dass beide Elemente, rechtlichen Gehalt der grundrechtlichen Normen erschlossen werden.“ Zustimmend etwa Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 198. 686 BVerfGE 39, 1, 42 f. 687 BVerfGE 49, 89, 132, 140, insb. 141 f.: „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthalten die grundrechtlichen Verbürgungen nicht lediglich subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt, sondern stellen zugleich objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben (...); dies wird am deutlichsten in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ausgesprochen, wonach es Verpflichtungen aller staatlichen Gewalt ist, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Daraus können sich verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben, die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, daß auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt.“ 688 BVerfGE 53, 30, 57; 56, 54, 73; 77, 170, 214. 689 BVerfGE 88, 203, 251. 690 BVerfGE 46, 160, 164. 691 Vgl. auch Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 34 ff. 692 BVerfGE 7, 198, 205. 693 Der Begriff der Wertordnung ist wegen seiner Unbestimmtheit nicht unproblematisch; kritisch daher etwa Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 81 („Begriffswolke“), sowie Wahl, in: Merten / Papier (Hrsg.), HGR, Bd. I, § 19 Rn. 9. Um eine nähere inhaltliche Bestimmung bemüht sich z. B. Schapp, JZ 1998, 913 ff., der drei aufeinander aufbauende Schichten der „Grundrechte als Wertordnung“ entfaltet.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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objektive Wertordnung ebenso wie Menschenwürdegarantie, in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts isoliert angesprochen werden, ohne dass dabei eine bestehende Verknüpfung in Abrede gestellt werden müsste. 694 Welcher Aspekt jeweils in den Vordergrund tritt, hängt von den in dem konkreten Fall betroffenen Rechtsgütern ab. Bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die den objektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte in den Vordergrund rückten, handelte es sich regelmäßig um Fälle, in denen eine staatliche Verpflichtung zum Schutz vor Immissionen und den sonstigen Gefahren technischer Anlagen begründet werden sollte. Hier wäre ein Rückgriff auf die Menschenwürde weniger nahe liegend gewesen als ein Abstellen auf die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 2 GG. 695 Demgegenüber war die Betonung des Menschenwürdeaspekts in den Entscheidungen, in denen mit Art. 1 Abs. 1 GG argumentiert wurde, 696 angezeigt, da dort dem Schutz des menschlichen Lebens und damit der „vitalen Basis der Menschenwürde“ zentrale Bedeutung zukam. 697 Es kann daher festgehalten werden, dass trotz der auf den jeweiligen Fall bezogenen Begründungsansätze die Gedanken sowohl der objektiven Wertordnung als auch der Menschenwürde Eingang in die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts gefunden haben, um die staatlichen Schutzpflichten im Grundgesetz zu verorten. 698

Grundrechte garantierten die Entfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG), stellten daneben aber auch Rechtssätze dar und offenbarten schließlich eine institutionelle Seite, vgl. Schapp, a. a. O., 913, 914 ff. Auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde der Begriff – jedenfalls teilweise – inhaltlich ausgefüllt, vgl. dazu Müller-Bromley, Staatszielbestimmung Umweltschutz im Grundgesetz?, S. 54; Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 146 ff. Zur Bedeutung der Wertordnung für den Bereich der inneren Sicherheit Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 103 f. 694 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 80; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 34 ff. 695 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 80. Eine Ausnahme bildet insoweit der Kalkar-Beschluss, BVerfGE 49, 89, 141 f., in dem sowohl auf den objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte als auch auf die Menschenwürdegarantie abgestellt wird, vgl. auch oben Fn. 687. 696 BVerfGE 46, 160, 164; 88, 203, 251. 697 Vgl. zum Verhältnis menschlichen Lebens und der Würde des Menschen bereits BVerfGE 39, 1, 42: „Das menschliche Leben stellt, wie nicht näher begründet werden muß, innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte.“ Zu der herausgehobenen Bedeutung des Schutzes des menschlichen Lebens, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, für die Lehre von den Schutzpflichten etwa Jarass, AöR 110 (1985), 363, 380. 698 Ebenso die Bewertung von Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 36.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

b) Die Herleitung von grundrechtlichen Schutzpflichten in der Literatur Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur ist die Existenz grundrechtlicher Schutzpflichten weitgehend anerkannt. 699 Allein die Vertreter der sog. abwehrrechtlichen Lösung üben Kritik an dieser Rechtsfigur und bieten eine Erklärung für die Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgern an, die ohne die Lehre von den staatlichen Schutzpflichten auskommen soll. 700 Von dieser abwehrrechtlichen Perspektive einmal abgesehen, streiten die in der Literatur vertretenen Auffassungen nicht um das „Ob“ der staatlichen Schutzpflichten, sondern lediglich um das „Wie“ ihrer Herleitung. aa) Sog. abwehrrechtliche Lösung Nach dem Konzept der sog. abwehrrechtlichen Lösung 701 bedarf es keines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der grundrechtlichen Schutzpflicht, um die staatliche Verpflichtung zum Schutz von Leib und Leben des Einzelnen zu begründen. Die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte sei vielmehr mit den grundrechtlichen Schutzpflichten identisch, für eine Unterscheidung dieser beiden Funktionen, wie dies von der herrschenden Meinung vorgeschlagen werde, bestehe daher keine Notwendigkeit. 702 Um die rechtliche Konstruktion erschließen zu können, die dieser Auffassung zugrunde liegt, müssen mehrere Gedankenschritte unterschieden werden. Ausgangspunkt der abwehrrechtlichen Lösung ist zunächst die Annahme, dass der Staat das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit innehabe. 703 In aller 699 Vgl. nur Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, passim; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, passim; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 25, 52.; Vosgerau, AöR 133 (2008), 346, 347 ff. 700 Schwabe, AöR 100 (1975), 442 ff.; ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff. 701 Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff., 215; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 91 ff., 106 f.; aus österreichischer Perspektive Griller, JBl. 1992, 205, 216 ff.; in der Tendenz offenbar ähnlich Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 390 („erweist sich im Wesentlichen als zutreffend“); sowie ferner Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 380 ff.; Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, S. 358 mit Fn. 295. Zur Ableitung der Staatsaufgaben aus der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 202. 702 Vgl. Griller, JBl. 1992, 205, 218 f. Auch Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 233, sieht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie in den Lösungsvorschlägen der Literatur keinen „dogmatischen Ertrag“. 703 Vgl. bereits oben A. II. 2. b) cc).

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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Regel dürften nur staatliche Einrichtungen und Organe Gewalt anwenden, um die Einhaltung der Rechtsordnung sicherzustellen. Mit dem Gewaltmonopol korrespondiere zum einen die Pflicht der Bürger, sowohl untereinander als auch im Verhältnis zum Staat und seinen Einrichtungen grundsätzlich auf die Ausübung von Gewalt zum eigenen Schutz zu verzichten. 704 Eine Duldungspflicht des Bürgers bestehe nur dort nicht, wo es sich um einen von staatlicher Seite nicht oder nicht rechtzeitig abwehrbaren gesetzeswidrigen Eingriff in seine grundrechtlich geschützten Positionen handele. 705 Das Gewaltmonopol verpflichte zum anderen den Staat aber auch dazu, seine Bürger vor Übergriffen zu schützen und Eingriffe Dritter in Rechtsgüter wie Freiheit, Leben und Eigentum zu unterbinden. Überall dort, wo der Staat ein bestimmtes, die Grundrechte gefährdendes Verhalten daher nicht verbiete, müsse dieses als erlaubt gelten. 706 Was aber nicht verboten sei, müsse, so die Folgerung des abwehrrechtlichen Ansatzes, vom Bürger daher geduldet werden. 707 Wo der Staat den Bürger aber unmittelbar zur Hinnahme eines Angriffs verpflichte, der seine Rechtsgüter gefährde, stelle sich diese Maßnahme unmittelbar als staatlicher Eingriff dar, dem mit Hilfe der Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Funktion zu begegnen sei. 708 Dem Staat wird nach dieser Auffassung erlaubtes, gleichwohl aber rechtsgefährdendes Verhalten Dritter zugerechnet und in einen staatlichen Eingriff umgedeutet. 709 Ihm kommt auf diese Weise eine Mitverantwortung für die Folgen privater Freiheitsentfaltung zu. 710 Die Vertreter der abwehrrechtlichen Lösung lehnen folglich das gängige Modell der Schutzpflichtenlehre ab, die von einem Dreiecksverhältnis zwischen 704

Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 23; zu den Ausnahmen vgl. dens., a. a. O., S. 56 ff.; Mackeben, Grenzen der Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit, S. 95 ff.; sowie oben Fn. 497 f. Zu der Frage, ob das staatliche Gewaltmonopol als Bestandteil des Grundgesetzes aufzufassen ist, vgl. etwa Isensee, in: FS Sendler, S. 39, 56; Möllers, Art. Gewaltmonopol, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 804, 805 f.; Schulte, DVBl. 1995, 130, 132. 705 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 63; vgl. auch Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213. 706 Griller, JBl. 1992, 205, 217; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213. 707 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 91; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213. 708 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 107, 110; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213. 709 Griller, JBl. 1992, 205, 217; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 214. 710 Diese Auffassung kann sich allerdings nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere auf die Entscheidung zum Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich, BVerfGE 53, 30, 78, stützen, in welcher das Gericht in seiner Begründung von einer Mitverantwortung des Normgebers spricht. Denn trotz dieser unglücklichen, da eine gewisse sprachliche Nähe zu der abwehrrechtlichen Lösung aufweisenden Formulierung hält das Bundesverfassungsgericht an der Verankerung der grundrechtlichen Schutzpflichten in dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte fest, siehe BVerfGE 77, 170, 214.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Staat, Opfer und Drittem ausgeht und eine staatliche Schutzpflicht für die Rechtsgüter des Angegriffenen für notwendig hält. Auch in den genannten Konstellationen handele es sich vielmehr um ein bipolares Staat-Bürger-Verhältnis. Den staatlichen „Eingriff durch Nichtschutz“ 711 könne der Betroffene bereits mit Hilfe des jeweiligen Grundrechts in seiner klassischen Dimension abwehren. bb) Ableitung aus dem Wortlaut (Wortlaut-These) Eine andere Ansicht misst bereits dem Wortlaut bestimmter Grundrechte die entscheidende Bedeutung für die Verortung der grundrechtlichen Schutzpflichten bei. 712 Schon aus dem Text einiger Grundrechtsbestimmungen lasse sich unmittelbar entnehmen, dass die Grundrechte nur sekundär Abwehrrechte gegen den Staat seien, ihnen primär aber eine Schutzfunktion in Bezug auf die Rechtsgüter des Einzelnen zukomme. 713 Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang der von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG verwendete Ausdruck „unantastbar“ genannt, ferner werde in weiteren Grundrechten wie etwa in Art. 2 Abs. 2 S. 2 sowie in Art. 4 Abs. 1 GG der Begriff „unverletzlich“ gebraucht, der ebenfalls im Sinne einer staatlichen Schutzverpflichtung verstanden werden könne. 714 Erkläre die Verfassung bestimmte Grundrechte für unverletzlich, so sei dies in einem sämtliche denkbaren Beeinträchtigungen einschließenden Sinn zu verstehen. Die im ersten Abschnitt des Grundgesetzes gebrauchte Terminologie mache daher deutlich, dass es sich bei den Grundrechten um Werte handele, die umfassend, und gerade nicht nur im bipolaren Verhältnis zwischen Staat und Bürger, geschützt werden müssten. cc) Ableitung aus den Grundrechtsschranken und dem Sozialstaatsprinzip Eine weitere Auffassung schlägt vor, die grundrechtlichen Schutzpflichten unmittelbar in der Verfassung zu verankern und nimmt dabei auf die Formulierungen in einigen Schrankenbestimmungen Bezug. 715 Mitunter wird zur verfas-

711

So die treffende Beschreibung von Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, S. 358. 712 Bleckmann, DVBl. 1988, 938, 941 f. 713 Bleckmann, DVBl. 1988, 938, 942. 714 Weitere Beispiele bei Bleckmann, DVBl. 1988, 938, 941. 715 So in Bezug auf die Schutzpflicht des Staates für die Gesundheit etwa Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, S. 79 ff.; kritisch dazu Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 127; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, S. 97; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 164 f.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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sungsrechtlichen Verortung auch kumulativ bzw. alternativ auf das Sozialstaatsprinzip zurückgegriffen. 716 Die Grundannahme dieser Auffassung besteht darin, dass die Verfassungswerte, die Gegenstand der jeweiligen Schrankenbestimmungen sind, vom Staat geschützt werden müssten. Begründet wird dies mit den zwei unterschiedlichen Funktionen der Schrankenbestimmungen. Zum einen begrenzten die im ersten Abschnitt des Grundgesetzes genannten Schrankenbestimmungen die Ausübung der Grundrechte. So werde aus der Perspektive des Bürgers das Grundrecht auf Freizügigkeit durch den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG eingeschränkt; ein Teil der individuellen Freiheit gehe für ihn damit verloren. Zum anderen, und damit trete der zweite, wichtigere Gehalt der Schrankenbestimmungen in den Vordergrund, bestünden sie zum Schutz der jeweils in den beschränkenden Regelungen aufgeführten Rechtsgüter. 717 Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung würde sich nach dieser Auffassung daher etwa aus Art. 13 Abs. 4 S. 1 GG ergeben; die Schutzpflicht vor den in Art. 11 Abs. 2 GG genannten Gefahren ließe sich aus der an dieser Stelle normierten Schrankenbestimmung entnehmen. Dort, wo zur weiteren normativen Fundierung der Schutzpflichten unterstützend auf das Sozialstaatsprinzip zurückgegriffen wird, lässt sich eine leicht modifizierte Argumentation zur Verankerung der staatlichen Schutzpflicht im Grundgesetz erkennen. Art. 20 Abs. 1 GG sowie Art. 28 Abs. 1 GG solle die allgemeine Aussage zu entnehmen sein, dass der Staat nach den Vorgaben der Verfassung zum „Schutz des Schwächeren“ 718 tätig werden müsse. Inhalt und Reichweite dieser Handlungsanweisung ergebe sich dann wiederum aus bestimmten Vorschriften des Grundgesetzes, konkret aus den genannten Schrankenbestimmungen. 719 dd) Ideengeschichtliche Herleitung der staatlichen Schutzpflichten Nicht auf staatsrechtlichem, sondern auf staatstheoretischem Terrain bewegt sich der Ansatz, der eine ideengeschichtliche Herleitung von Schutzpflichten des Staates für vorzugswürdig erachtet. 720 Die staatliche Schutzpflicht für Leben und 716 Zur kumulativen Konzeption Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, S. 82, 143 ff. Eine starke Betonung des Sozialstaatsgedankens findet sich etwa bei Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 200; kritisch zu diesem Ansatz wiederum Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 132 f. 717 Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, S. 80. 718 Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 493 f. 719 Vgl. Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, S. 81, 145.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Gesundheit des Einzelnen lasse sich aus dem Sicherheitszweck des Staates herleiten. Voraussetzung für eine effektive Sicherheitsgewährleistung sei dabei sowohl die Friedenspflicht der Bürger als auch das Gewaltmonopol des Staates. 721 Der Staatszweck und das Staatsziel der inneren Sicherheit sowie die daraus resultierende Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr verpflichteten den Staat, die Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen. Die physische Gewalt, die vom „Nebenmenschen“ (Immanuel Kant) ausgehe, stelle die ursprünglichste und bedeutsamste Gefahr für den Menschen dar und betreffe insbesondere die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum. 722 Der Staat müsse daher besonders effektive Maßnahmen zu deren Schutz ergreifen. Der Sicherheitszweck erschöpfe sich nicht darin, dem Staat das monopolisierte Recht der Gewaltausübung zuzuweisen; er verlange von diesem zugleich auch, selbst zum Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen tätig zu werden. Im Unterschied zu den soeben dargestellten Auffassungen, wonach die grundrechtlichen Schutzpflichten aus unterschiedlichen Normen des Grundgesetzes abgeleitet werden können, zieht die ideengeschichtliche Perspektive zur Begründung einer staatlichen Schutzpflicht den Sicherheitszweck des Staates heran. 723 Die grundrechtlichen Schutzpflichten resultieren nach diesem Modell daher nicht aus dem Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, sondern aus den Überlegungen zur Legitimation des modernen Staates. 724 c) Bewertung Die soeben vorgestellten Ansätze, mit denen die Schutzpflichten des Staates für die Rechtsgüter seiner Bürger begründet werden sollen, greifen zur Begründung auf unterschiedliche rechtliche Konstruktionen zurück. Für die hier interessierende Fragestellung ist es indes nicht erforderlich, zu jedem dieser Modelle im Einzelnen Stellung zu beziehen. Es soll vorliegend vielmehr geklärt werden, ob sich staatliche Schutzpflichten überhaupt aus Verfassungsbestimmungen ableiten lassen, da sie nur in diesem Fall rechtsverbindliche Vorgaben für die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr machen können. Innerhalb der Auffassungen, die eine solche Herleitung aus dem Grundgesetz bejahen und lediglich in der

720 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 83; dens., Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 21 ff. Ähnlich E. Klein, NJW 1989, 1633, 1635 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 932 ff. 721 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 23 f. 722 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 24. 723 Vgl. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 37. 724 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 83; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 39 ff.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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Frage nach dem „Wie“ der Begründung voneinander abweichen, kommt es im vorliegenden Zusammenhang auf eine weitere Stellungnahme daher nicht an. 725 Eine Systematisierung der einzelnen Lösungsvorschläge zeigt, dass sich im Wesentlichen zwei Positionen unterscheiden lassen: eine staatstheoretische sowie eine verfassungsrechtliche Herleitung staatlicher Schutzpflichten. Die wohl überwiegende Anzahl der Autoren sowie die Rechtsprechung leitet die Rechtsfigur der staatlichen Schutzpflichten aus der Verfassung, insbesondere aus den Grundrechtsbestimmungen, ab. Hierzu zählen die Modelle, die in den Schrankenbestimmungen, dem Sozialstaatsprinzip, der Menschenwürde oder der objektiven Wertordnung den verfassungsrechtlichen Ursprung der staatlichen Schutzpflicht sehen oder die Schutzpflichten unmittelbar aus dem Wortlaut einzelner Grundrechtsbestimmungen herleiten. Dem steht die ideengeschichtliche Ableitung gegenüber, welche nicht das Verfassungsrecht, sondern die Staatstheorie als maßgeblich für die Verankerung von staatlichen Schutzpflichten ansieht. Dagegen kann die sog. abwehrrechtliche Lösung, die die Rechtsfigur der staatlichen Schutzpflicht insgesamt ablehnt, weder dem einen, noch dem anderen Herleitungsmodell eindeutig zugeordnet werden. Der Sache nach lässt sich aber auch mit dieser Position begründen, dass der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet ist, die Rechtsgüter seiner Bürger zu schützen. 726 Eine ideengeschichtliche, staatstheoretische Herleitung hat den Vorzug, dass sie das Entstehen staatlicher Schutzpflichten und Aufgaben schlüssig und gedanklich leicht nachvollziehbar begründen kann: Das von ihr entworfene Modell sieht in dem inneren Frieden, welcher durch den an den Staat gerichteten Gefahrenabwehrauftrag gewährleistet werden soll, die Entstehungsvoraussetzung und Rechtfertigung jeder Form moderner (Verfassungs-)Staatlichkeit. 727 Die Sicherheit seiner Bürger ist daher nicht nur Voraussetzung für den absolutistischen Staat, auf 725

Auseinandersetzungen mit allen oder einzelnen Ansätzen zur dogmatischen Verortung der grundrechtlichen / staatlichen Schutzpflichten finden sich z. B. bei Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 43 ff.; Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, S. 55 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 26 ff. 726 Es wurde oben bereits dargelegt, dass die abwehrrechtliche Lösung im Ergebnis – jedoch mit ganz anderer Begründung – ebenfalls zu einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr führt, weil sie eine Identität von abwehrrechtlicher Grundrechtsfunktion und grundrechtlicher Schutzpflicht annimmt. Dogmatisch überzeugt diese Sichtweise jedoch nicht, da sie den Begriff des staatlichen Eingriffs überspannt, vgl. dazu und zu weiteren Kritikpunkten Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 38 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 46 f.; ferner Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 32; sowie Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 730 ff., 941 f. 727 Zu der inhaltlichen Verbindung zwischen dem inneren Frieden und dem Begriff der inneren Sicherheit Bull, Staatsaufgabe Sicherheit – Erfüllungsmöglichkeiten und Defizite, S. 14.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

den die Lehre vom Gesellschaftsvertrag Bezug nimmt; sie ist ebenso Voraussetzung für den deutschen Staat und das Grundgesetz. 728 Problematisch an dieser überpositiven Herleitung ist allerdings, dass sie eine verfassungsrechtliche Verankerung der Schutzpflichten gerade nicht zu leisten vermag. Im Schwerpunkt kommt ihr somit eine erklärende, nicht aber eine verpflichtende Funktion zu. 729 Wenn aber die staatlichen Schutzpflichten nicht als ein unmittelbarer Bestandteil des Grundgesetzes angesehen werden können, so stellt auch die daraus resultierende Gefahrenabwehr keine Staatsaufgabe mit Verfassungsrang dar. Neben der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit bestehen jedoch aus einem weiteren Grund Bedenken gegen die ideengeschichtliche Herleitung der staatlichen Schutzpflichten. Die Vertreter der staatstheoretischen Position entnehmen die Pflicht des Staates zum Schutze seiner Bürger aus dem Staatszweck der inneren Sicherheit. Problematisch erscheint diese Konstruktion dann, wenn man nicht nur nach der Herleitung von grundrechtlichen Schutzpflichten, sondern zugleich auch danach fragt, woraus sich die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr ergeben soll. Wie oben dargelegt, ist ganz überwiegend anerkannt, dass die staatliche Aufgabe der Sicherheitsgewährleistung durch die Abwehr von Gefahren auf der staatlichen Schutzpflicht für die Rechtsgüter des Einzelnen beruht. Leitet man diese staatliche Schutzpflicht nun ihrerseits aus dem Staatszweck der inneren Sicherheit ab, so führt dies zu einer unnötigen Verkomplizierung: Die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr, so müsste man nach dieser Auffassung formulieren, folgt aus der staatlichen Schutzpflicht für die Rechtsgüter des Einzelnen, als deren Fundament sich der Sicherheitszweck des Staates erweist. Warum die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr nicht unmittelbar mit dem Staatszweck der inneren Sicherheit in Verbindung gebracht wird, sondern sich nur mittelbar aus staatlichen Schutzpflichten ergeben soll, die ihrerseits an den – rechtlich unverbindlichen – staatlichen Sicherheitszweck anknüpfen, bleibt dabei offen. Der Nachteil einer fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit besteht bei einer verfassungsrechtlichen Verankerung der staatlichen Schutzpflichten, wie dies die überwiegende Ansicht vorschlägt, dagegen nicht. Für diese Auffassung wird die staatliche Schutzpflicht zu einer grundrechtlichen Schutzpflicht. Sie entwirft ein Modell, welches die Rechtsfigur der Schutzpflicht und damit auch die daraus resultierende Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr im Grundgesetz, insbesondere in dessen erstem Abschnitt verortet. Die verfassungsrechtliche Bindungskraft von Pflicht und Aufgabe stehen damit außer Zweifel. Doch trotz dieses zunächst eindeutigen Ergebnisses ist auch dieser Lösung nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Da im Grundgesetz an keiner Stelle ausdrücklich von der grundrechtlichen 728

Für Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 83, muss die Gewährleistung von Sicherheit als eine effektive Geltungsvoraussetzung des Grundgesetzes von diesem daher auch nicht ausdrücklich bestätigt werden. 729 Vgl. dazu auch v. Bernstorff, Der Staat 47 (2008), 21, 26 f.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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Schutzpflicht bzw. der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr die Rede ist, bedarf die These von der verfassungsrechtlichen Verankerung eines erhöhten Begründungsaufwands. 730 Gerade in diesem Punkt lässt sich aber eine Zersplitterung der einzelnen Ansätze ausmachen: über die Frage des „Wie“ einer Begründung herrscht weitgehend Uneinigkeit. 731 Die Lücke, die bei der am Grundgesetz orientierten Argumentation deutlich wird, kann aber durch Überlegungen zur Legitimation des Staates geschlossen werden. Da sowohl für die ideengeschichtliche Herleitung als auch für die verfassungsrechtliche Verankerung der grundrechtlichen Schutzpflichten gewichtige Argumente sprechen, beide Modelle aber auch Schwachstellen aufweisen, erscheint es vorzugswürdig, einen vermittelnden Standpunkt einzunehmen. 732 Auf diese Weise lassen sich beide Ansätze so kombinieren, dass ihre jeweiligen Vorzüge die Nachteile entkräften können, die bei einer isolierten Betrachtung entstehen würden. Der vermittelnde Ansatz ruht demnach auf einem Fundament staatstheoretischer Überlegungen, mit dem Notwendigkeit und Legitimität der grundrechtlichen Schutzpflichten erklärt werden können. Das Grundgesetz setzt diese allgemeinen Überlegungen zu dem Sicherheitszweck des Staates in seinem ersten Abschnitt um, indem es das Ziel der inneren Sicherheit bzw. des Rechtsgüterschutzes mit verfassungsrechtlicher Bindungskraft ausstattet. 733 Die grundrechtlichen Schutzpflichten können damit als eine Aussage des Grundgesetzes zu der Legitimation des deutschen Staates verstanden werden; die Grundrechte konkretisieren auf diese Weise den Sicherheits- und Friedenszweck des Staates für die bedeutsamen Rechtsgüter wie etwa das Leben und die körperliche Unversehrtheit. 734 Die grundrechtlichen Schutzpflichten folgen damit aus dem ersten Abschnitt des Grundgesetzes, der seinerseits die staatstheoretischen Gedanken 730 Der Fall, dass eine auslegungsfähige Norm, hier eine Vorschrift des Grundgesetzes über die Existenz staatlicher Schutzpflichten, fehlt, ist mit dem Fall vergleichbar, dass dem Wortlaut der Norm keine eindeutige Aussage entnommen werden kann. In einer solchen Situation müssen bei der Auslegung – zumeist begründungsaufwendigere, da häufig nicht auf den ersten Blick zu erschließende – systematische, historische und teleologische Kriterien herangezogen werden, vgl. allg. zu diesem Aspekt auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 345. 731 Siehe dazu oben B. II. 3. a), b) aa) – cc). 732 Ähnlich Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 202; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 163 f., 187, 280; E. Klein, NJW 1989, 1633, 1636; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 53 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 732 f. sowie S. 948; vgl. auch v. Bernstorff, Der Staat 47 (2008), 21, 26 f. 733 Auf welche Weise eine solche Umsetzung möglich ist, zeigen die unterschiedlichen Ansätze – Ableitung aus dem Wortlaut, den Grundrechtsschranken sowie dem Sozialstaatsprinzip – in der Literatur, vgl. dazu oben B. II. 3. b). 734 Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 53; ähnlich H. H. Klein, DVBl. 1994, 489, 493.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

vom Staatszweck der Sicherheit verdeutlicht und in Verfassungsaussagen überführt.

III. Die Gefahrenabwehr im System der Staatsaufgaben Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass es sich bei der Abwehr von Gefahren durch den Staat und seine Untergliederungen um eine solche Staatsaufgabe handelt, die über die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten in der Verfassung verankert ist. Damit steht aber zunächst nur fest, dass es sich um eine Staatsaufgabe mit verfassungsrechtlicher Bedeutung handelt, wie dies auch bei anderen Staatsaufgaben, etwa der Durchsetzung einer Gleichbehandlung von Mann und Frau, Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG, denkbar ist. 735 Allein die Tatsache, dass die Gefahrenabwehr eine solche Staatsaufgabe mit Verfassungsrang darstellt, erlaubt noch keine Aussage darüber, auf welche Weise sie zu finanzieren ist. Nicht jede Aufgabe, auf die der Staat zugreift, muss zwingend über eine bestimmte Abgabenart finanziert werden. Um die Aussagen über die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr weiter konkretisieren zu können, bietet es sich an, ihren Standpunkt innerhalb des Systems der Staatsaufgaben näher zu bestimmen. 1. Zweck und Bedeutung einer Systematisierung von Staatsaufgaben Mit der Feststellung, dass eine Staatsaufgabe vorliegt, ist zunächst nur gesagt, dass sich der Staat auf einem bestimmten Gebiet mit einer Aufgabe befasst bzw. zu befassen hat. Die Aufgabe selbst ist damit noch nicht näher umschrieben. Eine Arbeit, die nach der Finanzierung von bestimmten staatlichen Aufgaben fragt, kommt daher nicht umhin, diese Aufgaben mit anderen staatlichen Tätigkeitsfeldern zu vergleichen und so inhaltlich näher zu konkretisieren. Ist die Eigenart einer Aufgabe näher bestimmt, so lassen sich möglicherweise Rückschlüsse auf ihre Finanzierung ziehen. Wäre es, anders gewendet, nicht möglich, staatliche Aufgaben ihrem Inhalt nach näher zu beschreiben und voneinander abzugrenzen, so ließen sich auch keine Anhaltspunkte für ein bestimmtes Finanzierungsinstrument ausmachen. Denn im Falle inhaltlich gleicher Staatsaufgaben bestünde keine Veranlassung zu der Frage, welche Staatsaufgaben mit welchen Abgabenarten (z. B. Steuern, Gebühren oder Beiträgen) zu finanzieren sind. 735 Staatsaufgaben mit Verfassungsrang finden sich ferner in den Bereichen, die durch Staatszielbestimmungen geprägt sind (z. B. Umwelt- und Tierschutz, Art. 20a GG, sowie die Aufgabe des Staates, eine Grundversorgung auf den Gebieten Eisenbahn, Post und Telekommunikation zu gewährleisten, Art. 87e Abs. 4, 87f Abs. 1 S. 1 GG).

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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2. Die Einordnung der Gefahrenabwehr in die Kategorien der Staatsaufgabenlehre Soll die Abwehr von Gefahren näher umschrieben werden, so ist sie an den Kategorien zu messen, die von der Staatsaufgabenlehre bereitgestellt werden. Es bietet sich dabei an, ihre wesentlichen Merkmale anhand von drei Begriffspaaren, die sich zur Konkretisierung von Staatsaufgaben gebildet haben, herauszuarbeiten: So wird zu klären sein, ob die Abwehr von Gefahren eine ausschließliche oder vielmehr eine konkurrierende, eine obligatorische oder fakultative bzw. eine finale oder eine instrumentale Staatsaufgabe darstellt. Die gefundenen Ergebnisse sollen dazu beitragen, eine abschließende Klassifizierung dieser Staatsaufgabe vorzunehmen. a) Ausschließliche – konkurrierende Staatsaufgabe Ausschließliche Staatsaufgaben beschreiben Handlungsfelder, auf denen allein der Staat tätig werden darf bzw. muss. In diesen Bereichen können die anfallenden Aufgaben nur durch den Einsatz solcher Mittel erfüllt werden, die ausschließlich dem Staat vorbehalten sind. 736 Von einer konkurrierenden Staatsaufgabe ist dagegen auszugehen, wenn der Staat eine Aufgabe wahrnimmt, die sowohl von ihm als auch von der privaten bzw. gesellschaftlichen Sphäre erfüllt werden könnte. 737 aa) Gefahrenabwehr als ausschließliche Staatsaufgabe? Versteht man die Abwehr von Gefahren für die Rechtsgüter der Bürger in einem weiten Sinn, 738 so kann nicht davon gesprochen werden, dass nur der Staat zum Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen berufen wäre. Dies deshalb, weil auch Privatpersonen durch die Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Notrechte Gefahren gegen eigene oder fremde Rechtsgüter abwehren können. 739 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist daneben die Tätigkeit von privaten Sicherheitsunternehmen, die ebenfalls im Bereich der Gefahrenabwehr tätig werden können. 740 Bei dem Begriff der Gefahrenabwehr ist jedoch hinsichtlich der Tätig736 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 27; vgl. auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 58 f.; 737 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 326; Reist, Staatliche Aufgaben und deren Wahrnehmung, S. 46; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 27. 738 Zu diesem weiten Verständnis der Gefahrenabwehr siehe bereits oben B. I. 1. 739 Zu den gesetzlich normierten Notrechten siehe bereits oben Fn. 497; ferner Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 299 ff. 740 Hierzu Heckmann, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Ergänzungsband, S. 326 f.; ders., in: Alexy (Hrsg.), Juristische Grundlagenforschung, ARSP

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keit des Staates sowie derjenigen von Privaten bzw. privaten Sicherheitsdiensten in qualitativer Hinsicht zu differenzieren. Eine Sichtweise, die Privatpersonen die Ausübung von Gewalt zur Gefahrenabwehr in demselben Maße wie dem Staat gestatten würde, ließe sich mit dem staatlichen Monopol zur Anwendung legitimen physischen Zwangs nicht vereinbaren. Wie bereits erwähnt, besagt das Gewaltmonopol zwar nicht, dass es keine denkbaren Anwendungsfälle von privater Gewaltausübung zur Abwehr von Gefahren geben darf. 741 Es schließt aber aus, dass Private in gleicher Weise wie der Staat legitime Gewalt ausüben dürfen, da sie hierfür stets einer besonderen Gewaltgestattung, etwa in Form der Notrechte, 742 bedürfen. In aller Regel ist der Staat in seiner Funktion als Garant von Frieden und Sicherheit dazu berufen, Gewalt zur Abwehr von Gefahren auszuüben. Die Zuerkennung von Notrechten an Private in solchen Situationen, in denen staatliche Hilfe nicht oder nicht rechtszeitig zu erlangen ist, stellt demgegenüber eine Ausnahme dar. 743 Es handelt sich hierbei nicht um eine dauerhafte Aufgabenverlagerung auf Private. Notwehr-, Nothilfe- und Notstandsrechte sollen vielmehr verhindern, dass in Fällen, in denen der Staat aus tatsächlichen Gründen nicht tätig werden kann, Rechtsgüter des Einzelnen zu Unrecht verletzt werden. Ebenso wenig wie bei Privatpersonen kann bei privaten Sicherheitsunternehmen, die nicht zugleich Beliehene sind, 744 davon gesprochen werden, dass sie in derselben Weise wie staatliche Stellen zur Gefahrenabwehr berufen wären. 745 Denn auch private Sicherheitsunternehmen dürfen nur dort einen Beitrag zur Gefahrenabwehr leisten, wo es nicht um die Wahrnehmung hoheitliBeiheft 104, S. 183, 190 f.; Hoffmann-Riem, ZRP 1977, 277 ff., insb. 277 f.; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 302 ff.; Schnekenburger, Rechtstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, S. 35 ff.; Schwabe, ZRP 1978, 165 f.; Stober, NJW 2008, 2301, 2303 f.; vgl. ferner Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 127 ff.; Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 27. 741 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 189. 742 So z. B. durch § 32 StGB, vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 209; Schulte, DVBl. 1995, 130, 133. 743 Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 27. 744 Zu den Bereichen, in denen das private Sicherheitsgewerbe mit hoheitlichen Befugnissen beliehen wird, vgl. etwa Schnekenburger, Rechtstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, S. 112 ff.; sowie ausführlich Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, S. 55 ff. Auf die bedeutsame Unterscheidung zwischen beliehenen und auf Privatveranlassung hin tätigen Sicherheitsunternehmen weist zutreffend auch Schulte, DVBl. 1995, 130, 131, hin. 745 Nur dort, wo beliehene private Sicherheitsunternehmen unter Einsatz hoheitlicher Befugnisse Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehmen, werden sie in derselben Weise wie „staatliche Stellen“ tätig. Nach der in dieser Untersuchung vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Aufgabenträgern sind Beliehene trotz ihrer privatrechtlichen Rechtsnatur der staatlichen Sphäre zuzuordnen. Die von Beliehenen wahrgenommenen Sicherheitsaufgaben bleiben damit Staatsaufgaben, vgl. Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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cher Befugnisse geht, sondern wo sie sich auf die Jedermann-Notrechte stützen können. 746 In quantitativer Hinsicht kann zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass die Tätigkeit von privaten Sicherheitsdiensten in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. 747 Bei einer qualitativen Betrachtungsweise bleibt indes festzuhalten, dass staatliche und private Einrichtungen regelmäßig keine gleichartigen Tätigkeiten der Gefahrenabwehr wahrnehmen. 748 Im Bereich der Gefahrenabwehr ist daher anhand des eingesetzten Mittels zu differenzieren: 749 Dort, wo Gefahren ohne den Einsatz von Zwangsmitteln abgewehrt werden können, lässt sich von der konkurrierenden Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr sprechen. So handelt es sich etwa bei der Enteisung von Gehwegen im Winter ebenso wie bei der Sicherung einer Unfallstelle um Maßnahmen, die nicht ausschließlich von staatlichen Einrichtungen, sondern ebenso gut von Privatpersonen durchgeführt werden können. Wenn indes der Einsatz von physischer Gewalt jenseits der klassischen Notrechte und damit der „Kernbereich“ der Gefahrenabwehr in Rede steht, handelt es sich um eine ausschließliche Aufgabe des Staates. 750 Ordnung, S. 128; ferner Heckmann, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Ergänzungsband, S. 326, 327. 746 Selbst diese Möglichkeit ist umstritten: Schulte, DVBl. 1995, 130, 133 ff., will etwa danach differenzieren, ob die Tätigkeit der gewerblichen Sicherheitsunternehmen staatlich oder privat veranlasst ist. In ersterem Falle soll eine Berufung auf Notwehrrechte ausscheiden, nur bei privater Veranlassung komme eine Anwendung von § 32 StGB auf Sicherheitsdienste in Betracht. Vgl. ferner auch Gusy, StWuStPr 5 (1994), 187, 201 f.; Heckmann, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Ergänzungsband, S. 326; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 302 f.; Müller-Franken, Die Polizei 2004, 345, 348; Schnekenburger, Rechtstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, S. 193 f.; Schwabe, ZRP 1978, 165, 166; Stober, NJW 2008, 2301, 2303; restriktiver Hoffmann-Riem, ZRP 1977, 277, 283. 747 Vgl. zu der Anzahl der Beschäftigen bei privaten Sicherheitsdiensten Ende der 1990er-Jahre Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 290 („weit über 100 000“, vgl. aber auch dens., a. a. O., S. 290 mit Fn. 1); zu der Zahl der Mitarbeiter im Jahr 2004 Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 41 („rund 3 000 Unternehmen mit 167 000 Mitarbeitern“). Ein historischer Überblick über die Entwicklung des privaten Sicherheitsgewerbes findet sich bei Schnekenburger, Rechtstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, S. 11 ff. 748 Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 29; gegen eine Gleichrangigkeit von Hoheits- sowie Gruppen- bzw. Einzelgewalt auch Faller, in: FS Geiger, S. 3, 15. Die Ungleichartigkeit der wahrgenommenen Aufgaben wird etwa auch durch entsprechende Bekleidungsvorschriften für das private Sicherheitsgewerbe untermauert. So müssen private Wachpersonen darauf achten, dass sich ihre Dienstkleidung deutlich von den Uniformen der Angehörigen der Streitkräfte oder der behördlichen Vollzugsorgane unterscheidet, vgl. § 12 S. 1 der Verordnung über das Bewachungsgewerbe (Bewachungsverordnung – BewachV) i. d. F. der Bekanntmachung v. 10. 7. 2003, BGBl. I 2003, S. 1378. 749 Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 321. 750 Vgl. auch Götz, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 25, 27: Einsatz des Gewaltmonopols als eine „Kernaufgabe“ der Polizei.

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bb) Verfassungsrechtliche Verbindlichkeit der Einordnung Dort, wo die Abwehr von Gefahren mit dem Einsatz hoheitlicher Zwangsmittel einhergeht, weist das Gewaltmonopol diese Angelegenheit allein dem Staat zu und macht die Aufgabe der Gefahrenabwehr zu einer ausschließlichen Staatsaufgabe. Soll dieser Einordnung indes auch verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zukommen, so müsste es sich bei dem Gewaltmonopol seinerseits um einen Bestandteil der Verfassung handeln. Das Grundgesetz nimmt an keiner Stelle explizit auf das Gewaltmonopol Bezug. Dass bestimmte Grundsätze aber auch dann, wenn sie nicht ausdrücklich genannt werden, Bestandteil der Verfassung sein können, wurde bereits anhand des Staatsziels der inneren Sicherheit sowie der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr gezeigt. 751 Die Verfassung weist dem Staat das Gewaltmonopol nicht ausdrücklich durch eine bestimmte Vorschrift zu, sie geht vielmehr implizit davon aus, dass der Staat allein zur Gewaltausübung berechtigt ist. 752 So würden einige Normen im Verfassungstext ihre Funktion verlieren, wenn ihnen nicht der Gedanke des staatlichen Gewaltmonopols zugrunde läge: Ginge das Grundgesetz etwa nicht davon aus, dass dem Staat das Gewaltmonopol zukommt, so müsste es auch dem Einzelnen gestattet sein, Gewalt auszuüben. Das Recht zum – notfalls gewaltsamen – Widerstand würde dann jedoch keine absolute Ausnahme darstellen und bräuchte nicht ausdrücklich in Art. 20 Abs. 4 GG normiert werden. 753 Auch andere Verfassungsvorschriften bestätigen indirekt das staatliche Gewaltmonopol. So bringt Art. 8 Abs. 1 GG zum Ausdruck, dass Versammlungen nur dann dem Schutz des Grundgesetzes unterfallen, wenn die Teilnehmer friedlich und ohne Waffen zusammenkommen. Dem Friedlichkeitsvorbehalt ist damit das Verbot der Gewalt immanent. 754 Auch Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG, der es den Streitkräften erlaubt, bewaffnete Aufständische im Inland 755 militärisch zu 751

Oben A. II. 3. c); sowie B. II. 2. Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 28; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 109, 113; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 38.; vgl. auch Scholz, NJW 1983, 705, 707. 753 Vgl. Isensee, in: FS Sendler, S. 39, 55; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 109; Scholz, NJW 1983, 705, 708. Auch einige Kompetenzregelungen der Art. 73 f. GG ließen sich ohne die Existenz des staatlichen Gewaltmonopols nicht nachvollziehen. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, das Grundgesetz auch private Gewalt gestatten würde, so wäre nicht einzusehen, warum Gewaltdelikte als ein klassischer Bereich des Strafrechts sanktionsbewehrt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG als Ermächtigung für Regelungen durch das StGB) und der freihändige Umgang mit Waffen und Sprengstoff verboten (Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG als Kompetenznorm für das WaffenG sowie das SprengstoffG) sind. 754 Vgl. auch Isensee, in: FS Eichenberger, S. 23, 31 f.; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 114; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 44; Scholz, NJW 1983, 705, 708; ferner Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 25. 752

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bekämpfen, 756 bringt zum Ausdruck, dass unberechtigte private Gewaltanwendung vom Grundgesetz nicht toleriert wird. Schließlich weist Art. 33 Abs. 4 GG hoheitsrechtliche Befugnisse – und damit im Kern Befugnisse zur Gewaltanwendung – 757 als Regel dem Berufsbeamtentum und damit der staatlichen Sphäre zu. Die genannten Bestimmungen bringen zum Ausdruck, dass regelmäßig nur der Staat zur Ausübung legitimen physischen Zwangs berechtigt ist, der Staat somit das Gewaltmonopol innehat. Das „Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit“ erlangt damit verfassungsrechtliche Relevanz und stellt sich nicht als eine unverbindliche Kategorie der Staatstheorie, sondern als eine solche des Verfassungsrechts dar. 758 Diese Entscheidung des Grundgesetzes wirkt sich auch auf die Frage aus, ob die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr als ausschließliche Staatsaufgabe anzuerkennen ist: Da sich das Grundgesetz zum Gewaltmonopol bekennt, welches dem Staat die Aufgabe der – notfalls gewaltsamen – Gefahrenabwehr exklusiv zuweist, lässt sich in diesem Bereich von einer verfassungsrechtlich vorgegebenen ausschließlichen Staatsaufgabe sprechen. b) Obligatorische – fakultative Staatsaufgaben Obligatorische 759 Staatsaufgaben sind staatliche Pflichtaufgaben. Dem Staat kommt bei der Entscheidung darüber, ob er diese Aufgaben wahrnehmen möchte, kein Ermessen zu; er ist vielmehr zu deren Erfüllung verpflichtet. Im Bereich der fakultativen Staatsaufgaben steht es dem Staat hingegen frei, die Aufgabenerfüllung zu übernehmen. 760 Soll mit der Qualifizierung einer Aufgabe als obligatorische Staatsaufgabe eine Verpflichtung des Staates und seiner Einrichtungen zum Tätigwerden be755

Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG verweist auf Art. 91 Abs. 2 GG und damit auf den Fall des inneren Notstands. 756 Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 42; Götz, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 85 Rn. 32. 757 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 111. 758 Isensee, in: FS Sendler, S. 39, 55; gegen eine verfassungsrechtliche Verbindlichkeit aber Möllers, Art. Gewaltmonopol, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 804, 805 f.; Schulte, DVBl. 1995, 130, 132. 759 Teilweise ist auch von notwendigen Staatsaufgaben (Gusy, DÖV 1996, 573, 574; Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, S. 26) oder Staatsaufgaben im engeren Sinne (BVerfGE 38, 281, 299; 107, 59, 93 f.) die Rede. 760 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 29; Reist, Staatliche Aufgaben und deren Wahrnehmung, S. 44 f.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 27. Kritisch zu einer eigenständigen Bedeutung der Gegenbegriffe „obligatorische und fakultative Staatsaufgabe“ aber Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 58; vgl. auch Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 321.

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

gründet werden, so muss es sich dabei um eine Kategorie des Verfassungsrechts handeln. Dies schließt zwar nicht aus, dass zur Begründung obligatorischer Staatsaufgaben auch staatstheoretische Erwägungen herangezogen werden können; die konkrete Handlungsverpflichtung indes muss sich aus dem Grundgesetz selbst ergeben. 761 Verpflichtende Vorgaben für eine staatliche Aufgabenerfüllung lassen sich dabei insbesondere den Staatszielen des Grundgesetzes entnehmen. 762 Diese enthalten keine für den Staat unverbindlichen Vorschläge, sondern indisponible Handlungsanweisungen. 763 Der Unterschied zwischen der ausschließlichen und der obligatorischen Staatsaufgabe besteht darin, dass die obligatorische Staatsaufgabe die rechtsverbindliche Verpflichtung zum Tätigwerden enthält, die ausschließliche Staatsaufgabe dagegen zwar die private Sphäre aus dem Bereich der Aufgabenerfüllung vollständig ausschließt, den Staat deswegen aber nicht zwangsläufig zum Tätigwerden auf diesem Gebiet verpflichtet. 764 Ausschließliche Staatsaufgaben können zwar zugleich auch Pflichtaufgaben des Staates sein; begrifflich zwingend ist diese Folgerung indes nicht. Beide Begriffe müssen daher voneinander unterschieden werden; ein synonymer Gebrauch verbietet sich. 765 Der Bereich der Gefahrenabwehr, der zuvor bereits als eine ausschließliche Staatsaufgabe qualifiziert wurde, wird wegen der grundrechtlichen Schutzpflichten zugleich zu einer obligatorischen Staatsaufgabe. 766 Den Staat trifft die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Rechtsgüter seiner Bürger zu schützen. Ein Entschließungsermessen, ob überhaupt Gefahrenabwehrmaßnahmen ergriffen werden sollen besteht daher nicht. Da aber die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr unter dem „Vorbehalt des Möglichen“ 767 steht, kann vom Staat in diesem Bereich keine vollständige Aufgabenerfüllung erwartet werden. Faktisch ist es 761

Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 194. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 198 ff. 763 Vgl. etwa die Formulierungen in Art. 20a GG (Umwelt- und Tierschutz): „Der Staat schützt (...)“; Art. 28 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatlichkeit): „muß (...) entsprechen“; Art. 109 Abs. 2 GG (gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht): „Bund und Länder haben (...) Rechnung zu tragen“. 764 Vgl. Heintzen, Sicherheit + Stabilität 1/2006, 25, 32; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 321. Butzer, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 74 Rn. 7, ebnet diesen Unterschied allerdings ein, indem er zur Abgrenzung von obligatorischen und fakultativen Staatsaufgaben das Element des „staatsreservierten Handlungsmittels“ betont, welches bei der Abgrenzung von ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben zum Einsatz gelangt, siehe dazu oben B. III. 2. a). 765 Zutreffend daher die Unterscheidung bei Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 27 f. einerseits, und Rn. 29 f. andererseits. 766 Vgl. oben B. II. 767 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 111 Rn. 144; vgl. zu diesem Aspekt ferner auch Heckmann, in: Alexy (Hrsg.), Juristische Grundlagenforschung, ARSP Beiheft 104, S. 183, 201. 762

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

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ihm unmöglich, akute Rechtsverletzungen an jedem Ort und zu jeder Zeit zuverlässig abzuwehren. Wo der Staat aber keine absolute Sicherheit garantieren kann, darf er dazu auch nicht verpflichtet werden. Dort, wo der Staat zur Gefahrenabwehr nicht in der Lage ist, leben deshalb ausnahmsweise die JedermannNotrechte wieder auf. c) Finale – instrumentale Staatsaufgaben Finale Staatsaufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass der Staat mit ihrer Erfüllung unmittelbar ein öffentliches Interesse verfolgt. 768 Instrumentale 769 Staatsaufgaben sind hingegen nur mittelbar auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, die Rahmenbedingungen für die Gemeinwohlverwirklichung durch den Staat zu gewährleisten. 770 Bedeutsame instrumentale Staatsaufgaben stellen etwa die Staatsorganisation sowie die Staatsfinanzierung dar. 771 Was die Gefahrenabwehr anbelangt, so ist diese unmittelbar auf den Rechtsgüterschutz des Einzelnen ausgerichtet und betrifft damit auf der Ebene des Verfassungsrechts das Staatsziel sowie auf staatstheoretischer Ebene den Staatszweck der inneren Sicherheit. Wie oben dargelegt, lässt sich der Staatszweck der inneren Sicherheit als das Fundament und zugleich als die bedeutsamste Ausprägung des Gemeinwohls begreifen. 772 Um den Sicherheitszweck möglichst umfassend zu verwirklichen, ist dem Staat die Abwehr von Gefahren für die Rechtsgüter des Einzelnen, aber auch für das Gemeinwesen aufgegeben. Bei der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr handelt es sich daher um eine klassische finale Staatsaufgabe. Nimmt man das Verhältnis von finalen und instrumentalen Staatsaufgaben in den Blick, so lässt sich feststellen, dass beide Kategorien nicht unverbunden 768 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 32; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 145; Reist, Staatliche Aufgaben und deren Wahrnehmung, S. 46. 769 Geläufig ist in diesem Zusammenhang auch der Begriff der „indirekten Staatsaufgabe“, vgl. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 145. 770 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 60; Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 32; Reist, Staatliche Aufgaben und deren Wahrnehmung, S. 46. Andere Terminologie bei Zumstein, Der Begriff der Staatsaufgabe, S. 157: Sachaufgabe – Organisationsaufgabe. 771 Eine klassische instrumentale Staatsaufgabe ist das Finanzwesen, also die Beschaffung und Bewirtschaftung von Geld, vgl. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 4; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 2, 7, 58. Auch die Staatsorganisation ist ein Mittel zum eigentlichen Gemeinwohlzweck, vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 32. 772 Näher dazu oben A. II. 2. b) dd).

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

nebeneinanderstehen. Die Einordnung als finale Aufgabe zeitigt zugleich Auswirkungen auf die instrumentalen Aufgaben, da sich Letztere darauf beziehen, mit welchen Mitteln finale Aufgaben erfüllt werden sollen. Da instrumentale Staatsaufgaben die Frage betreffen, auf welche Art und Weise sich finale Staatsaufgaben verwirklichen lassen und welche Vorgaben dabei zu beachten sind, hängt die nähere Beantwortung dieser Frage maßgeblich von der Qualität der jeweils übergeordneten finalen Staatsaufgabe ab. So ist etwa für die instrumentale Aufgabe der Staatsorganisation von Bedeutung, ob es sich bei der ihr vorgelagerten finalen Staatsaufgabe um eine obligatorische oder eine fakultative Aufgabe des Staates handelt. Ist der Staat zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe verpflichtet, so muss er in diesem Bereich auch Regelungen dazu treffen, wie die Erfüllung organisiert wird. Liegt die Entscheidung über das „Ob“ einer Betätigung dagegen in seinem politischen Ermessen, sind folglich organisatorische Regeln für den konkreten Aufgabenbereich nicht zwingend erforderlich. Das Verhältnis zwischen finalen und instrumentalen Staatsaufgaben erlangt insbesondere auch für die Frage nach der Finanzierung des Staates Bedeutung. Steht eine ausschließliche Staatsaufgabe in Rede, so kann sie nur vom Staat erfüllt werden, da der private Bereich von der Aufgabenerfüllung ausgeschlossen ist. Wenn das Grundgesetz aber eine Aufgabe ausschließlich dem Staat zuweist, so geschieht dies deshalb, weil Zweifel daran bestehen, dass die Aufgabe unter den Bedingungen und Gesetzen des freien Marktes ordnungsgemäß erfüllt werden kann. 773 Zu den Gesetzen des Wettbewerbs zählt zum einen, dass nur solche Leistungen erbracht werden, bei denen für den Leistungserbringer die Aussicht auf Gewinn besteht. Zum anderen werden die Leistungen nur gegenüber solchen Personen erbracht, die zur Zahlung einer Gegenleistung bereit und imstande sind. Berücksichtigt man diese Überlegungen auf der Ebene der finalen Staatsaufgaben, dann darf auch auf der hieran anknüpfenden Ebene der instrumentalen Staatsaufgaben, etwa der Staatsfinanzierung, nichts anderes gelten. Werden der private Bereich und seine Selbststeuerungsmechanismen auf der Ebene des „Ob“ der Aufgabenerfüllung bewusst ausgegrenzt, damit die Erfüllung der Aufgabe gewährleistet ist, so kann sich der Staat bei der Finanzierung nicht ausschließlich an privatwirtschaftlichen Grundsätzen orientieren. 3. Bewertung Eine nähere Betrachtung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr hat gezeigt, dass staatliche Stellen einerseits und Privatleute bzw. private Sicherheitsdienste andererseits qualitativ unterschiedliche und damit nicht vergleichbare Beiträge 773

Vgl. v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 471 f.

B. Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe

189

zur Gefahrenabwehr erbringen. Die Ausübung des staatsvorbehaltenen Mittels der physischen Gewalt zur Abwehr von Gefahren ist eine ausschließliche Aufgabe des Staates. Nur wenn er dieser Aufgabe tatsächlich nicht mehr nachkommen kann, greifen die Jedermann-Notrechte ein und ermöglichen es Privaten, unter engen Voraussetzungen, notfalls die eigenen oder fremden Rechtsgüter zu verteidigen. Diese Ausnahmen sollen aber nicht die Zuständigkeit des Staates für das Gebiet der Gefahrenabwehr beschränken oder ihm eine Aufgabe entziehen, sondern den Bürgern im Notfall einen effektiven Schutz ihrer Rechtsgüter gewährleisten. Daher kann in diesen Fällen physischer Gewaltanwendung auch nicht davon gesprochen werden, dass es sich bei hoheitlicher Gefahrenabwehr zugleich um eine Aufgabe von Privatpersonen handelt. Letzteren werden zwar gewisse Rechte eingeräumt, eine Verlagerung von Aufgaben ist damit aber nicht verbunden. Zwar gibt es auch Bereiche, in denen zur Abwehr von Gefahren kein physischer Zwang ausgeübt werden muss und in denen Private daher tätig werden können. 774 Je bedeutsamer die zu schützenden Rechtsgüter und die durch die Gefahrenabwehr beeinträchtigten Rechtsgüter allerdings sind und je akuter und dringender die Gefahrenabwehr wird, desto eher handelt es sich um Fälle, in denen allein staatliche Stellen zur Gefahrenabwehr berufen sind. 775 Es lässt sich daher sagen: Die Abwehr von Gefahren durch physischen Zwang ist eine ausschließliche Aufgabe des Staates. In den Bereichen der Gefahrenabwehr, in denen nur der Staat tätig werden darf, verdichtet sich die Aufgabe wegen der grundrechtlichen Schutzpflichten zu einem verbindlichen Verfassungsauftrag. Die ausschließliche Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr ist damit zugleich eine staatliche Pflichtaufgabe. Die enge Verbindung zwischen der Gefahrenabwehr und dem staatlichen Bereich lässt sich auch durch staatstheoretische Überlegungen untermauern. So ist in der Abwehr von Gefahren die entscheidende staatliche Maßnahme zu sehen, um den Staatszweck der inneren Sicherheit unmittelbar zu verwirklichen. 776 Die 774

Zu Beispielen für private Gefahrenabwehrtätigkeit bereits oben B. III. 2. a) aa). Allein die Polizei- und Ordnungsbehörden sind zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen, der Sicherstellung von Gegenständen sowie der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen befugt. Privaten ist eine entsprechende Tätigkeit dagegen nicht gestattet. 776 Anderer Ansicht ist Prantl, SZ Nr. 269 v. 19. 11. 2008, S. 26, der nicht Polizei und Justiz als Garanten für den inneren Frieden ansieht, sondern in der Sozialstaatlichkeit das entscheidende Fundament für die Gewährleistung von Sicherheit erblickt. Richtig daran ist zunächst, dass soziale Umverteilungsgerechtigkeit das Potential der Gewaltanwendungsbereitschaft von sozial benachteiligten und politisch unzufriedenen Gruppierungen in der Gesellschaft vermindern kann. Dass aber die Gewährleistung eines Mindeststandards an sozialer Sicherheit nicht zu der vollständigen Befriedung einer Gesellschaft führt, lässt sich bereits an der Struktur und Schutzrichtung der im StGB enthaltenen Straftatbestände 775

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Gefahrenabwehr dient so unmittelbar der Gemeinwohlverwirklichung und trägt zur Legitimation von moderner Staatlichkeit bei. Es nimmt daher nicht Wunder, dass die besondere Bedeutung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr 777 durch eine Vielzahl unterschiedlicher Beschreibungen zum Ausdruck kommt: Sie wird bezeichnet als eine allgemeine, 778 definitive, 779 elementare, 780 genuine, 781 notwendige, 782 klassische, 783 originäre, 784 primäre, 785 spezifische, 786 überkommene, 787 unerlässliche, 788 wesensgemäße, 789 belegen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass durch sozialstaatliche Maßnahmen die Straftaten im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte reduziert werden, verbleiben eine Reihe weiterer Delikte, die aus ganz anderer Motivation heraus begangen werden: Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. Zur Bekämpfung und Vermeidung solcher Straftaten sind Polizei- und Gefahrenabwehreinrichtungen nötig und sinnvoll; höhere Sozialleistungen allein werden deren Begehung hingegen nicht verhindern können. Vgl. auch Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33, der deutlich die unterschiedlichen Schutzebenen von Sozialstaatsziel und Sicherheitsziel hervorhebt; ferner dens., in: FS Eichenberger, S. 23, 30. 777 Mitunter wird in diesem Zusammenhang der Begriff der Staatsaufgabe Sicherheit bzw. der inneren oder öffentlichen Sicherheit verwendet. 778 Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 109; Selmer, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 101, 102. 779 Krölls, NVwZ 1999, 233, 234; Scholz, in: FS Friauf, S. 439, 445. 780 Hillgruber, JZ 2007, 209, 210. 781 Pernthaler, in: Blickle / Hüglin / Wyduckel (Hrsg.), Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 179, 188; Püttner / Kretschmer, Die Staatsorganisation, S. 59. 782 Gramm, VerwArch. 90 (1999), 329, 332; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 179, 184; ders., Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 29; Korioth, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 30 Rn. 12; MüllerFranken, Die Polizei 2004, 345, 348; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 114; Pernthaler, in: Blickle / Hüglin / Wyduckel (Hrsg.), Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 179, 189. 783 Zugmaier, DVBl. 1998, 1221, 1222; vgl. auch Krölls, GewArch. 1997, 445: „klassischer staatlicher Aufgabenbereich“. 784 H. H. Klein, DÖV 1965, 755, 758; Krölls, NVwZ 1999, 233, 234; Scholz, in: FS Friauf, S. 439, 445; Selmer, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 101, 102; Steegmann, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, S. 237, 243; ähnlich Jeand’Heur, AöR 119 (1994), 107: „originäre staatliche Angelegenheiten“. 785 Eichenberger, in: ders., Der Staat der Gegenwart, S. 73. 786 Vgl. Hetzer, ZRP 2000, 20, 22. 787 Kilian, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 35, 51. 788 Kube, DStJG 29 (2006), 11, 14; ähnlich Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 419: innere Sicherheit als eine „unverzichtbare Staatsaufgabe“.

C. Zwischenergebnis

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wesentliche, 790 wichtige 791 bzw. zentrale 792 Staatsaufgabe sowie als die Kernaufgabe 793 des (modernen) Staates. 794

C. Zwischenergebnis Der zweite Teil der Untersuchung hat aufgezeigt, was unter dem Begriff der Staatsaufgabe im Allgemeinen sowie unter der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr im Besonderen zu verstehen ist. Es wurde nachgewiesen, dass der Staat mit der Gefahrenabwehr eine grundlegende und allgemeine Aufgabe erfüllt, die sich staatstheoretisch begründen und verfassungsrechtlich fundieren lässt. Welche Auswirkungen die Qualifizierung der Gefahrenabwehr als Kernaufgabe des Staates auf die Frage ihrer Finanzierung hat, ist Gegenstand der nachfolgenden 789

Eichenberger, in: ders., Der Staat der Gegenwart, S. 73, 94. Bull, Staatsaufgabe Sicherheit – Erfüllungsmöglichkeiten und Defizite, S. 11; Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7, 24. 791 Badura, Staatsrecht, Kap. D Rn. 41. 792 Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, S. 125, 127. 793 Kutscha, NJ 1997, 393, 394; vgl. auch Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 278: „Daß die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zum Kernbereich der von der Verfassung vorausgesetzten Staatsaufgaben gehört, dürfte weitgehend unbestritten sein.“ 794 Kritisch gegenüber der Bezeichnung einer Sachmaterie als „originäre“ oder „geborene“ Staatsaufgabe dagegen die Vertreter der verfassungsstaatlichen Staatsaufgabenlehre, vgl. etwa Möllers, Staat als Argument, S. 390 f.; Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11, 14 ff.; Schuppert, Staatswissenschaft, S. 309 f. Da diese Sichtweise es ablehnt, den Staat als vorkonstitutionellen Grundtypus, als Verfassungsvoraussetzung, zu begreifen, ziehen ihre Vertreter den Begriff der Verfassungsaufgabe jenem der („originären“ bzw. „geborenen“) Staatsaufgabe vor. Die bisherige Untersuchung hat indes gezeigt, dass die staatstheoretischen Überlegungen zu Entstehung und Rechtfertigung von Staaten gerade nicht auf eine bestehende Verfassung angewiesen sind, sondern losgelöst vom positiven Recht dazu beitragen können, ein differenziertes Vorverständnis über die Aufgaben des Staates zu entwickeln. Verfassungen knüpfen daher nach vorzugswürdigem Verständnis an den Staat an, vgl. grundlegend Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 1. Sie aktualisieren und komplettieren staatliche Aufgaben und überführen sie in die Sphäre des Verfassungsrechts. In seiner Entscheidung zum „Lissabon-Vertrag“ hat jüngst auch das Bundesverfassungsgericht den Staat und seine unverzichtbaren Aufgaben in den Blick genommen. In Bezug auf die Frage, in welchem Umfang Deutschland an der Entwicklung der Europäischen Union mitwirken darf, führt das Gericht aus, den Staaten müsse die Kompetenz für solche Sachbereiche verbleiben, die für die demokratische Selbstgestaltungsfähigkeit eines Verfassungsstaates besonders bedeutsam seien, BVerfGE 123, 267, 358 f. Zu diesen „seit jeher“ sensiblen Bereichen zählte insbesondere auch das staatliche Gewaltmonopol nach innen und außen. Die Aufgabe, ein geordnetes menschliches Zusammenleben durch Schutz zu sichern und durchzusetzen (Sicherung des Rechtsfriedens) sei daher eine „zentrale Aufgabe“ des Staates, vgl. BVerfGE 123, 267, 408. 790

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2. Teil: Die Aufgaben des Staates

Überlegungen. Es wird dabei zu klären sein, ob die Finanzverfassung Vorgaben enthält, auf welche Weise staatliche Aufgaben zu finanzieren sind. Schließlich sollen die gefundenen Ergebnisse zusammengeführt werden und so eine Aussage darüber ermöglichen, ob Gefahrenabwehrmaßnahmen über Gebühren finanziert werden können.

Dritter Teil

Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt Der Steuerstaat stellt eine Verbindung her zwischen dem Begriff des Staates und einem seiner Finanzierungsinstrumente: der Steuer. 1 Nachdem der Blick zunächst auf die Entstehung und Entwicklung des Staatstypus des Steuerstaates zu richten ist (I.), bedarf es daran anschließend einer Auseinandersetzung mit den gegenwärtig angebotenen Ansätzen, die das Wesen und die Charakteristika des Steuerstaates beschreiben (II.).

I. Historische Entwicklung des Steuerstaates Jeder Steuerstaat ist zugleich auch Finanzstaat, sind Steuern doch Abgaben und damit Geldleistungen, die der Staat erhebt, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Steuerstaat und Finanzstaat stehen folglich zueinander im Verhältnis der Spezialität. 2 Obwohl der Begriff des Steuerstaates erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts geläufig wurde, 3 begann die tatsächliche Entwicklung vom Feudalverband 1 Vgl. schon Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 23: „Deshalb hat ‚Steuer‘ soviel mit ‚Staat‘ zu tun, daß der Ausdruck ‚Steuerstaat‘ beinahe als Pleonasmus erscheinen könnte.“ Ähnlich auch Preuß, in: Deiseroth / Hase / Ladeur (Hrsg.), Ordnungsmacht?, S. 46, 47 (Steuer als „Geburtshelfer“ des modernen Staates); zu der historischen Verknüpfung von Steuer und Staat siehe auch Vogel, Der Staat 25 (1986), 481, 498. 2 Vgl. Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 51; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 29. 3 Der Begriff stammt aus der Finanzwissenschaft und taucht zunächst im Jahr 1917 auf bei Goldscheid, Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, S. 24, 32, 41, und passim. In seiner Erwiderung auf Goldscheid spricht 1918 auch Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 5, 8, 14, und passim, von dem Steuerstaat. Ausführlich hierzu Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 133 ff.; ferner etwa Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 12 f. Der Sache nach beschrieben wurde der Steuerstaat in seiner quantitativen Dimension bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Lorenz v. Stein, der dabei den Begriff explizit jedoch noch nicht verwendete. So führt v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Th. II, Abth. 1, S. 133, aus, bei der allgemeinen Steuerpflicht handele es sich „gegenwärtig“ um die „einzig genügende(n) Grundlage der Staatseinnahmen“. Noch deutlicher wird er in einer weiteren

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

des Spätmittelalters hin zum überwiegend auf Steuereinnahmen angewiesenen Gemeinwesen bereits deutlich früher: Die Landesherren des Spätmittelalters bzw. der frühen Neuzeit verstanden die von ihnen beherrschten Territorien als ihre eigenen Angelegenheiten, nicht als eine Angelegenheit des Staates, in dem sie regierten. 4 Die Finanzverhältnisse des Staates waren daher untrennbar verbunden mit der Finanzwirtschaft des jeweiligen Landesherrn. 5 Auf der einen Seite stellten Staatseinnahmen im heutigen Wortsinne für den Fürsten persönliche Einnahmen dar. Auf der anderen Seite musste der Landesherr die Ausgaben für alle politischen Angelegenheiten, die das Territorium betrafen, aus seinen eigenen finanziellen Mitteln bestreiten. 6 Dass es sich bei den Einnahmen um persönliche Einnahmen des Landesfürsten handelte, resultierte aus dessen herausgehobener Stellung und der damit verbundenen Rechte und Besitzungen. So waren neben den Erträgen aus der Dominialwirtschaft die Einkünfte aus den fürstlichen Regalien 7 eine wichtige Einnahmequelle im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit. 8 Zu den dominialwirtschaftlichen Erträgen zählten etwa die Einkünfte aus Feldern, Weinbergen und Viehbeständen, daneben aber auch Einnahmen aus dem Betrieb von SchmiePassage seines Lehrbuchs (a. a. O., S. 346 f.), auf die im abgabenrechtlichen Schrifttum auch heute noch häufig Bezug genommen wird: „Seitdem dieselben (Anm.: die Steuern) entstanden sind, haben sie alle anderen Einnahmen des Staats so sehr überragt, daß dieselben neben ihnen fast unbedeutend erscheinen (...).“ Normative Bedeutung wurde dem Begriff des Steuerstaates in der Bundesrepublik Deutschland überwiegend erst in den 1970er-Jahren beigemessen, vgl. Wieland, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, S. 771, 777; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 149, 151 f. 4 Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 12. Diesem Verständnis liegt der patrimoniale Gedanke zugrunde, mithin der Vergleich des Fürsten mit einem Grundeigentümer, dessen Gewalt sich nicht nur auf Grundstücke und Gebäude, sondern auch auf die in dem Gebiet lebenden Menschen als „Bestandteil“ der Besitzungen erstreckt. Zu dieser Theorie, die auch fruchtbar gemacht wurde, um die Entstehung von Staatlichkeit zu erklären, vgl. bereits oben Zweiter Teil, A. II. 1. a) cc). 5 Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 33; Vogel, Der Staat 25 (1986), 481, 495; allgemein E. Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, S. 17; zur Untrennbarkeit der Finanzwirtschaft von Reich und König im Mittelalter siehe Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 106. 6 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 133. 7 Zu Begriff und Geschichte Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 39 ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II, S. 136 f.; Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 34 f.; Wegener, Art. Regalien, in: Erler / Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. IV, Sp. 472 ff. 8 Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 34 f.; P. Kirchhof, StbJb. 51 (1999/2000), 17, 18; Körner, in: Schremmer (Hrsg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart, S. 53, 68; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 106; zu beiden Einnahmequellen auch E. Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, S. 12 f.

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

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den und anderen Handwerksbetrieben. 9 Bedeutsame Regalien, deren Nutzung die Landesherren gegen ein Entgelt gestatteten, waren etwa das Markt-, Fischerei-, Forst-, Münz-, Berg- und Salzregal, ferner das Wege- und Zollregal. 10 Steuern wurden im Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit dagegen nur ausnahmsweise und meist unregelmäßig erhoben. 11 Auf regelmäßige und umfangreiche Steuereinnahmen neben den genannten Einnahmequellen waren die Landesherren zunächst nicht angewiesen, da noch keine hohen und regelmäßigen Ausgaben getätigt werden mussten. 12 Diese Situation änderte sich jedoch zum einen durch steigende Kosten für die aufwendige fürstliche Hofhaltung und Repräsentation in der Epoche des Absolutismus. 13 Beträchtliche und regelmäßige Ausgaben verursachte zum anderen aber auch das Bereithalten eines stehenden Heeres 14 sowie die Schaffung eines modernen Verwaltungsapparates. 15 Diese ansteigenden Ausgaben konnten durch die – geringen und häufig schwankenden – Einnahmen aus der landesherrlichen Eigenwirtschaft nicht mehr hinreichend gedeckt 9

Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 34. Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 35; siehe auch Mußgnug, Der Staat, Beiheft 9, 79, 80. 11 Bosl, in: Schremmer (Hrsg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart, S. 43, 45; Ehrlicher, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), StL, Bd. V, Sp. 294, 297; Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 12; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 12; Vogel, Der Staat 25 (1986), 481, 486; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 55; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 473; vgl. auch Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 27, 36. Zu den außerordentlichen Steuern Brunner, Land und Herrschaft, S. 292 ff.; Mayer, in: Gerloff / Meisel (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 210, 218 f. 12 Da die Vasallen gegenüber den Fürsten verpflichtet waren, ein gewisses Kontingent an Reitern und Fußvolk bereitzustellen, Verteidigungsanlagen zu unterhalten sowie für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu sorgen, mussten diese keine hohen Summen für die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit aufwenden. Darüber hinaus konnten die Landesherren einen beträchtlichen Teil ihrer Verwaltungskosten einsparen, indem sie Schreib- und Verwaltungsdienste auf die Kirchen und Klöster abwälzten, vgl. dazu Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 34. 13 Preuß, in: Deiseroth / Hase / Ladeur (Hrsg.), Ordnungsmacht?, S. 46, 47; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 14; Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“, S. 41, 206, sowie, am Beispiel von Kurbayern und Hessen, S. 71 f.; Ullmann, Der deutsche Steuerstaat, S. 21, 23. In den kleineren Fürstentümern waren die finanziellen Belastungen durch die Hofhaltung besonders hoch, da dort versucht wurde, die höfische Repräsentation der einflussreichen Fürsten zu kopieren, siehe Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 42; ferner Schwennicke, „Ohne Steuer kein Staat“, S. 72 mit Fn. 212. 14 Preuß, in: Deiseroth / Hase / Ladeur (Hrsg.), Ordnungsmacht?, S. 46, 47; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 131; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 14 f.; vgl. auch Schwennicke, Ohne Steuer kein Staat“, S. 206 ff. 15 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 108. 10

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

werden. 16 Der Übergang von der Dominialwirtschaft hin zum überwiegend steuerfinanzierten Staat stellte sich dabei als ein sukzessiver Prozess dar. Für das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland sind allerdings nicht zuletzt aufgrund der weitgehenden Eigenständigkeit der einzelnen Territorien in der frühen Neuzeit zeitlich exakte Angaben über das Aufkommen des Steuerstaats nicht möglich. Die ersten vereinzelten Steuern, die regelmäßig und nicht nur in besonderen (Kriegs-)Fällen erhoben wurden, entstanden zwar im 15. Jahrhundert. 17 Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber hatte sich die Steuer in allen Gebieten des Deutschen Reiches als die tatsächlich dominierende Einnahmequelle des Staates durchgesetzt. 18

II. Elemente der Steuerstaatlichkeit Der Steuerstaatsbegriff wird in der staatsrechtlichen Diskussion in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht; er soll Aussagen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht enthalten. 19 Nachdem im Folgenden zunächst die tatsächliche Einnahmensituation der öffentlichen Haushalte zu bewerten ist, wird im Anschluss daran zu klären sein, ob ein Zusammenhang zwischen dem Steuerstaatsprinzip und der tatsächlichen Einnahmensituation des Staates hergestellt werden kann. In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, welche qualitativen Aussagen mit dem „Prinzip des Steuerstaates“ 20 verbunden sind. Dabei kommt der Frage, ob der Steuerstaat zugleich eine bestimmte Wirtschafts- und Finanzverfassung erfordert, besondere Bedeutung zu.

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Vgl. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Th. II, Abth. 1, S. 133; Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 56. 17 Häuser, in: Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 3, 36. Ähnlich Mayer, in: Gerloff / Meisel (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 210, 218, der die außerordentlichen Steuern des Mittelalters als die Vorläufer der modernen direkten Steuer beschreibt und dazu weiter ausführt: „Die außerordentlichen Steuern sind im 13. Jahrh. aufgekommen und galten damals noch als ungewöhnlich, im 14. und 15. Jahrh. sind sie aber in den meisten Territorien zu einer häufig wiederkehrenden und im Laufe des 16. Jahrhs. zu einer ständigen Einrichtung geworden.“ 18 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 473, unter Verweis auf die Einnahmensituation in Bayern; Hedtkamp, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 11, 12, unter Verweis auf die Einkünfte in Preußen und Bayern bis zum Ersten Weltkrieg. Ähnlich Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 12. 19 Vgl. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 337: „Mischbegriff“; ferner F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137. 20 Begriff: BVerfGE 78, 249, 267; 93, 319, 342.

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

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1. Steuerstaatsprinzip und tatsächliche Einnahmensituation des Staates Dem Prinzip des Steuerstaates wird von Teilen der Lehre eine quantitativbeschreibende Dimension beigemessen. 21 So wird im Zusammenhang mit dem Steuerstaatsbegriff untersucht, wie sich die Einnahmen des Staates in tatsächlicher Hinsicht darstellen und ob der Steuer dabei der Höhe nach eine herausgehobene Bedeutung zukommt. 22 Betrachtet man die Gesamteinnahmen der öffentlichen Haushalte, so können für eine Untersuchung des Zahlenmaterials verschiedene Darstellungsformen gewählt werden: Es bietet sich zunächst an, die Steuereinnahmen zu den Gesamteinnahmen des jeweiligen Bezugsobjekts oder aber zu den einzelnen Einnahmen aus anderen Abgabenarten, insbesondere aus Gebühr und Beitrag, in Bezug zu setzen. Innerhalb dieser Vorgehensweise kann weiter danach differenziert werden, ob die Einnahmensituation jeweils getrennt für Bund, Länder und Kommunen bewertet werden soll oder ob die Untersuchung die Summe der Einnahmen aller staatlichen Ebenen in den Blick nimmt. 23 Vor diesem Hintergrund lassen sich für das Jahr 2006 die folgenden Aussagen über die Einnahmensituation des Staates treffen: 24 Die bereinigten Einnahmen aller öffentlichen Haushalte beliefen sich auf 990,13 Mrd. Euro. Die Einnahmen aus Steuern betrugen dabei 487,5 Mrd. Euro bzw. 49,2 %. 25 Auf der Ebene des Bundes stellt sich die Bedeutung der Steuer innerhalb der Gesamteinkünfte dagegen anders dar: Bei Gesamteinnahmen von 254,5 Mrd. 21 Vgl. etwa F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145 f.; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 28; anders etwa Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2. 22 Entsprechende Untersuchungen finden sich etwa bei Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 154 f.; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 106 ff.; vgl. auch F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145 ff. 23 Vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 154 f. 24 Das Zahlenmaterial ist entnommen aus: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 (Fachserie 14, Reihe 3.1), Tabellenteil, Tabelle 4.1. Die prozentualen Angaben beruhen auf eigenen Berechnungen. Soweit dies zweckmäßig erschien, wurden einzelne Werte gerundet. Älteres Zahlenmaterial findet sich etwa bei Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 154 f.; sowie Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 106 ff. 25 Ähnlich stellte sich die Situation bereits 1995 dar: Die bereinigten Einnahmen der öffentlichen Haushalte beliefen sich auf 1740 Mrd. DM, der Steueranteil betrug etwa 46,8 % (814,3 Mrd. DM). Die genannten Werte sind der Untersuchung von Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 155, entnommen.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Euro beliefen sich die Einnahmen aus Steuern auf über 225 Mrd. Euro bzw. auf fast 89 %. 26 Auch auf Landesebene wird die herausgehobene Position der Steuer unter den Staatseinnahmen deutlich. Die bereinigten Einnahmen aller Bundesländer beliefen sich auf etwa 250 Mrd. Euro; dabei entfielen knapp 180 Mrd. Euro bzw. ca. 72 % auf Steuern. Eine andere Situation zeichnet sich dagegen bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden ab. Von Gesamteinnahmen in Höhe von ca. 160 Mrd. Euro betrug der Steueranteil lediglich etwa 38 % bzw. knapp 61 Mrd. Euro. Betrachtet man auf der Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte das Verhältnis der Steuer zu anderen Abgaben, so wird deutlich, dass die Einnahmen aus Steuern (487,5 Mrd. Euro) nur knapp vor den insbesondere aus Sozialversicherungsbeiträgen bestehenden steuerähnlichen Abgaben (394,8 Mrd. Euro), 27 aber weit vor Gebühren und sonstigen Entgelten (27,1 Mrd. Euro) rangieren. Isoliert man die einzelnen Abgabenarten aus den Einnahmen des Bundes (bzw. der Länder), so lässt sich die besondere Bedeutung des Finanzierungsinstruments der Steuer belegen: Den Steuereinnahmen des Bundes in Höhe von ca. 225 Mrd. Euro (Länder: ca. 180 Mrd. Euro) standen keine Einnahmen aus steuerähnlichen Abgaben (Länder: ca. 1,15 Mrd. Euro) bzw. mit ca. 4,8 Mrd. Euro (Länder: 5,4 Mrd. Euro) relativ geringe Einnahmen aus Gebühren und sonstigen Entgelten gegenüber. Selbst auf kommunaler Ebene nehmen die Einnahmen aus Steuern gegenüber nichtsteuerlichen Abgaben den ersten Rang ein: Die Steuereinnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften betrugen 2006 knapp 61 Mrd. Euro und übertrafen die Einnahmen aus Gebühren und sonstigen Entgelten in Höhe von ca. 16 Mrd. Euro nahezu um den Faktor vier. 28 Ob aufgrund des nachgewiesenen Zahlenmaterials angezweifelt werden sollte, dass die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die tatsächliche Einnahmen26

Zwei Jahre zuvor, im Jahr 2004, betrug der Steueranteil an den Gesamteinnahmen des Bundes nur 80,2%, vgl. Eckhoff, Art. Steuer, Steuerrecht, in: Heun u. a. (Hrsg.), EvStL, Sp. 2373, 2375. 27 Zum Gewicht der Sozialversicherungsbeiträge für die Einnahmensituation der öffentlichen Haushalte F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145 f.; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 54 mit Fn. 175; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 10; ferner etwa Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 1. 28 Die Einnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften aus steuerähnlichen Abgaben betrugen lediglich 75 Mio. Euro. Der mit ca. 38 % relativ niedrige Anteil der Steuern an den Gesamteinnahmen der Kommunen, s. o., ergibt sich aus dem Umstand, dass Gemeinden und Gemeindeverbände in beträchtlichem Maße Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erhalten. So betrugen im Jahr 2006 die Schlüsselund Bedarfszuweisungen sowie die sonstigen allgemeinen und zweckgebundenen Zuweisungen an die Kommunen mehr als 50 Mrd. Euro, Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 (Fachserie 14, Reihe 3.1), Tabellenteil, Tabelle 10.2.

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

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situation als ein Steuerstaat zu bezeichnen ist, kann hier offen bleiben: 29 Die tatsächliche Einnahmensituation eines Gemeinwesens kann jedenfalls ein normativ verstandenes Steuerstaatsprinzip weder begründen, noch kann ein solches durch empirisches Material näher ausgestaltet oder untermauert werden. 30 Die aktuellen Staatseinnahmen sind von Bedeutung für Politik und Finanzwissenschaft, liefern sie doch das Material, mit dem der gesamtwirtschaftliche IstZustand eines Gemeinwesens erfasst und etwa für die Finanzplanung fruchtbar gemacht werden kann. Sein und Sollen, Politik und Verfassung, dürfen, obwohl sie aufeinander bezogen sind, 31 indes nicht gleichgesetzt werden. 32 Mit dem Steuerstaatsprinzip einerseits und der tatsächlichen Einnahmensituation des Staates andererseits sind daher Elemente unterschiedlicher Ebenen angesprochen. Die tatsächliche Einnahmensituation des Staates lässt sich damit weder als quantitatives (empirisch-deskriptives) Element des Steuerstaatsprinzips begreifen, noch hängt die Gültigkeit dieses Prinzips davon ab, wie sich die Einkünfte der öffentlichen Haushalte tatsächlich darstellen. 29 Ablehnend gegenüber der Qualifizierung der Bundesrepublik Deutschland als Steuerstaat in tatsächlicher Hinsicht etwa Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 155; dies., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 188, 198; a. A. Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 16; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 108; vgl. auch Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 118. 30 Vgl. Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 16. Auf der anderen Seite lassen sich dem Prinzip des Steuerstaates keine Vorgaben über den Anteil der Steuereinnahmen an den gesamten Einkünften des Staates entnehmen; vgl. zu Recht Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 6; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 54; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 53. Selbst wenn dies aber unterstellt würde, so ließen sich handhabbare Vorgaben und Kriterien für die tatsächliche Einnahmengestaltung aus dem Steuerstaatsprinzip nicht ableiten, dazu Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 162; Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 156; Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, 1153, 1164; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 475. A. A. Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 95, der dem „Grundsatz vom Vorrang der Steuerfinanzierung“ eine Mindestvorgabe von 50 % für den tatsächlichen Anteil der Steuern an den Gesamteinnahmen des Staates entnehmen will. Ähnlich auch Hendler, DÖV 1999, 749, 756; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 81; kritisch demgegenüber Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, 1153, 1164. Vgl. auch Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 76. 31 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 179 f.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 119 f. 32 Vgl. Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 234; ferner Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 106; gegen die Zulässigkeit eines Schlusses von dem Realen auf das Normative im Hinblick auf das Steuerstaatsprinzip auch Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

2. Steuerstaatsprinzip und Wirtschafts- und Finanzverfassung Wie erwähnt, lassen sich dem Prinzip des Steuerstaates keine Aussagen darüber entnehmen, in welcher Höhe bzw. zu welchem prozentualen Anteil der Staat seine Einnahmen aus Steuern zu bestreiten hat. 33 Auch im Steuerstaat müssen Einnahmen damit nicht ausschließlich Steuereinnahmen sein; die Steuer braucht nicht „die bei weitem überwiegende Stelle in der Gesammtheit der Staatseinnahmen“ 34 zu beanspruchen. 35 Verlangt das Prinzip des Steuerstaats demnach keine „absolute Steuerfinanzierung“, so sind jedoch die beiden folgenden Aspekte eng mit der Steuerstaatlichkeit verbunden: die Trennung von Staat und Wirtschaft sowie die besondere Bedeutung der Steuer für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben. 36 a) Die Trennung von Staat und Wirtschaft Die Entscheidung für die Steuerstaatlichkeit ist zugleich eine Absage an die Identität von Staat und Wirtschaft: Staatliches Handeln und wirtschaftliche Tätigkeit folgen jeweils unterschiedlichen Sachgesetzlichkeiten. 37 Maßstab und Ausgangspunkt staatlichen Handelns hat das Gemeinwohl zu sein. 38 Der Staat darf nur tätig werden, wenn er – jedenfalls auch – öffentliche, der Allgemeinheit dienliche Interessen verfolgt. 39 Die Wirtschaft hingegen nimmt als Bestandteil der gesellschaftlichen Sphäre an den grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen teil. 40 Nicht die Pflicht zu gemein33

Vgl. oben Fn. 30. So noch v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Th. II, Abth. 1, S. 133. 35 Vgl. Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 21. 36 Vgl. dazu auch F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 138 f., 147 ff.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 334 f. 37 Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 59; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 331. 38 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 12, 21; MüllerFranken, in: FS Isensee, S. 229, 233; Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 30. 39 Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 59; vgl. auch oben Zweiter Teil, A. I. 4. a) aa). 40 Zur verfassungstheoretischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und der damit verbundenen Geltung des Prinzips der rechtlichen Bindung einerseits, sowie jenem der grundrechtlichen Freiheit andererseits allg. etwa Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 38; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 259; ders., in: FS H. P. Ipsen, 34

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

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wohlorientiertem Handeln bildet ihren Verhaltensmaßstab; wirtschaftliches Handeln wird in erster Linie von den Gesetzen des Marktes beeinflusst. So ist jede wirtschaftliche Unternehmung bestrebt, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. 41 Um dieses Ziel realisieren zu können, werden Unternehmen aus der freien Wirtschaft häufig solche gemeinwohlbezogenen Aspekte vernachlässigen, die für ihre eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht von Bedeutung sind bzw. die sich auf diese gar negativ auswirken. Wäre die Wirtschaft dazu verpflichtet, stets auch auf das Gemeinwohl Rücksicht zu nehmen, so wäre diese Vorgabe zumeist mit einem Gewinnrückgang verbunden: Müssten Unternehmen etwa stärker als bisher den Umweltschutz (Art. 20a GG) berücksichtigen, würden sie stärker in das Bemühen um soziale Gerechtigkeit (vgl. Art. 20, Art. 28 GG) und einen hohen Beschäftigungsstand (Art. 109 Abs. 2 GG) 42 einbezogen, so würde dadurch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemindert: Betriebliche Investitionen in umweltschonende und nachhaltige Produktionsverfahren kommen zwar der Allgemeinheit zugute. Sie sind in der Regel jedoch mit höheren Produktionskosten verbunden, die sich unter Umständen nicht durch einen höheren Produktpreis an die Abnehmer weitergeben lassen. Steigen aber die Produktionskosten bei gleichbleibenden Verkaufspreisen an, so vermindert sich der Gewinn des Unternehmens. Wenn auf der anderen Seite der Staat bei seiner Aufgabenerfüllung stärker auf die Erzielung von Einnahmen zu achten hätte, müsste er die im öffentlichen Interesse liegenden, zugleich aber wirtschaftlich defizitären Projekte reduzieren oder ganz einstellen. Der steuerstaatlichen Trennung von Staat und Wirtschaft liegt daher die Überlegung zugrunde, dass auf diese Weise beide Sphären effektiv anhand der auf sie zugeschnittenen Maßstäbe ihre Pflichten erfüllen bzw. ihre Ziele realisieren können: 43 Eine effektive, auf Gewinnmaximierung ausgelegte Wirtschaftstätigkeit wird nicht durch eine Bindung an das Gemeinwohl gehemmt. Zugleich kann sich der Staat nicht von wichtigen, wenngleich defizitären Tätigkeitsbereichen mit dem Verweis auf Wirtschaftlichkeitserwägungen freizeichnen. Als Folge dieser Unterscheidung von Staat und Wirtschaft ist es dem Staat grundsätzlich 44 untersagt, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigten S. 409, 417; Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 233 f.; ders., DVBl. 2009, 1072, 1078; Rupp, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 31 Rn. 33. 41 Vogel, Der Staat 25 (1986), 481, 512 f.; ders., in: Randelzhofer / Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt, S. 133, 136; dazu auch Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 353. 42 Zum Begriff des hohen Beschäftigungsstandes näher etwa Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 194. 43 Vgl. Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 59 f.; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 331. 44 Zu Ausnahmen siehe Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 431 f.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 141.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Finanzmittel selbst zu erwirtschaften. 45 Er beteiligt sich vielmehr am Ertrag der Wirtschaft durch das Finanzierungsinstrument der Steuer. 46 Der Staat ist somit zugleich auf den ökonomischen Erfolg von Unternehmen wie Privatpersonen angewiesen, da er Steuern nur dort erheben kann, wo die Abgabenschuldner in der Lage sind, diese Mittel auch aufzubringen. 47 Er darf daher zum einen das Wirtschaftsleben nicht in einem solchen Maße reglementieren, dass Überschüsse nicht mehr erwirtschaftet werden können. 48 Zum anderen darf er Erträge nicht überhöht besteuern, da anderenfalls der Wirtschaft keine Finanzmittel verbleiben würden, mit denen sie Investitionen tätigen und damit langfristig ihre eigenen Erträge sichern könnte. 49 Nur wenn der Steuerstaat diese Vorgaben berücksich45 Ehlers, Jura 1999, 212, 214; Häde, JA 1994, 1, 4; Höfling, StuW 1992, 242, 243; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 416 f.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; P. Kirchhof, Jura 1983, 505; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 348; Müller-Franken, JuS 1997, 872, 874; Rodi, in: Becker-Schwarze u. a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121, 131; weniger streng offenbar Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 17. Vgl. auch Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 217, der dem Prinzip des Steuerstaates zwar eine Begrenzungsfunktion für erwerbswirtschaftliche Betätigung, nicht aber auch für die staatliche Eigenproduktion von Gütern zur Erfüllung von Aufgaben entnehmen will. 46 Breuer, DVBl. 1992, 485, 489; Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 14; Friauf, DÖV 1980, 480; Höfling, StuW 1992, 242, 243; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 417; Jachmann, StuW 1997, 299, 300; dies., in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2; P. Kirchhof, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33, 34; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 5, 86; Köck, JZ 1991, 692, 694; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 117 f.; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 157 f.; Morgenthaler, SächsVBl. 1994, 97, 99; MüllerFranken, JuS 1997, 872, 874; ders., in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 53; Papier, KritV 1987, 140; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 28 f.; Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 86; Vogel, Der Staat 25 (1986), 481, 517; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 330. Da der Staat durch die Erhebung von Steuern auf eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit wie auf die Heranziehung der Bevölkerung zu Dienstleistungen verzichten kann, wird dem Einzelnen auf diese Weise eine weitgehende freie marktwirtschaftliche Entfaltung ermöglicht, vgl. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 357, 359, sowie unten B. I. 47 Nach dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, hierzu näher unten C. I., stellt sich die Steuer gerade als eine Geldleistungspflicht dar, die der Schuldner wegen (und nicht unabhängig von) seiner Leistungsfähigkeit bzw. Zahlungsfähigkeit zu tragen hat, vgl. P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 226; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 50; Müller-Franken, JuS 1997, 872, 874; dens., in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 63; ferner Breuer, DVBl. 1992, 485, 489; Höfling, StuW 1992, 242, 243. 48 So könnten strenge gesetzliche Vorgaben an die Unternehmen etwa im Bereich der oben genannten Beispiele des Umweltschutzes, der sozialen Gerechtigkeit und des hohen Beschäftigungsstandes die Einkünfte des Produktionssektors erheblich mindern. 49 Dazu bereits Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, S. 26. Siehe auch Breuer, DVBl. 1992, 485, 489; sowie, zur Überbesteuerung, ferner Heun, in: Sacksofsky / Wieland

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

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tigt, ist eine Partizipation des Staates am Ertrag privaten Wirtschaftens langfristig möglich. b) Steuer als Finanzierungsinstrument allgemeiner Staatsaufgaben Auch wenn der Steuerstaat als Staatstypus – der Name zeichnet dies bereits vor – seine Einnahmen grundsätzlich aus Steuern zu finanzieren hat, bedeutet dies, wie erwähnt, nicht, dass zu diesem kein anderes Finanzierungsmittel hinzutreten könnte. 50 Nachvollziehbar wird das Gesagte etwa am Beispiel des deutschen Staates. Bereits der Verfassungstext selbst gestattet vereinzelt andere Finanzierungsformen: Art. 105 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 S. 1 GG treffen Regelungen über die Finanzmonopole 51 des Staates; Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG erwähnt die „Ablieferungen“ von Bundesbetrieben und Sondervermögen des Bundes. 52 Aus Art. 135 Abs. 6 GG lässt sich entnehmen, dass auch Beteiligungen des Staates an Privatunternehmen und damit Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen sind. 53 Neben den Aussagen zu Finanzmonopolen, Ablieferungen sowie der privatwirtschaftlichen Betätigung kann einigen Vorschriften entnommen werden, dass dem Grundgesetz auch weitere nichtsteuerliche Finanzierungsformen geläufig sind. So setzen Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG und Art. 80 Abs. 2 GG die Existenz von Gebühren voraus, während Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung regelt 54 und damit – ebenso wie Art. 87 Abs. 2 GG, der (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 18; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 349. 50 Gawel, Der Staat 39 (2000), 209, 210; Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 4; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 418; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 140, 143 ff.; Köck, JZ 1991, 692, 695; Rodi, JZ 2000, 827, 832; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 70; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 333; vgl. auch BVerfGE 82, 159, 181. 51 Der Unterschied zwischen Finanzmonopol und (Verbrauch-)Steuererhebung ist indes gering, vgl. unten Fn. 169; sowie Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 220; Häde, Finanzausgleich, S. 145; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 255; siehe auch BFHE 63, 409, 412 f. Als Finanzmonopol verblieben ist heute einzig das Branntweinmonopol, vgl. nur Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 196; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 16. 52 Vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 270. 53 Gem. Art. 135 Abs. 6 GG gehen Beteiligungen an Unternehmen des privaten Rechts des ehemaligen Landes Preußen auf den Bund über. Einen weiteren Hinweis darauf, dass sich die Verfassung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates bewusst ist, gibt Art. 110 Abs. 1 GG, der haushaltsrechtliche Vorgaben für Bundesbetriebe aufstellt. Erdmann, DVBl. 1998, 13, 14, nennt zudem Art. 134 GG als weiteren Beleg dafür, dass die Verfassung Anhaltspunkte für eine gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand enthalte.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

die Rechtsverhältnisse der Sozialversicherungsträger betrifft – an das Finanzierungsinstrument des Sozialversicherungsbeitrages anknüpft. 55 Darüber hinaus sind neben den genannten Typen staatlicher Einnahmen weitere Abgabenarten denkbar, da das Grundgesetz keinen abschließenden Katalog über die zulässigen Finanzierungsmittel des Staates enthält. 56 Öffentlichen Abgaben, und hier scheint der Bezug zum Steuerstaatsprinzip wieder auf, kommt im Grundgesetz jedoch eine unterschiedliche Bedeutung zu. 57 Die Steuer genießt bereits im Hinblick auf die Regelungsdichte in der Verfassung eine gegenüber den nichtsteuerlichen Abgaben herausgehobene Position. 58 54 Obgleich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nur die Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung zugewiesen wird, ist anerkannt, dass dieser Kompetenztitel zugleich „aus sich heraus“ Aussagen auch über die Finanzierungsformen dieser Materie enthält, dazu BVerfGE 75, 108, 148; 93, 319, 344; vgl. auch Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 118; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 345, 454 ff. 55 Die Bedeutung des Sozialversicherungsbeitrages für die Finanzierung der Sozialversicherungsträger wird an der tatsächlichen Einnahmensituation deutlich: Bei Gesamteinnahmen der Sozialversicherung im Jahr 2006 von ca. 489 Mrd. Euro beliefen sich die Einnahmen aus Steuern auf 0 Euro, aus steuerähnlichen Abgaben auf ca. 393 Mrd. Euro und aus Gebühren und Entgelten auf nur 34 Mio. Euro. Besondere Bedeutung für die Einnahmen der Sozialversicherungsträger kommt ferner den laufenden Zuweisungen und Zuschüssen des öffentlichen Bereichs zu, Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 (Fachserie 14, Reihe 3.1), Tabellenteil, Tabelle 4.1. 56 BVerfGE 82, 159, 181; 93, 319, 342; 110, 370, 387; 113, 128, 146 f.; BVerwGE 44, 202, 205; Arndt, WiVerw 1990, 1, 6; Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 168; Häde, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 9, 12; Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 20 f.; Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 443; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 8; Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 5 f.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 143 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 18; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 172; Pahlke, in: ders. / Koenig, AO, § 3 Rn. 33; Rodi, JZ 2000, 827, 832; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 162; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 345; Waldhoff, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 153, 163; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 83; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 154; a. A. das Sondervotum der Richter Rinck, Steinberger sowie Träger zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Berufsbildungsabgabe, vgl. BVerfGE 55, 274, 329. 57 Arndt, WiVerw 1990, 1, 6. 58 Die Regelungen der Finanzverfassung sind zu einem großen Teil auf die „Abgabe par excellence“, die Steuer, bezogen, vgl. Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 12. Die umfassenden Regelungen in Bezug auf das Institut der Steuer betonen auch Friauf, in: FS Haubrichs, S. 103, 106; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG,

A. Staatsform Steuerstaat: Begriff und Gehalt

205

Das Grundgesetz nennt nichtsteuerliche Abgaben dagegen nur vereinzelt 59 und bringt damit ihren Ausnahmecharakter gegenüber der Regelfinanzierung durch Steuern zum Ausdruck. 60 Dies wird deutlich anhand des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes, in dem der Steuer im Hinblick auf die Regelungsdichte ein quantitativer Vorrang vor nichtsteuerlichen Abgaben zukommt: Bereits die umfangreichen steuerbezogenen Regelungen der Art. 105 sowie 106 GG heben sich deutlich von den nur beiläufig erwähnten nichtsteuerlicher Abgaben in den Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 und 22, 80 Abs. 2, 87 Abs. 2 GG ab. Die Sonderstellung der Steuer ergibt sich darüber hinaus aber auch aus materiellen Regelungen, die inhaltliche Vorgaben für diesen Regeltyp staatlicher Einnahmen enthalten: So stellt der aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, resultierende Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine besonders qualifizierte Anforderung an das Steuergesetz auf. 61 Die Steuer unterliegt dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, 62 welches die hinreichend bestimmte Regelung von Steuergegenstand, Steuerschuldner, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz im Tatbestand des jeweiligen Gesetzes verlangt und insoweit eine Delegation auf nicht unmittelbar demokratisch legitimierte staatliche Stellen ausschließt. 63 Weicht der Gesetzgeber von dem strengen Reglement des Steuerstaates ab, indem er andere Abgaben einführt, so muss hierfür ein besonderer Sachgrund vorliegen. 64 Die Einführung nichtsteuerlicher Abgaben bedarf daher, neben allgeArt. 105 Rn. 53; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 342; ähnlich P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931. 59 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 342, 345. 60 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 416; vgl. auch Rodi, in: Becker-Schwarze u. a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121, 131. 61 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 429; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 219 f.; Pahlke, in: ders. / Koenig, AO, § 3 Rn. 51; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 480 ff.; vgl. auch Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 20; Rodi, Die Subventionsrechtsordnung, S. 538; zur Herleitung des steuerrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 129; Ruban, JöR NF 37 (1988), 415, 436. 62 BVerfGE 19, 253, 267; 49, 343, 362; 73, 388, 400; vgl. ferner BVerfGE 13, 318, 328; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 429; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 476; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 400; allgemein Birk, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 4 AO Rn. 61; Drüen, in: Tipke / Kruse, AO, § 3 Rn. 37; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 507; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 153 ff. 63 Vgl. Drüen, in: Tipke / Kruse, AO, § 3 Rn. 37; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 507; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 104. 64 Einen weiteren Grund für das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung nennt Waldhoff, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 153, 163: Da der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe in der Regel zugleich Steuerschuldner und

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

meinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, 65 einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. 66 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung von dem konkret in Rede stehenden Abgabentyp abhängen. 67 Es bleibt damit festzuhalten, dass das Steuerstaatsprinzip die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zwar erlaubt, der Steuer als dem grundsätzlichen Finanzierungsinstrument im Steuerstaat zugleich aber eine Sonderstellung unter den Abgabenarten zukommt. Nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird diese Sonderstellung in einem weiteren zentralen Aspekt deutlich: Für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben komme im Steuerstaat allein das Finanzierungsinstrument der Steuer in Betracht. 68 Da Steuern nicht mit einer in dieser Eigenschaft bereits an der Finanzierung des Staates und seiner Einrichtungen beteiligt sei, müsse eine darüber hinausgehende, nicht jeden Bürger in gleicher Weise treffende, finanzielle Belastung des Einzelnen besonders begründet werden, dazu auch BVerfGE 110, 370, 387 f. 65 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 47 f. 66 BVerfGE 78, 249, 266 f.; 110, 370, 387; Becker, DÖV 2003, 177, 178; Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 20 f.; ders., in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 11; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 430; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2; Morgenthaler, SächsVBl. 1994, 97, 99; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 54, 172; Rodi, in: Becker-Schwarze u. a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121, 131; ders., JZ 2000, 827, 832; Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, 1153, 1165; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 73; Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 70; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 334, 339; Waldhoff, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 153, 163; Wilms, NVwZ 1995, 550, 551; a. A. Gawel, Der Staat 39 (2000), 209, 214; Hendler, DÖV 1999, 749, 755 ff.; siehe auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 51, 54, 220, der aus dem Steuerstaatsprinzip im Hinblick auf Vorzugslasten kein erhöhtes Rechtfertigungsbedürfnis ableitet; ebenso Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 6; differenzierend Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 134 f., 160 f., 184 einerseits sowie S. 165 andererseits, der nicht dem sog. Steuervorrang im Steuerstaat, wohl aber dem davon zu unterscheidenden Steuerstaatsprinzip eine erhöhte Rechtfertigungspflicht für Vorzugslasten entnimmt; vgl. im Hinblick auf Sonderabgaben auch Meesen, BB 1971, 928. 67 Zu den unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen von nichtsteuerlichen Sonderabgaben einerseits und Vorzugslasten und Sozialversicherungsbeiträgen andererseits Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 86. 68 Vgl. BVerfGE 55, 274, 298; 67, 256, 275; 82, 159, 178; 91, 186, 201; Arndt, WiVerw 1990, 1, 6; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 147 f.; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 118; Kube / Palm / Seiler, NJW 2003, 927, 928; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 54; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 70; weniger deutlich („primär

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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bestimmten (Gegen-)Leistung des Staates in Verbindung zu bringen seien, sie folglich ungebunden in den allgemeinen Staatshaushalt einflössen, könne nur diese Abgabenart den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf decken. 69 Das Steuerstaatsprinzip setzt daher nach herkömmlichem Verständnis nicht nur die Trennung von Staat und Wirtschaft voraus, es verlangt zudem, dass Aufgaben, welche die Allgemeinheit betreffen, über von der Allgemeinheit zu tragende Steuern finanziert werden müssen.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips im Staate des Grundgesetzes Die materiellen Aussagen des Steuerstaatsprinzips kommen in der Diskussion um die Grenzen der Gebührenerhebung nur dann zum Tragen, wenn der Staatstypus des Steuerstaates im Grundgesetz verankert ist. Nur wenn dem Prinzip des Steuerstaates verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zukäme, wäre es zwingend (auch) von dem einfachen Gesetzgeber zu beachten. 70

I. Der Steuerstaatsbegriff und die Grundrechte des Grundgesetzes Dass die Steuer unter den Finanzierungsmitteln des deutschen Staates eine besondere Position einnimmt, ist überwiegend anerkannt. 71 Der Staat des Grundgesetzes ist auf die Steuereinnahmen angewiesen, um einerseits ein vielfältiges Spektrum an Leistungen gegenüber seinen Bürgern bereithalten zu können, andererseits aber zugleich den Voraussetzungen des Grundgesetzes, insbesondere den aus allgemeinen Steuermitteln“) Zugmaier, DVBl. 1998, 1221, 1222. Vgl. auch Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2, 4, der es zwar ablehnt, nichtsteuerliche Abgaben als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme zu betrachten, nach dessen Ansicht aber aus dem Steuerstaatsprinzip, das insoweit geltendes Verfassungsrecht sei, das Verbot abgeleitet werden könne, nichtsteuerliche Abgaben zur Finanzierung von Gemeinlasten einzusetzen. 69 Näher zu der steuerstaatlichen Annahme, dass allgemeine Staatsaufgaben ausschließlich über Steuern zu finanzieren seien, unten C. I. 2. e), sowie C. III. 70 Zur Rechtsverbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips siehe auch Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 152 ff. 71 Anders aber offenbar Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 194 f.: „Nicht-steuerliche Abgaben sind nicht ‚Abgaben zweiter Klasse‘, sondern werden mit der gleichen Berechtigung erhoben wie Steuern.“

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Vorgaben der Grundrechte, zu genügen. Nur mit Hilfe der Steuer kann es dem Staat gelingen, sozialstaatliche Aufgaben zu erfüllen, ohne dabei die Freiheit des Einzelnen über Gebühr einzuschränken: 72 Wäre es dem Staat versagt, auf Steuermittel zuzugreifen, um etwa die materiellen Grundbedürfnisse seiner Bürger zu garantieren, so müsste er auf anderem Wege Finanzmittel akquirieren. Ginge die öffentliche Hand beispielsweise verstärkt zu einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung über, so könnte dies in bestimmten Wirtschaftszweigen dazu führen, dass private Anbieter vom Markt verdrängt würden. 73 Der Unternehmerstaat drohte so zu einer Gefahr für die Berufsfreiheit des Art. 12 GG zu werden, anstatt diese bestmöglich zu gewährleisten. 74 Darüber hinaus garantiert die Steuer aber auch andere Freiheiten der Bürger, kann der Staat doch mit Hilfe der Gemeinlast weitgehend darauf verzichten, den Einzelnen zu Dienst- und Sachleistungen heranzuziehen. 75 Mit der Anerkennung der Steuer als dem typischen Finanzierungsinstrument 76 des deutschen Staates ist indes noch nichts darüber gesagt, welche Auswirkungen dieser Befund auf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben hat. Das beschriebene Verhältnis zwischen den Freiheitsrechten und der Steuerstaatlichkeit ist zu vage, als dass sich daraus bereits der Verfassungsrang des Steuerstaatsprinzips herleiten ließe. Der Steuerstaatsgedanke müsste dafür vielmehr – explizit oder implizit – Eingang in das Verfassungsrecht gefunden haben.

72 Zu der Bedeutung der Steuereinnahmen für den sozialen Rechtsstaat vgl. etwa Forsthoff, NJW 1955, 1249, 1250; Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 15; P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 3; Kube, DStJG 29 (2006), 11, 16 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 338. 73 Vgl. Rodi, in: Becker-Schwarze u. a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121, 131. 74 Vgl. dazu Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 690 f.; ferner Selmer, in: Stober / Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 75, 80 f.; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 163. 75 Vgl. Breuer, DVBl. 1992, 485, 488; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 423 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 357, 359; Manssen, in: ders. (Hrsg.), Rechtswissenschaft im Aufbruch, S. 145, 147 f.; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 930; sehr viel kritischer im Hinblick auf eine Freiheitsgewährleistung durch den Steuerstaat Leisner, StuW 1986, 305, 312. 76 Vgl. Musil, in: FS Isensee, S. 929, 930.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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II. Die Steuerstaatlichkeit: verfassungsrechtliche oder verfassungstheoretische Kategorie? 1. Ausgangspunkt Die Untersuchungen zu Inhalt und Bedeutung des Steuerstaatsgedankens beleuchten regelmäßig auch die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen dem Prinzip des Steuerstaates und dem Grundgesetz beschreiben lässt. In diesem Zusammenhang sind zwei Kategorien geläufig, die sich zwar beide auf die Verfassung und damit auf denselben Untersuchungsgegenstand beziehen, in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit jedoch voneinander abweichen: Das Steuerstaatsprinzip kann einerseits als (verbindliche) Verfassungsentscheidung, andererseits als eine staatstheoretisch begründbare Verfassungsvoraussetzung einzustufen sein. 77 Nachfolgend soll das hierzu vertretene Meinungsspektrum untersucht und bewertet werden. 2. Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsentscheidung Ein Teil des Schrifttums begreift das Steuerstaatsprinzip als eine Verfassungsentscheidung. 78 Auch wenn das Grundgesetz das Prinzip des Steuerstaa77 Zu Begriff und Grad der rechtlichen Verbindlichkeit beider Kategorien siehe sogleich. Das Bundesverfassungsgericht hat eine entsprechende Differenzierung in den Entscheidungen, die sich explizit auf das Steuerstaatsprinzip beziehen (BVerfGE 78, 249, 267; 93, 319, 342), bisher nicht vorgenommen. Auch das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet dort, wo es das Steuerstaatsprinzip ausdrücklich in den Blick nimmt (BVerwGE 95, 188, 193 f.; 109, 272, 277; 126, 60, 74), nicht zwischen den beiden Kategorien. 78 Arndt, WiVerw 1990, 1, 7; Häde, JA 1994, 1, 5; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; Köck, JZ 1991, 692, 697; Kube / Palm / Seiler, NJW 2003, 927, 928; Scholz, in: FS Leisner, S. 797; Stober, JA 1988, 250; ähnlich Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 338 (Steuerstaatsbegriff als Staatsstrukturentscheidung des Grundgesetzes), Rn. 340 (Grundentscheidung für die Steuerfinanzierung), vgl. aber andererseits Rn. 332 und 334, die eher auf ein Verständnis des Steuerstaates als Verfassungsvoraussetzung hindeuten; ferner Breuer, DVBl. 1992, 485, 488: „Er (Anm.: der Steuerstaat) hat seine positivrechtliche Ausprägung in den Art. 104a ff. GG gefunden“; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 436; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2; Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 5 (Steuerstaatsprinzip als Verfassungsrechtsprinzip), 21 (Festlegung des Grundgesetzes auf das Steuerstaatsprinzip); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 354 f.; MüllerFranken, JuS 1997, 872, 874: „Das Grundgesetz hat seinen Staat als Steuerstaat verfasst“; Seiler, Gutachten F zum 66. DJT, S. 10; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 402: „(...) mit dem in Art. 104a ff. GG angelegten Modell des Steuerstaates (...)“; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 103 (Steuerstaatsprinzip als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung); vgl. ferner Jachmann, StuW 1997, 299, 300; Schwarz / Reimer, JuS 2007, 119, 120 (Grundentscheidung der Verfassung „für eine Staatsfinanzie-

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

tes – anders als das Rechtsstaats- sowie das Sozialstaatsgebot – nicht eigens als Staatsstrukturbestimmung normiert habe, 79 so komme dem Steuerstaatsgedanken gleichwohl Verfassungsrang und damit höchste normative Verbindlichkeit zu. 80 Eine unterlassene ausdrückliche Benennung im Verfassungstext dürfe nicht dazu führen, dass wichtige Grundprinzipien als normativ unverbindlich oder bedeutungslos angesehen würden. Dem Grundgesetz stehe aus gutem Grund nur ein begrenzter Raum zur Verfügung, 81 um Regelungen festzulegen; es erhebe keinen enzyklopädischen Anspruch an sich selbst. 82 Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland bekenne sich durchaus zum Steuerstaat, nicht expressis verbis, aber durch ihre ausführlichen steuerbezogenen Regelungen im zehnten Abschnitt. Der Steuerstaatlichkeit, verstanden als Verfassungsentscheidung, käme somit unmittelbar normative Verbindlichkeit zu. 83 3. Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsvoraussetzung Anknüpfend an die fehlende ausdrückliche Normierung des Steuerstaatsprinzips im Grundgesetz wäre es aber auch denkbar, die Steuerstaatlichkeit als eine Verfassungsvoraussetzung zu begreifen. 84 Diese Kategorie der Verfassungstheorung durch Partizipation am Erfolg privaten Wirtschaftens in Form von Steuern“); a. A. Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2. 79 Vgl. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420. Siehe aber auch Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 338 mit Fn. 301; sowie Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2; Musil, DVBl. 2007, 1526, 1527, die den Steuerstaat als Staatsstrukturbestimmung begreifen; ähnlich auch Scholz, in: FS Leisner, S. 797, der dem Grundgesetz ein Bekenntnis (Art. 104a ff. GG) zu dem Prinzip der Steuerstaatlichkeit in gleicher Weise entnehmen will wie Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG das Grundbekenntnis der Verfassung zum Prinzip des Rechtsstaates. 80 Siehe etwa Scholz, in: FS Leisner, S. 797 (normative Größe der Verfassungsordnung); ähnlich auch Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, S. 79. 81 Vgl. allgemein zu der Tatsache, dass sich das Grundgesetz als eine konkretisierungsbedürftige Verfassung an Veränderungen der jeweiligen Lebensverhältnisse anpassen kann, Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 7 Rn. 32 ff. 82 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420 f. 83 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, S. 150; vgl. allg. zu „mitgesetzten Normen“ dens., a. a. O., S. 404 ff. Dass eine Verfassung nicht nur von ihrem Text, sondern auch von dem lebt, was zwischen den Zeilen steht, betont zu Recht Hilf, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 161 Rn. 1. 84 So ausdrücklich Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 156, 158; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 28 f.; ähnlich F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 116, wonach der Verfassunggeber von einer allgemeinen Staatsfinanzierung durch Steuern ausgegangen sei; ders., DStJG 29 (2006), 11, 17 („notwendige Voraussetzung“); Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 479. Vereinzelt wird vertreten, das Prinzip des Steuerstaa-

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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rie unterscheidet sich von der Verfassungsentscheidung dadurch, dass sie weder ausdrücklich noch unausgesprochen Bestandteil des Verfassungstextes ist. 85 Verfassungsvoraussetzungen lassen sich vielmehr umschreiben als Faktoren rechtlicher oder realer Art, von denen die effektive Geltung der Verfassungsnormen abhängt, die jedoch nicht zum Inhalt der Verfassungsnorm selbst zählen. 86 Sie bereichern das Grundgesetz inhaltlich und dienen dem besseren Verständnis der Verfassung. 87 Je stärker eine Verfassungsurkunde auf die großen Linien der politischen Ordnung ausgerichtet ist, je weniger Detailregelungen mithin existieren, desto eher können Verfassungsvoraussetzungen gestaltend, fördernd und verdeutlichend wirken. Betrachtet man Rechtsnatur und Standort der Verfassungsvoraussetzung, so liegt der Schluss nahe, dass einer solchen vorrechtlichen und außerhalb der Verfassungsurkunde anzutreffenden Kategorie keine normative Bindungswirkung zukommen kann. In Bezug auf die Steuerstaatlichkeit wird indes von Teilen der Lehre ein anderes Ergebnis vertreten. 88 Bei dem Steuerstaatsprinzip handele es sich um eine solche Verfassungsvoraussetzung, ohne die wichtige Entscheidungen des Grundgesetzes, so etwa die Entscheidung für die Sozialstaatlichkeit, 89 nicht umgesetzt werden könnten. 90 Diese Voraussetzung weise eine so enge Beziehung zu dem ausdrücklich in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip auf, dass sie an der rechtlichen Verbindlichkeit tes sei weder als Voraussetzung noch als Entscheidung der Verfassung zu qualifizieren, vgl. etwa Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 161 ff., insb. S. 187 f.; kritisch auch Gawel, Der Staat 39 (2000), 209, 219; Hendler, DÖV 1999, 749, 756 f.; ferner Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 270. 85 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 21 Rn. 65 f. 86 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 21 Rn. 65 („Geltungsvoraussetzungen des Verfassungsgesetzes“); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 57; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, S. 321; vgl. in Bezug auf den Begriff der Grundrechtsvoraussetzung als einem Unterfall der Verfassungsvoraussetzung Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 7; siehe zuvor bereits die Umschreibung von Krüger, in: FS Scheuner, S. 285, 286. 87 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 5 f. 88 Vgl. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 421; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; siehe auch Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 72, der zwar der Steuerstaatlichkeit verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zumisst, dabei aber offen lässt, ob es sich um eine Verfassungsentscheidung oder eine Verfassungsvoraussetzung handeln soll. 89 Vgl. zu der Bedeutung des Steuerstaates für die Sozialstaatlichkeit Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 433; Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 15; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 400; sowie sogleich unter B. II. 5. b). 90 Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 72; ähnlich Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 216 f.; zuvor bereits Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 421.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

dieser Staatsstrukturbestimmung teilhabe. 91 Verallgemeinernd lasse sich daher formulieren, dass solchen Verfassungsvoraussetzungen normative Verbindlichkeit zukomme, ohne deren Existenz wichtige Institute des Grundgesetzes wirkungslos würden. 92 Erfüllten Verfassungsvoraussetzungen demnach die soeben beschriebenen besonderen Vorgaben, so näherten sie sich von ihrer Rechtswirkung der Verfassungsentscheidung an. Es erscheine daher zweckmäßig, in diesem Fall von qualifizierten Verfassungsvoraussetzungen zu sprechen und diese von nicht qualifizierten bzw. einfachen Verfassungsvoraussetzungen abzugrenzen. 93 Wollte man sich dieser Differenzierung anschließen, so könnten einfache Verfassungsvoraussetzungen umschrieben werden als solche Faktoren rechtlicher oder tatsächlicher Art, bei deren Wegfall keine wichtige Regelung der Verfassung funktionslos würde. 94 Da einfache Verfassungsvoraussetzungen nach diesem Verständnis 91

Vgl. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 421; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 157; Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 19; zu der Rechtsverbindlichkeit von Verfassungsvoraussetzungen auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 104 mit Fn. 13. 92 Vgl. Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 19. 93 Vgl. auch Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 19 mit Fn. 24, der in Bezug auf die Differenzierung bei Krüger, in: FS Scheuner, S. 285 ff., feststellt, für diesen gebe es Voraussetzungen der Verfassunggebung, deren Fortbestand Rechtsvorschriften nicht gewährleisten könnten, sowie vorausgesetzte Rechtsregelungen, deren Gewährleistung möglich und angebracht sei. Auf die Möglichkeit einer Differenzierung deuten auch die Ausführungen hin bei Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 19: Wenn Isensee in Bezug auf die praktische Relevanz von Verfassungsvoraussetzungen feststellt, sie könnten in bestimmten Fällen juristische Bedeutsamkeit erlangen, so müssen auf der anderen Seite auch solche Fälle denkbar sein, in welchen den Verfassungsvoraussetzungen eine rechtliche Verbindlichkeit gerade nicht zukommt. 94 In der Rechtswirklichkeit sind Beispiele für einfache Verfassungsvoraussetzungen indes schwer zu konstruieren. So verwundert es nicht, dass in der Literatur weder der Begriff geläufig ist, noch entsprechende Beispielsfälle für einfache Verfassungsvoraussetzungen genannt werden. Anhand der Regelung des Art. 135 Abs. 6 S. 1 GG soll jedoch der Versuch unternommen werden, eine einfache Verfassungsvoraussetzung zu identifizieren: Nach dieser Vorschrift gehen Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts auf den Bund über. Diese Verfassungsregelung setzt damit voraus, dass sich die Bundesrepublik Deutschland – jedenfalls in engen Grenzen – erwerbswirtschaftlich betätigen darf, vgl. dazu bereits oben A. II. 2. b). Würde die Verfassungsvoraussetzung, dass der Staat erwerbswirtschaftliche Unternehmungen betreiben kann, wegfallen, wäre eine wirtschaftliche Tätigkeit des Staates folglich nicht mehr denkbar, so käme der Regelung des Art. 135 Abs. 6 S. 1 GG keine Bedeutung mehr zu. Anders gewendet hängt die effektive Geltung des Art. 135 Abs. 6 S. 1 GG von der Verfassungsvoraussetzung ab, dass sich der Staat überhaupt wirtschaftlich betätigen darf. Wichtige Grundsätze und Einrichtungen der Verfassung wie die Sozialstaat- und Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie sowie das Bundesstaats- und Republikprinzip würden aber auch bei dem Wegfall dieser Voraussetzung nicht tangiert. Es spricht daher vieles dafür, dass es sich hierbei um eine einfache Verfassungsvoraussetzung handelt, die nicht an der rechtlichen Verbindlichkeit der genannten Verfassungsgrundsätze teilnimmt.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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nicht an bedeutsame Regelungen im Grundgesetz anknüpfen, käme ihnen keine verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zu. 4. Notwendigkeit einer verfassungsdogmatischen Festlegung Aufgrund der vergleichbaren Rechtswirkungen von qualifizierten Verfassungsvoraussetzungen und Verfassungsentscheidungen wird in der Literatur zum Teil darauf verzichtet, die Steuerstaatlichkeit einer der beiden genannten Kategorien zuzuordnen. 95 Teilweise werden beide Begriffe auch synonym gebraucht. 96 Gegen ein solches Vorgehen erheben sich jedoch aus zwei Gründen Bedenken: Eine genaue Einordnung der Steuerstaatlichkeit erscheint zunächst deshalb sinnvoll, da es sich bei der Kategorie der Verfassungsvoraussetzung um eine solche der Verfassungstheorie handelt, die Verfassungsentscheidung sich dagegen als ein Begriff des Verfassungsrechts darstellt. 97 Mit der eindeutigen Zuordnung zu einer der beiden Disziplinen wird etwa verhindert, dass es zu einer Vermischung der unterschiedlichen Methoden und Herangehensweisen von Verfassungstheorie bzw. Verfassungsrecht kommt. 98 Auch aus einem weiteren Grund erscheint es zweckmäßig, eine exakte Unterscheidung zwischen der Kategorie der Verfassungsvoraussetzung sowie der Verfassungsentscheidung vorzunehmen: Da die qualifizierte Verfassungsvoraussetzung an der Rechtsverbindlichkeit derjenigen Verfassungsregelung teilnimmt, auf die sie sich bezieht, 99 ist ihr rechtliches Schicksal eng mit der jeweiligen Norm des Grundgesetzes verknüpft. Sollte sich die Rechtsnatur dieses verfassungsrechtlichen Bezugspunktes ändern, so hätte dies zur Folge, dass sich auch die rechtliche Verbindlichkeit der Verfassungsvoraussetzung anpassen müsste, ohne dass dies bei der Änderung des Grundgesetzes möglicherweise beabsichtigt war. 100 Die Verfassungsentscheidung leitet ihre 95

72.

So ausdrücklich Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 19,

96 Vgl. Arndt, WiVerw 1990, 1, 6 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 332, 334, 338. 97 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 115 Rn. 6, 19. 98 Zu den verschiedenen Methoden von Verfassungsrecht bzw. Verfassungsdogmatik einerseits sowie Verfassungstheorie andererseits Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 29 ff., 90 ff. 99 Siehe oben B. II. 3. 100 Das folgende Beispiel soll dieses Problem verdeutlichen: Der Steuerstaat verzichtet, von einigen Ausnahmen abgesehen, darauf, seine Bürger zu Dienstleistungen heranzuziehen. Er muss daher eigenes Personal einsetzen, um die Aufgaben des Staates erfüllen zu können, vgl. dazu Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 421 f. Die verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 4 GG zum Ausdruck kommende Einrichtung des öffentlichen Dienstes ist aber auf die Steuereinnahmen des Staates angewiesen, da die hohen Personalkosten für Beamte und Angestellte nicht durch Einnahmen aus nichtsteuerlichen Abgaben oder

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Rechtswirkungen dagegen nicht von anderen Instituten des Grundgesetzes ab; ihr kommt unmittelbar normative Verbindlichkeit zu. Sie weist daher im Vergleich zur Verfassungsvoraussetzung ein höheres Maß an Unabhängigkeit von anderen Verfassungsbestimmungen auf und stellt sich als die konstantere der beiden Kategorien dar. 5. Bewertung. Dogmatische Einordnung der Steuerstaatlichkeit Aus den genannten Gründen kann die Entscheidung darüber, ob es sich bei dem Steuerstaatsprinzip um eine Verfassungsentscheidung oder eine Verfassungsvoraussetzung handelt, nicht offen bleiben. Nachfolgend soll daher anhand der einschlägigen Regelungen des Grundgesetzes untersucht werden, ob das Steuerstaatsprinzip der Verfassung lediglich vorausliegt, oder ob es vielmehr der Kategorie der Verfassungsentscheidung zuzuordnen ist. Eine Verfassungsentscheidung für das Steuerstaatsprinzip könnte nur dann begründet werden, wenn sich die Steuerstaatlichkeit in einzelnen oder einer Gruppe von Verfassungsbestimmungen verankern ließe. a) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG Mitunter werden rechtsstaatliche Erwägungen herangezogen, um zu belegen, dass das Steuerstaatsprinzip unmittelbar Ausdruck in den Regelungen des Grundgesetzes gefunden habe. 101 Ein wesentlicher Aspekt rechtsstaatlichen Handelns sei neben dessen Voraussehbarkeit auch die Rechtssicherheit 102 sowie die materielle Gerechtigkeit. 103 Ein gerechtes und zugleich effektives Handeln des Staates könne aber nur dann gewährleistet werden, wenn der Staat seine Aufgaben erwerbswirtschaftlicher Betätigung gedeckt werden könnten. Wäre der Steuerstaat eine (bloße) Verfassungsvoraussetzung, so ergäbe sich daraus die folgende Konsequenz: Für den Fall, dass sich der verfassungsändernde Gesetzgeber dazu entschließen sollte, die Einrichtung des öffentlichen Dienstes nicht mehr im Grundgesetz selbst zu normieren, sondern dem einfachen Gesetzgeber entsprechende Regelungen überlassen würde, so hinge hiervon auch die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaates ab. Die Steuerstaatlichkeit büßte ihren Verfassungsrang folglich ein, ohne dass dies von dem verfassungsändernden Gesetzgeber möglicherweise beabsichtigt gewesen wäre. 101 Vgl. P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 46; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 1; kritisch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 185 f.; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 77 f.; zum Verhältnis von Steuerstaat und Rechtsstaat allgemein Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 42 ff. 102 Vgl. BVerfGE 8, 155, 172; 25, 269, 290; 27, 167, 173; 45, 142, 167; 60, 253, 267; dazu auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 193 ff. 103 BVerfGE 7, 89, 92; 35, 41, 47; Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 42.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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unbefangen und unparteilich erfülle. Diese rechtsstaatliche Prämisse sei gefährdet, wenn der Staat seine Einnahmen zu großen Teilen aus Entgelten bestreiten würde. 104 Für den Fall, dass der Staat wichtige Aufgaben nicht über Steuern, sondern über Gebühren und Beiträge finanzierte, hingen seine Einnahmen davon ab, ob sich auf Seiten der Abgabenschuldner genügend Abnehmer für die staatliche Leistung fänden. Die Distanz zwischen Abgabenschuldner und der staatlichen Aufgabenerfüllung ginge auf diese Weise verloren; es könne in dieser Situation nicht mehr gewährleistet werden, dass staatliche Entscheidungen allein aus Sachgesichtspunkten heraus getroffen würden. 105 In Abkehr von dem Modell des preußischen Dreiklassenwahlrechts von 1849 habe sich das Grundgesetz aber gerade dazu entschieden, jedem Bürger unabhängig von seinem finanziellen Beitrag für das Gemeinwesen den gleichen Einfluss auf staatliches Handeln einzuräumen. 106 Das „Ob“ und „Wie“ der Aufgabenerfüllung richte sich nicht nach besonderen Finanzleistungen des Einzelnen, sondern danach, ob für das staatliche Tätigwerden ein sachliches Bedürfnis bestehe. Richtig an diesen Erwägungen ist zunächst, dass Neutralität und Distanz staatlichen Handelns zentrale Anforderungen an den Rechtsstaat sind, die auch in dem Verfassungstext zum Ausdruck kommen: Das Gebot der Unabhängigkeit ist nicht nur für die richterliche Gewalt obligatorisch, Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG. 107 Auch die Legislative muss frei und unabhängig agieren können, Art. 38 Abs. 1 GG, und ist dabei nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Die Exekutive schließlich, dies ergibt sich ebenfalls aus Art. 20 Abs. 3 GG, ist dem Recht wie dem Gesetz verpflichtet. Mittels der Steuererhebung, die nicht von dem Entgeltlichkeits-, sondern dem Leistungsfähigkeitsprinzip geprägt ist, lässt sich Distanz wahren und die Unbefangenheit des Staates gegenüber seinen Bürgern sichern. 108 Es läst sich daher durchaus sagen, dass eine enge Verbindung zwischen Rechtsstaatlichkeit und Steuerstaatlichkeit besteht. 109 Als Konsequenz hieraus ergibt sich aber auch, dass der Steuerstaat in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen muss, die der Rechtsstaat aufstellt; 104

P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; ferner ders., VVDStRL 39 (1981), 213, 250; a. A. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 186. 105 P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; vgl. auch dens., VVDStRL 39 (1981), 213, 250; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 310. 106 P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 250 mit Fn. 117; ders., Jura 1983, 505, 506. 107 Vgl. dazu Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 19 Rn. 5. 108 P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 250; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 18; dazu auch unten C. II. 3. 109 Ebenso Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 43; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 400; zu der engen Beziehung von Steuerrecht und Rechtsstaatsprinzip allg. etwa Hartz, JJb 10 (1969/70), 48, 63 ff.; Salzwedel, in: Felix (Hrsg.), Vom Rechtsschutz im Steuerrecht, S. 1 ff., insb. S. 7 f.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

der Steuerstaat wird „in Formen strengster Rechtsstaatlichkeit verwirklicht“ 110: Die Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze müssen dem Bürger auch und gerade im Bereich der Steuergesetzgebung und der Finanzverwaltung effektiven Schutz vor staatlichen Eingriffen bieten. 111 So kommt der Vorbehalt des Gesetzes auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung durch die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung in verschärfter Form zum Ausdruck. 112 Nicht nur Steuergesetzgebung und Steuerverwaltung sind geprägt von dem Rechtsstaatsgedanken. Auch die Finanzgerichtsbarkeit ist von den rechtsstaatlichen Vorgaben betroffen und hat effizienten und schnellen Rechtsschutz zu gewährleisten. 113 Es muss jedoch unterschieden werden zwischen der Aussage, die Rechtsstaatlichkeit sei für die Steuerstaatlichkeit von erheblicher Bedeutung, sowie der Behauptung, bei dem Rechtsstaatsprinzip handele es sich um den normativen Hort des Steuerstaatsprinzips. 114 Jedes staatliche Handeln hat sich an dem Maßstab auszurichten, den Art. 20 Abs. 3 GG aufstellt. Gleichwohl lässt sich deswegen nicht jeder staatlichen Maßnahme die Verbindlichkeit eines Verfassungsgrundsatzes zuschreiben, nur weil ein solcher von der öffentlichen Hand zu beachten ist. Im Steuerstaat ist zwar das Rechtsstaatsprinzip in allen seinen Facetten zu beachten, diese Tatsache macht die Steuerstaatlichkeit und die Rechtsstaatlichkeit indes nicht zu in derselben Norm des Grundgesetzes verankerten, identischen Verfassungsprinzipien. 115 Eine Entscheidung für oder eine Festlegung auf den Steuerstaat kann Art. 20 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Die Bestimmung weist einen rechtsstaatlichen, nicht aber zugleich auch einen steuerstaatlichen Gehalt auf. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass sich das Steuerstaatsprinzip nicht in Art. 20 Abs. 3 GG verankern lässt. Das Rechtsstaatsprinzip kann daher auch nicht zur Begründung einer Verfassungsentscheidung für die Steuerstaatlichkeit herangezogen werden. b) Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG Möglicherweise könnte das Steuerstaatsprinzip jedoch anhand der Regelungen zum Sozialstaat normativ im Grundgesetz verankert werden. 116 Dies würde vor110

268 ff. 111

Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 44; ähnlich auch Vogel, in: GS Martens, S. 265,

Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 44. Dazu bereits oben A. II. 2. b). 113 Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 55. 114 Vgl. auch Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 77 f. 115 Vgl. Friauf, StbJb. 29 (1977/78), 39, 43. 116 F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 354, 357, 360 („Sozialstaatssatz“ als eine weitere Verankerung 112

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

217

aussetzen, dass sich Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG über die Festlegung auf den Sozialstaat hinaus eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat entnehmen ließe. Die Sozialstaatlichkeit, welche in den genannten Verfassungsvorschriften als Staatszielbestimmung ausgestaltet ist, verpflichtet den Staat, auf ein möglichst hohes Maß an sozialer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit sowie auf die Chancengleichheit der Bürger hinzuwirken. 117 Unter den genannten Teilaspekten des Sozialstaatsgedankens kommt der sozialen Gerechtigkeit besondere Bedeutung zu. Der Staat hat hiernach dafür Sorge zu tragen, dass ein Ausgleich der sozialen Gegensätze zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen stattfindet. 118 Dieser Ausgleich kann durch Umverteilung erfolgen, insbesondere durch Gewährung von Sozialleistungen sowie durch Erhebung von Steuern auf Grundlage der persönlichen Leistungsfähigkeit. 119 Die Finanzmittel, die dem Staat im Wege der Steuererhebung zufließen, können zugleich für die Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben eingesetzt werden. Aus den skizzierten Vorgaben und Rahmenbedingungen des Sozialstaates wird zum Teil gefolgert, dass aufgrund der besonderen Bedeutung der Steuer für das soziale Staatsziel der Steuerstaat durch Art. 20 Abs. 1 sowie Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG untermauert werde. 120 Mit dem Sozialstaatsprinzip habe sich das Grundgesetz zugleich auch für die Steuerstaatlichkeit entschieden. Diese Sichtweise, nach welcher die Aufgabenerfüllung im Sozialstaat in hohem Maße von der Steuererhebung abhängt, ist jedoch nicht unwidersprodes Steuerstaates neben der Finanzverfassung); siehe auch Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 432 ff.; Vogel, in: Randelzhofer / Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt, S. 133 ff.; zu den Grundlagen des Steuer- und Sozialstaates Mellinghoff, DStJG 29 (2006), 337, 338 ff. 117 Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 115, 118 f.; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 19 Rn. 3 f.; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 480 f.; Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 13 Rn. 2 ff.; zu den Schwierigkeiten, den Begriff des Sozialstaates inhaltlich zu bestimmen Herzog, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 18 ff. 118 Vgl. BVerfGE 22, 180, 204; 27, 253, 283; Benda, in: ders. / Maihofer / Vogel (Hrsg.), HdbVerfR, § 17 Rn. 88 (staatliche Hilfe für sozial schwache Gruppen als Ausprägung des Sozialstaatsgedankens); Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 19 Rn. 12 f.; Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 13 Rn. 4. 119 Vgl. zu dem zweiten Aspekt etwa Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 18; Musil, DVBl. 2007, 1526, 1527. Neben der Besteuerung kann Umverteilung auch erfolgen durch unterschiedliche Sozialversicherungsbeitragssätze; das Moment der Umverteilung ist dem Sozialversicherungsbeitrag bereits begriffsimmanent, vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 41 f. 120 F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; ebenso in Bezug auf die Regelungen zum sozialen Rechtsstaat Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 434. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 360, nennt schlicht den „Sozialsstaatssatz“ als verfassungsrechtliche Grundlage des Steuerstaates.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

chen geblieben. 121 So wird eingewandt, das Sozialstaatsprinzip treffe keine Aussage darüber, aus welchen Quellen die Mittel zur Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben stammen müssten. 122 Dem Sozialstaatsgedanken sei zwar immanent, dass bestimmte staatliche Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu erbringen seien. Auf welche Weise der Staat die dafür notwendigen Mittel zu beschaffen habe, sei damit aber nicht gesagt. 123 Die zur Gewährung von sozialer Grundsicherung benötigten Finanzmittel könnten dem Staat ebenso gut über eine erwerbswirtschaftliche Betätigung oder die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zufließen. 124 Dieser Argumentation ist entgegenzutreten. Die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen kann weder über nichtsteuerliche Abgaben noch durch eine verstärkte erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates erfolgen: Einer massiven Ausweitung der staatlichen Unternehmertätigkeit stehen bereits die Grundrechte derer entgegen, die in einem solchen Wirtschaftssektor tätig sind, auf dem auch der Staat eine erwerbswirtschaftliche Betätigung anstrebt. 125 Der hohe Finanzbedarf für sozialstaatliche Aufgaben hätte ein verstärktes Engagement des Staates in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft zur Folge und könnte schließlich zu einer Verdrängung privater Anbieter führen, die dadurch etwa in ihrem Recht auf Berufsfreiheit verletzt würden. 126 Gegen den verstärkten Einsatz nichtsteuerlicher Abgaben spricht, dass sie zur Erzielung von fungiblen Einnahmen für die sozialstaatliche Aufgabenerfüllung ungeeignet sind. 127 Vorzugslasten dienen primär dem Ausgleich einer individuell zurechenbaren staatlichen Leistung; sie dürfen nicht zur „voraussetzungslosen“ Einnahmenbeschaffung zweckentfremdet werden. 128 Dem Staat ist es untersagt, die von ihm angebotenen und der Gebühr 121 Siehe Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 184; zustimmend Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 79 f. 122 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 184. 123 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 184. 124 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 184; zustimmend Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 79 f. 125 Auch wenn die Grundrechte eine staatliche Konkurrenz nicht umfassend verhindern, so erschweren sie diese jedoch, vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 313. 126 Zu staatlichem Verdrängungswettbewerb siehe BVerwG, NJW 1995, 2938, 2939; auch Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 83 m.w. N.; Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 688, 691; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 89. Vgl. auch Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 432, der in der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates und den damit einhergehenden Vermögenseinbußen der privaten Konkurrenten einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erblickt. 127 Kube, DStJG 29 (2006), 11, 24. 128 Die Einnahmeerzielung kann allenfalls als Nebenzeck der Abgabenerhebung zulässig sein, so F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 150; speziell in Bezug auf die Gebühr ders., Die Höhe der Gebühr, S. 129; Meyer, Gebühren für die Nutzung von

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zugrunde liegenden Leistungen zu „kommerzialisieren“. 129 Das im Bereich der Vorzugslasten zur Anwendung gelangende Kostendeckungsprinzip schreibt der öffentlichen Hand nicht nur vor, möglichst kostendeckend zu arbeiten; ihm wird zugleich auch die Vorgabe entnommen, dass Gebühren und Beiträge nicht völlig unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten festgesetzt werden dürfen. 130 Der Ausgleichszweck, der bei den Kausalabgaben dominiert, verhindert damit, dass dem Staat über die Kompensation der aufgewendeten Kosten hinaus durch Entgelterhebung fungible Finanzmittel in beträchtlichem Umfang zufließen. 131 Auch Sozialversicherungsbeiträge eignen sich nicht für eine umfassende Finanzierung der sozialstaatlichen Leistungen. Sie sind zwar von dem sozialstaatlichen Umverteilungs- bzw. Ausgleichsgedanken getragen. 132 Die Umverteilung findet jedoch nur innerhalb des Personenkreises, der von dem jeweiligen Versicherungszweck erfasst wird, und damit gruppenintern, statt. 133 Sozialversicherungsbeiträge fließen gerade nicht in den allgemeinen Staatshaushalt ein 134 und können daher auch nicht zur Finanzierung der allgemeinen sozialstaatlichen Aufgaben beitragen. Schließlich kommen auch Sonderabgaben 135 nicht in Betracht, um Einnahmen für allgemeine sozialstaatliche Aufgaben zu erzielen. Haben sie bereits eine Umweltressourcen, S. 165; großzügiger dagegen Leisner, in: GS Peters, S. 730, 742 f.; dazu auch unten Vierter Teil, A. II. 4. a). 129 P. Kirchhof, in: ders. / Birk / Lehner, Steuern im Verfassungsstaat, S. 27, 33. 130 Vgl. BVerfGE 50, 217, 227; 85, 337, 346; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 99, 112; zu einem strengeren Verständnis des Kostendeckungsprinzips, das auch ein Verbot zur Kostenüberschreitung umfasst, vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 98; Stober, JA 1988, 250, 254; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 289; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 177, 213. Aus der Perspektive des hessischen Kommunalabgabenrechts VGH Kassel, ESVGH 27, 116, 122; Lohmann, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 667; Rösch, Hessisches Kommunalabgabengesetz, § 10 KAG Rn. 3 f.; vgl. auch VGH Kassel, HSGZ 1979, 84, 88. 131 Vgl. Friauf, in: FS 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 679, 682; P. Kirchhof, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33, 35; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 88 Rn. 26 ff., 181 f.; ferner Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 196 f.; vgl. zum Aufwandsausgleich bei Gebühren und Beiträgen auch P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 88 Rn. 181. 132 BVerfGE 11, 105, 117; F. Kirchhof, DStJG 29 (2006), 39, 48 f.; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 120. 133 Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 447; MüllerFranken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 121. 134 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 119. 135 Zu Begriff und Funktion näher Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 137 ff.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

seltene Ausnahme unter den öffentlichen Einnahmen zu bleiben, 136 so ließe sich auch im Einzelfall die Zulässigkeit einer Sonderabgabe zur Finanzierung von Aufgaben des Sozialstaates nicht begründen: Die konkret betroffene Gruppe der Sonderabgabenpflichtigen steht der sozialstaatlichen Aufgabenerfüllung in der Regel nicht näher als die Allgemeinheit der Steuerzahler; ihr kommt eine besondere Gruppenverantwortung, etwa für die Existenzsicherung des Einzelnen, nicht zu. 137 Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass die umfangreichen sozialstaatlichen Leistungen auf das Finanzierungsinstrument der Steuer angewiesen sind. 138 Gegen die normative Verankerung des Steuerstaatsprinzips in den Regelungen über den Sozialstaat ergeben sich gleichwohl Bedenken: Das Grundgesetz trifft in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG eine Verfassungsentscheidung für den Sozialstaat. Da sich der Sozialstaat aber nicht bereits durch die verfassungsrechtliche Festlegung erfüllt, sondern erst durch die Gewährleistung menschenwürdiger Existenzbedingungen für alle, 139 muss der Staat über ausreichende Finanzmittel für die Aufgabenwahrnehmung verfügen. Wie soeben dargelegt, kommt zwar zur Finanzierung des Sozialstaates primär das Instrument der Steuer in Betracht; die Möglichkeit der tatsächlichen Wahrnehmung sozialstaatlicher Aufgaben hängt damit von der Steuerstaatlichkeit ab. 140 Gleichwohl liegen die Finanzierungsfrage und die Festlegung auf das Finanzierungsinstrument der Steuer im Vorfeld der Sozialstaatlichkeit, sie bilden deren Voraussetzung. 141 Ein unmittelbares Bekenntnis zum Steuerstaat enthält das Sozialstaatsprinzip damit nicht. Eine Verfassungsentscheidung für das Steuerstaatsprinzip kann daher auch nicht aus Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitet werden. 142

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Zutreffend BVerfGE 55, 274, 308; P. Kirchhof, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33, 47; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 153; weniger streng offenbar Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, 1153, 1164; generell zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs nichtsteuerlicher Abgaben Brodersen, in: FS Wacke, S. 103, 113; Hendler, DÖV 1999, 749, 755 ff. 137 Zu dem Zulässigkeitskriterium der spezifischen Sachnähe der Abgabenpflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe näher Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 159 f.; vgl. ferner P. Kirchhof, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33, 35. 138 So auch Kube, DStJG 29 (2006), 11, 29. 139 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 13. 140 Friauf, DÖV 1980, 480; Stober, NVwZ 1982, 473, 475; Vogel, in: Randelzhofer / Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt, S. 133, 134; vgl. auch Gröpl, AöR 133 (2008), 1, 15; Musil, DVBl. 2007, 1526, 1527; sowie, in Bezug auf den sozialstaatlich organisierten Rechtsstaat, dens., in: FS Isensee, S. 929, 931. Zu der Bedeutung von Steuern für den Leistungsstaat auch Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 124. 141 Vgl. Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 400.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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c) Sozialer Rechtsstaat, Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG Ein isoliertes Abstellen auf die Sozialstaats- bzw. Rechtsstaatsregelungen des Grundgesetzes, dies kann als Ergebnis der bisherigen Untersuchung festgehalten werden, ist nicht geeignet, um eine Verfassungsentscheidung für die Steuerstaatlichkeit zu begründen. Mitunter wird daher vorgeschlagen, durch eine Kombination dieser beiden Prinzipien das Steuerstaatsprinzip im Grundgesetz zu verankern. 143 Diese Überlegungen gehen zunächst davon aus, dass zwischen Sozialstaat und Rechtsstaat ein Spannungsverhältnis bestehe. 144 Das Anliegen des Rechtsstaats, dem Individuum eine möglichst umfassende Freiheit zu ermöglichen, führe zu der Ausbildung eines ungleichen Kräfteverhältnisses in der Gesellschaft. 145 Die Sozialstaatsidee verfolge dagegen den Ausgleich bestehender Unterschiede durch Unterstützung und Umverteilung, mache zugleich jedoch Eingriffe des Staates in Grundrechte, insbesondere in Freiheitsrechte des Einzelnen erforderlich. 146 Mit Hilfe der Steuererhebung könne der Staat grundsätzlich davon absehen, den Einzelnen zu Dienst- und Sachleistungen heranzuziehen 147 und ihn dadurch in seiner rechtsstaatlich gewährleisteten Freiheit zu beeinträchtigen. Zugleich verfüge er durch die Steuerzuflüsse über die finanziellen Mittel, um eine Unterstützung nach Maßgabe der Bedürftigkeit anzubieten und damit seinen sozialstaatlichen Pflichten nachzukommen. Allein das Finanzierungsinstrument der Steuer sei in der Lage, möglichst geringe Freiheitsbeeinträchtigungen mit der Bereitstellung 142 Im Ergebnis wie hier, jedoch mit abweichender Begründung (keine Pflicht zur Steuerfinanzierung des Sozialstaates) Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 184; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 80; a. A. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 434; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139. 143 Dazu Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 433 f.; die enge Verbindung des Sozialstaats-, Rechtsstaats- und Steuerstaatsprinzips betonen Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 31 f.; Friauf, DÖV 1980, 480; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; Papier, KritV 1987, 140, 141; ders., in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 167; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 29; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395; vgl. dazu aus sozialwissenschaftlicher Perspektive Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 250 f. 144 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 433; zum Verhältnis von Rechtsstaat und Sozialstaat siehe ferner auch Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 19, 33; E. R. Huber, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 589, insb. S. 611 ff.; Menger, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 42 ff. 145 Vgl. in Bezug auf den Staatszweck der Freiheit auch oben Zweiter Teil, A. II. 2. b) dd). 146 BVerfGE 10, 354, 371; ferner BVerfGE 29, 221, 235; 44, 70, 89; 53, 313, 326; vgl. auch Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 19 Rn. 15. 147 Vgl. Musil, in: FS Isensee, S. 929, 930; Breuer, DVBl. 1992, 485, 488; sowie oben B. I.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

von Finanzmitteln für die Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben zu verbinden. Die Wirksamkeit des sozialen Rechtsstaats hänge folglich von dem Bestehen steuerstaatlicher Strukturen ab; 148 nur der Steuerstaat ermögliche eine „Symbiose des Sozialstaats und des Rechtsstaats“. 149 Zu dieser Auffassung ist zu sagen, dass auch das von ihr angebotene Konzept nicht geeignet ist, eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat zu begründen. Zwischen den Kategorien des Steuerstaats und des sozialen Rechtsstaats besteht zwar eine Verbindung, nicht aber Identität. Der soziale Rechtsstaat ist auf Steuereinnahmen angewiesen; die Steuerstaatlichkeit kann folglich als eine seiner bedeutsamsten Voraussetzungen bezeichnet werden. Ein Bekenntnis des Grundgesetzes zum Steuerstaatsprinzip lässt sich aus diesem Befund indes nicht herleiten. Auch eine Kombination der bereits erörterten Einzelansätze zu Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG rechtfertigt es nicht, die Frage nach der normativen Verankerung des Steuerstaatsprinzips anders zu beurteilen. Weder Art. 20 Abs. 3 GG noch die Regelungen der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG enthalten, isoliert betrachtet, eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat. 150 Ein anderes Ergebnis lässt sich auch aus einer Verbindung der genannten Bestimmungen nicht erzielen. Wenn weder das Sozialstaatsprinzip noch das Rechtsstaatsprinzip für sich genommen eine Entscheidung für den Steuerstaat enthalten, so kann sich eine solche auch nicht aus Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip gemeinsam ergeben. Festzustellen bleibt daher, dass die Regelungen des Grundgesetzes zu dem sozialen Rechtsstaat nicht zu einer normativen Verankerung des Steuerstaatsprinzips beitragen. Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG enthalten keine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat.

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Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 31: „Der moderne Rechtsstaat ist Sozialstaat wesentlich in seiner Funktion als Steuerstaat“; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 434; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 29; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 42; vgl. auch Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 250; zum Steuerstaat als der notwendigen Voraussetzung für den rechtsstaatlich handelnden Leistungsstaat Kube, DStJG 29 (2006), 11, 17; zum „sozialen Steuerstaat“ Vogel, in: Randelzhofer / Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt, S. 133, 134. 149 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 433; vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 231, der die Steuer als notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung sowohl des Rechts-, als auch des Sozialstaats ansieht. 150 Siehe oben B. II. 5. a) und b).

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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d) Grundsatz der Belastungsgleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG Nach einer vereinzelt vertretenen Auffassung, die nicht an die Staatsstrukturbestimmungen, sondern an den Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes anknüpft, enthalte Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung 151 als dem Gebot steuerlicher Belastungsgleichheit eine Entscheidung für den Steuerstaat. 152 Als Ausgangspunkt greift dieser Ansatz zunächst auf die anerkannten Besteuerungsgrundsätze zurück: Nach hergebrachtem Verständnis kommt Art. 3 Abs. 1 GG auf dem Gebiet des Steuerrechts durch das Gebot der Steuergerechtigkeit zum Ausdruck. 153 Der Gleichheitssatz bildet so einen zentralen Verfassungsmaßstab für die Steuergesetzgebung, 154 aber auch für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsbarkeit. 155 Die Steuer, der gegenleistungsfreie Eingriff in das Vermögen des Einzelnen, lässt sich daher durch eine möglichst gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen auf der Grundlage individueller Leistungsfähigkeit rechtfertigen. 156 Ein steuerrechtlich orientiertes Gleichheitsverständnis meint dabei, dass Steuerpflichtige mit ähnlicher Finanz- und Nachfragekraft in vergleichbarer Weise zur Finanzierung von Staatsaufgaben heranzuziehen sind. 157 Anders gewendet hat die steuerliche Belastung bei ungleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Bürger unterschiedlich hoch zu sein. 158 Da der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe in der Regel zugleich als Steuerschuldner zur Erfüllung von allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird, bedarf eine zusätzliche Belastung mit nichtsteuerlichen Abgaben der besonderen sachlichen Rechtfertigung. 159

151 Vgl. BVerfGE 84, 239, 268 f.; vgl. auch Papier, DStR 2007, 973, 975 (Grundsatz der Steuergerechtigkeit / Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Ausprägung von Art. 3 Abs. 1 GG). 152 In diese Richtung offenbar Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931, wonach der Steuerstaat in den Grundrechten und dort insbesondere in Art. 3 Abs. 1 GG seine Ausprägung gefunden habe. Vgl. ferner auch Kloepfer / Follmann, DÖV 1988, 573, 584; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 46. 153 Vgl. dazu BVerfGE 13, 331, 338; 43, 108, 118 ff., insb. 120; 61, 319, 343; 66, 214, 223; 68, 143, 152; 74, 182, 199 f.; 82, 60, 89; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 399; zu Ausnahmen von diesem Gebot, etwa im Interesse der Wirtschaftslenkung oder der Typisierung, vgl. Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 205 ff. 154 P. Kirchhof, StbJb. 51 (1999/2000), 17, 25. 155 Zu Rechtsetzungsgleichheit und Rechtsanwendungsgleichheit Birk, Steuerrecht, Rn. 187; Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 70. 156 BVerfGE 84, 239, 269; P. Kirchhof, StbJb. 51 (1999/2000), 17, 25; vgl. auch Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 197 ff.; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 399. 157 P. Kirchhof, StbJb. 51 (1999/2000), 17, 25. 158 Vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 188; ferner BVerfGE 82, 60, 90.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Den genannten Grundsätzen drohe ein massiver Bedeutungsverlust, wenn der Staat dazu übergehe, verstärkt andere Abgabenarten nach anderen Maßstäben zu erheben. So richteten sich Gebühren und Beiträge nach den Kosten, die bei der konkreten staatlichen Maßnahme anfielen, berücksichtigten aber nicht die individuelle Finanzkraft des Abgabenschuldners. Die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Belastungsgleichheit könne daher nur von der Steuer als einer gleichmäßigen und an dem Kriterium der individuellen Leistungsfähigkeit orientierten Abgabe verwirklicht werden. 160 Der Gleichheitssatz bringe, bezogen auf das Gebiet der Staatsfinanzierung, damit eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat zum Ausdruck. Diesen Überlegungen ist dahingehend zuzustimmen, dass die Steuer den Vorgaben an eine möglichst umfassende und gleichmäßige Belastung der Bürger am besten gerecht werden kann. Dieser Befund legt den Schluss nahe, dass eine möglichst gerechte Abgabenverteilung auf das Finanzierungsinstrument der Steuer angewiesen ist. Für ein verfassungsrechtlich verbindliches Bekenntnis zum Steuerstaat ist der Normtext des Art. 3 Abs. 1 GG indes zu allgemein. Würde man den allgemeinen Gleichheitssatz mit einer Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat belegen, so entspräche dies weder dem Wortlaut, noch der Bedeutung von Art. 3 Abs. 1 GG. Da der Gleichheitssatz in hohem Maße unbestimmt ist, muss er stets bereichsspezifisch angewendet werden. 161 Für das Gebiet des Steuerrechts bedeutet dies, dass die Modalitäten der Besteuerung durch Art. 3 Abs. 1 GG umrissen werden. 162 Weitergehende Aussagen im Hinblick auf die normative Verankerung der Steuerstaatlichkeit sind dem allgemeinen Gleichheitssatz aber nicht zu entnehmen. 163 e) Finanzverfassung, Art. 104a ff. GG 164 Schließlich kommen die Regelungen der Finanzverfassung als der verfassungsnormative Sitz des Steuerstaatsprinzips in Betracht. 165 Nachfolgend sol159

BVerfGE 55, 274, 302; 93, 319, 343; vgl. auch Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 20; F. Kirchhof, DÖV 1992, 233, 236; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 187; Waldhoff, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 153, 163. 160 Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931. 161 BVerfGE 17, 122, 130; 75, 108, 157; 76, 256, 329; 78, 249, 287; 84, 239, 268. 162 P. Kirchhof, StbJb. 51 (1999/2000), 17, 25. 163 So auch Hendler, AöR 115 (1990), 577, 596 f.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 187; vgl. auch Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 74 f. 164 Neben den Art. 104a ff. GG beziehen sich weitere Regelungen des Grundgesetzes auf die öffentlichen Finanzen. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 2, nennen in diesem Zusammenhang etwa Art. 88, 91a, 91b,

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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len zunächst einige zentrale Argumente, die in der Literatur für einen solchen Befund angeführt werden, nachgezeichnet werden. Ihnen sind sodann die Bedenken gegenüberzustellen, die von den Kritikern einer Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat vorgebracht werden. Schließlich müssen beide Positionen gegeneinander abgewogen und abschließend bewertet werden. aa) Das etablierte Modell: die Finanzverfassung als normativer Hort des Steuerstaates Für eine normative Verankerung der Steuerstaatlichkeit in der Finanzverfassung verweisen die Befürworter dieser Position zunächst in systematischer Hinsicht darauf, dass die Steuer in den Art. 104a bis 115 GG eine herausgehobene Position einnehme. 166 Dies gelte sowohl für die Anzahl als auch für die Qualität der auf die Steuer bezogenen Regelungen. 167 Besonders deutlich werde dies im Rahmen der Art. 105 bis 108 GG, deren alleiniger Regelungsgegen120 sowie Art. 140 GG (i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV); F. Klein, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hrsg.), HdbVerfR, § 23 Rn. 7, bezieht die Art. 73, 87, 88, 115c, 120, 134 ff. GG in den Begriff der Finanzverfassung mit ein. Der Kernbereich des staatlichen Finanzwesens aber findet sich im zehnten Abschnitt des Grundgesetzes, der umfassende Verteilungsregelungen zu Gesetzgebungskompetenzen, Steueraufkommen und Finanzverwaltungskompetenzen aufstellt. Wenn im Folgenden daher von der Finanzverfassung die Rede ist, so bezieht sich dieser Begriff hier ausschließlich auf die Art. 104a ff. GG; wie hier auch Jachmann, StuW 1997, 299, 300; Köck, JZ 1991, 692, 696. Näher zum Begriff der Finanzverfassung Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 41 f.; ders., in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Vorb. v. Art. 104a Rn. 3; Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 21 ff.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 1 ff. 165 Breuer, DVBl. 1992, 485, 488; Häde, Finanzausgleich, S. 140; Henneke, Jura 1990, 63, 64; P. Kirchhof, Jura 1983, 505; Köck, JZ 1991, 692, 697; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 354 f.; Scholz, in: FS Leisner, S. 797; Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 402; ders., Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 7; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 82 ff.; zu der Verbindung zwischen Finanzverfassung und Steuerstaatlichkeit vgl. auch F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139, 151; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 70; ablehnend Hendler, DÖV 1999, 749, 756 f.; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 81 ff.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 161 ff., insb. S. 188; ferner Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 71 ff. 166 Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 55; Friauf, in: FS Haubrichs, S. 103, 106; Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 19; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 53; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 342; ähnlich P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 931; diese Tatsache wird auch von der Gegenauffassung nicht bestritten, vgl. etwa Hendler, DÖV 1999, 749, 755. 167 Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 71.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

stand die Steuer darstelle: 168 Art. 105 GG verteile zunächst die Zuständigkeiten zwischen den staatlichen Ebenen ausschließlich im Hinblick auf die Steuergesetzgebung. 169 Die sich daran anschließende, von ihrer konkreten Ausgestaltung her umfangreiche Regelung des Art. 106 GG betreffe wiederum ausschließlich die Verteilung des Steueraufkommens zwischen den einzelnen Ebenen. Auch Art. 106a sowie Art. 107 GG enthielten auf die Steuer bezogene Vorschriften. Schließlich verteile Art. 108 GG die Aufgaben der Finanzverwaltung zwischen Bund und Ländern anhand der einzelnen Steuerarten. 170 Neben den Vorschriften der Art. 105 bis 108 GG ließe sich auch weiteren Bestimmungen der Finanzverfassung ein enger Bezug zu dem Finanzierungsinstrument der Steuer entnehmen: Die Steuer stehe im Mittelpunkt der Einnahmen, aus denen die Ausgaben i. S.v. Art. 104a GG zu bestreiten und die gem. Art. 110 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG in den Haushalt einzustellen seien. 171 Schließlich komme der Steuer auch für die Regelung des Art. 114 Abs. 1 GG, wonach der Bundesminister dem Bundestag und dem Bundesrat über alle Einnahmen (und Ausgaben) Rechnung zu legen habe, besondere Bedeutung zu. Die hohe Steueraffinität der Art. 104a ff. GG mache

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Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 70; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 84; ähnlich auch Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 355. 169 Zwar erwähnt Art. 105 GG über die Steuer hinaus noch Zölle und Finanzmonopole als Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Sache nach handelt es sich jedoch auch bei diesen Finanzierungsinstrumenten um eine besondere Ausprägung der Steuer: Zölle werden umschrieben als Abgaben, die nach Maßgabe des Zolltarifs von der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden, BVerfGE 8, 260, 269. Inhaltlich unterscheiden sie sich damit aber nicht von den besonderen Verbrauchsteuern. Auch die Tatsache, dass Zölle nicht in erster Linie zur Einnahmeerzielung, sondern zum Schutz der in Rede stehenden Volkswirtschaften eingesetzt werden, ändert nichts an ihrem Steuercharakter. So kann eine Abgabe auch dann noch als Steuer zu qualifizieren sein, wenn der Fiskalzweck hinter außersteuerliche, so z. B. konjunkturpolitische Zielsetzungen zurücktritt, vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 189 f.; sowie unten C. I. 2. e). Finanzmonopole sind die ausschließlichen Rechte des Staates, eine bestimmte Ware oder Dienstleistung auf dem Markt anzubieten, um hiermit Einnahmen für den öffentlichen Haushalt zu erzielen. Von den zwei denkbaren Erscheinungsformen des Finanzmonopols, erwerbswirtschaftliches Unternehmen mit Alleinrecht sowie Monopol in Form der Verbrauchsbesteuerung, ist dem Grundgesetz lediglich die zweite Alternative geläufig. Daher kommt auch dem Finanzmonopol Steuercharakter zu. Dass sowohl Zöllen als auch Finanzmonopolen von der Verfassung der Charakter einer Steuer beigemessen wird, ergibt sich zudem aus dem Wortlaut des Art. 105 Abs. 2 GG. Danach steht dem Bund bei dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern zu; vgl. zum Ganzen Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 189 ff., 194 ff. 170 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 83. 171 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 83; vgl. zu Art. 110 GG auch BVerfGE 82, 159, 178 f.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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deutlich, dass es sich bei der Steuer um den zentralen Regelungsgegenstand der Finanzverfassung handele. 172 Darüber hinaus komme aber auch der vornehmlich auf die Steuer bezogenen Finanzverfassung ihrerseits im Gefüge des Grundgesetzes besondere Bedeutung zu, da sie, ähnlich wie die Grundrechte, einzelne Bereiche der Staatsorganisation sowie die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes als eigener Abschnitt der Verfassung ausgestaltet sei. 173 Widme das Grundgesetz dem Finanzwesen daher sogar einen eigenen Abschnitt und stelle es so – jedenfalls in formeller Hinsicht – den Grundrechten gleich, so ließen sich unter diesem Aspekt gewichtige Argumente für eine normativ verstandene Steuerstaatlichkeit entnehmen. 174 Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Verfassunggeber die Regelungen über die Einnahmen i. S. d. Art. 105 ff. GG auch in die allgemeinen Vorschriften der Art. 70 ff. GG hätte integrieren können, davon aber Abstand genommen und sich bewusst für eine eigene Finanzverfassung entschieden habe. 175 Die genannten systematischen Erwägungen könnten zudem durch teleologische Aspekte ergänzt werden. So verfolgten die Regelungen der Finanzverfassung keinen Selbstzweck, ihnen komme vielmehr die Aufgabe zu, die über Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherte föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland in finanzieller Hinsicht zu gewährleisten. 176 Das Bundesverfassungsgericht spreche daher zu Recht von einer Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung. 177 Art. 105 sowie Art. 106 ff. GG enthielten Verteilungsregelungen 172 Vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 53; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 342; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 83; ferner auch Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 355. 173 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 83. 174 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 83. 175 Vgl. mit Hinweis auf die Regelungstechnik in der Weimarer Reichsverfassung Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 87 f. Ein Überblick über die Systematik der finanzrechtlichen Regelungen in der Paulskirchenverfassung sowie der Weimarer Reichsverfassung findet sich bei Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 8. 176 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 84; vgl. zu der besonderen Bedeutung der Finanzverfassung für das föderale System BVerfGE 55, 274, 300 f.; Friauf, in: FS Haubrichs, S. 103, 106 f. 177 Vgl. BVerfGE 32, 333, 338: „Das Funktionieren des bundesstaatlichen Systems erfordert eine Finanzordnung, die sicherstellt, daß der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der nationalen Leistungen sachgerecht beteiligt werden; Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben (vgl. Art. 104a Abs. 1 GG) leisten können. Gegen die diesem Ziel dienende Finanzordnung des Grundgesetzes könnte verstoßen werden, wenn der Gesetzgeber bei der Einführung einer dem Bund zukommenden Steuer von den Vorstellungen des Grundgesetzes über eine derartige Steuer abweichen und damit das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

nicht nur im Hinblick auf die Steuergesetzgebung, sondern auch hinsichtlich der jeweiligen Steuererträge. Die ausdifferenzierte Regelungstechnik der Art. 106, Art. 106a sowie Art. 107 GG trage dafür Sorge, dass die Steuereinnahmen sachgerecht auf Bundes- und Landesebene, aber auch auf die kommunale Ebene verteilt würden. 178 Diese genau abgestimmte Ertragsverteilung solle dafür Sorge tragen, dass die jeweiligen Ebenen des Bundesstaates die von ihnen wahrgenommenen bzw. ihnen übertragenen Aufgaben finanzieren könnten. Für nichtsteuerliche Abgaben, die nach Maßgabe der jeweiligen Sachkompetenz erhoben würden, gebe es hingegen keine ausdifferenzierte Regelung im Grundgesetz; der Ertrag stehe in jedem Fall ausschließlich der Ebene zu, die sich auf die Sachgesetzgebungskompetenz 179 berufen könne. Ließe man die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben in unbegrenztem Umfang und ohne das Hinzutreten besonderer Rechtfertigungsgründe zu, so bestehe die Gefahr, dass das ausbalancierte Regelungssystem der Art. 105 ff. GG unterlaufen werde. Die Situation werde dadurch verschärft, dass die Beträge, die durch nichtsteuerliche Abgaben an den Regelungen der Finanzverfassung vorbei einzelnen Ebenen zugeflossen seien, zum Teil beträchtliche Ausmaße angenommen hätten. So habe der Bund etwa im Rahmen der Versteigerung von UMTS-Lizenzen im Jahr 2000 hohe Einnahmen aus nichtsteuerlichen Abgaben erzielen können, ohne dass diese Erträge nach Art. 106 GG zwischen Bund und Ländern hätten verteilt werden müssen. 180 Ein weiteres Argument dafür, dass die Finanzverfassung eine Entscheidung für den ändern würde“; siehe ferner auch BVerfGE 55, 274, 300 f.; 67, 256, 275; 78, 249, 266; 82, 159, 179; 92, 91, 113; 93, 319, 342; 105, 185, 194; 108, 1, 7; 113, 128, 146 f.; 122, 316, 333; BVerfG, NVwZ 2003, 467, 469; NJW 2004, 3321. 178 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 84; vgl. auch Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 4; zur Verteilung der Finanzmacht im Bundesstaat auch Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 426 f. 179 Vgl. auch BVerfGE 105, 185, 193, wonach für die Ertragszuständigkeit bei nichtsteuerlichen Abgaben neben der Gesetzgebungszuständigkeit auch die Verwaltungszuständigkeit für die jeweilige Sachaufgabe von Bedeutung ist. 180 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 100. Die Einnahmen aus der Versteigerung von Lizenzen für das Universal Mobile Telecommunication System (UMTS) betrugen fast 100 Mrd. DM, vgl. Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 353; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 178. Das BVerfG, welches sich im Rahmen eines Bund-Länder-Streits mit der Versteigerung und der Verteilung dieser Erträge zu befassen hatte, stellte fest, dass sich nichtsteuerliche Abgaben auch im Falle eines besonders hohen Aufkommens nicht in steuerähnliche Abgaben verwandeln könnten, vgl. BVerfGE 105, 185, 194. Art. 106 Abs. 3 GG verteile Einnahmen, deren Rechtsqualität (als Steuer) feststehe. Für Einnahmen aus der Versteigerung von UMTSLizenzen könne die Finanzverfassung daher keine Vorgaben machen. Für den Fall, dass die Einnahmen aus neuartigen Einnahmequellen das Verteilungssystem der Finanzverfassung zu sprengen drohten, sei aber möglicherweise der verfassungsändernde Gesetzgeber gefordert, BVerfG, a. a. O. Zu den finanzverfassungsrechtlichen Problemen der UMTSVersteigerung vgl. ferner auch Becker, DÖV 2003, 177 ff.; Hidien, DStZ 2002, 419 f.; Selmer, NVwZ 2003, 1304 ff.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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Steuerstaat enthalte, lasse sich den Regelungen über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen entnehmen. 181 Der zweite Absatz des Art. 105 GG verweise in seiner zweiten Alternative auf Art. 72 Abs. 2 GG, wonach eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehe, wenn und soweit dies zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sei. 182 Durch diesen Verweis komme damit in Art. 105 GG auch der allgemeine Gedanke zum Ausdruck, dass der Staat auf die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit und damit auf möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen hinzuwirken habe. Dieser Vorgabe könne nur dann Rechnung getragen werden, wenn bei Bürgern wie Unternehmen eine verhältnismäßig gleiche Abgabenbelastung bestehe. Von einer vergleichbaren Belastung könne indes keine Rede sein, wenn abhängig von der jeweiligen Sachkompetenz auf Bundes- wie Länderebene unkoordiniert nichtsteuerliche Abgaben erhoben würden. 183 Nur dann, wenn die Steuer weiterhin der Regeltypus staatlicher Abgaben bleibe, könne das ausdifferenzierte Verteilungssystem der Finanzverfassung zum Einsatz gelangen und so auf das Erreichen und die Sicherung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamten Bundesgebiet hinwirken. 184 Zusammenfassend lasse sich damit sagen, dass die sorgfältig ausgewogenen Regelungen der Finanzverfassung ihrem jeweiligen Zweck nur dann gerecht werden könnten, wenn die staatlichen Einnahmen vorrangig aus dem Regelungsgegenstand der Art. 105 ff. GG bestünden. 185 Der zehnte Abschnitt des Grundgesetzes könne mithin die ihm zugedachte Verteilungsfunktion nur dann erfüllen, wenn es sich bei den staatlichen Einnahmen in der Regel um Steuern, nicht jedoch um erwerbswirtschaftliche Einkünfte oder nichtsteuerliche Abgaben handele. 186 Die Finanzverfassung enthalte damit eine Grundsatzentscheidung für den Steuerstaat. 187 181

Dazu Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 85. Zu diesem Erfordernis allgemein Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 72 Rn. 17 ff.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 72 Rn. 40a ff., insb. Rn. 49 ff., 55 ff. 183 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 85. 184 Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 85 f. 185 Vgl. BVerfGE 78, 249, 266; Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 70; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 333; ähnlich auch Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 29; ferner Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 55; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 158. 186 Jachmann, StuW 1997, 299, 300; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 45; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 333. 187 P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506; siehe auch die Formulierung bei Friauf, in: FS Jahrreiß, 45, 55: Fundamentalentscheidung der Verfassung für den Steuerstaat; vgl. fer182

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

bb) Die „nüchterne“ Sichtweise: keine Aussage der Finanzverfassung zum Steuerstaat Das Verständnis der Art. 104a ff. GG als einer Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat ist auf Kritik gestoßen. So wendet sich insbesondere Sacksofsky dezidiert gegen eine normative Verankerung der Steuerstaatlichkeit in den Vorschriften des Grundgesetzes über das Finanzwesen. 188 Angezeigt sei vielmehr eine nüchterne Interpretation der Art. 104a ff. GG. 189 Die Finanzverfassung stelle sich nicht als Hort eines normativ verstandenen Steuerstaatsprinzips dar, sie beschränke sich vielmehr lediglich darauf, die im Zusammenhang mit der Erhebung, Verteilung und Verwaltung von Steuern auftretenden Sachfragen zu regeln. 190 Die Vertreter dieser nüchternen Sichtweise begründen ihren Standpunkt mit einer auf den Wortlaut sowie auf systematische und teleologische Aspekte gestützte Auslegung der Finanzverfassung. Bereits der Wortlaut der Art. 104a ff. GG enthalte kein ausdrückliches Gebot zu einer primären Steuerfinanzierung. 191 Auch lasse sich aus Sinn und Zweck der Finanzverfassung nicht zwangsläufig auf ein normativ verstandenes Steuerstaatsprinzip schließen. Wäre ein solcher Rückschluss evident, so hätte es nicht nahezu 30 Jahre gedauert, bis sich die Steuerstaatlichkeit als Kategorie der Staatsrechtslehre etabliert und größere Beachtung gefunden hätte. 192 Der Finanzverfassung ließen sich bei näherer Betrachtung vielmehr gute Gründe gegen eine Fundamentalentscheidung für den Steuerstaat entnehmen. So enthalte Art. 104a Abs. 1 GG ein klares Bekenntnis zu dem Grundner auch Gosch, StuW 1990, 201, 206; Häde, JA 1994, 1, 4; Henneke, Jura 1990, 63, 64; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 354 f.; Sander, DVBl. 1990, 18, 19; Stober, JA 1988, 250; Wilms, NVwZ 1995, 550, 551. 188 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 161 ff.; kritisch zu einem normativ verstandenen Steuerstaatsprinzip ferner Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 393; Häde, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 9, 24; Hendler, AöR 115 (1990), 577, 600; ders., DÖV 1999, 749, 755 ff.; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 79 ff.; Otting, DVBl. 1997, 1258, 1260; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 270; Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 91 f.; Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 6 f. 189 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 162. 190 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 162. 191 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 162; vgl. auch Hendler, DÖV 1999, 749, 757. Dieser Befund zwingt indes nicht zu der Annahme, eine normative Verankerung des Steuerstaatsprinzips sei damit von vornherein ausgeschlossen, vgl. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420 f.; zustimmend Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 86; vgl. auch unten B. II. 5. e) cc). 192 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 151 f., 163; vgl. auch Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 69.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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satz, dass Bund und Länder jeweils gesondert die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Auf der Ausgabenseite des Staates habe das Grundgesetz damit einen allgemeinen Grundsatz innerhalb der Finanzverfassung geschaffen, der sodann durch die speziellen Regelungen der folgenden Absätze in Art. 104a GG ergänzt werde. Eine vergleichbar grundlegende Norm, die auf der Einnahmenseite eine Regel der vorrangigen Steuererhebung aufstelle, könne der Finanzverfassung aber gerade nicht entnommen werden. 193 Auch die Tatsache, dass die Finanzverfassung mit der Kreditaufnahme, Art. 115 GG, eine weitere Einnahmeart ausdrücklich erwähne, relativiere die besondere Bedeutung der Steuer. 194 Darüber hinaus sei es in systematischer Hinsicht keineswegs zwingend, aus der eigenständigen Regelung der Art. 105 ff. GG außerhalb der allgemeinen Kompetenzvereilungsregelungen, Art. 70 ff. GG, ein Bekenntnis der Finanzverfassung zum Steuerstaat zu erblicken. Da es gute „regelungstechnische Gründe“ für die besondere Normierung der Steuerkompetenzen gebe, dürfe die selbständige Regelung in den Art. 105 ff. GG nicht überbewertet werden. 195 So hätte der Gesetzgeber zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Zölle und Finanzmonopole unproblematisch in Art. 73 GG regeln können; im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung wäre eine Integration der Steuergesetzgebungskompetenzen in Art. 72, 74 GG aber nur mit großen Schwierigkeiten zu realisieren gewesen. 196 Zudem enthalte Art. 105 Abs. 2a GG eine Regelung 193

Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 163. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 163. Unter den denkbaren Finanzierungsformen des Staates darf die Bedeutung von Art. 115 GG indes nicht überschätzt werden, vgl. nur Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 118. 195 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 164 f. 196 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 164 f., argumentiert, freilich bezogen auf die Fassung des Grundgesetzes vor der Föderalismusreform, dass Art. 72 Abs. 2 GG zwingende und für den gesamten Katalog der Sachbereiche des Art. 74 Abs. 1 GG geltende Voraussetzungen für das Gebrauchmachen von der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund enthalte: die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse. Die Systematik der Voraussetzungen für die konkurrierende Gesetzgebung im Bereich der Steuergesetzgebung weiche hiervon allerdings ab. Nach Art. 105 Abs. 2 GG habe der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über „die übrigen Steuern“, wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorlägen oder wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zustehe. Hätte man, so die Argumentation von Sacksofsky, die Steuergesetzgebungskompetenzen in die Art. 70 ff. GG integrieren wollen, so wäre von Art. 72 Abs. 2 GG für diesen Bereich eine eigene Regelung in Bezug auf die entsprechenden steuerbezogenen Titel in Art. 74 GG zu treffen gewesen. Was im Jahr 2000 noch als „außerordentlich schwierig“ angesehen wurde, ist mit der Föderalismusreform im Jahre 2006 indes Realität geworden. Art. 72 Abs. 2 GG n. F. unterscheidet hinsichtlich der Voraussetzungen nun ausdrücklich zwischen den einzelnen Kompetenztiteln des Art. 74 Abs. 1 GG: In den Fällen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 GG darf der Bund nur dann von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch 194

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

über die ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz der Länder, die in der Systematik der Art. 70 ff. GG keine Entsprechung finde. 197 Problematisch sei ferner, dass sich die Regelungen über die Steuerverteilung und den Finanzausgleich, Art. 106 ff. GG, nicht in das System des siebten Abschnitts des Grundgesetzes einfügen ließen. 198 Auch was den Umfang der auf die Steuer bezogenen Regelungen betreffe, so ließen sich daraus keine Rückschlüsse auf die besondere Bedeutung dieser Finanzierungsform ziehen. Die Steuer sei nur deshalb so umfangreich geregelt worden, weil sich bei den steuerbezogenen Regelungen – anders als bei Gebühren und Beiträgen – keine Deckungsgleichheit von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen feststellen lasse. 199 Würde man gleichwohl von einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Steuerstaatsprinzips in den Regelungen der Art. 104a ff. GG ausgehen, bestünde die Gefahr, dass sich Kompetenzvorschriften von unterschiedlichem Rang herausbilden könnten. 200 Da der Steuerstaat die Steuer zu der vorrangigen Einnahmequelle bestimme, müsse der Staat bei der Abgabenerhebung primär die Steuergesetzgebungskompetenzen des Art. 105 GG ausschöpfen. Nur wenn eine sachliche Rechtfertigung bestehe – und damit grundsätzlich nachrangig – könne der Staat gesetzliche Regelungen auf Grundlage der jeweiligen Sachkompetenzen nach Art. 70 ff. GG zur Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben schaffen. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis widerspreche aber der Rechtsnatur von Kompetenzvorschriften. Diese hätten „Angebotscharakter“ gegenüber dem Staat, ermächtigten sie diesen doch gerade zum Tätigwerden auf einem bestimmten Gebiet. Im Bereich der Abgabengesetzgebung wäre die Anwendbarkeit der Art. 70 ff. GG durch den beschränkenden Charakter der Kompetenznorm des Art. 105 GG allerdings begrenzt, da der Staat zur Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nur nachrangig von den allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen Gebrauch machen dürfe. 201 Die Anerkennung eines normativ verstandenen Steuerstaatsprinzips führe daher zu den dem Grundgesetz nicht geläufigen Kategorien der vor- bzw. nachrangigen Kompetenzvorschrift. Im Hinblick auf die Befürchtung der Gegenauffassung, die ungezügelte bzw. beliebige Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben stelle eine Gefahr für die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen dar, 202 wird entgegnet, eine Umgehung der machen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. In den anderen Fällen des Art. 74 Abs. 1 GG gilt die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG dagegen nicht mehr. 197 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 165. 198 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 165. 199 Hendler, DÖV 1999, 749, 757; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 83. 200 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166. 201 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166.

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Art. 104a ff. GG könne bereits dann ausgeschlossen werden, wenn sich Steuern von nichtsteuerlichen Abgaben hinreichend unterscheiden ließen. 203 Bestehe für jede Abgabenart eine Definition, so könnten Steuern klar von nichtsteuerlichen Abgaben abgegrenzt werden. Wolle der Abgabengesetzgeber zwischen der Erhebung verschiedener Abgaben wählen, so sei ihm dies nur im Rahmen der spezifischen Anforderungen des jeweiligen Abgabentyps möglich. Von der Gefahr einer beliebigen Umgehung der Finanzverfassung könne daher nicht gesprochen werden. 204 Schließlich stehe ein normativ verbindlicher und umfassend verstandener Vorrang der Steuerfinanzierung im Widerspruch zu dem etablierten Finanzierungsgrundsatz auf kommunaler Ebene, nach welchem die Gemeinden Steuern nur subsidiär erheben dürfen. 205 Bei diesem Prinzip handele es sich nicht um einen bloßen Programmsatz; die Gemeinde werde vielmehr durch die Vorgaben des Kommunalabgabenrechts rechtlich gebunden. 206 Es sei nicht einzusehen, warum der Staat seinen Finanzbedarf primär über Steuern zu decken habe, wenn den Gemeinden – als in die staatliche Organisation der Länder integrierten Gebietskörperschaften – ein solches Vorgehen gerade untersagt sei. Jedenfalls bedürfe es aber einer besonderen, bislang von den Vertretern eines normativ verstande202

Vgl. zu dieser Überlegung bereits oben B. II. 5. e) aa). Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 167 f. 204 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 168. 205 Hendler, DÖV 1999, 749, 755; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 79, verweist auf das Prinzip der Subsidiarität der Steuer als einem „gefestigten Bestandteil des Kommunalrechts“. Bereits das Preußische Kommunalabgabengesetz v. 14. 7. 1893, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152, habe mit § 2 S. 1 eine Regelung enthalten, wonach die Gemeinden „von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen (dürfen), als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Gemeindevermögen, aus Gebühren, Beiträgen und vom Staate oder von weiteren Kommunalverbänden den Gemeinden überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nicht ausreichen“. In zahlreichen Kommunalabgabengesetzen bzw. Gemeindeordnungen der Länder seien ausdrückliche Subsidiaritätsregelungen enthalten, so etwa in § 3 Abs. 5 S. 1 KAG Saarland, Amtsbl. 1998, S. 691: „Steuern sollen nur erhoben werden, wenn die sonstigen Einnahmen, bei Gemeindeverbänden mit Ausnahme der Kreisoder Regionalverbandsumlage zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen.“ Vgl. ferner auch § 93 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) i. d. F. der Bekanntmachung v. 1. 4. 2005, GVBl. I 2005, S. 142; § 78 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg i. d. F. der Bekanntmachung v. 24. 7. 2000, GBl. 2000, S. 582; Art. 62 Abs. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) i. d. F. der Bekanntmachung v. 22. 8. 1998, GVBl. 1998, S. 796. 206 Vgl. Hendler, DÖV 1999, 749, 755; dens., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 80, mit Verweis auf BVerwG, KStZ 1993, 193, 194; VGH Kassel, NVwZ 1992, 807. Nach Lehmacher, Der Gemeindehaushalt 1984, 106, soll es sich bei der Subsidiarität der Steuererhebung gar um einen nicht auf den kommunalen Bereich beschränkten „allgemein geltenden Grundsatz“ handeln. Woraus sich dies ergeben könnte, bleibt aber offen. 203

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

nen Steuerstaatsgedankens nicht erbrachten Begründung, um das beschriebene Spannungsverhältnis aufzulösen. 207 Nach Auffassung der Kritiker eines grundgesetzlichen Steuerstaatsprinzips lässt sich damit sagen, dass eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat weder mit dem Wortlaut der Art. 104a ff. GG noch mit systematischen oder teleologischen Argumenten begründet werden kann. cc) Bewertung Für die Frage, ob eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat existiert, ist der Wortlaut des Grundgesetzes unergiebig. 208 Eine Reihe von Artikeln befasst sich zwar mit dem Finanzierungsinstrument der Steuer. Dies jedoch stets im Hinblick auf bestimmte Detailregelungen wie etwa der Frage nach der Gesetzgebungskompetenz im Steuerrecht (Art. 105 GG) oder den Bundes- und Landeszuständigkeiten in der Finanzverwaltung (Art. 108 GG). Eine steuerstaatliche Staatsziel- oder Staatsstrukturbestimmung, wie dies etwa im Fall des Sozialstaats, der Republik oder des Rechtsstaats der Fall ist, enthält das Grundgesetz weder ausdrücklich noch lässt sich der Steuerstaatsgedanke aus dem explizit geregelten Sozialstaats- oder Rechtsstaatprinzip ableiten. 209 Dass der Steuerstaatsgrundsatz im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird, muss jedoch nicht bedeuten, dass sich die Verfassung gegen die Geltung eines solchen Prinzips entschieden hat. Auch das Staatsziel der inneren Sicherheit, 210 die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr 211 oder, um ein weiteres prominentes Beispiel zu erwähnen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 212 besitzen Verfassungsrang, ohne dass das Grundgesetz entsprechende Aussagen ausdrücklich formuliert hätte. Begründen lässt sich dieser Befund mit der Grundkonzeption der Verfassung: Das Grundgesetz ist nicht Gesamtdarstellung des Verfassungsrechts, es kann nicht gleich einem Lehrbuch oder Kommentar alle Strukturen und Wesenszüge des Staates 207 Hendler, DÖV 1999, 749, 756; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 80. 208 Vgl. auch Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 152. 209 Siehe oben Dritter Teil, B. II. 5. a) – c); vgl. auch Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 480. 210 Siehe oben Zweiter Teil, A. II. 3. c). Zu der rechtlichen Verbindlichkeit des staatlichen Gewaltmonopols, welches mit dem Staatsziel der inneren Sicherheit untrennbar verbunden ist, Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 103; sowie oben Zweiter Teil, B. III. 2. a) bb). 211 Siehe oben Zweiter Teil, B. II. 212 Vgl. BVerfGE 19, 342, 348 f.; 23, 127, 133; 76, 1, 50 f.; 92, 277, 325; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, S. 406, 408; ähnlich auch Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 26 Rn. 87; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 86, 224; zur Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes etwa Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 80.

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

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erläutern. 213 Kommt daher aus einer Gesamtschau der grundgesetzlichen Vorschriften zum Ausdruck, dass die Verfassung sich zu dem Primat der Steuer bekennt, so liegt auch darin eine Entscheidung für den Steuerstaat. Es erscheint zunächst angezeigt, auf die wesentlichen der vorgebrachten Argumente 214 gegen eine normative Verankerung des Steuerstaatsgedankens im Grundgesetz einzugehen. Daran anschließend soll eine eigene Bewertung der Frage vorgenommen werden, ob das Grundgesetz eine Entscheidung für den Steuerstaat getroffen hat. (1) Zu der „nüchternen Sichtweise“ Wenn von den Gegnern eines normativ verstandenen Steuerstaatsprinzips argumentiert wird, die umfangreichen Regelungen der Finanzverfassung beruhten nicht auf der Vorrangstellung der Steuer, so überzeugt dies nicht. Zwar ist es richtig, dass das teilweise Auseinanderfallen von Aufgabenträgerschaft, Finanzierungsverantwortung und Ertragszuständigkeit im Bereich der Steuer ausführlichere Regelungen erforderlich macht, als dies bei nichtsteuerlichen Abgaben der Fall ist. 215 Es ist jedoch ebenso gut denkbar, dass der Verfassunggeber anhand der umfassenden Regelungen im zehnten Abschnitt gerade der besonderen Bedeutung der Steuer unter den Finanzierungsinstrumenten gerecht werden wollte. Auch in anderen Bereichen lässt das Grundgesetz erkennen, dass eine ausführliche Regelung den besonders hohen Rang der betroffenen Sachmaterie widerspiegelt: So finden sich in Art. 104 GG aufwendige und umfangreiche Verfahrensregelungen für Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung nicht deshalb, weil der Begriff der körperlichen Bewegungsfreiheit besonders komplex wäre, sondern weil der Freiheit der Person eine so große Bedeutung für den Einzelnen zukommt. 216

213 Dazu Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420 f.: „Die Verfassung hat nicht den wissenschaftlichen Ehrgeiz, die Wesenszüge des Staates enzyklopädisch darzustellen. Sie erhebt auch nicht den kodifikatorischen Anspruch, eine Rechtsmaterie systematisch und exklusiv zu regeln.“ Zustimmend Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 86. 214 Siehe oben B. II. 5. e) bb). 215 Vgl. Hendler, DÖV 1999, 749, 757; dens., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 83. 216 Siehe zu dem Grund für die detailreiche Regelung des Art. 104 GG Müller-Franken, in: Stern / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Art. 104 Rn. 5. Schon im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates herrschte Einigkeit darüber, dass den Verfahrensbestimmungen zum Schutz der persönlichen Freiheit besondere Bedeutung zukommen müsse, vgl. JöR NF 1 (1951), 745, 746. Zu dem hohen Rang der persönlichen (körperlichen) Freiheit vgl. ferner auch BVerfGE 10, 302, 322; 65, 317, 322; 66, 191, 195; 70, 297, 307.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Auch der Einwand, eine Ableitung des Steuerstaatsprinzips aus den Regelungen der Finanzverfassung sei bereits deshalb problematisch, weil sich Literatur und Rechtsprechung erst Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes mit dieser Materie befasst hätten, 217 ist unbegründet. Eine nachvollziehbare Argumentation dafür, dass stets ein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Thema und dem Grad seiner normativen Verbindlichkeit besteht, wird von den Vertretern dieser Auffassung nicht erbracht. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass eine vertiefte 218 Auseinandersetzung insbesondere mit der Begrenzungsfunktion des Steuerstaatsprinzips zunächst deshalb unterblieb, weil eine verstärkte Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben erst in den 1970er-Jahren einsetzte. 219 Es ist nicht ungewöhnlich, dass mit der steigenden tatsächlichen Bedeutung einer Streitfrage regelmäßig auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung auf diesem Gebiet zunimmt. 220 217

Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 163 i.V. m. S. 151 f. Vereinzelt wurde bereits zu Beginn der 1960er-Jahre die Vorrangstellung der Steuer unter den Abgaben thematisiert; zunächst jedoch überwiegend zur Begrenzung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, vgl. etwa Zeidler, VVDStRL 19 (1961), 208, 214; Wertenbruch, JuS 1961, 105, 109. Nach Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 33 mit Fn. 54, begann die Auseinandersetzung mit der Steuerstaatlichkeit unter dem Grundgesetz bereits in den 1950er-Jahren. 219 So auch Heun, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10, 15. Stiegen die Einnahmen der öffentlichen Haushalte aus Gebühren und sonstigen Entgelten zwischen 1950 und 1970 von umgerechnet 800 Mio. Euro auf 6,7 Mrd. Euro nur relativ langsam an, so lässt sich eine deutliche Zunahme dieser Einnahmen im Zeitraum zwischen 1970 (6,7 Mrd. Euro) und 1980 (19,3 Mrd. Euro) feststellen, Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 (Fachserie 14, Reihe 3.1), Tabellenteil, Tabelle 1. 220 Als Beispiel für dieses Phänomen lässt sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage anführen, ob eine verstärkte Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht zulässig ist. Nachdem Mitte der 1970er-Jahre zunächst die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zunahmen, folgte zu Beginn der 1980er-Jahre eine vertiefte Auseinandersetzung in der rechtswissenschaftlichen Literatur, siehe dazu im Einzelnen oben Erster Teil B. Die tatsächliche staatliche Ausgabenentwicklung auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung macht deutlich, warum einige Bundesländer erst in den 1970erJahren von der teilweise bereits seit den 1950er-Jahren in ihren Polizeigesetzen enthaltenen Möglichkeit zur Kostenüberwälzung Gebrauch machten: Die Ausgaben für die öffentliche Sicherheit und Ordnung beliefen sich im Jahr 1950 für den Bund auf 2 Mio. DM, für die Länder auf 196 Mio. DM. Im Jahr 1970 musste der Bund bereits 215 Mio. DM, die Länder gar 1,729 Mrd. DM aufwenden. 1975 schließlich betrugen die Ausgaben in diesem Bereich für den Bund 497 Mio. DM, für die Länder 3,468 Mrd. DM (alle Angaben sind entnommen aus: Statistisches Bundesamt [Hrsg.], Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 [Fachserie 14, Reihe 3.1], Tabellenteil, Tabelle 2). Die Auswertung dieser Angaben legt es nahe, eine Parallele zwischen den steigenden öffentlichen Ausgaben, der Überwälzung von Kosten, insbesondere seitens der Bundesländer, und der verstärkten Auseinandersetzung mit dieser Problematik in Rechtsprechung und Literatur zu ziehen: Nachdem die öffentliche Hand dazu übergegangen war, vermehrt Gebühren für Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu 218

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

237

Darüber hinaus führt die Anerkennung einer Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat auch nicht zu der Herausbildung von Gesetzgebungskompetenzen erster und zweiter Klasse. 221 Dieser Überlegung ist zwar zuzugeben, dass sich ein Unterschied zwischen Art. 70 ff. GG sowie Art. 105 GG feststellen lässt: Art. 105 GG stellt in seinem Anwendungsbereich eine Spezialvorschrift zu den allgemeinen Gesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG dar. 222 Die Grundregel des Art. 70 Abs. 1 GG, der die Gesetzgebungszuständigkeit im Bundesstaat verteilt, wird insoweit durch Art. 105 GG als lex specialis verdrängt. 223 Es handelt sich bei diesem Artikel des Grundgesetzes indes nicht um eine „Kompetenznorm erster Klasse“. Art. 105 GG ist keine im Vergleich zu Art. 70 Abs. 1 GG höherwertige Vorschrift, sondern vielmehr die speziellere, für den Bereich der Steuergesetzgebung unmittelbar einschlägige Norm. Das Verhältnis von allgemeiner zu spezieller Kompetenznorm ist dabei weder „ungewöhnlich“, noch „bemerkenswert“. 224 Dass das allgemeine Gesetz durch das besondere Gesetz verdrängt wird, ist ein allgemein anerkannter Grundsatz der juristischen Methodenlehre. 225 Auch das Grundgesetz kennt neben Art. 105 GG mit Art. 70 Abs. 1 GG eine weitere Kompetenznorm, die selbst wiederum lex specialis zu Art. 30 GG als der allgemeinen Zuweisungsnorm von Aufgabenkompetenzen im Bundesstaat ist. 226 Auch in Bezug auf das zuletzt genannte Verhältnis ist, soweit ersichtlich, nicht von Kompetenznormen erster und zweiter Klasse die Rede. Schließlich spricht auch das kommunalrechtliche Prinzip der Subsidiarität der Steuererhebung nicht gegen eine Entscheidung der Finanzverfassung für den Steuerstaat. 227 Die Einnahmenbeschaffungsgrundsätze des Kommunal- bzw. Kommunalabgabenrechts widersprechen inhaltlich zwar den steuerstaatlichen erheben, der Gebührenproblematik mithin nicht mehr nur theoretische Bedeutung zukam, befassten sich im Anschluss daran zunächst die Gerichte, später die Literatur mit diesem Sachproblem. 221 Diese Befürchtung äußert Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166; vgl. dazu bereits oben B. II. 5. e) bb). 222 Vgl. Häde, Finanzausgleich, S. 20, 154; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 24; sowie Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 1, 43 (Art. 105 GG als lex specialis zu Art. 70 Abs. 1, 73 f. GG). 223 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 1, 42. 224 So aber Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166. 225 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 465; ferner Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 267 f., der danach differenziert, ob sich die Rechtsfolgen der konkurrierenden Rechtssätze ergänzen, oder aber einander ausschließen. Nur in dem letztgenannten Fall könne von einer Verdrängung der allgemeinen durch die spezielle Norm gesprochen werden. Zu der Konkurrenz von Rechtsnormen allg. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 37 ff. 226 Vgl. Häde, Finanzausgleich, S. 20; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 151; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 70 Rn. 9.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Vorgaben der Art. 104a ff. GG. 228 Sie können jedoch für eine Auslegung des Grundgesetzes nicht herangezogen werden, beziehen sie sich doch gerade nicht auf Verfassungsrecht, sondern auf das einfachgesetzlich ausgestaltete Recht der Kommunalfinanzen. 229 Erst recht können die kommunalrechtlichen Regelungen zur Subsidiarität der Steuer die Aussagen, die die Finanzverfassung im Hinblick auf den Steuerstaat enthält, nicht konterkarieren. Das einfache Recht darf zwar herangezogen werden, um die – notwendigerweise weiten und unbestimmten – 230 Regelungen und Garantien der Verfassung zu konkretisieren. 231 In einem solchen Fall geht es jedoch darum, Verfassungsrecht näher auszugestalten. Demgegenüber wird der kommunalrechtliche Grundsatz der Subsidiarität von den Gegnern eines normativ verstandenen Steuerstaatsprinzips aber herangezogen, um eine durch Auslegung des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes ermittelte Vorgabe an die Grundsätze staatlicher Einnahmenbeschaffung zu unterlaufen. 232 Ein solcher Gebrauch von einfachgesetzlichen Bestimmungen würde jedoch die verschiedenen Rangstufen des Rechts 233 missachten und die überkommenen 227 Zu diesem Prinzip etwa BVerwG, NVwZ 1994, 176, 177 (zu § 63 GO NordrheinWestfalen a. F.); VGH Kassel, NVwZ 1992, 807 (zu § 93 der Hessischen Gemeindeordnung [HGO]); OVG Koblenz, NVwZ 1986, 148 (zu § 94 GO Rheinland-Pfalz); Brodersen, JuS 1994, 534; Corsten, Der Gemeindehaushalt 1990, 57 ff. (zu § 63 GO Nordrhein-Westfalen a. F.); Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 681; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 78 mit Fn. 10; Kosmider, KStZ 1989, 21, 23 f.; Kretschmann, KStZ 1990, 125 f.; Lehmacher, Der Gemeindehaushalt 1984, 106 f.; Waldhoff, in: Henneke / Pünder / Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, § 7 Rn. 5; Winands, JuS 1986, 942, 948. 228 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 428; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 250; a. A. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 478; ähnlich auch Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 2; sowie Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, S. 62. Zu der qualitativen wie quantitativen Bedeutung der Steuer auch auf kommunaler Ebene siehe etwa Schmidt-Jortzig / Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, Rn. 46. 229 Für eine klare Differenzierung zwischen der Ebene des Verfassungsrechts bzw. jener des Kommunalrechts plädiert auch P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 253; ders., in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33, 53; vgl. auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 78 mit Fn. 10. Diese Trennung würde durch eine „Ausdehnung des gemeindlichen Finanzierungskonzepts auf den gesamten Staat“, wie dies Hendler, DÖV 1999, 749, 756 ff.; ders., in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68, 81 ff., fordert, unterlaufen. 230 Vgl. Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 231. 231 Siehe Badura, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 163 Rn. 9. 232 Zu den Grenzen der Verfassungsinterpretation allg. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 77 f. 233 Dem Gesetzgeber ist weder eine offene noch eine stillschweigende Abweichung vom Grundgesetz gestattet, vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 162 Rn. 40. Zum Stufenbau der Rechtsordnung allg. bereits Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 228 ff.; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 172 f., ferner auch Wolff, Ungeschrie-

B. Rechtliche Verbindlichkeit des Steuerstaatsprinzips

239

Regelungen des Kommunalabgabenrechts überbewerten. 234 Die kommunalrechtlichen Regelungen zu einer Subsidiarität der Steuer lassen sich daher nicht auf die Finanzverfassung des Grundgesetzes übertragen; sie haben sich vielmehr dem Verfassungsprinzip des Steuerstaates anzupassen. 235 Zu Recht betont daher auch das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz vom Vorrang der Steuerfinanzierung für alle staatlichen Ebenen, wenn es feststellt, dass „die Finanzierung staatlicher Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden grundsätzlich aus der Ertragshoheit, wie sie Art. 105 ff. GG differenziert normiert, zu erfolgen“ habe. 236 (2) Das Steuerstaatsprinzip als Verfassungsentscheidung Es hat sich gezeigt, dass die vorgebrachten Argumente gegen ein normativ verstandenes Steuerstaatsprinzip nicht überzeugen können. Ein „nüchternes Verständnis“ der Art. 104a ff. GG ist in der Literatur daher auch nur vereinzelt gefordert worden. 237 Dass sich der zehnte Abschnitt des Grundgesetzes für die Steuerstaatlichkeit entschieden hat, lässt sich – ergänzend zu den bereits angeführten Argumenten – 238 anhand der nachfolgenden Überlegungen verdeutlichen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Steuerstaatlichkeit lässt sich richtigerweise bereits an der Anzahl der steuerbezogenen Regelungen belegen: Die benes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, S. 288 ff. („Hierarchie der Rechtsnormen“). 234 Die kommunal(abgaben)rechtlichen Vorschriften zur Subsidiarität der Steuer, die sich an § 2 Abs. 1 PrKAG, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152, sowie, später, an § 85 Abs. 2 der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) v. 30. 1. 1935, RGBl. I 1935, S. 49, orientieren, werden mitunter als anachronistisch bezeichnet, vgl. Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 428; kritisch auch Waldhoff, in: Henneke / Pünder / Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, § 7 Rn. 5. 235 Allgemein BVerfGE 28, 243, 260 f.: „Nicht das System von Normen, Instituten und Institutionen im Range unter der Verfassung bildet den Maßstab für die Auslegung verfassungsrechtlicher Bestimmungen; vielmehr liefern die letzteren umgekehrt die Grundlagen und den Rahmen, an den die übrigen Rechtsäußerungen und -erscheinungen sich anzupassen haben.“ 236 BVerwGE 95, 188, 193; ausdrückliche Bezugnahme auf die Gemeinden auch bei Vogel, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 30 Rn. 70; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 333. 237 Zu den Vertretern dieser Sichtweise oben B. II. 5. e) bb) mit Fn. 188. Eine Tendenz dahingehend, dass ein rechtsverbindliches Steuerstaatsprinzip in Rechtsprechung oder Literatur wieder vermehrt in Abrede gestellt würde, ist gegenwärtig nicht auszumachen, vgl. aber auch die abweichende Einschätzung von Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 472. 238 Oben B. II. 5. e) aa).

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Finanzverfassung, ein eigener Abschnitt des Grundgesetzes, ist gekennzeichnet durch überwiegend an der Steuer orientierten Regelungen. 239 So übersteigt die Steuer, bezogen auf die Zahl ihrer Erwähnungen, die Summe der nichtsteuerlichen Abgaben um ein Vielfaches. Die Behauptung, das Grundgesetz hätte die Steuer als eine Abgabe unter vielen ausgestaltet, 240 kann daher allein schon wegen der hohen Regelungsdichte nicht überzeugen. Daneben spricht ein weiterer Aspekt für die normative Verbindlichkeit des Steuerstaates: Der Staat des Grundgesetzes ist auf eine möglichst umfassende Gemeinwohlverwirklichung verpflichtet. 241 Wäre der Vorrang der Steuerfinanzierung nicht als verbindliche Vorgabe, zu der sich die Verfassung bekennt, festgeschrieben, so könnte der Staat in vielen Bereichen nicht mehr gemeinwohlfördernd tätig werden. Würden staatliche Stellen verstärkt dazu übergehen, bestimmte Leistungen nur noch bei Zahlung eines Entgelts zu erbringen, so müssten, insbesondere im sozialstaatlichen Bereich, bislang steuerfinanzierte Leistungen der öffentlichen Hand entfallen. Allgemein ließe sich formulieren: Je kostenintensiver eine entgeltfinanzierte Maßnahme, desto kleiner der Personenkreis, der diese Maßnahme finanzieren kann. Das Gegenleistungsprinzip zwänge dem staatlichen Handeln einen Wirtschaftlichkeitsmaßstab auf, der das Gebot der Gemeinwohlorientierung verdrängte. Staatliches Handeln müsste dort unterbleiben, wo finanzkräftige Entgeltschuldner fehlten; dies selbst dann, wenn ein öffentliches Interesse für das Tätigwerden bestünde. 242 In den Art. 104a ff. GG kommt jedoch gerade zum Ausdruck, dass der Staat des Grundgesetzes sich nicht von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten leiten lassen darf, sondern im Interesse des Gemeinwohls zu handeln hat. Nicht die erwerbswirtschaftliche Betätigung oder die Gewinnmaximierung stehen im Mittelpunkt des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes; mit den Regelungen über das Finanzwesen soll vielmehr sichergestellt werden, dass der Staat über ausreichende Finanzmittel für die Erfüllung seiner gemeinwohlorientierten Aufgaben verfügt. Die Finanzverfassung setzt die 239 Der Begriff der Steuer – als eigenständiger Begriff oder als Wortbestandteil – ist im zehnten Abschnitt des Grundgesetzes 79-mal enthalten, der Begriff der Abgabe wird 7-mal gebraucht; den Abgabentyp der Gebühr bzw. des Beitrags erwähnt die Finanzverfassung überhaupt nicht. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Steuer auch anhand der großen Vielfalt der in der Finanzverfassung erwähnten Steuerarten deutlich, vgl. dazu Weber-Grellet, in: FS Posser, S. 395, 402 ff. 240 So indirekt Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 195, die, wie bereits erwähnt, betont, nichtsteuerliche Abgaben stellten keine „Abgaben zweiter Klasse“ dar. 241 Vgl. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71 Rn. 13; MüllerFranken, AöR 134 (2009), 542, 553 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 331. 242 Allein das fungible Finanzierungsinstrument der Steuer ermöglicht es dem Staat, sein Handeln an sachgesetzlichen Maßstäben auszurichten, vgl. etwa P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 506.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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Steuer deshalb nicht nur voraus, sondern bekennt sich durch den starken Steuerbezug ihrer Einzelvorschriften zu dieser Abgabenart. Steuerstaat und Finanzverfassung sind so eng miteinander verbunden, dass sich treffend formulieren lässt: die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist eine Steuerverfassung. 243 Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass sich den Regelungen des zehnten Abschnitts des Grundgesetzes eine Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat entnehmen lässt. Die Finanzverfassung stellt sich damit als der Geltungsgrund für das Steuerstaatsprinzip dar. 244 Der Vorrang der Steuerfinanzierung sowie die Exklusivität der Steuer bei der Finanzierung von allgemeinen Staatsaufgaben sind folglich weder bloße Verfassungsvoraussetzungen, noch allgemeine Programmsätze; es handelt sich hierbei vielmehr um normativ verbindliche Vorgaben des Grundgesetzes.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass das Steuerstaatsprinzip vom Grundgesetz als Verfassungsprinzip ausgestaltet ist. Mit dieser Aussage ist allerdings das Finanzierungsinstrument der Steuer begrifflich noch nicht näher umschrieben. Es wird im Folgenden daher zu klären sein, was unter diesem Abgabentyp zu verstehen ist und welche Bedeutung der Steuer für die Finanzierung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr zukommt.

I. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff und seine Verankerung im Text des Grundgesetzes Das Grundgesetz hält mit Art. 105 ff. GG zwar Vorgaben darüber bereit, welcher staatlichen Ebene die Steuergesetzgebungskompetenzen sowie die Steuererträge zustehen. Der Gegenstand dieser Verteilungsregeln, die Steuer, wird von der Verfassung selbst hingegen nicht definiert. 245 243 Gosch, StuW 1990, 201, 206; Isensee, SDSRV 35 (1992), 7, 9; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 53; vgl. auch Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 10 („Steuerfinanzverfassung“). 244 Siehe zu dem Geltungsgrund als Voraussetzung für den Geltungsanspruch des Steuerstaatsprinzips etwa Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 152 f. 245 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 58; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 360.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

1. Einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Steuerbegriff Bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes war der Begriff der Steuer Gegenstand einfachgesetzlicher Vorschriften. Die Legaldefinition des § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931 246 umschrieb Steuern als „einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. 247 Diese Definition, die auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Weimarer Republik auf breite Zustimmung gestoßen ist, 248 wird als „traditioneller Steuerbegriff“ bezeichnet. 249 Es ist heute überwiegend anerkannt, dass sich der Verfassunggeber bei der Entstehung des Grundgesetzes diesen vorgefundenen Steuerbegriff zu eigen gemacht hat. 250 Auch die Tatsache, dass bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat keine kontroversen Diskussionen im Hinblick auf den Begriff der Steuer geführt wurden, 251 spricht dafür, 246

Reichsabgabenordnung v. 22. 5. 1931, RGBl. I 1931, S. 161. Die Definition der Steuer in § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931 deckt sich mit dem Steuerbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1 der Reichsabgabenordnung v. 13. 12. 1919 (RAO 1919), RGBl. 1919, S. 1993. Bereits die RAO 1919 konnte bei der Festschreibung einer gesetzlichen Definition des Steuerbegriffs auf Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zurückgreifen, vgl. den Bericht des 11. Ausschusses über den Entwurf einer Reichsabgabenordnung, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 339 (Anlagen zu den stenographischen Berichten Nr. 1046 –1523), Aktenstück Nr. 1460, S. 1387; aus der Literatur zuvor bereits O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I (1895), S. 386 f. 248 So verweist etwa O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I (1924), S. 316 mit Fn. 2, darauf, dass § 1 RAO 1919 den Steuerbegriff „sehr gut“ zusammenfasse; auch F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 15, betont, dass der Steuerbegriff damals inhaltlich allgemein akzeptiert gewesen sei; ähnlich Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 85. Kritischer dagegen die Bewertung bei Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 49 ff., insb. S. 54. 249 Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 3; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 119. 250 Vgl. etwa Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 84; Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 3; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 71; Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 19; in diese Richtung auch Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 177. 251 Vgl. JöR NF 1 (1951), 748 ff.; dies herausstellend auch Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 261. Wäre aus Sicht des Verfassunggebers eine begriffliche Klärung nötig gewesen, so hätte er eine Definition der Steuer in das Grundgesetz aufnehmen können. Obwohl gerade der zehnte Abschnitt des Grundgesetzes über eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen verfügt und sich in dieser Hinsicht von den übrigen Abschnitten abhebt, vgl. dazu Hilf, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 161 Rn. 44, wurde davon abgesehen. 247

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

243

dass die vorgefundene Definition der RAO 1931 auch der Finanzverfassung stillschweigend zugrunde gelegt wurde. 252 Dieser Einschätzung ist gelegentlich vorgeworfen wurden, sie trage der Eigenständigkeit des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs nicht hinreichend Rechnung und verwische die Grenze zwischen einfachem Recht und Verfassungsrecht. 253 Eine solche Gefahr besteht jedoch nicht, wenn klar zwischen der historischen Entwicklung des Steuerbegriffs einerseits und dem Verhältnis von § 3 Abs. 1 AO zu den Art. 104a ff. GG andererseits differenziert wird: 254 So macht die Tatsache, dass der Verfassunggeber mit § 1 RAO eine Legaldefinition des einfachen Rechts vorgefunden und anerkannt hat, den im Wesentlichen gleichlautenden heutigen § 3 Abs. 1 AO nicht zu Verfassungsrecht. 255 § 3 Abs. 1 AO gibt zwar den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff zutreffend wieder, er ist für diesen aber nicht verbindlich. 256 Der Steuerbegriff des Grundgesetzes setzt vielmehr voraus, dass die einzelnen Merkmale der Steuer aus den Regelungen der Verfassung hergeleitet werden können.

252 Zum Bezug der Verfassung auf § 1 RAO bzw. das „allgemeine Steuerrecht“ vgl. BVerfGE 3, 407, 435; 7, 244, 251; 29, 402, 408; 36, 66, 70; 38, 61, 79 f.; 42, 223, 228; BVerwGE 15, 149, 150; 32, 257, 259; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 15; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 30; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 272; Patzig, DÖV 1981, 729, 733; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 76; Starck, in: FS Wacke, S. 193, 202 (Steuerbegriff der RAO als „Ausgangspunkt“). 253 In diese Richtung Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12 mit Fn. 62. Ausführlich zu der Kritik an dem Rezeptionsargument Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 43 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 23 ff. 254 Die Entwicklung des Steuerbegriffs lässt sich kursorisch wie folgt darstellen: § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1919, der selbst auf frühere Begriffsbestimmungen aus Rechtsprechung (vgl. etwa PrOVGE 13, 229, 231; 50, 69, 72) und Literatur (A. Wagner, Finanzwissenschaft, Teil I, S. 326 f.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I [1895], S. 386 f.) zurückgreifen konnte, enthält eine Legaldefinition der Steuer (1. Phase). Diese Vorschrift, die 1931 nahezu unverändert in die RAO 1931 übernommen wird, findet in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Weimarer Republik Zustimmung (2. Phase). Der Parlamentarische Rat legt den hergebrachten Steuerbegriff auch dem Grundgesetz zugrunde (3. Phase). Die Abgabenordnung von 1977 gibt den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff wieder (4. Phase). 255 Zutreffend Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 285; vgl. auch Manssen, in: ders. (Hrsg.), Rechtswissenschaft im Aufbruch, S. 145, 146, wonach der in § 3 AO niedergelegte Steuerbegriff jedenfalls „in groben Zügen“ dem der Verfassung entspreche. 256 Ebenso Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 3; vgl. auch Vogel, in: GS Martens, S. 265, 267; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 72; Sander, DVBl. 1990, 18; noch in Bezug auf § 1 RAO 1931 Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 45; Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 21.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

2. Merkmale des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs Die These, das Grundgesetz habe sich an der Steuerdefinition der RAO 1931 orientiert, soll nachfolgend anhand von konkreten Aussagen der Verfassung belegt werden. Nur dann, wenn die Bestandteile des hergebrachten Steuerbegriffs durch das Grundgesetz bestätigt werden, können sie verfassungsrechtliche Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen. a) Geldleistung Der Bürger wird von seiner Steuerpflicht nur durch Zahlung einer Geldleistung frei. 257 Die Steuer unterscheidet sich im System der öffentlichen Lasten anhand dieses Merkmals von verwaltungsrechtlichen Dienstbarkeiten 258 sowie von Naturalleistungen in Form von Dienst- oder Sachleistungen. 259 Die Tatsache, dass es sich bei Steuern um Geldleistungen handeln muss, wird durch die Regelungen der Finanzverfassung verdeutlicht: Art. 106 GG gibt dezidiert vor, wie hoch der Anteil 260 von Bund, Ländern und Gemeinden an den einzelnen Steuererträgen zu bemessen ist und setzt damit die rechnerische Teilbarkeit des Steueraufkommens voraus. Diese Eigenschaft steht bei Geldbeträgen außer Frage; verwaltungsrechtliche Dienstbarkeiten, aber auch Dienst- und Sachleistungen lassen sich dagegen in aller Regel nicht nach einem festgelegten 257 Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 3; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 62; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 135 f.; anders, da noch Sachleistungen einbeziehend, PrOVGE 10, 153, 154. 258 Verwaltungsrechtliche Dienstbarkeiten sind als „negative Leistungen“ (Duldungsoder Unterlassungspflichten) von den positiven Leistungspflichten des Bürgers (Dienstoder Sachleistungspflichten) zu unterscheiden. Bedeutung erlangen sie etwa im Baurecht, so beispielsweise in Gestalt der Duldungspflicht zur Anbringung von Haltevorrichtungen für die Straßenbeleuchtung (§ 126 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB). 259 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 73; Überblick über die öffentlichen Lasten etwa bei Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 348; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 40. 260 Verschiedentlich erfolgt die Zuweisung der Steuererträge durch Art. 106 GG anteilsmäßig, vgl. z. B. Art. 106 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 GG („Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt [...]“); Abs. 5 S. 1 GG („Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist“); Abs. 7 S. 1 GG („Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu“).

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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Schlüssel den verschiedenen staatlichen Ebenen zuweisen. Die Verteilung der Steuererträge nach Art. 106 GG setzt damit voraus, dass es sich bei diesem Abgabentyp um eine Geldleistung handelt. Das verfassungsrechtliche Verständnis der Steuer als einer Geldleistung wird, wie erwähnt, durch die einfachgesetzliche Definition des § 3 Abs. 1 AO bestätigt, der sich wiederum an der Formulierung des § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1919/1931 orientiert hat. 261 b) „Auferlegtsein“ Der Steuerbegriff des Grundgesetzes erfasst nur solche Geldleistungen, die dem Steuerpflichtigen hoheitlich auferlegt werden. Das Merkmal des „Auferlegtseins“ bringt zum Ausdruck, dass die Steuerpflicht nur durch einseitigen hoheitlichen Zwang begründet werden darf. 262 Die Auferlegung der Geldleistungspflicht kann dabei sowohl durch Gesetz als auch durch einen an eine gesetzliche Regelung anknüpfenden Festsetzungsakt der Exekutive erfolgen. 263 Eine freiwillige Zuwendung von Geldbeträgen des Bürgers an den Staat, wie dies etwa bei Schenkungen oder Spenden der Fall ist, wird daher nicht von dem Steuerbegriff erfasst. 264 Auch vertragliche, mithin auf der Ebene der Gleichord261 Die Änderungen und Anpassungen waren überwiegend redaktioneller Art; mit § 3 Abs. 1 Hs. 2 AO wurde in der Abgabenordnung im Unterschied zu § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1919/1931 allerdings verdeutlicht, dass die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck der Steuer sein kann, vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 115; Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 439; Patzig, DÖV 1981, 729, 733; Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 38; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1096. Für Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 136 f., der den Steuerbegriff von jeglicher Zweckvorstellung des Gesetzgebers freihalten will (vgl. dazu unten Fn. 288), stellt sich diese Ergänzung der einfachrechtlichen Steuerdefinition freilich als ein „folgenreicher Schritt“ dar und steht daher im Mittelpunkt seiner Kritik an der Reform der Reichsabgabenordnung. 262 Vgl. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 376. 263 Dazu Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 14; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 6; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 67. 264 Vgl. Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 4 Rn. 6; dens., Steuerrecht, Rn. 116, Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 5. So erfolgen etwa Schenkungen aufgrund einer privatautonomen Entscheidung des Schenkers (und des Beschenkten). Art. 105 GG ermächtigt den Bund bzw. die Länder aber zum Erlass von Gesetzen, die die Erhebung von Steuern einseitig regeln. Die freie, privatautonome Entscheidung darüber, ob eine Leistung schenkweise versprochen wird, lässt sich mit der gesetzlichen Pflicht zur Zahlung von Steuern nicht vereinbaren. Auch die Regelung über die Verteilung der Steuererträge macht deutlich, dass nur solche Zahlungen, die hoheitlich auferlegt werden, dem Steuerbegriff unterfallen können: Im Falle der Schenkung bestimmt gerade der Schenker, wer die Zuwendung erhalten soll. Dem Gedanken der Privatautonomie könnte in dem Fall, in welchem der Ertrag der Leistung durch Vorgaben der Verfassung, Art. 106 GG, einer bestimmten staatlichen Ebene zugewiesen wird, nicht Rechnung getragen werden.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

nung begründete Zahlungsverpflichtungen an die öffentliche Hand unterfallen nicht dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff. 265 Wichtige Regelungen der Finanzverfassung stützen die vorstehenden Ausführungen zum Merkmal des „Auferlegtseins“: Art. 105 GG verteilt die Gesetzgebungskompetenzen im Hinblick auf das Finanzierungsinstrument der Steuer. Mit den Art. 106 ff. GG schließen sich Vorschriften über die Verteilung der Erträge sowie zu den Verwaltungskompetenzen an. Die Steuererhebung weist damit einen engen Bezug zu den klassischen Staatsfunktionen der Gesetzgebung und der Verwaltung auf. Die genannten Regelungen lassen sich nur dann nachvollziehen, wenn man ausschließlich hoheitlich und einseitig auferlegte Geldleistungspflichten, nicht aber auch privatrechtliche Zahlungen an den Staat als Steuern begreift. c) Auferlegung durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff setzt weiterhin voraus, dass dem Einzelnen die Geldleistung von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegt wird. Zahlungsverpflichtungen, die aus der Rechtshandlung einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts erwachsen, lassen sich daher nicht als Steuern qualifizieren. 266 Umstritten ist jedoch, ob darüber hinaus die Ertragsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens ein konstitutives Merkmal des Steuerbegriffs darstellt. 267 Hielte man dies für erforderlich, so könnte nur dort von dem Finanzierungsinstrument der Steuer gesprochen werden, wo die Geldleistung von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegt würde, welches die Verfassung ausdrücklich als ertragsberechtigt bezeichnete. 268 Im Anschluss an die Vorschrif265

Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 6. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 68. 267 Ausführlich Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 177 ff.; zu dem Streit im Rahmen der einfachgesetzlichen Definition des § 3 Abs. 1 Hs. 1 AO etwa Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 39 f. 268 In diesem Sinne (sog. „enger Steuerbegriff“) Brodersen, in: FS Wacke, S. 103, 108; Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 25 ff.; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 273; Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 20 ff., 25; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1096; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 149; aus der Kommentarliteratur siehe etwa Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 5 (anders noch dies., StuW 1997, 299, 302, die in Fn. 41 den Streit zwischen dem „engen“ und dem „weiten Steuerbegriff“ zwar letztlich offenlässt, zugleich jedoch Bedenken gegen den „engen Steuerbegriff“ äußert); Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 104a Rn. 82; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 377 f. 266

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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ten über die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen regelt das Grundgesetz, welchem Empfänger die Steuereinnahmen zustehen. Steuerertragsberechtigt sind neben dem Bund (Art. 106 Abs. 1, 3 GG) auch die Länder (Art. 106 Abs. 2, 3 GG) sowie die Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 106 Abs. 3, 5, 7 GG). Das Recht der Religionsgemeinschaften, bestimmte Steuererträge für sich zu beanspruchen, ergibt sich hingegen nicht aus dem zehnten Abschnitt des Grundgesetzes, sondern aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV. 269 Als Steuern könnten damit nur solche Geldleistungen bezeichnet werden, die von den genannten Gebietskörperschaften sowie den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften dem Betroffenen auferlegt wurden. 270 Es würde dagegen nicht ausreichen, wenn das öffentlich-rechtliche Gemeinwesen zwar für die Auferlegung zuständig, nicht aber auch steuerertragsberechtigt wäre. Für einen engen Zusammenhang zwischen Steuerbegriff und Ertragshoheit wird angeführt, das ausdifferenzierte System der Finanzverfassung, welches von einem Vorrang der Steuerfinanzierung ausgehe, könne nur solche Abgaben als Steuern bezeichnen, die sich nach Art. 106 GG verteilen ließen. 271 Eine Verknüpfung des Steuerbegriffs mit der Ertragsberechtigung würde indes nicht hinreichend zwischen den begrifflichen Merkmalen einerseits und der Rechtmäßigkeit einer Steuer andererseits differenzieren. Die Anwendbarkeit des Art. 106 GG setzt das Vorliegen einer Steuer bereits voraus; die finanzverfassungsrechtliche Verteilungsregel kann daher dem Steuerbegriff nicht erst seine Konturen verleihen. 272

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Vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 68; Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 38; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 377. 270 So ausdrücklich Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 377; ähnlich Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 5; i. E. ebenso Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 181 ff., 185. 271 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 377. 272 Vgl. Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 439; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 68. Darüber hinaus bestünde unter Zugrundlegung eines engen Steuerbegriffs die Gefahr, dass die Verteilungsregelungen der Finanzverfassung ausgehöhlt würden. So könnte etwa der Bund Abgaben, die sich ihrem Wesen nach als Steuer darstellten, anderen als den im Grundgesetz als ertragsberechtigt bezeichneten Körperschaften zuweisen. Nach dem engen Begriffsverständnis handelte es sich bei diesen Abgaben nicht um Steuern. Für die Verteilung der Erträge hätte der Bund folglich nicht auf Art. 106 GG Rücksicht zu nehmen (vgl. zu dieser Überlegung etwa Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 4; kritisch dazu Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 5).

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Richtigerweise ist somit wie folgt zwischen dem Begriff und der Rechtmäßigkeit zu differenzieren: Für das Vorliegen einer Steuer ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass es sich um eine von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegte Geldleistung handelt und die weiteren Voraussetzungen des Steuerbegriffs erfüllt sind. Ergibt sich die Leistungsverpflichtung dabei unmittelbar aus dem Gesetz, so ist diejenige Gebietskörperschaft als öffentlichrechtliches Gemeinwesen zu qualifizieren, die das Gesetz erlassen hat. Wird die Geldleistung hingegen erst durch einen Festsetzungsakt der Verwaltung begründet, so ist als öffentlich-rechtliches Gemeinwesen diejenige juristische Person des öffentlichen Rechts anzusehen, der das konkrete Verwaltungshandeln zugerechnet wird. 273 Auf die Ertragsberechtigung kommt es für den Steuerbegriff dagegen nicht an. 274 Soll die Geldleistung nach der gesetzgeberischen Intention daher einem nicht ertragsberechtigten Gemeinwesen zufließen, so handelt es sich hierbei um eine – wenn auch verfassungswidrige – Steuer. d) Gegenleistungsunabhängigkeit Die Steuer ist eine Geldleistung, die an den Staat zu entrichten ist, ohne dass dieser dafür eine besondere Leistung an den Bürger erbringen müsste. 275 Das Merkmal der „Gegenleistungsunabhängigkeit“ 276 erlaubt es, die Steuer von den Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) 277 abzugrenzen. 278 So stellen sich 273 Vgl. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 378. 274 In diesem Sinne (sog. „weiter Steuerbegriff“) Heun, DVBl. 1990, 666, 668 f.; ders., in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 14; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 38 f.; ders., in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 439; ders., SDSRV 35 (1992), 7, 17; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 73; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 4; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 68; Patzig, DÖV 1981, 729, 734; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 192 f.; ders., GewArch. 1981, 41, 42. 275 Vgl. BVerfGE 55, 274, 298; 67, 256, 275; 91, 207, 223; 97, 332, 345. 276 In sprachlicher Hinsicht empfiehlt es sich, in Anknüpfung an die Formulierung in § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1919/1931 („nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung“) von Gegenleistungsunabhängigkeit zu sprechen. Zwar wird zur Charakterisierung der Steuer auch der Begriff der „Voraussetzungslosigkeit“ verwendet, vgl. etwa BVerfGE 55, 274, 299; 67, 256, 275; 92, 91, 113; 108, 1, 13; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 3; zuvor bereits O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I (1895), S. 387. Die Steuer als „voraussetzungslose“ Abgabe zu bezeichnen, ist jedoch sprachlich ungenau. Steuern müssen an einen solchen Tatbestand anknüpfen, in dem die steuerliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt; nur unter dieser Voraussetzung sind sie zulässig, hierzu Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 63; vgl. auch P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 87. Zur Steuerdefinition des Bundesverfassungsgerichts vgl. nur BVerfGE 3, 407, 435; 49, 343, 353, st. Rspr.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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Gebühren nach herkömmlichem Verständnis dar als „öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken“. 279 Die individuell zurechenbare Leistung des Staates wird damit zu dem begriffsbestimmenden Merkmal der Gebühr, das sie zugleich von der Steuer unterscheidet. Auch der Beitrag lässt sich aufgrund seines Gegenleistungscharakters von der Steuer abgrenzen. Er wird erhoben, um die Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen auszugleichen. 280 Da es hierbei nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme, sondern nur auf deren Möglichkeit ankommt, korrespondieren Leistung und Gegenleistung zwar nicht in demselben Umfang wie bei der Gebühr. 281 Anders als der Steuerzahler kann der Beitragspflichtige aber von der ihm eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen, die angebotene staatliche Leistung abzurufen. Die Steuer kann daher hinreichend klar von der Gebühr, aber auch von dem Beitrag abgegrenzt werden.

277 Neben Gebühren und Beiträgen lässt sich die Steuer anhand des Merkmals der Gegenleistungsunabhängigkeit auch von anderen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand unterscheiden, denen das Prinzip von Leistung und Gegenleistung zugrunde liegt. Zu entsprechenden Entgelten aus dem Bereich des Verwaltungsprivatrechts (etwa für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die Versorgung mit Strom) vgl. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 379. 278 BVerfGE 7, 244, 254; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 150. 279 BVerfGE 97, 322, 345; ebenso BVerfGE 50, 217, 226; 91, 207, 223. Zu der Frage, ob der Gebührenbegriff durch dieses herkömmliche Verständnis zutreffend umschrieben wird, siehe unten Vierter Teil, A. II. 4. c). 280 Vgl. BVerfGE 92, 91, 115; BVerwGE 72, 212, 219; BFHE 152, 360, 369; Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 4 Rn. 9; dens., Steuerrecht, Rn. 118; Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 20; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 20; Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 23; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 110; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1067; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 429; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 281; vgl. auch P. Kirchhof, ZIP 1984, 1423, 1428; sowie dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 62 (Beitrag als Entgelt für ein bevorzugendes Leistungsangebot der öffentlichen Hand); dieser Umschreibung zustimmend Selmer, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 101, 105; siehe ferner auch F. Kirchhof, DÖV 1992, 233, 237 (Beitrag für das „bloße Angebot der Benutzung staatlicher Einrichtungen“); allg. kritisch zu den herkömmlichen Abgrenzungskriterien zwischen Gebühr, Beitrag und Steuer Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 123 ff., S. 138 ff.; ihm zustimmend Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 151 f. 281 Vgl. bereits W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 391, der den Beitrag daher als „Mittelding zwischen Steuer und Gebühr“ bezeichnet.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Dass Steuern unabhängig von einer staatlichen Gegenleistung zu entrichten sind, wird durch die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften bestätigt: Wäre die Steuer eine Abgabe, die eine konkrete staatliche Leistung entgelten sollte, so müsste das Steueraufkommen nach Maßgabe der jeweils erbrachten Leistung zwischen den Ertragsberechtigten verteilt werden. Derjenigen Gebietskörperschaft, die eine bestimmte Leistung erbracht oder angeboten hätte, stünde auch die hierfür zu erbringende Gegenleistung des Bürgers, die Steuer, zu. Das finanzverfassungsrechtliche System der Ertragsverteilung macht indes deutlich, dass die von Seiten des Staates erbrachten Leistungen in keiner Beziehung zu bestimmten Steuerzahlungen stehen. Art. 106 GG weist die Steuererträge nicht danach zu, ob die empfangende Gebietskörperschaft eine konkret erbrachte Gegenleistung an den Bürger vorweisen kann. Entscheidend für die Höhe der Steuerzuweisung sind vielmehr Finanzkraft und Finanzbedarf der jeweiligen Gebietskörperschaft, vgl. Art. 106 Abs. 3, 4, Art. 107 GG. Diese „globale“ 282 Zuweisung der Finanzmittel soll sicherstellen, dass Bund und Länder ihre Ausgaben decken können, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben anfallen. 283 Die finanzverfassungsrechtliche Ertragszuweisung macht auf diese Weise deutlich, dass Steuern unabhängig von einer staatlichen Gegenleistung zu erheben und zu verteilen sind. e) Einnahmeerzielung zur Erfüllung allgemeiner Staatsaufgaben Steuern werden erhoben, damit der Staat die ihm obliegenden bzw. von ihm wahrgenommenen Aufgaben, die Staatsaufgaben, 284 erfüllen kann. Die öffentliche Hand ist aber nur dann zur Aufgabenerfüllung imstande, wenn ihr die hierfür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stehen. Auf der einen Seite lässt sich daher sagen, dass durch die Erzielung von Steuereinnahmen die Erfüllung von Staatsaufgaben erst ermöglicht wird. Auf der anderen Seite ist es gerade das Tätigwerden des Staates im Interesse des Gemeinwohls, durch welches sich die Erhebung von Steuern legitimieren lässt. Wie erwähnt, muss jedes staatliche Handeln – direkt oder indirekt – auf die Verwirklichung des Gemeinwohls gerichtet sein. 285 Für die Ebene der Verfassung bedeutet dies, dass jede Staatstätigkeit der Verwirklichung eines im Grundgesetz angelegten Staatsziels dienen muss. 282

Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 64; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 382. 283 Vgl. Art. 104a Abs. 1 GG. 284 Zur Unterscheidung zwischen Staatsaufgaben und öffentlichen Aufgaben siehe bereits oben Zweiter Teil, A. I. 4. 285 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73 Rn. 32; sowie oben Zweiter Teil, A. I. 4. a); kritisch zu der Anerkennung nur mittelbar gemeinwohlfördernder Staatstätigkeit aber Ehlers, Jura 1999, 212, 214.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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Finale Staatsaufgaben wie etwa die der Gefahrenabwehr oder sozialstaatliche Maßnahmen tragen diesem Erfordernis unmittelbar Rechnung. Die Erzielung von Einnahmen trägt dagegen – für sich genommen – nicht unmittelbar zum Wohle der Allgemeinheit bei. Der Gemeinwohlbezug wird der staatlichen Einnahmeerzielung aber dadurch vermittelt, dass durch die Steuer finale und damit unmittelbar im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben finanziert werden. Einnahmeerzielung ist damit kein Selbstzweck, sie dient vielmehr als instrumentale Staatsaufgabe 286 mittelbar dem Gemeinwohl. 287 Steuern lassen sich jedoch auch dann noch rechtfertigen, wenn die Funktion der Einnahmeerzielung nicht der alleinige Grund für ihre Erhebung ist. So kann der Fiskalzweck etwa zurücktreten, wenn mit der Steuererhebung vorrangig eine konjunktur- oder sozialpolitische Zielsetzung verbunden ist. 288 Lediglich dann, wenn eine Abgabe überhaupt keine Einnahmen mehr erzielen soll, sondern nur 286 Zu der Unterscheidung zwischen finalen und instrumentalen Staatsaufgaben siehe bereits oben Zweiter Teil, B. III. 2. c). 287 Der indirekte Gemeinwohlbezug legitimiert nicht nur die Erhebung von Steuern durch Bund, Länder und Gemeinden. Auch die Kirchensteuer rechtfertigt sich durch ihren Bezug zum öffentlichen Interesse. Zwar sind öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften der gesellschaftlichen Sphäre zuzurechnen und daher gerade nicht „Teil des Staates“, vgl. dazu oben Zweiter Teil, A. I. 4. b) bb) (3) (c). Gleichwohl sind Kirchen nicht davon ausgeschlossen, an der Verwirklichung des Gemeinwohls mitzuwirken. Dem Staat kommt kein „Gemeinwohlmonopol“ zu, siehe bereits oben Zweiter Teil, A. I. 3. c) und 4. a). In vielen Bereichen erfolgt kirchliches ebenso wie staatliches Handeln unmittelbar im öffentlichen Interesse, so etwa auf dem Gebiet der Alten- und Krankenpflege, der Seelsorge oder der Gemeindearbeit. Aber auch dort, wo ein Gemeinwohlbezug nicht unmittelbar hergestellt werden kann, gibt das Wirken der Kirche wichtige Impulse für das auf gemeinsamen religiösen Werten aufbauende Zusammenleben der Menschen. Die Kirche wird zwar nicht durch das Grundgesetz dazu verpflichtet, sie richtet ihr Handeln aber freiwillig an dem Gemeinwohl aus. Um der verfassungsrechtlichen Trennung von Staat und Kirche Rechnung zu tragen, ist im Hinblick auf die Kirchensteuer (modifizierend) zu fordern, dass diese erhoben wird, um Einnahmen für die Erfüllung von öffentlichen – nicht staatlichen – Aufgaben zu erzielen; vgl. zum Ganzen auch Müller-Franken, BayVBl. 2007, 33, 36; dens., in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 70; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 385. 288 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 389. Auch Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 61, 71 f., und passim, geht im Ergebnis davon aus, dass bei dem Zurücktreten von fiskalischen sowie dem damit verbundenen Hervortreten außerfiskalischer Zwecke die in Rede stehende Abgabe weiterhin als Steuer zu qualifizieren sei. Seine Begründung weicht indes von dem geläufigen Verständnis des Steuermerkmals der Einnahmeerzielung ab: Für Knies kommt dem Begriffsmerkmal „zur Erzielung von Einnahmen“ ausschließlich die Funktion zu, die Steuer von den Kausalabgaben abzugrenzen (a. a. O., S. 61 ff., 137). Die (fiskalische oder außerfiskalische) Zweckvorstellung des Gesetzgebers sei für das Vorliegen einer Steuer dagegen irrelevant; es komme hierfür allein darauf an, dass die in Rede stehende Abgabe überhaupt einen finanziellen Effekt zeitige, dass ihr „Ertragsrelevanz“ zukomme (a. a. O., S. 123, 135).

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

dazu eingesetzt wird, ein bestimmtes Verhalten unmöglich zu machen, kann sie nicht mehr als Steuer qualifiziert werden. 289 Von Sonderabgaben lassen sich Steuern anhand der Aufgaben abgrenzen, die sie finanzieren sollen: Während Sonderabgaben besondere Aufgaben des Staates finanzieren, werden Steuern erhoben, damit allgemeine Staatsaufgaben 290 erfüllt werden können. 291 Dass Steuern zur Finanzierung von allgemeinen Staatsaufgaben erhoben werden, lässt sich anhand von finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften belegen. Art. 106 GG verteilt das Steueraufkommen auf die ertragsberechtigten Ebenen und orientiert sich dabei an speziellen Verteilungsschlüsseln (vgl. z. B. Art. 106 Abs. 5a GG) sowie an von der Finanzverfassung aufgestellten Grundsätzen (vgl. Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 und 2 GG). Es ist möglich, dass die Erträge einzelner Steuerarten ganz dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG) oder ganz den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG) zufließen sollen; mitunter werden die Erträge auch zwischen den beiden Ebenen unter dem Aspekt einer gleichmäßigen Ausgabendeckung (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG) bzw. des billigen Ausgleichs (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG) aufgeteilt. Art. 106 GG macht indes keine Vorgaben dazu, welche Aufgaben mit den zugewiesenen Steuererträgen zu erfüllen 289 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 71. Die Steuern sind ferner von solchen Geldleistungspflichten abzugrenzen, die ein bestimmtes Tun oder Unterlassen sanktionieren sollen, wie etwa Geldstrafen oder Säumniszuschläge, dazu Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 392. 290 Zu den Kategorien der allgemeinen sowie der besonderen Staatsaufgabe siehe sogleich unter C. III. 1. 291 Vgl. BVerfGE 55, 274, 310 f.; 91, 186, 205 f.; 92, 91, 121; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 274; kritisch zu dieser Differenzierung Britz, JuS 1997, 404, 405; Heun, DVBl. 1990, 666, 672; Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 14 f.; Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 156; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 73 ff.; Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 16; vgl. auch Selmer, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 101, 109. Die Funktion der Steuer, zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben beizutragen, muss jedoch nicht ihr ausschließlicher Zweck sein. Nur dann, wenn eine Abgabe überhaupt nicht mehr dazu bestimmt ist, dem Staat fungible Finanzmittel zu verschaffen, ist sie mit dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff unvereinbar. Aus diesem Grund ist auch die Mineralölsteuer, deren Aufkommen gem. Art. 1 S. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes (StrFinG v. 28. 3. 1960, BGBl. I 1960, S. 201 in der im BGBl. III, Nr. 912 –3, veröffentlichten bereinigten Fassung) nicht vollständig, sondern (nur) zu einem Anteil von 50 % für Zwecke des Straßenbauwesens zu verwenden ist, noch als (Zweck-)Steuer zu qualifizieren. Vgl. allgemein zu der Zulässigkeit von Zwecksteuern BVerfGE 7, 244, 254; 9, 291, 300; Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 440; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 66; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 272.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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sind. 292 Dies deshalb, weil eine Verfassungsregelung, die konkrete Steuererträge einer bestimmte Aufgabe zuordnete, starr und unflexibel wäre. Der Finanzbedarf des Staates für bestimmte Aufgaben kann sich ändern, bevor der verfassungsändernde Gesetzgeber in der Lage ist, dies in den Ertragsverteilungsnormen umzusetzen. 293 Aus diesem Grund ist für die Finanzverfassung von entscheidender Bedeutung, dass die Steuer ungebunden in den allgemeinen Haushalt einfließt und so den allgemeinen öffentlichen Finanzbedarf zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben deckt. Nur solche Geldleistungspflichten, die gegenleistungsunabhängig und zweckungebunden in den allgemeinen Staatshaushalt einfließen, unterfallen dem Steuerbegriff des Grundgesetzes. 3. Zwischenergebnis Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von nicht zweckgebundenen Einnahmen dem Einzelnen aufer292 Etwas anderes gilt auch nicht seit der Einfügung von Art. 106a GG (vgl. hierzu das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20. 12. 1993, BGBl. I 1993, S. 2089) in den zehnten Abschnitt des Grundgesetzes. Zwar steht den Ländern gem. Art. 106a S. 1 GG seit Mitte der 1990er-Jahre „für den öffentlichen Personennahverkehr ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zu“. Auf der Ebene der Verfassung wird damit ein gewisser Bezug zwischen einer konkreten Aufgabe des Staates und dem Finanzierungsinstrument der Steuer hergestellt. Diese Regelung, die im Zusammenhang mit der Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundesbahn steht (vgl. nur P. M. Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 106a Rn. 1; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106a Rn. 1), stellt den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff aber nicht in Frage. Art. 106a GG soll lediglich die Länder in die Lage versetzen, die ihnen neu übertragene Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs angemessen erfüllen zu können (P. M. Huber, a. a. O., Art. 106a Rn. 2 f.). Die Norm schreibt dagegen nicht vor, dass das Aufkommen aus einer bestimmten Steuer für die Aufgabenerfüllung auf dem Gebiet des öffentlichen Personennahverkehrs eingesetzt werden muss. Dem Haushaltsgesetzgeber bleibt vielmehr seine weitgehende Dispositionsfreiheit bzw. Ungebundenheit über den konkreten Einsatz der Steuereinnahmen erhalten. Zu diesem Erfordernis im Rahmen der Steuerverteilung allgemein auch BVerfGE 93, 319, 348; 110, 274, 294 f. 293 Unerwartet hoher Finanzbedarf kann sich insbesondere dann ergeben, wenn unabsehbare oder jedenfalls nicht langfristig vorhersehbare Ereignisse eintreten. Dies wird etwa anhand der Folgen der deutschen Wiedervereinigung deutlich: Betrugen die Ausgaben der öffentlichen Hand für Baumaßnahmen 1990 noch ca. 51 Mrd. DM, so waren es im Jahr 1992 schon ca. 84 Mrd. DM, vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern. Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 2006 (Fachserie 14, Reihe 3.1), Tabellenteil, Tabelle 2. In jüngster Vergangenheit zeugen die staatlichen „Konjunkturpakete“ (vgl. das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ v. 21. 12. 2008, BGBl. I 2008, S. 2896, sowie das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland v. 2. 3. 2009, BGBl. I 2009, S. 416) davon, dass staatliche Ausgaben für stabilitätssichernde Aufgaben auch kurzfristig starken Schwankungen unterliegen können.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

legt werden. Da sich diese einzelnen Steuermerkmale aus den Vorschriften der Finanzverfassung ableiten lassen, kann der Steuerbegriff verfassungsrechtliche Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Für die Frage, ob eine Steuer vorliegt, ist es nicht entscheidend, wie der Gesetzgeber eine konkrete Abgabe bezeichnet. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Kriterien des soeben entfalteten Steuerbegriffs erfüllt sind. 294 Der Sache nach stimmt der Steuerbegriff des Grundgesetzes mit der einfachgesetzlichen Steuerdefinition des § 3 Abs. 1 AO überein. Wegen der unterschiedlich großen Bindungswirkung ist zwischen beiden Begriffen jedoch zu unterscheiden. Allein der verfassungsrechtliche Steuerbegriff enthält auch für den einfachen Gesetzgeber nicht disponible Vorgaben darüber, wann eine Abgabe als Steuer zu qualifizieren ist.

II. Wesensmerkmale der Steuer Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff erlaubt nicht nur die Abgrenzung der Steuer von nichtsteuerlichen Abgaben, ihm lassen sich zugleich auch wichtige Aussagen zu den Wesensmerkmalen des Finanzierungsinstruments der Steuer entnehmen. Wenn die Steuer unabhängig von einer bestimmten Gegenleistung erhoben wird, so kommt damit zugleich zum Ausdruck, dass der Staat durch die bestehende Distanz zu dem Steuerpflichtigen seine Aufgaben unbefangen und ohne Verpflichtungen gegenüber seinem Financier erfüllen kann. Der Einsatz des Finanzierungsmittels der Steuer bietet darüber hinaus im Vergleich zu anderen Abgabenarten die bessere Gewähr dafür, dass grundsätzlich alle Staatsbürger sowie die sonstigen steuerpflichtigen Personen gleichmäßig zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben herangezogen werden. 1. Steuer als Ausdruck der Allgemeinheit der Last Wird die Steuer nicht für bestimmte, individuell zurechenbare Leistungen oder Handlungen des Staates erhoben, so setzt dies zugleich voraus, dass die öffentliche Hand sie nicht nur einzelnen, individualisierbaren Personen auferlegt, sondern dass sie von der Gesamtheit der Bürger und Einwohner zu entrichten ist. 295 Steuerlicher Zurechnungsgrund ist nicht eine zurechenbare staatliche Maßnahme, 294 Der „materielle Gehalt“ einer Abgabe ist für die Abgrenzung ausschlaggebend, vgl. etwa BVerfGE 7, 244, 252; 49, 343, 353; 55, 274, 304 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 3. 295 Vgl. Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 1; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 11; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, S. 43; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 316; aus schweizerischer Perspektive etwa BGE 114 Ia 221, 224; Hangartner, in: FS Höhn, S. 91, 92.

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sondern die Zugehörigkeit des Pflichtigen zum Gemeinwesen. 296 Der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung, der bereits in einigen europäischen Verfassungsurkunden des 18. und 19. Jahrhunderts seinen Niederschlag fand, 297 betrifft damit den Kreis der Steuerpflichtigen. 298 Da Steuern möglichst jedermann auferlegt werden sollen, die Besteuerung folglich die Regel, die Nichtbesteuerung die Ausnahme darstellt, lassen sich steuerliche Privilegierungen ebenso wie Diskriminierungen nicht mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung vereinbaren. 299 So verstoßen Steuerbefreiungen für bestimmte soziale Klassen ebenso gegen das Allgemeinheitsprinzip wie Privilegierungen aufgrund besonderer persönlicher Merkmale, etwa des Geschlechts oder der Religion. 300 Dem Leitbild der Allgemeinheit der Last wird dabei am umfassendsten die indirekte Steuer gerecht: Als Steuerart, die über den Preis einer Ware oder Dienstleistung erhoben wird, belastet sie einen großen Personenkreis und beugt so am effektivsten Privilegierungen aber auch Diskriminierungen vor. 301

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Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 441. Vgl. Titel I Nr. 2 der französischen Verfassung v. 3. 9. 1791, abgedruckt bei Willoweit / Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 292: „Die Verfassung verbürgt als natürliche und bürgerliche Rechte, daß alle Abgaben auf alle Bürger gleichmäßig unter Berücksichtigung ihrer Vermögensverhältnisse verteilt werden“; § 13 des vierten Titels der Bayerischen Verfassung v. 26. 5. 1818, abgedruckt bei Willoweit / Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 495: „Die Theilnahme an den Staatslasten ist für alle Einwohner des Reichs allgemein, ohne Ausnahme irgend eines Standes, und ohne Rücksicht auf vormals bestandene besondere Befreiungen“; Art. 101 der Preußischen Verfassung v. 31. 1. 1850, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten (PreußGS) von 1850, S. 17: „In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden. Die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und dabei jede Bevorzugung abgeschafft.“ 298 Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 418. Zum Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung auch P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 11, 20 f., 98; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, S. 43 f.; aus der Finanzwissenschaft bereits v. Heckel, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 180 ff.; A. Wagner, Finanzwissenschaft, Teil II, S. 295 ff. 299 Vgl. Hangartner, in: FS Höhn, S. 91, 92 f.; Senn, Die verfassungsrechtliche Verankerung von anerkannten Besteuerungsgrundsätzen, S. 143 f. 300 Vgl. auch Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 75, der aus finanzwissenschaftlicher Perspektive treffend formuliert: „Der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung verlangt, daß einerseits alle (natürlichen und juristischen) Personen, sofern sie über steuerliche Leistungsfähigkeit verfügen und einer der gesetzlich statuierten Steuerverpflichtungsgründe auf sie zutrifft, ohne Rücksicht auf außerökonomische Kriterien wie (rechtliche) Staatsangehörigkeit, Stand, Klasse, Religion, Rasse usw. zur Steuer herangezogen werden und daß andererseits im Rahmen einer Einzelabgabe Ausnahmen von der subjektiven oder der objektiven Steuerpflicht nur insoweit zugelassen werden, wie das aus gesamtwirtschafts-, sozial-, kultur-, gesundheitspolitischen oder steuertechnischen Gründen als geboten erscheint.“ 301 Vgl. nur P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 21. 297

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

2. Steuer als Ausdruck der Gleichheit der Bürger Die Allgemeinheit der Besteuerung garantiert zwar, dass möglichst viele Steuerpflichtige zur Finanzierung des Staates und seiner Aufgaben herangezogen werden, sie macht indes keine Vorgaben dazu, in welcher Höhe der Einzelne steuerlich belastet werden darf. Anders als die Weimarer Reichsverfassung 302 enthält das Grundgesetz keine Vorschrift, die speziell für den Bereich der öffentlichen Lasten die gleichmäßige Heranziehung des Einzelnen nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit vorschreibt. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, 303 der die Gleichheit „vor dem Gesetz“ für alle Menschen vorsieht. Bezogen auf den Bereich der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bedeutet dies, dass einerseits alle Deutschen durch Wahlen die öffentlichen Belange in gleicher Weise mitbestimmen können, Art. 38 Abs. 1 GG, andererseits aber auch einen grundsätzlich gleichen Beitrag zu der Finanzierung der Staatsaufgaben zu erbringen haben. 304 Die steuerliche Belastungsgleichheit ist dabei jedoch nicht als Ausdruck eines absoluten Gleichheitsverständnisses zu verstehen. Die Steuerpflichtigen haben nicht unterschiedslos den gleichen Geldbetrag zur Finanzierung des Staates aufzubringen; die Einnahmen der öffentlichen Hand sollen sich nicht aus Kopfsteuern speisen. 305 Zentraler Maßstab für die Steuererhebung ist vielmehr die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen. 306 Nur dann, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zweier Personen übereinstimmt, ist es gerechtfertigt, aber auch geboten, beide steuerlich gleich stark zu belasten. Die Steuer gewährleistet auf diese Weise, dass sich die finanzielle Belastung der Staatsbürger, aber auch der sonstigen auf dem Staatsgebiet lebenden steuerpflichtigen Personen, an dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsideal orientiert. 307

302

Art. 134 WRV, RGBl. 1919, S. 1383: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ 303 Zu den bereichsspezifischen Ausprägungen des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht bereits oben B. II. 5. d). 304 Di Fabio, JZ 2007, 749. 305 P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 168. 306 Vgl. z. B. BVerfGE 61, 319, 343 f.; 66, 214, 222; 82, 60, 86; 99, 216, 232; 89, 346, 352; 105, 17, 46; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, passim; P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 17; dens., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 170; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 161. 307 Ausführlich Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 84, 100 ff.

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3. Steuer als Ausdruck der Unbefangenheit staatlicher Aufgabenerfüllung Die Steuer als das herausgehobene Finanzierungsinstrument des Steuerstaates bietet schließlich die Gewähr dafür, dass staatliche Aufgabenerfüllung Abstand wahrt zu der staatlichen Einnahmenbeschaffung. Dadurch, dass die Steuerpflicht nicht von der erbrachten oder angebotenen Leistung des Staates, sondern von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einzelnen abhängt, distanziert sich der Staat von dem Abgabenpflichtigen. 308 Die Trennung der Einnahmen- von der Ausgabenseite ermöglicht es so dem Steuerstaat, die Interessen des Gemeinwesens in den Mittelpunkt seines Engagements zu rücken. 309 Die Steuerfinanzierung eröffnet ihm den nötigen finanziellen Handlungsspielraum für seine Aktivitäten: 310 Die Auswahl der zu erfüllenden Staatsaufgaben muss sich nicht an den Gesetzen des Marktes orientieren, sie kann vielmehr dem demokratischen Prozess überantwortet werden. 311 Der Gesetzgeber soll staatliche Tätigkeitsbereiche nach ihrem Gemeinwohlbezug festlegen, nicht dagegen die Wünsche und Bedürfnisse der besonders zahlungskräftigen Bevölkerungsschichten in den Blick nehmen. 312 Dies deshalb, weil im demokratischen Staat der Bürger durch Wahlen, nicht durch den Einsatz seiner Finanzmacht an der staatlichen Willensbildung, und damit auch an der Entscheidung über die Aufgabenerfüllung mitwirkt. 313 Entgeltfinanzierte Staatsaufgaben könnten dagegen nur unter der Bedingung erfüllt werden, dass der jeweilige Leistungsempfänger bereit und in der Lage wäre, für den finanziellen Ausgleich zu sorgen. Für unpopuläre entgeltfinanzierte 308 Zu diesem Aspekt Henneke, Jura 1990, 63, 64; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 250 f.; ders., Jura 1983, 505, 506; ders., ZIP 1984, 1423 f.; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 18; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 118 Rn. 24; ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 2; Kube, DStJG 29 (2006), 11, 16; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 29; Seiler, Gutachten F zum 66. DJT, S. 9; zusammenfassend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1063. 309 Die Trennung zwischen (Steuer-)Einnahmen und den für die Aufgabenerfüllung notwendigen Ausgaben bedeutet freilich nicht, dass Einnahmen und Aufgaben unverbunden nebeneinander stehen: der Staat erzielt Steuereinnahmen nur, um Staatsaufgaben zu erfüllen. Staatstheoretisch gesprochen sind Steuerzwecke daher stets Staatszwecke, vgl. auch Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 9; Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 410. 310 P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 2. Aufl., § 88 Rn. 34; Weyreuther, UPR 1988, 161, 167. 311 Vgl. Kube, DStJG 29 (2006), 11, 16. 312 Vgl. Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 57; ferner auch Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 5. 313 Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 65 f.; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 5.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

Aufgaben bestünde in der Regel keine oder nur eine geringe Nachfrage; sie könnten mangels entsprechender Zahlungsbereitschaft der Bürger auch dann nicht vom Staat wahrgenommen werden, wenn ihre Erfüllung sinnvoll oder sogar notwendig wäre. Andere Aufgaben würde ein Staat, der sich zum „Dienstleister der Finanzstarken“ 314 machte, nur noch gegenüber einem begrenzten Teil der Bürger erbringen können. Bestimmte staatliche Leistungen, etwa solche auf dem Gebiet der Sozialstaatlichkeit, müssten gestrichen werden: es bestünde zwar Bedarf, es fehlte zugleich aber an Nachfragern, die die angebotene Leistung entgelten könnten. 315 Der teilweise gegen den Steuerstaat erhobene Einwand, die Steuer führe zu einer Entfremdung zwischen Leistung und Gegenleistung und werde deswegen von dem Abgabenpflichtigen im Vergleich zu der Vorzugslast schlechter akzeptiert, 316 kann die soeben aufgezeigten Vorzüge nicht relativieren. So sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Einzelne auch der Entgeltfinanzierung skeptisch gegenüberstehen kann. Wird mit der Abgabe etwa nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Leistung entgolten, so führt dies nicht immer dazu, dass der Bürger seine Zahlungspflicht anerkennt und dieser nachkommt – die sog. „Rundfunkgebühr“ mag dafür als Beispiel dienen. Aber auch dort, wo dem Äquivalenzgedanken vollständig Rechnung getragen wird, wie dies im Gebührenrecht des Fall ist, bestehen Bedenken gegen die These von einer uneingeschränkten Akzeptanz der Vorzugslasten: Werden dem Bürger Verwaltungsleistungen aufgedrängt 317 oder erscheint ihm die Gebührenordnung willkürlich, so wird er gegen seine Gebührenpflicht opponieren. Was schließlich die Entfremdungswirkung der Steuer anbelangt, so trifft es zwar zu, dass Steuern und Staatsaufgaben nicht in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zueinander stehen. Wie soeben dargelegt, ist diese Distanz aber notwendig, um eine an Gemeinwohlbelangen orientierte Aufgabenerfüllung durch den Staat sicherzustellen. 4. Zwischenergebnis Die aufgezeigten Wesensmerkmale der Steuer verdeutlichen, dass es sich hierbei um ein Finanzierungsinstrument handelt, das eine möglichst allgemeine und 314

Kube, DStJG 29 (2006), 11, 27. Vgl. auch Henneke, Jura 1990, 63, 64. 316 Zu dem Entfremdungscharakter der Steuer Birk / Eckhoff, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 60; zu der im Vergleich zu der Steuer angeblich höheren Akzeptanz von Gebühren Sacksofsky, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 188, 191 f. 317 Diesen Aspekt erkennt auch Sacksofsky, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 188, 190, an. 315

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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gleichmäßige finanzielle Belastung der Menschen anstrebt. Die Steuer erlaubt es dem Staat, auch solche Aufgaben zu erbringen, die nicht durch ein spezielles Entgelt der Bürger ausgeglichen werden (können). Ob sich jedoch auch verbindliche Regelungen darüber aufstellen lassen, welche konkreten Aufgaben über Steuern finanziert werden müssen, soll im Folgenden untersucht werden.

III. Steuerfinanzierung staatlicher Aufgaben, insbesondere staatlicher „Kernaufgaben“ Der Staat kann seine Aufgaben nur dann erfüllen, wenn er über die hierfür notwendigen Finanzmittel verfügt. Staatsaufgaben weisen daher einen engen Bezug zur Staatsfinanzierung auf. Dem Grundgesetz lässt sich die verbindliche Vorgabe entnehmen, dass allgemeine Staatsaufgaben durch Steuern zu finanzieren sind. 318 Auch die Rechtsprechung greift auf diese Formulierung zurück, ohne jedoch zu definieren, was unter einer allgemeinen Staatsaufgabe in Abgrenzung zu der besonderen Staatsaufgabe zu verstehen ist. 319 Es ist daher zunächst klärungsbedürftig, wie sich die Begriffe der allgemeinen und der besonderen Staatsaufgabe beschreiben lassen, bevor in einem nächsten Schritt untersucht wird, ob sich aus der Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Aufgaben des Staates Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage ergeben, mittels welcher Abgabenart die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr zu finanzieren ist. 1. Die Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben und ihre Bedeutung für die Abgrenzung der Steuer von der Sonderabgabe Das Bundesverfassungsgericht verwendet die Kategorien der allgemeinen bzw. besonderen Staatsaufgabe insbesondere, um dem Gesetzgeber Grenzen bei der Erhebung von nichtsteuerlichen Sonderabgaben aufzuzeigen. 320 So führt 318 Zu dieser Vorgabe, die sich neben dem Steuerstaatsprinzip auch aus dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff ergibt, vgl. oben C. I. 2. e). 319 Vgl. BVerfGE 55, 274, 298; 67, 256, 275; 82, 159, 178; 84, 239, 269; 91, 186, 201; 113, 167, 224. 320 So BVerfGE 55, 274, 298; 67, 256, 275; 82, 159, 178; 91, 186, 201. Allgemeine, nicht auf die Abgrenzung der Sonderabgabe von der Steuer bezogene Ausführungen finden sich lediglich in BVerfGE 84, 239, 269, wo es, ohne Bezug auf andere Abgabenarten, heißt: „Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer trifft; sie werden zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen.“ Kritisch zu der Differenzierung zwischen allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben Britz, JuS 1997, 404, 405; Heun, DVBl. 1990, 666, 672; Patzig, DÖV 1981, 729, 745; Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 156; Sack-

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

das Gericht etwa in Bezug auf die sog. „Berufsausbildungsabgabe“ 321 aus: „Das Grundgesetz versagt es dem Gesetzgeber, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden.“ 322 Stellt man die Sonderabgabe, die von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe erhoben wird und eine besondere („spezifische“) Sachaufgabe finanzieren soll, der Steuer gegenüber, die der Gesamtheit der Bürger auferlegt wird und der Erzielung frei verfügbarer („fungibler“) Staatseinnahmen dient, so wird deutlich, welche Bedeutung das Bundesverfassungsgericht den Begriffen der allgemeinen bzw. besonderen Staatsaufgabe beimisst: Allgemeine Staatsaufgaben werden demnach verstanden als solche Aufgaben, die vor oder bei der Abgabenerhebung noch nicht bestimmt oder bestimmbar sind. Es handelt sich folglich um sämtliche Angelegenheiten, derer sich der Staat annimmt, ohne dies zuvor ausdrücklich oder konkludent bei der Mittelbeschaffung festgelegt zu haben. Unter den verschiedenen Abgabenarten eignet sich allein die Steuer als eine zweckungebundene Gemeinlast dazu, die allgemeinen („unbestimmten“) Staatsaufgaben zu finanzieren. Sie weist, anders als Vorzugslasten oder Sonderabgaben, keine Verbindung zu einer bestimmten Maßnahme des Staates auf. Als besondere Staatsaufgaben sind hingegen solche Aufgaben zu qualifizieren, die zu einer konkreten Bevölkerungsgruppe in Beziehung gesetzt und dadurch sachlich näher konkretisiert werden können. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Aufgabe und einem bestimmten Personenkreis wird bereits zu dem Zeitpunkt erkennbar, in welchem der Staat die Entscheidung über die Finanzierung trifft. Da eine konkrete Bevölkerungsgruppe von der Aufgabenerfüllung profitiert oder ihr jedenfalls näher steht als die Allgemeinheit der Bürger, kommt eine Finanzierung durch Gemeinlasten nicht in Betracht. Der Staat erhebt in diesem Fall vielmehr spezielle („besondere“) Abgaben: Sonderabgaben. 323 Verwendet man das Begriffspaar der allgemeinen und besonderen Staatsaufgabe mit dem Bundesverfassungsgericht in dem vorgenannten Sinne, so lässt sich dadurch indes noch keine Aussage über die Finanzierung einzelner Sachaufgasofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 73 ff.; Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 15 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 435 mit Fn. 56; ähnlich auch v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 141 f., 145. 321 Zu den Zielen dieser Abgabe BVerfGE 55, 274, 276 ff. 322 BVerfGE 55, 274, 298. 323 Anstatt Sonderabgaben zu erheben, ist es jedoch auch denkbar, dass der Staat zur Finanzierung besonderer Staatsaufgaben die jeweils betroffenen, der konkreten Aufgabe näherstehenden Personen mit Gebühren oder Beiträgen belastet, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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ben treffen. 324 Die Rechtsprechung misst der Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben keinen qualitativen Gehalt bei. 325 Möglicherweise lässt sich aber auch ein um qualitativ-aufgabenbezogene Aspekte angereicherter Begriff der allgemeinen bzw. besonderen Staatsaufgabe mit dem Steuerstaatsprinzip vereinbaren. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob auch solche Sachaufgaben, die zum Kernbereich staatlicher Tätigkeit zählen und im Interesse einer unbestimmten Anzahl von Personen wahrgenommen werden, als allgemeine Staatsaufgaben bezeichnet werden können. Sollte sich dies als zutreffend erweisen, so müssten auch hier die Vorgaben des Steuerstaatsprinzips über die Finanzierung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben zur Anwendung gelangen. 2. Die Finanzierung der Gefahrenabwehr als einer Kernaufgabe und allgemeinen Staatsaufgabe Das Steuerstaatsprinzip schreibt ebenso wie der verfassungsrechtliche Steuerbegriff dem Staat rechtsverbindlich vor, dass allgemeine Staatsaufgaben ausschließlich durch die Erhebung von Steuern zu finanzieren sind. 326 Um dieser Vorgabe auch Aussagen in Bezug auf die Finanzierung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr entnehmen zu können, muss untersucht werden, ob sich die Abwehr von Gefahren nicht nur als staatliche Kernaufgabe, 327 sondern auch als eine allgemeine Staatsaufgabe bezeichnen lässt. In diesem Fall ließe sich dem Grundgesetz über den Steuerstaatsgedanken die verbindliche Aussage entnehmen, dass die Aufgabe der Gefahrenabwehr zwingend durch Steuern finanziert werden müsste. Angesprochen ist damit die Frage, ob die dem Steuerstaats324

Vgl. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 23. 325 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 140. Eine andere Frage ist es, ob der Unterscheidung zwischen allgemeiner und besonderer Staatsaufgabe eine normative Aussage zu entnehmen ist. Lehnt man dies ab und misst der Unterscheidung eine rein deskriptive Funktion bei, so etwa v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 141 f., so stellt man damit zugleich den normativen Gehalt des Steuerstaatsprinzips in Frage. Wenn dieses Prinzip aber als Verfassungsentscheidung an der normativen Verbindlichkeit der Art. 104a ff. GG teilhat, so sind damit richtigerweise auch seine beiden wesentlichen Aussagen – Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben durch Steuern sowie besondere sachliche Rechtfertigung für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben – erfasst, vgl. dazu Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 54; sowie oben A. II. 2. b). 326 Vgl. oben C. I. 2. e). 327 Zu dieser sowie zu weiteren Bezeichnungen, die die herausgehobene Bedeutung der Gefahrenabwehr im System der staatlichen Aufgabenerfüllung verdeutlichen sollen, vgl. bereits oben Zweiter Teil, B. III. 3.

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

prinzip geläufige Kategorie der allgemeinen Staatsaufgabe eine Verbindung aufweist zu der Staatsaufgabenlehre, die ihrerseits materielle Aussagen zu einzelnen Staatsaufgaben enthält. a) Überblick über den Meinungsstand Die Frage, ob auch solche staatlichen Aufgaben, denen eine besonders große Bedeutung für das Gemeinwesen zukommt, als allgemeine Staatsaufgaben bezeichnet werden können, wird uneinheitlich beurteilt. aa) Kritik an einer materiellen Dimension der allgemeinen Staatsaufgabe Ein Teil des abgabenrechtlichen Schrifttums lehnt es ab, dem Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe eine qualitative Dimension beizumessen. 328 Da die Staatsaufgabenlehre selbst nicht mit den Kategorien der allgemeinen und besonderen Staatsaufgabe arbeite, könne sie zu einer materiellen Bestimmung dessen, was als allgemeine Staatsaufgabe im Sinne des Steuerstaatsprinzips anzusehen sei, nicht herangezogen werden. 329 Die Staatsaufgabenlehre arbeite bei der Umschreibung der staatlichen Aufgaben mit den Begriffspaaren „ausschließlich-konkurrierend“, „obligatorisch-fakultativ“ sowie „final-instrumental“; dagegen lasse sich ihr eine inhaltliche Konkretisierung der allgemeinen Staatsaufgabe nicht entnehmen. 330 Die Unterscheidung zwischen allgemeiner und besonderer Staatsaufgabe sei staatsrechtlich daher jedenfalls unüblich. 331 Die Kategorien der Staatsaufgabenlehre lägen auf einer anderen Ebene als jene 328 Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 23; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 74 f.; v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 143 f.; vgl. auch Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 435 mit Fn. 56. Ansätze eines materiellen Verständnisses dagegen bei Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 192, ohne dass die qualitative Dimension der allgemeinen Staatsaufgabe von ihm jedoch ausdrücklich herausgestellt würde. 329 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 73 f.; zu den geläufigen Kategorien von Staatsaufgaben vgl. bereits oben Zweiter Teil, B. III. 2. 330 Vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 74 mit Fn. 131, die zur Begründung insoweit auf die Terminologie bei Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 2. Aufl., § 57 Rn. 150 ff., verweist. Da Isensee einzelne Kategorien von Staatsaufgaben umschreibe, dabei aber nicht auf den Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe eingehe, sei dieser der Staatsaufgabenlehre offenbar nicht geläufig. An anderer Stelle, freilich erst nach dem Erscheinen der Schrift von Sacksofsky, erwähnt Isensee indes durchaus auch die „allgemeine Staatsaufgabe Sicherheit“, vgl. Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 109. Eine Festlegung der Staatsaufgabenlehre auf die klassischen Begriffspaare, wie dies Sacksofsky konstatiert, würde der tatsächlichen Entwicklung daher nicht gerecht.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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der allgemeinen und besonderen Staatsaufgabe, die im Zusammenhang mit dem Prinzip des Steuerstaates gebraucht würden; Rückschlüsse von einer auf die andere Ebene könnten daher nicht gezogen werden. 332 Darüber hinaus scheitere eine qualitative Anreicherung des Begriffs der allgemeinen Staatsaufgabe aber auch daran, dass dem Grundgesetz selbst kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen sei, unter welchen Voraussetzungen eine Aufgabe als allgemeine Staatsaufgabe angesehen werden könne. Da ein abgeschlossener Katalog von Staatsaufgaben nicht existiere, sei in praxi eine Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. 333 Kategorien, die im Grundgesetz selbst nicht genannt würden, dürften nicht über Fragen der Staatsfinanzierung entscheiden. 334 Eine materielle Staatsaufgabenlehre könne deswegen nicht abstrakt formuliert werden, weil es dem Grundgesetz nicht darum gehe, bestimmte Sachaufgaben exklusiv dem Staat zuzuweisen. 335 Schließlich wird angezweifelt, dass sich eine materiell verstandene allgemeine Staatsaufgabe hinreichend von der besonderen Staatsaufgabe abgrenzen lasse. 336 Wolle man die allgemeine Staatsaufgabe begreifen als eine solche Aufgabe, die der Staat zum Wohle der Allgemeinheit erfüllt, so müsse eine Abgrenzung zu der besonderen Staatsaufgabe daran scheitern, dass jede Staatsaufgabe im öffentlichen Interesse wahrgenommen werde, jedes staatliche Handeln letztlich auf das Gemeinwohl ausgerichtet sei. 337 Unter dieser Prämisse könne es die Kategorie der besonderen Staatsaufgabe nicht geben, jede staatliche Aufgabe sei dann vielmehr zugleich auch eine allgemeine Staatsaufgabe. 338

331 Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 16. 332 v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 144. 333 Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 15. 334 Vgl. Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 16. 335 Di Fabio, JZ 1999, 585, 591; v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 143 f. 336 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 75 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 435 mit Fn. 56; vgl. auch dens., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 137. 337 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 435 mit Fn. 56; ähnlich ders., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 137. 338 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 76; vgl. auch Britz, JuS 1997, 404, 405, die mit Bezug zur Staatsfinanzierung feststellt, es sei „kaum eine Abgabe vorstellbar, deren Verwendung nicht der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dient.“

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

bb) Verbindung der Staatsaufgabenlehre mit dem Steuerstaatsprinzip Eine andere Auffassung stellt die Verbindung zwischen Staatsaufgabenlehre und Staatsfinanzierung her und ermöglicht damit, dass materielle Kriterien in die Diskussion um die Staatsaufgabenfinanzierung Eingang finden können. 339 Zwar wird von dieser Sichtweise regelmäßig kein direkter Bezug zwischen bestimmten staatlichen Aufgaben und dem Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe hergestellt. Im Ergebnis verbiete es sich jedoch, staatliche Kern- bzw. Pflichtaufgaben über nichtsteuerliche Abgaben zu finanzieren. 340 Namentlich die staatliche Aufgabe, durch die Abwehr von Gefahren die Sicherheit des Einzelnen zu gewährleisten, müsse als „gebührenfeindlich“ betrachtet werden. 341 Die Finanzierung der staatlichen Kernaufgaben über Vorzugslasten bürge nicht nur die Gefahr in sich, dass die Motive und Maßstäbe staatlichen Handelns verfremdet würden; eine Entgeltfinanzierung würde letztlich dazu führen, dass rechtsgüterschützende Staatsleistungen nur noch denjenigen zuteil würden, die diese bezahlen könnten und wollten. 342 Je fundamentaler eine staatliche Aufgabe für den Schutz des Einzelnen sei, desto größere Bedenken bestünden gegenüber den Ambitionen des Staates, die Aufgabenerfüllung unter einen Vorbehalt der Finanzierung durch Private zu stellen. 343

339 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 277 ff.; zu einer Einbeziehung der Staatszwecke und Staatsziele in die Diskussion um die Staatsfinanzierung vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 93; siehe ferner auch Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 113 f.; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 5, 8, 27, 29. 340 Siehe etwa Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 277; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 5, 8. Eine qualitative Anreicherung des Begriffs der allgemeinen Staatsaufgabe deutet sich hingegen an bei Selmer, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 101, 102, der unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts feststellt, dass die innere Sicherheit als eine allgemeine Staatsaufgabe grundsätzlich nur durch die Gemeinlast der Steuer finanziert werden dürfe. 341 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 277; kritisch zu der Gebührenfeindlichkeit staatlicher Kernaufgaben demgegenüber Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 271 f. 342 P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 5. Allg. zu dem Problem, dass bei einem Übergang vom Steuerstaat zum gebührenfinanzierten Dienstleistungsstaat bestimmte staatliche Leistungen nicht mehr erbracht werden könnten, oben C. II. 3. 343 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 5.

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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b) Bewertung Die von der letztgenannten Sichtweise vorgebrachten Argumente verdeutlichen, dass eine Entgeltfinanzierung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr mit den Überlegungen zu Zweck und Aufgaben von Staatlichkeit nicht zu vereinbaren ist. Ein Ansatz, der den Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe um materielle Aspekte anreichert, muss sich jedoch, um überzeugen zu können, mit der gegen diese Auffassung vorgebrachten Kritik auseinandersetzen. Wenn gegen ein materielles Verständnis der allgemeinen Staatsaufgabe angeführt wird, die Staatsaufgabenlehre selbst kenne das Begriffspaar der allgemeinen und besonderen Staatsaufgabe nicht, so kann diese Behauptung zwar nicht entkräftet werden. 344 Wollte man daraus aber folgern, die Einführung eines solchen Begriffspaares sei ausgeschlossen, so würde dies verkennen, dass sich die Staatsaufgabenlehre aufgrund der vielfältigen staatlichen Tätigkeitsbereiche auch für neue Kategorien zu öffnen hat. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht nachvollziehen, warum das Begriffspaar der allgemeinen bzw. besonderen Staatsaufgabe von vornherein nicht für die Umschreibung bestimmter staatlicher Tätigkeitsfelder in Betracht kommen soll. 345 Auch der Einwand, allgemeine und besondere Staatsaufgaben seien auf einer anderen Ebene als die geläufigen Begriffspaare der Staatsaufgabenlehre angesiedelt und könnten daher nicht in das bereits existierende System eingepasst werden, 346 verfängt nicht. Sowohl die vom Bundesverfassungsgericht gebrauchten Begriffe der allgemeinen bzw. besonderen Staatsaufgabe als auch der Begriff der staatlichen Kern- bzw. Pflichtaufgabe, dies haben die Untersuchungen in diesem sowie dem zweiten Teil der Arbeit ergeben, lassen sich auf der Ebene der Verfassung verorten: Die Unterscheidung zwischen der allgemeinen und der besonderen Staatsaufgabe ist Bestandteil des Steuerstaatsprinzips, welches seinerseits über die Finanzverfassung rechtliche Verbindlichkeit als Verfassungsentscheidung erlangt. 347 Auch die staatliche Kern- bzw. Pflichtaufgabe ist keine Kategorie der Staatstheorie; vielmehr lässt sich eine Zuordnung zu diesem Begriff anhand der Aussagen des Grundgesetzes vornehmen. So erlangt etwa die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr als staatliche Pflichtaufgabe rechtliche Verbindlichkeit über die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten. 348 Ebenso 344

Nicht das Begriffspaar „allgemeine – besondere Staatsaufgabe“, wohl aber die Kategorie einer materiell verstandenen allgemeinen Staatsaufgabe der Sicherheit verwendet indes Isensee, in: FS Vogel, S. 93, 109; siehe dazu bereits oben Fn. 330. 345 Dass unterschiedliche Ansätze in der Staatsaufgabenlehre existieren, die zu der Herausbildung ganz verschiedener Begriffspaare führen können, erkennt letztlich auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 74 mit Fn. 133, an. 346 Vgl. zu diesem Einwand v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 143. 347 Zum Steuerstaatsprinzip als einer Verfassungsentscheidung oben B. II. 5. e) cc).

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3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

wie die Grundrechte zum Kernbereich des Grundgesetzes gehören, 349 zählt auch ihr Schutz und damit die Gefahrenabwehr zu den Kernaufgaben des deutschen Staates. Die Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Staatsaufgaben lässt sich ebenso wie die staatliche Kern- bzw. Pflichtaufgabe auf die Aussagen der Verfassung zurückführen; in beiden Fällen handelt es sich damit um staatsrechtliche Kategorien. Die Behauptung, die Begriffe der Staatsaufgabenlehre seien inkompatibel mit jenen des Steuerstaatsprinzips, überzeugt daher nicht. Schließlich kann die Kritik an der inhaltlichen Ausgestaltung der Lehre von den Staatsaufgaben nicht überzeugen. Der Einwand, die Staatsaufgabenlehre könne für die Bestimmung dessen, was unter einer allgemeinen Staatsaufgabe zu verstehen ist, nichts beitragen, da sie selbst keinen abgeschlossenen Katalog an staatlichen Aufgaben bereitstelle, ebnet durch eine allzu pauschale Sichtweise bedeutsame Unterschiede ein. 350 Richtig ist zwar, dass eine abstrakte Formulierung qualitativ verstandener allgemeiner Staatsaufgaben, die den Anspruch der Vollständigkeit erhebt, derzeit nicht existiert und auch nicht realisierbar ist. 351 Der Grund hierfür liegt in dem formellen, auch dieser Arbeit zugrunde gelegten Staatsaufgabenbegriff. 352 Der Staat ist befugt, im demokratischen Prozess neue Aufgabenfelder zu erschließen, ohne dass diese staatlichen Aufgaben in der Verfassung ausdrücklich genannt werden müssten. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, das Grundgesetz enthalte überhaupt keine qualitativen Aussagen zu einzelnen Staatsaufgaben. Auch der formelle Staatsaufgabenbegriff lässt Raum dafür, dass einzelne Staatsaufgaben, etwa die der Gefahrenabwehr, um materielle Aspekte angereichert und dadurch näher umschrieben werden. So konnte die Aufgabe der Gefahrenabwehr in materieller Hinsicht etwa als eine obligatorische Staatsaufgabe qualifiziert werden, da der Staat über die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten zum Schutz der Rechtsgüter seiner Bürger verpflichtet ist. 353 Die Staatsaufgabenlehre kann damit zwar kein vollständiges und abgeschlossenes Konzept materieller Staatsaufgaben bereitstellen, sie ist jedoch durchaus – dies verdeutlicht das eben genannte Bei-

348

Dazu oben Zweiter Teil, B. II. Vgl. nur BVerfGE 31, 58, 73: „Die Grundrechte bilden einen untrennbaren Teil der Verfassung; sie sind der eigentliche Kern der freiheitlich-demokratischen Ordnung des staatlichen Lebens im Grundgesetz.“ 350 In diese Richtung aber v. Stockhausen, Gesetzliche Preisintervention zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben, S. 143. 351 Dieser Aspekt wird auch von Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 278, nicht bestritten. 352 Zu den Positionen und Argumenten im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen den Vertretern eines formellen bzw. materiellen Staatsaufgabenbegriffs vgl. oben Zweiter Teil, A. I. 3. 353 Vgl. oben Zweiter Teil, B. III. 2. b). 349

C. Finanzierung von Staatsaufgaben durch Steuern

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spiel – in der Lage, qualitativ-normative Aussagen zu einzelnen Staatsaufgaben zu treffen. Es hat sich gezeigt, dass die Bedenken gegen ein materielles Verständnis der allgemeinen Staatsaufgabe letztlich nicht durchgreifen. Dieser Befund enthält jedoch noch keine Aussage darüber, wie dieser Begriff inhaltlich näher umschrieben werden könnte. Bereits die Bezeichnung als eine allgemeine Staatsaufgabe bietet sich als Ansatzpunkt dafür an, materielle Elemente zur Begriffsbestimmung heranzuziehen. Die sprachliche Nähe der allgemeinen Staatsaufgabe zu dem Begriff des allgemeinen Wohls und des allgemeinen („öffentlichen“) Interesses ebnet den Weg für eine nähere inhaltliche Umschreibung: Das allgemeine Wohl beschreibt das Wohlergehen eines Gemeinwesens und damit der Gesamtheit der Bürger und Einwohner eines Staates. Der Begriff des allgemeinen Interesses macht deutlich, dass von einer Angelegenheit alle betroffen sind bzw. dass eine für alle geltende Angelegenheit in Rede steht. Diese Erkenntnisse können auch für den im Zusammenhang mit dem Steuerstaatsprinzip gebrauchten Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe fruchtbar gemacht werden. Die Annahme einer ausschließlich über Steuermittel zu finanzierenden allgemeinen Staatsaufgabe setzt demnach voraus, dass es sich um eine solche Aufgabe handelt, die von ihrem Konzept her darauf angelegt ist, dem Wohle eines jeden Einzelnen zu dienen. Gemeint ist damit freilich nicht, dass die Aufgabenerfüllung immer im Interesse aller Individuen zugleich erfolgen müsste. Die Aufgabe darf aber nicht von vornherein nur im Interesse einer bestimmten oder bestimmbaren Bevölkerungsgruppe erfüllt werden. Es sind dabei auf dem weiten Feld der staatlichen Aufgaben zwar Fälle denkbar, in denen eine Subsumtion Probleme aufwerfen kann. So wird sich für viele staatliche Maßnahmen nicht zweifelsfrei feststellen lassen, ob sie aktuell oder potentiell nur einen Teil der Bevölkerung betreffen. 354 Die Aufgabe der Gefahrenabwehr stellt in ihrem Kernbereich indes gerade den klassischen Fall einer materiell verstandenen allgemeinen Staatsaufgabe dar: Die Gefahrenabwehr unter dem (potentiellen) Einsatz hoheitlicher Zwangsmittel, dies wurde staatstheoretisch bereits begründet 355 und mittels der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten verfassungsrechtlich untermau354 Probleme bereitet eine Subsumtion etwa im Bereich des Berufsschulwesens: Tatsächlich hält der Staat berufliche Schulen nur für einen Teil der Bevölkerung vor. Es spricht zudem vieles dafür, dass auch potentiell nur der Teil der Bevölkerung von dem Berufsschulangebot des Staates Gebrauch machen wird, der die entsprechenden beruflichen Neigungen aufweist und die für den jeweiligen Schulbesuch notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Auf der anderen Seite wird man sagen können, dass ein unbestimmter bzw. nicht näher bestimmbarer Teil der Bevölkerung aber grundsätzlich die Voraussetzungen für den Besuch einer berufsbildenden Schule erwerben kann und so jedenfalls virtuell von der staatlichen Aufgabe des Vorhaltens beruflicher Schulen betroffen ist. 355 Vgl. oben Zweiter Teil, A. II. 2. b) dd).

268

3. Teil: Finanzierungsinstrumente im Steuerstaat

ert, 356 dient der Verwirklichung des Staatszwecks und Staatsziels der inneren Sicherheit und stellt damit die entscheidende Voraussetzung für die Gemeinwohlverwirklichung dar. Diese Staatsaufgabe zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihrer Konzeption nach gerade nicht nur im Interesse einer bestimmten Bevölkerungsgruppe vom Staat wahrgenommen wird. Anders als der Betrieb staatlicher Museen, Bibliotheken oder Opernhäuser, die stets nur bestimmten Teilen der Bevölkerung (den künstlerisch oder literarisch Interessierten, den Musikliebhabern) zugutekommen, handelt es sich bei der Gefahrenabwehr um eine Aufgabe, die das Fundament für alle weiteren Aktivitäten innerhalb der gesamten Bevölkerung darstellt. Diese Bedeutung der Sicherheit macht es erforderlich, dass der Staat nicht zum privaten Sicherheitsdienstleister für einen begrenzten Personenkreis degeneriert, sondern dass er sich als ein Friedens- und Sicherheitsgarant für alle Menschen versteht. Die gebräuchliche Formulierung, allgemeine Staatsaufgaben seien jene staatlichen Aufgaben, die zum Zeitpunkt der Abgabenerhebung noch nicht näher bestimmt werden könnten, ist nach dem hier vertretenen Ansatz somit um einen materiellen Aspekt zu ergänzen: Eine allgemeine Staatsaufgabe, die zwingend über Steuern zu finanzieren ist, steht dann in Rede, wenn die staatliche Maßnahme zwar nicht in jedem Einzelfall, wohl aber ihrer Konzeption nach auf die Belange der gesamten Bevölkerung ausgerichtet ist. Nach dem Verständnis von moderner Staatlichkeit, aber auch nach dem Konzept des Grundgesetzes, handelt es sich bei der Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter um eine Aufgabe, die der Staat gegenüber allen Bürgern zu erfüllen hat. Über den materiell angereicherten Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe wird diese Vorgabe zu einem Bestandteil des normativ verstandenen Steuerstaatsprinzips mit der Folge, dass diese Staatsaufgabe verfassungsrechtlich verbindlich aus Steuermitteln zu finanzieren ist.

D. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Staat des Grundgesetzes Steuerstaat ist. Es kann dabei offen bleiben, ob dem Begriff eine quantitativbeschreibende, auf die tatsächliche Einnahmensituation des Staates bezogene Dimension immanent ist. Für die vorliegende Untersuchung kommt es vielmehr darauf an, dass das Prinzip des Steuerstaates qualitative Elemente enthält, die sowohl das Verhältnis von Staat und Wirtschaft als auch die Beziehung der einzelnen Finanzierungsinstrumente zueinander beschreiben. So muss sich zum einen die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben im Steuerstaat auf eine besondere

356

Siehe oben Zweiter Teil, B. II. 3. c).

D. Zwischenergebnis

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sachliche Rechtfertigung stützen. Zum anderen dürfen allgemeine Staatsaufgaben nur über Steuern finanziert werden. Diese Vorgaben entstammen dabei nicht der Ebene der Verfassungstheorie, es handelt sich bei dem Steuerstaatsprinzip vielmehr um eine Verfassungsentscheidung, die in den Vorschriften der Art. 104a bis 115 GG zum Ausdruck kommt und an der normativen Verbindlichkeit dieser Bestimmungen teilhat. Mit dem Prinzip des Steuerstaates ist es unvereinbar, allgemeine Staatsaufgaben durch nichtsteuerliche Abgaben zu finanzieren. Der Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe ist dabei jedoch nicht nur ein Synonym für unbestimmte, vom Staat noch nicht konkretisierte Aufgaben. Allgemeine Staatsaufgaben sind darüber hinaus auch qualitativ zu verstehen und beschreiben solche Aufgaben, die als staatliche Kernaufgaben für die Existenz eines jeden Menschen bedeutsam sind. Ob sich diese Vorgabe des Steuerstaatsprinzips mit dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Gebühr vereinbaren lässt und welche Funktion dem Steuerstaatsgedanken neben anderen Ansätzen zur Begrenzung der Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht zukommt, soll im Folgenden untersucht werden.

Vierter Teil

Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht A. Begriff der Gebühr Bevor untersucht werden kann, anhand welcher Maßstäbe die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht möglicherweise zu begrenzen ist, soll zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff der Gebühr zu verstehen ist. Hierfür wird in einem ersten Schritt darauf einzugehen sein, welche Entwicklung der Gebührenbegriff im einfachen Recht seit dem 19. Jahrhundert genommen hat und ob bei der Entstehung des Grundgesetzes der Verfassunggeber auf einen traditionellen Gebührenbegriff zurückgreifen konnte. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, welche Merkmale für den verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff bestimmend sind. Abschließend soll ein Überblick über die anerkannten Gebührenarten gegeben werden, um damit zugleich die klassischen Einsatzfelder dieses Finanzierungsinstruments aufzuzeigen.

I. Verfassungsrecht und einfaches Recht Das Grundgesetz selbst definiert nicht, was unter einer Gebühr zu verstehen ist, obgleich ihm dieses Finanzierungsinstrument, wie erwähnt, geläufig ist. Bereits im 19. Jahrhundert bestanden auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland einfachgesetzliche Regelungen zum Begriff der Gebühr. So enthielt bereits das preußische Kommunalabgabengesetz (PrKAG) von 1893 1 mit § 4 Abs. 1 eine Legaldefinition der Gebühr. 2 Diese frühen Regelungen und ihre Aufnahme und Weiterentwicklung in Rechtsprechung und Literatur könnten, ähnlich wie dies auf dem Gebiet des Steuerrechts der Fall war, 3 zu der Herausbildung eines traditionellen Gebührenbegriffs geführt haben. Es wird im Folgenden daher zu untersuchen sein, ob ein solch anerkannter Gebührenbe1

Kommunalabgabengesetz v. 14. 7. 1893, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152. Vgl. bereits oben Erster Teil, Fn. 12. Eine gesetzliche Definition der Steuer erfolgte hingegen erst 26 Jahre später durch § 1 Abs. 1 RAO 1919, vgl. bereits oben Dritter Teil, C. I. 1. 3 Zum „traditionellen Steuerbegriff“ bereits oben Dritter Teil, C. I. 1. 2

A. Begriff der Gebühr

271

griff den Beratungen des Parlamentarischen Rates in den Jahren 1948 und 1949 zugrunde gelegen und auf diese Wege möglicherweise Eingang in das Grundgesetz gefunden hat. 1. Historische Entwicklung des Gebührenbegriffs Die Legaldefinition des preußischen Kommunalabgabengesetzes stellt nicht den ersten Versuch dar, den Begriff der Gebühr näher zu umschreiben. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemühte sich die – nicht rechtswissenschaftliche, sondern finanzwissenschaftliche – Literatur darum, das Finanzierungsinstrument der Gebühr begrifflich aufzuarbeiten. So wandte sich Karl Heinrich Rau schon 1832 gegen eine bis zu diesem Zeitpunkt geläufige Gleichsetzung von Gebühren und Steuern. 4 Nach der von ihm vorgeschlagenen Definition werden Gebühren „bei solchen Gelegenheiten gefordert, wo der Bürger mit der Regierung oder einer ihrer Anstalten in Berührung tritt“. 5 Weiter heißt es bei Rau, sie könnten angesehen werden als eine partielle Vergütung für den Aufwand, welcher der Regierung durch „die einzelne Äußerung der Staatsgewalt“ verursacht werde. Es lasse sich durchaus sagen, dass Gebühren Ähnlichkeit hätten mit der Bezahlung für geleistete Privatdienste. Im Mittelpunkt dieser Begriffsbestimmung steht danach der Aspekt des Aufwandsausgleichs; ob Gebühren ihrem Wesen nach auch dazu geeignet sind, Vorteile zu kompensieren, wird von Rau nicht ausdrücklich erwähnt. 6 In der von Adolph Wagner besorgten Überarbeitung 7 des Lehrbuchs von Rau tritt in der Gebührendefinition der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs dagegen deutlicher hervor. Die Gebühr wird nicht mehr nur als Ausgleich für staatlichen Aufwand, sondern auch als spezielles Entgelt für vom Staat geleistete Dienste verstanden. 8 Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts befassen sich auch die Rechtswissenschaft sowie die Gerichte mit dem Gebührenbegriff. In einer Entscheidung zur Benut4 Rau, Grundsätze der Finanzwissenschaft, Abth. I, S. 246, spricht davon, dass Gebühren „von den meisten Schriftstellern als Steuern betrachtet und in die Klasse der indirekten Steuern gebracht“ würden, ohne hierfür jedoch konkrete Beispiele zu nennen. 5 Rau, Grundsätze der Finanzwissenschaft, Abth. I, S. 246, auch zum Folgenden. 6 Allenfalls der Vergleich der Gebührenentrichtung mit der Bezahlung für geleistete Privatdienste könnte einen zurückhaltenden Hinweis auf die Möglichkeit darstellen, mit der Gebühr auch Vorteile auszugleichen. 7 Wagner, Finanzwissenschaft, zugleich als 6. / 7. Ausgabe von Rau’s Finanzwissenschaft, Theil 1 – 4, 1871 – 1901. 8 Wagner, Finanzwissenschaft, Theil II, S. 5: „Gebühren sind (...) Abgaben, welche von Einzelnen oder Gruppen von Einzelnen als ein specieller Entgelt eines ihnen vom Staate (...) geleisteten Diensts, oder einer durch sie verursachten Ausgabe (Kostenprovocation) bei der Ausübung einer Staatsthätigkeit in einer von der Staatsgewalt einseitig bestimmten Weise und normierten Höhe erhoben werden.“

272

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

zung kommunaler Einrichtungen aus dem Jahr 1897 umschreibt das Preußische Oberverwaltungsgericht die Gebühr als die „einseitig von der Staatsgewalt festgestellte Gegenleistung, das spezielle Entgelt für eine, zugleich im öffentlichen Interesse erfolgte Leistung“. 9 Die Feststellung, dass diese Leistung zugleich im öffentlichen Interesse liege, macht dabei deutlich, dass nach der Auffassung des Gerichts eine gebührenpflichtige Leistung jedenfalls auch im privaten Interesse erbracht werden kann. Der auf diese Weise betonte Charakter der Gebühr als vorteilsausgleichende Abgabe wird auch in der abgabenrechtlichen Literatur des Kaiserreichs und der Weimarer Republik kultiviert. Zum Teil wird die Formulierung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nahezu wortgleich übernommen, 10 teilweise stimmt der Gebührenbegriff der Lehre jedenfalls der Sache nach mit der Definition des Gerichts überein, wenn es heißt, die Gebühr zeichne sich dadurch aus, dass sie an die zugeflossenen besonderen Leistungen anknüpfe. 11 Neben diesen an dem individuellen Nutzen orientierten Begriffsbestimmungen findet sich 1927 in dem von Georg Strutz herausgegebenen Handbuch des Reichssteuerrechts 12 ein im Ansatz doppelgliedriges Verständnis der Gebühr: Gebühren werden umschrieben als Entgelte, die sowohl für die Benuzung besonderer Veranstaltungen als auch für die Inanspruchnahme der Behörden erhoben werden können. 13 Der Gedanke des Aufwandsausgleichs, der damit wieder stärker betont wird, lässt sich möglicherweise zurückführen auf die kurz zuvor in Kraft getretene preußische Verwaltungsgebührenordnung, 14 welche in § 13 bestimmt, dass Gebühren auch für die Veranlassung von Amtshandlungen erhoben werden dürfen. 15 Wenige Jahre vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hat sich indes 9

PrOVGE 31, 53, 64. In späteren Entscheidungen beschränkt sich das Gericht – offenbar in Anlehnung an die entsprechende Einteilung des preußischen Kommunalabgabengesetzes (§§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 PrKAG) – zumeist auf die Definition der Verwaltungsbzw. der Benutzungsgebühr, vgl. z. B. PrOVGE 51, 62, 63. 10 Nöll / Freund, Kommunalabgabengesetz, § 4 KAG Anm. 6: „Gebühr ist – im Gegensatz zur vertragsmäßigen Vergütung – das einseitig von der Behörde auferlegte spezielle Entgelt für eine zugleich im öffentlichen Interesse erfolgte Leistung.“ 11 Vgl. Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 426 f.; ähnlich Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, S. 2, wonach sich Gebühren darstellen sollen als „Entgelte für besondere Leistungen, sei es daß diese in einem Verwaltungsakt bestehen (Verwaltungsgebühren) oder in der Gewährung einer Anstaltsnutzung (Anstaltsgebühren)“. 12 Strutz (Hrsg.), Handbuch des Reichssteuerrechts, Systematische Darstellung der Steuergesetze (einschließl. Zollrecht) des Deutschen Reiches, 3. Aufl., 1927. 13 Boethke, in: Strutz (Hrsg.), Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 54. 14 Verwaltungsgebührenordnung v. 30. 12. 1926, Preußische Gesetzsammlung 1926, S. 327. 15 „Zur Zahlung der Gebühr ist derjenige verpflichtet, der die Amtshandlung veranlaßt hat, bei Genehmigungen und dergleichen auch derjenige, zu dessen Gunsten die Amtshandlung vorgenommen, insbesondere die Genehmigung erteilt wird.“ Vgl. zuvor bereits § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über staatliche Verwaltungsgebühren v. 29. 9. 1923,

A. Begriff der Gebühr

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auch diese doppelgliedrige Begriffsbestimmung nicht durchsetzen können. Der Aspekt der Verantwortlichkeit tritt etwa in der 1941 erschienenen achten Auflage des Kommentars von Becker / Riewald 16 wieder zurück; Gebühren werden dort in Anlehnung an frühere Definitionen umschrieben als die Gegenleistung für die Vornahme eines Verwaltungsakts bzw. die Benutzung öffentlicher Einrichtungen. 17 2. Rezeption eines „traditionellen Gebührenbegriffs“ durch das Grundgesetz? Im dritten Teil dieser Arbeit wurde bereits herausgestellt, dass der Verfassunggeber mit § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931 eine einfachgesetzliche Definition der Steuer vorgefunden hat, die er dem Grundgesetz und damit auch der Finanzverfassung zugrunde legen konnte. 18 Eine solche implizite Bezugnahme war möglich, weil in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Weimarer Republik der Steuerbegriff der RAO 1919/1931 allgemein akzeptiert war 19 und daher nicht die Gefahr bestand, dass sich eine Auseinandersetzung darüber hätte entwickeln können, welchen Steuerbegriff das Grundgesetz übernommen hatte. Im Hinblick auf die Existenz eines vorkonstitutionellen Gebührenbegriffs, dies hat der historische Rekurs verdeutlicht, bestand jedoch eine andere Situation. Ein übereinstimmendes Begriffsverständnis lässt sich in der finanz- und rechtswissenschaftlichen Literatur sowie in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nicht ausmachen. 20 Zum Teil wurde das Merkmal der Kostenverantwortlichkeit in den Mittelpunkt der Gebührendefinition gerückt, 21 zum Teil sollte dem Aspekt des Vorteilsausgleichs die entscheidende Bedeutung zukommen. 22 Mitunter wurden beide Gesichtspunkte alternativ zur näheren begrifflichen Umschreibung der Gebühr herangezogen. 23 Auch im Bereich der Preußische Gesetzsammlung 1923, S. 455: „Für einzelne, auf Veranlassung der Beteiligten vorgenommene Amtshandlungen staatlicher Organe, die im wesentlichen im Interesse einzelner erfolgen, werden Verwaltungsgebühren für die Staatskasse erhoben.“ 16 Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz, Teil I, 8. Aufl., 1941. 17 Becker / Riewald, Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz, Teil I, § 1 Anm. 4. 18 Vgl. dazu oben Dritter Teil, C. I. 1. 19 Siehe oben Dritter Teil, C. I. 1. mit Fn. 248. 20 Eine umfassende Darstellung des im – finanz- und rechtswissenschaftlichen – Schrifttum, in der Rechtsprechung sowie in der Gesetzgebungspraxis gebrauchten Gebührenbegriffs vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes findet sich etwa bei Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 134 ff.; vgl. zuvor bereits Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 519 ff. 21 Aus der Finanzwissenschaft Rau, Grundsätze der Finanzwissenschaft, Abth. I, S. 246.

274

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Gesetzgebung lässt sich vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes eine einheitliche Gebührendefinition nicht ausmachen. Die RAO 1919/1931 enthält mit § 1 Abs. 1 S. 1 zwar eine Definition der Steuer; in § 1 Abs. 1 S. 2 RAO 1919/ 1931 wird der Begriff der Gebühr jedoch nicht definiert, sondern lediglich dem Begriff der Steuer gegenübergestellt. 24 Die bereits genannten Vorschriften des preußischen Kommunalabgabengesetzes (1893), des preußischen Gesetzes über staatliche Verwaltungsgebühren (1923) sowie der preußischen Verwaltungsgebührenordnung (1926) enthalten dagegen zwar zum Teil eine Definition der Gebühr bzw. einzelner Gebührenarten. Es handelt sich dabei aber um Landesgesetze, denen wegen des politischen Übergewichts Preußens auf dem Gebiet des Deutschen Reiches zwar eine besondere Bedeutung zukam, die letztlich aber schon aufgrund ihres räumlich begrenzten Geltungsbereichs einen traditionellen Gebührenbegriff für das gesamte Deutsche Reich nicht haben festschreiben können. Es nimmt daher nicht Wunder, dass in der abgabenrechtlichen Literatur der Weimarer Republik zur Beschreibung der Steuer auf § 1 RAO 1919/1931 verwiesen, der Gebührenbegriff aber regelmäßig ohne den Rückgriff auf einfachgesetzliche Vorschriften bestimmt wird. Aus den genannten Gründen überzeugt es daher nicht, wenn – in Anlehnung an die Entstehung des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs – teilweise davon ausgegangen wird, dass der Verfassunggeber deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, wenn er von dem vorkonstitutionellen Gebührenbegriff hätte abweichen wollen. 25 Zum einen erscheint es bedenklich, von dem bloßen Schweigen auf einen entsprechenden Rezeptionswillen des Verfassunggebers zu schließen. 26 Zum anderen, dies haben die vorangegangenen Ausführungen verdeutlicht, waren die Jahrzehnte vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes geprägt von wechselnden Gebührendefinitionen in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Ein traditioneller Gebührenbegriff, den der Verfassunggeber hätte übernehmen können,

22 Aus der Rechtswissenschaft Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, S. 2; Nöll / Freund, Kommunalabgabengesetz, § 4 KAG Anm. 6. 23 Aus finanzwissenschaftlicher Perspektive Wagner, Finanzwissenschaft, Theil II, S. 5; aus rechtswissenschaftlicher Sicht tendenziell Boethke, in: Strutz (Hrsg.), Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 54. 24 Vgl. § 1 Abs. 1 RAO, RGBl. 1919, S. 1993, der in Satz 1 zunächst bestimmt, bei welchen Abgaben es sich um Steuern handelt und sodann in Satz 2 feststellt: „Zölle fallen darunter; nicht darunter fallen Gebühren für besondere Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vorzugslasten).“ 25 Diese Einschätzung findet sich, wenngleich nicht speziell auf den vorkonstitutionellen Gebührenbegriff sondern auf das Gebührenrecht im Allgemeinen bezogen, bei Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 154. 26 Auch Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 154, räumt ein, dass gegen ein solches Argumentationsschema häufig Bedenken bestünden, hält jedoch trotzdem daran fest.

A. Begriff der Gebühr

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konnte sich daher in der Zeit vor der Geburtsstunde des Grundgesetzes im Jahre 1949 nicht entwickeln. 27 Festzuhalten bleibt daher, dass ein vorkonstitutioneller Gebührenbegriff, an dessen Merkmale ein verfassungsrechtlicher Begriff der Gebühr hätte anknüpfen können, 28 nicht existierte. 29 Dieser Umstand muss jedoch nicht bedeuten, dass auch die Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs abzulehnen ist. 30 Es ist daher im Folgenden der Frage nachzugehen, ob ein verfassungsrechtliches Verständnis der Gebühr aus den Wertungen des Grundgesetzes hergeleitet werden kann.

II. Merkmale des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs Das Grundgesetz erkennt an, dass der Staat sowohl Gebühren als auch Steuern von seinen Bürgern erheben kann. Der Verfassungstext nennt allein in seinem zehnten Abschnitt die Steuer an 79 Stellen 31 und akzeptiert sie damit als eine Abgabenart. Die Gebühr findet demgegenüber zwar nur in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG sowie in Art. 80 Abs. 2 GG Erwähnung; die Verfassung bringt damit aber zum Ausdruck, dass es sich auch hierbei um eine dem Grunde nach zulässige Abgabenart handelt. Ob der Verfassung indes über diese Aussage hinaus auch 27

Ebenso Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 109. Die hier vorgenommene Beurteilung, wonach ein vorkonstitutioneller traditioneller Gebührenbegriff nicht existierte, schließt es aber nicht aus, die Erkenntnisse des Abgabenrechts vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bei der Entwicklung eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs zu berücksichtigen. Lediglich die Rezeption einer gefestigten Gebührendefinition „im Ganzen“ kommt nach dem soeben Ausgeführten nicht in Betracht. 29 Anders aber offenbar Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 410: „Wie beim verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, spricht alles dafür, daß der Verfassunggeber auch den verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff so verstanden wissen wollte, wie er zunächst zu seiner Zeit in Gesetzgebung und Schrifttum verstanden wurde.“ Wenig später führen Vogel / Waldhoff allerdings aus, dass sich die traditionelle Begriffsbestimmung der Gebühr als zu eng erweise und daher nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff gleichgesetzt werden dürfe (vgl. Vogel / Waldhoff, a. a. O., Rn. 414). 30 Gegen die Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs aber ausdrücklich BVerfGE 50, 217, 225 f.; ähnlich Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 239, 245. Die Literatur erkennt einen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, jedenfalls aber einzelne verfassungsfeste Merkmale der Gebühr dagegen überwiegend an, vgl. Arndt, WiVerw 1990, 1, 29; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 86; F. Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1034; dens., DVBl. 1987, 554, 555; Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 520; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 42 ff.; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 151. Zum Ganzen auch sogleich, A. II. 1. 31 Vgl. bereits oben Dritter Teil, Fn. 239. 28

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Vorgaben für einen Begriff der Gebühr zu entnehmen sind, bedarf der näheren Untersuchung. 1. Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs? In Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG erwähnt das Grundgesetz die Gebühr im Zusammenhang mit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Benutzung öffentlicher Straßen. 32 Von Art. 80 Abs. 2 GG werden die Modalitäten der Gebührenerhebung bei der Benutzung von Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation geregelt. 33 In beiden Konstellationen sind besondere Gebühren angesprochen; es handelt sich bei den genannten Regelungen des Grundgesetzes um Einzelfälle. Da jeweils eine spezielle Benutzungsgebühr 34 in Rede steht (Gebühren für die Benutzung von Straßen bzw. von Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation), können die Vorgaben der Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG bzw. 80 Abs. 2 GG nicht als repräsentativ für die gesamte Abgabengattung angesehen werden. Die Gebühr wird in den genannten Vorschriften eher erwähnt, denn geregelt. 35 a) Meinungsstand Vereinzelt wird aus der soeben beschriebenen Zurückhaltung des Grundgesetzes geschlossen, ein verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff existiere nicht. 36 32 Die Regelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG in der heutigen Fassung wurde 1969 in das Grundgesetz aufgenommen, vgl. Art. I Nr. 1 lit. c) des 22. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 12. 5. 1969, BGBl. I 1969, S. 363. 33 Zu den Vorläuferregelungen des Art. 80 Abs. 2 GG in der Weimarer Reichsverfassung vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 151 f. 34 Zu der Kategorie der Benutzungsgebühr näher unten A. III. 1. 35 Ähnlich insoweit Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 240, der im Hinblick auf die gebührenbezogene Regelungsdichte feststellt, die Verfassung enthalte in diesem Bereich nur „wenige punktuelle Aussagen und Ausgrenzungen“. Die von ihm daraus gezogene Schlussfolgerung, ein klassischer Gebührenbegriff lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen, geht indes fehl. Vgl. zu den Argumenten für die Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs sogleich unter A. II. 1. b). 36 Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 239 f.; ähnlich Mampel, NWVBl. 1999, 380, 381. Auch das Bundesverfassungsgericht sowie das Bundesverwaltungsgericht sprechen davon, dass ein verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff nicht existiere, vgl. BVerfGE 50, 217, 225 f.; 93, 319, 345; BVerwGE 74, 67, 71; 120, 311, 316; BVerwG, NJW 1973, 725, 726. Ob dies jedoch so apodiktisch gemeint ist, wie es klingt, wird zuweilen angezweifelt, vgl. etwa Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 84; Meyer, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 144, 149; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 410 mit Fn. 178; sowie ferner unter A. II. 1. b). Auch Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 5, stellt zwar zunächst fest, dass ein vom „Bundes(verfassungs)recht“ vorgegebener

A. Begriff der Gebühr

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Andere Stimmen wollen der Verfassung Aussagen nur im Hinblick auf den Aspekt der speziellen Entgeltlichkeit der Gebühr entnehmen, weitergehende Elemente des Gebührenbegriffs enthalte das Grundgesetz dagegen nicht. 37 Der Entgeltcharakter der Gebühr stelle das entscheidende Abgrenzungskriterium zu der gegenleistungsunabhängig erhobenen Steuer dar. 38 Der Steuerbegriff, der nach ganz überwiegender Ansicht vom Grundgesetz vorgegeben werde, enthalte mit den für die Steuer konstitutiven Merkmalen zugleich eine Aussage darüber, welche Abgaben gerade nicht als Steuern zu qualifizieren seien. Das positive Begriffsmerkmal der Gegenleistungsunabhängigkeit der Steuer lasse sich auf die Gebühr bezogen zugleich als deren negatives Moment begreifen. Negativ gesprochen dürften Gebühren folglich nicht gegenleistungsunabhängig sein; positiv gewendet müssten sie sich als eine gegenleistungsabhängige Abgabe darstellen. Dieses Merkmal, welches die Abgrenzung der Gebühr von der Steuer gewährleiste, 39 müsse zwangsläufig an der Verbindlichkeit des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs teilhaben und sei daher auf der Ebene des Grundgesetzes anzusiedeln. Es handele sich hierbei um den verfassungsfesten Kern der Gebührendefinition. 40 Das Grundgesetz lege damit fest, dass die Gebühr nicht gegenleistungsunabhängig, sondern nur in der Form eines Entgelts erhoben werden dürfe. b) Bewertung Den Stimmen, die einen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff ablehnen bzw. nur dem Aspekt der Entgeltlichkeit verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zugestehen wollen, kann nicht gefolgt werden. Bereits das angeführte Argument, dass das Grundgesetz die Gebühr zwar nenne und anerkenne, dies für die Annahme eines umfassend verstandenen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs jedoch nicht ausreichend sei, 41 kann nicht verfangen. Wie bereits erwähnt, 42 entspricht es nicht der Konzeption des Grundgesetzes als einer „RahmenverfasGebührenbegriff nicht existiere. Wenige Sätze später (Sailer, a. a. O., Rn. 6) wird sodann jedoch erläutert, wodurch sich der Gebührenbegriff verfassungsrechtlich auszeichne. 37 Arndt, WiVerw 1990, 1, 29; F. Kirchhof, DVBl. 1987, 554, 555; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 86; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 151; ähnlich auch Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 275; kritisch dazu Boll, Die Gebührenpflicht des Nichtstörers für polizeiliche Maßnahmen, S. 90. 38 Leisner, in: GS Peters, S. 730, 732. 39 Zur Bedeutung dieser Abgrenzung vgl. Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 145. 40 Vgl. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 84, Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 145, 151. 41 Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 84; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 107. 42 Zu diesem Aspekt bereits oben Dritter Teil, B. II. 2.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

sung“, 43 jeden Bereich des Verfassungsrechts erschöpfend zu regeln. Das Grundgesetz ist nicht Enzyklopädie des Verfassungsrechts, das zu allen Begriffen, die es gebraucht, Definitionen bereithält, und für alle rechtlichen Kategorien, die es erwähnt, eine dogmatische Einordnung vornimmt. 44 Diese Überlegung wird bestätigt, wenn man allein den ersten Abschnitt des Grundgesetzes in den Blick nimmt. Selbst in dem für das Staat-Bürger-Verhältnis elementaren Bereich der Grundrechte hat der Verfassunggeber davon abgesehen, ausdrückliche Begriffsbestimmungen in den Text des Grundgesetzes aufzunehmen. So gewährleistet die Verfassung die Kunst-, Versammlungs- und Eigentumsfreiheit der Bürger, ohne dabei jedoch zu definieren, was unter den Begriffen der Kunst, der Versammlung oder des Eigentums zu verstehen ist. Gleichwohl gehen Rechtsprechung und Literatur, von Detailfragen einmal abgesehen, überwiegend davon aus, dass ein verfassungsrechtlicher Kunstbegriff 45 ebenso wie ein verfassungsrechtlicher Versammlungs- 46 und Eigentumsbegriff 47 existiert. 48 Darüber hinaus kann die ablehnende Haltung gegenüber einem umfassend verstandenen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff nicht unterstützend auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verweisen. 49 Zwar führt das 43 Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 190; ähnlich ders., in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 162 Rn. 43 f., sowie Böckenförde, NJW 1976, 2089, 2091, 2099. Speziell zu der Finanzverfassung als einer Rahmenordnung BVerfGE 67, 256, 288 f.; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Vorb. v. Art. 104a Rn. 6; Wieland, Jura 1988, 410, 418; ders., Die Konzessionsabgaben, S. 269; ders., in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, S. 771, 773 f. 44 Vgl. auch Isensee, in: FS H. P. Ipsen, S. 409, 420 f.; dens, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 15 Rn. 190. 45 BVerfGE 30, 173, 188 f.; ähnlich auch J. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 502, der aus verfassungsdogmatischer Sicht eine Begriffsbestimmung für unverzichtbar hält. Vgl. auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, S. 217 ff., der Art. 5 Abs. 3 GG zwar ein „Definitionsverbot“ entnehmen will, die Existenz eines (dann freilich formal bzw. offen verstandenen) grundrechtlichen Kunstbegriffs aber nicht in Frage stellt, vgl. dens., a. a. O., S. 219. 46 BVerfG, NJW 2001, 2459, 2460; Michael / Morlok, Grundrechte, Rn. 268; vgl. auch Epping, Grundrechte, Rn. 30 ff.; Kniesel, NJW 1992, 857, 867. 47 BVerfGE 16, 94, 111; 58, 300, 335; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 34; Epping, Grundrechte, Rn. 433; J. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 722; vgl. zum Selbstand des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs auch Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 38. 48 Selbst dort, wo – insoweit vergleichbar mit der Abgrenzung von Steuer und Gebühr – eine Abgrenzung zwischen den Schutzbereichen einzelner Grundrechte erforderlich ist, beschränken sich die jeweiligen Begriffsbestimmungen nicht darauf, nur dem abgrenzungsrelevanten Merkmal verfassungsrechtliche Relevanz zuzubilligen. So wird, um etwa die gebräuchliche Kurzformel zur Abgrenzung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG aufzugreifen, soweit ersichtlich nicht vertreten, einziger verfassungsfester Bestandteil des Berufsbegriffs sei der Erwerb, oder, anders gewendet, nur das Erworbene sei das verfassungsrechtlich anerkannte Merkmal der Eigentumsdefinition.

A. Begriff der Gebühr

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Gericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1979 aus, das Grundgesetz enthalte keinen eigenständigen Gebührenbegriff. 50 Das isolierte Abstellen allein auf diesen Satzbestandteil kann jedoch zu Missverständnissen führen. In der genannten Entscheidung heißt es weiter: „Das Grundgesetz enthält – jedenfalls für Gebührenregelungen der hier in Rede stehenden Art – keinen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ergäben; weder aus den Bestimmungen der Art. 74 Nr. 22 GG und Art. 80 Abs. 2 GG noch aus den Abgrenzungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff lassen sich insoweit allgemein anwendbare Prüfungsmaßstäbe herleiten.“ 51 Das Bundesverfassungsgericht macht mit dieser Aussage deutlich, dass es einen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, der dem Gesetzgeber konkrete Vorgaben über den Gebührensatz oder die Gebührenhöhe macht, nicht anerkennt. Nach Ansicht des Gerichts fehle es damit an Aussagen des Grundgesetzes zu Fragen der zulässigen Gebührenhöhe; ob sich der Verfassung Anhaltspunkte zu einem Gebührenbegriff entnehmen lassen, ist damit indes nicht entschieden worden. 52 Die Ansicht, die einen umfassenden Gebührenbegriff des Grundgesetzes ablehnt und stattdessen nur das Merkmal der Entgeltlichkeit mit Verfassungsrang ausstattet, kann aus einem weiteren Grund nicht überzeugen: Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff enthalte, so die Argumentation, neben weiteren Bestandteilen auch das Merkmal der Gegenleistungsunabhängigkeit. In § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931 – vom Verfassunggeber vorgefunden und übernommen – 53 heiße es, Steuern seien Abgaben, die „nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen“. Da sich Steuer und Gebühr nur in diesem Begriffsmerkmal unterschieden, ließen sich Gebühren beschreiben als Abgaben, die für eine spezielle Leistung des Staates erhoben würden. Dem Merkmal der Gegenleistungsabhängigkeit komme deshalb Verfassungsrang zu, weil es gewährleiste, dass Gebühr und Steuer eindeutig voneinander abgegrenzt werden könnten und dadurch ausgeschlossen sei, dass die Finanzverfassung durch die Erhebung von Gebühren unterlaufen werde. 54 Richtig an dieser Überlegung ist, dass dem Merkmal der Entgeltlichkeit verfassungsrechtliche Verbindlichkeit über den Steuerbe49

So aber etwa Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 107. BVerfGE 50, 217, 225 f.; bestätigt durch BVerfGE 93, 319, 345; siehe auch BVerwGE 74, 67, 71. 51 BVerfGE 50, 217, 225 f. 52 Ebenso Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 85. 53 Dazu oben Dritter Teil, C. I. 1. 54 Vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 110; ähnliche Überlegungen bei Leisner, in: GS Peters, S. 730, 732; kritisch dagegen Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 240 f., der dem Grundgesetz überhaupt keine Vorgaben zu einem Gebührenbegriff entnehmen will und daher auch die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Merkmals der Entgeltlichkeit in Abrede stellt. 50

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

griff des Grundgesetzes vermittelt wird. Wenn man aber mit der dargestellten Auffassung davon ausgeht, dass sich der verfassungsrechtliche Steuerbegriff nur in dem Merkmal der Gegenleistungsunabhängigkeit von dem Begriff der Gebühr unterscheidet, alle anderen Merkmale aber übereinstimmen, so ist nicht ersichtlich, warum einem (abweichenden) Gebührenmerkmal Verfassungsrang vermittelt werden soll, den anderen (übereinstimmenden) Begriffsbestandteilen aber nicht. Wenn der Verfassung einerseits zu entnehmen ist, welches alleinige Merkmal Steuer und Gebühr unterscheidet, kommt andererseits damit zugleich zum Ausdruck, dass beide Abgabenarten auch übereinstimmende Merkmale aufweisen müssen. 55 Warum die Gebührendefinition dann aber in einen verfassungsrechtlichen und einen nicht-verfassungsrechtlichen Teil aufgetrennt wird, lässt sich nicht nachvollziehen. Es überzeugt daher nicht, wenn die Auffassung vertreten wird, dem Grundgesetz lasse sich ein verfassungsrechtlicher Steuerbegriff entnehmen, verfassungsrechtliche Vorgaben zum Begriff der Gebühr existierten hingegen nur vereinzelt. Steuern wie Gebühren sind wesentliche Bestandteile des grundgesetzlichen Abgabensystems. Der Begriff der Gebühr gehört ebenso wie der Steuerbegriff in allen seinen Bestandteilen zum „mitgeschriebenen Verfassungsrecht des Grundgesetzes“. 56 2. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff als Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Gebührendefinition Steuern und Gebühren sind öffentliche Lasten; 57 sie werden dem Bürger vom Staat auferlegt. Nach allgemeiner Ansicht unterfallen Steuern und Gebühren zudem der Kategorie der Abgabe, da es sich bei ihnen jeweils um eine Geldleistungspflicht zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs handele. 58 Wegen dieser Gemeinsamkeiten kann eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebüh55 Zu den übereinstimmenden Merkmalen von Steuer und Gebühr sogleich unter A. II. 3. 56 Vogel spricht im Hinblick auf den Gebührenbegriff vom „ungeschriebenen Finanzrecht des Grundgesetzes“, vgl. Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 520; sowie allgemein dens., in: GS Martens, S. 265 ff. Diese Bezeichnung bringt jedoch die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Gebührenbegriffs nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Das Grundgesetz führt zwar nicht ausdrücklich die Begriffsmerkmale der Gebühr auf, es enthält hierzu jedoch implizite Vorgaben. Diesen indirekten Aussagen lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Begriff der Gebühr von dem „mitgeschriebenen“ Finanzrecht des Grundgesetzes gesprochen wird, so zu Recht MüllerFranken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 91 mit Fn. 308. 57 Zum System der öffentlichen Lasten etwa Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 40.

A. Begriff der Gebühr

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renbegriffs an einzelne Merkmale des bereits entwickelten verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs 59 anknüpfen. 60 Nachfolgend sollen daher zunächst diejenigen Merkmale der Gebühr untersucht werden, die sich mit denen des Steuerbegriffs decken. Im Anschluss daran wird zu klären sein, in welchen Bereichen sich Gebühren- und Steuerdefinition voneinander unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Gebührenmerkmal der Entgeltlichkeit von der Gegenleistungsunabhängigkeit als einem Bestandteil der Steuerdefinition abzugrenzen. Die gefundenen Ergebnisse müssen dabei jeweils mit den Wertungen der Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG und Art. 80 Abs. 2 GG übereinstimmen. Zwar handelt es sich bei diesen Vorschriften, wie erwähnt, um gebührenrechtliche Spezialfälle, von denen nicht auf eine allgemeine verfassungsrechtliche Gebührendefinition geschlossen werden kann. 61 Der Umstand, dass für die Fälle des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG bzw. Art. 80 Abs. 2 GG Voraussetzungen für die Erhebung der dort genannten Gebühren aufgestellt werden, verdeutlicht zugleich aber auch, dass dem Grundgesetz eine Vorstellung über die Eigenschaften und Merkmale der Gebühr immanent sein muss. Diesen Vorstellungen darf ein Gebührenbegriff, der verfassungsrechtliche Verbindlichkeit beansprucht, nicht widersprechen; er muss sich vielmehr mit den gebührenbezogenen Aussagen des Grundgesetzes in Einklang bringen lassen. 3. Begriffliche Übereinstimmungen der Gebühr mit dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff Auch wenn die beiden Merkmale der Gebühr, die mit dem Steuerbegriff übereinstimmen – die Qualifizierung als eine Geldleistungspflicht sowie das Auferlegtsein durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen – von Rechtsprechung und Literatur nicht in Frage gestellt werden, bedürfen sie der Bestätigung durch das Grundgesetz, um auch den einfachen Abgabengesetzgeber zu binden.

58 Vgl. stellvertretend Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 58 f. 59 Zu den einzelnen Bestandteilen des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs vgl. oben Dritter Teil, C. I. 2. 60 Dieses Vorgehen lässt sich zudem mit der Systematik von § 1 Abs. 1 RAO 1931 begründen, dem zwar kein Verfassungsrang zukommt, der aber, wie gezeigt, für den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff prägend war: In § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931 erfolgt zunächst eine Legaldefinition der Steuer. § 1 Abs. 1 S. 2 RAO 1931 macht sodann deutlich, dass Gebühren und Beiträge nicht „darunter“, d. h. unter den Steuerbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1 RAO 1931, fallen. Einer solchen Abgrenzung bedarf es aber nur dann, wenn Steuern und Gebühren jedenfalls einige begriffliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Vgl. zu dieser Überlegung auch Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 40 f. 61 Ebenso Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 47; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 25.

282

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

a) Geldleistung Ebenso wie Steuern sind auch Gebühren Geldleistungen. 62 Für die Steuer wurde diese Feststellung anhand von Art. 106 GG bestätigt. Nur Geldleistungen lassen sich teilen und anteilsmäßig den verschiedenen staatlichen Ebenen zuweisen. 63 Dass es sich auch bei Gebühren um Geldleistungen handeln muss, ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG: Die Norm regelt die Gesetzgebungskompetenz für die „Erhebung und Verteilung von Gebühren“. Duldungen oder Unterlassungen als verwaltungsrechtliche Dienstbarkeiten können nicht verteilt werden; zu Dienstleistungen wird man verpflichtet oder herangezogen, 64 sie werden nicht erhoben. Die Formulierung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG bestätigt damit die allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach es sich bei der Gebühr um eine Geldleistung handeln muss. b) Auferlegung durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen Steuern und Gebühren stimmen zudem darin überein, dass sie dem Einzelnen von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegt werden. Dieses Begriffsmerkmal beansprucht freilich nur für die hier in Rede stehende Gebühr i. S. einer öffentlich-rechtlichen Abgabe Geltung. Eine solche Eingrenzung ist erforderlich, weil der Gebührenbegriff – anders als der Begriff der Steuer – 65 in vielfältiger Weise Eingang in privatrechtliche Lebensbereiche gefunden hat. 66 Für einige Berufszweige bestehen oder bestanden Gebührenordnungen, die die zu zahlenden Entgelte für erbrachte privatrechtliche Leistungen verbindlich bestimmen sollen bzw. sollten. 67 Auch die Alltagssprache bedient sich dem Begriff der Gebühr, um Leistungsentgelte auf privatrechtlicher Ebene zu umschreiben, 62

Vgl. BVerfGE 50, 217, 226; 91, 207, 223; BVerwGE 95, 188, 200; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 19; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 92; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 43. 63 Vgl. oben Dritter Teil, C. I. 2. a). 64 Vgl. etwa die Formulierungen in Art. 12 Abs. 2 GG, Art. 12a Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 GG. 65 Der – mittlerweile veraltete – Begriff der Aussteuer als der Summe von in die Ehe einzubringenden Gütern durch die Braut stimmt nur dem Worte nach mit dem abgabenrechtlichen Steuerbegriff überein. Inhaltlich besteht zwischen beiden Begriffen keine Verbindung. 66 Einen Überblick über den Gebrauch des Gebührenbegriffs in der Alltagssprache vermittelt Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 4 f. 67 Prominentes Beispiel: Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) v. 12. 11. 1982, BGBl. I 1982, S. 1522 i. d. F. der Bekanntmachung v. 9. 2. 1996, BGBl. I 1996, S. 211. Auch das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) v. 5. 5. 2004, BGBl. I 2004, S. 788, rückt die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in den Mittelpunkt seiner Regelungen, vgl. z. B. §§ 1 ff., 13 ff. RVG.

A. Begriff der Gebühr

283

so etwa bei der Leihgebühr, der Vermittlungsgebühr oder der Vorverkaufsgebühr. Der verfassungsrechtliche Begriff der Gebühr beschränkt sich hingegen auf Gebühren, die einseitig von der öffentlichen Hand auferlegt werden. 68 Nicht von diesem Gebührenverständnis umfasst sind damit Zahlungen aus vertraglichen Verpflichtungen sowie Geldleistungen an nicht hoheitlich tätige Privatpersonen. Art. 74 GG wie Art. 80 GG stützen das Merkmal des Auferlegtseins durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen. In Bezug auf die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG genannten Gebühren überträgt die Verfassung die Gesetzgebungskompetenz, mithin die Kompetenz, durch Hoheitsakt abstrakte Gebührenpflichten festzulegen, auf den Bund. Der einseitige Charakter der Gebührenpflicht kommt auch in Art. 80 Abs. 2 GG zum Ausdruck, wonach die dort genannten Gebühren durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder eines Bundesministers näher zu bestimmen sind. Die genannten Normen sprechen mit dem Bund bzw. der Bundesregierung oder dem Bundesminister ausschließlich ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen sowie dessen Organ bzw. Organteil unmittelbar an. 69 4. Begriffliche Abweichungen der Gebühr von dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass das Grundgesetz die Gebühr – ebenso wie die Steuer – als eine von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen auferlegte Geldleistung versteht. In welchen Merkmalen sich die Gebühr von der Steuer unterscheidet, soll im Folgenden geklärt werden. Besondere Bedeutung kommt auch dabei der Frage zu, ob sich die gefundenen Ergebnisse verfassungsrechtlich fundieren lassen. a) Einnahmeerzielung zur Deckung des durch die gebührenpflichtige Maßnahme entstandenen Finanzbedarfs Ähnlich wie Steuern werden auch Gebühren erhoben, um den öffentlichen Finanzbedarf zu decken. 70 Sie dienen der staatlichen Einnahmenbeschaffung. 71 68 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 536. Der Gegensatz zu den privatrechtlichen Gebühren, die sich nach Grund und Höhe an den Gegebenheiten des Marktes orientieren, kommt bereits deutlich in § 7 S. 1 PrKAG zum Ausdruck, wo es heißt: „Gebühren sind im Voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen.“ Vgl. zuvor auch PrOVGE 17, 210, 213; 18, 23, 27 f. 69 Zu Funktion und Zusammensetzung der Bundesregierung als einem obersten Bundesorgan vgl. nur Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 15 Rn. 1. 70 Vgl. BVerfGE 8, 274, 317; 13, 181, 198; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 9; Trzaskalik, StuW 1992, 135, 141; allgemein zu Finanzierungsabgaben etwa Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a115 Rn. 404.

284

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

In diesem Merkmal unterscheiden sie sich von anderen öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten, wie etwa der Geldbuße oder der Geldstrafe. 72 Die Funktion der Gebühr, Einnahmen für ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zu erzielen, lässt sich den Vorschriften des Grundgesetzes nicht ausdrücklich entnehmen. Zwar betrifft Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG die „Erhebung und Verteilung“ der Gebühr. Erhoben werden können aber auch andere, nicht auf die Erzielung von Einnahmen angelegte Geldleistungen, sofern sie dem Pflichtigen nur hoheitlich auferlegt werden. Auch die Tatsache, dass die Gebühr verteilt wird, bedeutet nicht, dass es sich dabei um eine Einnahme handeln muss, da sich begrifflich auch das Aufkommen an Geldstrafen und Bußgeldern verteilen lässt. Wenn das Grundgesetz aber Gebühren benennt, die für die Benutzung öffentlicher Straßen bzw. der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation erhoben werden, so liegt die Vermutung nahe, dass mit diesen Gebühren der öffentliche Finanzbedarf gedeckt werden soll, der durch die Vorhaltung dieser und anderer öffentlichen Einrichtungen entstanden ist. Die Funktion der Gebühr, Einnahmen zu erzielen, tritt an einer anderen Stelle im Grundgesetz noch deutlicher hervor: Art. 111 Abs. 2 GG, der die Kreditaufnahme des Bundes für den Zeitraum regelt, in dem ein Haushaltsplan durch Gesetz noch nicht festgestellt wurde, zählt auch die nichtsteuerlichen Abgaben zu den Einnahmen des Staates. So heißt es in der genannten Vorschrift, die Bundesregierung dürfe Kredite nur dann aufnehmen, wenn die „Einnahmen aus Steuern, Abgaben und sonstigen Quellen“ die Ausgaben nach Art. 111 Abs. 1 GG nicht decken. Da Gebühren als hoheitlich auferlegte Geldleistungen 73 der

71

An diesem Merkmal der Gebühr zweifelt auch das Bundesverfassungsgericht nicht, obgleich es in einer früheren Entscheidung (BVerfGE 20, 257, 269) missverständlich heißt: „Gebühren gehören zu den öffentlichen Abgaben. Sie sind gesetzlich – oder aufgrund eines Gesetzes – festgelegte Entgelte für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung. Dadurch unterscheiden sie sich von den Steuern und Sonderabgaben, die in erster Linie dem Finanzbedarf des Staates (oder der Gemeinden) dienen und die nicht in einem Zusammenhang mit einer konkreten Gegenleistung an den Abgabeschuldner stehen.“ Gemeint ist damit wohl aber, dass der Entgelt-, nicht der Finanzierungscharakter die Gebühr von der gegenleistungsunabhängigen Steuer unterscheidet. 72 Geldbußen und Geldstrafen sind dazu bestimmt, ein Fehlverhalten zu sanktionieren, vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 74. Dass dem Staat durch diese Geldleistungen zugleich auch Finanzmittel zufließen, ist weder bezweckt noch vermeidbar. Besonders deutlich wird die fehlende Finanzierungsfunktion monetärer Sanktionen am Beispiel der Geldauflagen i. S.v. § 56b Abs. 2 StGB. So wird das Gericht dem Verurteilten i. d. R. auferlegen, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, vgl. § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB (in der Praxis kommt der Auflageform des § 56b Abs. 2 StGB die weitaus größte Bedeutung zu, dazu Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, Bd. 2/1, § 56b Rn. 21). 73 Vgl. oben A. II. 3.

A. Begriff der Gebühr

285

Kategorie der Abgabe unterfallen, 74 handelt es sich bei ihnen zugleich um Einnahmen i. S.v. Art. 111 Abs. 2 GG. Die Einnahmen, die aus der Gebühr erzielt werden, dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Steuereinnahmen, weisen jedoch stets einen gedanklichen Zusammenhang mit der Maßnahme auf, die der Staat konkret vorgenommen hat und die dem Gebührenpflichtigen zugerechnet wird. Gedanklich, nicht tatsächlich, ist der Zusammenhang deshalb, weil auch das Gebührenaufkommen formal ungebunden in den allgemeinen Staatshaushalt einfließt und so für jede denkbare Aufgabe des Staates ausgegeben werden kann. 75 Da die Gebühr aber als Ausgleich für staatlichen Aufwand erhoben wird, handelt es sich trotz des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Nonaffektation, 76 der die Deckung aller Ausgaben durch die Gesamtheit der Einnahmen vorsieht, bei ihr der Sache nach um eine finanzielle Kompensation für die dem Staat konkret entstandenen Kosten. Selbst wenn die Gebühren, die für eine spezielle staatliche Maßnahme anfallen, formal für eine andere staatliche Angelegenheit verwendet werden, so ändert dies nichts daran, dass aus dem Haushalt eine Summe gleicher Höhe für die Finanzierung jener speziellen staatlichen Maßnahme bereitzustellen ist. 77 Die Gebühr muss damit stets den Bezug zu der in Rede stehenden staatlichen Maßnahme wahren, um nicht in Konkurrenz zur Steuer zu treten, der das verfassungsrechtlich verbindliche Monopol zur Erzielung fungibler Einnahmen zukommt. 78 Eine Gebührenerhebung zur Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs, zur Einnahmeerzielung „schlechthin“, 79 ist damit unzulässig. 80

74

Siehe nur Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10. Dazu P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 57 f. 76 Zu der Frage, ob der einfachgesetzlich in § 8 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) v. 19. 8. 1969, BGBl. I 1969, S. 1284, sowie § 7 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG) v. 19. 8. 1969, BGBl. I 1969, S. 1273, niedergelegte Grundsatz der Gesamtdeckung auch verfassungsrechtliche Verbindlichkeit beansprucht vgl. Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 66; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 272 f.; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 140 ff. 77 Zu dieser Überlegung auch Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 52; vgl. ferner Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 198 f.; dens., DVBl. 1977, 369, 373. 78 Vgl. oben Dritter Teil, C. I. 2. e). 79 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 50. 80 Leisner, in: GS Peters, S. 730, 747; vgl. auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 500. 75

286

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

b) Gegenleistungsbezogenheit Ungeachtet der im Einzelnen voneinander abweichenden begrifflichen Umschreibungen besteht Einigkeit darüber, dass Gebühren als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Staates erhoben werden. 81 Weil diesem Aspekt die entscheidende Bedeutung bei der Abgrenzung von Gebühr und Steuer zukommt, wird ihm in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung besondere Aufmerksamkeit zuteil. 82 Welche Anforderungen jedoch konkret an das Merkmal der Gegenleistungsabhängigkeit zu stellen sind, ist umstritten. Es sollen daher im Folgenden mit dem formellen sowie dem materiellen Verständnis der Gebühr die zwei gegenläufigen Standpunkte dargelegt werden, die sich zu diesem Problem herausgebildet haben. Innerhalb dieser Strömungen existieren zudem einzelne Unteransätze, die ebenfalls in die Untersuchung einzubeziehen sind. Für eine abschließende Bewertung der unterschiedlichen Positionen wird sodann zu klären sein, welche Aussagen dem Grundgesetz zu dem Merkmal der Gegenleistungsabhängigkeit der Gebühr zu entnehmen sind. aa) Formelles Verständnis des Gebührenbegriffs Ein (überwiegend) formelles Verständnis der Gebühr lehnt es ab, den Begriff der Entgeltlichkeit um inhaltlich-materielle Kriterien anzureichern. Die Bezeichnung als formales Verständnis meint dabei jedoch nicht, dass die Entscheidung darüber, ob es sich bei einer Abgabe um eine Gebühr handelt, im freien Ermessen des Gesetzgebers stünde. So erkennt auch die formale Sichtweise an, dass sich die Qualität einer Abgabe nach ihrem materiellen Gehalt, nicht aber nach der Bezeichnung durch das jeweilige einfache Gesetz richtet. 83 Als materieller Gehalt der Gebühr, der nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht, ist ihre Funktion anerkannt, Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Staates zu sein. Wenn von einem formalen Verständnis der Gebühr die Rede ist, so meint dies vielmehr, dass dem Gebührengesetzgeber bei der inhaltlichen Ausfüllung des Gebührenmerkmals der Gegenleistung eine weitgehende Entscheidungsfrei81

Vgl. Arndt, WiVerw 1990, 1, 29 f.; Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 198 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 19; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 9; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 92; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 44 ff. 82 Umfangreiche Auseinandersetzungen mit dem Merkmal der Gegenleistung finden sich etwa bei Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 200 ff.; sowie Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 47 ff. 83 Allgemein BVerfGE 7, 244, 251 f.; 14, 312, 319; 49, 343, 353; 55, 274, 304 f.; 67, 256, 276; 93, 319, 345; Friauf, in: FS 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 679, 696; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; vgl. auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 112; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 135.

A. Begriff der Gebühr

287

heit zukommt. Er kann folglich zwar nicht darüber entscheiden, ob Gebühren überhaupt als eine Gegenleistung für staatliches Handeln zu verstehen sind. Welche staatlichen Maßnahmen aber als eine entgeltpflichtige Leistung anzusehen sind, hängt nach der formalen Sichtweise maßgeblich von den Wertungen des einfachen Gesetzes ab. (1) Sog. formeller Gebührenbegriff Nach einem wesentlich von Dieter Wilke 84 geprägten und von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übernommenen Begriffsverständnis stellt sich die Gebühr dar als „eine – einseitig auferlegte – Abgabe, die an eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung anknüpft und die Kosten dieser Leistung ganz oder teilweise decken soll“. 85 Der Gebührencharakter einer Abgabe wird nach dieser Auffassung durch die Merkmale der Kostendeckung sowie der individuellen Zurechenbarkeit geprägt. Nach Auffassung von Wilke verhindere die von ihm vorgeschlagene Definition eine nicht mehr zu rechtfertigende Gebührenerhebung durch den Staat, ohne der öffentlichen Hand dabei aber ihre weitgehende Entscheidungsbefugnis darüber abzusprechen, welche Leistungen sie gebührenpflichtig machen wolle. Das Merkmal der Kostendeckung begrenze den Gebührentatbestand zunächst begrifflich auf solche Maßnahmen, die mit Aufwendungen auf staatlicher Seite verbunden seien. Eine Abgabe, die „für nichts“ gezahlt werde, stelle keine Gebühr dar. 86 Bestehe mit anderen Worten die staatliche „Leistung“ ausschließlich in der Auferlegung der Zahlungspflicht, lasse sich eine Abgrenzung zu der voraussetzungslos geschuldeten Steuer nicht mehr vornehmen. 87 Ob es sich um eine wirtschaftlich vorteilhafte Leistung des Staates handele, spiele für die Zuordnung einer Abgabe zu der Kategorie der Gebühr dagegen keine Rolle. 88 Auch lediglich ideell vorteilhafte oder gar nachteilige Leistungen könnten eine Gebührenpflicht auslösen, wenn der öffentlichen Hand hierdurch Kosten entstanden seien. So stelle etwa auch die Durchführung eines Strafverfahrens und die sich daran anschließende

84

Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 89. Der Sache nach ebenso BVerfGE 50, 217, 226; 91, 207, 223; 97, 332, 345; Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 199; Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 20; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 19; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 92. 86 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 75. 87 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 75; vgl. gegen ein Verständnis der Gebühr als einer Gegenleistung für die Verhängung ihrer selbst auch Rupp, NJW 1968, 569, 571. 88 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 74. 85

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Verurteilung des Angeklagten eine solche Leistung des Staates dar, die mit einer Gebühr belegt werden könne. 89 Auch der zweite Aspekt der Gebührendefinition, das Merkmal der individuellen Zurechenbarkeit der Leistung, begrenze den Gebührenbegriff nur in geringem Maße. Der Staat könne weitgehend frei darüber disponieren, welche Leistungen er dem Einzelnen individuell zurechnen und diesen damit einer Gebührenpflicht unterwerfen wolle. 90 Überspitzt lasse sich mit Blick auf den Gebührengesetzgeber formulieren: „Diejenigen Leistungen sind individuell zurechenbar, die er individuell zurechnet.“ 91 Der Kreis der gebührenpflichtigen Maßnahmen sei daher außerordentlich umfangreich. Er umfasse neben den bereits erwähnten vorteilhaften wie nachteiligen Leistungen auch alle sonstigen individuell zurechenbaren Handlungen des Staates, unabhängig davon, ob sie im privaten oder im – überwiegend oder ausschließlich – öffentlichen Interesse erbracht würden. 92 Die formale Abgrenzung von Steuer und Gebühr, die keine Rücksicht auf materielle Aspekte nehmen müsse, gewährleiste dem Gesetzgeber auf diese Weise eine möglichst große Entscheidungsfreiheit bei der Schaffung neuer Gebührentatbestände. (2) Sog. streng formeller Gebührenbegriff Die von Wilke vorgeschlagenen Kriterien zur Bestimmung des Gebührenbegriffs sind indes auch bei Vertretern eines formellen Gebührenverständnisses nicht unwidersprochen geblieben. So wird kritisiert, die Definition Wilkes enthalte mit dem Aspekt der Kostendeckung ein materielles Kriterium und könne daher nicht als ein rein formaler Gebührenbegriff bezeichnet werden. 93 Richtigerweise lasse sich der Begriff der Gebühr nur „streng formal“ bestimmen. 94 Es komme für die Frage, ob es sich bei der in Rede stehenden Abgabe um eine Gebühr handele, ausschließlich auf das Merkmal der Gegenleistungsabhängigkeit an. 95 Materielle Kriterien – zu denken wäre neben dem Aspekt der Kostendeckung etwa auch an das Erfordernis eines Vorteilsausgleichs – seien 89

Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 70. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 82. 91 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 88; zustimmend etwa Zugmaier, DVBl. 1998, 1221, 1222. 92 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 82, 86. 93 So Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 113, 126. 94 In diesem Sinne Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 113, 125 f.; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 251 f.; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 66 f., 98. 95 So Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 126; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 66 f., 98. 90

A. Begriff der Gebühr

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dagegen für die begriffliche Bestimmung der Gebühr nicht von Bedeutung. 96 Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen lasse sich die Gebühr daher definieren als eine „hoheitlich auferlegte, rechtfertigungsbedürftige Abgabe, die aufgrund einer im Abgabentatbestand bezeichneten und individuell zurechenbaren konkreten staatlichen Gegenleistung erhoben wird und deren Bestehen von der Erfüllung der Gegenleistung abhängt“. 97 Zwei Aspekte konkretisieren nach diesem streng formalen Verständnis den Gegenleistungscharakter der Gebühr: die kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung sowie die individuelle Zurechenbarkeit der gebührenpflichtigen Maßnahme. Die kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung („deren Bestehen von der Erfüllung der Gegenleistung abhängt“) soll zum Ausdruck bringen, dass zwischen Gebühr und Gegenleistung eine erkennbare Verbindung bestehen muss. 98 Hohe Anforderungen seien an diese Voraussetzung indes nicht zu stellen. So müsse es sich bei der Verbindung nicht um eine enge synallagmatische Beziehung im Sinne des Privatrechts handeln: 99 Der Staat dürfe die gebührenpflichtige Leistung nicht nur dann erbringen, wenn sich auch der Gebührenschuldner zur Zahlung verpflichte. Er könne vielmehr auch ohne das Einverständnis des Bürgers Handlungen vornehmen, die eine Gebührenpflicht auslösen. Es reiche aus, wenn sich die kausale Verknüpfung formal aus dem Tatbestand des konkreten Gebührengesetzes ergebe. 100 Der zweite Aspekt des Gebührenbegriffs, die individuelle Zurechenbarkeit, betreffe nicht die Verbindung von Leistung und Gegenleistung, sondern beziehe sich auf das Verhältnis von Gebührengläubiger und Gebührenschuldner. 101 Auch dieses Merkmal begrenze die Gebührenerhebung aber nur geringfügig. Für die 96 Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 126; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 66; zustimmend Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 154. 97 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 98; noch knapper die Formulierung bei Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 125: „Aus alledem folgt, daß eine Abgabe als Gebühr anzusehen ist, wenn sie eine individuell erbrachte Staatsleistung entgelten soll.“ 98 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 81 f. 99 Die Unterschiede zwischen einem privatrechtlichen Leistungsaustausch und dem Kausalitätserfordernis stellt Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 82, heraus. Gegen das Verständnis der gebührenrechtlichen Gegenleistung als einem vertragsähnlichen Leistungsaustausch allgemein auch Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 19; P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 26; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 92. 100 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 81. 101 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 84.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

individuelle Zurechenbarkeit solle es ausreichen, wenn sich Leistungsschuldner und Gebührenpflichtiger näher stünden als Staat und Bürger im Rahmen des allgemeinen Steuerschuldverhältnisses. 102 Dem Gebührengesetzgeber, insoweit deckt sich diese Auffassung mit dem sog. formellen Gebührenbegriff von Wilke, komme für die Frage, was individuell zurechenbar sei, ein weiter Entscheidungsspielraum zu. 103 Auch das sog. streng formelle Verständnis stellt keine hohen Anforderungen an die Gegenleistungsfunktion der Gebühr. Im Vergleich zu der von Wilke vertretenen Position führt es zu einem noch weiteren Gebührenbegriff, da auf das jedenfalls eine gewisse Begrenzungswirkung entfaltende Merkmal der Kostendeckung verzichtet wird. bb) Materielles Verständnis des Gebührenbegriffs In Abgrenzung zu den Ansätzen, die überwiegend oder ausschließlich auf formale Begriffsmerkmale abstellen, wird vorgeschlagen, die Gebührendefinition um materielle Kriterien anzureichern. Zur Klärung der Frage, ob überhaupt eine Gebühr vorliegt, greifen die Vertreter eines materiellen Verständnisses auf Überlegungen zu der Gebührenrechtfertigung zurück. Anders gewendet soll der Grund, aus welchem eine Gebühr erhoben wird, bereits für ihr begriffliches Vorliegen entscheidend sein. (1) Sog. doppelgliedriger Gebührenbegriff Der mit einem formalen Verständnis einhergehende weite Anwendungsbereich der Gebühr soll anhand des von Klaus Vogel entwickelten sog. doppelgliedrigen Gebührenbegriffs eingegrenzt werden. 104 Wie erwähnt, unterscheidet sich das materielle Verständnis der Gebühr von der formellen Sichtweise dadurch, dass es Aspekte der Rechtfertigung in den Gebührenbegriff integriert. 105 Der verfassungsrechtliche Begriff einer Abgabe, so die Argumentation, umfasse nur solche Gestaltungsformen, die verfassungsrechtlich zulässig seien. 106 Zulässig sei eine Abgabe aber nur dann, wenn ihre Erhebung gerechtfertigt werden könne. 102

Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 84. Dass die individuelle Zurechenbarkeit an den von Wilke entwickelten Kriterien zu bestimmen sei, wird von Vertretern des sog. streng formellen Gebührenbegriffs nicht bestritten, vgl. etwa Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 125 f. 104 Vogel, in: FS Geiger, S. 518 ff.; vgl. auch dens. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 414; zustimmend Boll, Die Gebührenpflicht des Nichtstörers für polizeiliche Maßnahmen, S. 91; Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 11; Waldhoff, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 116 Rn. 86. 105 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 530, 532. 103

A. Begriff der Gebühr

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In systematischer Hinsicht sei zunächst zwischen allgemeinen, für alle Abgaben maßgeblichen Rechtfertigungsgründen sowie besonderen, auf eine bestimmte Abgabenkategorie bezogenen Rechtfertigungsgründen zu differenzieren. 107 Als besonderer Legitimationsgrund für eine Gebühr komme zum einen der Ausgleich von Vorteilen in Betracht, die dem Gebührenschuldner durch die gebührenpflichtige Maßnahme zugeflossen seien („Vorteilsabschöpfung“). 108 Zum anderen könnten Gebühren aber auch zur Kompensation von solchen Kosten erhoben werden, für deren Verursachung der Gebührenschuldner die Verantwortung trage („Kostenüberwälzung“). 109 Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ließen sich Gebühren definieren als „einseitig auferlegte Abgaben, die entweder an einen dem einzelnen als Folge des Verhaltens eines Hoheitsträgers (im weitesten Sinne) zugeflossenen individuellen Vorteil oder an von dem einzelnen individuell zu verantwortende Kosten des Hoheitsträgers anknüpfen und die diesen Vorteil ganz oder teilweise abschöpfen bzw. diese Kosten ganz oder teilweise ausgleichen sollen“. 110 Von den maßgeblichen Bestandteilen der Gebührendefinition zu trennen seien die Instrumente zur Bestimmung der Gebührenhöhe. Um die Gebühr der Höhe nach zu begrenzen, greift Vogel zwar auf das Äquivalenz- sowie das Kostendeckungsprinzip zurück. Diese Prinzipien stellen nach der Ansicht Vogels aber lediglich eine Grenze für gebührengesetzgeberische Willkür dar und treten für die Frage, ob eine Gebühr begrifflich überhaupt vorliegt, hinter die Kriterien des Vorteils sowie der Verantwortlichkeit zurück. 111

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Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 530. Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 529; vgl. hierzu allg. bereits oben Erster Teil, C. I. 1. 108 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 532, 534. Der Begriff des Vorteils sei dabei zu verstehen als ein individueller Vorteil, der ausschließlich dem oder den Gebührenpflichtigen zufließen dürfe, vgl. Vogel, a. a. O., S. 533 f. Bringe die staatliche Maßnahme dagegen auch Dritten einen Vorteil, ohne dass dies beabsichtigt sei, so dürften nicht nur einzelne Personen aus der Gruppe der Vorteilsempfänger mit Gebühren belastet werden. Klassische Tätigkeitsfelder, bei denen staatliches Handeln zu nicht auf bestimmte Personen / Personengruppen begrenzbaren Vorteilsgewährungen führe, seien die Außen-, Währungs- und Wirtschaftspolitik sowie die Tätigkeit der Polizei. 109 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 533; der Sache nach ebenso Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 11. 110 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 536. 111 Nach der Ansicht von Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 535, ist aber selbst die Bindungswirkung von Kostendeckungs- sowie Äquivalenzprinzip auf der Ebene der Gebührenhöhe gering: Da der zugeflossene Vorteil bzw. die verursachten Kosten häufig nicht eindeutig bestimmt werden könnten, müsse dem Gesetzgeber bei der Anwendung dieser Prinzipien ein weiter Beurteilungsspielraum zukommen. 107

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

(2) Höhe der Gebühr als Kriterium des Gebührenbegriffs Nach einer anderen Auffassung soll es für das Vorliegen einer Gebühr weder auf eine Vorteilserlangung noch auf die Verantwortlichkeit des Gebührenschuldners, sondern vielmehr auf die Höhe der konkreten Gebühr ankommen. 112 Schon vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Gebühr als Ausgleich für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung erhoben werde. 113 Es spreche vieles dafür, dass die Funktion der Gebühr, eine staatliche Leistung durch eine Gegenleistung auszugleichen, auch dem verfassungsrechtlichen Gebührenverständnis zugrunde gelegt wurde. Im Gegensatz zu dem doppelgliedrigen Gebührenbegriff, der die Ausgleichsfunktion über die Qualität der staatlichen Leistung (Vorteil bzw. kostenverursachende Maßnahme) bestimme, müsse darauf abgestellt werden, ob die Höhe der Gebühr eine bestimmte Grenze nicht überschreite. 114 Zur Bestimmung der im Einzelfall zulässigen Obergrenze der Gebühr könne dabei auf den Kostendeckungsgedanken zurückgegriffen werden. 115 Unter Berücksichtigung dieses materiellen Aspekts ließen sich Gebühren definieren als „Geldleistungen, die der Kostendeckung individuell zurechenbarer Leistungen aufgrund aus der Staatsgewalt abgeleiteter staatlicher Ausschließlichkeitspositionen 116 dienen“. 117 Da die Gebührenhöhe ein flexibel handhabbares Kriterium darstelle, müsse eine Abgabe nicht ausschließlich als eine Gebühr oder eine Steuer qualifiziert werden. Es sei vielmehr denkbar, dass eine Geldleis112 Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 46 f.; ders., DVBl. 1977, 369, 373 ff. 113 Vgl. Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 59, 64. 114 Vgl. zu dieser Überlegung Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 46 f.; dens., DVBl. 1977, 369, 373; ferner auch Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 58. 115 Kreft, DVBl. 1977, 369, 375 f.; a. A. insoweit Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 65: Die Anwendbarkeit des Kostendeckungsgedankens sei ebenso wie die des Äquivalenzgedankens vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes umstritten gewesen, sodass ein gefestigtes Verständnis über die zulässige Höhe der Gebühr vom Verfassunggeber nicht hätte übernommen und in den Begriff der Gebühr integriert werden können. 116 Dem Merkmal der staatlichen Ausschließlichkeitsposition soll nach Kreft, DVBl. 1977, 369, 376, Bedeutung nur für die Abgrenzung von Gebühren und „Preisen“ zukommen. Als Preis bezeichnet Kreft, a. a. O., 369, 375, dabei solche Geldleistungen, die für Leistungen erhoben werden, welche der Staat im Wettbewerb mit privaten Anbietern erbringt. Für die Abgrenzung von Gebühr und Steuer ist das Ausschließlichkeitskriterium dagegen unergiebig. Da mit der Steuer überhaupt keine staatliche Gegenleistung korrespondiert, kann die Frage, welcher Qualität (Staatsmonopol oder freie Verfügbarkeit am Markt) die gebührenpflichtige Leistung ist, auf sich beruhen. Es überzeugt daher nicht, wenn die Position Krefts von Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 95, als „monopolistischer Gebührenbegriff“ bezeichnet wird. 117 Kreft, DVBl. 1977, 369, 375.

A. Begriff der Gebühr

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tung bei dem Erreichen einer bestimmten Höhe von der einen Abgabenart in die andere umschlage. Nur soweit eine Abgabe den Aufwand kompensiere, der durch die staatliche Maßnahme entstanden sei, könne sie noch als Gebühr bezeichnet werden. Bei all jenen Gebühren, die eine durch den Kostendeckungsgedanken zu ermittelnde Höhe überschritten, handele es sich hingegen um Steuern. 118 c) Bewertung Die soeben dargestellten Ansätze sind für die Frage bedeutsam, ob es bereits auf der Ebene des Gebührenbegriffs zu einer Begrenzung der Gebührenerhebung kommen kann. Für die Vertreter des formellen Gebührenbegriffs bestehen in terminologischer Hinsicht keine Bedenken, eine an eine Leistung des Staates anknüpfende Abgabe als Gebühr zu bezeichnen. Reichert man den Gebührenbegriff dagegen um materielle Aspekte an, so hängt die Bezeichnung einer Abgabe als Gebühr bereits davon ab, ob diesen Kriterien hinreichend Rechnung getragen wird. Im Folgenden soll geklärt werden, welches Verständnis den Vorgaben des Grundgesetzes am besten Rechnung trägt und so für sich in Anspruch nehmen kann, den verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff zutreffend zu umschreiben. aa) Zum materiellen Gebührenverständnis Sowohl der doppelgliedrige als auch der an der Höhe der Gebühr orientierte Gebührenbegriff stimmen darin überein, dass sie den Anwendungsbereich dieser Abgabenart bereits anhand einer materiell angereicherten Gebührendefinition einschränken wollen. Fragen der Gebührenrechtfertigung sollen auf diese Weise Eingang in den Gebührenbegriff finden. 119 Ob sich dieses Verständnis mit den Vorgaben und Wertungen des Grundgesetzes vereinbaren lässt, bedarf der Überprüfung. Für den materiellen Gebührenbegriff wird zunächst angeführt, dass nur ein solches Verständnis die sachgerechte Abgrenzung zwischen Gebühr und Steuer gewährleisten könne. 120 Bei dem formellen Gebührenbegriff, der es dem einfachen Gesetzgeber weitgehend freistelle, für welche Leistungen er Gebühren erheben wolle, bestehe die Gefahr, dass die Finanzverfassung des Grundgesetzes durch die übermäßige Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ausgehöhlt 118 Kreft, DVBl. 1977, 369, 373, 375, 377; zuvor bereits Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 426. Vgl. auch Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 58, wonach eine für den Gebührenbegriff konstitutive Gegenleistung nicht mehr vorliegen solle, wenn die Gebühr eine bestimmte Höhe überschritten habe. Ob die Gebühr dadurch aber zugleich in eine Steuer umschlägt, bleibt offen. 119 Ausdrücklich Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 529 f. 120 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

werde. 121 Eine nahezu unbegrenzte Gebührenerhebung könne in Konkurrenz zu der grundgesetzlichen Steuerordnung treten und dazu führen, dass sich ein apokryphes Steuersystem entwickele. 122 „Gebührenexzesse“ einer bundesstaatlichen Ebene zuungunsten der anderen wären sodann eine mögliche Folge des formellen Gebührenverständnisses. 123 So bestünde etwa die Gefahr, dass der einfache Gesetzgeber die Gesetzgebungs- und Ertragskompetenzen für die Erbschaftsteuer (Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) dadurch umginge, dass er einen Erbscheinzwang vorsehe und sodann die Erteilung eines solchen Erbscheins mit einer an der Höhe der Erbmasse orientierten Gebühr belege. 124 Zur Herleitung eines materiell angereicherten Gebührenbegriffs stützen sich dessen Vertreter auf die Praxis der Gebührenerhebung vor Erlass des Grundgesetzes. So ermittelt etwa Vogel zunächst die Gründe, aus denen Gebühren im 19. bzw. in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für zulässig erachtet wurden, um sodann daraus zu folgern, dass auch das Grundgesetz die Gebührenerhebung aus diesen Gründen als gerechtfertigt ansehen müsse. 125 Da der Verfassunggeber die bereits bestehende Übung, Gebühren für einen erlangten Vorteil bzw. aufgrund konkreter Veranlassung zu erheben, übernommen habe, könne der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff als doppelgliedrig bezeichnet werden. 126 Auch die Vertreter einer um Aspekte der Gebührenhöhe angereicherten Definition stellen auf ein historisch gewachsenes Gebührenverständnis zur Begründung ihrer Position ab. 127 Das Grundgesetz habe demnach einen materiellen, an der Höhe der Gebühr orientierten Begriff übernommen, für welchen sich Belege aus Gesetzgebung 128 wie Rechtsprechung 129 in der Weimarer Republik anführen ließen. 121

Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54. Vgl. Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54. 123 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 56. 124 Beispiel bei Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54 f.; zuvor bereits Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 202 f. Vgl. dazu auch Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 286, der im Ergebnis eine solche Gestaltung aufgrund der von ihm favorisierten (überwiegend) formellen Betrachtung freilich für unbedenklich hält. Über das genannte Beispiel hinaus sind weitere Konstellationen möglich, in denen der Gesetzgeber durch die Festschreibung einer gebührenpflichtigen Leistung einzelne Regelungsbereiche der Finanzverfassung tangieren könnte: So wäre es etwa denkbar, dass der Bund dem betreffenden Personenkreis hohe Gebühren für die Zulassung von Kraftfahrzeugen oder die Benutzung öffentlicher Straßen auferlegte. Die Kompetenz für den Erlass entsprechender Regelungen würde sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG (Straßenverkehr, Kraftfahrwesen, Benutzung öffentlicher Straßen) ergeben; das Gebührenaufkommen könnte der Bund für sich in Anspruch nehmen, obwohl das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer gem. Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG den Ländern zusteht. 125 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 532. 126 Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 532 f. 127 Vgl. Kreft, DVBl. 1977, 369, 373 f.; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 57 ff. 122

A. Begriff der Gebühr

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Die angeführten Argumente verfangen jedoch nicht. So lässt sich bereits die Aussage widerlegen, das materielle Gebührenverständnis könne sich auf einen historisch gewachsenen Begriff der Gebühr stützen. Es wurde bereits festgestellt, dass vor Erlass des Grundgesetzes ein Konsens über die Frage, ob die Gebühr dem Ausgleich von Vorteilen oder der Deckung von entstandenen Kosten dienen sollte, nicht bestand. 130 Selbst wenn man aber mit Wendt 131 davon ausgehen wollte, dass in Rechtsprechung und Literatur eine gemeinsame Position jedenfalls hinsichtlich der Ausgleichsfunktion der Gebühr existierte, so muss dies nicht bedeuten, dass dieser Aspekt damit zugleich als Merkmal des Gebührenbegriffs anerkannt war. 132 Da auch im älteren Schrifttum die Aufnahme von (kosten)ausgleichenden Aspekten in den Gebührenbegriff zum Teil abgelehnt wurde, 133 kann der These von einem aus historischer Perspektive unbestrittenen materiellen Gebührenbegriff nicht gefolgt werden. 128 Kreft, DVBl. 1977, 369, 373 f.; sowie Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 57 f., heben hervor, dass bei dem Landessteuergesetz (LStG) v. 30. 3. 1920, RGBl. 1920, S. 402, sowie den Finanzausgleichsgesetzen (FAG) v. 23. 6. 1923, RGBl. I 1923, S. 494, und v. 27. 4. 1926, RGBl. I 1926, S. 203 – anders als bei § 1 Abs. 1 RAO 1919 – die Abgrenzung von Steuer und Gebühr nicht allein anhand des technisch-formellen Begriffs der Gegenleistung erfolgt sei, sondern dass der materielle Aspekt der Gebührenhöhe als das entscheidende Kriterium für das Vorliegen einer Gebühr angesehen wurde. Der Zweck der genannten Gesetze habe darin bestanden, die Steuergesetzgebung des Reiches vor einer gleichartigen Steuergesetzgebung der Länder zu schützen. Ein effektiver Schutz habe aber nur gewährleistet werden können, indem Steuern und Gebühren nicht anhand von formellen, sondern anhand von materiellen Merkmalen abgegrenzt worden wären. Als Steuern, und damit dem Anwendungsbereich von LStG bzw. FAG unterfallend, hätten daher auch solche Gebühren angesehen werden müssen, die höher bemessen gewesen seien als die konkret durch sie zu deckenden Kosten. Ein rein formelles, für das Vorliegen einer Gebühr jede zurechenbare Leistung anerkennendes Verständnis wäre daher mit dem Zweck der genannten Gesetze nicht vereinbar gewesen. Es hätte dazu geführt, dass in vielen Fällen statt von einer Steuergesetzgebung von einer Gebührengesetzgebung der Länder auszugehen gewesen wäre. Die genannten Gesetze hätten die ihnen zugedachte Wirkung eines Finanzausgleichs zwischen den staatlichen Ebenen dann aber nicht mehr entfalten können. Um dies zu verhindern, sei der damalige Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich bei solchen Gebühren, die über die den Ländern jeweils entstandenen Kosten hinausgingen, um Steuern i. S. d. des Landessteuer- bzw. der Finanzausgleichsgesetze handelte. 129 Als Beleg wird in diesem Zusammenhang der Beschluss des Großen Senats des RFH v. 29. 11. 1926, RFHE 20, 21 ff., angeführt. In dem konkreten Fall hatte der Reichsfinanzhof zu entscheiden, ob eine landesgesetzliche Schulgeldordnung mit dem Reichsrecht vereinbar war. Obwohl der formale Gegenleistungscharakter des Schulgeldes außer Frage stand, habe der RFH geprüft, ob es sich um eine Steuer handelte. Die Frage sei deswegen verneint worden, weil auch der Höchstsatz des Schulgeldes die (auf den einzelnen Schüler bezogenen) Kosten für den Schulbetrieb nicht überschritten habe; vgl. zu diesem Beispiel Kreft, DVBl. 1977, 369, 374; sowie Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 57 f. 130 Siehe bereits oben A. I. 1. 131 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 58 f. 132 So auch Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 97.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Darüber hinaus ist der an der Gebührenhöhe orientierte Gebührenbegriff nicht geeignet, klare, eindeutige und vorhersehbare Ergebnisse, kurz: Rechtssicherheit, zu gewährleisten. Wenn sich die Gebührenqualität nach der Höhe der Gebühr richten soll, so muss zweifelsfrei feststehen, wie hoch die zu deckenden Kosten im Einzelfall tatsächlich sind. Da sich die Kosten für eine staatliche Maßnahme aber aus einer Vielzahl von Einzelpositionen zusammensetzen können – zu denken ist allein bei einer behördlichen Genehmigung etwa an Personalkosten, Kosten für die Gebäudeunterhaltung, Telefon- sowie Schreibkosten – 134 wird sich die Höhe der Gebühr und damit die Gebührenqualität häufig nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen. 135 Entscheidend gegen einen materiellen Gebührenbegriff spricht aber, dass auch bei der Anerkennung eines formellen Gebührenbegriffs keine Gefahr besteht, dass die Finanzverfassung ausgehöhlt und ein zweites, apokryphes Steuersystem geschaffen würde. Eine Gebühr, die die im Einzelfall zulässige Höhe übersteigt oder die sich nicht im Rahmen der zulässigen Gebührenzwecke hält, lässt sich nicht rechtfertigen. Sie ist mit dem Kostendeckungs- bzw. Äquivalenzprinzip unvereinbar und verstößt möglicherweise darüber hinaus auch gegen weitere Vorgaben der Verfassung. 136 Da rechtswidrige Gebühren aber nicht erhoben werden dürfen, stellen sie keine Gefahr für die Finanzverfassung des Grundgesetzes dar. 137

133 Vgl. Ehlers, Finanz-Archiv 13 (1896), 439, 463 (gegen die Aufnahme der Kostenprovokation in den Gebührenbegriff); Gerlach, in: v. Stengel / Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. II, S. 4 f.; Strutz, Art. Gebühren, in: Elster / Weber / Wieser (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. IV, S. 616, 624 (beide gegen die Aufnahme des Kostenmoments in die Gebührendefinition). 134 Vgl. Leisner, in: GS Peters, S. 730, 736. 135 Vgl. dazu auch Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 64. Die drohende Rechtsunsicherheit versucht Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 64 f., offenbar dadurch zu umgehen, dass er die Anwendung des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips zur Bestimmung der Gebührenhöhe ablehnt. Nach seiner Ansicht soll die für das Vorliegen einer Gebühr maßgebliche Grenze erst dann überschritten sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Ob das (wenig griffige) Kriterium des auffälligen Missverhältnisses indes besser zu handhaben ist als der Kostendeckungs- bzw. Äquivalenzgedanke, lässt sich bezweifeln. Darüber hinaus erscheint der von Wendt favorisierte Ansatz als nicht konsequent: Hält man mit ihm die Gebühr für eine kostenausgleichende Abgabe, so muss für eine Aussage über die Gebührenqualität ermittelt werden, in welcher Höhe Kosten tatsächlich angefallen sind und ob die konkreten Kosten durch die Gebühr ausgeglichen werden. Wollte man auf den Kostendeckungsgedanken – wie von Wendt gefordert – verzichten, so würde dadurch die Bedeutung der Ausgleichsfunktion der Gebühr zwangsläufig gemindert. 136 Dazu näher unten B. 137 Vgl. zu diesem Gedanken Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 58; sowie Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 266.

A. Begriff der Gebühr

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Ein materielles Verständnis vermengt Aspekte des Gebührenbegriffs letztlich mit solchen der Gebührenrechtfertigung. Die auch an anderer Stelle im öffentlichen Recht geläufige Trennung zwischen Begriff und Rechtmäßigkeit 138 wird durch den materiellen Gebührenbegriff ohne Not aufgegeben. Eine Gebühr, die materielle Kriterien wie das Kostendeckungsgebot oder das Äquivalenzprinzip nicht beachtet, ist rechtswidrig, sie bleibt aber begrifflich eine Gebühr. 139 Dem materiellen Gebührenverständnis kann aus den genannten Gründen daher nicht gefolgt werden. bb) Zum formellen Gebührenverständnis Soll dem formellen Gebührenverständnis verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zukommen, so muss es mit den Aussagen der Verfassung in Einklang zu bringen sein. Es bietet sich daher zunächst an, die bei Erlass des Grundgesetzes vom Verfassunggeber vorausgesetzten bzw. zugrunde gelegten Bestandteile der Gebührendefinition in den Blick zu nehmen. Wie bereits beschrieben, bestand zwar vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Uneinigkeit darüber, ob die Gebühr einen zugeflossenen Vorteil kompensieren oder an die Inanspruchnahme der Verwaltung anknüpfen sollte. Auch war umstritten, ob der Gebührenbegriff zwingend ein kostenausgleichendes Element enthalten musste. 140 Dass 138 So wird etwa im Allgemeinen Verwaltungsrecht zwischen den Begriffsmerkmalen des Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG) und dessen Rechtswidrigkeit (vgl. etwa §§ 46, 48 VwVfG) deutlich unterschieden. Ein belastender Verwaltungsakt wird nicht dadurch, dass er ohne eine erforderliche vorherige Anhörung des Betroffenen ergangen ist, zu einer anderen Handlungsform der Verwaltung. Ein weiteres Beispiel für die klare Trennung zwischen Begriff und Rechtmäßigkeit einer staatlichen Maßnahme stellt die Abgrenzung von Enteignung sowie Inhalts- und Schrankenbestimmung im Rahmen von Art. 14 GG dar. Während der Bundesgerichtshof sowie das Bundesverwaltungsgericht in frühen Entscheidungen das begriffliche Vorliegen einer Enteignung davon abhängig machten, ob sich der Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG als eine Ungleichbehandlung (sog. Sonderopfertheorie, dazu BGHZ 6, 270, 280; 15, 268, 271; 23, 30, 32; 30, 338, 341; 60, 145, 147; 80, 111, 114) bzw. als für den Betroffenen unzumutbar (sog. Schweretheorie, dazu BVerwGE 5, 143, 145; 7, 297, 299; 11, 68, 75; 15, 1, 2; 19, 94, 98 f.) darstellte, nimmt das Bundesverfassungsgericht (klassisch BVerfGE 58, 300, 331 f. [„Naßauskiesungsbeschluß“]; vgl. etwa auch BVerfGE 70, 191, 199 f.; 79, 174, 192) zu Recht eine rein formale Abgrenzung vor: Nicht die Rechtmäßigkeit entscheidet darüber, ob eine Regelung als Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusehen ist, sondern die Form und Zweckrichtung des Eingriffs. Dieser Sichtweise haben sich mittlerweile auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 84, 361, 367) sowie der Bundesgerichtshof (BGHZ 99, 24, 28 f.) angeschlossen. 139 So zutreffend F. Kirchhof, DVBl. 1987, 554, 555; zustimmend auch Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 20; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 66; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 287. 140 Siehe oben A. II. 4. c) aa).

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

die Gebühr aber, um sich von der „voraussetzungslosen“ Steuer abzugrenzen, an eine – jedenfalls weit verstandene – Leistung des Staates anzuknüpfen hatte, lässt sich, soweit ersichtlich, mit sämtlichen vorkonstitutionellen Begriffsverständnissen vereinbaren. 141 Ein formelles Verständnis der Gebühr kann den einfachen Gesetzgeber jedoch nur dann binden, wenn seine Aussagen auch mit dem geltenden Verfassungsrecht in Einklang zu bringen sind. Anders gewendet darf ein formeller Gebührenbegriff den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht widersprechen. Wenn Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, Art. 80 Abs. 2 GG Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen bzw. der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation erwähnen, so stellen diese Vorschriften damit auf das Vorhandensein einer staatlichen Leistung als Gegenleistung für die zu erhebende Gebühr ab. Sie bringen jedoch nicht zum Ausdruck, dass die Gebühren zwingend zum Ausgleich von Kosten erhoben werden müssten. Wäre der Kostenausgleich, wie von Wilke gefordert, als ein Bestandteil des Gebührenbegriffs anzusehen, so müsste dieses Merkmal bei jeder Abgabe vorliegen, die für sich in Anspruch nähme, Gebühr zu sein. 142 Dem Gesetzgeber wäre es dann aber verwehrt, eine Abgabe, die an eine individuell zurechenbare Leistung des Staates anknüpft und dazu bestimmt ist, einen Vorteil auszugleichen oder verhaltenslenkend auf den Gebührenpflichtigen einzuwirken, 143 als Gebühr zu bezeichnen. Die gebührenbezogenen Vorschriften der Verfassung sind stattdessen offen und machen, abgesehen von dem Erfordernis einer zurechenbaren Leistung des Staates, keine speziellen Vorgaben dazu, wie das Merkmal der Entgeltlichkeit zu verstehen ist. Will man aber dem Gebührenbegriff verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zuschreiben, so darf er nicht über den Wortlaut des Grundgesetzes hinausgehen und um Begriffsmerkmale erweitert werden, die in der Verfassung selbst keine Stütze finden. 144 Der an dem Aspekt des Kostenausgleichs festhaltende sog. formelle Gebührenbegriff kann daher nicht für sich in Anspruch nehmen, mit den Aussagen des Grundgesetzes übereinzustimmen. 141

Ebenso Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 114. In diesem Sinne sind die Gebührendefinitionen bei Kreft, DVBl. 1977, 369, 375, sowie Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 89, zu verstehen. 143 Zu den verschiedenen Gebührenzwecken siehe BVerfGE 108, 1, 18; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 199 ff.; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 99 ff.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 13a; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 104 ff.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 19a. 144 In diese Richtung zunächst auch Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 114 f. Zu weit geht dann allerdings seine These, das formal verstandene Element der Gegenleistung sei das einzige Tatbestandsmerkmal der Gebühr, welches sich aus dem Grundgesetz ableiten lasse, vgl. Heimlich, a. a. O., S. 115. Es wurde bereits (siehe dazu oben A. II. 3. und 4.) gezeigt, dass sich auch die sonstigen, mit dem Steuerbegriff weitgehend übereinstimmenden Gebührenmerkmale dem Grundgesetz entnehmen lassen. 142

A. Begriff der Gebühr

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Es besteht im Übrigen aber auch keine Notwendigkeit, den Gebührenbegriff um weitere Merkmale zu ergänzen, da sich die Gebühr bereits anhand der Gegenleistungsabhängigkeit klar von der Steuer abgrenzen lässt. Stellt eine Abgabe eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates dar, kommt es für die begriffliche Einordnung als Gebühr nicht mehr darauf an, ob das materielle Kriterium des Kostenausgleichs vorliegt. Ein streng formelles Gebührenverständnis bietet zudem ein hohes Maß an Rechtssicherheit sowohl für den Gebührengesetzgeber als auch für den Gebührenpflichtigen: Das Element der Gegenleistung erlaubt nicht nur eine trennscharfe, sondern zugleich eine einfache und leicht nachvollziehbare Abgrenzung von Steuer und Gebühr. Der Verzicht auf materielle Kriterien erleichtert die Begriffsbestimmung, da es auf im Einzelfall möglicherweise schwierig zu bestimmende Merkmale wie etwa den Kostenausgleich 145 nicht ankommt. Schließlich kann auch das regelmäßig gegen den streng formellen Gebührenbegriff vorgebrachte Argument der Gefahr einer steigenden Gebührenbelastung nicht verfangen. 146 Der Staat, so wird befürchtet, könne bei einem weiten, nur durch die individuelle Zurechenbarkeit begrenzten Verständnis auch dann Gebühren erheben, wenn ihm keine Kosten entstanden seien. 147 Die vorgebrachten Bedenken sind der Sache nach zwar berechtigt, sie werden jedoch auf der falschen Ebene in die Diskussion eingebracht. Wenn es um den Schutz des Gebührenpflichtigen geht, so lassen sich seine Interessen im Rahmen der Gebührenrechtfertigung bei Weitem umfassender berücksichtigen als dies auf der Ebene des Gebührenbegriffs möglich wäre. 148 Ist in einem ersten Schritt das Vorliegen einer Gebühr bejaht worden, ist daran anschließend stets zu prüfen, ob sich deren Erhebung rechtfertigen lässt, d. h. ob die Höhe der Gebühr angemessen ist, ob der Erhebung Grundrechte des Gebührenpflichtigen entgegenstehen oder ob sonstige Vorgaben der Verfassung mit einer Gebührenerhebung unvereinbar sind. Entscheidet ein streng formelles Gebührenverständnis zwar darüber, wann eine Gebühr vorliegt, so trifft es gleichwohl keine Aussage über deren Rechtmäßigkeit und kann daher auch nicht zu einer verstärkten Gebührenerhebung führen.

145

Siehe dazu bereits oben A. II. 4. c) aa). So sinngemäß aber Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54; vgl. auch Leisner, in: GS Peters, S. 730, 734. 147 Es wäre bei einem streng formellen Gebührenverständnis sogar denkbar, dass Gebühren für eine individuell zurechenbare staatliche Leistung erhoben werden, die weder Kosten verursacht noch einen besonderen Vorteil für den Gebührenschuldner darstellt. Freilich dürften sich für eine solche Konstellation kaum Beispiele finden lassen. 148 Vgl. dazu auch Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 120. 146

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Es lässt sich damit abschließend festhalten, dass ein streng formeller Gebührenbegriff dem materiellen Gebührenverständnis überlegen ist, da nur er den Vorgaben des Grundgesetzes Rechnung trägt. 5. Zwischenergebnis. Definition des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff existiert. Das Grundgesetz selbst enthält zwar keine Legaldefinition der Gebühr. Gleichwohl lassen sich sowohl aus den auf die Gebühr bezogenen Regelungen als auch aus dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff hinreichend klare Aussagen zu den einzelnen Gebührenmerkmalen entnehmen. Verfassungsfest ist daher nicht nur das Merkmal der Gegenleistungsabhängigkeit, welches eine Abgrenzung von Gebühr und Steuer ermöglicht. Verfassungsfest sind vielmehr auch die übrigen Merkmale der Gebühr, die sich an dem Steuerbegriff orientieren. Der verfassungsrechtliche Begriff der Gebühr lässt sich daher wie folgt umschreiben: Gebühren sind öffentlich-rechtliche, der Einnahmeerzielung dienende Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme dem Gebührenschuldner auferlegt werden. Dieses streng formelle Gebührenverständnis erlaubt es, eine Abgabe eindeutig als Gebühr zu identifizieren, ohne dabei den Begriff mit materiellen Kriterien zu überfrachten. Ob im Einzelfall eine Gebühr erhoben werden darf, ist damit jedoch noch nicht entschieden, sondern muss auf der Ebene der Gebührenrechtfertigung beantwortet werden. 149

III. Gebührenarten Bereits das preußische Kommunalabgabengesetz von 1893 machte deutlich, dass sich Gebühren, je nachdem für welche staatliche Leistung sie erhoben werden, in verschiedene Kategorien unterteilen lassen. Nach § 4 Abs. 1 PrKAG war es den Gemeinden gestattet, die Benutzung ihrer Anlagen, Anstalten und Einrichtungen gebührenpflichtig zu machen. In § 6 Abs. 2 PrKAG wurden die Gemeinden ermächtigt, Gebühren „für einzelne Handlungen ihrer Organe“ zu erheben. Die in den beiden Bestimmungen angesprochenen Kategorien der Benutzungsund Verwaltungsgebühr haben sich in Rechtsprechung und Literatur als klassi149 Weil über die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung nicht auf der Ebene des Gebührenbegriffs entschieden wird, überzeugt es nicht, in Bezug auf diesen von einer „offenen Flanke des Steuerstaates“ zu sprechen; so jedoch Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 275.

A. Begriff der Gebühr

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sche Gebührentypen etabliert. Ob als dritter Gebührentyp die sog. Verleihungsgebühr anzuerkennen ist, wird dagegen uneinheitlich beurteilt. 1. Benutzungsgebühr und Verwaltungsgebühr Die Unterteilung in Benutzungs- und Verwaltungsgebühren ist sowohl dem verfassungs- als auch dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum geläufig. 150 In den Kommunalabgabengesetzen der Länder sind zudem häufig inhaltliche Umschreibungen dieser beiden Gebührenarten enthalten. 151 Benutzungsgebühren werden für die tatsächliche Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses erhoben. 152 Klassische Beispiele für diesen Gebührentyp finden sich im Bereich der kommunalen öffentlichen Einrichtungen. 153 So lassen sich etwa die von der Gemeinde auferlegten Entgelte für die Nutzung von Kindergärten, Museen, Schwimmbädern und Theatern als Benutzungsgebühren qualifizieren. Benutzungsgebühren können aber auch für die Versorgung mit Gas, Strom und Wasser erhoben werden. 154 150

Dazu Arndt, WiVerw 1990, 1, 23 ff.; Häde, JA 1994, 1, 6; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 29, 233; Henneke, Jura 1990, 113, 114; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 16; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 511; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 82 f.; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95; v. Mutius, in: Lorenz-von-SteinInstitut für Verwaltungswissenschaften (Hrsg.), Gebührenrecht in Theorie und Praxis, S. 9, 24 f.; Pietzcker, DVBl. 1987, 774, 775; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 91 ff.; Sander, DVBl. 1990, 18, 20; Schneider, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar zum GG, Art. 105 Rn. 11; Stober, JA 1988, 250, 253 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 422; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 281 f.; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 46 ff.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 111 ff. Auch vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes war diese Unterscheidung üblich, vgl. nur Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 425; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 388. 151 Vgl. stellvertretend §§ 9 Abs. 1 (Verwaltungsgebühr), 10 Abs. 1 (Benutzungsgebühr) des hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG Hessen) v. 17. 3. 1970, GVBl. I 1970, S. 225. 152 Vgl. nur Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 282. 153 Der Anwendungsbereich der Benutzungsgebühr ist freilich nicht auf die kommunale Ebene beschränkt. So enthält etwa § 8 Abs. 3 S. 1 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) i. d. F. der Bekanntmachung v. 28. 6. 2007, BGBl. I 2007, S. 1206, eine Regelung über Gebühren für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung von Bundesfernstraßen. Nicht als Benutzungs-, sondern als Verleihungsgebühren stuft dagegen F. Kirchhof, DVBl. 1987, 554, 556, die Abgabe i. S.v. § 8 FStrG ein; kritisch zu dieser Einordnung wiederum Arndt, WiVerw 1990, 1, 25 mit Fn. 118.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Verwaltungsgebühren hingegen werden als Gegenleistung für eine gegenüber dem Einzelnen erbrachte Amtshandlung erhoben. 155 Vorausgesetzt wird damit zum einen, dass eine staatliche, regelmäßig der Verwaltung zuzuordnende Stelle tätig geworden ist. Zum anderen muss zwischen dem Gebührenschuldner und der vorgenommenen Handlung eine besondere Verbindung bestehen. 156 Verwaltungsgebühren sind daher etwa für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer behördlichen Genehmigung 157 oder für die Ausstellung eines Ausweises zu zahlen. Sie werden darüber hinaus aber auch für staatliche Maßnahmen im Bereich des Gefahrenabwehrrechts erhoben. So lassen sich etwa die sog. Luftsicherheitsgebühr 158 sowie die Gebühren für den Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflage 159 als Verwaltungsgebühren qualifizieren. Der Übergang zwischen Benutzungs- und Verwaltungsgebühr ist fließend, wird doch mit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung häufig zugleich auch eine Verwaltungstätigkeit ausgelöst. 160 Aufgrund einer solchen Vermischung innerhalb des Gebührentatbestandes kann es nicht überzeugen, wenn im abgabenrechtlichen Schrifttum mitunter zur Abgrenzung der beiden Gebührentypen 154 Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 356; Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21. Die Gebühr wird in diesem Falle nicht für die Benutzung einer sozialen oder kulturellen Einrichtung, sondern für die Inanspruchnahme einer netzgebundenen Versorgungsleistung der jeweiligen Kommune erhoben, vgl. nur Geis, Kommunalrecht, § 12 Rn. 46. 155 Vgl. P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 511; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 422. Wendet man diese Definition konsequent an, so wird deutlich, dass der Begriff der Verwaltungsgebühr zu eng gewählt ist. Amtshandlungen müssen nicht ausschließlich von der Exekutive, sondern können auch von Stellen außerhalb der Verwaltung vorgenommen werden. Ein Beispiel hierfür stellen etwa die Gerichtsgebühren dar, die für Akte der Judikative erhoben werden. Terminologisch korrekt wäre es daher, von „Handlungsgebühren“ zu sprechen, so zu Recht Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95 mit Fn. 327. Die vorliegende Arbeit hält jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit an dem hergebrachten Begriff der Verwaltungsgebühr fest. 156 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 92. 157 Da Verwaltungsgebühren (bereits) für die Inanspruchnahme der Verwaltung erhoben werden, kommt es für das Bestehen der Gebührenpflicht freilich nicht darauf an, ob dem Antrag des Gebührenschuldners entsprochen wird. Auch für die Ablehnung des Antrags oder den Erlass eines Widerspruchsbescheids (vgl. etwa § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des hessischen Verwaltungskostengesetzes [HVwKostG] v. 12. 1. 2004, GVBl. I 2004, S. 36) können Verwaltungsgebühren anfallen; vgl. nur Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 92. 158 Vgl. BVerfG, DVBl. 1998, 1220 f. 159 Hierzu jüngst VGH Mannheim, NVwZ-RR 2009, 329. 160 So wird beispielsweise mit dem Antrag auf Ausstellung eines Nutzerausweises für eine städtische Bibliothek regelmäßig eine Verwaltungstätigkeit verbunden sein. Zugleich erfolgt diese Amtshandlung allerdings in zeitlich und örtlich engem Zusammenhang mit dem Bibliotheksbesuch und damit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung.

A. Begriff der Gebühr

303

formalisierend vorgeschlagen wird, Verwaltungsgebühren im Falle einer Behördentätigkeit, Benutzungsgebühren hingegen für die Inanspruchnahme von staatlichen Einrichtungen für einschlägig zu erachten. 161 Grenzfälle lassen sich mit einem solch starren Abgrenzungskriterium nicht erfassen. Es erscheint daher vorzugswürdig, Benutzungs- und Verwaltungsgebühren nach dem Schwerpunkt der jeweils in Rede stehenden staatlichen Leistung voneinander zu unterscheiden: Steht die Inanspruchnahme einer Amtshandlung im Mittelpunkt, so liegt eine Verwaltungsgebühr vor; soll hingegen primär an die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung angeknüpft werden, so handelt es sich um eine Benutzungsgebühr. 162 2. Verleihungsgebühr Ob neben der Benutzungs- und Verwaltungsgebühr noch weitere Gebührenarten existieren, wird uneinheitlich beurteilt. Umstritten ist insbesondere, ob die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp anzuerkennen ist. Verleihungsgebühren oder Konzessionsabgaben 163 werden nach herkömmlichem Verständnis umschrieben als Gegenleistung für die Übertragung eines subjektiv-öffentlichen Rechts, das einen wirtschaftlichen Vorteil begründet. 164 Die Befürworter 165 einer Kategorie der Verleihungsgebühr nennen als klassische Einsatzgebiete für diesen 161

Vgl. etwa noch Ermel, Gesetz über kommunale Abgaben in Hessen, § 9 KAG Anm. 2, § 10 KAG Anm. 2; kritisch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 93; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 47. 162 So die wohl h. M., vgl. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 24 f.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 95; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 47. 163 So die Terminologie bei Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 306. Zu der Unterscheidung zwischen Verleihungs- bzw. Duldungsgebühren und sog. Ressourcennutzungsgebühren vgl. die Nachweise bei Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 422. 164 Arndt, WiVerw 1990, 1, 25 f.; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; F. Kirchhof, DÖV 1992, 233, 237; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 511; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95; Pietzcker, DVBl. 1987, 774, 777; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 171; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 283. 165 OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; Arndt, WiVerw 1990, 1, 26; Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 228; Henneke, Jura 1990, 113, 114; ders., Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 393; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 29 f.; ders., Jura 1987, 554, 555; ders., Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 16; Stober, JA 1988, 250, 254; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 422 f.; Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 302 ff., 305 f. Verhalten befürwortend Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 286: Nur dann, wenn der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten generell verbiete (1.), dieses Verbot nicht gegen Grundrechte verstoße (2.) und es mit dem Zweck dieser Regelung zu vereinbaren sei, entgeltliche Ausnahmen zuzulassen (3.), solle die Kategorie der Verleihungsgebühr in Rede stehen.

304

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Abgabentyp verschiedene Umweltabgaben, so etwa die bergrechtliche Förderabgabe nach § 31 BBergG. 166 Ein bedeutender Teil des rechtswissenschaftlichen Schrifttums lehnt den Begriff der Verleihungsgebühr dagegen ab. 167 Mit der Verleihungsgebühr werde die Konnexität zwischen Abgabe und staatlichem Aufwand aufgelöst und eine Abgabe „ohne jede Kontur“ geschaffen. 168 Es fehle auf Seiten des Staates an konkret angefallenen Kosten, an die eine Verleihungsgebühr anknüpfen könne. 169 Lasse man die Erhebung von Verleihungsgebühren zu, so könne der Gesetzgeber bestimmte Rechte zunächst verbieten, um sodann für die Wiedereinräumung dieser Rechte ein Entgelt zu fordern. Die Verleihungsgebühr werde dadurch zu einem „Preis für Freiheit“; 170 die Verschaffung eines Rechts hinge nicht mehr von der Berechtigung oder Bedürftigkeit des Einzelnen, sondern von seiner Zahlungsfähigkeit ab. 171 Die vorgebrachten Argumente sollen im Rahmen dieser Untersuchung keiner umfassenden rechtlichen Würdigung unterzogen werden. 172 Ob die Verleihungsgebühr als ein dritter Gebührentyp anzuerkennen ist, hängt davon ab, welcher Gebührenbegriff der Diskussion zugrunde gelegt wird. Hält man ein um das materielle Kriterium des Kostenausgleichs angereichertes Gebührenverständnis 166

Bundesberggesetz v. 13. 8. 1980, BGBl. I 1980, S. 1310. Für die Einordnung der bergrechtlichen Förderabgabe als „öffentlich-rechtliche Verleihungsgebühr“ auch ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 9. 12. 1977, BTDrucks. 8/1315, S. 95. Ebenso Arndt, WiVerw 1990, 1, 28; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 393; F. Kirchhof, DVBl. 1987, 554, 555; zustimmend auch Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 276: „gegenleistungsabhängige Verleihungsgebühr“. 167 So etwa Heun, DVBl. 1990, 666, 673 f.; ders., in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 19; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1016; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95; gegen eine „pauschale Anerkennung“ etwa Pietzcker, DVBl. 1987, 774, 779; kritisch auch Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 21; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 172. 168 Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95. 169 Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1016; vgl. dazu auch Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 285. 170 Zu diesem Aspekt Friauf, in: FS 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 679, 683, Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 95; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 285. Ähnlich auch P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 512, der eine „Kommerzialisierung der öffentlichen Verwaltung“ befürchtet. 171 P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 511 f. 172 Die Auseinandersetzung um die Kategorie der Verleihungsgebühr lässt sich nachvollziehen anhand der in den Fn. 165 und 167 nachgewiesenen Literatur.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

305

für zutreffend, so ist es konsequent, den Begriff der Verleihungsgebühr abzulehnen. Lässt man es mit dem streng formellen Gebührenverständnis dagegen ausreichen, dass mit der Gebühr eine individuell zurechenbare staatliche Leistung korrespondiert, so spricht nichts dagegen, auch Verleihungsgebühren als eine eigene Gebührenart anzuerkennen. Für die vorliegende, auf einem streng formellen Gebührenverständnis basierende Untersuchung folgt daraus, dass gegen den Begriff der Verleihungsgebühr keine durchgreifenden Bedenken bestehen. 173 Gebühren weisen demnach nicht nur eine Verbindung zu der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Inanspruchnahme der Verwaltung auf, sie können vielmehr auch an die Übertragung eines subjektiv-öffentlichen Rechts im Wege der Verleihung anknüpfen.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung Wie soeben dargelegt, steht es dem Gebührengesetzgeber weitgehend frei, eine Abgabe rechtswirksam als Gebühr zu qualifizieren. Voraussetzung für diese Bezeichnung ist neben dem Vorliegen der sonstigen Abgabenmerkmale lediglich, dass die Gebühr als Gegenleistung für eine – weit zu verstehende – staatliche Leistung erhoben wird. 174 Bei der Erhebung einer Gebühr hat die Legislative ebenso wie die das Gesetz durch Einzelakt konkretisierende Exekutive ihr Ermessen jedoch so auszuüben, dass es nicht zu einem Verstoß gegen höherrangiges Recht kommt. 175 Die Vorgaben des Grundgesetzes können dabei die Erhebung von Gebühren sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach begrenzen. Im Gebührenrecht sind verschiedene Ansätze entwickelt worden, die einer übermäßigen Gebührenerhebung entgegenwirken sollen, um so die teilweise befürchtete Entwicklung vom Steuerstaat hin zum Gebührenstaat aufzuhalten. Im Folgenden sollen diese bestehenden Versuche einer Gebührenbegrenzung daraufhin überprüft werden, ob sie zu einer effektiven Begrenzung der Gebührenerhebung auf dem Gebiet der staatlichen Gefahrenabwehr geeignet sind.

173 Aufgrund der bestehenden Trennung zwischen Gebührenbegriff und Gebührenrechtfertigung enthält die (begriffliche) Anerkennung der Verleihungsgebühr allerdings keine Aussagen über deren Legitimation. 174 Siehe oben A. II. 4. c). 175 Vgl. zum Verstoß gegen höherrangiges Recht als einer eigenen Fallgruppe von Ermessensfehlern bzw. als einem Fall insbesondere des Ermessensfehlgebrauchs Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 334 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 23; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 69 Rn. 8.

306

4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

I. Verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff Ein erster Anhaltspunkt für die Frage, ob die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht inhaltlichen Schranken unterliegt, könnte sich aus dem verfassungsrechtlichen Begriff der Gebühr ergeben. 176 Wenn das Grundgesetz der Gebühr einen bestimmten Gehalt beimisst, so kann der einfache Gebührengesetzgeber nur solche neuen Gebührentatbestände schaffen, die sich inhaltlich mit diesen Verfassungsvorgaben vereinbaren lassen. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass in der gebührenrechtlichen Literatur und Rechtsprechung keine Einigkeit darüber hergestellt werden kann, welche Merkmale dem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff immanent sind. 177 So stehen dem streng formellen bzw. dem überwiegend formellen Verständnis der Gebühr solche Gebührenbegriffe gegenüber, die sich stärker an materiellen Aspekten orientieren. Ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Gebührenerhebung durch den Begriff der Gebühr begrenzt werden kann, hängt davon ab, welche der genannten Ansichten man für vorzugswürdig hält: Der doppelgliedrige Gebührenbegriff gestattet dem Gesetzgeber die Schaffung neuer Gebührentatbestände nur dort, wo ein zugeflossener Vorteil ausgeglichen werden soll oder eine konkrete Verantwortlichkeit des Gebührenschuldners nachgewiesen werden kann. 178 Sieht man dagegen die Höhe der Gebühr als das begriffsbildende Merkmal an, so wäre es dem Gesetzgeber versagt, über eine jeweils zu bestimmende Obergrenze hinausgehende Gebühren zu erheben. 179 Nach dem überwiegend formellen Gebührenverständnis hingegen könnten alle individuell zurechenbaren Staatsleistungen gebührenpflichtig gemacht werden, sofern die erhobenen Gebühren zur Deckung der entstandenen Kosten dienten. 180 Schließlich käme der streng formelle Gebührenbegriff nur dann als eine inhaltliche Schranke der Gebührenerhebung in Betracht, wenn überhaupt keine individuell zurechenbare Leistung des Staates ermittelt werden könnte. 181 Das Grundgesetz gebraucht den Begriff der Gebühr für solche Geldleistungen, die dem Einzelnen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs auferlegt werden und denen eine zurechenbare staatliche Leistung gegenübersteht. 182 Darüber hinausgehende inhaltliche Vorgaben lassen sich der Verfassung nach dem 176

Entsprechende Untersuchungen finden sich etwa bei Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 134 ff.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 101 ff.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 5 ff. 177 Oben A.II. 4. b). 178 Oben A. II. 4. b) bb) (1). 179 Oben A. II. 4. b) bb) (2). 180 Oben A. II. 4. b) aa) (1). 181 Oben A. II. 4. b) aa) (2).

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

307

hier vertretenen Ansatz nicht entnehmen. Nur solche Geldleistungen, die keine Verbindung zu einer staatlichen Maßnahme aufweisen, lassen sich mit dem Gebührenbegriff des Grundgesetzes nicht vereinbaren. Für den Bereich der Gefahrenabwehr bedeutet dies, dass jedenfalls der Gebührenbegriff die Erhebung von Gebühren für Polizeieinsätze, die eine Beziehung zu einer konkreten Person bzw. einer Personengruppe aufweisen, nicht begrenzen kann. Individuell zurechenbar und damit von dem streng formellen Gebührenbegriff gedeckt, sind daher, um einige prominente Beispiele zu benennen, Gebühren für die Kontrolle von Fluggästen vor dem Betreten des Passagierbereichs ebenso wie Kosten eines konkreten Polizeieinsatzes aus Anlass einer bestimmten Demonstration oder eines Fußball-Bundesligaspiels. Gepäck- und Personenkontrollen der Bundespolizei auf Flughäfen stellen ebenso wie die allgemeine Überwachungstätigkeit der Schutz- sowie Bereitschaftspolizei bei Großveranstaltungen eine Leistung dar, die – rein begrifflich – individuell zugerechnet werden kann. Die jeweiligen Maßnahmen der Gefahrenabwehr betreffen nicht die Gesamtheit der Bevölkerung, sondern können den Fluggästen, Demonstrationsteilnehmern oder den Bundesligavereinen zugeordnet werden.

II. Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Polizei- bzw. Polizeikostenrechts Wie gezeigt, kann der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff die Erhebung von Polizeigebühren nicht effektiv begrenzen. Auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts steht der Auferlegung von Gebühren durch eine bestimmte staatliche Ebene aber möglicherweise die grundgesetzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen für das Polizei- bzw. Polizeikostenrecht entgegen. 183 1. Inhalt Für die formelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ist es – neben weiteren Voraussetzungen – erforderlich, dass dem Gesetzgeber die Kompetenz zum Erlass der entsprechenden Regelung zusteht. Während die Zuständigkeit zum Erlass von Steuergesetzen aus Art. 105 GG zu entnehmen ist, stellen sich die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Gebührenrechts als Annex zu der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz dar. 184 182

Vgl. die oben aus den Vorgaben des Grundgesetzes entwickelte Definition der Gebühr, A. II. 5. 183 Ausführlich dazu jüngst Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 89 ff.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Die auf diesem Gebiet erlassenen Gesetze von Bund und Ländern unterliegen daher den kompetenzrechtlichen Vorgaben der Art. 70 ff. GG. Nimmt man die Gebühren- und Kostenregelungen für polizeiliche Maßnahmen in den Blick, so kommt es für deren Verfassungsmäßigkeit darauf an, dass der jeweiligen staatlichen Ebene die Kompetenz zum Erlass entsprechender Gebührengesetze zusteht. Um die einschlägigen Kompetenztitel zu ermitteln, ist auf den Inhalt der polizeilichen Tätigkeit abzustellen, für die eine Gebühr erhoben werden soll. Die Aufgaben der Polizeibehörden lassen sich in zwei Sachbereiche untergliedern: die präventive sowie die repressive Polizeitätigkeit. 185 Diese „Doppelfunktion der Polizei“ 186 macht verschiedene Rechtsgrundlagen für die polizeiliche Tätigkeit erforderlich: Im repressiven Bereich stützen sich die strafverfolgenden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO), 187 die dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen ist. 188 Präventive Maßnahmen der Polizeibehörden gehören hingegen zum Gefahrenabwehrrecht und werden in den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder geregelt, Art. 30, 70 GG. 189 Auch für den Bereich der Polizeigebühren und -kosten als Annex zu der Polizeitätigkeit sind die Gesetzgebungskompetenzen dem soeben dargelegten 184

Böhm, NVwZ 1990, 340, 342; dies., IUR 1991, 177, 180; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 54; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 33 ff.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 162; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197; vgl. auch Häde, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 9, 20. 185 Zu dieser Unterscheidung statt aller Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 132, 138 ff.; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 178 ff. Vgl. auch § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und zur Durchführung des Hessischen Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetzes (HSOG-DVO) v. 12. 6. 2007, GVBl. I 2007, S. 323: „Die den Polizeibehörden übertragenen Aufgaben, 1. Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (§ 1 und § 2 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung) und 2. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu erforschen (§ 1 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Verbindung mit § 163 der Strafprozessordnung und § 53 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), werden gemeinsam durch die Schutzpolizei und die Kriminalpolizei erfüllt.“ 186 Dazu BVerwGE 47, 255, 264; OVG Berlin, NJW 1971, 637; OVG Münster, NJW 1980, 855; VGH Mannheim, NVwZ 1985, 202, 203; Adamietz, KJ 1981, 292, 308; Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 138; Emmerig, DVBl. 1958, 338 ff.; Krey, Deutsches Strafverfahrensrecht, Bd. I, Rn. 189 ff.; Kühling, DVBl. 1981, 315, 316; Röper, DVBl. 1981, 780, 781. 187 Vgl. insb. § 163 Abs. 1 StPO. 188 Die Kompetenz zum Erlass von Regelungen betreffend das gerichtliche Verfahren umfasst auch den Regelungsbereich der repressiven Polizeitätigkeit, vgl. nur Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 74 Rn. 9. 189 Zu der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr etwa BVerfGE 100, 313, 369; 113, 348, 368 f.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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Grundsatz entsprechend zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Pflicht zum Kostenersatz für strafprozessuale Polizeimaßnahmen richtet sich nach den Vorgaben der StPO sowie des Gerichtskostengesetzes (GKG). 190 Gem. § 464a StPO zählen zu den Kosten des Strafverfahrens auch solche Gebühren und Auslagen, die zur Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. 191 Erfasst werden von dieser Vorschrift damit auch die Kosten für die repressive Tätigkeit der Polizeibehörden. 192 Als Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung bei präventiver Polizeitätigkeit kommt dagegen überwiegend 193 Landesrecht in Betracht. In Abhängigkeit von der konkreten Regelungssituation in den einzelnen Bundesländern kann sich eine Gebührenpflicht aus polizeispezifischem Kostenrecht 194 oder aus den allgemeinen Verwaltungskostengesetzen 195 ergeben. Die Kritiker einer verstärkten Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr halten eine eigenständige Kostenregelungen für präventives Tätigwerden der Polizeibehörden jedenfalls dann für rechtswidrig, wenn die konkrete Maßnahme nicht eindeutig der Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung zugeordnet werden kann. 196 So verfolge eine polizeiliche Maßnahme häufig sowohl strafverfolgende als auch präventivpolizeiliche Zwecke. 197 Von Polizeikräften durchgeführte Straßenkontrollen, Durchsuchungen oder Identitätsfeststellungen dienten häufig sowohl der Verfolgung von Straftaten als auch der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. 198 Während die Kostentatbestände im repressiven Bereich der Polizeitätigkeit durch § 3 Abs. 2 GKG i.V. m. Anlage 1 190

Gerichtskostengesetz v. 5. 5. 2004, BGBl. I 2004, S. 718. Für das Ordnungswidrigkeitenrecht findet § 464a StPO gem. § 105 Abs. 1 OWiG entsprechende Anwendung. Daher sind auch im Bußgeldverfahren die Ermittlungskosten der Polizei als Kosten des Verfahrens anzusehen, vgl. hierzu näher v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 279. 192 Vgl. nur Meyer-Goßner, in: ders., Strafprozessordnung, § 464a StPO Rn. 2. 193 Soweit die Bundespolizei tätig wird, um Gefahren abzuwehren, können spezielle bundesrechtliche Kostentatbestände einschlägig sein, vgl. etwa § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) v. 19. 10. 1994, BGBl. I 1994, S. 2978, i.V. m. § 1 der Verordnung zur Festsetzung des Ausgleichs für die Erfüllung bahnpolizeilicher Aufgaben des Bundesgrenzschutzes v. 6. 12. 2000, BGBl. I 2000, S. 1683. 194 So z. B. in Bayern aus der Polizeikostenverordnung v. 13. 11. 2000 (PolKV), GVBl. 2000, S. 785; im Saarland aus der Polizeikostenverordnung v. 10. 10. 2006, Amtsbl. 2006, S. 1809. 195 Vgl. etwa Lfd. Nr. 75 Tarifstelle 10 (Absperr- und Sicherungsmaßnahmen für private Zwecke) der Anlage 1 zu § 1 der achten Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Bestimmung der Verwaltungsgebühren und Auslagen (Achtes Sächsisches Kostenverzeichnis – 8. SächsKVZ) v. 17. 10. 2008, GVBl. 2008, S. 661. 196 Vgl. Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 175; Kühling, DVBl. 1981, 315, 317. 197 Kühling, DVBl. 1981, 315, 316. 198 Kühling, DVBl. 1981, 315, 316. 191

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Nr. 9015 i.V. m. Nr. 9000 –9014 sachlich stark eingegrenzt seien, 199 erklärten die Kostengesetze der Länder teilweise in sehr viel größerem Umfang Maßnahmen der Polizei für gebührenpflichtig. 200 Wenn aber eine polizeiliche Maßnahme sowohl repressive als auch präventive Zwecke verfolge, die beiden Bereiche wegen der von außen häufig nur einheitlich wahrzunehmenden Polizeitätigkeit aber nicht voneinander getrennt werden könnten, so müsse dieser Umstand auch auf der Kostenebene berücksichtigt werden. Es sei daher in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, dem von der Maßnahme Betroffenen die höheren Gebühren nach den Landesgebühren- bzw. Kostengesetzen aufzuerlegen, anstatt die Kostenvorschriften für das repressive Polizeihandeln anzuwenden, welche mit erheblich geringeren finanziellen Belastungen für den Einzelnen verbunden seien. 201 In dem Fall, in dem die Polizei repressive wie präventive Zwecke verfolge, habe der Bundesgesetzgeber die Kostenerstattungspflicht durch die auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützten Vorschriften in der StPO bzw. dem GKG geregelt und damit abschließend von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. 202 Eine landesrechtliche Kostenregelung in den genannten Fällen sei mit Art. 31 GG nicht zu vereinbaren. 203

199 Eine Kostentragungspflicht entfällt sogar ganz, wenn der Angeklagte nicht verurteilt bzw. keine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird, vgl. § 465 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 464 Abs. 1 S. 2 StPO. 200 Kühling, DVBl. 1981, 315, 316, zu § 40 GKG a. F.; vgl. auch Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 14. Unterschiede ergeben sich zudem im Hinblick auf die Höhe der zu erstattenden Kosten bei Polizeimaßnahmen. Verdeutlicht werden soll dies am Beispiel der Einsatzkosten für Dienstkraftfahrzeuge der Polizei: Während etwa § 2 Nr. 1 der Polizeikostenverordnung des Saarlandes v. 10. 10. 2006, ABl. 2006, 1809, bestimmt, dass (im präventiven Bereich) für den Transport von Personen oder Sachen mit Dienstfahrzeugen der Polizei 1,50 Euro pro zurückgelegten Kilometer erhoben werden, sind gem. Nr. 9015 i.V. m. Nr. 9006 Tarifstelle 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG für den Einsatz von Dienstfahrzeugen (im repressiven Bereich) lediglich 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlen. 201 Vgl. v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 279; Kühling, DVBl. 1981, 315, 317; Weichert, KJ 1984, 314, 326; kritisch demgegenüber Broß, DVBl. 1983, 377, 380. 202 v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 279; Weichert, KJ 1984, 314, 326; vgl. auch Adamietz, KJ 1981, 292, 308; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 923. 203 Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 175; ähnlich auch Kühling, DVBl. 1981, 315, 317; zustimmend wohl auch Seibert, DÖV 1983, 964, 966. Nicht auf Art. 31 GG, sondern auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG stellt Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 34 f., ab, um die unterschiedlichen Kostentatbestände bei präventiver bzw. repressiver Polizeitätigkeit einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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2. Bewertung Richtig an dem dargestellten Ansatz ist, dass eine polizeiliche Maßnahme sowohl präventive als auch repressive Zwecke verfolgen kann und auch im Bereich des Polizeigebührenrechts zwischen diesen beiden Funktionen unterschieden werden muss. Wenn aus diesem Umstand allerdings gefolgert wird, in den genannten Fällen müsse die bundesrechtliche Kostenregelung für repressives Polizeihandeln stets eine Sperrwirkung gegenüber den landesrechtlichen Kosten- und Gebührengesetzen entfalten, so überzeugt dies nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Polizeimaßnahme, die der Gefahrenabwehr dient und zugleich – möglicherweise nur ganz untergeordnete – repressive Zwecke verfolgt, aus der Perspektive des Kostenrechts allein dem Bereich der Strafverfolgung zuzuordnen sein soll. Richtigerweise ist die Abgrenzung zwischen präventiver und repressiver Polizeitätigkeit anhand der Kriterien vorzunehmen, die für die Frage nach dem Rechtsweg gegen Justizverwaltungsakte entwickelt worden sind. 204 Auch im Bereich des Kosten- und Gebührenrechts ist mithin darauf abzustellen, ob das polizeiliche Einschreiten dem Gesamteindruck nach im Schwerpunkt repressive oder präventive Ziele verfolgt. 205 Wichtige Anhaltspunkte können sich dabei aus dem Willen der Polizeibehörde sowie dem Zweck und der Zielrichtung ihres Einschreitens ergeben. 206 Liegt der Schwerpunkt im strafverfolgenden Bereich, so gelangen allein die Kostenregelungen der StPO sowie des GKG zur Anwendung. Stellt sich der Polizeieinsatz dagegen seinem Gesamteindruck nach als Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, so richtet sich die Kostenverantwortlichkeit nach dem jeweiligen Landesrecht. Die Vorgaben des Grundgesetzes über die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern können die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht nicht effektiv begrenzen. Sie enthalten verfassungsrechtlich verbindliche Vorgaben nur für die Frage, welcher Ebene die Kompetenz zur Regelung des Gebührenund Kostenrechts zukommt. Handelt es sich um eine präventive Maßnahme der Polizei, so sind die Länder befugt, die Gebührenpflicht gesetzlich zu regeln. Wird die Polizei primär repressiv tätig, steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz 204

Dazu BVerwGE 47, 255, 264 f.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rn. 63; zu Einzelfällen Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn. 49b. 205 Zu diesem Abgrenzungskriterium im Rahmen der Rechtswegbestimmung OVG Berlin, NJW 1971, 637; OVG Münster, NJW 1980, 855; VGH Mannheim, NVwZ 1985, 202, 204; NVwZ-RR 1989, 412, 413; Boll, Die Gebührenpflicht des Nichtstörers für polizeiliche Maßnahmen, S. 122; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 59; Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 130; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 198. 206 Vgl. OVG Berlin, NJW 1971, 637; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1989, 412, 413; Kühling, DVBl. 1981, 315, 317.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

hinsichtlich des Kostenrechts zu. Einschränkungen in Bezug auf die Frage, ob Gebühren im Gefahrenabwehrrecht überhaupt erhoben werden dürfen, lassen sich den Art. 70 ff. GG hingegen nicht entnehmen.

III. Vorbehalt des Gesetzes und Bestimmtheitsgebot Die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr muss sich als belastende staatliche Maßnahme an den Vorgaben des Vorbehalts des Gesetzes sowie des Bestimmtheitsgebots messen lassen. Ob diesen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips jedoch eine die Gebührenerhebung begrenzende Wirkung zukommt, bedarf der Untersuchung. 1. Inhalt Vereinzelt ist in der gebührenrechtlichen Literatur der Versuch unternommen worden, den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gegen die Schaffung neuer Gebührentatbestände in Stellung zu bringen. 207 Ein solcher Vorschlag erweist sich jedoch als von vornherein ungeeignet, um die Gebührengesetzgebung effektiv zu begrenzen. Richtig ist zwar, dass der Vorbehalt des Gesetzes auch im Bereich der Gebührenerhebung für Polizeieinsätze zur Anwendung gelangt, da die Auferlegung von Abgaben eine für den Bürger belastende Maßnahme darstellt. 208 Dieser allgemeine Grundsatz, der sich nach zutreffender Auffassung aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, 209 richtet sich aber gerade nicht an den Gebührenge207

So Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 63. Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 63; Waechter, Polizeigebühren und Staatszwecke, S. 11; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 882. Anders als bei der Erhebung von Steuern (zur Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung bereits oben Dritter Teil, A. II. 2. b]; vgl. auch Kloepfer, AöR 97 [1972], 232, 266: „Bildung von Steuertatbeständen als Hausgut der Legislative“) ist es im Bereich der Vorzugslasten bzw. Verwaltungskosten jedoch nicht erforderlich, dass ein förmliches Gesetz selbst den Grund der Zahlungspflicht festlegt. Es ist vielmehr möglich, dass Gebühren und Kosten durch Rechtsverordnung auferlegt werden, wenn ein förmliches Gesetz, das die für die Gebühren- bzw. Kostenerhebung wesentlichen Entscheidungen trifft, hierzu ermächtigt, vgl. auch Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 66; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 114, 116. 209 Existenz wie verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Vorbehalts des Gesetzes sind unbestritten. Da das Grundgesetz den Begriff aber nicht ausdrücklich erwähnt, bestehen unterschiedliche Auffassungen über seine konkrete Verortung; weitere Nachweise etwa bei Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 7 Rn. 27. 208

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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setzgeber, sondern an die Exekutive: Die Verwaltung bedarf einer Ermächtigung durch ein formelles Gesetz, wenn sie in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreift. 210 Der Vorbehalt des Gesetzes fordert die Legislative daher gerade zum Handeln auf, anstatt das gesetzgeberische Wirken zu begrenzen. Eine andere, auch für den Gebührengesetzgeber bedeutsame Frage ist es jedoch, ob die gesetzlichen Kosten- bzw. Gebührenregelungen zwingend in den Polizeigesetzen selbst enthalten sein müssen oder ob sich die Zahlungspflicht des Einzelnen auch aus dem allgemeinen Verwaltungskostenrecht ergeben kann. Vereinzelt wird gefordert, dass die Kostenverantwortlichkeit unmittelbar im Polizeirecht angeordnet sein oder jedenfalls das Polizeirecht in den Fällen einer Gebührenpflicht für Gefahrenabwehrmaßnahmen ausdrücklich auf die allgemeinen Kostengesetze der Länder verweisen müsse. 211 Das jeweilige Polizeigesetz entfalte als lex specialis gegenüber dem allgemeinen Kostenrecht eine Sperrwirkung. Unabhängig davon, ob in den Polizeigesetzen spezielle Kostentragungsvorschriften enthalten seien oder ob der Gesetzgeber auf eine solche Regelung verzichtet habe, könne daher nicht auf das allgemeine Kostenrecht zurückgegriffen werden, um eine Zahlungsverpflichtung des Betroffenen zu begründen. 212 Polizeigebühren seien mithin nur in den Bundesländern zulässig, die in ihren Polizeibzw. Polizeikostengesetzen eine entsprechende Regelung geschaffen hätten. Demgegenüber hält es die wohl überwiegende Meinung zu Recht für unbedenklich, wenn sich die Gebührenpflicht für polizeiliche Maßnahmen aus dem allgemeinen Verwaltungskostenrecht ergibt. 213 Die Polizei ist Teil der Verwaltung; 214 Polizeitätigkeit lässt sich als Verwaltungstätigkeit auch unter die Vorschriften der 210

Vgl. nur Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 159; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 7 Rn. 25. 211 Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 191; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 75 f., 82. Ähnlich auch Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 32; ders., DVBl. 1996, 722, 727, der aber darüber hinaus verlangt, dass die Gebühren- und Kostenregelungen in den jeweiligen Polizeigesetzen deutlich und unübersehbar verankert werden müssten. Dies sei notwendig, weil das Polizei- und Ordnungsrecht primär die Pflichten von Polizei und Störer reglementiere. Nur wenn klar hervorgehe, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Einzelne die Polizeimaßnahme selbst zu finanzieren habe, könne verhindert werden, dass der Bürger durch „versteckte“ Kostentatbestände überrascht werde. 212 Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 191; offen gelassen bei Weichert, KJ 1984, 314, 327 (unzutreffend daher der Verweis bei Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 63 mit Fn. 80, wonach auch Weichert sich gegen einen Rückgriff auf die allgemeinen Kostenbestimmungen ausspreche). 213 Knemeyer, JuS 1988, 866, 868; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 64; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 196 f.; ders. / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 883; wohl auch Schenke, NJW 1983, 1882, 1884; Waechter, in:

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Verwaltungskostengesetze subsumieren. 215 Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Kostentatbestände für Polizeimaßnahmen zwangsläufig im Polizeirecht geregelt sein müssten. 216 Bei der Schaffung neuer Gebührentatbestände hat der Gebührengesetzgeber das mit Verfassungsrang ausgestattete 217 Bestimmtheitsgebot zu beachten. 218 Der jeweils in Rede stehende Gebührentatbestand muss danach hinreichend klar und verständlich formuliert sein. 219 Der Gebührenpflichtige soll durch diese rechtsstaatliche Vorgabe erkennen können, für welche Maßnahmen eine Gebühr anfällt. 220 Steht bereits im Vorfeld der polizeilichen Tätigkeit fest, ob die entstehenden Kosten dem Beteiligten auferlegt werden, so kann dieser sein Verhalten frühzeitig überdenken. Mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr zu vereinbaren sind daher gebührenrechtliche Generalklauseln, die eine Zahlungspflicht etwa allgemein für „Maßnahmen der Gefahrenabwehr“ begründen. 221 Bei einer solch unbestimmten ForJachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 65, 67. 214 Der Gesetzgeber selbst bringt dies deutlich zum Ausdruck: In der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und zur Durchführung des Hessischen Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetzes (HSOG-DVO) ist ebenso wie im HSOG selbst in vielen Normen (§ 1 S. 1 Nr. 5, § 2 Abs. 1 –5, § 3, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 3, 4; § 8 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 2 S. 1, § 14 S. 1 HSOG-DVO; § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 – 5, Abs. 6 S. 3, § 2 S. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 HSOG und öfters) nicht nur von „Polizei“, sondern von den „Polizeibehörden“ die Rede. Das die Behörde Kennzeichnende ist jedoch gerade die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG. 215 Knemeyer, JuS 1988, 866, 867. 216 Ebenso Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 64. Für den Bürger dürfte es vielmehr überschaubarer sein, wenn der Gesetzgeber alle denkbaren Gebühren- und Kostentatbestände in einem zentralen Kostengesetz zusammenfasste. In diesem Fall wäre es ausgeschlossen, dass der Einzelne durch versteckte Kostennormen in den jeweiligen Fachgesetzen überrascht würde. 217 Das Bestimmtheitsgebot stellt eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dar und nimmt so an dessen verfassungsrechtlicher Verbindlichkeit teil, vgl. jüngst nur BVerfGE 110, 33, 53; 112, 284, 301; 113, 348, 375; 120, 274, 315; BVerwGE 105, 144, 147; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 503. 218 Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 677; Schenke, NJW 1983, 1882, 1884. 219 Gusy, DVBl. 1996, 722, 727; allg. zu den inhaltlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes auch Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 501 ff. 220 Diese Anforderung ergibt sich aus dem Grundsatz der Normenklarheit, dazu BVerfGE 108, 1, 20; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 107; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 300. 221 Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 64; a. A. Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 266.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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mulierung besteht die Gefahr, dass es zu einer willkürlichen Gebührenerhebung durch die jeweilige Behörde kommt. 222 Wegen ihrer zu unscharfen Formulierung bestehen Bedenken aber auch gegen die – gegenwärtig oder früher in Kostentatbeständen enthaltenen – Begriffe der „außergewöhnlichen Maßnahme“ 223 sowie der „privaten Veranstaltung“. 224 Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gelten indes nicht nur für das „Ob“ der Gebührenerhebung, sondern auch für die Höhe der anfallenden Kosten. Dem Gebührenpflichtigen muss es demnach möglich sein, an der konkreten Kosten- bzw. Gebührennorm das Höchstmaß seiner Belastung abschätzen zu können. 225 Sollte der Gebührentatbestand selbst konkrete Angaben zur voraussichtlichen Kostenhöhe nicht enthalten, so haben die mit dem Einsatz befassten Behörden – wenn möglich – dem potentiell Kostenpflichtigen bereits im Vorfeld ihre Einsatzplanung offenzulegen. 226 2. Bewertung Sowohl der Vorbehalt des Gesetzes als auch das Bestimmtheitsgebot müssen zwar als verfassungsrechtliche Vorgaben von staatlichen Stellen beachtet werden. Beide Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sind indes nicht dazu geeignet, die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr effektiv zu begrenzen: Der Staat hat, um Gebühren erheben zu können, zwar darauf zu achten, dass hierfür ein formelles Gesetz existiert, das selbst die kostenpflichtigen Maßnahmen bestimmt oder den Verordnungsgeber zum Erlass entsprechender Vorschriften ermächtigt. Darüber hinaus muss die Ermächtigungsgrundlage klar und verständlich festlegen, aus welchem Grund und in welcher Höhe für den Einzelnen Kosten anfallen können. Weder der Vorbehalt des Gesetzes noch das Bestimmt222 Vgl. allgemein zu den Voraussetzungen an die hinreichende Bestimmtheit von abgabenrechtlichen Regelungen BVerwGE 105, 144, 147; BVerwG, NVwZ 1985, 271; Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 101. 223 Etwa § 1 der hessischen Polizeikostenverordnung a. F. (PolKostVO Hessen a. F.) v. 13. 7. 1973, GVBl. 1973, S. 267; Kritik dazu bei Schenke, NJW 1983, 1882, 1885. 224 § 81 Abs. 2 S. 1 des baden-württembergischen Polizeigesetzes a. F. (PolG BW a. F.) v. 16. 1. 1968, GBl. 1968, S. 61; Bedenken gegenüber dieser Bestimmung äußert Schenke, NJW 1983, 1882, 1884 f.; a. A. jedoch Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 179 f. 225 Waechter, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 65, 95. 226 Vgl. Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 102; Schenke, NJW 1983, 1882, 1885. So wäre etwa daran zu denken, die Betroffenen über die voraussichtliche Anzahl der bei einer konkreten Maßnahme einzusetzenden Polizeikräfte sowie des erforderlichen Materials (Dienstfahrzeuge, Hubschrauber, Hunde, Pferde o. ä.) zu informieren.

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heitsgebot treffen aber eine Aussage darüber, ob gerade auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr Gebühren erhoben werden dürfen. Anders gewendet lässt sich sagen: Enthält ein formelles Gesetz eine hinreichend bestimmte Gebührennorm, die so formuliert ist, dass der Einzelne seine finanzielle Belastung voraussehen und abschätzen kann, dann lässt sich die Vorschrift sowohl mit dem Vorbehalt des Gesetzes als auch mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbaren. Ob die Gebühren dabei auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr erhoben werden oder einen anderen staatlichen Aufgabenbereich betreffen, ist dagegen ohne Belang.

IV. Überwiegendes öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr Die polizeiliche Gefahrenabwehr erfolgt regelmäßig im Interesse der Allgemeinheit. Das baden-württembergische Polizeigesetz etwa macht dies bereits in seiner ersten Bestimmung deutlich: „Die Polizei hat die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.“ 227 Da die Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit eine so große Bedeutung aufweist, liegt es nahe, die polizeiliche Tätigkeit als eine staatliche Aufgabenerfüllung im überwiegenden oder gar ausschließlichen öffentlichen Interesse zu bezeichnen. 228 Das Merkmal des überwiegenden oder ausschließlichen öffentlichen Interesses kann die Gebührenerhebung jedoch nur dann effektiv begrenzen, wenn der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gebührenvorschriften daran gebunden ist. 1. Inhalt Bereits das preußische Kommunalabgabengesetz (PrKAG) vom 14. 7. 1893 gestattete es den Gemeinden „unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses, dem die Veranstaltung dient“, den Gebührensatz zu ermäßigen oder von einer Gebührenerhebung ganz abzusehen. 229 Noch deutlicher, und ohne der Verwaltung ein Ermessen einzuräumen, formulierte das preußische Gesetz über staat227

S. 1.

§ 1 Abs. 1 S. 1 PolG BW i. d. F. der Bekanntmachung v. 13. 1. 1992, GBl. 1992,

228 Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 168 f.; vgl. auch Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 8, wonach die Polizei – im Unterschied zu anderen Bereichen der Verwaltung – gerade „nicht nur und nicht in erster Linie“ im privaten Interesse, sondern vielmehr im öffentlichen Interesse tätig werde. 229 § 4 Abs. 3 PrKAG, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152.

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liche Verwaltungsgebühren vom 29. 9. 1923, dass jede Amtshandlung gebührenfrei zu erbringen sei, wenn sie überwiegend im öffentlichen Interesse erfolge. 230 Auch gegenwärtig sehen einige Kosten- bzw. Gebührengesetze der Länder vor, dass öffentliche Leistungen, an deren Vornahme ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, unentgeltlich zu erbringen sind. 231 In Anknüpfung an die genannten gesetzlichen Bestimmungen hält es ein Teil der Literatur für ausgeschlossen, dass Gebühren für solche staatlichen Maßnahmen erhoben werden, die im Interesse der Allgemeinheit erfolgen. 232 Für die Gebührenfreiheit komme es allein darauf an, dass der Staat die jeweilige Leistung bewusst für die Allgemeinheit erbringe, es sich folglich um eine „allgemeine Aufgabe“ handele. 233 Ließe sich eine solche Zweckbestimmung nachweisen, könnten selbst dann keine Gebühren erhoben werden, wenn dem Einzelnen durch die Maßnahme ein Vorteil entstanden sei. 234 Die vorherrschende Auffassung hingegen hält das Merkmal des überwiegenden öffentlichen Interesses für nicht geeignet, die Gebührenerhebung wirksam zu begrenzen. 235 Aus dem Wesen der Gebühr lasse sich kein Grundsatz herleiten, 230

§ 1 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über staatliche Verwaltungsgebühren, Preußische Gesetzsammlung 1923, S. 455. Eine entsprechende Vorgabe enthält die aufgrund des Gesetzes über staatliche Verwaltungsgebühren ergangene preußische Verwaltungsgebührenordnung v. 30. 12. 1926, Preußische Gesetzsammlung 1926, S. 327, in § 2 Nr. 1: „Gebührenfrei sind Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgen.“ 231 So etwa in Berlin: § 2 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge v. 22. 5. 1957, GVBl. 1957, S. 516; speziell in Bezug auf Amtshandlungen der Polizei, die im überwiegenden öffentlichen Interesse vorgenommen werden, Art. 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 lit. a) des Kostengesetzes für Bayern (KG Bayern) v. 20. 2. 1998, GVBl. 1998, S. 43; § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 15 lit. a) des Thüringer Verwaltungskostengesetzes (ThürVwKostG) v. 23. 9. 2005, GVBl. 2005, S. 325. Vgl. ferner die weiteren Hinweise auf – zum Teil aber nicht mehr gültige – Normen der Landesgebühren- bzw. Landeskostengesetze bei Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 168 mit Fn. 16; sowie Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 196 mit Fn. 51. 232 Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 168 f., Gaßner, DÖV 1983, 412, 415; ähnlich auch Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 272; sowie Leisner, in: GS Peters, S. 730, 731, für ausschließlich im öffentlichen Interesse liegende Leistungen. Aus der Rspr. ebenso OVG Münster, OVGE 7, 65, 72. 233 Gaßner, DÖV 1983, 412, 415, 417. 234 Gaßner, DÖV 1983, 412, 415; kritisch dazu Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 51 ff. 235 BVerfG, DVBl. 1998, 1220, 1221; BVerwGE 13, 214, 219; 95, 188, 201; Boll, Die Gebührenpflicht des Nichtstörers für polizeiliche Maßnahmen, S. 129 f.; Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 143 f.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 65; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 51 ff.;

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der die Auferlegung eines Entgelts nur bei Amtshandlungen im überwiegenden Privatinteresse zulasse. 236 Könne eine staatliche Maßnahme individuell zugerechnet werden, so stehe auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an dieser Maßnahme der Gebührenerhebung nicht entgegen. 237 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einigen Entscheidungen für eine vermittelnde Lösung ausgesprochen: Das öffentliche Interesse an der staatlichen Maßnahme stehe einer Erhebung von Vorzugslasten zwar nicht entgegen, es müsse bei der Auferlegung von Geldleistungspflichten jedoch gebührenbzw. beitragsmindernd berücksichtigt werden. 238 2. Bewertung Der Auffassung, nach welcher für im überwiegenden öffentlichen Interesse durchgeführte Maßnahmen keine Gebühren erhoben werden dürfen, liegt das Bestreben zugrunde, einer verstärkten Entgeltfinanzierung (auch) der Polizeitätigkeit entgegenzuwirken. Auch wenn diesem Bestreben im Ergebnis beizupflichten ist, kann das zur Begrenzung vorgeschlagene Kriterium des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht überzeugen. Allein die Tatsache, dass der Staat eine Maßnahme (auch) im öffentlichen Interesse durchführt, lässt noch keine Aussage über die dafür in Betracht kommenden Finanzierungsmittel zu. Jede Staatstätigkeit hat sich am Gemeinwohl zu orientieren und erfolgt damit – jedenfalls auch – im öffentlichen Interesse. 239 Wäre schon die bloße Gemeinwohlbetroffenheit einer Handlung für deren Gebüh-

Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 8; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 76 f.; vgl. auch Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 196, wonach eine polizeiliche Aufgabe, die im Interesse bzw. auf Veranlassung eines Bürgers wahrgenommen werde, nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liege und damit eine Gebührenfreiheit nicht in Betracht komme. 236 BVerwGE 13, 214, 219; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 8. 237 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 143 f.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 65. 238 In Bezug auf Gebühren: BVerwGE 69, 242, 246; 81, 371, 374; zu Beiträgen: BVerwGE 112, 194, 206. Die Pflicht, Gebühren bzw. Beiträge um den im Allgemeininteresse liegenden Kostenanteil zu mindern, ergebe sich dabei aus Art. 3 Abs. 1 GG. Gegen den Gleichheitssatz werde etwa dann verstoßen, wenn die Reinigungskosten für eine nicht nur dem Anliegerverkehr dienende Straße allein von den jeweiligen Anliegern zu tragen seien, BVerwGE 69, 242, 245 f. 239 Vgl. dazu bereits oben Zweiter Teil, A. I. 4. a); A. II. 2. b) bb); Dritter Teil, A. II. 2. a).

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renfeindlichkeit ausreichend, so entfiele a priori jeglicher Anwendungsbereich für den Abgabentyp der Gebühr. Wenn aber das lediglich auch betroffene öffentliche Interesse die Gebührenerhebung nicht begrenzen kann, sondern nur das überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommene Staatshandeln gebührenfeindlich sein soll, so müsste das überwiegende Allgemeininteresse terminologisch klar bestimmbar sein. Eine verbindliche und zugleich eindeutige Aussage darüber, wann das eine (öffentliche) Interesse ein anderes (privates) Interesse überwiegt, wird sich jedoch nicht immer treffen lassen. 240 Zum einen kann eine Maßnahme viele Individuen zugleich tangieren, so dass bereits die große Anzahl der betroffenen Interessen eine Gewichtung erschwert. Denn je mehr private Belange der Gesetzgeber in die gebührenrechtliche Bewertung mit einstellen muss, desto schwieriger wird es, in einer abstrakt-generellen Norm eine Vorhersage über die jeweilige Interessenlage zu treffen. Zum anderen wohnen jedem Einzelinteresse auch subjektive Kriterien inne, die einer an einheitlichen Maßstäben orientierten Bewertung entgegenstehen. 241 Unabhängig von diesen terminologischen Schwierigkeiten fehlt dem Kriterium der Gebührenfreiheit bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse vor allem aber auch die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit. 242 So schließt weder der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff 243 aus, dass eine Gebühr für Maßnahmen im überwiegenden öffentlichen Interesse erhoben werden darf, noch sind 240 Vgl. auch Waechter, Polizeigebühren und Staatszwecke, S. 150 f.; Wenger, BaWüVBl. 1971, 65, 66. Eine pauschale Privilegierung des öffentlichen Interesses, wie dies im Rahmen der Abgrenzung von privater und öffentlicher Aufgabe vorgeschlagen wurde, vgl. oben Zweiter Teil, A. I. 4. a), bietet sich für den vorliegenden Fall nicht an: Dort soll dem Staat ermöglicht werden, unter Berufung auf das (überwiegende) öffentliche Interesse auch solche Aufgaben wahrzunehmen, die etwa aus fehlendem Antrieb oder zu geringer finanzieller Ausstattung von Teilen der Gesellschaft nicht erfüllt werden (können). Hier geht es dagegen um eine möglichst gerechte Verteilung der Finanzierungsverantwortung für bestimmte Aufgaben. Besteht etwa auch ein erhebliches Privatinteresse an der Amtshandlung, so wäre es unangemessen, pauschal von einem überwiegenden öffentlichen Interesse auszugehen und so eine Gebührenerhebung auszuschließen. 241 So kann für die Gewichtung des konkret in Rede stehenden Interesses etwa von Bedeutung sein, ob sich der Betroffene selbst um die Erbringung der staatlichen Leistung bemüht hat, ob er die Maßnahme und ihre Durchführung für angemessen hält und welche persönlichen Vor- bzw. Nachteile er damit verbindet. Dass eine einheitliche Gewichtung einzelner Interessen nicht möglich ist, zeigen etwa die unterschiedlichen Bewertungen des Individualinteresses bei der polizeilichen Begleitung von Schwertransporten bei Albrecht, in: FS Samper, S. 165, 169 (kein wesentliches Interesse des Transporteurs an der Begleitung) einerseits sowie bei Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 52 f., und Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 196 (kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Begleitung) andererseits. 242 Ebenso Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 144.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

andere Vorschriften des Grundgesetzes ersichtlich, aus denen sich eine solche Direktive ergeben könnte. Der einfache Gesetzgeber kann somit zwar eine sachliche Gebührenfreiheit bei überwiegendem öffentlichem Interesse vorsehen, 244 eine verfassungsrechtliche Verpflichtung hierzu besteht indes nicht.

V. Grundrechte der Betroffenen Die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr wäre verfassungswidrig, wenn hierdurch in nicht zu rechtfertigender Weise in Grundrechte des Zahlungspflichtigen eingegriffen würde. In Abhängigkeit davon, welche Grundrechtsausübung mit der kostenpflichtigen Polizeimaßnahme in Verbindung steht, kommen als verfassungsrechtliche Grenzen der Abgabenerhebung insbesondere die Grundrechte der Religionsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Berufsfreiheit sowie der Eigentumsfreiheit in Betracht. 245 Subsidiär könnte die jeweilige Gebühren- bzw. Kostenerhebung die allgemeine Handlungsfreiheit des Zahlungspflichtigen beeinträchtigen. Eine effektive Begrenzungswirkung kann den Grundrechten jedoch nur dann zukommen, wenn sie einer Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht nicht nur in Einzelfällen, sondern generell entgegenstehen. 1. Inhalt Bei der Auseinandersetzung mit den grundrechtlichen Grenzen der Gebührenerhebung wird regelmäßig danach differenziert, ob das Verhalten des Gebührenpflichtigen von einer kommerziellen oder ideellen Motivation getragen ist. 246 Im ersten Fall könnten Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG einer Gebührenerhebung entgegenstehen; der zweite Fall betrifft dagegen vornehmlich die Gewährleistungen der Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 8 Abs. 1 GG. Art. 2 Abs. 1 GG kann schließlich bei wirtschaftlichem wie nicht-wirtschaftlichem Verhalten des Zahlungspflichtigen nachrangig zur Anwendung gelangen.

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Dazu oben A. II. 5. Wie soeben gezeigt, haben einige Bundesländer von dieser Möglichkeit in ihren Landeskosten- bzw. Landesgebührengesetzen auch Gebrauch gemacht, vgl. dazu die Nachweise in Fn. 231. 245 Überblick bei Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197; ausführlich Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 111 ff. 246 Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197. 244

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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a) Kommerzielle Motivation des Gebührenpflichtigen Sollen die Organisatoren von oder die Teilnehmer an rein kommerziellen Veranstaltungen für die entstandenen Polizeikosten aufkommen, so können sie sich regelmäßig weder auf ihre Religions- oder Meinungsfreiheit noch auf die Versammlungsfreiheit berufen. 247 Ausschließlich oder jedenfalls überwiegend auf Spaß, Tanz und Unterhaltung angelegte Veranstaltungen stellen nach zutreffender Ansicht 248 weder eine Form der Meinungskundgabe dar noch handelt es sich um Versammlungen i. S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, da die Besucher zwar mit dem „Konsum“ der Veranstaltung einen gleichen, nicht aber einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Bei Fußball-Bundesligaspielen oder kostenpflichtigen Popkonzerten steht vielmehr das Interesse der betreffenden Unternehmen, Vereine oder Verbände an einer wirtschaftlichen Betätigung im Mittelpunkt der Veranstaltung. Eine Vorschrift, welche die Kosten für Absperrmaßnahmen, Überwachung des Veranstaltungsgeländes, Aufklärung, Erkundung sowie Vor- und Nacheinsätze auf den An- und Abfahrtswegen 249 auf die Veranstalter abwälzt, könnte daher möglicherweise gegen Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG, subsidiär auch gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen. aa) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG Die Berufsfreiheit der Veranstalter käme als eine Grenze der Gebührenerhebung jedoch nur dann in Betracht, wenn die auferlegten Zahlungspflichten einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Art. 12 GG darstellten. Ein Teil des Schrifttums 250 hält es regelmäßig für ausgeschlossen, dass die Berufsfreiheit durch die Erhebung von Polizeigebühren verletzt werde. 251 Die 247

Sollte der Charakter der Veranstaltung im Einzelfall gleichwohl einen Berührungspunkt zu Art. 4, 5 oder 8 GG aufweisen, zu denken wäre etwa an von Religionsgemeinschaften organisierte Konzerte u. ä., so gelten die Ausführungen zu der ideellen Motivation der Gebührenpflichtigen, dazu sogleich. 248 Blanke, in: Stern / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Art. 8 Rn. 23; großzügiger dagegen Depenheuer, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 47. 249 Zu diesen und weiteren Beispielen polizeilicher Tätigkeit bei Großveranstaltungen Broß, VerwArch. 74 (1983), 388, 394; vgl. ferner auch VGH Mannheim, DVBl. 1981, 778; Nolte, NVwZ 2001, 147 ff. 250 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 117 ff.; Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 82 f.; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 185; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 88 f.; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197. 251 Es überzeugt in dogmatischer Hinsicht allerdings nicht, wenn ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG deswegen ausscheiden soll, weil andere, spezifisch gebührenrechtliche Kriterien zu einer effektiven Begrenzung der Gebührenerhebung ausreichend seien; so aber

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Überwälzung der Kosten für Maßnahmen der Gefahrenabwehr stelle jedenfalls keinen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Selbst wenn der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet sei, müsse es sich bei der Gebührenerhebung um eine Maßnahme mit berufsregelnder Tendenz handeln, um die Eingriffsschwelle zu überschreiten. 252 Davon könne aber nur dann ausgegangen werden, wenn der Gebührengesetzgeber entweder durch die Schaffung neuer Gebührentatbestände zielgerichtet auf die Berufsausübung oder -wahl einwirken wolle oder wegen der Höhe der Abgabenbelastung die Ergreifung oder weitere Ausübung des Berufs unmöglich gemacht werde. 253 Polizeikosten würden im Bereich der Gefahrenabwehr aber weder erhoben, um die jeweilige Veranstaltung zu reglementieren, noch entfalte der konkret zu zahlende Betrag in aller Regel eine für den Betroffenen „erdrosselnde“ Wirkung. Eine andere Sichtweise 254 hält es dagegen durchaus für möglich, dass die Auferlegung von Polizeikosten in die Berufsfreiheit der Veranstalter eingreift. Ob im Einzelfall Art. 12 Abs. 1 GG durch die Erhebung von Gebühren verletzt werde, hänge davon ab, ob die finanzielle Belastung so hoch sei, dass sie erheblich auf die Ergreifung oder Ausübung eines Berufs zurückwirke. 255 Die Verfassungsmäßigkeit eines Gebührentatbestands müsse im Rahmen einer Gesamtschau beurteilt werden, bei der – neben den genannten Aspekten – etwa auch zu berücksichtigen sei, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung der Gebührenerhebung entgegenstehe. 256 bb) Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG Die Eigentumsfreiheit ist nach ganz überwiegender Ansicht nicht dazu geeignet, die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr zu begrenzen. 257 Die Gebühr als öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht betreffe lediglich das Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 124. In den Schutzbereich der Berufsfreiheit wird eingegriffen, wenn eine staatliche Maßnahme mit berufsregelnder Tendenz in Rede steht. Es kann für die Entscheidung über Schutzbereichsbetroffenheit und -eingriff dagegen nicht auf die Frage ankommen, ob andere, möglicherweise besser oder jedenfalls hinreichend geeignete Maßnahmen zur Begrenzung staatlicher Gebührenerhebung bereitstehen. 252 Zu diesem Erfordernis eines Eingriffs in Art. 12 GG allg. BVerfGE 37, 1, 17 f.; 98, 83, 97; 111, 191, 213. 253 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 118; vgl. auch BVerfGE 37, 1, 18; 111, 191, 213. 254 Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Schmidt, ZRP 2007, 120, 121; Wahlen, Polizeikostenerstattung kommerzieller Großveranstalter, S. 86 f. 255 Vgl. Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; zu dem Verhältnis von Berufsfreiheit und Abgabenbelastung auch BVerfGE 13, 181, 186 f.; 34, 62, 70; 55, 7, 25 ff.; 75, 108, 153 f.; 81, 108, 121 f.; 111, 191, 213 f. 256 Schenke, NJW 1983, 1882, 1887.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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Vermögen des Zahlungspflichtigen. Das Bundesverfassungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung 258 jedoch klargestellt, dass das Vermögen als solches keine konkrete Eigentumsposition, sondern vielmehr den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstelle und deswegen grundsätzlich 259 nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfalle. 260 Die Erhebung von Steuern und anderen Abgaben stelle daher allenfalls einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Zahlungspflichtigen, Art. 2 Abs. 1 GG, dar. Vereinzelt wird dagegen vertreten, die Auferlegung von Gebühren könne den privaten Veranstalter in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewer257 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 122 f.; Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 185; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 87; vgl. auch Lege, VerwArch. 89 (1998), 71, 82 f.; offen gelassen bei Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 26; vgl. auch Wahlen, Polizeikostenerstattung kommerzieller Großveranstalter, S. 82 ff. 258 Zu der Auferlegung von Geldleistungspflichten, vor der die Eigentumsfreiheit grundsätzlich keinen Schutz bietet, BVerfGE 4, 7, 17; 8, 274, 330; 10, 89, 116; 10, 354, 371; 11, 105, 126; 14, 221, 241; 19, 119, 128 f.; 23, 288, 314 f.; 26, 327, 338; 27, 111, 131; 29, 402, 413; 30, 250, 271 f.; 63, 312, 327; 67, 70, 88; 70, 219, 230; 75, 108, 154; 81, 108, 122; 91, 207, 220; 96, 375, 397; 108, 186, 233. 259 Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn der Geldleistungspflicht eine erdrosselnde, konfiskatorische Wirkung zukommt, vgl. BVerfGE 23, 288, 314 f.; 30, 250, 272; 38, 61, 102; 63, 312, 327; 67, 70, 88; 70, 219, 230; 81, 108, 122; 108, 186, 233; ähnlich BVerfGE 14, 221, 241; 19, 119, 129; 29, 402, 413; kritisch dazu allerdings Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 122. 260 Im Ergebnis zustimmend Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 120 ff. Zwar hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahre 2006 (BVerfGE 115, 97 ff.; tendenziell, wenngleich deutlich zurückhaltender bereits BVerfGE 93, 121, 137; 97, 350, 370 ff.) in Abkehr von der früheren Rechtsprechung des Gerichts entschieden, dass auch die Auferlegung von Einkommen- und Gewerbesteuern einen Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit darstellen könne (BVerfG, a. a. O.: „Ist es der Sinn der Eigentumsgarantie, das private Innehaben und Nutzen vermögenswerter Rechtspositionen zu schützen, greift auch ein Steuergesetz als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung [Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG] in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ein, wenn der Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen anknüpft und so den privaten Nutzen der erworbenen Rechtspositionen zugunsten der Allgemeinheit einschränkt.“). Diese Überlegung lässt sich jedoch auf den für die vorliegende Untersuchung relevanten Fall der Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht nicht übertragen: Während der Zweite Senat die Betroffenheit von Art. 14 Abs. 1 GG gerade damit begründete, dass Einkommen- und Gewerbesteuer an den Erwerb vermögenswerter Rechtspositionen (bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter bei Gewerbetreibenden, zivilrechtliche Lohnansprüche bei Arbeitnehmern) anknüpfen, so trifft dies für die Überwälzung der entstandenen Polizeikosten nicht zu. Ihr Erhebungsgrund ist nicht der (möglicherweise durch die Veranstaltung geförderte) Erwerb von Rechtspositionen, sondern die individuelle Zurechnung des konkreten Polizeieinsatzes.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

bebetrieb als einer Ausprägung von Art. 14 Abs. 1 GG verletzen. 261 Hiervon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn die konkrete Veranstaltung wegen der Gebührenhöhe nicht mehr gewinnbringend durchgeführt werden könne oder der Veranstalter wegen der finanziellen Belastung auf die Substanz seines Gewerbebetriebes zurückgreifen müsse. 262 cc) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Anders als bei Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass der Zahlungspflichtige durch die Gebührenerhebung jedenfalls in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen wird. 263 Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG wäre demnach verfassungsrechtlich nur dann zu rechtfertigen, wenn das Gebührengesetz den Anforderungen der „Schrankentrias“ des Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG entspräche. b) Ideelle Motivation des Gebührenpflichtigen Steht der Einsatz von Polizeikräften nicht im Zusammenhang mit einem von gewerblichen bzw. kommerziellen Interessen getragenen Verhalten, so kann sich der von der Zahlungspflicht Betroffene nicht auf seine wirtschaftlichen Grundrechte berufen. Einer Überwälzung von Polizeikosten, die durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr bei ideellen Veranstaltungen anfallen, könnten jedoch die Grundrechte der Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 GG sowie insbesondere Art. 8 Abs. 1 GG entgegenstehen.

261 Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; tendenziell wohl auch Boll, Die Gebührenpflicht des Nichtstörers für polizeiliche Maßnahmen, S. 163 f.; Wahlen, Polizeikostenerstattung kommerzieller Großveranstalter, S. 84 f.; für einen – verfassungsrechtlich aber regelmäßig gerechtfertigten – Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schmidt, ZRP 2007, 120, 121. Allg. zum Streit um die Anerkennung eines solchen Rechts im Rahmen von Art. 14 GG Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 132 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 95 ff.; Michael / Morlok, Grundrechte, Rn. 383; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 42 Rn. 10; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 50 ff.; offen gelassen von BVerfGE 66, 116, 145; 68, 193, 222 f.; 96, 375, 397; 105, 252, 278. 262 Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; vgl. zu diesem Aspekt auch Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 87 f. 263 Vgl. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 172; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 65; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Würtenberger / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 929; a. A. für den Fall, dass dem Gebührenpflichtigen ein materieller Vorteil zugewendet wird, Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 117.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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aa) Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG Im Gegensatz zu Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG, die nach überwiegender Auffassung zur effektiven Begrenzung von Polizeigebühren ungeeignet sind, soll Art. 8 Abs. 1 GG nach Meinung eines bedeutenden Teils der Literatur der Gebührenerhebung für Polizeimaßnahmen prinzipiell entgegenstehen. 264 Zu beachten sei dabei jedoch, dass Art. 8 Abs. 1 GG nicht für jede Veranstaltung Kostenfreiheit garantiere. Auf ihre Versammlungsfreiheit könnten sich Organisatoren und Teilnehmer nur solcher Veranstaltungen berufen, die die (gemeinschaftliche) Kundgabe und den Austausch von Meinungen bezweckten oder sonstige ideelle Ziele verfolgten. 265 Für Polizeieinsätze etwa bei kulturellen oder politischen Versammlungen oder Demonstrationen dürften daher keine Gebühren erhoben werden. 266 Rein kommerzielle Veranstaltungen wie etwa kostenpflichtige Musik- oder Sport-„Events“ unterfielen dagegen nicht dem Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG. 267 Die Differenzierung zwischen einer kommerziellen bzw. ideellen Motivation des Gebührenschuldners und die damit einhergehende Privilegierung von ideellen Veranstaltungen wird mit der besonders hohen Wertigkeit von Art. 8 Abs. 1 GG für die demokratische Grundordnung begründet. 268 Die Versammlungsfreiheit schütze die Teilnahme am sozialen und politischen Geschehen und erlaube dem Einzelnen damit die Partizipation am gesellschaftlichen Leben. Der Bürger könne mit Hilfe von Art. 8 Abs. 1 GG sein Anliegen einer breiten Öffentlichkeit vorstellen, ohne dass dies für ihn mit hohem technischen oder finanziellen Auf264

Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 112; v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 276 f.; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197; ders. / Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn. 927; vgl. auch Weichert, KJ 1984, 314, 317 ff. 265 Vgl. auch Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 90. 266 Röper, DVBl. 1981, 780, 781; Weichert, KJ 1984, 314, 319. 267 Vgl. Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 114; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, S. 89 f. Auch solche Veranstaltungen, die zwar nicht auf die Erwirtschaftung eines Gewinns ausgerichtet sind, eine ideell-meinungsbildende Zielsetzung bzw. ein kommunikatives Gesamtgepräge aber nicht erkennen lassen, lassen sich ebenfalls nicht als Versammlung i. S.v. Art. 8 Abs. 1 GG qualifizieren, vgl. BVerfG, NJW 2001, 2459, 2460 f. („Love-Parade“); dazu: Epping, Grundrechte, Rn. 33; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 3. 268 Vgl. Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 112. Zu der hohen Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG für das Funktionieren des demokratischen Prozesses etwa BVerfGE 69, 315, 343 f.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

wand verbunden sei. 269 Müssten die Grundrechtsträger jedoch befürchten, mit den Kosten für Polizeieinsätze belastet zu werden, so verzichteten sie möglicherweise auf die Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit. Polizeigebühren würden so zu einer finanziellen Barriere, die den Grundrechtsgebrauch erschwere oder gar unmöglich mache. 270 Eine besonders abschreckende und einschüchternde Wirkung entfalteten Kostenvorschriften dann, wenn das Risiko einer finanziellen Belastung für die Betroffenen unkalkulierbar würde. 271 Die hohe Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG für das gesellschaftliche Leben mache es daher erforderlich, die von ideellem Engagement getragenen Veranstaltungen grundsätzlich nicht mit Polizeigebühren zu belegen. Eine Kostenüberwälzung sei ausnahmsweise nur für solche Polizeimaßnahmen denkbar, die durch verbotene oder aufgelöste Versammlungen ausgelöst würden. 272 bb) Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG. Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG Neben der Versammlungsfreiheit werden von Teilen der Literatur weitere Grundrechte ins Feld geführt, um die Erhebung von Polizeigebühren zu begrenzen. 273 In Abhängigkeit davon, welche Ziele mit einer Veranstaltung verfolgt würden, könne die Religions- oder Meinungsfreiheit der Teilnehmer und Organisatoren durch die Heranziehung zu den entstandenen Kosten betroffen sein. 274 So sei es denkbar, dass bei religiösen Veranstaltungen oder umstrittenen Infor269 So, auch in Bezug auf Art. 5 Abs. 1 GG, Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 28; ders., DVBl. 1996, 722, 726. 270 v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 276; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 197; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 159; vgl. auch Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 27; dens., DVBl. 1996, 722, 726, der von der „grundrechtsstrangulierenden Wirkung“ der Polizeikosten spricht. 271 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 113; v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 275. 272 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 114 f.; einschränkend aber v. Brünneck, NVwZ 1984, 271, 276, der eine Polizeikostenerhebung nur dann für gerechtfertigt hält, wenn der einzelne Demonstrant den konkreten Polizeieinsatz durch sein rechtswidriges Verhalten unmittelbar ausgelöst habe. 273 Gegen eine Reduzierung der Grundrechtsproblematik auf Art. 8 Abs. 1 GG wendet sich dezidiert Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 27. 274 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 116 f.; Schenke, NJW 1983, 1882, 1887; nur zu Art. 5 GG Weichert, KJ 1984, 314, 317 ff. In dem jeweils konkret in Rede stehenden Fall können noch weitere Grundrechte der Beteiligten in Betracht kommen: bei künstlerisch inspirierten Aufzügen etwa Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG (klassisch: BVerfGE 67, 213, 224 ff.); bei einem wissenschaftlichen Bezug der Veranstaltung Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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mationsständen auf belebten Plätzen die Polizei zum Schutz der Beteiligten eingreifen müsse. 275 Ebenso wie bei Art. 8 Abs. 1 GG habe der Staat auch bei Art. 4 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG dafür Sorge zu tragen, dass der Einzelne von seiner Religions- bzw. Meinungsfreiheit Gebrauch machen könne. 276 Bei der Ausgestaltung von Gebührengesetzen sei folglich darauf zu achten, dass die Ausübung der Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG nicht durch unerträglich hohe Polizeikosten unmöglich gemacht werde. cc) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Können sich die Organisatoren und Teilnehmer ideell motivierter Veranstaltungen nicht auf spezielle Freiheitsrechte berufen, so kommt ebenso wie bei der wirtschaftlichen Betätigung kommerzieller Veranstalter Art. 2 Abs. 1 GG als ein die Gebührenerhebung begrenzendes Freiheitsrecht in Betracht. Die Auferlegung einer Geldleistungspflicht müsste auch in diesem Fall den Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG entsprechen. 2. Bewertung Die Versuche, den Grundrechten eine effektive Begrenzungswirkung für die Polizeigebührenerhebung beizumessen, können nicht überzeugen. So begegnet bereits die in der Literatur regelmäßig vorgenommene Differenzierung zwischen ideellem und kommerziellem Verhalten der Gebührenpflichtigen dogmatischen Bedenken: Bei kommerziellen Veranstaltungen soll nach überwiegender Auffassung weder der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG noch der des Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet sein; bei ideellen Veranstaltungen werden gegen eine Gebührenerhebung dagegen regelmäßig Art. 8 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 GG sowie – bei einem religiösen Bezug – Art. 4 Abs. 1 GG angeführt. Getragen sind diese Überlegungen – eine kostenrechtliche Privilegierung religiöser, kultureller, wissenschaftlicher, kurz: gemeinnütziger Veranstaltungen sowie eine damit einhergehende Diskriminierung von gewinnorientierten Veranstaltungen – von dem rechtspolitischen Anliegen, ideelles Engagement nicht mit Polizeikosten zu belasten. 275 Allg. zu dem Verhältnis von Art. 4 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG bei religiös ausgerichteten Versammlungen Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 6a; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4 Rn. 141; zu der Konkurrenz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG bei Versammlungen, die sich zugleich als eine Meinungsäußerung darstellen, BVerfGE 90, 241, 246; 111, 147, 154 f. 276 Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 116 f. So habe die Polizei bei der Gebührenerhebung etwa auch zu berücksichtigen, dass mit ideellen Veranstaltungen regelmäßig kein Gewinn erwirtschaftet werde und mangels der Erhebung von Eintrittsgeldern eine finanzielle Belastung durch Polizeigebühren auch nicht weitergegeben werden könne.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Zugleich soll aber auch verhindert werden, dass sich der kommerzielle Veranstalter auf Kosten der Allgemeinheit bereichert. 277 Für die Frage, ob der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen ist, spielen diese Erwägungen indes keine Rolle. Es kommt für die Schutzbereichseröffnung etwa bei Art. 12 Abs. 1 GG allein darauf an, ob die Organisation und Durchführung kommerzieller Veranstaltungen als Beruf zu qualifizieren ist. Eine Auffassung, die zwischen wertvoller (ideeller) und wertneutraler (kommerzieller) Grundrechtsausübung unterscheidet und nur die „wertvollen“ Grundrechte für gebührenfeindlich erklärt, ist mit der rechtsstaatlichen Vorstellung von einer freien Grundrechtsausübung nicht zu vereinbaren. 278 Aber selbst dann, wenn man sowohl kommerzielles als auch ideelles Verhalten für grundrechtsrelevant erachtete, wenn sich folglich auch die von wirtschaftlichen Erwägungen geleiteten Veranstalter auf Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG berufen könnten, ließe sich die Gebührenerhebung durch die genannten Freiheitsrechte nicht wirksam begrenzen: Greift der Staat durch Gebühren in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, so führt dies nicht zwangsläufig zu der Verfassungswidrigkeit dieser staatlichen Maßnahme. Grundrechte stehen einer Gebührenerhebung vielmehr dann nicht entgegen, wenn es sich hierbei um einen verfassungsrechtlich zu rechtfertigenden Eingriff in den jeweils betroffenen Schutzbereich handelt. Den zentralen Maßstab für die Frage, ob ein Eingriff verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. 279 Jede Gebührenerhebung muss daher den Anforderungen genügen, die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – in seiner gebührenrechtlichen Ausprägung des Äquivalenzgedankens – aufstellt. Es handelt sich bei diesen Anforderungen, dies sei den sich anschließenden Ausführungen bereits vorweggenommen, 280 aber nicht um Vorgaben, die der Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht dem Grunde nach eindeutige Grenzen setzen könnten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft allein die Frage, ob die konkrete Höhe der Gebühr zu rechtfertigen ist und verbietet in diesem Zusammenhang ein grobes Missver277

Siehe etwa Röper, DVBl. 1981, 780, 782, wonach es nicht Sache der Polizei sei, zur „Mehrung des Vermögens einzelner beizutragen“. Plakativ die Aussage des hessischen Innenministers Ekkehard Gries (FDP), vgl. Frankfurter Rundschau Nr. 276 v. 27. 11. 1980, S. 17: „Der Staat zahlt die Sicherheit, die Veranstalter haben den Profit – damit muß Schluß gemacht werden.“ 278 Vgl. auch Majer, VerwArch. 73 (1982), 167, 186. Aus jüngerer Zeit prononciert gegen die Tendenz zur „wertenden“ Verengung des Schutzbereichs von Grundrechten Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 187 ff.; ders., AöR 131 (2006), 579, 607 ff. 279 Die enge Verbindung zwischen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Grundrechten betonend BVerfGE 19, 342, 348 f.; 65, 1, 44; Epping, Grundrechte, Rn. 48; Stern, in: ders. / Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Einl. Rn. 135. 280 Zu dem Äquivalenzprinzip sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sogleich im Folgenden.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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hältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Eine über die konkret in Rede stehende Gebühr hinausgehende Aussage, wonach die Überwälzung von Polizeikosten generell einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Grundrechte darstellte, enthält er hingegen nicht. Von einer „generellen Gebührenresistenz grundrechtlicher Betätigung“ lässt sich daher nicht sprechen. 281

VI. Äquivalenzprinzip Eine weitere Grenze für die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht könnte sich aus dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip ergeben. 1. Inhalt Das Äquivalenzprinzip bringt zum Ausdruck, dass die vom Bürger zu entrichtende Gebühr nicht in einem „gröblichen Missverhältnis“ 282 zu der konkreten Leistung des Staates stehen darf. Positiv formuliert wird dem Äquivalenzgedanken somit nur dann Rechnung getragen, wenn ein angemessenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. 283 Will der Staat Gebühren erheben, so hat er folglich dafür Sorge zu tragen, dass sie dem Wert der individuell zurechenbaren staatlichen Leistung entsprechen. Während über die inhaltliche Ausgestaltung des Äquivalenzgedankens weitgehend Einigkeit herrscht, 284 wird die Frage nach dessen Herleitung sowie, damit zusammenhängend, nach der rechtlichen Verbindlichkeit uneinheitlich beurteilt. 281

Zutreffend Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 160. Wendung: BVerwGE 109, 272, 274; BVerwG, NVwZ 1995, 790, 791; OVG Hamburg, NJW 2001, 168, 171; OVG Münster, NVwZ 2001, 1432, 1433; NVwZ-RR 2002, 530; NVwZ-RR 2006, 302, 303. 283 Vgl. BVerwGE 12, 162, 166; 26, 305, 308 f.; VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 109, 110; Henneke, Jura 1990, 113, 115; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 512; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 101; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 291; strenger offenbar noch OVG Münster, DVBl. 1969, 852, das – allerdings in Bezug auf den Gebührenbegriff des § 4 Abs. 1 KAG Nordrhein-Westfalen – davon ausgeht, der Äquivalenzgedanke fordere ein Gleichgewicht zwischen dem Nutzen bzw. Wert der öffentlichen Leistung und der Gebührenhöhe. 284 Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob – negativ formuliert – kein „gröbliches Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen darf, oder – positiv gewendet – Geben und Nehmen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen, bedarf es nicht, da beide Varianten keine inhaltlichen Unterschiede aufweisen, vgl. BVerwGE 26, 305, 308 f.; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 200; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 113 mit Fn. 612; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 254; ähnlich auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 101. 282

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

In vereinzelten frühen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, bei dem Äquivalenzprinzip handele es sich um einen dem „Wesen der Gebühr“ immanenten Grundsatz. 285 Da es sich bei der Gebühr um ein Entgelt für eine besondere Leistung handele, müsse zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der staatlichen Leistung ein angemessenes Verhältnis bestehen. 286 An diesen für die Gebühr so wesentlichen Grundsatz sei auch der einfache Gesetzgeber gebunden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich zunächst dieser Sichtweise angeschlossen und eine Verortung des Äquivalenzprinzips im Wesen bzw. Begriff der Gebühr vorgenommen. 287 In jüngerer Zeit geht die Rechtsprechung nunmehr aber davon aus, dass sich das Äquivalenzprinzip als eine auf das Gebührenrecht bezogene Ausprägung des allgemeinen (verfassungsrechtlich verbindlichen) Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darstelle. 288 Auch in Teilen des gebührenrechtlichen Schrifttums ist diese Auffassung auf Zustimmung gestoßen. 289 Lediglich vereinzelt ist es abgelehnt worden, das Äquivalenzprinzip als verbindliche Vorgabe für den Gebührengesetzgeber zu qualifizieren. 290 Die inhaltlichen Vorgaben des Äquivalenzprinzips, so der gelegentlich erhobene Einwand, 285 BVerwGE 12, 162, 166; 13, 214, 222; 28, 36, 49; 29, 214, 215. Aus der Literatur etwa Ehle, DÖV 1962, 45; Leisner, in: GS Peters, S. 730, 740; kritisch dagegen F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 80. 286 BVerwGE 12, 162, 166; zuvor bereits VGH Mannheim, DÖV 1959, 466, 467. 287 BVerfGE 20, 257, 270; vgl. zuvor auch BVerfGE 18, 302, 304 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG. 288 BVerwGE 79, 90, 91; 80, 36, 39; 109, 272, 274; 118, 123, 125; BVerwG, NJW 1973, 725, 726; NVwZ 1989, 557, 559; VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 109, 110. Ausdrücklich offen gelassen wurde die Frage nach dem Verfassungsrang – und damit auch nach der Verortung – des Äquivalenzprinzips dagegen in BVerfGE 50, 217, 233. 289 Böhm, Die Wirksamkeit von Umweltlenkungsabgaben am Beispiel des Abwasserabgabengesetzes, S. 104; Häde, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 9, 19 mit Fn. 38; Henneke, Jura 1990, 113, 115; ders., Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 405; P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 512; Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 200; Musil, in: FS Isensee, S. 929, 941; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 117; anders dagegen Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 449, der den allg. Gleichheitssatz als den verfassungsrechtlichen Hort des Äquivalenzprinzips ansieht. Mitunter wird das Äquivalenzprinzip auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gleichgesetzt, so etwa Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 171 ff.; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 224. 290 So etwa F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 80 f.; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 252 ff.; und Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 260 ff. Dem Gebührengesetzgeber bleibe es freilich unbenommen, das Äquivalenzprinzip zum Gegenstand des einfachen Rechts zu machen und so die Exekutive und Judikative – vgl. Art. 20 Abs. 3 GG – daran zu binden, näher Kloepfer, a. a. O., 232, 253, mit Beispielen aus der Gesetzgebungspraxis in Fn. 93.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

331

seien zu vage, als dass sie den Gebührengesetzgeber rechtlich binden könnten. Selbst wenn er aber bei der Normierung von Gebührentatbeständen den Äquivalenzgedanken berücksichtigen müsste, hätte dies auf die konkrete Gebührenerhebungspraxis keine begrenzende Wirkung. Für die Frage, ob eine Gebühr noch angemessen oder schon unangemessen sei, käme es stets auf subjektive und damit schwer zu überprüfende Wertungen an. 291 2. Bewertung Die gegen die Rechtsverbindlichkeit des Äquivalenzprinzips vorgebrachten Argumente überzeugen nicht, vermengen sie doch Fragen der rechtlichen Verbindlichkeit mit Überlegungen zu der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Prinzips. Selbst wenn die Regelungen des Äquivalenzprinzips ungeeignet wären, die Gebührenerhebung effektiv zu begrenzen – auf diesen Aspekt wird sogleich zurückzukommen sein –, ist damit noch nichts darüber gesagt, ob dem Prinzip rechtliche Verbindlichkeit zukommt. Überzeugender erscheint es vielmehr, das Äquivalenzprinzip an der (verfassungs-)rechtlichen Verbindlichkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes teilhaben zu lassen. Die enge Verbindung zwischen beiden Prinzipien wird deutlich, wenn man die ihnen innewohnende übereinstimmende Zielsetzung in den Blick nimmt. Sowohl das Äquivalenzprinzip als auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werden herangezogen, um die Verhältnismäßigkeit einer bestimmten staatlichen Maßnahme zu überprüfen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass beide Prinzipien für unterschiedliche Rechtsgebiete von Bedeutung sind: Während der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Leitregel allen staatlichen Handelns dient, 292 findet das Äquivalenzprinzip speziell im Bereich der Vorzugslasten Anwendung. 293 Es wird daher zutreffend als „Ausprägung“, 294 „Ausformung“ 295 bzw. „Ausdruck“ 296 des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bezeichnet und ist aus diesem Grund von dem Gebührengesetzgeber bei der Schaffung neuer Gebührentatbestände zu beachten.

291

Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 262. So etwa BVerfGE 23, 127, 133; 38, 348, 368; 49, 220, 235; 76, 1, 50; auch Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 24 Rn. 32. 293 Zur „wesenhaften“ Festlegung der Vorzugslast auf den Äquivalenzgedanken Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 449. 294 BVerwGE 80, 36, 39; VGH Kassel, NVwZ 1995, 406, 408; Waechter, in: Jachmann / Stober (Hrsg.), Finanzierung der inneren Sicherheit unter Berücksichtigung des Sicherheitsgewerbes, S. 65, 96. 295 BVerwGE 79, 90, 91. 296 BVerwGE 26, 305, 309. Ähnlich P. Kirchhof, Jura 1983, 505, 512, wonach der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gebührenrecht zum Äquivalenzprinzip „verdeutlicht“ werde. 292

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Auch wenn dem Äquivalenzprinzip verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zukommt, kann ihm eine effektive Begrenzungswirkung für die Gebührenerhebung nicht beigemessen werden: Problematisch an dem Äquivalenzgedanken ist zunächst, dass er keine klaren, leicht vorhersehbaren Maßstäbe liefert, in welchen Fällen eine Gebühr als noch verhältnismäßig angesehen werden kann. 297 Die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip lässt dem Gebührengesetzgeber einen großen Freiraum, die jeweilige Gebühr nach eigenen Vorstellungen und Maßstäben näher auszugestalten. 298 So hat die Rechtsprechung anerkannt, dass etwa Wahrscheinlichkeits- und Praktikabilitätserwägungen dem Äquivalenzgedanken ebensowenig entgegenstehen wie eine Schematisierung bei der Gebührenerhebung, 299 solange der konkret angewandte Maßstab nicht willkürlich gewählt wird. 300 Nur dort, wo der Gesetzgeber die „äußersten Grenzen seines Ermessens“ überschreitet, kann das Äquivalenzprinzip die Gebührenerhebung begrenzen. 301 Der Begrenzungswirkung des Äquivalenzprinzips steht ein weiterer Aspekt entgegen: Die Frage, ob die konkrete Gebühr einen angemessenen Ausgleich für eine staatliche Leistung darstellt, kann nur beantwortet werden, wenn sich diese Leistung wertmäßig erfassen lässt. Das Äquivalenzprinzip gelangt folglich nur dort zur Anwendung, wo der Gebühr ein bezifferbarer Vorteil gegenübersteht. Nur in diesem Fall kann überhaupt festgestellt werden, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. 302 Werden 297

Vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 102. Vgl. dazu etwa BVerwGE 118, 123, 125 f. 299 Zu der schematischen Festsetzung von Gebührensätzen durch den Gebührengesetzgeber vgl. BVerwGE 26, 305, 312 f.; zu der Anwendung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs BVerwG, DÖV 1975, 856, 857; VGH Mannheim, DÖV 1959, 466, 467; zu Praktikabilitätserwägungen BVerwG, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37, S. 39. 300 Dazu Stephan, JurA 1970, 867, 875. 301 Ebenso in Bezug auf die Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Gebührenerhebung BVerwG, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40, S. 47. Wegen dieser – wenngleich äußersten – Grenze erscheint die Formulierung bei Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 262, das Äquivalenzprinzip tue sich durch „sachliche Leere“ hervor, überspitzt. 302 Aber selbst dort, wo die individuell zurechenbare staatliche Leistung für den Gebührenschuldner einen Nutzen aufweist, ist die Anwendung des Äquivalenzprinzips mit Unwägbarkeiten behaftet: Um feststellen zu können, ob ein angemessenes Verhältnis zwischen der erhobenen Gebühr und dem empfangenen Vorteil besteht, muss zunächst geklärt werden, wie der Wert der erbrachten Leistung konkret zu ermitteln ist. Denkbar wäre zum einen, auf den subjektiven Wert für den Betroffenen abzustellen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Höhe der Gebühr danach bemessen werden müsste, wie dringend der Gebührenschuldner auf die staatliche Leistung angewiesen wäre. Es ließe sich daher zum anderen der objektive Wert des empfangenen Vorteils als Grundlage der Gebührenberechnung bestimmen. Problematisch ist jedoch, dass sich für gebührenpflichtige Handlungen, die nur der Staat anbieten darf (Darbietungen mit „Monopolcharakter“, 298

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

333

dagegen Gebühren für eine staatliche Maßnahme erhoben, die zwar Kosten verursacht, sich aber nicht als ein Vorteil darstellt, so kann der Äquivalenzgedanke keine begrenzende Wirkung entfalten. 303 Schließlich spricht eine weitere Überlegung gegen die Tauglichkeit des Äquivalenzprinzips zur effektiven Gebührenbegrenzung: Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage, ob der Abgabentyp der Gebühr auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr eingesetzt werden darf. Das Äquivalenzprinzip kann aber zu der Frage nach gebührenfeindlichen Bereichen staatlichen Handelns gerade nichts beitragen, da es nur Aussagen darüber enthält, ob die Gebührenerhebung „der Höhe nach“ begrenzt werden kann. Ob dagegen Fälle denkbar sind, in denen Gebühren bereits „dem Grunde nach“ nicht erhoben werden dürfen, lässt sich anhand des Äquivalenzprinzips nicht klären.

VII. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz In vereinzelt gebliebenen Entscheidungen haben sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht zur Kontrolle der Gebührenerhebung nicht das Äquivalenzprinzip, sondern ausschließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herangezogen. 304 Gelegentlich stellt auch die Literatur auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ab, um die Gebührenbelastung zu begrenzen. 305

vgl. Leisner, in: GS Peters, S. 730, 742), kein (objektiver) Marktpreis entwickeln kann. Ein entsprechender Wert könnte dann allenfalls geschätzt oder vermutet werden, vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 119 Rn. 48. 303 Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 12. Aus diesem Grund schlägt Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 534, vor, die Anwendung von Kostendeckungsbzw. Äquivalenzprinzip davon abhängig zu machen, welche individuell zurechenbare Leistung mit der Gebühr ausgeglichen werden solle. Ebenso Wolff, Die Verwaltung 35 (2002), 553, 565. Vgl. auch BVerwGE 109, 272, 274 f., wonach im Fall eines nicht erkennbaren Vorteils für den Gebührenschuldner darauf abzustellen sei, ob die Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zu den der Verwaltung entstandenen Kosten stehe. 304 BVerfGE 91, 207, 221 ff.; BVerwGE 95, 188, 202. 305 Vgl. etwa Ehle, DÖV 1962, 45, 47; Gramm, Der Staat 36 (1997), 267, 275. Zum Teil wird dabei jedoch hervorgehoben, dass die beiden Prinzipien rechtlich identisch seien und die konkret in Rede stehende Gebühr entweder an dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder an dem „speziellen Äquivalenzprinzip“ gemessen werden könne; für eine solche Gleichstellung etwa Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 200. Nicht überzeugend ist dagegen der Ansatz von Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 254, sowie Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 301 f., wonach sich beide Prinzipien inhaltlich unterschieden und nicht das Äquivalenzprinzip, sondern ausschließlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu geeignet sei, den Gebührengesetzgeber rechtlich zu binden. Richtigerweise besteht hier ein Unterschied nur der Bezeichnung, nicht dem Inhalt

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Wollte man die Gebührenerhebung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen, so müsste – um die gebräuchliche Terminologie aufzugreifen – untersucht werden, ob mit der jeweiligen Gebühr ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel verfolgt würde und ob die Gebühr zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen wäre. 306 Die Kriterien, die bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung herangezogen werden, schränken die Gebührenerhebung indes nicht stärker ein als die Vorgaben des Äquivalenzprinzips. Wie erwähnt, stellt das Äquivalenzprinzip lediglich die gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass eine Maßnahme angemessen sein muss, so stimmt diese Anforderung der Sache nach mit dem Äquivalenzprinzip überein, welches ein gröbliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung für unzulässig erachtet. Da der Prüfungsmaßstab von Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz übereinstimmt, ergeben sich auch im Hinblick auf die Eignung, die Gebührenerhebung zu begrenzen, keine Unterschiede zwischen beiden Prinzipien. Die Einwände, die bereits gegen das Äquivalenzprinzip vorgebracht wurden, 307 können daher auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegengehalten werden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann damit die Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr nicht effektiv begrenzen.

VIII. Kostendeckungsprinzip Schließlich wäre es denkbar, dass das Kostendeckungsprinzip die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht effektiv begrenzt und so den Bürger davor schützt, die Kosten für präventive Polizeieinsätze tragen zu müssen. 1. Inhalt Nach dem Grundsatz der Kostendeckung soll die Gebühr den Verwaltungsaufwand ausgleichen, der dem Staat durch die individuell zurechenbare Leistung entstanden ist. 308 Sie darf darüber hinaus aber nicht gezielt dazu eingesetzt wernach; inhaltlich stimmen beide Gebührenbemessungsprinzipien überein, vgl. bereits oben B. VI. 306 Ausführlich zum Prüfungsprogramm am Beispiel der Verwaltungsgebühr Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 225 ff. 307 Dazu oben B. VI. 2. 308 Zum Inhalt des Kostendeckungsprinzips BVerwGE 2, 246, 251; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232, 248 ff.; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 98; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 289; speziell in

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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den, dem Staat Einnahmen zu beschaffen. 309 Von diesen Grundaussagen einmal abgesehen, bestehen über die inhaltliche Ausgestaltung des Kostendeckungsprinzips indes unterschiedliche Auffassungen. So ist umstritten, ob das Kostendeckungsprinzip dem Staat lediglich vorgibt bis zu welcher Höhe er Gebühren erheben darf (Kostenüberschreitungsverbot) oder ob es auch Aussagen über die untere Gebührengrenze enthält (Gebot der Kostendeckung). 310 Nach der überwiegend in der abgabenrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung soll als für den Gesetzgeber verbindliche Grenze der Gebührenerhebung nur das Kostenüberschreitungsverbot zu beachten sein. 311 Allein eine an dem Kostenaufwand orientierte Obergrenze könne den Einzelnen vor übermäßiger Inanspruchnahme bewahren; Vorgaben zum „Minimum der Gebührenhöhe“ 312 hätten allenfalls eine haushaltsschützende Funktion. 313 Wenn das Kostenüberschreitungsverbot aber vorgibt, dass die Gebühren nicht höher zu bemessen sind als die tatsächlich angefallenen Kosten, so muss Klarheit darüber bestehen, nach welchem Maßstab die konkreten staatlichen Aufwendungen zu bestimmen sind. 314 Denkbar wäre es einerseits, auf die Kosten abzustellen, die dem Staat bei Vornahme der jeweiligen gebührenpflichtigen Handlung entstehen (spezielles Kostendeckungsprinzip). 315 Andererseits könnte aber auch die Bezug auf die Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, S. 323 ff.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 114 f.; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 14. 309 Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 180. 310 Vgl. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 180; Henneke, Jura 1990, 113, 115; v. Mutius, in: Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften (Hrsg.), Gebührenrecht in Theorie und Praxis, S. 9, 29 f.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 114. Diese Unterscheidung findet sich schon im preußischen Kommunalabgabengesetz v. 14. 7. 1893, Preußische Gesetzsammlung 1893, S. 152, vgl. § 4 Abs. 2 S. 2 PrKAG (Kostendeckungsgebot) sowie § 6 Abs. 3 PrKAG (Kostenüberschreitungsverbot). 311 Rogosch, KStZ 1988, 1, 3; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 213; a. A. Leisner, in: GS Peters, S. 730, 738 f., der darauf verweist, dass ein „Verbot der unentgeltlichen Staatsleistung“ bestehe. Der Gebührengesetzgeber selbst kann der Verwaltung dagegen auch die Beachtung des Kostendeckungsgebots vorschreiben, vgl. etwa §§ 9 Abs. 2 S. 2, 10 Abs. 2 S. 1 KAG Hessen. 312 Leisner, in: GS Peters, S. 730, 739. 313 Vgl. zu der bürger- sowie haushaltsschützenden Dimension allg. Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 114; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 99; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 14. 314 Vgl. F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 238, auch zum Folgenden. 315 Die Möglichkeit der Einzelkostendeckung jedenfalls nicht ausschließend Ehle, DÖV 1962, 45; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 289. Vgl. auch die Zusammenstellung der einzelnen Argumente bei Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 204 f.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

Gesamtheit aller Kosten in den Blick genommen werden, die in einem konkreten Verwaltungszweig bei der Vornahme von gebührenpflichtigen Handlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums anfallen (generelles Kostendeckungsprinzip). 316 Die Kommunalabgabengesetze vieler Bundesländer 317 halten ebenso wie die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung 318 und Literatur 319 allein das generelle Kostendeckungsprinzip für praktikabel, da die anteiligen Kosten für die einzelne Verwaltungsleistung im Zeitpunkt der Gebührenerhebung nicht exakt bestimmt werden könnten. 320 Beantwortet man die aufgeworfenen Fragen jeweils im Sinne der herrschenden Meinung, so verlangt das Kostendeckungsprinzip, dass das gesamte Gebührenaufkommen eines Verwaltungszweigs die Gesamtheit der entstandenen Kosten nicht übersteigen darf. 2. Bewertung Der Grundsatz der Kostendeckung kann in doppelter Hinsicht eine Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht effektiv begrenzen. Zunächst müsste das Kostendeckungsprinzip, um Gebühren für präventive Polizeitätigkeit auszuschließen, für den Gesetzgeber bindend sein. Im gebührenrechtlichen Schrifttum finden sich Stimmen, die eine solche Rechtsverbindlichkeit bejahen. Die Begründung dieses Ergebnisses variiert dabei jedoch: Teils wird das Kostendeckungsprinzip als verfassungsrechtliche Vorgabe, 321 teils als Bestandteil des Gebührenbegriffs 322 oder als ungeschriebener Grundsatz bzw. Wesensmerkmal des Gebührenrechts 323 angesehen. Die wohl vorherrschende Auffassung 324 316

Ausführlich Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 206 ff., 209 ff.; vgl. auch Böhm, Die Wirksamkeit von Umweltlenkungsabgaben am Beispiel des Abwasserabgabengesetzes, S. 101. 317 Vgl. §§ 9 Abs. 2 S. 2 („Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges“), 10 Abs. 2 S. 1 („Kosten der Einrichtung“) KAG Hessen; ähnlich etwa §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 1 S. 3 KAG Nordrhein-Westfalen. 318 BVerwGE 12, 162, 166; 87, 154, 168 f.; VGH Kassel, ESVGH 27, 116, 122. 319 Vgl. Gern, VBlBW 1987, 246, 247; Henneke, Jura 1990, 113, 115; Leisner, in: GS Peters, S. 730, 736; v. Mutius, in: Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften (Hrsg.), Gebührenrecht in Theorie und Praxis, S. 9, 30 f.; Oschmann, Die Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 114 f.; Rogosch, KStZ 1988, 1, 3; Stephan, JurA 1970, 867, 873; Zimmermann, DVBl. 1989, 901, 904; wohl auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 100; ausführlich Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 209 ff. 320 Zu dieser Überlegung und weiteren Argumenten Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 206 ff. 321 Rogosch, KStZ 1988, 1, 3; Wienbracke, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, S. 197 ff.

B. Ansätze zur Begrenzung einer Gebührenerhebung

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lehnt es jedoch zu Recht ab, den Gebührengesetzgeber zur Beachtung des Kostendeckungsprinzips zu verpflichten. Es wurde bereits dargelegt, dass der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff in einem streng formellen Sinne zu verstehen ist. 325 Materielle Aspekte wie der Gedanke der Kostendeckung sind ihm demnach nicht zu entnehmen. Darüber hinaus sind auch keine Vorgaben des Grundgesetzes ersichtlich, die ein Verbot der kostenüberschreitenden Gebührenerhebung enthielten. Schließlich kann auch die Herleitung des Kostendeckungsgebots aus den Grundgedanken des Gebührenrechts bzw. dem Wesen der Gebühr nicht überzeugen. Es handelt sich dabei um bloße Behauptungen, die nicht belegt werden und daher eine Rechtsverbindlichkeit für sich nicht in Anspruch nehmen können. 326 Selbst wenn man aber das Kostendeckungsprinzip als einen Grundsatz ansehen würde, der vom Gebührengesetzgeber zwingend zu beachten wäre, könnte die Gebührenerhebung dadurch nicht effektiv eingeschränkt werden. So ist das (nach überwiegender Ansicht anzuwendende) generelle Kostendeckungsgebot nicht dazu geeignet, die konkret in Rede stehende Einzelgebühr zu begrenzen, da stets nur das gesamte Gebührenaufkommen eines Verwaltungszweigs bzw. einer öffentlichen Einrichtung mit den angefallenen Gesamtkosten auf diesem Gebiet übereinstimmen muss. Schließlich spricht gegen das Kostendeckungsprinzip, dass es darauf beschränkt ist, die Höhe der Gebühr zu begrenzen. Es kann nur eingesetzt werden, um Gebühren zu reduzieren, nicht jedoch, um diese Gebühren dem Grunde nach für unzulässig zu erklären. Ebenso wie das Äquivalenzprinzip lässt das Kostendeckungsprinzip daher keine grundsätzlichen Aussagen über die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr zu.

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Deutlich Stephan, JurA 1970, 867, 871 f.; unklar dagegen Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, der die Gebühr zwar einerseits als eine kostendeckende Abgabe definiert (Wilke, a. a. O., S. 89), es andererseits aber ablehnt, eine Verbindung zwischen Gebührenbegriff und Kostendeckungsprinzip herzustellen (Wilke, a. a. O., S. 274 f.). Zum Merkmal der Kostendeckung als Bestandteil des Gebührenbegriffs siehe bereits oben A. II. 4. b) aa) (1). 323 Vgl. Leisner, in: GS Peters, S. 730, 738. 324 BVerfGE 50, 217, 226; 97, 332, 345; BVerwGE 12, 162, 167; 13, 214, 222 f.; BVerwG, NVwZ 1989, 571, 572; NVwZ-RR 1993, 662, 663; VGH Kassel, HSGZ 1979, 84, 88; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1016; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 240; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 99; Sailer, in: Lisken / Denninger (Hrsg.), Polizeirecht, Kap. M Rn. 14; Wahlen, Polizeikostenerstattung kommerzieller Großveranstalter, S. 59 f.; a. A. Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 435, 444. 325 Vgl. oben A. II. 4. c). 326 Ebenso Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 78 ff.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 274 f.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

IX. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die von Rechtsprechung und Literatur herangezogenen Kriterien die Schaffung neuer Gebührentatbestände auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht effektiv verhindern können: Der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff selbst fordert für das begriffliche Vorliegen einer Gebühr lediglich, dass es sich um eine individuell zurechenbare, hoheitlich auferlegte Geldleistung handelt. Darüber hinausreichende Vorgaben, die den Gebührengesetzgeber beschränken würden, lassen sich ihm nicht entnehmen. Auch die sonstigen Kriterien können eine ansteigende Gebührenbelastung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht wirksam begrenzen. Da einige dieser „Schranken“ nicht im Grundgesetz verankert sind, 327 hindern sie den einfachen Gesetzgeber nicht daran, neue Gebührentatbestände einzuführen. Anderen Kriterien kommt zwar verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zu. Sie begrenzen die Gebührenerhebung allerdings nicht dem Grunde nach, sondern verhindern lediglich, dass die Gebühr in einem groben Missverhältnis zu der erbrachten Leistung steht. Solange es sich daher um ein angemessenes Entgelt handelt, ist aus der Perspektive des Äquivalenzprinzips bzw. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unerheblich, ob es für den Besuch einer Stadtbücherei oder den polizeilichen Schutz von Leib und Leben erhoben wird.

C. Eigener Ansatz zur Begrenzung der Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr Die geläufigen Ansätze zur Gebührenbegrenzung werden dem hohen Wert der Gefahrenabwehr für das friedliche Zusammenleben in einem Gemeinwesen ebenso wenig gerecht wie der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr. Sie lassen eine weitgehende Kommerzialisierung der inneren Sicherheit zu und ebnen den Weg vom Steuerstaat hin zu einem „gebührenfinanzierten Dienstleistungsstaat“ (Christof Gramm). Die vorliegende Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass das Grundgesetz wichtige Aussagen sowohl zu der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr als auch zu der Finanzierung von staatlichen Aufgaben trifft. Geht es um die Frage, wie die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr wirksam begrenzt werden kann, so müssen diese Aussagen Berücksichtigung finden. Im Folgenden 327 Diese Aussage trifft zu auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr, vgl. oben B. IV.; sowie auf das Kostendeckungsprinzip, vgl. oben B. VIII.

C. Eigener Ansatz zur Begrenzung

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sollen daher die gewonnenen Erkenntnisse der Arbeit zu einem eigenen Ansatz zusammengeführt werden.

I. Inhalt Ein Konzept, dass die Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr effektiv begrenzen soll, ist sowohl auf die Staatsaufgabenlehre als auch auf das Steuerstaatsprinzip angewiesen. Die Lehre von den Aufgaben des Staates erlaubt es, Begriff, Bedeutung und rechtliche Verbindlichkeit der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr zu bestimmen. Das Prinzip des Steuerstaates gibt dagegen vor, mittels welcher Finanzierungsinstrumente die staatlichen Aufgaben zu erfüllen sind. Überzeugen kann dieser Ansatz jedoch nur dann, wenn er die jeweils getroffenen Aussagen miteinander verbindet. 1. Staatsaufgabenlehre Ein Ansatz, der die Gebührenfinanzierung bestimmter staatlicher Aufgaben zu begrenzen sucht, kommt nicht umhin, die Kategorie der Staatsaufgabe näher zu beleuchten. Zum einen beziehen sich die Aussagen des Steuerstaatsprinzips nur auf staatliche Aufgaben, nicht aber auf Angelegenheiten, die von Privaten erledigt werden. Im Unterschied zum Staat ist die Entscheidung des Einzelnen, sich einer Angelegenheit anzunehmen, Ausfluss grundrechtlicher Freiheit, nicht gesetzlicher Bindung. Zum anderen trägt die Staatsaufgabenlehre dazu bei, die einzelnen Staatsaufgaben zu systematisieren und ermöglicht so Aussagen über ihre Bedeutung für das Gemeinwesen. Dass zwischen der Qualität einer Staatsaufgabe und ihrer Finanzierung eine Verbindung besteht, verdeutlicht bereits ein Blick in die Rechtswirklichkeit des deutschen Staates: Existierte nur eine homogene Masse staatlicher Aufgaben, so wäre es kaum nachvollziehbar, warum der Staat zu ihrer Finanzierung so vielfältige Abgabenformen einsetzte. Die Konnexität zwischen Staatsaufgaben und ihrer Finanzierung wird etwa am Beispiel der Sozialversicherung deutlich. Der Staat 328 erfüllt diese Aufgabe zum einen, um den Versicherten einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung etwa bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Arbeitslosigkeit zu garantieren. 329 Zum anderen 328 Die Aufgabe der Sozialversicherung wird von Körperschaften des öffentlichen Rechts wahrgenommen, vgl. § 29 Abs. 1 SGB IV. Wie bereits festgestellt, vgl. oben Zweiter Teil, A. I. 4. b) bb), gehören grundsätzlich auch die Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung der staatlichen Sphäre an. Mit Ausnahme der Rundfunkanstalten, Universitäten sowie der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften nehmen juristische Personen des öffentlichen Rechts daher Staatsaufgaben wahr; vgl. auch BVerfGE 39, 302, 313 f. 329 Zu dem Aspekt der „Versicherung“ als einem die Sozialversicherung prägenden Merkmal Axer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 74 Nr. 12 Rn. 31 ff.; Butzer, Fremd-

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

ist das Sozialversicherungsrecht getragen von dem Gedanken der Umverteilung und des sozialen Ausgleichs. 330 Will der Staat bei der Erfüllung dieser Aufgabe beiden Zielsetzungen gerecht werden, so kommt eine ausschließliche Finanzierung durch Steuern 331 oder Vorzugslasten nicht in Betracht. Da die Leistungen der Sozialversicherung auf den Personenkreis der Versicherten 332 begrenzt sind und nur solche Personen, bei denen sich dies sachlich rechtfertigen lässt, 333 zur Finanzierung herangezogen werden, ist es ausgeschlossen, die Kosten der Sozialversicherung allein durch die „voraussetzungslose“ Steuer auszugleichen. 334 Auf der anderen Seite würde eine maßgeblich auf dem Prinzip der individuellen Zurechenbarkeit basierende Finanzierung durch Vorzugslasten dem Gedanken des Solidarausgleichs und der Umverteilung nicht hinreichend gerecht. 335 Der eigenständige Abgabentyp des Sozialversicherungsbeitrages trägt diesen besonderen Zielsetzungen Rechnung und weist dadurch eine enge Verbindung zu dem Wesen der Staatsaufgabe „Sozialversicherung“ auf. Auch die Gefahrenabwehr lässt sich mit Hilfe der Staatsaufgabenlehre in das System der staatlichen Aufgaben einpassen. Eine Kategorisierung setzt zunächst lasten in der Sozialversicherung, S. 181 ff.; vgl. auch Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 198 ff.; F. Kirchhof, NZS 1999, 161, 166; dens., DStJG 29 (2006), 39, 46 f. 330 Dazu etwa BVerfGE 48, 227, 235; 75, 108, 158; Axer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 74 Nr. 12 Rn. 34; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 252 ff.; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 18, und passim; F. Kirchhof, NZS 1999, 161, 165; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 74 Rn. 174. 331 Eine partielle Steuerfinanzierung der Sozialversicherung ist hingegen denkbar, solange die Beiträge der Versicherten noch einen erheblichen Anteil an der Finanzierung ausmachen, vgl. BVerfGE 109, 96, 110; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 130. 332 Nicht begrenzt sind die Leistungen dagegen zwangsläufig auf den Kreis der Beitragspflichtigen, vgl. nur Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 121. 333 Eine sachliche Rechtfertigung für die Beitragspflicht besteht zunächst bei dem Personenkreis, dem ein wirtschaftlicher Vorteil aus der Versicherung erwächst (Arbeitnehmer). Darüber hinaus können jedoch auch Dritte zu Beitragszahlungen verpflichtet werden, wenn sie eine besondere Beziehung zu den Versicherten aufweisen (z. B. Arbeitgeber), vgl. näher BVerfGE 75, 108, 147; 113, 167, 219 ff.; Axer, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 74 Nr. 12 Rn. 40; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 37; dens., SDSRV 35 (1992), 7, 28 f.; Maunz, in: ders. / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 74 Rn. 174; Müller-Franken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 125. 334 Vgl. auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 264 f.; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 41; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 459; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 313. 335 Zu diesem Aspekt BVerfGE 14, 312, 317; F. Kirchhof, NZS 1999, 161, 165; MüllerFranken, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum GG, Art. 105 Rn. 120 f.; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 3 AO Rn. 315.

C. Eigener Ansatz zur Begrenzung

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jedoch voraus, dass Klarheit darüber besteht, welche Maßnahmen von dem Begriff der Gefahrenabwehr erfasst werden. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Abwehr von Gefahren in einem weiten Sinne jedes staatliche wie gesellschaftliche Engagement umfasst, das auf die Förderung der inneren Sicherheit ausgerichtet ist. 336 Werden die konkret in Rede stehenden Maßnahmen aus der staatlichen Sphäre heraus wahrgenommen, so handelt es sich hierbei um staatliche Aufgaben. Als Teilbereich dieses Aufgabenfeldes lässt sich sodann die ausschließliche Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr isolieren. 337 Gemeint sind damit nur solche Maßnahmen der Polizei- und Gefahrenabwehrbehörden, bei denen nicht ausgeschlossen ist, dass der Staat von seinem Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit Gebrauch machen muss. 338 Das Vorverständnis über die Bedeutung der Gefahrenabwehr im System der staatlichen Aufgaben wird wesentlich geprägt durch staatstheoretische Erkenntnisse. Die Staatstheorie vermittelt das Bewusstsein dafür, dass durch staatliche Gefahrenabwehr die Sicherheit gewährleistet wird, die den zentralen Zweck und zugleich den ersten Legitimationsgrund des modernen Staates darstellt. Die Staatsaufgabenlehre überführt dieses staatstheoretische Fundament sodann in die Sphäre des Rechts, indem sie die Aussagen des Grundgesetzes zu den staatlichen Schutzpflichten mit der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr verknüpft und diese damit verfassungsrechtlich verankert. 2. Steuerstaatsprinzip Will der Staat eine Aufgabe erfüllen, so hat er zugleich dafür Sorge zu tragen, dass ihre Finanzierung gesichert ist. Die staatliche Entscheidung darüber, welche Aufgabe durch welche Abgabe finanziert werden soll, hat dabei die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten. Als eine solche verfassungsrechtliche Direktive stellt sich das Steuerstaatsprinzip dar, das der Steuer den Vorrang unter den Abgabenarten einräumt. Der Steuerstaat darf nichtsteuerliche Abgaben nur dann von seinen Bürgern erheben, wenn dafür eine besondere sachliche Legitimation besteht. Die Möglichkeit 336

Vgl. oben Zweiter Teil, B. I. 1. Gefahrenabwehr i.w. S. ist daher etwa auch die Tätigkeit der Müllabfuhr, der Technischen Überwachungsvereine sowie der Bauordnungsoder Umweltbehörden. 337 Oben Zweiter Teil, B. III. 2. a). 338 Als ausschließlich vom Staat wahrzunehmende Maßnahmen der Gefahrenabwehr kommen Einsätze der Polizei in Betracht, in deren Verlauf es zu einem Waffeneinsatz oder der Anwendung von physischer Gewalt kommen kann, so etwa bei allgemeinen Streifenfahrten der Polizei, Polizeischutz für gefährdete Personen, polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit kommerziellen Großveranstaltungen oder Demonstrationen sowie Personen-, insb. auch Fluggastkontrollen.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

einer solchen Rechtfertigung schließt das Steuerstaatsprinzip für den Bereich der allgemeinen Staatsaufgaben jedoch aus; sie sind zwangsläufig aus Steuermitteln zu finanzieren. Nach herkömmlicher, auf die Abgrenzung von Steuer und Sonderabgabe bezogener Terminologie sind allgemeine Staatsaufgaben solche Aufgaben, die im Zeitpunkt der Abgabenerhebung noch nicht näher bestimmt sind. Wie gezeigt, kann der Begriff der allgemeinen Staatsaufgabe aber um eine qualitative Dimension erweitert werden und erfasst damit auch solche Aufgaben, die der Staat für die Gesamtheit seiner Bürger, die Allgemeinheit, erbringt. 339 Begründen lässt sich dieses Verständnis mit dem Wesen der Steuer: Steuern sind allgemeine Lasten, die von der Gesamtheit der Bevölkerung – je nach der individuellen Leistungsfähigkeit – zu tragen sind. Es liegt daher nahe, dass dort, wo Aufgaben für die Allgemeinheit erfüllt werden, diese auch über die von der Allgemeinheit aufzubringenden Steuern finanziert werden müssen. 3. Staatsaufgabenlehre und Steuerstaatsprinzip: Vorzüge einer Kombination Betrachtet man die Aussagen der Staatsaufgabenlehre und des Steuerstaatsprinzips isoliert, so können sie die Gebührenerhebung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht effektiv begrenzen. Der Staatsaufgabenlehre lassen sich Vorgaben entnehmen über die Aufgaben, die der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht für Leib und Leben des Einzelnen zwingend zu erfüllen hat. Sie erlaubt es darüber hinaus, jede Staatsaufgabe anhand der ihr eigenen Merkmale zu systematisieren und so das Wesen einzelner staatlicher Aufgaben – etwa der Gefahrenabwehr – und ihre Bedeutung für das Gemeinwesen zu bestimmen. Die Staatsaufgabenlehre enthält aber keine unmittelbare Aussage über die möglichen Finanzierungsmittel der jeweils in Rede stehenden Aufgabe. Das Steuerstaatsprinzip gibt zwar Auskunft über die Grundsätze der Staatsfinanzierung und fordert, dass allgemeine Staatsaufgaben zwingend über Steuern zu finanzieren sind. Es beantwortet aber nicht die Frage, welche Aufgaben sich konkret als allgemeine, die Gesamtheit der Bevölkerung betreffende Staatsaufgaben darstellen. Um die Frage nach der Finanzierung der von staatlicher Seite garantierten Sicherheit zu beantworten, kommt es vielmehr auf die Erkenntnisse über die Zwecke, insbesondere aber über die Aufgaben und Ziele des Staates an. Erst eine Kombination beider Ansätze erlaubt es, die folgende Aussage zu treffen: 339

Zu diesem Verständnis näher oben Dritter Teil, C. III. 2.

C. Eigener Ansatz zur Begrenzung

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Die Abwehr von Gefahren stellt eine allgemeine Staatsaufgabe dar, wird der Staat auf diesem Gebiet doch gerade nicht nur für einen Teil, sondern für alle Bürger tätig. Die Überlegungen Hobbes und Rousseaus aufgreifend lässt sich formulieren, dass der Gesellschaftsvertrag, der dem Staat die Sorge für den Schutz des Einzelnen überträgt und den Bürgern eine Friedenspflicht (und die Steuerlast) auferlegt, nur denkbar ist als Vertrag zwischen allen Beteiligten. Dieser Überlegung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass nur die Organisationsform des Staates die innere Sicherheit für jeden Einzelnen gewährleisten kann. Weil der Staat der Gegenwart seinen Bürgern die Ausübung von physischer Gewalt aber untersagt, muss er sich zugleich zur – auch finanziell – voraussetzungslosen Ausübung seines Gewaltmonopols verpflichten. Die innere Sicherheit muss auf der einen Seite als öffentliches Gut der Gesamtheit der Bevölkerung zur Verfügung stehen; ihre Kosten sind auf der anderen Seite aber auch von allen Bürgern als eine gemeine Last zu tragen. 340 Gebühren in dem durch das staatliche Gewaltmonopol geprägten Bereich der Gefahrenabwehr lassen sich mit der Staatsaufgabenlehre und dem Steuerstaatsprinzip daher nicht vereinbaren. Ein Staat, der die Sicherheit seiner Bürger nicht aus Steuermitteln, sondern nur gegen ein spezielles Entgelt gewährleistete, stellte den gesellschaftlichen Zustand (Gewährleistung von Ruhe und innerer Sicherheit durch das staatliche Gewaltmonopol) zugunsten des Naturzustands (gewaltsame Verteidigung der eigenen Rechtsgüter durch den Einzelnen) in Frage. Er kehrte damit vom status civilis zurück in den status naturalis. Die eingangs 341 aufgeworfene Frage, ob der Staat gegen das Gemeinwohl verstößt, wenn er die Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr von der Zahlung eines besonderen Entgelts abhängig macht, lässt sich durch eine Verbindung von Staatsaufgabenlehre und Steuerstaatsprinzip beantworten: Der Staat, dies ergibt sich aus der Lehre von den Staatsaufgaben, hat die Aufgabe der Gefahrenabwehr allen Bürgern gegenüber zu erfüllen. Das Steuerstaatsprinzip schreibt vor, dass eine solche allgemeine, dem Gemeinwohl dienende Aufgabe über Steuern zu finanzieren ist. Bleibt die Aufgabe der Gefahrenabwehr unerfüllt, weil der Betroffene eine Gebühr nicht entrichten kann oder will, so ist dies mit der Gemeinwohlverpflichtung des Staates nicht zu vereinbaren.

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Zutreffend Gusy, Privatisierung von Polizeikosten?, S. 10. Oben Erster Teil A.

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4. Teil: Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht

II. Verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des eigenen Ansatzes Die vorstehenden Ausführungen zu einer Gebührenfeindlichkeit der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr müssen von dem einfachen Gesetzgeber auf Bundeswie Landesebene nur dann zwingend beachtet werden, wenn ihnen verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zukommt, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Vorgaben der Staatsaufgabenlehre und des Steuerstaatsprinzips dürfen daher nicht nur staatstheoretischer Natur sein; sie müssen vielmehr durch Aussagen des Grundgesetzes bestätigt werden. Der zweite Abschnitt der Untersuchung hat gezeigt, dass der Staat verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist, die Sicherheit des Einzelnen zu gewährleisten. Das Staatsziel der inneren Sicherheit ist – anders als der Staatszweck der Sicherheit – keine staatstheoretische Kategorie; es lässt sich dem Grundgesetz durch eine Gesamtschau von verschiedenen Bestimmungen entnehmen. 342 Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, als deren normativer Hort der Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes identifiziert wurde, 343 gibt dem Staat den Schutz aller auf seinem Gebiet lebenden Menschen auf. Jeder einzelne Bürger muss geschützt werden; Ausnahmen lässt das Grundgesetz in diesem Kernbereich grundrechtlicher Verbürgungen nicht zu. 344 Die besonders hohe Wertigkeit der Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr, die der Staat für die Allgemeinheit erbringt, wird vom Grundgesetz auf diese Weise bestätigt. Der dritte Abschnitt der Arbeit hat zum einen die inhaltlichen Vorgaben des Staatstypus des Steuerstaates näher untersucht. Zum anderen wurde mit dem zehnten Abschnitt des Grundgesetzes das verfassungsrechtliche Fundament des Steuerstaatsprinzips freigelegt. 345 Die umfangreichen Regelungen zu Gesetzgebungs- und Ertragskompetenzen für Steuern stützen die zentralen Aussagen des Steuerstaatsprinzips, wonach nichtsteuerliche Abgaben einer besonderen Rechtfertigung bedürfen und allgemeine Staatsaufgaben aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Die Exklusivität der Steuer als Finanzierungsinstrument für allgemeine

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Dazu oben Zweiter Teil, A. II. 3. c). Vgl. oben Zweiter Teil, B. II. 3. c). 344 Dass der Staat Leben und Gesundheit eines jeden Individuums zu schützen hat, bringt auch das Grundgesetz selbst zum Ausdruck: Im Gegensatz zu anderen grundrechtlichen Gewährleistungen, so etwa den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1, 8 und 9 GG, unterfällt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht dem Tatbestand der Verwirkung, Art. 18 S. 1 GG. Der Staat kann daher selbst in Ausnahmefällen niemandem den Schutz verweigern; er hat die Aufgabe der Gefahrenabwehr nach der Konzeption des Grundgesetzes vielmehr gegenüber jedermann zu erbringen. 345 Oben Dritter Teil, B. II. 5. 343

C. Eigener Ansatz zur Begrenzung

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Staatsaufgaben ergibt sich zudem aus dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, der in allen seinen Merkmalen im Text des Grundgesetzes verankert ist. 346 Im Unterschied zu den herkömmlichen Begrenzungsversuchen untersagt es der hier entwickelte Ansatz dem Staat umfassend, Gebühren für Gefahrenabwehrmaßnahmen zu erheben. Als vorzugswürdig erscheint er zudem wegen der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit seiner Aussagen. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis ist die Sicherheitsgewährleistung nicht nur eine Kern- bzw. Pflichtaufgabe des Staates, es handelt sich hierbei zugleich um einen gebührenfeindlichen Bereich staatlichen Handelns. Um Fehlentwicklungen im Gebührenrecht vorzubeugen, wäre es de constitutione ferenda zwar wünschenswert, die Steuerfinanzierung von Gefahrenabwehrmaßnahmen staatlicher Stellen zur Klarstellung ausdrücklich im Grundgesetz festzuschreiben. Zwingend erforderlich ist dies freilich nicht, da sich das Grundgesetz bereits heute gegen eine Gebührenfinanzierung der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr entschieden hat.

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Vgl. oben Dritter Teil, C. I.

Ergebnisse der Untersuchung 1. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Frage, ob die Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr über Gebühren finanziert werden darf. Mit der Staatsaufgabe ist eine Kategorie des Rechts staatlichen Handelns angesprochen, die der inhaltlichen Konkretisierung bedarf und zu anderen Kategorien des Staatsrechts und der Staatstheorie abgegrenzt werden muss. Staatliche und öffentliche Aufgaben weisen zunächst die Gemeinsamkeit auf, dass sie – jedenfalls auch – dem öffentlichen Interesse dienen. Es ist damit begrifflich ausgeschlossen, dass diese Aufgaben ausschließlich im privaten Interesse Einzelner erfüllt werden. Unterschieden werden die beiden Aufgabenkategorien danach, von welchen Aufgabenträgern sie wahrgenommen werden. Für ihre Abgrenzung kommt es darauf an, ob die gesellschaftliche oder die staatliche Sphäre tätig wird: Greift der Staat auf eine Aufgabe zu, so liegt eine Staatsaufgabe vor. Erfüllen dagegen Teile der Gesellschaft die Aufgabe, so handelt es sich um eine öffentliche Aufgabe. Eine solche, an dem formellen Kriterium der Aufgabenträgerschaft orientierte Abgrenzung stellt es weitgehend in das Ermessen des Staates, ob er eine Aufgabe an sich zieht und sie damit zu einer staatlichen Aufgabe macht. 2. Praktikabel ist eine formelle Abgrenzung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben aber nur dann, wenn Klarheit darüber besteht, was unter den Aufgabenträgern „Staat“ und „Gesellschaft“ zu verstehen ist. Die pauschale Aussage, staatliche Aufgaben seien solche, die vom Staat wahrgenommen würden bzw. auf die der Staat zugreife, kann Konstellationen, in denen sich die staatliche und die gesellschaftliche Sphäre annähern oder gar vermengen, keiner befriedigenden Lösung zuführen. Auch in Grenzfällen – so etwa bei der Tätigkeit von Beliehenen oder öffentlichen Unternehmen – muss feststehen, ob es sich um eine staatliche, mithin von der staatlichen Sphäre wahrgenommene Aufgabe handelt, da nur in diesem Fall die rechtlich verbindlichen Vorgaben von Staatsaufgabenlehre und Steuerstaatsprinzip zu beachten sind. Als Staatsaufgaben lassen sich zunächst alle Aufgaben qualifizieren, die von Behörden im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung wahrgenommen werden. Hierzu zählen Maßnahmen der Eingriffs- wie der Leistungsverwaltung; erfasst werden aber auch die fiskalischen Hilfsgeschäfte. Daneben erfüllen grundsätzlich auch die Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung staatliche Aufgaben. Lediglich dann, wenn sich die bundes- oder landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts auf eigene Grundrechte berufen können, nehmen sie keine

Ergebnisse der Untersuchung

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staatlichen Aufgaben wahr. Staatsaufgaben werden schließlich auch von solchen Privatrechtssubjekten erfüllt, die eine besondere Affinität zu dem Bereich des Staatlichen aufweisen. So können auch Beliehene und öffentliche Unternehmen trotz ihrer Eigenschaft als natürliche oder juristische Personen des Privatrechts staatliche Aufgaben wahrnehmen. Nur dort, wo die staatliche Sphäre zur Aufgabenerfüllung tätig wird, kann die Gebührenerhebung durch einen Ansatz, der Vorgaben des Steuerstaatsprinzips und der Staatsaufgabenlehre kombiniert, begrenzt werden. Bei öffentlichen Aufgaben hingegen stammt der Aufgabenträger aus dem durch die grundrechtlichen Freiheiten geprägten Bereich der Gesellschaft; die genannten Vorgaben gelangen in diesem Fall nicht zur Anwendung. 3. Staatszwecke betreffen, losgelöst von einem konkreten Gemeinwesen, die Rechtfertigung von Staatlichkeit. Sie sollen erklären, warum sich der Staat als Organisationsform menschlichen Zusammenlebens entwickelt hat. Konkrete Staatszwecke können staatliches Handeln legitimieren (innere und äußere Sicherheit, soziale Sicherheit); sie erklären aber auch die Pflicht des Staates zur Zurückhaltung auf bestimmten Tätigkeitsfeldern (Freiheit). Obwohl Staatszwecke als eine Kategorie der Staatstheorie dem Staat bei der Aufgabenerfüllung keine verbindlichen Vorgaben machen können, sind sie für das Recht des staatlichen Handelns nicht ohne Bedeutung. Die Lehre von den Zwecken des Staates trägt dazu bei, die Staatsaufgaben zu systematisieren und ihrer Bedeutung für die staatliche Gemeinschaft nach zu ordnen. Sie prägt das Vorverständnis, auf dessen Fundament das aktuelle Handeln des Staates untersucht werden kann. Im Unterschied zu Staatszwecken stellen Staatsziele keine staatstheoretische, sondern eine staatsrechtliche Kategorie dar. Es handelt sich bei ihnen ebenso wie bei Staatsaufgaben um einen Regelungsgegenstand des Grundgesetzes. Staatsziele sind regelmäßig jedoch abstrakter als Staatsaufgaben. Jene schreiben dem Staat vor, dass er eine bestimmte Vorgabe zu erreichen hat; diese geben an, auf welchem Weg dies geschehen muss und welche Mittel dabei einzusetzen sind. 4. Die notfalls gewaltsame Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit des Einzelnen stellt eine ausschließliche und zugleich obligatorische Aufgabe des Staates dar. Der exklusive Charakter dieser Aufgabe lässt sich mit dem staatlichen Gewaltmonopol begründen; seine imperative Natur folgt aus der Verantwortung, die dem Staat nach der Konzeption von den grundrechtlichen Schutzpflichten gegenüber seinen Bürgern zukommt. 5. Das Steuerstaatsprinzip enthält qualitative Aussagen zu den Einnahmen und Ausgaben des Staates. Ihm lässt sich entnehmen, dass der Steuer unter den verschiedenen Abgabenarten ein normativer Vorrang zukommt. Die Steuererhebung bedarf, anders als die Auferlegung von nichtsteuerlichen Abgaben, keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung. Diese inhaltlichen Vorgaben sind von dem Abgabengesetzgeber zu beachten, da sich das Grundgesetz für die Steuer-

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Ergebnisse der Untersuchung

staatlichkeit entschieden hat. In qualitativer wie quantitativer Hinsicht nehmen die auf die Steuer bezogenen Vorschriften im Verfassungstext im Vergleich zu den sonstigen abgabenbezogenen Regelungen eine herausgehobene Position ein. Diese hohe Regelungsdichte, aber auch das nahezu ausschließlich auf die Steuer bezogene, ausdifferenzierte Verteilungssystem der Art. 104a ff. GG bringen zum Ausdruck, dass das Grundgesetz die besondere Bedeutung der Steuer für die Finanzierung des Staates anerkennt. 6. Die Verfassung weist der Steuer nicht nur eine herausgehobene Stellung innerhalb der Abgaben zu, sie legt auch verbindlich fest, was begrifflich unter dem Abgabentyp der Steuer zu verstehen ist. Der Text des Grundgesetzes enthält zwar keine ausdrückliche Steuerdefinition. Aus den Vorgaben der Art. 104a ff. GG lässt sich jedoch ein verfassungsrechtlicher Steuerbegriff entwickeln. Steuern können demnach umschrieben werden als Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlichrechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von nicht zweckgebundenen Einnahmen dem Einzelnen auferlegt werden. 7. Das Steuerstaatsprinzip enthält ebenso wie der verfassungsrechtliche Steuerbegriff verbindliche Vorgaben über die Finanzierung von staatlichen Aufgaben. Zu diesen Direktiven zählt auch die Verpflichtung des Staates, für die Erfüllung allgemeiner Staatsaufgaben ausschließlich Steuermittel einzusetzen. Allgemeine Staatsaufgaben lassen sich dabei zum einen verstehen als unbestimmte Aufgaben, die zum Zeitpunkt der Steuererhebung ihrem Inhalt nach noch nicht fest umrissen sind. Berücksichtigt man zum anderen jedoch, dass die Steuer ihrem Wesen nach eine allgemeine Last ist, lassen sich allgemeine Staatsaufgaben in einem qualitativen Sinne begreifen als Aufgaben, die der Staat für die Gesamtheit der auf seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen erfüllt. Dort, wo der Staat für eine unbestimmte Zahl von Menschen tätig wird, sind die durch die Maßnahme entstehenden Kosten über Steuermittel zu finanzieren. 8. Neben einer Steuerdefinition lässt sich dem Grundgesetz auch ein eigener Begriff der Gebühr entnehmen. Gebühren sind nach dem Verständnis der Verfassung öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme dem Gebührenschuldner auferlegt werden. Sie grenzen sich von der „voraussetzungslos“ erhobenen Steuer durch das Merkmal der individuellen Zurechenbarkeit ab. Begrifflich liegt eine Gebühr somit nur dann vor, wenn eine Abgabe als Gegenleistung für eine spezielle staatliche Maßnahme erhoben wird. Bei der Entscheidung darüber, welche staatlichen Leistungen im Einzelfall individuell zurechenbar sind, kommt dem Staat jedoch ein weitreichendes Ermessen zu. Die Verfassung schränkt das Gebührenerfindungsrecht des Gesetzgebers damit nicht bereits auf der begrifflichen Ebene ein.

Ergebnisse der Untersuchung

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9. Das Ermessen des Gebührengesetzgebers, dies hat die Untersuchung gezeigt, wird indes durch andere Vorgaben der Verfassung begrenzt. Rechtsprechung und Literatur haben verschiedene Ansätze entwickelt, die den einfachen Gesetzgeber bei der Erhebung von Gebühren leiten und mäßigen sollen. Zu einer effektiven Begrenzung der Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht eignen sie sich jedoch nicht. Ein Teil der vorgeschlagenen Lösungen hält nur solche Kriterien bereit, die die Gebühr der Höhe nach begrenzen können (Kostendeckungsprinzip, Äquivalenzprinzip). Andere Ansätze wären zwar dazu geeignet, die Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht auch dem Grunde nach zu begrenzen, ihnen fehlt jedoch die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit (überwiegendes öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr). Der einfache Gesetzgeber ist daher bei der Schaffung neuer Gebührentatbestände nicht an sie gebunden. 10. Der in dieser Arbeit entwickelte Ansatz kombiniert Aussagen der Staatsaufgabenlehre mit den Vorgaben des Steuerstaatsprinzips. Auf diese Weise lässt sich die Gebührenerhebung für die staatliche Aufgabe der Gefahrenabwehr effektiv begrenzen. Sofern nicht ausgeschlossen ist, dass der Staat bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr von seinem Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit Gebrauch macht, mithin der Kernbereich hoheitlichen Handelns in Rede steht, muss er diese Maßnahmen durch die von der Allgemeinheit zu tragende Steuer finanzieren. Der hier entwickelte Ansatz leitet seine Kriterien aus dem Grundgesetz her; er bindet so den einfachen Gesetzgeber bei der Schaffung neuer Gebührentatbestände. Zudem kann er aufgrund seiner leicht handhabbaren Maßstäbe ein hohes Maß an Rechtssicherheit für sich in Anspruch nehmen.

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Sachverzeichnis Abgaben – im Steuerstaat 197 ff., 204 f. Adressaten der Beleihung 47, 62 f. Allgemeine Staatslehre 33 f., 102, 104 Angelegenheiten – öffentliche 49 ff. – private 47, 57 Annexkompetenz 307 f. Äquivalenzprinzip 24, 26, 296 f., 329 ff., 337 – verfassungsrechtliche Verbindlichkeit 330, 338 – und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 331, 333 f., 338 Aufgaben – Begriff 149 – gesellschaftliche 38 – öffentliche siehe dort – staatliche siehe Staatsaufgaben Aufgabenkatalog – Grundgesetz 43, 45, 263, 266 Aufgabenträger – mittelbare Staatsverwaltung 73 ff. – Staatsaufgabe und öffentliche Aufgabe 56 ff. – unmittelbare Staatsverwaltung 92 ff. Begrenzung der Gebührenerhebung 305 ff., 338 – allgemeine Handlungsfreiheit 324, 327 – Äquivalenzprinzip 329 ff. – Berufsfreiheit 321 f. – Bestimmtheitsgebot 314 f. – Eigentumsfreiheit 322 ff.

– – – – –

Gesetzgebungskompetenzen 307 ff. Grundrechte 320 ff. Polizeikostenrecht 307 ff. Religionsfreiheit 326 f. durch Staatsaufgabenlehre und Steuerstaatsprinzip 338 ff., 342 f., 344 f. – überwiegendes öffentliches Interesse 316 ff. – verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff 306 f. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 333 f. – Versammlungsfreiheit 325 f. – Vorbehalt des Gesetzes 312 ff. Beitrag – Abgrenzung zur Gebühr 249 – Begriff 249 Beleihung 62 ff. – Abgrenzung zur Beauftragung 72 – Abgrenzung zur privatrechtlich organisierten Verwaltung 67 f. – Abgrenzung zur Verwaltungshilfe 68 – Adressaten siehe Adressaten der Beleihung – Begriff 64 ff. – einfachgesetzliche Anforderungen 65 f. – TÜV 63, 74 – und Verwaltungsaufgaben 100 – Vorteile für den Staat 65 Beliehene 62 ff. – Erfüllung von Staatsaufgaben 66 f., 86 Benutzungsgebühr 18 f., 101, 276 – Abgrenzung zur Verwaltungsgebühr 302 f. – Begriff 301 – Einsatzfelder 18, 276, 301

Sachverzeichnis Demokratie und Gemeinwohl 122, 125 Dominialwirtschaft 194 f. Doppelfunktion der Polizei 308, 311 Eroberungstheorie siehe Machttheorie Finanzierungsfunktion – bei Gebühren 283 ff. – bei Steuern 250 ff. Finanzverfassung 224 ff. – des Grundgesetzes 225 ff. – und nichtsteuerliche Abgaben 225 ff., 239 ff. – Schutzfunktion 227 f. – als Steuerverfassung 241 Fiskalische Hilfsgeschäfte – und Gemeinwohl 95 – Staatsaufgabenerfüllung 94 ff. Flugsicherheitsgebühr siehe Luftsicherheitsgebühr Gebühr – Abgrenzung zum Beitrag 249 – Benutzungsgebühr siehe dort – Gesetzgebungsgebühr 101 – individuelle Zurechenbarkeit 249, 289, 299, 340 – Leistung und Gegenleistung 286 ff. – Regierungsgebühr 101 – Verwaltungsgebühr siehe dort – Verleihungsgebühr siehe dort Gebührenarten 300 ff. Gebührenbegriff – doppelgliedriger 272 f., 290 f. – einfachgesetzlicher 270 ff. – Einnahmeerzielung 283 ff. – formeller 287 f. – und Gebührenrechtfertigung 299 f. – Gegenleistungsbezogenheit 286 ff. – historische Entwicklung 271 ff. – und Höhe der Gebühr 292 f., 296

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– als „mitgeschriebenes Verfassungsrecht“ 280 – streng formeller 288 ff. – traditioneller 270, 276 f. – verfassungsrechtlicher 275 ff., 282 f., 283 ff., 286 ff., 300 – und verfassungsrechtlicher Steuerbegriff 280 f. Gebührenbemessung – Äquivalenzprinzip siehe dort – Kostendeckungsprinzip siehe dort – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 333 f. Gebührenerhebung – Begrenzung siehe Begrenzung der Gebührenerhebung – Bestimmtheitsgrundsatz 314 f. – Geschichte der 19 ff., 271 ff. – und Grundrechte 320, 321 f., 322 ff., 324, 325 f., 326 f., 327 – und Polizeikostenrecht 307 ff. – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 24, 312 ff. – und Rechtsprechung 20, 278 f. – Vorbehalt des Gesetzes 312 ff. Gefahrenabwehr – als ausschließliche Staatsaufgabe 181 ff., 189 – Begriff 160 ff., 164 – im engeren Sinne 163 ff. – und Gewaltmonopol des Staates 182 f., 184 f. – und grundrechtliche Schutzpflichten siehe dort – als Kernaufgabe des Staates 191, 261 ff. – als obligatorische Staatsaufgabe 185 ff. – private Sicherheitsdienste 161, 182 f. – Schutzgüter 163 – staatliche 163, 341 – als Staatsaufgabe 160 ff. – im weiteren Sinne 161 f., 341

392

Sachverzeichnis

Gemeinwohl 124 ff. – Begriff 125 f. – Doppelnatur 128 f. – und Gebührenerhebung 343 – Gehalt 125 f. – und Menschenwürde 126 f. – und Sicherheit 136 – und Staatstheorie 124 – als Staatszweck 124 ff. – verfassungsrechtliche Verortung 126 ff. Gemeinwohlorientierung – staatlichen Handelns 17, 129, 343 Gesellschaftsvertrag siehe Vertragstheorie Gewaltmonopol des Staates 114, 131, 172 f., 185, 341 Großveranstaltungen – und Gebührenerhebung 20 ff. Grundgesetz – als Rahmenordnung 277 f. Grundrechte – als Abwehrrechte 172 f. – als Grenze der Gebührenerhebung im Gefahrenabwehrrecht 320, 321 f., 322 ff., 324, 325 f., 326 f., 327 – und staatliche Schutzpflichten 169 ff. siehe auch Grundrechtliche Schutzpflichten Grundrechtliche Schutzpflichten – sog. abwehrrechtliche Lösung 172 ff. – Bundesverfassungsgericht 169 ff. – dogmatische Herleitung 169 ff., 172 ff. – und Gefahrenabwehr 164 f., 167 ff., 267 f. – ideengeschichtliche Herleitung 175 f. – Sozialstaatsprinzip 174 f. – und Staatsaufgaben 166 ff. – Wortlaut-These 174 Grundsatz der Belastungsgleichheit 223 f.

Juristische Person des öffentlichen Rechts 76 ff. – Begriff 76 – Grundrechtsberechtigung 86, 91 – Staatsaufgabenerfüllung 91

Indienstnahme – Begriff 72

Nichtsteuerliche Abgaben – Rechtfertigung 205 ff.

Kirchensteuer 84 Kommunalaufgabe – Begriff 90 – und Staatsaufgabe 90 f. Kommunale Gebietskörperschaften – und Grundrechte 87 ff. – und mittelbare Staatsverwaltung 89 – Selbstverwaltungsgarantie 87, 89 – Staatsaufgabenerfüllung 86 ff. Kompetenznormen – Begriff 156 – und Staatsaufgabenbegriff 158 Kostendeckungsprinzip 24, 219, 334 ff. – Gebot der Kostendeckung 335 – generelles 336 – Kostenüberschreitungsverbot 335 – spezielles 335 – verfassungsrechtliche Verbindlichkeit 336 f. Luftsicherheitsgebühr 22, 302 Machttheorie 114 ff. Mittelbare Staatsverwaltung – Aufgabenträger 73 ff. – Gemeinden 86 ff. siehe auch Kommunale Gebietskörperschaften – und gesellschaftliche Sphäre 77 – öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften 81 ff. – Rundfunkanstalten 75, 78 f. – Staatsaufgaben 74 ff., 77 – Universitäten siehe dort

Sachverzeichnis Öffentliche Aufgabe 49, 55, 56 ff. Öffentliche Sicherheit und Ordnung – als Schutzgut des Polizeirechts 163 Öffentliche Unternehmen 58 ff. – Begriff 58 – Grundrechtsbindung 60 – Organisationsformen 58 f. – Staatsaufgabenerfüllung 96 Öffentliches Interesse 49 ff. – Abgrenzung zum privaten Interesse 50, 52 ff., 55 – Begriff 50 – einfachgesetzliche Ausprägungen 51 – und Staatsaufgaben 49 f. Patriarchaltheorie 109 ff. Patrimonialtheorie 111 ff., 120 Polizeigebühren 25, 27, 307 ff., 321, 325 Polizei- und Ordnungsrecht – und Gefahrenabwehr 162 ff. Prinzip des Steuerstaates siehe Steuerstaatsprinzip Privatinteresse 51 ff. Religionsgemeinschaften 81 ff. – und mittelbare Staatsverwaltung 85 – öffentlich-rechtliche 82 – in privater Rechtsform 83 – Religionsfreiheit 82 – und Staatsaufgabenerfüllung 81 ff., 85 f., 96 – Trennung von Staat und Kirche 84 f. Religiöse Theorie 107 ff., 122, 136 – civitas dei 108 – civitas terrena 108, 136 Rundfunkanstalten – „Rundfunkgebühr“ 258 – Staatsaufgabenerfüllung 78 f., 85 f., 96 – Staatsfreiheit des Rundfunks 79 Schutzpflichten, grundrechtliche grundrechtliche Schutzpflichten

siehe

393

Sicherheit, innere – als Staatsziel 140, 143 ff. – als Staatszweck 134 ff. Sozialer Rechtsstaat 221 ff. Sozialstaatsprinzip 140, 216 ff. Sozialversicherung 339 f. – Gesetzgebungskompetenz 203 Sozialversicherungsbeiträge 219, 340 Staat, moderner – Entstehung siehe Staatenbildung – Zweck 120 ff. Staatenbildung 106 ff. – Erklärungsmodelle 107 ff., 109 ff., 111 ff., 114 ff., 116 ff. – primäre 107 – Prozess der 119 f. – und Rechtfertigung des Staates 106, 120 f. – sekundäre 107 Staatsaufgaben – Abgrenzung zu Funktionen des Staates 155 – Abgrenzung zu Kompetenzen des Staates 156 ff. – Abgrenzung zu öffentlichen Aufgaben 56 ff. – allgemeine 260, 262 ff., 268 – Aufgabenträger 56 ff. – Aussagen im Grundgesetz 35 ff., 38 f. – ausschließliche 181 – und Befugnisse 158 f. – und Beliehene siehe dort – besondere 260 – fakultative 185 ff. – finale 187 f., 251 – Finanzierung 259 ff. – und grundrechtliche Schutzpflichten 166 ff. – instrumentale 187 f. – und Kompetenzkataloge des Grundgesetzes 38 f.

394

Sachverzeichnis

– konkurrierende 181 – Lehre von den siehe Staatsaufgabenlehre – mittelbare Staatsverwaltung siehe dort – obligatorische 185 ff. – öffentliche Unternehmen siehe dort – Privatrechtssubjekte 57 ff. – und Staatsziele 145 ff., 149 f., 152 ff. – und Staatszwecke 145 ff., 150 f., 153 f. – Systematisierung 180 ff. – Umweltschutz 44 – und Verwaltungsaufgaben siehe dort Staatsaufgabenbegriff 31 ff. – formeller 41 ff., 44 ff., 48, 96 – im Grundgesetz 35 ff. – und Kompetenzkataloge der Art. 72 ff. GG 38 f. – materieller 40 f., 44 ff. – in Rechtsprechung und Lehre 40 ff. – und Staatsaufgabenlehre 34 – und Subsidiaritätsprinzip 43, 96 – überwiegend formeller 46, 48, 96 f. Staatsaufgabenlehre – Begriff 34 – disziplinäre Verortung 32 ff. – und Staatsrecht 33 f. – und Steuerstaatsprinzip 264, 265 ff. Staatseinnahmen – Grundsatz der Nonaffektation 285 Staatsfinanzierung – als instrumentale Staatsaufgabe 188, 251 Staatsfunktionen – Begriff 155 Staatslehre, Allgemeine siehe Allgemeine Staatslehre Staatsziele 137 ff. – Begriff 137 f. – disziplinäre Verortung 103 – und Gemeinwohl 141 – im Grundgesetz 139 ff.

– – – –

primäre 142 rechtliche Verbindlichkeit 137 f. sekundäre 142 und Staatsaufgaben 145 ff., 149 f., 152 ff. – und Staatszielbestimmungen 138 – und Staatszwecke 137, 145 ff., 151 f. – Systematisierung 142 f. – Umweltschutz 140 – in der Weimarer Reichsverfassung 139 Staatszwecke – absolute 104, 121 f. – und allgemeine Staatslehre 102, 104 – Begriff 103 ff. – disziplinäre Verortung 46, 102 – Freiheit 132 f. – fundamentale 134, 136 – und Gemeinwohl 124 ff. siehe auch dort – innere Sicherheit 134 ff. – klassische 46, 136 – physische Sicherheit 130 f. – primäre 123 f., 136 – Quadriga der 129 ff. – und Rechtfertigung von Staatlichkeit 105 – relative 104, 121 f. – sekundäre 123 f. – soziale Sicherheit 133 f. – und Staatsaufgaben 145 ff., 150 f., 153 f. – und staatsrechtlicher Positivismus 105 – und Staatsziele 137, 145 ff., 151 f. – Trias der 129 ff. Staatszwecklehre 102 f., 105 f. – und Allgemeine Staatslehre 102 Status naturalis siehe Vertragstheorie Status civilis siehe Vertragstheorie Steuerbegriff – einfachgesetzlicher 242 f., 254 – enger 246

Sachverzeichnis – Gegenleistungsunabhängigkeit 248 ff. – Herleitung aus dem Grundgesetz 241 ff. – Merkmale 244 f., 245 f., 246 ff., 248 ff., 250 ff. – verfassungsrechtlicher 241 ff., 253 – weiter 248 Steuern – und allgemeine Staatsaufgaben 203 ff., 250 ff. – als Ausdruck der Allgemeinheit der Last 223 f., 254 f. – als Ausdruck der Gleichheit der Bürger 256 – als Ausdruck der Unbefangenheit staatlicher Aufgabenerfüllung 257 f. – Begriff siehe Steuerbegriff – Fiskalzweck 251 – als Gemeinlast 254 f., 260 – und Kommunalabgabenrecht 233, 237 f. – Kopfsteuern 256 – Leistungsfähigkeitsprinzip 215, 223 f. – und nichtsteuerliche Abgaben 203 ff., 248 ff. – und Sonderabgaben 252, 259 ff. – Wesensmerkmale 254 ff. Steuerstaat – Entstehung 193 ff. – als Finanzstaat 193 – als Verfassungsvoraussetzung 210 ff. Steuerstaatsprinzip – und Finanzverfassung 224 ff., 236 ff. – Gehalt 196 ff., 200 ff. – und Grundrechte 207 f. – quantitativ-beschreibende Dimension 197 ff. – rechtliche Verbindlichkeit 207 f., 209 ff. – und Rechtsstaatsprinzip 214 ff. – und sozialer Rechtsstaat 221 ff. – und Sozialstaatsprinzip 216 ff.

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– Trennung von Staat und Wirtschaft 200 ff. – als Verfassungsentscheidung 209 f., 234 ff., 239 ff., 269 – als Verfassungsprinzip 239, 241 – verfassungsrechtliche Verankerung 214 ff., 216 ff., 221 f., 223 f., 224 ff. – als Verfassungsvoraussetzung 210 ff. – Vorrang der Steuerfinanzierung 203 ff., 269 Subsidiaritätsprinzip – und Grundgesetz 43, 48, 97 – katholische Soziallehre 48 – Staatsaufgaben 97 Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 205, 216 UMTS-Lizenz 228 Universitäten – Grundrechtsbindung 80 – mittelbare Staatsverwaltung 81 – Staatsaufgabenerfüllung 80 f. – Wissenschaftsfreiheit 80 Unmittelbare Staatsverwaltung 92 ff. – Bundesverwaltung 92 f. – Landesverwaltung 93 f. – Staatsaufgabenerfüllung 92 ff., 96 f. Verfassungsentscheidung – und Grundgesetz 209 f. – als Kategorie des Verfassungsrechts 210 Verfassungsvoraussetzung – Begriff 211 – einfache 212 – als Kategorie der Verfassungstheorie 210 f. – qualifizierte 212 Verleihungsgebühr – Begriff 303 – als eigene Gebührenart 303 ff.

396

Sachverzeichnis

– als „Preis für Freiheit“ 304 Vertragstheorie 116 ff., 120 – und Grundgesetz 118 – pactum subjectionis 117 – pactum unionis 117 – und physische Sicherheit 130 – status civilis 111, 116, 343 – status naturalis 130, 343 Verwaltung – Begriff 97 f. – funktioneller Behördenbegriff 99 – organisatorischer Behördenbegriff 99 Verwaltungsaufgaben – Abgrenzung zu Staatsaufgaben 97 ff.

– Begriff 100 – Kostenpflicht 100 f. Verwaltungsgebühr 19, 100 – Abgrenzung zur Benutzungsgebühr 302 f. – Begriff 302 Verwaltungsgebührengesetz 19, 274 Verwaltungshilfe 68 f. – und Aufgabenerfüllung 69 – Funktion 69 Verwaltungssubstitution 70 f. – Abgrenzung zur Beleihung 71