Fußball im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle 1900–1952: Eine transnationale Geschichte politischer Inszenierung und sportlicher Emanzipation 3515108939, 9783515108935

Geprägt von Bergbau und Industrie war der saarländisch-lothringische Grenzraum über viele Jahrzehnte hinweg der Spielbal

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung und Verortung
Einleitung
Thema und Forschungsstand
Untersuchungsgegenstand
Thematische Verortung in der Geschichte des Sports
Der saarländisch-lothringische Grenzraum in der Forschung
Erkenntnisinteresse und Methode
Fußball als Inszenierungsraum
Fußballgeschichte als Verflechtungsgeschichte
Quellenlage und Gliederung
Archivalien und gedruckte Quellen
Sportpublizistik
Aufbau und Gliederung
1 Verortungen
1.1 Gesellschaft und Politik an Saar und Mosel im 19. Jahrhundert
1.2 Die Vereinskultur an der Saar und in der Moselle
1.3 Nation und Integration. Die deutsche Turnbewegung an Saar und Mosel
Teil I Fußball ohne Grenzen. Die Entwicklung der Fußballvereine an der Saar und in Lothringen bis 1918
2 Die Formierung des organisierten FuSSballsports
2.1 Zwischen internationalem Flair und Volksspiel. Die Anfänge des Fußballs in Südwestdeutschland
2.2 Zwischen Schulbank und Barren Die ersten Fußballvereine an Blies, Saar und Mosel
2.3 Institutionalisierung und Bürokratisierung Der Saargau im Verband Süddeutscher Fußballvereine
3 Der Fußballverein als sozialer Raum
3.1 Von Wirtshäusern und großen Fahrten Die Fußballvereinskultur und die Eroberung des Raumes
3.2 Integration und Fragmentierung Sport und Katholizismus zwischen Deutschland und Frankreich
3.3 Von der Selbstinszenierung zum Zuschauersport Die Professionalisierung der Fußballvereine
4 Der Fußballverein als politischer Raum
4.1 Jugend im Rampenlicht Die Fußballvereine und die Jugendpflege
4.2 Fußball und Stadt Die Vereine und die Anfänge der kommunalen Sportpolitik
4.3 Fußball ohne Grenzen? Zwischen Kosmopolitismus, Heimat und Vaterland
4.4 Epilog: Das Erbe des Weltkriegs
Erste Zwischenbetrachtung Der Vereinspragmatismus als Grundprinzip
Teil II Fußball als Grenzfall Die getrennten Wege der Fußballvereine an der Saar und in der Moselle 1919–1939
5 Der Nation verpflichtet Der Aufbruch des kommerzialisierten Fußballs im deutsch-französischen Grenzraum
5.1 Ein Hauch von Weltfußball Die „kurze Scheinblüte“ des Saarfußballs 1919–1924
5.2 Das Werben um den Sport. Die Fußballvereine im Saargebiet zwischen Vaterlandsliebe, Anpassung und Vereinsegoismus 1919–1925
5.3 Eine Welt für sich Die Ligue Lorraine de Football und das deutsche Erbe in der Moselle
5.4 „... ils doivent aimer la France.“ Die Republikanisierung der Fußballvereine in der Moselle
6 Fußball im Fokus Im Spannungsfeld von Ideologie, Politik und Kommerz
6.1 Falsches Spiel? Der Saarfußball und die gefühlte Krise, 1925–1933
6.2 Die Absage an den Selbstzweck des Fußballs Das Scheitern des „wilden Profitums“ in Saarbrücken 1932/33
6.3 Ein Verein der Profis und der Legionäre Der Football-Club de Metz
6.4 Das Spiel als Inszenierungsraum Die Fußballvereine und die „Saarkampagne“
6.5 „Volksgemeinschaft“ und Vereinspatriotismus Der Saarfußball im „Dritten Reich“ 1933/35 bis 1939
7 Grenz-Fußball. Der saarländisch-lothringische Fußballsport zwischen Entfremdung und Annäherung
7.1 Genua statt Metz Die Nicht-Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg 1919–1924
7.2 Die Rückkehr der „alten Spielgefährten“ Die Wiederaufnahme des Spielverkehrs seit 1924
7.3 Im Schatten der Maginot-Linie und des Westwalls Der deutsch-französische Spielverkehr 1933/35 bis 1939
Zweite Zwischenbetrachtung Fußball als Inszenierungsraum, 1919 bis 1939
Teil III. Fußball als Grenzgänger Die Fußballvereine in der Westmark und an der autonomen Saar, 1940–1952
8 Inszenierte Normalität Fußball im Sportgau Westmark 1940–1944
8.1 Prolog Der Fußballbetrieb in der „Drôle de guerre“ 1939/40
8.2 Von Südwest zur Westmark. Der „völkische“ Auftrag des Sports im Grenzraum
8.3 Kontinuitäten und Brüche Die Reorganisation des Fußballs in der Moselle 1940/41
8.4 Fußball als inszenierte Normalität im Krieg Die Gauliga Westmark 1941–1944
9 Fußball zwischen Deutschland, Frankreich und Europa
9.1 Sportlicher Sonderweg Fußball unter Ausnahmebedingungen an der Saar, 1945–1948
9.2 „La vie reprend …“ Die Croix de Lorraine und der lothringische Fußball
9.3 Von Utopisten, Patrioten und Pragmatikern Die „Affiliation“ und die Suche nach dem richtigen Spiel
9.4 Fußball und Identitätspolitik Der saarländische Vereinspragmatismus zwischen Europa und Deutschland
9.5 Vom Gegeneinander zum Miteinander Saarländisch-lothringische Begegnungen in der Nachkriegszeit
Dritte Zwischenbetrachtung Der instrumentalisierte FuSSball 1940–1952
Schlussbetrachtung
Fussballvereine als gesellschaftliche und sportpolitische Akteure
Das Fussballspiel als mehrdimensionaler Inszenierungsraum
Die lothringisch-saarländischen Fussballbeziehungen: Eine Bilanz
Ausblick
ANHANG
Kurzbiografien
Abkürzungsverzeichnis
Ortsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
Literatur
Personenregister
Danksagung
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Fußball im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle 1900–1952: Eine transnationale Geschichte politischer Inszenierung und sportlicher Emanzipation
 3515108939, 9783515108935

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Bernd Reichelt

Fußball im deutschfranzösischen Grenzraum Saarland/Moselle 1900–1952 Eine transnationale Geschichte politischer Inszenierung und sportlicher Emanzipation

11 Geschichte Franz Steiner Verlag

SR des Deutsch-Französischen Historikerkomitees

Bernd Reichelt Fußball im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle 1900–1952

schriftenreihe des deutsch-französischen historikerkomitees Im Einvernehmen mit dem Deutsch-Französischen Komitee für die Erforschung der deutschen und französischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts herausgegeben von Etienne François und Wilfried Loth band 11

Bernd Reichelt

Fußball im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle 1900–1952 Eine transnationale Geschichte politischer Inszenierung und sportlicher Emanzipation

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014 Zugleich Dissertation an der Universität Kassel, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Disputation 18.07.2013 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-515-10893-5 (Print) ISBN 978-3-515-10894-2 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS EINFÜHRUNG UND VERORTUNG Einleitung ................................................................................................................. 9 1 Verortungen .................................................................................................... 32 1.1 Gesellschaft und Politik an Saar und Mosel im 19. Jahrhundert .................... 32 1.2 Die Vereinskultur an der Saar und in der Moselle ......................................... 39 1.3 Nation und Integration. Die deutsche Turnbewegung an Saar und Mosel ..... 45

TEIL I: FUSSBALL OHNE GRENZEN. DIE ENTWICKLUNG DER FUSSBALLVEREINE AN DER SAAR UND IN LOTHRINGEN BIS 1918 2 Die Formierung des organisierten Fußballsports ............................................ 56 2.1 Zwischen internationalem Flair und Volksspiel. Die Anfänge des Fußballs in Südwestdeutschland ......................................... 56 2.2 Zwischen Schulbank und Barren. Die ersten Fußballvereine an Blies, Saar und Mosel ...................................... 61 2.3 Institutionalisierung und Bürokratisierung. Der Saargau im Verband süddeutscher Fußballvereine.................................. 74 3 Der Fußballverein als sozialer Raum .............................................................. 84 3.1 Von Wirtshäusern und großen Fahrten. Die Fußballvereinskultur und die Eroberung des Raumes ............................. 84 3.2 Integration und Fragmentierung. Sport und Katholizismus zwischen Deutschland und Frankreich .................. 91 3.3 Von der Selbstinszenierung zum Zuschauersport. Die Professionalisierung der Fußballvereine ................................................ 101 4 Der Fußballverein als politischer Raum ....................................................... 107 4.1 Jugend im Rampenlicht. Die Fußballvereine und die Jugendpflege ............ 107 4.2 Fußball und Stadt. Die Vereine und die Anfänge der kommunalen Sportpolitik ....................... 120 4.3 Fußball ohne Grenzen? Zwischen Kosmopolitismus, Heimat und Vaterland .................................... 126 4.4 Epilog: Das Erbe des Weltkriegs .................................................................. 136 Erste Zwischenbetrachtung: Der Vereinspragmatismus als Grundprinzip .......... 143

6

Inhaltsverzeichnis

TEIL II: FUSSBALL ALS GRENZFALL. DIE GETRENNTEN WEGE DER FUSSBALLVEREINE AN DER SAAR UND IN DER MOSELLE, 1919–1939 5 5.1 5.2 5.3 5.4 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

DER NATION VERPFLICHTET. Der Aufbruch des kommerzialisierten Fußballs im deutsch-französischen Grenzraum ................................................................ 147 Ein Hauch von Weltfußball. Die kurze „Scheinblüte“ des Saarfußballs, 1919–1924 ................................ 147 Das Werben um den Sport. Die Fußballvereine im Saargebiet zwischen Vaterlandsliebe, Anpassung und Vereinsegoismus, 1919–1925 ............................................. 157 Eine Welt für sich. Die Ligue Lorraine de Football und das deutsche Erbe in der Moselle ....... 171 „... ils doivent aimer la France.“ Die Republikanisierung der Fußballvereine in der Moselle ......................... 181 FUSSBALL IM FOKUS. Im Spannungsfeld von Ideologie, Politik und Kommerz ............................. 189 Falsches Spiel? Der Saarfußball und die gefühlte Krise, 1925–1933 .................................... 189 Die Absage an den Selbstzweck. Das Scheitern des „wilden Profitums“ in Saarbrücken, 1932/33 ................. 198 Ein Verein der Profis und der Legionäre. Der Football-Club de Metz ........................................................................... 207 Das Spiel als Inszenierungsraum. Die Fußballvereine und die „Saarkampagne“............................................... 221 „Volksgemeinschaft“ und Vereinspatriotismus. Der Saarfußball im „Dritten Reich“, 1933/35–1939 .................................... 235

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GRENZ-FUSSBALL. Der saarländisch-lothringische Fußball zwischen Entfremdung und Annäherung ..................................................... 251 7.1 Genua statt Metz. Die Nicht-Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg, 1919–1924 ....................................................... 251 7.2 Die Rückkehr der „alten Spielgefährten“. Die Wiederaufnahme des Spielverkehrs seit 1924 ....................................... 258 7.3 Im Schatten der Maginot-Linie und des Westwalls. Der deutsch-französische Spielverkehr 1933/35 bis 1939............................ 266 Zweite Zwischenbetrachtung: Fußball als Inszenierungsraum, 1919–1939 ........ 274

Inhaltsverzeichnis

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TEIL III: FUSSBALL ALS GRENZGÄNGER. DIE FUSSBALLVEREINE IN DER WESTMARK UND AN DER AUTONOMEN SAAR 1940–1952 8 INSZENIERTE NORMALITÄT. Fußball im Sportgau Westmark ............. 281 8.1 Prolog: Der Fußballbetrieb in der „Drôle de Guerre“ 1939/40 .................... 281 8.2 Von Südwest zur Westmark. Der „völkische“ Auftrag des Sports im Grenzraum ..................................... 285 8.3 Kontinuitäten und Brüche. Die Reorganisation des Fußballs in der Moselle 1940/41 ............................ 293 8.4 Fußball als inszenierte Normalität im Krieg. Die Gauliga Westmark 1941–1944 .............................................................. 299 9 Fußball zwischen Deutschland, Frankreich und Europa .............................. 311 9.1 Sportlicher Sonderweg. Fußball unter Ausnahmebedingungen an der Saar, 1945–1948 ................... 311 9.2 „La vie reprend...“. Die Croix de Lorraine und der lothringische Fußball ................................... 321 9.3 Von Utopisten, Patrioten und Pragmatikern. Die „Affiliation“ und die Suche nach dem richtigen Spiel........................... 327 9.4 Fußball und Identitätspolitik. Der saarländische Vereinspragmatismus zwischen Europa und Deutschland ............................................................... 337 9.5 Vom Gegeneinander zum Miteinander. Saarländisch-lothringische Begegnungen in der Nachkriegszeit ................. 347 Dritte Zwischenbetrachtung. Der instrumentalisierte Fußball 1940–1952 .......... 354

SCHLUSSBETRACHTUNG ............................................................ 358 Fußballvereine als gesellschaftliche und sportliche Akteure ............................... 359 Das Fußballspiel als mehrdimensionaler Inszenierungsraum .............................. 362 Die lothringisch-saarländischen Fußballbeziehungen: Eine Bilanz .................... 364 Ausblick ............................................................................................................... 366

ANHANG........................................................................................... 368 Kurzbiografien ..................................................................................................... 368 Ortsverzeichnis .................................................................................................... 382 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ 384 Quellen- und Literaturverzeichnis ....................................................................... 385 Personenregister ................................................................................................... 417 Danksagung ......................................................................................................... 420

EINFÜHRUNG UND VERORTUNG EINLEITUNG Thema und Forschungsstand Untersuchungsgegenstand Der 23. Juli 1949 sollte sowohl für den französischen als auch für den saarländischen Fußball weitreichende Bedeutung haben. An diesem heißen Sommertag tagte in der Rue de Clichy in Paris der nationale Fußballverband Frankreichs, die Fédération Française de Football Association (FFFA).1 Nach dem Verlesen des jährlichen Tätigkeitsberichts meldete sich der Generalsekretär des elsässischen Fußballverbandes Ligue d’Alsace de Football-Association (LAFA) zu Wort: Aimé Gissy, seit Jahren die tonangebende Persönlichkeit des elsässischen Fußballs, bemängelte, im Jahresbericht sei keine Rede davon gewesen, dass der F.C. Sarrebruck in der abgelaufenen Saison in der zweiten französischen Liga „à titre amical“ teilgenommen habe. Auch sei dem bereits getroffenen Beschluss des Vorstandes, den saarländischen Verein ab der kommenden Spielzeit provisorisch der FFFA anzugliedern, seitens der Verbandsdelegierten noch nicht zugestimmt worden. Umgehend wurde beschlossen, diesen Sachverhalt zu diskutieren. Nach einer emotional geführten Debatte, in welcher auch die Résistance und das Massaker von Oradour2 zur Sprache kamen, stimmte die Versammlung bei einem Dutzend Enthaltungen dafür, die „Affiliation“ des 1. FC Saarbrücken rückgängig zu machen. Für den Präsidenten Jules Rimet, der die Angliederung auf Bitten der Politik, aber auch aus eigener Überzeugung hatte durchsetzen wollen, war dieses Ergebnis eine persönliche Niederlage. Bei der anschließenden Abstimmung über die Verlängerung der Mandate des Vorstandes wurde der seit 1919 amtierende Präsident nicht mehr im Amt bestätigt. Es war alles andere als Zufall gewesen, dass der elsässische Regionalverband dafür sorgte, dass die „Saarfrage“ für Jules Rimet zum Stolperstein wurde. Bereits einen Monat zuvor hatten die Elsässer auf ihrem Verbandstag eine Resolution verabschiedet, in der sie sich vehement gegen eine Aufnahme saarländischer Vereine aussprachen. Sie lehnten eine Instrumentalisierung des Fußballs für politische Ziele ab und erinnerten auch an die erst fünf Jahre zurückliegende „Occupation“, als elsässische Vereine gezwungen worden waren, am deutschen Fußballbetrieb

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Zum Hergang der Versammlung vgl. ausführlich PERNY: Le Football (2009), S. 368f. Am 10.6.1944 zerstörten Angehörige einer SS-Panzerdivision das französische Dorf Oradoursur-Glane und verübten ein Massaker an 642 Zivilisten. Vgl. FOUCHÉ: Oradour (2001).

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Einführung und Verortung

teilzunehmen.3 Im Gegensatz zum elsässischen hatte der lothringische Fußballverband, die Ligue Lorraine de Football (LLF), keine diesbezügliche Resolution verabschiedet. Trotz kritischer Töne aus der Moselle hatte sich der Vorstand unter dem langjährigen Vorsitzenden Maurice de Vienne auf die Seite Rimets gestellt, dessen vernünftige Gründe – so hieß es im offiziellen Mitteilungsblatt des Verbandes – leider keine Berücksichtigung gefunden hätten.4 Trotz dieser Solidaritätsadresse in Richtung Rimet lehnten die Fußballvereinsfunktionäre des Grenzdepartements Moselle, wenn auch nicht so vehement wie im Elsass, die Affiliation des Saarfußballs ebenfalls ab. Wie das Elsass war auch die Moselle im Jahr 1940 faktisch vom „Dritten Reich“ annektiert und „germanisiert“ worden. Lothringische Fußballvereine hatten dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) beitreten müssen und gemeinsam mit ihren saarländischen und pfälzischen Nachbarn in der sogenannten Gauliga Westmark gespielt. Doch eine ganz neue Erfahrung hatte dieser grenzüberschreitende Spielbetrieb nicht bedeutet, waren es doch Anfang des 20. Jahrhunderts Fußballspieler aus Lothringen und der Saargegend5 gewesen, die gemeinsam den „Saargau“ innerhalb des Verbandes Süddeutscher Fußballvereine (VsFV) gegründet hatten. Als Bezirk Lothringen war die Moselle seit 1871 Bestandteil des Deutschen Kaiserreichs gewesen. Erst mit der „Retour“ Elsass-Lothringens in die französische Republik hatte diese sportliche Verflechtung nach dem Ersten Weltkrieg ein abruptes Ende gefunden. Die fortschreitende Entwicklung zum Massen- und Zuschauersport nach 1918 fand in der Grenzregion somit unter verschiedenen politischen Vorzeichen statt. Im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit wurde die Region erneut zu einem Spielball der Politik. Auf die nationalsozialistische Annexionspolitik folgten nach 1945 die wirtschaftliche Angliederung der Saar an Frankreich und das Experiment des teilautonomen Saarlandes. Nach dem Scheitern der politisch gewollten Anbindung des saarländischen an den französischen Fußball erfolgte 1951/52 die Hinwendung des Saarfußballs nach Deutschland. Die jeweilige nationale Anbindung des Fußballs im saarländisch-lothringischen Grenzraum an den deutschen respektive französischen Verbandsfußball wurde damit verfestigt. Im Rahmen des beginnenden europäischen Integrationsprozesses seit 1950 sollten die in der Nachkriegszeit wieder aufgenommen sportlichen Beziehungen allerdings auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden. Gegenstand dieser Studie ist der Fußballsport im deutsch-französischen Grenzraum6 Saarland/Moselle im Zeitraum von den Anfängen des Fußballsports 3 4 5

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Art. L’Assemblée Générale de la LAFA a pris position dans la question de l’affiliation des clubs sarrois, in: Sport-Est, 27.6.1949. Art. Notre dernier conseil national, in: Lorraine Football, 29.7.1949, S. 1. Das Saarland entstand als politische Einheit erst 1919 und hatte verschiedene Bezeichnungen. Zur Handhabung im Rahmen dieser Studie wird für die Zeit vor 1919 der Begriff „Saargegend“ verwendet, für die Völkerbundszeit „Saargebiet“ und ab 1935 „Saarland“. Vgl. zur Problematik LAUFER: Der Weg (1995). „Grenzraum“ wird hier primär geographisch definiert. Dies impliziert den prozessualen Charakter sich verändernder staatlicher Grenzen ebenso wie das Vorhandensein eines sich überschneidenden Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraumes.

Einführung und Verortung

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bis zur Angliederung des Saarfußballs an Deutschland. Im sich überschneidenden Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraum war es trotz und wegen des ständig wechselnden Grenzverlaufs immer wieder zu Kontakten und Verflechtungen gekommen, welche sich sowohl auf der Ebene des Sportbetriebs der Vereine als auch in der französischen Saarpolitik und in der deutschen Saar- und Frankreichpolitik äußerten.7 Im Zentrum des Untersuchungsraumes stehen die Großstadt und der Ballungsraum Saarbrücken, deren größere Nachbarstädte – im Südwesten Metz und im Nordosten Neunkirchen – jedoch gleichwertig miteinbezogen werden. Alle drei Städte sind nicht nur mit den Namen großer und erfolgreicher Fußballvereine verbunden, sondern strahlten auch auf ihr Umland aus, das sie gerade im Bereich des modernen Sports entscheidend mitformten. Darüber hinaus hängt die Auswahl der Vereine und Veranstaltungen stark von der Quellenlage ab. Eingang in diese Studie finden weiter Vereine aus Völklingen und Homburg, Sarreguemines, Forbach und Thionville. Die „bürgerlichen“ Fußballvereine und deren regionale Verbände in Frankreich und Deutschland stellen die konkreten Untersuchungsgegenstände dar. Ins Blickfeld genommen werden einerseits die einzelnen Sportler und Funktionäre als auch einzelne Sportveranstaltungen. Der milieuorientierte Fußballsport wird dann in einzelnen Unterkapiteln miteinbezogen, wenn es zu entsprechenden Verflechtungen mit dem bürgerlichen Fußballsport kam. Darüber hinaus werden für die Gründungsphase die Turnvereine des saarländisch-lothringischen Grenzraums miteinbezogen, da sie zum einen bis dato im performativen wie auch im diskursiven Sinne das Feld des Sports besetzt gehalten hatten. Zum anderen fungierten sie oftmals auch als Ausgangspunkte bürgerlicher Fußballvereine. Als Protagonisten des Fußballsports werden die zu untersuchenden Vereine als selbstständige Akteure untersucht, die in einem sich wandelnden politischen und sozialen Umfeld eigene Interessen und Ziele verfolgten. In diesem Kontext werden die Handlungen und Inszenierungen der außerhalb des Sports stehenden politischen Akteure analysiert. Sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite wurden auf unterschiedlichen Ebenen und zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Ansätze zu einer Sportpolitik unternommen, die einerseits versuchte, sich den Fußballsport dienstbar zu machen, sich aber andererseits auch dem rasanten Aufstieg des modernen Sports im Allgemeinen und des Fußballs im Speziellen anpassen musste und mit ihm stets in einer Wechselbeziehung stand. Herausgearbeitet werden sollen die sportlich-kulturellen und sportpolitischen Ziele der Fußballvereine selbst sowie deren strukturelle und personelle Verflechtungen mit ihrem jeweiligen politischen Umfeld. Der umfangreiche Untersuchungszeitraum von einem halben Jahrhundert ist zweifellos mit besonderen Herausforderungen verbunden. Er ermöglicht es allerdings, die Entwicklung beziehungsweise die 7

Das Verhältnis zwischen der Moselle und der Saar bewegte sich daher in seiner Intensität auf einer völlig anderen Ebene als dasjenige zwischen der Moselle und dem Elsass oder des Saarlands und dem Elsass. Auf eine gleichwertige Einbeziehung des Elsass wurde daher in dieser Grenzraumstudie verzichtet. Analog würde sich eine Untersuchung der elsässisch-badischen Beziehungen anbieten.

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Einführung und Verortung

Emanzipation der Fußballvereine in langfristiger Perspektive in einem sich stetig wandelnden Umfeld mit politisch-historischen Umbrüchen zu analysieren. Thematische Verortung in der Geschichte des Sports Historische Studien der Geschichtswissenschaft zum Fußballsport in Deutschland und Frankreich liegen erst seit Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts vor. Gerade für Frankreich ist dieser Befund überraschend, war es doch die tonangebende Annales-Schule, die es für sich beanspruchte, mentale Strukturen und alltägliche Handlungen in die historische Forschung miteinzubeziehen.8 Tatsächlich war es aber die in Sachen Sport und Fußball wegweisende angelsächsische Sozialgeschichte, die für die Geschichtsschreibung des französischen Sports die maßgeblichen Schneisen schlug.9 Die 1981 erschienene Monographie „Sport and Society in modern France“ des englischen Historikers Richard Holt gilt bis heute als Standardwerk.10 Etwa zeitgleich wurde die Sportgeschichte von der französischen Sportwissenschaft entdeckt. Ihr Interesse galt den politischen und sozialen Funktionen der Gymnastik- und Sportbewegungen vor dem Ersten Weltkrieg.11 Dominierten Sporthistoriker der „Éducation Physique“ das Feld von der Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre, ist das Interesse der jüngeren Forschergenerationen auf die Geschichte des Sports hin ausgerichtet. Neben den politik- und sozialgeschichtlichen Herangehensweisen wurde der Sport in den letzten Jahren dabei zunehmend auch von der Genderforschung, der Wirtschafts- und der Mediengeschichte entdeckt.12 Der Fußballsport selbst ist seit den späten achtziger Jahren Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Die Grundlagen für weitere Forschungen hierfür legte der Metzer Historiker Alfred Wahl mit seiner 1989 erschienenen Studie „Les archives du football“.13 Auch in der Bundesrepublik führte die Sportgeschichte als Teildisziplin der Sportwissenschaften lange Zeit ein Nischendasein. Seit den späten 1960er Jahren wurde diese in erster Linie durch die Sportpädagogen Hajo Bernett und Horst Ueberhorst geprägt, die im Rahmen des konzeptionellen Wandels – von der „The8

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In diesem Sinne auch ARNAUD/GOUNOT: Mobilisierung (1995), S. 300. Zur „Annales“Tradition, die für die internationale Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte bis heute prägend ist vgl. zusammenfassend RAPHAEL: Geschichtswissenschaft (2003), S. 96–116. Noch immer ist die angelsächsische Forschung das Maß aller Dinge, wie das 2010 erscheinende Handbuch bezeugt, das den internationalen Forschungsstand erstmals umfassend abzubilden weiß. Vgl. POPE/NAURIGHT: Routledge Companion (2010). HOLT: Sport (1981). Vgl. ARNAUD: La Naissance (1986); ARNAUD: Les Athlètes (1987). Im Französischen wird zwischen Sport als Leistungs- und Wettkampfsport und Schulsport/Sportunterricht als Éducation physique unterschieden. Zur Sporthistoriographie in Frankreich WAHL: Le Football (1990) und DELAPLACE: Sportgeschichte (1997). Vgl. die thematische Bandbreite der zwei 2007 erschienenen Sammelbände zur Geschichte des französischen Sports von den Anfängen bis heute: TÉTART: Histoire du sport (2007). Zur Sporthistoriografie vgl. aktuell TERRET: France (2010). WAHL: Les archives (1989). Siehe seine gesammelten Beiträge: WAHL: Football (2004).

Einführung und Verortung

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orie der Leibeserziehung“ hin zur Sportwissenschaft – die Sportgeschichte dort durch zeithistorische Themen und Fragestellungen legitimierten.14 In der Geschichtswissenschaft wurden der moderne Sport und Fußball als legitime Forschungsobjekte dagegen lange nicht wahrgenommen. Wie auf der anderen Seite des Rheins beschäftigten sich auch in der Bundesrepublik erst seit Ende der siebziger Jahre zunehmend Fachhistoriker mit sporthistorischen Fragestellungen.15 Als ursächlich für diese Tendenzwende gilt zum einen ein seit den achtziger Jahren anhaltender Wachstumsschub des Spitzen- und Breitensports und zum anderen ein genereller Generationen- und Paradigmenwechsel in der Geschichtswissenschaft, mit welchem eine vermehrte Beschäftigung mit dem Thema Sport einhergegangen ist.16 Die erste Habilitationsschrift aus der Geschichtswissenschaft, die sich mit dem Sport auseinandersetzte, stammte aus der Feder der Sozialhistorikerin Christiane Eisenberg. Sie griff in ihrer 1999 publizierten Studie, die die Entwicklung des Sports in England und Deutschland vergleichend beziehungsweise als Kulturtransfer analysierte, auf die Methoden der systematischen Sozialwissenschaft zurück und verzichtete damit – anders als der Sportwissenschaftler Michael Krüger bei seiner Studie über die Geschichte des deutschen Turnens – auf eine Verortung des Sports im Zivilisationsprozess.17 Mit der allgemeinen Renaissance der „Kultur“ als Zentralkategorie der Geschichtswissenschaft seit Mitte der 1990er Jahre kam es zunehmend zu einer Hinwendung zum Fußball als Kulturphänomen. In diesem Sinne wurde auch im Jahr 2000 beim Historikertag erstmals eine Sektion für die „kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekte des Fußballs in Deutschland“ eingerichtet.18 Wolfram Pyta, Leiter der Sektion, versteht den Fußballsport als eine deutungsoffene Projektionsfläche, die anschlussfähig ist an im Umlauf befindliche handlungsorientierte Sinnkonfigurationen. Nur so könne hinreichend erklärt werden, dass der Fußball kollektiven Deutungsmustern eine Ausdrucksmöglichkeit gebe und er in bestimmten historischen Konstellationen als Ausdruck gelungener Vergemeinschaftung in Hinsicht auf die Stiftung regionaler oder nationaler Identitäten gelten könne. Pyta vertritt damit eine hermeneutische Grundposition, bei welcher die Sinnhaftigkeit des sportlichen Geschehens sich weniger durch das eigentliche sportliche Handeln manifestiert, sondern sich erst durch eine Zuweisung von außen konstituiert.19 Mit 14 Vgl. dazu zusammenfassend WEDEMEYER-KOLWE: Was ist (2002), KRÜGER: Germany (2010); zuletzt KRÜGER/LANGENFELD: Sportgeschichte (2010), hier S. 12f; LANGENFELD: Von der Geschichte (2010), hier S. 30f. 15 Zur Sporthistoriographie für Deutschland vgl. EISENBERG: Die Entdeckung (2002); speziell für den Fußballsport siehe zusammenfassend PYTA: Nicht mehr (2007). 16 Vgl. HÜSER: Moderner Sport (2006), S. 225f. 17 EISENBERG: „English Sports“ (1999); KRÜGER: Körperkultur (1996). Vgl. aktuell zur Konzeption von Sportgeschichte als Zivilisations- sowie als Gesellschaftsgeschichte deren Beiträge im Handbuch zur Sportgeschichte: KRÜGER: Sportgeschichte (2010); EISENBERG: Sportgeschichte (2010). Zum Konzept einer Kulturgeschichte des Sports vgl. THOMAS: Sportgeschichte (2009). 18 Der aus dem Historikertag hervorgegangene Sammelband: PYTA: Der lange Weg (2004). 19 Vgl. hierzu PYTA: Nicht mehr (2007), S. 69f.; PYTA: Geschichtswissenschaftliche Annäherungen (2009), PYTA: Sportgeschichte (2009), S. 340; PYTA: German Football (2006), S. 2.

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einher geht dabei eine stärkere Berücksichtigung des Fußballs als Zuschauersport. Eng damit verbunden ist auch die für diese Studie in Anspruch genommene Grundannahme, dass Fußball sich als Gesellschaftsphänomen „nie vollkommen als unabhängig oder eigenweltlich“ denken lässt, sondern „zwangsläufig verwoben“ ist mit den maßgeblichen Strukturen und Entwicklungen der Zeit.20 Dennoch versteht diese Studie gleichzeitig den Sport auch als eigenständiges kulturelles Sinnsystem, wie dies von Sven Güldenpfennig vehement eingefordert wird. Er fordert, den Fußballsport als autonome „Kunst“ wahrzunehmen und die Grenzen zwischen dem eigentlichen Sport und seiner gesellschaftlichen Umwelt zu beachten.21 Allerdings stehen in dieser Untersuchung nicht das Fußballspiel und das Handeln seiner Akteure auf dem Platz – also die agonal-performative Darbietung – im Mittelpunkt des Interesses, sondern das Institutionensystem des Fußballs, die Organisation des Sports in Verein und Verband. Indem diese Untersuchung den Fußballsport nicht nur als passives Objekt außersportlicher Interessen behandelt, sondern die Fußballvereine als aktive Akteure des Sports ins Zentrum stellt, wird der Forderung Güldenpfennigs, die Spuren des Emanzipationsprozesses des Sports ausfindig zu machen, Rechnung getragen. Berücksichtigt wird jedoch auch das eigentliche sportliche Geschehen auf dem Platz insofern, als dass angenommen wird, dass zwischen dem Spiel und seiner unmittelbaren sozialen Umgebung – sei es das Publikum auf den Rängen, der aktive Fußballspieler oder der Vereinsfunktionär – eine Wechselwirkung besteht.22 Diese Erweiterung des Sportbegriffs auf seinen organisatorisch-sozialen Kontext, wozu auch die nicht im Verein organisierte Anhängerschaft zählt, ist notwendig, da der Fußball bei einer historischen Analyse von seinem mit ihm verwobenen Umfeld nicht zu trennen ist. Die Anerkennung des Vereins- und Verbandsfußballs als eigener Akteur, der sowohl sportlich-kulturell als auch sportpolitisch handelt, korrespondiert darüber hinaus mit der Konzeption des autonomen Sportfeldes, wie sie der französische Soziologe Jacques Defrance für den Sport und auch für den Fußball festgestellt hat.23 Herausgearbeitet werden soll insbesondere, wie die Wettkampfsportart Fußball und das Streben nach sportlichem Erfolg auf dem Platz sich auf das Handeln der Vereine und ihrer Funktionäre auswirkte. Empirische Forschungen zur Vereins- und Verbandsgeschichte sind für die sozialen und kulturellen Dimensionen der Fußballgeschichte unabdingbar und erst seit der Jahrtausendwende vermehrt in Angriff genommen worden.24 Allerdings stützt sich die vorliegende Studie nicht auf einen einzelnen Verein, sondern nimmt 20 HÜSER: Moderner Sport (2006), S. 223. Vgl. hierzu auch WAHL: Sport (1995). 21 GÜLDENPFENNIG: Sport: Kunst oder Leben? (1996), S. 149–195, hier S. 151f. Siehe zuletzt seine generelle Kritik an der Sportgeschichte: GÜLDENPFENNIG: Sportgeschichte (2008). 22 Wenn auch der Forderung Güldenpfennigs prinzipiell zugestimmt wird, den eigentlichen Sport von seinen externen kulturellen Kontexten zu trennen, wird eine ebenso strikte Trennung des Sportgeschehens auf dem Platz von den Zuschauern auf den Rängen hinterfragt. Vgl. GÜLDENPFENNIG: Sport: Kunst oder Leben? (1996), S. 149–195, hier S. 173–176. 23 Vgl. DEFRANCE: Le sport français (2007), S. 89; DEFRANCE: La politique (2000), S. 26. Ausführlich zur Sportsoziologie von Jacques DEFRANCE: Sociologie du sport (52006). 24 Stilbildend für weitere Untersuchungen HERZOG: Der Betze (²2009).

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mehrere Vereine ins Blickfeld. Dadurch, dass es sich hier um eine grenzüberschreitende Region handelt, wird der Fußballsport weniger aus einer nationalen Sichtweise heraus thematisiert, sondern vielmehr aus verschiedenen Perspektiven analysiert und in transnationale grenzüberschreitende Prozesse eingebettet. Darunter werden jedoch nicht nur die saarländisch-lothringischen beziehungsweise deutsch-französischen Beziehungen subsumiert. Auch die zahlreichen internationalen Spiele und die Arbeitsmigration ausländischer Berufsspieler in den saarländisch-lothringischen Grenzraum standen für eine Transnationalität des Fußballs, die diesen seit seinen Anfängen geprägt hatte.25 Demgemäß stellt die Studie auch einen sporthistorischen Beitrag zur transnationalen Geschichtsschreibung dar, sowie durch ihren geografisch begrenzten Untersuchungsraum zugleich eine grenzüberschreitende Regionalstudie, das heißt, eine Grenzraumstudie. Letzteres relativiert jedoch nicht den transnationalen Bezugsrahmen, nimmt doch die Interaktion und die Verflechtung der Fußballvereine über die Grenzen hinweg einen hohen Stellenwert ein. Unterstrichen wird der transnationale Aspekt zudem dadurch, dass verschiedene räumliche Handlungsebenen – Verein, Ort, Region und Nation – differenziert und in ihrem Wechselspiel untersucht werden.26 Entscheidend für die Studie ist, dass der saarländisch-lothringische Grenzraum durch mehrere Grenzverschiebungen einen stetigen räumlichen Wandel in den nationalen Zugehörigkeiten erfuhr. Über den Zeitraum von fünfzig Jahren war der hier untersuchte Grenzraum ein Mikrokosmos für wechselseitige Interferenz- und Abschottungsprozesse, in welchen sich regionale, nationale und transnationale Interaktionsmuster bündelten und überlagerten.27 Wiederholte Grenzwechsel, Fremdbestimmungen und Besatzungserfahrungen im 20. Jahrhundert erzeugten gerade in dieser Grenzregion ein ganz spezifisches Spannungsverhältnis von intensivem Austausch und starker nationalpolitischer Polarisierung auf beiden Seiten. Nicht zuletzt knüpft diese Studie auch an Plädoyers in der internationalen Sportgeschichte an, Grenzräume stärker als bisher in den Fokus zu nehmen und deren eigenständige Entwicklung zu berücksichtigen. Darüber hinaus ermöglicht ein regionalgeschichtlicher Rahmen es auch, auf einem überschaubaren Feld die Paradigmen der Makrogeschichte des Sports „vor Ort“ überprüfen zu können.28 Dies

25 Christian Koller spricht dem Fußballsport eine starke transnationale Komponente zu. Vgl. KOLLER: Transnationalität (2010), S. 37. 26 Transnationale Geschichte überlappt sich mit zahlreichen anderen Ansätzen und Konzepten. Vgl. zur Thematik GASSERT: Transnationale Geschichte (2010), S. 2. Fußball als transnationales Phänomen gerät auch in den Fokus der historischen Forschung. Vgl. PETERS: Tagungsbericht Geschichte des Fußballs (2010), RINKE/PETERS: Global Play (2014). Vgl. zum transnationalen Kontext auch POPE/NAURIGHT: Introduction (2010), S. 6; BALBIER: Spiel (2005), S. 598. 27 So ist Rainer Hudemann nur beizupflichten, wenn er schreibt, dass gerade konfliktbeladene Grenzräume in vielfältiger Weise zur Verflechtung von nationalen Traditionen und Einflüssen auf transnationaler Ebene beigetragen haben. Vgl. HUDEMANN: Grenzübergreifende Wechselwirkungen (1991), S. 9. 28 HOWELL/LEEWORTHY: Borderlands (2010); KRÜGER, A.: Die Bedeutung (2001), S. 13. Einen ähnlichen Zugang wählte Hansen, der für die dänische Grenzstadt Tønder die Rolle des Fuß-

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gilt hier vor allem auch in Bezug auf die deutsch-französische Geschichte, da diese immer auch eine Geschichte der Peripherie und der dortigen grenzüberschreitenden Kontakte darstellt. Letztendlich bildete sich ein spezifischer deutschfranzösischer Grenzraum heraus, der die „Rolle einer kulturellen Schnittstelle“29 einnahm. Konflikte und Annäherungen zwischen beiden Nationen über mehrere Jahrzehnte hinweg formten die an der Grenze lebenden Menschen. 30 Widersprüchliche Erfahrungen, Erlebnisse und Kontakte prägten die politische Kultur sowie die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche. Für diese transnationale Grenzraumstudie ist daher interessant, wie die Fußballvereine als aktive Akteure sportlich-kulturell wie auch sportpolitisch agierten und inwiefern sie selbst Objekte politischer Indienstnahme wurden. Der saarländisch-lothringische Grenzraum in der Forschung Abseits sporthistorischer Zugänge existieren schon seit längerem grenzüberschreitende Studien, die den gemeinsamen „Saar-Lor-Lux-Raum“31 in eine interregionale und transnationale Perspektive einbetten und für unser Thema von Interesse sind. Impulsgeber für diese Entwicklung waren nicht zuletzt die Gründungen der Universitäten in Saarbrücken (1948) und Metz (1970), deren Zusammenarbeit und Schwerpunkte in den Philosophischen Fakultäten bis heute zahlreiche grenzüberschreitende wissenschaftliche Kolloquien und Forschungen nach sich gezogen haben. Neben interdisziplinären Zugriffen auf diesen „Grenzraum par excellence“32 sind es insbesondere die Historikerkooperationen Metz-Saarbrücken gewesen, die Fragen nach gemeinsamen grenzüberschreitenden Entwicklungsmustern,

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balls für die Ausbildung der dänischen Nationalität untersucht. Vgl. HANSEN: Football (2007). BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 138. Stand nach 1870 zunächst der deutsche Reichsgründungsmythos dem Mythos der „provinces perdues“ gegenüber, sorgte nach 1918 die französische Besetzung des linken Rheinufers und des Saargebiets für eine nachhaltige Aufrechterhaltung tradierter Feindbilder. Gemäß Poidevin und Bariéty war der „deutsch-französische kalte Krieg“ nicht nur für die bilateralen Beziehungen, sondern für ganz Europa konstitutiv gewesen. Letztendlich sollte die Region erst in den fünfziger Jahren zur Ruhe kommen. Erst mit der Lösung der „Saarfrage“ und dem Anschluss an die Bundesrepublik hörte das Saarland auf, ein „Stolperstein der deutschfranzösischen Beziehungen“ zu sein. Vgl. POIDEVIN/BARIÉTY: Les relations (1977), S. 235f., 240. Auch Schirmann betonte die Abhängigkeit der europäischen Ordnung nach 1918 vom deutsch-französischen Kräfteverhältnis. Vgl. SCHIRMANN: Quel ordre européen? (2006), S. 21–27. Zur Epoche des halbautonomen Saarlands nach 1945 vgl. hier HEINEN: Saarjahre (1996), S. 215. Zu den deutsch-französischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. stellvertretend HÜSER: Frankreichs „doppelte Deutschlandpolitik“ (1996) sowie LAPPENKÜPER: Die deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (2001). Unter Saar-Lor-Lux versteht man einen Grenzraum, der das Saarland, Lothringen und Luxemburg einschließt. Gebräuchlich ist der Begriff seit den späten 1960er Jahren. Vgl. beispielsweise den Sammelband zu einer Ringvorlesung an der Universität des Saarlandes: BRÜCHER/FRANKE: Probleme (1987), hier S. 7.

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Strukturen und Vernetzungen gestellt haben.33 Das in den 1990er Jahren durchgeführte deutsch-französische Projekt zur historischen Vernetzung und zur kulturellen Identität im Saar-Lor-Lux-Raum stellte unter anderem die Frage, in welchen Bereichen grenzüberschreitend ähnliche Problemlagen festzustellen waren. Zurecht wurde bemängelt, dass beispielsweise das Vereinswesen als charakteristischer und lebendiger Ausdruck städtischen Lebens und städtischer Öffentlichkeit bisher nur in Beschränkung auf die jeweiligen nationalen Teilregionen gesehen wurde und eine grenzüberschreitende Perspektive bislang vernachlässigt worden sei.34 Dass sich die deutsch-französische Grenzregion auch dazu eignet, Konzepte wie Pierre Noras „Erinnerungsorte“35 neu zu justieren, indem diese statt in einen nationalen in einen transnationalen Kontext eingebettet werden, zeigt das von Rainer Hudemann initiierte Internetprojekt zu Stätten grenzüberschreitender Erinnerung.36 Darüber hinaus erzielten transnationale Studien der Industrialisierungsund Migrationsforschung in Bezug auf den Grenzraum Saar-Lor-Lux wegweisende Resultate. So wurde diagnostiziert, dass sich – unabhängig von nationalen Zugehörigkeiten – ein grenzübergreifender Wirtschafts- und Sozialraum gebildet hat. Es wurde festgestellt, dass das preußisch-lothringische Grenzgebiet bereits vor 1870 eine durch Arbeit und Handel vernetzte Grenzregion gewesen ist. Eine weitere Ausgestaltung dieser Beziehungen wurde erst durch den Kriegsausbruch 1914 unterbrochen.37 Die regionale sporthistorische Aufarbeitung für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts steckt sowohl für die Saar als auch für das lothringische Moseldepartement noch weitgehend in den Anfängen. So existiert für die Entwicklung des Saarsports vor 1945 so gut wie keine Fachliteratur. Abgesehen von einer älteren Diplomarbeit aus dem Bereich der Sportwissenschaft, die den Saarbrücker Sport in seiner Gesamtheit beleuchtete, befasst sich einzig Ludwig Linsmayers Studie zur politischen Kultur im Saargebiet ausführlich mit dem Sportboom der zwanziger Jahre, den Sportorganisationen und dem Vereinssport.38 Für die Zeit des teilautonomen Saarstaats nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es mittlerweile Fachliteratur, die sich teils direkt, teils indirekt mit dem Fußballsport auseinandersetzt. Die ersten Arbeiten konzentrierten sich auf die Aufarbeitung der Sportpolitik. 33 In einer transnationalen Perspektive wurde die Stadtentwicklung unter die Lupe genommen: HUDEMANN/WITTENBROCK: Stadtentwicklung (1991). 34 Vgl. hierzu HUDEMANN: Historikerkooperation (1996), S. 258. Die Kooperation mündete unter anderem in einem Sammelband zur saarländisch-lothringischen Geschichte seit 1871: HUDEMANN/WAHL: La Lorraine (2001). 35 NORA: Les Lieux (1988–1992). 36 Hudemann: Stätten (³2009). 37 LEINER: Wanderungsbewegungen (1998), S. 58. Siehe auch die vorangegangene Dissertation: LEINER: Migration (1994). Zuletzt forschte Stephanie Schlesier zur Geschichte des Grenzraums im 19. Jahrhundert, wobei sie ihren Fokus auf die Auswirkungen der Grenzverschiebung von 1870 auf das Moseldepartement hin analysierte. Siehe SCHLESIER: Vereinendes (2007); SCHLESIER: Von sichtbaren und unsichtbaren Grenzen (2007). 38 JENEWEIN: Die Entwicklung (1985); LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 386–424.

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1990 verortete der französische Historiker Pierre Lanfranchi den Fußball erstmals in der französischen und saarländischen Autonomiepolitik. Diesbezüglich finden sich auch bei der für das autonome Saarland bislang umfangreichsten Studie Armin Heinens knappe Hinweise.39 Eine grundlegende Darstellung zur Sportpolitik an der Saar findet sich in der Saarbrücker Dissertation von Wolfgang Harres, der 1997 eine umfangreiche und quellengesättigte Studie vorlegte. Außen vor gelassen wird dabei aber eine Kontextualisierung der Sportpolitik in die neuere Saarforschung.40 Eine weitere sportpolitische Einordnung in den Kontext der deutschfranzösischen Beziehungen nahm Alfred Wahl vor.41 Die Auswertung französischer Aktenbestände führte indes bei einem Beitrag Johannes Großmanns zu neuen Erkenntnissen für die Sportpolitik an der Saar.42 Mit dieser zusammenhängend, erfolgte vom Autor selbst außerdem eine Analyse der saarländischen Sportpresse in der Nachkriegszeit.43 Neben der sportpolitischen Schwerpunktsetzung wurde in der regionalen Forschung jedoch zunehmend auch der Fußball selbst als „mächtige kulturelle Triebkraft“44 in den Mittelpunkt gestellt. Die Zusammenhänge des Fußballs mit kollektiven Identitätsmustern wird bei Dietmar Hüser thematisiert, während Bronson Long die Rolle des Fußballs in Bezug auf eine nationale Identitätsbildung an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg beschreibt. 45 Vom Verfasser selbst wurde in einer Examensarbeit mit Borussia Neunkirchen zudem erstmals ein einzelner Verein Objekt einer empirischen Lokalstudie. Behandelt wurden in erster Linie die 1950er und 1960er Jahre und der Beitrag des Fußballs zur regionalen Identitätsstiftung an der Saar. Auch der 1. FC Saarbrücken und seine 1948/49 absolvierte Saison in der französischen zweiten Division wurden im Rahmen einer universitären Qualifikationsarbeit von Thomas Weißmann untersucht. Außerdem wurden vom Verfasser anhand von Fallbeispielen Fußballspiele in Saarbrücken als Inszenierungsraum beleuchtet.46 2012 erschienen zwei Titel zur Geschichte von Borussia Neunkirchen. Während sich der Titel von Paul Burgard und Ludwig Linsmayer primär mit der Bundesligageschichte des Vereins beschäftigte und hierbei vor allem mit dem umfangreichen Fotoarchiv des Sportfotografen Ferdi Hartung, wurde anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Ellenfeld-Stadions zuletzt ein Sammelband herausgegeben. Sporen für die weitere Beforschung der saarländischen Fußgallgeschichte verdient sich dabei der Verein 39 LANFRANCHI: Der saarländische Fußball (1990); LANFRANCHI: Le football (1990); HEINEN: Saarjahre (1996), S. 238f. 40 HARRES: Sportpolitik (²1999). Ausschließlich auf Harres berufen sich Bitzer und Wilting in ihrem Kapitel zum Saarfußball. Vgl. BITZER/WILTING: Stürmen (2003), S. 203–210. 41 WAHL: La reprise (2005). 42 GROßMANN: Sportpolitik (2005). 43 Zur Sportpresse vgl. REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010). 44 PYTA: Nicht mehr (2007), S. 71. 45 HÜSER: Fußball (2009); HÜSER: Sport (2010); LONG: Saarlanders (2006); LONG: The Saar Dispute (2008). 46 Zu Borussia Neunkirchen siehe REICHELT: Fußball (2007); REICHELT: Kicken (2008); zum 1. FC Saarbrücken vgl. WEIßMANN: Gastspiel (2008). Für die Gründungsphase des saarländischen Fußballsports vgl. auch die Magisterarbeit von HOLZ: Entstehung (2000); zum Fußballspiel als Inszenierungsraum vgl. REICHELT: Das Spiel (2011).

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Ellenfeld e.V., der zur Kulturgeschichte des Fußballs an der Saar bereits Ausstellungen und Publikationen vorzuweisen hat.47 Fußball- beziehungsweise sporthistorische Studien für Lothringen sind rasch aufgezählt. Einen ersten Gehversuch mit eher populärwissenschaftlichem Anstrich unternahm 1984 Michel Laurent mit seiner „Histoire du Football en Lorraine“. Entscheidende Impulse gingen Mitte der 1980er Jahre von einem sporthistorischen Kolloquium an der Universität Metz aus. Darauf aufbauend entstanden unter der Leitung Alfred Wahls in den 1990er Jahren erste empirische Studien zum lothringischen Fußballsport. Untersucht wurden lokale Entwicklungen sowie generell die Anfänge des Fußballs im Moseldepartement. Eine Grundthese dieser Forschungen zur Fußballgeschichte lautet, dass der Vereinsfußball im Reichsland Elsass-Lothringen dazu beigetragen habe, seine Bewohner in das Deutsche Kaiserreich zu integrieren.48 Zuletzt war 2009 die Geschichte des elsässischen Fußballs von 1890 bis 1950 Thema einer Dissertation, die an der Universität Straßburg angenommen wurde. Diese umfangreiche und fundierte Studie von Pierre Perny bietet nicht zuletzt eine interessante Vergleichsmöglichkeit zwischen dem Untersuchungsraum Saarland/Moselle und dem benachbarten Elsass und ermöglicht es, die elsässische Perspektive miteinzubeziehen.49 Insgesamt – so lässt sich ein Fazit ziehen – stellen die Metzer Studien wertvolle Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Frühzeit des Fußballs in der Region sowie darüber hinaus dar und bieten insbesondere für den ersten Zeitabschnitt dieser Studie vielversprechende Ansätze, auf welchen hier aufgebaut werden kann. Eine explizit deutsch-französische Sportgeschichte wurde in der Forschung lange Zeit vernachlässigt. Sie beschränkte sich in erster Linie auf die Zeit des Nationalsozialismus oder den Zweiten Weltkrieg.50 Dessen ungeachtet lieferten André Gounot und Pierre Arnaud von französischer Seite aus in Bezug auf eine vergleichende Geschichte der Körperkultur, insbesondere des Turnens, die ersten Ansätze.51 Außerdem vereinte ein in den neunziger Jahren publizierter Sammelband die aktuelle Forschung zur Geschichte des Sports und des Sportunterrichts in deutsch-französischer Perspektive.52 In dem von Giselher Spitzer, Gerhard Treutlein und Jean-Michel Delaplace herausgegebenen Band plädierte Pierre Lanfranchi für die Berücksichtigung des Sports und insbesondere des Fußball47 BURGARD/LINSMAYER: 90 Minuten, Teil 1 (2012); FUCHS/KELM (Hg.): 100 Jahre EllenfeldStadion (2012); FUCHS/KELM (Hg.): Kleines Land (2014). 48 LAURENT: Histoire (1984); WAHL: Des jeux (1985); PIROT: Les débuts (1994); PETRUCCI: L'Histoire (1996); RUNATOWSKI: Le Stade (1996); WAHL/PIROT: Die Einführung (1999), S. 17–32; zu Pirots zahlreichen Beiträgen vgl. exemplarisch: PIROT: Esquisse (2004). 49 PERNY: Le Football (2009). 50 Jean-Louis Gay-Lescot zeichnete sich für die Untersuchung der Sport- und Erziehungspolitik in Vichy-Frankreich verantwortlich. Vgl. GAY-LESCOT: Sport (1991); explizit zu den deutsch-französischen Beziehungen während der Besatzungszeit vgl. GAY-LESCOT: Die französische Sportpolitik (1994); Hans Joachim Teichler beschrieb für die Zeit des „Dritten Reiches“ die deutsch-französischen Beziehungen auf nationaler Ebene. Vgl. TEICHLER: Stationen (1994). 51 ARNAUD/GOUNOT: Mobilisierung (1995). 52 Delaplace/Spitzer/Treutlin (Hg.): Sport (1994).

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spiels bei einer vergleichenden deutsch-französischen Geschichte. Eine Analyse der Geschichte des Fußballs gebe Anhaltspunkte für die unterschiedliche Entwicklung gesellschaftlicher Praktiken und Vorstellungen in beiden Ländern. So gab Lanfranchi Anregungen für eine vergleichende Analyse des Fußballspiels, in dem er zwischen Deutschland und Frankreich Bedeutungsunterschiede des Spiels auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene herausarbeitete. 53 Den Zusammenhang von Nation und Fußball thematisierte auch Alfred Wahl, als er anhand deutsch-französischer Länderspiele die Inszenierung und Ritualisierung der Nation im Stadion unter die Lupe nahm.54 Obwohl in den folgenden Jahren die Geschichtsschreibung des Fußballs auf beiden Seiten des Rheins große Fortschritte erzielte, spielten deutsch-französische Perspektiven nur untergeordnete Rollen. So blieb auch ein Großteil der Beiträge einer Pariser Tagung zum Thema „Fußball und Identität in Frankreich und Deutschland“ im nationalen und regionalen Rahmen verhaftet, wenngleich die Ergebnisse selbst zum deutsch-französischen Vergleich anregen.55 Erkenntnisinteresse und Methode Fußball als Inszenierungsraum In einem Zeitraum von fünfzig Jahren verändern sich sukzessive politische Einstellungen, Mentalitäten und Lebensweisen, kulturelle Normen und Traditionsbezüge. Die Berücksichtigung des prozessualen Charakters gesellschaftlicher Wertvorstellungen und politischer Ansichten ist für die Beantwortung kulturhistorischer Fragestellungen von Bedeutung und für eine Geschichte des Fußballsports im deutsch-französischen Grenzraum sogar entscheidend. Im Untersuchungszeitraum veränderte sich nicht nur das Institutionensystem des Fußballsports in radikaler Weise vom bürgerlichen Eliten- hin zum Massensport. Auch das soziale und politische Umfeld war einem stetigen Wandel unterworfen. So wenig der Fußball der zwanziger Jahre – sowohl auf dem Platz wie auch im Kontext eines Vereins – mit dem der fünfziger Jahre zu tun hatte, so verschieden waren beispielsweise die soziopolitischen Voraussetzungen der zwei Saarabstimmungen in den Jahren 1935 und 1955. Eine Geschichte des Vereinsfußballs kann daher nur geschrieben werden, wenn sie zugleich in langfristige Fragestellungen der allgemeinen Geschichte eingebettet wird. Trotz der Fokussierung auf das Fußballvereins- und Verbandswesen und dem damit verbundenen Verständnis des Fußballsports als autonomem Protagonisten wird nicht bestritten, dass das Fußballspiel zugleich eine deutungsoffene Projektionsfläche darstellt, an der sich die jeweils aktuellen handlungsorientierten Sinn53 LANFRANCHI: Elemente (1994), hier S. 121. 54 WAHL: Fußball und Nation (1995). Ebenfalls die deutsch-französischen Begegnungen thematisierten BARREAUD/COLZY: Les rencontres (1995). 55 Die Beiträge der Tagung (2006) wurden 2010 veröffentlicht. Vgl. PFEIL: Football (2010).

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konfigurationen und Denkmuster anschlossen und noch heute anschließen. Die entstandene spezifische Fußballkultur war kein abgeschotteter eigenweltlicher Kosmos, sondern war verwoben mit dem sozialen und politischen Umfeld ihrer Zeit. Als „Leitsportart“56 weiter Landstriche Mittel- und Westeuropas besaß der Fußball seit den frühen zwanziger Jahren eine große soziopolitische Wirkungsmächtigkeit. Bereits damals war er als Bereich gesellschaftlicher Wirklichkeit mit den sozialen und politischen Systemen und Institutionen eine Symbiose eingegangen.57 Seine Entfaltung war deshalb stets verschränkt mit den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Letztendlich war der Fußball deshalb auch fortwährend ein Kind seiner Zeit. Ein Anliegen dieser Studie ist es, diese stets sich wandelnde Wechselbeziehung zwischen dem sich immer weiterentwickelnden Institutionensystem Fußball und dessen sozialer und politischer Umgebung zu berücksichtigen. Dies macht eine Analyse kultur- und politikgeschichtlicher Fragestellungen im Rahmen einer „longue durée“ zwar zu einer komplexen Angelegenheit. Wenn jedoch die richtigen epochenübergreifenden Fragen gestellt werden, ergeben sich Befunde, die Kontinuitäten und Brüche aufzuzeigen vermögen. Eine Verschränkung politik- und kulturgeschichtlicher Ansätze ist bei einer Studie zum Fußballsport dabei unerlässlich.58 Die Beschreibung der Entwicklung der bürgerlichen Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum stellt in dieser Studie die erste Ebene der historischen Analyse dar. Als autonomer Akteur trug der Fußballsport zu seiner eigenen Politisierung bei. Unter dieser Voraussetzung werden zwei zusammenhängende epochenübergreifende Frage- und Problemstellungen der Kultur- und Politikgeschichte behandelt. Auf einer zweiten Ebene wird erstens gefragt, wie erfolgreich sich die Indienstnahme des Sports durch Dritte gestaltete und inwieweit die Eigendynamik des Fußballsports durch diese beeinflusst oder gesteuert wurde und wie sich in diesem Lichte Wesen und Selbstverständnis der Fußballvereine entwickelten. Zu welchen Verflechtungen kam es zwischen den Vereinen selbst und mit den Akteuren außerhalb des Sports? Zweitens geht es um den Zusammenhang von Fußball und Identität. Wie und warum wurden der Fußballsport und hierbei die Vereine zu Faktoren lokaler und regionaler Identitätsstiftung und inwiefern wurde dies politisch im Rahmen einer Identitätspolitik instrumentalisiert?59 Zweifellos haben diese Prozesse viel mit politischer Indienstnahme und dem Selbstverständnis der Fußballvereine zu tun, weswegen eine strikte Trennung der Fragestellungen nicht vorgenommen wird. Um sich den Überlegungen methodisch anzunähern, werden

56 Stefan Nielsen beschreibt den Fußball als „Leitsportart“ in seiner Studie zum Sport als urbane Lebensform. Siehe NIELSEN: Sport (2002), S. 347. 57 Vgl. EISENBERG: Sportgeschichte (1997), S. 299. 58 Hüser fordert eine solche Verschränkung generell bei der Forschung zur Populärkultur. Vgl. HÜSER: Rock (2006), S. 206. 59 Vgl. zur Fußballkultur als Faktor städtischer und regionaler Identität beispielsweise HERZOG: Lautern (2004).

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Sportveranstaltungen und Fußballspiele als „Inszenierungsraum“ untersucht.60 Hintergrund dieses Ansatzes ist nicht zuletzt die im Zuge des sogenannten „performative turn“ in den Kulturwissenschaften gestellte Frage, inwiefern sich moderne, vermeintlich sprach- und textbasierte Gesellschaften auch „in hohem Maße in Performances, Aufführungen, Inszenierungen und Ritualen verständigen.“61 Der Begriff der Inszenierung – mittlerweile zu einem „kulturwissenschaftlichen Schlüsselbegriff avanciert“62 – wird dabei multidimensional gedacht. Unterschieden werden in dieser Studie mehrere Formen der Inszenierung. Zum einen geht es um die politische Inszenierung „von außen“. Was wurde damit bezweckt und wie verhielten sich die Sportler und die Vereine? Dabei geht es einerseits um die Zuschreibung außersportlicher Funktionen und Rollen an den Fußball, die sowohl von außerhalb des Sportbereichs herangetragen werden, aber auch von Vertretern aus dem Sportbereich selbst vertreten werden konnten. Andererseits meint politische Inszenierung die konkrete Inszenierung von Veranstaltungen im Bereich des Fußballsports für politische Zwecke. Zum anderen geht es um die Selbstinszenierung des Fußballs und des Publikums.63 Entsprach oder widersprach diese der politisch gewollten Inszenierung? Nicht zuletzt geht es hier um eine Gegenüberstellung des Fußballspiels einerseits als politische Inszenierung und andererseits als sportlicher Freiraum, in welchem das Spiel sowohl für Aktive als auch für Zuschauer ein willkommenes Freizeitvergnügen mit großem Unterhaltungs- und Erlebnischarakter war.64 Außerdem geht es um die Frage, inwiefern der eigensinnige Fußballsport überhaupt politisch instrumentalisiert werden konnte. In Hinblick auf die Untersuchung des Fußballs als Faktor lokaler und regionaler Identität muss der Identitätsbegriff methodisch greifbar gemacht werden. Für diese Studie gelten daher die folgenden Voraussetzungen65: Zunächst wird Identität als eine autoreflexive menschliche Kognition begriffen. Jedes Individuum verfügt demzufolge über eine eigene Erlebniswelt. Dennoch werden von Menschen sozial und kulturell vermittelte Konzepte als Bausteine für die eigene Identität verwendet. Im Rahmen von Konzepten, die von der Umwelt angenommen werden, ist eine individuelle Identifizierung mit einer Gemeinschaft möglich. Unterschieden werden kann konkret zwischen konstruierten Identifikationen, die von Dritten absichtlich erzeugt wurden, und dem Bereich

60 Vgl. erste eigene Ansätze: REICHELT: Das Spiel (2011). Vgl. zu Fußballspielen als politischer Inszenierung auch HAVEMANN: Große Fußballspiele (2007). 61 MARTSCHUKAT/PATZOLD: Geschichtswissenschaft (2003), S. 2. 62 Zum Inszenierungsbegriff FISCHER-LICHTE: Performance (2003), S. 41–47, hier S. 47. 63 Vgl. LEO: Das Stadion (2005), S. 156–160. 64 Vgl. zu den Überlegungen auch prägnant HERZOG: Eigenwelt (2008), S. 27–29. 65 Zu Recht wird der Identitätsbegriff ob seines inflationären Gebrauchs in den Geisteswissenschaften kritisiert. Vgl. KÜSTER: Regionale Identität (2002), S. 5. Vgl. zum folgenden Abschnitt den Exkurs zur regionalen Identität bei BRIESEN: Historische Ausprägung (1994), S. 38–48.

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lebenspraktischer Alltagserfahrung.66 Kollektive Identität, ob regional, interregional oder national, stellt im Rahmen dieser Studie daher eine analytische Kategorie dar, um ein historisches Phänomen näher zu beschreiben. Der hier verwandte Ansatz versteht kollektive Identität deshalb als sozial und kulturell vermitteltes Gruppenkonzept, welches von Menschen innerhalb eines abgrenzbaren Raumes angenommen wird, die ihrerseits gemeinsame lebenspraktische Alltagserfahrungen mit einfließen lassen. Einschränkend – und für eine Langzeitstudie wie diese von essenzieller Bedeutung – gilt, dass solche Identitätskonzepte in dauerndem Wandel begriffen sind. Eine kollektive Identität oder ein kollektives Bewusstsein wird in erster Linie von sozialen und kulturellen Gruppen ins Leben gerufen, die über politische Macht oder kulturelle Definitionsmonopole verfügen. Als menschliche und räumliche Kategorien für regionale, interregionale oder nationale Identitäten können zum Beispiel Landschaft, Brauchtum, Sprache und letztendlich Erinnerung dienen.67 Wird von politischer Seite aus versucht, sich diese Kategorien nutzbar zu machen, kann von einer Identitätspolitik gesprochen werden, mit deren Hilfe die Bevölkerung sich mit dem Identitätsangebot identifizieren soll. Identitätspolitik drückt sich dabei meist explizit über symbolisches Handeln der Politik aus und dient dem Ziel, das eigene politische Wirken nach innen und außen zu legitimieren, sich gegenüber anderen Identitätsentwürfen abzugrenzen und in der Bevölkerung für genügend Rückhalt zu sorgen.68 Auf diese Studie angewandt wird gefragt, inwiefern lokale oder regionale Identitätskonzepte von wem inszeniert oder verkörpert wurden. Letztendlich geht es bei den politik- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen rund um den Fußballsport als Inszenierungsraum und als Ausdruck lokaler und regionaler Identität um zwei Seiten derselben Medaille: zum einen um die Erörterung von Wesen und Selbstverständnis der Fußballvereine im saarländischlothringischen Grenzraum und zum zweiten um den Fußballsport als Projektionsfläche sozialer und politischer Ideen und Ideologien. Beides hing in Hinblick auf den Wirkungsgrad äußerer Zuschreibungen unmittelbar zusammen und beides unterlag in Zeiten politischer und sozialer Umbrüche gewaltigen Veränderungen. Fußballgeschichte als Verflechtungsgeschichte Bei der Beschreibung des Wesens und des Selbstverständnisses der Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum ist ein Rückgriff auf die Methoden

66 Diese Unterscheidung findet sich auch bei Edwin Dillmann, der sich dabei auf Maurice Halbwachs stützt, welcher zwischen einem kommunikativen und kulturellen Gedächtnis unterscheidet. Vgl. DILLMANN: Land (1996), S. 473, Anm. 3. 67 BRIESEN: Historische Ausprägung (1994), S. 25f. 68 Der Begriff der Identitätspolitik findet vorwiegend in sozialwissenschaftlichen Diskursen Verwendung, wird in der Geschichtswissenschaft im Zusammenhang mit Geschichtspolitik in Verbindung gebracht. Vgl. grundsätzlich KASCHUBA: Geschichtspolitik (2001).

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der „Histoire croisée“69 ebenso gewinnbringend wie bei der Beschreibung des Fußballsports als bedeutungsoffene Projektionsfläche. Wenn auch die Nation als zentrales tragendes Vergemeinschaftungskonzept der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts berücksichtigt wird, werden die zu untersuchenden Fußballvereine weniger aus der nationalen Sichtweise heraus thematisiert, sondern je nach Epoche aus verschiedenen Perspektiven analysiert und in sporthistorische, nationale, regionale und interregionale Prozesse eingebettet. Dies gilt in besonderem Maße natürlich bei den Beziehungen zwischen dem saarländischen und dem lothringischen Fußball, aber auch für das Verhältnis des lothringischen zum elsässischen und zum französischen Fußball und für die Beziehungen der saarländischen Vereine zum reichsdeutschen Dachverband. Wenn diese Studie im Rahmen dieser Herangehensweise auch einen deutschfranzösischen Vergleich impliziert, so stehen doch in erster Linie die konkreten Transfer- und Verflechtungsvorgänge innerhalb des saarländisch-lothringischen Grenzraums, aber auch darüber hinaus, im Zentrum der Studie. Bei den gemeinsam gewachsenen Strukturen, den gegensätzlichen Entwicklungen und den gegenseitigen Kulturtransferprozessen entstehen Problemstellungen, die sowohl lokale, nationale als auch transnationale Dimensionen besitzen. Eine problemorientierte Verflechtungsgeschichte, deren Objekte nicht nur Institutionen und Systeme, sondern auch Prozesse darstellen, kann durch verschiedene Blickwinkel dynamische Verflechtungsvorgänge aufzeigen. Eine induktive Herangehensweise sichert dabei die Betonung der Singularität der regionalen Entwicklung. Berücksichtigt werden aber auch langfristige Strukturentwicklungen im Fußballsport, in Gesellschaft und Politik. Es werden gerade die dynamischen Prozesse beschrieben, die sich durch das Zusammenspiel von langfristigen Strukturen, regionalen, lokalen und transnationalen Handlungszusammenhängen ergeben. Berücksichtigt wird dabei allerdings, dass – bei aller Eigendynamik transnationaler Prozesse – die Nation für die Gesellschaft ein wichtiger mentaler Fluchtpunkt war und sie nicht zuletzt auch in ihrer Eigenschaft als zentrale Organisationseinheit Handeln und Denken beeinflusste.70 Verflechtungsprozesse betreffen insbesondere auch die Entwicklung des Fußballverbandswesens im Grenzraum. Mit dem Saargau waren die Fußballvereine an der Saar und in der Moselle bis 1918 gemeinsam im Verband süddeutscher Fußballvereine organisiert. Er war Ausdruck eines zusammenwachsenden Grenzraums geworden und beeinflusste nach seinem Ende nicht zuletzt durch personelle Kontinuitäten die weitere Entwicklung des Fußballsports beiderseits der Grenzen. Während die Saarvereine nach Kriegsende weiterhin im Süddeutschen Fußballverband organisiert blieben, mussten sich die Vereine der Moselle im französischen Verbandswesen zurechtfinden. Im Zweiten Weltkrieg sollte es für die Dauer 69 Vgl. WERNER/ZIMMERMANN: Vergleich (2002), S. 618. Der von Werner und Zimmermann entwickelte Ansatz versteht sich als Weiterentwicklung des internationalen Vergleichs wie auch der Transfergeschichte. Vgl. auch WERNER/ZIMMERMANN: Beyond Comparison (2006). Für die deutsch-französische Geschichte STRUCK/GANTET: Revolution (2008), S. 193–198. 70 In diesem Sinne auch STRUCK/GANTET: Revolution (2008), S. 197f.

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von viereinhalb Jahren erneut zu einem erzwungenen „Zusammenspiel“ saarländischer und lothringischer Vereine im Grenzraum kommen. Bei einer verflochtenen Organisationsgeschichte werden die Handlungen der Akteure nicht nur vor dem Hintergrund sich ständig wechselnder Machtverhältnisse und Entscheidungsspielräume betrachtet, sondern auch unter dem Gesichtspunkt sich ständig verändernder Beziehungen von Personen, Verbänden und Institutionen. Im Einzelnen wird danach gefragt, wie sich die Abschottungs- und Nationalisierungserfahrungen auf das Verhältnis der Fußballvereine untereinander auswirkten, wie sehr sich die Aufhebung der internationalen Sperre gegen deutsche Vereine seit Ende 1924 bemerkbar machte. Gefragt wird auch nach biografischen Kontinuitäten am Beispiel einzelner Sportfunktionäre und Sportjournalisten. Welche sportlich-kulturellen und sportpolitischen Ziele, welche Handlungsspielräume hatten diese angesichts der zu bewältigenden Professionalisierungsanforderungen und der politisch sich ständig verändernden Lage? Wenn es auch der Umfang der Studie nicht erlaubt, zusätzlich den Milieufußball und das Turnen in eine Verflechtungsgeschichte des bürgerlichen Fußballs im Grenzraum in vollem Umfang miteinzubeziehen, so werden entsprechende Verflechtungen im Rahmen des Möglichen dennoch berücksichtigt. Dies bezieht sich in erster Linie zum einen auf die Entwicklung der Turnvereine im Kaiserreich, da das Turnen als Angebot an die Sporttreibenden die größte Konkurrenz darstellte. Zum anderen bezieht es sich auf die Verbindungen des lothringischen Fußballs zum katholischen Sport. Gefragt wird einerseits nach Verflechtungen, um dieses Verhältnis zu beschreiben. Andererseits soll eine vergleichende Perspektive dazu dienen, die Besonderheiten der Entwicklung des bürgerlichen Fußballsports hervorzuheben. Quellenlage und Gliederung Archivalien und gedruckte Quellen Historiker klagen bei Recherchen zum Fußball zu Recht über eine schwierige Quellenlage und kaum erschlossene Bestände.71 Quellen mit sporthistorischer Relevanz wurden in der Vergangenheit nur unsystematisch gesammelt. Sie liegen verstreut in den unterschiedlichsten Archiven und sind zum Teil schwer zugänglich. In öffentlichen Archiven haben sich sporthistorische Quellen lediglich erhalten, wenn sie in anderen Zusammenhängen als archivwürdig eingestuft wurden. Dass es bei Sportvereinen und -verbänden nur ein geringes Bewusstsein für den historischen Wert ihrer Unterlagen gibt, bestätigte sich auch im Rahmen dieser Untersuchung. Eine Teilschuld für die mangelnde Sensibilität im Umgang mit sporthistorischen Quellen ist jedoch sicherlich auch bei der Geschichtswissenschaft zu suchen. Schließlich wurde Sport als Gegenstand historischer Forschung gerade im deutschsprachigen Raum über Jahrzehnte hinweg ignoriert. Ist bei den 71 Siehe auch Problematisierung bei HERZOG: Lautern (2004), S. 184.

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Historikern in dieser Beziehung seit dem späten 20. Jahrhundert eine positive Trendwende sowie ein Bewusstseinswandel zu verzeichnen, so kann dies auch für den Bereich des öffentlichen Archivwesens wie auch des organisierten Sports gelten. Die gemeinsamen Initiativen von Sportverbänden und öffentlichen Archiven zur Sicherung von Verbands- und Vereinsarchivalien sind aufgrund der geringen finanziellen Ausstattung nach wie vor nur begrenzt möglich. Dennoch wurden oftmals mit hohem persönlichen Einsatz in den letzten Jahren auf der Ebene der Bundesländer Sportarchive und -institute gegründet, die es als ihre Aufgabe betrachten, wertvolle Quellen zur Sportgeschichte zu archivieren und auf Mikrofilm zu sichern. Als Modell für andere Bundesländer gilt das privat geführte Niedersächsische Institut für Sportgeschichte in Hoya (NISH), das als Dokumentationszentrum für die regionale Sportforschung in Norddeutschland Pionierarbeit geleistet hat. Für den süddeutschen Raum kann das 1993 eingerichtete Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg (IfSg BW) genannt werden, das von den Sportverbänden des Landes getragen und unter anderem von den sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtungen und dem Land gefördert wird. Im Saarland führte 2001 eine persönliche Initiative des Sporthistorikers Wolfgang Harres zur Gründung des Saarländischen Sportarchivs. Das Archiv, dessen Kernbestand die Unterlagen des Landessportverbandes und des Saarländischen Turnerbundes bilden, soll zur Sicherung des sporthistorischen Erbes beitragen und ist infrastrukturell in das Landesarchiv Saarbrücken eingebunden.72 Die Suche nach relevanten Quellen bei Vereinen und Verbänden war im Großen und Ganzen ergebnislos. Wenn sie auf Anfragen überhaupt reagierten, war meistens zu hören, dass außer aktuellen Festschriften nichts mehr vorhanden sei. Vereinseigene Archive sind generell eine große Seltenheit. Das einzige zur Verfügung stehende Vereinsarchiv konnte bei Borussia Neunkirchen ausfindig gemacht werden, dessen Bestände mittlerweile dem Saarländischen Sportarchiv als Dauerleihgabe übergeben wurden. Doch auch hier musste festgestellt werden, dass bereits vor einigen Jahren viele Akten, insbesondere aus der Zeit vor 1945, aus Platzgründen entsorgt worden oder im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen waren.73 Wie bei anderen Verbänden oder Institutionen war es auch im Fußball nicht unüblich, dass Vereinsfunktionäre die Akten nach ihrer Amtszeit mit nach Hause nahmen und dort verwahrten. Dennoch ist es möglich, mit einer dezentralen Herangehensweise Quellen zur Geschichte des Fußballs ausfindig zu machen. Durch die wechselnden politischen Machtverhältnisse und Grenzverschiebungen ist die aktenmäßige Überlieferung des Grenzraums Saarland/Moselle weit verstreut. So finden sich die relevanten Akten nicht nur in den kommunalen und regionalen Archiven vor Ort, sondern 72 Vgl. LANGENFELD: Regional-, Orts- und Vereinsgeschichte (2010), S. 254f. Für das Saarland siehe KRAUS: Das Saarländische Sportarchiv (2008). 73 Es ist Jens Kelms zu verdanken, der sich seit 1987 darum bemühte, die Vereinsüberlieferung zu sichern. Die an das Sportarchiv erfolgte Übergabe der Bestände, die bis dahin ihre Existenz im Keller des Ellenfeld-Stadions fristeten, fand im August 2010 statt. Vgl. Saarbrücker Zeitung, 14.8.2010, S. D2. Ausführlich in der Lokalausgabe Neunkirchen, 31.8.2010, S. C9.

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auch im Bundesarchiv und im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Die Akten der Regierungskommission für das Saargebiet sind im Völkerbundsarchiv in Genf archiviert. Für das Saarland der Nachkriegszeit sind insbesondere auch die Saarakten der französischen Regierung sowie der französischen Vertretung in Saarbrücken von hoher Relevanz. Für die Moselle ist zudem das Departementsarchiv in Straßburg relevant. Für die Frühzeit des Fußballsports ist in erster Linie die behördliche Überlieferung in den Staats- und Kommunalarchiven des Saarlandes und der Moselle von Bedeutung. Da Sport und Fußball in der Kaiserzeit in den Kommunen noch keine Institutionalisierung erfahren hatten, ist ein wesentlicher Teil der Archivalien in so genannten „verdeckten Akten“ zu finden, in Schul-, Gerichts- und Polizeiakten.74 Die Ergiebigkeit der Akten war sehr unterschiedlich. Niederschlag fanden Sport und Fußball auch in den Jugendpflege-Akten der Landratsämter beziehungsweise in der Überlieferung der lothringischen Bezirks- und Kreisdirektionen. Von großem Wert für die Beurteilung der deutschen Politik gegenüber dem Saarsport zwischen 1920 und 1935 sind die Saarakten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes. Ferner sind die Bestände von Reichs- und preußischen Ministerien, die sich im Bundesarchiv in Berlin-Lichtenberg befinden, von hoher Relevanz.75 Auch die dort gelagerten Aktenbestände des Bundes der Saarvereine sind aufgrund der Korrespondenz des Bundes mit den Sportvereinen und der Dokumentation ihrer Reisen in das Deutsche Reich von hohem Interesse. Die Recherchen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem blieben dagegen weitgehend ergebnislos, da der Großteil der Akten des für den Saarsport in erster Linie zuständigen Volkswohlfahrtsministeriums im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.76 Konsultiert wurden auch die Archives de la Société des Nations in Genf, wo die Akten der Regierungskommission für das Saargebiet archiviert werden. Allerdings stellte sich heraus, dass die sportpolitisch relevante Direktion des Innern über keinen eigenen Bestand verfügte. Für die Epoche des „Dritten Reiches“ bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges stellte sich die Suche nach sport- und fußballhistorischen Quellen für das Saargebiet wiederum als schwierig dar. Als ergiebig erwies sich der Nachlass Eugen Sommers, des Beauftragten des Reichssportführers für den Bezirk Pfalz im Gau XIII (Südwest), in welchem sich umfangreiche Korrespondenz mit dem organisierten Sport an der

74 Zur Problematisierung sporthistorischer Quellen in Archiven siehe EHLERS: Überlieferungsbildung (2008) sowie weitere Beiträge in diesem Heft. Zur Überlieferung des Sports in französischen Archiven vgl. NEIRINCK: Les archives du Sport (2005). 75 Außer den Akten des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete und der Rheinischen Volkspflege erwiesen sich die Akten des Reichsinnenministeriums als wichtige Quelle. Infolge von Fliegerangriffen gelten die Saarakten von Goebbels’ Propagandaministerium und der NSDAP-Reichspropagandaleitung als weitgehend vernichtet. 76 Die Recherchen deckten sich auch mit dem Quelleninventar von Dieter Heckmann zu den Quellen zum Regierungsbezirk Trier. Vgl. HECKMANN: Quellen (2004).

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Saar fand.77 Für die Moselle der Zwischenkriegszeit erwiesen sich vor allem die Aktenbestände der Unterpräfekturen und der Polizei als bedeutend. Ergänzend wurde die Überlieferung der nach 1919 in Straßburg eingesetzten Direction générale d’Alsace-Lorraine und des Commissariat Général de la République hinzugezogen. Für den dritten Zeitraum, der die Jahre 1940 bis 1952 umfasst, ergab sich das Problem, dass ein Großteil des Registraturguts der seit 1941 in Saarbrücken zusammengefassten Dienststellen des Reichsstatthalters in der Westmark und Chefs der Zivilverwaltung in Lothringen im Krieg zerstört wurde.78 Zumindest die fragmentarische Überlieferung der Deutschen Volksgemeinschaft (DVG) in Lothringen war aufschlussreich, da sich die Reorganisation des Sportwesens innerhalb der Turn- und Sportgemeinden der DVG vollzog. Eine wertvolle Überlieferung konnte im Stadtarchiv Saarbrücken eingesehen werden, da hier die Vierteljahresberichte des Sportgaus Westmark von 1941 bis 1944 vollständig vorhanden sind. Sonstige Aktenbestände des Sportgaus, der in Saarbrücken seinen Sitz hatte, sind leider verschollen. Für das Saarland der Nachkriegszeit stellen die Saarakten der französischen Regierung aus der Zeit nach 1945, das Material der französischen Vertretung an der Saar und die zur Verfügung stehenden Privatnachlässe von Gilbert Grandval und Edgar Hector die wichtigste Überlieferung dar.79 Die französischen Bestände bilden eine wertvolle Gegenüberlieferung angesichts der mageren behördlichen Überlieferung seitens der Saarregierung. Ferner wurden im Rahmen dieser Studie gedruckte Quellen hinzugezogen, soweit sie für die Fragestellungen sportgeschichtlich relevant waren. Neben vorhandenen Quelleneditionen wie einem 2007 erschienenen Quellen- und Arbeitsbuch zum teilautonomen Saarland wurden auch zeitgenössische Gesetzestexte und Verordnungsblätter eingesehen.80 Als hilfreich erwiesen sich zudem Schuljahresberichte, amtliche Mitteilungen sowie weitere zeitgenössische Publikationen.

77 Der Aktenbestand T 7 war bislang unter der irreführenden Bezeichnung „Deutsche Turnerschaft im Reichsbund für Leibesübungen, Gau Westmark“ erfasst. 78 Die Restüberlieferung ist auf Saarbrücken, Metz und Speyer verteilt Im Aktenbestand des Bundesarchivs befinden sich lediglich geringe Schriftgutreste, die ausnahmslos aus amerikanischen Rückgaben stammen. Siehe auch: Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hrsg. vom IfZ 1991, Bd. 3/1, S. 308–309, 486. 79 Die seit den 1980er Jahren erfolgte Verfilmung der umfangreichen Quellenbestände und deren Bereitstellung im Historischen Institut der Universität des Saarlandes erleichterte den Zugang zu den Quellen ungemein. Vgl. ausführlich zur Quellenlage für das Saarland nach 1945 HAHN u.a.: Das Saarland (2007), S. 22–27. 80 HUDEMANN/HEINEN (Hg.): Das Saarland (2007). Zu den einzelnen gedruckten Quellen vgl. das Quellen- und Literaturverzeichnis.

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Sportpublizistik Die Berücksichtigung von Vereinsfestschriften und -zeitungen, Sportzeitschriften und Sportrubriken in den Tageszeitungen hat in zweifacher Hinsicht eine besondere Tragweite. Zum einen können damit bestehende Überlieferungslücken geschlossen werden. Zum anderen bestand von Anfang an eine tiefgreifende symbiotische Verflechtung zwischen Sport und Presse, weswegen eine Geschichte des Fußballsports auf die Einbeziehung der Sportpresse nicht verzichten kann. Seit dem „Take Off“ des modernen Sports am Ende des 19. Jahrhunderts war es bereits zu einer engen Partnerschaft von Sport und Presse gekommen.81 Die Vereine und Verbände, die selbst einem beginnenden Institutionalisierungsprozess unterworfen waren, bildeten für die aufkommende Sportpresse das Reservoir, aus dem sich die Sportjournalisten rekrutierten. Je mehr sich der Fußball von Hinterhöfen und Viehweiden auf öffentliche Sportplätze verlagerte, desto mehr fand die Kommunikation des Fußballs mit seinen Anhängern über die Printmedien statt.82 Viele Sportzeitschriften waren gleichzeitig die offiziellen Verbandsorgane der Sport- und Fußballverbände. Neben der Spielberichterstattung wurde aus dem Verbands- und Vereinsleben berichtet, wurden Versammlungsprotokolle und Vereinsmitteilungen veröffentlicht. Sportler und Funktionäre saßen oftmals in den Redaktionen. Insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war also die Sportpresse ein integraler Bestandteil des Fußballsports und ist damit Teil einer kultur- und politikgeschichtlichen Analyse. Im Folgenden werden die wichtigsten Publikationen, die für diese Studie berücksichtigt wurden, kurz vorgestellt. Als wertvolle Quelle stellte sich die „Südwestdeutsche Sportzeitung“ (SWD) heraus. Das von 1923 bis 1939 in Saarbrücken zwei Mal wöchentlich erscheinende Blatt war amtliches Organ mehrerer Sportverbände und beanspruchte für sich, die führende Sportzeitung zwischen Rhein, Saar und Mosel zu sein. Chefredakteur Erich Menzel, der stets enge Beziehungen zum Fußballsport pflegte, zeichnete sich dadurch aus, dass er neben der reinen Spielberichterstattung auch feuilletonistische Artikel verfasste, in denen er auf sportpolitische Themen ausführlich einging.83 Erich Menzel blieb auch nach 1945 weiterhin eine schillernde Figur in der saarländischen Sportpresse. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass diese im teilautonomen Saarland ihre Blütezeit erlebte. Entsprechend wurden die Sportzeitschriften „Sport-Echo“, „SportExpreß“, „Sport-Welt“ und „Toto-Sport“ als sporthistorische Quellen für diese Studie ausgewertet.84 Als relevant für die fußballhistorische Aufarbeitung in der Moselle erwies sich der ab 1921 in Metz erscheinende „Lothringer Sport“. Hinzugezogen wurden 81 Bis heute liegt kein Standardwerk zur Sportpublizistik vor. Vgl. zu den Anfängen der Sportpublizistik EGGERS: Die Geschichte (2007), GILLMEISTER: English Editors (1993). Für das Saarland siehe REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010). 82 Gab es 1920 noch 160 Sportfachzeitungen im Deutschen Reich, so waren es 1928 bereits 380. Vgl. EGGERS: Die Geschichte (2007), S. 16. 83 Zur SWD vgl. Kapitel 5.2, S. 154f. 84 Ausführlich hierzu siehe REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010).

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zusätzlich überregionale Sportmagazine. Für die Frühzeit des Fußballs wurde das in Berlin erscheinende Blatt „Spiel und Sport“ durchgesehen. Die zwei wichtigsten überregionalen Magazine waren der „Fußball“ und der „Kicker“. Fußball wurde seit 1911 in München von Eugen Seybold herausgegeben und war zugleich amtliches Organ des Süddeutschen Fußballverbandes. Letzteres galt ebenso für den seit 1920 von Walther Bensemann herausgegebenen „Kicker“. Da beide Magazine einen starken regionalen Bezug hatten und der saarländisch-lothringische Grenzraum in hohem Maße berücksichtigt wurde, ist deren Relevanz vor allem für die Frühphase als höher einzustufen als die Überlieferung in den Tageszeitungen. Für Frankreich wurden die Sportzeitschriften „Miroir des Sports“ und der „Match“, die seit 1929 wöchentlich erscheinende Fußballfachzeitschrift „Football“ sowie der in Straßburg seit 1946 erscheinende „Sport Est“ eingesehen. Um der Transnationalität des Fußballs in den frühen zwanziger Jahren – im Hinblick auf die Spielertransfers aus Österreich und Ungarn – gerecht zu werden, wurde außerdem das „Wiener Sport-Tagblatt“ hinzugezogen. Abgesehen von der Sportpresse wurde auch die Sportberichterstattung in der Tagespresse je nach Epoche und sonstiger Quellenlage teilweise und verschieden gewichtet hinzugezogen. Insbesondere für die Zeit des Zweiten Weltkriegs erwies sich die Auswertung der „Metzer Zeitung“ und die „NSZ Westmark“ als ergiebig. Vereins- und verbandseigene Publikationen gab es bereits seit der Jahrhundertwende. Die Herausgabe periodisch erscheinender Vereinszeitungen hing sowohl vom finanziellen Spielraum der Vereine als auch oftmals vom persönlichen Ehrgeiz einzelner Sportler und Funktionäre ab. Sofern auffindbar, wurden Vereinszeitungen und Vereinsfestschriften nach Möglichkeit vollständig eingesehen. Insgesamt ist für die Zeit vor 1945 von einer mangelhaften Überlieferung zu sprechen. Gerade regelmäßig erscheinende Vereinszeitungen wurden nur vereinzelt gesammelt und archiviert, Zufallsfunde wie im Fall Borussia Neunkirchen waren leider eine Ausnahme.85 Eine Ausnahme ist auch die lückenlose Überlieferung der Vereinszeitung des FV Saarbrücken zur Zeit des „Dritten Reiches“. Als gewinnbringend erwiesen sich die Auswertungen der Verbandspublikationen des Süddeutschen Fußballverbandes und des Deutschen Fußball-Bundes. Die zur Verfügung stehenden Jahresberichte und Jahrbücher erlaubten sowohl Einblicke in langfristige Strukturentwicklungen als auch die Kontextualisierung des Grenzraumfußballs in weiterreichende Zusammenhänge. Entsprechend ergiebig war auch die Auswertung des Mitteilungsblattes „Lorraine Football“, des offiziellen Organs des lothringischen Verbandes Ligue Lorraine de Football Association. Aufbau und Gliederung Der chronologische Aufbau der Studie in drei Hauptteile und neun Kapitel dient dazu, die Entwicklung der Fußballvereine und den Funktions- und Rollenwandel 85 Im Stadtarchiv Neunkirchen befindet sich ein Bestand der Vereinszeitung Nachrichtenblatt der Borussia aus den Jahren 1912–1913.

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des Fußballsports im Grenzraum Saarland/Moselle im Verlauf von fünf Jahrzehnten darzustellen. Im einführenden Kapitel „Verortungen im Grenzraum“, das dem ersten Hauptteil vorgelagert ist, wird der saarländisch-lothringische Grenzraum des späten 19. Jahrhunderts in seinen gesellschaftlichen und politischen Dimensionen beleuchtet. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um die Grundlagen und Voraussetzungen der Entwicklung des Fußballsports im Grenzraum. Eigene Abschnitte sind der regionalen Vereinskultur und den Turnvereinen gewidmet, welche für die Entstehung der Sport- und Fußballvereine den Unterbau bildeten. Der erste Hauptteil „Fußball ohne Grenzen“ hat die Anfänge des Fußballsports an der Saar und in Lothringen bis 1918 zum Thema. Dargestellt wird erstens die Entwicklung des Fußballs in einer zusammenwachsenden Region im Spannungsfeld von Nationalisierung und Industrialisierung. Ein Schwerpunkt der Beschreibung sind die verschiedenen Quellen, aus welchen sich der organisierte Fußball entwickelte. Beschrieben wird der Einfluss der deutschen Spielbewegung, der Schulen und der Turnvereine ebenso wie die ersten Schritte der eigenständigen bürgerlichen Fußballvereine und deren Organisation im Verband süddeutscher Fußballvereine. Zweitens wird der Fußballverein als sozialer Raum dargestellt. Beschrieben wird zum einen die sich rasch ausbildende eigene Lebenswelt Fußball. Zum anderen wird am Beispiel des katholischen Sports in Lothringen gezeigt, wie der Fußball sowohl als Projektionsfläche der Integration als auch für Fragmentierung dienen konnte. Thematisiert wird aber auch die Eigendynamik der Vereine, bei denen der Entwicklungsschritt hin zum Zuschauersport den Beginn des kommerzialisierten und professionalisierten Fußballsports markierte. Drittens wird der Fußballverein als politischer Raum betrachtet. Hierbei geht es um den Beginn der Indienstnahme des Fußballs durch aufkommende sportpolitische Akteure der verschiedenen staatlichen Ebenen. Im Mittelpunkt stehen die Auswirkungen der staatlichen Jugendpflege und der kommunalen Sportpolitik auf die Tätigkeit der Vereine. Thematisiert wird auch der Kosmopolitismus, der das Selbstverständnis der Fußballvereine ebenso prägte wie die Leitbilder Heimat und Vaterland. Die politische und ideologische Indienstnahme der Vereine im Ersten Weltkrieg und deren Selbstbehauptung während des Völkerringens ist Thema des den ersten Hauptteil abschließenden Teilkapitels. Der zweite Hauptteil „Fußball als Grenzfall“ deckt die Jahre 1919 bis 1939 ab und behandelt die nun getrennte Entwicklung der Fußballvereine im Grenzraum. Beschrieben wird der Transformationsprozess der lothringischen Vereine nach deren Angliederung an den französischen Sport ebenso wie die Situation im Saargebiet, wo sich unter den Bedingungen des Völkerbundmandats ein ganz eigener Kosmos mit spezifischen Politisierungs- und Sozialisierungserfahrungen entwickelte. Während die Vereine von der deutschen und französischen Saarpolitik umworben wurden, kam es zu einem ungeahnten Aufschwung des saarländischen, aber auch des lothringischen Vereinsfußballs. Thematisiert wird auch das deutsche Erbe der Vereine im neu gegründeten lothringischen Fußballverband. Im Fokus steht dabei deren erfolgreiche Integration in das gesellschaftliche und politische Leben des Grenzdepartements. Thematisiert wird auf der anderen Seite die

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Eigendynamik der Professionalisierung der Fußballvereine, die im Grenzraum zwei verschiedene Wege aufzeigen sollte. Wie der Fußball gerade an der Saar sich im Abstimmungskampf und während des „Dritten Reichs“ als Projektionsfläche für ideologische und politische Zwecke anbot, wird außerdem beschrieben. Abgeschlossen wird der zweite Hauptteil durch die Beschreibung der Verflechtungen beziehungsweise der Nicht-Beziehungen zwischen den Fußballvereinen an der Saar und in der Moselle nach dem Ersten Weltkrieg. Der dritte Hauptteil „Fußball als Grenzgänger“ thematisiert den letzten zeitlichen Abschnitt von 1940 bis 1952. Skizziert wird, wie der Fußball in Lothringen während der deutschen Besatzungszeit als Inszenierungsraum der nationalsozialistischen Volkstumspolitik diente und wie die Gauliga Westmark als sportpolitische Klammer für lothringische, pfälzische und saarländische Fußballvereine diente. Im Hinblick auf die Nachkriegszeit wird beschrieben, wie die Fußballvereine an der Saar sowohl von der französischen wie auch später von der saarländischen Politik für politische Zwecke in Dienst genommen wurden und der Fußball sowohl an der Saar als auch in der Moselle zur Projektionsfläche regionaler Identitätsmuster wurde. Beschrieben wird außerdem, wie durch die fortschreitende Professionalisierung und im Kontext zunehmender gesellschaftlicher Demokratisierung und Liberalisierung die Fußballvereine mehr denn je zu selbstständigen sportpolitischen Akteuren wurden, die ihre eigenen Interessen verfolgten. Abgeschlossen wird der letzte Hauptteil von der Beschreibung des wieder aufgenommenen Spielverkehrs zwischen dem Saarland und der Moselle ab Ende der vierziger Jahre, in welcher sich die Normalisierung der gesellschaftlichen Beziehungen widerspiegelte. 1 VERORTUNGEN 1.1 Gesellschaft und Politik an Saar und Mosel im 19. Jahrhundert Um die langfristige historische Entwicklung des Fußballsports im lothringischsaarländischen Grenzraum in einen größeren historischen Zusammenhang einordnen und verstehen zu können, ist zum einen dessen Verortung in den übergeordneten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in Europa notwendig. Zum anderen müssen die regionalspezifischen Besonderheiten des Grenzraums berücksichtigt werden. Ziel dieses einführenden Kapitels ist es, die grundlegenden Bedingungen und Voraussetzungen aufzuzeigen, vor deren Hintergrund der Fußballsport in diesem Grenzraum seinen Siegeszug begann. Mit dem Beginn der europäischen Moderne im 19. Jahrhundert wurden Prozesse in Gang gesetzt, die bis heute unser Leben bestimmen. Das Leitmotiv der Moderne, das in allen Lebensbereichen spürbar geworden ist, ist die Beschleunigung des Wandels.86 Ausgelöst durch die industrielle Revolution, führte diese als 86 Jörg Fisch zufolge hat die Beschleunigung des Wandels kein Ziel, sondern ist sich selbst zum Ziel geworden und führt in eine offene Zukunft hinein. Vgl. FISCH: Europa (2002), S. 17.

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gemeineuropäische Erscheinung und Erfahrung zu massiven gesellschaftlichen Umwälzungen, die sich infolge der stetig wachsenden Arbeitsproduktivität weiter fortsetzten. Unmittelbare Folgen wie Landflucht, Verstädterung und die Auflösung der Ständegesellschaft führten bei weiten Teilen der Bevölkerung zu einem permanenten Gefühl der Unsicherheit und Ungewissheit.87 Gleichzeitig gewann im 19. Jahrhundert die Idee der Nation in weiten Teilen Europas in Form des Nationalstaats an politisch-kultureller Bindekraft. Erfolg hatte er, weil es ihm gelang, den wachsenden Teilhabeansprüchen immer größerer Teile der Gesellschaft gerecht zu werden. Trotz aller Gewalt, die der Nationalstaat freisetzte, war er als Rechts-, Kultur- und Solidargemeinschaft in der Lage, das Streben seiner Einwohner nach Gleichheit und Partizipation teilweise zu kanalisieren.88 Diese allgemein für die europäische Moderne festzustellenden Tendenzen treffen auch auf den Grenzraum Saarland/Moselle zu. Sowohl an der Saar als auch in der Moselle wirkten Industrialisierung, Urbanisierung und Nationalisierung als gesellschaftlich und mental prägende Kräfte. Eng mit diesen Entwicklungstendenzen einher ging im 19. Jahrhundert der Aufstieg der bürgerlichen Vereine, die neue Formen der Vergemeinschaftung und der Partizipation offerierten. Als freie Vereinigungen entsprachen sie einerseits den zunehmenden individualisierten Bedürfnissen der Menschen, stillten andererseits auch deren soziales Bedürfnis nach Vergemeinschaftung.89 Auch moderne Sportarten wie der Fußball wurden in erster Linie in Vereinen ausgeübt, weswegen die Vereinskultur mit ihren regionalen Besonderheiten in einem zweiten Abschnitt dargestellt wird. Die für Nationalisierungs- und Militarisierungstendenzen anfälligen Turnvereine hatten auch im lothringisch-saarländischen Grenzraum eine hohe Bedeutung. Da sie auch hier oftmals als Geburtshelfer der ersten Fußballvereine fungierten, wird die Entwicklung der Turnbewegung im Grenzraum in diesem einführenden Kapitel im dritten Abschnitt ausführlicher berücksichtigt. Weder bilden das Saarland noch Lothringen geographische Einheiten, noch sind sie historisch gewachsene Regionen. Im territorial zersplitterten Saarland bildete einzig die seit dem Hochmittelalter bestehende Grafschaft NassauSaarbrücken ein eigenständiges Territorium und damit „den Kern für die spätere Entwicklung eines eigenen saarländischen Raumes.“90 Lothringen setzte sich in der frühen Neuzeit aus dem zum Heiligen Römischen Reich gehörenden Herzogtum Lothringen, mehreren geistlichen Fürstentümern und Enklaven Frankreichs und des Deutschen Reichs zusammen. Die germanisch-romanische Sprachgrenze entwickelte sich im Hochmittelalter und teilte die heutige Moselle von Südwest nach Nordost in einer Linie von Sarrebourg bis Hayange in zwei Hälften. Im Südwesten, zu welchem die Bistumsstadt Metz zählte, etablierte sich die französi87 Vgl. hierzu grundlegend FISCH: Europa (2002), S. 13–35. 88 Grundlegend hierzu LANGEWIESCHE: Nationalismus (2006), S. 179–182. 89 NIPPERDEY: Deutsche Geschichte (1984), S. 267f. In der Bürgertumsforschung gilt mittlerweile der „fundamentale Prozess der Vereinsbildung als soziokulturelle Konkretisierung der Bürgergesellschaft im 19. Jahrhundert“. Siehe SCHULZ: Lebenswelt (2005), S. 74. 90 ECKENSBERGER: Das Saarland (1985), S. 94. Siehe auch ausführlich HERRMANN: Die Saarregion (2012), hier insbesondere S. 34–42.

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sche Sprache. Im Nordosten der Moselle wurden dagegen wie in der Saargegend moselfränkische Dialekte gesprochen.91 Ab dem 16. Jahrhundert wuchsen die Machtansprüche der französischen Krone im lothringischen Raum, die sich sukzessive Teile des Herzogtums Lothringen einverleiben konnte. Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Saargegend Spielball der Machtpolitik Frankreichs und der Territorialstaaten des Heiligen Römischen Reiches. Ab 1673 wurde die Grenzregion im Zuge des Holländischen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges bis zum Frieden von Rijswijk 1697 von französischen Truppen besetzt. Ein Erbe städtebaulicher Art aus dieser Zeit ist die von Ludwig XIV. errichtete Festungsstadt Saarlouis, die auch nach dem Rückzug aus der Saargegend als Exklave im Teil der französischen Krondomäne blieb. Gesellschaftspolitisch große Folgen hatte auch die seit 1680 begonnene Rekatholisierung, die vom Bistum Metz aus vorangetrieben wurde. 1766 gelangten die Reste des nunmehr fragmentarischen Herzogtums Lothringen endgültig in französischen Besitz.92 Eine erneute Besatzungszeit erlebten die Bewohner der Saargegend nach 1793, als die Französische Revolution mit der dauerhaften Eroberung der Gebiete westlich des Rheins vom Revolutionskrieg zur Expansion übergegangen war. Mit der Einrichtung der linksrheinischen Departements und der Integration der deutschsprachigen Gebiete in die erste Französische Republik entstand für mehrere Jahre ein Raum enger deutsch-französischer Verflechtung.93 Die Saargegend wurde größtenteils dem 1798 gegründeten und von Trier aus verwalteten „Département de la Sarre“ zugeschlagen. In diesen Jahren wurden alle Bereiche des öffentlichen Lebens von französischen Institutionen umgestaltet. Als Grundlage für eine einheitliche Rechtsprechung wurde 1804 der Code Civil eingeführt.94 Nach den Napoleonischen Kriegen wurde die Saargegend gemäß den Bestimmungen des Zweiten Pariser Friedens im November 1815 territorial geteilt. Preußen wurde von nun an die Vormacht an der Saar. Der größte Teil, darunter der Kreis Saarbrücken, wurde Teil des ebenfalls neu gegründeten Regierungsbezirks Trier innerhalb der preußischen Rheinprovinz. Das östlich gelegene Bezirksamt Homburg wurde dagegen der bayerischen Pfalz zugeschlagen. Die vier lothringischen Departements Meuse, Meurthe, Vosges und Moselle waren zur Zeit der Französischen Revolution 1790 gegründet worden und blieben auch nach dem

91 MIECK: Der deutsch-französische Grenzraum (2003), S. 6–8; PENNERATH: La frontière (2003), S. 279; SCHLESIER: Von sichtbaren und unsichtbaren Grenzen (2007), S. 51. 92 Vgl. zum französischen Vorstoß nach Osten ROTH: La région (1996), S. 135–137. 93 STRUCK/GANTET: Revolution (2008), S. 89. 94 Ob die Rheinlande nach 20 Besatzungsjahren als „Allemagne française“ gelten können, ist in der Forschung umstritten. Für Bernhard Struck und Claire Gantet fällt das Urteil trotz langfristiger Auswirkungen im rechtlichen Bereich insgesamt negativ aus. Vgl. STRUCK/GANTET: Revolution (2008), S. 91–98. Für die Saargegend und die weitere Entwicklung während der Revolutionszeit und im Französischen Kaiserreich vgl. BURG: Saarbrücken (1999), S. 458– 462; ausführlich SCHMITT: Die Saarregion (2012).

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Zweiten Pariser Frieden 1815 weiterhin französisch.95 Das Departement Moselle mit der alten Bistumsstadt Metz grenzte fortan an die preußische Rheinprovinz. Allerdings stellte die Grenze zwischen den beiden landwirtschaftlich geprägten Räumen kein Hindernis dar für Handel und Industrie. Nicht zuletzt der industrielle Aufschwung verursachte mehr und mehr Grenzgänge.96 In Bezug auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregion können die 1850er Jahre als Schlüsseljahrzehnt angesehen werden. Durch technische Verbesserungen im Bergbau beschleunigte sich die Entwicklung der Schwerindustrie und nicht zuletzt durch die Ansiedlung der Burbacher Hütte im Jahr 1856 wurde in den Saarstädten Burbach und Malstatt ein „stürmisches Städtewachstum“ initiiert. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich die später aus den drei Saarstädten hervorgegangene Großstadt Saarbrücken zur größten deutschen Stadt zwischen Rhein und französischer Grenze. Grundlage dieser wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte war das „schwarze Gold“ des Saarbrücker Kohlensattels, das als Energieträger zunehmend begehrt wurde und Voraussetzung war für den weiteren Industrialisierungsprozess.97 Abgesehen von der Glasindustrie in Sarrebourg war auch in der französischen Moselle die Schwerindustrie der für alle Lebensbereiche Impuls gebende Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs. Bereits 1851 produzierte die Moselle die größte Stahlmenge aller französischen Departements. Die 1853 von Charles de Wendel in Stiring – einem Ort direkt gegenüber Saarbrücken liegend – errichteten Hochöfen waren die modernsten des ganzen Landes.98 Sowohl an der Saar als auch in der Moselle bedingten sich industrieller Aufschwung und der Eisenbahnbau gegenseitig. 1850 erfolgte die Einweihung der ersten Bahnlinie zwischen Nancy und Metz, 1852 wurde die Strecke zwischen St. Johann und Ludwigshafen eröffnet. Noch im selben Jahr wurde St. JohannSaarbrücken an das französische Schienennetz angeschlossen. Bereits 1861 fuhren von dort täglich fünf Personenzüge nach Metz.99 Die Eisenbahn revolutionierte innerhalb weniger Jahre die Mobilität und sorgte mit ihren grenzüberschreitenden Verbindungen für eine vorher nie dagewesene Vernetzung des deutsch-französischen Grenzraumes. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 hatte für den Grenzraum Saarland/Moselle weitreichende Konsequenzen. Unmittelbar erlebbar wurde er für die Saarbrücker Bevölkerung, als am 6. August 1870 die Schlacht von Spichern direkt vor den Toren der Stadt stattfand. Die von den Preußen gewonnene Schlacht 95 Zum Saarland siehe BURG: Unter neuen Herren (2012), insbesondere S. 113–125; MIECK: Der deutsch-französische Grenzraum (2003), S. 11–14; SCHMIDT: Politische Kultur (1959), S. 44–60; HERRMANN: Das Saarland (1971), S. 352–357; zur Rheinprovinz siehe knapp HÖROLDT: Die Rheinlande (1971); ergänzend und grenzüberschreitend ROTH: La région (1996), S. 136–138; zur Moselle REITEL: Die Veränderungen (1989), S. 127. 96 HERRMANN: Das Saarland (1971), S. 354; SCHLESIER: Vereinendes (2007), S. 138–141. 97 HERRMANN: Das Saarland (1971), S. 353. Zur Entwicklung der drei Saarstädte siehe WITTENBROCK: Die drei Saarstädte (1999), S. 12–14; SANDER: Hochindustrialisierung (2012), insbesondere S. 163–179. 98 Für die Moselle siehe BAUDIN: Histoire (1992), S. 17–66. 99 BURG: Saarbrücken (1999), S. 573; WITTENBROCK: Die drei Saarstädte (1999), S. 64.

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brachte der deutschen Seite zwar einen enormen strategischen Vorteil, folgenreicher waren jedoch die mentalitätsgeschichtlichen Aspekte. „Spichern“ war für die Bewohner der Saarstädte ein „nationales Schlüsselerlebnis“ und wurde zu einem lokalen Denkmals-, Toten- und Heldenkult, der mit dazu beitragen sollte, den preußisch-deutschen Militarismus an der Saar zu festigen.100 Direkte Folge des Krieges, in welchem Preußen und seinen Verbündeten die französische Armee innerhalb weniger Monate besiegten, war die Annexion der zwei elsässischen Departements und des lothringischen Departements Moselle durch das neu gegründete Deutsche Reich. Die Abtretung und die neue Grenzziehung wurden im Friedensvertrag von Frankfurt am 10. Mai 1871 völkerrechtlich fixiert, in den besetzten Departements und in Frankreich jedoch als eine brutale und plötzliche Zäsur wahrgenommen.101 Aus dem Departement Moselle wurde der Bezirk Lothringen, der wiederum einer der drei Bezirke des Reichslandes Elsaß-Lothringen wurde. Das Reichsland nahm im föderativen Deutschen Kaiserreich eine Sonderstellung ein, da es unmittelbar dem Kaiser unterstellt war. Der Oberpräsident wurde 1879 im Zuge einer Verwaltungsreform durch den Statthalter ersetzt, der von nun an das eigenständige Ministerium in Straßburg führte und direkter Vertreter des Kaisers in Elsaß-Lothringen wurde. Erst am 31. Mai 1911 erhielt das Reichsland eine Verfassung und damit den Status eines selbstständigen Gliedstaates des Reiches mit Stimmrecht im Bundesrat.102 Aus militärstrategischen und wirtschaftlichen Gründen wurden die Stadt Metz und ihr Umland, das „pays messin“, vom Deutschen Reich annektiert, obwohl sie nie zum deutschen Sprachgebiet gehört hatten. Der Frankfurter Friedensvertrag räumte der einheimischen Bevölkerung die sogenannte „Option“ ein: Wer wollte, konnte bis Herbst 1872 seinen Wohnsitz nach Frankreich verlegen. Viele Lothringer entschieden sich für eine Übersiedlung nach Frankreich, wenn auch die Emigration insgesamt geringer ausfiel als im benachbarten Elsass. Allein in Metz optierten jedoch 18 000 frankophone Intellektuelle, Industrielle, Künstler und Handwerker für eine Ausreise nach Frankreich. Durch diesen Aderlass verlor die Moselle einen Großteil ihrer industriellen und intellektuellen Elite. Gleichzeitig trug die Emigration aber auch zur Konsolidierung der neuen Grenze bei, da sie das Protestpotenzial im annektierten Lothringen schwächte.103 So war aus Metz vierzig Jahre nach dem Krieg eine deutsche Stadt geworden, in der mehr Deutsche als geborene Lothringer wohnten.104 Mit der Schaffung des XVI. Armeekorps im April 1890 verdoppelte sich die Militärpräsenz in Lothringen. Metz beherbergte die größte Garnison des Deutschen Reiches, die mit 25 000 Mann größer war als diejenige Berlins. Enorm waren die städtebaulichen Folgen. Aufgrund ihrer militär100 WITTENBROCK: Die drei Saarstädte (1999), S. 27. Ausführlich HANNIG: Im Schatten (1993). 101 ROTH: La Lorraine (1976), S. 10. François Roths umfangreiche Studie zur Geschichte der annektierten Moselle ist bis heute grundlegend. 102 RIEDERER: Feiern (2004), S. 18f.; für eine knappe Zusammenfassung der Verwaltungsstrukturen siehe JESERICH: Verwaltungsgeschichte (1984), hier S. 166–171. 103 BAUDIN: Histoire (1992), S. 110–111; REITEL: Die Veränderungen (1989), S. 129; SCHLESIER: Vereinendes (2007), S. 149. 104 WAHL: L’immigration (1973), S. 208.

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strategischen Bedeutung an der französischen Grenze wurde die Stadt zu einer Festungsstadt ausgebaut, so dass bei Kriegsausbruch im Jahr 1914 Metz die größte Festungsanlage der Welt darstellte.105 Eine ähnlich rasche „Germanisierung“ fand in der dreißig Kilometer weiter nördlich gelegenen Stadt Thionville statt. In Diedenhofen umbenannt, wurde sie als Festungsstadt ausgebaut und profitierte in den folgenden Jahren von der Industrialisierung.106 Die wirtschaftliche Integration der Moselle ins Deutsche Reich gelang rasch und vollständig. Tätig wurden in erster Linie deutsche beziehungsweise auch saarländische Unternehmen. Die stark mit der Moselle verbundene Industriellenfamilie De Wendel war die einzige französische Unternehmensgruppe, die nach 1871 ihre Unabhängigkeit bewahren konnte. Die Gruppe Wendel, ein Stahlimperium mit mehr als 30 000 Beschäftigten, verlegte ihren Hauptsitz von Stiring in das nahe bei Diedenhofen gelegene Hayingen.107 Die Moselle wurde in erster Linie ein Eisenerzproduzent, verarbeitende Fabriken vor Ort wurden erst ab 1890 errichtet.108 Das größte Wachstum erlebte die Moselle in den Jahren von 1890 bis 1914, als sich in den Tälern nördlich von Metz eine von deutschen Industriellen errichtete gewaltige schwerindustrielle Baustelle über Kilometer hin erstreckte. Gerade im Moseltal zwischen Metz und Diedenhofen wurden immer mehr deutsche Arbeiter sesshaft. In Diedenhofen und Umgebung vervielfachte sich die Bevölkerung. Durch die Immigration wurde nicht nur die Sprachgrenze westwärts verschoben, die Deutschen dominierten zunehmend in Politik, Wirtschaft und Kultur.109 Eine weitere gesellschaftliche Umwälzung bedeutete der Zuzug vieler Wanderarbeiter aus dem Ausland, insbesondere aus Italien. Begleitet wurde die wirtschaftliche und demografische Integration von den Bemühungen der deutschen Behörden, die Moselle auch sprachlich, mental und kulturell in das Deutsche Kaiserreich zu integrieren. Bereits 1872 wurde Deutsch als Amtssprache und 1874 als Unterrichtssprache in den Elementarschulen eingeführt, wenngleich für hunderte von französischsprachigen Gemeinden noch bis 1914 Ausnahmen bestanden. Dennoch konnte eine Integration nur dann langfristig Erfolg haben, wenn diese auch kulturell und religiös erfolgte. Die katholische Kirche spielte in der Moselle dabei eine ambivalente Rolle. Während der deutschsprachige Katholizismus ein Verfechter der „Germanisierung“ wurde, verteidigte der Klerus in den frankophonen Gebieten lange Zeit die Rechte der französischsprachigen Minderheit. Prägend wurde im Katholizismus um die Jahrhundertwende ein lothringischer Partikularismus, der bei teilweiser Öffnung gegenüber dem rheinischen Katholizismus und gleichzeitiger Distanzierung vom Laizismus der Dritten Französischen Republik ein eigenes Profil entwickelte.110 105 106 107 108

HUDEMANN: Quartier de la Gare (2009), S. 1. ROTH: La Lorraine (1976), S. 453–454. ROTH: La Lorraine (1976), S. 656; ausführlich BAUDIN: Histoire (1992), S. 142–146. Ausführlich zum lothringischen Minetterevier und zur industriellen Integration Lothringens vgl. DÖRING: Die deutschen schwerindustriellen Interessen (1971). 109 BAUDIN: Histoire (1997), S. 36–37, 219–224. 110 ROTH: La Lorraine (1976), S. 663–666, 484–485; SCHLESIER: Von sichtbaren und unsichtbaren Grenzen (2007), S. 60–65.

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Auch für die Saar hatte die Entstehung des Reichslandes Elsaß-Lothringen durch die neue Grenzziehung Konsequenzen. Die Beziehungen nach Lothringen intensivierten sich ab 1870. Wirtschaftlich verfestigte sich die Verflechtung durch die bereits angesprochenen Investitionen saarländischer Unternehmen sowie durch die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus Lothringen. Eine Konstante in den Beziehungen blieb die soziale Vernetzung durch gegenseitige Arbeitsmigration. Während viele Lothringer in den Saargruben und Eisenhütten ihr Geld verdienten, fuhren viele saarländische Bergleute andererseits auch in die Gruben des lothringischen Kohlebeckens ein. So entstand in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg – eingebunden war auch das nördlich der Moselle gelegene Herzogtum Luxemburg – ein grenzübergreifender „Wirtschafts- und Sozialraum Saar-LorLux“.111 Die Formation der neuen Großstadt Saarbrücken hatte auf den Grenzraum eine große Ausstrahlung. 1909 schlossen sich die drei Saarstädte Saarbrücken, St. Johann und Burbach zur Großstadt zusammen. Mit den nur wenige Kilometer entfernt liegenden lothringischen Städten Forbach und Saargemünd bildeten sie einen zusammenwachsenden urbanen städtischen Ballungsraum, der sowohl auf das saarländische als auch auf das lothringische ländliche Hinterland anziehend wirkte.112 Zudem war Lothringen durch die nun offene Grenze langfristig den religiösen, kulturellen und politischen Einflüssen des Rheinlandes ausgesetzt. So wuchs einerseits in den Grenzgebieten Saargemünds, Forbachs und Diedenhofens der protestantische und liberale Einfluss, während sich andererseits auch deutsche Vereinstypen wie der katholische Arbeiterverein in Lothringen verbreiteten.113 Der beschleunigte Wandel, der durch das Produktivitätswachstum hervorgerufen wurde, machte sich für die Menschen sowohl an der Saar als auch in der Moselle in erster Linie in einem radikalen sozialen Umbruch bemerkbar. Die in enormem Tempo voranschreitende Verstädterung der industriellen Zentren sowohl an der Saar als auch in Lothringen, sowie die massive Zuwanderung ging zwar einher mit wachsendem Wohlstand, jedoch auch mit einer Entfremdung und Entwurzelung von althergebrachten Lebensweisen.114 Der Grad der politischen Radikalisierung der Arbeiterschaft sollte jedoch im gesamten Grenzraum stets marginal bleiben. Dies hing an der Saar einerseits von der Mentalität der zugewanderten katholischen Landarbeiter ab, die zumeist in ihrem gewohnten religiös und ländlich geprägten Milieu weiterhin leben konnten. Andererseits war dies auch der den Arbeitern zugestandenen Teilhabe geschuldet, die durch den preußischen Bergfiskus und die paternalistischen Systeme der Eisenwerke gewährleistet wurde. In diesem Spannungsfeld von Industrialisierung, Urbanisierung und Nationalisierung brachten es im saarländisch-lothringischen Grenzraum diejenigen 111 LEINER: Wanderungsbewegungen (1998), S. 58; LEHNERS: Menschen (1996), S. 79; zur wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Bedeutung der Grenze ROTH: La frontière (1994). 112 ROTH: La région (1996), S. 140. 113 ROTH: La Lorraine (1976), S. 679. 114 Die Industrialisierung trug nachhaltig dazu bei, den Pauperismus zu überwinden und erstmals weiten Bevölkerungskreisen Spielraum für Ersparnisse zu ermöglichen. Vgl. zum Abschnitt THOMES: Die Phase (1994), S. 219–223.

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sozialen Vergemeinschaftungsformen zur völligen Blüte, die im 19. Jahrhundert für breite Schichten zu einem bestimmenden Element des Alltags geworden waren: die Vereine. 1.2 Die Vereinskultur an der Saar und in der Moselle Vereine wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Massenphänomen. Als gesellschaftliche Institutionen wurden sie zu politisch-kulturellen Sozialisationsfaktoren ersten Ranges. Tugendbegriffe und Wertvorstellungen wie Einigkeit, Treue, Mut, Standhaftigkeit, Gerechtigkeit und Ehre waren im Vereinswesen lebensweltlich verankert und verantwortlich für die Ausbildung politisch-kultureller Grundüberzeugungen und -vorstellungen. Dass die Menschen in Vereinen wesentliche Sozialisierungserfahrungen machten, hatte in den deutschen Teilstaaten und später im deutschen Kaiserreich Tradition. Angesichts mangelnder politischer Liberalisierung im 19. Jahrhundert drückte sich das Streben nach Partizipation im gesellschaftlichen Engagement aus.115 Zugleich fungierten Vereine als identitätsund geborgenheitsstiftende Zentren und waren Ausdruck zunehmender individueller Bedürfnisse nach Geselligkeit und Kontakten jenseits der eigenen Berufsgruppe, der eigenen Konfession und der räumlich begrenzten Lebenswelt.116 Am Beginn der städtischen Vereinsentwicklung in Deutschland standen dabei in der Regel die allgemeinen Geselligkeitsvereine, die neben den familiären und beruflichen Beziehungsgeflechten einen Mittelpunkt der männlichen bürgerlichen Kultur bildeten.117 Die Entwicklung der Vereinskultur an der Saar nahm einen vergleichbaren Anfang. In den 1770er Jahren entstanden im Fürstentum NassauSaarbrücken Freimaurerlogen und Lesegesellschaften, die sich an der Ideenwelt der Aufklärung orientierten und den „Mittelpunkt des kulturell-geistigen Lebens in Saarbrücken“ darstellten. Diese ersten Vereine wurden vom Adel, dem fürstlichen Beamtentum und dem Handelsbürgertum getragen und waren Medien eines ständeübergreifenden Dialogs, der die Grenzen der traditionellen Sozialordnung überschritt.118 Die Formierung einer überständischen aufgeklärten Elite wurde im Gefolge der „expansion révolutionnaire“, der französischen Besatzung unterbrochen. Das Bildungs- und Besitzbürgertum verlangte gegen Ende des 18. Jahrhunderts jedoch vermehrt nach neuen Formen der Geselligkeit und der Kommunikation und strebte eine Mitgestaltung des öffentlichen Lebens an.119 Anders als allgemein in den deutschen Teilstaaten, verlief die Entwicklung des Vereinswesens an der Saar bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts schleppend, da es hier keine ausstrahlungskräftige urbane Kultur gab. Dennoch spielten die vorwie115 116 117 118 119

LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 435f; GROßMANN: La Sarre (2008), S. 32. In diesem Sinne auch LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 235. SOBANIA: Vereinsleben (1996), S. 170. LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 222. Ausführlich zur regionalen Vereinsentwicklung bis zum Vormärz siehe SCHWARZ: Das Vereinswesen (1992), S. 14–31.

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gend kulturellen Vereine für die gesellschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Die vor Ort organisatorisch und personell miteinander verflochtenen Vereine sorgten für eine reibungslose Integration der zugezogenen preußischen Beamtenschaft und wurden so zu einem Netzwerk der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Ein weiteres Kennzeichen der Vereinsentwicklung bis 1850 war die Politisierung des vormärzlichen Vereinswesens, die sich auch an der Saar bemerkbar machte. Viele Vereine gehörten der liberalen Bewegung an. Zu einer politischen Bewusstseinsbildung kam es sogar beim Turnverein St. Johann, der sich 1848 dem überregionalen Demokratischen Turnerbund anschloss.120 Die beginnende Industrialisierung ab 1850 förderte die Ausdehnung des Vereinswesens. Bis 1870 entstanden im sich bildenden Saarrevier 400 bis 500 Vereine. Es kam zu einer Ausbreitung von Musik-, Gesangs-, Turn-, Schützen- und Karnevalsvereinen. Zeitgleich und unmittelbar mit den lebensweltlichen Umständen der Arbeiterschaft zusammenhängend, bildeten sich zudem die ersten Genossenschafts-, Konsum- und Knappenvereine. Letztere waren vorwiegend katholisch geprägt. Generell war die konfessionelle Differenzierung und die Ausweitung der Trägerschaft auf untere Schichten Kennzeichen der weiteren regionalen Entwicklung. Die Ausbildung der ersten Arbeitervereine in den 1850er Jahren und später der ersten gewerkschaftlichen Interessenorganisationen auf katholischer Grundlage war für die Kirche ein idealer Nährboden für den Ausbau ihrer zunehmenden gesellschaftspolitischen Macht an der Saar.121 Eine flächendeckende Ausbreitung des Vereinsnetzes auf alle Ortschaften im Saarrevier erfolgte in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Gründung des Deutschen Reiches. Ab 1890 beschleunigte sich diese noch einmal enorm. Ursache hierfür waren die Freizeitvereine, die seit den achtziger Jahren in ihrer Zahl explosionsartig zunahmen und nun das Gros der Vereine stellten.122 Die ältesten und zudem am weitesten verbreiteten Vereine waren dabei die Gesangsvereine. Aber auch die Turn- und Sportvereine nahmen an gesellschaftlicher Bedeutung zu. Die ständische Zusammensetzung in den Vereinen war dabei höchst unterschiedlich und hing vor allem von den lokalen Begebenheiten ab. Viele Freizeitvereine hatten eine sozial gemischte Zusammensetzung. Frauen waren in den männerdominierten Vereinigungen jedoch in der Regel nicht vertreten. Eine Ausnahme stellten ab der Jahrhundertwende die Damenabteilungen der Turnvereine dar. Ebenso wie an der Saar nahmen auch in Lothringen die Vereinsgründungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts rapide zu. Bis dahin war die lokale Vereinskultur in der Regel von Musik- und Gesangsvereinen dominiert. Die Gründung von Krieger-, Turn- und Radfahrvereinen wurde auch hier durch Industriali120 Zu diesem Absatz vgl. LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 222; SCHWARZ: Das Vereinswesen (1992), S. 32–59, 102. Zum demokratischen Turnverein vgl. außerdem Kapitel 1.3. 121 LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 223–225; zur Entfaltung des katholischen Vereinswesen an der Saar siehe auch SCHWARZ: Das Vereinswesen (1992), S. 74f. Zum katholischen Sport an der Saar und in Lothringen siehe Kapitel 3.2. 122 Linsmayer teilt die Freizeitvereine in fünf Großgruppen: Kulturvereine, Turn- und Sportvereine, Geselligkeits- und Rauchvereine, Obst- und Kleintierzuchtvereine, Militärvereine. Siehe hierzu und zu diesem Abschnitt LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 230–233.

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sierung und Urbanisierung begünstigt, war aber zusätzlich von der besonderen Annexionserfahrung geprägt.123 Bezüglich des landesrechtlichen Vereinsrechts hatten im annektierten Lothringen zunächst die französischen Gesetze von 1834 und 1868 weiterhin Bestand. Erst mit dem Vereins- und Versammlungsgesetz für Elsaß-Lothringen vom 21. Juni 1905 wurden diese aufgehoben.124 Hatten bis dahin nur Vereine mit mehr als 20 Mitgliedern beim Polizeipräsidium oder beim Kreisdirektor einer Anzeige- und Genehmigungspflicht unterlegen, galt dies nun für alle Vereinsgründungen. Auch das öffentliche Tragen von Vereinstrachten, Fahnen und Abzeichen musste nun genehmigt werden. Satzungen mussten in deutscher Sprache verfasst und bei öffentlichen Kundgebungen Deutsch als Geschäftssprache genutzt werden. Eine generelle Ausnahme galt für das französische Sprachgebiet, in dem „der Mitgebrauch der französischen Sprache“ gestattet war. Vereine und Versammlungen konnten laut §7 außerdem durch den Bezirkspräsidenten aufgelöst werden, wenn Zweck oder Tätigkeit der Vereine im Widerspruch zu den Gesetzen standen oder der öffentliche Frieden gefährdet schien. Gerade dieser Paragraph wurde von der Tagespresse in Lothringen als willkürlich bemängelt.125 Aufgehoben wurden die landesrechtlichen Neuerungen bereits durch das Reichsvereinsgesetz vom 19. April 1908, das allen Reichsbürgern im Deutschen Reich das grundsätzliche Recht einräumte, Vereine zu bilden. Dies galt auch für Lothringen.126 Die Konsequenzen der Annexion für die lothringische Vereinskultur waren aber vor allem demografisch bedingt. Die Soldaten, Beamten und Arbeiter aus dem Deutschen Reich brachten zunächst ihre eigenen Vereine mit nach Lothringen. So waren es zunächst Casinoclubs und Militärvereine, die den „Altdeutschen“127 – Beamten und Militärs – als Zufluchtsort dienten. „Deutsche“ Vereinstypen, die bis dahin in Lothringen unbekannt gewesen waren, hielten Einzug. So wurden nach deutschem Vorbild vermehrt katholische Männer- und Jugendvereine gegründet. Weite Verbreitung fanden im Bezirk Lothringen auch die nach deutschem Modell gegründeten Krieger- und Turnvereine. Beide Vereinstypen zeichneten sich einerseits durch ihre Staatsnähe aus, andererseits durch ihre flexible Anpassung an die regionalen Besonderheiten. In beiden Vereinstypen vermischten sich im Laufe der Jahre „Altdeutsche“ und Einheimische. Inwiefern sie dadurch zur Integration Lothringens in das Deutsche Reicht beitrugen, kann im Rahmen dieser Studie nicht beantwortet werden. Da sie jedoch als Freizeitvereine ähnlich wie die Sport- und Fußballvereine sowohl der Geselligkeit als auch der

123 WAHL: Introduction (2000), S. 7; HIRSCH: Les associations (2000), S. 10. Zum lothringischen Vereinswesen vgl. den Kolloquiumsband DESMARS/WAHL: Les associations (2000). 124 Gesetz über das öffentliche Vereins- und Versammlungsrecht für Elsaß-Lothringen v. 21. Juni 1905, Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen, S. 47, Nr. 1124. 125 Vgl. Zeitungskommentare in der Lothringer Volksstimme, 16.3.1905 und in der Bürgerzeitung, 14.3.1905, in: Archives départementales de la Moselle (ADM), 15 Z 62. 126 Vereinsgesetz v. 19. April 1908, Deutsches Reichsgesetzblatt (RGbl.) 1908 Nr. 3449, S. 151. 127 Als „Altdeutsche“ wurden Einwanderer aus dem „Altreich“ bezeichnet. Der Begriff wurde im Verlauf der Annexion sowohl von den Einheimischen als auch von den Behörden benutzt.

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sportlichen Betätigung breiterer Schichten dienten, werden sie im Rahmen dieses einführenden Kapitels berücksichtigt. Vereinigungen von ehemaligen Soldaten gab es in Deutschland und Frankreich vermehrt seit der Jahrhundertmitte. Zum Massenphänomen wurden die Kriegervereine in Deutschland nach der Reichsgründung 1871. Kriegervereine pflegten die Kameradschaft untereinander, widmeten sich der Pflege von Soldatengräbern und Denkmälern, unterstützten Witwen und Waisen und veranstalteten Paraden, Umzüge und nationale Feiern. Der 1874 gegründete Saarbrücker Kriegerverein machte es beispielsweise zu seiner „Ehrenpflicht“, alljährlich am Tag der Schlacht von Spichern der Toten durch Kranzniederlegung und einer Feier zu gedenken.128 Bei ihren öffentlichen Auftritten benutzten die Kriegervereine eine nationale und militärische Formen- und Bildersprache. Die Mitglieder rekrutierten sich vorwiegend aus dem Arbeiter-, Landarbeiter- und Kleinbürgermilieu. Das gehobene Bürgertum und das Militär waren wie Adel, Akademiker und Angestellte unterrepräsentiert, dominierten jedoch in den leitenden Vereinspositionen. Organisiert waren die Kriegervereine zum Teil in Landeskriegerverbänden, welche wiederum im Jahr 1900 den Kyffhäuserbund als nationalen Dachverband gründeten. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren in deutschen Kriegervereinen etwa drei Millionen Mitglieder organisiert. Für die Saar liegen keine genauen Zahlen vor. Jedoch zählte alleine der Saarbrücker Kriegerverein in den Jahren vor Kriegsausbruch etwa 850 Mitglieder. Die Kriegervereine im Bezirk Lothringen zählten insgesamt etwa 20 000. Mit 432 Vereinen zählte Elsaß-Lothringen im Jahr 1913 im Verhältnis zur Einwohnerzahl zwar nur etwa halb so viele wie das Deutsche Reich. Die Anzahl der Vereine hatte sich seit 1900 jedoch verdoppelt.129 Die ersten Kriegervereine Lothringens wurden 1874 in Hayingen und Metz gegründet. Generell wurde das Kriegervereinswesen in Elsass-Lothringen zunächst als typisch „altdeutsche“ Organisationsform betrachtet. Die Vereine vertraten nicht nur ein militaristisches Weltbild, sondern verstanden sich auch als „Repräsentanten einer germanophilen, reichsdeutsch-nationalen Strömung, die wesentlich an der kulturellen »Germanisierung« Elsaß-Lothringens mitwirken sollte.“130 Der Reserviertheit der einheimischen Bevölkerung in der Frühphase der Entwicklung stand im Laufe der Jahre jedoch eine erstaunliche Ausdehnung des Kriegervereinswesens gegenüber. Einen Beitrittsboom löste in den achtziger Jahren die Öffnung der Vereine für ehemalige französische Feldzugsteilnehmer aus, weswegen sich die Mitgliederzahl vieler Vereine in kürzester Zeit verdoppelte. Der Bezug auf ein Nationen übergreifendes Soldaten- und Heldentum wurde schließlich zu einem Charakteristikum der elsass-lothringischen Kriegervereine, 128 Der Verein ging aus dem 1872 gegründeten Kriegerverein der Städte Saarbrücken und St. Johann hervor. Vgl. Saarbrücker Kriegerverein: Festbuch (1934), S. 10. Zur Entwicklung des Kriegervereinswesens ROHKRÄMER: Der Militarismus (1990), S. 27–72, hier S. 34–37. 129 1900 wurden 218 Vereine gezählt, was einer Zuwachsrate von 98 % entspricht. Im Deutschen Reich lag die Zuwachsrate bei 46 %. Zu den statischen Daten für die Berechnungen siehe ROHKRÄMER: Der Militarismus (1990), S. 271. Zu den Mitgliederzahlen des Saarbrücker Kriegervereins siehe Tabelle, in: Saarbrücker Kriegerverein: Festbuch (1934), o. S. 130 RIEDERER: Feiern (2004), S. 140.

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das sie von den Kriegervereinen im übrigen Deutschen Reich unterschied. Die Rücksichtnahme auf die regionalen Besonderheiten dieses Grenzraums wurde für die lothringischen Kriegervereine zur Normalität und erklärt beispielsweise auch, warum in Elsaß-Lothringen auf die alljährlichen Sedansfeiern verzichtet wurde. Dies beantwortet auch die Frage, warum – auch wenn die Kriegervereinsgründungen von altdeutschen Verwaltungsbeamten ausgingen – zahlreiche, hauptsächlich deutschsprachige Lothringer den Kriegervereinen beitraten. Um die Jahrhundertwende stellten sie bereits 44 Prozent der Mitglieder. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatten sich die Kriegervereine in den urbanen und industriellen Zentren Lothringens etabliert. Lediglich in ländlichen und frankophonen Gebieten blieb ihr Einfluss relativ gering.131 Mit der Entwicklung einher ging eine Politisierung der Kriegervereine. 1890 wurde der Elsaß-Lothringische Krieger-Landesverband gegründet. Da die Kriegervereine für Kaiser und Reich eintraten und ganz im Sinne der Behörden das Deutschtum in Elsaß-Lothringen förderten, wurden sie von der öffentlichen Hand wohlwollend unterstützt. Demgemäß wurde auch seit 1891 das Protektorat durch den Kaiserlichen Statthalter in Straßburg wahrgenommen. Um seinen zentralen Aufgaben wie der Kriegsgräberfürsorge gerecht zu werden, wurde der als gemeinnützig anerkannte Verband von der Landesregierung finanziell unterstützt.132 Den Kriegervereinen vergleichbare Vereinigungen wurden in Frankreich mit zeitlicher Verzögerung gegründet.133 Die für Elsaß-Lothringen wichtigste Vereinigung wurde der 1887 in Paris gegründete Verband „Le Souvenir Français“. Dieser setzte es sich zum Ziel, der gefallenen französischen Soldaten des Deutschfranzösischen Kriegs zu gedenken und deren Gräber zu pflegen. Im annektierten Lothringen sollte diese Organisation das Zugpferd der profranzösischen Vereine werden. Der Verband, dem überwiegend Veteranen, Reservisten und ehemalige Bewohner der annektierten östlichen Departements, den „provinces perdues“, angehörten, war in den ersten Jahren ausschließlich in Frankreich selbst tätig. Er pflegte zu den nationalistischen Bewegungen Frankreichs, insbesondere zur rechtsgerichteten und revanchistischen „Ligue des Patriotes“, gute Beziehungen. Im April 1907 wurde im Bezirk Lothringen durch den Journalisten Jean-Pierre Jean schließlich die erste Sektion gegründet. Innerhalb weniger Monate folgten weitere Gründungen. Die von den deutschen Behörden tolerierte Organisation, die im Reichsland den Namen „Le Souvenir Alsacien-Lorrain“ annahm, wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Symbol des profranzösischen Widerstands. Am 4. Oktober 1908 fand die vom Souvenir organisierte Einweihung des Ehrendenkmals für die französischen Gefallenen in Noisseville statt. Bei dem kleinen Dorf, acht Kilometer östlich von Metz an der französischen Grenze gelegen, hatte im 131 Zu diesem Abschnitt vgl. eingehend RIEDERER: Feiern (2004), S. 137–159; METZLER: Les Kriegervereine (2000); MAAS: Kriegerdenkmäler (1998). 132 Siehe 20. Jahresbericht des Elsaß-Lothringischen Krieger-Landesverbandes für das Jahr 1910, in: ADM, 15 Z 62. 133 Zur Entwicklung der Kriegserinnerung in der Dritten Französischen Republik und zum Kriegervereinswesens in Frankreich vgl. VOGEL: Nationen (1997), S. 178–202.

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Sommer 1870 eine der entscheidenden Schlachten auf lothringischem Boden stattgefunden. Die Feier fand im Einvernehmen mit den reichsländischen Behörden statt. Außerdem wehte bei dieser Gelegenheit erstmals seit 1870 wieder die Trikolore auf reichsländischem Boden. Die deutsche Seite hatte die Feier in ihrem Protestpotenzial unterschätzt. Sie wurde zu einer der wirkungsmächtigsten profranzösischen Kundgebungen während der Annexionszeit. In der Folge häuften sich Zwischenfälle und es kam zur Gründung mehrerer profranzösischer Gesangs, Turn- und Sportvereine.134 Durch die in Gang gesetzte Polarisierung auf beiden Seiten wurde das Verhalten der Behörden gegenüber diesen Vereinen sukzessive härter. 1914 wurde ein Verbotsverfahren bezüglich des Souvenir Alsacien-Lorrain in Gang gesetzt und mit Kriegsausbruch wurden alle profranzösischen Vereine schließlich verboten.135 Eine vergleichbare Entwicklung wie bei den Kriegervereinen – in Hinblick auf eine stufenweise Überwindung der getrennten Lebenswelten – ist für die Gesangvereine in Elsass-Lothringen festzustellen, wenn sie auch hauptsächlich das Elsass betraf. Nach dem Verbot des elsässischen Regionalverbandes 1887 wurde 1890 der Elsaß-Lothringische Sängerbund gegründet, welcher – durchaus mit Erfolgen – versuchte, die Gegensätze zwischen einheimischen und altdeutschen Sängern einzuebnen, nicht zuletzt durch die Einbeziehung regionaler Traditionen und Symbole.136 Für die Vereinskultur im saarländisch-lothringischen Grenzraum bleibt ergänzend festzuhalten, dass neben den Vereinen, in welchen Lothringer und Deutsche getrennte oder gemeinsame Lebenswelten ausbildeten, mit dem industriellen Aufschwung auch Immigrantenvereine entstanden. Polnische und vor allem italienische Arbeiter organisierten sich in Vereinen, die hauptsächlich im französischsprachigen Teil der Moselle, in den Industriezentren um Diedenhofen, konzentriert waren.137 Allerdings bestand auch im Kreis Saarbrücken in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine italienische Gemeinschaft von 6 000 Menschen. Ende des 19. Jahrhunderts waren Italiener vornehmlich in Sport-, Jugend- und Wohlfahrtsvereinen zu finden.138 Die Ausdifferenzierung der Vereinskultur im 19. Jahrhundert und die Einbeziehung immer größerer Bevölkerungsschichten war im gesamten saarländischlothringischen Grenzraum anzutreffen. Bis etwa 1890 wurden Vereine hauptsächlich aus dem Grund gegründet, um dem politischen Emanzipationsbedürfnis des 134 Die genaue Anzahl der Vereine ist bis heute in der Forschung noch nicht bekannt. Zu den profranzösischen Turn- und Sportvereinen siehe Kapitel 4.3. 135 SCHWEITZER: La vie (1998), S. 102; MAAS: Kriegerdenkmäler (1998), S. 296f; ROTH: Le Souvenir (2002). 136 Ausführlich RIEDERER: Feiern (2004), S. 123–137. 137 Italiener stellten die Mehrzahl der Arbeitsmigranten in der Moselle. Im Kreis DiedenhofenWest wurden 1911 bei einer Einwohnerzahl von 88 000 25 000 Italiener gezählt. Der Anteil der Ausländer in der Lorraine erreichte 1911 mit 32,5 % in Europa einen Spitzenwert. Vgl. BAUDIN: Histoire (1997), S. 42–51. 138 Das Vereinsgesetz von 1908 erleichterte die Gründung ausländischer Vereine. Siehe ANTENUCCI: Associations (2000), S. 75–77; LEINER: Wanderungsbewegungen (1998), S. 59–61.

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Bürgertums gerecht zu werden oder um die sozialen und wirtschaftlichen Anpassungsprobleme der zugewanderten Arbeiterschaft abzufedern. Mit der Entschärfung der existenziellen Fragen rückte seit 1890 das Bedürfnis nach Geselligkeit und Freizeit in den Vordergrund und führte dazu, dass gerade die bürgerlichen Freizeitvereine einen affirmativen Charakter annahmen und politisch stabilisierend wirkten.139 Der Vereinstyp der Militärvereine kann als Musterbeispiel dafür gelten, wie Geselligkeit und Staatsnähe eine fruchtbare Verbindung eingehen konnten. So boten Kriegervereine neue Formen der Vergemeinschaftung, in welchen Klassenunterschiede abgebaut wurden. Sie wiesen eine klassenübergreifende Kommunikations- und Geselligkeitsstruktur auf und basierten letztendlich auf einer „Ideologie des Kameradschaftsgefühls“.140 Kriegervereine auf der einen und der Souvenir Français auf der anderen Seite waren Angebote für diejenigen, die mit dem Aufbrechen der althergebrachten Strukturen auf der Suche nach neuen Identitäten waren. 1.3 Nation und Integration. Die deutsche Turnbewegung an Saar und Mosel Wie die Kriegervereine zeichneten sich auch die bürgerlichen Turnvereine der Deutschen Turnerschaft (DT) durch ihre Staatsnähe aus. Neben einem Angebot an Geselligkeitsformen boten sie ihren Mitgliedern auch die Möglichkeit zur sportlichen Betätigung. Die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Turnvereine wurden die ersten Vereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum, in welchen systematisch und regelmäßig Leibesübungen beziehungsweise Sport ausgeübt wurden. National ausgerichtet, wurden sie zu einem festen Bestandteil der Vereinskultur im Grenzraum. Im Saarrevier und in Lothringen fanden die bürgerlichen Unter- und Mittelschichten141 in den Turnvereinen ein Angebot zur Vergemeinschaftung, die im Zeichen eines nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls stand.142 Während die Turnbewegung an der Saar zunehmend ethnozentrische Vorstellungs- und Wahrnehmungsweisen entwickelte, wie sie für die politische Regionalkultur an der Saar maßgebend werden sollten, dienten die Turnvereine in der Moselle der Integration Lothringens in das Deutsche Reich. Beide Aspekte wurden später auch für die Entwicklung der Fußballvereine relevant, weswegen sie in diesem Kapitel schlaglichtartig beleuchtet werden.

139 Siehe auch LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 235. 140 HANNIG: Im Schatten (1993), S. 267. 141 Die deutsche Turn-Vereinsbewegung blieb im 19. Jahrhundert vorwiegend auf die bürgerlichen Unter- und Mittelschichten beschränkt. Vgl. KRÜGER: Körperkultur (1996), S. 427. Krügers umfangreiche Studie über die deutsche Turnbewegung, die er als Teil der sozialkulturellen Nationsbildung begreift, ist für dieses Teilkapitel grundlegend. 142 Konfessionelle und Arbeiterturnvereine fanden im Grenzraum im Vergleich zu den DTVereinen eine geringe Verbreitung, weswegen sie in diesem Kapitel keine Berücksichtigung finden. Zum katholischen Sport im Grenzraum siehe Kapitel 3.2.

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Anders als das Vereinsturnen hatte das Schulturnen eine längere Tradition. So sollen bereits im Jahr 1606 am Saarbrücker Ludwigsgymnasium – wenn auch nur vorübergehend – Leibesübungen betrieben worden sein.143 1836 wurden dort schließlich offiziell freiwillige gymnastische Übungen eingeführt, an denen die meisten Schüler teilnahmen. Mithilfe privater Spenden wurde ein Übungsplatz errichtet, seit 1846 wurden Turnfahrten in die Umgebung unternommen.144 Die Einführung des Turnunterrichts dürfte mit dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass im Sommer 1847 der nur wenige Monate zuvor von Handwerksgesellen gegründete Gesangsverein „Elysium“ von seinen Mitgliedern in die Saarbrücker Turngesellschaft umgewandelt wurde. Bereits in seinem Gründungsjahr sollte der von Jugendlichen dominierte Verein nicht nur Körperertüchtigung, sondern auch „deutsche Gesinnung“ vermitteln. Die Mitglieder rekrutierten sich aus dem Wirtschafts- und Intelligenzbürgertum, aber auch aus dem kleinen städtischen Bürgertum. Als Turngemeinde zu Saarbrücken und St. Johann schloss sich der Verein im Juli 1848 dem überregionalen Demokratischen Turnerbund an, welcher für eine freiheitliche deutsche Republik eintrat. Im Verlauf der Revolution von 1848/49 gingen die Turner eine enge Verbindung mit der Saarbrücker Bürgerwehr ein, um gegebenenfalls einer gewaltsamen Revolution beistehen zu können. Mit dem Rechtsanwalt Friedrich Alexander Ferdinand Dietzsch wurde die Saar 1848 in der Frankfurter Nationalversammlung von einem Ehrenmitglied der Turngemeinde vertreten.145 Nach dem Scheitern der Revolution löste sich der Verein, von der Restauration eingeschüchtert, im Juli 1851 selbst auf.146 Wie überall in den deutschen Teilstaaten wurden ab Ende der fünfziger Jahre auch an der Saar wieder Turnvereine gegründet. Den Anfang machte 1859 der Turnverein Ottweiler. In den folgenden zwei Jahren folgten Gründungen in Neunkirchen, Elversberg, Saarbrücken und St. Wendel. Infolge der Einteilung des Reichsgebiets in 15 Turnkreise – die Saarregion wurde dem IX. Turnkreis Mittelrhein zugeteilt – wurde im September 1862 in Mettlach der Westricher Gauturnverband gegründet. Dieser ersten regionalen Turnerorganisation schloss sich auch der Metzer Turnverein an, welcher 1872 als erster Turnverein im neuen Bezirk Lothringen gegründet wurde. 1873 gehörten dem Westricher Gauturnverband ins-

143 JENEWEIN: Die Entwicklung (1985), S. 16. Generell können zur Verbreitung des Sports im Grenzraum in der Frühen Neuzeit keine Aussagen getroffen werden. Am Saarbrücker Hof wurden weder ein Ballhaus noch eine Spielbahn errichtet. BEHRINGER: Fugger (2008), S. 117f. Nach Behringer haben wir es auch in der Frühen Neuzeit bereits mit einem institutionalisierten Sport in vielfältigen Formen zu tun. Aufwändige Sportarten wie das Pallone-Spiel oder das später aufkommende Tennis seien für Adelige und Akademiker ein Mittel der Distinktion gewesen. 144 Ruppersberg, Albert: Das Gymnasium zu Saarbrücken 1604–1904. St. Johann-Saarbrücken 1904, S. 110. 145 Von 1860 an bis zu seinem Tod 1878 fungierte Dietzsch zudem als Vorsitzender des Turnvereins zu Saarbrücken und Sankt Johann, dem Nachfolgeverein der Turngemeinde. Zu Dietzsch WETTMANN-JUNGBLUT: Rechtsanwälte (2004), S. 492f. Zur Revolution von 1848 im saar-pfälzischen Grenzraum siehe die Beiträge in RIES: Revolution (1999), S. 127–313. 146 Ausführlich SCHWARZ: Das Vereinswesen (1992), S. 48–50, 96–98.

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gesamt neun Vereine an.147 In den achtziger Jahren beschleunigte sich die Entwicklung rasant. Um der stetig wachsenden Anzahl an Turnvereinen gerecht zu werden, wurden sich rasch abwechselnde Neu- und Unterteilungen der Turngaue notwendig, so dass die Vereine an der Saar zu Beginn des 20. Jahrhunderts insgesamt vier Turngauen angehörten.148 Mit den Männerturnvereinen Forbach und Saargemünd gehörten außerdem zwei lothringische Vereine dem Saar-Blies-Gau an. Im Jahr 1913 zählten die etwa 100 Turnvereine im Saarrevier insgesamt rund 14 800 Mitglieder. Die größten Turnvereine konzentrierten sich dabei ausnahmslos auf den Großraum Saarbrücken. Der Turnverein von 1848 Saarbrücken zählte 555 Mitglieder, gefolgt vom Turnverein Malstatt mit 460 Mitgliedern. Werden die Mitgliederzahlen für den gesamten saarländisch-lothringischen Grenzraum berechnet, so ist bei einer Gesamtmitgliederzahl von rund 19 000 Vereinsmitgliedern davon auszugehen, dass die „Turnerdichte“ an der Saar – gemessen an der Einwohnerzahl – etwa dreimal so hoch war wie im Bezirk Lothringen.149 Wie seit ihrer Schaffung durch Friedrich Ludwig Jahn zu Beginn des 19. Jahrhunderts, galt die Turnbewegung weiterhin als ein Fluchtpunkt des nationalpolitischen Aufbruchswillens. Die Voraussetzungen waren vor dem Hintergrund einer sich formierenden einheitlichen Körperkultur des deutschen Turnens jedoch andere. Nachdem in den sechziger Jahren die Ansätze eines eigenen wehrpolitischen Beitrags durch die Turnvereine von den staatlichen, vor allem den preußischen Behörden im Keim erstickt worden waren, wandte sich die Turnbewegung von politischen Themen im engeren Sinn ab und konzentrierte sich auf die Herausbildung einer nationalen Kultur der Leibesübungen. Die 1868 gegründete Deutsche Turnerschaft, der sich fast alle Turnvereine nach und nach anschlossen, verstand sich als eine bürgerliche und patriotisch-nationale Organisation.150 Sie forderte zeitgemäß einen bürgerlichen Nationalstaat „aus dem Gefühl der Stärke heraus“.151 Die Turnbewegung blendete ihre demokratischen Traditionen aus und knüpfte an die Gedankenwelt ihres Begründers Jahn an, der zur Zeit der Befreiungskriege unter dem Eindruck der französischen Besatzung den „Franzosenhass“ beschworen und vehement die Einheit Deutschlands gefordert hatte. Das Turnen war für ihn ein freiheitliches Konzept der Nationalerziehung des Volkes gewesen, das auf eine Überwindung der feudalen Ordnung und der teilstaatlichen 147 JENEWEIN: Die Entwicklung (1985), S. 40. Zu den ältesten Turnvereinen im Saarland vgl. die Chronik Hermann Bauernfeinds in Saarländischer Turnerbund: 50 Jahre Saarländischer Turnerbund. Tradition und Wandel. Ottweiler 1999, S. 74–76. 148 Saar-Gau, Saar-Blies-Gau, Blies-Gau, Mittel-Mosel-Saargau. 149 Hohe Mitgliederzahlen sind auch von der Turnerschaft der Röchling’schen Eisenwerke (430) sowie vom TV von 1878 Völklingen (428) überliefert. Siehe DT: Jahrbuch der Turnkunst (1914), S. 37. Im Saarrevier waren 1913 etwa 2 % aller Einwohner in Turnvereinen organisiert, in der Moselle waren es etwa 0,7 %. Die eigenen Berechnungen beruhen auf Zahlen der Jahrbücher der Turnkunst. 150 KRÜGER: Körperkultur (1996), S. 25, 415. Zu Turnen und Wehrertüchtigung S. 225–286. Auch der US-Historiker George L. Mosse erkannte in der deutschen Turnbewegung einen der „Hauptfaktoren für die Bildung eines deutschen Nationalbewusstseins“. Vgl. MOSSE: Die Nationalisierung (1976), S. 153–163, hier S. 162. 151 LANGEWIESCHE: Für Volk (2000), S. 127.

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Zersplitterung gezielt hatte. Mit der erfolgten Gründung des Deutschen Reiches wurde der Begriff der Freiheit nun ganz im Sinne des nationalstaatlichen Denkens umgedeutet. Freiheit bedeutete nun die Verteidigung der Einheit gegen äußere Feinde, weswegen sich die Turnerschaft nun den wehrpolitischen Belangen der Nation verpflichtet fühlte. Als Feind der Einheit wurde nicht nur Frankreich wahrgenommen, sondern auch die Sozialdemokratie und das katholische Milieu.152 Turnen stand somit nicht mehr für eine politisch-oppositionelle Freiheitsidee, sondern für eine „affirmative, staatstragend-nationale Kultur des Körpers, der Körperhaltung und der Bewegung.“153 In diesem Kontext, in welchem für das Selbstverständnis der deutschen Turnbewegung zivilisationskritische holistische Vorstellungen wirkungsmächtig wurden154, sind exemplarisch die Statuten des Männerturnvereins Saarbrücken zu sehen: Die „Pflege Deutschen Volksbewusstseins und vaterländische[r] Gesinnung“ standen im Mittelpunkt. Politische und religiöse Parteibestrebungen waren ausgeschlossen.155 Dass jedoch auch die Turnfunktionäre an der Saar trotz ideologischer Richtlinien an der Basis mit einem Vereinsegoismus zu kämpfen hatten – der Vorwurf des „Vereinsfanatismus“ richtete sich in späteren Jahren in erster Linie gegen die Fußballvereine – zeigte sich etwa im Jahr 1913, als der Turnverein Saarbrücken von 1848 und der Männerturnverein darum stritten, wer von ihnen rechtmäßig die „berufene Körperschaft“ sei, um für die „Erziehung der Saarbrücker Jugend zu starken, königs- und vaterlandstreuen Männern“ zu sorgen.156 Wie sehr bereits in der Kaiserzeit lokale Toten- und Heldenkulte, nationale Feiern, Turnen und Sport eine Symbiose eingingen, kann für die Saar am Spichererbergfest aufgezeigt werden. Die seit 1905 alljährlich stattfindende Turn- und Sportveranstaltung entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit nicht nur zu einer Großveranstaltung mit überregionaler Anziehungskraft, sondern stellte auch eine Chiffre dar für ethnozentrische Wertvorstellungen und Sichtweisen an der Saar. Konstituiert wurde das Spichererbergfest durch sieben Turnvereine der drei Saarstädte Malstatt-Burbach, St. Johann und Saarbrücken, die am 30. November 1904 den Spichererbergfestausschuss gründeten. Am 1. April 1905 wurde auf dem in Saarbrücken abgehaltenen Kreisturntag des Mittelrheinkreises das „Spicherer Berg-, Turn- und Spielfest“ als offizielle Kreisveranstaltung genehmigt.157 Der Festausschuss hatte als Begründung für das Fest die weite Entfernung und die Abgeschiedenheit zum Zentrum des Mittelrheinkreises betont, weshalb ein Turn152 LANGEWIESCHE: Für Volk (1990), S. 54–58; KLENKE: Zwischen nationalkriegerischem Gemeinschaftsideal (1994), S. 218–220; PFISTER: Frisch (2001), S. 9. 153 KRÜGER: Körperkultur (1996), S. 13. 154 Der Sportphilosoph Gunter Gebauer beschreibt die Geschichte des Sports „als eine permanente Auseinandersetzung zwischen holistischen und individualistischen Tendenzen.“ Vgl. GEBAUER: Zwischen Besitz (1988), hier S. 192. 155 Statuten MTV Saarbrücken, in: Stadtarchiv (StA) Saarbrücken, Sammlung Stützer Nr. 110. 156 Schreiben MTV Saarbrücken an den TV Saarbrücken vom 8.2.1913, Monatsschrift TV Saarbrücken von 1848 Nr. 10, Januar 1913, in: StA Saarbrücken, Sammlung Stützer Nr. 93, 119. 157 Poller, Johann: 20 Jahre Saarbrücker Turn- und Spielfest, in: Saarbrücker Zeitung vom 7.7.1924, archiviert im: StA Saarbrücken, G 10.1/7378.

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fest in der Tradition der Bergfeste für die Gaue an Saar, Blies, in der Pfalz und in Lothringen notwendig geworden sei.158 Am 6. August 1905 fand das Spichererbergfest erstmals statt. Bereits im ersten Jahr, so die Presse, „strömten die Menschen zu Tausenden und Abertausenden zu dem Festplatze, wo die Turner von Saar, Blies und Nahe, Mosel, Rhein, Lahn und Main im friedlichen Wettkampfe um den schlichten Eichenkranz stritten.“159 Unterstützt wurde die Veranstaltung von den städtischen Behörden der drei Saarstädte, die alljährlich einen Beitrag von 500 Mark – ab 1909 wurde er auf 1 000 Mark erhöht – beisteuerten und den Saalbau für den abendlichen Kommers kostenlos zur Verfügung stellten. 160 Unterstützung erfuhr das Turnfest auch durch die in Saarbrücken ansässige Garnison, die den Großen Exerzierplatz kostenlos bereit stellte. Im Mittelpunkt des Festes standen volkstümliche Übungen des deutschen Turnens und des Spiels sowie eine Gedenkfeier im Ehrental. Teilnehmer waren zum einen die Turnvereine, zum anderen die Schüler der städtischen Schulen. Die Zahlen der aktiven Teilnehmer schwankten in den ersten Jahren zwischen 1 500 und 2 000, 1913 nahmen etwa 3 000 Turner an der Veranstaltung teil.161 Der Zweck der Veranstaltung bestand gemäß den offiziellen Bestimmungen darin, „die Jugend mit heranbilden zu helfen zu körperlichen und sittlich tüchtigen Menschen, in ihre Herzen zu pflanzen wahre Begeisterung, Liebe und Treue zum Vaterlande.“162 Das Programm des 6. Spichererbergfestes von 1910 verdeutlicht, wie selbstverständlich der alljährlich wiederkehrende Erinnerungsritus Nation, Region und Körperkultur zusammenführte. Am Samstag, den 6. August, stand zunächst nachmittags die Besichtigung des Schlachtfelds auf dem Programm. Am Abend war ein Festkommers anlässlich des vierzigsten Jahrestages der Schlacht von Spichern vorgesehen. Am Sonntag sollte neben den Wettkämpfen eine weitere Feier am Fuß der Spicherer Höhen stattfinden.163 Während des Ersten Weltkriegs wurde das Spichererbergfest nicht durchgeführt. Ein 1916 geplantes „Spicherer-bergJugendturnen“ wurde von den zuständigen Militärbehörden untersagt, so dass lediglich Ausscheidungskämpfe im Wehrturnen durchgeführt wurden, die – unter Aufsicht der Armee – der militärischen Vorbereitung der Jugend dienen sollten.164 Erst wieder ab 1920 sollte das Spichererbergfest als „Saarbrücker Turn- und Spielfest“ – jedoch unter anderen politischen Vorzeichen – eine Fortsetzung erfahren. 158 Schreiben des Ausschusses zur Einrichtung des Spichererberg Turn- & Spielfestes an den Kreisvertreter, 22.12.1904, in: StA Saarbrücken, G 10.1/7347. 159 Malstatt-Burbacher Zeitung vom 7.8.1905, archiviert im: StA Saarbrücken, Bgm. M-B 1150. 160 1912 und 1913 wurde das Spichererbergfest auch vom Kreis Saarbrücken sowie von der Trierer Bezirksregierung mit jeweils 300 Mark unterstützt. Siehe POLLER: Sechs Jahre (1907). 161 Siehe diverse Einladungsschreiben und Druckschriften in: StA Saarbrücken, G 10.1/7378. 162 Bestimmungen für das Spichererberg Turn- und Spiel-Fest 7.8.1910, in: StA Saarbrücken, G 10.1/1888. 163 Bestimmungen für das Spichererberg Turn- und Spiel-Fest 7.8.1910, in: StA Saarbrücken, G 10.1/1888. 164 Siehe Einladungsschreiben und Schriftwechsel, in: StA Saarbrücken, G 80/2132; zur Gründung von Jugendkompagnien im Ersten Weltkrieg siehe auch Kap. 4.1, S. 102f.

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Mit der Einführung der Schulpflicht 1871 hielt auch das Schulturnen im Reichsland Einzug und wurde in Elsaß-Lothringen Bestandteil der schulischen Lehrpläne.165 Für die deutsche Turnbewegung war der 1871 gegründete Bezirk Lothringen Neuland. 1872 wurde in Metz der erste Turnverein der Moselle gegründet. Die lothringische Entwicklung unterschied sich deutlich von derjenigen im Elsass, wo andere konfessionelle, ökonomische und geografische Voraussetzungen herrschten. Im Elsass hatte das Turnen bereits seit den frühen sechziger Jahren – von Süddeutschland und der Schweiz aus kommend – Fuß gefasst. Um die Entwicklung der Turn- und Sportvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum richtig einordnen zu können, sind Kenntnisse der vergleichbaren Entwicklungslinien im Elsass und in Frankreich unerlässlich, weswegen sie an dieser Stelle knapp nachgezeichnet werden. Für die französische Gymnastik fungierte das elsässische Turnen als Wegbereiter. 1860 wurde im oberelsässischen Guebwiller die erste „société gymnastique“ von vier Schweizern und drei Elsässern gegründet. Bis 1870 wurden im Elsass insgesamt zwanzig Turnvereine gegründet, die vornehmlich die Schweizer Turnbewegung zum Vorbild hatten, aber auch zu badischen Turnvereinen Kontakt pflegten. Fast alle elsässischen Vereine wurden in Industrieorten gegründet. Oftmals übernahmen Fabrikbesitzer aus dem Oberelsass die Führung der Vereine und unterstützten sie finanziell. Folglich war das Turnen bereits zur Zeit des Zweiten Französischen Kaiserreichs deshalb nicht nur ein Mittel der Freizeitgestaltung, sondern auch der sozialen Kontrolle der Industriearbeiter durch ihre Fabrikdirektoren.166 Außerhalb des Elsass wurden in Frankreich im selben Zeitraum nur fünf weitere Vereine gegründet. 1866 wurde mit der Association des Gymnastes alsaciens eine der ersten föderativen Vereinigungen für Körperkultur in Frankreich überhaupt gegründet, womit in der Folge auch ein wachsender Einfluss des elsässischen Turnens auf die französische „gymnastique“ gesichert war. 1887 wurde die Association von den deutschen Behörden schließlich aufgrund ihrer frankophonen Ausrichtung, die sich in der Teilnahme an französischen Turnfesten manifestierte, verboten. Zuvor emigrierte elsässische Turnerpersönlichkeiten wie Jean-Jacques Ziegler spielten nach der Annexion Elsaß-Lothringens bei der Einführung des Turnens in Frankreich eine wichtige Rolle. Der Unternehmer aus Guebwiller leitete in Paris die Gründungsversammlung der Union des sociétés de gymnastique de France (USGF) und war von 1877 bis 1878 deren erster Vorsitzender.167 In Frankreich selbst bekam die Körperkultur im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einen immer höheren Stellenwert. Seit 1879 – mit dem „eigentlichen“ Beginn der „Dritten Republik“ setzte in Frankreich eine Politik der Massenmobilisierung ein, um der republikanischen Idee zum Durchbruch zu verhelfen. Im 165 Zum Schulturnen als Faktor der Germanisierung vgl. DREIDEMY: La Gymnastique (2008). 166 RICHEZ: Aux origines (1985), S. 68; RIEDERER: Feiern (2004), S. 108. 167 Zu diesem Abschnitt vgl. CHARPIER: La société (1998), S. 118–120; RAUCH: Grenzen (1994), S. 114; RICHEZ: Aux origines (1985), S. 65–69; ausführlich zum elsässischen Turnen RIEDERER: Feiern (2004), S. 106–123.

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Prozess der „Republikanisierung“, der zum einen in der Einübung der politischen Praxis bestand und zum anderen in der Durchsetzung einer republikanischen Kultur, spielte die Gymnastik eine wesentliche Rolle.168 1880 wurde in französischen Schulen Gymnastik als Pflichtfach eingeführt. 1882 wurden die Schulbataillone eingeführt, in welchen die Schüler durch militärisches Training und Marschieren in Uniformen frühzeitig mit soldatischen Aufgaben vertraut gemacht werden sollten. Gleichzeitig wurde die Gründung von Gymnastik- und Wehrvereinen staatlich gefördert. Um 1900 war das Turnen in den unteren Schichten die am weitesten verbreitete Sportart. Ziel all dieser staatlichen Maßnahmen war es, republikanisch-patriotische Werte zu vermitteln. Vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges gegen Deutschland sollte durch die Pflege der Körperkultur die „Konzeption einer integralen Erziehung“, die auch eine intellektuelle und moralische Ausbildung beinhaltete, sinnvoll ergänzt werden.169 Dass die Gymnastik beziehungsweise das Turnen in Frankreich solchen Erfolg hatten, liegt jedoch auch darin begründet, dass für den einfachen Mann die von Staat und Armee subventionierte Gymnastik die preiswerteste Form der Leibesübungen war, die im Frankreich des 19. Jahrhunderts verfügbar war. Zudem waren die Motive der meist jungen Mitglieder oftmals nicht patriotisch-republikanischer Natur. In Gymnastikvereinen wurden Ausflüge und Geselligkeitsformen praktiziert, die den Freizeitbedürfnissen sehr entgegenkamen.170 In dieser Hinsicht machte es keinen Unterschied, ob die Turnvereine an der Saar, in Lothringen, im Elsass oder in Frankreich gegründet wurden. Auch wenn sie im Deutschen Reich einen Beitrag zur kulturellen Nationsbildung leisteten und in Frankreich Teil republikanischer Erziehungskonzeptionen waren, so hatten sie für den Großteil der Mitglieder als soziale Freizeitund Geselligkeitseinrichtungen einen hohen Stellenwert. Der Einfluss auf die Entwicklung des Turnens in der Moselle blieb im 19. Jahrhundert vorwiegend den Vereinen der Deutschen Turnerschaft überlassen. Während die ersten städtischen Turnvereine in den siebziger Jahren in Metz (1872), Diedenhofen (1874), Saargemünd (1876) und Forbach (1878) gegründet wurden, setzte eine Vereinsgründungswelle in den kleineren Ortschaften vor allem seit Mitte der neunziger Jahre ein. Großen Aufschwung nahm die Turnbewegung kurz vor Kriegsausbruch. Im Jahr 1913 zählte der Bezirk Lothringen insgesamt rund 4 000 Mitglieder in 41 Vereinen.171 Organisiert waren die Turnvereine des Bezirks im „Landesverband der Turnvereine in Elsaß-Lothringen“, der 1890 mit Unterstützung der deutschen Verwaltung gegründet worden war und insbesondere auch die Aussöhnung der altdeutschen mit den oberelsässischen Turnern 168 Das Jahr 1879 gilt gemeinhin als der eigentliche Beginn der „Dritten Republik“, da die Republikaner seit diesem Jahr sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer über eine Mehrheit verfügten. Zum Prozess der Republikanisierung siehe ausführlich ENGELS: Kleine Geschichte (2007), S. 45–74. 169 Vgl. hierzu ARNAUD/GOUNOT: Mobilisierung (1995), S. 301–308. 170 Grundlegend hierzu das Kapitel „Patriotism or Pleasure?“ bei HOLT: Sport (1981), S. 39–60. 171 Akte Landesverband der Turnvereine in Elsaß-Lothringen: Jahresbericht des Bezirksturnwartes für Lothringen 1913, in: ADM, 16 Z 139. Die Mitgliederzahl schließt die Zöglinge mit ein. Die Anzahl der weiblichen Mitglieder betrug 66 Mitglieder (1,7 %).

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zum Ziel gehabt hatte. Die Integration der elsässischen Turnvereine gelang insofern, als dass ab 1897 mit dem Fabrikbesitzer Henri Abt aus Mülhausen ein alteingesessener Turnpionier als erster Vorsitzender gewonnen werden konnte. Er konnte dem Landesverband ein eigenes Profil verschaffen, wobei er auch Konfrontationen mit der reichsländischen Verwaltung nicht scheute. So warnte er 1914 in einer Auseinandersetzung mit den Militärbehörden vor einer Militarisierung der elsaß-lothringischen Jugendpflege.172 Die soziale Zusammensetzung der Turnvereine war wie an der Saar sehr gemischt. War in den großen städtischen Turnvereinen wie in Metz in den siebziger Jahren noch hauptsächlich das „altdeutsche“ Beamten- und Bürgertum vertreten, so wurden die Turnvereine auf dem Land oftmals von lothringischen Arbeitern und Handwerkern gegründet. Geografisch gesehen war die Mehrheit der Vereine im deutschsprachigen Nordosten sowie im Moseltal zwischen Metz und Diedenhofen konzentriert. Sowohl die soziale Zusammensetzung der Mitglieder eines Vereins als auch das Zahlenverhältnis von „Altdeutschen“ zu Lothringern hing primär von den lokalen Verhältnissen ab. So finden sich beispielsweise unter den Gründungsmitgliedern des 1902 gegründeten Turnvereins Hayingen nur Deutsche, während die berufliche Zusammensetzung heterogen war. Sie waren Arbeiter, Schlosser, Ingenieure und Metzger.173 Ein anderes Bild findet sich dagegen beim 1899 gegründeten Turnverein Großblittersdorf. Von den 43 Gründungsmitgliedern verfügten 41 über die Nationalität „Elsaß-Lothringen“, lediglich zwei Mitglieder stammten aus Preußen und Bayern. Zum großen Teil waren die Vereinsmitglieder Hütten- und Fabrikarbeiter. Wie sehr die lothringischen Turnvereine in die Deutsche Turnerschaft und ihre Rituale integriert waren, zeigt sich etwa daran, dass es sich auch der TV Großblittersdorf nicht nehmen ließ, alljährlich den Kaisergeburtstag feierlich zu begehen. Im Januar 1904 genehmigte die Kreisdirektion dem Verein hierfür sonntägliche Turnaufführungen sowie einen abendlichen Fackelzug mit Musik und anschließendem Ball. Auch die handschriftlichen Statuten dieses Turnvereins dürften für die anderen Vereine der DT in Lothringen als exemplarisch gelten: Der Zweck des Vereins war die Kräftigung des Körpers in turnerischer Weise, die Förderung und Verbreitung des deutschen Turnens sowie die Erhöhung der Volksbildung durch eine Gesangsabteilung und durch die Pflege einer Bibliothek turnerischer und wissenschaftlicher Werke.174 Der führende Turnverein Lothringens war der Metzer Turnverein. Nur ein Jahr nach der Annexion von „Altdeutschen“ gegründet, verstand er sich als aktiver Posten der „Germanisierung“ in Lothringen. In seinem Jahresbericht 1886/87 ließ der damals etwa 200 Mitglieder starke Verein verlauten: 172 Zu Abt und zum Turnverband siehe RIEDERER: Feiern (2004), S. 115–123; zum Konflikt mit dem Militär siehe Art. „Zusammenstöße im reichsländischen Jugendverband“, in: Die Post vom 4.7.1914, archiviert, in: Archives départementales du Bas-Rhin (ADBR), 69 AL 463. 173 Akte Turnverein Hayingen, in: ADM, 3 AL 438. 174 Akte Turnverein Großblittersdorf: Statuten von 1899, Mitgliederverzeichnis von 1899, Schreiben des TV Großblittersdorf an den Kreisdirektor vom 20.1.1904, in: ADM, 16 Z 141.

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„Der Turn-Verein will neben seinen eigentlichen turnerischen Zwecken einen Stützpunkt des Deutschthums in der Stadt Metz bilden, indem er allen zum Deutschthum neigenden Bürgern und Jünglingen seine Pforten öffnet und alle deutsch-patriotischen Bestrebungen nach Kräften unterstützt. Die Liebe zum Vaterlande zu stärken und durch Vorführung deutscher Sitten und Gebräuche Denen einzuimpfen, die nicht mit uns eines Stammes sind, das ist eine Aufgabe, wohl werth, daß jeder deutsche Mann sie zu der seinigen macht.“ 175

Der Metzer Turnverein wurde von staatlichen Behörden in hohem Maße gefördert. 1886 wurden ihm die Rechte einer juristischen Person verliehen, für einen Turnhallenbau erhielt er einen staatlichen Zuschuss in Höhe von 10 000 Mark. Analog zur Saarbrücker Turnerschaft, bei welcher im Rahmen des Spichererbergfestes national intonierte Toten- und Heldenkulte mit dem Turnen eine Symbiose eingingen, ist in Metz der alljährliche Ritus des Totengedenkens in der Schlucht von Gravelotte zu sehen. Angestoßen vom Metzer Turnverein Mitte der siebziger Jahre, wurden „jährlich im August die Gräber der tapferen Helden geschmückt“ und „der Erinnerungstag an die glorreichen Schlachten bei Metz in volksthümlicher Weise gefeiert“.176 Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde die lothringische Turnbewegung von zwei Konflikten bewegt, welche die besondere Konstellation der Moselle zwischen dem Elsass und dem Saarrevier deutlich machen. Im April 1907 eskalierte ein schwelender „Bruderzwist“ zwischen den lothringischen und den oberelsässischen Turnvereinen dahingehend, dass die Lothringer aus dem Landesverband der Turnvereine in Elsaß-Lothringen auszutreten und einen selbstständigen lothringischen Turngau zu bilden gedachten. Der Vorwurf der lothringischen an die den Verband dominierenden oberelsässischen Turner lautete, dass diese dem Turnen keine nationale Bedeutung beimaßen. In einem Artikel der „Metzer Zeitung“, welcher sich auf die Seite der vom Metzer Turnverein angeführten Vereine stellte, wird deutlich, wie unterschiedlich sich das Turnen in Lothringen im Vergleich zum Elsass entwickelt hatte: „In Lothringen wurde die Turnvereinssache durch die Eingewanderten eingeführt, denen sich die eingeborenen Freunde des Turnens rückhaltlos und von ganzem Herzen anschlossen, so daß es heute in unseren Vereinen keine Gesinnungsunterschiede gibt. Der lothringische Turner erkennt dem Turnen auch seine nationale Bedeutung zu; es ist ihm keine lothringische, sondern eine deutsche Sache. Der Oberelsässer ist auch als Turner elsässisch, er schwärmt für die schweizerisch-französische Turnordnung, (…) er empfindet es unangenehm, wenn auf Metzer Turnfesten das Kaiserhoch selbstverständlich ist. (…) Der Lothringer gönnt dem oberelsässischen Turner seine Erinnerungen an die Vergangenheit gern; daß aber heute noch (…) aus solchen Erinnerungen eine Mißachtung und Majorisierung andersdenkender Turner hervorgehen soll, das kann und will er nicht länger ertragen.“177

175 Akte Metzer Turnverein: Bericht des Metzer Turnvereins über das XV. Verwaltungsjahr 1886/87, S. 5, in: ADM, 3 AL 448. 176 Akte Metzer TV: Bericht des Metzer Turnvereins über das XV. Verwaltungsjahr 1886/87, S. 6, 11–13, in: ADM, 3 AL 448. 177 Metzer Zeitung vom 24.4.1907, Straßburger Bürger-Zeitung vom 30.4.1907, archiviert in: ADM, 3 AL 431/1.

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Einführung und Verortung

Insgesamt 15 der 23 Turnvereine des Bezirks Lothringen schlossen sich dem Metzer Turnverein an. Erst ein außerordentlicher Bezirksturntag im Mai 1907 in Metz konnte wiederum einen Stimmungswandel herbeiführen. Der langjährige elsässische Verbandsvorsitzende Henri Abt schlug gegenüber den Lothringern versöhnliche Töne an, entschuldigte sich für offensichtliche Kränkungen und verteidigte die oberelsässische Turnerschaft gegen den Vorwurf, nicht national zu sein: „Die Heranziehung der Oberelsässer zur deutschen Turnerschaft hätte nur allmählich erfolgen können, wobei ein ganz besonderer Takt notwendig gewesen wäre.“ Heute seien alle elsässischen Turnvereine im Landesverband organisiert, was ein großer Erfolg sei.178 Auf einem weiteren Bezirksturntag im Juni stimmten die lothringischen Vereine letztendlich für einen Verbleib im Landesverband. Dass der Verband Probleme hatte, die Einheit herzustellen, zeigte sich im selben Jahr, als sich im Elsass acht einheimische Vereine zur elsässischen Turngemeinschaft Union zusammenschlossen, die nicht der Deutschen Turnerschaft angehörte und die Tradition der 1887 aufgelösten Association des Gymnastes Alsaciens fortführte.179 Ein weiterer Konflikt ergab sich dadurch für die Turnbewegung in Lothringen, dass es im Bezirk auch Vereine gab, die einem anderen Turnkreis angehörten. Die in den siebziger Jahren gegründeten Männerturnvereine in Forbach und Saargemünd – zwei der größten und ältesten Turnvereine Lothringens – gehörten traditionell zum Saar-Blies-Gau, in welchem auch die Saarbrücker Vereine organisiert waren. Im September 1909 schloss sich der MTV Saargemünd trotz enger Verbindungen nach Saarbrücken dem Landesverband der Turnvereine in ElsaßLothringen an. Vorausgegangen war eine Debatte um die Frage, ob der Verein finanzielle Unterstützungen des Bezirkspräsidiums annehmen und gleichzeitig nicht dem Landesverband angehören konnte. Dem drängenden Bitten des Landesverbandes, der seinen Einfluss auch auf Saargemünd ausweiten wollte, folgten vereinsinterne Debatten über das Für und Wider, die mehr als ein halbes Jahr in Anspruch nehmen sollten. Erst nach Vermittlung durch den Bezirkspräsidenten wurde in einer Vollversammlung dem Übertritt zugestimmt.180 Welches Fazit kann im Anschluss an die einführenden Verortungen gezogen werden? Deutlich wurde, dass der allumfassende nationale Vergemeinschaftungsanspruch auch vor dem neuen Trend der Vereinsgründungen nicht Halt machte. Allerdings nutzte eine sich immer weiter ausdifferenzierende Gesellschaft die Organisationsform des Vereins auch dazu, soziokulturelle und konfessionelle Trennlinien zu festigen und eigene Milieus gegenüber anderen sozialen Gruppen abzugrenzen. Dies galt für einen katholischen Verein an der Saar ebenso wie für 178 Lothringer Zeitung vom 14.5.1907, archiviert in: ADM, 3 AL 431/1. 179 Die Vereine der Union lehnten die deutsch-nationale Festkultur ab und pflegten Kontakte zu französischen Vereinen. Gleichwohl wurde der Verband im Juli 1907 polizeilich genehmigt. Ausführlich hierzu RIEDERER: Feiern (2004), S. 119–123. Die Behörden wiesen die Kreisdirektoren an, Aktivitäten dieses Verbandes nicht zu unterstützen. Siehe Schreiben der Abteilung des Innern an den Bezirkspräsidenten in Metz, 31.3.1909, in: ADM, 11 Z 40. 180 Siehe hierzu ausführlich die Akten MTV Saargemünd: Schriftverkehr aus dem Jahr 1909, in: ADM, 3 AL 472; 16 Z 139.

Einführung und Verortung

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einen profranzösischen Gesangsverein in Lothringen. Krieger-, Gesangs- und Turnvereine zeichneten sich zwar durch ihre Staatsnähe aus. Dennoch gelang ihnen durch Anpassung an die regionalen Wirklichkeiten zumindest teilweise die Erosion der vormals getrennten Lebenswelten zwischen Zugewanderten und Einheimischen. Die Turnvereine bildeten Anfang des 20. Jahrhunderts einen festen Bestandteil der Vereinskultur im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Als bürgerliche und patriotisch-nationale Organisationen hatten sie sich im Rahmen der Deutschen Turnerschaft daran beteiligt, eine nationale Kultur der Leibesübungen zu entwickeln. In Verbindung mit regionalen Toten- und Heldenkulten waren sie deshalb in der Lage, ethnozentrische Wertvorstellungen und Sichtweisen im Grenzraum zu verankern. Dass die Turnvereine in Lothringen, in denen Altdeutsche und Einheimische zusammentrafen, einen Beitrag zur Germanisierung und zur Integration leisten konnten, lag zum großen Teil auch daran, dass die Vereine als soziale Freizeit- und Geselligkeitseinrichtungen auch den Freizeitansprüchen breiter Bevölkerungsschichten und in erster Linie der Jugend entsprachen. Als sich in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch im saarländisch-lothringischen Grenzraum englische Sportarten wie der Fußball einer wachsenden Beliebtheit erfreuten, traf die Spielbewegung bei den Mitgliedern der Turnvereine auf fruchtbaren Boden. Die Gründung von Spielabteilungen in den Vereinen und der Einzug neuer Ballsportarten bei Turn- und Spielfesten verwiesen dagegen bereits auf ein neues Kapitel der Sportgeschichte im Grenzraum: den Aufstieg des Fußballsports.

TEIL I FUSSBALL OHNE GRENZEN. DIE ENTWICKLUNG DER FUSSBALLVEREINE AN DER SAAR UND IN LOTHRINGEN BIS 1918 2 DIE FORMIERUNG DES ORGANISIERTEN FUSSBALLSPORTS 2.1 Zwischen internationalem Flair und Volksspiel. Die Anfänge des Fußballs in Südwestdeutschland Die Anfänge des englischen Sports und des Fußballs in Deutschland wurden in der deutschen Sozialgeschichtsforschung als eine englisch-deutsche Transformationsgeschichte beschrieben.1 Für die neuen industriellen Eliten im „Fin de Siècle“ verkörperte der Sport zunächst den „English Way of Life“ und repräsentierte mit seinen universellen Regeln eine moderne Form der Geselligkeit, die sich an den Prinzipien des Wettbewerbs, des Freihandels und des Kosmopolitismus orientierte.2 Je mehr der Sport jedoch in die nationalen Strukturen und Handlungszusammenhänge integriert wurde, desto mehr kam es auch zu einer Nationalisierung des Fußballsports in Deutschland. Die Sportsleute waren eifrig bemüht, die Wettkampf- und Vereinskultur mit Gesten und Symbolen des traditionellen gesellschaftlichen Establishments auszuschmücken, was der Akzeptanz der „english sports“ in Deutschland förderlich war.3 Die deutschen Reformpädagogen des späten 19. Jahrhunderts, die von ihnen begründete Spielbewegung und die staatlichen Jugendpflegeorganisationen sahen im modernen Sport Möglichkeiten zur Sozialdisziplinierung, Wehrertüchtigung und Erziehung der Jugend. Auch die deutsche Turnbewegung, in deren Reihen die neuen Bewegungsspiele Einzug hielten, bekam Einfluss auf den Sport, so dass sowohl von einer „Versportlichung“ der deutschen Leibesübungen als auch von einer „Turnisierung“ der „english Sports“ gesprochen werden kann. 4 Gleichwohl 1

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Grundlegend EISENBERG: English Sports (1999), S. 20. Laut Christiane Eisenberg gelang der Aufstieg des Sports nur in jenen Ländern, wo die abstrakte soziale Form des Spiels mit konkreten, auf die jeweilige Gesellschaft zugeschnittenen Sinninhalten gefüllt werden konnte. Vgl. EISENBERG: Fußball (2004), S. 9. BRÄNDLE/KOLLER: Goal! (2002), S. 33f. Ausführlich EISENBERG: English Sports (1999), S. 233–249. In diesem Sinne auch Michael KRÜGER: Fußball (2004), S. 129f.; KRÜGER: Leibesübungen (1993), S. 35–51.

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wäre es nicht richtig, die Anfänge des deutschen Fußballs lediglich in reformpädagogischen Maßnahmen zu verorten, wenngleich sie die Strukturen und Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung des Fußballspiels boten. Ohne eine aktive englische „Entwicklungshilfe“ wäre der Fußball im Deutschen Reich aufgrund der Vorbehalte seiner nationalkonservativen Gegner wohl nicht ins Rollen gekommen. Ursprünglich in den Engländerkolonien der deutschen Großstädte gespielt, wurden Studenten, Handelsreisende und Ingenieure zu Multiplikatoren des Fußballsports in Deutschland. Ihre Rolle bei der effektiven Verbreitung des Fußballs ist aufgrund ihrer hohen Mobilität nicht hoch genug einzuschätzen.5 Es waren oftmals die Initiativen einzelner Personen, die seit den späten achtziger Jahren für die Ausbreitung des englischen Fußballs sorgten. Für Süddeutschland ist in erster Linie Walther Bensemann zu nennen, der sich den Ruf als Spiritus Rector der süddeutschen Fußballbewegung erwarb.6 Der in einem Schweizer Internat aufgewachsene Sohn eines jüdischen Bankiers aus Berlin betätigte sich während seiner Studentenzeit im deutschsprachigen Südwesten als Organisator von Spielen und Turnieren sowie als Gründer von Fußballvereinen. Wie kein anderer stand Bensemann stellvertretend für den kosmopolitischen Charakter des Fußballsports. Von der völkerverbindenden Mission des Fußballsports zeitlebens überzeugt, organisierte er bereits in den neunziger Jahren internationale Spiele.7 Bensemann zeichnete sich nicht nur für die Gründung des Football-Club Karlsruhe im Jahr 1889 verantwortlich, sondern spielte auch eine zentrale Rolle beim vier Jahre später gegründeten Straßburger Fussball-Club. Von dort aus erfolgte in den ersten Wochen des Jahres 1894 in der Kreisstadt Saarburg die Gründung des ersten Fußballvereins auf lothringischem Boden. Der Saarburger Fussball-Club, dessen Entwicklung bislang in der Forschung keine Berücksichtigung fand, wurde unter anderem von einem Saarburger Studenten mit dem Nachnamen Derichsweiler, der in Straßburg studierte und Mitglied des dortigen FussballClubs war, gegründet. Gespielt wurde auf dem Exerzierplatz hinter der Infanteriekaserne. Walther Bensemann, der Derichsweiler aus Straßburger Zeiten her kannte, wurde ebenfalls Gründungsmitglied. Sein erstes Spiel absolvierte der Saarburger FC am 4. Februar 1894 in Straßburg.8 Vier Monate später fand das erste Fußballwettspiel auf lothringischem Boden statt, über welches ausführlich in „Spiel und Sport“ und in der Lokalpresse berichtet wurde.9 Mit den Karlsruher Kickers 5 6

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Laut Christiane Eisenberg spielten sie eine größere Rolle als die Schulpädagogen der Spielbewegung. Vgl. EISENBERG: English Sports (1999), S. 179. BEYER: Walther Bensemann (2008), S. 13. Bensemann ist in den letzten Jahren in das Blickfeld der Forschung geraten. Ausführlich BEYER: Der Mann (2003); knapp BEYER: Walther Bensemann (2003). Zum elsässischen Kontext PERNY: Le Football (2009), S. 38–42. Zur Thematik der internationalen Spiele vgl. ausführlich Kapitel 4.3. Das Spiel gegen den Straßburger FC, bei welchem Bensemann mit von der Partie war, ging mit 0:11 Toren verloren. Siehe Spielbericht von Bensemann, in: Spiel und Sport, 10.2.1894. Die wöchentlich in Berlin erscheinende Sportzeitung wurde im Oktober 1894 zum offiziellen Organ des Saarburger FC ernannt. Alle weiteren über den Saarburger FC gewonnenen Informationen, die hier verwertet wurden, stammen aus: Spiel und Sport, 16.6.1894; Saarburger Zeitung, 10.6. und 14.6.1894. In den

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empfing der Saarburger FC am 10. Juni 1894 einen der erfolgreichsten Fußballvereine Südwestdeutschlands. Der badische Verein war ebenfalls eine Schöpfung Walther Bensemanns, der gemeinsam mit seinem Freund Ivo Schricker – dem späteren langjährigen FIFA-Generalsekretär10 – auch bei diesem Spiel, wie bereits in Straßburg, in der Startelf den Saarburgern gegenüber stand. 11 Der Lokalpresse zufolge wurde das Spiel, das der Saarburger FC mit 1:3 nur unerwartet knapp verlor, trotz starken Regens von vielen Zuschauern aller Schichten verfolgt. Bevor die Karlsruher am späteren Abend wieder abreisten, wurde ihr Besuch in Lothringen – gemäß den Worten Bensemanns – noch durch „eine gemütliche Kiste“ abgerundet, bei der man sich zu einem Glas Bier traf und „Reden geschwungen und Gesänge losgelassen wurden.“12 Dass der Saarburger Fußball in jenen Tagen gesellschaftliche Anerkennung fand, zeigte sich nicht nur am Interesse der Lokalpresse, sondern auch daran, dass der Gymnasialdirektor Hermann Derichsweiler unter den Anwesenden weilte. Er toastete „mit beredten Worten auf das Wohlergehen unserer Bewegung“ und wies auf den pädagogischen Wert von Wettspielen hin.13 Dass sich – wie in Saarburg gesehen – Pädagogen für den Fußballsport interessierten, zeigt, dass die Gründung von Fußballvereinen nicht immer nur den Initiativen einzelner Sportpioniere zu verdanken war. Oftmals waren es auch die Lehrer vor Ort oder auch deren Schüler, die im Rahmen der Einführung der Bewegungsspiele an den Schulen eigene Fußballvereine gründeten. Auch die Turnvereine wurden – freiwillig oder nicht – Geburtshelfer mancher Fußballvereine, wenn sich in ihren Reihen die Fußballspieler selbstständig machten. Gerade auf den saarländisch-lothringischen Grenzraum, wo die ersten Fußballvereine abgesehen vom Saarburger FC erst zehn Jahre später als im Elsass gegründet wurden, trifft dies zu. Deswegen wird im Folgenden knapp auf die Entwicklungslinien der deutschen Spielbewegung eingegangen, da sie für die Entwicklung des Fußballsports im Grenzraum wichtige Impulse setzte. Die seit den 1870er Jahren aufkommende reformorientierte Spielbewegung kritisierte die Einseitigkeit des deutschen Turnens, wie es in den Schulen praktiziert wurde. Dem Turnen, so der Vorwurf, sei es nicht gelungen, allen Anforderungen der leiblichen Erziehung gerecht zu werden. Propagiert wurden Bewe-

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Archives municipales Sarrebourg ist der Verein aktenmäßig nicht überliefert, weswegen über den weiteren Werdegang des Vereins keine Aussagen getroffen werden können. An dieser Stelle danke ich der Stadtarchivarin Gabrielle Vélot für die Auskünfte und die übersandten Zeitungsartikel. Der in Straßburg geborene Ivo Schricker (1877–1962) vertrat wie Bensemann eine kosmopolitische Ausrichtung des Fußballsports. Zur Person vgl. WAHLIG: Dr. Ivo Schricker (2008). Die Karlsruher Kickers waren 1893 von ehemaligen Spielern des Karlsruher FV, unter ihnen Bensemann und Schricker, gegründet worden, nachdem der Klub beschlossen hatte, keine Wettspiele mehr zu absolvieren. Vgl. BRÄUNCHE: Fußballhochburg (2006), S. 175. Spiel und Sport, 16.6.1894, S. 581. Ebda. Hermann Derichsweiler war auch als Historiker tätig und veröffentlichte eine zweibändige Geschichte Lothringens. Da zwei Derichsweiler in der Saarburger Elf spielten, ist zu vermuten, dass es sich um seine Söhne handelt und er nicht zuletzt deshalb mit dem Saarburger FC persönlich verbunden war.

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gungsspiele an der freien Luft, deren Erziehungs- und Gesundheitswert über dem des klassischen Turnens anzusiedeln sei. Die Spielbewegung stand dabei einerseits in der Tradition der Jahn’schen Turnspiele, bekam den eigentlichen Anstoß jedoch vom englischen Sport, der in der zweiten Jahrhunderthälfte nach und nach auch in Deutschland Fuß fasste. Der erzieherische Wert der Bewegungsspiele stand bei den Reformpädagogen im Vordergrund. In den Spielen erkannten sie „einen mächtigen Faktor, ein Volk gesund, stark, geistig frisch und gesittet zu machen.“14 Ein Pionier der Spielbewegung und gleichzeitig des Fußballsports in Deutschland war der Braunschweiger Gymnasiallehrer Konrad Koch. Bereits 1874 führte er gemeinsam mit seinem Kollegen August Hermann die englischen Bewegungsspiele Rugby und Fußball in den Turnunterricht ein und provozierte damit bei seinen Turnlehrerkollegen Widerspruch. Kochs Engagement in der Spielbewegung, die seit Anfang der achtziger Jahre an Fahrt aufnahm, sollte dem Fußballsport in den folgenden Jahrzehnte Impulse geben. So machte Kochs Eifer zum Einen das Fußballspiel bei reformorientierten Pädagogen hoffähig. Zum Anderen schuf er für den Fußball in Deutschland die ersten breit rezipierten Regelwerke.15 Koch fand sich 1891 mit weiteren Pädagogen, Medizinalräten, Vertretern der Stadt- und Militärverwaltungen im neu gegründeten Zentralausschuß für Volksund Jugendspiele (ZA) wieder. Mit diesem verfügte die Spielbewegung erstmals über eine Organisation, die aufgrund ihrer guten Verbindungen zum preußischen Kultusministerium und weiteren Behörden effektiv und reichsweit Lobbyarbeit betreiben konnte. Hervorgegangen aus der preußischen Schulkonferenz von 1890 und auf Empfehlung des preußischen Kultusministers, hatte der ZA das Ziel, die Bewegungsspiele sowohl in den Schulen als auch in der gesamten Gesellschaft populär zu machen.16 Dominiert wurde der ZA von den Vertretern der Nationalliberalen Partei, für welche in Bezug auf die Wählermobilisierung der Sport zu einem Hoffnungsträger geworden war. Den Vorsitz hatte Emil von Schenckendorff inne. Der aus Görlitz stammende Schenckendorff saß für die Nationalliberale Partei im Preußischen Abgeordnetenhaus und hatte sich in den Jahren zuvor auf dem Gebiet des Bildungswesen und der Jugenderziehung für Reformen eingesetzt. Sein Stellvertreter war der Bonner Arzt Ferdinand August Schmidt, der als Sozialreformer sich sowohl in der Sport- als auch in der Turnbewegung einen Namen gemacht hatte.17 Nicht zuletzt die Kooperation mit der Deutschen Turnerschaft 14 TRAPP/PINZKE: Das Bewegungsspiel (1885), S. 11. Auf die Turnpioniere Jahn und GutsMuth verwies der Braunschweiger Pädagoge August HERMANN: Zur Geschichte (1892), S. 28. 15 Entscheidende Anstöße für die Spielbewegung wurden die Streitschrift von Emil Hartwich aus dem Jahr 1881 sowie der „Spielerlass“ des preußischen Kultusministers Gustav von Goßler vom 27.10.1882. Zu Koch siehe HAMER: Die Anfänge (1989), S. 449–501. Vgl. zuletzt die Monografie von Malte OBERSCHELP: Der Fußball-Lehrer (2010). 16 HAMER: Die Anfänge (1989), hier S. 618–622; zum ZA außerdem ausführlich EISENBERG: English Sports (1999), S. 261–268. 17 Ferdinand August Schmidt (1852–1929) war ein über Deutschland hinaus angesehener Sportmediziner, seit 1882 Vorsitzender des Bonner Turnvereins und Gründer des Rheinischen Spiel-Verbandes. Siehe NIESEN: Bonner Personenlexikon (2007), S. 294f.

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sorgte für einen hohen Bekanntheitsgrad des ZA. Enge personelle Verbindungen bestanden auch zum Alldeutschen Verband und zu den Kriegerverbänden. Eine enge Zusammenarbeit bestand darüber hinaus mit den militärischen Behörden. 1899 hatte der Zentralausschuß einen „Ausschuß zur Förderung der Wehrkraft durch Erziehung“ gebildet. 1910 wurden auf Initiative des ZA verstärkt Bewegungsspiele in die Ausbildungspläne des Heeres aufgenommen.18 Von der Tätigkeit des Zentralausschusses profitierte auch der Fußballsport. So wurden bis 1914 in Spielkursen nicht nur über 20 000 Lehrer fortgebildet. Der ZA wirkte auch auf Militär und Stadtverwaltungen ein, Exerzierplätze, Parks und andere freie Flächen zum Spielen freizugeben. Außerdem bemühte er sich, dem Fußballspiel einen deutschen Charakter zu geben. In Kooperation mit dem Deutschen Sprachverein, welcher sich die „Ausmerzung“ von Fremdwörtern zum Ziel gesetzt hatte, sorgte er für eine Übersetzung der englischen Ausdrücke ins Deutsche. Wie wichtig es der Spielbewegung war, die englische Herkunft des Fußballspiels herunterzuspielen, um damit Vorbehalte abzubauen, zeigte sich in einer 1895 erschienenen Schrift von Konrad Koch. In seiner „Geschichte des Fussballs im Altertum und in der Neuzeit“ beschrieb der den Fußball als universelles, kulturelles und pädagogisches Volksspiel.19 Kochs Fußballentwurf ist dabei prinzipiell nur aus der Geschichte des deutschen Turnens heraus zu verstehen. Der Fußball sollte das Turnen in der Deutschen Turnerschaft ergänzen und ebenso der nationalen Ertüchtigung dienen. Koch, der mit der Sportbewegung durchaus sympathisierte, strebte zeitlebens eine Anbindung des Fußballs an das deutsche Turnen an.20 Tatsächlich wurde in vielen Spielabteilungen der Turnvereine seit den neunziger Jahren neben anderen Ballspielarten auch Fußball gespielt. Bereits 1889 war es auf dem Deutschen Turnfest in Leipzig zur ersten Darbietung des Fußballspiels auf einer Veranstaltung der Deutschen Turnerschaft gekommen.21 Auch in den großen Turnvereinen des Saarreviers fanden die Bemühungen des Zentralausschusses für Volks- und Jugendspiele ein Echo. Die Einrichtung des alljährlichen Spichererberg Turn- und Spielfestes wäre ohne das offensive Werben der Spielbewegung nicht denkbar gewesen. In der von den Turnvereinen verfassten Denkschrift zum Spichererbergfest wird dem ZA und dessen Vorsitzenden Freiherr von Schenckendorff deshalb ausdrücklich gedankt. Mit dem Fest wolle man mithelfen, so die Verfasser, „die Jugend aller Stände und Klassen heranzubilden zu körperlich und sittlich tüchtigen Menschen“ und „deutsches Volksbewußtsein und nationale Gesinnung in die Herzen der Jugend pflanzen.“ Mithilfe der populären Ball18 SCHUBERT-WELLER: Vormilitärische Jugenderziehung (1991), S. 506f. 19 EISENBERG: Deutschland (1997), S. 98; HAMER: DIE ANFÄNGE (1989), S. 618–622; EISENBERG: Fußball (1994), S. 185. KRÜGER: Fußball (2004), S. 129. Im Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele, dem Organ des ZA, verfasste Koch zahlreiche Beiträge zum Fußballsport. Vgl. hierzu KOCH: Sind Fußball (1894), KOCH: Zur Geschichte (1895). 20 In diesem Sinne auch prägnant bei OBERSCHELP: Der Fußball-Lehrer (2010), S. 7–9. Kochs gute Verbindung zur Sportbewegung spiegelte sich in dessen Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Fußball- und Cricket-Bund wider, einem in den 1890ern bestehenden deutschbritischen Sportverband in Berlin. Siehe hierzu und zur Verbandshistorie ebda., S. 116–122. 21 NIELSEN: Sport (2002), S. 268.

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sportarten sollten mit dem Fest sowohl in geographischer wie auch in sozialer Hinsicht für die Turner Grenzen überwunden werden: „Hier kämpfen die Turner vom Rhein im Fußball gegen eine Saarmannschaft, dort will eine Pfälzer Abteilung die Lothringer im Schleuderball überwinden. Mannschaften aus allen Gauen sind herbeigeeilt, um ihr Bestes zu zeigen, und bunt gemischt sieht man die Schüler unserer Volks- und höheren Schulen sich bemühen, in Wett- und Musterspielen sich einander zu überbieten.“22

Emil von Schenckendorff zeigte sich in einem Schreiben über die Initiative der Turnvereine in den Saarstädten sehr erfreut. 1908 weilte er als Ehrengast des Spichererbergfestes persönlich in Saarbrücken und stiftete für den Eilbotenlauf „seinen nur wenigen Spielfesten gestifteten Ehrenschild.“23 Für den Fußballsport sollte das Spichererbergfest ein erstes Forum werden. Für die Mitglieder der 1903 gegründeten Spielabteilung des TV Malstatt wurde die Teilnahme am ersten Spichererbergfest 1905 „eine große Sache, da wir uns hier zum ersten Male einer großen Öffentlichkeit vorstellten.“24 Auch sportlich hatten die jungen Fußballspieler des Turnvereins Erfolg. Das Spiel gegen die Oberrealschule wurde nach zwei mal zwanzig Minuten mit 1:0 gewonnen. Was den damaligen Spielern noch nicht bewusst war: Das Jahr 1905 sollte zu einem Schlüsseljahr für den Fußballsport im saarländisch-lothringischen Grenzraum werden. Es sah die Gründung mehrerer selbstständiger Fußballvereine, die für die weitere Entwicklung des Fußballsports im Grenzraum bestimmend werden sollten. 2.2 Zwischen Schulbank und Barren Die ersten Fußballvereine an Blies, Saar und Mosel Wann genau das erste Fußballspiel im saarländisch-lothringischen Grenzraum stattfand, kann heute nicht mehr mit Gewissheit gesagt werden. Eine Umfrage des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland ergab 1892, dass an Schulen in Merzig, Saarbrücken, Metz und Saarburg Jugendspiele – zumeist wahlweise – angeboten wurden.25 Spätestens seit 1893 soll am Ludwigsgymnasium Saarbrücken im Rahmen der „Bewegungsspiele“ Fußball gespielt worden sein. Da der Schulhof nicht ausreichte, wurden Fußballspiele außerhalb der Stadt ausgetragen. Auch am Progymnasium in Neunkirchen kam es unter der Leitung Rektor Küstners bereits in den neunziger Jahren zu ersten Fußball- und Hockeyspielen. 1896 soll es anlässlich des Gauturnfestes in St. Wendel 22 Denkschrift zum Spichererberg- Turn- und Spiel-Fest, o.J. (vermutlich 1905), in: StA Saarbrücken, Bgm. M-B 1150. 23 Schreiben des ZA, 29.6.1905, in: StA Saarbrücken, Bgm. M-B 1228; Einladungsschreiben zum 4. Spichererberg- Turn- und Spielfest am 2.8.1909, in: StA Saarbrücken, G 10.1/7378; zitiert wurde aus POLLER: Sechs Jahre (1911), S. 240. 24 Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 22. 25 Zur Umfrage vgl. Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 1893. In Straßburg wurden Jugendspiele bereits in den achtziger Jahren in die Lehrpläne integriert. Siehe EUTING/KLATTE: Die Jugendspiele (1893), S. 44.

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durch die Spielabteilung des TV Saarbrücken von 1848 erstmals zu einer Vorführung des Fußballspiels gekommen sein.26 Auch im Bezirk Lothringen waren die Anfänge des Fußballsports schulischen Ursprungs. Abgesehen vom 1894 gegründeten Saarburger FC, über welchen bereits berichtet wurde, wurde Fußball im Rahmen von Turnspielen an den höheren Schulen von Forbach, Diedenhofen und Metz seit den späten neunziger Jahren gespielt. Das erste Spiel soll im Mai 1897 auf dem Exerzierplatz Ban St. Martin zwischen den Schülern der Realschule und dem Gymnasium stattgefunden haben. Inspiriert von einem im Mai 1898 in St. Arnual ausgetragenen Spiel zwischen Schülern aus Saarbrücken und MalstattBurbach sollen Schüler aus Saargemünd das Fußballspiel in ihren Schulen eingeführt haben. Gefördert wurde das Fußballspiel an den Schulen durch das Werben der Spielbewegung, das auch in Elsass-Lothringen nicht ohne Wirkung blieb. Schulvorsteher wie der Saargemünder Gymnasialdirektor Wildermann sorgten durch die Anmietung eines geeigneten Spielplatzes erst dafür, dass ein Spielbetrieb überhaupt möglich wurde.27 In der Folge kam es in den oberen Klassen der höheren Schulen häufig zur Gründung von Schülerspielvereinigungen. Eine der ersten wurde 1899 durch Forbacher Schüler gegründet. Sie hatten das Spiel im Mai 1899 in Metz kennengelernt und nannten ihren Klub schlicht Forbacher Fussball Realschule Vereinigung. Weitere Schülerklubs wurden in den folgenden Jahren an den höheren Schulen in Metz, Saargemünd, Neunkirchen, Völklingen, Dillingen, Friedrichsthal, Saarbrücken, St. Johann und in Saarlouis gegründet.28 Die Schülermannschaften traten oftmals gegeneinander an. Viele der Vereinigungen lösten sich nach wenigen Jahren wieder auf, wurden zu selbstständigen Fußballvereinen, oder schlossen sich diesen an. Der Zentralausschuß begrüßte die Gründung von Schülerspielvereinigungen. Allerdings forderte er, Schülervereine unter die sittliche Oberaufsicht eines Lehrers zu stellen.29 Gleichzeitig wurde der Fußball im Turnunterricht in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zwar oftmals geduldet, stellte jedoch meist nur eine von mehreren Varianten volkstümlicher Spiele dar. Dass der erzieherische Wert von Ballspielen im Turnunterricht zunehmend geschätzt wurde, kann nicht zuletzt als ein Erfolg der Werbearbeit der Spielbewegung gewertet werden. Allerdings wurde der Fußball von einer großen Mehrzahl der Lehrer gerade für jüngere Schüler als zu gefährlich eingestuft. Dennoch wurde er auch geduldet, da er einerseits bei den Schülern sehr beliebt war und für volle Spielplätze sorgte. Andererseits wurde er im pädagogischen Sinne als Kampfspiel angesehen, das der Charakterbildung dienlich sei. Beharrlichkeit, so formulierte es im Jahr 1909 der Gymnasiallehrer 26 Für Saarbrücken siehe JENEWEIN: Die Entwicklung (1985), S. 2; Ludwigsgymnasium Saarbrücken: Bericht (1897), S. 15. Für Neunkirchen siehe MENZEL: Aus den Anfängen (1950), S. 63–66; Progymnasium Neunkirchen: Bericht (1897), S. 12; Bericht (1898), S. 12. 27 PIROT: L’implantation (1995), S. 44; Lyceum zu Metz: Jahres-Bericht (1898), S. 16; HIRTZ: Die Spielbewegung (1907), S. 262. 28 PIROT: Naissance (1996), S. 257f.; HOLZ: Die Entstehung (2000), S. 17; Schreiben des Fussball-Clubs des Gymnasiums an die Stadt, 31.5.1906, in: Archives municipales (AM) Sarreguemines, 31 R 01; Realgymnasium Neunkirchen: Bericht (1908), S. 8. 29 RAYDT: Was kann (1892), S. 91.

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Rudolf Alger aus Saarlouis, sei ein Hauptkennzeichen des guten Fußballspielers. Auch wenn Rohheit im Spiel nicht zu dulden sei, so würden Eigenschaften wie Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart geschult. Pädagogisches Ziel sei die Erlangung einer körperlichen und geistigen Kraft, die „einst im Dienste des Vaterlandes verwandt werden soll.“30 Auch in Saargemünd geriet der Fußball wegen seiner Härte in Kritik. 1911 wurde er aus dem Programm der seit 1902 durchgeführten freiwilligen Jugendspielabende, die für die Schüler der Volksschule geschaffen worden waren, gestrichen. Der Fußball sollte nicht zu sehr gefördert werden, weil auch in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht worden sei, „daß das ganze Sinnen und Trachten vieler Spieler nur auf Fußball gerichtet war, und so andere schöne Bewegungsspiele nur mit Unlust in Angriff genommen wurden.“31 Das Verhältnis der Schulen zu den eigenständigen Fußballvereinen blieb gerade in den ersten Jahren angespannt, da es von den Schulbehörden nicht gerne gesehen wurde, wenn die Schüler an den Übungs- und Wettspielen teilnahmen. Eine Ausnahme bildete dabei Metz, wo von Seiten der Schulvorstände keine Einwände erhoben wurden.32 Ebenso wie bei den Schulen war auch die Haltung der Turnvereine gegenüber dem englischen Fußballsport ambivalent. Der vermehrten Gründung von Fußballabteilungen in den Turnvereinen standen die kritischen Töne vornehmlich der älteren Turnergeneration gegenüber. Der englische Sport wurde von der Deutschen Turnerschaft als unpatriotisch und als „Produkt eines materialistischen Individualismus“ gebrandmarkt, während die turnerischen Leibesübungen der Bildung einer kulturellen „Volksgemeinschaft“ dienten. Sportkritik war immer auch gleichzeitig eine Kritik an der Kultur der Moderne. Seine Zuspitzung fand dieser Angriff auf den englischen Sport in der Gegenüberstellung deutscher „Kultur“ und ausländischer „Zivilisation“. Letztendlich ging es dem bürgerlichen Turnen jedoch in erster Linie darum, die numerische, kulturelle und soziale Vorherrschaft gegenüber dem Sport nicht zu verlieren. Um die Jahrhundertwende litten die Turner unter mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung, die nicht zuletzt darin ihren Ausdruck fand, dass selbst der Kaiser den Sport bevorzugte und zeitlebens nie persönlich auf einem der Deutschen Turnfeste erschien.33 Für die Turnvereine an der Basis wurden die Sportvereine zu Konkurrenten, welche ebenfalls die kommunalen Spielplätze beanspruchten und ihnen die Jugend abspenstig machten. Auch wenn die Stadtverwaltungen in den ersten Jahren dazu neigten, die althergebrachten Turnvereine bei der Vergabe von Spielplätzen

30 ALGER: Volkstümliches Turnen (1909), S. 9, 14. 31 Bericht von Dr. Fischer über die Jugendspiele 1911, o. D., in: AM Sarreguemines, 31 R 01. 32 Bericht von Carl Bartsch über die Verhältnisse im Saargau, in: VsFV: Jahresbericht 1910–11 (1911), S. 94. 33 WEDEMEYER-KOLWE: „Wer uns schlägt“ (2003), S. 55, 57, 62, 64; EISENBERG: English Sports (1999), S. 251, 254f. Der Stuttgarter Turn- und Gymnasiallehrer Karl Planck bezeichnete Fußball als „Fußlümmelei“ und als „englische Krankheit“. Seine scharfe Polemik aus dem Jahr 1898 erhielt in jüngster Zeit durch Neuauflagen Kultstatus und ist damit – wohl anders als beabsichtigt – Teil der Populärkultur geworden. Vgl. PLANCK: Fußlümmelei (1898).

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zu bevorzugen,34 konnte sich die Deutsche Turnerschaft dem von der Jugend geforderten Fußballspiel auch nicht verschließen. Zwar lehnten weiterhin einige Turnvereine – wie der Turnverein Forbach im Jahr 1908 – die Gründung einer Fußballabteilung ab.35 In vielen anderen wurde jedoch dem Drängen gerade der jugendlichen Vereinsmitglieder stattgegeben. Wenn der Fußballsport schon nicht zurückgedrängt werden konnte, so sollte er doch zumindest als „volkstümliches Turnspiel“ eingebunden werden, um die Jugendlichen langfristig an die Turnvereine zu binden. Eines der Ziele lag dabei aus Sicht der Turner darin, in den Sportabteilungen auch turnerische Grundlagen und Grundsätze zu vermitteln.36 In diesem Sinne diente auch die Kooperation der DT mit dem Zentralausschuß für Volks- und Jugendspiele dazu, den Fußball innerhalb der Turnerschaft zu entwickeln, um ihn dauerhaft kontrollieren zu können. An der Basis selbst, das heißt, bei den Fußball spielenden Jugendlichen dürften solche Überlegungen zunächst keine besondere Rolle gespielt haben. Da für sie die Turnvereine mangels Alternativen die ersten Anlaufstellen waren, war das Fußballspielen in den ihnen vertrauten Turnvereinen eine Selbstverständlichkeit. Den Anfang machte der Fußball im Turnverein Malstatt, einer der größten der Turnvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Die aufstrebende Industriestadt Malstatt-Burbach zählte 1908 etwa 31 000 Einwohner und lag westlich von St. Johann. Neben einem industriellen Schwerpunkt auf den Maschinenbau verfügte die Stadt mit der Burbacher Hütte über ein großes Eisenwerk, in dem mehr als 4 200 Arbeiter beschäftigt waren.37 Im Jahr 1903 wurde im TV Malstatt mit Unterstützung des Turnlehrers Johann Poller eine Spielabteilung gegründet, in welcher Fußball gespielt wurde. Die Auswahl der Gegner war zu diesem Zeitpunkt noch schwierig. So spielte die Abteilung gegen die Volontäre der ortsansässigen Maschinenfabrik Ehrhardt & Sehmer, bei welcher viele Ausländer mitspielten, ab 1904 gegen die Spielabteilung des Männerturnvereins. Im selben Jahr trat die Spielabteilung auf dem Turnerjahrmarkt in Zweibrücken auf. Dass sich die Spieler auch am Wettturnen beteiligten, belegt ihre Verwurzelung im Turnverein.38 1905 kam es auch beim benachbarten TV Burbach zur Gründung einer Fußballabteilung. Anders als bei ihren Malstatter Nachbarn machte sich die Spielabteilung jedoch nicht selbstständig. Trotz der Gründung mehrerer kleiner eigenständiger Fußballvereine vor Ort sollte die Spielabteilung den Burbacher Fußballsport in den folgenden Jahren dominieren. Dies dürfte ihr nicht zuletzt deshalb gelungen sein, da sie über einen eigenen Sportplatz an den Saarwiesen verfügte und von der Direktion der Burbacher Hütte unterstützt wurde.39 34 35 36 37 38 39

Vgl. die Situation in St. Johann-Saarbrücken 1905, die in Kapitel 4.2 beschrieben wird. Siehe Festschrift US Forbach: Union Sportive Forbach 1909–1959 (1959), S. 15. Beitrag „Turnen und Sport“, in: Jahrbuch für Turnkunst 1911, S. 196. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 13 (1908), S. 189. Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 22. 1909 wurde die Spielabteilung in den Verband Süddeutscher Fußballvereine aufgenommen Zur Verselbstständigung kam es erst 1924, als sich der Turnverein auf Druck der Deutschen Turnerschaft von seiner Spielabteilung trennte. Den neu gegründeten Sportfreunden 05 Saarbrücken schloss sich noch im selben Jahr der Ballspielclub Burbach an. Siehe Festschrift

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Auch außerhalb Malstatt-Burbachs entstanden weitere Spielabteilungen. So kam es bis 1909 bei den Turnvereinen in Saarbrücken, Dudweiler, Neunkirchen und St. Ingbert zu weiteren Gründungen.40 Die Turn- und Spielfeste der Turnvereine dienten den Mannschaften dabei als Forum, um sich der Öffentlichkeit zu zeigen. So wurden bereits im Rahmen des ersten Spichererbergfestes 1905 Fußballspiele durchgeführt. Und auch im Rahmen des Gauturnfestes des Saar-BliesGaus, das 1906 in Malstatt-Burbach stattfand, wurde ein Fußballspiel zwischen dem TV Malstatt und dem MTV Saarbrücken angekündigt.41 Um dem wachsenden Gewicht des Fußballspiels innerhalb der Turnerschaft gerecht zu werden, wurde im Dezember 1907 innerhalb des Saar-Blies-Gaus ein Spielverband gegründet, in welchem jedoch auch andere Ballsportarten gespielt wurden. Erst 1913 entschied man sich dafür, auch Meisterschaftsspiele auszutragen.42 Für die Fußballabteilung des TV Malstatt hatte diese Entwicklung jedoch keine Relevanz mehr. Die Abteilung hatte sich am 8. Oktober 1907 als Fußballverein Malstatt-Burbach unter der Führung des Vorsitzenden Fritz Adams selbstständig gemacht. Zu sehr hatten sich die Fronten zwischen den traditionellen, der Sportbewegung kritisch gegenüber stehenden Turnern unter der Führung Pollers, und den jungen Fußballspielern verhärtet. Die Spieler wurden nicht nur gemaßregelt, wenn sie nicht in den Pflichtturnstunden erschienen, ihnen wurde auch verboten, dem Saargau des Verbandes süddeutscher Fußballvereine (VsFV) beizutreten.43 Zu diesem Zeitpunkt gab es im saarländisch-lothringischen Grenzraum bereits eine – wenn auch überschaubare – Anzahl eigenständiger Fußballvereine. Eine der ersten – aktenmäßig erfassten – Gründungen war im März 1903 in Saargemünd erfolgt. In der etwa 15 Kilometer von Saarbrücken saaraufwärts gelegenen Kreishauptstadt lebten um 1905 etwa 14 900 Einwohner. Die Stadt war für die Keramikproduktion der Faïencerie berühmt und hatte als deutscher Verwaltungssitz in Lothringen einen hohen Bedeutungszuwachs erfahren. Neben einem Landgericht und einer Garnison verfügte die Stadt mit dem Eisenbahndepot zudem über einen wichtigen Arbeitgeber. Auch wenn die Stadt weiterhin einen lothringischen Charakter hatte, so waren die zunehmende kulturelle und demografische Germanisierung der Stadt nicht zu übersehen.44 Dieser kulturelle Einfluss war auch im Sportvereinswesen auszumachen. Erster Vorsitzender des Saargemünder Fussballclubs wurde der 37-jährige Lehrer Karl Fischer, der aus dem saarländischen Ort Schaffhausen bei Saarlouis stammte. Die Statuten des Vereins, der am

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Sportfreunde 05 Saarbrücken: 50 Jahre (1955), S. 25–29; Ludwig Lober: Wie die Alten sungen..., in: Mitteilungsblatt Sportfreunde Saarbrücken, Nov. 1949, S. 16. HOLZ: Entstehung (2000), S. 23; Festschrift FC Viktoria St. Ingbert: 70 Jahre (1979), S. 19. Festschrift 21. Gauturnfest des Saar-Blies-Gaues vom 30. Juni bis 2. Juli 1906, S. 40. Archiviert in: StA Saarbrücken, Bgm. M-B 1149. POLLER: Sechs Jahre (1907), S. 239; HOLZ: Entstehung (2000), S. 27. Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 24. Auch die Fußballabteilung des TV St. Ingbert trennte sich im Streit von ihrem Stammverein und gründete am 19.8.1909 den FC Viktoria 09 St. Ingbert. Siehe Festschrift FC Viktoria St. Ingbert: 70 Jahre (1979), S. 19–21. ROTH: La Lorraine (1976), S. 450f.; Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 17 (1909), S. 351

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6. Mai 1903 vom Bezirkspräsidenten in Metz genehmigt wurde, sah als Zweck „die Kräftigung und die Entwickelung des Körpers durch die Pflege und Förderung der Jugendspiele, insbesondere des Fussballspiels, sowie des athletischen Sportes“ vor.45 Der Fußballklub, von dem nur wenig überliefert ist, diente wohl in erster Linie der eigenen Freizeitbetätigung. Bei den 22 Gründungsmitgliedern handelte es sich nicht um Schüler, sondern um Selbstständige, Kaufleute und Angestellte, die sich jeden Sonntag auf dem Exerzierplatz im Saargemünder Vorort Neunkirchen trafen, um dort Fußball zu spielen. Von den Gründungsmitgliedern stammten zehn aus dem „Altreich“. Neben Fischer kamen zwei weitere aus dem Saarrevier, aus Dudweiler und aus St. Johann.46 Wie sich der Verein weiter entwickelte, ist den Akten nicht zu entnehmen. Eine größere Ausstrahlungskraft und eine größere Bedeutung für den Saargemünder Vereinsfußball sollte der nur wenige Monate später gegründete Fussball-Club Wodan bekommen. Auch in diesem Verein waren sowohl „Altdeutsche“ wie auch Einheimische vertreten. Von 21 Gründungsmitgliedern stammten elf aus dem „Altreich“, mehrere davon aus dem Saargebiet. Vorsitzender des erst 1905 offiziell anerkannten Vereins wurde der Eisenbahnbeamte Marc Killet. Unter ihm wurde der Verein 1912 in Sportverein Wodan umbenannt und wurde insbesondere durch die Leistungen seiner Leichtathleten überregional bekannt.47 Ähnlich wie in Saargemünd wurde auch in Metz der außerschulische Vereinsfußball durch Lehrer begründet, die nicht aus Lothringen stammten. Einer der den Metzer Fußball prägenden Protagonisten vor dem Krieg wurde Justin Hirtz. Er stammte ursprünglich aus dem oberelsässischen Dorf Ranspach und war seit 1898 an der Metzer Oberrealschule als Lehrer tätig. 1904 gründete der 36-jährige Reallehrer den Verein Luft und Sonne, in welchem Freilichtgymnastik, aber auch Fußball ausgeübt wurde.48 Jüngere Mitglieder des Vereins gründeten nach einem Meinungsstreit um den Sinn von Wettspielen im Januar 1905 den Fußballklub Metis Metz.49 Mit dem 48-jährigen Georg Fischer stand wiederum ein Lehrer dem Verein vor. Der Mittelschullehrer war bereits 1902 Gründungsmitglied der Vereinigung zur Pflege der Jugendspiele gewesen.50 Der neue Fußballverein trug sehr bald Wettspiele aus und hatte bereits ein Jahr später Fühlung mit Mannschaften aus Saarbrücken, Luxemburg und Nancy aufgenommen. Nach Meinungsverschiedenheiten traten 1907 mehrere Mitglieder aus und gründeten unter dem Vorsitz von Justin Hirtz den Verein für Bewegungsspiele Metz. Ein Jahr später fusionierte 45 Statuten des Saargemünder Fussballclubs, genehmigt am 6.5.1903, in: ADM, 16 Z 139. 46 Siehe Mitgliederliste des Saargemünder Fussballclubs von 1903, in: ADM, 3 AL 472. Vgl. auch knapp PIROT: L’implantation (1995), S. 45. 47 WAHL/PIROT: Die Einführung (1999), S. 24. GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 36–41; Denkschrift „Die Entwicklung des Sportgedankens in Sarreguemines“ von J. Dimofski, in: AM Sarreguemines, 31 R 02. 48 PIROT: Pratiquants (2000), S. 88; PIROT: Les débuts (1994), S. 135f. Zu Justin Hirtz siehe Oberrealschule Metz: Jahres-Bericht (1899), S. 20. 49 Vgl. zu diesem Absatz ausführlich Art. Aus der Geschichte des Fußballsportes in Metz, in: Fußball und olympischer Sport, 14.7.1913. 50 Zu dieser Vereinigung vgl. Kapitel 4.2, S. 122f.

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er mit Hirtz’ altem Verein Luft und Sonne, dem FC Lothringen und dem Damensportkränzchen zur Metzer Sportvereinigung, die zum größten Sportverein in Lothringen werden sollte. Eine Sonderstellung erhielt der Verein auch dadurch, dass er neben Fußball und Leichtathletik nicht nur weiterhin die Freilichtgymnastik im Programm hatte, sondern im Jahr 1910 fünfzig von rund 200 Mitgliedern weiblichen Geschlechts waren.51 1909 wurde im Verein sogar eine Damenfußballabteilung gegründet.52 Verantwortlich für dieses Alleinstellungsmerkmal unter den großen hier behandelten Sportvereinen war wiederum der Vorsitzende Hirtz, der in einem Schreiben an den Statthalter betonte, dass der Verein gewillt sei, auch die „schulentlassene weibliche Jugend (…) für die so nützlichen Leibesübungen im Freien zu gewinnen.“53 Beide Vereine, sowohl der FK Metis als auch die Metzer Sportvereinigung, rekrutierten ihre Mitglieder aus dem städtischen, meist protestantischen Bürgertum. Der FK Metis zählte bei seiner Gründung 25 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren. Neben Lehrern zählten sich Kaufleute, Apotheker, Architekten, Rentiers und Justizbeamte zu den Mitgliedern. Zu ihrem Vorsitzenden hatten sie den Eisenbahnbeamten Adolf Bietighöfer gewählt.54 Auch bei der Sportvereinigung ist in den ersten Jahren das gehobene Bürgertum zu finden. So finden sich unter den Mitgliedern Ärzte, mehrere Lehrer und ein Stadtrat. Zu den Vorstandsmitgliedern zählte auch Dr. Paul Albrecht, langjähriger Präsident des kaiserlichen Oberschulrates von Elsass-Lothringen.55 Sowohl der FK Metis Metz als auch die Metzer Sportvereinigung wurden Mitglied im Verband süddeutscher Fußballvereine und übten einen regen Spielverkehr aus. Im Februar 1912 kam es schließlich zur Vereinigung der beiden städtischen Rivalen. Die nun verstärkte Metzer Sportvereinigung errang 1912 die Westkreismeisterschaft in der A-Klasse und folgte Borussia Neunkirchen als zweiter Verein des Saargaus in die Westkreisliga. Das allgemein gestiegene Interesse der Bevölkerung hatte zudem dafür gesorgt, dass sich am Ort weitere kleine Vereine bildeten. Der SC Metz und der FC Forward Metz traten ebenfalls dem VsFV bei.56 Für den lothringischen Fußball wurde Metz zu einer Drehscheibe. Schüler und Studenten brachten das Rasenspiel in ihre jeweiligen Heimatorte und wurden zu 51 Stellungnahme des Regierungsassesors Biffé, Metz, für die Abteilung des Innern, Straßburg, 24.8.1910, in: Archives départementales du Bas-Rhin (ADBR), 87 AL 577. 52 1908 wurde in Metz außerdem der Damen-Fußballclub gegründet, der sich dann dem FC Metis anschloss. Siehe PIROT: Les débuts (1994), S. 139. 53 Schreiben Hirtz an Statthalter Wedel, 15.7.1910, in: ADBR, 87 AL 577. Sein Engagement korrespondiert mit seiner pädagogischen Rolle als Turnlehrer in Metz. Vgl. seinen „Bericht über die Einführung des Turnunterrichts in den Mädchen-Volksschulen, des orthopädischen Turnens und des Schwimmunterrichts für Knaben und Mädchen der Volksschulen“ vom 10.3.1913, in: AM Metz, 1 R 261. 54 Siehe Schreiben des Vorstands an die Polizeidirektion vom 6.1.1905 sowie die beigefügte Mitgliederliste, in: ADM, 3 AL 448. 55 PIROT: Les débuts (1994), S. 148. Zur Person Paul Albrecht (1847–1923) vgl. WENTZCKE: Albrecht (1953), S. 184 sowie ARETIN: Erziehung (1998). 56 Art. Aus der Geschichte des Fußballsportes in Metz, in: Fußball und olympischer Sport, 14.7.1913.

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Vereinsgründern. So wurde im Sommer 1905 in Diedenhofen der erste Fußballklub gegründet, 1906 in Hayingen. Das katholisch geprägte Industriedorf im Fenschtal lag in der Nähe Diedenhofens und zählte um die Jahrhundertwende rund 8 500 Einwohner.57 Dominiert wurde es vom Eisenwerk der französischen Industriellenfamilie De Wendel. Frequentiert wurde der SV Hayingen vorwiegend von Angestellten und Führungskräften der Wendel’schen Werke. Auch hier mischten sich „Altdeutsche“ und Lothringer. Der Sportverein wie auch die zwei Jahre später gegründeten Vereine FC Hayingen und SC Hayingen standen – vergleichbar wie in Völklingen – unter dem Patronat der ortsansässigen Industrie.58 War 1905 das Gründungsjahr der ersten Fußballvereine in der Moselle, so trifft dies auch auf das Saarrevier zu. Auch dort kam es ab diesem Jahr zu einer ersten Gründungswelle selbstständiger Fußballvereine. Der Schwerpunkt lag dabei im urbanisierten Industriedreieck zwischen Neunkirchen, Saarbrücken und Dillingen. Anders als in der Moselle spielten an der Saar die Lehrer nicht die herausragende Rolle in den ersten Fußballvereinen. Vielmehr wurden die ersten selbstständigen Vereine im Saargebiet von jungen Angestellten, Beamten, Schülern oder ehemaligen Schülern der höheren Schulen gegründet.59 Der erste unabhängige Fußballverein in Saarbrücken war der 1. FC Germania St. JohannSaarbrücken. Nach einem Aufruf in der Saarbrücker Zeitung wurde der Klub am 18. April 1905 von sieben jungen Männern gegründet. Zwei von ihnen stammten aus Belgien und waren in Saarbrücken beruflich tätig. In der ersten Generalversammlung wurde der Belgier Castillon zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Allerdings musste er sein Amt bereits im Februar 1906 aufgeben, da er aus beruflichen Gründen Saarbrücken verlassen musste.60 Während die Germania ihre Spieler vorwiegend aus dem Gymnasium rekrutierte, gründeten die Oberrealschüler aus St. Johann wenige Monate später, am 6. August 1905, den Sport-Club Saar 05.61 Innerhalb weniger Jahre wurde dieser Klub zum zweitgrößten Sportverein Saarbrückens. Verantwortlich dafür war nicht nur die Fußballabteilung, die an den Meisterschaftsspielen des Verbandes Süddeutscher Fußballvereine teilnahm, sondern auch das breitgefächerte sportliche Angebot. So konnten die Mitglieder bereits 1907 neben Fußball auch Leichtathletik, Hockey und Tennis wählen. Auch der Sport-Club war ein ausgesprochen bürgerlicher Verein. So zählte er im Jahr 1913, abgesehen von hundert Jugendlichen, unter seinen Mitgliedern in erster Linie Kaufleute, Beamte und Handwerker.62 Zum größten Sportverein im Kreis Saarbrücken avancierte der FV Malstatt-Burbach, der sich im April 1909 anlässlich der Gründung der Großstadt Saarbrücken in FV Saarbrücken umbenannte. Auch dessen Mitglieder betrieben – wie bei den Sportvereinen in den Sommermonaten üblich – neben dem Fußballsport hauptsächlich Leichtathletik. Auch 57 Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 9 (1907), S. 18. 58 Zu Hayingen/Hayange vgl. PETRUCCI: L’Histoire (1996), hier S. 13–20 sowie Kapitel 4.1. 59 Da keine Mitgliederlisten der Vereine aus den Gründungstagen überliefert sind, muss unter anderem auf die Erinnerungen in den Vereinsfestschriften zurückgegriffen werden. 60 Siehe die Erinnerungen Paul Dittscheids, in: Festschrift SV Saar 05: 50 Jahre (1955), o. S. 61 Erinnerungen Paul Dittscheids, in: Festschrift SV Saar 05: 50 Jahre (1955), o. S. 62 Anlage zum Beihilfeantrag des SC Saar 05, o. D. [1913], in: StA Saarbrücken, G 50/7296.

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beim FV Saarbrücken ist es schwierig, korrekte Mitgliederzahlen zu ermitteln, da sich die Quellen teilweise widersprechen. Sofern die eigenen zeitgenössischen Angaben des Vereins korrekt sind, zählte er wenige Monate vor Kriegsausbruch insgesamt 327 Mitglieder, wobei 258 von ihnen jünger als 21 Jahre alt waren.63 Neben der Germania, dem SC Saar 05 und dem FV Saarbrücken gab es mit der Sportvereinigung Saarbrücken 06 noch einen vierten Saarbrücker Großverein, in welchem Fußball gespielt wurde. Dieser Verein ging 1909 aus einer Fusion zweier kleinerer Vereine hervor und wurde ebenfalls Mitglied im Verband Süddeutscher Fußballvereine.64 Zum Vorsitzenden wurde der erst achtzehnjährige Paul Dittscheid gewählt. Der angehende Kaufmann sollte in den folgenden Jahrzehnten zu einem wichtigen Protagonisten des Saarbrücker Vereinsfußballs werden. Wenige Kilometer saarabwärts von Burbach gelegen, befand sich die ebenso von der Schwerindustrie geprägte Bürgermeisterei Völklingen. Auch wenn Völklingen nur den Status eines Dorfes hatte, so standen Einrichtungen wie das Realprogymnasium, das Amtsgericht, die Berginspektion und die elektrische Straßenbahn für die Urbanisierung des Industriedorfes, in welchem 1905 mehr als 15 000 Menschen lebten. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Ort bereits seit über zwanzig Jahren von den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken dominiert. Hermann Röchling, einer der Söhne des Gründers Carl Röchlings, leitete um die Jahrhundertwende das familieneigene Hüttenwerk in Diedenhofen und wurde später der erste Repräsentant des weitverzweigten Stahlimperiums. Aufgrund seiner Vernetzung in Wirtschaft und Politik sollte er über Jahrzehnte hinweg zu einer schillernden Persönlichkeit und Autorität in Völklingen sowie darüber hinaus werden.65 Röchling engagierte sich nicht zuletzt aus betrieblichem Interesse auch im sozialen, und damit auch im sportlichen Bereich. Er unterstützte sowohl die Turn- als auch die Sportvereine in Völklingen und förderte die Entstehung von Betriebssportgruppen.66 1908 wurde er vom zwei Jahre zuvor von Gymnasiasten gegründeten Fussball-Klub Völklingen 1906 zum Ehrenmitglied ernannt. Bereits in dieser frühen Phase trat Röchling als Förderer des Vereins auf, der neben Fußball vor allem die Leichtathletik pflegte. So unterstützte er den Verein finanziell und vermittelte ihm 1908 einen Spielplatz an der Fürstenhausener Fähre. Zu dieser Zeit setzte sich der Verein nach eigenen Angaben noch vorwiegend aus „Bürobeamten“ zusammen, während Arbeiter kaum vertreten waren. 1911 wurde in einem Verzeichnis der Bürgermeisterei die soziale Zugehörigkeit der Mitglieder aufge63 Schreiben des FV Saarbrücken an den Beigeordneten Bauer, 2.6.1914, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. 64 Festschrift SV Saar 05: 50 Jahre (1955), o. S. 65 Zu Völklingen siehe Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 20 (1909), S. 229. 1994 wurde die Völklinger Hütte von der UNESCO in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben. Zur Person Röchlings siehe FUCHS: Hermann Röchling (1984), hier S. 227. 66 Die Turnerschaft der Röchling’schen Werke verfügte 1914 über 430 Mitglieder, 155 waren jünger als 20 Jahre alt. Siehe Schreiben Bürgermeisterei Völklingen an Saarbrücker Landrat, 27.12.1910, 20.8.1914, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1683, LRA.SB 1284. Allgemein zur unternehmerischen Sportförderung im Kaiserreich vgl. LUH: Betriebssport (1998), S. 84–87.

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führt. So befanden sich unter ihnen in erster Linie Schüler, Kaufleute, Handwerker und Arbeiter. Unter der Führung des ersten Vorsitzenden Emil Nolde, seines Zeichens Verwaltungssekretär, wurde der Verein ein Jahr später in Sportverein 06 Völklingen umbenannt.67 Auch das etwa 20 Kilometer nordöstlich von Saarbrücken im Bliestal gelegene Dorf Neunkirchen – erst 1922 wurde es zur Stadt erhoben – war um die Jahrhundertwende vom industriellen Aufschwung des Saarreviers geprägt. Neben zwei Steinkohlengruben – mit mehr als 10 000 Mann Belegschaft – wurde das Eisenwerk der Unternehmerfamilie Stumm, in welchem um 1910 etwa 5 400 Arbeiter beschäftigt wurden, für die weitere Entwicklung des Industrieortes wichtig. Bereits 1905 zählte Neunkirchen rund 32 000 Einwohner, weshalb der Ort später gerne als das „größte Dorf Preußens“ bezeichnet wurde.68 Das Jahr 1905 wurde auch hier für den Fußball zum großen Gründungsjahr. Über die genauen Datierungen der ersten eigenständigen Vereine sind in den Quellen widersprüchliche Angaben zu finden.69 Fest steht, dass die Gebrüder Menzel in den ersten Jahren bereits eine wichtige Rolle im Neunkircher Fußball spielten. Während der jüngste von ihnen, Erich Menzel, erst später in das Geschehen eingreifen und ab den 1920er Jahren der saarländischen Sportpresse seinen Stempel aufdrücken sollte, gehörten seine älteren Brüder Albrecht und Eugen mit 19 und 16 Jahren zu den jugendlichen Mitgliedern des Turnvereins Neunkirchen, die 1905 eine Fußballriege gründeten. Nach Auseinandersetzungen mit der Vereinsführung, bei der es um die Beschaffung von Spielmaterial ging, machte sich die Abteilung 1906 als Sportclub 1906 selbstständig. Im selben Jahr gründete Eugen als Schüler des Realgymnasiums die Freie Turn- und Spielvereinigung. Ein Jahr zuvor war es im Juli 1905 zur Gründung des Fußball-Clubs Borussia gekommen. Dieser erste eigenständige Fußballverein in Neunkirchen wurde letztendlich zur Keimzelle des späteren Großvereins Verein für Bewegungsspiele Borussia Neunkirchen, der 1907 aus der Fusion dieser drei Vereine hervorging. Im folgenden soll exemplarisch die vergleichsweise gut dokumentierte Anfangszeit dieses Vereins beleuchtet werden, der sich innerhalb weniger Jahre zum größten Fußballverein des saarländisch-lothringischen Grenzraums und darüber hinaus vor dem Krieg auch zu einem der größten im gesamten süddeutschen Verbandsgebiet entwickeln sollte.70 67 Schreiben des Fussball-Klubs Völklingen 1906 an die Bürgermeisterei Völklingen, 11.6.1908, in: StA Völklingen, A 434; Verzeichnis der in Völklingen existierenden Turn- und Sportvereine, o. D. [1911], in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1281. 68 Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 14 (1908), S. 569. Zur Entwicklung der Schwerindustrie in Neunkirchen vgl. FRÜHAUF: Eisenindustrie (1980). 69 Dass sich die Erinnerungen der einzelnen Akteure gegenseitig widersprechen, dürfte zum einen an Erinnerungslücken liegen und zum anderen am Geltungsdrang einzelner Protagonisten. Vgl. hierzu die unterschiedliche Deutung im Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28 sowie die 1960 verfasste Erinnerung Albrecht Menzels: Neunkirchener Zeitung, 19.7.1965: Ein gutes Fundament wurde gelegt. Die wechselvolle Gründungsgeschichte der 60jährigen Borussia. 70 Der VsFV zählte 1911 insgesamt 369 Vereine. Mit 313 Mitgliedern nahm Borussia Neunkirchen den 15. Rang ein. Siehe VsFV: Jahresbericht 1910–11 (1911), S. 51, 54.

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Die Gründung des FC Borussia erfolgte – ähnlich wie beim 1. FC Germania Saarbrücken – über einen Aufruf in der lokalen Tageszeitung. Wie bei anderen Vereinen fand die Gründungsversammlung in einer Gastwirtschaft statt.71 Eingeladen zu dem Treffen hatte ein aus Ludwigshafen stammender Buchhalter namens Ludwig Hilbert, der bei den Rheinisch-Lothringischen Ziegelwerken in Neunkirchen beschäftigt war. Die weiteren Gründungsmitglieder rekrutierten sich entweder aus dem Neunkircher Realgymnasium oder wie Otto Fried aus dem Gymnasial-Internat in Frankenthal. Fried, der selbst seit 1904 das Internat besuchte, schreibt in seinen Erinnerungen, er und andere hätten sich von den Wettspielen des dortigen Fußballvereins inspirieren lassen.72 Das „Nachrichtenblatt der Borussia“ berichtet, die erste sportliche Veranstaltung des Vereins habe am 15. Oktober 1905 in der Lindenallee stattgefunden. Als Disziplinen waren vertreten: 1 100 Meterlauf, 2 100 Meter-Hürdenlauf, Fußballweitstoß und Fußballtorstoß.73 Die Spielberichte aus dieser Pionierzeit zeigen, dass der englische Sport trotz „Gelächter“ Zulauf hatte: „Die Wettspiele auf dem Schlackenplatz und in der Allee erregten mächtiges Gelächter und viel Spott. Der älteste der Spieler war Hilbert, der etwa 20 Jahre alt und Bürogehilfe war, die anderen standen im Alter von etwa 17 Jahren. Trotz Anfeindungen aller Art vermehrte sich die Zahl der Mitglieder so stark, wie die Zahl der in Wettspielen verlorenen Tore, und das wollte viel heißen, muß man doch bedenken, daß gleich das erste Wettspiel gegen S.C. SaarSaarbrücken mit 0:10 endete.“74

Vom besagten ersten „offiziellen“ Wettspiel, das am 12. November auf der Drexler’schen Wiese stattfand, wird berichtet: „Das Spiel begann um ½ 4 Uhr und dauerte 2 mal 45 Minuten. Eine 200köpfige Zuschauermenge sah sich das Treiben der „naktbeinigen Kerle“ an. (…) Bei Borussia läuft alles durcheinander. Werner trägt einige Bälle in sein Goal. Anschütz spielte in der zweiten Halbzeit teilweise auf das eigene Tor. (…) Im Rheinischen Hof fand abends ein feuchtfröhlicher Kommers statt.“75

Wenige Jahre später wurden die schwierigen sportlichen Anfänge in der Rückschau damit begründet, dass der Verein im Gegensatz zu den anderen Vereinen über keine erfahrenen und älteren Spieler verfügt habe. Gespielt worden sei damals „immer mit den Fußballregeln in der Hand.“76 Doch bereits das Rückspiel in 71 Symptomatisch für die mangelnde Zuverlässigkeit von Erinnerungen der Fußballpioniere ist, dass die Chronisten des Vereins uns heute drei Gaststätten zur Auswahl anbieten. Während Albrecht Menzel die Gastwirtschaft Limbach nennt, war es laut den Erinnerungen eines Gründungsmitglieds die Gastwirtschaft „Zu den drei Kaisern“. Das Nachrichtenblatt von 1912 nennt wiederum die Gastwirtschaft Assion. 72 Aus den Erinnerungen O. Frieds, in: Festschrift Bor. Neunkirchen: 25 Jahre (1930), S. 10. 73 Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 25. 74 Aus den Erinnerungen O. Frieds, in: Festschrift Bor. Neunkirchen: 25 Jahre (1930), S. 10. 75 Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 25f. 76 Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 25f.

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Teil I: Fußball ohne Grenzen

Saarbrücken am 17. Dezember 1905 konnte mit einem besseren Ergebnis aufwarten. Allerdings trat beim 1:0–Erfolg der Borussen lediglich die zweite Mannschaft des SC Saar 05 an. In den Monaten darauf folgten Spiele gegen den 1. FC Germania Saarbrücken, gegen eine Auswahl aus Pirmasens sowie ein Gastspiel bei Palatia Kaiserslautern.77 Im Januar 1906 folgte bereits die Aufnahme in den Verband Süddeutscher Fußballvereine. Dass der Verein jedoch in den kommenden Monaten schon beinahe wegen Mitgliedermangels wieder von der Bildfläche verschwunden wäre, ist symptomatisch für die Pionierzeit der ersten Vereine. Fusionen wie die in Neunkirchen im Jahr 1907 erfolgte, sind daher auch eine exemplarische Erscheinung für den Fußball in seiner Anfangszeit. Dass sich laut einem Versammlungsbericht vom 4. Juni 1907 der Großteil der Mitglieder des Sportclubs 1906 dem FC Borussia anschloss, war in erster Linie eine pragmatischsportliche Notwendigkeit. War der Fußball-Club seinerseits mitgliederschwach, so hatte er doch den Vorteil, über einen Platz sowie über die Mitgliedschaft im VsFV zu verfügen. Albrecht Menzel wurde zum Schriftführer gewählt. Sein Bruder Eugen Menzel, der zunächst das Amt des Gerätewarts versah, wurde später Pressewart des Vereins und redigierte seit 1910 das „Nachrichtenblatt der Borussia“.78 Von der Fusion profitierte der neue Verein enorm. Bereits 1910 verfügte er über fünf aktive Mannschaften, drei Jugend- und eine Altherrenmannschaft. Zudem hatte er mit einer Mitgliederzahl von 242 den SC Saar 05 bereits überholt und stellte fortan den größten Fußballverein im saarländisch-lothringischen Grenzraum.79 Mit Erringung der Saargaumeisterschaft 1911 und der Westkreismeisterschaft 1912, in der sich die erste Mannschaft des Vereins gegen Vereine aus Mannheim, Frankenthal, Kreuznach und Worms durchsetzte, wurde der VfB Borussia Neunkirchen dann auch zum erfolgreichsten.80 Ab etwa 1908 setzte eine weitere Gründungswelle von Fußballvereinen ein. Insbesondere in den urbanisierten Agglomerationsräumen der Schwerindustrie verbreitete sich das Fußballspiel rapide weiter. In der entstehenden Großstadt Saarbrücken wurden bis 1918 mehr als zwanzig Vereinsgründungen registriert, in Metz formierten sich alleine zwischen 1907 und 1910 zehn weitere Vereine, in welchen Fußball gespielt wurde.81 Abgesehen von den sich formierenden Großvereinen, deren Entstehung hier beschrieben worden ist, bestanden viele der Vereine nur kurze Zeit oder fusionierten zu größeren Sportvereinen. Auch im südwestlich von Saarbrücken gelegenen Forbach kam es zu einer vergleichbaren Entwicklung. Der Ort am Fuß des Schloßbergs zählte 1910 etwa 10 000 Einwoh77 Art. Die ersten Anfänge des FC Borussia, in: Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen Nr. 1, 1. Jg., August 1950, S. 7–9. 78 Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 27. 79 Bericht von der Jahresversammlung, in: Neunkircher Volkszeitung vom 5.8.1910. 80 Eugen Menzel: Von der C-Klasse zur Liga, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 5, Mai 1912, S. 45–48. 81 HOLZ: Entstehung (2000), S. 47–66; PIROT: Les débuts (1994), S. 143. Waren bis 1907 im Bezirk Lothringen 23 Vereine gegründet worden, in welchen Fußball gespielt wurde, so wurden alleine in den folgenden drei Jahren 126 gegründet.

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ner, hatte seit der Annexion mit der Ernennung zur Kreisstadt eine Aufwertung erhalten und profitierte vom Aufschwung des Kohlenbergbaus. 1909 zählte die Stadt zehn kleinere Fußballvereine. Im August desselben Jahres kam es zur Gründung des SC Forbach. Er war das Ergebnis eines Zusammenschlusses der zwei von Schülern gegründeten Fußballklubs Phönix und Triumph. Zum Vorsitzenden wurde der auch aktiv spielende Realschullehrer Walter Quintle gewählt. Der Klub wurde Mitglied im Verband süddeutscher Fußballvereine und galt als der führende Sportverein Forbachs.82 Teil dieser zweiten Gründungswelle war auch der FC Homburg, der im August 1908 in der Bezirksamtsstadt Homburg gegründet wurde. Anders als Saarbrücken und Neunkirchen war die Stadt jedoch nicht preußisch, sondern gehörte damals noch zum bayrischen Regierungsbezirk Rheinpfalz.83 Wie in diesem Unterkapitel aufgezeigt werden konnte, stellte das Jahr 1905 für die Entwicklung des Fußballsports im saarländisch-lothringischen Grenzraum ein Schlüsseljahr dar, das die Weichen für die kommende sportliche Entwicklung stellte. So wurden an der Saar und in der Moselle die ersten eigenständigen Fußballvereine gegründet, deren rasch aufgenommener Spielverkehr in den folgenden Jahren eine enorme Eigendynamik entwickeln sollte. Wie im übrigen Deutschen Reich gingen viele der Vereine zumeist aus ehemaligen Schülergruppierungen hervor oder aus Spielabteilungen der Turnvereine.84 Wird nach der sozialen Herkunft der Vereinsmitglieder gefragt, so müssen zwar einerseits die lokalen Strukturen berücksichtigt werden. Andererseits ist der Befund eindeutig, dass es sich beim Fußball in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg um eine vorwiegend bürgerliche Veranstaltung handelte. Es überrascht daher nicht, dass viele Schüler der höheren Schulen für die Vereinsgründungen die Initialzündungen gaben und in den ersten Jahren ein Gros der Mitglieder stellten. In der Führung der eigenständigen Vereine spielten sie jedoch selten eine Rolle. Während an der Saar vorwiegend junge Kaufleute, Angestellte und Beamte zwischen 20 und 25 Jahren die Vorstände der hier behandelten Großvereine dominierten, ergibt sich für den Bezirk Lothringen ein anderes Bild. Dort wurde das Fußballspiel als integraler Bestandteil der schulischen Erziehung eingeführt.85 Eingewanderte Lehrer aus dem Saarrevier und aus anderen Teilen des Deutschen Reiches gründeten die ersten Vereine. Auch wenn sich in den meisten Fußballvereinen Lothringer und Altdeutsche von Anfang an mischten, so wäre es ohne die „Entwicklungshilfe“ des deutschen Fußballs nicht zu dem beschriebenen Aufschwung gekommen. Wieviele selbstständige Sportvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum vor dem Ersten Weltkrieg gegründet worden sind, lässt sich zwar heute nicht mehr exakt bestimmen, Tendenzen lassen sich jedoch ausmachen. Werden auch diejenigen 82 ROTH: La Lorraine (1976), S. 452; PIROT: Les débuts (1994), S. 139f.; Festschrift US Forbach: 1909–1959 (1959), S. 15. 83 Der FC Homburg, der ab 1909 auf dem Schloßberg einen Sportplatz errichtete, veranstaltete Privatspiele gegen saarländische und pfälzische Vereine. 1912 wurde er Mitglied im Verband Süddeutscher Fußballvereine. Siehe Festschrift FC 08 Homburg: 60 Jahre (1968), S. 13. 84 So auch NIELSEN: Sport (2002), S. 270. 85 So auch PIROT/WAHL: Die Einführung (1999), S. 19.

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Vereine berücksichtigt, die nur kurz existierten oder mit anderen fusionierten, so wurden bis zum Ausbruch des Krieges im Bezirk Lothringen 135 Sportvereine gegründet, in welchen Fußball gespielt wurde.86 Für das Saarrevier konnten auf Basis der Literatur und der konsultierten Akten keine präzisen Zahlen errechnet werden.87 Fest steht, dass in der Großstadt Saarbrücken im selben Zeitraum mindestens 30 Vereine gegründet wurden. Im urbanisierten Landkreis Saarbrücken, der unter anderem Völklingen miteinschloss, kam es zu weiteren 50 Gründungen. Insgesamt dürften im sehr viel dichter besiedelten Saargebiet bis 1914 etwa 200 Sportvereine gegründet worden sein, in denen Fußball gespielt wurde. Wird auf der Grundlage der Einwohnerzahl88 die Vereinsgründungsdichte errechnet, so ergibt sich für den Bezirk Lothringen, dass auf 4 800 Einwohner eine Vereinsgründung kam. Für das Saargebiet kam eine Gründung auf 3 700 Einwohner. Da bei dieser Statistik jedoch keine Mitgliederzahlen berücksichtigt werden, ist sie nur bedingt aussagekräftig. Generell ist festzustellen, dass gerade die in dieser Studie behandelten Großvereine an der Saar sehr viel höhere Mitgliederzahlen aufwiesen als in Lothringen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Zahl der Mitglieder sowie der aktiven Fußballspieler an der Saar sehr viel höher war als in der Moselle.89 Wird der Bezirk Lothringen mit dem angrenzenden ostfranzösischen Departement Meurthe-et-Moselle verglichen, ist festzustellen, dass die Verbreitung des Fußballsports dort wesentlich weniger ausgeprägt war. Im dortigen Departement mit seiner Hauptstadt Nancy wurden bis zum Ersten Weltkrieg nur 45 Vereine gegründet, in welchen Fußball gespielt wurde. Mit einem Verhältnis von 12 500 Einwohnern auf eine Vereinsgründung beträgt dieser Wert weniger als die Hälfte wie im Bezirk Lothringen.90 2.3 Institutionalisierung und Bürokratisierung Der Saargau im Verband Süddeutscher Fußballvereine Die Anfänge der Verbandsstrukturen des bürgerlichen Fußballs in Deutschland sind beinahe so alt wie die Sportart selbst. Der erste ernstzunehmende Dachverband war der 1890 in Berlin gegründete Deutsche Fußball- und Cricket-Bund ge86 Nicht berücksichtigt werden hier die Turn- und Armeevereine, die konfessionellen und die sonstigen Vereine. Werden sie addiert, beträgt die Anzahl der Gründungen 230. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 143. 87 Die Vereinszahlen für die Saar beruhen auf einer Auflistung bei HOLZ: Entstehung (2000), S. 47–66 und auf statistischen Angaben des Landratsamts Saarbrücken, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279. 88 Der Bezirk Lothringen hatte 1910 eine Einwohnerzahl von 655 211. Vgl. SCHUMAN: Verfassung (1913), S. 84. Die Landkreise des späteren Saarlandes hatten 1910 insgesamt eine Einwohnerzahl von 740 169. Vgl. die statistischen Daten des Internetportals www.verwaltungsgeschichte.de – Homepage Deutsche Verwaltungsgeschichte 1871–1990. 89 Vgl. zur Mitgliederentwicklung im Saargau Abbildung 2, S. 67. 90 Das Departement Meurthe-et-Moselle zählte 1910 etwa 565 000 Einwohner. Vgl. BAUDIN: Histoire (1997), S. 17; PIROT: Les débuts (1994), S. 143.

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wesen, in welchem sich zunächst hauptsächlich Berliner Klubs – unter ihnen auch englische – wiederfanden.91 Auf Betreiben Walther Bensemanns wurde 1894 die Süddeutsche Fußball-Union gegründet, die allerdings nicht lange Bestand hatte. Nachhaltigkeit erzielte erst die Gründung des Verbandes Süddeutscher Fußballvereine (VsFV) am 17. Oktober 1897 in Karlsruhe.92 Das Verbandsgebiet umfasste bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Bayern, Württemberg, Baden, ElsassLothringen, weite Teile Hessens sowie die südliche Rheinprovinz. Bereits 1900 schloss sich der VsFV dem eben gegründeten Deutschen Fußballbund (DFB93) an und wurde innerhalb weniger Jahre dessen größter Einzelverband. Als 1905 im saarländisch-lothringischen Grenzraum die ersten Fußballvereine gegründet wurden, vertrat der VsFV bereits 4 215 Mitglieder in 94 Vereinen.94 1903 war erstmals ein geregelter Spielbetrieb eingeführt worden, um den süddeutschen Meister zu ermitteln. Gespielt wurde im Nord- und Südkreis, die jeweils wiederum in Gaue und Klassen eingeteilt wurden. War das Elsass in den Oberrheingau integriert, so war der Ende 1901 gegründete Pfalzgau zuständig für den saarländischlothringischen Grenzraum, in welchem jedoch bis dahin keine Verbandsvereine existierten. Kleinere vom DFB unabhängige Verbände wie der Verband Pfälzer Vereine für Bewegungsspiele wurden innerhalb weniger Jahre verdrängt oder schlossen sich dem VsFV an.95 Mit dem Entstehen mehrerer selbstständiger Fußballvereine im saarländischlothringischen Grenzraum stellte sich bald die Frage nach einem geregelten Spielverkehr. Die ersten Vereine, die sich einzelnen Fußballverbänden anschlossen, waren der SC Saar 05 und Borussia Neunkirchen. Während sich die Saarbrücker zunächst dem Westdeutschen Spielverband anschlossen, traten die Neunkircher im Januar 1906 dem Pfalzgau des VsFV bei.96 Am 30. Dezember 1906 trafen sich schließlich in der Saarbrücker Gaststätte Hopfenblüte mehrere Vereinsvertreter, um über einen festeren Zusammenschluss zu beraten. Diskutiert wurde die Möglichkeit eines selbstständigen Verbandes oder dessen Beitritt zum VsFV beziehungsweise zum Westdeutschen Spielverband. Letztendlich einigte man sich auf die Gründung eines Saargaus innerhalb des Westkreises des VsFV. Die offizielle Gründung erfolgte allerdings erst am 23. Juli 1907. Fünf Tage später fand unter der Leitung von Fritz Kuhn, Gründungsmitglied des SC Saar 05 und dessen lang-

91 Vgl. zum Beginn des Fußballsports in Berlin zuletzt ausführlich SCHÄFER: Militarismus (2011), S. 100-107. 92 Zu den Verbänden sowie zur Gründung des VsFV siehe FLIERL: Geschichte (1957), S. 13–41. 93 Der in Leipzig gegründete DFB verstand sich als Dachorganisation des deutschen Fußballs. Ihm waren sieben Regionalverbände angeschlossen. 94 Vgl. Grafik zur Entwicklung des Verbandes, in: VsFV: Jahres-Bericht 1910–11 (1911), S. 51. 95 Am 7.3.1903 wurde der Verband Pfälzer Vereine für Bewegungsspiele gegründet. 1905 gehörten ihm zehn Pfälzer Vereine an. Das Verbandsgebiet umfasste auch das Saargebiet. Dort wurde bis 1905 jedoch noch kein Fußballverein gegründet. 1905 schloss sich der Verband dem VsFV an. Siehe u.a. Deutsches Fussball-Jahrbuch 1904–05, S. 126. 96 Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 25f.

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jähriger Vorsitzender, der erste Gautag statt.97 Dem Saargau gehörten zunächst 290 Mitglieder aus sechs Vereinen an: 1. FC Germania St. Johann-Saarbrücken, SC Saar 1905, FK Völklingen, SC Hellas Bildstock-Friedrichsthal, SC Sulzbach 1906, Trierer FC 1905.98 Auch Borussia Neunkirchen war an der Gründung des Saargaus beteiligt, stieß aber als bisheriger Pfalzgauverein erst zur neuen Saison hinzu. Ebenso traten im Herbst desselben Jahres der SC Borussia Sulzbach, FC Viktoria Kirn und der FC Metis Metz dem Verband bei.99 Die Gründung eines Verbandsgaus im Saarrevier und in Lothringen erfolgte im Vergleich zu den anderen Gauen des süddeutschen Verbandes vergleichsweise spät. Noch Jahre später wurde dies damit begründet, das Saarrevier sei stets das sportlich rückständigste Gebiet im Bereich des Verbandes gewesen.100 Ebenfalls in das Jahr 1907 fiel die Einrichtung des Westkreises. Die Einrichtung des Saargaus und die Zunahme des Spielbetriebs in den anderen Gauen machte es für die Verbandsleitung notwendig, dem Aufschwung des Fußballs im westlichen Verbandsgebiet gerecht zu werden und räumlich kleinere Einheiten zu schaffen. Der Westkreis umfasste neben dem Saargau die Gaue Mittelrhein, Neckar, Pfalz und Nahe. 1908 führte der Verband – bei Wahrung der Verbandshierarchie – die Selbstverwaltung der Kreise und Gaue ein. Die Schaffung dezentraler Gaubehörden sollte die Arbeitsbelastung des Verbandsvorstandes vermindern.101 Erster Vorsitzender der neu geschaffenen „Saargaubehörde“ wurde der bisherige Schriftführer Fritz Kuhn, der dieses Amt und das des Westkreisvorsitzenden bis 1909 innehatte. Der Saargau umfasste die preußischen Teile des Saarreviers, den gesamten Bezirk Lothringen und erstreckte sich nordwestwärts bis Trier. Bei der räumlichen Verteilung der Vereine im Saargau fällt auf, dass etwa zwei Drittel der Vereine und bis zu 70 Prozent der Mitglieder aus dem Saarrevier stammten. Die Bezirkshauptstadt Trier wurde lediglich vom Trierer FC 1905 und seit 1909 auch vom FC Moselland Trier 06 repräsentiert. Der Bezirk Lothringen wurde in den ersten Jahren nur von den Vereinen aus Metz vertreten. Erst drei Jahre später kam es in Lothringen zu einer merkbaren Zunahme der Verbandsvereine. 1910 traten der Diedenhofener FV und der SC Hayingen dem Saargau bei, in den folgenden Jahren folgten die Vereine SC Forbach, SV Wodan Saargemünd, FC Viktoria

97 Siehe Eugen Menzel: Die Anfänge des Fußballsports in Neunkirchen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 3, März 1912, S. 25–28, hier S. 26f.; Paul Dittscheid: Aus den Gründerjahren, Teil 4. Erinnerungen an den S.C. Saar, in: Monatsschrift SV Saar Saarbrücken, 2. Jg., Nr. 3, März 1950; HOLZ: Die Entstehung (2000), S. 37, 68f. 98 Siehe Deutsches Fussball-Jahrbuch 1905–1907 (1907), S. 135. Die weiteren statistischen Ausführungen in diesem Kapitel basieren – wenn nicht anders angegeben – auf den Jahrbüchern und Jahresberichten des DFB bzw. des VsFV. 99 Saarbrücker Zeitung, 3.10.1907. 100 Bericht der Saargaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1910–11 (1911), S. 91–96. 101 Siehe Kapitel Verbandsverfassung, in: VsFV: Jahres-Bericht 1911–12 (1912), S. 12.

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Redingen, Fußballvereinigung Orne 1909 Rombach, FC Forward Metz und der Sport-Club Metz.102 In der Gaubehörde wurde dies positiv vermerkt: „Besonders erfreulich ist es, dass in der Lothringer Industriegegend das Fussballspiel allmählich an Boden gewinnt, wie die Gründung mancher lebensfähiger Vereine in diesem Bezirke beweist.“103

Im Frühjahr 1913 wurde deshalb für kleinere Vereine eine „Sonderrunde im Lothringischen Industriegebiet“ eingeführt. Zwei Jahre später wurde protokolliert, dass das Lothringer Gebiet erfreulicherweise endlich ein geschlossenes Ganzes bilde und die Entwicklung zu schönen Hoffnungen Anlass gebe.104 Gleichwohl zeigte sich der Verband süddeutscher Fußballvereine in seinem Jahresbericht 1913/14 mit der sportlichen Entwicklung in Lothringen unzufrieden: „Wir müssen uns damit abfinden, daß gerade in Elsaß-Lothringen, wo der Sport in erster Linie als Bindeglied der verschiedenartigen Bevölkerungsteile eine wichtige kulturelle Aufgabe erfüllen könnte, durch den besonders gearteten politischen und völkischen Werdegang des Landes an der Entfaltung seiner eigentlichen Kraft empfindlich gehemmt ist.“ 105

Zugleich hob der Jahresbericht aber auch die „unvergleichliche Pionierarbeit“ der elsässischen und lothringischen Vereine hervor. In der Gaubehörde des Saarund Moselgaus wurden die Hauptgründe für die zögerliche Entwicklung in Lothringen präzisiert. Es wurde weniger der Mangel an Fußballvereinen hervorgehoben als vielmehr die räumlich ungünstige Gaueinteilung, die von den Vereinen unverhältnismäßig hohe finanzielle Opfer und sportlichen Tribut einforderte. Tatsächlich mussten die Vereine aus Lothringen und Trier lange Wege in Kauf nehmen, um die Wettspielrunden bestreiten zu können. Als die Metzer Sportvereinigung am 2. Juli 1908 ein Wettspiel in Trier bestreiten musste, verbrachte die Mannschaft mehr als zwei Drittel der Reise im Zug.106 Für die Reisekosten der auswärtigen Wettspiele mussten die Spieler in den ersten Jahren selbst aufkommen. Nur größere Vereine, die auch über höhere Einnahmen verfügten, konnten überhaupt Fahrtzuschüsse gewähren. Bei der Metzer Sportvereinigung nahm in der Spielzeit 1908/09 der Posten der Reisevergütungen mit 120 Mark rund ein Achtel der Jahresausgaben ein. Dennoch wurde vermerkt, dass die Spieler darüber hinaus „persönliche Unkosten für Eisenbahnfahrt und Verpflegung bei Wettspielen“ zu tragen hatten.107 Auch bei anderen Vereinen war es selbstverständlich, dass die Mannschaft die Kosten selbst trug. Als die erste Mannschaft des FV 102 Auch die Vereine Borussia Stahlheim und der FC Diedenhofen sollen in den unteren Klassen des Saargaus gespielt haben. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 162. 103 Bericht der Saargaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1911–12 (1912), S. 145. 104 An der Sonderrunde nahmen fünf Vereine teil, darunter der FC Hohenzollern Stahlheim. Siehe Fußball und olympischer Sport, 19.3.1913; Bericht der Saar- und Moselgaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1913–14 (1914), S. 123. 105 Art. „Reichsländischer Landesverband“, in: VsFV: Jahres-Bericht 1913–14 (1914), S. 52–53. 106 Die Fahrt von Metz nach Trier dauerte etwa drei Stunden. Der Tagesablauf gliederte sich folgendermaßen: 10.30 Uhr Abfahrt in Metz, nachmittags Spiel in Trier, Ankunft in Metz wiederum um 19 Uhr. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 172. 107 Siehe Schlußrechnung der Metzer Sportvereinigung 1908/09, in: ADBR, 87 AL 577.

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Teil I: Fußball ohne Grenzen

Saarbrücken im Frühjahr 1913 für ein Qualifikationsspiel um den Abstieg aus der A-Klasse nach Heidelberg fahren musste, wurde vom Vorstand erstmals überhaupt ein Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 30 Mark gebilligt.108 Von einer Neueinteilung des Gauspielsystems in einen Saar- und einen Moselbezirk versprach sich die Gaubehörde auch für die bisher dem Verband noch fern stehenden übrigen Lothringer Vereine bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Mitgliederentwicklung im Saargau nach Zugehörigkeit 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 1907

1908

Saarrevier

1909

1910

Lothringen

1911

1912

Trier

Abbildung 1

Die Umstrukturierung der Spielsysteme und -klassen war bereits in den Anfangsjahren im gesamten Verbandsfußball zu beobachten. Durch die rasch wachsende Anzahl von Vereinen und somit auch der aktiven Spieler mussten die Kreise und Bezirke mehrfach neu eingeteilt werden, wodurch eine Reihe von Klubs über die Jahre in verschiedenen Staffeln spielten. In den Rahmen der Neustrukturierung des Saargaus ist auch dessen 1912 erfolgte Umbenennung in Saar- und Moselgau einzuordnen.109 Von der Neueinteilung der Spielklassen profitierte insbesondere Lothringen. Die Zahl der lothringischen Verbandsvereine wuchs in der Folge stetig an. Mit etwa einem Drittel der Saargauvereine entsprach die Verteilung der Vereine kurz vor Ausbruch des Krieges damit auch in etwa der absoluten Verbreitung der Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Dominiert wurde der Saargau jedoch von den saarländischen Vereinen. Noch deutlicher als über die Anzahl der Vereine zeigt sich dies bei der Statistik über die Entwicklung der Anzahl der Vereinsmitglieder. Zwar ging der Anteil der Mitglieder aus dem Saarrevier bis 1912 von rund 80 auf etwa 70 Prozent zurück. Der Anteil der Mitglieder aus Lothringen betrug jedoch – auch wenn von 1913 und 1914 keine Zahlen vorliegen – nicht mehr als 20 Prozent (siehe Abb. 1). Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zählte der Saargau 31 Vereine mit insgesamt etwa 2 700 Mitgliedern. Im 18 Gaue umfassenden Gesamtverband nahm der 108 Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 26. 109 Die Umbenennung erfolgte auf dem Gautag im Juni 1912 auf Antrag des SV Trier 05. Vgl. HOLZ: Entstehung (2000), S. 68.

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Saargau damit den zehnten Rang ein.110 Der benachbarte Pfalzgau zählte im selben Jahr rund 5 000 Mitglieder in 45 Vereinen. Allerdings profitierte dieser Gau, in welchem auch die Fußballvereine aus St. Ingbert und Homburg organisiert waren, von der „Fußballhochburg“ Ludwigshafen, in welcher 1914 elf Vereine mit 2 000 Mitgliedern gezählt wurden. Wird das Mitgliederwachstum mit demjenigen des Gesamtverbandes verglichen, so zeigt sich, dass der VsFV im Zeitraum von 1910 bis 1914 eine Wachstumsrate von 107 Prozent aufwies, während dasjenige des Saargaus 78 Prozent betrug. Es entsprach in etwa der Entwicklung des gesamten Westkreises, der im selben Zeitraum eine Zuwachsrate von 83 Prozent aufwies. Auffallend bei der Mitgliederentwicklung ist der geringer werdende Anstieg in den letzten zwei Jahren vor Kriegsausbruch. Dies findet auch im Bericht der Gaubehörde Niederschlag. Dort wird der „verhältnismäßig ruhige Verlauf“ der Entwicklung damit erklärt, dass „wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch nationale Verhältnisse (…) hier im westlichsten Westen des Verbandsgebietes“ Schwierigkeiten machten.111 Mitgliederentwicklung Saargau 40

3000

Anzahl der Vereine

2000

20

1500 1000

10

500

0

0 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

Vereine

Mitglieder

Anzahl der Mitglieder

2500

30

Abbildung 2

Die Hauptaufgabe der Gaubehörde als geschäftsführender Vorstand war die Organisation des Spielbetriebs. Die Protokolle der Vorstandssitzungen und der Gautage wurden im „Fußball“ veröffentlicht, einer Sport-zeitung die in München von Eugen Seybold herausgegeben wurde und das amtliche Organ des VsFV war.112 Die Behörde verschickte Rundschreiben, hielt alle zwei bis drei Monate Gauausschußsitzungen ab, zog die jährlichen Bundesbeiträge113 ein, schlichtete Streitfälle und verhängte Verbandsstrafen. Delikte waren das Nichtmelden von Spielern, rohes Spiel, Nichtantreten, Spielabbruch oder das Beleidigen von Schiedsrichtern. Die ausgesprochenen Strafen waren aus heutiger Sicht teilweise hart, wenngleich die entsprechenden Umstände auch nicht mehr bekannt sind. So 110 Der Gau Mittelfranken mit den beiden Großvereinen Spielvereinigung Fürth und 1. FC Nürnberg zählte 1914 etwa 7 650 Mitglieder. Insgesamt zählte der VsFV 1914 rund 59 800 Mitglieder in 574 Vereinen. Die Gaudurchschnittsgröße betrug 3 320 Mitglieder. 111 Bericht der Saar- und Moselgaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1913–14 (1914), S. 122. 112 Der „Fußball“ erschien unter wechselnden Titeln seit Oktober 1911. 113 Im Jahr 1912 betrug die Kopfsteuer für den Verein pro Mitglied 6 Pfennige. Siehe Mitteilung des Saargaus, in: Fußball, 29.1.1912, S. 16.

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wurde einer der Gebrüder Menzel von Borussia Neunkirchen wegen unerlaubten Verlassens des Spielfeldes auf drei Monate disqualifiziert. Der Spieler Reis von der Sportvereinigung 06 Saarbrücken wurde wegen „tätlicher Beleidigung eines Gegners“ für ein halbes Jahr ausgeschlossen. Die Sanktionen konnten auch ganze Vereine treffen. So wurde die Fußballabteilung des TV 1848 Saarbrücken für einen Monat disqualifiziert, weil sie ein Spiel gegen Germania Saarbrücken abgebrochen hatte.114 Die Verhandlung von Anzeigen und Spielprotesten nahm dem Umfang der Protokolle der einzelnen Gauausschußsitzungen nach zu urteilen den größten Raum ein. Entsprechend wurde in der Sportpresse auch von einem „Protestfieber“ gesprochen, das um sich gegriffen habe.115 Die Behörde setzte sich zusammen aus dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter sowie aus mehreren Beisitzern. Während der Vorsitzende den Gau im Kreis vertrat, leitete sein Stellvertreter die eigentlichen Gaugeschäfte (siehe Abb. 3). In dessen Aufgabenbereich fiel beispielsweise auch die Prüfungsabnahme der von den Vereinen zu stellenden Schiedsrichter.116 Der Gauvorsitz wechsel-

Abbildung 3

te in der Regel mit jeder Spielzeit. Von 1907 bis 1912 wurde er jeweils von einem Vereinsvertreter aus Saarbrücken wahr genommen. Von 1912 bis 1914 amtierte Otto Wagner von der Metzer Sportvereinigung als Gauvorsitzender.117 Das Spielsystem entsprach demjenigen der anderen Gaue im Verband. Die Verbandsspiele wurden von Oktober bis Dezember in den Klassen A, B und C 114 Protokoll der Gauausschußsitzung vom 31. März 1912 in Saarbrücken, in: Fußball und olympischer Sport, 9.4.1912, S. 22f. 115 Art. „Protestunwesen“, in: Fußball und olympischer Sport, 9.12.1912, S. 3f. 116 Siehe Schreiben Karl Schneider an Th. Kern, 18.5.1912, als Faksimile, in: SFV: 60 Jahre Schiedsrichter-Gruppe Sulzbach (1979), o. S. In dem Schreiben bittet der Stellvertretende Vorsitzende des Saargaus den Sulzbacher Kern zur Schiedsrichterprüfung nach Neunkirchen. 117 Die einzelnen Gauvorsitzenden: 1907–09 Fritz Kuhn, 1909/10 Willy Dilg jr., 1910/11 Carl Bartsch, 1911/12 Fritz Kuhn, 1912–1914 Otto Wagner. 1917–1919 Georg Pabst.

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gespielt, wobei im Laufe der Jahre mit wachsender Vereinszahl mehrere Staffeln innerhalb einer Klasse eingeführt wurden. Das Spielsystem sah vor, dass die jeweiligen Meister einer Gauklasse um die Kreismeisterschaft spielten. Die Kreismeister der jeweiligen Klasse spielten wiederum in einer Abschlussrunde um die jeweilige Meisterschaft im gesamten süddeutschen Verband. Die Verbandsspiele endeten in der Regel im April oder Mai des folgenden Jahres. Im Saargau stellte die B-Klasse zunächst die oberste Klasse dar. Erster Saargaumeister in der Spielzeit 1907/08 wurde der FK Völklingen 06, der unter anderem den FC Metis Metz mit 5:1 schlug. Als Gaumeister durfte der Verein an den Spielen um die Westkreismeisterschaft in der B-Klasse teilnehmen. In der Spielzeit 1908/09 wurde die Metzer Sportvereinigung in der B-Klasse Saargaumeister und konnte auch die Westkreismeisterschaft in der B-Klasse für sich entscheiden.118 Ab der Spielzeit 1910/11 begann Borussia Neunkirchen, den Saargau zu dominieren. In allen drei Staffeln der B-Klasse errangen die Mannschaften des Vereins die Gaumeisterschaft.119 In der darauf folgenden Saison wurde der Verein in der höchsten Klasse des Saargaus erneut Meister und errang sogar die Meisterschaft im Westkreis. In der Entscheidung um die süddeutsche Meisterschaft in der B-Klasse unterlag Borussia Neunkirchen jedoch den Würzburger Kickers.120 Eine grundlegende Änderung erfuhr das Spielsystem 1912, als auf Kreisebene die „Liga“ als neue höchste Klasse eingeführt wurde. In ihr wurden die acht besten Vereine des Kreises vereinigt. Im Westkreis waren dies in der Spielzeit 1912/13 neben Borussia Neunkirchen drei Vereine aus Ludwigshafen, zwei aus Mannheim, der FV Kaiserslautern sowie Olympia Darmstadt.121 Als saarländischer Vertreter hatten die Neunkircher aufgrund der großen Entfernung zu den anderen Städten den größten Reiseaufwand der acht Westligavereine. Als ein Jahr später die Metzer Sportvereinigung als zweiter Verein des Saargaus in die Westkreisliga aufstieg, stieß das Sportmagazin „Fußball und olympischer Sport“, zugleich das amtliche Organ des VsFV, eine Debatte an, die in ähnlicher Weise auch in den folgenden Jahrzehnten stets aktuell blieb: Die Debatte um die Gerechtigkeit des Spielsystems.122 Als eine Benachteiligung wurde es angesehen, dass Neunkirchen und Metz im Westen auf weiter Flur die einzigen Ligavereine waren. Gerade die Reisestrapazen der Metzer Mannschaft wurden in den Mittelpunkt gestellt. Sie musste in der Spielzeit 1913/14 fünfmal 200 Kilometer nach Mannheim-Ludwigshafen zurücklegen, während ein Mannheimer Verein nur einmal nach Metz fahren musste. Die ansonsten berufstätigen Spieler verbrachten daher ganze Sonntage im Zugabteil, nur um in Mannheim oder Ludwigshafen auf dem Platz zu stehen. Nicht zuletzt muss118 Festschrift SV Völklingen: 60 Jahre (1966), S. 22. 119 In der Spielzeit 1910/11 wurde im Saargau in vier B-Staffeln gespielt sowie in einer CStaffel. Siehe Bericht der Saargaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1910–11 (1911), S. 94. 120 Das Hinspiel in Würzburg am 12. Mai 1912 ging 0:1 verloren, das Rückspiel in Neunkirchen 1:4. Siehe Spielberichte von Karl Goedicke, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 6, 1.6.1912, S. 56–57. 121 Borussia Neunkirchen schloss als Vorletzter der Tabelle ab. Siehe Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 2, 16.2.1913, S. 5. 122 Siehe Leitartikel „Metz und der Westkreis“, in: Fußball und olympischer Sport, 21.4.1913.

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ten die Vereine auch viel höhere Reisekosten tragen als ihre Konkurrenten. Wenngleich es an Reformvorschlägen nicht mangelte – so wurde die zusätzliche Einführung einer westlichen „Grenzliga“ diskutiert – , sollte das Handicap der weiten Entfernungen vor Kriegsausbruch nicht mehr gelöst werden können. Galt dieses strukturelle Defizit für den Westkreis, galt es auch für den Saargau und dort insbesondere für die kleineren Vereine. Spätestens wenn einer von ihnen in seiner jeweiligen Klasse die Kreismeisterschaften erreichte, standen die Kosten für die Eisenbahnfahrten in keinem Verhältnis. So war es auch ein Kennzeichen des Gaus, dass einige Mannschaften – sofern es um die unteren Klassen ging – auf eine Kreismeisterschaft freiwillig verzichteten, da sie die Reisekosten scheuten.123 Dennoch war der Saar- und Moselgau in der Spielzeit 1913/14 mit Borussia Neunkirchen und der Metzer Sportvereinigung erstmals mit zwei Vereinen in der Westkreisliga vertreten. Als Tabellenletzter mussten die Lothringer jedoch ein Jahr später wieder absteigen. In dieser letzten regulären Spielzeit vor dem Krieg kamen in den sechs Bezirksklassen des Saar- und Moselgaus 34 Mannschaften und 374 Spieler zum Einsatz. Eine Erweiterung erfuhr das Spielsystem in dieser Spielzeit insofern, als im Gau erstmals Meisterschaften für die AH- und Jugendmannschaften eingeführt wurden.124 Neben dem regulären Wettspielbetrieb gab es für die Vereine eine Reihe von „Privatspielen“ gegen angesehene Vereine aus dem In- und Ausland. Außerdem wurden seit Frühjahr 1912 Repräsentativspiele im Westkreis ausgetragen, bei welchen Auswahlmannschaften der einzelnen Gaue gegeneinander antraten. Zum ersten Spiel einer Saargauauswahl kam es am 12. Mai 1912 auf dem Saarsportplatz gegen eine Auswahl des Pfalzgaus.125 Privatspiele der Vereine mussten von der Gaubehörde genehmigt werden. Spiele gegen Nichtverbandsvereine, sogenannte „wilde“ Vereine, waren den Vereinen dagegen untersagt. Damit untermauerte der Verband seinen Alleinvertretungsanspruch. Für kleine Vereine wurde dies insofern problematisch, da diese zeitweise nur dann Mitglied werden konnten, wenn der am selben Ort bereits bestehende Verbandsverein eine bestimmte Größe hatte. Außerdem mussten die Vereine eine bestimmte Mitgliederstärke aufweisen und in der Lage sein, ihren jährlichen Mitgliedsbetrag an den Verband zu entrichten.126 Nicht zuletzt deshalb war es 1911 im Sulzbachtal zur Gründung des unabhängigen Saar-Pfalz-Verbandes gekommen. Der Organisation traten kleinere

123 So nahm beispielsweise der B-Meister Diedenhofen 1914 aus Rücksicht auf die hohen Kosten an den Kreismeisterschaftsspielen nicht teil. Entsprechend verzichteten in der Saison 1912/13 die Metzer Sportvereinigung und der VfB Nürnberg wegen der Fahrtzeit von 22 Stunden jeweils auf die Austragung ihrer Partien. Siehe Fußball und olympischer Sport, 7.5.1913. 124 Bericht der Saar- und Moselgaubehörde, in: VsFV: Jahres-Bericht 1913–14 (1914), S. 122– 124. Die Abkürzung AH war bereits gebräuchlich für noch aktive Senioren („Alte Herren“). Die Bestimmungen zur AH-Meisterschaft sind abgedruckt in: Fußball und olympischer Sport, 17.12.1913. Zu den Jugendabteilungen und deren Verhältnis zur Jugendpflege siehe Kap. 4.1. 125 Saarbrücker Zeitung, 1.3., 12.5.1912. 126 FLIERL: Geschichte (1957), S. 21f. Laut Pirot mussten die Vereine mindestens 60 Mitglieder haben. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 161.

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„wilde“ Vereine bei, die ihre Meisterschaften in einem Pokalsystem austrugen.127 Mit den Spielabteilungen der Turnvereine kam es 1910 zu einer Einigung. Seit diesem Jahr durften auf Beschluss des Hauptausschusses der Deutschen Turnerschaft Sportabteilungen anderen Fachverbänden beitreten. Dies ebnete den Spielabteilungen den Weg in den Wettkampfbetrieb der bürgerlichen Fußballverbände. An der Saar wurden infolgedessen die Spielabteilungen des TV Saarbrücken von 1848 und des TV Burbach in den Saargau eingegliedert.128 Innerhalb weniger Jahre wurde so die Formierung des organisierten Fußballsports in Deutschland unter dem Dach des DFB und seiner Einzelverbände vorangetrieben. Im saarländisch-lothringischen Grenzraum hatte sich der Saargau unter dem Dach des Verbandes süddeutscher Fußballvereine etabliert. Nur der Kriegsausbruch verhinderte, dass 1915 der jährliche Verbandstag in Saarbrücken stattfand.129 Mit Ludwig Albert hatte der Saargau überdies einen prominenten Vertreter im Vorstand des VsFV. Der in Metz lebende Rechtsanwalt fungierte von 1910 bis 1920 als Zweiter Vorsitzender und vertrat die Interessen des Verbandes bei den Sitzungen des DFB. Im einführenden Kapitel zur regionalen Vereinskultur und zur Turnbewegung im saarländisch-lothringischen Grenzraum wurde gezeigt, dass dem allumfassenden nationalen Vergemeinschaftungsanspruch im Deutschen Kaiserreich eine sich immer weiter ausdifferenzierende Gesellschaft gegenüber stand, die sich gerade auch im Vereinswesen ausdrückte. Im zweiten Kapitel zur Formierung des organisierten Fußballsports wurden nun die Fußballvereine als neuer Typus des Freizeitvereins vorgestellt. Zwar war es auch für andere Freizeitvereine nichts Außergewöhnliches, ihre Tätigkeit in den Mittelpunkt des Vereinsinteresses zu stellen. Ungewöhnlich war es allerdings, dass in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine bürgerlich geprägte exklusive Fußballkultur entstand, die einen völlig auf sich selbst bezogenen Kosmos schuf. Ob Ursache oder Folge: das Wettspielsystem schuf ein Prestigedenken, das den Wettkampfcharakter dieses englischen Sports noch verstärkte. Dem sportlichen Erfolg des Verbands oder des Vereins wurde bereits in dieser Frühphase des Fußballs alles untergeordnet. Mit der Schaffung des Saargaus wurden die Vereine des saarländisch-lothringischen Grenzraums innerhalb kürzester Zeit in den Wettspielverkehr eingebunden. Die relativ späte Entwicklung des Fußballs im Grenzraum hatte zur Folge, dass dieser umgehend den Tendenzen der Rationalisierung, der Quantifizierung und der Bürokratisierung, wie sie durch den VsFV vertreten wurden, unterworfen wurde. 130 Das Streben nach quantifizierbaren, also messbaren Erfolgen auf dem Spielfeld wurde für die Vereine zum obersten Gebot, welchem sich alle Handlungs- und Verhal127 1911 hieß der erste Meister Bismarck Sulzbach, von 1912–14 konnte die Trophäe vom SC Neuweiler errungen werden. Vgl. HOLZ: Entstehung (2000), S. 69. 128 HOLZ: Entstehung (2000), S. 29. 129 Siehe Fußball, 16.7.1919. 130 Bereits im damaligen Verbandsfußball wurden die sieben Charakteristika des modernen Sports, wie sie der Sporthistoriker Allen Guttmann vertritt, programmatisch: Weltlichkeit, Chancengleichheit, Rollenspezialisierung, Rationalisierung, Bürokratisierung, Quantifizierung, Streben nach Rekorden. Vgl. GUTTMANN: Vom Ritual (1979), S. 25f.

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tensweisen anzupassen hatten. Analog dazu bestand das oberste Ziel des Verbandes darin, die räumliche und soziale Ausdehnung der eigenen Organisation voranzutreiben. In diesem Zusammenhang war die gute Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden, der Schulen und der Armee für den Verband und seine Vereine der Schlüssel zum Erfolg. Im jährlichen Bericht nahm das Verhältnis des Verbandes und seiner Gaue zu diesen drei Institutionen dementsprechend großen Raum ein. Die dadurch erzeugte Nähe zum Staat und dessen Institutionen führte daher zweifellos – ähnlich wie in der Deutschen Turnerschaft – dazu, dass der bürgerliche Verbandsfußball zu einem affirmativen und staatstragenden Faktor wurde. Dies wurde nicht zuletzt auch dadurch begünstigt, dass das deutsche Kaiserhaus dem modernen Sport näher stand als dem deutschen Turnen. Und wie die gesamte Gesellschaft waren auch die Fußballvereine den Nationalisierungstendenzen ihrer Zeit massiv unterworfen. Allerdings wurden Verbindungen und Verflechtungen mit anderen Organisationen und Institutionen bei Verband und Verein stets auch unter pragmatischen Gesichtspunkten in Erwägung gezogen. Wenn es in den folgenden zwei Kapiteln dieses ersten Hauptteils zum Fußball im Kaiserreich um den Fußballverein als sozialen und politischen Raum geht, so wird dabei nicht zuletzt das Selbstverständnis der Fußballvereine im Mittelpunkt stehen. Gefragt wird, inwiefern die Eigendynamik des „eigensinnigen“ Fußballsports Verband und Verein und deren Verhalten beeinflusste. Welche sozialen Funktionen übten die Vereine gerade im Grenzraum aus? Wie sehr beeinflusste die bereits einsetzende Kommerzialisierung und Professionalisierung das gegenseitige Verhältnis von Fußballsport und Politik und wie verhielten sich die Institutionen Schule und Armee? 3 DER FUSSBALLVEREIN ALS SOZIALER RAUM 3.1 Von Wirtshäusern und großen Fahrten Die Fußballvereinskultur und die Eroberung des Raumes In seiner Sitzung am 3. Januar 1913 beschloss der Vereinsvorstand von Borussia Neunkirchen, erstmals eine Kaiser-Geburtstagsfeier abzuhalten und die Organisation der Veranstaltung in die Hände der Vergnügungskommission zu legen. Das Fest fand am Samstag, den 25. Januar statt, besucht wurde es von etwa 90 Mitgliedern. Die Kommission verbuchte dies als einen Misserfolg. Schuld am schwachen Besuch seien das bei den Mitgliedern zu unbekannte Lokal, die „Neuheit“ der Veranstaltung sowie die Tatsache, dass in Neunkirchen vierzehn weitere Kaisergeburtstagsfeiern parallel stattgefunden hätten. Dennoch sei der Abend sehr vergnüglich verlaufen.131

131 Siehe Sitzung vom 3. Januar 1913 sowie Rubrik „Vom Vergnügungsausschuß“, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 2, 16.2.1913, S. 12–15.

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Feiern zum Geburtstag des Kaisers waren im späten Kaiserreich üblich und waren Bestandteil populärer Festtraditionen. Geselligkeit und Vergnügen spielten die zentrale Rolle. Auch bei vielen Radfahr-, Turn- und Kriegervereinen im Bezirk Lothringen war der Kaisergeburtstag zu einem wichtigen Termin im jährlichen Festkalender geworden.132 Wie sehr Kaisergeburtstagsfeiern unter Sportund insbesondere Fußballvereinen verbreitet waren, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Borussia Neunkirchen knüpfte mit der Ausrichtung einer Kaisergeburtstagsfeier jedenfalls an bereits existierende Traditionen der bürgerlichen Vereinsfestkultur an, die – wie die zahlreichen parallelen Feiern zeigen – auch lokal verankert waren. Kaisergeburtstagsfeiern können als Beispiel dafür dienen, wie selbstverständlich Geselligkeit und Patriotismus in den Fußballvereinen zur Zeit des Kaiserreichs miteinander verflochten waren. Für Fußballvereine wie Borussia Neunkirchen bot der Kaisergeburtstag letztendlich auch einen Anlass, einen weiteren Geselligkeitsabend zu veranstalten. Der zuständige Vergnügungsausschuss reihte die Veranstaltung in seinem Bericht in eine Auflistung von Unterhaltungsabenden und Tanzbällen ein. Generell waren solche Veranstaltungen neben den rein sportlichen Veranstaltungen für die Vereine ein wichtiges gesellschaftliches Standbein. Dabei ging es dem Verein weniger um zusätzliche Einnahmen. Vielmehr boten solche Abende den Vereinsmitgliedern der verschiedenen Abteilungen Abwechslung sowie die Möglichkeit, ungezwungen gemeinsam zu feiern. Sie förderten nicht zuletzt das Zusammengehörigkeitsgefühl, schufen damit eine persönliche Identifizierung mit dem Verein und waren eine Möglichkeit, in die lokale Gesellschaft hineinzuwirken. Anlässe zu solchen Feiern gab es genügend. Beliebt waren beispielsweise Karnevalsabende oder auch sogenannte Winterfeste. Letztere konnten auch über einen reinen Unterhaltungsabend hinausgehen und einen feierlichen Rahmen einnehmen. So lud der Athleten-Klub Diedenhofen am 19. Dezember 1909 zum „Wintervergnügen“ in die Kaiserhalle. Geboten wurde ein ausgeklügeltes abendfüllendes Programm mit musikalischen Aufführungen und sportlichen Darbietungen und einem abschließendem Tanzball.133 Zu vielen Vereinsfesten wurden die Bürgermeister vor Ort eingeladen, so auch zum Wohltätigkeitsfest des Diedenhofener Fußball-Vereins, das dieser am 21. Mai 1911 in Verbindung mit einem Wettspiel gegen den Trierer Sportverein 05 veranstaltete.134 Auch die Festform des traditionellen Stiftungsfestes erfreute sich bei den Sport- und Fußballvereinen bereits vor dem Ersten Weltkrieg großer Beliebtheit. Umrahmt wurde der Jahrestag der Vereinsgründung in der Regel von großen Fußballspielen, Turnieren oder sportlichen Wettkämpfen, welchen abends der obligatorische Festabend folgte. Auch wenn die „runden“ Jahrestage bei den meisten 132 So hielt beispielsweise auch der in Kapitel 1.3 erwähnte TV Großblittersdorf alljährlich eine Festlichkeit zum Kaisergeburtstag ab. Siehe ADM, 16 Z 141. Zur Tradition der Kaisergeburtstagsfeiern vgl. RIEDERER: Feiern (2004), S. 79; SCHELLACK: Sedan- und Kaisergeburtstagsfeste (1988), SCHELLACK: Nationalfeiertage (1990), S. 15–66. 133 Einladung und Programm zum Wintervergnügen am 19.12.1909, in: AM Thionville, 4 R 02. 134 Einladung an Bürgermeister Heinrich Berkenheier vom 17.5.1911, in: AM Thionville, 4 R 02.

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Vereinen erst nach dem Ersten Weltkrieg gefeiert werden konnten, so dienten Stiftungsfeste bereits in den ersten Jahren sowohl der Innen- wie auch der Außendarstellung der Vereine und wurden zu einer festen Einrichtung der Vereinsfestkultur. So feierte der FC Metis Metz am 9. April 1910 im Hôtel du Nord sein fünftes Stiftungsfest, wobei die Vereinsleitung es sich nicht nehmen ließ – ebenso wie es beim traditionsreichen Metzer Turnverein üblich war – bei dieser Gelegenheit auch den Bezirkspräsidenten von Lothringen einzuladen. Ein Grund zu feiern gab es auch, wenn Vereine fusionierten. Als sich 1912 der FC Metis Metz und der FC Alte Herren der Metzer Sportvereinigung anschlossen, wurde anlässlich dieser Vereinigung ebenfalls ein großer Festabend gegeben, dem etwa 100 Personen beiwohnten. Die aus der lokalen Prominenz sich zusammensetzende Gästeliste macht deutlich, dass die Fußballklubs in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in der lokalen Öffentlichkeit längst angekommen waren. Unter den Ehrengästen befanden sich unter anderem Ludwig Albert, der zweite Vorsitzende des VsFV, der Stadtrat Fiedler, die Metzer Schuldirektoren sowie zahlreiche Funktionäre lokaler Vereine.135 Zweifellos übernahmen Feste und Feiern in den Vereinen wichtige Funktionen innerhalb der Gemeinschaftsbildung. Neben dem Sportplatz wurde das Wirtshaus zum Ort des Vereinslebens. Dass auch die Vorstandssitzungen in der Regel in den Hinterzimmern von Wirtshäusern abgehalten wurden, liegt zum einen sicherlich daran, dass entsprechende vereinseigene Örtlichkeiten fehlten. Zum anderen dürften die rein männlichen Sitzungsteilnehmer zumeist nicht abgeneigt gewesen sein, die Sitzungstermine an einem Freitagabend mit einem gemütlichen Beisammensein bei einem oder mehreren Gläsern Bier zu verbinden. In Neunkirchen beispielsweise war die Auswahl an Möglichkeiten aufgrund der außergewöhnlich hohen Kneipendichte sehr groß.136 Der Vorstand von Borussia Neunkirchen traf sich zwischen Dezember 1912 und Februar 1913 in insgesamt vier verschiedenen Wirtshäusern. Auch in Metz wurden Sitzungen und Versammlungen traditionell in Cafés und Gaststätten abgehalten. Der FC Metis Metz traf sich im Münchner Bürgerbräu oder im Luxhof, der FC Lothringen im Hofbräuhaus und der SC Metz versammelte seine Mitglieder regelmäßig im Café de Strasbourg.137 Waren auf den Sportplätzen keine Umkleidekabinen vorhanden – und dies war die Regel – , dienten Cafés, Kneipen und Tavernen den Vereinen außerdem als Garderoben. Nicht zuletzt wurden in den Gaststätten auch die auswärtigen Vereine zu Banketten und Festabenden empfangen. Wirtshäuser dienten demnach bereits in den ersten Jahren in räumlicher und kultureller Hinsicht als feste Bezugspunkte des Fußballvereinswesens. Bereits der Sporthistoriker Richard Holt geht in seiner Pionierstudie zum französischen Sport auf den wichtigen Aspekt der Geselligkeit bei Sportvereinen 135 Einladung des FC Metis Metz an den Bezirkspräsidenten, in: ADM, 2 AL 343; Art. Eine bedeutsame Vereinigung im Westkreis, in: Fußball, 19.2.1912, S. 2–4. 136 LANDER: Wohnkultur (2005), S. 214. 137 Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 2, 16.2.1913, S. 12–14; PIROT: Les débuts (1994), S. 170.

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ein. Er beschreibt Sportvereine in ihrer gleichsamen Funktion als „drinking clubs“. Trinkkultur und Sport seien eine Symbiose eingegangen.138 Die Verbindungen zwischen den Vereinen auf der einen Seite und dem Gastronomie- und Brauereiwesen auf der anderen Seite spiegelten sich unter anderem in den Vereinszeitungen wider. So wurden im Nachrichtenblatt von Borussia Neunkirchen Werbeanzeigen von Lokalen und Gasthäusern geschaltet. Das Hotel Halberg warb 1912 damit, das Vereinslokal der Borussia zu sein.139 Als ein Glücksfall für den Verein erwies sich außerdem, dass mit dem sportbegeisterten Dr. Otto Schmidt der Direktor der Neunkircher Schloßbrauerei als Mäzen gewonnen werden konnte. Er unterstützte den Verein in vielfacher Weise und verpachtete dem Verein 1911 ein Gelände namens „Ellenfeld“, das hinter seiner Brauerei lag und welches der Verein zum „Borussia-Sportplatz“ ausbaute.140 Das Fußballspiel unterschied sich vom herkömmlichen Turnen nicht nur durch seinen ausgesprochenen Wettkampfcharakter, sondern auch durch eine hohe räumliche Mobilität. Zu einem Spiel wurden stets zwei Mannschaften benötigt, weswegen ein Fußballverein – sofern er sich nicht auf die lokale Konkurrenz innerhalb der eigenen Stadt beschränken wollte – gezwungen war, sich auf Reisen zu begeben. Anders als andere Turn-, Sport- und Freizeitvereine zeichneten sich die Fußballvereine bereits in dieser frühen Ära dadurch aus, dass sie in hohem Maße mobil waren. Regelmäßige Fahrten in das saarländische Hinterland, in die Pfalz und das Rheinland sowie nach Lothringen gehörten für viele Vereine zum Alltag und wurden spätestens mit der Gründung des Saargaus zur Selbstverständlichkeit. Zweifellos wurden zahlreiche Auswärtsspiele durch das sich im Grenzraum ausbreitende Eisenbahnnetz in hohem Maße erleichtert. Ohne die „Schiene“ wäre die Ausbreitung des Fußballs in den Jahren vor dem Krieg stark gehemmt, wenn nicht gar unmöglich gewesen. Auch wenn für die Vereine und ihre Mitglieder das Reisen mit großem Aufwand verbunden war, dürfte es gerade auch dieser Aspekt gewesen sein, der das Fußballspielen für Jugendliche und junge Erwachsene attraktiv machte. Waren die Vereine an sich schon Freiräume für junge Männer, so glichen solche Reisen – oftmals eben ohne pädagogische Aufsicht – abenteuerlichen Unternehmungen voller Versuchungen. Dies gilt zum einen vor allem für die ersten Jahre, als der Mitgliederstamm der noch kleinen Vereine sich ausschließlich aus der meist jungen Mannschaft zusammensetzte, und zum anderen für kleine Fußballvereine au-

138 HOLT: Sport (1981), S. 150–167. Diesen Aspekt betonte auch KROCKOW: Sport (1980), S. 72–77. 139 Siehe Werbeanzeige, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 5, 1.5.1912, S. 52. Vgl. für den britischen Fall die Untersuchungen von Tony Collins und Wray Vamplew, die eine integrierte Geschichte der britischen Getränkeindustrie und dem Aufstieg des Sports verfassten: COLLINS/VAMPLEW: Mud (2002), COLLINS/VAMPLEW: The pub (2000). 140 Otto Schmidt (1885–1944) wurde 1920 Ehrenmitglied von Borussia Neunkirchen. Vgl. zu den Sportplätzen Albrecht Menzel: Die Geschichte der Neunkircher Sportplätze, in: Borussia Neunkirchen: Ellenfeld-Stadion (1952), S. 5–7; FUCHS: Ellenfeldstadion (2010).

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ßerhalb der urbanen Zentren.141 So stellte die Bürgermeisterei Brebach noch 1911 fest, dass die Leitung der lokalen Sportvereine noch fast überall in der Hand von Jugendlichen liege.142 Dass sich Jugendliche in Vereinen selbst organisierten, war im Kaiserreich der Jahrhundertwende ein generelles soziales Novum. Sowohl Jugendliche aus der Arbeiterschicht als auch aus dem Bürgertum suchten vermehrt nach alternativen, autonomen Formen der Freizeitgestaltung. Die Gründung eines Fußballvereins oder der Beitritt zu einem war gerade in den Schichten des neuen aufsteigenden Mittelstandes eine Möglichkeit, sowohl von zu Hause „weg zu kommen“ als auch die Geselligkeit unter Gleichgesinnten zu suchen. Wenn die Mannschaft auf Reisen ging, kamen die jungen Männer aus ihrem meist begrenzten sozialen Umfeld heraus. Spiele mit auswärtigen Mannschaften waren Höhepunkte im Vereinsleben der ersten Jahre. So bahnte sich seit den Weihnachtsfeiertagen 1907 mit dem Gastspiel von Metis Metz beim FV Saarbrücken eine „gute Kameradschaft“ an, „in deren Folge die Spiele mit diesem Club an den genannten Festtagen zu einer dauernden Einrichtung wurden.“143 Und dass im Januar 1906 anlässlich des ersten Spiels des FC Germania Saarbrücken gegen Borussia Neunkirchen im Anschluss Freibier ausgeschenkt wurde, war kein Einzelfall und zeigt einmal mehr die Bedeutung des Geselligkeitsaspekts bei den Fußballvereinen auf.144 Die Fußballspieler einer Mannschaft lernten auf solchen Reisen eine „neue Welt“ kennen, auch wenn diese manchmal nur zwanzig Kilometer entfernt gewesen sein dürfte. So war die Fahrt von Saarbrücken in das lothringische Sankt Avold Anfang des 20. Jahrhunderts zwar keine außergewöhnliche Reise, sie gewann ihren spezifischen Charakter jedoch durch das exklusive soziale Miteinander der Vereine. Ein Beispiel ist eine Spielreise des FC Saarbrücken aus dem Jahr 1908. Auf Einladung des FC Lothringia begab sich die Saarbrücker Mannschaft nach Sankt Avold, wo sie bereits auf dem Bahnhof überschwänglich empfangen wurde. Nach dem eigentlichen Spiel wurden die Spieler vom gastgebenden Verein zu einem Festbankett in den Saal Germania eingeladen. Nach Ansprachen der jeweiligen Vereinspersönlichkeiten wurde mit Champagner auf das Wohl des Saarbrücker Vereins angestoßen. Abgerundet wurde der Abend mit einem Ball.145 Neben den offensichtlichen Möglichkeiten, auf solchen Reisen den männlichen Bedürfnissen nach Alkohol und gegebenenfalls auch nach dem anderen Ge-

141 Erst ab 1913 kam es zur Gründung von eigentlichen Jugendabteilungen in den Vereinen, die speziell für Schüler bis 17 Jahre eingerichtet wurden und die auch strengeren Regelungen unterworfen waren. Siehe hierzu Kapitel 4.1. 142 Allerdings, so fährt der Bericht der Bürgermeisterei fort, beginne in letzter Zeit die Bürgerschaft mehr Interesse zu zeigen, „sodaß zu erwarten steht, daß später an der Spitze der Sportvereine sich Männer stellen, welche für eine tadellose Vereinsleitung die nötige Gewähr bieten.“ Siehe Bericht Bürgermeisterei Brebach, 5.1.1911, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1683. 143 Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 24. 144 Vgl. hierzu auch BINZ: Räumliche Sozialisation, S. 11–14; Festschrift SV Saar 05: 50 Jahre (1955), o. S.; Zur Jugend im Kaiserreich vgl. BERG: Familie (1991), S. 121–129. 145 PIROT: L’implantation (1995), S. 46.

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schlecht nachzukommen146, spielte auch der touristische Aspekt der Fußballfahrten keine unerhebliche Rolle. Insbesondere wenn es an Feiertagen oder Wochenenden auf „große Fahrt“ ging, kam dieser zum Tragen. Als exemplarisch dürfte der Reisebericht der dritten Mannschaft von Borussia Neunkirchen gelten, welcher „die ehrenvolle Aufgabe“ zukam, „über die Weihnachtsfeiertage die 1bMannschaft im Nahetal zu vertreten.“ Für den Berichterstatter, der die 1912 absolvierte „Weihnachtstournee“ resümierte, gehörte „eine Reise ins Nahetal zu den angenehmsten Genüssen, die einem hiesigen Fußballer beschieden werden können.“147 Etwa zwanzig Mann traten die dreistündige Eisenbahnreise nach Kirn an, wobei erst die Gegend hinter St. Wendel „allmählich interessant“ geworden sei. Nach einem zweistündigen Bummel in der Altstadt fand das Spiel gegen den SC Nahe Kirn statt, das mit 2:3 in unsportlicher Atmosphäre verloren gegangen sei. Im Anschluss daran habe jedoch der schönste Teil der Reise begonnen. Am Abend schlossen sich dem Neunkircher Tross Studenten aus Darmstadt an, welche die Mannschaft auch am folgenden Vormittag nach Sobernheim begleiteten. Nach einem Spiel gegen den dortigen Fußballklub, das 25 Minuten vor Spielende wegen strömenden Regens abgebrochen werden musste, folgte „ein feuchtfröhlicher Kommers in dem gemütlichen und schön ausgestatteten Klubheim des F.C. Sobernheim“. Noch am Abend ging es dann „in heiterer Stimmung“ zurück nach Neunkirchen. Die wöchentlichen Reisen stießen insbesondere in der selbst nicht ganz so reisefreudigen Deutschen Turnerschaft auf Kritik. Im „Jahrbuch der Turnkunst“ wurden auch die eigenen Sportabteilungen vor dem „Sportgewerbe im Umherziehen“ gewarnt. Kritisiert wurde das „Umherhetzen und -reisen der Meister von einem Sportplatz zum andern, von einem Sonntag zum andern.“148 Der bereits erwähnte Turninspektor Poller zollte den Sport- und Fußballklubs, die von älteren verständigen Männern geleitet wurden, seinen Respekt, fällte über die „größere Hälfte“ der Vereine im Saarrevier jedoch ein vernichtendes Urteil: „Meist von ganz jungen, unerfahrenen Burschen geleitet, gefällt man sich in den ungesundesten Übertreibungen. Nachäffung fremder Manieren und Ausdrücke, unästhetisch wirkende Halbnacktheit, Spiel im tiefsten Schmutz bei Regen und Schnee, Kämpfe um allerlei Meisterschaften, mit stärkster Überspannung der physischen und seelischen Kräfte, Erhebung von Eintrittsgeld bei den alle acht Tage stattfindenden Wettkämpfen – u.a.m. Das ist so eine Blütenlese der Unarten, wie man sie hier an der Saar zurzeit bei den Sportvereinen beobachten kann.“149 Auch die mit den Spielen verbundenen obligatorischen Wirtshausbesuche wurden von Pädagogen und Vertretern der Jugendpflege heftig kritisiert. Der Völklinger Hüttenbesitzer Hermann Röchling kritisierte anlässlich einer 1911 146 Freilich bleibt der Aspekt sexueller Motivationen und Möglichkeiten spekulativer Natur, werden in den Berichten doch höchstens Andeutungen gemacht. 147 Der Bericht „Ins Nahetal“, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 2, 16.2.1913, S. 6–8. 148 Beitrag „Turnen und Sport“, in: Jahrbuch der Turnkunst 1912, S. 199. 149 Bericht Poller über seine Tätigkeit als Pfleger gesunder Leibesübungen bei der schulentlassenen Jugend in den Kreisen St. Wendel, Ottweiler, Saarbrücken, Saarlouis und Merzig, Berichtsjahr 1909/10, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1683.

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stattfindenden Versammlung beim Saarbrücker Landrat unter anderem, dass die jugendlichen Sportler ihre Wettkämpfe mit Wirtshausbesuchen verbanden. Um die Kinder in guter Hand zu wissen, „sei es erforderlich“, so wurde Röchling im Protokoll zitiert, „daß bei allen Veranstaltungen, besonders bei den sportlichen Übungen der Jugend der Wirtshausbesuch bezw. der damit verbundene Genuß geistiger Getränke vermieden würde. Er empfiehlt daher, nach Möglichkeit zu erstreben, öffentliche Säle, z.B. Lokale des Bergfiskus, Säle in Gymnasien, Turnsäle pp. für die Veranstaltungen der Jugend zu benutzen, in denen der Genuß alkoholischer Getränke ausgeschlossen ist.“150

Der Spielverkehr innerhalb des saarländisch-lothringischen Grenzraums nahm in den Vorkriegsjahren kontinuierlich zu und wurde insbesondere durch die Einführung des Ligaprinzips beschleunigt. Eine Regelmäßigkeit bekam der Spielverkehr jedoch auch dadurch, dass der Fußballsport sehr rasch seinen ganz eigenen Jahreskalender entwickelte, der sich nicht nur nach der offiziellen Spielsaison ausrichtete, die über das Jahr hinweg von Herbst bis Sommer ging. Höhepunkte des Spieljahres waren Weihnachten, Silvester und Ostern. Da an Feiertagen das Geschäftsleben ruhte, wurde es bei vielen Fußballvereinen zu einer Tradition, an diesen Tagen alljährliche Fußballturniere oder -spiele auszutragen. Ein reger Reiseverkehr wurde gerade auch von kleinen Vereinen durchgeführt. Die Einladung kleiner, aber auch „großer“ Vereine entsprach nicht zuletzt einem Geltungsbedürfnis von Vereinen wie dem schon erwähnten FC Lothringia aus Sankt Avold. So lud dieser Verein beispielsweise über die Weihnachtsfeiertage 1910 mehrere Saarbrücker Vereine zu einem dreitägigen Turnier ein. Und über die Osterfeiertage des Jahres 1913 nahm der kleine saarländische Klub Germania Großrosseln an einem Sportfest des lothringischen SC Kleinrosseln teil.151 Turniere mit großen und kleinen Vereinen wurden im ganzen saarländisch-lothringischen Grenzraum zu einer Selbstverständlichkeit. Gegner aus den höchsten Ligen oder gar aus dem Ausland waren dagegen eher bei den Veranstaltungen der großen Vereine aus Metz, Saarbrücken oder Neunkirchen zu finden.152 In knapp zehn Jahren – von der Gründung der ersten Vereine bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges – kam es im saarländisch-lothringischen Grenzraum zur Ausbildung einer eigenen Lebenswelt Fußball. Die jungen Vereine knüpften mit ihren Geselligkeitsabenden und den Wirtshausbesuchen einerseits an traditionelle Formen der Vereinsfestkultur an. Andererseits begründeten die Vereinsmannschaften durch ihre enorme Mobilität, die sich in den Spielreisen ausdrückte, eine spezifische Fußballvereinskultur. Deren Entstehung förderte zum einen die Identifizierung der Mitglieder mit ihrem Verein, verortete diesen jedoch mit der Anbindung an traditionelle Formen der Festkultur in der bürgerlichen Gesellschaft. Für die Vereinsmitglieder wurde der Fußballverein zu einer Sphäre der Vertrautheit und zu einem – wie vom Sporthistoriker Siegfried Gehrmann um150 Siehe Registratur einer Versammlung betr. Jugendpflege vom 31. Juli 1911, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279. 151 PIROT: L’implantation (1995), S. 51. 152 Siehe hierzu Kapitel 3.3.

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schriebenen – „Erfahrungsfeld von Kameradschaft und Solidarität“, das ein hohes Maß an emotionaler Bindung vermittelte.153 Die Sozialisation der jungen Männer, die größtenteils aus der bürgerlichen Mittelschicht stammten, wurde zudem mit den zahlreichen „großen Fahrten“ auch von der „Eroberung des Raumes“ geprägt. Beinahe wie Handelsreisende lernten die jungen Vereinsmitglieder ihre nähere und weitere Umgebung kennen und machten Erfahrungen, die sie in anderer Art und Weise nicht hätten machen können. Abgesehen von den persönlichen Bereicherungen, bildete sich so im saarländisch-lothringischen Grenzraum ein Fußballvereinsnetzwerk aus, dessen organisatorischer Ausdruck sich nicht zuletzt in der Gründung des Saargaus manifestierte. Wie in den folgenden Absätzen dargelegt wird, blieb dieser eigenweltliche Kosmos jedoch nicht gegenüber den sozialen und politischen Strömungen und Tendenzen seiner Zeit abgeschottet. Zum einen konnte er sich nicht der gesellschaftlichen, nationalen und konfessionellen Fragmentierung der Gesellschaft im Grenzraum entziehen. Zum anderen sollte das Kulturphänomen Fußball noch vor dem Krieg im Bereich der Professionalisierung und der Kommerzialisierung eine Eigendynamik entwickeln, die den Fußballsport nachhaltig veränderte. Der Fußball, so wird in den folgenden Kapiteln argumentiert, bot sich zunehmend als mehrdimensionaler Inszenierungsraum an. Er symbolisierte ebenso Internationalität und Vaterlandstreue wie Geselligkeit und stieß als Erziehungsinstrument auf das Interesse der staatlichen Behörden. 3.2 Integration und Fragmentierung Sport und Katholizismus zwischen Deutschland und Frankreich Das Fußballspiel verbreiterte bereits in den Vorkriegsjahren seine soziale Basis. Verantwortlich war dafür nicht zuletzt die Gründung von Fußballabteilungen in den katholischen Jugendvereinigungen. Deutlich geringere Mitgliedsbeiträge sorgten dafür, dass sich nun auch Arbeiter und deren Söhne den Zugang zu Sportabteilungen leisten konnten.154 Gleichwohl diente der Fußballsport dadurch auch der Abschottung des katholischen Milieus gegenüber anderen sozialen Gruppierungen. Am Beispiel des katholischen Fußballsports soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie sehr sich soziale Milieus einerseits darum bemühten, über den Sport die Jugend zu gewinnen und andererseits – um konkurrenzfähig gegenüber den bürgerlichen Sportvereinen zu bleiben – ihre weltanschaulichen Ziele gleichzeitig hinten anstellen mussten. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass in Lothringen die konfessionelle Fragmentierung zugleich von der nationalen Frage überlagert wurde. Sowohl die Saar als auch Lothringen waren katholisch geprägt. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten rund 87 Prozent aller Bewohner des Bezirks Lothringen 153 GEHRMANN: Der FC Schalke 04 (1979), S. 120; auch RAITHEL: Preußen (2008), S. 104f. 154 Pierre Pirot spricht für Lothringen in diesem Zusammenhang von einer Demokratisierung des Fußballspiels. VGL. PIROT: Les débuts (1994), S. 147.

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der katholischen Kirche an. Im Saarrevier war es aufgrund der massiven Zuwanderung aus dem Umland zu einer Verschiebung der konfessionellen Verhältnisse zugunsten des Katholizismus gekommen, weswegen der Anteil der Katholiken im Saarrevier im Jahr 1910 bei rund 71,5 Prozent lag.155 Im „langen“ 19. Jahrhundert, das heute in der Forschung auch als „zweites konfessionelles Zeitalter“ bezeichnet wird, drückte sich die katholische Milieubildung in der Schaffung eigener Vereine, Parteien und in spezifischen Kultformen aus sowie einer eigenen Identität mit dazugehörigem Symbolsystem.156 Sowohl an der Saar als auch in ElsassLothringen kam es zur starken Ausprägung der katholischen Volksfrömmigkeit, die sich nicht zuletzt im hohen Verbreitungsgrad von Wallfahrten ausdrückte. Sinnbildlich stehen dafür die Wiedereinrichtung der Wallfahrt im elsässischen Dusenbach oder die Aufsehen erregenden Marienerscheinungen im saarländischen Marpingen in den siebziger Jahren.157 Im hochindustrialisierten Saarrevier des späten 19. Jahrhunderts war es aufgrund des Klassengegensatzes zwischen der durchweg protestantischen Oberschicht und der überwiegend katholischen Arbeiterschaft zu einer engen Verbundenheit zwischen den Arbeitern und der katholischen Kirche gekommen. Die Kirche und ihre Organisationen wurden dadurch zum wichtigsten gesellschaftlichen Akteur an der Saar, zum politischen Rückhalt der Bevölkerung sowie zu einem Identifikationssymbol der Arbeiterschaft, was insbesondere auch im katholischen Vereinswesen seinen Ausdruck fand.158 Mit dem vermehrten Aufkommen der überkonfessionellen Freizeit- und Sportvereine versuchte die Kirche, die Freizeitpraxis der saarländischen Industriearbeiter auf das katholische Milieu zu beschränken. An der Saar wurde damit dasselbe organisatorische Konzept verfolgt wie in der gesamten katholischen Kirche im Deutschen Reich: die langfristige Unterordnung des Sports in das bereits bestehenden katholische Vereinswesen.159 Die Ursprünge der katholischen Turn- und Sportbewegung in Deutschland liegen in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als zunächst in den Gesellenvereinen, später auch in den Jugendvereinigungen Turnen, Spiel und Sport betrieben wurden. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein sollte die kirchliche Jugendarbeit mit der „Leibfeindlichkeit“ konservativ ausgerichteter Kirchenkreise zu kämpfen haben.160 Dennoch wurden verstärkte Bemühungen und eine 155 Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 12 (1908), S. 730; THOMES: Die Phase (1994), S. 218. 156 RIEDERER: Feiern (2004), S. 191. Zum Begriff des zweiten konfessionellen Zeitalters siehe grundlegend: BLASCHKE: Das 19. Jahrhundert (2000) sowie darüber hinaus zum Milieubegriff BLASCHKE/KUHLEMANN: Religion (1996). 157 Vgl. BLACKBOURN: Marpingen (2007). Zur Volksfrömmigkeit an der Saar siehe auch ausführlich MALLMANN: Die neue Attraktivität (1989). 158 Dass die katholische Kirche im Saarrevier als „einzige Macht“ einen Rückhalt bot, hatte bereits Max Weber erkannt. Vgl. Debattenrede zu den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Mannheim 1905 über das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben, in: WEBER: Gesammelte Aufsätze (1988), S. 394. Auch MALLMANN: Die neue Attraktivität (1989). 159 LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 380–384; MÜLLER: Arbeiter-Katholizismus-Staat (1996), S. 33. 160 LUH: Fußball (2006), S. 43.

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Zentralisierung der Sportarbeit in den Jugendvereinigungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von offizieller Seite gefordert. 1896 empfahl die erste Generalversammlung aller Präsides katholischer Jugendvereinigungen Deutschlands in Mainz, so viel Gesang, Turnen und Spiele anzubieten wie möglich, da nur so mit den nichtkonfessionellen Vereinen konkurriert werden könne.161 Damit war der Kampf um die Jugend eingeläutet worden und in der Folge gründeten die katholischen Jünglingsvereine zunehmend und systematisch Turn- und Sportabteilungen. Auch die südwestliche Ecke des Deutschen Reichs wurde dabei nicht ausgespart. Sowohl an der Saar als auch im Reichsland Elsaß-Lothringen gewann die katholische Turn- und Sportbewegung um die Jahrhundertwende rasant an Tempo. Tatsächlich nahm ihre systematische Entwicklung in den katholischen Jugendvereinigungen im Elsass ihren Anfang. Der Grund hierfür dürfte nicht zuletzt darin liegen, dass das Turnen im Elsaß stark verwurzelt war. Die elsässische Turnbewegung, deren Anfänge bis in die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurückreichten, hatte nicht zuletzt für die französische Gymnastik als Wegbereiter fungiert.162 1898 fand in Colmar das erste offizielle katholische Turnfest mit acht Sektionen statt, vier Jahre später erfolgte die Gründung des katholischen Elsässer Turnbundes. Seit 1908 gab es außerdem regelmäßige Kontakte mit der katholischen Turnund Sportbewegung Frankreichs. Ein Jahr später beteiligte sich eine Verbandsabteilung am Turnfest der katholischen Fédération gymnastique et sportive des Patronages de France (FGSPF) in Nancy. 1911 trat der Turnerbund dem internationalen katholischen Turnerbund bei, nahm am internationalen katholischen Turnfest in Nancy teil sowie später an dessen Nachfolgeveranstaltungen im belgischen Spa und in Rom. Die elsässische Pionierrolle wird auch dadurch deutlich, dass 1912 anlässlich des IX. Verbandsfestes in Hagenau die erste offizielle Vorbesprechung zur Gründung eines Gesamtverbandes der Turn- und Sportabteilungen der katholischen Vereine Deutschlands stattfand. Der Fußballsport blieb in der elsässischen katholischen Sportbewegung vor dem Krieg eine Randerscheinung. Lediglich in zehn von 101 Jugendsportabteilungen wurde im Jahr 1914 Fußball gespielt. Gleichwohl schuf der Fußball seit 1911 mit der erstmals ausgetragenen elsässischen katholischen Fußballmeisterschaft seine eigenen Strukturen.163 Neben der Sozialdemokratie und der um sich greifenden „Sittenlosigkeit“ wurde auch die Entstehung überkonfessioneller Turn- und Sportvereine von Teilen der katholischen Geistlichkeit als große Gefahr für die katholische Jugend wahrgenommen. Wie im gesamten Deutschen Reich bemühte man sich deshalb auch in der Diözese Trier – zu welcher der größte Teil des Saarreviers gehörte – darum, die katholische Jugend von den überkonfessionellen Sport- und Spielver-

161 Im selben Jahr wurde im Korrespondenzblatt für die Präsides der Jugendvereinigungen im Beitrag „Der Fußball“ die Spielidee dargestellt. Vgl. hierzu und zu diesem Absatz umfassend SCHWANK: Die Turn- und Sportbewegung (1978), S. 28–108. Knapp „Kirche und Sport“ zusammenfassend vgl. zuletzt LANGENFELD: Kirche (2010), zum Kaiserreich S. 319-321. 162 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1.3. 163 An Pfingsten 1912 kam es zum ersten internationalen Spiel gegen eine Schweizer Mannschaft. Vgl. zu diesem Absatz SCHWANK: Die Turn- und Sportbewegung (1978), S. 113–121.

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einen fernzuhalten und sie an die katholischen Organisationen zu binden.164 In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg schienen diese Bestrebungen der Kirche an der Saar durchaus Erfolg zu haben. Nach einer Statistik des Landratsamts Saarbrücken aus dem Jahr 1911 zählte der Landkreis Saarbrücken 127 Vereine, die Jugendpflege betrieben, mit insgesamt rund 12 200 Mitgliedern. Zwar war die Deutsche Turnerschaft mit 40 Prozent der Vereine und 48 Prozent der Mitglieder am stärksten vertreten. Mit 31 Prozent der Vereine und 36 Prozent der Mitglieder stellten die konfessionellen Vereine jedoch die zweitstärkste Kraft dar.165 Konflikte zwischen den konfessionellen Jünglingsvereinigungen und den überkonfessionellen Turn- und Sportvereinen wurden damit unausweichlich. Die Gegensätze waren insbesondere in den industriellen Ballungsräumen stark ausgeprägt. Der Saarbrücker Turninspektor Poller, der im Namen der Deutschen Turnerschaft gegen die konfessionellen Jünglingsvereine Front machte, propagierte, dass in diesen Turnen und Sport nichts zu suchen hätten.166 Auch bei den bürgerlichen Sport- und Fußballvereinen herrschte die Meinung vor, dass die Spaltung des Sports nicht hingenommen werden dürfe. So verurteilte der FK Völklingen 1906 im Jahr 1908 in einem Schreiben an den Bürgermeister die „Versuche der katholischen Geistlichkeit auch den Sport nach Religion zu trennen wie dies in den kath. Jünglings- und Gesellenvereinen geschieht.“167 Unterstützt wurde diese Ansicht „im Kampf um die Jugend“ auch von den preußischen Behörden. Im Rahmen der staatlichen Jugendpflege sorgten sie sich um eine unnötige Zersplitterung der finanziellen Zuteilungen. Der Landrat des Kreises Saarbrücken unterstützte im Jahr 1911 deshalb die erstrebte Angliederung konfessioneller Turn- und Sportabteilungen an die überkonfessionellen Vereine. Da der Klerus auf einer Trennung beharrte, weil er gerade in der Deutschen Turnerschaft die katholischen Glaubensgrundsätze nicht gewährleistet sah, blieben die Fronten bis zum Kriegsausbruch verhärtet.168 Um den komplexen Gegebenheiten in Lothringen gerecht zu werden und die Entwicklung des Fußballs in Frankreich in das Blickfeld zu nehmen, ist es notwendig, die Entwicklung des katholischen französischen Sports knapp zu beleuch164 Art. Versammlung der Jugendvereinspräsides des Bezirkes Trier, in: St. Johann-Saarbrücker Volkszeitung vom 20. Februar 1909, archiviert in: Landeshauptarchiv (LHA) Koblenz, Best. 403/7415. 165 Die katholischen Jugendvereine stellten dabei 29 % der Mitglieder. Eigene Berechnung, siehe Statistik, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279. 166 Art. Der Kampf gegen die konfessionellen Jugendvereine in Saarabien, in: Trierische Landeszeitung vom 28. Oktober 1911, archiviert in: LHA Koblenz, Best. 403/13198. Poller war zugleich als Kreisjugendpfleger für die staatliche Jugendpflege verantwortlich. Auch in diesem Zusammenhang wurde der Konflikt zwischen konfessionellen und interkonfessionellen Vereinen für die Saar hervorgehoben. 167 Schreiben des FK Völklingen 1906 vom 11.6.1908, in: StA Völklingen, A 434. 168 In Völklingen eskalierte der Konflikt dahingehend, dass einem katholischen Lehrlingsverein zwischenzeitlich auf Gemeinderatsbeschluss die Benutzung der Gemeindesportplatzanlage verweigert wurde Vgl. ausführlich den Schriftverkehr der Behörden im Kreis Saarbrücken aus den Jahren 1911–1914, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1290; Schreiben Bürgermeister Sohns an den Landrat vom 8.11.1913, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1291.

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ten. Im Zuge der „Republikanisierung“ Frankreichs, die in den 1880er Jahren eine Laizisierung der Schulen beinhaltete, schwanden für die Kirche zunehmend die Einflussmöglichkeiten auf die Jugend. Angesichts der aufkommenden nichtkonfessionellen Freizeitvereine gingen deshalb auch in der französischen Republik der Katholizismus und der Sport Ende des 19. Jahrhunderts eine Verbindung ein. Ort dieser Verknüpfung wurden dabei die katholischen Jugendvereinigungen, die sogenannten „patronages paroissiaux“. Die katholischen Jugendvereinigungen wurden vor dem Ersten Weltkrieg zu einem wichtigen Element der französischen Sportbewegung. Sie waren vor allem in den Städten verbreitet und waren eine Antwort auf den neuen Laizismus und die antiklerikale Haltung der französischen Republik.169 Fußball wurde im Laufe der Jahre bei den „patronages“ zu einer Leitsportart. Tatsächlich war der katholische Sport in Frankreich – anders als in Deutschland – in hohem Maße für die Verbreitung des Fußballsports verantwortlich. Die katholische Fédération Gymnastique et Sportive des Patronages de France (FGSPF), 1898 von dem in Metz geborenen Arzt Paul-Marie Michaux gegründet, wurde sogar der hauptsächliche Motor des französischen Fußballs. Insbesondere ihr Generalsekretär Charles Simon unterstützte die Verbreitung des Fußballsports. Dies ist insofern von Relevanz, als dass die katholische Sportbewegung in den Jahren vor dem Weltkrieg eine ungeheure Dynamik entwickelte. 1914 zählte die FGSPF bereits 1763 Vereinigungen, 600 Fußballmannschaften und mehr als 180 000 aktive Sportler. Sie vereinigte damit etwa gleich viele aktive Mitglieder wie der staatlich unterstützte Gymnastikverband.170 Fußball wurde in dieser Frühphase in mehreren parallelen Sportverbänden ausgeübt, die jeweils ihre eigenen Meisterschaften ausspielten.171 Zu Konflikten kam es, als 1904 mit der Gründung der FIFA nur ein nationaler Verband Mitglied der globalen Organisation werden konnte. Den Zuschlag erhielt die laizistische Union des Sociétés Françaises des Sports Athlétiques (USFSA). Dieser nicht nur den Fußball umfassende Sportverband war in den achtziger Jahren von den Pariser Eliteklubs Racing Club Français und Stade Français gegründet worden und galt als strikter Vertreter des britischen Amateur- und Gentleman-Ideals. Mit dem Beitritt zur FIFA wurden Spiele gegen Nichtverbandsvereine nicht mehr möglich. Als dann auch noch katholische Klubs aus der USFSA ausgeschlossen wurden, eskalierte der Konflikt. Charles Simon gründete im März 1907 mit dem Comité français interfédéral (CFI) einen Dachverband für alle anderen französischen Sportverbände – mit Ausnahme der USFSA. Der CFI spielte seine eigenen Fuß169 Ein knapper Überblick findet sich bei AUGUSTIN: Loisirs (2005). Zum Wesen des katholischen Sports in Frankreich vgl. zusammenfassend und prägnant TRANVOUEZ: Le sport catholique (2006). Zur „Republikanisierung“ ENGELS: Kleine Geschichte (2007), S. 45–74. 170 HOLT: Sport (1981), S. 196; AUGUSTIN: L’évolution (1999), S. 71–74. 171 WAHL: Les patronages (1999), S. 196. 1911 zeichnete sich Michaux auch für die Gründung der katholischen Fédération internationale d’Education physique in Nancy mitverantwortlich. Siehe TOLLENEER: La Fédération (1999), MUNOZ: The Birth (2009). Zu Paul-Marie Michaux (1854–1923) siehe BARTHEL: Hommes (1995), S. 105. Allgemein zum französischen Fußball siehe zusammenfassend LANFRANCHI: Frankreich (1997), S. 50.

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ballmeisterschaften aus und wurde Ende 1908 – nachdem die USFSA wegen ihres Beharrens auf das Amateurstatut ausgetreten war – französisches FIFA-Mitglied. Noch vor dem Krieg wurde der CFI – 1913 schloss sich ihm auch die im Niedergang befindliche USFSA an – der alleinige Dachverband des französischen Fußballsports. Der katholische CFI wurde damit kurz vor dem Ersten Weltkrieg zur Vorgängerorganisation der Fédération Française de Football Association. Bereits in diesen Jahren wurde der französische Fußball mit Henri Delaunay und Jules Rimet von jenen Persönlichkeiten geführt, die ihm insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg und dem Tod von Charles Simon ihren Stempel aufdrücken sollten.172 Die katholische Sportbewegung in Frankreich betonte gerade auch wegen der Konkurrenz zu den säkularen Verbänden stets ihre patriotische Grundhaltung. Durch den in ihrer Devise „Pour Dieu et pour la Patrie“ klar erkennbaren Gottesbezug unterschied sie sich vom republikanischen Patriotismus. Ihnen gemeinsam war gleichwohl die Militarisierung: Durch Turnen und Sport sollten körperlich für den Krieg „gestählte“ Soldaten für Frankreich geschaffen werden, um die „Schmach“ von 1870 zu tilgen. Sowohl in den säkularen als auch in den katholischen „patronages“ waren Schieß- und andere militärische Übungen außerordentlich populär. Gerade in den ostfranzösischen Grenzdepartements war die „nationale Leidenschaft“ für das Schießen weit verbreitet.173 Die Departements Meuse, Meurthe-et-Moselle und Vosges bildeten neben den urbanen Ballungszentren Frankreichs einen Schwerpunkt bei der geografischen Verbreitung der „patronages“. Insbesondere Nancy wurde eine Hochburg der katholischen Turn- und Sportvereine. Die grenznahe Hauptstadt des Departements Meurthe-et-Moselle, die um die Jahrhundertwende 102 000 Einwohner zählte und sich lediglich 50 Kilometer südlich von Metz befand, beherbergte bei Ausbruch des Krieges siebzehn „patronages catholiques“. Die nahgelegene Grenze dürfte auch ein Grund gewesen sein, dass hier 1911 die FGSPF ein großes internationales katholisches Sportfest feierte.174 Bei den Wettkämpfen, an denen insgesamt etwa 10 000 Sportler teilnahmen, war auch Paul Michaux zugegen. Als heimatverbundenem Lothringer war es ihm ein Anliegen, mithilfe seiner Vereine aktiv für eine Loslösung der Moselle vom Deutschen Reich zu kämpfen. Dies verband ihn nicht zuletzt mit Maurice de Vienne, der als Funktionär der FGSPF für die Organisation des internationalen Sportfestes in Nancy verantwortlich war und den wie Michaux verwandtschaftliche Beziehungen mit Metz verbanden. De Vienne, der zahlreiche Ämter im katholischen Sportvereins- und Verbandswesen einnahm, sollte insbesondere

172 Charles Simon (1882–1915) starb als Infanterist im Ersten Weltkrieg. Umfassend zu diesem Absatz WAHL: Les patronages (1999). Zur Frage der französischen Mitgliedschaft in der FIFA ausführlich WAHL: Les archives (1989), S. 107–113; WAHL: La Fédération (1994), S. 36f. Zur USFSA knapp HOLT: Sport (1981), S. 64–68. 173 DUBREUIL: La fédération (1987), S. 212–218; JOSEPH: Gymnastique (1987), S. 89–90. 174 Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, Bd. 2 (1911), S. 240; JOSEPH: Gymnastique (1987), S. 87–88.

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nach dem Krieg als langjähriger Präsident der Ligue Lorraine de Football nachhaltigen Einfluss auf den lothringischen Fußball ausüben.175 Die Frage der nationalen Zugehörigkeit berührte in der Moselle auch das Turn- und Sportvereinswesen. Wie bereits im ersten Kapitel dargelegt, war der katholische Klerus in der Moselle aufgrund der Sprachgrenze zweigeteilt, weswegen der Klerus in den frankophonen Gebieten lange Zeit die Rechte der französischsprachigen Minderheit verteidigte. Dominant wurde insgesamt ein lothringischer Partikularismus, der sich zum Teil dem rheinischen Katholizismus gegenüber öffnete und sich gleichzeitig vom Laizismus der Dritten Republik distanzierte.176 In diesem Umfeld, in welchem sich die gesellschaftliche Fragmentierung über Konfession und nationale Zugehörigkeiten definierte, entstanden seit 1902 – ermutigt durch den neuen Metzer Bischof Willibrord Benzler177 – die ersten katholischen Jünglingsvereine der Moselle. Wie im übrigen Deutschen Reich wurden auch in diesen Vereinigungen Turnen und Sport angeboten. So wurde im 1905 in Saargemünd gegründeten katholischen Männer- und Jünglingsverein schon sehr bald Fußball gespielt.178 Wenngleich Sport und Fußball in den ersten Jahren – ebenso wie an der Saar – dem Misstrauen eines Teils des Klerus ausgesetzt waren, erlebte der katholische Sport in der Moselle in den Jahren vor Kriegsausbruch eine kurze Blüte. Die ersten offiziellen katholischen Turn-, Sport- und Fußballsektionen wurden seit 1908 in Metzer Jünglingsvereinen gegründet, von wo aus sich der katholische Fußballsport im ganzen Bezirk verbreitete. So wurde beispielsweise 1911 auch im katholischen Jünglingsverein St. Louis in Hayingen eine Fußballabteilung gegründet, seit 1913 besaß auch die katholische Jugend in Sankt Avold einen Fußballklub.179 Im Mai 1910 veranlasste Bischof Benzler die Gründung des Verbandes der katholischen Jünglingsvereine der Diözese Metz. Ziel war es, sämtliche bereits bestehenden Vereine zusammenzufassen und sie zur Pflege eines katholischen und christlichen Lebens anzuhalten. 1912 wurde die Fédération Diocésaine des Groupements de Jeunesse gegründet, deren Verbandsführung dem jungen Rechtsanwalt Robert Schuman anvertraut wurde.180 Schuman, der sich in der Zwischenkriegszeit zu einer omnipräsenten Persönlichkeit des katholischen Lebens in der Moselle entwickeln sollte und durch sein politisches Wirken nach dem Zweiten Weltkrieg einer der Gründerväter der europäischen Einigung wurde, betrat in den 175 Siehe Korrespondenz de Vienne mit dem Bezirkspräsidium Lothringen im Juli 1911, in: ADM 3 AL 413/2; Lothringer Sport, 2. Jg., 1.6.1922. 176 ROTH: La Lorraine (1976), S. 484f. 177 Willibrord Benzler (1853–1921) konstatierte nach seiner Ankunft in Metz im Jahr 1901 die Rückständigkeit der Lothringer in Bezug auf die katholischen Massenorganisationen. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 147. 178 Im Juli 1906 bat der Katholische Männer- und Jünglingsverein die Stadtverwaltung um Nutzung der städtischen Spielwiese. Schreiben vom 18.7.1906, in: AM Sarreguemines, 31 R 01. 179 PIROT: Les débuts (1994), S. 142; PETRUCCI: L’Histoire (1996), S. 14; PIROT: Esquisse (2004), S. 254. 180 Gutachten über die Aufgaben und Ziele der katholischen Jünglingsvereine der Diözese Metz vom 12.10.1918, in: ADM, 2 AL 109; ROTH: La Lorraine (1976), S. 480.

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Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die politische Bühne quasi durch die katholische Hintertür. Seit seiner Ankunft in Metz im Jahr 1912 engagierte er sich offen in katholischen Vereinigungen. Er war ein Vertreter des katholischen Partikularismus in der Moselle, unterhielt aber auch gute Beziehungen zu den katholischen Mutterverbänden im Deutschen Reich. Dass er eine Vermittlerrolle einnehmen konnte, zeigte sich dadurch, dass er sowohl dem Volksverein für das katholische Deutschland als auch der französischsprachigen Union Populaire Catholique et Lorraine angehörte.181 Mit der ihm anvertrauten Führung des Diözesanverbandes der katholischen Jünglingsvereine im Jahr 1912 bekam er erstmals Tuchfühlung zur katholischen Sportbewegung. Im Verband waren insgesamt rund 4 000 Jugendliche in 83 Vereinigungen organisiert. 1913 zählte der Fußball innerhalb des Verbands 510 Mitglieder in 24 Sektionen, die gegeneinander, aber auch gegen nichtkonfessionelle Mannschaften Wettspiele austrugen. Anders als die Turnsektionen trafen die Fußballsektionen bei Teilen des Klerus auch in Lothringen auf Kritik. Getadelt wurden die vielen Spielreisen sowie die angebliche Haltung vieler Jugendlicher, welche die katholischen Jünglingsvereinigungen nur noch als reine Sportklubs betrachteten.182 1914 wurden im Bezirk Lothringen 36 katholische Sektionen gezählt, in welchen Fußball gespielt wurde. Unterbrochen wurde die beginnende Institutionalisierung des katholischen Fußballsports kurze Zeit später durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.183 Die gesellschaftliche Fragmentierung, wie sie sich im katholischen Fußballsport widerspiegelte, wurde in Lothringen zusätzlich von der nationalen und der sprachlichen Frage überlagert. Ob ein katholischer Jünglingsverein sogenannte „profranzösische“ Züge aufwies, hing sowohl vom sozialen und sprachlichen Umfeld ab als auch von der jeweiligen Ausrichtung des katholischen Klerus vor Ort. Im Ersten Weltkrieg wurden diese katholischen Jünglingsvereine von den militärischen Behörden besonders unter die Lupe genommen. Profranzösische Predigten konnten durchaus auch Fälle für das Kriegsgericht werden.184 Seit Sommer 1918 beschäftigten sich die lothringischen Behörden mit einer Denkschrift des Kaiserlichen Gouvernements Metz, in welcher den katholischen Jünglingsvereinen „deutschfeindliche Tendenzen“ vorgeworfen wurden. Die aus der Festung Metz stammende Denkschrift ist vor dem Hintergrund der verschärften politischen Verfolgung im Ersten Weltkrieg zu sehen. Bereits seit 1915 waren neben der Benutzung der französischen Sprache für öffentliche In- und Aufschriften auch „undeutsche Äußerlichkeiten bei Vereinen“ verboten. Auch war die Affäre um den profranzösischen Verein Union Lorraine Sportive noch in guter Erinnerung,185 weswegen die Denkschrift auch zu dem Ergebnis kam, die katholischen Jüng181 Vgl. PENNERA: Robert Schuman (1985), S. 36–45. 182 Rapport annuel de la fédération diocésaine des cercles de jeunes gens, in: Revue ecclésiastique du Diocèse de Metz 11/1913, S. 634f. 183 PIROT: Les débuts (1994), S. 165f., 186. 184 Siehe Abschnitt „Französische Agitation in katholischen Jünglingsvereinen“, in: Das Verhalten der Elsaß-Lothringer in drei Kriegsjahren. Zusammengestellt vom Generalquartiermeister. Berlin 1917, S. 10–12. 185 Zu den Geschehnissen um die Union Lorraine Sportive vgl. Kapitel 4.3, S. 132f..

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lingsvereine hätten „das politische Erbe des lothringischen Sports angetreten, der wegen seiner staatsgefährlichen Bestrebungen 1911 behördlich aufgelöst worden ist.“186 In der sich anschließenden Debatte boten die zivilen Behörden jedoch ein differenzierteres Bild. Der Kreisdirektor von Diedenhofen-West warnte vor Verallgemeinerungen. Keineswegs seien alle lothringischen Geistlichen „in politisch schädlicher Weise tätig“. Zudem sei es auch „ungerecht, wenn man annehmen wollte, dass alle katholischen Jünglingsvereine tatsächlich zu einer Frankreich günstigen politischen Propaganda missbraucht worden seien.“187 Ein vom Bezirkspräsidium erstelltes Gutachten vom Oktober 1918 kam zu dem Schluss, dass es zwar einige Jünglingsvereine gebe, die „ein französisches Gepräge erhalten“ hätten. Insbesondere seien diese im Landkreis Metz sowie im Kreis ChâteauSalins zu finden. Die Vereine in Metz, Saarburg sowie im Kreis Saargemünd wiesen jedoch keine deutschfeindlichen Tendenzen auf, zudem sei dort Deutsch die Verkehrssprache. Das Gutachten kam zu dem Urteil, ein Teil der Vereine werde „als Deckmantel benutzt, um die Jugend für Frankreich zu erziehen und Stimmung für Frankreich und französisches Wesen zu machen.“ Allerdings könne von planmäßigen deutschfeindlichen Tendenzen nicht gesprochen werden.188 Die Entwicklung des katholischen Sports in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts muss sowohl in Frankreich als auch in Deutschland im Rahmen der Festigung des katholischen Milieus gesehen werden. Die Feststellung des französischen Historikers Michel Lagrée, dass der Sport nicht zuletzt auch eine Modernisierung des katholischen Glaubens widerspiegelte,189 trifft auch auf den saarländisch-französischen Grenzraum zu. Die Einrichtung von Turn- und Sportabteilungen in den katholischen Jugendvereinigungen war seit der Jahrhundertwende weit verbreitet und traf insbesondere die Bestrebungen der Deutschen Turnerschaft empfindlich. Die gesellschaftliche Fragmentierung betraf zweifellos auch den Fußballsport, wenngleich dieser sich vornehmlich in den interkonfessionellen beziehungsweise bürgerlichen Fußballvereinen organisierte. Letztendlich waren weder der konfessionelle noch der Arbeiterfußball 190 eine ernsthafte Konkurrenz für den bürgerlichen Fußball, der stets seine konfessionelle und soziale Offenheit betonte. Von 230 Vereinigungen, die bis 1914 in der Moselle gegründet wurden und in welchen Fußball gespielt wurde, hatten lediglich 37 einen konfessionellen Hintergrund.191 Die beginnende Institutionalisierung des katholischen Sports in Lothringen am Vorabend des Krieges kam zu spät, um noch eine größere Wirkung zu entfalten. Einen weiteren Aufschwung sollte er erst nach dem Ers186 Denkschrift „Katholische Jünglingsvereine“ des Gouvernements Metz, Juli 1918, in: ADM, 2 AL 109. Siehe auch Verordnung vom 3.1.1915 durch den Gouverneur von Metz, in: Verordnungen für den Festungsbereich Metz seit Kriegsbeginn (1916), S. 90. 187 Schreiben des Kreisdirektors Diedenhofen-West an den Bezirkspräsidenten, 28. Juli 1918, in: ADM, 2 AL 109. 188 Gutachten über die Aufgaben und Ziele der katholischen Jünglingsvereine der Diözese Metz vom 12.10.1918, in: ADM, 2 AL 109. 189 LAGRÉE: Sport (2002), S. 189. 190 Zum Arbeiterfußball in der Moselle vgl. knapp PIROT: Naissance (1997), S. 260. 191 34 waren katholisch, 3 evangelisch. Vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 143.

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ten Weltkrieg erfahren, als sich in der nun französischen Moselle das traditionsreiche katholische Sportverbandswesen seiner annahm. In Deutschland und an der Saar wiederum sollte sich der katholische Sport in der 1920 gegründeten Deutschen Jugendkraft (DJK) neu erfinden, im Versuch, die milieubrechende Wirkung des Fußballs abzuwehren.192 Als Fazit bleibt festzustellen, dass im aufkommenden Fußballsport mit dessen zunehmender Popularität soziale Gruppierungen zunehmend auch die Abgrenzung des eigenen Milieus inszenierten. Über Sport und Fußball sollte die Jugend gewonnen und in das eigene Milieu integriert werden. Während im Arbeitermilieu erst in der Zwischenkriegszeit eine nennenswerte Anzahl von Vereinen gegründet werden sollte, gingen Katholizismus und Sport im saarländisch-lothringischen Grenzraum eine – wenn auch zaghafte – Allianz ein. Während sich der katholische Sport an der Saar im Rahmen der Verhältnisse im Deutschen Reich entwickelte, wurde er im Bezirk Lothringen vom nationalen und sprachlichen Dualismus überlagert. Französische und deutsche Einflussnahmen prallten dort aufeinander, weswegen sich der lothringische Partikularismus nicht nur im Katholizismus generell deutlich bemerkbar machte, sondern auch im Sport für eine Differenzierung sorgte, die – wie gesehen – auch von den Behörden so wahrgenommen wurde. In sozialer Hinsicht hatte die katholische Kirche im saarländischlothringischen Grenzraum am Vorabend des Weltkrieges einen großen Anteil an der „Demokratisierung“ des Fußballspiels. Sowohl bei den katholischen Fußballmannschaften als auch generell im Vereinswesen wurden in den Jahren vor dem Krieg zunehmend die Arbeiterschichten miteinbezogen. Dies gilt sowohl für das Saarrevier, in welchem die Verflechtung des katholischen Vereinswesens mit der Arbeiterschaft auf eine lange Tradition zurückblicken konnte, als auch für den katholisch geprägten Bezirk Lothringen.193 Die Einbeziehung breiter sozialer Schichten sollte im Fußballsport jedoch zunehmend auch eine sportliche Notwendigkeit werden. Noch vor dem Kriegsausbruch begann der Fußballsport selbst sich rapide zu wandeln. Spätestens mit der Einrichtung des Saargaus hatte er sich ein eigenes soziales und organisatorisches Netzwerk geschaffen und sich davon verabschiedet, lediglich ein Gesellschaftsspiel bürgerlicher Mittelschichten zu sein. Bereits in jenen Pionierjahren sollte die Dynamik von Professionalisierung und Kommerzialisierung den Fußballsport auf Dauer verändern und die Grundlagen legen für den „Take Off“ dieser Leitsportart.

192 Die Entwicklung der DJK im Saargebiet ist ein Forschungsdesiderat. Zur DJK im Abstimmungskampf ab 1933 vgl. ansatzweise BUNGERT/LEHNERT: Vereine (1988), S. 124-133. 193 Für de Moselle vgl. im einzelnen PETRUCCI: L’Histoire (1996), S. 14 und HIRSCH: Les associations (2000), S. 13; PIROT: Esquisse (2004), S. 254.

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3.3 Von der Selbstinszenierung zum Zuschauersport Die Professionalisierung der Fußballvereine Für das Überleben und Gedeihen eines Sportvereins war die Verfügungsgewalt über einen Sportplatz ein elementares Kriterium. Als Borussia Neunkirchen, der erfolgreichste Verein des Saargaus, am 14. Juli 1912 seinen neuen Sportplatz hinter der Schloßbrauerei einweihte, wurde anlässlich dieses Ereignisses ein großes Sportfest veranstaltet. Das Programm zu den „nationalen olympischen Wettkämpfen“ beinhaltete turnerische und leichtathletische Disziplinen vom „Dreikampf für Turner“ bis zum Stabhochsprung. 79 Einzelkämpfer aus 22 Vereinen nahmen daran teil. Die meisten Teilnehmer kamen aus der näheren Umgebung, das heißt aus dem Dreieck Trier/Mannheim/Metz. Jedoch nahmen auch Vereine aus Breslau, Kassel, Köln und Münster an den Wettkämpfen teil.194 Die Spiele standen unter dem Protektorat des Trierer Regierungspräsidenten Baltz, was einerseits bei größeren Sportvereinen durchaus üblich war, andererseits jedoch auch die mittlerweile erlangte gesellschaftliche Bedeutung der eigenständigen Fußballvereine widerspiegelt.195 Im 49-köpfigen Ehrenausschuss saßen zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. So finden sich neben Landrat und Bürgermeister städtische Beigeordnete sowie weitere leitende städtische Angestellte, zwei Gymnasialdirektoren, ein Bankdirektor sowie der Kaiserliche Postdirektor. Die freien Berufe waren mit drei Rechtsanwälten und drei Ärzten vertreten. Der große Teil setzte sich aus Vertretern der Wirtschaft zusammen. Mehrere Ingenieure und Berginspektoren vertraten die in Neunkirchen ansässige Schwerindustrie. Daneben gaben sich Vertreter des Einzelhandels sowie Besitzer einer Mineralwasserfabrik und mit Otto Schmidt der Direktor der Neunkircher Schloßbrauerei ein Stelldichein. Als Unterstützer des Vereins zeichneten sie sich als Geldgeber oder als Stifter von Ehrenpreisen und Pokalen verantwortlich. Die Anteilnahme des Bezirkspräsidiums und die im Ehrenausschuss sitzenden Persönlichkeiten geben Aufschluss darüber, mit welcher Dynamik Fußballvereine wie Borussia Neunkirchen sich in den wenigen Jahren seit ihrer Gründung entwickelten und wie stark sie mit Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vor Ort verflochten waren. Ursächlich für diese Entwicklung hin zu einer gehobenen gesellschaftlichen Bedeutung war die zunehmende Professionalisierung der Vereine und ihrer Strukturen. Vom belächelten Gesellschaftsspiel hatte sich der Fußball zunehmend zu einem Anziehungsmagneten für Zuschauer entwickelt und damit Voraussetzungen geschaffen für eine stetige Kommerzialisierung. Die Attraktivität des Fußballspiels bei breiten sozialen Schichten ergab sich in hohem Maße durch dessen wachsende Resonanz als Zuschauerattraktion. Bei Spielen um die Saargaumeisterschaft wurde bereits 1910 mitunter eine „nach 194 Siehe Programm zu den nationalen olympischen Wettkämpfen, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 7, 14.7.1912, S. 65–78. 195 Auch vom Trierer FC 1905, der „Nationale Olympische Spiele“ veranstaltete, wurde Baltz um die Stiftung eines Ehrenpreises gebeten. Siehe Schreiben an Regierungspräsident Baltz vom 23.6.1909, in: LHA Koblenz, 403/8831.

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Hunderten zählende Zuschauermenge“ gezählt.196 Erst die hohe Nachfrage nach dem Kulturgut Fußball – sozusagen nach dem Konsum eines Fußballspiels – machte es überhaupt möglich, dass die Vereine in Mannschaft, Sportplatz und Vereinsstrukturen investieren konnten, um so dem wachsenden Konkurrenzdruck begegnen zu können. Die Zuschauereinnahmen wurden zu einer relevanten Größe, ob ein Verein wachsen und gedeihen konnte. Die Erlöse bei den Wettspielen machten bei den großen Vereinen den Hauptanteil bei den Jahreseinnahmen aus. So betrugen bei Borussia Neunkirchen die Wettspieleinnahmen in der Spielzeit 1911/12 rund 3 460 Mark, während die Mitgliederbeiträge eine Einnahme von etwa 2 100 Mark ergaben. Dieser Trend setzte sich auch in der folgenden Saison fort, als nach dem ersten Halbjahr die Wettspieleinnahmen doppelt so hoch lagen wie die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen.197 Nicht zuletzt deshalb kann auch resümiert werden, dass der Entwicklungsschritt hin zum Zuschauersport wie kein anderer den Anbruch eines kommerzialisierten und professionalisierten Fußballsports markierte.198 Auch bei kleineren Vereinen diente die Erhebung von Eintrittsgeldern dazu, die Kosten der Wettspiele sowie der eigenen Spielreisen zu decken. 1911 wurden beispielsweise bei einem Spiel des FC Wodan Saargemünd gegen den SC Forbach 20 Pfennige als Eintrittsgeld erhoben. Für Frauen, Kinder und Militärangehörige war der Eintritt kostenlos. Als der SV Völklingen 1906 am 9. Juni 1912 seinen neuen Sportplatz mit einem Spiel seiner ersten Mannschaft gegen den renommierten FC Phönix Mannheim eröffnete, wurde ein Eintritt von 50 Pfennigen, ermäßigt 30 Pfennigen erhoben. Bei Spielen dieser „Größenordnung“ war dies die Regel. Die Metzer Sportvereinigung bot ihren Mitgliedern bereits den Service an, Dauerkarten zu erwerben. Auch wurde es für größere Vereine wie für die Metzer Sportvereinigung üblich, „Wettspiel-Gesuche“ auch in der überregionalen Sportzeitung „Fußball“ zu schalten.199 Spiele gegen renommierte Vereine aus dem In- und Ausland gehörten seit den Anfangsjahren zum Aushängeschild eines Vereins und waren Höhepunkte eines Vereinsjahres. Abgesehen von den internationalen Spielen waren auch Gegner aus anderen Teilen des Deutschen Reichs gern gesehen. Vereine aus der benachbarten Pfalz, aus Baden und dem Elsass wurden häufige Gäste auf den Sportplätzen des saarländisch-lothringischen Grenzraums. So wurde beispielsweise der Straßburger FC Donar zu einem beliebten und regelmäßigen Gegner des SC Saar 1905. Spiele gegen „große“ Vereine wurden aus sportlichen Gründen vereinbart, jedoch auch aus Prestigegründen und um neue Mitglieder und Zuschauer zu gewinnen. 196 So beispielsweise beim Spiel des SC Saar 1905 gegen den FK Völklingen am 16.10.1910. Das Spiel auf dem Saarsportplatz endete mit 12:3 Toren. Siehe Saarbrücker Zeitung, 1.11.1910. 197 Kassenbericht für das Geschäftsjahr 1911/12, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 8, 11.8.1912, S.87–89. Kassenbericht für das erste Halbjahr 1912/13, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 2, 16.2.1913, S. 10–11. 198 So auch NIELSEN: Sport, S. 286. 199 PIROT: Les débuts (1994), S. 150; Anzeige in der Völklinger Zeitung, 5.6.1912; WettspielGesuch der Metzer Sportvereinigung, in: Fußball und olympischer Sport, 6.5.1912, S. 16.

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So trat die erste Mannschaft von Borussia Neunkirchen in der Saison 1909/10 – abgesehen vom Ligabetrieb – unter anderem gegen den Karlsruher FV, den Frankfurter FK, den FV Kaiserslautern sowie den FC Basel an. Als der damalige deutsche Meister Karlsruher FC Phönix 1894 in Saarbrücken im November 1910 den SC Saar 1905 mit 7:0 Toren schlug, registrierte die Lokalpresse wohlwollend, dass sich trotz eines Pferderennens etwa 2 000 Zuschauer eingefunden hätten, ein Beweis, „daß man auch hier in der Großstadt Saarbrücken den gesunden und männlichen Fußballsport immer mehr zu schätzen und würdigen lernt.“200 Wie wichtig der Aspekt der Zuschauereinnahmen für die Fußballvereine wurde, lässt sich auch an einer Episode aus dem Jahr 1913 zeigen. Seit Bestehen des Saargaus war es zur Tradition geworden, dass die ersten Mannschaften des SC Saar 05 und von Borussia Neunkirchen aufeinandertrafen. Der von den Zuschauern hoch geschätzte Schlagabtausch wurde bis dahin gegen eine „Rückspielverpflichtung“ abgeschlossen, das heißt, dass die Einnahmen der Spiele jeweils dem gastgebenden Verein zustanden. In diesem Jahr forderte der Fußballausschuss von Borussia Neunkirchen von dem eine Klasse tiefer spielenden SC Saar 05 eine zusätzliche Entschädigung von 70 Mark. Das Neunkircher Publikum sei durch die Ligaspiele mittlerweile „etwas verwöhnt worden“, weswegen dieses Spiel nicht viel Einnahmen einbrächte. Die Saarbrücker Verantwortlichen waren über diese Forderung derart empört, dass sie den Brief in der süddeutschen Sportzeitung „Fußball und olympischer Sport“ veröffentlichen ließen.201 Spiele, die auf lokalen, regionalen oder gar nationalen Rivalitäten aufbauten, zogen in der Regel viele Zuschauer an. In Metz zählte das Spiel des FC Metis Metz gegen den FK Pirmasens im Jahr 1908 1 000 Zuschauer. Bei einem Gastspiel des FC Saarbrücken ein Jahr später wurden 1 200 Zuschauer gezählt. Insbesondere die Spiele der Metzer Vereine gegen Straßburg und Nancy – aus dem Elsass und dem französischen Lothringen – zogen ein größeres Publikum an. Bei einem Spiel der Metzer Sportvereinigung gegen den Cercle Athlétique XIVe aus Paris betrug die Zuschauerzahl 1 800. Der Metzer Zuschauerrekord wurde 1914 bei einem Gastspiel des Karlsruher FV gebrochen, bei welchem 2 500 Zuschauer gezählt wurden. Den Vorkriegsrekord hielten die internationalen Spiele des SC Saar 1905 gegen die Profimannschaft der Queens Park Rangers im Mai 1912 sowie von Borussia Neunkirchen gegen den FC Walthamstow London im März 1913. Bei beiden Spielen wurden etwa 3 000 Zuschauer gezählt.202 Einer Spezifizierung des amerikanischen Sporthistorikers Allen Guttmann zufolge ist nicht die Bezahlung entscheidend für die Unterscheidung der Profis von den Amateuren, sondern die aufgewendete Zeit.203 Wird daher der zeitliche Aufwand berücksichtigt, der in den Vereinen von Spielern, aber vor allem von den Funktionären, gemeistert werden musste, so kann für die führenden Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum bereits für die Zeit vor dem Ersten 200 201 202 203

Neunkircher Volkszeitung, 5.8.1910, S. 3; Saarbrücker Zeitung, 15.11.1910. Siehe Rubrik „Eingesandt“, in: Fußball und olympischer Sport, 31.3.1913. PIROT: Les débuts (1994), S. 149. Zum Spiel gegen die Queens Park Rangers siehe Kap. 4.3. GUTTMANN: Vom Ritual (1979), S. 48.

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Weltkrieg von einer Professionalisierung gesprochen werden. Sie machte sich vor allem in der einsetzenden Spezialisierung der einzelnen Teilbereiche innerhalb des Vereins bemerkbar, weswegen, präziser formuliert, von einer Bürokratisierung sowie von einer „strukturellen“ Professionalisierung gesprochen werden kann. Darunter ist zu verstehen, dass beispielsweise regelmäßiges Training eingeführt und die sportmedizinische Betreuung der Mannschaft verbessert wurde. Zunehmend kam es zu einer schleichenden Trennung von Funktionären und Fußballspielern. Zum einen erfüllten die Spieler der ersten Generation nicht mehr die gestiegenen sportlichen Anforderungen und widmeten sich nun anderen Vereinsaufgaben. Zum anderen war auch der zeitliche und organisatorische Aufwand bei den Vereinen immer weiter gewachsen, so dass er von den Spielern selbst nicht mehr ohne weiteres bestritten werden konnte.204 Abgesehen davon, dass bereits 1906 ein englischer Trainer namens Hood zeitweise den SC Saar 05 trainierte und Fußballspieler aus den damaligen Fußballmetropolen Karlsruhe und Pforzheim bei Borussia Neunkirchen tätig wurden, tauchten seit Ende des Jahrzehnts zunehmend etablierte und erfahrene Spieler in den Vereinen an der Saar auf. Inwiefern bereits damals auswärtige Spieler durch finanzielle Entschädigungen oder durch die Vermittlung von Arbeitsstellen an die Saar gelockt wurden, kann aufgrund mangelnder Quellenlage nicht gesagt werden. Allerdings spielte der SC Saar 05 bereits in der Saison 1909/10 mit Spielern, die zuvor beim Hamburger FC 1888 und bei Alemannia Aachen gespielt hatten. Ein Jahr später wurde die Mannschaft sogar angeblich von Wilhelm Noe angeführt, der mit dem FC Phönix Karlsruhe zuvor deutscher Meister geworden war. Zweifellos spiegelte diese Professionalisierung des Mannschaftsbetriebs die gesamte strukturelle Professionalisierung der Vereine wider.205 Aufzeigen lässt sich diese wiederum am Beispiel Borussia Neunkirchen.206 Im Geschäftsjahr 1911/12 überschritt der Verein erstmals die Mitgliederzahl von 500. Der Verwaltungsbericht konstatierte, dass entsprechend der wachsenden Mitgliederzahl auch die Verwaltungsarbeit immens angewachsen sei. Von den drei Schriftführern und den zwei Berichterstattern seien insgesamt 6 000 Schriftstücke bearbeitet worden. Zudem wurden fünf Hauptversammlungen und 32 Vorstandssitzungen im Laufe der Saison durchgeführt. Der Vorstand setzte sich aus 26 Personen zusammen. Die hohe Zahl sei jedoch auch nötig, so der Verwaltungsbericht, um die „durchgreifende Beratung aller Fragen“ zu gewährleisten. Hintergrund war, dass in diesem Jahr erstmals die gesamte Verwaltungstätigkeit auf den Vorstand überging, da sich die bisherige Vorgehensweise, alle Vereinsgeschäfte in den monatlichen Versammlungen zu beschließen, nicht mehr als praktikabel erwies. Der Vereinsvorstand setzte sich aus seinen Mitgliedern sowie aus mehre204 So Pirot auch für den lothringischen Fußball. Vgl. PIROT: Pratiquants (2000), S. 90. 205 Erich Menzel erwähnt die Spieler in seinem historischen Rückblick. Siehe MENZEL, Erich: Die Geschichte (1920), S. 1505f. 206 Zu diesem und zum folgenden Absatz vgl. Verwaltungsbericht für das Geschäftsjahr 1911/12, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 7, 14.7.1912, S. 78–84; Fortsetzung und Kassenbericht 1911/12, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 8, 11.8.1912, S. 85–92.

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ren ständigen Ausschüssen zusammen. Neben dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter gab es den Schriftführer, den Buchführer, den Hauptkassierer, zwei Beitragskassierer, den Sachverwalter und den Schriftleiter des Nachrichtenblattes. Ständige Ausschüsse waren der Ausschuss für Mitgliederwesen, der Empfangsund Vergnügungsausschuss, der Presse- sowie der Rechnungsausschuss. Eine umfangreiche Tätigkeit übte auch der dreizehnköpfige Spielausschuss aus, welcher für die sporttechnische Verwaltung im Verein zuständig war. Unter seiner Obhut standen die Mannschaften 1 bis 5 sowie eine Alte-Herren- und eine Jugendmannschaft. Die Mannschaften trugen in dieser Spielzeit insgesamt 150 Spiele aus. Der Ausschuss tagte wöchentlich, um laufende Geschäfte wie die Aufstellung der Mannschaften und die Festsetzung von Wettspielterminen zu erledigen. Im Rahmen dieser Tätigkeit erhielten die Spieler der ersten Mannschaft offizielle Benachrichtigungen, wenn Sie an einem Wettspiel teilnehmen sollten.207 Darüber hinaus gab es im Verein auch eine Athletikabteilung, für deren Leitung Albrecht Menzel verantwortlich war, und seit 1912 auch eine Tennisabteilung. Anders als im Spielausschuss waren im geschäftsführenden Vorstand vor allem ältere Mitglieder, die sich nicht oder nicht mehr in erster Linie sportlich betätigten, vertreten. Im Nachrichtenblatt wurden gerade diese aufgerufen, sich für die Übernahme von Vorstandsgeschäften zu melden. Aufgabe des Vorstands sei es, die geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln, erzieherisch auf die Jüngeren einzuwirken und den Verein in der Öffentlichkeit zu vertreten. Betont wurde, dass hierzu auch keine eingehenden sportlichen Kenntnisse erforderlich seien. Sportlicher Erfolgsdruck und steigende organisatorische Ansprüche sorgten dafür, dass kleinere Vereine fusionierten oder sich einem größeren Verein anschlossen. Aber auch bei größeren Sportvereinen blieben derartige Überlegungen nicht außen vor. 1912 schloss sich der FC Metis Metz der Metzer Sportvereinigung an und im selben Jahr wurde sogar ein Zusammenschluss der vier größten Fußballvereine Saarbrückens ernsthaft diskutiert. Eine Versammlung am 12. Mai 1912 ergab das Stimmungsbild, dass die Vertreter des SC Saar 1905, der Sportvereinigung 06 Saarbrücken, des FV Saarbrücken und des 1. FC Germania Saarbrücken einer Vereinigung prinzipiell zustimmten. Zunächst wurde jedoch lediglich die Bildung einer gemeinsamen Städtemannschaft vereinbart, „um somit einem größeren Publikum die Vorteile einer Vereinigung vor Augen zu führen.“ Letztendlich sollte es vor dem Krieg nicht mehr zu Fusionen kommen, wenngleich sich die Vereine auf die Gründung eines gemeinsamen Rasensportverbandes einigen konnten.208 Durch die Spezialisierung innerhalb der Vereine wurde bereits nach wenigen Jahren der Typus des Sport- und Fußballvereins geschaffen, wie er über Jahrzehnte hinweg bestehen sollte. Die Bürokratisierung der Vereine ging dabei mit dem 207 Siehe Spielerbenachrichtigung für Arthur Goedicke vom 19.5.1912, in: Saarländisches Sportarchiv, Best. Neunkirchen, NL Goedicke. 208 1919 vereinigte sich die Sportvereinigung 06 mit der 1. FC Germania zum SV 05 Saarbrücken, welcher schließlich 1933 mit dem SC Saar 1905 zum SV Saar 05 fusionierte. Zu den Verhandlungen 1912 siehe Saarbrücker Zeitung, 22.5.1912.

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Wandel des Fußballs zum Zuschauersport und seiner Kommerzialisierung einher. Zum eigentlichen Zentrum der Vereine wurde der Vorstand, der sich meistens aus einem Kreis von Männern zusammensetzte, die über Jahre hinweg mit „ihrem“ Verein verbunden waren und immer wieder in ihren Führungspositionen bestätigt wurden. Für Neunkirchen ist beispielsweise Albrecht Menzel zu nennen, der von den ersten Gründungstagen an bis in die sechziger Jahre hinein – mit Unterbrechungen – Mitglied des Vorstands blieb. In Saarbrücken engagierte sich unter anderem Paul Dittscheid über vierzig Jahre hinweg immer wieder im Vereinsvorstand des SV Saarbrücken 1905 sowie in dessen Vorgängervereinen. Über Jahrzehnte seinem Verein verbunden blieb auch Lucien Poinsignon, der vor dem Krieg als Kassier bei der Metzer Sportvereinigung tätig war und sich in der Zwischenkriegszeit bei dessen Nachfolgeverein CA Messin engagierte. Die Motivationen des Einzelnen waren unterschiedlich. Gleichwohl konnte die Vereinstätigkeit bisweilen auch ein Ersatz, eine Kompensation für eine fehlende politischgesellschaftliche Betätigung sein.209 Dafür spricht nicht nur der oft erkennbare Ehrgeiz einzelner Personen, sondern auch die Profilierungssucht manches Vorsitzenden, die nicht zuletzt in den mitunter hart ausgefochtenen Rivalitäten lokaler und regionaler Sportvereine ihren Ausdruck fand. Nicht zu unterschätzen ist jedoch der qualitative Wert der ehrenamtlichen Tätigkeit in den Vereinen. Der Politikwissenschaftler Christian Graf von Krockow betonte in diesem Zusammenhang, dass keine staatliche oder sonstige Organisation auch nur entfernt dazu in der Lage sei, für diese erbrachten freiwilligen Leistungen personell oder finanziell Ersatz zu beschaffen.210 Gleichwohl wurde die Arbeit der Funktionäre, die sich vor allem im Hintergrund abspielte, bereits in der Kaiserzeit von den meisten Mitgliedern nicht gewürdigt, was auch schon damals im Nachrichtenblatt von Borussia Neunkirchen scharf kritisiert wurde.211 Als Fazit dieses Kapitels bleibt festzuhalten, dass die Kommerzialisierungstendenzen im Fußballsport, die im Mutterland Großbritannien bereits in den 1880er Jahren zum Durchbruch gelangten212, nach der Jahrhundertwende auch in den Fußballvereinen des saarländisch-lothringischen Grenzraums zu beobachten waren. Durch die Entwicklung hin zum Zuschauersport wurde in den großen Fußballvereinen eine strukturelle Professionalisierung in Gang gesetzt, die dem Wachstum der kommenden Leitsportart entsprach und die Grundlagen legte für den Kommerzialisierungsschub nach dem Ersten Weltkrieg. Zweifellos waren allerdings, wie dargelegt wurde, die Strukturen der Kommerzialisierung bei Kriegsausbruch bereits voll entwickelt.213

209 In diesem Sinne auch KROCKOW: Sport (1980), S. 69. 210 Er bezog sich damit auf die Sportvereine in der Bundesrepublik. Zweifellos kann dieser Befund jedoch auf andere Epochen übertragen werden. Vgl. KROCKOW: Sport (1980), S. 67. 211 Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 8, 11.8.1912, S. 85f. 212 EISENBERG u.a.: FIFA (2004), S. 24f. 213 In diesem Sinne auch MÜLLER: Turnen (1993), S. 126.

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4 DER FUSSBALLVEREIN ALS POLITISCHER RAUM 4.1 Jugend im Rampenlicht Die Fußballvereine und die Jugendpflege Seit Ende des 19. Jahrhunderts interessierten sich die staatlichen Behörden zunehmend für die Ausübung von Turnen und Sport in den Vereinen. Hintergrund waren die Bestrebungen von liberalen und konservativen Politikern, Bürokraten und Militärs, die Jugend des Kaiserreichs vor Verwahrlosung, Sittenverfall und den angeblich verderbenden Einfluss der Sozialdemokratie zu bewahren. War bereits die Spielbewegung in Gestalt des Zentralausschusses für Volks- und Jugendspiele eng mit dem Staatsapparat verwoben, so versuchten die Behörden in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch, die Turn- und Sportvereine über das Instrumentarium der staatlichen Jugendpflege stärker als bisher für Zwecke eines anti-sozialdemokratischen „social engineering“ zu instrumentalisieren.214 Darüber hinaus gab es – wie in anderen Ländern auch – im Deutschen Reich ein wachsendes militärisches Interesse an den Leibesübungen. Dieses drückte sich in der Gründung des Jungdeutschlandbundes aus und darin, dass Sport und Fußball sich zunehmend in den Ausbildungsplänen der Armee wiederfanden. Zur selben Zeit geriet die Jugend jedoch auch in den Fokus der Fußballvereine. In den Vereinen wurden die ersten Jugendabteilungen gegründet und auch die Verbandsfunktionäre nahmen die Jugendförderung immer ernster.215 In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie die jungen Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum mit den staatlichen Stellen interagierten, wie es zwischen Sport, Fußball und dem Staat zu Wechselbeziehungen kam und inwiefern die sich ausbildenden Strukturen den Aufstieg des Fußballs begleiteten und erleichterten. Dass sich der Staat für die Belange der Leibeserziehung interessierte, war kein Novum. Ein wichtiger Pfeiler staatlicher Einflussnahme auf die Entwicklung von Turnen und Sport war seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts das Turnen in der Schule, das dabei im Lauf der Jahrzehnte mehr und mehr aus seinen Lebensbezügen gelöst und in den engen Rahmen eines rationalen Erziehungsplanes eingearbeitet worden war.216 Das Schulturnen ist hier insofern von Bedeutung, da es neu aufkommenden Sportarten an den Schulen den Boden bereitete. Ohne die sukzessive Veränderung der amtlichen Lehrpläne, in welchen das neuhumanistische Bildungsgut zugunsten eines pragmatischeren Fächerkanons zurückgedrängt worden war, wäre der rasche Aufschwung der Spielbewegung und des Fußballsports kaum möglich gewesen. Insbesondere auch die mit dem Schulturnen einhergehende zunehmende Institutionalisierung und Professionalisierung auf kom214 Zum Begriff siehe EISENBERG: Geselligkeit (2009), S. 102. 215 Zum Anschluss der Sportverbände an die zivile und militärische Jugendpflege generell sowie zur Rolle Carl Diems vgl. zuletzt ausführlich SCHÄFER: Militarismus (2011), S. 169-227. 216 1842 wurde das Turnverbot in Preußen aufgehoben und Turnen offiziell als schulisches Erziehungsmittel anerkannt. Ein allgemeines Schulturnen in allen deutschen Ländern wurde jedoch erst Ende des Jahrhunderts Realität. Vgl. eingehend KRÜGER: Leibeserziehung (2005), S. 70–85. Siehe außerdem BERNETT: Die pädagogische Neugestaltung (1971), hier S. 93.

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munaler Ebene – in vielen größeren Städten wurden Turnlehrer und Stadtturninspektoren eingestellt – bot der Spielbewegung und letztlich auch der staatlichen Jugendpflege später ein Gerüst, an welches angeknüpft werden konnte.217 Neben dem Schulturnunterricht war die außerschulische Jugendpflege das wichtigste staatliche Instrument, um auf Entwicklung und Gestaltung des organisierten Sports Einfluss zu bekommen. Während die politischen Eliten in der Französischen Republik bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts das politische Potenzial von Gymnastik und Sport erkannt und früher als im Deutschen Reich im Rahmen der „préparation militaire“ in Beschlag genommen hatten 218, wurden in Deutschland erst Anfang des 20. Jahrhunderts entsprechende Maßnahmen unternommen. Mit dem sogenannten „Jugendpflegeerlass“ des preußischen Kultusministers vom 18. Januar 1911 wurde die planmäßige Förderung erstmals in einheitlicher Weise in Angriff genommen. Kultusminister August von Trott zu Solz forderte dazu auf, die Arbeit der kirchlichen Vereine, der großen Turn-, Spiel- und Sportvereinigungen und der Vereine für Volkswohlfahrt zu unterstützen.219 Es wurden staatliche Mittel zur Verfügung gestellt, die ab 1911 sukzessive erhöht wurden. Sie sollten vor Ort durch Bezirks-, Kreis- und durch kommunale Ortsausschüsse verteilt werden.220 In seiner Denkschrift zum Stand der Jugendpflege in Preußen charakterisierte der Kultusminister die Aufgabe der Jugendpflege folgendermaßen: „Aufgabe der Jugendpflege ist hiernach die Mitarbeit an der Heranbildung einer frohen, körperlich leistungsfähigen, sittlich tüchtigen, von Gemeinsinn und Gottesfurcht, Heimat- und 221 Vaterlandsliebe erfüllten Jugend.“

Das Ziel der staatlichen Jugendpflege in Preußen war die Sozialdisziplinierung vor allem der männlichen Jugend zwischen 14 und 20 Jahren. Durch die Förderung „vaterländischer“ Vereine sollte der angeblich drohenden Verwahrlosung der Jugend vorgebeugt werden und diese gleichzeitig von parteipolitischen Vereinigungen, vornehmlich von der Sozialdemokratie ferngehalten werden. Darüber, dass die staatlichen Bemühungen, zu denen auch der später noch zu behandelnde Jungdeutschlandbund gehörte, bei einer großen Mehrheit der Jugendlichen relativ erfolglos blieben, ist sich die Forschung einig.222 Allerdings war das Interesse von Vereinen, Verbänden und Kommunen an der staatlichen Jugendpflege hoch. Dies lag nicht zuletzt daran, dass es finanzielle Mittel zu verteilen gab. Mit dem Ju217 Vgl. zu den Phasen kommunaler Sportpolitik NIELSEN: Sport (2002), S. 450–463. Zum Schulturnen siehe ausführlich KRÜGER: Körperkultur (1996), S. 107–184. 218 Siehe hierzu auch Kapitel 6.5. 219 Erlaß des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 18. Januar 1911, betreffend Jugendpflege. 220 DENZEL: Die Stellung (2006), S. 21f; NIELSEN: Sport (2002), S. 498. Im Jahr 1911 standen für die Jugendpflege im preußischen Haushalt eine Million Mark zur Verfügung. 1912 waren es 1,5 Millionen, 1914 bereits 3,5 Millionen. Vgl. NIELSEN: Sport (2002), S. 499. 221 Trott zu Solz, August von: Denkschrift über Jugendpflege in Preußen im Etatsjahr 1911. Berlin 1912, S. 2, in: LHA Koblenz, Best. 403/13198. 222 Vgl. u.a. BINZ: Borussia (1988), S. 222; BERG: Familie (1991), S. 131; EISENBERG: English Sports (1999), S. 270; NIELSEN: Sport, S. 589.

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gendpflegeerlass von 1911 kamen die Dinge in Bewegung, und innerhalb kurzer Zeit wurden auch im saarländisch-lothringischen Grenzraum die entsprechenden Strukturen geschaffen, auf deren Entwicklung ein rascher Blick geworfen werden soll. Im Regierungsbezirk Trier nahm das Saarrevier in Bezug auf die organisatorische Umsetzung der Jugendpflegemaßnahmen eine Pionierrolle ein.223 Bereits im Sommer 1911 traf sich der Landrat des Kreises Saarbrücken mit Bürgermeistern, Vertretern der Schulen, der Kirchen und der Wirtschaft, um den Jugendpflegeerlass umzusetzen. Anfang 1912 konnte der Landrat dem Regierungspräsidenten mitteilen, dass neben dem Kreisausschuss in allen Gemeinden Ortsausschüsse gebildet wurden, an deren Spitze jeweils die Bürgermeister standen. In einigen Ortsausschüssen saßen Geistliche, Lehrer und Vereinsvorsitzende. In Völklingen und Sulzbach fungierten die Schuldeputationen als Ortsausschüsse.224 Auch quantitativ bildete der industrielle Ballungsraum im Saartal zwischen Saarbrücken und Völklingen einen Schwerpunkt der staatlichen Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier. Etwa die Hälfte der 1911 in Vereinen registrierten männlichen Jugendlichen, die für die Jugendpflege in Frage kamen, entfiel auf den Landkreis Saarbrücken.225 Einem Verzeichnis zufolge, das für 1911 die Vereine im Landkreis auflistete – gezählt wurden rund 130 Vereine mit etwa 12 200 Mitgliedern –, waren knapp die Hälfte der Mitglieder in Turnvereinen organisiert, rund 30 Prozent in katholischen Vereinigungen. Die Sport-, Spiel- und Fußballvereine machten etwa ein Viertel der verzeichneten Vereine aus und etwa 15 Prozent der Mitglieder. Die relativ geringe Anzahl ergab sich daraus, dass die Sportvereine zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau waren und viele kleine Vereine lediglich 30–40 Mitglieder zählten.226 Insgesamt wurden die Vereine im Saarrevier, die in der Jugendpflege erfasst wurden, von den mitgliederstarken katholischen Jugendvereinigungen und den Turnvereinen dominiert. Von der staatlichen Unterstützung profitierten vor allem letztere. So wurden im Berichtsjahr 1911 mithilfe staatlicher Gelder nicht nur Fortbildungskurse für Vorturner, Turnwarte und Spielleiter finanziert; für die Er223 Die ersten 1911 gebildeten Kreisausschüsse im Regierungsbezirk fielen sämtlich in das Saarrevier, und zwar auf die Kreise Ottweiler, Saarlouis, Saarbrücken Land und St. Wendel. Siehe protokolliertes Referat des Oberregierungsrates Schulin zum Stand der Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier 1911, in: LHA Koblenz, Best. 403/13198. 224 Schreiben des Landrats an den Regierungspräsidenten in Trier, 31.1.1912, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1290. 225 1911 betrug die Gesamtzahl der männlichen Jugend von 14–20 Jahren im Regierungsbezirk Trier 65 849. Von der Jugendpflege betroffen waren davon 24 275. Der Organisationsgrad der männlichen Jugend entsprach damit 37 %. In Saarbrücken war 1912 sogar jeder zweite Jugendliche in einem Verein organisiert. Siehe protokolliertes Referat des Oberregierungsrates Schulin zum Stand der Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier 1911, in: LHA Koblenz, Best. 403/13198; LINSMAYER: Geselligkeit (1989), S. 232. 226 Die konfessionellen Vereine machten insgesamt 40 % der Vereine aus. Dies entsprach auch dem Durchschnitt des gesamten Regierungsbezirks Trier. Vgl. Verzeichnis der im Kreise Saarbrücken bestehenden Veranstaltungen Dritter und Vereinigungen, welche sich der Pflege der schulentlassenen Jugend annehmen, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279.

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richtung einer Turnhalle beziehungsweise eines Spielplatzes erhielten der Turnverein Saarlouis und der Turnverein St. Wendel jeweils eine Beihilfe von 1 000 Mark. Insgesamt konnten im Regierungsbezirk 150 Unterstützungsanträge positiv beantwortet werden. Die Mehrzahl der Anträge wurde von nicht-konfessionellen Vereinigungen gestellt. In den meisten Fällen wurden die Beihilfen zur Beschaffung von Turn- und Spielgeräten gegeben, aber auch zur Einrichtung und Vergrößerung von Jugendbüchereien – und eben als Unterstützung zur Schaffung von Turnhallen und Spielplätzen.227 Die Verzahnung von Sport und Schwerindustrie im saarländischlothringischen Grenzraum, auf die bereits in Kapitel 2.2 hingewiesen wurde, fand sich auch in der Jugendpflege wieder. Wichtigster Protagonist war wiederum der Industrielle Hermann Röchling aus Völklingen, der es sich auch nicht nehmen ließ, seine Interessen sowohl im Kreis- als auch im Trierer Bezirksausschuss für Jugendpflege persönlich zu vertreten. Als Unternehmer war er von pragmatischen Interessen geleitet. Turnen und Sport sollten die Jugend von den Wirtshäusern fernhalten, Krankheiten eindämmen, und letztlich würde, so Röchling bei einer Besprechung beim Landrat, „ein durch den Sport gekräftigter junger Mann auch einen größeren Verdienst erzielen als ein Schwächling.“228 Hermann Röchling setzte auf gemeinsame Interessen und knüpfte die Bereitstellung finanzieller Mittel seinerseits an die Bereitschaft staatlicher Subventionen. So erklärte er sich 1912 bereit, für die Errichtung eines „mustergültigen Sport- und Spielplatzes mit Badeanlage“ in Völklingen 4 000 Mark zur Verfügung zu stellen. Er verdoppelte damit die staatliche Beihilfe in Höhe von 4 000 Mark, die vom Jugendpflegefonds und vom Landkreis Saarbrücken jeweils zur Hälfte getragen wurde. Der Bau von Turn- und Sportanlagen stand indes nicht nur in Völklingen im Zentrum der Subventionspolitik. 1913 wurden mit Unterstützung der Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier insgesamt 49 Turn- und Spielplätze, 16 Schwimm- und Badeplätze sowie 9 Turnhallen realisiert.229 Im Bezirk Lothringen waren die Strukturen der staatlichen Jugendpflege schwächer ausgebildet als an der Saar. Dennoch führte auch hier der Jugendpflegeerlass von 1911 zu verstärkten Aktivitäten der Behörden, die indirekt auch den Sportvereinen zugutekommen sollten. Noch im selben Jahr wurde in Metz unter dem Vorsitz des Bürgermeisters eine Kommission für Jugendpflege gebildet. Anfang 1912 wurde im Bezirkspräsidium ein Bericht zum Stand der Jugendpflege erstellt. Dieser erlaubt einen Einblick in die Situation der Turn- und Sportvereine in Lothringen, wenngleich der Berichterstatter anmerkte, dass die Kreisbehörden nur wenig Auskunft über die Vereine geben konnten, in welchen Jugendpflege 227 Siehe protokolliertes Referat des Oberregierungsrates Schulin zum Stand der Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier 1911, in: LHA Koblenz, Best. 403/13198. 228 Siehe Registratur einer Versammlung betr. Jugendpflege vom 31. Juli 1911, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279. 229 Die Gesamtkosten der Anlage beliefen sich auf 50 000 Mark. Siehe zu den Vorgängen das Protokoll der Gründungssitzung des Bezirksausschusses für Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier am 1. Juni 1912, das Protokoll der Sitzung am 30.3.1914 sowie das Schreiben Bürgermeister Sohns an den Landrat, 20.8.1914, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279, 1284.

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betrieben wurde.230 Lediglich zu den Kreisen Diedenhofen-West, Metz-Land und Saarburg lagen ihm Vereinsstatistiken vor. Demnach wurden in den drei Kreisen insgesamt 137 entsprechende Vereine gezählt. Die meisten Vereine waren konfessionelle Musik- und Gesangvereine. Sport- und Turnvereine gab es insgesamt 43, was einem knappen Drittel entspricht. Darüber hinaus teilt der Bericht mit, dass in den ländlichen Gegenden kaum Interesse an der Jugendpflege bestehe, da die Jugend dort nach der Schulentlassung bereits intensiv in den bäuerlichen Betrieben mitarbeitete. Dies entspricht auch dem Befund für die ländlichen Gegenden im Saarrevier.231 Der Bericht kommt zu der abschließenden Empfehlung, dass die Jugendpflege insbesondere in den Musikvereinen nicht weiter gefördert werden solle, sondern man sich auf die Organisation und Veranstaltung von Turn- und Jugendspielen beschränken sollte. Die Organisation der staatlichen Jugendpflege gestaltete sich im Reichsland Elsaß-Lothringen anders als an der Saar. Im Juni 1913 wurde in Straßburg der Landesverband für Jugendpflege in Elsaß-Lothringen gegründet, der „die körperliche, geistige und sittliche Gesundheit der heranwachsenden Jugend erhalten und fördern, ihre Liebe zur Heimat und zum Vaterland beleben und vertiefen“232 sollte. Um dies zu erreichen, sollten neben der Einrichtung von Büchereien und Jugendheimen, natur- und heimatkundliche Wanderungen, belehrende Vorträge sowie Turnen, Schwimmen und Bewegungs- und Ballspiele gefördert werden. Auch die Unterstützung des Baus von Turnhallen, Sport- und Spielplätzen wurde als Satzungszweck mit aufgenommen. Vorgesehen waren Verbände auf Bezirksebene sowie die Möglichkeit der Bildung von Ortsgruppen. Der Landesverband muss als staatliche Organisation angesehen werden, da er staatliche Beihilfen verteilte und der Vorsitzende vom Kaiserlichen Statthalter ernannt wurde. Lediglich dessen Stellvertreter sowie die weiteren Vorstandsmitglieder wurden von der Verbandsversammlung gewählt. Dem Verband traten unter anderem die Diözesanverbände der katholischen Männer- und Jugendvereine Straßburg und Metz bei. Mitglieder wurden auch die Regionalsektionen des Deutschen Radfahrerbundes, des Deutschen Schwimmverbandes und der Deutschen Turnerschaft. Auch das Interesse der Fußballvereine an der staatlichen Jugendpflege war hoch. Der Verband süddeutscher Fußballvereine registrierte die Gründung des Landesverbandes mit Wohlwollen und erhoffte sich von ihm eine Stärkung der „Stoßkraft des Sportes“.233 Gerade im Reichsland sei dies von hoher Bedeutung, da der Sport im Elsass und in Lothringen durch die besonderen politischen Verhältnisse in seinem Werdegang gehemmt sei. Da ein korporativer Beitritt des VsFV nicht möglich war, beschlossen die zuständigen Gautage, dass die jeweiligen Vereine dem Lan230 Bericht des Bezirkspräsidiums zum Stand der Jugendpflege im Bezirk vom 12.1.1912, in: ADBR, 69 AL 463. 231 Der Landrat von St. Wendel vermerkte 1911, dass das Bedürfnis nach Leibesübungen auf dem Lande sehr viel geringer sei als in den Städten. Siehe Schreiben des Königlichen Landrats an die Königliche Regierung in Trier, 9.1.1911, in: LHA Koblenz, Best. 442/4021. 232 Satzungen des Landesverbandes für Jugendpflege in Elsaß-Lothringen vom 23.6.1913, in: ADBR, 69 AL 463. 233 VsFV: Jahresbericht 1913–14 (1914), S. 52–53.

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desverband einzeln beitreten sollten. Der VsFV empfahl seinen Vereinen dringend, den Beitritt vorzunehmen, da man nur in dieser Weise im Sinne des Fußballsports auf die Entwicklung des Jugendpflege-Verbands Einfluss gewinnen könne. Der erste Verein im Bezirk Lothringen, der dieser Aufforderung nachkam, war mit der Metzer Sportvereinigung zugleich dessen führender Fußballverein.234 Die Empfehlung für die Vereine in Elsass-Lothringen fand ihre Entsprechung auch im übrigen Verbandsgebiet. So bat der VsFV die Vereine, sich bei der Bildung von Ortsausschüssen anzubieten, denn „das Werk der Jugendpflege bedarf vor anderen des Wohlwollens und der opferwilligen Mithilfe aller Vaterlandsfreunde in allen Ständen und Berufsklassen.“235 Mit diesen Empfehlungen befand sich der VsFV auf der Linie des DFB, der jedem seiner Vereine einen Abdruck des Jugendpflegeerlasses von 1911 zukommen ließ und ihnen empfahl, sich den Jungendpflegeorganisationen anzuschließen.236 Auch an der Saar engagierten sich die jungen Fußballvereine in der staatlichen Jugendpflege. In der Mitgliederliste des Saarbrücker Ortsausschusses für Jugendpflege finden sich neben Turn- und konfessionellen Vereinen mit der Sportvereinigung 1906, dem FV Saarbrücken, dem SC Saar 1905 sowie dem 1. FC Germania auch die vier größten Fußballvereine der Stadt wieder.237 Wie andere Vereine erhielten diese auch Zahlungen aus den entsprechenden Jugendpflegefonds. Im Juni 1914 erläuterte der FV Saarbrücken in einem Schreiben an die Stadt ausführlich, warum er auch im kommenden Jahr erneut Beihilfen nötig habe. Der Verfasser des Briefes führte aus, „dass der Verein fast zur Hälfte aus jugendlichen Mitgliedern bestehe, die ebenfalls dasselbe Anrecht auf Unterstützung aus dem Unterstützungsfonds haben, wie die konfessionellen- und Turnvereine.“238 In das für die Jugendpflege entscheidende Jahr 1911 fiel auch die Gründung des Jungdeutschlandbundes (JDB). Vom Kriegsministerium finanziert, sollte er als Dachverband bereits bestehender Jugendorganisationen fungieren und – nach den Worten seines Gründers Colmar Freiherr von der Goltz – „einen einigermaßen gleichartigen Zug in die Erziehung und Pflege der reiferen Jugend bringen.“239 In der Bundesleitung waren neben Offizieren auch liberale Politiker vertreten. Der Geschäftsführer des JDB, Generalmajor a.D. von Jung, betonte, dass die Gründung des Jungdeutschlandbundes auch deswegen geschehen sei, um endlich dem Beispiel „fast aller übrigen europäischen Staaten, eine Jugendorganisati234 235 236 237

Siehe Aufruf zum Beitritt zum Landesverband [1913], in: ADM, 3 AL 416. VsFV: Jahresbericht 1910–11 (1911), S. 26–27. DFB: Jahresbericht 1913/14 (1914), S. 43. Siehe Mitgliederliste im Bericht über weibliche Jugendpflege der Stadt Saarbrücken 1913– 1918, in: LHA Koblenz, Best. 442/10327; Mitgliederliste des Ortsausschusses für Jugendpflege, in: StA Saarbrücken, G 50/1854. 238 Insgesamt zählte der Verein im April 1914 bei 327 Mitgliedern 256 Mitglieder unter 21 Jahren. Siehe Schreiben FV Saarbrücken an den Beigeordneten Bauer, 2.6.1914, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. 239 GOLTZ: Jung-Deutschland (1911), S. 19. Zur vormilitärischen Erziehung der Jugend im Kaiserreich vgl. DODERER: Die vormilitärische Erziehung (1998).

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on ins Leben zu rufen“, zu folgen.240 Er lobte in diesem Zusammenhang insbesondere die militärische Jugenderziehung, wie sie in Frankreich seit den 1880er Jahren durchgeführt wurde. Unermüdlich werde dort an der Jugend gearbeitet und diese beispielsweise durch Schießübungen in den Vereinen auf den militärischen Dienst vorbereitet. Noch deutlicher als bei der Zusammenarbeit des Zentralausschusses zur Förderung der Volks- und Jugendspiele mit dem Militär, wurde im JDB die vormilitärische Erziehung der männlichen Jugend in den Mittelpunkt gestellt. Allerdings sollte eine offene Militarisierung der Jugend und der Eindruck eines paramilitärischen Charakters vermieden werden, weswegen der JDB auch auf die Unterstützung hoher Funktionäre der bürgerlichen Sportbewegung Wert legte. So konnte mit Carl Diem der Vorsitzende der Deutschen Sportbehörde für Athletik als einer der vier stellvertretenden Bundesleiter gewonnen werden.241 Gleichwohl stand der JDB von Anfang an in der Kritik und war auch innerhalb der staatlichen Jugendpflege umstritten. Insbesondere die konfessionellen Jugendvereine kritisierten die „Kriegsspiele“ und warnten vor einer „Materialisierung“ und einer geistigen Verdummung der Jugend. Bei der Gründungsversammlung des Bezirksausschusses für Jugendpflege in Trier am 1. Juni 1912 sah sich Oberleutnant Hohmann, der Vertreter des Jungdeutschlandbundes, gezwungen, die Vorwürfe der „Soldatenspielerei“ zu entkräften. So sei es keineswegs beabsichtigt, die Jugendlichen zu „uniformieren“.242 Dennoch hielt die Kritik an und auch bei den bürgerlichen Sport- und Fußballvereinen wurde der militärische Charakter des JDB argwöhnisch beäugt. Im Jahresbericht des VsFV wurde kritisiert, dass der DFB „vorschnell“ seinen Beitritt erklärt habe. Insgesamt hoffe man, so der süddeutsche Verband in seinem Jahresbericht, „dass der J.D.B. den sozialen Gedanken des Sportes nicht mit anderen ihm verderblichen Bestrebungen vermengen wird. Es wird abzuwarten sein, ob der J.D.B. seiner Aufgabe gerecht wird. An die Vereine richten wir die Aufforderung, die örtlichen Organisationen des J.D.B. nach Kräften zu unterstützen und darauf bedacht zu sein, dass die Fussballvereine die ihnen zukommende Berücksichtigung finden.“243

Tatsächlich bedeutete der Beitritt des DFB offensichtlich keine automatische Mitgliedschaft seiner Vereine. Der Beitritt zu den Ortsgruppen des JDB wurde den Vereinen aber vom DFB empfohlen. Mit der Ausgabe von Richtlinien sollte der Einfluss der Bundesvereine auf die Ortsgruppen gesichert werden. So sollte die Tätigkeit der Ortsgruppen wesentlich darin bestehen, die Arbeit der Einzelvereine

240 JUNG: Der Jungdeutschland-Bund (1913), S. 5. 241 SCHUBERT-WELLER: Vormilitärische Erziehung (1991), S. 510–511; EISENBERG: English Sports (1999), S. 268–270; BECKER: Den Sport gestalten, Bd. I (2009), S. 129–136. 242 Art. Jugendpflege, in: Saarbrücker Zeitung, archiviert in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279; Protokoll der Gründungsversammlung des Bezirksausschusses für Jugendpflege im Regierungsbezirk Trier am 1. Juni 1912, in: ebda. 243 VsFV: Jahresbericht 1911/12 (1912), S. 77–79. Zur Kritik von Sportlern und Turnern siehe auch TAUBER: Vom Schützengraben (2008), S. 149–153.

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zu fördern, sie finanziell zu unterstützen und große Spiel- und Sportfeste zu organisieren.244 Dieselbe Sichtweise machte sich der süddeutsche Verband zu Eigen. Auf dem Ludwigshafener Verbandstag im August 1912 stellte der FV Bulach den Antrag, dass der VsFV aus dem Jungdeutschlandbund austreten solle. Der Vorsitzende Lothar Popper, der vom DFB in den Ausschuss des JDB gewählt worden war, wies in seiner Replik einen politischen Hintergrund des JDB weit von sich und führte die praktischen Vorteile einer Mitgliedschaft aus: „Weshalb sollen wir denn den anderen Vereinen die Vorteile überlassen, die für uns aus der Zugehörigkeit zum J.D.B. blühen können? An der Spitze des Jungdeutschlandbundes stehen Leute, die bei den obersten maßgebenden Faktoren von großem Einfluß sind. Der bayerische Ministerialerlaß besteht noch. In Preußen steht unter Umständen ein gleicher Erlaß bevor. Da ist es für uns von größtem Wert, so einflußreiche Persönlichkeiten wie Exzellenz v. d. Goltz an der Seite zu haben, die solche Beeinträchtigungen an höchster Stelle unmöglich machen können.“245

Der Antrag des FV Bulach wurde ebenso mit breiter Mehrheit abgelehnt wie ein Jahr später derjenige des FV Schwaben Stuttgart. Im Vorfeld des Verbandstages 1913 legte der Vorstand im „Fußball“ noch einmal ausführlich dar, dass der JDB keine Politik betreibe und warum eine Mitgliedschaft von hohem Nutzen sei. Der Vorstand verstand unter Politik generell Parteipolitik und legte unmissverständlich und ausdrücklich fest, „daß Liebe zu Heimat und Vaterland jeder politischen Färbung entbehrt und daß in diesem Sinne allerdings der Sport mit Recht im Dienste eines vaterländischen Gedankens stehen kann.“246 Die Mitgliedschaft sei ausschließlich von „einfacher praktischer Vernunft“ geleitet und dem Willen, seinen Einfluss auf den JDB zu sichern.247 Wie der Verbandsvorsitzende Lothar Popper verteidigte auch der zweite Vorsitzende Albert die Mitgliedschaft des Verbands im JDB. Ludwig Albert, Rechtsanwalt, Vizefeldwebel der Reserve und im Ersten Weltkrieg Soldat, war nicht nur Schiedsrichter und Mitglied des FK Metis Metz, sondern bereits 1908 Bundesdelegierter des VsFV beim DFB gewesen und fungierte von 1910 bis 1920 als zweiter Vorsitzender. In einem grundlegenden Aufsatz im Jahrbuch des JDB machte er die Fußballspieler als „Kerntruppe“ des Jungdeutschlandbundes aus.248 Trotz militärischer Vokabeln sah er allerdings im Fußball weniger eine vormilitärische Ausbildung als vielmehr ein Instrument der Charakterbildung und der Volkserzie244 Richtlinien für die Vereine des DFB für ihre Beteiligung an Ortsgruppen des Jungdeutschlandbundes, in: DFB: Jahresbericht 1912/13, S. 89. Siehe auch den Beitrag „JungdeutschlandBund“, in: Jahrbuch für Turnkunst 1914, S. 146. 245 Siehe Schlußbericht 16. Tagung des Verbandes S.F.V., in: Fußball und olympischer Sport, 28.7.1913, S. 9–13, hier S. 12. 246 Art. Der Jungdeutschland-Bund, in: Fußball und olympischer Sport, 28.7.1913, S. 2–4. 247 Der Antrag verdeutlichte, wie wenig über die tatsächliche Zugehörigkeit der Verbandsvereine zu den Ortsgruppen des JDB überhaupt bekannt war. Gemäß dem Antrag sollten alle Vereine durch die Verbandszeitung aufgefordert werden, „eine unzweideutige briefliche Erklärung über die Zugehörigkeit zum JDB abzugeben.“ Siehe Bericht „Der Verbandstag in Frankfurt a. M.“, in: Fußball und olympischer Sport, 18.8.1913. 248 Vgl. zum Absatz ALBERT: Das deutsche Fußballspiel (1912), S. 212–222.

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hung. Fußball war für ihn ein soziales Programm für das deutsche Volk. Den Aufschwung des Fußballsports interpretierte Albert dahingehend, dass dieser in der modernen Zeit die Aufgabe habe, das Volk zu einen und zu erziehen. Wie kein anderes Bewegungsspiel sei das Fußballspiel charakterbildend, diene durch sein Prinzip als Mannschaftsspiel der sozialen Schulung und sei damit sozusagen eine staatsbürgerliche Erziehung im Kleinen. Alberts Ansichten spiegelten die reformpädagogischen Leitsätze der Spielbewegung und des Zentralausschusses wider, welche er nun idealtypisch auf den Jungdeutschlandbund projizierte. Im saarländisch-lothringischen Grenzraum breitete sich der Jungdeutschlandbund nur zögerlich aus. Bei einer an die Landräte des Regierungsbezirks Trier gerichteten Umfrage im Herbst 1912 stellte sich heraus, dass der JDB in den Kreisen Merzig und Ottweiler noch nicht tätig geworden war und ein Bedürfnis hierfür auch nicht bestand. Lediglich in den Bürgermeistereien St. Wendel, Sulzbach und Völklingen sei es bereits zur Bildung von Ortsgruppen gekommen, welchen auch zahlreiche Turn- und Sportvereine beigetreten seien. Insbesondere in Völklingen sei es rasch zu Aktivitäten gekommen. So nahmen im Herbst 1912 rund 800 Jugendliche von Turn- und Sportvereinen – unter diesen der SV 1906 Völklingen – an einem Ausflug zum Manövertag der Königlichen 33. Infanterie-Division teil, auf welchem sie dem Großherzog von Baden vorgestellt wurden.249 Am 30. Juli 1913 schließlich wurde im Festsaal des Saarbrücker Rathauses die Ortsgruppe für Stadt- und Landkreis und Garnison Saarbrücken gegründet, deren Vorsitz von einem Major der Saarbrücker Garnison übernommen wurde.250 Wie den Ausführungen des Einladungsschreibens zur Gründungsversammlung zu entnehmen ist, sollte die Ortsgruppe den Jugendlichen als Vermittlungsinstanz zwischen der Armee und den zivilen Vereinen dienen und den Jugendlichen eine vormilitärische Erziehung ermöglichen: „Es handelt sich gerade um diejenige Betätigung, welche den Jugendlichen am meisten Freude macht, z.B. Märsche, Beobachtungen und Übungen im Gelände, Kriegsspiele, Abkochen, Zuschauen bei militärischen Feiern und Manövern, Unterweisung durch Offiziere und Unteroffiziere des Heeres und des Wehrstandes, wenn es hoch kommt, sogar mit Musik.“251

Inwiefern die einzelnen bürgerlichen Fußballvereine an einer Mitgliedschaft im JDB interessiert waren, ist schwer nachzuvollziehen. Im Mitgliederverzeichnis der Saarbrücker Ortsgruppe von 1913 wurden 65 Turn-, Sport- und Jugendvereine aufgelistet. Unter diesen waren mit dem FC Bischmisheim, dem TSV Bliesransbach, dem SK Halberg, dem SK Scheidt und dem SV 1906 Völklingen fünf Fußballvereine vertreten. Dass das Fehlen gerade der großen Saarbrücker Fußballvereine ein Indiz für ein Desinteresse des bürgerlichen Fußballs war, kann nur gemutmaßt werden, da die Verzeichnisse der Folgejahre fehlen. Aus dem Be249 Siehe diverse Schreiben der Königlichen Landräte an den Regierungspräsidenten September bis November 1912, in: LHA Koblenz, Best. 442/10348; Art. Jungdeutschland vor dem Großherzog von Baden, in: Völklinger Zeitung, 9.9.1912. 250 Siehe Satzung und Mitgliederverzeichnis, in: LHA Koblenz, Best. 442/10348. 251 Einladungsschreiben zur Gründung der Ortsgruppe Saarbrücken am 30.7.1913, in: StA Saarbrücken, G 50/1854.

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zirk Lothringen ist über die Mitgliedschaft der Fußballvereine beim JDB – mit Ausnahme des SV Wodan Saargemünd252 – nichts bekannt. Generell ist für ElsassLothringen festzuhalten, dass der Jungdeutschlandbund auf Drängen der reichsländischen Verwaltung darauf bedacht war, seine Präsenz im Reichsland so gering wie möglich zu halten. Der Landesverband für Jugendpflege in ElsassLothringen unterhielt über Vertrauensmänner und Delegierte zwar persönliche Beziehungen zum JDB, war aber trotz des Vorwurfs der sozialdemokratischen Opposition im Landtag kein „Anhängsel des Jungdeutschlandbundes“. Dieser vom sozialdemokratischen Abgeordneten Leopold Emmel253 geäußerte Verdacht genügte der Zweiten Kammer des Landtags jedoch, den geplanten Jahresetat in Höhe von 10 000 Mark für den „Statthalterverband“, wie er von Emmel bezeichnet wurde, im März 1914 abzulehnen.254 Als der Jungdeutschlandbund in Gesprächen mit der reichsländischen Verwaltung daraufhin vorschlug, einen offiziellen Anschluss des Landesverbandes an den JDB vorzunehmen – auch Geldmittel wurden in Aussicht gestellt –, bestand der Statthalter von Elsass-Lothringen in einem Schreiben an den Vorsitzenden des JDB jedoch darauf, die Selbstständigkeit des Jugendpflegeverbandes weiterhin aufrecht zu erhalten. Die reichsländische Verwaltung verfolge die Ziele des Bundes zwar mit Sympathie, aufgrund der „besonderen politischen Verhältnisse Elsass-Lothringens“ erbitte man sich jedoch weder eine Mitgliedschaft noch finanzielle Mittel.255 Der nur geringe Erfolg des Jungdeutschlandbundes bei dessen Werben um die Vereine darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen dem bürgerlichen Fußballsport und den Garnisonen gerade im Grenzraum, wo das Militär stets präsent war, enge Verbindungen herrschten. In den Kasernen bildeten sich zahlreiche Fußballmannschaften und gerade in Lothringen wurde die Armee als Multiplikator zu einem wichtigen Faktor der Verbreitung des Fußballspiels. Die enge Verbindung zum bürgerlichen Fußball manifestierte sich auch darin, dass seit 1911 unter dem Dach des VsFV Heeresmeisterschaften ausgespielt wurden. Darüber hinaus waren Spiele zwischen Vereinen des Saar- und Moselgaus und Militärmannschaften alltäglich. In der Saison 1913/14 wurden beispielsweise von 156 solcher Begegnungen im gesamten Westkreis 83 im Saar- und Moselgau ausgetragen.256 252 GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 41. 253 Leopold Joseph Emmel (1863–1919) wurde 1892 SPD-Vorsitzender im Saarrevier und leitete die Zeitung „Bote von der Saar“. Seit 1899 mit dem Aufbau der elsässischen Sozialdemokratie beschäftigt, wurde er für den Wahlkreis Mülhausen zum Reichs- und Landtagsabgeordneten gewählt. Vgl. biografische Notizen in KLOPP: Geschichte, Bd. 1, S. 187, Bd. 3, S. 31f. 254 Protokoll der 16. Sitzung der 2. Kammer des Landtags am 3.3.1914, in: ADBR 69 AL 463. 255 Siehe Schriftwechsel zwischen dem Jungdeutschlandbund und dem Ministerium für ElsaßLothringen März bis Mai 1914, in: ADBR 69 AL 463. 256 Nur im Oberrheingau wurden mit 90 Spielen mehr Spiele gegen Militärmannschaften bestritten. Siehe VsFV: Jahresbericht 1913–14 (1914), S. 84f. Die Beziehungen der Fußballvereine zum Heer wurden in den Jahresberichten des VsFV ausführlich beschrieben. Zum Militärfußball in Lothringen: Am Vorabend des Krieges zählte das XVI. Armeekorps in Lothringen 29 Regimentsmannschaften. Vgl. hierzu knapp PIROT: Les débuts (1994), S. 140–141, 164–165; PIROT: L’implantation (1995), S. 48.

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Als ein sportlicher Höhepunkt wurde das Saarbrücker Gastspiel des MarineSportclubs Wilhelmshaven im Juni 1911 wahrgenommen. Zu Ehren der „besten Fußball-Mannschaft der Kaiserlichen Marine“ wurde ein silberner Pokal gestiftet und ein abendlicher Kommers veranstaltet. Vor 1 200 Zuschauern konnte der SC Saar 1905 die norddeutsche Elf mit 3:1 Toren schlagen. Als einer der populärsten Gegner galt auch die Mannschaft des Infanterie-Regiments 105 aus Straßburg. Ein „Musterspiel“ am 31. März 1912 in Metz lockte mehr als 1 000 Zuschauer auf den Platz. Die „105er“ spielten auch in Sulzbach und in Neunkirchen.257 Wie gering jedoch die Bereitschaft der Vereinsmitglieder war, sich über den Fußballbetrieb hinaus vereinsmäßig an Wehrübungen zu beteiligen, zeigte sich im Ersten Weltkrieg, als die Vereine auf Weisung des Kriegsministeriums ab dem Jahr 1917 Jugendwehrabteilungen gründen sollten. Diese stießen jedoch, wie im Geschäftsbericht des süddeutschen Fußballverbandes vermerkt wurde, auf „keine besondere Gegenliebe“. Bis März 1918 wurden lediglich in 77 von 351 Vereinen Wehrabteilungen gegründet. Auch im Westkreis blieben über 80 Prozent der Vereine ohne Wehrabteilung. Im Geschäftsbericht wurde offen vermerkt, dass dies wohl darauf zurückzuführen sei, dass der militärische Einschlag solcher Abteilungen und die damit verbundene Einschränkung der Bewegungsfreiheit wohl die meisten Jugendlichen abgeschreckt habe.258 Die Wehrabteilungen teilten damit das Schicksal der mit Kriegsausbruch eingeführten Jugendkompagnien, in denen sich Jugendliche freiwillig zu vormilitärischen Übungen einfinden sollten. Anfangs mit hohem Zulauf, hatte das Interesse an den auch von den Vereinen des DFB kritisierten Übungen259 im weiteren Kriegsverlauf rasch nachgelassen.260 So war das Verhältnis zwischen den bürgerlichen Fußballvereinen und den um eine „Verstaatlichung“ der Jugend bemühten Verwaltungsinstanzen keineswegs immer konfliktfrei. Während die Institution der staatlichen Jugendpflege gerne in Anspruch genommen wurde, wurde das Angebot des Jungdeutschlandbundes nur teilweise wahrgenommen, die Einrichtung von Wehrabteilungen sogar größtenteils abgelehnt. Die Vereine an der Basis erwogen eine Mitgliedschaft in Jugendpflegeorganisationen oder im Jungdeutschlandbund weniger aus nationalideologischen Gesichtspunkten. Für sie standen pragmatische Motive im Vordergrund. Diese ergaben sich nicht zuletzt daraus, dass es in den Jahren vor Ausbruch des Krieges bei den Fußballvereinen zunehmend zu einer „Entdeckung der Jugend“ kam. Um der Jugend in den Fußballvereinen die bestmöglichen Entwick257 Der Marine-SC war der Vorgängerverein des VfB Wilhelmshaven, der 1924 im Wilhelmshavener SV aufging. Zum Spiel siehe Saarbrücker Zeitung, 2.6., 3.6., 7.6.1911. Zur Straßburger Militärmannschaft vgl. Art. Ein Propaganda-Wettspiel in Metz, in: Fußball und olympischer Sport, 9.4.1912, S. 13; Art. zum Sulzbachspiel, in: ebda., 19.8.1912, S. 15. 258 Beitrag „Jugendwehrfrage“, in: VsFV: Kriegs-Geschäftsbericht 1914–18 (1918), S. 9, 11. 259 Der DFB begrüßte offiziell die Einführung der Jugendkompagnien, kritisierte aber die damit einhergehende Störung des Vereinsbetriebs. Vgl. DFB: Kriegsjahrbuch (1915), S. 58. 260 Das Kriegsende verhinderte die Einführung einer pflichtmäßigen vormilitärischen Jugenderziehung. Zu den Jugendkompagnien SCHUBERT-WELLER: Vormilitärische Jugenderziehung (1991), S. 512–514; TAUBER: Vom Schützengraben (2008), S. 153–159, 421; DODERER: Die vormilitärische Erziehung (1998), S. 751–752; SCHÄFER: Militarismus (2011), S. 381–389.

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lungsmöglichkeiten zu bieten, war eine Kooperation mit der Jugendpflege oder dem JDB von großem Vorteil. So war beispielsweise Schülern in Preußen eine Teilnahme an sportlichen Spielen von Vereinen nur dann gestattet, wenn sie dem Jungdeutschlandbund oder den Ortsausschüssen für Jugendpflege angehörten. In Lothringen gab es zwar diesbezüglich keinen Erlass, mit der Gründung des Landesverbandes für Jugendpflege wurde diese jedoch in ähnlicher Weise gestaltet. Allerdings wurde die Heranziehung der Jugend von den Fußballvereinen zunehmend selbstständig in die Hand genommen. Erste Jugendmannschaften kamen in den Vereinen oftmals aus eigenem jugendlichem Antrieb auf. So entstand im Frühjahr 1909 beispielsweise die erste Jugendmannschaft des FV Saarbrücken, die sich zunächst noch selbst verwaltete. Der Anteil der Jugendlichen in den Vereinen stieg sehr rasch an. Bereits 1914 waren von 327 Mitgliedern des FV Saarbrücken 147 jünger als 18 Jahre.261 1913 hatte sich die Anzahl der Jugendmannschaften im Saargau innerhalb nur einer Saison von sechs auf 23 erhöht. Die führende Rolle nahm dabei wiederum Borussia Neunkirchen ein, wo der spätere Sportjournalist Erich Menzel als Leiter der Jugendabteilung fungierte. Zusammen mit der sogenannten „Anschlußabteilung“, in welcher die Jugendmannschaften des örtlichen Hüttenvereins organisiert wurden, verfügte Borussia Neunkirchen 1913 über zehn Jugendmannschaften. Insgesamt nahm der Jugendspielverkehr zwischen den Vereinen im Saargau enorm zu. Aus Neunkirchen kam 1913 schließlich auch der Anstoß, den Jugendfußball zu institutionalisieren. Für Erich Menzel lagen die Vorteile auf der Hand. Die Einrichtung einer Spielserie mache das Fußballspiel für die Jugendlichen noch attraktiver und steigere den sportlichen Wert. Zudem würden die Schulen viel eher eine Spielerlaubnis erteilen als bisher.262 Noch im selben Jahr beschloss der Gautag in Diedenhofen, ab dem kommenden Frühjahr alljährlich eine offizielle Jugendfußballmeisterschaft in mehreren Abteilungen einzurichten. Damit nahm der Saar- und Moselgau in der Nachwuchsförderung des Verbandes süddeutscher Fußballvereine eine Pionierrolle ein. Die Bestimmungen für die Austragung der Spiele waren strikt geregelt. So durften Jugendmannschaften die Reisen zu Auswärtsspielen nur in Begleitung Erwachsener unternehmen, die für deren Betragen verantwortlich waren. Rauchen und Alkohol waren darüber hinaus streng verboten.263 261 Lediglich 71 Mitglieder waren älter als 21 Jahre. Zur Mitgliederstatistik siehe Schreiben des FV Saarbrücken an den Beigeordneten Bauer, 2.6.1914, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. Zu den ersten Jugendmannschaften siehe Festschrift 1. FC Saarbrücken: 50 Jahre (1953), S. 101. Auch beim SV 1906 Völklingen war die Jugend stark vertreten. 1914 betrug der Anteil der 105 Mitglieder unter 20 Jahren rund 36 %. Siehe Nachweisung der männlichen Jugendpflege, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1284. 262 Siehe Erich Menzel: Art. Jugend-Fußball, in: Fußball und olympischer Sport, 12.3.1913, Art. Jugend-Fußball im Saargau, in: ebda., 28.4.1913; Art. Fußballmeisterschaft der Jugendmannschaften im Saargau, in: ebda., 28.5.1913. 263 Die Leitung der Jugendmannschaften im Saar- und Moselgau wurde durch den Metzer Lucien Poinsignon (1888–1937) wahrgenommen, einer der großen Persönlichkeiten der späteren Ligue Lorraine de Football. Die Bestimmungen für die Jugendmeisterschaften sind abgedruckt, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 11, 23.11.1913, S. 99f sowie in: Art. Meisterschaftsspiele für Jugendmannschaften, in: Fußball und olympischer Sport, 17.11.1913.

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Die Jugendmeisterschaft im Saar- und Mosel-Gau wurde beispielgebend für das gesamte süddeutsche Verbandsgebiet. 1914 erließ der VsFV mit dem Jugendspielerstatut erstmals grundlegende Bestimmungen für die Jugendspiele, die sich an die Bestimmungen des Saar- und Moselgaus anlehnten und erzieherische und gesundheitliche Grundsätze berücksichtigten. Die Vereinheitlichung der Regelungen für das gesamte Verbandsgebiet sollte nicht zuletzt auch die Bedenken der Behörden ausräumen, die diese gegenüber der Mitgliedschaft von Jugendlichen in Sportvereinen weiterhin hegten. So sollten die Jugendlichen bis zum Alter von siebzehn Jahren nicht nur vom Alkohol- und Nikotingenuss abgehalten werden, sondern auch vom Besuch von Vereinsveranstaltungen und -stammtischen.264 Resümierend kann für dieses Kapitel festgehalten werden: Die Jugendarbeit in den Fußballvereinen hatte etwa zeitgleich mit der Institutionalisierung der staatlichen Jugendpflege eingesetzt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die staatliche Jugendpflege für den Aufschwung des Jugendfußballs in den Vereinen allein verantwortlich war. Eine größere Rolle dürfte gespielt haben, dass immer mehr Jugendliche in die Fußballvereine drängten und die Entwicklung der Fußballvereine in ein Stadium gelangt war, in welcher die Nachwuchsförderung für das Wohlergehen des Vereins eine immer wichtigere Rolle spielte. Anders als bei der staatlichen Jugendpflege oder beim Jungdeutschlandbund spielten bei den Überlegungen der Vereine politische Ziele nur sehr begrenzt eine Rolle. Zwar war auch den bürgerlichen Vereinen die Erziehung der Jugendlichen ein Anliegen. Es ging ihnen aber in erster Linie um die Erhaltung der sportlichen Qualität im Verein. So wurde bei Borussia Neunkirchen im Jahr 1913 ein systematisches Training des Nachwuchses unter Führung eines älteren erfahrenen Spielers angeordnet, um die erlittenen jährlichen Spielerverluste in der ersten Mannschaft auszugleichen. Gut zum Ausdruck kommt diese Motivation auch in einer Formulierung eines Vereinsfunktionärs aus Metz: Er schlug vor, ähnlich zur Vereinnahmungspolitik der politischen Parteien, die Jugend gleichsam „sportlich [zu] politisieren“. Die Jugend sei die „Zukunft eines jeden Fußballvereins“ und für die Vereinsarbeit unentbehrlich.265 Zweifellos gab die staatliche Jugendpflege der vereinsmäßigen Jugendarbeit aber auch wichtige Impulse. Definitiv erleichterte eine Kooperation mit den staatlichen Stellen und den ihnen angeschlossenen Organisationen die Jugendarbeit. Insbesondere die stets reisefreudigen Fußballvereine profitierten von einer Mitgliedschaft im Ortsausschuss für Jugendpflege oder im Jungdeutschlandbund, da deren jugendliche Mitglieder verbilligt die Eisenbahn nutzen, in Kasernen kostengünstig übernachten und vom Angebot günstiger Unfall- und Haftpflichtversicherungen profitieren konnten.266 Letztendlich gingen die „eigensinnigen“ Fußball264 Siehe dokumentierter Schriftwechsel zwischen dem Verband und den staatlichen Behörden, in: VsFV: Jahresbericht 1913–14 (1914), S. 40–45. Zur Jugendorganisation des VsFV siehe ausführlich ebda., S. 45–48. 265 Siehe Rubrik „Jugend-Fußball“, in: Fußball und olympischer Sport, 28.5.1913 sowie „Brief aus Neunkirchen“, in: ebda., 30.7.1913. 266 EISENBERG: English Sports (1999), S. 270. Zu den gewährenden Fahrpreisermäßigungen siehe auch die Hinweise in: DFB: Jahresbericht 1912/13 (1913), S. 83–86.

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vereine in der Jugendpflege jedoch ihren eigenen Weg. Im folgenden Abschnitt wird aufgezeigt, wie die Anfänge der Jugendpflege die Institutionalisierung der kommunalen Sportförderung beschleunigten und wie der Fußballsport im saarländisch-lothringischen Grenzraum davon profitieren konnte. 4.2 Fußball und Stadt Die Vereine und die Anfänge der kommunalen Sportpolitik Am 9. September 1905 richtete Julius Wolff, Vorsitzender des SC 1905 St. Johann-Saarbrücken, eine Bitte an das Bürgermeisteramt. Er wollte wissen, unter welchen Bedingungen er und seine Vereinsmitglieder sonntags den Spielplatz am Waldhaus nutzen könnten. Eine Woche später präzisierte er seine Anfrage dahingehend, dass der Club, der sich aus Absolventen der höheren Lehranstalten gebildet habe, dort Fußballspiele veranstalten wolle. Außerdem wolle er „feststehende Geräte nach den Regeln des Deutschen Fußballbundes errichten“, die auch den Schülern der Stadt zur Verfügung gestellt werden könnten. Das Anliegen des erst einen Monat zuvor gegründeten Fußballvereins wurde abgelehnt. Man solle im kommenden Frühjahr ein erneutes Gesuch stellen. Auch der ein Jahr später gestellte Antrag des 1. FC Germania St. Johann-Saarbrücken wurde negativ beschieden.267 Einen besonderen Beigeschmack erhielt die Angelegenheit dadurch, dass der St. Johanner Bürgermeister Alfred Paul Neff zugleich Vorsitzender der St. Johanner Turnerschaft war.268 Im Juni 1907 bat diese nun den Bürgermeister darum, ihr den Spielplatz am Waldhaus für die Sonntagnachmittage zu reservieren, damit dort Faustball, Schlagball und Tamburin-Ball gespielt werden könne. Diese Spiele seien geeignet, „der Fussballspiel-Entartung entgegen zu wirken.“269 Eine Antwort des Bürgermeisters ist in den Akten nicht überliefert. Da Neff jedoch zugleich Vorsitzender des Vereins war, dürfte der turnerische Wunsch wohl seinen eigenen Ansichten und Wünschen entsprochen haben. Die Vorgänge in St. Johann stehen beispielhaft für die Schwierigkeiten der frühen Fußballvereine, in ihrer Kommune einen geeigneten Spielplatz zu finden, beziehungsweise ihren Sport überhaupt ausüben zu können. Fußballvereine waren letztendlich auf das Wohlwollen der öffentlichen Würdenträger angewiesen. Der neuen Sportart mangelte es in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in den städtischen Behörden des Kaiserreichs noch an Akzeptanz. In der Kritik stand nicht nur die Sportart selbst, sondern auch das oftmals jugendliche Alter der Fußballanhänger.270 Im Verhältnis der Fußballvereine zu den Kommunen bildete der Sportplatzmangel in den ersten Jahren das beherrschende Thema. Die verschiedenen 267 Siehe handschriftlichen Schriftwechsel zwischen dem Bürgermeisteramt und den Fußballvereinen in den Jahren 1905/1906, in: StA Saarbrücken, Bgm. St. J. 57. 268 Am 26.5.1906 fusionierten der Turnverein und der Turnklub St. Johann zur St. Johanner Turnerschaft. Zu deren Vorsitzenden wurde Bürgermeister Neff (1854–1934) gewählt. Siehe Neue Saarbrücker Zeitung, 28.5.1906, archiviert in: StA Saarbrücken, Bgm. St.-J. 236. 269 Schreiben der St. Johanner Turnerschaft vom 14.6.1907, in: StA Saarbrücken, Bgm. St. J. 57. 270 DENZEL: Die Stellung (2006), S. 10.

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lokalen Fußballvereine mussten sich auf den Plätzen und in den Parks, wo sie geduldet wurden, miteinander arrangieren. So stellte die Stadt Neunkirchen im Jahr 1907 zwar die Pfarrwiesen zur Verfügung, der FC Borussia Neunkirchen musste sich bezüglich der Nutzungszeiten jedoch mit der Spielvereinigung des Realgymnasiums absprechen.271 In Saargemünd mussten sich mehrere kleine Fußballvereine die Turnwiese im Stadtpark teilen, weshalb die Stadtverwaltung sogar eigens einen Belegungsplan erstellte, der von der städtischen Polizei gegebenenfalls überwacht werden konnte. In Metz teilten sich 1908 bereits sechs Vereine den Exerzierplatz Ban St. Martin, den die Metzer Garnison nach Verhandlungen mit der Stadt seit 1905 zur Verfügung gestellt hatte.272 In Orten wie in Metz, Völklingen und Saargemünd wurde die Platzfrage noch vor dem Krieg dahingehend gelöst, dass die Verwaltung ein städtisches Stadion errichtete. In Metz war die Sportplatzfrage insofern drängend, da über Jahre hinweg neben dem Exerzierplatz nur wenige Plätze für Fußballspiele überhaupt in Frage kamen. Gelöst wurde die Frage letztendlich durch die Errichtung des städtischen Stadions, das am 16. Juni 1913 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25jährigen Thronjubiläum Kaiser Wilhelms II. eingeweiht und den Sportvereinen zur Nutzung übergeben wurde. Die Platzanlage verfügte über ein großes Spielfeld, eine Tribüne sowie über Umkleide- und Waschräume.273 In Völklingen wurde ebenfalls 1913 eine umfangreiche städtische Sportanlage errichtet, deren Finanzierung auch mithilfe des Jugendpflegefonds und der örtlichen Schwerindustrie ermöglicht werden konnte. In Saargemünd wurde die Platzfrage von den ansässigen Sportvereinen als besonders existenziell wahrgenommen. Sie fühlten sich gegenüber Vereinen in anderen Kommunen vernachlässigt. Wiederholt bat unter anderem der SV Wodan Saargemünd die Stadt, einen Sportplatz zu errichten, da die hiesigen Turn- und Sportvereine sonst ihre Aufgaben nicht wahrnehmen könnten. Erst im Juni 1914 konnte der noch nicht fertig gestellte Sportplatz an der Blies eröffnet werden.274 Der Bau von Stadien blieb zunächst jedoch eine Ausnahme. Erst nach 1918 sollte es allgemein zur Errichtung städtischer Spiel- und Sportplätze kommen. Fußballvereine, die es sich leisten konnten, lösten die Platzfrage dahingehend, dass sie ein eigenes Gelände pachteten oder erwarben. So pachtete beispielsweise die Metzer Sportvereinigung seit 1909 den Metzer Feuerwehrü271 Schreiben A. Menzel an Bgm. Ludwig, 25.11.1907, in: StA Neunkirchen, Varia Nr. 472. 272 Zu Metz vgl. PIROT: Les débuts (1994), S. 166f.; zu Saargemünd siehe Dossier über die Benutzung der städtischen Plätze für Jugendspiele 1906–1914, in: AM Sarreguemines, 31 R 1. Ab 1909 stand für große Spiele der Exerzierplatz im angrenzenden Neunkirch zur Verfügung. Vgl. GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 38. 273 Die sportliche Gestaltung der Einweihungsfeierlichkeiten, die von leichtathletischen Vorführungen dominiert wurden, übernahm hauptsächlich die Metzer Sportvereinigung. Siehe Art. Sportplatzeinweihung in Metz, in: Fußball und olympischer Sport, 23.6.1913, Art. Zur Jubiläumsfeier in Metz, in: ebda., 25.6.1913. Siehe auch Beitrag „Eindrücke aus Metz“, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 3. Jg., Nr. 9, 7.9.1913, S. 84. 274 Zum Schriftverkehr mit den Vereinen vgl. stellvertretend die Schreiben des SV Wodan an Bürgermeister Wiltzer, 2.9.1913, 1.5.1914, in: AM Sarreguemines, 6 M 1. Das Bliesstadion wurde erst 1923 fertiggestellt. Vgl. GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 204.

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bungsplatz, während Borussia Neunkirchen, der führende Verein des Saargaus, auf dem Ellenfeld 1912 sogar ein vereinseigenes Stadion errichtete. Auf rechteckigem Grundriss entstand 1911/12 ein in die Landschaft sich einpassendes Erdstadion mit Rasenplatz und am Hang aufsteigenden Zuschauerrängen. 275 Derartigen Luxus konnten sich die meisten Fußballvereine nicht leisten. Kurzfristige Ortswechsel waren die Regel, da die Flächen oftmals wieder überbaut oder Pachtverträge nur kurzfristig abgeschlossen wurden. Es verwundert daher nicht, dass die Verfügungsgewalt über einen Spielplatz darüber entschied, ob der Verein sportlich erfolgreich sein konnte oder nicht. Abgesehen von der existenziellen Platzfrage mangelte es den jungen Fußballvereinen in den ersten Jahren aber – im Gegensatz zu den alteingesessenen Turnvereinen – an persönlichen Kontakten und direkten kommunalen Ansprechpartnern. Stadtämter für Leibesübungen wurden erst in den 1920er Jahren geschaffen. Bis dahin waren die städtischen Schul- oder Wohlfahrtsämter für Turnen und Sport zuständig. Die kommunale Sportpolitik beschränkte sich bis weit in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts vorwiegend auf das Schulturnen und die Turnvereine. Auch die Personalpolitik bei der Auswahl städtischer Turnlehrer und -inspektoren setzte dabei auf die Turnvereine.276 Mit dem Aufkommen der Jugendspiele wurden die Kommunen erstmals mit den „english sports“ konfrontiert. In Metz entschloss sich der Gemeinderat zu einer breiten Förderung der Jugendspiele an den Schulen und darüber hinaus. Bereits im November 1902 hatte sich unter der Leitung des Gymnasialdirektors Arnold Herrmann eine Vereinigung zur Pflege der Jugendspiele gebildet. Diese übernahm unter anderem die Verteilung der jährlich bewilligten Mittel in Höhe von 1 200 Mark an die „Spielleiter“ der Metzer Schulen. Außerdem finanzierte die Stadt Fortbildungskurse. Als der Mittelschullehrer Georg Fischer von seinem Lehrgang in Frankfurt berichtete, empfahl er nachdrücklich die Einführung des Fußballspiels an den hiesigen Schulen.277 Etwa zeitgleich wurden auch in der zweitgrößten Stadt des Bezirks Lothringen, in Saargemünd, die Fundamente einer Förderung der Jugendspiele gelegt. Ähnlich wie in Metz wurden freiwillige Jugendspielabende für Schüler in die Wege geleitet und die Schulung der Spielleiter durch die Stadt finanziert.278 Darüber hinaus wurden entsprechende Großveranstaltungen gefördert. Allerdings kamen größtenteils nicht die Sportvereine, sondern die Schulen und die Turnvereine 275 Der Pachtvertrag mit Vorkaufsrecht wurde am 5.11.1911 unterzeichnet. Das älteste vereinseigene Stadion im saarländisch-lothringischen Grenzraum wurde 1912 eröffnet und existiert noch heute. Vgl. FUCHS: Ellenfeldstadion (2010), S. 279. 276 1906 wurde der Turnwart Johann Poller vom TV Malstatt als Turninspektor MalstattBurbachs eingestellt. 1907 erfolgte auch die Einstellung eines Turnlehrers in St. Johann. Siehe Akte zur Anstellung eines Turnlehrers, in: StA Saarbrücken, Bgm. St. J. 235. In Diedenhofen wurden seit 1897 dem Turnwart des örtlichen Turnvereins jährlich 100 Mark für die Ausbildung von Zöglingen zur Verfügung gestellt. Siehe AM Thionville, 4 R 1. Zu den verschiedenen Phasen kommunaler Sportpolitik siehe NIELSEN: Sport (2002), S. 446–582. 277 Siehe umfangreichen Schriftverkehr 1902–1907, in: AM Metz, 1 R 259. Vgl. auch PIROT: Les débuts (1994), S. 132–134. Vgl. auch ausführlich: HIRTZ: Die Spielbewegung (1907). 278 Siehe Dossier zur Organisation der Jugendspiele, 1902–1911, in: AM Sarreguemines, 31 R 1.

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in den Genuss der Unterstützung.279 Mit den Jugendspielen, unter welchen auch der Fußball subsumiert wurde, gerieten auch die Sportvereine zunehmend in das Blickfeld einer sich langsam entfaltenden kommunalen Sportpolitik. Dies war nicht zuletzt auch den Werbekampagnen des Zentralausschusses zur Förderung der Volks- und Jugendspiele zu verdanken. Denkschriften, die konkret an die Stadtverwaltungen gerichtet waren, sowie Erhebungsbögen über Spiele außerhalb der Schulen, wurden auf breiter Basis rezipiert und fanden sich entsprechend auch in vielen kommunalen Akten im saarländisch-lothringischen Grenzraum wieder.280 Aber auch die bürgerlichen Fußballverbände setzten sich bei den Behörden für ihren Sport mit der Versendung eigener Werbeschriften ein. Die Kommission des „DFB-Jahrbuchs 1910“, der auch Ludwig Albert angehörte, gab die Maxime „Propaganda nach innen und aussen“ aus und versandte Exemplare des Jahrbuchs an Ministerien, Gemeindeverwaltungen, Schulen und Armeekommandos.281 Durchschlagenden Erfolg hatte die Sensibilisierung für den Sport in den Kommunen jedoch erst, als diese in politische Weisungen innerhalb einer beginnenden staatlichen Jugendpflege umgesetzt wurde. 1907 äußerte sich erstmals der preußische Innenminister Bethmann-Hollweg positiv über den Sport.282 Noch im selben Herbst wurde der Regierungspräsident des Bezirks Trier angewiesen, er solle „der Förderung von Spiel und Sport unter der schulentlassenen Jugend besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen“283, weswegen dieser sich wiederum an die Landräte seines Regierungsbezirks wandte. In jenem Schreiben schlug er vor, „daß die Verwaltungsbehörden mit den bereits zur Zeit bestehenden Spielund Sportvereinigungen eine engere Fühlung nehmen und durch diese auf die Gründung von Jugendspielabteilungen und Veranlassung von Spielkursen hinwirken.“284 Als Vorbild für die Rheinprovinz galt den Behörden Oberschlesien. Wie dort sollten die Kreise und Gemeinden Turnhallen und Spielplätze bereitstellen und Wettspiele unterstützen. Insbesondere sollte auch die Schwerindustrie für das Vorhaben gewonnen werden. Im Rahmen dieser Initiative ersuchte der Saarbrücker Landrat deshalb im Februar 1908 seine Bürgermeister, Spiel und Sport in

279 So beispielsweise bei den „Jugendspielen“, die anlässlich des Deutschen Kongresses für Knabenhandarbeit in Saarbrücken im Juli 1908 abgehalten wurden, und bei welchen auch Fußball gespielt wurde. Siehe Programm „Jugendspiele der Schulen und Turnvereine der Saarstädte“ am 12.8.1908, in: StA Saarbrücken, Bgm. M.-B. 1189. 280 Siehe beispielsweise die 34-seitige Denkschrift „Eine Aufgabe für Stadtverwaltungen“ von Georg Kerschensteiner aus dem Jahr 1903, in: StA Saarbrücken, Bgm. Alt-SB 231. Zum hohen Stellenwert der Spielplatzfrage beim ZA vgl. WASSONG: Playgrounds (2007), S. 130. 281 Der DFB veranschlagte für seine „intensive Werbetätigkeit“ im Zeitraum von 1911–1913 einen Betrag von 6 000 Mark. Vgl. VsFV: Jahresbericht 1910/11 (1911), S. 21. 282 DENZEL: Die Stellung (2006), S. 21. 1908 wurde erstmals im preußischen Jahresetat ein Haushaltsposten in Höhe von 100 000 Mark zur Förderung der Leibesübungen der Jugend eingestellt. Vgl. NIELSEN: Sport (2002), S. 440. 283 Schreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz an den Regierungspräsidenten in Trier, 10.10.1907, in: StA Saarbrücken, Bgm. Alt-SB 231. 284 Schreiben des Regierungspräsidenten an die Landräte sowie an diverse Bürgermeister, 11.1.1908, in: StA Saarbrücken, Bgm. Alt-SB 231.

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ihren jeweiligen Amtsbezirken zu fördern.285 Für die Bürgermeistereien erschloss sich damit noch vor der Institutionalisierung der staatlichen Jugendpflege ein neuer Aufgabenbereich. Gleichwohl bedeutete diese ab 1911 eine deutliche Verbesserung der Kommunikation. Die in vielen Orten eingerichteten Ortsausschüsse für Jugendpflege wurden zu einer Schnittstelle zwischen den kommunalen Behörden und den Vereinen. So schrieb Carl Bartsch, Vorstandsmitglied des 1. FC Germania Saarbrücken und Vorsitzender der Saargaubehörde im Jahr 1911: „Wenn auch von dieser Kommission selbst für unsere Bestrebungen nicht allzuviel zu erwarten ist, so ist es doch von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass uns dadurch Gelegenheit zu persönlicher Fühlungsnahme mit den leitenden Personen gegeben ist.“ 286

Bürgermeister vieler Orte, so in Völklingen und Saarbrücken,287 engagierten sich persönlich in der Jugendpflege. Es waren daher gerade die persönlichen Kontakte, von welchen nun auch die Fußballvereine profitieren konnten, jedoch eben auch von deren Wohlwollen abhängig waren. Dieses war von Stadt zu Stadt unterschiedlich. So erhielt Borussia Neunkirchen, der größte Verein des Saargaus, im Jahr 1914 von der Gemeinde Neunkirchen eine Schenkung von 1 000 Mark sowie einen zinslosen Kredit in Höhe von 7 000 Mark.288 Diese finanzielle Unterstützung dürfte jedoch eine Ausnahme gewesen sein. In der Regel bewegten sich die städtischen Beihilfen in weitaus geringeren Höhen und wurden auf Antrag durch die Ortsausschüsse für Jugendpflege verteilt. So standen dem Saarbrücker Ortsausschuss neben den staatlichen Zuschüssen jährliche städtische Mittel in Höhe von 1 800 Mark zur Verfügung289, welcher dieser auf alle Jugendpflege treibenden Vereine verteilen musste. Im Bezirk Lothringen, wo die Institutionalisierung der staatlichen Jugendpflege nicht im selben Maße fortgeschritten war wie an der Saar, kamen die Sportvereine noch seltener in den Genuss direkter Unterstützungen. Während beispielsweise die Stadt Diedenhofen nur in Ausnahmefällen bereit war, geringe Zuschüsse zu bewilligen und Ehrenpreise zu stiften290, verweigerte die Stadtverwaltung in Saargemünd den Turn- und Sportvereinen jeglichen Zuschuss. Zur Bildung lokaler Interessenverbände, in denen sich die Turn- und Sportvereine vor Ort zusammenfanden, kam es in der Regel erst nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Ausnahme bildete die Großstadt Saarbrücken, wo bereits im Frühjahr 1914 mehrere lokale Fußballvereine sich zu einer eigenen Interessenorganisation zusammenschlossen. Zu den Gründungsmitgliedern des am 13. März 1914 im „Neuen Münchener Kindl“ gegründeten Rasensportverband Saarbrücken 285 Rundschreiben des Landrats von Saarbrücken, 20.2.1908, in: StA Völklingen, A 434. 286 Bericht der Saargaubehörde, in: VsFV: Jahresbericht 1910/11 (1911), S. 95. 287 Erich Mangold, erster Oberbürgermeister Saarbrückens (1909–1919), war Mitglied des lokalen Arbeits- wie auch des Bezirksausschusses für Jugendpflege in Trier. Siehe Sitzungsprotokoll des Bezirksausschusses für Jugendpflege, 1.6.1912, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 1279. 288 Bericht der Saar- und Moselgaubehörde, in: VsFV: Jahresbericht 1913/14 (1914), S. 124. 289 Siehe Bericht über die weibliche Jugendpflege der Stadt Saarbrücken 1913–1918, in: LHA Koblenz, Best. 442/10327. 290 Siehe Schriftverkehr der Stadt mit den Vereinen, 1905–1908, in: AM Thionville, 31 R 1.

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gehörten nicht nur die fünf größten Fußballvereine der Stadt291, sondern auch die Fußballabteilungen des TV Burbach und des TV 1848 Saarbrücken. Sein Zweck war laut Satzung der „engere Zusammenschluss aller Rasensport treibenden Vereine in Saarbrücken zur Förderung des Rasensports, vornehmlich des Fussballspiels und der volkstümlichen Übungen sowie zur Hebung des allgemeinen Interesses dafür.“292 Der Vorstand setzte sich aus je zwei Vertretern der Vereine zusammen, als Schriftführer fungierte mit Paul Dittscheid der 25-jährige Vorsitzende des 1. FC Germania Saarbrücken. Sich der Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet fühlend, organisierte der Rasensportverband auch Veranstaltungen in eigener Regie. Die erste dieser Art war im April 1914 ein Geländelauf über fünf Kilometer.293 Die Interessengemeinschaft bestand auch über den Krieg hinaus und wurde Mitglied des 1919 gegründeten Saarbrücker Verbandes zur Förderung der Leibesübungen. Resümierend kann für dieses Kapitel festgehalten werden: In der Forschung gilt der um 1900 einsetzende Aufbau moderner Leistungsverwaltungen in den deutschen Städten und Großstädten als Ausgangspunkt der Entwicklung zur modernen Wohlfahrtspflege. Im Bereich der Sportförderung erfolgte nach ersten 1907/08 erlassenen Richtlinien der entscheidende Anstoß zu einer kommunalen Sportpolitik mit der Umsetzung des preußischen Jugendpflegeerlasses von 1911.294 Auch für die Fußballvereine bedeutete dies einen Wendepunkt insofern, dass sie neben einer quasi von oben verordneten Akzeptanz ihrer Arbeit nun Zugang zu den leitenden Persönlichkeiten der Verwaltung hatten. Der Sportplatzfrage galt vor allem in kleineren Vereinen die größte Sorge, da sie bei akutem Platzmangel auf das Wohlwollen der Behörden angewiesen waren. Allerdings war auch hier bei den kommunalen Würdenträgern ein Bewusstseinswandel entstanden, der sich vermehrt in der Errichtung von Sportplätzen ausdrückte, wenngleich größere Anlagen erst in den 1920er Jahren erbaut wurden. Nur die größten Fußballvereine konnten bereits in dieser Frühphase des Fußballsports mit vereinseigenen Sportplätzen aufwarten. Hier zeigte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg, dass eine erfolgreiche sportliche Zukunft auch ein entsprechendes wirtschaftliches Umfeld und eine kommerzielle Ausrichtung von Vereinsseite aus voraussetzte. Vereine wie der SV 1906 Völklingen und Borussia Neunkirchen wurden innerhalb weniger Jahre nicht nur die größten Sportvereine ihrer jeweiligen Orte, sondern auch wichtige Akteure im urbanen Sportstättenbau.

291 SC Saar 1905, Sportvereinigung Saarbrücken, 1. FC Germania Saarbrücken, FV Saarbrücken, Ballspiel-Club Saarbrücken. Siehe Saarbrücker Zeitung, 18.3.1914. 292 Siehe Satzung und Mitgliederliste des Rasensportverbandes, in: StA Saarbrücken, G 10 2233. 293 HOLZ: Die Entstehung (2000), S. 70. 294 So auch DENZEL: Die Stellung (2006), S. 22.

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4.3 Fußball ohne Grenzen? Zwischen Kosmopolitismus, Heimat und Vaterland An den Osterfeiertagen des Jahres 1914 standen in Metz zwei vom DFB genehmigte Fußballspiele an. Die Metzer Sportvereinigung plante zwei internationale Spiele gegen den französischen Club Athlétique du XIVe Arrondissement Paris und den belgischen Verein Football-Club de Bressoux. In dem Schreiben an das Kaiserliche Ministerium in Straßburg, in welchem der Verein darum bat, die Spiele zu genehmigen, stellte er diese als Werbespiele für die Sportbewegung dar, um „das Interesse der einheimischen Bevölkerung“ für diese zu wecken. Die Genehmigung für die Spiele wurde erteilt, da bereits des Öfteren Fußballspiele mit französischen Mannschaften hier stattgefunden hatten, ohne dass etwas vorgefallen sei. Gleichwohl wurde der Vorsitzende der Metzer Sportvereinigung angewiesen, „die volle Verantwortung für ein taktvolles Auftreten der ausländischen Sportsleute zu übernehmen.“295 Internationale Spiele waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg keine Seltenheit im bürgerlichen Vereinsfußball. Gerade in Grenzregionen waren solche Spiele häufig in den Jahreskalendern der Vereine zu finden. So ist es keine Überraschung, dass die Quote der internationalen Spiele im Saargau überdurchschnittlich hoch war. In der Saison 1913/14 wurden 45 internationale Spiele durchgeführt. Zusammen mit den 56 Partien des Oberrheingaus machten die internationalen Begegnungen in den beiden westlichen Grenzgauen des süddeutschen Verbandsgebietes etwa die Hälfte aller internationalen Begegnungen aus.296 Internationalität war seit seinen Anfängen ein charakteristisches Merkmal des Fußballsports, das letztlich daher rührte, dass er als Disziplin der „english sports“ das Ergebnis kultureller Transferprozesse war.297 Das Fußballspiel hatte sich von England aus in ganz Europa – wenn auch in verschiedener Intensität – verbreitet, so dass Spiele gegen ausländische Gegner prinzipiell möglich wurden. Überwogen in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts noch kosmopolitische Idealvorstellungen im bürgerlichen „Gesellschaftsspiel“ Fußball, verstärkten sich seit der Jahrhundertwende auch im Sport nationalistische Tendenzen. Dieser „sportliche Nationalismus“ war Ausdruck des emporsteigenden Nationalismus, in dessen Umfeld sich die Staatsnationen in Europa konsolidierten.298 Gerade im deutsch-französischen Grenzraum kam es zu einer Politisierung und Militarisierung der Gesellschaft, die auch vor den Turn- und Sportvereinen

295 Schreiben Metzer Sportvereinigung an das Kaiserliche Ministerium Straßburg, 19.3.1914; handschriftliche Notizen zur erteilten Genehmigung vom 8.4.1913, in: ADM, 3 AL 416. 296 Insgesamt kam es im Verbandsgebiet in der Spielzeit 1913/14 zu 210 registrierten internationalen Begegnungen. Siehe VsFV: Jahresbericht 1913–14 (1914), S. 84f. 297 Für Ute Andrea Balbier stellt die Internationalität das Hauptwesensmerkmal des Sports überhaupt dar. Vgl. BALBIER: Spiel (2005), S. 597. 298 Zur Thematik des sportlichen Nationalismus, der eine große Bandbreite an Konstellationen und Diskursen beinhaltet, siehe GOKSØYR: Nationalism (2010), S. 290; LANFRANCHI: Football (2002), S. 16.

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nicht Halt machte. Die im 19. Jahrhundert entstandene Idee der Erbfeinschaft,299 die sich im Reichsland Elsass-Lothringen und an der Saar greifbar manifestierte, belastete nicht nur die deutsch-französischen Beziehungen, sondern wirkte unmittelbar auf das Alltagsleben zurück. Der sportliche Nationalismus zeigte sich an der Saar im patriotischen Spichererbergfest der Turner, während es im Bezirk Lothringen seit 1908 zu einer verstärkten Aktivität profranzösischer Vereine kam. Hinzu traten als sportpolitische Akteure der Staat und das Militär erstmals nachhaltig in Erscheinung. Vor allem an der Saar – und aus politischen Gründen weniger offensiv in Elsass-Lothringen – sollte die Turn- und Sportbewegung über staatliche Jugendpflege, Jugendorganisationen und Jugendwehren vor den nationalen Karren gespannt werden. Dennoch kam es in diesem Umfeld in zunehmendem Maße bis unmittelbar in die Wochen vor Ausbruch des Krieges zu zahlreichen grenzüberschreitenden Kontakten der Fußballvereine. Waren es die Ideale einer völkerverbindenden Vision, welche die Vereine dazu bewegten, internationale Spiele abzuschließen, oder waren es wie bei der Jugendpflege vorwiegend vereinsökonomisch-pragmatische Motive? Anhand der internationalen Spiele sollen nicht nur diese zwei verschiedenen Leitgedanken überprüft, sondern auch das Selbstverständnis der bürgerlichen Fußballvereine im Grenzraum illustriert werden. Letztlich bleibt zu fragen, wo sich die Vereine wiederfanden: zwischen Vaterland, Heimat und Internationalität. Einer der einflussreichsten Vordenker des länderübergreifenden Spielverkehrs war Walther Bensemann, der als weitgereister Fußballpionier auch im lothringischen Saarburg tätig geworden war. Er sah im internationalen Fußballspiel ein Mittel der Völkerverständigung. Mit der europäischen Verbreitung des Fußballspiels, so schrieb der damals 21-jährige Student im Jahr 1894, seien „internationale Beziehungen in das Reich der Möglichkeit gerückt, wie sie besser und dauernder durch ein Dutzend von Friedenskongressen nicht erzielt werden könnten.“ Für Bensemann war Fußball bereits damals „zum Culturfactor geworden, der in seiner Art in die Reihen ausgeprägter Chauvinisten eine Portion Weltbürgertum verpflanzt.“300 Seit den frühen neunziger Jahren setzte er sich dafür ein, dass deutsche gegen ausländische Mannschaften antraten. Bereits 1894, nur ein knappes Jahr nach der Gründung des Straßburger FC, versuchte er französische Mannschaften für ein Spiel zu gewinnen. Seine Einladungen wurden jedoch ausgeschlagen. Die französische Sportzeitschrift „Les Sports Athlétiques“ argumentierte, eine Pariser Mannschaft käme nur nach Straßburg, wenn ein Sieg garantiert sei. Von Teilen der französischen Öffentlichkeit wurde das Ansinnen Bensemanns gar als politische Provokation wahrgenommen. So beschied eine Pariser Zeitung, dass man nach Straßburg nur mit Kanonen zu kommen gedenke.301 In einem öffentlichen 299 GROßMANN: La Sarre (2008), S. 32. 300 BENSEMANN: Die Fussballbewegung (1894), S. 1194. Seine kosmopolitischen Ansichten kommen auch in einem 1910 publizierten Beitrag im DFB-Jahrbuch zum Ausdruck. Vgl. BENSEMANN: Der Fußballsport (1910). Die Sportzeitung „Spiel und Sport“ des Briten John Bloch erschien von 1891 bis 1901 und war offizielles Organ vieler Pionierorganisationen des deutschen Fußballs. Vgl. hierzu auch GILLMEISTER: English Editors, S. 38–46. 301 Notiz, in: Spiel und Sport, 3.2.1894, S. 96; BEYER: Walther Bensemann (2003), S. 20f.

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Schreiben Bensemanns an „die Herren Capitaine aller Fussballclubs in Deutschland“ bezeichnete er solche Vergleiche als geschmacklos und trivial und geißelte das französische Verhalten als „unsportsmanlike“. Er protestierte dagegen, „dass man in französischen Sportclubs die politischen Verhältnisse der beiden Nachbarstaaten als Deckmantel benutzt, um ein Match abzuschlagen.“302 Erst Jahre später, im Dezember 1898, erreichte Bensemann nach langwierigen Verhandlungen die Einladung einer von ihm zusammengestellten Mannschaft nach Paris, wo es dann zu den ersten zwei deutsch-französischen Fußballbegegnungen kommen sollte.303 Zurück zum saarländisch-lothringischen Grenzraum. Rund zehn Jahre nach den Pariser Spielen hatte sich der Fußballsport an Saar und Mosel soweit etabliert, dass er Verbandsstrukturen und eine eigene bürgerlich-exklusive Fußballkultur zu entwickeln begann. Es entstanden die ersten größeren Vereine, die sich miteinander vernetzten, sich aber auch voneinander abgrenzten. So arbeiteten sie Hand in Hand, wenn es darum ging, gemeinsame Interessen beispielsweise gegenüber der Turnbewegung zu formulieren; und gerieten aneinander, wenn sich sportlichlokale Rivalitäten herausgebildet hatten. Das nachweislich erste internationale Wettspiel eines Fußballvereins aus dem saarländisch-lothringischen Grenzraum fand an Weihnachten 1906 gegen einen französischen Verein statt. Der SC Saar 1905 St. Johann-Saarbrücken spielte gegen den Stade Universitaire Lorrain aus Nancy und verlor mit 2:7 Toren.304 Internationale Spiele fanden meist an den Weihnachtsfeiertagen, an Neujahr, Ostern und Pfingsten statt, da in diesen Zeitfenstern keine Meisterschaftsspiele stattfanden und den Mannschaften genügend Zeit für An- und Abreise zur Verfügung stand. Nicht selten nutzten die Vereine die freien Tage zu Wettspieltourneen, bei welchen sie zwei bis drei Spiele austrugen. So verband der eingangs erwähnte C.A. du XIVe arrondissement de Paris die weite Anreise in den Grenzraum am folgenden Tag mit einem weiteren Gastspiel in Trier. Aufgrund der geografischen Nähe kamen die internationalen Gegner in der Regel aus Luxemburg, Belgien und Frankreich. Dies galt in erster Linie für die Metzer Vereine, die bereits in den ersten Jahren Spiele gegen Mannschaften aus Nancy und Paris austrugen.305 Für die Platzeinweihung des Sportplatzes am Heusnersweiher am 11. April 1909 konnte Borussia Neunkirchen eine der damals erfolgreichsten französischen Fußballmannschaften verpflichten, den katholischen Verein Patronage Olier aus Paris, der 1908 die Meisterschaft der Fédération gymnastique et sportive des patronages de France (FGSPF) für sich hatte ent302 Offener Brief von Walther Bensemann, in: Spiel und Sport, 15.12.1894, S. 1357. Abgedruckt findet er sich auch in der Quellenedition von Bernd-M. BEYER: Der König (2008), S. 39–40. 303 Die Mannschaft, in der auch Ivo Schricker mitwirkte, siegte am 11. und 12.12.1898 gegen den hauptsächlich aus Engländern zusammengesetzten Pariser Meister White Rovers (7:0) und gegen eine Pariser Stadtauswahl (2:1). Siehe ausführliche Reiseberichte in: Spiel und Sport, 17.12.1898, S. 1411–1413, 1426, 24.12.1898, S. 1437f. Zu Bensemanns internationalen Bemühungen siehe außerdem GILLMEISTER: The first european match (1997), hier S. 4. 304 Tags darauf spielte der SC Saar gegen Donar Straßburg und unterlag mit 3:6 Toren. Vgl. Monatsschrift SV Saar Saarbrücken, 2. Jg., Nr. 3, März 1950. 305 Siehe Art. Entwicklung des Sportsgedankens in Metz, in: Lothringer Sport, 20.7.1922.

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scheiden können.306 Internationale Spiele wurden auch von kleineren Vereinen wie dem lothringischen Saarburger FC ausgetragen, wenngleich sich deren Auswahl in der Regel auf grenznahe Vereine wie den aus dem französischen Lothringen stammenden Sportverein US Lunéville beschränkte.307 Den Verlautbarungen des DFB zufolge gestaltete sich der deutsch-französische Spielverkehr sehr schwierig, da die deutschen Vereine beim Abschluss eines Spiels erst herausfinden mussten, welchem Verband der entsprechende französische Verein angehörte. Hintergrund war, dass der französische Verband der FIFA angehören musste, damit die Vereine untereinander internationale Spiele bestreiten konnten. Für den DFB waren diese bürokratischen Hürden ein Hauptgrund, warum der Spielverkehr mit Frankreich sich im Vergleich etwa zu den Niederlanden auf geringem Niveau bewegte und sich hauptsächlich auf die Grenzregionen beschränkte. Der DFB bemängelte, dass die französischen Verbände nicht über Jahrbücher, Mitgliederlisten oder amtliche Nachrichten verfügten, und sah sich 1913 veranlasst, „dafür zu sorgen, daß namentlich die Vereine aus dem Elsaß und Lothringen den Verkehr mit französischen Mannschaften erhalten, dessen sie so sehr bedürfen.“308 Britische Mannschaften wurden im saarländisch-lothringischen Grenzraum dagegen selten gesehen. Zur einzigen Begegnung in Saarbrücken kam es im Mai 1912, als der SC Saar 1905 auf den Queens Park Rangers Football Club aus London traf. Gemeinsam mit Fußballvereinen aus Kaiserslautern, Mannheim, Pforzheim, Nürnberg und Stuttgart hatte der Klub die britische Profimannschaft verpflichtet. Der SC Saar hatte das Spiel, über das in der Lokalpresse im Vorfeld ausführlich berichtet wurde und für welches der Verein mehrmals Werbeanzeigen schalten ließ, „mit großen finanziellen Opfern und nicht geringem Risiko“ abgeschlossen. Der Verein lud Ehrengäste ein, richtete Vorverkaufsstellen ein und versprach sich vom Spiel trotz zu erwartender Niederlage eine hohe Werbewirkung. Tatsächlich erfüllten sich die Hoffnungen. An einem Samstagabend wurden etwa 3 000 Zuschauer Zeugen eines 12:0-Sieges der Engländer; unter der Zuschauermenge weilten neben dem Saarbrücker Landrat Walter von Miquel Bankdirektor Neu sowie mehrere Stadtverordnete. Zu einem weiteren saarländischenglischen Spiel kam es am Ostersonntag 1913 in Neunkirchen. Der Londoner Vorortverein Spartans FC Walthamstow gab sich im Rahmen einer Spieltournee auf dem Ellenfeld die Ehre und schlug die erste Mannschaft von Borussia Neunkirchen vor über 3 000 Zuschauern mit 5:2 Toren.309 306 Das Spiel wurde mit 3:4 Toren verloren. Siehe Beitrag „Von der C-Klasse zur Liga“, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 5, 1.5.1912. 307 Ein Aufeinandertreffen der Clubs wurde im Herbst 1913 genehmigt und sollte beobachtet werden, fand aber wegen der Erkrankung mehrerer Spieler nicht statt. Vgl. Schriftverkehr Saarburger Fußballklub, in: ADM, 3 AL 416. 308 DFB: Jahresbericht 1912/13, S. 41. 1911/12 registrierte der DFB 17 deutsch-französische Begegnungen, 1912/13 23 und 35 in der Spielzeit 1913/14. 309 Zum Spiel der Queens Park Rangers siehe Saarbrücker Zeitung, 8.5., 10.5., 11.5., 13.5.1912; Art. Queens Park Rangers in Süddeutschland, in: Fußball und olympischer Sport, 20.5.1912, S. 7–8. Zum Spiel des FC Walthamstow siehe Art. Brief aus Neunkirchen, in: ebda., 27.3.1913.

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Das Attribut „international“ wurde auch für die Sportfeste, die vorzugsweise in den spielfreien Sommermonaten stattfanden, benutzt. Es handelte sich zumeist um leichtathletische Wettkämpfe, die widerspiegeln, dass in den Fußballvereinen Leichtathletik und Fußball einher gingen. Die klangvollen Bezeichnungen „Nationale olympische Wettkämpfe“ und „Internationale Olympische Spiele“ wurden wie im gesamten Deutschen Reich auch hier geradezu inflationär verwendet und sollten vor allem dazu dienen, dem Sportfest Glanz zu verschaffen und Zuschauer anzulocken. „Nationale Olympische Wettkämpfe“, bei welchen Vereine aus dem Reichsgebiet teilnahmen, wurden 1912 sowohl von Borussia Neunkirchen als auch vom SV Völklingen 06 anlässlich der Platzeröffnung durchgeführt.310 Der FV Saarbrücken veranstaltete 1914 bereits zum dritten Male seine „Nationalen Olympische Spiele“.311 Die Metzer Sportvereinigung organisierte mindestens seit 1910 jährlich ihre „Internationalen Olympischen Spiele“. Am 17. Juli 1914 – am Vorabend des großen Krieges – nahmen dabei Fußballvereine aus Metz, Straßburg, Brüssel, Nancy, Frankfurt, Saarbrücken und Trier teil.312 Während sich die politischen Spannungen in den Jahren vor Kriegsausbruch verschärften, nahm die Anzahl der internationalen Begegnungen paradoxerweise zu. In der Saison 1913/14 wurden im süddeutschen Verbandsgebiet 210 internationale Spiele registriert. Die Anzahl hatte sich damit in nur zwei Jahren beinahe verdoppelt.313 Waren die Vereine tatsächlich in diesem Fall „unpolitisch“ und agierten, als gebe es für den Sport keine nationalen Grenzen? Die Gründe, warum Fußballvereine in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg vermehrt den internationalen Sportkontakt suchten, dürften vielschichtig sein. Spiele mit ausländischen Vereinen wurden von den Behörden zwar geduldet, mitunter aber auch argwöhnisch beobachtet. Insbesondere im Bezirk Lothringen war dies der Fall. Die eingangs erwähnten internationalen Spiele der Metzer Sportvereinigung im Frühjahr 1914 waren bei den Behörden zunächst auf Kritik gestoßen. Der Metzer Polizeipräsident äußerte angesichts des „Kokettierens mit ausländischen Vereinen, namentlich französischen Vereinen“ Bedenken, auch wenn es sich bei der Metzer Sportvereinigung um einen politisch unbedenklichen Vereine handele. Er forderte, dass die Mitglieder französischer Sportvereine zumindest keinen Sportanzug tragen dürften, der französische Farben aufweise.314

310 Festschrift SV Völklingen: 60 Jahre (1966), S. 29. Zu Neunkirchen vgl. Kapitel 3.3. 311 Siehe diverse Schreiben des FV Saarbrücken aus dem Jahr 1914, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. Zu den Nationalen Sportfesten des SC Saar 1905 siehe ebda., G 50/7296. 312 Siehe Festprogramm vom 21.7.1912, in: ADBR, 69 AL 427; PIROT: Les débuts (1994), S. 163. Auch der Straßburger FV veranstaltete 1910 Internationale Olympische Wettkämpfe. Dokumentiert in: ADBR, 87 AL 571. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurden diese Bezeichnungen für beliebige Sportfeste von der Deutschen Sportbehörde für Athletik verboten. Siehe KOCH: Leichtathletik (2006), S. 253. 313 Die Mehrzahl der Vereine stammte aus den Anrainerstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich und Luxemburg. 1911/12 fanden 110, 1913/14 insgesamt 210 internationale Spiele statt. Siehe VsFV: Jahresbericht 1911/12 (1912), S. 86, VsFV: Jahresbericht 1913/14 (1914), S. 84f. 314 Stellungnahme des Metzer Polizeipräsidenten, 7.4.1914, in: ADM, 3 AL 416.

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Fest zu stehen scheint, dass die Vereine keine Scheu hatten, auch französische Mannschaften nach Lothringen oder an die Saar einzuladen. Ob dies allerdings geschah, um den Fußballsport im Sinne Bensemanns als Mittel der Völkerverständigung einzusetzen, bleibt eher fraglich. Dessen kosmopolitische Vision war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zunehmend zu einer Minderheitenposition geraten. Martin Berner, ein weitgereister Sportfunktionär und enger Freund Carl Diems, vertrat sogar eine entgegengesetzte These. Er befürwortete – auch angesichts des Weltkriegs – zwar den internationalen Spielverkehr, betonte jedoch, dass weniger ein übergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl im internationalen Aufeinandertreffen zum Ausdruck käme, sondern vielmehr die sich gegenüberstehenden Nationen: „Wollen wir doch das eine auseinanderhalten, daß Sportverkehr der Länder untereinander mit Internationalismus, mit Verwischung oder Außerachtlassung nationaler Grenzen nichts gemein hat, daß er vielmehr im Gegensatz nur unter Vertretung der Nationalität vor sich geht.“315

Zweifellos setzte sich in den Jahren vor Kriegsausbruch auch in den Fußballvereinen ein sportlicher Nationalismus durch. Zum bildhaften Ausdruck kam dies beispielsweise beim größten Fußballverein Borussia Neunkirchen, dessen Patriotismus sich 1913 mit dem Schriftzug „Pro Patria“ im Vereinswappen seines Nachrichtenblattes manifestierte. Dass die bürgerlichen Fußballvereine einen affirmativen Charakter hatten und zahlreiche personelle Verbindungen mit den Eliten von Staat und Militär eingingen, steht außer Frage. Wie bereits beschrieben waren die Vereine in die Festkultur des Kaiserreichs vollends integriert. So war es beispielsweise für Borussia Neunkirchen im Jahr 1913 auch selbstverständlich, anlässlich des 23. Deutschen Marinetages ein Spiel gegen die Marinemannschaft Konkordia Kiel auszutragen. Allerdings ist trotz patriotischer Grundhaltung kritisch zu hinterfragen, ob, wie von Christiane Eisenberg formuliert, Chauvinismus tatsächlich an der Tagesordnung war.316 Wie differenziert der sportliche Nationalismus betrachtet werden muss, offenbart sich auch beim Metzer Verbandsfunktionär Ludwig Albert, der die Mitgliedschaft der Fußballvereine im Jungdeutschlandbund vehement unterstützte. In einem grundlegenden Aufsatz im „Fußball“ beschrieb er den Fußballsport trotz erwiesener englischer Herkunft als ein „deutsches Volksspiel“. Die deutsche Fußballbewegung habe vom Ausland zwar die Form übernommen, diese jedoch mit deutschem Geist und Wesen erfüllt. Chauvinismus war ihm jedoch dennoch fremd. Er lehnte „nationale Engherzigkeit“ ab und legte dar, dass die Völker für ihn „eine große Kulturgemeinschaft“ darstellten, die „ohne Eifersucht die Kulturgüter gegenseitig austauschen“ dürften.317 315 BERNER: Sport (1915), S. 29. Martin Berner, Mitarbeiter der DFB-Jahrbücher, Funktionär in der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik und in der DRAfOS, fiel im Oktober 1915 im Krieg. Vgl. COURT: Deutsche Sportwissenschaft (2008), S. 113, 148f; HAVEMANN:

Fußball (2005), S. 50.

316 EISENBERG: English Sports (1999), S. 285. Zum Marinetag in Neunkirchen siehe „Brief aus Neunkirchen“, in: Fußball und olympischer Sport, 30.7.1913. 317 ALBERT: Fußball (1913), S. 2–4.

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Gerade in Lothringen spielten die bürgerlichen Fußballvereine durch ihre oftmals gemischte soziale Zusammensetzung aus „Altdeutschen“ und Lothringern eher eine integrative Rolle, als dass sie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen spalteten.318 Vereine wie die Metzer Sportvereinigung grenzten sich deshalb bewusst von profranzösischen und katholischen Sportvereinen wie der Lorraine Sportive ab. Der Vereinsvorsitzende Justin Hirtz betonte 1910 in einem Schreiben an den Statthalter die integrative Wirkung seines Vereins, der sich nicht um Konfessionen und sprachliche Barrieren scheren würde: „Da in unserem Verein weder die Konfession noch die Sprache der Mitglieder eine Rolle spielen, wir im Gegenteil die Katholiken und Protestanten, die Einheimischen und Eingewanderten auf dem Gebiete des Sports zusammenführen, ist es besonders schwierig, eine größere Anzahl von unterstützenden Mitgliedern zu erhalten, während andere Vereine mit konfessionell und sprachlich ausgesprochenem Charakter, wie z.B. die „Lorraine Sportive“, über bedeutende Einnahmen verfügen und sich daher auch weiter entwickeln können.“319

Profranzösische Sport- und Musikvereine wie der aus Metz stammende Verein Lorraine Sportive320 waren im Bezirk Lothringen infolge der Ereignisse von Noisseville 1908 und der ersten Aktivitäten des Souvenir Français in Lothringen gegründet worden und waren wie dieser zu einer Ausdrucksform des französischen „réveil nationaliste“321 in der Moselle geworden. Die Tätigkeiten des Vereins, bei welchem die Verkehrssprache ausschließlich französisch war und welcher nach behördlichen Schätzungen im Jahr 1910 bis zu 800 aktive und inaktive Mitglieder zählte, beinhalteten das Ausrichten sportlicher und musikalischer Darbietungen. Insbesondere die Umzüge erregten öffentliches Aufsehen, da die französische Tracht und das Spielen französischer Fanfaren und Märsche auf Teile der Öffentlichkeit provozierend wirkten.322 Zu den führenden Persönlichkeiten der Lorraine Sportive, die bald in Frankreich bekannt wurden, gehörten die Gebrüder Alexis und Paul Samain.323 Das Bezirkspräsidium verhielt sich im Umgang mit dem Verein zunächst zurückhaltend, da die Gesetzeslage kein einfaches Verbot zuließ und zudem durch ein restriktives Vorgehen keinem Märtyrertum Vorschub geleistet werden sollte. Nach wiederholten Übertretungen von Verwaltungsanordnungen und gewalttätigen Ausschreitungen wurde der Verein jedoch schließlich am 11. Januar 1911 durch den Bezirkspräsidenten Graf Zeppelin-Aschhausen verboten: Der Verein habe unter dem Deckmantel des Sports unter der Jugend politi318 WAHL/PIROT: Die Einführung (1999), S. 30. 319 Schreiben Hirtz an Statthalter Wedel, 15.7.1910, in: ADBR, 87 AL 577. 320 Statuten Lothringer Sport/Lorraine Sportive vom 7.11.1908, in: ADBR, 69 AL 462/48. Zur Lorraine Sportive findet sich umfangreiches Aktenmaterial: ADBR, 27 AL 236A, 69 AL 462/48, 462/49. Siehe außerdem ROTH: La Lorraine (1976), S. 549–554. 321 FAVROT: Le gouvernement (1980), S. 136. Zu Noisseville und Souvenir Français Kap. 1.2. 322 Bericht des Bezirkspräsidiums zur Lorraine Sportive, 1.2.1910, in: ADBR, 69 AL 462/48. 323 Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde in Frankreich die falsche Nachricht verbreitet, Alexis Samain sei in Metz exekutiert worden. Siehe Beitrag „L’agression de l’Allemagne“, in: L’Illustration, 8.8.1914. Im von Deutschland besetzten Metz wurden die Gebrüder Samain und die Lorraine Sportive im September 1940 nochmals Objekt einer polizeilichen Untersuchung der SS. Siehe Aktenvermerk vom 20.9.1940, in: ADM, J 7147.

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sche Stimmung für Frankreich gemacht und durch die „demonstrative Verherrlichung von Frankreich in Rede und Liede auf deutschem Boden“ einen „Geist des Aufruhrs“ verbreitet.324 Auch außerhalb von Metz wurden innerhalb des katholischen Milieus ähnliche Vereine nach dem Metzer Vorbild gegründet, wenngleich die meisten von ihnen sich auf das Metzer Umland verteilten. Eine durchaus treffende Charakterisierung erhielten die „volkstümlichen Sportvereine“ in einem geheimen Untersuchungsbericht zum Verhalten der Elsaß-Lothringer: „Zu den wichtigsten Aktionsmitteln eines solchen Sportvereins gehörte das Orchester in den charakteristischen Klangfarben der französischen Militärkapellen (Clairons und Fanfaren). (…) Zur Aufmachung (…) gehörten ferner französische Käppis und, wenn irgend möglich, französische Uniformen. Die so bekleidete Jugend wurde nach französischem Reglement, in französischer Kommandosprache einexerziert und war bald ein prächtiges Mittel für politische Demonstrationen. Fast jeden Sonntag gaben lärmende Umzüge, Turnfeste, Konzerte Gelegenheit, französische Sympathien zu erregen und zu bezeugen und in Rede und Lied Frankreich zu verherrlichen.“325

Ein hohen Bekanntheitsgrad erwarb sich auch der um 1910 in Diedenhofen aus dem Athleten-Klub hervorgegangene profranzösische Sportverein Sportive Thionvilloise, der zunächst jedoch vom Bürgermeister wegen seines loyalen Auftretens unterstützt wurde. Wegen zahlreicher Kontakte in das französische Lothringen und durch sein zunehmendes provozierendes Auftreten in der Öffentlichkeit kam es jedoch ebenso wie in Metz zu zahlreichen Konflikten mit den Behörden,326 wenngleich der Verein einem Verbot bis zum Kriegsausbruch im August 1914 entgehen konnte.327 Der große Unterschied zwischen einem profranzösischen Sportverein und einem bürgerlichen Fußballverein lag darin, dass ersterer gegründet wurde, um einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ein Forum zu bieten, auf welchem die nationale Zugehörigkeit zur Schau getragen werden konnte. Letztere wurden ursprünglich gegründet, um Fußball zu spielen. Gleichwohl waren Fußballvereine keineswegs politisch neutral und hatten einen affirmativen Charakter. Nicht zuletzt die soziale Herkunft der Vereinsmitglieder garantierte einen selbstverständlichen Patriotismus. Und gerade die großen und erfolgreichen Vereine pflegten zu den Eliten von Verwaltung und Wirtschaft hervorragende Beziehungen. Unterstri324 Unmittelbarer Anlass waren Konfrontationen mit der Polizei infolge der Schließung einer verbotenen Veranstaltung, bei der ein Polizist zu Tode kam. Vgl. ROTH: La Lorraine (1976), S. 553–554; Beschluss des Bezirkspräsidenten vom 11.1.1911, in: ADBR, 69 AL 462/49. 325 Siehe Abschnitt „Französische Agitation durch militärische Jugendvereine und Sportvereinigungen“, in: Hahndorff, Viktor Theodor Wilhelm (Red.): Das Verhalten der Elsaß-Lothringer in drei Kriegsjahren. Zusammengestellt vom Generalquartiermeister. Berlin 1917, S. 13f. 326 Siehe Satzungen der Sportive Thionvilloise vom 19.3.1910 und Bericht des Bürgermeisters vom 21.10.1910, in: AM Thionville, 4 R 1. Zum Verbot der Clairons im Herbst 1910 siehe ADBR, 87 AL 577. Zur „Charleviller Affäre“, dem Auftritt der Sportive Thionvilloise beim internationalen Turnfest im französischen Charleville siehe ADM, 3 AL 420. Zum Wirken des Vereins vgl. auch PARADEIS: Un siècle (2007), S. 71f. 327 ROTH: Diedenhofen (1995), S. 212; SCHWEITZER: La vie associative (1998), S. 32.

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chen wurde diese Haltung durch Verbindungen der Fußballvereine zu Vertretern des deutschen Adels. Sportbegeisterte Persönlichkeiten wie der Prinz zu Schaumberg-Lippe ließen es sich nicht nehmen, Veranstaltungen zu besuchen und Pokale zu stiften. Mit Graf Adalbert von Francken-Sierstorpff, seit 1912 durch die Heirat mit einer Tochter des „Stahlbarons“ Karl Ferdinand von Stumm-Halberg mit Neunkirchen persönlich verbunden, übernahm eine schillernde Persönlichkeit des deutschen Adels das Protektorat über Borussia Neunkirchen. Der Vizepräsident des Kaiserlichen Automobil-Clubs galt als eine der wichtigsten Figuren des Automobilismus, war international vernetzt und zudem Mitglied des Reichsausschusses für Olympische Spiele sowie des Internationalen Olympischen Komitees.328 Die internationalen Spiele führten mitunter zum Verdacht eines mangelhaften Patriotismus. Nach dem Spiel des SC Saar 1905 gegen die Queens Park Rangers äußerte ein Vertreter der Turnvereine im Hinblick auf das anstehende Spichererberg- Turn- und Spielfest die Feststellung, dass es bei diesem nicht üblich sei, „mit ausländischen Berufsmannschaften aufzuwarten, da bei dem Fest von vornherein das patriotische und nationale Moment in den Vordergrund gestellt“ werde. Die gereizte Replik des Sport-Clubs, die ebenfalls in der Saarbrücker Zeitung veröffentlicht wurde, offenbart, dass die internationalen Spiele für die Sportvereine tatsächlich einen gewissen Rechtfertigungsdruck erzeugten. Der Verein betonte seine Verbindungen zur Stadt und zum Militär und schrieb, „daß auch bei uns, ohne, daß wir es besonders betonen, das patriotische und nationale Moment jederzeit in den Vordergrund gestellt wird.“329 Internationale Wettspiele waren tatsächlich ein entscheidender Moment, der die Fußballvereine von Turnvereinen und profranzösischen Vereinen trennte. Anders als diese suchten die Fußballvereine den internationalen Vergleich. Wenn sie gegen französische Mannschaften spielten, blieben sie nicht „unter sich“, sondern suchten den Kontakt mit dem „Fremden“. In den internationalen Begegnungen spiegelte sich trotz allem sportlichen Nationalismus der sportliche Gedanke des „Fair Play“ und des Respekts vor dem Gegner wider. Als der französische Club Patronage Olier anlässlich der bereits erwähnten Platzeinweihung in Neunkirchen weilte, war dies ein gesellschaftliches Ereignis, das angeblich mehr als 3 000 Zuschauer anzog. Am Abend gab es außerdem einen großen Kommers, „bei dem Pariser, Kaiserslauterer und Neunkircher lange zusammenblieben.“330 Dieses Beispiel zeigt, dass internationale Spiele auch Möglichkeiten boten, einander näher zu kommen. Die hohe Zuschauerzahl zeigt aber auch, dass internationale Spiele keineswegs nur zum Selbstzweck vereinbart wurden. Spiele gegen renommierte

328 Zu Schaumberg-Lippe Saarbrücker Zeitung, 6.8.1908; zu Adalbert von Francken-Sierstorpff (1856–1922) vgl. Notizen, in: ZIMMER: Richard Wilhelm (2008), S. 15; MERKI: Der holprige Siegeszug (2002), S. 255. Dass er das Protektorat über Borussia Neunkirchen inne hatte, wird 1913 im Nachrichtenblatt der Borussia in der Kopfzeile der Titelseite erwähnt. 329 Saarbrücker Zeitung, 19.5., 23.5., 6.6.1912. 330 Zur Eröffnung fand auch ein Spiel der zweiten Mannschaft gegen eine Auswahl aus Kaiserslautern statt. Zum Spiel vgl. Festschrift Borussia Neunkirchen: 25 Jahre (1930), S. 18.

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und ausländische Vereine boten nicht nur den Zuschauern willkommene Abwechslung, sondern ließen auch die Herzen der Kassenwarte höher schlagen. Den Vereinen ging es stets auch um den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirkung für den eigenen Verein. Wie die Metzer Sportvereinigung 1914 auch offiziell argumentiert hatte, sollten internationale Spiele ein Werbemittel für den Fußball sein. Die Vereine orientierten sich damit am DFB und seinen Verbänden, die in der Veranstaltung von sogenannten Repräsentativspielen die breite Masse gewinnen wollte. Dabei ging es dem DFB sowohl um sogenannte „Länderwettkämpfe“ als auch um Spiele von Verbandsauswahlen auf Regionalverbandsebene. Wiederholt ermahnte der DFB die Vereine, sich bei internationalen Spielabschlüssen an die Verbandsbestimmungen zu halten. Kritisiert wurde „die Sucht, unter allen Umständen ausländische Mannschaften nach Deutschland zu verpflichten.“ Viele Spiele würden nur wegen des Gelderwerbs oder zur Sensation veranstaltet, zudem werde zu viel Reklame gemacht.331 Resümierend kann festgehalten werden: Internationale Spiele waren Teil der kosmopolitischen Tradition des Fußballsports. Sie gehörten zum Selbstverständnis der bürgerlichen Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum vor dem Ersten Weltkrieg, waren allerdings nur ein Teilaspekt der sich herausbildenden bürgerlichen Fußballkultur. Trotz des kosmopolitischen Potenzials, kam auch hier die Kommerzialisierung und die strukturelle Professionalisierung zum Ausdruck, da der Gastverein in der Regel ein Antrittsgeld erhielt, der Gastgeber an den Zuschauereinnahmen verdiente und den Funktionären die Werbewirkung solcher internationaler Treffen bewusst war. Letztendlich zählte für die Vereine aber der langfristige sportliche Erfolg in den Meisterschaftsspielen, der durch internationale Treffen gefördert werden sollte. Sie garantierten mitunter Zusatzeinnahmen und waren nicht zuletzt für die eigene sportliche Weiterentwicklung der Mannschaften von hoher Bedeutung. Es war weniger das internationale als vielmehr das regionale und vor allem das lokale Umfeld, in welchem sich das Selbstverständnis der Fußballvereine zu verorten begann. Sie knüpften an lokale Vereinstraditionen an und waren gesellschaftlich und wirtschaftlich in ihren Kommunen verankert. Dieser Lokalpatriotismus wurde bereits in der zeitgenössischen Sportpresse diskutiert. Nirgends, so der Kommentar im „Fußball“, feiere dieser „so große Erfolge wie in der Sportbewegung, bei den Fußballwettspielen in erster Linie.“332 Der Erfolg auf dem Rasen zahlte sich in höheren Zuschauerzahlen vor Ort aus und führte bei der lokalen und regionalen Öffentlichkeit für ein gesteigertes Interesse, was sich insbesondere bei den Erfolgen von Borussia Neunkirchen deutlich bemerkbar machte. Als dem Verein im Frühjahr 1912 als einzigem Verein des Gaus der Aufstieg in die Westkreisliga gelang, wurde dies in der Lokalpresse entsprechend gewürdigt: „Die schönen Erfolge der Borussia haben in der Öffentlichkeit ihren Widerhall gefunden, der sich in einem gesteigerten Interesse für die Ereignisse in der Welt des Rasensports bekundet. Immer zahlreicher werden die Freunde, die zu den Veranstaltungen der Borussia eilen, in die 331 VsFV: Jahresbericht 1911–12 (1912), S. 88f. 332 Kommentar „Wovon man spricht“, in: Fußball und olympischer Sport, 16.7.1913.

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Teil I: Fußball ohne Grenzen Tausende zählen schon diejenigen, denen der sonntägliche Gang zum Sportplatz zur lieben Gewohnheit geworden ist, selbst benachbarte Großstädter [Saarbrücker] trifft man fast regelmäßig.“333

Fußballvereine wurden in zunehmendem Maße, was sich bereits hier andeutete, nicht nur zu einem lokalen Wirtschaftsfaktor, sondern auch zu einem Faktor lokaler und regionaler Identität. Zum Ausdruck kommt dies im Glückwunschschreiben des Neunkircher Bürgermeisters Ludwig: „Daß Sie die Westkreismeisterschaft errungen und dadurch den Namen unserer Heimatgemeinde auch in Sportkreisen mehr bekannt gemacht haben, hat mich gefreut.“334

Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges waren die jungen Fußballvereine keine exotischen kleinen Studenten- und Pennälerclubs mehr, die sich mit geflickten Lederbällen auf Äckern und Exerzierplätzen austobten. Einige der Vereine zählten nun mehrere hundert Mitglieder, trugen auf ihren eigenen Sportanlagen Spiele gegen große nationale und internationale Gegner aus, zu welchen immer mehr Zuschauer strömten und hatten beste Verbindungen zu den Eliten aus Staat und Wirtschaft. Sie waren erwachsen geworden und sahen dennoch einer ungewissen Zukunft entgegen. Die „Urkatastrophe“335 Weltkrieg sollte nicht nur das Ende der „Alten Welt“ in all ihren sozialen und mentalen Bezügen bedeuten, sondern auch die politische Landschaft im saarländisch-lothringischen Grenzraum radikal verändern. 4.4 Epilog: Das Erbe des Weltkriegs Zu welch radikalen Einschnitten der Weltkrieg für die regionale Entwicklung des Fußballsports führen sollte, dürfte den Mitgliedern der saarländischen und lothringischen Fußballvereine wohl bis in den Herbst des Jahres 1918 hinein nicht bewusst gewesen sein. Zu verbreitet war die Siegesgewissheit in der Bevölkerung, schlicht undenkbar eine militärische Niederlage.336 Ab dem 9. November 1918 begannen sich dann die Ereignisse zu überschlagen. Zunächst kam es in Neunkirchen, Saarbrücken, Metz, Forbach und in vielen weiteren Kommunen der Grenzregion zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten. In Saarbrücken konstituierte sich sogar ein „Arbeiter- und Soldatenrat für das Saargebiet“, dem sich nicht nur viele saarländische Kommunen, sondern auch die Räte einiger lothringischer Ort-

333 Neunkircher Volkszeitung, 22.3.1912. 334 Zitiert im Beitrag „Von der C-Klasse zur Liga“, in: Nachrichtenblatt der Borussia, 2. Jg., Nr. 5, 1.5.1912. 335 Der Begriff stammt ursprünglich vom US-Historiker und Diplomaten George F. Kennan. Vgl. MOMMSEN: Der Erste Weltkrieg (2004), S. 8; MOMMSEN: Die Urkatastrophe (2002). 336 Über den Sieg als allgemeine Erwartung vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 19–22. Zur politischen und sozialen Situation im Deutschen Reich MOMMSEN: Deutschland (2008).

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schaften anschlossen.337 Doch bevor solch politische Experimente wirklich Gestalt annehmen konnten, begannen – wenige Tage nach der offiziellen Verkündung des Waffenstillstands am 11. November – französische Truppen mit der Besetzung Elsaß-Lothringens und der linksrheinischen Gebiete. Nur knappe zwei Wochen später war der gesamte saarländisch-lothringische Grenzraum bereits unter der Kontrolle der französischen Armee. Elsass-Lothringen stand vor seiner Rückkehr nach Frankreich und das Saargebiet vor einer ungewissen Zukunft. Infolge dieser geopolitischen Umwälzungen im deutsch-französischen Grenzraum wurden die Verbindungen zwischen den saarländischen und lothringischen Vereinen abrupt gekappt. Bevor im zweiten Hauptteil die jeweiligen Entwicklungslinien der getrennten Wege nachgezeichnet werden, folgt ein knapper Rückblick auf die Entwicklung der Vereine im Krieg. Wie die Besatzungserfahrungen hinterließen auch die Kriegserfahrungen in den Fußballvereinen ihre Spuren. In der historischen Forschung wird die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für den Fußball in Deutschland in erster Linie darin gesehen, dass der Sportbetrieb in der Armee den entscheidenden Grundstein für den Sportboom in den zwanziger Jahren legte. Sport löste das Turnen als Teil der militärischen Ausbildung endgültig ab, wobei Fußball im Laufe des Kriegs zur beliebtesten Sportart avancierte.338 Die Popularisierung des Fußballs an und hinter der Front wird in der Forschung mittlerweile auch für Frankreich konstatiert, wo das Fußballspiel für eine beschleunigte Akkulturation des Sports im ländlichen Raum gesorgt habe. Die Akteure des Sports hätten außerdem, so Paul Dietschy, an der Ausbildung der „culture de la guerre“ teilgenommen. Dies habe sich nicht zuletzt in der Sprache widergespiegelt. So wurde beispielsweise aus dem „großen Krieg“ das „grand match“, das gewonnen werden müsse.339 Während des ganzen Krieges habe die Sportpresse lautstark die Ressentiments geschürt und die Rückkehr Elsass-Lothringens und seines Sports nach Frankreich vehement gefordert.340 Auch in der deutschen Forschung werden die Teilhabe des Sports an einer Kriegskultur beziehungsweise die Wechselwirkungen zwischen Sport und Krieg diskutiert. Inwieweit es zu einer Militarisierung des Wettkampfbetriebes gekommen ist, ist umstritten. Laut Christiane Eisenberg habe der „Geist des Militärs“ in den Sport Einzug gehalten und die schon vor dem Krieg erkennbare Tendenz zur Identifizierung von Sport und 337 Vgl. MERL: Schwarze Kunst (2010), S. 11; generell METZMACHER: Die Herrschaft (1971); vgl. knapp KLEIN: Geschichte (1966), S. 84; ROTH: Une génération (1995), S. 221; KÜHN: Zwischen zwei Weltkriegen (2005), S. 331; BECKER: Deutsch ist die Saar (2004), S. 69f. 338 Sport wurde nicht nur als Teil der militärischen Ausbildung angesehen, sondern eignete sich als Element der Freizeitgestaltung zur Förderung der Truppenmoral. Grundlegend und überzeugend TAUBER: Vom Schützengraben (2008), hier S. 422–429. Bedauerlich ist es, dass der Artikel zum Thema Sport in der ansonsten ausgezeichneten Enzyklopädie Erster Weltkrieg nicht dem aktuellen Forschungsstand entspricht. Vgl. WERTH: Art. Sport (2009), S. 862–863. 339 Benutzt wurde diese Metapher beispielsweise von Jules Rimet anlässlich eines Rück- und Ausblicks auf den französischen Fußball. Siehe Ders.: Art. L’avenir immédiat du jeu de football en France, in: Le Miroir des Sports, 7.10.1920, S. 220. 340 DIETSCHY: Le sport (2007), S. 76; DIETSCHY: 1918–1920 (2007), S. 9. Zum Begriff „culture de guerre“ in der französischen Historiografie PROST/WINTER: Penser (2006), S. 217–223.

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Krieg habe sich verallgemeinert.341 Außerdem habe sich die durch den Weltkrieg hervorgerufene „Brutalisierung“ der Gesellschaft auf den Fußballsport ausgewirkt, da die im Krieg erfolgte Vermischung sportlicher und soldatischer Verhaltensweisen nur unvollständig rückgängig gemacht worden sei. In den Fußballstadien, so Christiane Eisenberg, sei „ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß an Fouls und Ruppigkeiten zu beobachten“ gewesen.342 Peter Tauber geht dagegen davon aus, dass die fortwirkende enge Verbindung zwischen Sport und Militär nicht zu einer inhaltlichen Veränderung des Sports geführt habe, wenngleich er den Gemeinschaftsgedanken gestärkt habe.343 Ausgehend von diesen Thesen sollen in diesem Epilog trotz mangelhafter Überlieferung knapp die Erfahrungen der Vereine im Krieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit – und damit das „Erbe des Weltkriegs“ – skizziert werden. Die Beteiligung der Fußballvereine am Fronteinsatz war überproportional hoch. So wurden von der Sportvereinigung 06 Saarbrücken bereits in den ersten Kriegstagen 125 der 183 erwachsenen Mitglieder einberufen. 344 Dem hohen Mobilisierungsgrad entsprechend waren auch zahlreiche Tote zu beklagen, wenngleich mit genauen Zahlen nur in wenigen Fällen gedient werden kann. So verlor die eben erwähnte Sportvereinigung 47 Mitglieder. Der sehr viel kleinere SC Forbach 1910 beklagte 14 Tote und bei Borussia Neunkirchen hinterließen insgesamt 67 Weltkriegstote im Verein schmerzhafte Lücken. Eine Ausnahme bildete die Reservemannschaft von Borussia Neunkirchen, die geschlossen in das Fußartillerie-Regiment Nr. 3 in der Festung Mainz eintrat und ebenso geschlossen und unversehrt nach dem Krieg wieder weiter Fußball spielte.345 Wie überall im Reich war der Wettspielverkehr mit Kriegsausbruch im August 1914 zunächst zum Erliegen, mit Fortdauer des Kämpfe jedoch langsam wieder in die Gänge gekommen. Angesichts der Rekrutierung vieler Vereinsmitglieder und der Konfiszierung von Spielplätzen war an einen geregelten Spielverkehr zunächst vielerorts nicht zu denken. Wie schwierig es für Vereine wie Borussia Neunkirchen war, einen Neuanfang zu wagen, verdeutlicht ein Tätigkeitsbericht Albrecht Menzels:

341 EISENBERG: English Sports (1999), S. 313–322, hier S. 322. 342 Vgl. Argumentation bei BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 231–236 sowie das Zitat bei EISENBERG: Fußball (2004), S. 11. Dass der Erste Weltkrieg eine Brutalisierung der europäischen Gesellschaften zur Folge hatte, wurde erstmals von George L. Mosse Anfang der 1990er Jahre thematisiert. Vgl. MOSSE: Fallen Soldiers (1990). 343 TAUBER: Vom Schützengraben (2008), S. 424. 344 Die Quote entsprach damit derjenigen des Süddeutschen Fußball-Verbandes. 1914/15 standen 70 % der 59 826 Verbandsmitglieder unter den Waffen. Zur Verbandshistorie im Krieg vgl. FLIERL: Geschichte (1957), S. 58–64. Zur Sportvereinigung 06 Saarbrücken siehe SV Saar 05: FS 50 Jahre (1955), o. S. 345 US Forbach: FS 50 Jahre (1959), S. 17; Borussia Neunkirchen: FS 25 Jahre (1930), S. 35–41. Laut Erich Menzel kehrte die Neunkircher Reservemannschaft mit zwei Unteroffizieren, drei Feldwebeln und sechs Offizieren zurück. Vgl. MENZEL, Erich: Die Geschichte (1920), S. 1506.

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„Es war alles so ein Vegetieren aus sich selbst heraus, denn von Vorstand, Verwaltungsrat, Ausschußleitungen usw. war ja niemand mehr da, der mit Tatkraft und Erfahrung hätte organisieren können.“346

Der Bezirk Lothringen und das Saarrevier blieben von direkten Kampfhandlungen verschont347, da diese hauptsächlich auf französischem Boden stattfanden. Dennoch war die Realität des Krieges allgegenwärtig. So bildete der Großraum Saarbrücken das Zentrum des kriegswirtschaftlich wichtigen Montanreviers und diente zugleich der Westfront als Nachschubbasis, Lothringen war Etappengebiet.348 Bezeichnend für die schwierige Versorgungslage der Zivilbevölkerung war, dass bereits Anfang 1915 in Saarbrücken eine Brotrationierung angeordnet und ein Lebensmittelamt eingerichtet wurde.349 Beim FV Saarbrücken musste im Frühjahr 1916 der Spielbetrieb eingestellt werden. Dem Verein standen nur noch ein paar ältere Mitglieder sowie einige aus dem Krieg zurückgekehrte Invaliden zur Verfügung. Zudem war der Platz von der Stadt gekündigt worden, da er „zur allgemeinen Volksernährung bepflanzt“ werden sollte.350 Dennoch wurde das Vereinsleben aufrecht erhalten. Monatlich erhielten die Mitglieder zuhause und an der Front die „Kriegsbenachrichtigungen“, um sie über das Vereinsleben auf dem Laufenden zu halten. Dieses bestand im April 1916 in wöchentlichen abendlichen Zusammenkünften in Cafés sowie in einer kleinen Wanderung. Eine ähnliche Entwicklung hatte der SC Saar 05 Saarbrücken genommen. Dessen „Saarsportplatz“ an der Hellwigstraße war im Mai 1915 von der Militärbehörde beschlagnahmt worden. Wie der FV Saarbrücken wurde der Verein durch regelmäßige Zusammenkünfte der zurückgebliebenen Mitglieder am Leben gehalten. Von Verbandsseite wurde indes entschieden, ab Herbst 1916 mit den „Kriegsmeisterschaften“ wieder einen geregelten Wettspielverkehr im Saar- und Moselgau aufzunehmen. Dies betraf auch zahlreiche Vereine im Bezirk Lothringen. Stand wie in Saarbrücken kein Platz zur Verfügung, wurde auf verfügbare Plätze in Nachbarorten zurückgegriffen.351 Wegen „Fliegergefahr“ mussten manche Spiele abgebrochen und oft – so die Erinnerungen Erich Menzels – „begleitete die dumpfe Kanonade von der Front die Bumbserei auf dem Spielfelde.“352 346 Menzel verfasste für die Zeitschrift „Fußball“ im Januar 1917 für Borussia Neunkirchen einen Tätigkeitsbericht. Der Bericht wurde abgeändert in der Festschrift von 1930 abgedruckt. Siehe Borussia Neunkirchen: FS 25 Jahre (1930), S. 35–41, hier S. 35. 347 Eine Ausnahme stellten die Kämpfe bei Saarburg in Lothringen im August 1914 dar. Vgl. MOLLENHAUER: Art. Elsaß-Lothringen (2009), S. 455. Zum Kriegsalltag an der Saar, insbesondere in Neunkirchen vgl. SANDER: Hochindustrialisierung (2012), S. 205-210. 348 BURGARD/LINSMAYER: Von der Vereinigung (1999), S. 137–143; ROTH: La région (1996), S. 141. 349 Bericht über die Aufgaben der Stadt Saarbrücken infolge des Weltkrieges, o.J., in: StA Saarbrücken, G 10.1/1848. 350 Siehe IV. Kriegsbenachrichtigung des FV Saarbrücken, 1.4.1916, als Faksimile in: 1. FC Saarbrücken: FS 50 Jahre (1953), S. 29; zum Werdegang des Vereins siehe knapp dort, S. 28. 351 Die Saarbrücker Spiele mussten auf dem Platz des SV Sulzbach ausgetragen werden. Vgl. Saarbrücker Zeitung, 8.3.1917. Zur Entwicklung des SC Saar im Krieg siehe knapp SV Saar 05: FS 50 Jahre (1955), o. S. 352 MENZEL, Erich: Die Geschichte (1920), S. 1506.

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Die Wettspiele beschränkten sich nicht nur auf den Ligabetrieb. Trotz des Krieges und einer restriktiven Reichslandpolitik seitens der Militärbehörden unternahmen manche der Vereine weiterhin weite und aufwändige Spielreisen. Allerdings wurden die Spiele in den Dienst der Kriegsfürsorge gestellt. So reiste die Metzer Sportvereinigung im September 1917 an den Niederrhein zu einem von Fortuna Düsseldorf veranstalteten Turnier, dessen Erlöse Kriegswitwen zugutekommen sollte. Im Dezember desselben Jahres veranstaltete der Klub aus Metz ein Benefizturnier für die Frontsoldaten, an welchem nicht nur der SC Saar 05 teilnahm, sondern auch der SC Leipzig, der TSV Bad Dürkheim sowie der TSV 1847 Augsburg.353 Am 28. Mai 1918 fand in den Räumen des „Münchener Kindl“ in Saarbrücken der Verbandstag des Saar- und Moselgaus statt, bei welchem die stärkere Belebung des Fußballspiels im Gau freudig begrüßt wurde. In den Reden wurde betont, wie kriegswichtig der in den Vereinen betriebene Fußballsport sei. Der Gauvorsitzende Georg Pabst, zugleich Vorstandsmitglied beim SC Saar 05 Saarbrücken, betonte, dass alle Tätigkeit auf sportlichem Gebiet „im Interesse des Volksganzen und des Vaterlandes“ geschehe. Das Fußballspiel, so wurde der zweite Gauvorsitzende Neunhöfer aus Trier zitiert, „habe sich zu einem rein deutschen Sport, frei von aller Ausländerei entwickelt, er strebe hin auf die körperliche und sittliche Ertüchtigung unserer Jugend.“354 Unabhängig davon, ob solche Aussagen auch dazu dienten, den Wettspielverkehr zu rechtfertigen, wiederholten sie die stets wiederkehrenden Motive der körperlichen Erziehung für das Vaterland und der Funktion des Vereins als vormilitärische Ausbildungsinstanz. Zweifellos standen die Redner unter dem Eindruck der traumatischen Erfahrungen an und hinter der Front. Reden wie diese müssen im größeren Kontext der Militarisierung der Gesellschaft im Krieg gesehen werden. Angesichts ungezählter persönlicher Schicksalsschläge und einer Totalisierung des Kriegs, die sich gerade in deutschen Städten in einer hohen Sterblichkeit bemerkbar machte355, war es ein menschliches Bedürfnis, dem eigenen Tun eine gewisse Sinnhaftigkeit zu verleihen. Nicht nur dem massenhaften Tod im Schützengraben sollte ein tieferer Sinn gegeben werden. Auch die Vereins- und Verbandstätigkeit sollte in ihrer Zielsetzung „kriegswichtig“ sein. Wird in diesem Kontext zurecht von einer Militarisierung der Sprache gesprochen, so ist zu berücksichtigen, dass dies einerseits dazu diente, das eigene Tun in einen größeren Zusammenhang zu stellen und andererseits den Wettspielverkehr im Krieg zu rechtfertigen.356 353 ISCH: La gloire (1995), S. 29–31. 354 Saarbrücker Zeitung, 28.5.1918. Anlässlich des Gautags fand ein Spiel zwischen dem SC Saar 05 und Trier statt, das 6:1 endete und von hunderten Zuschauern besucht wurde. 355 Ursächlich war nicht zuletzt die Handelsblockade gegen das Deutsche Reich. Vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 30–32, STRACHAN: Die Kriegsführung (2009), S. 273. 356 Die Aussagen waren im Duktus des staatstragenden und sich wiederholenden Kanons der Verlautbarungen des DFB und seiner Verbände gehalten, wie sie auch in den Kriegsjahrbüchern publiziert wurden. Vgl. diverse Beiträge in: DFB: Kriegsjahrbuch (1915). Auf den militärischen Nutzen des Fußballsports verwies auch Lothar Popper, der Vorsitzende des Süddeutschen Fußball-Verbandes, als er im Herbst 1917 um finanzielle Unterstützung der Verei-

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In den folgenden Monaten, in denen sich eine deutsche Kriegsniederlage immer deutlicher abzeichnete, kam es sogar zu einer „Normalisierung“ des Wettkampfbetriebs. Als am 6. Oktober 1918 die neu gebildete Regierung unter dem Kanzler Prinz Max von Baden dem US-Präsidenten Woodrow Wilson ein erstes Waffenstillstandsangebot unterbreitete,357 wurden im Saar- und Moselgau wie geplant die Verbandsspiele angepfiffen. Auch Waffenstillstand, Revolution und die französische Besetzung des Grenzraums konnten den Spielbetrieb im November nur bedingt und vorübergehend hemmen. Auch nach der Kriegsniederlage wurde der als „kriegswichtig“ eingestufte Fußball weiter gespielt. Beendet wurde die Gaumeisterschaft am 9. Dezember mit dem entscheidenden Spiel des SC Saar 05 gegen die Spielabteilung des TV Burbach. Der Saarbrücker Verein gewann das Spiel vor rund 1 000 Zuschauern mit 6:2 Toren und wurde damit zum Meister eines Saar- und Moselgaus gekürt,358 den es in dieser Form – soviel war bereits zu diesem Zeitpunkt sicher – nie wieder geben sollte. Fußballspiele an der Heimatfront dienten trotz aller Rhetorik auch der Ablenkung und waren für Spieler wie für Zuschauer eine Art Gegenwelt zu den Entbehrungen im Kriegsalltag.359 Die Sehnsucht der Gesellschaft nach einem Stück Normalität sorgte ebenso wie das Streben der Vereinsfunktionäre nach Aufrechterhaltung der Verbandsstrukturen dafür, dass der Fußball auch während des Krieges weiter rollte. Ob sich daher im wiederaufgenommenen Spielverkehr der Militarismus widerspiegelte, ist fraglich. Auch die sonstigen Aktivitäten der einzelnen Vereine – wie die Zusammenkünfte in Wirtshäusern und das gemeinsame Wandern – dienten weniger der militärischen Vorbereitung als vielmehr der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls im Verein. Gegen eine offene und nachhaltige Militarisierung der Vereine spricht auch der bereits angesprochene und weitgehend erfolglose Versuch aus dem Kriegsjahr 1917, als in den Vereinen Jugendwehrabteilungen eingerichtet werden sollten, die nur auf sehr wenig Gegenliebe stießen.360 Der DFB und seine Vereine waren im Krieg ebenso wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit bemüht, den Ball weiter rollen zu lassen. Noch im November 1918 hob der Verbandsvorstand die Spielbeschränkung für „feindliche Ausländer“ auf361, nur wenige Monate später trat der DFB nach Anträgen des Verbandes Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB) und des Süddeutschen FußballVerbandes aus dem Jungdeutschlandbund aus. Im Jahresbericht 1918/19 gingen die Verantwortlichen des DFB auf die politischen Umwälzungen lediglich dahingehend ein, dass man wohl leider Gebietsverluste hinnehmen und das Verbandsgebiet neu ordnen müsse. Allerdings habe die

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ne in Elsaß-Lothringen bat. Siehe Schreiben an die Kaiserliche Regierung in ElsassLothringen, 20.11.1917, in: ADBR, 69 AL 463. MOMMSEN: Die europäische Reaktion (1999), S. 159. Saarbrücker Zeitung, 28.9., 16.12.1918. TAUBER: Vom Schützengraben (2008), S. 198. Siehe Kapitel 4.1, S. 85. Im August 1917 hatte der DFB beschlossen, dass Angehörige von Staaten, die sich mit den Mittelmächten im Kriege befanden, weder Mitglied eines Bundesvereins sein, noch sich an sportlichen Veranstaltungen beteiligen durften. Siehe DFB: Jahresbericht 1918/19, S. 7.

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„innenpolitische Neuordnung in Deutschland“ auch Vorteile gebracht, da Schülern nun die Teilnahme an den Spielen freigegeben sei, weswegen sich für die Werbetätigkeit ein neues wichtiges Feld erschlossen habe. Wichtig für die sportliche Entwicklung sei vor allem, dass die politische Lage wieder in ruhigere Bahnen gerate.362 Noch sehr viel weiter ging der Süddeutsche Fußballverband in der Billigung der neuen politischen Gegebenheiten. Der pensionierte Amtsgerichtsrat Lothar Ludwig Popper, von 1910 bis zu seinem Tode im Jahr 1921 Erster Verbandsvorsitzender, ließ einen „Revolutionsgruß“ veröffentlichen, in welchem er die freiheitliche Tradition der bürgerlichen Fußballbewegung beschwor: „Die dem Volke jetzt gegebenen freiheitlichen Verhältnisse trafen auf eine unserem Verbande längst vertraute Gesinnung.“363

Im Juli 1920 wurde auf dem süddeutschen Verbandstag in Ulm die „Jungdeutschlandbund-Frage“ noch einmal aufgerollt. Nachdrücklich wurde dort festgehalten, dass Sport und Politik nicht vermengt werden dürften. Dies war zwar bereits vor dem Krieg gebetsmühlenartig wiederholt worden. Doch spätestens jetzt zeigte sich, wie schwer sich der bürgerliche Fußball mit konkreten Definitionen tat. Der JDB fiel nun auch in der Verbandssicht plötzlich unter „Politik“, weswegen der Vorsitzende Popper unter Beifall soweit ging, zu erklären, dass der Süddeutsche Fußballverband dem JDB noch nie angehört habe. Dass diese Behauptung nicht den Tatsachen entsprach, dürfte vielen klar gewesen sein. Die nun breite Ablehnung des JDB spiegelte daher eher den Opportunismus des bürgerlichen Verbandsfußballs wider. Organisationen wie der Jungdeutschlandbund waren nach 1918 weder in den besetzten Gebieten noch in der Weimarer Republik gerne gesehen, weswegen eine nachdrückliche Distanzierung von diesem für den Fußballverband offensichtlich angebracht war.364 In Bezug auf eine mögliche Militarisierung oder Politisierung des bürgerlichen Fußballs darf daher der Austritt der Fußballverbände aus dem Jungdeutschlandbund – ebensowenig wie deren Beitritt – nicht überbewertet werden. Auch in der JDB-Frage äußerte sich der Pragmatismus der bürgerlichen Fußballvereine und -verbände. Dies widerspricht zwar nicht dem Befund, dass die Vereine ebenso wie die Gesellschaft den Nationalisierungs- und Militarisierungstendenzen ihrer Zeit ausgesetzt waren. Allerdings verfügte der Fußball über eine große Anpassungsfähigkeit, die auch nach dem Kriegsende zum Ausdruck kam. Für viele Fußballvereine dürften die Abdankung des sportfreudigen Kaisers, die Novemberrevolution und die Besatzung ebenso traumatische Erfahrungen gewesen sein wie für die Gesellschaft. Gleichwohl gingen Verband und Vereine wieder zur Tagesordnung über. Als der Verbandstag des Süddeutschen Fußballverbandes im August 1919 in Heilbronn abgehalten wurde, hielt der Vorsitzende Popper die Eröffnungsrede. Nach einer Gedenkminute für die Toten des Weltkriegs bat er die Kriegsversehrten, dem Fußball als Berater erhalten zu bleiben. Er 362 DFB: Jahresbericht 1918/19, S. 4. 363 Zit. in Albert, Ludwig: Art. Neues Leben – ohne Ruinen, in: Fußball, 5.2.1919, S. 34. 364 Art. Die Tage von Ulm, in: Fußball, 4.8.1920, S. 763.

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erbot seine Grüße an die Fußballvereine im besetzten Gebiet und bedauerte zutiefst den „Verlust unserer Sportgenossen in Elsaß-Lothringen.“ Auch wenn das Vaterland politisch darniederliege, dürfe man den Kopf nicht hängen lassen. Man wolle mithelfen, „das Morgenrot deutscher Volkskraft und deutscher Körperkultur wieder zu erschauen.“365 Auch im saarländisch-lothringischen Grenzraum wurden weiterhin die Fußballstiefel geschnürt. Und mit der zunehmenden Demobilisierung der heimkehrenden Soldaten sollte es auch im Saargebiet trotz Besatzung und Völkerbundmandats zu einem ungeahnten Aufschwung des Fußballsports kommen. In der Moselle sollte sich die Situation der Fußballvereine schwieriger gestalten. Doch auf beiden „getrennten Wegen“ sollten die Fußballvereine, wie im zweiten Hauptteil gezeigt wird, wiederum ihre pragmatische Anpassungsfähigkeit beweisen können. ERSTE ZWISCHENBETRACHTUNG DER VEREINSPRAGMATISMUS ALS GRUNDPRINZIP Der Titel des ersten Hauptteils lautet „Fußball ohne Grenzen“. Auf diese Weise sollte danach gefragt werden, inwieweit die Fußballvereine im saarländischlothringischen Grenzraum an Grenzen stießen, diese überschritten oder sie sich selbst solche setzten. Bei der Beschreibung des Fußballsports in seiner Formierungsphase und in der Analyse des Fußballvereins als sozialem und politischem Raum ging es dabei letztendlich darum, das Wesen und das Selbstverständnis des Fußballvereins im saarländisch-lothringischen Grenzraum zu erörtern. Welchen Einfluss hatten die verschiedenen politischen Akteure auf seine Entwicklung und wie kam es im Fußballsport zu solch einer Eigendynamik? Der Fußballsport im saarländisch-lothringischen Grenzraum hatte seine Ursprünge an den höheren Schulen und in den Turnvereinen. Die 1894 erfolgte Gründung des Saarburger FC im Umfeld Walther Bensemanns blieb in Lothringen zunächst eine Ausnahme und hatte keine unmittelbaren Impulse für die weitere Entwicklung des Fußballsports im Grenzraum. Anders als im Elsass erfolgte die Gründung der ersten eigenständigen Fußballvereine erst in den Jahren nach der Jahrhundertwende. Großen Einfluss übten die deutschen Reformpädagogen aus. Die Etablierung von Veranstaltungen wie dem Spichererbergfest wurde von Pädagogen und dem Zentralausschuß für Volks- und Jugendspiele unterstützt, da sie die sittlich-moralische Erziehung und das patriotisch-nationale Ideal der reformpädagogischen Spielbewegung verkörperten. Auch wenn das Spichererbergfest zu einem ersten Forum des Fußballs im Grenzraum werden sollte, emanzipierten sich die entstehenden Fußballvereine gleichwohl sehr rasch von der Vormundschaft reformpädagogischer Kräfte. Sie entwickelten eine Eigendynamik, an deren Ende die Etablierung einer bürgerlich geprägten exklusiven Fußballkultur

365 Stenographischer Bericht des 19. Verbandstages, in: Fußball, 3.9.1919, S. 368.

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stand, die zwar auf Traditionen der regionalen Vereinskultur aufbaute, jedoch auch etwas völlig Neues bedeutete. In den größeren Vereinen kristallisierte sich im Laufe der Jahre mit dem Vereinspragmatismus ein Grundprinzip heraus, dem alle Handlungs- und Verhaltensweisen der Vereine unterlagen. Alles musste sich dabei dem Streben nach sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg unterordnen. Dass diese Handlungsmaxime einen sportlichen Nationalismus beinhaltete, war insofern selbstverständlich, da ein affirmatives und staatstragendes Verhalten die Voraussetzungen schuf, den Fußballverein in einem autoritären Staat wie dem Kaiserreich erfolgreich zu führen. Entsprechend überschritten die Fußballvereine dann soziale und politische Grenzen, wenn es der Vereinspragmatismus erforderte. Mit der Betonung einer pragmatischen Handlungsmaxime soll jedoch keineswegs der Versuch unternommen werden, die Vielschichtigkeit und Komplexität von Handlungszusammenhängen zu ignorieren. Vielmehr zieht sich das Leitmotiv des Vereinspragmatismus wie ein roter Faden durch die im Folgenden skizzierten zwölf Ergebnisse des ersten Hauptteils. 1.) Der sozialen Herkunft nach handelte es sich bei den Fußballvereinen im saarländisch-lothringischen Grenzraum um bürgerliche Einrichtungen. Schüler und Absolventen höherer Schulen machten einen Großteil der Vereinsmitglieder aus, wenngleich die Leitung der Vereine an der Saar von jungen Kaufleuten, Angestellten und Beamten und in Lothringen oftmals von eingewanderten „altdeutschen“ Lehrern wahrgenommen wurde. 2.) Geselligkeitsabende und Vereinsfeste knüpften an traditionelle Formen der Vereinsfestkultur an und dienten sowohl der Innen- als auch der Außendarstellung der Vereine. Feiern dienten der Geselligkeit und der Vergemeinschaftung innerhalb eines Vereins. Als soziale Orte der Fußballvereinskultur dienten Wirtshäuser. 3.) Die hohe Mobilität, die sich durch den regen Spielverkehr ergab, war ein Alleinstellungsmerkmal der Fußballvereine. Die meist jungen Mitglieder blickten erstmals über den Tellerrand ihrer lokalen Umwelt hinaus und wurden im saarländisch-lothringischen Grenzraum sozialisiert. Dadurch bildete sich ein Fußballvereinsnetzwerk, dessen organisatorischer Ausdruck sich im Saargau manifestierte. 4.) Im Saargau manifestierte sich das demografische Ungleichgewicht der Grenzregion dahingehend, dass die saarländischen Vereine überproportional vertreten waren. Allerdings war die Fußballvereinsdichte im Bezirk Lothringen noch mehr als doppelt so hoch als in den Departements des französischen Lothringen. 5.) Durch die Einrichtung des Saargaus und des damit verbundenen Wettspielsystems wurde das Streben nach sportlichem Erfolg zum obersten Gebot der Vereine, welchem sich alle Handlungs- und Verhaltensweisen anpassten. Dieses Streben schuf eine Fußballvereinskultur, die von einer Anpassung an sich verändernde politische Gegebenheiten geprägt war. Die Vereine wurden dadurch im Kaiserreich zunächst zu staatstragenden Faktoren, maßen jedoch die Verbindungen zu Körperschaften und anderen Organisationen stets auch nach deren Nützlichkeit. 6.) Die Mitgliedschaft der Fußballverbände und ihrer Vereine in Organisationen der staatlichen Jugendpflege oder im Jungdeutschlandbund erfolgte weniger

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aus patriotischen, sondern eher aus pragmatisch-finanziellen Gründen. Um eine erfolgreiche Jugendarbeit zu garantieren, war eine Zusammenarbeit mit der staatlichen Jugendpflege eine absolute Notwendigkeit. Der vom Kriegsministerium finanzierte Jungdeutschlandbund hatte bei den Fußballvereinen offensichtlich keinen hohen Stellenwert, wenngleich in diesem Punkt noch Forschungsbedarf besteht. 7.) Die bürgerlichen Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum hielten in der Regel ausgezeichnete Kontakte zur Armee. Dies äußerte sich nicht nur in der Bereitstellung der Exerzierplätze für die Vereine, sondern auch in zahlreichen Spielen zwischen Vereins- und Militärmannschaften. Nichtsdestotrotz stieß die Zusammenarbeit dann an ihre Grenzen, wenn die Fußballvereine sich in ihrem Streben nach sportlichem Erfolg behindert sahen. Infolgedessen stieß die Einführung von Jugendwehrabteilungen während des Ersten Weltkriegs in den Fußballvereinen nur auf geringe Resonanz. 8.) Staatliches Handeln gegenüber den Fußballvereinen spielte sich vor allem auf kommunaler Ebene ab. Allerdings erfolgte eine Sensibilisierung für den Sport in den Kommunen erst mit der Umsetzung der von oben eingeführten staatlichen Jugendpflege. Die Ortsausschüsse der Jugendpflege dienten den Fußballvereinen dabei als nützliche Kommunikationsforen. Die Sportplatzfrage stellte für die Fußballvereine das drängendste Problem dar. Wenn die Kommunen nicht helfen konnten, war eine erfolgreiche sportliche Zukunft nur möglich, wenn es den Vereinen gelang, selbst einen Platz zu pachten oder zu kaufen. 9.) Mit zunehmender Popularität des Fußballsports inszenierten soziale Milieus über Sport und Fußball die Abschottung gegenüber anderen sozialen Gruppen. Mit der Einführung von Sportabteilungen in den katholischen Jugendvereinigungen sollte die Jugend in die kirchlichen Strukturen integriert werden. Gleichwohl bedeutete der konfessionelle Fußballsport im saarländisch-lothringischen Grenzraum für den bürgerlichen Vereinsfußball vor dem Ersten Weltkrieg keine ernsthafte Konkurrenz. 10.) Der Entwicklungsschritt hin zum Zuschauersport markierte wie kein anderer den Anbruch eines kommerzialisierten und professionalisierten Fußballsports. Die Zuschauereinnahmen wurden zur relevanten Größe, ob ein Verein wachsen und gedeihen konnte. Damit einher ging eine strukturelle Professionalisierung der Vereine, die sich in einer Spezialisierung der Aufgabenfelder äußerte. Hierbei wurde der geschäftsführende Vorstand in zunehmendem Maße das Zentrum der Fußballvereine. Charakteristisch wurde die oftmals über Jahrzehnte hinweg andauernde personelle Kontinuität. Letztendlich entstand bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Typus des Fußballvereins, wie er in den folgenden Jahrzehnten Bestand haben sollte. 11.) Internationale Spiele gehörten ebenso zum Selbstverständnis der bürgerlichen Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum wie eine gelebte patriotische Grundhaltung. Trotz Kritik aus Turnerkreisen und trotz wachsender politischer Spannungen hielten die Vereine an internationalen Begegnungen fest. Darin kommt einerseits zum Ausdruck, dass nationaler Chauvinismus in den Fußballvereinen nur bedingt vertreten wurde. Nicht zuletzt die gemeinsamen Fest-

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abende zeigen, dass trotz Nationalisierung auch die kosmopolitische Tradition weiterhin ein Bestandteil des Wertekanons der Fußballvereine war. Andererseits bedeuteten internationale Spielabschlüsse Mehreinnahmen und eine nicht zu unterschätzende Werbewirkung für den Verein. Letztendlich stand auch bei Spielen gegen ausländische Gegner das vereinspragmatische Streben nach langfristigem sportlichem Erfolg im Vordergrund. 12.) Mit wachsender Popularität, die sich im steigenden Interesse der Öffentlichkeit widerspiegelte, konnten sich Vereine bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu einer Projektionsfläche lokaler und regionaler Identitäten wandeln. Zu erkennen ist dies beim Verein Borussia Neunkirchen, der sich durch seine sportlichen Erfolge, seine Anknüpfung an lokale Vereinstraditionen und durch seine Sozialisierung im lokalen Umfeld zunehmend lokal-regional verankerte. Bereits in diesen zwölf Ergebnissen kommt zum Ausdruck, dass der Fußballsport einem stetigen Wandel unterworfen war. Im zweiten Hauptteil, der die Jahre bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beschreibt, wird gezeigt, wie mit zunehmender öffentlicher Wahrnehmung der Fußballsport zur Projektionsfläche sozialer und politischer Ideen und Ideologien wurde. Mit der Rückkehr der Moselle in den französischen Staatsverband, mit der Schaffung des Völkerbundmandats an der Saar und der zunehmenden Politisierung der gesamten Grenzregion in den zwanziger und dreißiger Jahren sollte sich zeigen, dass die Vereine zunehmend zu selbstständigen sportpolitischen Akteuren wurden. Noch stärker als vor dem Krieg sollten mit dem endgültigen Durchbruch zum Massen- und Zuschauersport die Fußballvereine und ihr Spiel in den Fokus der Politik geraten, sollten sie zum politischen Inszenierungsraum werden.

TEIL II FUSSBALL ALS GRENZFALL DIE GETRENNTEN WEGE DER FUSSBALLVEREINE AN DER SAAR UND IN DER MOSELLE 1919–1939 5 DER NATION VERPFLICHTET DER AUFBRUCH DES KOMMERZIALISIERTEN FUSSBALLS IM DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN GRENZRAUM 5.1 Ein Hauch von Weltfußball Die „kurze Scheinblüte“ des Saarfußballs 1919–1924 „Das Straßenbild: französisches Militär, wandelnde Modepuppen, (…), elegante Civilisten, Kaufleute aller Herren Länder mischen sich mit saarländischen Einwohnern, welche die neue Kultur, den „warmen Hauch“ französischer Lebenskunst in allen Gassen und Lokalen spüren. Und dazwischen Autos, immer wieder Autos, Luxuswagen und Kraftfahrzeuge, voll mit Waren aus Paris und Marseille auf der Etappe nach dem rechtsrheinischen Gebiet. Zeitungsverkäufer schreien: Le Temps, le petit Parisien, Frankfurter Zeitung, Berliner Tageblatt. Überall durchschwirren französische Accente deutsche Laute. In den Theatern wechseln deutsche mit französischen Vorstellungen und gewiß sind es nicht die schlechtesten Vertreter, denen man die Propaganda französischer Kultur anvertraut. Dagegen machtvolle Kundgebungen in Versammlungen der verschiedenen Organisationen für das Deutschtum, dessen Wahrung vornehmlich den Vereinen überlassen bleibt und nicht zuletzt den Turn- und Sportvereinen. In diesem Ringen zweier Kulturen sind die saarländischen Fußballvereine sehr bemüht, gute deutsche Mannschaften nach hier zu verpflichten, um den Massen – und das sind nicht wenige – deutsche Sportsleute zu zeigen und 1 die Fühlung mit dem Stammgebiet in engster Weise zu finden.“

In dem von Erich Menzel entworfenen Panorama wird das besetzte Saargebiet einerseits als Ort des interkulturellen deutsch-französischen Zusammentreffens skizziert. Andererseits zeichneten sich mit dem „Ringen zweier Kulturen“ auch bereits deutlich die Konfliktlinien ab, welche die folgenden anderthalb Jahrzehnte an der Saar bestimmen sollten. Als Menzel diese Zeilen im Mai 1920 schrieb, hatte sich die geopolitische Situation im Südwesten des Deutschen Reiches dramatisch verändert. So war nicht nur Elsaß-Lothringen zurück an Frankreich gefallen, sondern auch das linksrheinische Gebiet blieb von alliierten Truppen besetzt, wobei die Räumung erst nach fünf, zehn und fünfzehn Jahren erfolgen sollte.2 Seit Anfang 1920 war zudem die international besetzte fünfköpfige „Regierungskommission des Saargebiets“ im Amt. Gemäß dem Versailler Vertrag und im Auftrag

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Erich Menzel: Stimmungsbild aus dem Saarland, in: Fußball, 19.5.1920. NIEDHART: Internationale Beziehungen (1989), S. 41.

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des Völkerbundes hatte sie treuhänderisch die Amtsgeschäfte im Saargebiet3 von der französischen Militärverwaltung übernommen. Das Saarstatut sah vor, dass nach Ablauf von fünfzehn Jahren eine Volksabstimmung die staatliche Zukunft des Industriereviers festlegen sollte. Das Saarstatut hatte mit dem „Saargebiet“ erstmals eine administrative Einheit geschaffen, in deren Rahmen sich Ansätze zur Ausbildung einer regionalen politischen Kultur entwickelten. Die Internationalisierung der Saar hatte dabei nicht nur maßgeblichen Einfluss auf die jeweiligen nationalen Strategien, sondern beschränkte vor allem das Handeln der saarländischen Akteure. Der 1922 eingerichtete Landesrat war zwar demokratisch legitimiert, hatte jedoch nur eine beratende Funktion gegenüber der Regierungskommission. Nicht zuletzt dieses demokratische Defizit war dafür verantwortlich, dass das Regime der „Reko“ von der saarländischen Bevölkerung als Besatzung und Fremdherrschaft empfunden wurde.4 Verstärkt wurde diese Wahrnehmung durch die fortwährende französische Omnipräsenz. Die Stationierung französischer Truppen, der Konflikt um das Schulwesen und den französischen Sprachunterricht, die Einführung der Frankenwährung und die Übernahme der Bergwerke durch Frankreich schürten die Furcht vor Überfremdung. Durch die Etablierung der französischen Grubenverwaltung war Frankreich plötzlich Arbeitgeber von mehr als einem Drittel aller beschäftigten Personen geworden.5 Für einen Großteil der Bevölkerung stand die französische Präsenz schlichtweg für die Ungerechtigkeit des „Versailler Diktats“6 und das Streben Frankreichs nach einer Annexion der Saar. Zu einer weiteren Polarisierung und Politisierung führte außerdem die unpopuläre und autoritäre Präsidentschaft des Franzosen Victor Rault, der die Regierungskommission bis 1926 leiten sollte. Trotz einer deutlichen Liberalisierung des Völkerbundregimes nach Raults Abberufung hatte die Regierungskommission bei der Bevölkerung jedoch bis dahin viel an Vertrauen verloren.7 In Abgrenzung zum „Besatzer“ ging es der saarländischen Bevölkerung darum, die Verbindungen zum Deutschen Reich umso mehr zu betonen und die bestehende Grenze zum Deutschen Reich sozusagen symbolisch einzureißen.8 Eine besondere Rolle sollte dabei den Turnund Sportvereinen zufallen, die ihre Verbindungen zu den deutschen Mutterver-

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Das vom Völkerbund verwaltete Saargebiet umfasste die preußischen Kreise Saarbrücken, Ottweiler und Saarlouis, Teile der Kreise Merzig und St. Wendel, das bayerische Bezirksamt St. Ingbert und Teile der Bezirksämter Homburg und Zweibrücken. Vgl. HERRMANN: Das Saarland (1971), S. 357. HAHN: Das Saarland (2007), S. 18; BEAUPRÉ: (Wieder-)Herstellen (2007), S. 166f. SINGER: Der Weg der Saarwirtschaft (1934), S. 9. Der Versailler Vertrag galt in Deutschland als Diktat und wurde über alle politischen Grenzen hinweg abgelehnt. In Frankreich dagegen wurde er als ein Minimum betrachtet. Siehe knapp SCHWABE: Versailler Vertrag (2009), S. 945–947. Ausführlich zur Besatzungserfahrung an der Saar BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 155–158; zur Liberalisierung des Völkerbundsregimes vgl. LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 29. Vgl. auch ZENNER: Das Saargebiet (1971), S. 589f sowie zur französischen Saarpolitik HUDEMANN: Brücke (2007), S. 102f. BEAUPRÉ: (Wieder-)Herstellen (2007), S. 179.

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bänden aufrecht erhielten und weiterhin den reichsdeutschen Organisationen angegliedert blieben. In dieser politisch aufgeheizten Atmosphäre wurde auch der Fußballsport – wie viele andere gesellschaftliche und kulturelle Bereiche – zu einem Ort der Politisierung und der Polarisierung. Gleichzeitig erlebte er unmittelbar nach Kriegsende einen Aufschwung, der die kühnsten Erwartungen übertraf. Bereits im Sommer 1920 hatte sich die Mitgliederzahl des Süddeutschen Fußballverbandes im Vergleich zum letzten Vorkriegsjahr verdreifacht. Dieser „Take Off“ des Fußballs konnte auch im Saargebiet beobachtet werden. Während in den saarländischen Industriedörfern innerhalb kurzer Zeit viele weitere Sport- und Fußballvereine entstanden, erlebten die großen Vereine einen regelrechten Mitgliederansturm. Borussia Neunkirchen zählte im Jahr 1920 sogar 1 297 Mitglieder und war damit vorübergehend offiziell der siebtgrößte Verein des DFB.9 Die Fußballvereine an der Saar mussten sich daher nicht nur den neuen politischen Gegebenheiten anpassen. Um dem unerwarteten Ansturm auf die Fußballplätze und die Zuschauerränge gerecht zu werden, mussten die von der Front zurückkehrenden erfahrenen Vereinsfunktionäre die Professionalisierung der Vereinsstrukturen vorantreiben. In vielen der größeren Vereine wurden in den ersten zwei Jahren Geschäftsstellen eingerichtet und teilweise hauptamtliche Geschäftsführer eingestellt. Im Februar 1919 wurde im Saar- und Moselgau wieder der reguläre Spielbetrieb aufgenommen. Dabei hatten die Vereine in den besetzten Gebieten insbesondere mit Verkehrsproblemen zu kämpfen, da mangels Alternativen auf kostspielige Autofahrten zurückgegriffen werden musste, um die Verbandsspiele zu bestreiten.10 Auf einem eigens einberufenen Verbandstag bildete sich am 26. Juli 1919 der sich selbst verwaltende „Rheinkreis“, der die in den besetzten Gebieten liegenden Teile des alten Nord- und Westkreises zusammenschloss. Im August wurde die Selbstverwaltung auf dem Verbandstag des Süddeutschen Fußball-Verbandes (SFV) aufgrund der Ausnahmesituation in den linksrheinischen Gebieten gebilligt. Die Vereine des Saargebiets spielten im dritten Bezirk des Rheinkreises gemeinsam mit pfälzischen Vereinen wie dem FV Kaiserslautern und dem SC Pirmasens.11 Für die Fußballvereine im Saargebiet brach mit der Spielzeit 1919/20 eine mehrjährige „goldene Ära“ an, die mit dem Gewinn des Süddeutschen Verbandspokals12 durch Borussia Neunkirchen im Jahr 1921 und der Teilnahme dieses

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Jahresbericht des Süddeutschen Fußballverbandes, in: Fußball, 28.7.1920, S. 741; KOPPEHEL: Geschichte (1959), S. 149. 10 Erich Menzel: Brief aus dem besetzten Gebiet, in: Fußball, 3.12.1919. 11 Brief aus dem besetzten Gebiet, in: Fußball, 24.10., 3.12.1919. Siehe Jahresbericht des Rheinkreises, in: Fußball, 28.7.1920, S. 747–749. Auf dem Verbandstag im Ulm 1920 wurde die Selbstverwaltung des Rheinkreises wieder aufgehoben. Da sich die Mitglieder des Rheinkreises der Aufhebung der Selbstverwaltung widersetzten, wurden sie 1922 aus dem SFV ausgeschlossen. Siehe Rubrik „In eigener Sache“, in: Saarbrücker Zeitung, 22.8.1922. 12 Der Süddeutsche Verbandspokal wurde 1917 eingeführt, um den im Krieg aufgetretenen Mangel an zugkräftigen Spielen zu heben. Die Pokalspiele litten nach 1919 an nachlassendem

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Teams am Endspiel um die Süddeutsche Meisterschaft im Jahr 1922 gekrönt wurde. Die Zuschauerzahlen hatten sich im Vergleich zur Vorkriegszeit zum Teil mehr als verdoppelt. Im Jahr 1920 waren 5 000 bis 7 000 Besucher keine Seltenheit. Und selbst der zweitklassige SV Sulzbach 06 zählte im Frühjahr 1920 bei einem Spiel gegen den FV Saarbrücken eine Rekordkulisse von 3 500 Zuschauern.13 Der „Siegeszug des Königs Fußball“14 war im Saarland allgegenwärtig. Große Plakate kündeten bereits im Vorfeld die großen Spiele gegen Mannschaften aus Budapest, Wien, Mannheim oder München-Gladbach an. Insbesondere die Auftritte der ungarischen Mannschaften, die um das Jahr 1920 den mitteleuropäischen Fußball dominierten, zogen die Massen an. Am Pfingstmontag des Jahres 1920 spielte Borussia Neunkirchen vor 10 000 Zuschauern gegen BAK Budapest. Das Spiel, das von den Ungarn mit 3:0 gewonnen wurde, wurde gefilmt und sollte in den saarländischen Kinos gezeigt werden.15 Insgesamt drei Budapester Vereine machten auf ihrer Tournee durch Süddeutschland Halt im Saargebiet. Höhepunkt war zweifellos das Auftreten der Mannschaft des MTK Budapest im Sommer 1920. Der ungarische Serienmeister – er errang von 1917 bis 1925 ununterbrochen den Meistertitel Ungarns – wurde als eine der stärksten Mannschaften des Kontinents eingestuft. Die siegreichen Auftritte dieser Mannschaft wie der 7:1Sieg bei den Münchner Bayern im Juli 1919 zeigten den deutschen Mannschaften ihre Grenzen auf. Ein Kennzeichen des Klubs war, dass er seit seinen Anfängen ein Sportverein des jüdisch-ungarischen Bürgertums war und wie kein anderer die jüdische Dominanz im ungarischen Sport widerspiegelte. Gleichzeitig stand der Verein jedoch auch für die Bereitwilligkeit des jüdischen Bürgertums, sich zu assimilieren. Bereits der ungarische Name des Klubs verwies auf ein unabhängiges „allgemeines Magyarentum“.16 Der MTK blieb auf seiner Tournee durch Süddeutschland und die Schweiz unbesiegt und ohne Gegentor. Als die Mannschaft in Saarbrücken ein Spiel absolvierte, wurde sie bereits auf dem Weg vom Bahnhof ins Hotel von einer dichten Menschenmenge willkommen geheißen. Ungeachtet einer deutlichen 0:7-Niederlage des SC Saar 05 wurde das Spiel für den Saarbrücker Verein zum Erfolg. Trotz eines Werktags zählte das Spiel angeblich

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Interesse und wurden 1927 in ihrer bisherigen Form eingestellt. Vgl. zum Süddeutschen Verbandspokal ausführlich SFV (Hg.): FS 60 Jahre (1957), S. 210–213. Rubrik „Saar- und Moselbote“, in: Fußball, 31.3.1920, S. 277. Erich Menzel: Aus dem Saarland, in: Fußball, 2.6.1920. Siehe Anzeige und Rubrik „Spiel und Sport“, in: Neunkirchener Zeitung, 22.5., 26.5.1920. Ob der Film tatsächlich im Kino gezeigt wurde und ob es heute noch eine Kopie gibt, konnte nicht festgestellt werden. Laut Andrew Handler war der MTK Budapast ein Klub, „to which the majority of Jewish athletes belonged at one time or another.“ Geführt wurde er von 1905 bis 1940 vom jüdischungarischen Philantropen und Mäzen Alfréd Brüll (1876–1944), der auch zahlreiche Funktionärsposten in ungarischen und internationalen Sportverbänden wahrnahm. 1944 wurde Brüll in Auschwitz ermordet. Vgl. HANDLER: From the Ghetto (1985), S. 21, 34–36; ausführlich zum MTK Budapest auch KARADY/HADAS: Fußball (2006), S. 216f.; auf Französisch siehe KARADY/HADAS: Football (1994). Zum MTK Budapest, seinem Auftritt in München 1919 und dem ungarischen Einfluss auf den deutschen Fußball vgl. auch ausführlich SCHULZEMARMELING: Der FC Bayern (2011), S. 80-93.

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12 000 Zuschauer und bereits im Vorverkauf konnten Eintrittskarten für 20 000 Mark abgesetzt werden.17 Das Spiel des ungarischen Meisters auf dem Neunkircher Ellenfeld wurde unmittelbar nach dem Spiel von Erich Menzel als „der imposanteste Tag in der Geschichte der Borussen“ bezeichnet. Er bezog dies weniger auf die vollen Zuschauerränge, die einmal mehr 10 000 Zuschauer fassten, sondern darauf, dass es der Neunkircher Mannschaft gelang, den Ungarn erstmals auf ihrer Tournee überhaupt Gegentreffer zu bescheren. Dies wurde auch von der Lokalpresse als sportliche Ehrenrettung Deutschlands betrachtet. Das Spiel, das vom langjährigen Verbandsfunktionär Wilhelm Raßbach geleitet wurde, endete mit einem 3:2-Sieg für MTK Budapest.18 Große internationale Spiele wie die Spiele gegen Budapest waren für beide Seiten gewinnbringend. Dienten sie den gastgebenden Vereinen als Einnahmequellen, als sportliche Lehrstunden und als Werbeveranstaltungen, so profitierten die ungarischen Spieler vor allem in finanzieller Hinsicht. Denn was die Fußballkunst, aber auch die Sportanlagen betraf, so waren sich die Ungarn sicher, waren sie den Deutschen „um ungezählte Jahre voraus.“19 Für den 12. Dezember 1920 wurde im Saargebiet erstmals ein repräsentatives Spiel terminiert. Der Verbandsvorstand hatte die Begegnung Süddeutschland gegen Westdeutschland nach Saarbrücken vergeben. Für den „Fußball“ war dies konsequent, hätten doch die Leser im vergangenen Sommer erstaunt vom sprunghaften Aufschwung des Fußballs und von den Massenbesuchen auf den Sportplätzen an der Saar Kenntnis genommen.20 Für den saarländischen Fußball war das von mehr als 10 000 Zuschauern besuchte Fußballspiel ein willkommenes Großereignis, zumal mit Wollbold, Neu und Regitz drei saarländische Spieler auf dem Platz stehen sollten. Bereits am Vortag waren der Verbandsvorstand und die zahlreichen Funktionäre, Spieler und Anhänger angereist. Die Gäste „von drüben“ registrierten erstaunt die helle abendliche Straßenbeleuchtung in Saarbrücken und die teureren Preise im Saargebiet. Auf dem Programm standen neben dem 7:0Sieg über Westdeutschland Verbandssitzungen und Stadtbesichtigungen.21 Allen nationalen Diskursen zum Trotz und entgegen der von Menzel angekündigten Verpflichtung der Vereine, den Saarländern „deutsche Sportsleute zu zeigen“, war der Qualitätssprung des Saarfußballs in hohem Maße der Internationalität des Fußballsports geschuldet. Trotz des Sportboykotts durch die Siegermächte des Weltkriegs wurde auch die Saar von der Migration ausländischer Fußballspieler und -trainer berührt.22 Das Saargebiet war für Spieler und Trainer aus 17 Art. M.T.K. im Saargebiet, in: Fußball, 7.7.1920, Art. Die M.T.K.-Tournee, in: ebda., 14.7.1920. 18 Erich Menzel: Der Abschluß der M.T.K.-Tournee, in: Fußball, 21.7.1920; Rubrik „Spiel und Sport“, in: Neunkirchener Zeitung, 16.7.1920; Art. Die Tournee des MTK, in: Wiener SportTagblatt, 16.7.1920. 19 Art. Reise-Eindrücke, in: Wiener Sport-Tagblatt, 16.7.1920. 20 Art. Ein Ausflug ins Saargebiet des Süddeutschen Verbandes, in: Fußball, 7.12.1920, S. 1352. 21 Art. Ein Ehrentag für Süddeutschland, in: Fußball, 14.12.1920, S. 1403f., Art. Nachklänge aus Saarbrücken, in: ebda., 28.12.1920. 22 Zur Migration von Fußballspielern seit den zwanziger Jahren vgl. LANFRANCHI/TAYLOR: Moving (2001), hier S. 1–5. Zum Sportboykott vgl. Kapitel 7.1.

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Ungarn und Österreich attraktiv, weswegen in der Öffentlichkeit auch von einer „Wien-Budapester Spielerinvasion“ die Rede war.23 Hintergrund waren zum einen die politischen Unruhen, welche die Erbmasse der untergegangenen Donaumonarchie erschütterten. Das Intermezzo der ungarischen Räterepublik unter Béla Kun und der kurz darauf folgende Terror der Konterrevolution sorgten für einen Exodus vieler ungarischer Starspieler.24 Zum anderen lockten die attraktiven Verdienstmöglichkeiten. Von der weiter oben erwähnten Deutschland-Tournee des MTK Budapest kehrten einige Spieler nicht nach Ungarn zurück.25 Um dem Spielerexodus Einhalt zu gebieten, schloss der ungarische Fußballverband im Juni 1920 mit dem DFB eine Vereinbarung, nach welcher bei Spielerübertritten die Bewilligung des ungarischen Verbandes vorzuliegen habe. So erhielten die Ungarn Adolf Kertész und Theodor Hesser vom SC Saar 05 Saarbrücken von ihrem Mutterverband nachträglich die Spielerlaubnis. Verweigert wurde das Spielrecht dagegen für Spieler, die nachweislich auf einer ausländischen Tournee ihren Verein „treulos im Stich gelassen“ hatten.26 Ungarische Trainer und Spieler fanden sich seit 1920 verstärkt in den saarländischen Fußballvereinen wieder. Eine spektakuläre, wenn auch nur kurze Karriere im Saarland absolvierte der ungarische Spieler Adolf „Adi“ Kertész. Er stammte aus einer jüdischen Familie aus Budapest und war wie seine drei Brüder langjähriger Leistungsträger beim MTK Budapest sowie in der ungarischen Nationalmannschaft gewesen. Trotz eines Handikaps an einem Arm hatte er einen individuellen Spielstil entwickelt, der ihn sowohl in der Offensive als auch in der Defensive zu einem Schlüsselspieler reifen ließ. Im Sommer 1920 wechselte er im Anschluss an die Deutschlandtournee des MTK Budapest zum SC Saar 05, um dort als Spielertrainer zu arbeiten. Am 30. November kam er im Alter von 28 Jahren bei einer verhängnisvollen Autofahrt ums Leben. Tragischerweise starb er, nachdem er für seinen Landsmann Hesser die Spielerlaubnis aus Homburg besorgt hatte, auf der Fahrt zu einem Spiel beim Ligakonkurrenten Borussia Neunkirchen.27 Sein Tod wurde nicht nur im Saargebiet mit großer Bestürzung aufgenommen. Auch beim MTK Budapest sowie in der überregionalen und in der Wiener Sportpresse wurde seiner gedacht. Beerdigt wurde Adolf Kertész auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Saarbrücken. Als Grabinschrift ließ der SC Saar 05 einmeißeln: „Er war ein treuer Sportkamerad“.28 Noch Jahre später erinnerte die 23 Rubrik „Vom Saarland“, in: Fußball, 12.10.1921, S. 1650. Vgl. zum „Überschwang internationaler Trainer“ auch MENZEL, Albrecht: Geschichte (1957), S. 239. 24 Art. Ungarische Fußballer auf der Flucht, in: Wiener Sport-Tagblatt, 2.7.1920. 25 MARSCHIK/SOTTOPIETRA: Erbfeinde (2000), S. 195. Zum ungarischen Fußball vgl. generell VAD: Fußball (2007). 26 Art. Das Kartell mit Ungarn, in: Wiener Sport-Tagblatt, 26.6.1920; Art. Die Ungarnspieler, in: Fußball, 30.11.1920. 27 Art. Kertesz tödlicher Unfall, in: Wiener Sport-Tagblatt, 15.12.1920; Art. Der Tod Kertesz III., in: Ebda., 29.12.1920; HANDLER: From the Ghetto (1985), S. 60 28 Siehe Digitale Edition – Jüdischer Friedhof Saarbrücken, neu (1920–1977/252 Einträge): Inv.-Nr. 0032. URL: www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?function=Ins&sel=sb2&inv= 0032 (2010-06-16) [20.6.14].

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Vereinszeitschrift an ihn: „Das Vertrauen in sein spielerisches Können war grenzenlos, wie er auch als Mensch die Sympathien aller besaß.“29 Auch beim SV Rot-Weiß Sulzbach, der in den frühen zwanziger Jahren seine Blütezeit erlebte, spielten ungarische Spieler, unter ihnen auch der Nationalspieler Alexander Thury. 1921 war der Feinmechaniker jüdischen Glaubens nach Kaiserslautern gezogen und hatte zwei Jahre später in Sulzbach eine Stelle in einer Kassenschrankfabrik angenommen. Zusammen mit den ungarischen Spielern Eugen Mayer und Josef Mihalek errang er mit dem SV Sulzbach im Jahr 1925 die Blies-Pfalz-Kreismeisterschaft. Danach verließ das ungarische Trio Sulzbach. Thury spielte fortan beim FV Kaiserslautern.30 Auch wenn keine Zahlen über das Engagement der ungarischen Spieler und Trainer im Saargebiet vorliegen, so erregten sie dennoch öffentliches Aufsehen. Erich Menzel vermutete im April 1922, dass es wohl nicht mehr lange dauere, bis eine ungarische Filial-Mannschaft die Saarländer um die Hegemonie im saarländischen Fußball herausfordere.31 Ein Coup gelang Borussia Neunkirchen im Juni 1920 mit der Verpflichtung von Adolf „Adi“ Fischera, der vor dem Ersten Weltkrieg als einer der spielstärksten österreichischen Fußballspieler galt.32 Der 31-jährige ehemalige Nationalspieler übernahm als Leiter des Übungsausschusses das Training aller Mannschaften33 und wirkte als Spielführer in der ersten Mannschaft mit. Dass Fischera den Wechsel aus dem mondänen Wien in die saarländische Hüttenstadt in Erwägung gezogen hatte, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass er in seiner neuen Stellung als Sekretär bei einem Neunkircher Fabrikanten – bei welchem es sich vermutlich um das Neunkircher Eisenwerk handelte – angeblich zusätzlich 3 000 Mark monatlich verdiente. Fischera stand wie niemand vor ihm im Mittelpunkt des sportlichen Interesses in Neunkirchen und war laut Wiener Presseberichten die „populärste Figur“ in „seinem Städtchen“, „eine Persönlichkeit, die jeder Neunkirchner kennt.“ Im seinem ersten halben Jahr führte er die erste Mannschaft zum überlegenen Meistertitel in der Saarkreisliga, wobei von 87 erzielten Toren die Hälfte auf Fischeras Konto gingen. Vom Publikum vergöttert, wurde er laut Presseberichten nach fast jedem Spiel auf den Schultern vom Platz getragen.34 Mit seiner Verpflichtung hob sich das sportliche Niveau des Vereins innerhalb weniger Monate derart, dass er 1921 das Endspiel um den Süddeutschen Verbandspokal erreichte. Es war der bis dahin größte Erfolg des saarländischen Fußballs. Nicht zuletzt dank der Leistung Fischeras gewann Borussia Neunkirchen das Spiel in 29 Reminiszenzen über Jahre voller Freud und Leid, in: Clubzeitung SC „Saar“ 05, Dezember 1925; Nachruf des Vereins, in: Fußball, 7.12.1920. 30 Zu Alexander Thury (1895–1964) vgl. HERZOG: Der Betze (²2009), S. 37–40; SV Rot-Weiß 05 Sulzbach: FS 60 Jahre (1965), S. 14. 31 Erich Menzel: Ostern im Saarland, in: Fußball, 18.4.1922, S. 416. 32 Zu Fischera (1888–1938) vgl. FUCHS: Adolf Fischera (2005) sowie aktuell FORSTER u.a.: Die Legionäre (2011), S. 142–144. 33 Siehe Übungsplan der Fußball- und Leichtathletikabteilungen von Borussia Neunkirchen, veröffentlicht, in: Neunkirchener Zeitung, 9.6.1920. 34 Art. Fischera, in: Wiener Sport-Tagblatt, 16.2.1921; Art. Reiseeindrücke. Von der Wettspielreise des WAF, in: ebda., 12.8.1920.

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Stuttgart gegen den Nürnberger FV am 12. Juni 1921 mit 3:2 Toren. Nach anderthalb Jahren in Neunkirchen kehrte Fischera 1922 in seine Heimatstadt Wien zurück. Er hinterließ nicht nur eine eingespielte Mannschaft, sondern als neues Markenzeichen der erfolgreichen Neunkircher Jahre auch das von ihm eingeführte schwarze Dress der ersten Mannschaft. Welchen Eindruck Fischera in Neunkirchen hinterlassen hatte, war auch noch sechzehn Jahre später zu spüren. 35 1938 sollte er für den Verein als neuer Trainer verpflichtet werden. Die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte sollte jedoch nicht mehr stattfinden. Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb Fischera in Wien im Alter von 50 Jahren.36 Auch der englische Fußball übte in diesen Jahren Einfluss auf das Saargebiet aus. Das größte öffentliche Aufsehen erregte dabei der ehemalige englische Berufsspieler Walter Wilson, der bereits in den Niederlanden als Trainer gearbeitet hatte und 1921 vom SC Saar 05 als Trainer angestellt wurde. 1922 wechselte er zu Borussia Neunkirchen, wo er das Erbe Fischeras antrat und mit der ersten Mannschaft im Mai 1922 das Endspiel um die Süddeutsche Meisterschaft erreichte.37 Trotz der Aussage des optimistischen Trainers Wilson – „We can beat Wacker“ – verlor Borussia Neunkirchen in Frankfurt vor 18 000 Zuschauern gegen den FC Wacker München, bei welchem zu diesem Zeitpunkt die ungarische „Spielerlegende“ Alfréd Schaffer spielte, knapp mit 1:2 Toren.38 Die Verpflichtung ausländischer Spieler und Trainer blieb im Saargebiet nicht ohne Kritik. Im „Fußball“ wurde vom Saarland als dem „Lande der Trainer“ berichtet, und dass ausländische Trainer wie Fischera sowohl bewundert als auch angepöbelt worden seien. Viele der Trainer würden nur kurze Zeit bei saarländischen Vereinen verweilen. So hätte der englische Trainer Handley [Vorname unbekannt] nach kurzer Zeit Völklingen ebenso verlassen wie sein tschechischer Kollege Oppenheim den Sportverein 1905 Saarbrücken.39 Erich Menzel sah im Rückgriff der Vereine auf internationale Kräfte den Versuch, mit allen Mitteln sportlichen Erfolg zu erzwingen. Im „Fußball“ äußerte er sich 1922 kritisch über die Situation der ausländischen Spieler und Trainer im Saargebiet: „Im eigenen Verein über Gebühr verehrt, von den Gegnern bis zum Exzeß angepöbelt, stehen die Ausländer auf unruhigen Füßen und geben unserer Sportbewegung einen krampfhaften 40 Anstrich vom Entwicklungsbestreben der Vereine.“

Letztendlich zeichnete sich in der Aktivität ausländischer Spieler und Trainer an der Saar ein weiterer Entwicklungsschritt des Fußballsports ab. Der internationale 35 Das schwarze Dress wurde erstmals bei einem Spiel gegen den FC Idar am 11.7.1920 getragen. Siehe Rubrik „Spiel und Sport“, in: Neunkirchener Zeitung, 13.7.1920. Zum Endspiel im Degerloch vgl. ausführlich Borussia Neunkirchen: FS 50 Jahre (1955), S. 30–32. 36 FORSTER u.a.: Die Legionäre (2011), S. 143. 37 Rubrik „Vom Saarland“, in: Fußball, 19.9.1922, S. 961. 38 Erich Menzel: Vom Saarland über die Wasserkante zum Main, in: Fußball, 17.5.1922, S. 532. Zum Spiel vgl. ausführlich die Berichterstattung ebda. sowie in: Borussia Neunkirchen (Hg.): FS 50 Jahre (1955), S. 33. 39 Art. Im Lande der Trainer, in: Fußball, 12.10.1921. 40 Erich Menzel: Ostern im Saarland, in: Fußball, 18.4.1922, S. 416.

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Sportboykott der Siegermächte gegenüber den Verlierern des Weltkriegs hatte dazu geführt, dass bis 1923/24 die Fußballmigration an der Saar hauptsächlich die „Donauschule“ Österreich-Ungarn betraf, wenngleich an der Saar auch englische Trainer den Fußball prägen sollten. Die Entfaltung des saarländischen Fußballs war letztendlich der Entstehung eines internationalen Netzwerkes in Europa geschuldet. Mit der oft nur zeitlich begrenzten Anstellung von Trainern und der Entlohnung ausländischer Spieler wurden Wege beschritten, in denen sich heute gängige Vereinspraktiken abzeichneten. Bereits Mitte der zwanziger Jahre war die Arbeitsmigration von Fußballspielern durch gegenseitige Vereinbarungen und Kartellverträge zwischen den nationalen Fußballverbänden zunehmend verrechtlicht und geregelt worden. Prinzipiell galt beispielsweise für Österreich, dass der bisherige Verein einem Wechsel zustimmen musste.41 Die Professionalisierung der Vereine und der Mannschaften manifestierte sich nicht zuletzt in der Etablierung hauptamtlicher Geschäftsführer, die auch für die Anwerbung von Spielern an Bedeutung gewannen. Ein Beispiel hierfür ist Max Simmerlein. Der aus Nürnberg stammende ehemalige Berufssoldat zog im Jahr 1921 aus Wilhelmshaven nach Neunkirchen, wo er als hauptamtlicher Geschäftsführer eingestellt wurde. Der langjährige Vorsitzende des Marine-Sportclubs Wilhelmshaven galt weithin als Fußballexperte und zeichnete sich 1922 durch die Verpflichtung der Spieler Voß und Magnus aus, die er aus Bremen kannte. Insbesondere Kurt Voß sollte sich für den Verein als ein Glücksfall erweisen. Der in Kiel geborene Kaufmann spielte abgesehen von einem vierjährigen Zwischenspiel bei Holstein Kiel bis 1936 bei Borussia Neunkirchen und wurde 1925 der erste „Internationale“ des Vereins.42 Seine Anwerbung im Frühjahr 1922 wurde jedoch zu einem Sportpolitikum. Die Neunkircher Anwerbungspraxis thematisierend, bezeichnete der norddeutsche „Hamburger Sport-Expreß“ Simmerlein als berüchtigten Spieleragenten, der dafür gesorgt hätte, dass aus dem Saargebiet „das gelobte Land gewinnsüchtiger Fußballer“ geworden sei. Der Verein Borussia Neunkirchen wehrte sich gegen die Vorwürfe der Spielerabwerbung. Simmerlein habe die Spieler lediglich darauf hingewiesen, wie hervorragend im Saargebiet die Verdienstmöglichkeiten seien. So hätten beide Spieler inzwischen Anstellungen bei Neunkircher Industriefirmen gefunden. Allerdings gab der Verein aber auch offen zu, „daß Simmerlein sicher auch daran gedacht hatte, seinem Verein zugleich tüchtige Spieler zu verschaffen.“43 Letztendlich hatte der umstrittene Wechsel ins Saargebiet für Voß ein Nachspiel. Auch wenn er dank vormittäglicher Verhandlungen Erich Menzels mit dem DFB am Nachmittag im Endspiel um die süddeutsche Meisterschaft das erste Mal zum Einsatz kam, sollte er in den folgenden Monaten aufgrund eines Einspruchs des norddeutschen Fußballverbandes keine Spielberechtigung erhalten. 41 FORSTER: Die Legionäre (2011), S. 25f. Zur Entwicklung eines internationalen Netzwerks ab 1920 vgl. LANFRANCHI: Fußball (1991), S. 163–166; zur Migration österreichischer Spieler HORAK/MADERTHANER: Mehr als ein Spiel (1997), S. 179–187, hier S. 184. 42 Kurt Voß (1900–1978) absolvierte 1925 zwei Länderspiele für den DFB. 43 Erich Menzel: Vom Saarland, in: Fußball, 2.5.1922, S. 463.

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Die Expansion des Fußballsports und das rasante Wachstum des Süddeutschen Fußballverbandes stellten den Verwaltungsapparat nicht nur immer wieder vor neue Herausforderungen, sondern führten auch zunehmend zu verbandsinternen Frontstellungen. So bildeten sich Interessengemeinschaften der großen Ligavereine sowie der kleineren A-B-C44-Vereine. Beide Gruppen versuchten jeweils, auf den Verbandstagen ihre Anliegen durchzusetzen. Wie es sich bereits vor dem Krieg angedeutet hatte, stand das Spielsystem im Zentrum der Kritik. Veranstaltungen wie der Ulmer Verbandstag im Juli 1920 waren von verbalen Scharmützeln geprägt, wobei die Bühne der Verbandstage von Vereinsfunktionären oftmals dazu benutzt wurde, sich selbst zu profilieren. In der drohenden Spaltung des Verbands und im nicht enden wollenden Dauerstreit sah nicht nur Eugen Seybold vom „Fußball“ das Ende der Fußballbewegung kommen. Allerdings zogen die wenigsten daraus ihre Konsequenzen. Eine Ausnahme bildete Ludwig Albert, der bis 1918 in Metz gelebt und sich als langjähriger zweiter Vorsitzender des SFV einen Namen gemacht hatte. Er sah seine Jugendideale zertrümmert und verkündete auf dem Ulmer Verbandstag seinen Abschied. In seiner im „Fußball“ abgedruckten Rede geißelte Albert die „Gewinnsucht“ als die einzige in der Sportbewegung existierende Tendenz. Er konstatierte eine verdorbene Moral, die bereits vor dem Krieg vorhanden gewesen sei und bemängelte, dass der Gemeinsinn fehle und der Verband in Gruppen, Klassen und Gegensätze zerfallen sei.45 Die von Albert konstatierte „Gewinnsucht“ war tatsächlich Ausdruck einer weiteren Kommerzialisierung des Fußballsports, die sich beschleunigt in der Nachkriegszeit fortsetzte. Der gesteigerte Sportbetrieb, die rasant anwachsenden Zuschauerzahlen bzw. -einnahmen und die Frankenwährung sorgten dafür, dass größere Vereine wie der SC Saar 05 und Borussia Neunkirchen in die Lage versetzt wurden, sich die Dienste sehr guter Fußballspieler zu versichern. Die politischen Erdbeben in Ungarn, aber vor allem der wirtschaftliche Aufschwung im Saargebiet Anfang der zwanziger Jahre sorgten dafür, dass Spieler wie Kertész oder Fischera von saarländischen Fußballvereinen angeworben werden konnten. Sie profitierten davon, dass seit 1920 die meisten Gehälter und Löhne im Saargebiet in französischen Franken ausbezahlt wurden. Durch die hohen Devisenkurse begünstigt, konnten sich im „frankengesegneten Saarland“ selbst zweitklassige Vereine ehemals kostspielige rechtsrheinische Mannschaften als Gegner verpflichten.46 Die Frankenwährung fungierte als Schutzschirm gegenüber der inflationären Entwicklung der Deutschen Reichsmark und sorgte für attraktive Verdienstmöglichkeiten im Saargebiet. Auf der anderen Seite kam es jedoch auch des Öfteren vor, dass Meisterschaftsspiele im Saargebiet abgesagt werden mussten, da sich manche Vereine die Reise an die Saar aufgrund der hohen Kosten und der teuren Verpflegung nicht mehr leisten konnten.47 Allerdings machte sich in der 44 Dies war die gängige Bezeichnung für Vereine, die in den Klassen A bis C spielten. 45 Siehe Rede Ludwig Alberts auf dem Ulmer Verbandstag des SFV, in: Art. Die Tage von Ulm, in: Fußball, 4.8.1920. 46 Erich Menzel: Rubrik „Vom Saarland“, in: Fußball, 29.8.1922, S. 888. 47 Eingabe des DFB, Linnemann, an das RMI, Abt. III, 29.4.1922, in: BA Berlin, R 1601/692.

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saarländischen Wirtschaft spätestens ab Mitte der zwanziger Jahre das Fehlen einer einheitlichen saarländischen Wirtschaftspolitik bemerkbar. Infolgedessen litt das Saargebiet und mit ihm auch der Fußballsport seit 1925/26 unter der Talfahrt des französischen Franken, der rund ein Drittel seines Werts verlieren sollte.48 Weniger betroffen als andere Vereine war davon der FV Saarbrücken, der sich vor Verlusten durch die Frankenentwertung „rechtzeitig durch den Ankauf von wertbeständigem Geld geschützt“ hatte.49 Nicht zufällig wurde der Saarbrücker Verein deshalb seit Mitte der zwanziger Jahre zum führenden Fußballklub des Saargebiets. Nichtsdestotrotz hatte die von Erich Menzel wenige Jahre später so benannte „kurze Scheinblüte“50 des saarländischen Fußballs spätestens ab Mitte der zwanziger Jahre ihr Ende gefunden. Neben der durch die Popularisierung des Fußballs in Gang gesetzten weiteren Kommerzialisierung und Professionalisierung des Vereins- und Spielbetriebs bestand die zweite große Herausforderung für die Fußballvereine an der Saar im Umgang mit der neuen politischen Situation. Wie im folgenden Unterkapitel dargelegt wird, interessierten sich sowohl die französische Besatzungsmacht als auch die reichsdeutsche Politik für den Sport im Saargebiet und insbesondere für den populären Fußball. 5.2 Das Werben um den Sport. Die Fußballvereine im Saargebiet zwischen Vaterlandsliebe, Anpassung und Vereinsegoismus 1919–1925 Am 29. November 1919 fuhr Paul Dittscheid, der 30-jährige Vorsitzende des SV 1905 Saarbrücken,51 mit dem Zug von Saarbrücken nach Frankfurt am Main, um an einem konspirativen Treffen mit einem gewissen Herrn V. aus BerlinLichterfelde teilzunehmen. Unverrichteter Dinge musste Dittscheid jedoch wieder abreisen, nachdem er diesen nicht im Hotel angetroffen und festgestellt hatte, dass er das Zimmer wieder abbestellt hatte, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Dennoch war Dittscheid seiner Berliner Kontaktperson, mit der er seit Oktober einen Schriftwechsel pflegte, nicht nachtragend. Beide bekräftigten schriftlich ihr weiteres Interesse an einer Zusammenkunft.52 Dittscheids Kontaktperson war niemand anderer als Theodor Vogel, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Geschäftsstelle „SaarVerein“ in Berlin und in den folgenden fünfzehn Jahren „die treibende Kraft der

48 Vgl. in Grundzügen HERRMANN: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung (1989), S. 64–71. 49 Siehe Rechenschaftsbericht des FV Saarbrücken über das Geschäftsjahr vom 1.4.1925 bis 1.4.1926, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. 50 Menzel, Erich: Art. Auf falschen Wegen, in: SWD, 6.10.1930, S. 2. 51 Der SV 1905 Saarbrücken war am 27.9.1919 aus einer Vereinigung des 1. FC Germania 05 und der Sportvereinigung 06 Saarbrücken hervorgegangen. Vgl. SV Saar 05 Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1955), o. S. 52 Schriftwechsel Vogel/Dittscheid, 14.10., 25.10.1919, in: BA Berlin, R 8014/1017; Schreiben Dittscheid an Meta Lissel, 1.12.1919, 4.1.1920, Schreiben Lissel an Dittscheid, 10.12.1919, in: BA Berlin, R 8014/1018.

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privaten Saarpropaganda“.53 Wann sich Vogel und Dittscheid tatsächlich trafen, ist nicht bekannt. Allerdings wird in dieser kleinen Episode aus der Zeit der Besatzung bereits deutlich, dass es die Sportvereine in der Auseinandersetzung um das Saargebiet nicht vermeiden konnten, politisch Stellung zu beziehen. Dies mussten die Saarbrücker Turn- und Sportvereine auch wenige Monate zuvor, als sie im Rahmen einer Ausstellung von General Joseph Andlauer, dem „Administrateur supérieur de la Sarre“ gebeten wurden, an einer Sportveranstaltung auf den St. Arnualer Wiesen teilzunehmen. Die Teilnahme der Saarbrücker Turnvereine sollte letztendlich weitreichende Konsequenzen haben. Zwar konnte Johann Poller vom Turnverein Malstatt, seines Zeichens langjähriger Kreisjugendpfleger, Turninspektor und Gauturnwart im Saar-Blies-Gau, eine Teilnahme durchsetzen.54 In der darauf folgenden Auseinandersetzung konnte sich jedoch insbesondere der Turnfunktionär Karl Burk als Gegner jeglicher Kompromisse mit der französischen Besatzung profilieren.55 Während sich Poller in den folgenden Monaten und Jahren gezwungen sah, nach und nach seine Ämter als Turnfunktionär aufzugeben, stieg Karl Burk zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten des saarländischen Sports in der Völkerbundszeit auf. Er wurde nicht nur zur führenden Persönlichkeit der Deutschen Turnerschaft im Saargebiet, sondern hielt als Vorsitzender des Saarbrücker Stadtverbandes für Leibesübungen auch engen Kontakt zu den reichsdeutschen Stellen, zu deren Vertrauensmann er bald darauf avancierte. Wie im Folgenden gezeigt wird, wurden die Sportvereine sowohl von der deutschen als auch von der französischen Propaganda hofiert. Zweifellos konnte die deutsche Seite dabei erfolgreicher agieren, schien ein Appell an die nationale Ehre doch auf fruchtbareren Boden zu fallen, während die französische Seite mit dem diffusen Leitbild eines frankophilen autonomen Saarsports den Vereinen keine Ernst zu nehmende Alternative zu bieten schien. Allerdings sollte sich gerade für die Fußballvereine zeigen, dass es für sie angesichts der Herausforderungen durch die Popularisierung ihres Sports nicht immer einfach – und schon gar nicht immer einleuchtend – war, strikte Grenzen zu ziehen. Die französische Besatzungspolitik an der Saar bediente sich der Methode der „pénétration pacifique“, um die Stimmung an der Saar zu Gunsten eines Anschlusses des Saargebiets zu drehen. Und auch der französische Einfluss auf die im Januar 1920 eingesetzte internationale Regierungskommission war unbestritten. Die Kommission sah unter ihrem französischen Präsidenten Victor Rault eine 53 BECKER: Deutsch ist die Saar (2004), S. 110. Zur Person Vogels vgl. WETTMANN-JUNGBLUT: Theodor Vogel (2005). 54 Als Voraussetzung für eine Teilnahme hatte Poller gegenüber Andlauer die Forderung gestellt, dass es zukünftig keine Einschränkungen für das Turnen im Saargebiet geben dürfe und dass das Fest kein französisches Gepräge erhalten dürfe. Laut dem Bericht eines Vertrauensmannes wurden diese Forderungen weitgehend respektiert. Siehe Bericht eines anonymen VMannes [1925], in: LHA Koblenz, Best. 442/7520. 55 Durch die Affäre um die Teilnahme der Turner und das Vorgehen Pollers kam es zur Spaltung der Saarbrücker Turnvereine, woran zu sehen ist, dass die später immer wieder beschworene nationale Abwehrfront gegenüber Frankreich im Herbst 1919 keineswegs gefestigt war.

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Ausweitung der Rechte Frankreichs sowie einen Ausbau der Autonomie des Saargebiets vor. Die französische Saarpolitik gründete sich nicht nur auf die französischen Repräsentanten der Regierungskommission und auf eine französisch dominierte Verwaltung, sondern auch auf die nicht dem Völkerbund unterstehende „Administration des Mines“, die als größte Arbeitgeberin im Saarrevier in der Lage war, politischen und wirtschaftlichen Druck auszuüben.56 Erst im Zuge der „Entspannungspolitik“ zwischen Paris und Berlin ab 1926 und der Erkenntnis, dass ein prodeutsches Plebiszit an der Saar kaum zu vermeiden war, sollte die französische Politik nicht mehr vornehmlich das Ziel verfolgen, die Bevölkerung durch eine aktive Kultur- und Sozialpolitik an Frankreich heranzuführen.57 Die französische Saarpolitik der ersten Jahre hatte dabei nicht nur mit lange tradierten Feindbildern in der saarländischen – wie auch in der französischen – Bevölkerung zu kämpfen, sondern hatte sich durch harte restriktive Maßnahmen während der Besatzungszeit viele Sympathien in der Bevölkerung verspielt. Insbesondere die harte Reaktion auf den durch die katastrophale Versorgungslage entstandenen Generalstreik im Oktober 1919 hatte nachhaltig die Fronten verschärft.58 In dieser politisch aufgeheizten Stimmung kam es zur Nationalisierung alltäglicher Konflikte. So wurden beispielsweise Arbeitskämpfe an der Saar als deutsch-französische Auseinandersetzungen gelebt.59 Eine aktive Kultur- und Sportpolitik wurde somit vor letztlich unüberwindbare Hindernisse gestellt. Das Werben der französischen Propaganda um die Turn- und Sportvereine war insgesamt kaum von Erfolg gekrönt. Wie am Beispiel des Turn- und Sportfestes vom August 1919 gesehen, hatte bereits die französische Militärverwaltung versucht, mithilfe des Sports Kontakt zur saarländischen Bevölkerung zu knüpfen. Dabei soll es auch zu Fußballspielen zwischen saarländischen und französischen Mannschaften, in denen farbige Kolonialsoldaten spielten, gekommen sein. Wäh56 ZENNER: Parteien (1966), S. 42–57; BECKER: Deutsch die Saar (2004), S. 467f. 57 Gemäß Lempert lässt sich die französische Saarpolitik in drei Phasen einteilen. Nach der Politik der Heranführung der saarländischen Bevölkerung an Frankreich habe sich mit der Entspannungspolitik eine Politik der Besitzstandwahrung durchgesetzt. Dabei hätten die durch den Versailler Vertrag eingeräumten wirtschaftlichen Vorrechte weiterhin gesichert werden sollen. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme habe sich die französische Saarpolitik auf den Erhalt des „Status quo“ konzentriert, dem nun wieder mehr Chancen eingeräumt worden seien. Vgl. LEMPERT: Das Saarland den Saarländern (1985), S. 49–121 sowie BECKER: Deutsch die Saar (2004), S. 467–470. 58 Um Plünderungen Einhalt zu gebieten, hatte Andlauer das Kriegsrecht verhängt, infolgedessen es zu hunderten Verhaftungen und einigen Toten kam. Insbesondere die Hinrichtung des Eisenbahnarbeiters Jakob Johannes wurde zum Symbol des anti-französischen Kampfes. Im Rückgliederungskampf wurde er zum „Schlageter des Saargebiets“ stilisiert. Vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 147; vgl. zu den Oktober-Unruhen weiterführend MALLMANN: Jetz’ mache mir de Spartakus (1988); zeitgenössisch BRUCH: Die Franzosen (1934), S. 77–82. Infolge der Unruhen wurden durch Erlass vom 9.10.1919 sämtliche Krieger-, Schützen- und ähnliche Vereine aufgelöst, da ihnen eine Beteiligung an den Unruhen nachgesagt wurde. Siehe Bericht der Hauptfürsorgestelle der Rheinprovinz für Kriegsbeschädigte und hinterbliebene, Düsseldorf, 5.5.1920, in: PAAA, R 75430. 59 HUDEMANN: Brücke (2007), S. 103.

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rend ersteres zum Zerwürfnis in der saarländischen Turnerschaft führte, provozierten die Fußballspiele gegen schwarze Soldaten die „Entrüstung aller Bevölkerungsteile“.60 Die französischen Pläne zum Aufbau autonomer und „frankophiler“ Strukturen, um den etablierten Sportvereinen und ihren reichsdeutschen Mutterverbänden im Saargebiet Konkurrenz zu machen, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Einer der wenigen Erfolge war die Stiftung eines „Staatswanderpreises“ durch den Präsidenten der Regierungskommission Rault für den 1921 erstmals ausgetragenen Radwettbewerb „Großer Straßenpreis des Saargebiets“. Doch auch wenn der Rundparcours mit einer Gesamtstrecke von 200 Kilometern 1922 eine zweite Auflage erlebte und von den Radfahrvereinen angenommen wurde, so war es für die meisten von ihnen doch auch eine Selbstverständlichkeit, gleichzeitig den deutschen Mutterverbänden beizutreten.61 Den Bereich des Sports verstärkt einzubeziehen, war seit 1920 ein Kennzeichen einer neu akzentuierten Politik im französischen Außenministerium. Mit der dort vorgenommenen Bildung einer Sektion „Tourisme et Sports“, die dem erst im Januar 1920 gegründeten „Service des œuvres françaises à l’étranger“ (SOFE) unterstellt war, sollte der Sport in der französischen Außenpolitik als propagandistisches Werkzeug genutzt werden, um das Prestige der „culture française“ zu erhöhen.62 Insofern überrascht es nicht, dass der Sport auch in der französischen Saarpolitik eine gewisse Rolle spielte. Als Schaltzentrale beim Werben um den saarländischen Sport galt Anfang der zwanziger Jahre das mit der Saarpropaganda beauftragte französische Informationsbüro in Saarbrücken. Dessen Leiter war Augustin Richert, ein Major des französischen Nachrichtendienstes und ehemaliger Fremdenlegionär elsässischen Ursprungs.63 1921 wurde in seinem Umfeld und mit seiner Unterstützung versucht – insgesamt ist über die Vorgänge nur sehr wenig 60 Eingabe der RVP an das RMI, Staatssekretär Lewald, 9.3.1921, in: R 1601/691. Die Bevölkerung, in welcher rassistische Vorurteile weit verbreitet waren, fühlte sich durch das Auftreten farbiger Soldaten zusätzlich gedemütigt. Vgl. BRUCH: Die Franzosen (1934), S. 38. Die antifranzösische Opposition in den besetzten Gebieten nutzte dieses breit rezipierte Feindbild in den Jahren 1920–23 zu einer Kampagne gegen die „schwarze Schmach“. Vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 148–154. 61 Art. Radsport, in: Neuer Saar-Kurier, 19.5.1922; Art. Das Radsportwesen im Saargebiet und ihre Organisationen, in: Neuer Saar-Kurier, 1.6.1922. Siehe auch den auf die Radrennen eingehenden Bericht von Dr. Walter, Heidelberg über die „Französische Propaganda im Turnund Sportwesen des Saargebietes“, 15.6.1921, in: BA Berlin, R 1601/1028. 62 ARNAUD: Des Jeux de la guerre (1995), S. 315. 63 Augustin Richert (1879–1975) leitete 1919–22 im Saargebiet den französischen Propagandaapparat. Für den „Saar-Freund“, Organ des Bundes der Saarvereine, war Richert die „Seele der französischen Propaganda“. Laut seinem ehemaligen Mitarbeiter Hans Mayer bezeichnete er sich selbst als den „eigentlichen König Saarabiens“. 1922/23 war Richert in geheimdienstlichem Auftrag bei der französischen Gesandtschaft in München tätig, wo er nach seiner Verstrickung in einen Münchener Putschversuch gegen seinen Willen nach Frankreich zurückbeordert wurde. Er blieb dem Militär bis 1939/40 erhalten, zuletzt im Rang eines Brigadegenerals. Vgl. zu Richert BECKER: Deutsch die Saar (2004), S. 477, HUBER: Deutsche Verfassungsgeschichte (1984), S. 322; Vernehmungsbericht des Untersuchungsgefangenen Hans Mayer, 26.5.1922, in: PAAA, R 75823.

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bekannt – , einen von den deutschen Verbänden unabhängigen Sportverband für das Saargebiet und die Pfalz zu gründen. Dieser Versuch scheiterte jedoch ebenso wie ein erneuter zwei Jahre später.64 Auch die französischen Pläne, in Saarbrücken die Radrennbahn „Saar-Olympia“ zu erwerben, mussten aufgegeben werden, da diese kurz zuvor vom SC Saar 05 Saarbrücken gekauft wurde.65 Gleichermaßen hatten das mit Subventionen einhergehende Werben um die etablierten Sportvereine und die Gründung verschiedener deutsch-französischer Fußballvereinigungen im Umfeld der französischen Saargrubenverwaltung nur eine geringe nachhaltige Wirkung.66 Vom französischen Außenministerium gezielt subventioniert, sollten Klubs wie die „Union sportive française de la Sarre“ der französischen Propaganda dienen.67 Aber gerade der Versuch, die saarländischen Grubenarbeiter mit alternativen Sportangeboten zu begeistern, sollte scheitern. In einem Schreiben an Theodor Vogel vom Bund der Saarvereine ging ein Vertreter des Vereins Borussia Neunkirchen auf die Bildung solcher Grubenmannschaften ein, deren Verlockungen jedoch nur selten Erfolg versprochen hätten: „Für viele unserer Sportler ist das verlockend, da bessere Arbeitsmöglichkeit, schöne Reisen, nach dem Spiel Commers mit Musik, Wein, Sekt, usw. winken. Verschiedene Opfer haben heute schon ihre Dummheit eingesehen und kehren reumütig zu uns zurück, nicht etwa, weil sie erfuhren, dass auch wir Reisen ins unbesetzte Deutschland unternahmen, sondern weil ihnen die welsche Kultur und Civilisation wesensfremd ist und bleiben wird. Die anderen Opfer, die weiter französeln, sind der allgemeinen Verachtung anheimgefallen.“68

Gerade jene in diesem Schreiben beschriebene Isolierung der „Französlinge“ innerhalb der nationalistisch aufgewühlten saarländischen Bevölkerung dürfte die meisten Sportler abgeschreckt haben, sich einem französischen Verein anzuschließen. Ursächlich für das Scheitern der französischen Sportpropaganda dürfte deshalb nicht nur deren anfängliches plumpes Vorgehen gewesen sein, sondern eben auch eine Fehleinschätzung der Stimmung in der Bevölkerung. Letztendlich musste sie auch scheitern, weil über all die Jahre hinweg der saarländische mit dem deutschen Sport weiterhin verbunden blieb. Nicht zuletzt durch Berichte über eine angeblich effektive französische Propagandaarbeit aufgeschreckt, sollte der Sport auch zunehmend in den Fokus der reichsdeutschen Propaganda geraten. Im Deutschen Reich kümmerte sich ein weit 64 Karl Jose: Ein gründlicher Hereinfall der Sonderbündler und Separatisten, in: Sport an der Saar, 2.7.1923. Siehe auch anonymen Bericht ohne Datum zu den Bestrebungen Peter Uwers, einen Saarländischen Fußballverband zu gründen. Mehrere kleine Vereine hatten sich für dessen Gründung interessiert. Siehe BA Berlin, R 1601/1028. Noch 1933 wurde vom frankophilen Saarlouiser Journal dazu aufgerufen, einen Fußballverband zu gründen. Vgl. Notiz, in: SWD, 2.7.1933. 65 1924 gab der Verein an, „die Radrennbahn den Franzosen vor der Nase weggekauft“ zu haben. Der Leitgedanke sei gewesen, „gegen das Aufblühen des französischen Sports anzukämpfen.“ Siehe Gesuch des SC Saar 05, 23.8.1924, in: BA Berlin, R 1601/1028. 66 Siehe Vernehmungsbericht des Untersuchungsgefangenen Hans Mayer, 26.5.1922, in: PAAA, R 75823; SCHLEMMER: Ein Kapitel (1934), S. 385f. 67 ARNAUD: Des Jeux de la guerre (1995), S. 330. 68 Schreiben Borussia Neunkirchen an Vogel, 15.5.1925, in: BA Berlin, R 8014/731.

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verzweigtes und sich ständig veränderndes Netzwerk offizieller und inoffizieller Stellen um die Angelegenheiten des Saargebiets. Auf der staatlichen Ebene bemühten sich die Behörden des Reichs und der Länder Preußen und Bayern sowie deren untergeordnete Verwaltungen in Trier und in der Pfalz darum, die Verbindungen an die Saar aufrecht zu erhalten.69 War auf offizieller Reichsebene das Auswärtige Amt die federführende Instanz, wurde inoffiziell die propagandistische Arbeit und finanzielle Unterstützung der Presse und der kulturellen Institutionen von der Reichszentrale für Heimatdienst (RfH) koordiniert. Im Juni 1920 wurde mit der „Rheinischen Volkspflege“ (RVP) eine weitgehend selbstständig agierende Tarnorganisation geschaffen, deren Aufgabe unter anderem die „Erhaltung des Deutschtums für den Zusammenhalt des Reiches“ war.70 Von privater Seite aus baute insbesondere der 1919 gegründete „Bund der Saarvereine“ reichsweit ein Netzwerk auf, um auf das „Schicksal“ des Saargebiets in der reichsdeutschen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit lenken zu können.71 In den ersten Jahren der Abtrennung des Saargebiets wurde der Sport lediglich als Teilbereich der kulturellen Propaganda aufgefasst. Dies änderte sich erst grundlegend, als die offiziellen Stellen und die Rheinische Volkspflege mit dem – dem Reichsinnenministerium unterstellten – Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) in Verbindung traten. Diesem Dachverband unterstanden die bürgerlichen Sport- und Turnverbände, die in den ersten Jahren allerdings im autokratisch organisierten Verband nicht im Vorstand vertreten waren. Personifiziert wurde der DRA von seinem Vorsitzenden Theodor Lewald, zeitweilig Staatssekretär im Reichsinnenministerium, sowie von seinem Generalsekretär Carl Diem.72 Gerade letzterer war für die besetzten Gebiete zuständig. Auf der dritten Rheinischen Kulturkonferenz73 am 26. Juli 1920 hielt Diem einen Vortrag über den Sport in den besetzten Gebieten. Er hatte diese mehrmals bereist und berichtete daher aus eigener Erfahrung. Seiner Meinung nach war die propagandistische 69 Zu den verschiedenen Saarstellen im Reich vgl. JACOBY: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme (1973), S. 31–37. 70 Entwurf der Begestelle, von Worchem, 10.6.1920, in: BA Berlin, R 1501/105761. Ausführlich zur RVP vgl. auch BECKER: Deutsch ist die Saar (2004), S. 149–151. 71 Vgl. die umfangreiche Studie von BECKER: Deutsch ist die Saar (2007). Als die drei Hauptaufgaben des Bundes der Saarvereine wies Becker nach: „Erhaltung und Stärkung des deutschen Gedankens im Saargebiet bei gleichzeitiger Abwehr französischer Versuche, die in Versailles gescheiterte Annexion auf anderem Wege zu verwirklichen, und Ermutigung der Saarländer, ihr Schicksal zu ertragen.“ Vgl. ebda., S. 135. 72 Der DRA ging 1917 aus dem Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele (DRAfOS) hervor. Zum DRA zeitgenössisch DIEM: Der Deutsche Reichsausschuß (1928) sowie in der Forschung SCHÄFER: Militarismus (2011), S. 395-421; außerdem BECKER: Den Sport gestalten, Bd. I (2009), S. 161–208; KRÜGER, A.: Le rôle (1998), hier S. 73–82, EISENBERG: English Sports (1999), S. 343–386, hier S. 342–346. Zum Austritt der DT aus dem DRA 1925 vgl. PEIFFER: Die Deutsche Turnerschaft (1976), S. 70–82. 73 Die Rheinische Kulturkonferenz hatte sich im Mai 1920 auf Initiative der RfH in Fulda konstituiert. Monatlich berieten Vertreter der Spitzenverbände kulturpolitischer Organisationen über die Richtlinien und die Finanzierung der Kulturarbeit in den besetzten Gebieten. Vgl. BECKER: Deutsch ist die Saar (2004), S. 159.

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Wirkung französischer oder englischer Sportveranstaltungen als gering einzuschätzen. Deren Sportvereinigungen seien nicht in der Lage, „die Herzen der deutschen Jugend zu entfremden“, zumal sie „einseitig nationalistische Tendenzen“ verfolgten.74 Zudem kam Diem nach einer weiteren sechstägigen Vortragsreise durch die besetzten Gebiete im Oktober 1920 zur Überzeugung, dass von einer systematischen Unterdrückung der Sportbewegung keine Rede sein könne. Wenn auch mancherorts Plätze und Hallen beschlagnahmt würden, so scheine ihm die allgemeine Lage der Turn- und Sportvereine von der im übrigen Deutschland nicht verschieden zu sein. Eine finanzielle Unterstützung der Sportvereine könne jedoch auch den Zweck erfüllen, dass das „Gefühl der Fürsorge des Vaterlandes dem besetzten Gebiete gegenüber bewiesen wird.“ Auch ein Fonds, um Reisen von Turn- und Sportmannschaften in die besetzten Gebiete und aus diesen heraus zu fördern, hielt Diem für sinnvoll.75 Generell kam die Rheinische Volkspflege in den folgenden Monaten nach eingehendem Austausch mit dem DRA zur Erkenntnis, „dass die Pflege des Sports und der Leibesübungen ein sehr wirkungsvolles Mittel für den erstrebten wechselseitigen Austausch von besetztem und unbesetztem Gebiet“ sei. Eine national geleitete Sportbetätigung sei „das einzige Mittel, um den lebhaften Werbeversuchen der von den ausländischen Besatzungsbehörden nach allen Seiten hin stark unterstützten fremdländischen Sportvereine in geschlossener Abwehr begegnen zu können.“76 Gerade im Saargebiet, so der Bericht der RVP, habe „der Sport für das gesamte Volk eine ungleich höhere Bedeutung als sonst im besetzten Gebiet“, da die gesamte Bevölkerung sportlich organisiert sei. Der Bericht führte weiterhin aus: „Hier treten die Bestrebungen auf Förderung der geistigen Betätigung der Bevölkerung hinter dem Sport weit mehr in den Hintergrund, als dies im besetzten Rheinland der Fall ist. Diese Tatsache haben auch die Franzosen nach ihrem Einrücken in das Saargebiet sofort erkannt, sie haben die Volksmassen daher weniger auf geistigem Gebiet, als vielmehr gerade auf dem 77 Gebiete des Sports anzufassen versucht.“

Am 6. August 1921 traf sich in Heidelberg der vor Ort tätige Saarvertrauensmann, Regierungsrat Dr. Friedrich Landfried78, mit Vertretern der Rheinischen Volkspflege und der preußischen Ministerien, um die Förderung des Sports an der Saar zu sondieren. Einig waren sich die Herren bei diesem ersten Zusammentreffen, dass Beihilfen nur gewährt würden, wenn garantiert sei, dass die jeweiligen

74 Niederschrift der 3. Rheinischen Kulturkonferenz, 26.7.1920, in: BA Berlin, R 1501/105761. 75 Bericht Carl Diems über seine Werbereise durch die besetzten Gebiete vom 11.–22.10.1920, in: BA Berlin, R 1603/2414. 76 Eingabe der RVP an Staatssekretär Lewald im RMI, 9.3.1921, in: BA Berlin, R 1601/691. 77 Eingabe der RVP an Staatssekretär Lewald im RMI, 9.3.1921, in: BA Berlin, R 1601/691. 78 Friedrich Walter Landfried (1884–1947) war von 1920–23 Saarvertrauensmann der preußischen Regierung in Heidelberg. Später wurde er Aufsichtsratsvorsitzender der Saargruben AG. Im „Dritten Reich“ war er sowohl im preußischen Finanz- als auch im Reichswirtschaftsministerium Staatssekretär. Vgl. u.a. JACOBY: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme (1973), S. 34.

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Organisationen das Deutschtum förderten und keine Ausländer aufnahmen.79 Am 18. November fand im preußischen Innenministerium eine weitere Sitzung zu „Sportfragen im Saargebiet“ statt, an der neben Landfried die zuständigen Vertreter der preußischen Ministerien, der bayerischen Rheinpfalz, der Trierer Bezirksregierung sowie der Rheinischen Volkspflege teilnahmen. Verhindert werden sollte, so das formulierte Ziel, dass das Sportwesen „unter französischen Einfluss gerate.“80 Nach längerer Erörterung setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein autonomer Gesamtsportausschuss im Saargebiet nicht wünschenswert sei. Im Hinblick auf die autonomen Tendenzen des im Süddeutschen Fußballverband gegründeten und sich selbst verwaltenden Rheinkreises sei ein saarländischer Sportverband eine Gefahr, da dieser „ein organisatorischer Ausgangspunkt für einen Separatismus“ sein könne.81 Vielmehr sollte der Kontakt durch einzelne Vertrauensleute hergestellt werden sowie durch die einzelnen Sportverbände, welche die Kontakte zu den Ortsgruppen im Saargebiet weiterhin unterhalten sollten. Eine wichtige Rolle wurde auch den örtlichen Stellen in den benachbarten Regierungspräsidien zugewiesen. Ferner wurde beschlossen, dass für das preußische Gebiet das Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt federführend sein und die Aufgabe übernehmen sollte, Material über den Sport und die Leibesübungen im Saargebiet zu sammeln.82 Der Verband zur Förderung von Leibesübungen in Saarbrücken sollte für Gutachten über einzelne Sport- und Turnvereine herangezogen werden, aber darüber hinaus nicht weiter tätig werden. Das Heranziehen der sportlichen Dachverbände zur Verteilung der finanziellen Mittel stieß in den preußischen und den Reichsministerien auf Vorbehalte, da gerade der DRA in der französischen und belgischen Presse als Regierungsstelle angesehen wurde und im Verdacht stand, „die deutsche Jugend (…) durch militärische Ausbildung auf einen Revanchekrieg vorzubereiten.“83 Dennoch erhielten der DRA und die Zentralkommission für Sport und Körperpflege84 im September 1922 jeweils einen Betrag in Höhe von 100 000 Mark, welchen der DRA jeweils zur Hälfte dem DFB und der DT zukommen ließ. Ein halbes Jahr später, im April

79 Aktenvermerk Retiene, 12.8.1921, in: BA Berlin R 1601/1028. 80 Sitzungsprotokoll vom 18.11.1921, in: PAAA, R 76140; Vermerk zur Sitzung am 19.11.1921, in: BA Berlin, R1603/2414. 81 Vermerk des preußischen Innenministeriums für das Auswärtige Amt, in: PAAA, R 76140. 82 Die Überlieferung des Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt gilt im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufgrund von Kriegseinwirkungen als größtenteils vernichtet. 83 Schreiben des preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt an den Staatssekretär für die besetzten Gebiete, 28.8.1922, in: BA Berlin, R 1601/692. 84 Die Zentralkommission für Sport und Körperpflege war 1912 als Reaktion auf die Gründung des Jungdeutschlandbundes als Dachverband der größten Arbeitersportbünde in Deutschland gegründet worden. Vgl. knapp TEICHLER: Art. Arbeiter-Turn- und Sportbewegung (2003), S. 48. 1921 und 1922 setzte sich Fritz Wildung wiederholt beim RMI dafür ein, dass der Zentralkommission Beihilfen ausbezahlt würden, die den Arbeitersportvereinen der besetzten Gebiete zugutekommen sollten. Siehe u. a. Schreiben ZK für Sport und Körperpflege, Wildung, an das RMI, Abt. III, 2.5.1922, in: BA Berlin, R 1601/781.

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1923, erhielt der DRA eine weitere Beihilfe in Höhe von 600 000 Mark.85 Die Einschätzung der Höhe der Zuwendungen fällt schwer und ist aufgrund der starken Inflation im Deutschen Reich relativ zu sehen, weswegen die zweite Zahlung von 600 000 Mark effektiv sogar weniger wert war als die erste Zahlung ein halbes Jahr zuvor. 1923 sollte es sogar zu einer Hyperinflation kommen, die zu einem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft führte.86 Inwiefern die Fußballvereine an der Saar von den staatlichen Beihilfen direkt profitierten, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Allerdings blieben die Vereine dank des ungeahnten Aufschwungs des Fußballs von größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten verschont. Wie im vorigen Kapitel dargestellt, profitierten sie auch von der Frankeneinführung im Saargebiet, da sie durch diesen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Fußballvereinen im unbesetzten Deutschland konkurrenzfähig wurden. Gleichwohl wurden die Fußballvereine zum Thema bei den reichsdeutschen Stellen. Nicht immer sollte es sich dabei lediglich um finanzielle Beihilfen drehen. Im Herbst 1920 sprach Lothar Popper, der Vorsitzende des SFV, bei einem Vertreter der Rheinischen Volkspflege vor.87 Er schilderte, wie schwer es die Fußballvereine insbesondere im Saargebiet hätten. Die „Saarregierung“ habe eine Reihe von Vereinsvorständen ausgewiesen, da das Fußballspielen angeblich an die Stelle der militärischen Ausbildung getreten sei. Allerdings, so Popper, würden sich die Verbandsvereine nicht von ihrer Sportausübung abhalten lassen, „die nicht nur dem Spiele, sondern vor allem auch der Pflege des deutschen Gedankens diene.“ Für seine „auf politischem Gebiet liegenden Bestrebungen“, wie er es nannte, erhielt der Verbandsvorsitzende eine Beihilfe in Höhe von 15 000 Mark zur „Förderung der Fussball-Vereine im Saargebiet“. Interessanterweise führte er als Anlass ein „großes Spiel“ einer „Saarmannschaft“ gegen „Deutschland“ an, das am 12. Dezember 1920 in Saarbrücken stattfinden sollte. Dass es sich bei dem Spiel um ein offizielles, nach Saarbrücken vergebenes Repräsentativspiel einer süddeutschen gegen eine westdeutsche Elf handelte88, wurde von Popper entweder bewusst verschwiegen oder zumindest nicht als erwähnenswert erachtet. Dem Bericht der Rheinischen Volkspflege nach war es aber zumindest offensichtlich, dass die von Popper kontaktierten reichsdeutschen Stellen sich im süddeutschen Verbandsfußball wenig oder überhaupt nicht auskannten. Weder spielte eine saarländische Mannschaft, noch erhielt das Spiel ein besonderes politisches Gepräge. Fragwürdig erscheint in erster Linie, ob bei solchen Spielen, bei denen der Verband durch die hohen Zuschauerzahlen zweifellos einen Gewinn erwirtschaften konnte, finanzielle Beihilfen im Sinne der Reichsregierung waren. Ende des Jahres berichtete Popper seiner Kontaktperson, dass das Spiel ein voller Erfolg gewe85 Schreiben DRA an den Staatssekretär für die besetzten Gebiete, 27.4.1923, in: BA Berlin, R 1601/692. 86 Vgl. knapp BERNECKER: Europa (2002), S. 51f. 87 Zum folgenden Absatz siehe den Vermerk, die Berichte sowie die Korrespondenz zwischen Popper und Fräulein Gaertner, 29.10.1920 bis 6.1.1921, in: BA Berlin, R 1603/2414. 88 Zum Spiel vgl. Kapitel 5.1, S. 151.

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sen sei. Vier Extrazüge hätten bis zu 25 000 Menschen nach Saarbrücken geführt. Im Juli 1921, Lothar Popper war mittlerweile überraschend verstorben, richtete der Süddeutsche Fußballverband ein Gesuch um finanzielle Unterstützung an den DRA. Der SFV berichtete von „Widerwärtigkeiten“, die die Fußballvereine in den besetzten Gebieten erfahren würden. Insbesondere im Saargebiet herrsche eine „Willkürherrschaft der Franzosen“.89 Auch vom DFB erhielt das Reichsinnenministerium Anfang der zwanziger Jahre mehrere Eingaben. Felix Linnemann, zu dieser Zeit zweiter Vorsitzender des Bundes, schilderte die prekäre Lage der Vereine durch die Beschlagnahmung von Plätzen, die hohe Teuerungsrate an der Saar und in den besetzten Gebieten sowie die Gefahr der Loslösung der Landesverbände vom Mutterverband.90 Linnemann forderte, durch die „Gewährung einer systematisch und zentralgeleiteten Hilfe uns die Möglichkeit zu geben, die Not unserer Vereine im besetzten Gebiet lindern zu können.“91 Gerade die größeren saarländischen Fußballvereine saßen in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre zwischen den Stühlen. Freundschaftliche und selbst rein sachbezogene Kontakte der Vereine zu Franzosen oder Behörden der Regierungskommission wurden mit Argusaugen beobachtet und gerade auch von der Konkurrenz in hohem Maße skandalisiert und stigmatisiert. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Fußballvereine auf ein Einvernehmen mit den Behörden nicht zuletzt deshalb angewiesen waren, da sie durch den Spielverkehr gezwungen waren, oft die Grenzen des Saargebiets zu passieren. Generell wurden die Fußballvereine aufgrund ihrer kosmopolitischen Tradition, die sich in internationalen Begegnungen und in der Verpflichtung ausländischer Spieler und Trainer widerspiegelte, guter Beziehungen zu den Franzosen verdächtigt. Im Bericht eines VMannes für die Rheinische Volkspflege vom Mai 1922 wurde insbesondere dem SC Saar 05 Saarbrücken und Borussia Neunkirchen vorgeworfen, französische Zivilisten als unterstützende Mitglieder aufzunehmen.92 Interessant ist dabei, dass ausgerechnet von letzterem Verein im August 1920 im Zusammenhang mit einem Arbeiterstreik mehrere Vorstandsmitglieder von der Regierungskommission ausgewiesen worden waren, da ihnen vorgeworfen worden war, Agentendienste für das Deutsche Reich zu tätigen.93 Unter den von der Direktion des Innern ausgewiesenen Personen, die 1921 zurückkehren durften, war auch Friedrich Müller zu finden, laut Lempert Vereinsvorsitzender der Borussia. Zugleich war der Neunkircher Lehrer aber auch Gründungsmitglied der Neunkircher Ortsgruppe des frankophilen Saarbundes.94 Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten mit den Be89 Schreiben SFV an DRA, 2.7.1921, Schreiben DRA an die Rheinische Volkspflege, 11.7.1921, in: BA Berlin, R 1603/2414. 90 Eingaben des DFB, Linnemann, an das RMI, Abt. III/IV, 5.12.1921, 29.4., 1.9.1922, 23.1.1923 in: BA Berlin, R 1601/692, R 1601/774, R 1601/1028. 91 Eingabe des DFB, Linnemann, an das RMI, Abt. III, 29.4.1922, in: BA Berlin, R 1601/692. 92 Bericht des Vertrauensmanns Lärche, Rheinische Volkspflege, 11.5.1922, in: PAAA, R 75823. 93 Hinweise finden sich in der Eingabe der RVP an Lewald im RMI, 9.3.1921, in: R 1601/691. 94 Neunkirchen galt in den frühen zwanziger Jahren als eine der Hochburgen des Saarbundes, wenngleich die politische Bedeutung der Organisation, die für die saarländische Eigenstän-

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hörden hatte Borussia Neunkirchen ein bis zwei Jahre später den Ruf, ein frankophiler Verein zu sein. Erich Menzel zufolge wurden die Spiele der Borussia von vielen „Franzosen“ besucht, die auch als Schlachtenbummler bei auswärtigen Spielen der ersten Mannschaft in Erscheinung getreten sein sollen. Bekannt war auch, dass der Verein gute Kontakte zur französischen Grubenverwaltung in Neunkirchen pflegte. Durch deren Leiter Marcel Motreul sollte der Verein auch nach dem Zweiten Weltkrieg Unterstützung erfahren. 95 1922 wurde ein ehemaliger französischer Rugbyspieler, der sich um den Klub verdient gemacht hatte, in den Vereinsvorstand aufgenommen. Name und Herkunft des französischen Sportlers konnten allerdings nicht festgestellt werden. Wie politisiert, aufgewühlt und polarisiert die Gesellschaft an der Saar jedoch war, zeigt sich daran, dass dessen Tätigkeit – auch zum Leidwesen Erich Menzels – von der Mehrheit der Mitglieder „als eine Taktlosigkeit und gefährliche Schwenkung in dem seither unentwegt eingehaltenen Kurs der Borussia angesehen“ wurde. In der Folge trat der französische Rugbyspieler unter dem Bedauern, „soviel Unruhe hervorgerufen zu haben“, aus dem Vorstand wieder aus. In einer außerordentlichen Versammlung wurde jedoch dem Vorsitzenden Dr. Recktenwald und den übrigen Vorstandsmitgliedern das Vertrauen ausgesprochen.96 Auch der Kontakt des Vereins zu einem im Eisenwerk arbeitenden Ingenieur namens Scheidecker [Vorname unbekannt], der zugleich für die Regierungskommission gearbeitet habe, wurde kritisch beäugt. Schließlich waren die Gerüchte um die „politische Unzuverlässigkeit von Sportvereinen“ den reichsdeutschen Stellen Anlass, sich mit diesen näher zu beschäftigen. Im Juli 1922 gab das preußische Innenministerium allerdings Entwarnung. Aus einem Vermerk geht hervor, dass das Ministerium nach Rücksprache mit „in der Sportbewegung stehenden Persönlichkeiten“ festgestellt habe, „daß zu irgend welchen Befürchtungen ein Anlaß nicht besteht. Auch die Haltung des Fußballvereins Borussia Neunkirchen ist einwandfrei.“97 Auch bei den Fußballvereinen gab es zweifellos das Bestreben, den Sport in den Dienst der deutschen Propaganda und der Allgemeinheit zu stellen. Dieses Wunschdenken hielt der Realität jedoch nicht immer Stand. Ehrgeizigen Vereinen wie Borussia Neunkirchen wurde vorgeworfen, die eigenen Interessen vor die der Allgemeinheit zu stellen. Tatsächlich traf dies in gewisser Hinsicht auf Fußballvereine zu, deren vereinspragmatisches Ziel, sportlichen Erfolg zu haben, zwangsläufig einen gewissen Vereinsegoismus förderte. Zwar war für die Fußballvereine eine deutsch-patriotische Haltung eine Selbstverständlichkeit. In Anbetracht der sportlichen Konkurrenz war ihnen auf der anderen Seite jedoch auch jedes Mittel digkeit eintrat, stets marginal blieb. Seit Mitte der zwanziger Jahre war der Saarbund so gut wie nicht mehr präsent. Vgl. ausführlich LEMPERT: Das Saarland (1985), S. 123–150. 95 Der deutschstämmige Franzose Marcel Motreul (1893–1958) war auch nach 1945 an der Saar als Direktor der Gruppe Ost der Régie des Mines in Neunkirchen tätig und unterstützte Borussia Neunkirchen. 1952 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Vgl. Buschbaum, Willi: Mäzene machten’s immer möglich, in: Borussia Neunkirchen: Hoch lebe Eisen (1980), S. 88. 96 Der Name des französischen Rugbyspielers ist nicht überliefert. Die Hinweise stammen aus einem Artikel Erich Menzels. Siehe Art. Vom Saarland, in: Fußball, 12.9.1922, S. 931f. 97 Vermerk des Preußischen Innenministeriums für das AA, 24.7.1922, in: PAAA, R 76140.

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recht, um sportlichen Erfolg zu erzwingen. Dabei war Borussia Neunkirchen bereit, mit den Behörden und Institutionen Frankreichs und der Regierungskommission gute Kontakte zu pflegen und griff trotz Kritik auch ganz selbstverständlich auf ausländische Trainer wie den Österreicher Fischera oder den Engländer Wilson zurück. Gut zum Ausdruck kommt dies in einem Lagebericht zum Sport im Saargebiet, den der Saarbrücker Stadtschulrat Hans Bongard für die Rheinische Volkspflege im Herbst 1921 verfasste. Der Vertrauensmann Bongard, zugleich Vorsitzender des ein Jahr zuvor gegründeten Saarsängerbundes, würdigte in seinem Bericht zwar, dass Borussia Neunkirchen „durch und durch national gestimmt“ sei. Allerdings verkenne der Verein seine kulturelle Aufgabe. Seine von der Großindustrie erhaltenen Gelder verwende er nicht für die Allgemeinheit, sondern, um Trainer und „verkappte Berufsspieler“ zu bezahlen. Trotz seiner sportlichen Erfolge in Süddeutschland – im Sommer 1921 hatte der Verein den süddeutschen Verbandspokal gewonnen – vertrete der Verein einen „Typus, der für die Allgemeinheit kein Verständnis“ habe. Anders als der SC Saar 05 huldige der Verein dem „sarro egoismo“.98 In den überregionalen Sportzeitungen „Fußball“ und „Der Kicker“ stieß der Leser selten auf Schilderungen der politischen Sonderbedingungen des Saarfußballs. Allerdings sollte gerade die politische Sonderkonstellation Bedingung werden für die Entstehung einer regionalen Sportpresse an der Saar. Mit dem Sport und in erster Linie mit dem bürgerlichen Fußball in hohem Maße personell verflochten, wurde die saarländische Sportpresse von der politischen und wirtschaftlichen Abschottung des Saargebiets geprägt. Wie im folgenden zu sehen sein wird, wurde die Sportpresse als Teil der Presselandschaft auch vom Kampf der Presse gegen den pro-französischen Kurs der Regierungskommission berührt. Sie wurde daher Objekt der französischen wie auch der im Verborgenen agierenden reichsdeutschen Pressepolitik.99 Die erste Sportzeitung an der Saar wurde das „Sportecho“, das ab Anfang 1921 in erster Linie als Publikationsorgan des Rasensportverbandes Saarbrücken erschien und von dem Fußballspieler und Leichtathlet Wilhelm Neu100 herausgegeben wurde. Parallel wurde im Umfeld des frankophilen „Neuen Saar-Kurier“ der „Saar-Sport“ gedruckt, der jedoch aufgrund seines pro-französischen Kurses im Saargebiet für das „Sportecho“ keine ernsthafte Konkurrenz darstellte.101 Im Frühjahr 1921 beabsichtigte der reichsdeutsche Verlag Konkordia, dessen Aufgabe die materielle und finanzielle Unterstützung der deutschsprachigen Presse in

98 Handschriftlicher Bericht von Hans Bongard, 27.10.1921, in: BA Berlin, R1603/2414. 99 Zur Pressepolitik im Saargebiet nach 1918 vgl. MERL: Tagespresse (2010), S. 37–46. 100 Wilhelm Neu spielte beim SC Saar 05 und Borussia Neunkirchen Fußball und gründete Mitte der 1920er Jahre den Deutschen Sport-Club Saarbrücken, der sich auf Leichtathletik spezialisierte. 1934 wurde er Sportbeauftragter der Deutschen Front. Siehe auch Kapitel 6.5. 101 Sowohl das Sportecho als auch der Saar-Sport müssen bis heute als verschollen gelten. Der Neue Saar-Kurier/Le Nouveau Courrier de la Sarre wurde noch während der französischen Besatzungszeit im Juni 1919 erstmals herausgegeben. Vgl. MERL: Tagespresse (2010), S. 42.

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den besetzten Gebieten war102, das „Sportecho“ zu übernehmen. Als Vermittlungsinstanz agierte in den folgenden Wochen die Rheinische Volkspflege (RVP). Hellmut Gansser103, ein 23-jähriger Mitarbeiter in der Presseabteilung der RVP in Saarbrücken, erklärte sich bereit, das Blatt zu übernehmen, um als „Agent der hiesigen Stelle für Lancierungen deutscher Ideen in die Saarsportkreise“ tätig zu werden. Im April 1921 wurde der Aufkauf des „Sportechos“ weiter verzögert, da die Konkordia noch immer auf eine Mittelbewilligung des Reichsinnenministeriums in Höhe von 50 000 Mark wartete. Da es sich um eine Angelegenheit des Sports handelte, war auch der Deutsche Reichsausschuss involviert. Ende des Monats wurde Carl Diem um ein Gutachten zur Dringlichkeit des Ankaufs des „Sport-Echo“ gebeten.104 Schließlich kam der Ankauf der Sportzeitung nicht zur Ausführung, da der bisherige Herausgeber Wilhelm Neu Saarbrücken mittlerweile verlassen hatte und die Publikation eingestellt wurde. Im Mai teilte Gansser der RVP mit, dass er zusammen mit Max Harig den „Sport an der Saar“ gegründet habe und ein Darlehen benötige.105 Allerdings wurde von einer Unterstützung der Zeitung seitens der reichsdeutschen Stellen in den folgenden Monaten abgesehen, da dem Blatt keine lange Lebensdauer prophezeit wurde.106 Die erste Ausgabe des „Sport an der Saar“ erschien am 9. Mai 1921. Fritz Kuhn vom SC Saar 05 und Karl Jose, zu dieser Zeit Vorsitzender des FV Saarbrücken, zeichneten sich auf der Titelseite für zwei Leitartikel verantwortlich. Sie wehrten sich darin gegen politische Vereinnahmung und lehnten es ab, „sich in den politischen Kampf, welcher Art er auch sei, hineinziehen zu lassen.“107 Trotz der Bedenken der reichsdeutschen Stellen und einer anhaltenden chronischen Unterfinanzierung wurde der „Sport an der Saar“ zu einer Erfolgsgeschichte. 1923 wurde das Sportblatt in „Südwest-Deutsche Sportzeitung“ (SWD) umbe102 Die „Konkordia Literarische Anstalt GmbH“ sollte v.a. die Zurückdrängung deutscher Zeitungen in den besetzten Gebieten aufhalten. Im Dezember 1919 gegründet, wurde sie jeweils zur Hälfte von Preußen und dem Deutschen Reich finanziert. Am 16.12.1920 wurde beschlossen, dass die Konkordia neben den Ostgebieten nun offiziell auch für das Rheinland und die Saar zuständig war. Siehe Protokoll vom 16.12.1920, in: BA Berlin, R 1603/2538. Zu deren Organisation sowie deren Aktivitäten im Saargebiet vgl. WERMUTH: Dr. h.c. Max Winkler (1975), S. 26–32, 125–158; vgl. auch BECKER: Deutsch ist die Saar (2004), S. 359f. 103 Hellmut Gansser (1898–1933) arbeitete in späteren Jahren als Pariser Korrespondent für die Saarbrücker Zeitung. Vgl. Nachrufe in: Deutsche Presse 23 (1933), S. 125, 168 sowie im Saar-Freund 14 (1933), S. 143f. 104 Schreiben Winkler, Konkordia an Lohmann/Lewald, 13.4.1921, Schreiben Lewald an Diem, 29.4.1921, in: BA Berlin, R 1501/105763. Eine Antwort Carl Diems ist nicht überliefert. 105 Vgl. zu diesem Absatz Schriftverkehr und Aktennotizen der Rheinischen Volkspflege, Abt. VII Saargebiet vom 22.2.–4.10.1921, in: BA Berlin, R1603/2541. Ob Gansser am „Sport an der Saar“ beteiligt war, ist fraglich, da er im Impressum der ersten Ausgabe nicht auftaucht und auch später keine Rolle spielt. 106 Ein Darlehensgesuch der Sportzeitung in Höhe von 10 000 Mark vom 29.7.1921 wurde abschlägig beschieden. Vermerk der Rheinischen Volkspflege, Abt. IV, in: BA Berlin, R 2414. 107 Sport an der Saar, 9.5.1921. Die Zeitung erschien im Haus der Saarbrücker Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. Der Sport an der Saar muss als verschollen gelten. Lediglich im Bundesarchiv befinden sich drei einzelne Ausgaben. Siehe BA Berlin, R1603/2541, R1601/1028.

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nannt und etablierte sich als eine Sportzeitschrift, die überregionalen Charakter besaß und bis zur Evakuierung Saarbrückens im Herbst 1939 erhalten blieb. Die SWD erschien zeitweise zweimal wöchentlich und dehnte ihr Verbreitungsgebiet bis an Rhein und Mosel aus. Dies konnte nicht zuletzt deshalb gelingen, da es den Fußballfunktionären an der Saar gelungen war, die SWD als alleiniges amtliches Organ des Süddeutschen Fußballverbandes im Bezirk Rhein-Hessen-Saar zu verankern.108 Die Zeitung erschien im Verlagshaus der katholischen „Saarbrücker Landes-Zeitung“, der Saarbrücker Druckerei und Verlag AG (SDV). Neben Max Harig war als zweiter Redakteur der eng mit Borussia Neunkirchen verbundene Erich Menzel angestellt.109 Trotz der regionalen Ausrichtung blieb die Sportzeitung stets auch ein lokales Nachrichtenblatt. Berichte aus den Vereinen und Verbänden im Saargebiet waren nach wie vor überproportional vertreten. Dennoch – oder vielleicht auch deswegen – war die SWD selten in der Lage, sich finanziell selbst zu tragen. Als 1925 mit der Aufhebung der Zollfreiheit das Papier sehr viel teurer110 und das Saargebiet zugleich zunehmend von den Währungsturbulenzen des französischen Franken in Mitleidenschaft gezogen wurde, richtete die Sportzeitung ein Bittgesuch an die Konkordia. Die SWD argumentierte, man sei „im südwestlichen Winkel unseres Vaterlandes das einzige Organ, welches in der Lage ist, den Interessen und Forderungen unserer deutschen Sportler und Sportjugend als Sprachrohr zu dienen.“111 Trotz Zuweisung einer Beihilfe von 3 000 Mark blieb die „Südwestdeutsche“ in den folgenden Jahren ein Sorgenkind des katholischen Verlagshauses. In den dreißiger Jahren geriet das Blatt erneut in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Aufsichtsrat der SDV sah die Rentabilität der Sportzeitung durch das begrenzte Verbreitungsgebiet und die Konkurrenz der Tagespresse gefährdet. Zudem war sie dem stärker werdenden Konkurrenzdruck der seit 1933 „gleichgeschalteten“ reichsdeutschen Sportpresse ausgesetzt.112 Die nach der Volksabstimmung am 1. März 1935 erfolgte „Rückkehr“ der Saar in das Deutsche Reich hatte für die Südwest-Deutsche Sportzeitung durch die schrittweise Zerschlagung der Saarbrücker Druckerei und Verlag AG durch die Nationalsozialisten unmittelbare Folgen. Zum 1. Januar 1936 erfolgte die Herausgabe der 108 Nachdem im Jahr 1920 die Einfuhr reichsdeutscher Presse in die besetzten Gebiete untersagt blieb, waren im Rheinkreis des Süddeutschen Fußballverbandes eigene Presseorgane gegründet worden. Laut Harig war es in erster Linie dem Elversberger Fußballfunktionär Theo Schlemmer, 1921–25 stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Rheinhessen-Saar, zu verdanken, dass die SWD amtliches Organ des SFV wurde. Siehe Max Harig: 15 Jahre SWD, in: SWD, 2.1.1935, S. 3. 109 Zur Saarbrücker Druckerei und Verlag AG siehe MERL: In jedes Haus (2008) sowie die 2014 vom selben Autor eingereichte Dissertation zur katholischen Presse im Saargebiet. Zu Harig und Menzel siehe auch die Personalakten der SWD, in: LA Saarbrücken, SDV 157. 110 Da Frankreich sich weigerte, Druckpapier zu liefern, waren die Zeitungsverlage auf deutsche Papierimporte angewiesen. Vgl. WERMUTH: Max Winkler (1975), S. 157. 111 Vgl. Schriftverkehr zwischen der SWD, dem Konkordia-Verlag und den preußischen Ministerien zwischen dem 23.6. und 24.7.1925, in: BA Berlin, R1601/1028. 112 Protokollbuch der Aufsichtsratssitzungen, 8.11.1928 bis 12.5.1939, 186. AR-Sitzung vom 7.11.1933, in: LA Saarbrücken, SDV 4; Schreiben Hall an Harig, 15.8.1931, 26.3.1935, in: ebda., SDV 157.

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SWD durch Max Harig im Selbstverlag. Ihr Ende kam mit der Evakuierung Saarbrückens im Herbst 1939, als auf behördliche Anweisung der Druck vieler saarländischer Zeitungen eingestellt wurde.113 In diesem Kapitel wurde dargestellt, wie die französische Saarpolitik darin scheiterte, frankophile und autonome Sportstrukturen zu schaffen. Sie boten den etablierten Strukturen des Sports und des Fußballs keine Alternative. Auf die deutschen Sportverbände mit ihren Verbindungen in die besetzten Gebiete konnten wiederum die reichsdeutschen Stellen im Rahmen ihrer Sportpolitik setzen. Angeschnitten wurde in diesem Kapitel auch, dass die Fußballverbände bei den reichsdeutschen Stellen Anfang der zwanziger Jahre des Öfteren staatliche Beihilfen für die Fußballvereine in den besetzten Gebieten und Saargebiet beantragten. Inwieweit dies im Einzelfall gerechtfertigt war, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Allerdings lässt gerade das Auftreten Poppers vom Süddeutschen Fußballverband, nach dessen Bekunden die Verbandsspiele in erster Linie der Pflege des deutschen Volkstums dienten, vermuten, dass der Verband von der Ausschüttung der reichsdeutschen Beihilfen ebenso profitieren wollte wie andere Sportverbände. Letztlich war Fußball im Saargebiet – gerade in seiner „goldenen Ära“ in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre – nicht unbedingt auf staatliche Beihilfen aus dem Deutschen Reich angewiesen, um seine Existenz abzusichern. Einleitend wurde in diesem Kapitel erwähnt, dass die Sportvereine in der Auseinandersetzung um das Saargebiet Grenzen ziehen mussten und dass es den Fußballvereinen nicht immer einfach war, diese strikt zu ziehen. Begründet lag dies im Fußballsport selbst. Wie keine andere Sportart hatte der Fußball eine Kommerzialisierung erfahren, die es den größeren Vereinen sogar erlaubte, ausländische Trainer und Spieler zu verpflichten. Ihre Internationalität, ihr Streben nach sportlichem Erfolg und ihr Pragmatismus in den Beziehungen zu den Behörden vor Ort führten jedoch auch dazu, dass die Fußballvereine sich den Vorwurf gefallen lassen mussten, sich nicht in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen und stattdessen dem Vereinsegoismus zu huldigen. Ein zweiter sich daraus ergebender Vorwurf prangerte eine angebliche „politische Unzuverlässigkeit“ der Vereine an. Gleichwohl pflegten die Fußballvereine in ihrem Selbstverständnis weiterhin einen deutschen Patriotismus, den sie spätestens mit dem Einsetzen der noch zu behandelnden „Saarkampagne“ in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre offener zeigen sollten. 5.3 Eine Welt für sich Die Ligue Lorraine de Football und das deutsche Erbe in der Moselle Am 23. September 1917 gründeten in Nancy mehrere Fußballvereinsfunktionäre der französischen Departements Meurthe-Moselle, Vosges und Meuse erstmals einen gemeinsamen regionalen Fußballverband. Er war Ausdruck der Unzufrie113 Übernahmevertrag M. Harig, 19.12.1935, in: LA Saarbrücken, SDV 229; zur Schließung der saarländischen Zeitung wegen der Evakuierung MUSKALLA: NS-Politik (1995), S. 566-577.

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denheit vieler lothringischer Fußballvereine mit dem Zentralismus der Union des Sociétés Françaises de Sports Athlétiques (USFSA), unter deren Dach eine Fußballmeisterschaft ausgetragen wurde. Es war zugleich die Geburtsstunde der Ligue Lorraine de Football-Association (LLFA). Sie schloss sich dem Comité français interfédéral (CFI) an und trug in der Saison 1917/18 ihre erste eigene Meisterschaft aus. Im September 1918 benannte sie sich um in Ligue de l’Est de Football-Association (LEFA).114 Gründungsmitglied und später langjähriger Vorsitzender der Ligue war mit Maurice de Vienne eine schillernde Persönlichkeit des lothringischen Sports. Er stammte aus einer alten Notabelnfamilie aus Metz. Sein Vater war vor 1870 Abgeordneter des Moseldepartements gewesen. 115 1877 in Nancy geboren, hatte sich Maurice de Vienne seit seiner Jugend in der katholischen Sportorganisation FGSPF engagiert. In deren regionaler Sektion Druout übte er bis 1919 den Posten des Generalsekretärs aus. Mit der Gründung der Fédération Française de Football Association (FFFA) im April 1919 wandte sich de Vienne zunehmend dem Fußballsport zu. Er stieg in der FFFA bald zu einem der Vizepräsidenten auf und wurde 1921 zum Präsidenten der LLFA gewählt. Als Multifunktionär, der auch beim Leichtathletik- und beim Basketballverband in Lothringen den Vorsitz führte, wurde er zur omnipräsenten Figur des lothringischen Sports.116 Als die Moselle nach dem Ersten Weltkrieg wieder an Frankreich fiel, sollte es zu Maurice de Viennes Aufgabe werden, die Moselvereine in die Ligue Lorraine de Football-Association zu überführen. Dies sollte sich in den ersten Jahren als problematischer erweisen als angenommen. Denn die Vereine in der Moselle waren in den zehn bis fünfzehn Jahren seit ihrer Gründung in den deutschen Saarund Moselgau integriert gewesen und brachten daher eine eigene Fußballvereinskultur mit. Hinzu kam das Sprachproblem, das in erster Linie die Vereine in Nord- und Ostlothringen betraf. Bevor im Folgenden die Verflechtung des Moselle-Fußballs mit dem Fußball des französischen Lothringen in Augenschein genommen wird, geht es zunächst um die Frage, welche Fußballvereine mit welchen Traditionen nach 1918 überhaupt noch in der Moselle existierten. Konkret geht es nach einer einleitenden Betrachtung zur Erinnerungs- und Entgermanisierungspolitik in der Moselle um die Neugründungen der größeren Fußballvereine in Metz, Thionville, Sarreguemines und Forbach. Am 17. November 1918, sechs Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, wurde in Metz das Reiterstandbild Wilhelms I. gestürzt. In Thionville, dem ehemaligen Diedenhofen, wurde zwei Wochen darauf ein Beschluss veröffentlicht, infolgedessen innerhalb weniger Tage deutsche Aushänge verschwan-

114 ISCH: La gloire (1995), S. 32. Da auch weiterhin unter dem Dach der USFSA Fußball gespielt wurde, gab es ab 1917 zwei lothringische Meisterschaften. Zur USFSA und zum CFI vgl. Kap. 3.2. 115 Art. Maurice de Vienne, in: Lothringer Sport, 1.6.1922. 116 Maurice de Vienne (1877–1956) blieb bis zu seinem Tode Vorsitzender der LLFA. Er war langjähriger Vorsitzender der Ligue Lorraine d’Athlétisme und der Ligue Lorraine de Basketball. Siehe Lothringer Sport, 1.6.1922; Lorraine Football, 26.4.1957.

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den, deutsche Geschäfte schlossen und alle Straßen umbenannt wurden. 117 Die Geschehnisse in Metz und Thionville waren Ausdruck der nun einsetzenden französischen Erinnerungspolitik, die sowohl die Betonung der französischen Vergangenheit der „provinces perdues“ sowie die Tilgung des deutschen Erbes zum Ziel hatte. Begleitet wurde sie von einer rigiden Ausweisungspolitik. Bereits im Dezember begannen die französischen Militärbehörden mit der systematischen und umfassenden Vertreibung der deutschstämmigen Elsaß-Lothringer. Wegen des Ausmaßes und den mit einhergehenden Vermögensverpfändungen wird diese „Entgermanisierung“118 von der Forschung heute als brutaler als die deutsche Ausweisungspolitik nach 1870 eingeschätzt. Schätzungen zufolge verließen bis Ende 1920 etwa 100 000 Deutschstämmige Lothringen in Richtung Deutschland. Sie hatten ihre Arbeit und Stellung verloren, gingen freiwillig oder wurden vertrieben.119 Wie umfassend der Aderlass war, zeigt das Beispiel Thionville. Ende 1920 befanden sich von 6 800 deutschstämmigen Einwohnern nur noch 500 in der Stadt. Meist waren es Ehegatten oder Saarländer mit besonderem Statuts.120 Soziale und wirtschaftliche Folgen sollte die Vertreibungspolitik für die Moselle insofern haben, da mit den deutschen Ärzten, Anwälten, Ingenieuren, Beamten und Unternehmern die Elite des ehemaligen Bezirks Lothringen ersetzt werden musste. Trotz dieser „Entgermanisierungspolitik“ erwies sich die Eingliederung der drei Departements für die französische Republik als problematisch. Der größte Konflikt bestand im kulturellen Sonderbewusstsein in der Moselle und im Elsass sowie – damit zusammenhängend – in der Ablehnung des französischen Zentralismus.121 Dass sich die Lothringer des Moseldepartements von den Franzosen „de l’Intérieur“ sehr verschieden fühlten, korrespondierte mit der Zuschreibung von außen. Gerade die deutschsprachigen Lothringer hatten damit zu kämpfen, von den Innerfranzosen als „boches“ angesehen zu werden. Letztendlich ging der französische Zentralstaat trotz allem Unverständnis auf die Forderungen nach kultureller Autonomie erstaunlich weit ein. So wurden die französischen Schulgesetze und das Gesetz über die strikte Trennung von Staat und Kirche nicht angewendet. Die konfessionellen Schulen und das Konkordat blieben weiterhin bestehen.122 117 MAAS: Zeitenwende (1997), S. 83–88; ROTH: Une génération (1995), S. 221. 118 François Roth spricht explizit von „débochiser“. Vgl. ROTH: Le Retour (2004), S. 1066. 119 Roth zählt für Elsaß-Lothringen mehr als 100 000 Vertriebene, ohne jene hinzu zu zählen, die bereits vorher die Flucht ergriffen hatten. Vgl. ROTH: Le Retour (2004), S. 1066; ROTH: Une génération (1995), S. 224. Die ethnische Kategorisierung der Elsaß-Lothringer stellt für Beaupré und Boswell in der Geschichte Frankreichs einen einmaligen Fall dar, der sich weit von der französischen Tradition des Staatsbürgerschaftsrechts entfernt habe. Vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 35; BOSWELL: From Liberation (2000), S. 139–148, 160. JEISMANN: Das Vaterland (1992), S. 379. 120 ROTH: Une génération (1995), S. 224. 121 Zum französischen Zentralismus als staatsorganisatorischem Leitprinzip vgl. grundlegend BRÜCHER: Zentralismus (1992), insbesondere S. 15–29. 122 ENGELS: Kleine Geschichte (2007), S. 155f.

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Die Politik der „Französisierung“ traf auch den Fußball. Wie viele der Fußballvereinsmitglieder die Moselle in Richtung Deutsches Reich verlassen mussten, ist nicht überliefert. Da sich in den Vereinen jedoch viele Altdeutsche befunden hatten, dürfte die Zahl gerade in Bezug auf die Führungspositionen hoch gewesen sein. Von Ludwig Albert, dem zweiten Vorsitzenden des Süddeutschen Fußballverbandes, ist bekannt, dass er als Rechtsanwalt nach Hanau zog und schließlich Rechtsrat der Stadt Frankfurt wurde. Seine Funktionärskarriere im SFV beendete er 1920. Auch Kurt Neumann, Sportpionier in Saargemünd und einer der erfolgreichsten Leichtathleten Lothringens vor dem Ersten Weltkrieg, war 1919 als Sohn eines deutschen Eisenbahnbeamten emigriert und nach Düsseldorf umgezogen.123 Die französischen Militärbehörden bestanden auf der Auflösung der Sportvereine, die unter französischen Namen neu gegründet werden mussten. So trafen sich am 23. Dezember 1918 mit behördlicher Genehmigung im „Hôtel de l’Europe“ in Sarreguemines ehemalige Mitglieder des SV Wodan Saargemünd und gründeten die Société Lorraine Sportive. Wie im alten Verein wurden die Sportarten Leichtathletik und Fußball angeboten. Am 11. November 1919 fusionierte der neue Klub mit der Société Nationale Sportive zur Association Sportive de Sarreguemines (ASS).124 Der finanziell klamme Verein, der im Fußball angesichts der starken Konkurrenz aus Thionville, Forbach und Metz stets die zweite Geige spielen sollte, machte sich insbesondere im Breitensport und in der Leichtathletik einen Namen. Die internationalen Leichtathletikveranstaltungen in Sarreguemines bekamen in der Grenzregion einen guten Klang. Geprägt werden sollte die Entwicklung der ASS auch durch die guten Kontakte in das „Hôtel de Ville“: Der langjährige Bürgermeister Henri Nominé, aus einer alten Saargemünder Notabelnfamilie stammend, wirkte von 1922 bis 1932 als Präsident des Vereins.125 Im benachbarten Forbach gründeten am 24. April 1919 ehemalige Mitglieder des SC Forbach die Union Sportive de Forbach. Emile Cailloux, bereits vor dem Krieg Vorstandsmitglied, wurde zum Vorsitzenden gewählt.126 Die US Forbach sollte sich dann unter ihrem von 1920 bis 1945 amtierenden Präsidenten Dr. Georg Ahreiner zum größten Sportverein in Ostlothringen entwickeln. Der aus

123 Die Kontakte der AS Sarreguemines zu Kurt Neumann (1892–1927) brachen offensichtlich nicht ab. Anlässlich seines Todes nach schwerer Krankheit erhielt er einen bewegenden Nachruf. Siehe Festprogramm: 7e Meeting International d’Athlétisme 21 Août 1927 au Stade Municipal, archiviert in: AM Sarreguemines, 31 R 02. 124 Schreiben der Sportive Société Lorraine an den Maire, 26.12.1918, in: AM Sarreguemines, 31 R 02; Satzungen der ASS vom 11.11.1919, in: ebda., 31 R 02. 125 Zu Henri Pierre Nominé (1892–1972), der als Conseiller général de la Moselle und als Députe de la Moselle von 1928 bis 1936 auch regionalpolitisch ein Gewicht darstellte, vgl. Kurzbiografie, in: Barthel, Jocelyne: Hommes et femmes célèbres de la Moselle. Paris 1995, S. 115f.; UHL/KLEIN: Nachruf (1972). 126 Handschriftliches Schreiben der US Forbach an den „Préfect du département Lorraine“ (sic!), 3.8.1919, in: ADM, 304 M 92.

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dem elsässischen Zabern stammende Chefarzt des Forbacher Hospizes war zugleich einer der Vizepräsidenten in der Ligue Lorraine de Football.127 In Thionville wurde Ende 1918 die im Ersten Weltkrieg verbotene Sportive Thionvilloise reaktiviert.128 Sie zählte bereits im darauf folgenden Frühjahr mehrere hundert Mitglieder und wurde zum größten Sportverein der Stadt, der enge Verbindungen zum Souvenir Français sowie zur Garnison pflegte. Nicht zuletzt durch den Verweis auf seine profranzösische Vergangenheit vor dem Krieg konnte der Verein auf die behördliche Unterstützung zählen und bekam dementsprechend den Sportplatz auf der „Place de la Liberté“ in Thionville kostenlos überlassen.129 Mit ihrer Fußballabteilung feierte die Sportive Thionvilloise in den zwanziger Jahren große Erfolge. Im nur wenige Kilometer entfernten Industrieort Hayange, dem früheren Hayingen, hatte der größte lokale Fußballverein, der SC Hayingen das Kriegsende überstanden. Am 15. Januar 1919 wurde aus ihm die Union Sportive Hayangeoise. Viele ehemalige SC-Mitglieder sorgten im Verein für eine gewisse Kontinuität. Unter ihnen war auch der Ingenieur Maurice Arens, der nicht nur im lokalen Fußball eine wichtige Rolle übernahm, sondern auch in der später gegründeten Ligue Lorraine de Football Verantwortung übernehmen sollte. Auch blieb die US Hayange weiterhin ein bürgerlicher Verein, der eng mit den Wendel’schen Stahlwerken verknüpft war. In den ersten Jahren rekrutierte sich ein Großteil der Mitglieder aus den Angestellten der Wendel’schen Verwaltung.130 In Metz kam es 1919 zur Gründung des Cercle Athlétique Messin (CAM). Er war der Nachfolgeverein der Metzer Sportvereinigung, in dem sich zahlreiche der alten Spieler und Funktionäre wiederfanden. Wenngleich sich der elsässische Oberrealschullehrer Justin Hirtz, der langjährige Vorsitzende der Metzer Sportvereinigung, aus dem Vorstand des Vereins zurückzog und dem politisch einwandfreien Franzosen Maurice Danglard den Vorsitz überließ, war das „deutsche“ Erbe des Vereins so offensichtlich, dass die Behörden der Mannschaft um den langjährigen Torhüter Bichelberger die Reise zu einem Fußballspiel in Nancy im April 1919 verboten und daraufhin auch eine polizeiliche Untersuchung einleiteten, um die nationale Zuverlässigkeit des CA Messin zu überprüfen.131 Im Polizeibericht wurde Mitgliedern des Vereins, die alle bereits bei der Metzer Sportverei127 Ahreiner hatte bis 1918 an der Universitätsklinik Straßburg als Chirurg gearbeitet, wo er als Mentor von Albert Schweitzer wirkte. Seit 1919 war er Chefarzt im Hospice Madeleine in Forbach. Siehe Lothringer Sport, 6.7.1922. Zur Vereinsgründung siehe US Forbach: FS 1909–1959 (1959), S. 17. 128 Siehe Schriftwechsel der Sportive Thionvilloise mit den Behörden im Frühjahr 1919, in: AM Thionville, 4 R 1; Statuten des Vereins 1919, in: ADM, 304 M 130; zur Entwicklung vor 1918 vgl. Kapitel 4.3. 129 Siehe Schreiben der Sportive Thionvilloise an die Stadtverwaltung, 5.1.1919 sowie die Satzung und weiteren Schriftverkehr, in: AM Thionville, 4 R 1. Vgl. außerdem SCHWEITZER: La vie associative (1998), S. 26f., 32. 130 Ausführlich PETRUCCI: L’Histoire du football (1996), S. 24–27. 131 Zum Reiseverbot siehe den Schriftwechsel zwischen dem Commissariat de la République à Metz, der Stadt Metz und Justin Hirtz vom 22.-26.4.1919, in: ADM, 304 M 114; in dieser Akte findet sich auch der handgeschriebene und undatierte Bericht über den CA Messin.

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nigung Führungspositionen eingenommen hatten, für die Zeit vor dem Waffenstillstand eine deutsche Gesinnung attestiert. Dies betraf nicht nur Justin Hirtz, sondern auch die beiden Postbeamten lothringischer Herkunft, August Müller und Lucien Poinsignon. Letzterer war nicht nur vor 1919 im Vereinsvorstand aktiv gewesen, sondern auch im vormaligen Saar- und Moselgau für die Schiedsrichterkommission und die Juniorenmeisterschaften verantwortlich gewesen. Speziell ihm wurde im Polizeibericht eine deutsche Gesinnung attestiert. Er habe auch stets gegen die damalige profranzösische Metzer Lorraine Sportive132 agitiert und deren Mitglieder als „dreckiges Franzosenpack“ beleidigt. Mit dem Waffenstillstand habe er eine Kehrtwende vollzogen. Dass der CA Messin trotz dieser kritischen Einschätzung genehmigt wurde, dürfte auch daran gelegen haben, dass dem neuen Vereinsvorsitzenden Maurice Danglard als ehemaligem französischen Soldat und als „Chef de Sûreté“ von den Behörden eine vorzügliche nationale Einstellung und Vertrauenswürdigkeit attestiert wurde.133 Trotz dieser Hindernisse in den ersten Monaten wurde der CA Messin in den folgenden Jahren zum größten und erfolgreichsten Fußballverein in der Moselle. Bereits in den ersten Monaten hatte sich die Mannschaft der ehemaligen Metzer Sportvereinigung überraschend gegen den Club Français de Paris, die AS Strasbourg und den CA de Paris durchsetzen können.134 Laut Pirot rekrutierten sich die Spieler des CA Messin immer zu großen Teilen aus dem Bürgertum. Wenn auch nicht zum organisierten Arbeitersport gehörend, bildete die Association Sportive Messine das soziale Gegenstück zum Cercle. Da vor allem deren Anhängerschaft sich aus Arbeitern zusammensetzte, bildete sich nicht zuletzt auf diesem Gegensatz aufbauend eine starke lokale Rivalität zwischen beiden Vereinen heraus. In den zwanziger Jahren drängten auch in der AS Messine zunehmend Metzer Notabeln und Unternehmer in die Funktionärsposten. Dies wurde von allen Seiten begrüßt, profitierten doch beide Seiten von einer Verquickung sportlicher und lokaler Strukturen. Die zunehmende Professionalisierung und Bürokratisierung, wie sie in den Fußballvereinen an der Saar zu beobachten war, betraf auch die lothringischen Vereine. Wie dort kam es zu einer Trennung zwischen organisierenden und repräsentativen Funktionären und den nur noch für den Sport zuständigen Spielern. Regelmäßiges Training, die Abwerbung von Spielern, die Anstellung von ausländischen Spielern und Trainern wurde auch in der Moselle Bestandteil des bürgerlichen Fußballsports.135 Im Herbst 1920 hatte der CA Messin bereits solch ein sportliches und wirtschaftliches Gewicht, dass der jüdisch-ungarische Starspieler Gyula Kertész dort als Trainer angestellt werden konnte. Kurz darauf gesellte sich auch dessen jüngster Bruder Géza zum Verein. Mit Adolf Kertész, bis zu seinem Unfalltod als Spielertrainer beim SC Saar 05, waren damit Anfang der zwanziger 132 Zur Lorraine Sportive in der Reichslandzeit siehe Kapitel 4.3, S. 112. 133 Schreiben Danglard an den Préfet de la Moselle, 5.5.1919, Genehmigungsschreiben des Commissariat de la République an Danglard, 3.6.1919, Bulletin de Renseignement Maurice Danglard, in: ADM, 304 M 114. 134 ISCH: La gloire (1995), S. 33. 135 In diesem Sinne auch PIROT: Pratiquants (2000), S. 92f.

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Jahre drei der vier Kertész-Brüder im saarländisch-lothringischen Grenzraum aktiv. Géza Kertész, der in den vierziger Jahren in Italien unter anderem die AS Roma trainieren sollte, errang als Mittelstürmer innerhalb kürzester Zeit solch eine Popularität, dass er bereits im Februar 1921 von der Ligue Lorraine de Football für die Lothringer Auswahl für ein Spiel gegen das Elsass nominiert wurde.136 Ungarische Trainer wurden auch in Petite-Rosselle und Stiring-Wendel verpflichtet und waren daher für eine Steigerung des Spielniveaus mitverantwortlich.137 Für die Fußballvereine der Moselle stellte sich im Frühjahr 1919 die Frage, welchem Verband sie sich anschließen wollten. Noch immer blieb der französische Fußball gespalten. Mit der Gründung der Fédération Française de FootballAssociation (FFFA) wurde im April 1919 von den Funktionären des CFI erstmals ein nationaler Fußballfachverband gegründet. Doch auch dieser blieb in seinem ersten Jahr den Trennungslinien verhaftet, da diese zunächst nur den unter dem katholischen CFI organisierten Fußballsport übernommen hatte. So buhlten 1919 sowohl die laizistische Union des Sociétés Françaises des Sports Athlétiques (USFSA) als auch die FFFA um die Gunst der Vereine. Im Frühjahr 1919 nahmen einige Moselvereine an einem Wettbewerb um die „Coupe des Régions Libérées“ teil.138 Dieser war vom CFI und von der USFSA gemeinsam organisiert worden. Damit war also noch keine Entscheidung gefällt. Maurice de Vienne regte an, alle Vereine der Moselle über seine Ligue d’Est de Football-Association in die FFFA zu überführen. Allerdings sollte es zu einer Integration der Moselvereine noch ein längerer Weg sein. Zunächst gründeten diese unter Emile Muller im September 1919 die eigenständige Fédération Lorraine des Sports Athlétiques (FLSA). Diese vereinigte unter sich die Vereine der Moselle und trug eine Fußballmeisterschaft in zwei Gruppen aus.139 Der ursprünglich aus Luxemburg stammende Tierarzt Emil Muller aus Thionville war bereits beim Diedenhofener FV tätig gewesen und war nun Präsident der Sportive Thionvilloise. Muller führte zunächst die Opposition an, die eine Vereinigung aller lothringischen Vereine in einem gemeinsamen Regionalverband ablehnte. Stattdessen empfahl Muller den 22 Vereinen der FLSA im November 1919 den Anschluss an die säkulare USFSA.140 Im Februar 1920 führte er Verhandlun136 Art. Die Brüder Kertesz, in: Wiener Sport-Tagblatt, 29.1.1921. 137 PIROT: Naissance (1997), S. 266. 138 Der Wettbewerb fand im Frühjahr 1919 in den ehemals von den Deutschen besetzten und annektierten Gebieten in Frankreich und Belgien statt. Als Vertreter Lothringens fungierte die Société Lorraine Sportive de Sarreguemines. Sie verlor Anfang April 1919 das Ausscheidungsspiel gegen die AS Strasbourg. Vgl. PERNY: Le football (2009), S. 127. 139 In der Gruppe Sarre spielten Forbach, Sarrebourg, Sarreguemines, Merlebach, Stiring und Petite-Rosselle, in der Gruppe Moselle der Cercle Messin, Rombas, Thionville, Amnéville und die AS Messine. Im Finale schlug der CAM die US Forbach mit 4:2 Toren. Vgl. ISCH: La gloire (1995), S. 34. 140 Bericht von Pierre Failliot, Président du Comité de Lorraine de l’USFSA, 18.11.1919, in: ADM, 304 M 133. Auch der elsässische Fußballsport hatte sich im Frühjahr 1919 mit seinem Comité Régional des Sports Athlétiques zunächst der USFSA angeschlossen. Am 1.11.1919 kam es schließlich zur Gründung der Ligue d’Alsace de Football-Association (LAFA), welche sich der FFFA anschloss. Vgl. PERNY: Le football (2009), S. 122f.

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gen, um die Fußballvereine des französischen Lothringens der FLSA anzuschließen. Die LEFA unter der Führung de Viennes weigerte sich und beanspruchte ihrerseits die Führungsrolle beim Bestreben, den lothringischen Fußball unter einem Dach zu vereinen. De Vienne konnte sich bei seinen Bemühungen die Unterstützung des größten Vereins, des CA Messin sichern. Auf Initiative von de Vienne und der Metzer Vereinsfunktionäre Poinsignon und Bichelberger kam es im Juli 1920 in Metz und Nancy zu zwei vorbereitenden Treffen, auf welchen man sich auf die Gründung einer gemeinsamen Ligue verständigte. Die konstituierende Generalversammlung der gemeinsamen Ligue Lorraine de Football Association (LLFA) fand schließlich am 8. August 1920 in der Taverne Lorraine in Metz statt, wo sie in Zukunft auch ihren „siège social“ hatte.141 Der neue regionale Verband schloss sich der FFFA an und spielte die erste Meisterschaft in drei Klassen aus. Die erste Klasse wurde allerdings zunächst in zwei Gruppen ausgespielt. Während die Moselle ihre eigene Meisterschaft ausspielte, spielten die übrigen drei Departements die ihre in einer zweiten Gruppe aus.142 Ein ausschlaggebender Grund, warum sich die Ligue für die FFFA entschied, dürfte auch in der weitgehenden Autonomie der einzelnen Regionalverbände gelegen haben. Anders als ihre Vorgänger lehnten die Funktionäre der FFFA einen autoritären Zentralismus ab und begnügten sich damit, die einzelnen Ligues zu beraten.143 Der Aufschwung des Fußballs zum „sport préféré“ in Frankreich144 in den frühen zwanziger Jahren spiegelte sich auch im Wachstum der LLFA wider. 1922 zählte die Ligue 150 Vereine und war damit der siebtgrößte der 19 französischen Regionalverbände. Dennoch wurde in der Ligue zu diesem Zeitpunkt eine Stagnation der sportlichen Entwicklung festgestellt, da zum einen der „Sportsgedanke“ noch nicht genug verbreitet worden sei und der „geistige Zusammenhalt“ fehle. Zum anderen wurde die akute Platznot bemängelt.145 Letzteres war für die großen Vereine in der Moselle nicht gegeben. Gerade die industriellen Ballungszentren in der Moselle sorgten dafür, dass die größeren Fußballvereine in Forbach, Hayange und Metz über akzeptable Stadien und Sportplätze verfügten. Die wirtschaftliche Dominanz sowie das quantitative Übergewicht der Moselle in Lothringen – sie stellten in der ersten Saison 23 der 40 startenden Vereine – sorgten in den folgenden Jahren für eine sportliche Vormachtstellung der Moselle in der gemeinsamen Ligue. Alle lothringischen Verbandsmeister stammten bis 1939 ausschließlich aus der Moselle. Der erfolgreichste Verein sollte der CA Messin werden, der sieben Mal die Meisterschaft gewann. Ihm folgten mit jeweils drei Titeln die Sportive Thionvilloise und die Union Lorraine Moyeuvre.146 Die 141 Siehe Statuts et Règlements der LLFA von 1920, in: ADM, 304 M 115. Das mehrseitige Dossier fehlt in der entsprechenden Akte, weswegen Details der Gründung offen bleiben. 142 ISCH: La gloire (1995), S. 34f. 143 WAHL: Les archives (1989), S. 177. 144 LÊ-GERMAIN/TÉTART: Naissance (2007), S. 249. 145 Art. Die Sitzung der LLFA, in: Lothringer Sport, 15.6.1922. 146 Weitere Titel gingen an die AS Messine (2) sowie jeweils einmal an: Entente Sportive Hayange, US Forbach, Union Hagondange, Stade Olympique Merlebach. Vgl. LAURENT: Histoire (1984), S. 11.

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Dominanz der Moselle spiegelte sich auch in der zweiten Klasse sowie im regionalen Pokalwettbewerb Challenge de Wendel wider.147 Auch wenn Maurice de Vienne, der 1921 zum Präsidenten der Ligue gewählt wurde, die Ligue als „collaboration de l’ancienne France et la France retrouvée“ bezeichnete148, blieben die Spannungen zwischen den Vereinen der Moselle und den Vereinen der drei anderen lothringischen Departements in den ersten Jahren virulent. Sie beruhten nicht zuletzt auf sprachlichen Problemen. Im „Lothringer Sport“, einem seit 1921 in Metz erscheinenden deutschsprachigen Blatt, wurde die „Kritik deutschsprachiger Vereine in der Moselle“ veröffentlicht. Im Hinblick auf die kommende Jahresversammlung verlangten diese eine verstärkte Rücksichtnahme auf die im Saardistrikt beheimateten Vereine. In Hinblick auf das Sprachproblem wiesen sie darauf hin, dass auf den elsässischen Verbandstagen überhaupt kein Französisch gesprochen werde. Sie verlangten, dass doch zumindest den hiesigen Verhältnissen Rechnung getragen werden müsste.149 Zum Eklat kam es im März 1922. Einer der führenden rebellischen Vereine, die Sportive Thionvilloise, zog sich von den Meisterschaftskämpfen vorübergehend zurück und drohte damit indirekt mit einer Spaltung des lothringischen Fußballs. Emile Muller kündigte diesen Schritt in einem offenen Brief an de Vienne an, der im „Lothringer Sport“ veröffentlicht wurde. Er schrieb von einer absichtlichen Benachteiligung der Moselvereine, die sich nicht nur auf der Generalversammlung bemerkbar gemacht habe, sondern auch in den Schiedsrichterentscheidungen. Infolgedessen legte Muller sein Amt als Vorstandsmitglied der Ligue nieder. 150 Die Kritik der Vereine in der Moselle richtete sich jedoch nicht nur gegen den Verband an sich, sondern auch gegen den dominierenden CA Messin und dessen Vorsitzenden Lucien Poinsignon. Da dieser zugleich einer der Vizepräsidenten der LLFA war, wurde ihm Parteilichkeit vorgeworfen. Gewissermaßen setzten sich hier sportliche Rivalitäten aus der Reichslandzeit fort. War Muller beim Diedenhofener FV aktiv gewesen, so galt dies bei Poinsignon für die Metzer Sportvereinigung. Im Jahr 1922 wurde für die die lothringischen Departements umfassende Ligue Lorraine de Football erstmals eine gemeinsame erste Klasse beschlossen. Damit wurde ein zentrales Anliegen de Viennes Wirklichkeit, der die Ligue als einen Beitrag zur Einigung der Lorraine betrachtete. Auf der Generalversammlung der LLFA im Juni 1923 wurde die gemeinsame erste Klasse von Teilen des Verbandes wieder in Frage gestellt. Der Widerstand wurde dieses Mal jedoch von Vereinen aus dem Departement Vosges artikuliert. Sie führten sportliche Gründe an, warum sie die „Wiederherstellung der alt bekannten Zweiteilung“ beantragten. Nicht zuletzt dürfte es für die Vereine aus Remiremont und Thaon darum gegan147 Benannt wurde der Wettbewerb nach dessen Stifter Guy de Wendel (1878–1955). Der Neffe des Industriellen Henri de Wendel war nach 1919 Député de la Moselle und Président du Conseil général de la Moselle. Außerdem war er Ehrenpräsident der US Hayange sowie der Ligue Lorraine de Football. Vgl. PETRUCCI: Football (2000), S. 101. 148 LAURENT: Histoire du football (1984), S. 8. 149 Art. Kritik deutschsprachiger Vereine in der Moselle, in: Lothringer Sport, 19.1.1922; Art. Ein Wort an die deutschsprachigen Vereine, in: Ebda., 8.6.1922. 150 Emile Muller: Offener Brief an Herrn de Vienne, in: Lothringer Sport, 9.3.1922.

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gen sein, aufwändige Spielreisen im weiträumigen Verbandsgebiet zu vermeiden, das im Vergleich zum dichter besiedelten Elsass beinahe drei Mal so groß war. Der Vorstand appellierte an das Nationalgefühl der Delegierten, da durch eine neuerliche Trennung die alten politischen Grenzen reaktiviert würden. Tatsächlich blieb der Appell nicht ohne Wirkung. Mit großer Mehrheit wurde für die Aufrechterhaltung des Status quo gestimmt.151 De Vienne hatte in seiner zuvor gehaltenen Rede ebenso dafür plädiert: „Denn, meine Herren, wir sind die einzige Ligue in Frankreich, welche auf der ehemaligen Grenze liegt. Während das Elsass autonom sich wiederfindet und andere Verbände Ligues des Innern bilden, ist es unsere Aufgabe, durch eine patriotische und soziale, ebenso wie sportliche Handlung, die gestern durch den Graben von 1870 getrennte Bevölkerung in enger Berührung untereinander zu vermischen. Welch süsse Herzensaufgabe, aber wie ungemein delikat auch!“152

Die Gegensätze zwischen den Vereinen in der Moselle und den Vereinen der anderen drei Departements schwächten sich im Laufe der Jahre ab. Auch wenn die Moselle politisch und kulturell eine Welt für sich blieb153, gelang es der Ligue Lorraine de Football trotz aller Konflikte, das deutsche Fußballerbe in den Verband zu integrieren. Dies dürfte ihr nicht nur deshalb gelungen sein, weil die Vereine der Moselle sich pragmatisch mit den neuen Realitäten abgefunden hatten, sondern auch, weil mit der LLFA eine regionale Institution im Fußballsport zur Verfügung stand, die im politischen Zentralismus Frankreichs keine Entsprechung fand. Nicht zuletzt wurde die Ligue durch die Moselvereine geprägt, die sowohl zahlenmäßig als auch sportlich im Verband starkes Gewicht hatten. Die Etablierung einer gemeinsamen ersten Liga für ganz Lothringen führte zu einer langsamen Annäherung der deutsch- und französischsprachigen Vereine und dazu, dass aus gegenseitigem Misstrauen sportliche Rivalität wurde. Letztendlich wirkte die LLFA identitätsstiftend im Sinne der Ausbildung einer regionalen lothringischen Identität. Nicht zuletzt der alljährliche Gewinn der lothringischen Meisterschaft durch einen Verein aus der Moselle dürfte die Akzeptanz des gemeinsamen lothringischen Raumes und darüber hinaus der französischen Nation in der Moselle erleichtert haben. Wird der Sportpropaganda Glauben geschenkt, so könnte man annehmen, dass aus den Fußballvereinen in der Moselle von heute auf morgen patriotische Vereine wurden. Im Folgenden wird daher einerseits analysiert, inwiefern die Politik in der Moselle tatsächlich auf die Vereine einwirkte, wie sie diese für propagandistische und militärische Zwecke in Dienst nehmen wollte. Andererseits werden die Vereine als eigene Akteure in Augenschein genommen. Wie agierten sie mit den politischen Stellen, welche Gründe führten sie an, wenn sie Kooperationen eingingen und Subventionen einwarben und welchen Nutzen versprachen sie sich davon? 151 Generalversammlung der LLFA, in: Lothringer Sport, 20.6.1923. 152 Jahresbericht 1923 von Maurice de Vienne, Präsident der LLFA, in: Lothringer Sport, 4.7.1923. 153 In diesem Sinne auch ROTH: Die Zeit (1984), S. 453, 463.

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5.4 „... ils doivent aimer la France.“ Die Republikanisierung der Fußballvereine in der Moselle Im August 1921 erstattete das Commissariat Spécial de Forbach dem Sous-Préfet Bericht über den Werdegang der Union Sportive Forbach: „Le président, M. Ahreiner, docteur à Forbach, s’attache surtout à donner une bonne éducation aux membres et à leur faire comprendre pourquoi ils doivent avoir des sentiments français et pourquoi ils doivent aimer la France. Cette politique nationale est la seule faite à 154 l’union.“

Dass über Sportvereine wie die US Forbach von Seiten der Behörden Erkundigungen eingezogen wurden, war selbstverständlich, waren sie doch oftmals die direkten Nachfolgevereine der ehemaligen deutschen Klubs. Obwohl die Vereinsmitglieder in der Regel größtenteils aus Lothringen stammten, waren sich die Behörden gerade in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht immer sicher, inwiefern gerade die deutschsprachigen Vereine auch tatsächlich zu Frankreich standen. Die Vereine bemühten sich aber auch selbst um gute Kontakte zu den Behörden und zur Armee. So mussten Soldaten der hiesigen Garnison bei der US Forbach keinen Mitgliedsbeitrag zahlen. Neben Fußball wurde im Verein darüber hinaus auch die „Préparation Militaire“ ausgeübt. In der Forbacher Garnison war der Verein so sehr angesehen, dass der Berichterstatter der Polizei zu folgender Einschätzung kam: „L’autorité militaire a reconnu l’utilité de l’Union sportive de Forbach, qu’elle cite toujours 155 comme exemple de discipline, d’instruction et de patriotisme.“

Die starke Verschränkung von Turnen, Sport und Militär hatte in der Französischen Republik seit den 1880er Jahren Tradition, seitdem der Staat begonnen hatte, über Organisationen wie die „Union des Sociétés de Tir en France“ und die „Union des Sociétés d’Éducation Physique et de Préparation Militaire“ politischen Einfluss auf den Sport auszuüben. Nicht zuletzt die langjährigen Erfahrungen innerhalb der Armee mit dem Turnen – bereits 1846 war es in die militärischen Ausbildungspläne aufgenommen worden156 – prädestinierte das französische Militär, hierbei eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Über die Éducation Physique in den Verbänden und Vereinen sollten republikanisch-patriotische Werte vermittelt werden. Damit sollte die Bevölkerung auch auf eine mögliche weitere kriegerische Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich vorbereitet werden.157 Seinen unmittelbaren Ausdruck fand dieser Aspekt, der Teil einer integralen Erziehung darstellen sollte, in der „Préparation Militaire“ (PM), die insbesondere nach 1905 einen großen Aufschwung erlebte. Dabei handelte es sich um Vorbereitungskurse 154 Schreiben Commissariat Spécial de Forbach an den Sous-Préfet de l’arrondissement, 9.8.1921, in: ADM, 304 M 92. 155 Schreiben Commissariat Spécial de Forbach an den Sous-Préfet de l’arrondissement, 9.8.1921, in: ADM, 304 M 92. 156 LOUDCHER/VIVIER: Gymnastique (1996), S. 21. 157 Siehe hierzu auch Kapitel 1.3, S. 45.

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für den Militärdienst, die in den Sportvereinen abgeleistet wurden. Die Kurse konnten bis zu einem Jahr dauern, beinhalteten auch theoretischen Unterricht158 und mündeten in Prüfungen, die von der Armee veranstaltet wurden. Absolventen des „Brevet de préparation militaire“ konnten dann in der Armee vorzeitig befördert werden. Im Gegenzug wurden die Sportvereine seit 1910 vom französischen Kriegsministerium offiziell akkreditiert und kamen als „Société Agrée par le Ministre de la Guerre“ (SAG) in den Genuss staatlicher Förderung.159 Für das Deutsche Reich, dessen eigene Bemühungen im Bereich der militärischen Vorbereitung der Jugend erst zögerlich im Ersten Weltkrieg begonnen hatten, war Frankreich in dieser Beziehung zum Vorbild geworden und wurde von den deutschen Militärs als das „klassische Land der Jugendwehrbewegung“ betrachtet.160 Nach Kriegsende propagierte die französische Armee weiterhin den militärischen Nutzen des Sports in Frankreich, zumal das deutsche Feindbild sich durch den Krieg noch eher verstärkt hatte. Die französische Propaganda warnte explizit davor, dass die Deutschen dabei wären, den Sport zu pervertieren und ihn als exzellenten „Ersatz“ des Militärdienstes einsetzten.161 Ob zutreffend oder nicht: Die eigenen Bemühungen der französischen Armee wurden fortgeführt und entsprechend kamen auch die Sportvereine der Moselle und des Elsass ins Blickfeld des Militärs. Nur wenige Monate nach deren Gründung waren Abteilungen für Préparation Militaire in den größeren Fußballvereinen der Moselle die Regel. Wie die AS Sarreguemines hatte auch die Sportive Thionvilloise bereits 1919 eine entsprechende Sektion sowie zusätzlich eine Schützenabteilung eingerichtet. Besonders in Thionville war es nach der „Retour“ zu einer starken Verschränkung der lokalen Garnison mit den Sportvereinen gekommen. Außer für die Sportive Thionvilloise galt dies vor allem für den Sporting Club Thionvillois. Trotz seines zivilen Anspruchs widmete dieser Club sich ausdrücklich der Préparation Militaire und bot seit 1938 auch Schulungskurse für spezielle Waffengattungen wie die Maschinenpistole an.162 Welchen Stellenwert die Préparation Militaire in den Vereinen neben der Ausübung des Fußballspiels und weiterer Sportarten bekam, wird in der Satzung der AS Sarreguemines von 1924 deutlich: „Die Association Sportive de Sarreguemines bezweckt die Kräftigung und gesunde Entwickelung des Körpers durch die Pflege jeglichen Sports, insbesondere des Fußballspiels, der 158 Hauptthemen des theoretischen Unterrichts waren Pflichten der Jugend den Eltern und dem Arbeitgeber gegenüber, Vorträge über Hygiene, über Topographie, Geografie und Geschichte. Siehe Otto Jenner: Art. Der Jugendsport in Frankreich, in: Kicker, 26.3.1929, S. 193. 159 HOLT: Contrasting Nationalism (1996), S. 40; HOLT: Sport (1981), S. 192; SCHWEITZER: La vie associative (1998), S. 43. 160 MEYER: Die Jugendwehrbewegung in Frankreich (1917), S. 9. Broschüre ist archiviert in: ADBR, 27 AL 236B. 161 Art. Le Sport, „Ersatz“ du Service Militaire en Allemagne, in: Le Miroir des Sports, 16.6.1921, S. 383. 162 GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 62; SCHWEITZER: La vie associative (1998), S. 44. Siehe auch Statuten des Sporting Club Thionvillois 1925 sowie die Vorstandslisten und Schriftwechsel, in: ADM, 304 M 130.

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Leichtathletik, des Cross-Country, der Touristik etc., die Hebung der Moral und der Kameradschaft unter ihren Mitgliedern, sowie die Vorbereitung zum Heeresdienst durch die 163 Éducation physique, die Préparation militaire und Schießübungen.“

Für die Sportvereine im ehemaligen Elsaß-Lothringen plante die Union des Sociétés d’Éducation Physique et de Préparation Militaire in Zusammenarbeit mit den militärischen Behörden gezielt gemeinsame Veranstaltungen. Im Juni 1920 fand beispielsweise in Paris ein großer Wettkampf statt, an dem möglichst viele Vereine aus der Moselle und dem Elsass teilnehmen sollten. Für die Union und die Militärs war dies ebenso eine „forme de pénétration de la pensée française“ wie eine deutschsprachige Rubrik in der Zeitschrift „Le Soldat de Demain“.164 1922 wurde außerdem mit der Fédération Départementale des Sociétés d’Éducation Physique de Préparation au Service Militaire et de Tir de la Moselle ein regionaler Dachverband für diejenigen Vereine gegründet, die Préparation Militaire anboten.165 Zu hinterfragen ist bei all diesen staatlichen Bemühungen, inwiefern die Angebote der Préparation Militaire von der Jugend gerne in Anspruch genommen wurden. Im Jahr 1929 ging Otto Jenner, elsässischer Sportfunktionär und Redakteur des „Le Sport Alsacien“, im Kicker auf die Préparation Militaire und ihre Rezeption bei den Jugendlichen ein: „Um ganz ehrlich zu sein, muß ich erwähnen, daß die P.M. bei den jungen Sportsleuten nicht in hohem Kurse steht. Die moderne Jugend ist zu selbständig, um sich gerne irgendwie einer Kommandogewalt unterzuordnen. Man geht dem Drill (der hinsichtlich der P.M. noch sehr harmlos ist) in weitem Bogen aus dem Wege. Die Vorteile der P.M. werden nicht verschmäht; man möchte sie genießen, aber ohne Gegenleistung. Durch die P.M. ist schon mancher Junge für den Sport gewonnen worden, den er erst als P.M.-Kandidat kennen lernte und 166 daran Gefallen fand.“

Gerade der letzte Satz Jenners ist interessant, da er gerade dadurch die eigentliche Intention der Préparation Militaire quasi ins Gegenteil verkehrte. Wenngleich die Préparation Militaire in den Sportvereinen in weiten Teilen noch ein Desiderat der Forschung darstellt, ist zu konstatieren, dass diese ebenso wie die Jugendwehrabteilungen in den deutschen Sportvereinen auf wenig Gegenliebe stießen und lediglich Anklang finden konnten, wenn die Teilnehmer daraus einen Mehrwert in Hinblick auf ihre Freizeitgestaltung ziehen konnten. Die Fußballvereine in der Moselle gaben sich in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ausgesprochen patriotisch. Sie knüpften damit unmittelbar an die Vereinstraditionen des Kaiserreichs an – wenngleich natürlich unter völlig anderen Vorzeichen. Es muss für die französischen Behörden verblüffend gewesen sein, 163 Statuten der AS Sarreguemines vom 5.8.1924, in: AM Sarreguemines, 31 R 2. 164 Schreiben der Direction des Affaires Militaires, Strasbourg an die Généraux Gouverneurs Militaires de Strasbourg und Metz, 14.2.1920, in: ADBR, 121 AL 188; Zum „Soldat de Demain“ siehe ADBR, 121 AL 543. 165 Sie veranstaltete alljährliche Wettkämpfe in verschiedenen Sportarten: Education Physique, Natation, Athlétisme, Equitation, Cyclisme, Motocyclisme, Préparation Militaire, Tir, in: AM Thionville, 3 R 1. 166 Otto Jenner: Art. Der Jugendsport in Frankreich, in: Kicker, 26.3.1929, S. 193.

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wie die deutschsprachigen Lothringer im CA Messin innerhalb weniger Wochen eine völlige Kehrtwende vollzogen und statt dem Kaiser nun der Republik huldigten. Ein Beispiel ist August Müller, Generalsekretär des CA Messin, dem noch im Frühjahr 1919 von der Polizei als ehemaligem Mitglied der Metzer Sportvereinigung eine deutsche Gesinnung attestiert worden war. Wenige Monate später argumentierte er exakt so, wie es sich für einen patriotischen französischen Sportverein gehörte: „Le C.A.M. [Cercle Athlétique Messin] poursuit l’amélioration de la race française par la pratique des sports et en particulier la préparation de la jeunesse française au service militaire 167 par l’éducation physique.“

Dass es zu solch einer raschen Kehrtwende kommen konnte, ist letztlich zu erklären, wenn der Eigensinn des Fußballsports berücksichtigt wird. Um weiterhin Fußball und Sport betreiben zu können, mussten die Sportvereine Kompromisse eingehen und sich den neuen Realitäten anpassen. Entsprechend argumentierte der CA Messin in obigem Beispiel dann sehr patriotisch, wenn es darum ging, Subventionen einzufordern. In diesem Fall ging es um einen Zuschuss für die Renovierung einer Turnhalle. Es muss deswegen stets der Nutzen für die Vereine berücksichtigt werden. Insofern versuchten die Vereinsfunktionäre stets, für ihren Sport und insbesondere für ihren eigenen Verein, das maximale Ergebnis herauszuholen. Dies schloss allerdings nicht aus, dass die „Französisierung“ der Gesellschaft im Lauf der Jahre auch in den Fußballvereinen bemerkbar wurde. Trotz Vereinspragmatismus bildeten die Klubs keine Eigenwelt und waren für den Wandel von Gesellschaft und politischer Kultur empfänglich. Dass die Vereine stärker an Frankreich herangeführt wurden, dürfte aber weniger in der Indienstnahme durch das Militär begründet sein. Ausschlaggebend waren vielmehr die Verflechtungen der Fußballvereine mit der zivilen Ebene, wie sie durch Notabeln, Industrielle und auch Bürgermeister zustande kamen. Es waren diese Kontakte, die es den Sportvereinen ermöglichten, ihren Sport auszuüben und auszubauen. Neben der Übernahme von Schirmherrschaften war es der Bau von Stadien und Sportplätzen, die entscheidend wurden für die Annäherung des ehemaligen „deutschen“ Fußballs an Frankreich. Im Folgenden soll das Beispiel der AS Sarreguemines aufzeigen, wie bei den Fußballvereinen in der Moselle mit der Verfolgung ihrer Vereinsinteressen zwangsläufig auch eine Republikanisierung und „Französisierung“ des Vereinsbetriebs einherging. Dies war immer dann der Fall, wenn die Vereine dieselben Ziele wie die lokalen Eliten aus Wirtschaft oder Politik verfolgten. Dabei ging es beispielsweise um die öffentlichkeitswirksamen Sportfeste oder den Bau eines Sportplatzes. In Sarreguemines wurde die Anlage eines städtischen Sportplatzes nicht nur von der AS Sarreguemines dringend verlangt, sondern auch vom sport-

167 Schreiben CAM an den Commissaire Général de la République, 3.11.1919, in: ADBR, 121 AL 189.

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begeisterten Bürgermeister Henri Nominé, der 1922 schließlich auch Präsident des Sportvereins wurde. Dem Verein ging es dabei stets primär darum, Sport ausüben zu können, ihm einen Raum zu geben. In einer frühen Denkschrift der AS Sarreguemines vom Januar 1920, welche die dringende Sportplatzfrage thematisierte, kommt dies zum Ausdruck. Zwar wurde im Hinblick auf die Erlangung städtischer Beihilfen auch auf den volkswirtschaftlichen, hygienischen und militärischen Nutzen des Sports eingegangen. Allerdings wurde das Feld des Sports auch als ein autonomes kulturelles Feld wahrgenommen, für dessen Ausbau und Erfolg alles getan werden müsse, um „in sportlicher Hinsicht den Rang zu erkämpfen, der unserer Stadt tatsächlich gebührt.“ Wetteifer, gegenseitige Wertschätzung und Opfermut seien hierfür erforderlich. Weiter heißt es in der handgeschriebenen Denkschrift an den Gemeinderat: „Sportplätze, Spiel- und Turnplätze müssen geschaffen werden und besonders hier in Elsaß und Lothringen, wo die Jugend schon seit so langer Zeit ihre Lust zur Körperschulung bekundet hat, muß ein besonderer Wert darauf gelegt werden, dieses Bestreben weiter zu entwickeln und wir vertrauen den Behörden, daß sie uns in jeder Hinsicht freudig unterstützen, 168 damit unser enges Heimatland auch an der Spitze der Bewegung bleibt.“

Im weiteren Verlauf kritisierten die „Sportsleute“, dass sie nicht gewillt seien, sich weiterhin ohne sichtbaren Nutzen für den Verein in den Dienst der Stadt stellen zu lassen: „Statt dessen wurden wir in verflossenen Jahren mit Versprechungen gespeist und immer wieder aufgefordert, bei all den vielen Festlichkeiten und Fackelzügen mitzuwirken, was den 169 Vereinen nichts einbrachte, aber dafür große Ausgaben verursachte.“

Die Beihilfsgesuche der AS Sarreguemines an die Stadt wurden meist negativ beschieden. Das Projekt zur Errichtung eines städtischen Stadions kam über Jahre hinweg nicht voran. Mal waren sich die Vereine uneinig, mal lehnte der Gemeinderat das Projekt ab. Erst im Herbst 1922 kamen die Pläne zum Bau eines städtischen Stadions am Bliesstaden zur Ausführung, was nicht zuletzt Bürgermeister und Vereinspräsident Henri Nominé zu verdanken war. Am 16. September 1923 konnte der städtische Sportplatz mit einem Fußballspiel zwischen der AS Sarreguemines und der Union Hagondange schließlich offiziell eröffnet werden.170 Die Übernahme des Vereinsvorsitzes durch Henri Nominé war für den Verein ein Glücksfall, da sich dieser, den Presseberichten nach zu urteilen, im Niedergang befunden hatte. Mit der Neuformierung des Vorstandes sei „ein anderer Geist aufgekommen“.171 Auch Jean Dimofski, der schon beim Vorgängerverein SV Wodan als Fußballpionier die Fäden gezogen hatte, begrüßte das Engagement 168 Schreiben AS Sarreguemines an den Gemeinderat, 27.1.1920, in: AM Sarreguemines, 6 M 1. 169 Schreiben AS Sarreguemines an den Gemeinderat, 27.1.1920, in: AM Sarreguemines, 6 M 1. 170 Art. Die Eröffnung des städtischen Sportplatzes, in: Le Courrier de la Sarre, 15.9.1923. Zur Sportplatzfrage und zum Stadionbau siehe ausführlich den Schriftverkehr und die Baupläne, in: AM Sarreguemines, 6 M 1. 171 Art. Gemeindepolitik und Sportterrain, in: Le Sarregueminois, 3.2.1922.

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Nominés. Dieser habe „als erster Bürgermeister Elsass-Lothringens die Wichtigkeit der Sportbewegung für die Jugend und das Volkswohl erkannt; er hat dem Verein schon wertvolle Dienste geleistet und wird ihm auch hoffentlich in Zukunft seine Mitarbeit nicht entziehen.“172 Persönlichkeiten mit politischer Kompetenz oder wirtschaftlichem Gewicht wurden in Vereinen wie der AS Sarreguemines dringend benötigt angesichts der gewachsenen Herausforderungen. Auch bei der US Forbach war Dr. Ahreiner nicht aufgrund seiner sportlicher Kompetenzen gewählt worden, sondern weil er lokale Nobilität mit wirtschaftlicher Kompetenz zu verbinden verstanden hatte.173 Wie Ahreiner in Forbach sollte auch Nominé in Sarreguemines eine neue Ära im lokalen Sport prägen. Erst 1932 sollte er vom Amt des Präsidenten zurücktreten. Dem Verein kam zugute, dass Nominé selbst Fußballspieler war und deshalb auch durch seine aktive Teilhabe am Sportbetrieb des Vereins als ein „Bürgermeister der Sportler“ wahrgenommen werden konnte. 1923 war er Mitbegründer der Altherrenmannschaft der AS Sarre-guemines und agierte in den folgenden Jahren als Mittelstürmer der „Old Boys“, deren Fußballspiele auch mal mit einem Frühschoppen beginnen konnten.174 Als Député de la Moselle sowie als Conseiller général des Departements scheute es Nominé auch nicht, seinen Einfluss geltend zu machen, um seinem Sportverein Vorteile zu verschaffen. Dies reichte von Eingaben an die Armee, Fußballspieler des Vereins während ihres Militärdienstes doch bitte näher an Sarreguemines zu stationieren, bis hin zum persönlichen Einsatz bei der Erlangung staatlicher Subventionen beim weiteren Ausbau des städtischen Stadions.175 Bei der AS Sarreguemines, deren erste Fußballmannschaft in der Promotionsklasse der LLFA spielte, waren vor allem die seit 1920 alljährlich stattfindenden Leichtathletikmeetings die Höhepunkte des Jahres. Das dritte „Grand Meeting d’Athlétisme“, das am 13. August 1922 stattfand, stand unter der Schirmherrschaft des Präsidenten und Bürgermeisters Henri Nominé. Im Ehrenausschuss fanden sich wiederum alle wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen städtischen Lebens. Neben dem Sous-Préfet von Sarreguemines, zwei Senatoren und den Stadträten wurden im zweisprachigen Festprogramm mehrere lokale Vertreter der Armee genannt, mehrere Industrielle, der Gymnasialdirektor sowie Vertreter des religiösen Lebens. Zwischen den Wettkämpfen, an welchen Teilnehmer aus 23 lothringischen und elsässischen Vereinen teilnahmen, spielte die Musikkapelle des 153. Infanterieregiments auf. Abgerundet wurde der Abend mit einem großen Gartenfest mit Konzert und Ball.176

172 Dimofski, Jean: Die Entwickelung des Sportgedankens in Sarreguemines, in: AS Sarreguemines: Festprogramm 3me Grand Meeting d’Athlétisme 13 Août 1922, o. S. 173 Die Entwicklung in der Moselle entsprach einer generellen Tendenz im französischen Fußballsport. Vgl. MOURAT/POYER/TÉTART: La naissance (2007), S. 346. 174 Tagesprogramm der Old Boys für das Spiel mit der AH-Mannschaft der AS Metz, 5.4.1925, in: AM Sarreguemines, 31 R 2. 175 Schreiben Nominé an Colonel Tulasne, Tours, 23.9.1926, in: AM Sarreguemines, 31 R 2; ausführlich: Dossier „Agrandissement. Projet-Subventions“, in: AM Sarreguemines, 6 M 3. 176 AS Sarreguemines: Festprogramm 3me Grand Meeting d’Athlétisme 13 Août 1922.

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Neben dem Stade municipal in Sarreguemines wurden im Jahr 1923 in Forbach und Metz zwei weitere Stadien feierlich eingeweiht. Am 26. August wurde in Metz mit einem internationalen Sportfest das Stadion des CA Messin auf der Île Saint-Symphorien eröffnet177, in Forbach rund einen Monat später das neue Stadion der US Forbach. Insbesondere die Feierlichkeiten rund um das Einweihungsspiel in Forbach zeigen, wie sehr einerseits solche Veranstaltungen von Politik und Militär als nationaler Inszenierungsraum wahrgenommen wurden und andererseits, wie sehr auch die Fußballvereine mit den Eliten und der Politik vor Ort und im Departement zunehmend verflochten waren. In Forbach fanden am 30. September 1923 die Festlichkeiten zur Platzeinweihung des Stade du Schlossberg statt. Realisiert worden war das kostspielige Projekt der US Forbach durch deren Präsidenten Dr. Ahreiner und den Forbacher Bürgermeister Louis Couturier, zugleich Eigner der Forbacher Glashütte. Bereits am Abend zuvor waren die Feierlichkeiten mit einem Feuerwerk eröffnet worden. Die Schirmherrschaft übernahm der französische Staatspräsident Alexandre Millerand, sein Vorgänger Raymond Poincaré die Ehrenpräsidentschaft. Vertreten wurden beide durch Gabriel Alapetite, seit 1920 Commissaire général d’Alsace et Lorraine. Eine Vielzahl weiterer hochstehender Ehrengäste nahm an den Feierlichkeiten teil. Neben François Manceron, dem Präfekten der Moselle, gaben sich die Abgeordneten Guy de Wendel und Robert Schuman die Ehre sowie vier Senatoren des Departements. Hochrangige Vertreter der Armee, der Geschäftswelt, der Industrie und des Fußballverbandes waren ebenso vertreten wie weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt und der Region. Insgesamt hatte sich die komplette Elite des Departements Moselle an diesem Tag in Forbach versammelt, um sich das Einweihungsspiel der US Forbach gegen den Club Français aus Paris anzusehen.178 Letztendlich ging es den meisten Ehrengästen wohl weniger um das Spiel, für das der weithin bekannte lothringische Sportmäzen Guy de Wendel eine Statue gestiftet hatte, sondern darum, gesehen zu werden. In der Presse wurden entsprechend auch weniger die sportlichen Aspekte als vielmehr die Feierlichkeiten ausführlich geschildert: Um 12.45 Uhr stieg Monsieur Alapetite gemeinsam mit dem Präfekten der Moselle und dem Sous-Préfet de Forbach aus einem Auto vor der Forbacher Turnhalle aus, wo sie von der städtischen Musikkapelle mit einer Darbietung der Marseillaise begrüßt wurden. Im Anschluss daran wurde in der mit Fahnen und Girlanden dekorierten Halle das Festbankett serviert. Der Bürgermeister und Alapetite hielten beide jeweils eine patriotische Rede. Couturier erinnerte an das Kriegsende und betonte den Patriotismus der Forbacher Industriebe177 Zum Stadion des CA Messin siehe Art. Le Parc des Sports du CAM, in: Lothringer Sport, 26.10.1922; Art. Die Einweihung des Stade des Cercle Athlétique Messin, in: ebda., 22.8., 29.8.1923. Als Regierungsvertreter nahm Henry Paté teil, Commissaire général, im Kriegsministerium für die Éducation physique, den Sport und die Préparation militaire zuständig. Zum Parc des Sports siehe auch Denkschrift des CAM von 1923, in: ADM, 304 M 114. 178 Art. Vom Stade Mehlpoul zum neuen Stade U.S.F., in: Lothringer Sport, 1.8.1923; Art. Der 30. September, der grosse Tage der Forbacher Sportgemeinde, in: ebda., 19.9.1923; Art. Une belle journée patriotique et sportive à Forbach, in: Le Lorrain, 1.10.1923.

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völkerung. Bevor zum zweiten Mal die Marseillaise gespielt wurde, sprach Alapetite noch einen Toast aus, in welchem er ebenso den hier vorgefundenen Nationalstolz lobte und auf das Wohl des Präsidenten der Republik anstieß. Am Nachmittag fand dann im Stadion die eigentliche Eröffnung statt. Einleitend ergriff Dr. Ahreiner als Präsident der US Forbach das Wort. Zuvor sollte allerdings noch einmal – zum dritten Mal an diesem Tage – die Marseillaise erklingen. Ahreiner ging in seiner Rede auf die Kraftanstrengungen ein, die es benötigt hatte, um den Stadionbau zu realisieren und dankte allen Unterstützern, nicht zuletzt auch seinem Vizepräsidenten Gresser, der als Stadtarchitekt für die Planungen zuständig gewesen war. Zu guter Letzt interpretierte er die gesamte Vereinsarbeit als einen Dienst an der Republik, was in der Berichterstattung dann auch zu lesen war: „M. le Dr Ahreiner rapelle que le programme de la Société est avant tout national et en expose les grandes lignes. La Société compte actuellement près de 500 membres travaillant tous dans le seul désir de servir la France. En terminant, l’orateur évoque l’exemple de MM. Poincaré et Millerand, poursuivant la politique française. comme eux, chacun doit faire comprendre à 179 l’univers que nous sommes toujours un peu là et qu’il faut compter avec nous.“

Das Spiel der US Forbach gegen den Club Français spielte sich bei sonnigem Herbstwetter vor rund 6 000 Zuschauern ab und endete mit 2:2 Toren unentschieden. Dass das Spiel an diesem Tag Nebensache war, war auch daran zu sehen, dass der Gastverein aus Paris, wie die Sportpresse monierte, nicht seine beste Mannschaft geschickt hatte. Die Feierlichkeiten endeten mit einem „familiären Ballabend“ im Hôtel de la poste.180 Von außen betrachtet hatten sich die größeren Fußballvereine des ehemaligen Bezirks Lothringen mit dem plötzlichen Französisch-Sein sehr rasch abgefunden. Sehr bald entwickelte sich wieder ein reger Spielverkehr, und innerhalb der Ligue Lorraine de Football bildeten die Vereine der vier lothringischen Departements eine Einheit. Die Kontakte zur französischen Verwaltung sowie zu den neuen lokalen Eliten entwickelten sich in Hayange, Sarreguemines, Forbach, Thionville und Metz trotz anfänglicher Schwierigkeiten gut. Ursächlich hierfür war, dass beide Seiten ein Interesse daran hatten, die Entwicklung des Sports voranzutreiben. Die Motive waren freilich grundverschieden. Ging es den Vereinen grundsätzlich um die Möglichkeit, ihren Sport barrierefrei ausüben zu können, waren Wirtschaft und Staat daran interessiert, die Sportvereine aus gesundheitspolitischen, volkswirtschaftlichen, patriotischen und militärischen Gründen heraus zu fördern. Sport – so das Credo – nutzte dem Wiedererstarken der Nation im Hinblick auf kommende Konflikte. Entsprechend wurde das Leitmotiv der französischen Sportpolitik auch das Motto „Être fort pour être en paix“.181 Ihren unmittelbaren Ausdruck fand die militärische Indienstnahme in der Einrichtung eigener – quasi militärischer – Abteilungen innerhalb der Vereine, in welchen die Jugendlichen auf den Militärdienst vorbereitet wurden. Die Vereine ihrerseits passten sich 179 Art. Une belle journée patriotique et sportive à Forbach, in: Le Lorrain, 1.10.1923. 180 Art. Die Terraineinweihung in Forbach, in: Lothringer Sport, 2.10.1923. 181 SAINT-MARTIN: Sport, nationalisme (2007), S. 188.

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den Vorgaben an, kamen sie doch durch ihr Entgegenkommen in den Genuss staatlicher Subventionen. Gleichwohl kam es auch in den Fußballvereinen im Laufe der Jahre zu einer zunehmenden „Französisierung“ und Republikanisierung. Dies hing in erster Linie mit der zunehmenden Verflechtung des Sports mit den wirtschaftlichen und politischen Eliten vor Ort zusammen. Diese hatte sich zwangsweise durch das gemeinsame Engagement im Erreichen sportpolitischer Ziele ergeben. Die Errichtung von Sportplätzen und Stadien in Sarreguemines, Forbach, Metz und in den lothringischen Industrieorten182 konnte nur erreicht werden, wenn private und staatliche Initiativen ineinander griffen. Mit der Errichtung von Stadien erhielten die Fußballvereine in der Moselle ihren festen Standort. Die Vereine wurden wichtiger Bestandteil der städtischen Kultur, ihre Stadien der urbanen Architektur. Zweifellos dürfte es den Fußballvereinen auch geschmeichelt haben, dass sich die politischen Eliten zunehmend für die Fußballspiele zu interessieren begannen. Die Inszenierung der Französischen Republik anlässlich von Platzeinweihungen oder großen Sportveranstaltungen mochte keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung des Fußballsports gehabt haben, dürfte jedoch bei den Vereinsmitgliedern durch ihre stetigen Wiederholungen im Lauf der Jahre eine Akzeptanz Frankreichs in der Moselle erleichtert haben. 6 FUSSBALL IM FOKUS IM SPANNUNGSFELD VON IDEOLOGIE, POLITIK UND KOMMERZ 6.1 Falsches Spiel? Der Saarfußball und die gefühlte Krise, 1925–1933 Am 25. März 1928 fanden im Saargebiet zum dritten Mal die Wahlen zum Landesrat statt. Die katholische Zentrumspartei verbuchte vierzehn der dreißig Sitze für sich und konnte damit ihre Vormachtstellung in der – die Regierungskommission lediglich beratenden – saarländischen Volksvertretung behaupten. Am selben Tag spielte im Saarbrücker Ludwigspark der FV Saarbrücken gegen Bayern München. Es war der abschließende Spieltag der Endrunde um die süddeutsche Meisterschaft, die der Großstadtverein zum zweiten Mal in seiner Geschichte erreicht hatte. Auch wenn es für den Klub um nichts mehr ging, da er abgeschlagen als Tabellenletzter den Spitzenreiter empfing, wurde das Spiel so gut besucht, dass es für die „Südwest-Deutsche Sportzeitung“ am Wahltag einer Demonstration des Sports gleichkam: „Es war eine glückliche Regie des Zufalls, daß am Wahltag des Saargebietes 15 000 Menschen ihre Schritte zum Ludwigspark lenkten, gleichsam als Demonstration für die Macht des Sports, und sicher waren viele darunter, die am Vormittag verhindert, am Nachmittage das 182 Die Industriemagnaten im lothringischen Kohlebecken engagierten sich ebenso im Fußballsport, indem sie Plätze bereitstellten. So unterstützte in Petite-Rosselle der Bergwerksdirektor den Fußballsport ebenso wie der Fabrikant Adt in Marienau und de Wendel in Hayange und Stiring-Wendel. Vgl. PIROT: Naissance (1997), S. 262.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle Spiel der Wahl vorzogen; das hat man so nebenbei im Gerede der Menge hören können. Und das mögen sich diejenigen überlegen, die noch geringschätzige Urteile über die Ziele der Sportvereine bei der Hand haben. Die Verkehrspolitiker und die Geschäftsleute selber wissen heute nur zu gut, was ein großes Fußballspiel für den geschäftlichen Verkehr einer Stadt bedeutet und die Stadt Saarbrücken ist denn auch dabei, den Ludwigspark zu einer erstklassigen Sportarena weiter auszubauen.“183

Acht Jahre nach dem Antritt der Regierungskommission und sieben Jahre vor der Volksabstimmung war der Saarfußball mehr denn je in den reichsdeutschen Fußballsport integriert und wurde als Zuschauersport weiterhin von breiten Schichten angenommen. Dennoch darf die fünfstellige Zuschauerzahl nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufschwung des Fußballs Anfang der dreißiger Jahre ein vorläufiges Ende zu nehmen schien und in der saarländischen Sportöffentlichkeit dem Fußballsport eine Krise attestiert wurde. Seit Mitte der zwanziger Jahre hatten die Fußballvereine an der Saar erstens unter der Währungskrise des französischen Franken zu leiden. Hinzu kam zweitens die mannigfache Kritik an der Behandlung des Fußballs durch die Kommunen und die Regierungskommission. Deren fehlende Unterstützung beziehungsweise die Erhebung kommunaler Steuern auf Sportveranstaltungen wurde als eine der Ursachen für die Krise ausgemacht. Kritisiert wurde drittens allerdings auch die Entwicklung des Fußballsports selbst. Beanstandet wurde das als ungerecht empfundene Spielsystem im Süddeutschen Fußballverband, welches die westliche Randlage des Saargebiets zusätzlich belasten würde. Außerdem wurde es dem rapiden Aufschwung zum Massen- und Zuschauersport angelastet, dass es zunehmend zu Ausschreitungen auf den Fußballplätzen kam und dass sich ein Vereinsegoismus und -fanatismus auch an der Saar breit gemacht hätte. Mitte der zwanziger Jahre war es im saarländischen Fußball zu einem Stabwechsel gekommen. Der FV Saarbrücken hatte Borussia Neunkirchen den Rang abgelaufen und 1926 erstmals die Endrunde um die süddeutsche Meisterschaft erreicht. Nicht zuletzt der sportliche Erfolg der ersten Mannschaft sorgte für eine volle Vereinskasse. Dem Rechenschaftsbericht zufolge brachte die Tabellenführung im Laufe der Saison höhere Zuschauerzahlen sowie einen „rapiden Zuwachs“ bei den Mitgliederzahlen, die innerhalb eines Jahres um knapp 30 Prozent auf 690 gestiegen seien. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation – so der Jahresbericht – sei daher als gut zu bezeichnen, was aber nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen sei, dass man sich vor Verlusten durch die Frankenentwertung „rechtzeitig durch den Ankauf von wertbeständigem Geld geschützt“ habe.184 In Neunkirchen wurde als Grund für die gute wirtschaftliche Lage des FV Saarbrücken dagegen in erster Linie die sportfreundliche Kommunalpolitik gesehen, da in Saarbrücken keine Lustbarkeitssteuer verlangt wurde.185 Tatsächlich wurde diese von einigen Kommunen im Saargebiet in Form einer zehn- bis zwanzigprozenti183 Art. 15000 Menschen im Ludwigspark, in: SWD, 26.3.1928, S. 3. Bayern München gewann mit 4:2 Toren. 184 Siehe Rechenschaftsbericht des FV Saarbrücken über das Geschäftsjahr vom 1.4.1925 bis 1.4.1926, in: StA Saarbrücken, G 50/7291. 185 Art. Warum Saarbrücken Neunkirchen im Fußballsport überflügelte, in: SWD, 14.1.1925.

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gen Abgabe auf die Einnahmen bei Fußballspielen erhoben. Anders als in Saarbrücken, wo nicht zuletzt der Rasensportverband sich erfolgreich gegen eine Einführung wehren konnte186, wurde die Steuer vor allem in Völklingen und Neunkirchen von den Sportvereinen bekämpft. In Völklingen wurde im November 1926 ein Antrag des Verbands zur Förderungen der Leibesübungen, rein sportliche Veranstaltungen von der Besteuerung zu befreien, abgelehnt.187 Auch in Neunkirchen scheiterten zahlreiche Initiativen zur Abschaffung der „Sportsteuer“ regelmäßig an der parteiübergreifenden Ablehnung durch den Stadtrat, weswegen diese Steuer schuld sei am „momentanen ‘Debacle’ des saarländischen Fußballsports“.188 Neben der Besteuerung wurden in erster Linie die Schwäche des französischen Franken und der Mangel an attraktiven Gegnern aus dem „Reich“ als Hauptgründe für die in der Sportöffentlichkeit ausgemachte Krise aufgeführt. 1925 empfing das DFB-Vorstandsmitglied Georg Blaschke deshalb eine fünfköpfige Kommission des Saargebiets im Rahmen des Endspiels um die deutsche Meisterschaft in Frankfurt. Um dem Saarland mehr attraktive große Spiele zu bescheren, versprach der DFB, sich dafür einzusetzen, dass süddeutsche Mannschaften bei Gastspielreisen in das westliche Europa im Saargebiet Halt machten, um dort zusätzliche Spiele auszutragen und den Saarvereinen damit weitere Einnahmen zu bescheren. Darüber hinaus strengte der süddeutsche Verband einen Prozess gegen die Lustbarkeitssteuerverordnungen der saarländischen Kommunen an.189 Dennoch hatte der Sport von den Kommunen auch profitiert, da sich dessen genereller Aufschwung nach dem Ersten Weltkrieg in einer fortschreitenden Institutionalisierung der kommunalen Sportförderung ausdrückte. In mehreren saarländischen Kommunen wurden etwa seit Mitte der zwanziger Jahre Stadtämter für Leibesübungen eingerichtet.190 In den Verwaltungen hatte sich die Einsicht durchgesetzt, dass Leibesübungen – so der Terminus für Turnen und Sport – nicht nur gesundheitliche Aspekte hatten, sondern auch von „volkswirtschaftlicher und volkserzieherischer Bedeutung“ seien.191 Dieser Zuschreibung war es zu verdanken, dass die Kommunen zu wichtigen Ansprechpartnern der Fußballvereine wurden, zumal die staatliche Gewalt, im Saargebiet durch die Regierungskommission 186 Allerdings mussten Vereine, welche die Plätze im Ludwigspark und am Kieselhumes nutzten, einen Unterhaltungsbeitrag leisten. Siehe Stellungnahme des Oberbürgermeisterbüros, 12.7.1932, in: StA Saarbrücken, G 10.2/3301. Zu den Protesten und Resolutionen des Rasensportverbandes siehe Art. Generalversammlung des Rasensportverbandes, in: SWD, 20.10.1924, S. 2; Art. Ernste Sportfragen, in: SWD, 19.12.1927. 187 Sitzung Finanzkommission, 25.11.1926, weiterer Schriftverkehr, in: StA Völklingen, A435. 188 Art. Neunkircher Sportgedanken, in: SWD, 2.2.1928, S. 3, 1.3.1928, S. 4; Art. Um Form und Recht, in: SWD, 11.11.1929. 189 Art. Neue Aera des Saargebietes, in: SWD, 15.6.1925, S. 2. 190 In Völklingen wurde 1926 im Bürgermeisteramt eine Dienststelle zur Förderung von Leibesübungen eingerichtet. Stadtämter für Leibesübungen wurden in folgenden Kommunen eingerichtet: Saarbrücken (1924), Neunkirchen (1926), Homburg (1927). 191 KUHRING: Aus der Wohlfahrtspflege (1930), S. 32.

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verkörpert, sich einer aktiven Sportpolitik beziehungsweise -förderung enthielt. 1926 plädierte Erich Menzel vehement für die Einrichtung eines Sportdezernats in der Direktion für Volkswohlfahrt, da gerade die kleinen Kommunen den Sport überhaupt nicht förderten. Die Sportvereine selbst hatten dagegen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ihre eigenen lokalen Interessenverbände gegründet. Einen „Stadtverband zur Förderung der Leibesübungen“ – so eine der gängigen Bezeichnungen – gab es in jeder größeren Kommune des Saargebiets. Sie stellten sowohl in Saarbrücken192 als auch in Neunkirchen193 gemeinsam mit den Stadtämtern für Leibesübungen die Mitglieder für die gemeinsamen Beiräte für Leibesübungen. In Neunkirchen ließen sich Sportfunktionäre in den Stadtrat wählen, in Saarbrücken wurde der von Karl Burk geführte Stadtverband der Ansprechpartner für die reichsdeutschen Stellen, wenn es um die zu verteilenden Subventionen aus dem Deutschen Reich ging. 1928 wurde der Stadtverband offiziell eine Ortsgruppe des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen (DRA). Karl Burk vertrat daraufhin den Sport des Saargebiets beim DRA in Berlin.194 Trotz des Einvernehmens, das in der Regel zwischen den Turn- und Sportvereinen herrschte, waren die Fußballvereine darüber hinaus weiterhin in ihren eigenen Rasensportverbänden organisiert. Diese waren jedoch umstritten. Während Borussia Neunkirchen 1930 den Rasensportverband Neunkirchen verließ, da dessen parallele Existenz neben dem Stadtverband in der Industriestadt überflüssig sei, befürchtete der Süddeutsche Fußballverband durch die Schaffung zwischengeschalteter Unterorganisationen den Verlust der direkten Kontrolle der Verbandsvereine.195 Deren Entwicklung war es seit Mitte der zwanziger Jahre, welche in der Sportöffentlichkeit großes Unbehagen auslöste. Der Sportjournalist Erich Menzel machte für die Krise des Saarfußballs nicht nur die Politik verantwortlich, sondern auch den Sport selbst, dessen vornehme Ziele „in der Flut der zuströmenden Massen“ untergegangen seien.196 Nicht zuletzt deshalb hatte er auch für die Bildung eines Sportdezernats bei der Regierungskommission plädiert, dessen Aufgabenbereich auch die „sachverständige Überwachung der körperkulturtreibenden Vereine ihres Landes“ umfassen sollte. Dies würde in keiner Weise das Verhältnis der Vereine zu ihren reichsdeutschen Verbänden stören und eine integrierende Ju192 Dem Stadtverband für Leibesübungen Saarbrücken gehörten als Dachorganisation 1932 rund 20 000 Mitglieder in 62 Vereinen an. Die stärkste Gruppe bildete die Saarbrücker Turnerschaft mit rund 7 400, die zweitstärkste der Rasensportverband mit rund 3 000 Mitgliedern. Siehe Jahresbericht 1931, in: StA Saarbrücken, G 40/6030. 193 Der Neunkircher Stadtverband wurde 1920 als „Kampforganisation gegen die sportfeindliche Haltung der Stadtverwaltung und des Gemeinderats“ gegründet. Vgl. MENZEL, Albrecht: Stadtverband (1960), S. 5; BAUER: Stadtverband (1970). 194 Carl Diem äußerte sich erfreut: „... ein weiteres, festes Band zwischen der saarländischen Turn- und Sportbewegung und dem großen Spitzenverband im Reich [ist] geknüpft.“ Siehe Art. Generalversammlung des Verbandes zur Förderung der Leibesübungen, in: Saarbrücker Zeitung, 16.3.1928. 195 Art. Der VT im Mannheimer Nibelungensaal, in: SWD, 22.7.1929, S. 4; Art. Borussia und der Rasensportverband, in: SWD, 13.3.1930, S. 4. 196 Rubrik „Von Woche zu Woche“, in: SWD, 25.1.1926, S. 3.

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gendpflege könnte helfen, die sportlichen Missstände in den Vereinen zu beseitigen und eine „Stärkung der Selbstzucht in den Vereinen und Mannschaften“ herbeizuführen. Als Sportpionier der ersten Stunde verurteilte er die Auswüchse im Fußballsport auf das Schärfste. Er brandmarkte das kleinliche ehrgeizige Streben in den Vereinen und vor allem die gegenseitige „Mißgunst im Fußballager“. Das sportliche Empfinden sei einem reinen Geschäftsgebaren gewichen. Die Vereine besäßen nur geringe moralische Prinzipien, „deren Deckungsart allein von Kassenstand, Punkten und Sieg erleuchtet wird.“ Dass der Sport „krank“ geworden war, war eine Beobachtung, die auch im Elsass gemacht wurde. Ernest Houtmann, ebenfalls wie Menzel ein Fußballpionier der ersten Stunde, vermisste bereits 1923 all die Ideale, die den Sport früher ausgemacht hätten. Schuld am moralischen Niedergang seien die sozialen und politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Er appellierte an die Sportvereine und die Spieler auf dem Platz, sich wieder Werten wie Solidarität, Kameradschaft und Fairness zuzuwenden, um damit auch die Aggressivität auf den Plätzen und den Zuschauerrängen in den Griff zu bekommen.197 Ganz ähnlich war der Ton bei Erich Menzel, der darüber hinaus für eine Öffnung der Fußballvereine gegenüber anderen Sportarten und -verbänden plädierte, um dem Sportgedanken eine breitere Basis zu geben. Mitte der zwanziger Jahre hatte der saarländische Fußball in der überregionalen Sportpresse offensichtlich keinen besonders guten Ruf. An der Saar, so der Tenor, herrschten „Vereinsfanatismus“ und ein ungesunder Rivalengeist. Selbst Walther Bensemann wurde von Erich Menzel zitiert, „daß er noch selten ihm unsympathischere Verhältnisse im Sportleben angetroffen hätte als im Saargebiet.“198 In einem Kommentar Julius Molchendorffs, der 1925 im Auftrag des „Kicker“ über den Saarfußball schrieb, kam dies besonders zum Ausdruck: „Mit der Fußballkultur war im Saargebiet noch nie Staat zu machen. Man muß es schon als einen Segen betrachten, daß das unruhige Blut des Industrievolkes von schlimmeren Rauftaten abgehalten wird und zwischen den Toren sein Temperament austobt. Getobt wird immer noch leider im wahrsten Sinne des Wortes. Der Vereinsfanatismus treibt allerschlimmste Blüten und die Mittel, deren er sich oft bedient, sind dunkel wie der Kohlenstaub. (…) Rein zahlenmäßig kann man mit der Entwicklung des Fußballs im Saarland zufrieden sein. In allen übrigen Fragen, besonders ideeller Natur, muß man die Ansprüche so weit wie möglich herabschrauben.“199

Menzel selbst relativierte die Beobachtungen der überregionalen Sportpresse dahingehend, dass deren Urteile meist nur auf der Auswertung von Presseberichten beruhten. Er warf den saarländischen Vereinen in diesem Zusammenhang vor, eine ungenügende Pressearbeit zu betreiben. Lediglich die polemischen Auseinandersetzungen zwischen den Vereinen und die Vorkommnisse auf den Plätzen

197 Ernest Houtmann: Art. Le sport présente des signes de maladie, in: Le Sport Alsacien, 17.3.1932. Abgedruckt auch bei PERNY: Le football (2009), S. 243f. 198 Erich Menzel: Art. Die erste Dekade im neuen Kalender, in: SWD, 12.1.1925, S. 3. 199 Julius Molchendorff, zitiert in: Erich Menzel: Art. Die erste Dekade im neuen Kalender, in: SWD, 12.1.1925, S. 3.

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würden in den Vereinsmitteilungen an die Presse in den Mittelpunkt gerückt.200 Allerdings registrierte auch Menzel eine zunehmende Brutalisierung des Spiels. Unter dem Eindruck schwerer Verletzungen bei Spieler während eines Spiels in Saarbrücken mutmaßte er, „daß die Spiele mehr und mehr der Verrohung ausgesetzt sind“.201 Zu Missstimmungen und Ausschreitungen kam es in den zwanziger Jahren vermehrt bei Begegnungen zwischen saarländischen und pfälzischen Vereinen. 1929 wurde deshalb auf Anregung der Rasensportverbände Saarbrücken und Pirmasens eine gemeinsame Entschließung der Bezirksligavereine der Gruppe Saar verabschiedet, „um etwaige Mißstimmungen zwischen den Anhängern der pfälzischen und saarländischen Vereine zu beseitigen“. Durch aufklärende Arbeit in den Vereinen, durch scharfe Ordnungskontrollen auf den Plätzen, durch objektive Berichterstattung und zu guter Letzt durch ein repräsentatives Spiel sollten Gegensätze abgebaut werden.202 Ausschreitungen auf den Sportplätzen wurden nicht nur an der Saar registriert. Wiederholt rief auch der Süddeutsche Fußballverband, so im Dezember 1929, dazu auf, gegen den sogenannten Vereinsfanatismus rigider vorzugehen. Immerhin wurde ein halbes Jahr später im Jahresbericht 1929/30 des Bezirks Rhein-Saar festgehalten, dass sich das Verhalten der Zuschauer auf den Sportplätzen wesentlich gebessert habe.203 Anstößiges Verhalten des Publikums wurde auch auf den Sportplätzen der Moselle und des Elsass beobachtet. Bei Spielen der AS Metz gegen den CA Metz wurde sozusagen die lokale Hegemonie über die Stadt Metz verhandelt. Es handelte sich dann, so berichtete der Lothringer Sport, „nicht mehr um ein Fußballmatch, es war ein Aufeinanderprallen zweier Parteien, wirklicher ‘Gegner’“.204 Die Rivalität zwischen den Anhängern beider Vereine, welche deren unterschiedliche soziale Herkunft reflektierte, führte im März 1932 sogar dazu, dass das Spiel aufgrund einer Schlägerei in der 55. Minute abgebrochen werden musste.205 200 Erich Menzel: Art. Die erste Dekade im neuen Kalender, in: SWD, 12.1.1925, S. 3. Grundsätzlich zu den Aufgaben der Spielberichterstattung siehe Erich Menzel: Art. Die Sportzeitung und ihr Milieu, in: SWD, 7.5.1925. 201 Erich Menzel: Rubrik „Von Woche zu Woche“, in: SWD, 25.1.1926. 202 Mit dem repräsentativen Spiel Pirmasens gegen Saarbrücken (1:4) wurden offiziell „alle unangenehmen Zwischenfälle (…) begraben.“ Siehe Art. Wichtige Entschließung der Bezirksliga-Vereine der Gruppe Saar, in: SWD, 8.7.1929, S. 8; Art. Das Städtespiel Pirmasens – Saarbrücken 1:4, in: SWD, 15.7.1929, S. 1. 203 Art. Ein neuer Aufruf des Südd. Verbandes, in: SWD, 19.12.1929, S. 8; Art. Der Jahresbericht des Bezirks Rhein-Saar, in: SWD, 19.5.1930, S. 8. Bereits im Dezember 1925 hatte der SFV in einer Pressemitteilung mit Bedauern festgestellt, „daß in letzter Zeit Ausschreitungen auf den Plätzen unserer Vereine bedenkliche Ausmaße angenommen haben.“ Siehe Mitteilung, in: Kicker, 8.12.1925. 204 Art. Eine Prinzipienfrage. Nachklänge vom Treffen CAM-ASM, in: Lothringer Sport, 8.3.1923. Generell zur zunehmenden Aggressivität auf den Fußballplätzen im Elsass siehe Ernest Houtmann: Art. Le sport présente des signes de maladie, in: Le Sport Alsacien, 17.3.1932. Abgedruckt auch bei PERNY: Le football (2009), S. 243f. 205 Während die Anhänger des CA Messin einen bürgerlichen Hintergrund hatten, wurden diejenigen der AS Messine den Arbeitern zugeordnet. Vgl. GALLOIS: Naissance (2000), S. 146.

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Ein großes mediales Echo erzeugte im März 1933 die offizielle Beschwerde der Regierungskommission beim Süddeutschen Fußballverband über „die Auswüchse in der Fußballbewegung“ im Saargebiet. Henri Heimburger, elsässischer Direktor der Direktion des Innern, monierte, dass in mehreren Fällen „das Einschreiten von Polizei- und Landjägerbeamten zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung bzw. zum Schutze der Beteiligten notwendig“ geworden sei und Sicherheitsbeamte zu Wettspielen abkommandiert werden müssten. Er verlangte vom Verband deutliche Schritte, um die Sicherheit auf den Sportplätzen zu gewährleisten.206 Der Bezirks-Vorsitzende Herzog wehrte sich gegen die Vorwürfe, indem er mit der Statistik aufwartete. Zwar seien in der Saison 1932/33 in fünfzehn Fällen Platzsperren und in elf Fällen Geldstrafen verhängt worden. Allerdings sei dies bei insgesamt 7 246 Verbands- und Privatspielen im Saargebiet eine geringe Anzahl. Der Argumentation schloss sich auch Max Harig von der „SüdwestDeutschen Sportzeitung“ an, da das Publikum seine „Wohldiszipliniertheit auch bei Massenbesuchszahlen wohl oft genug bewiesen“ habe.207 Tatsächlich spielten sich die meisten Vorfälle bei Spielen in den unteren Klassen ab. Gleichwohl traf die Kritik der „Saarbrücker Zeitung“ einen wunden Punkt der Fußballbewegung, wenn sie – ausgehend vom Zuschauerverhalten – das Selbstverständnis der Fußballvereine kritisierte. Aus den Vereinen seien Interessengemeinschaften geworden, deren Ziel „nicht mehr freudvolle Sportbetätigung, sondern Punkte- und Einnahmebeschaffung“ sei.208 Dieser auch von Erich Menzel diagnostizierte Vereinsegoismus griff prinzipiell die Kritik Ludwig Alberts auf, welche dieser im Jahr 1920 zum Anlass genommen hatte, seinen Abschied aus der Fußballbewegung zu begründen.209 Der moralische Niedergang und der Verlust von Werten infolge der Entwicklung hin zum Massen- und Zuschauersport wurden zunehmend von weiten Kreisen kritisiert und galten gemeinhin als Auslöser des Vereinsfanatismus. Letztendlich war der Vereinsfanatismus ein Phänomen, das sowohl in Großbritannien und Frankreich als auch in Deutschland und Österreich210 dann auftrat, wenn lokale oder regionale Rivalitäten über den Fußballsport – oder in Südfrankreich über den Rugbysport – ausgetragen und gelebt wurden. In der Forschung gibt es mehrere Erklärungsmodelle. Für den britischen Historiker Richard Holt stellt gewalttätiges Verhalten im modernen Sport in Frankreich ein Erbe früherer gewalttätiger Rituale dar, wie sie noch im 18. Jahrhundert zwischen rivalisierenden Dörfern und Gruppen alltäglich gewesen seien. Wenn auch der moderne Fußball weniger gewalttätig sei, so könne er die Gewalt auf und neben dem Platz nicht vollends unterdrücken. Letztendlich hätten die Sportvereine jedoch dazu

206 Schreiben Heimburger an den SFLV, zit. in: Art. War das notwendig?, in: Saarbrücker Zeitung, 13.3.1933. Ein Abdruck des Schreibens findet sich in: Art. Eingreifen der RegierungsKommission gegen die Auswüchse im Fußballspiel, in: Saar-Turn-Zeitung, 15.3.1933, S. 80. 207 Art. Ein Brief des Bezirks-Vorstandes an die Regierungskommission, in: SWD, 19.3.1933. 208 Art. War das notwendig?, in: Saarbrücker Zeitung, 13.3.1933. 209 Vgl. Kapitel 5.1, S. 141. 210 Zu den Diskursen über die Zuschauergewalt im Österreich der zwanziger Jahre vgl. knapp HORAK/MADERTHANER: Mehr als ein Spiel (1997), S. 47–56.

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beigetragen, die alltägliche Gewalt zu kanalisieren.211 Er schließt sich damit den britischen Soziologen Norbert Elias und Eric Dunning an, in deren Gesellschaftstheorie der moderne Sport Teil und Faktor eines Zivilisationsprozesses ist, in dessen Folge die Gewaltanwendung im Sport mit zunehmender Zivilisierung zurückgegangen sei. Gleichwohl sei der Fußball auch in Großbritannien stets von Fanausschreitungen begleitet worden. Die von jungen Männern aus dem Arbeitermilieu getragenen Ausschreitungen seien Ausdruck spezifischer aggressiver Männlichkeitsnormen und seien bis zum heutigen Tag dann vermehrt aufgetreten, wenn es nicht gelungen sei, die Arbeiterschichten in die britische Gesellschaft zu integrieren.212 Bezüglich der Gewalt im deutschen Fußball nach dem Ersten Weltkrieg bemühen Christiane Eisenberg und Nicolas Beaupré die Brutalisierungsthese von George L. Mosse, nach welcher es in Folge des Ersten Weltkriegs zu einer generellen Brutalisierung der europäischen Gesellschaften gekommen sei. Dem gegenüber steht jedoch der Befund der angelsächsischen soziologischen Forschung, dass im Großbritannien der Zwischenkriegszeit die Gewalt auf und neben dem Sportplatz aufgrund der gelungenen Integration der Arbeiterklasse zurückgegangen sei.213 Rudolf Oswald, dem das Verdienst zukommt, den Vereinsfanatismus im deutschen Fußball der Zwischenkriegszeit erstmals ausführlich beschrieben zu haben, führt wie Holt die zunehmende Gewaltbereitschaft in den zwanziger Jahren auf traditionelle lokale Rivalitäten zurück. In den Vereinen sei es zu lokalen Vergemeinschaftungsprozessen gekommen. Darüber hinaus sei es aber auch das Spiel selbst, das durch seine unvorhergesehene Dramaturgie eine Eigendynamik schaffe, welche dafür sorge, dass die Stimmung auf den Tribünen binnen Minuten kippen könne.214 Auch wenn all die anderen Erklärungsmodelle einen wahren Kern besitzen dürften und jede nachträgliche Beurteilung schwierig zu belegen ist: Die Berücksichtigung des performativen Geschehens auf dem Platz dürfte tatsächlich von besonderer Bedeutung in Bezug auf eine Beurteilung des Zuschauerverhaltens sein. Schließlich macht die unvorhersehbare Dramaturgie während der neunzig Minuten bis heute den Reiz eines Fußballspiels für den Zuschauer aus. Die Gefühlswelt eines Anhängers kann in Minuten umschlagen. Bis heute ist es keine seltene Erscheinung, dass gerade scheinbare Fehlentscheidungen zu Unmutsäußerungen seitens des Publikums führen. 211 Siehe das Kapitel „The Tradition of Violence“, in: HOLT: Sport (1981), S. 125–149, 287. 212 ELIAS: Sport und Gewalt (2003/1986), S. 274; ELIAS/DUNNING: Zur Dynamik (2003/1986), S. 348; DUNNING/MURPHY/WILLIAMS: Zuschauerausschreitungen (2003/1986), S. 460–472. Zur Transformation vom Volks- zum Sportspiel auch WEIß: Einführung (1999), S. 37–44. 213 BEAUPRÉ: Das Trauma (2007), S. 231f; EISENBERG: Fußball (2004), S. 11. Zur zurückgehenden Gewalt im britischen Fußball der Zwischenkriegszeit vgl. DUNNING/MURPHY/WILLIAMS: The roots (1988), S. 108–131, hier S. 130. 214 Oswald beruft sich dabei auf das vom Literaturtheoretiker Wolfgang Iser beschriebene „KippPhänomen“, das in jedem Spiel immanent sei. Vgl. ausführlich zu den Fußballsubkulturen in Deutschland und zum Phänomen des Vereinsfanatismus OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft (2008), S. 211–297.

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Zwei weitere Punkte scheinen darüber hinaus für die Beurteilung der Gewalt im Fußballsport Relevanz zu haben: Zunächst ist in Bezug auf die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zu beachten, dass der Fußballsport sich gerade in Deutschland erst jetzt zu einem Massenphänomen entwickelte und er auch erst jetzt große Zuschauermassen aus allen sozialen Schichten anzog. Das Publikum schätzte das Spiel als spektakuläres Kampfspiel, das über seinen sportlichen Reiz hinaus lokale, regionale und nationale Identifikationsmöglichkeiten bot. Als zweiter Punkt ist zu berücksichtigen, dass – anders als in Großbritannien215 – Fanausschreitungen damals nicht bekannt waren und zeitgenössische Beobachter der Sportpresse, oftmals selbst ehemalige Fußballpioniere aus der „guten alten Zeit“, daher ausgesprochen sensibel auf Veränderungen reagierten. Zeitgenössische Diskurse müssen deshalb kritisch hinterfragt werden. Welches Ausmaß die Vorkommnisse auf den Fußballplätzen und die Auseinandersetzungen zwischen den Vereinen tatsächlich hatten, ist schwer nachzuzeichnen, da verbale Unmutsäußerungen der Zuschauer und Störenfriede ebenso unter „Fanatismus“ subsumiert wurden wie Attacken und rüde Fouls auf und neben dem Spielfeld. Ein Beispiel ist der weiter oben beschriebene Versuch seitens der Fußballvereine, die pfälzisch-saarländischen Rivalitäten im Sport abzubauen. Nur wenige Wochen nach dem „Versöhnungsspiel“ zwischen Pirmasens und Saarbrücken kam es bereits wieder zu Vorfällen, die in der Presse als Menetekel beschrieben wurden. Offensichtlich handelte es sich aber nicht um Tätlichkeiten, sondern um verbale Unmutsäußerungen auf der Tribüne. In der „Südwestdeutschen“ wurde über ein Gastspiel der Pirmasenser in Saarbrücken-Burbach berichtet: „Bei diesem Spiel war das Saarbrücker Publikum äußerst erregt, und beleidigte und beschimpfte die Pirmasenser Spieler andauernd. Ein Individuum hatte sich sogar mit einem mächtigen Sprachrohr bewaffnet, und benutzte dieses Instrument zu beleidigenden Zurufen 216 an die Pirmasenser Sportsleute, ohne daß es in diesem Tun gestört worden wäre.“

Dieser zeitgenössisch beobachtete Vereinsfanatismus verweist letztendlich auf die Entstehung des neuen sozialen Phänomens der Fußballfans. Aus Zuschauern wurden in den zwanziger Jahren zunehmend „Anhänger“ und „Fans“, die neue – bis dato unbekannte – Kommunikations- und Aktionsformen entwickelten. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass vermehrt auch neuartige Organisationsstrukturen in Form von Fördervereinen oder sogenannten Supporterclubs geschaffen wurden. So wurde 1929 in Metz im Umfeld des CA Metz erstmals ein „club des supporters du Cercle athlétique Messin“ gegründet. Die Identifikation mit dem Verein wirkte für Fans dabei als Vergemeinschaftungsprinzip, welches sie untereinander verband. Die Anhänger sammelten sich bereits in der Zwischenkriegszeit in ihren jeweils eigenen Cafés und Kneipen. Polarisierend wirkte es sich außerdem immer auch dann aus, wenn vor Ort lokale Rivalitäten zu Nachbarvereinen bestanden. Dies war in Metz der Fall, wo sich die Anhänger des CA Metz und der AS Metz 215 In Großbritannien verging laut Dunning kein Jahrzehnt ohne Ausschreitungen. Insbesondere habe dies für die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch für spätere Jahrzehnte, vor allem die 1960er Jahre, gegolten. Vgl. DUNNING: Soziale Bindung (2003/1986), S. 426. 216 Art. Ein Menetekel?, in: SWD, 23.9.1929.

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harte Auseinandersetzungen lieferten.217 Das Phänomen des Fußballfans verweist im Hinblick auf den Vereinsfanatismus daher eher auf die Gegenwart des Fußballs als auf die Militarisierung und die Brutalisierung der Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit. Insofern besteht hier noch erheblicher sozialhistorischer Forschungsbedarf. Unabhängig von einer endgültigen historischen Beurteilung wurde der Vereinsfanatismus in der Sportöffentlichkeit als neues Phänomen ernst genommen und die diesbezüglichen Diskurse hatten unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung, nach der sich der Fußballsport in einer Krise befand. 6.2 Die Absage an den Selbstzweck des Fußballs Das Scheitern des „wilden Profitums“ in Saarbrücken 1932/33 Erich Menzel kam 1926 zu dem Schluss, dass der Fußballsport in seiner Entwicklung dem Berufsfußball zustreben musste, wenn dies nicht von außen verhindert werde. Reine Fußballklubs, so erkannte er, seien in ihrer Vollendung nur als „Professionals“ denkbar. Er teilte damit die Erwartung vieler Beobachter, dass der Fußballsport auch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung wie seit 1885 in England218 und seit den frühen zwanziger Jahren in Österreich 219 und Ungarn nehmen würde. Um die Entwicklung zum Professionalismus hin aufzuhalten, plädierte er – wie dies bereits Wilhelm Malessa 1912 getan hatte220 – dafür, dass der Fußballsport nicht zum Selbstzweck werden dürfe. Nicht zuletzt deshalb verwandte er sich für eine sportpolitische Einhegung der Fußballvereine und für die Ausweitung der Sportausübung in den einzelnen Vereinen auf weitere Sportarten wie die Leichtathletik.221 Die Berufsspielerfrage beschäftigte den Fußballsport in Deutschland seit seinen Anfängen, wenngleich sie erst mit der Ausweitung des Spielbetriebs und der Etablierung großer erfolgreicher Fußballvereine zunehmend akut geworden war. Um regelmäßig gegen gleichwertige Gegner spielen zu können, hatten die größeren Vereine in Süddeutschland bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Zusammenfassung der besten Mannschaften in einer Verbandsliga gefordert. Die Frage der Professionalisierung war daher immer auch an die Frage des Spielsystems gekop217 Zu Metz vgl. GALLOIS: Naissance (2000), S. 143–147; der Club des supporters du FC Metz wurde 1933 gegründet, 1937 derjenige der AS Sarreguemines. Siehe ADM, 304 M 114, AS Sarreguemines: FS 60 Jahre (1983), S. 26. Zur sozialwissenschaftlichen Definition des Fans vgl. KÖNIG: Fankultur (2002), S. 44f. 218 1885 wurde der Professionalismus von der englischen Football Association legalisiert. 1888 erfolgte die Einführung der eingleisigen Football League, 1893 eines geregelten Transferund Ablösesystems. Vgl. KOLLER: Von den englischen Eliteschulen (2006), S. 20–22. 219 Der Österreichische Fußball-Verband legalisierte 1924 den Professionalbetrieb. Vgl. MARSCHIK: Mitteleuropa (2006), S. 97. 220 MALESSA: Amateursport (1912), S. 82. Wilhelm Malessa (gest. 1915) war Geschäftsführer der Deutschen Sportbehörde für Athletik und ein Freund Carl Diems. Wie das Turnen wollte er den Fußballsport in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Vgl. hierzu COURT: Deutsche Sportwissenschaft, S. 220, Fußnote 319. 221 Rubrik „Von Woche zu Woche“, in: SWD, 25.1.1926, S. 3.

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pelt gewesen. Der Süddeutsche Fußballverband hatte sich jedoch seit jeher gegen eine eingleisige Verbandsliga gewehrt, fürchtete er doch durch die zu erwartenden hohen Kosten die „Heranzüchtung einiger weniger Elitevereine“. Der Verband wollte den Fußball als Volkssport erhalten und war zur Verhinderung des Berufsspielertums auch bereit, eine Stagnation der spielerischen Entwicklung zu riskieren. 1912 hieß es in einer Denkschrift des Verbandsvorstandes: „Kein objektiv Denkender wird sich wohl auch der Einsicht verschliessen, dass durch eine Verbandsliga infolge der Höhe der umgesetzten Summen und der natürlichen Steigerung der sportlichen Anforderungen unfehlbar dem Berufsspielertum, das wir doch mit allen Mitteln bekämpfen wollen, Vorschub geleistet würde.“222

Diese Position gegen das Berufsspielertum nahmen die Vertreter des Amateurgedankens im Grunde genommen auch nach dem Ersten Weltkrieg ein, wenngleich dieser Gedanke durch den Aufschwung des Fußballsports immer weiter ausgehöhlt wurde. Die bereits in der Vorkriegszeit begonnene strukturelle Professionalisierung der Fußballvereine fand durch die Popularisierung in den zwanziger Jahren ihre nahtlose Fortsetzung. Zahlreiche Akteure bewegten sich nun im sich kommerzialisierenden Spitzenfußball, von dem sich nicht nur Zigarettenfirmen und Brauereien lukrative Geschäfte erhofften. Im Saargebiet waren es gerade erstere, die bereits Anfang der zwanziger Jahre damit begonnen hatten, für ihre Zigarettenmarken im großen Stil bunte Reklame auf den Sportplätzen der großen Fußballvereine zu entfalten. So flatterte auf dem Tribünendach in Neunkirchen der Marabu der gleichnamigen Marke. In der Sportpresse wurde gemutmaßt, dass bei runden Torpfosten wohl 2 ½ Meter hohe Zigarettenattrappen „das Allerheiligste“ zieren würden.223 Bei solch lukrativen Geschäften für die Vereine war es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Spieler einen angemessenen Anteil für ihre Leistungen und in Kauf genommene Entbehrungen einforderten. „Illegale“ Zahlungen an Spieler wurden im deutschen Fußball daher bald eine Selbstverständlichkeit.224 Im Jahr 1920 stand der deutsche Fußball kurz vor der Einführung des Profifußballs. Der Anstoß dazu war aus Ungarn gekommen. Im Sommer 1920 „flohen“ mehrere Spitzenspieler, die nicht mehr für ihre Vereine, sondern auf eigene Regie lukrative Spiele bestreiten wollten, von Budapest über Wien nach Berlin, um eine eigene Berufsspielermannschaft auf die Beine zu stellen. Ausgegangen waren die Bemühungen von Otto Eidinger, dem Besitzer einer Berliner Maschinen- und Elektromotorenfirma. Die Spieler schlossen Arbeitsverträge ab und wurden Spieler des „Ersten ungarischen Berufsspielerklubs“.225 Inzwischen hatten sich unter

222 Denkschrift Vorstand über das Verbandsspielsystem, in: VsFV: Jahresbericht 1911/12, S. 29. 223 Zur Zigarettenwerbung im Saarland siehe Rubrik „Vom Saarland“, in: Fußball, 12.10.1921, S. 1650. Ausführlich zur Finanzierung des Fußballgeschäfts durch Werbung in den zwanziger Jahren vgl. EGGERS: Fußball (2001), S. 153–158. 224 EGGERS: Profifußball (2010), S. 232–234; siehe für Frankfurt auch anschaulich MATHEJA: Schlappekicker (2004), S. 91-94. 225 Siehe Berichterstattung im Wiener Sport-Tagblatt, 9.8., 13.8., 14.8., 19.8., 15.9.1920.

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anderem in Dresden226 weitere Berufsspielermannschaften gegründet und noch im August kam es in Berlin zum ersten „Professionalmatch“ auf deutschem Boden. Trotz aufwändiger Plakatierung wurde das Spiel aufgrund der Boykottaufrufe durch die DFB-Vereine jedoch zum finanziellen Fiasko. Nur 3 000 Zuschauer sahen sich das 1:1-Unentschieden zwischen dem ungarischen und dem Berliner Professionalteam an.227 Auch weitere Bemühungen, außerhalb der nationalen Verbände den offenen Berufsfußball einzuführen, scheiterten. Nur wenige Monate später kam Eidinger in Zahlungsnot.228 Andere ungarische Spieler waren von Anfang an bemüht, sich durch „einfache“ Vereinswechsel einer Spielsperre zu entziehen. Um mit Fußball Geld zu verdienen, musste man nicht zwangsläufig als Fußballprofi angestellt sein. Wie kein anderer wusste dies Alfred Schaffer,229 der berühmteste ungarische Fußballspieler seiner Zeit. Während er sich von der Berufsspielermannschaft bewusst distanzierte, spielte er in der Saison 1919/20 für den FC Basel, wo er zugleich als Spielertrainer wie auch als Büroangestellter sein Geld verdiente. Dieses Modell machte rasch Schule, so dass eine Anstellung als Spielertrainer bei gleichzeitiger Ausstattung mit gut dotierten Posten in der Sportpresse als „Kaperei“ bezeichnet wurde.230 Zu den Vereinen, die sich derartige Geschäftsmodelle zur Aushebelung der strengen Amateurbestimmungen leisten konnten, zählten Anfang der zwanziger Jahre auch die Spitzenvereine im Saargebiet, wo Inflation und Doppelwährung – wie gesehen – dem Fußball eine „kurze Scheinblüte“ ermöglichten. Wie Schaffer in Basel wurden auch Starspieler wie Fischera in Neunkirchen oder Kertész beim SC Saar 05 als Spielertrainer verpflichtet und erhielten zugleich gut bezahlte Anstellungen in der Stadt. Als Spielertrainer der ersten Mannschaften waren sie hauptverantwortlich dafür, dass die spieltechnische Entwicklung im Saargebiet in den frühen zwanziger Jahren einen gewaltigen Aufschwung erlebte.231 Die Motive für den Kampf gegen das Berufsspielertum waren je nach Akteur verschiedener Natur. Bei der Ablehnung durch die Verbandsfunktionäre vermischten sich ideologische mit wirtschaftlichen Motiven. Dies galt insbesondere für die führenden Funktionäre des DFB. Selbst die Ideologie speiste sich aus verschiedenen Quellen: Das von Pierre de Coubertin begründete neu-olympische Amateurideal wurde von großbürgerlichen und aristokratischen Kreisen getragen, die den Professionalismus als dekadente Erscheinung der Moderne verwarfen. Entsprechend war dieses Ideal auch im Amateurparagraphen der DFB-Satzung verankert worden. Nationalkonservative und völkische Kreise wiederum sahen im Fußballsport ebenso einen Faktor der Vergemeinschaftung wie der körperlichen 226 In Dresden stellte der 1. Professional-Fußball-Club „Sachsen“ eine sächsische Landesmannschaft auf. Siehe Art. Der gefährdete Amateurismus in Deutschland, in: Wiener SportTagblatt, 17.8.1920. 227 Art. Das erste Professionalmatch in Berlin, in: Wiener Sport-Tagblatt, 23.8.1920. 228 Art. Das Berliner Professional-Abenteuer, in: Wiener Sport-Tagblatt, 27.11.1920. 229 Alfred Schaffer (1893–1945) galt als der Prototyp des Fußballprofis. Zu Schaffer vgl. HEIMANN: Tarzan (2001), S. 157–170. 230 Art. Reise-Eindrücke, in: Wiener Sport-Tagblatt, 16.7.1920; Art. Kaperei, 28.12.1920. 231 SCHLEMMER: Ein Kapitel (1934), S. 387. Zur „kurzen Scheinblüte“ siehe Kapitel 5.1.

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Ertüchtigung. Sie lehnten den Professionalismus als Ausdruck einer materialistischen Massenkultur ab.232 Den „Gegnern“ gemein war, dass sie den individuellen Starkult missbilligten und im Berufsfußball eine Gefahr für die Entwicklung des gesamten deutschen Fußballs sahen. Wie von Erik Eggers und Nils Havemann aufgezeigt, waren die ideologischen Motivlagen jedoch spätestens seit Mitte der zwanziger Jahre stark mit handfesten wirtschaftlichen Interessen verknüpft.233 Ohne die Verteidigung des Amateurstatus durch die Fußballverbände hätten möglicherweise die öffentlichen Subventionen für den Fußballsport nicht durchgesetzt werden können. So konnte der DFB im Jahr 1927 mit dem Deutschen Städtetag eine Vereinbarung abschließen, nach welcher dessen Vereine als gemeinnützige Einrichtungen angesehen wurden, die bei der Benutzung von Sportflächen lediglich eine „Anerkennungsgebühr“ zu entrichten hatten.234 Wie schwer sich die Fußballvereine angesichts der offensichtlichen Kommerzialisierung taten, sich gegen die Besteuerung von Wettspieleinnahmen zu wehren und die Gemeinnützigkeit des Fußballs nachzuweisen, zeigte vor Ort der Kampf der saarländischen Vereine gegen die von zahlreichen Kommunen erhobene Lustbarkeitssteuer.235 Wie auch immer sich wirtschaftliche und ideologische Motive vermischt haben mögen: Den Gegnern des Berufsfußballs war gemein, dass sie in ihrer Argumentation – mag sie vorgeschoben gewesen sein oder nicht – dem Fußballsport nicht-sportliche Funktionen zuwiesen: Fußball sollte helfen, die Volksgemeinschaft zu stärken, als Wehrertüchtigung dienen oder auch soziale Spannungen abbauen. Außen vor blieben bei all diesen Zuschreibungen stets das eigentliche Fußballspiel und dessen sportlich-autonome Entwicklung. Die Kritiker des Berufssports nahmen in Kauf, dass der deutsche Fußball in sportlicher Hinsicht stagnierte und beispielsweise vom österreichischen Fußballsport qualitativ abgehängt wurde. Nicht zuletzt sorgte das für europäische Verhältnisse antiquierte und kleinräumige Spielsystem in Deutschland dafür, dass sportliche Herausforderungen für die großen Fußballvereine Mangelware blieben. Daran, dass die Qualität des deutschen Fußballs durch die Professionalisierung und die Einführung einer Reichsliga gesteigert werden könnte, zweifelte kaum jemand. Anfang der dreißiger Jahre wurde der Druck auf den DFB derart groß, dass er in der Frage der Reichsliga erstmals Zugeständnisse machte und die baldige Legalisierung des Profifußballs und die Einrichtung einer Reichsliga ankündigte.236 Letztendlich wurde die Berufsspielerfrage für den DFB zu einer Existenzfrage, da er – unabhängig vom dauernden Kampf gegen die Verbände des Milieufußballs – bei der Entstehung 232 GEHRMANN: Die Anfänge (1990), S. 228; MEIER: Die politische Regulierung (2005), S. 102; OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft (2008), S. 93f. 233 Siehe zu den ökonomischen Motiven HAVEMANN: Geld und Ideologie (2006), v.a. S. 81-83; HAVEMANN: Fußball (2005), S. 56–61; EGGERS: Fußball (2001), S. 162–177; EGGERS: Berufsspieler (2004), S. 95–105; EGGERS: Profifußball (2010), S. 232–236. 234 Als Gegenleistung sollten die Vereine den Kommunen vereinseigene Plätze zur Nutzung überlassen. Vgl. EGGERS: Profifußball (2010), S. 227. 235 Siehe Kapitel 6.1, S. 191. 236 Im Herbst 1930 drohten 21 süddeutsche Vereine mit dem Austritt, sollte der DFB nicht die Schaffung professioneller Strukturen ermöglichen. Vgl. EGGERS: Profifußball (2010), S. 235.

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selbstständiger Berufsspielerverbände erst recht um seinen Alleinvertretungsanspruch im deutschen Fußballsport bangen musste. Die Berufsspielerfrage erreichte im Herbst 1932 auch die Saar, die für einige Wochen sogar im Mittelpunkt der süddeutschen Profidebatte stehen sollte. Zunächst gilt es jedoch die Vorgeschichte zu skizzieren: Seit Ende der zwanziger Jahre hatten sich die Verstöße gegen die strengen Amateurbedingungen massiv gehäuft. Das größte Aufsehen hatte im August 1930 der Fall des FC Schalke 04 erregt, nachdem wegen unzulässiger Entlohnung die gesamte erste Mannschaft des Vereins nicht mehr am Spielbetrieb teilnehmen durfte.237 Im Oktober 1930 konnte der DFB die Entstehung eines Deutschen Professional-Fußballverbandes noch mit Mühe und Zugeständnissen verhindern. Allerdings machte der DFB in den folgenden Jahren keine Anstalten, die Berufsspielerfrage konkret anzugehen. Um den großen Vereinen entgegen zu kommen, hatte der DFB auf seinem Bundestag im September 1930 die maximalen Spesensätze für die Spieler erhöht. An der Saar wurde dieser Schritt verärgert aufgenommen. Nicht weil die saarländischen Vereine Profiabteilungen einrichten wollten, sondern weil sie befürchteten, dass nun auch ihre Spieler eine Spesenerhöhung einfordern würden. Erich Menzel stempelte den DFB daraufhin als „Gremium der Wesensfremdheit im wirklichen Leben des Vereinssports“ ab und forderte stattdessen die reinliche Scheidung zwischen Amateur- und Berufsfußball, da die saarländischen Vereine „diese Zwischenstufe zum Professionalismus“ nicht mitmachen könnten. Die vermögenden Vereine, so seine Forderung, sollten in einer Sonderklasse aus dem Verbandsbetrieb herausgenommen werden, damit der Leistungsvergleich der kleineren Vereine gleichzeitig gerechter werde.238 Als sich zwei Jahre später die Berufsspielerbewegung ein weiteres Mal formierte, beschloss der DFB-Bundestag im Oktober 1932 schließlich die Einführung des Berufsfußballs, dessen Modalitäten in weiteren Sitzungen geregelt werden sollten.239 Da dem DFB aufgrund bisheriger Erfahrungen bloßes Taktieren vorgeworfen wurde, wurde am 19. November 1932 in München der bereits seit mehreren Monaten tätige Süddeutsche Verband für Berufsfußballspiele offiziell aus der Taufe gehoben. Erster Vorsitzender wurde der erfahrene süddeutsche Fußballfunktionär Ludwig Kraus, in den zwanziger Jahren Vorsitzender der Spielvereinigung Fürth und Vorstandsmitglied beim DFB und beim Süddeutschen Fußballverband.240 Mithilfe ehemaliger Ligaspieler und Geschäftsführer anderer Vereine, die feste Anstellungsverträge erhielten, sollten in den großen Städten Süddeutschlands Profimannschaften aufgebaut werden. Trotz Völkerbundsver237 GOCH/SILBERBACH: Zwischen Blau (2005), S. 58-65; GEHRMANN: Fußball (1988), S. 99–101. 238 Erich Menzel: Art. Auf falschen Wegen, in: SWD, 6.10.1930, S. 2. 239 Stefan Renker: Art. DFB-Bundestag und Professionalismus, in: Saarbrücker Zeitung, 17.10.1932; EGGERS: Profifußball (2010), S. 236. Zum DFB in der Berufsspielerfrage ausführlich HAVEMANN: Fußball (2005), S. 84–92. 240 Siehe Süddeutscher Verband für Berufsfußballspiele: Denkschrift über die Notwendigkeit einer Bereinigung der Verhältnisse im deutschen Fussballsport durch Trennung von Amateurund Berufssport [1933], in: BA Berlin, R 43/II/726; Stefan Renker: Art. Wo steht der Berufsfußballsport?, in: Saarbrücker Zeitung, 28.11.1932.

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waltung war auch Saarbrücken neben Frankfurt, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg und Stuttgart als ein Standort des zukünftigen süddeutschen Berufsfußballs auserkoren. Im Herbst 1932 weilte Albert Bauer, ehemals Vorsitzender des FC Wacker München und nun zweiter Vorsitzender des Berufsfußballverbandes, für einige Tage in Saarbrücken. Er war in das Saargebiet gekommen, um Verhandlungen mit potenziellen Berufsspielern zu führen und einen Geschäftsführer für den Standort Saarbrücken zu finden. Er führte auch Vorverhandlungen mit der Stadt wegen der Überlassung städtischer Spielplätze.241 Der DFB und der Süddeutsche Fußballund Leichtathletikverband242 (SFLV) unternahmen rasch Schritte, um den unliebsamen Konkurrenten zu delegitimieren. Während der DFB sich an die Stadtverwaltungen wandte, sandte der SFLV am 6. November eine Mitteilung an seine Mitglieder, in welcher er vor den „Bemühungen der privaten Gruppe, die in Süddeutschland einen Professional-Fußball finanzieren und organisieren will“, warnte und ein „Verfahren auf Ausschluß aus dem Verband und Aufnahme in die schwarze Liste“ denjenigen androhte, die sich mit dem „wilden“ Unternehmen einließen.243 Davon unbeeindruckt, kam es laut der Saarbrücker Zeitung am 8. November zu einer Besprechung Bauers mit mehreren Spielern aus den vier Saarbrücker und zwei auswärtigen Vereinen.244 Die Sportöffentlichkeit im Saargebiet zeigte sich wie im Reich angesichts dieser Entwicklungen im Herbst 1932 gespalten. So nahm der Sportjournalist Stefan Renker von der Saarbrücker Zeitung gegenüber den Bestrebungen angesichts der ungelösten Berufsspielerfrage und dem Entgegenkommen des Berufsfußballverbandes, sich als Unterverband dem DFB anschließen und mit den Überschüssen den Amateur- und Jugendfußball unterstützen zu wollen, eine gewisse Neutralität ein. Gleichwohl war für ihn die Unterordnung unter den DFB eine Voraussetzung. Allerdings verweigerten sich der SFLV und der DFB jeglicher Zusammenarbeit. Auch die saarländischen Vereine konnten an einer unabhängigen Profimannschaft in Saarbrücken kein Interesse haben, weswegen es nicht verwundert, dass der Saarbrücker Rasensportverband in deren Namen bei der Stadtverwaltung gegen die Überlassung von Spielplätzen intervenierte.245 Im Dezember 1932 versandte der SFLV mehrseitige Denkschriften an die entsprechenden Stadtverwaltungen, um diese vor Verhandlungen mit dem wilden Berufsfußballverband zu warnen. Er hielt jenem vor, lediglich am Gewinnstreben interessiert zu sein, während die im DFB organisierten Fußballvereine gemeinnützig und insbesondere auch in der Jugendarbeit aktiv seien. Angekündigt wurde auch die Möglichkeit, selbst einen gemeinnützigen Berufssport einführen zu wollen, im Einvernehmen mit den Ama241 Stefan Renker: Art. Illegaler Profi-Fußball?, in: Saarbrücker Zeitung, 26.10.1932. 242 Am 13.11.1927 war die Fusion des SFV mit dem Süddeutschen Verband für Leichtathletik zum Süddeutschen Fußball- und Leichtathletik-Verband erfolgt. 243 Art. Kundgebung des süddeutschen Gesamt-Verbands-Vorstandes, in: SWD, 9.11.1932; Art. Süddeutscher Verband gegen wildes Profitum, in: Saarbrücker Zeitung, 9.11.1932; Art. DFBBundestag und Professionalismus, in: ebda., 17.10.1932; HAVEMANN: Fußball (2005), S. 89. 244 Art. Die Saarbrücker Profis tagten!, in: Saarbrücker Zeitung, 9.11.1932. 245 Stefan Renker: Art. Wo steht der Berufsfußballsport?, in: Saarbrücker Zeitung, 28.11.1932.

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teurvereinen.246 Die Bemühungen des DFB und seiner Organisationen begannen in den folgenden Wochen Früchte zu tragen. Die meisten Städte stellten die Freigabe der Spielplätze zurück, um zunächst den DFB und den Deutschen Städtetag zu konsultieren.247 Einen Teilerfolg erreichte der Berufsfußballverband ausgerechnet in Saarbrücken. Im Januar 1933 sagte ihm Oberbürgermeister Neikes die Nutzung der städtischen Plätze im Ludwigspark und auf dem Kieselhumes für 25 Sonntage im Jahr zu.248 Kritisiert wurde diese Entscheidung nicht nur von den Fußballverbänden, sondern auch von Walther Bensemann im Kicker. Er bedauerte, dass die Stadt sich als „Versuchskarnickel“ hergeben wollte, ging aber davon aus, dass der Berufsfußballverband dennoch keine Zukunft habe.249 Allerdings fand die Entscheidung der Stadt auch Unterstützung. Der lange Jahre im Süddeutschen Fußballverband tätige Sportfunktionär Theo Schlemmer befürwortete die Haltung der Stadtverwaltung gegenüber dem Profifußballverband. Übernommen wurde Schlemmers Haltung von der Saarbrücker Stadtratsfraktion der NSDAP, deren Fachkommission für Leibesübungen Schlemmer mittlerweile leitete. Nicht zuletzt seine ausgewiesene Expertise dürfte für die sportpolitische Argumentation der nationalsozialistischen Stadtratsfraktion ausschlaggebend gewesen sein: „Das Berufsspielertum an sich abzulehnen, würde heissen, sich gegen eine naturnotwendige Entwicklung zu stemmen und den augenblicklichen Zustand zu verewigen. An sich wurde deshalb die Gründung des Südddeutschen Verbandes für Berufsfußballspiele begrüsst, weil sie wenigstens einmal den Anstoss gab, in eine ernstliche Erörterung dieser heiklen Frage einzutreten. Allerdings muss gesagt werden, dass man eine friedliche Lösung innerhalb der bereits bestehenden Organisationen lieber gesehen hätte.“250

Allerdings wies Schlemmer dem Berufsfußball auch eine außer-sportliche Funktion zu: Die Zustimmung zum süddeutschen Berufsfußballverband sei im Hinblick auf die baldige Volksabstimmung im Saargebiets eine nationale Pflicht: „Die deutsche Grenzgrosstadt im äussersten Westen des Reiches kann sich schon aus propagandistischen Rücksichten bei der Gründung eines derartigen Unternehmens nicht ausschliessen lassen. Wir müssen für den schweren Abstimmungskampf, der uns im kommenden Jahre im Saargebiet bevorsteht, alle deutschen Kräfte mobil machen, um den endgültigen Sieg sicher zu stellen. Wir werden deshalb alle Verbindungen, die uns an das Mutterland fesseln, fördern und unterstützen, soweit sie den nationalen Belangen unseres Volkes gerecht werden.“251

246 Denkschrift des SFLV, 20.12.1932, in: StA München, Sign. Amt für Leibesübung 256. 247 Siehe Süddeutscher Verband für Berufsfußballspiele: Denkschrift, in: BA Berlin, R 43/II/726 248 Schreiben Stadtamt für Leibesübungen Saarbrücken an Herrn H. Krauthäuser, 24.1.1933, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M., Sign. Stadtverordnetenversammlung 1.496; Stefan Renker: Art. Das erste Berufsfußballspiel in Saarbrücken?, in: Saarbrücker Zeitung, 1.2.1933. 249 Bensemann, Walther: Rubrik „Glossen“, in: Kicker, 31.1.1933, S. 166. 250 Schrift „Die Haltung der N.S.D.A.P. zur Berufsspielerfrage in Saarbrücken“. Zweiseitige Abschrift [1933], in: StA München, Amt für Leibesübung 256. 251 Schrift „Die Haltung der N.S.D.A.P. zur Berufsspielerfrage in Saarbrücken“, in: StA München, Amt für Leibesübung 256..

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Mit der Forderung, die Berufsspielerfrage endlich ernstlich zu erörtern, stand Schlemmer in den frühen dreißiger Jahren keineswegs alleine da. Allerdings traten die meisten Befürworter für einen reinlich vom Amateurfußball getrennten Berufsfußball innerhalb des DFB ein und lehnten die Gründung eines unabhängigen Berufsfußballverbandes ab. Nicht nur der Kicker und die Saarbrücker Zeitung prophezeiten deshalb dessen baldiges Ende. Da die Platzfrage lediglich in Saarbrücken gelöst werden konnte, sollte es tatsächlich zu keinem einzigen Berufsfußballspiel kommen. Bevor laut Menzel im Frühjahr 1933 der süddeutsche Berufsfußballverband seine Zelte in Saarbrücken abbrach, kam es jedoch noch einmal zu einer letzten Posse um den „wilden“ Berufsspielverband im „Unruheherd“ Saarbrücken: Zur selben Zeit, als die Regierungskommission auf die Auswüchse des Fußballsports an der Saar aufmerksam machte, kam es zu einer Affäre um den TV 1848 Saarbrücken. Dessen Fußballabteilung wurde im März 1933 aus dem SFLV ausgeschlossen, da der Verein dem Berufsspielerverband ein Spielfeld zur Verfügung gestellt hatte. Der Ausschluss führte nicht zuletzt zu einer Verstimmung der Vertreter der Deutschen Turnerschaft, die den Turnverein in dieser Affäre gegen den SFLV verteidigten.252 Mit der Neuorganisation des Sports im „Dritten Reich“ sollten die Pläne zur Einführung des Profifußballs und einer Reichsliga ganz im Sinne des DFB in der Schublade verschwinden. Im Oktober 1933 unternahmen Ludwig Kraus und Albert Bauer einen letzten Versuch, ihren süddeutschen Berufsfußballverband zu retten und kontaktierten die nun eingesetzte Reichssportführung. In einer mehrseitigen Denkschrift skizzierten sie die wirtschaftlichen Vorteile des Berufsfußballs, der unbedingt sauber vom Amateurfußball getrennt werden müsste. Sie scheuten sich auch nicht vor antisemitischer Polemik, um ihr Anliegen der nun nationalsozialistischen Reichsregierung vorzubringen. Schuld am Scheinamateurismus hätte nicht zuletzt das Judentum, dem es gelungen sei, „in den Vereinen festen Fuss zu fassen und das Geschäftsgebaren der Vereine in seinem bekannten Raffsystem (…) auszubeuten.“253 Da für den deutschen Fußballsport jedoch zu diesem Zeitpunkt längst andere Pläne zur Ausführung gekommen waren, war auch dieser letzte Versuch, den Berufsfußball im Reich zu etablieren, zum Scheitern verurteilt.254 Dass der Berufsfußballverband an der Saar Anfang 1933 in der Platzfrage einen Erfolg hatte verbuchen können, lag eher an fiskalischen Motiven der klammen Stadtverwaltung, als an einer grundsätzlichen Zustimmung der gespaltenen 252 Erich Menzel: Art. Aus dem Unruheherd Saarbrücken, in: Kicker, 14.3.1933, S. 416; Art. Das erste Opfer des Berufsfußballs, in: Saarbrücker Zeitung, 8.3.1933. Zur Sicht der Turnerschaft Minke, Ludwig: Art. Ein Opfer unserer unhaltbaren „Mischehe“, in: Saar-Turn-Zeitung, 15.3.1933, S. 79. 253 Süddeutscher Verband für Berufsfußballspiele: Denkschrift über die Notwendigkeit einer Bereinigung der Verhältnisse im deutschen Fussballsport durch Trennung von Amateur- und Berufssport, S. 6 [1933], in: BA Berlin, R 43/II/726. 254 Die endgültige Absage vom Reichssportführer erhielt der Verband am 23.10.1933. Siehe Schreiben Breitmeyer, Stellvertreter des Reichssportführers, an den Süddeutschen Verband für Berufsfußballspiele, 23.10.1933, in: BA Berlin, R 43/II/726. Zum „Sieg des DFB in der Berufsspielerfrage“ vgl. ausführlich HAVEMANN: Fußball (2005), S. 98–101.

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Sportöffentlichkeit. Offensichtlich hatten sich zwar einige Spieler bereitgefunden, das Abenteuer Profifußball einzugehen. Die Fußballvereine selbst mussten jedoch gegen den Berufsfußballverband sein, wäre doch außerhalb der bestehenden Vereins- und Verbandsstrukturen ein neuer „Profiverein“ entstanden, der den etablierten Vereinen die besten Spieler abgeworben hätte. Darüber hinaus wäre es an die Substanz der Fußballvereine gegangen: die Zuschauer. Fußball war in den zwanziger Jahren mehr denn je zu einem Zuschauersport geworden. Ein spürbarer Rückgang der Zuschauerzahlen hätte demnach für viele Vereine vielleicht nicht das Aus, aber doch einen merklichen Rückgang der Vereinsaktivitäten bedeutet.255 Die Vereine an der Saar waren nicht aus grundsätzlichen und ideologischen Erwägungen gegen den Profifußball. Das von Verbandsseite hoch gelobte Amateurideal war auch in der kurzen goldenen Ära des Saarfußballs Anfang der zwanziger Jahre durch die Verpflichtung von Berufstrainern und -spielern kaum beachtet worden, wenngleich die Vereine offenbar bei der Verpflichtung von Berufstrainern möglichst vorsichtig vorgingen.256 Allerdings gab es Anfang der dreißiger Jahre an der Saar keinen Fußballverein, der sich bei einer Legalisierung des Profifußballs eine Berufsspielerabteilung hätte leisten können. Während Borussia Neunkirchen sich in einer existenziellen Finanzkrise befand,257 war der Saarbrücker Spitzenfußball zu sehr zersplittert, als dass sich einer der Vereine in das Profiabenteuer hätte stürzen können.258 Abgesehen von der konkreten Ablehnung der süddeutschen Berufsfußballbewegung sind die Haltungen der einzelnen Vereinsfunktionäre an der Saar bezüglich des Profifußballs nicht überliefert. Spätere Äußerungen legen jedoch nahe, dass die Argumentationslinien wie bei den Verbandsfunktionären mit Vorsicht zu genießen sind, konnte die ideologisch begründete Ablehnung auch Teil einer Abwehrstrategie bedeuten, um sich wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Einerseits bedeutete jedwede Ablehnung des Profifußballs eine Absage an den „Selbstzweck“ des Fußballs, an seine autonome Entwicklung. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass diese zugleich auch von wirtschaftlichen und politischen Konjunkturen abhängig war. Dies gilt auch für das Saargebiet, wo sich die Hal255 Die Gefahr des Zuschauerschwunds für die Bundesvereine wurde bereits im Jahresbericht des DFB 1918/19 ausdrücklich erwähnt. Siehe DFB: Jahresbericht 1918/19, S. 12. 256 1923 suchte ein anonymer „Saarverein“ über ein überregionales Inserat einen Berufstrainer: „Reflektiert wird nur auf allererste Kraft (Oesterreicher, Ungar, Süddeutscher oder Engländer)“. Siehe Inserat „Berufstrainer“, in: Kicker, 6.2.1923. 257 Der Verein geriet Anfang der dreißiger Jahre wegen der Übernahme der Tribüne im Ellenfeld in eine finanzielle Schieflage und musste seinen umfangreichen Sport- und Vereinsbetrieb infolgedessen massiv einschränken. Siehe div. Artikel in: SWD, 20.4.1932, 22.6.1932, 5.9.1934. 258 Allerdings kam es bei den großen Saarbrücker Fußballvereinen im Jahr 1932 zu Fusionsverhandlungen. Blieben die im Herbst 1932 geführten Gespräche zwischen dem FV Saarbrücken und dem SC Saar 05 noch folgenlos, fusionierten im Herbst 1933 der SC Saar 05 und die Sportvereinigung 05 zum SV Saar 05. Siehe Art. Fusionsverhandlungen FVS - Saar 05, in: Saarbrücker Zeitung, 30.11.1932; Art. Sportverein Saar 05 Saarbrücken e. V. gegründet!, in: Saarbrücker Zeitung, 8.10.1933.

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tung der Fußballvereine pragmatisch am wirtschaftlich Möglichen orientierte. Hatte der Fußballsport zunächst Anfang der zwanziger Jahre dank der wirtschaftlichen Sonderbedingungen eine sportliche Blütezeit erlebt, gerieten die politischen Sonderbedingungen an der Saar zunehmend zu einem Nachteil im Emanzipationsprozess des Fußballs. Bereits erzielte Fortschritte in der strukturellen Professionalisierung der Vereine mussten angesichts der Wirtschaftskrise in den späten zwanziger Jahren sogar teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Resümierend kann für den Saarfußball festgehalten werden: Vereinsfanatismus, pöbelndes Publikum, sinkende Moral, die ungelöste Berufsspielerfrage, ein als ungerecht empfundenes Spielsystem, politische und wirtschaftliche Benachteiligung, die Konkurrenz durch den Milieu- und Betriebssport259 und ein zwischenzeitlicher Rückgang der Zuschauerzahlen. Doch die in der Öffentlichkeit ausgemachte Krise des Saarfußballs in den späten zwanziger Jahren verhinderte nicht, dass der Fußballsport im Saargebiet weiterhin eine große Popularität genoss. Auch die führenden Positionen der großen Fußballvereine in Neunkirchen und Saarbrücken blieben erhalten, wobei der FV Saarbrücken trotz aller Hindernisse die Führung des Fußballsports an der Saar übernahm. Überdeckt wurde die Entwicklung des Fußballsports von den politischen Sonderbedingungen an der Saar. Als populärer werdender Zuschauersport war er seit Mitte der zwanziger Jahre zunehmend in den Fokus der reichsdeutschen „Saarkampagne“ gerückt. Wie der Fußball von Dritten vermehrt als Inszenierungsraum genutzt wurde und wie die Fußballvereine damit umgingen, wird im Kapitel 6.4 thematisiert. 6.3 Ein Verein der Profis und der Legionäre Der Football-Club de Metz Am 8. Mai 1938 statteten rund 3 000 Lothringer aus Metz und Umgebung ihrer Hauptstadt Paris einen Besuch ab. Anlass war das Finale um den französischen Fußballverbandspokal, die Coupe de la France. Vor rund 33 000 Zuschauern und in Anwesenheit des aus Lothringen stammenden französischen Präsidenten Albert Lebrun spielte der FC Metz gegen Olympique de Marseille. Die von dem Engländer Ted Maghner trainierte Profimannschaft aus Lothringen verlor das Spiel unglücklich, nachdem in der 117. Spielminute ein umstrittenes Tor zum 2:1 Marseille den Sieg gebracht hatte.260 Beim abendlichen Festbankett hielt Raymond Herlory, langjähriger Präsident des FC Metz, eine Rede, in welcher er die Bedeutung des Vereins für den lothringischen Fußball unterstrich:

259 Die Aufarbeitung des konfessionellen, des Arbeiter- und des Betriebsfußballs an der Saar in der Zwischenkriegszeit bildet weiterhin eine Forschungslücke. Auf eine notwendige ausführliche Behandlung der Thematik musste im Rahmen dieser Studie verzichtet werden. 260 Vgl. LAURENT: Histoire (1984), S. 70f.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle „La Coupe n’est rien pour nous, mais le prestige qui s’attache à ce trophée, aurait permis de faire progresser le football en Lorraine, une œuvre à laquelle le FC Metz, porte-fanion du 261 football de l’Est, s’est toujours dévoué et continuera à se dévouer.“

Sechs Jahre waren seit der Gründung des FC Metz durch die Verantwortlichen des CA Messin und der Einführung des Profifußballs in Frankreich vergangen. Erst zwei Jahre zuvor hatte der FC Metz das zweijährige Experiment als Sektion des Omnisportvereins Cercle des Sports de Metz für beendet erklärt und war wiederum zu einem reinen Fußballverein geworden. Mittlerweile hatte sich der Verein als eine feste Größe in der ersten französischen Division etabliert und galt Ende der dreißiger Jahre als Aushängeschild des lothringischen Fußballs. Anders als in Deutschland hatte sich in Frankreich in den dreißiger Jahren trotz vergleichbarer Konfliktlinien der Profifußball etabliert. Welchen Weg der französische Fußball einschlug und wie sich dieser auf die Moselle und speziell auf Metz auswirkte, wird in diesem Teilkapitel behandelt. Als der französische Fußballverband im Januar 1931 unter dem Vorsitz seines Präsidenten Jules Rimet die baldige Einführung des Berufsspielertums beschloss, wurde dies von der Südwest-Deutschen Sportzeitung begrüßt. Anders als der DFB habe der französische Verband „rechtzeitig eine klare Entscheidung getroffen, um auch dem in Frankreich weit verbreiteten Spesen-Amateur das Handwerk zu legen.“262 Anderthalb Jahre später fiel der Startschuss für die landesweite Profiliga, und von Anfang an mischte mit der Mannschaft des FC Metz auch ein Profiteam aus Lothringen mit. Der Weg zum Profispielerstatut war in Frankreich ähnlich wie in Deutschland keineswegs eine Einbahnstraße gewesen. Auch in Frankreich stellte der Amateurismus ursprünglich das Grundprinzip des Fußballs dar. In der bürgerlichen Union des Sociétés françaises des sports athlétiques (USFSA) war seit 1887 ein strenger Amateurismus verfolgt worden, dessen Ziel es gewesen war, über den Sport eine „nouvelle chevalerie de l’élite“ zu fördern. Für deren langjährigen Generalsekretär Pierre de Coubertin – den Gründervater der modernen Olympischen Spiele und langjährigen Vorsitzenden des Internationalen Olympischen Komitees – stellte der Professionalismus „den Feind“ schlechthin dar.263 Wie in den Nachbarländern konnte aber auch in Frankreich bereits vor dem Ersten Weltkrieg angesichts üppiger Kostenerstattungen und Vergütungen für die Spitzenspieler nur noch von einem Scheinamateurismus gesprochen werden. Diese Tendenz hatte sich verstärkt, als auch in Frankreich Fußball nach dem Krieg zum „sport préféré“ geworden war.264 Steigende Zuschauerzahlen und wachsende Spieleinnahmen hatten auch hier für eine stetige Erhöhung des Wettbewerbsdrucks unter den Vereinen gesorgt. Spieler wurden landesweit an- und abgeworben, und Skandale um 261 Vgl. LAURENT: Histoire (1984), S. 71. 262 Art. Berufs-Fußball in Frankreich, in: SWD, 22.1.1931. 263 LANFRANCHI/WAHL: La professionnalisation (1998), S. 314; PERNY: Le football (2009), S. 168. Zum elitären Amateurismus im Sinne Coubertins vgl. BANCEL/GAYMAN: Du guerrier (2002), S. 200–202. 264 LÊ-GERMAIN/TÉTART: Naissance (2007), S. 249.

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den Scheinamateurismus, den „amateurisme marron“, waren in den zwanziger Jahren alltäglich.265 1929 schuf der Automobilfabrikant Jean-Pierre Peugeot mit der Profimannschaft des FC Sochaux und dem Professionalwettbewerb Coupe Sochaux Tatsachen, denen sich die FFFA letztendlich anschloss, als der Verbandsvorstand im Januar 1931 das „statut du joueur rétribué“ bestätigte.266 Wie auch in Deutschland und an der Saar waren die Frontlinien zwischen den Befürwortern und Gegnern des Berufsfußballs nicht einheitlich und in ständiger Bewegung. Anfang der zwanziger Jahre entbrannte wie in Österreich, Ungarn und Deutschland auch in Frankreich die Debatte um das Berufsspielertum. Die Moselle bildete dabei keine Ausnahme. Emil Müller, langjähriges Vorstandsmitglied der Sportive Thionvilloise, plädierte im Jahr 1922 im Namen der kleineren Vereine dafür, gegen das verkappte Berufsspielertum in den großen Vereinen anzugehen. Dies habe nicht zuletzt dazu geführt, dass sich die kleinen Vereine keine Wettspiele mehr mit den großen Pariser Vereinen leisten könnten. Eine allumfassende Absage an den Profifußball an sich stellte Müllers Haltung nicht dar. Eine strikte Trennung von Berufs- und Amateurfußball hielt er allerdings für absolut notwendig.267 Dieser Sichtweise schloss sich die Redaktion des „Lothringer Sport“ an, die den wettbewerbsverzerrenden verkappten Professionalismus anprangerte und „die reinliche Scheidung des Berufsspielers vom wirklichen Sportler, für den der Sport ein Ideal bleibt“, forderte.268 Ein Jahr später plädierte dieselbe Sportzeitung für eine Legalisierung des Professionalismus. Angesichts der offenen Spielerabwerbungen nütze es nichts, sich zu „entrüsten und einmal mehr die rächende Fahne des beleidigten Amateurismus [zu] schwingen.“ Das „goldene Alter des Fussballs mit seiner Einfachheit, seiner Reinheit und seiner Aufopferung“ sei vorüber. Die Spieler seien am Verein desinteressiert und die Vereine verwandelten sich in kommerzielle Unternehmen. Stattdessen solle man der Entwicklung ihren Lauf lassen, den Berufssport aber säuberlich vom Amateursport trennen.269 Der Lothringer Sport berief sich dabei auf Gabriel Hanot, den bekannten Sportjournalisten des „Miroir des Sports“ und des „L’Auto“. In dessen Analyse wird deutlich, dass der in der Sportöffentlichkeit der zwanziger Jahre geführte Diskurs über den Berufsfußball europäisch und transnational verankert war: „Die gegenwärtige verwirrte Situation, die allen Sportarten gemein ist, [ist] eine notwendige Phase der Evolution der Freiluftspiele. England selbst, das Mutterland des Sports, ist durch diese Schule gegangen. Alle Nationen der Welt haben diesen Zustand durchgemacht oder werden ihn noch durchmachen, der umso unvermeidlicher ist, als die leichtathletischen Spiele von den arbeitenden Klassen ausgeübt werden, die reicher an Ehrgeiz sind als an Geld. (...) 265 Siehe zur „Geißel des verkappten Professionalismus“ einen Artikel des bekannten Sportjournalisten Maurice Pefferkorn aus dem Jahr 1923: „Ce que sera la saison française de football“, in: Le Miroir des Sports, 20.9.1923, S. 194. Zum Kampf der FFFA gegen den Scheinamateurismus vgl. auch WAHL/LANFRANCHI: Les footballeurs (1995), S. 46–50. 266 Zusammenfassend LANFRANCHI/WAHL: La professionnalisation (1998), S. 314–316. Zur Rolle Peugeots siehe ausführlich PERNY: Le football (2009), S. 247–252. 267 Emile Muller: Art. Amateur oder Professionell?, in: Lothringer Sport, 2.11.1922. 268 Kommentar zum Art. Amateur oder Professionell?, in: Lothringer Sport, 2.11.1922. 269 Art. Am Scheidewege. Professionalismus oder Amateure, in: Lothringer Sport, 26.9.1923.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle Der Professionalismus ist ein letzter Ausweg für die schweren drohenden moralischen und sozialen Folgen; aber er ist ein unabwendbares und notwendiges 270 Übel, das als indirekte Wirkung dazu beiträgt, den reinen Amateurismus freizumachen.“

Wie Pierre Perny aufzeigen konnte, war der elsässische Fußballverband, die Ligue d’Alsace de Football Association (LAFA), ein wichtiger Akteur bei der Einführung des Profifußballs in Frankreich.271 Wie auch in der Moselle gab es im Elsass divergierende Meinungen im Profifußballdiskurs. Einer der tonangebenden Befürworter war Anfang der zwanziger Jahre Ernest Houtmann272, Vorsitzender des FC Haguenau und führender Funktionär der LAFA. In der elsässischen Sportzeitung „Le Sport Alsacien“ argumentierte er im Sinne Hanots und führte vor allem praktische Gesichtspunkte an, warum die saubere Trennung von Berufs- und Amateurfußball alternativlos sei.273 Im Januar 1929 votierte die FFFA auf Vorschlag des elsässischen Fußballverbandes für die Gründung einer entsprechenden Kommission. Zur zentralen Figur bei der Einführung des Professionalismus wurde der langjährige LAFA-Präsident Georges Lévy, der im November 1930 zum Sprecher der „Commission d’étude du Joueur Retribué“ ernannt wurde. Der aus dem elsässischen Schlettstadt stammende jüdische Bankdirektor hatte 1919 die LAFA mitgegründet und war zugleich langjähriger Vorsitzender des SC Séléstat.274 Im Januar 1931 nahm die „Commission d’Étude du Professionalisme“ – wiederum unter Lévy – ihre Arbeit auf. Welche Bedeutung der ostfranzösische Fußball in diesen Jahren hatte, wird dadurch unterstrichen, dass auch der Vorsitzende des lothringischen Fußballverbandes, Maurice de Vienne, Mitglied dieser Kommission wurde. De Vienne sah als Fußballpionier der ersten Stunde dem Professionalismus mit gemischten Gefühlen entgegen. Um der Einigkeit des französischen Fußballs willen akzeptierte er jedoch die Entwicklung: „Le temps marche et il est nécessaire 275 d’envisager autre chose, du moment que nous voulons préserver l’unité du football français.“

In den folgenden Monaten wurde der Profifußball Schritt für Schritt eingeführt. Im Juni 1931 verabschiedete der französische Fußballverband das „Statut du Joueur Professionnel“. Bis Januar 1932 wurden die konkreten Beschlüsse hinsichtlich der Regulierung des Profifußballs beschlossen. So sollte die Profiliga 1932/33 starten, für welche eine begrenzte und kontrollierte Anzahl von Mannschaften zugelassen werden sollte. Der Amateurstatus der Fußballvereine wurde 270 Gabriel Hanot (1889–1968), zit. in: Art. Am Scheidewege. Professionalismus oder Amateure, in: Lothringer Sport, 26.9.1923. 271 Vgl. ausführlich PERNY: Le football (2009), S. 167–181. 272 Ernest Houtmann (1876–1948) war Gründungsmitglied des FC Hagenau 1900. Als Sportjournalist schrieb er grundlegende Artikel für den Sport Alsacien und den Lothringer Sport. 273 PERNY: Le football (2009), S. 174f. 274 Im Zweiten Weltkrieg wurde Georges Lévy Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung und 1944 in Auschwitz ermordet. Zu seinem Andenken wurde im Oktober 2009 in Séléstat ein Platz nach ihm benannt. Siehe: Vivien Montag: Art. Georges Lévy, pionnier du football alsacien, in: Dernières Nouvelles d’Alsace, 5.10.2009. Vgl. zu Georges Lévy (1881– 1944) auch BRAESCH: Grandes et petites histoires (1989), S. 18f. 275 Maurice de Vienne, zit. in: LAURENT: Histoire (1985), S. 20.

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dagegen beibehalten.276 Im ersten Halbjahr 1932 wurden auch im Elsass und in Lothringen die ersten „clubs professionnels“ geschaffen. Im Elass war dies zunächst der FC Mulhouse, in Lothringen der FC Metz.277 Der Schritt zum Berufsfußball in Metz ging vom CA Messin aus. Im April 1932 beschlossen 440 versammelte Mitglieder in der Brasserie Windsor die Einführung des Professionalismus. Mit der Gründung des Football-Club de Metz als autonome Sektion des CAM wurde der Klub einer von zwanzig französischen Fußballvereinen, die den Profifußball offiziell einführten. Erster Präsident des FC Metz wurde Jules Cocheteux.278 Nur fünf Monate nach der Gründungsversammlung sollten in Frankreich die ersten Meisterschaftsspiele der neuen Division Nationale beginnen, die zunächst in zwei Gruppen mit jeweils zehn Mannschaften ausgespielt wurden. Am 11. September 1932 wurde auf der Île Saint-Symphorien das erste Meisterschaftsspiel angepfiffen. Am selben Tag fand in Metz eine Landwirtschaftsausstellung statt und die Nation feierte den Sieg in der Schlacht an der Marne im Jahr 1914. Vor etwa 4 000 Zuschauern verlor der FC Metz mit 1:2 Toren gegen den Stade Rennais. In den achtzehn Spielen der ersten Spielzeit gelangen dem Verein lediglich fünf Siege und im Mai 1933 stand der Klub als Vorletzter des Groupement als Absteiger in die neu gegründete Division 2 fest.279 1934/35 feierten die Lothringer jedoch als Tabellenführer der Wiederaufstieg.280 In den folgenden Jahren gelang es den Verantwortlichen des Vereins, diesen bei steigenden Zuschauerzahlen in der ersten Klasse Frankreichs zu etablieren und nicht zuletzt auch im französischen Pokal beachtliche Erfolge zu erzielen. Trainer des FC Metz war 1932 zunächst der Österreicher Willy Stejskal, der zuvor die AS Messine trainiert hatte. Von diesem Verein, dem bisherigen Stadtrivalen des CAM, wechselten auch einige Spieler wie Paul Thomas und Albert Rohrbacher zum neu gegründeten Profiverein und wurden in den folgenden Jahren wichtige Stützen der Mannschaft. Neben den zahlreichen ausländischen „Legionären“ sollten gerade die Lothringer Spieler für eine Identifikation des Metzer Publikums mit ihrem – die Stadt nun landesweit vertretenen – Verein wichtig werden. Zwei Lebensläufe von lothringischen Spielern, von Charles „Lolo“ Fosset und Marcel Müller, werden im Folgenden knapp skizziert. Charles Fosset wurde 1910 in Montigny-lès-Metz geboren und war ein „Eigengewächs“, das sein ganzes Leben in diesem Metzer Stadtteil verbrachte. Er 276 PERNY: Le football (2009), S. 179f. Das „statut du joueur professionnel“ und das „statut du club utilisant des joueurs professionnels“ sind abgedruckt in: Football, 2.7.1931, 4.2.1932; LANFRANCHI/WAHL: La professionnalisation (1998), S. 316. 277 In den dreißiger Jahren wurden in der Lorraine zwei weitere Profiteams geschaffen. 1935 wurde die Fußballabteilung des Stade Universitaire Lorrain (SUL) als FC Nancy ausgesondert, die 1935/36 in der zweiten Division startete. Im Frühjahr 1936 wurde im Großverein US du Bassin de Longwy mithilfe der Stadt und der Industrie eine Profiabteilung eingerichtet. Vgl. LAURENT: Histoire (1984), S. 98–113, 132–136; MUNIER: A.S. Nancy (2010), S. 9–14. 278 POINSIGNON: Historique (1936), S. 10; ISCH: La gloire (1995), S. 62. 279 LAURENT: Histoire (1984), S. 59–63. Nach der 1933 eingeführten zweiten Division folgte 1936 die dritte Division. Vgl. BARREAUD: Dictionnaire (1998), S. 18. 280 Marcel Rossini: Art. Fin de saison en football, in: Match, 28.5.1935, S. 4.

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spielte Anfang der dreißiger Jahre beim CA Messin und unterschrieb 1932 im Alter von 22 Jahren einen Profivertrag beim FC Metz, dem er bis zum Ende seiner aktiven Laufbahn die Treue hielt. Als kopfballstarker Mittelfeldstratege wurde er 1937 zwei Mal in die französische Nationalmannschaft berufen. Dem Verein auch während des Krieges treu bleibend, übernahm er nach dem Krieg für mehrere Jahre das Traineramt. Marcel Müller wurde 1916 in Morsbach, einem grenznahen lothringischen Dorf im Warndt, geboren. Mit nur achtzehn Jahren unterschrieb er im Jahr 1934 einen Vertrag beim FC Metz. 1938 nahm er am Endspiel um die Coupe de France teil. Wie Fosset und die meisten anderen lothringischen Fußballspieler des Vereins verbrachte er seinen Militärdienst im 162. Régiment d’infanterie de ligne (RIF) in Metz, welches dem Verein quasi als Zweigstelle diente.281 Mit dem Regiment wurde er 1937 und 1938 französischer Militärmeister. Während des Kriegs blieb er in der Moselle und spielte wie Fosset für den FV Metz. 1943 sollte er allerdings als Kriegsdienstverweigerer verhaftet und verschleppt werden. In der Nachkriegszeit wirkte Müller als Spielertrainer in Merlebach und bei der US Forbach. 1953 wechselte er das Metier und wurde schließlich langjähriger Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Mors-bach.282 Der Regulierung des Profifußballs seitens des Verbandes waren auch die Spielergehälter unterworfen, die auf maximal 2 000 Francs im Monat beschränkt blieben. Dies entsprach in etwa dem zweieinhalbfachen dessen, was ein Facharbeiter in der Provinz verdiente. Dieses Limit wurde von Vereinsseite oftmals nicht ausgeschöpft. So erhielten beim FC Metz in den ersten Jahren vor allem die französischen beziehungsweise lothringischen Profispieler lediglich ein monatliches Gehalt von 500 Francs, weshalb beispielsweise Charles Fosset weiterhin seiner Arbeit als Schlosser auf dem Luftwaffenstützpunkt Frescaty nachging. Höhere Gehälter erhielten in der Regel die erfahrenen ausländischen Profis. 283 Dass viele Fußballprofis von ihrem Gehalt nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, war bezeichnend dafür, dass der Beruf des Fußballprofis in Frankreich nicht als wirklicher Beruf anerkannt wurde. Anders als in England, wo dieser vor allem von den Arbeiterschichten betrieben wurde, zeichnete sich in Frankreich der Beruf des Profifußballers durch eine höhere soziale Diversität aus.284 Wie bereits angedeutet, rekrutierte sich die Mannschaft des FC Metz nicht nur aus lothringischen Spielern. Nicht weniger als neun ausländische Fußballprofis aus Deutschland, Ungarn und Österreich standen zum Saisonbeginn 1932/33 im rund zwanzigköpfigen Kader unter Vertrag. Diese Internationalität war für den französischen Profifußball typisch und war zugleich ein Merkmal, dass ihn im Vergleich zu anderen 281 Das 162. RIF wurde 1935 im Rahmen der Befestigung der Maginot-Linie in Metz gegründet. 282 Marcel Müller (1916–1993) blieb bis 1983 Bürgermeister in Morsbach. Vgl. ISCH: La gloire (1995), S. 109; Biografie im Warndt-Portal im Internet: www.warndt.eu/index.php?id=680 [18.11.2012]; zu seinem Kriegsschicksal siehe Kapitel 8.4, S. 308. 283 PARADEIS: Un siècle (2007), S. 64f; LAURENT: Histoire (1985), S. 61; LANFRAN-CHI/WAHL: La professionnalisation (1998), S. 317–319; WAHL/LANFRANCHI: Les footballeurs (1995), S. 63–66. 284 Ein Drittel der Profis in Frankreich waren Arbeiter, ein Drittel Angestellte und ein Drittel Studenten und Angehörige des Kleinbürgertums. Vgl. LANFRANCHI: Histoire (1999), S. 192f.

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europäischen Ländern einzigartig machte. Bevor auf die „Legionäre“ beim FC Metz eingegangen wird, folgt ein knapper Überblick über den Kosmopolitismus im französischen Profifußball. Ausländische Profis stellten in der ersten Division etwa ein Drittel aller Spieler. Insgesamt spielten in den sieben Spielzeiten von 1932 bis 1939 in der ersten und zweiten Division etwa 540 „Legionäre“.285 Deren Bedeutung wird auch daran ersichtlich, dass sechs von sieben „couronnes de meilleur buteur“ an ausländische Spieler gingen und 1937 Olympique de Marseille mit elf Fußballlegionären französischer Meister wurde. Während die große Masse der 132 englischen Profis vorwiegend nur in den ersten drei Jahren und in erster Linie in nordfranzösischen Vereinen tätig waren, hatten die Legionäre aus den mitteleuropäischen Ländern des sogenannten Donaufußballs einen nachhaltigeren Einfluss auf die Entwicklung des französischen Profifußballs. Von der Weltwirtschaftskrise hart getroffen, befanden sich der ungarische und österreichische Profifußball in den dreißiger Jahren in einer ernsten Krise, die dafür sorgte, dass zahlreiche Spitzenspieler emigrierten. In sieben Jahren „verloren“ die Wiener Fußballvereine 108 Spieler an französische Klubs. Zu ihnen gesellten sich 84 Ungarn und 44 Spieler aus der Tschechoslowakei. Spanische Spieler emigrierten in der zweiten Hälfte der drei ßiger Jahre vor allem wegen des Bürgerkriegs nach Frankreich.286

Ausländische Profis beim FC Metz Saison

Deutschland

Österreich

Spanien

Armenien

Argentinien

Andere

1932/33

2

4

0

1

0

2

1933/34

1

4

0

1

0

1

1934/35

1

4

0

1

0

1

1935/36

3

2

1

1

0

1

1936/37

1

4

1

1

0

1

1937/38

1

2

2

1

0

3

1938/39

0

0

1

1

2

4

Abbildung.4

Deutsche Fußballspieler waren vergleichsweise wenig präsent. Marc Barreaud zählte für die gesamten sieben Spielzeiten der ersten und zweiten Division siebzehn deutsche Profis.287 Dies lag nicht zuletzt daran, dass der Berufsfußball in Deutschland Anfang der dreißiger Jahre durch die Verbände weiterhin kriminali285 BARREAUD: Dictionnaire (1998), S. 56. Ab 1938/39 durften nur noch zwei ausländische Spieler pro Mannschaft und Spiel teilnehmen, weswegen die Quote daraufhin auf ein Viertel sank. Zur Migration im französischen Fußball auch LANFRANCHI: The Migration (1994). 286 Von 1932–1939 spielten 34 Spanier im französischen Profifußball. Vgl. BARREAUD: Dictionnaire (1998), S. 56. Zu österreichischen Spielern vgl. FORSTER: Die Legionäre (2011), S. 43-47. 287 BARREAUD: Dictionnaire (1998), S. 22f.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle

siert wurde. Spieler, die im Ausland einen Profivertrag unterschrieben, mussten fürchten, zuhause vom DFB keine Spielberechtigung zu erhalten. Gerade von den deutschen Nationalspielern wurde Nibelungentreue erwartet, wie sich am Beispiel der Nationalspieler Willibald Kreß und Oskar Rohr zeigen sollte. Als 1932 der populäre Nationaltorhüter Kreß von Rot-Weiß Frankfurt und zwei seiner Mannschaftskameraden einen Profivertrag beim FC Mulhouse unterschrieben, kam es in Deutschland zu einem medialen Aufschrei. Kurz bevor in Frankreich die Meisterschaftsspiele begannen, verweigerte der DFB die Spielerfreigabe und sperrte stattdessen Kreß, Engelhardt und Engel für 18 beziehungsweise 24 Monate. Nach Ablauf seiner Sperre konnte der „Sunnyboy“ Kreß seine Karriere beim Dresdner SC und in der Nationalmannschaft fortsetzen.288 Anders dagegen beim Innenstürmer Oskar „Ossi“ Rohr vom FC Bayern München, der ab 1934 als Profi für den Racing-Club Strasbourg spielte und 1937 mit 30 Treffern französischer Torschützenkönig wurde. Als „Fahnenflüchtiger“ wurde Rohr in der Folge in der deutschen Nationalmannschaft nicht mehr berücksichtigt.289 Der Zustrom der ausländischen Fußballprofis spaltete von Beginn an die französische Sportöffentlichkeit. Nationalisten wollten den französischen Fußball „rein“ halten, um die eigene sportliche Qualität nicht zu schwächen. Ausländische Profis würden durch die Besetzung der wichtigsten Spielerpositionen den französischen Fußball daran hindern, qualitative Fortschritte zu machen. Nicht zuletzt die relative Erfolglosigkeit der französischen Nationalmannschaft Mitte der dreißiger Jahre wurde darauf zurückgeführt. Die Befürworter einer Öffnung für ausländische Profis sahen jedoch gerade in der Anwerbung ausländischer Spitzenspieler eine Möglichkeit, die spielerische Qualität in den französischen Fußballmannschaften zu erhöhen.290 Einer der führenden Befürworter war der für seine liberale Positionen bekannte Sportjournalist Gabriel Hanot, der in zahlreichen Artikeln versuchte, die nationalistischen Wogen zu glätten. Er bemaß den Wert der ausländischen Profis in der französischen Liga sportlich und bescheinigte der Mehrzahl der ausländischen Profis ein vorbildliches Verhalten auf und neben dem Platz. Er betrachtete sie als „un exemple de correction pour nos nationaux“ und warnte davor, die Krise des französischen Fußballs den ausländischen Profis in die Schuhe zu schieben.291 In der Praxis kam es weder zu einem völligen Spielverbot für ausländische Spieler noch zu einer kompletten Freigabe. Für die erste Profisaison waren pro Mannschaft und Spiel zunächst vier Ausländer erlaubt. Mit dieser Maßnahme erhoffte sich der Verband eine kurzfristige Erhöhung der sportlichen Qualität. Zwei Jahre später wurde die Anzahl auf drei und 1938 auf zwei reduziert. Eine Möglichkeit, der Ausländerbegrenzung zu begegnen, lag in der Einbürgerung auslän288 MÜLLER: Vom Schülersport (1993), S. 298; PERNY: Le Football (2009), S. 253–255. 289 Zu Kreß vgl. EGGERS: Fußball (2001), S. 168. Zu Rohrs Werdegang und seiner Odyssee im Zweiten Weltkrieg siehe Art. Ossy Rohr raconte, in: Sport Est, 11.4.1949; HAVEMANN: Fußball (2005), S. 301f; BITTER: Deutschlands Fußball (2000), S. 534f. 290 Art. Das Ausländerproblem in Frankreich, in: Fußball, 5.10.1937. 291 Hanot, Gabriel: Art. Valeur morale des joueurs étrangers en France, in: Football, 1.11.1934.

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discher Profis. Von dieser von der Regierung geförderten Maßnahme – drei Jahre Aufenthalt genügten in Frankreich, um die Staatsbürgerschaft erwerben zu können – profitierten zahlreiche Spieler. In der Sportpresse wurde ironisch vermerkt, „daß man mit den schon ‘eingebürgerten’ und auf Genehmigung ihrer Einbürgerung wartenden Ausländern eine flotte ‘Nationalelf’ auf die Beine bringen könnte.“292 Tatsächlich wurde die französische Nationalmannschaft in den dreißiger Jahren durch eingebürgerte Spieler verstärkt. Ein Beispiel ist der deutsch-polnische Stürmer Ignace Kowalczyk. In Castrop an der Ruhr geboren, spielte der polnischstämmige Fußballspieler bei mehreren französischen Vereinen, in den letzten zwei Jahren vor Kriegsausbruch beim FC Metz. Von seiner „naturalisation“ profitierte nicht nur der Spieler, sondern auch der französische Fußball. Er absolvierte mehrere Länderspiele für die „Equipe de France“ und stand auch im Aufgebot für die Fußball-Weltmeisterschaft 1938.293 Generell waren eher die Spieler aus dem mitteleuropäischen Dreiländereck Österreich-Ungarn-Tschechoslowakei bereit, sich einbürgern zu lassen, während englische Profis, die in den ersten Jahren zunächst ein Drittel aller ausländischen Profis gestellt hatten, nur kurze Zeit im Land blieben und nur bedingt bereit waren, sich sozial und kulturell zu assimilieren.294 Wie bei anderen französischen Berufsspielermannschaften spielten auch beim FC Metz die ausländischen Fußballprofis eine bedeutende Rolle. Bis 1939 hatten insgesamt 28 ausländische Profis in Metz einen Profivertrag unterschrieben. Im rund zwanzigköpfigen Kader standen zu Beginn jeder Saison im Schnitt acht ausländische Spieler295, die statistisch jeweils zwei Spielzeiten beim Verein weilten. Sie stellten damit rund 40 Prozent des Personals, was für die französischen Verhältnisse etwas über dem Durchschnitt lag.296 Die mit Abstand am stärksten vertretene Nation war Österreich, die insgesamt zwölf Spieler stellte. Die zweitstärkste Ländervertretung stellte Deutschland mit vier Legionären dar, von welchen Emil Buhrer und Walter Hanke vier beziehungsweise drei Jahre beim Verein spielten. In der ersten Saison 1932/33 standen ursprünglich drei deutsche Spieler unter Vertrag. Allerdings kam einer von ihnen nie zum Einsatz: Es handelt sich dabei um eine Anekdote, die bis heute immer wieder erzählt wird und das kurze mysteriöse Profiabenteuer des saarländischen Spitzenspielers Bubi Sold betrifft.297 Der 21-jähige spielte zuvor für den FV Saarbrücken und wurde als eines der größten Talente gefeiert. Offiziell wurde er 1932 als Profi für den FC Metz verpflichtet und tauchte als Name auch auf dem Spielbogen des ersten Meisterschaftsspiels am 11. September 1932 auf. Allerdings verschwand der Spieler unter ungeklärten Umständen in der Nacht vor dem Spiel wieder über die Grenze nach Deutschland. 292 Zit. in: Art. Das Ausländerproblem in Frankreich, in: Fußball, 5.10.1937. 293 Kowalczyk (1913–1991) spielte von 1937–1939 und von 1945–1950 beim FC Metz. Dort beendete er auch seine Profikarriere. Vgl. u.a. PERNY: Le football (2009), S. 284. 294 LANFRANCHI/TAYLOR: Moving (2001), S. 53; PERNY: Le football (2009), S. 253, 279, 283f. 295 Erfasst werden auch diejenigen Spieler, die im Laufe der Jahre eingebürgert wurden. 296 Für die erste Division ergibt sich für die Jahre 1932–1939 ein Schnitt von 6,8 Ausländern. Vgl. statistische Daten bei BARREAUD: Dictionnaire (1998), S. 18. 297 Zu Bubi Sold (1911–1995) siehe Kurzbiografie im Anhang sowie Art. Bubi Sold ist gestorben, in: Saarbrücker Zeitung, 2.10.1995. Als Anekdote in CHARLES: FC Metz (2001), S. 6.

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In den Jahren darauf wurde er zur großen saarländischen „Spielerlegende“ und zum zwölfmaligen Nationalspieler. Mit kurzen Unterbrechungen spielte er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs für den FV Saarbrücken, zu dessen Ehrenspielführer er später ernannt wurde. Die zwei deutschsprachigen Gruppen bildeten zusammen bis 1937 die Mehrheit der Ausländerfraktion (siehe Abbildung 4). Desweiteren spielten drei Spanier beim FC Metz, zwei Ungarn, ein Tschechoslowake, ein Jugoslawe zwei Argentinier, ein im Ruhrgebiet geborener Pole sowie ein Niederländer – der einzige der gesamten Liga überhaupt. Gerade die Verpflichtung des niederländischen Nationalspielers Bep Bakhuys hatte 1937 landesweit für Furore gesorgt. Um ihn zu verpflichten, war der Metzer Vereinsfunktionär Paul Thomas am 3. September 1937 persönlich nach Venlo gereist und hatte dafür gesorgt, dass Bakhuys bereits am nächsten Tag mit seiner Ehefrau nach Metz kam und dort sogleich einen Profivertrag unterschrieb. Obwohl er wegen Unregelmäßigkeiten – Bakhuys hatte bereits Verhandlungen mit Stade de Reims geführt – erst ab Januar 1938 spielberechtigt war – hatte sich für Metz dessen Verpflichtung gelohnt. Wie kein anderer vor ihm zog der Niederländer die Massen an. Im Frühjahr 1938 stiegen die Zuschauerzahlen in Metz enorm und am 15. April 1938 wohnten dem Spiel gegen den FC Sochaux offiziell 14 829 Zuschauer bei.298 Eingebürgerte Spieler gab es auch beim FC Metz. Neben dem bereits erwähnten Deutsch-Polen Ignace Kowalczyk war dies beispielsweise bei Ljubomir „Aimé“ Nuic der Fall. Der 1912 im herzegowinischen Mostar geborene Fußballspieler war im Alter von sechzehn Jahren nach Metz gekommen, um eine Ausbildung zum industriellen Zeichner zu absolvieren. Bereits 1930 spielte er beim CA Messin und erhielt zwei Jahre später einen Profivertrag beim FC Metz. Nach seiner Einbürgerung spielte Nuic in den Jahren 1935 und 1936 zwei Mal für die französische Nationalmannschaft. Nachdem er 1936 Metz verlassen hatte, kehrte er Ende der sechziger Jahre in die Moselle zurück, um als Trainer bei der US Forbach zu arbeiten.299 Auch bei den Trainern wurde im französischen Profifußball der dreißiger Jahre auf ausländisches Know-how zurückgegriffen. Für Pierre Lanfranchi war dies neben den zahlreichen ausländischen Spielern ein Hauptgrund, warum sich in den dreißiger Jahren in Frankreich kein nationaler Stil im Fußball herausgebildet habe. 1937 standen bei 38 französischen Profimannschaften 35 ausländische Trainer an der Seitenlinie.300 Auch beim FC Metz waren in den dreißiger Jahren wiederholt ausländische Trainer verpflichtet worden. Dies war generell nicht neu, war doch beispielsweise bereits Anfang der zwanziger Jahre der Ungar Gyula Kertész als Trainer engagiert worden. In der ersten Profisaison des FC Metz stand der österreichische Fußballtrainer Willy Stejskal an der Seitenlinie, der zuvor bereits die 298 Zu Bep Bakhuys (1909–1982) siehe Kurzbiografie im Anhang sowie LAURENT: Histoire (1985), S. 69. 299 Zu Aimé Nuic (1912–1995) vgl. u. a. FAURE/SUAUD: Le football professionnel (1999), S. 59; Art. Jeunes ailiers internationaux: Aston et Nuic, in: Match, 12.3.1935, S. 3. 300 LANFRANCHI: Elemente (1994), S. 126f.

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AS Messine trainiert hatte. Der langjährige Fußballspieler von Rapid Wien hatte nach Kriegsende eine Trainerkarriere begonnen. Nach nur einer Spielzeit beim FC Metz wurde er in den vierziger Jahren Trainer mehrerer belgischer Mannschaften. Mit dem in Newcastle geborenen Ted Maghner konnte der Verein im Jahr 1937 einen reputierten Trainer verpflichten, der die Mannschaft bis in das französische Pokalfinale führte. Wenngleich er bald darauf wieder nach England zurückkehrte, rissen die Verbindungen nicht endgültig ab. In der Saison 1946/47 sollte er nochmals als Trainer in Metz arbeiten.301 Die Akzeptanz von Ausländern und insbesondere Deutschen im Verein endete seitens des französischen Staats jedoch außerhalb des Spielfeldes. Im Februar 1938 wurde auf den Vorstand des FC Metz Druck ausgeübt, den bisherigen Schatzmeister Elie Klinger seines Postens zu entbinden, da er die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Da die staatliche Anerkennung des Vereins auf dem Spiel stand, verlas der Vereinsvorsitzende Raymond Herlory im Rahmen einer außerordentlichen Vollversammlung den Demissionsbrief Klingers, der sein Amt zur Verfügung stellte.302 Es waren Persönlichkeiten wie Herlory, Bichelberger und Poinsignon, die als verantwortliche Funktionäre den Verein in den dreißiger Jahren prägten. Einige von ihnen waren bereits bei der Metzer Sportvereinigung vor dem Ersten Weltkrieg aktiv gewesen waren, hatten in den zwanziger Jahren den CA Messin geführt und sorgten nun beim FC Metz für eine personelle Kontinuität auf der Funktionärsebene. Personifiziert wurde der Klub seit Mitte der dreißiger Jahre vor allem durch den omnipräsenten Raymond Herlory, der als Präsident den Verein, abgesehen vom Zweiten Weltkrieg, von Dezember 1934 an über drei Jahrzehnte leiten sollte. 1899 in Metz geboren, hatte der aus dem lothringischen Bürgertum stammende Herlory in Diedenhofen seine Schulzeit in einem deutschen Gymnasium verbracht und dort auch den Fußballsport kennengelernt. Im Ersten Weltkrieg hatte er das Reichsland Richtung Frankreich verlassen, um sich der französischen Armee anzuschließen.303 Der weithin respektierte Fußballfunktionär war für seinen Ehrgeiz und seinen Patriotismus ebenso bekannt wie für seine autoritäre Art und Weise berüchtigt. Gleichzeitig wurde jedoch seine wirtschaftliche Kompetenz geschätzt. Ein Kriterium, das angesichts der Professionalisierung der Vereinsstrukturen bei einem Klubpräsidenten mehr zählte als dessen sportliche Expertise.304 Herlory vertrat die Interessen seines Vereins auch durch die Übernahme von Ämtern in der Ligue Lorraine de Football sowie im Conseil de la Ligue Nationale des Clubs Professionnels. 1937 wurde er als einflussreicher Funktionär in den neu 301 Zu Ted Maghner (1891–1948), der 1939 die dänische Nationalmannschaft im Rahmen eines Jubiläumsturniers trainierte, siehe Art. Magner, Ted: Remembering the forgotten manager, in: Derby Evening Telegraph’s new online nostalgia section „bygonederbyshire.co.uk“, 2.2.2010 [Link: www.bygonederbyshire.co. uk/stories/Magner-Ted-Remembering-forgotten-manager/ article-1798030-detail/article.html]. 302 Siehe Schreiben Préfet de la Moselle an das Commissariat Central Metz, 9.2.1938, Protokollauszüge des FC Metz, 16.2., 24.2.1938, in: ADM, 304 M 115. 303 WAHL: Les dirigeants (1996), S. 146, 149, 152. 304 In diesem Sinne MOURAT/POYER/TÉTART: La naissance (2007), S. 346–351.

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eingerichteten Conseil Départemental des Sports, Loisirs et Éducation Physique305 berufen. Dass es dem Verein in den dreißiger Jahren gelang, sich in der ersten nationalen Profiklasse zu etablieren, wurde in der französischen Sportöffentlichkeit nicht ohne Verwunderung wahrgenommen. Herlory verwies darauf, dass der anhaltende sportliche Erfolg ohne Subventionen zustande gekommen sei. Angesichts des Wiederaufstiegs in die erste Division im Mai 1935 erläuterte er, dass der Klub sich lediglich durch die eigenen Spieleinnahmen finanziere sowie durch die Mitgliederbeiträge. Einen Mäzen, so Herlory, bräuchte der Verein nicht. Disziplin und Strenge seien die Prinzipien, auf welchen die Arbeit im Klub aufbaue.306 Allerdings konnte die Stadt Metz als indirekter Förderer des FC Metz gelten, hatte sie im Herbst 1934 doch vom CA Messin das „Stade de l’Île Saint-Symphorien“ übernommen und dem FC Metz damit wieder frei verfügbare finanzielle Mittel verschafft. Für den Klub war der Verkauf notwendig geworden, da er zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Die ersten zwei Spielzeiten im Profifußball hatte der Verein mit enormen finanziellen Defiziten abgeschlossen, die auch durch steigende Zuschauereinnahmen nicht gedeckt werden konnten. Im Mai 1934 hatte der Vereinsvorstand deshalb persönlich beim Préfet de la Moselle vorgesprochen, um eine Subvention für den Verein zu erwirken. Wie kein anderer, so wurde argumentiert, habe der Klub das Renommee des lothringischen Fußballs erhöht und dafür gesorgt, dass Metz nun zu den wenigen großen Städten Frankreichs gehöre, die über eine Profifußballmannschaft verfügten. Mit Verweis darauf, dass der Staat Subventionen nur im Zusammenhang mit dem Bau von Sportanlagen genehmigen könne, war diese Bitte jedoch zurückgewiesen worden.307 Eine Vorbedingung für die städtische Übernahme des Stadions war jedoch, dass sich der CA Messin, der FC Metz und die AS Messine zu einem Großverein zusammenschlossen. Nachdem beide Hauptversammlungen jeweils zugestimmt hatten, kam es am 10. August 1934 zur Gründung des gemeinsamen Omnisportvereins Cercle des Sports de Metz (CS Metz).308 Im Verein gab es mehrere autonome Abteilungen für Radsport, Basketball, Schwimmsport, Leichtathletik und Tennis.309 Auch für die „Préparation au Service Militaire“ wurde eine Abteilung eingerichtet – Voraussetzung für die Empfehlung der Préfecture de la Moselle, den neuen Verein durch das Ministère de la Santé Publique et de 305 Im Juni 1937 auf Wunsch des Ministère de l’Éducation Nationale eingerichtet, sollten die auf der Ebene der Departements angesiedelten Beiräte zu Fragen des Sports, der Éducation Physique und der Freizeit Stellung beziehen und Subventionen beraten. Unter der Leitung des Préfet de la Moselle waren die regionalen Sportorganisationen neben Herlory durch weitere Persönlichkeiten vertreten. Siehe ausführlich diverse Schreiben und Protokolle 1937–1939, in: ADM, 304 M 132. 306 Mario Brun: Art. La sage et méthodique évolution du Cercle des Sports de Metz, in: Match, 10.9.1935. 307 Schreiben FC Metz, Bierlein an Préfet de la Moselle, 25.5.1934, Vermerk der Préfecture de la Moselle, o. D., in: ADM, 304 M 115. 308 Siehe Rapport des Chef de la Sûreté, Metz, 5.2.1936, in: ADM, 304 M 113. 309 Vgl. POINSIGNON: Historique (1936), S. 11.

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l’Éducation Physique bestätigen zu lassen.310 Der ehemalige FC Metz wurde als autonome Profifußballabteilung in den Verein integriert und war in den folgenden zwei Jahren in erster Linie dafür verantwortlich, dass der CS Metz zum Aushängeschild der Stadt, der Moselle sowie der gesamten Lorraine werden sollte. Bereits in seiner ersten Saison als Abteilung des CS Metz gelang den Fußballprofis der Wiederaufstieg in die erste Division. Trotz aller Probleme, die der französische Profifußball mit sich brachte, gelang es den Verantwortlichen in Metz, diesen dort auf lange Sicht zu etablieren. Das Fazit, das Lucien Poinsignon nach vier Jahren Professionalismus anlässlich einer Fußballwerbeveranstaltung zog, war durchwegs positiv. Der Profifußball in Metz habe zum einen steigende Zuschauerzahlen zur Folge gehabt, vor allem die bislang „toten“ Jahreszeiten Herbst und Winter gehörten nun der Vergangenheit an. Zum anderen habe sich der Profifußball positiv auf Wirtschaft und Prestige der Stadt ausgewirkt. Die Stadt profitiere nicht nur von den auswärtigen Zuschauern, die nach Metz reisten, sondern auch von der Werbewirkung für die Stadt, welche die allwöchentliche Fußballberichterstattung in ganz Frankreich nach sich ziehe.311 Durch den nationalen Rahmen – so auch die Selbstdarstellung des Vereins – sei der Metzer Profifußball zu einem prägenden Element von Metz und der Moselle geworden: „Depuis l’admission du football messin dans le cadre national, notre sport favori est devenu un des éléments de la vie messine. L’équipe qui porte nos couleurs, est d’essence lorraine, car tous ses éléments français sont des juenes gens du pays; ils portent haut nos couleurs aux quatre coins de la France, affirmant ainsi nos qualités de travail méthodique, calme et obstiné.“312

Dass der Profifußball im lothringischen Fußballverband breite Akzeptanz fand, zeigten die alljährlichen Reden von Maurice de Vienne anlässlich der Jahresvollversammlungen. So bezeichnete er 1935 den CS Metz, auch wenn dessen beste Spieler nicht mehr in den Wettbewerben der Ligue Lorraine spielten, als einen der „unseren“, seien doch dessen Amateur- und Jugendmannschaften in die hiesigen Meisterschaften integriert.313 Es überwog der Stolz, dass der lothringische Fußball durch den nationalen Profifußball nun landesweit seine Qualität unter Beweis stellen konnte. Gerade weil der Profifußball den eigentlichen Fußballbetrieb der Ligue quantitativ nur in geringem Maße tangierte – den rund zwanzig Fußballprofis des FC Metz standen 1935 mehr als 7 300 lizenzierte lothringische Fußballer gegenüber – war es für de Vienne kein Problem, dem Profifußball eine positive Rolle zuzuschreiben. Während das Amateurideal in weiten Kreisen der Fußballspieler zurecht seine Akzeptanz gefunden habe, so sei der Professionalismus deshalb 310 Siehe Protokoll der Commission consultative départementale de l’Éducation Physique, 5.12.1934, ministerielle Autorisation, 11.1.1935, in: ADM, 304 M 113. 311 POINSIGNON: Historique (1936), S. 11. 312 Herlory, Raymond: Le but de la Journée de Propagande, in: CS Metz: Festprogramm Grande Journée de propagande de football (1936), S. 3. 313 Zu diesem Absatz siehe Compte Rendu moral du Président 1935, in: Lorraine Football, 20.6.1935, S. 4–6, hier S. 4.

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wichtig, weil er den französischen Fußball sowohl in technischer als auch in spielerischer Hinsicht weiterentwickelt habe. Wenn auch der Profifußball in der Moselle gedeihen konnte, so galt dies nicht für die Konstruktion des städtischen Großvereins CS Metz. Konflikte hatten sich bereits früh abgezeichnet. Der Fußballvertreter Lucien Poinsignon wies 1936 deutlich darauf hin, dass die Autonomie der einzelnen dem Cercle des Sports angeschlossenen Vereine gewahrt bleiben müsse. Gerade beim Fußball habe sich gezeigt, dass die Emanzipation des Sports so weit fortgeschritten sei, dass sie nur Spezialisten überlassen werden könnte. Dies habe sich bereits auf nationaler Ebene gezeigt, auf welcher der Omnisportverband USFSA zugunsten des Fußballfachverbandes FFFA habe weichen müssen. Dank dieser Emanzipation sei der Fußball groß geworden. Was für die nationale Ebene gelte, so Poinsignon, das müsse auch für die lokale Sportpolitik gelten.314 Dies konnte als eine Kampfansage verstanden werden und tatsächlich machte die Fußballsektion des CS Metz sich noch im selben Jahr als FC Metz wieder selbstständig. Resümierend ist für die Entwicklung des Profifußballs im saarländischlothringischen Grenzraum festzuhalten: Nicht nur in politischer Hinsicht, sondern auch im Fußballsport kam es im Grenzraum zu verschiedenen Entwicklungen. Während es sowohl im Saarland als auch in der Moselle zu einer Professionalisierung der Strukturen in den großen Vereinen kam, wurde die erste Profiabteilung 1932 nicht in Saarbrücken, sondern in Metz eingeführt. Dass sich der Berufsfußball in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland überhaupt durchsetzte, war bemerkenswert. Auch wenn sich in Frankreich der Fußball als populärste Sportart etablieren konnte, so war seine Verbreitung doch weitaus geringer als beim östlichen Nachbarn. 1932 kamen 2,5 deutsche auf einen französischen Verein und sieben deutsche auf einen französischen Spieler. Auch waren die Zuschauerzahlen in Frankreich wesentlich niedriger als in Deutschland. Lediglich die großen Profivereine in Marseille und Paris hatten einen Schnitt von mehr als 10 000 Zuschauern.315 Wahl und Lanfranchi bezeichneten den französischen Profifußball der dreißiger Jahre als „unvollendet“ und fällten ein vernichtendes Urteil.316 Unter dem Einfluss des Amateurmodells hätten die Funktionäre sich geweigert, die Regeln des Marktes auf den Fußballsport zu übertragen. Anders als in England oder auch Österreich sei der Profifußball nicht eingeführt worden, um einer verstärkten Nachfrage seitens der Bevölkerung zu begegnen, sondern, um ihn unter die Kontrolle der Verbandsfunktionäre zu stellen. Statt einer Professionalisierung der Verbandsund Vereinsstrukturen seien stattdessen Dilettantismus und Improvisation beherrschend gewesen. So habe das Überleben einer Profiabteilung vom Gutdünken einzelner Mäzene abgehangen, weshalb achtzehn Klubs den Profifußball inner314 POINSIGNON: Historique (1936), S. 11. 315 LANFRANCHI: Elemente (1994), S. 126. 316 Sie nahmen damit Bezug auf die Forschungen der Soziologen Faure und Suaud hinsichtlich des französischen Profifußballs nach 1960. Vgl. FAURE/SUAUD: Un professionalisme (1994). Zusammenfassend siehe auch HARE: Football in France (2003), S. 17–20.

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halb der ersten drei Jahre wieder aufgaben.317 Dennoch hatte sich in Metz der Profifußball etabliert. Der FC Metz setzte sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre in der Division 1 fest. Mit dem niederländischen Fußballstar Bep Bakhuys verzeichnete der Klub im Frühjahr 1938 Rekordzuschauerzahlen, er erreichte mit seinem englischen Trainer Ted Maghner das französische Pokalfinale und schloss die Saison 1938/39 mit einem respektablen achten Tabellenplatz ab. Das Ende des Profifußballs in Metz kam plötzlich und unerwartet im September 1939: Mit dem deutschen Überfall auf Polen wurde 21 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg der Zweite in Gang gesetzt. Wie 25 Jahre zuvor war an einen geregelten Fußballbetrieb nicht mehr zu denken. 6.4 Das Spiel als Inszenierungsraum Die Fußballvereine und die „Saarkampagne“ „Gerade die Sportvereine haben in den langen Jahren der Abtrennung vom Reich das eine große Ziel nie vergessen, die Grenzlandjugend vorzubereiten auf den Tag der Abstimmung. Und wenn am 13. bzw. am 15. Januar (…) die Glocken im ganzen deutschen Vaterlande den gewaltigen (…) Sieg des kleinen mannhaften Saarvolkes einläuten und der Höhenfeuer mächtiger Schein kündet, daß die unwürdigen Fesseln gesprengt sind, dann können auch die Sportler sich dieses großen Sieges freuen, denn sie haben in treuer Pflichterfüllung ihren redlichen Teil dazu beigetragen.“318

Diese geradezu pathetischen Zeilen, die in ihrer blumig-schwülstigen Sprache der zeitgenössischen Rhetorik entsprechen, wurden wenige Tage vor der Saarabstimmung vom 13. Januar 1935 im „Fußball“ veröffentlicht. Autor des Artikels war Max Hempel, langjähriger Vorsitzender des im Herbst 1933 durch Fusion entstandenen Großvereins SV Saar 05 Saarbrücken. Was ihn letztendlich jedoch gerade dazu prädestinierte, die Rolle der Sportvereine im Abstimmungskampf hervorzuheben, war seine Rolle in der „Saarkampagne“ selbst. Als „prächtiger Organisator“ war er Vertrauensmann sowohl der reichsdeutschen Stellen als auch des Bundes der Saarvereine gewesen. Fußballfunktionäre wie Hempel halfen in der Völkerbundszeit, Fahrten saarländischer Sportvereine in das Deutsche Reich zu organisieren. Vor allem in den zwei Jahren vor der Saarabstimmung stieg die Anzahl der Propagandaveranstaltungen enorm an, was nicht zuletzt dem nationalsozialistischen Streben geschuldet war, den sich abzuzeichnenden außenpolitischen Triumph Adolf Hitlers in keinster Weise zu gefährden. Turnfeste wurden nationaler denn je begangen, Sportler als glühende Patrioten dargestellt und in Fußballspielen mit saarländischer Beteiligung wurde die deutsche Nation beziehungsweise das „Dritte Reich“ inszeniert. Ziel dieses Teilkapitels ist es weniger, den konkreten Beitrag der saarländischen Fußballvereine zum Abstimmungskampf zu bestimmen, als vielmehr zu beschreiben, wie der Fußball von politischer Seite aus als Inszenierungsraum genutzt wurde und wie die Fußballvereine und ihre Funkti317 LANFRANCHI/WAHL: La professionnalisation (1998), S. 321–323; HOLT: Sport (1981), S. 77f. 318 Max Hempel: Art. Wir Saar-Fußballer kehren heim zu euch, in: Fußball, 8.1.1935.

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onäre als politische Akteure auftraten. Beantwortet werden soll dabei auch die Frage, warum die Fußballvereine bereit waren, sich der Saarpropaganda zur Verfügung zu stellen. Der Fokus richtet sich dabei auf die „Saarkampagne“ im Deutschen Reich und im Saargebiet, während die eigentliche Vernetzung des bürgerlichen Fußballsports mit den Strukturen des Nationalsozialismus seit 1933 in Kapitel 6.5 thematisiert wird. Am 13. Januar 1935 stimmten rund 90,7 Prozent der Wahlberechtigten für die Rückgliederung des Saargebiets an das Deutsche Reich, 8,9 Prozent für den „Status quo“, die Beibehaltung der Völkerbundsverwaltung, und 0,4 Prozent für die Vereinigung mit Frankreich. Der Zustimmungsgrad schwankte zwischen 87 Prozent in Saarbrücken und Grenzgemeinden zu Frankreich und 97 Prozent in ländlichen innersaarländischen Gemeinden.319 Die Deutung dieser breiten Zustimmung für Hitlers Deutschland ist in der historischen Forschung bis heute umstritten. Während Konsens herrscht, dass das Abstimmungsergebnis für Hitler einen großen und bitter benötigten Prestigegewinn bedeutete,320 so wurde zuletzt kritisch hinterfragt, inwieweit das Abstimmungsergebnis von 1935 zu sehr aus einer zurückblickenden Perspektive – den Holocaust und den Vernichtungskrieg automatisch mitdenkend – bewertet wurde.321 In Bezug auf den bürgerlichen Fußball, so ist an dieser Stelle bereits festzuhalten, war eine Rückkehr der Saar zum Deutschen Reich nichts weniger als eine Selbstverständlichkeit, die sich nicht erst 1933 einstellte, sondern deren Grundlagen schon seit 1920 gelegt worden waren. Im Jahr 1925 fand – wie im gesamten besetzten Rheinland – im Saargebiet die sogenannte „Rheinische Jahrtausendfeier“ statt. Gefeiert wurde das Gedenken an das Jahr 925, in welchem Lothringen in das Ostfrankenreich eingegliedert wurde. Wichtiger als dieser historische Hintergrund, welcher der Bevölkerung erst erklärt werden musste, war jedoch die politische Intention, mit dem Diskurs über den „deutschen Rhein“ der französischen Auffassung vom Rhein als Grenzfluss entgegenzutreten.322 Im französischen Außenministerium war man sich dieser Absicht bewusst, weswegen Außenminister Briand die Regierungskommission in Saarbrücken aufforderte, zu verhindern, dass unter dem Vorwand dieser Feierlichkeiten, „justfiées par aucune raison d’ordre historique, certaines fractions de la population puissent se livrer à des manifestations de propagande pangermaniste qui ne manqueraient pas de provoquer une protestation de la France devant le Conseil de la Société des Nations.“ 323 319 Vgl. Karte „Saarabstimmung vom 13. Januar 1935“, hrsg. vom Saarwirtschaftsarchiv Saarbrücken, abgedruckt in: ZENNER: Parteien (1966), o. S.; LINSMAYER: Saargeschichte 1918– 1935 (2005), S. 86. 320 Vgl. beispielsweise KERSHAW: Hitlers Macht (2001), S. 159. 321 Vgl. ausführlich BURGARD: Das Saarland im Nationalsozialismus (2012), S. 271-273; BURGARD: Verdammt lang her (2009), S. 19f. Zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des 13. Januar LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 19–21. 322 Die Leitung des Organisationskomitees wurde vom Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer übernommen. Vgl. BEAUPRÉ: Das Trauma (2007), S. 174–176. 323 Schreiben Aristide Briand an Victor Rault, 15.5.1925, in: Archives de la Société des Nations (SDN), C 463.

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Die Regierungskommission verhinderte die Feierlichkeiten nicht, verbot jedoch politische Äußerungen ebenso wie die offizielle Teilnahme Staatsbediensteter und politischer Parteien.324 Getragen wurden die mehrtägigen Feierlichkeiten deshalb von Turn-, Sport- und Gesangvereinen.325 Vorsitzender des neunköpfigen Hauptausschusses wurde ein altbekannter Vertrauensmann der Reichsregierung und des Bundes der Saarvereine: Karl Burk, der Vorsitzende der Saarturnerschaft. Mitglied dieses Komitees war mit Karl Jose auch ein altgedienter Saarbrücker Fußballfunktionär. Unter der Leitung des Hauptausschusses wurden im Saargebiet 170 Ortsausschüsse gegründet und für die Tage vom 19. bis 21. Juni wurde ein einheitlicher Ablauf geregelt: Besondere Jugendfeierstunden, Fackelmärsche, historische Festumzüge, Festgottesdienste, Freudenfeuer, Sonnwendfeiern, Vorführungen der Turn-, Sport- und Gesangvereine. Die Jahrtausendfeier wurde für die Veranstalter ein großer Erfolg. Hunderttausende Menschen in zahlreichen saarländischen Orten konnten mobilisiert werden. Turnerische und sportliche Veranstaltungen wurden neben den Festumzügen und Sonnwendfeiern die Höhepunkte der Feierlichkeiten.326 Wenn auch die traditionsreiche Festkultur der Turner großen Einfluss auf die Gestaltung der Jahrtausendfeier ausüben sollte, wollten Fußballvereine wie der SC Saar 05 oder der FV Saarbrücken in ihrer Beteiligung nicht zurückstehen. Über die Sportpresse riefen sie ihre Mitglieder bereits im Mai dazu auf, „sich sowohl im Interesse der Sache als auch im eigenen Interesse recht zahlreich an der Feier zu beteiligen.“327 Wenige Tage vor der geplanten Teilnahme am Fackelzug zeigte sich jedoch, dass die Bereitschaft, sich in dessen Listen „zwecks Erlangung von Fackeln“ einzutragen, hinter den Erwartungen der Vereinsleitungen lag. Die Sportfreunde 05 Saarbrücken inserierten, dass noch viele Mitglieder fehlten und verlangten, „daß sich keiner abseits stellt, sondern es als eine Ehrensache ansieht, seine Anhänglichkeit zu unserem deutschen Vaterlande öffentlich zu bekunden.“ Der SV 05 Saarbrücken machte es für sämtliche Spieler sogar zur Pflicht, sich am samstäglichen Fackelzug zu beteiligen.328 Auch in Völklingen beteiligte sich der dortige SV 06 Völklingen an den Feierlichkeiten, dessen Vorsitzender sogar den lokalen Ortsausschuss leitete. Zahlreiche Vereinsmitglieder nahmen auch dort am 324 Landräte, Bürgermeister und sonstige der Regierungskommission unterstehende Beamte durften nur „à titre privé“ teilnehmen. Siehe Protokoll der Regierungskommission vom 15.5.1925, in: Archives de la SDN, C 329. Das „Millénaire Rhénan“ wurde Thema mehrerer Sitzungen. Siehe weitere Protokolle vom 3.6., 10.6. und 17.6.1925, in: ebda. 325 Auch andere Vereine nahmen an den Feierlichkeiten teil. In St. Arnual folgten auf eine Einladung des TSV St. Arnual zur Gründung eines Ortsausschusses zahlreiche Vereine vom Zitherklub „Alpenklänge“ über den Kaninchenzüchterverein bis zur Evangelischen Frauenhilfe. Siehe zwölfseitigen Bericht über die Jahrtausendfeier in St. Arnual, in: BA Berlin, R 8014/727. 326 Hauptausschuß für die Jahrtausendfeier (Hg.): Rheinische Jahrtausend-Feier im Saargebiet. Saarbrücken 1925, S. 3–16; vgl. auch JENEWEIN: Die Entwicklung (1985), S. 87–91; FLENDER: Vom Saargebiet (1994), S. 130; CLEMENS: Mandatsgebiet (2012), S. 227f.; siehe auch ausführliches Programm für die Stadt Saarbrücken, in: Archives de la SDN, C 463. 327 Siehe Ankündigung des SC Saar 05, in: SWD, 18.5.1925. 328 Siehe Rubrik „Vereinskalender“, in: SWD, 8.6., 15.6.1925.

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abendlichen Fackelumzug teil, um sich danach noch für einige Stunden im Vereinslokal zu treffen, „wo noch lebhaft unseres Vaterlandes gedacht wurde.“329 Die Teilnahme der Fußballvereine war in deren Augen selbstverständlich. Der Sportjournalist Erich Menzel sah sich im Vorfeld der Veranstaltung bemüßigt, zum wiederholten Male den Patriotismus der Sportvereine und deren Bodenständigkeit zu betonen und die Internationalität des Sports zu verteidigen. Ein Wettbewerb auf internationaler Ebene, so Menzel, schließe eine bodenständige Sportkultur nicht aus. Es sei nicht die Internationalität, die das Wesen der Sportvereine ausmache, sondern die Aufopferung und Treue, die zugleich dem eigenen Verein als auch dem Vaterlande gelte.330 Anlässlich der Jahrtausendfeier wurden in mehreren Orten Freundschaftsspiele angesetzt, welche oftmals – wie beispielsweise in Dillingen331 – die Höhepunkte der sportlichen Darbietungen darstellten. Während es bei kleineren Vereinen zu Spielen gegen pfälzische Klubs kam, hatte der SV Sulzbach mit dem FV Nürnberg einen hochklassigen Gegner verpflichtet.332 Als sportlichen Höhepunkt hatten die saarländischen Fußballvereine ein großes Spiel in Saarbrücken geplant, weswegen sie beim Süddeutschen Fußballverband ein Repräsentativspiel beantragt hatten. Nicht zuletzt aus Furcht vor französischen Repressalien hatte der SFV-Spielausschussvorsitzende Josef Glaser jedoch eine Teilnahme abgelehnt. Dieses Argument stieß bei Erich Menzel auf völliges Unverständnis. Einerseits sei man im Saargebiet „eine stärkere Tonart im politischen Treiben mehr gewöhnt als rechts des Rheins“ und andererseits seien von den Franzosen keine Gegenmaßnahmen zu fürchten, da diese „in erster Linie Respekt vor nationalem Willen“ hätten.333 Erfolgreicher konnten die Saarländer offensichtlich im Ruhrgebiet für ein repräsentatives Spiel anlässlich der Feierlichkeiten werben, denn für den 21. Juni konnte ein Städtespiel zwischen Saarbrücken und Essen vereinbart werden. Ludwig Linsmayer zufolge waren politische Feiern wie die Jahrtausendfeier nicht nur Symbolträger politischer Ziele und Werte, sondern auch Aktionsformen, welche die politische Partizipationsbereitschaft der Menschen widerspiegelten und als Indikator für die wirkliche Stärke einer jeweiligen politischen Bewegung gelten konnten. Die Rheinische Jahrtausendfeier im Saargebiet sei in diesem Rahmen ein „Ereignis der Superlative“ gewesen und Ausdruck des deutschen Nationalismus im Saargebiet. Die deutsche Vergangenheit sei zu einer realen Erfah329 Art. Der Sport im Rahmen der Jahrtausendfeier in Völklingen, in: SWD, 25.6.1925. Ein ausführliches Dossier zur Jahrtausendfeier in Völklingen findet sich im Stadtarchiv. Siehe StA Völklingen, A 1036. 330 Erich Menzel: Rubrik „Bemerkungen“, in: SWD, 18.6.1925. 331 Der Sonntagnachmittag sah in Dillingen folgendes Sportprogramm vor: Freiübungen der Turnvereine, Fußballpropagandaspiel des VfB Dillingen, Hockeyspiel, Rad-Reigen, Fußballwettspiel zweier DJK-Mannschaften, Schlagballspiel, Handballpropagandaspiel. Siehe Festschrift zur Jahrtausendfeier in Dillingen/Saar, in: LHA Koblenz, Best. 442/7463. 332 Siehe ausführliches sportliches Programm, in: SWD, 18.6.1925. 333 Siehe Schreiben Dr. Josef Glaser an den Verbandsvorstand des SFV, 31.5.1925, abgedruckt, in: SWD, 13.7.1925; Kommentar von Erich Menzel, in: ebda. Glaser wurde später langjähriger DFB-Spielausschussvorsitzender. Ausführlich HAVEMANN: Fußball (2005), S. 103–107.

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rung und die Präsenz der Regierungskommission für drei Tage negiert geworden.334 In der Jahrtausendfeier kulminierte sechseinhalb Jahre nach Ende des Weltkriegs die Sehnsucht der Massen nach einer Normalisierung des alltäglichen und politischen Lebens. Nicht zuletzt die sich als Deutsche fühlenden saarländischen Sportler wünschten für sich einen unbürokratischen Spielverkehr mit dem Reich. Die Zeilen in der „Südwestdeutschen Sportzeitung“ dürften daher den saarländischen Sportlern aus der Seele gesprochen haben: „Was kümmert uns Sportler und Turner das Gezeter einiger politischer Hetzer, die das Fest ‘einen nationalistischen Rummel’ nennen. Wir Saarländer haben nur den einen Wunsch, deutsch zu sein und deutsch zu bleiben. Wenn wir anläßlich der Jahrtausendfeier Gelegenheit nehmen, dies mit Wort und Tat zu beweisen, so haben wir dabei nur die lautersten Absichten, die uns keiner verwehren kann.“335

So sehr die Rheinische Jahrtausendfeier im Saargebiet einen Eventcharakter angenommen hatte, so sehr war sie Sinnbild für die Unzufriedenheit der saarländischen Bevölkerung mit dem Ist-Zustand des vom Völkerbund verwalteten Saargebiets. In Berlin wurde deren Wirkung im Saargebiet daher wohl richtig eingeschätzt. Ein Bericht des Preußischen Innenministeriums resümierte, die Feier habe „einen so starken Eindruck hinterlassen, daß man von einer bereits jetzt erfolgten wenn auch ungewollten Volksabstimmung für die Rückkehr zu Deutschland und Preußen sowie Bayern mit voller Berechtigung sprechen kann.“336 Unabhängig von dieser positiven Einschätzung in Bezug auf die „Deutscherhaltung“ der Saar wurde die reichsdeutsche Unterstützung des Saargebiets auf dem kulturellen Sektor wie in den frühen zwanziger Jahren 337 weiter fortgeführt. Dies schloss auch die finanzielle Förderung des Sports im Saargebiet ein, wenngleich die Beträge – im Vergleich zur Unterstützung der Presse beispielsweise – gering waren und zum Teil eher symbolischen Charakter hatten. Die Möglichkeit einer Subventionierung hatte sich rasch bis zum kleinsten Verein herumgesprochen. Zahlreiche Gesuche wurden entweder an deutsche Stellen direkt gerichtet oder Vertrauensmännern wie Karl Burk überreicht. Die Begründungen, warum ein Verein Unterstützung nötig habe, ähnelten sich dabei in hohem Maße. Man betonte seinen selbstlosen patriotischen Beitrag zur Deutscherhaltung der Saar, malte die Bedrohung durch die französische Propaganda in den buntesten Farben aus und warnte dabei auch vor dem Schreckgespenst unpatriotischer Arbeitersportvereine,338 die sich dem Besatzer andienten. Ein typisches Beispiel stellt das Gesuch des katholischen Sportvereins DJK Schiffweiler dar, welches dieser an das Reichsjugendamt sandte: 334 335 336 337 338

LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 87,137–148; LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 36. Siehe Art. Die Rheinlandfeier im Saargebiet, in: SWD, 18.6.1925. Schreiben Preuß. Innenministerium an weitere Ministerien, 8.7.1925, in: PAAA, R 76139. Siehe ausführlich Kapitel 5.2. Der Arbeitersport blieb im Saargebiet auf geringem Niveau. Auf dem Höhepunkt zählte dieser im Jahr 1929 insgesamt nur rund 3 200 Mitglieder in 57 Vereinen. Dies entsprach nur 4 % der organisierten Sportvereinsmitglieder. Vgl. hierzu LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 401–407; BUNGERT/LEHNERT: Vereine (1988), S. 87.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle „Die schlechte wirtschaftliche Lage, die steten Anfeindungen seitens der internationalen Sportvereine, die französische Propaganda, lassen das Gedeihen und Weiterarbeiten einer im deutschen Sinne eingestellten DJK-Abteilung nicht mehr zu, sodaß in kurzer Zeit alles vernichtet ist.“339

Auch an den Bund der Saarvereine wurden Eingaben gestellt, wenngleich dieser selbst nur über ein kleines eigenes Budget verfügte, um Vereine an der Saar zu unterstützen, und diese Gesuche in der Regel an die entsprechenden Regierungsstellen weiterleitete.340 Viele Vereine konnten auf diese Weise beim Bau von Sportplätzen oder bei der Ausrichtung von Veranstaltungen auf Beihilfen aus dem „Reich“ rechnen, wobei dem Einfallsreichtum der Vereine keine Grenzen gesetzt waren, wenn es darum ging, das nationale Bekenntnis mit finanziellen Vorteilen zu verbinden.341 In den Berliner Ministerien sorgten die Anträge zuweilen für Unmut, da manchen Vereinen vorgeworfen wurde, sich „lediglich im Vertrauen auf die Erlangung von Reichs- und Staatsbeihilfen“ auf kostspielige Investitionen einzulassen.342 Besonderes Interesse galt seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre dem westlich von Saarbrücken an der französischen Grenze gelegenen Waldgebiet Warndt, das in politischer Hinsicht aufgrund seiner reichen Kohlevorkommen als ein besonders gefährdetes Grenzgebiet galt. Hinzu kam, dass es mit nur 15 000 Einwohnern relativ dünn besiedelt war und die Bevölkerung als relativ frankophil galt, da die Grenzbevölkerungen auf beiden Seiten besonders große sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten aufwiesen. Saarländische Bergleute arbeiteten auf lothringischen und lothringische Bergleute auf saarländischen Gruben. Befürchtet wurde auf deutscher Seite, dass durch die geplante Abstimmungsform auf Gemeindeebene in Folge des Referendums 1935 eine Abtrennung gefordert werden könnte. Tatsächlich konzentrierten sich die französischen Anstrengungen seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre zeitweise vornehmlich auf den Warndt.343 Wenngleich eine offene Propaganda seitens Frankreich unterblieb, waren die französischen Bergwerksleitungen im Warndt bemüht, der dortigen Grenzbevölkerung entgegenzukommen. Der Reichstagsabgeordnete Gottfried von Dryander warnte im Jahr 1928 vor der Französisierung des Warndts. Fast alle Kleinkinder des Grenzdorfes Ludweiler – so seine Denkschrift – gingen in einen französischen Kindergarten, ein Drittel der Schüler in Schulen der Bergwerksverwaltung.344 339 Schreiben DJK Schiffweiler an das Reichsjugendamt, 5.1.1926, in: PAAA, R 76141. Siehe diverse Gesuche aus den Jahren 1926 bis 1929, in: BA Berlin, R 1601/1886, 1887, 1895. Zu Unterstützungsgesuchen von DJK-Vereinen siehe BA Berlin, R 1601/1900, 1901, 1902. 340 Siehe zahlreiche Eingaben an den Bund der Saarvereine, in: BA Berlin, R 8014/726 bis 733. 341 Vgl. in diesem Sinne auch LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 430. 342 Siehe Schreiben des RMBG an das AA, o. D. [1925/26], in: PAAA, R 76141. 343 Vgl. zur Warndtfrage ausführlich LEMPERT: Das Saarland (1985), S. 82–95. 344 Denkschrift über die Lage des Warndt-Gebietes, übergeben von dem Reichstagsabgeordneten Dryander (Deutschnationale Volkspartei) an das Reichsministerium für die besetzten Gebiete, 1.10.1928, in: BA Berlin, R 1601/1701. Siehe auch einen Bericht über die Französisierungsbemühungen durch die Wendel’schen Gruben in Kleinrosseln aus dem Jahr 1927, in: PAAA, R 76142.

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Sowohl die französische wie auch die deutsche Seite versuchten, die im Warndt lebenden Menschen über Kultur-, Turn- und Sportveranstaltungen zu gewinnen. Um beispielsweise den deutschen Turnvereinen im Warndt eine optimale Betreuung – in diesem Fall durch den von Karl Burk geleiteten Saar- und Bliesgau – zu garantieren, wurde 1927 eine neue Gebietseinteilung der Turngaue vorgenommen.345 Der „Kampf“ um den Warndt betraf auch den Fußballsport. Sorgten sich Anfang der zwanziger Jahre lediglich die Förster im Warndt darum, dass Jugendliche aus Petite-Rosselle im saarländischen Wald illegalerweise Fußball spielten, sollte dieser „Kampf“ sehr bald größere Ausmaße annehmen.346 Für die Osterfeiertage 1928 organisierte Karl Jose vom Rasensportverband Saarbrücken sogenannte Warndtspiele. Als Gastvereine aus dem „Reich“ waren die Sportfreunde Frankfurt und der VfR Offenbach eingeladen worden. Sie spielten gegen eine kombinierte Warndtmannschaft und gegen den SV 06 Völklingen. Auch wenn die sportlichen Erwartungen der Presse zufolge erfüllt wurden, wurde vor allem der Propagandawert der Begegnungen betont. Jedoch war beim Ablauf der Gastspiele kein großer Unterschied zu vergleichbaren Begegnungen festzustellen. Nach einem Mittagsmahl in Großrosseln wanderten die Gastgeber mit ihren hessischen Gästen ins nahe Frankreich, wobei der „denkwürdige Moment der Grenzüberschreitung“ fotografisch festgehalten wurde. Nach dem Spiel, das für die Frankfurter gegen die Warndtmannschaft – angeblich aufgrund des „schweren Bodens“ – mit 3:5 Toren verloren ging, fand auf Einladung des SC Großrosseln 1910 ein Festkommers statt. Auch dessen Ablauf bot – abgesehen von einem Vortrag über die Geschichte des Warndt – keine explizite Betonung des propagandistischen Charakters. Neben den üblichen Begrüßungsworten folgten Auftritte einer Violinistin, zweier örtlicher Gesangvereine sowie eines „Vereinskomikers“. Der in der „Südwestdeutschen Sportzeitung“ veröffentlichte Bericht schloss mit der Feststellung, „daß auch die Rosseler Feste feiern können.“347 Drei Jahre später hatten die Spannungen jedoch deutlich zugenommen, wie die Ereignisse im nahen Ludweiler zeigten. Im Umfeld der saarländischen Grube Velsen – sie lag zwischen Großrosseln und Ludweiler und war nur wenige hundert Meter vom lothringischen Ort Petite-Rosselle entfernt – wurde im Jahr 1931 von Anhängern des frankophilen Saarbunds der Sportverein VfB Velsen Ludweiler gegründet, der von der französischen Bergwerksverwaltung finanziert wurde. Der Forbacher Presse zufolge schloss sich der Verein der Ligue Lorraine de Football an. Diese gegen die Grundsätze der FIFA verstoßende Mitgliedschaft sorgte in den Berliner Ministerien für Aufsehen. Diese Regelverletzung – so der V-Mann 345 Laut einem internen Bericht des preußischen Innenministeriums galt der Gauleiter Mamert Hock des Saar-gaus „nicht als geeignet zur Betreuung des gefährdeten Grenzgebietes“, weswegen mehrere Vereine des Warndts dem Saar- und Bliesgau angeschlossen wurden. Siehe Bericht des Preußischen Innenministeriums, Dr. Loehrs, 4.8.1927, in: BA Berlin, R 1601/780. 346 Siehe Schriftverkehr zum Forst- und Feldfrevel im Kreis Saarbrücken 1920/21, in: LA Saarbrücken, LFV 105. 347 An Pfingsten 1928 spielten auch Mannschaften aus Freiburg und Höchst im Warndt. Siehe Art. Die Warndtspiele, in: SWD, 10.4.1928; Art. Mit Freiburg durch das Saar- und Warndtgebiet, in: SWD, 29.5.1928.

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des preußischen Innenministeriums – müsse aus politischen Gründen scharf bekämpft werden, sonst werde „schon in kurzer Zeit an jeder Grube des Saargebietes ein ‘französischer’ Fußball- oder Sportklub sein“.348 Dass die Mitgliedschaft des Vereins in der LLFA lange Bestand hatte, ist unwahrscheinlich. Tatsächlich bemühte sich der VfB Velsen Ludweiler im Jahr darauf um eine Mitgliedschaft im Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverband. Dies wiederum wurde von den ortsansässigen Fußballvereinen wie dem SV 08 Ludweiler auf das Heftigste bekämpft. In einem Schreiben an den Bund der Saarvereine empörte sich dessen Vereinsvorsitzender über die „Gesinnungslumpen“ und forderte vom Bund der Saarvereine, sich ebenso gegen eine entsprechende Mitgliedschaft zu wehren – ein Ansinnen, welchem der Bund der Saarvereine gerne nachkam. In Schreiben an den SFLV und den DFB warnte er jeweils vor der Aufnahme dieses frankophilen Vereins. Es dürfte daher auch nicht überraschend gewesen sein, dass sich „diese Verrätergruppe“ deshalb weiterhin den Fußballvereinen der Ligue Lorraine de Football zuwandte und gegen lothringische Vereine spielte. So organisierte der VfB Velsen Ludweiler am 12. Juni 1932 ein Fußballturnier mit ausschließlich lothringischen Mannschaften aus Rosbruck, Morsbach, St. Avold, Forbach, Spittel und Créhange.349 Wenngleich diese kleine Episode aus der Geschichte des Saarfußballs zur Völkerbundszeit aufzeigt, in welchem Maße der Fußballsport von der Politik in Übereinstimmung mit den Akteuren des Sports als Inszenierungsraum genutzt werden konnte, blieb sie wie der gesamte „Kampf“ um den Warndt ereignishistorisch nicht mehr als eine Randnotiz: Bei der Volksabstimmung am 13. Januar 1935 stimmten 87,4 Prozent der Stimmberechtigten im Wahlbezirk Ludweiler für den Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich.350 Trotz der guten nachbarschaftlichen Kontakte über die Grenze hinweg blieb – angesichts größtmöglicher Polarisierung und Politisierung – ein Stimmungswandel im Warndt eine Illusion. Für die großen Fußballvereine in Saarbrücken und Neunkirchen hatten die Unterstützungsleistungen aus dem Reich keine unmittelbare Bedeutung, konzentrierten sich diese doch in der Regel auf die kleinen Sportvereine.351 Allerdings profitierten sie von den sich ergebenden Kontakten. Ein Anliegen der Saarbrücker Vereine war es beispielsweise, große deutsche Fußballvereine für Gastspiele zu gewinnen. Tatsächlich scheuten in den zwanziger Jahren gerade reichsdeutsche Vereine die Reise in das Saargebiet. Im Rahmen eines Begrüßungsabends für 348 Bericht des V-Mannes Kipp, 16.12.1931, Schreiben des Preußischen Innenministeriums an das AA, 22.12.1931, in: PAAA, R 76143. 349 Schreiben der Sportvereinigung Ludweiler an Vogel, 20.2.1932, in: BA Berlin, R 1601/728; Plakat des Sport-Werbe-Tages des VfB Velsen Ludweiler am 12.6.1932, Schreiben SV 08 Ludweiler an Vogel, 18.6.1932, Schreiben Vogel an SFLV, 23.6.1932, in: BA Berlin, R 1601/729. 350 Vgl. Karte „Saarabstimmung vom 13. Januar 1935“, hrsg. vom Saarwirtschaftsarchiv Saarbrücken, abgedruckt in: ZENNER: Parteien (1966), o. S. 351 Im August 1930 lehnte der BSV beispielsweise ein Gesuch von Borussia Neunkirchen ab, einen Teil der Kosten für die Verpflichtung eines erstklassigen Militärsportvereins zu übernehmen. Siehe Schriftverkehr vom 5.7. und 6.8.1930, in: BA Berlin, R 8014/728.

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Turner und Sportler aus dem Saargebiet anlässlich der 1922 in Berlin stattfindenden Deutschen Kampfspiele352 kam es zu einer Unterredung zwischen Karl Jose, zu dieser Zeit Vorsitzender des FV Saarbrücken, und Carl Koppehel vom Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB). Im Jahr darauf unterbreitete Jose – über den Bund der Saarvereine – Koppehel das Angebot, ein Städtespiel zwischen Saarbrücken und Berlin im Saargebiet für das Frühjahr 1924 anzuvisieren. Als Sprecher des Saarbrücker Rasensportverbandes war es ihm natürlich ein Anliegen, dessen Prestige durch derartige Veranstaltungen zu erhöhen: „Über den gewaltigen Wert, im deutschen und sportlichen Sinne, eines Spieles gerade der Berliner Städtemannschaft hier in Saarbrücken, brauchen wir viel Worte nicht zu verlieren. In dem Kampfe um Erhaltung des Deutschtums im Saargebiet stehen neben der Deutschen Turnerschaft die Sportvereine und von diesen an führender Stelle der Rasensportverband Saarbrücken. Um aber sein Ansehen zu heben, seine Propaganda-Tätigkeit wirksam zu gestalten, gehören Spiele wie das von Ihnen gewünschte. Gerade wir brauchen moralische Unterstützung, besonders jetzt, wo unsere Sporttätigkeit durch die lange Verkehrssperre und Abschnürung so gewaltig gelitten hat.“353

Dennoch sollte es vorerst nicht zu einem Spielabschluss kommen. Der FV Saarbrücken ging stattdessen über die Osterfeiertage 1924 selbst auf große Fahrt und absolvierte eine Spielreise durch Ostpreußen. Der Verein war der Einladung der Sportvereinigung Prussia-Samland Königsberg gefolgt, an deren 25-jährigem Vereinsjubiläum teilzunehmen. Auch bei dieser Angelegenheit konnte der Verein auf die Unterstützung des Bundes der Saarvereine zählen, der für den Aufenthalt in Berlin kostenlose Verpflegung und Privatunterkünfte besorgte.354 Fünf Jahre später richtete der FV Saarbrücken erneut die Bitte an Theodor Vogel, den Geschäftsführer des Bundes der Saarvereine, ihm bei einem Wettspielabschluss mit einem großen deutschen Verein behilflich zu sein. Hintergrund war, dass bisherige Versuche in letzter Zeit an den hohen Kosten gescheitert seien. Dadurch, dass das Saargebiet für viele große deutsche Vereine zu weit entfernt lag, und dass durch die Währungsproblematik die Einnahmen an der Saar sehr viel geringer ausfielen, seien Spiele deutscher Mannschaften im Saargebiet selten geworden. Im konkreten Fall bat der Verein Vogel, auf den Verein Hertha BSC Berlin hinzuwirken, dass dieser bei dessen anstehender Spielreise in Süddeutschland auch in Saarbrücken vorbeikommen solle. Argumentiert wurde nicht zuletzt mit dem „propagandistischen Wert“ eines solchen Spiels gegen einen Verein „aus der Hauptstadt des Mutterlandes“.355 Wenngleich Hertha BSC gegenüber Vogel die 352 Organisiert wurde der „Begrüßungsabend mit Festkommers“ am 26.6.1922 vom Bund der Saarvereine. Siehe Programmbroschüre, in: PAAA, R 76140 sowie in StA Saarbrücken, Sammlung Stützer Nr. 1. Die vom DRA getragenen Deutschen Kampfspiele waren eine Reaktion auf den Ausschluss Deutschlands von den Olympischen Spielen und der Versuch, den traditionellen nationalen Turnfesten ein gleichwertiges nationales Sportfest zur Seite zu stellen. Vgl. KRÜGER, M.: Leibesübungen (2005), S. 101. 353 Schreiben Bund der Saarvereine an Koppehel, 8.11.1923, in: BA Berlin, R 8014/738. 354 Siehe Schriftverkehr zwischen dem FV Saarbrücken und dem Bund der Saarvereine, 24.3.– 8.4.1924, in: BA Berlin, R 8014/738. 355 Schreiben FV Saarbrücken an Bund der Saarvereine, 27.2.1929, in: BA Berlin, R 8014/727.

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grundsätzliche Bereitschaft zusicherte, sollte es erst zwei Jahre später zum Gastspiel eines Berliner Vereins in Saarbrücken kommen. Wiederum auf Vermittlung Vogels kam der Berliner SV 1892 im August 1931 zur Einweihung des Sportplatzes des SC Saar 05 Saarbrücken.356 Wie bereits angedeutet, vermittelte und unterstützte die Berliner Geschäftsstelle des Bundes der Saarvereine die Fußballvereine auch dann, wenn diese auf Spielreisen nach Mittel- oder Ostdeutschland in Berlin Übernachtungsmöglichkeiten benötigten oder in die Hauptstadt reisten, um vor Ort Spiele zu absolvieren. Im Gegenzug kam es zur Kooperation zwischen dem Saar-Verein und saarländischen Fußballvereinen, wenn es darum ging, im Rahmen der Kundgebungen und der Bundestagungen Fußballspiele zu organisieren. Im Juli 1931 fand beispielsweise in Neustadt an der Weinstraße eine Begegnung zwischen einer Saar- und einer Pfalzauswahl statt. Auf saarländischer Seite handelte es sich dabei um eine Saarbrücker Stadtelf. Vor Spielanpfiff wurden mehrere Ansprachen gehalten, unter anderem von jeweils einem Vertreter der Stadt und des Bundes der Saarvereine. Vor 10 000 Zuschauern gewann die Pfälzer Auswahl mit 5:4 Toren. 357 Solche Spiele blieben in der Sportöffentlichkeit jedoch nicht unumstritten. So wurde bemerkt, dass ein weiteres Fußballspiel anlässlich der großen Koblenzer Saarkundgebung im Jahr 1934 völlig im Schatten anderer Veranstaltungen gestanden habe und es zudem keinerlei sportliche Qualität besessen habe.358 Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich fiel in etwa mit dem Beginn des „heißen“ Abstimmungskampfes zusammen, welcher die Jahre 1933 und 1934 umfassen sollte. Dass sich die Auftritte saarländischer Turnund Sportvereine im Reich in diesen Jahren rasant vermehrten, war auch politisch bedingt. So hatte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Parteigliederungen der NSDAP verpflichtet, „jede Möglichkeit, für das Saargebiet Propaganda zu machen, wahrzunehmen.“359 Da sportliche Veranstaltungen hierfür eine gute Gelegenheit darstellten, wurden auch im Fußball plötzlich Freundschaftsspiele möglich, wie sie in den zwanziger Jahren noch nicht abgeschlossen werden konnten. Mit dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen und den Parteigliederungen vor Ort abgestimmt, boten solche Propagandaspiele auch für die gastgebenden Vereine Gelegenheit, ihr ganz eigenes Treuebekenntnis gegenüber dem „Dritten Reich“ zu bekräftigen. Hinzu kam, dass auch die lokalen Parteigrößen sich bei solchen Veranstaltungen die Chance nicht nehmen ließen, sich öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Insofern verwundert es nicht, dass die Fußballmannschaften von der Saar in den zwei Jahren vor der Volksabstimmung zu begehrten Gegnern reichsdeutscher Vereine wurden. Seit April 1934 wurden die Spiele saarländischer Fußballvereine im Reich allerdings durch den Deutschen 356 Siehe Schriftverkehr zwischen dem SC Saar 05 Saarbrücken und dem Bund der Saarvereine, in: BA Berlin, R 8014/728. 357 Siehe Art. Fußballkampf Pfalz - Saar 5:4, in: Saarbrücker Zeitung, 13.7.1931. 358 Erich Menzel: Rubrik „Kommentare“, in: SWD, 29.8.1934. 359 So der Bremer NSDAP-Kreis-Propagandaleiter Hoffmann in einem Schreiben an Werder Bremen, 7.3.1934, zit. in: HAVEMANN: Fußball (2005), S. 214.

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Reichsbund für Leibesübungen zunehmend zentralisiert und kontrolliert. Vereine des Bezirks Saar mussten bei ihrem zuständigen Sportkreisführer Fahrtberichte einreichen, und zudem sollte ihnen in Zukunft vom Kreisführer zentral ein Verein zugeteilt werden.360 Die Inszenierungen der Spiele verliefen dabei stets nach ähnlichem Muster: Im Vorfeld der Begegnung kam es zu Kundgebungen, auf welchen die Saarländer den reichsdeutschen Gastgebern ihre immerwährende Treue versicherten. Das Vorprogramm beim Spiel des SV Werder Bremen gegen die Sportfreunde Saarbrücken bestand beispielsweise „aus zwei Musikstücken, die von der SA-Standarte 75 dargeboten wurden, mehreren Reden, dem Saar-Lied, das die örtliche HitlerJugend vortrug, sowie dem gemeinschaftlichen Singen der jeweils ersten Strophe vom Deutschland- und Horst-Wessel-Lied.“361 Die Reden der saarländischen Vertreter glichen sich insofern, als dass sie alle das Deutsch-Sein der Saarländer und deren unabdingbare Treue betonten, den Verdienst der Saarsportler hervorhoben und dabei auch zweifelsohne dem zeitgenössischen Trend zum schwülstigen Pathos unterlagen. Mit diesem Tenor sprach auch Peter Kalter, Vereinsführer des FV Saarbrücken, im Rahmen der Saarkundgebung in Dresden: „Wir fühlen uns ganz wohl an der Saar, aber nur wenn deutsche Luft weht. Und daß sie weht, dafür sorgen mit in erster Linie auch unsere Sportler mit ihren Anhängerscharen. Unserem Volkskanzler wollen wir dereinst alles zu treuen Händen zurückgeben. Wie war wohl der Pulsschlag der Schicksalsgemeinschaft fühlbarer als in diesem Jahre.“362

In vergleichbarer Art und Weise war ein Gastspiel von Borussia Neunkirchen in Schwäbisch Gmünd verlaufen. Am Vorabend des Spiels hatten sich die Mannschaften auf dem historischen Marktplatz zu einer Saarkundgebung versammelt. Nachdem der Vereinsführer Bernbeck die deutsche Treue der Saarländer bekundet hatte, klang die Feier mit einem Fackelzug aus.363 Geradezu explosionsartig nahmen die Propagandaspiele während der Osterfeiertage 1934 zu. Fast alle saarländischen Fußballvereine weilten an diesen Tagen im Reich. Die „Saarbrücker Zeitung“ listete im Vorfeld der Feiertage das „deutsch-saarländische Fußballprogramm“ an Ostern auf. Mindestens 41 Fußballmannschaften aus dem Saargebiet besuchten rund 70 Orte im Deutschen Reich.364 „Das Reich in seinem neuen Leben kennen zu lernen“ wurde in der „Südwestdeutschen Sportzeitung“ als Parole für die „Invasion der saarländischen Fußballmannschaften in die deutschen Gaue“ ausgegeben.365 Die ersten Mannschaften der großen Vereine zog es dabei weit hinaus. So gastierte die erste Elf von Borussia Neunkirchen am Karfreitag in Berlin, um im Anschluss noch weiter nach Ostpreußen zu fahren, um in Allenstein und Königsberg zu spielen. Der SC Saar 05 Saarbrücken gastierte in Berlin, die 360 361 362 363 364

Amtliche Bekanntmachungen des Gaues XIII, Bezirk Saar, in: SWD, 8.4.1934, S. 7. HAVEMANN: Fußball (2005), S. 214. Art. Osterfahrt der Ersten, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, April 1934. Art. Borussia Neunkirchen in Württemberg, in: SWD, 30.8.1933, S. 3. Art. Das deutsch-saarländische Fußballprogramm an Ostern, in: Saarbrücker Zeitung, 25.3.1934. 365 Erich Menzel: Rubrik „Bemerkungen“, in: SWD, 18.2.1934, S. 2.

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Sportfreunde Saarbrücken machten in Bremen, Herford und Rheine Station, und der FV Saarbrücken folgte Einladungen nach Chemnitz und Dresden. Alle anderen Osterfahrten führten die Vereine in die Pfalz, ins Rheinland, nach Hessen oder ins Ruhrgebiet. Die größte sportliche Saarkundgebung fand an den Osterfeiertagen 1934 in Berlin statt. Mehr als 1 200 Mitglieder saarländischer Gesang-, Musik-, Turn- und Sportvereine statteten der Hauptstadt einen mehrtägigen Besuch ab, in dessen Rahmen eine Reihe von Kundgebungen abgehalten wurden, „in denen das wechselseitige Treueverhältnis zwischen dem Reich und dem der endgültigen Befreiung harrenden deutschen Saarland“ zum Ausdruck kam.366 Wenngleich die Fußballvereinsmitglieder nur einen Bruchteil der Reisenden ausmachten, war doch deren Propagandaspiel gegen eine Berliner Auswahl ein Höhepunkt der Veranstaltungen. Um aufzuzeigen, wie solche Reisen von den Fußballspielern erlebt wurden, werden im Folgenden die Erlebnisse der Mannschaft des SV Saar 05 Saarbrücken näher beschrieben. Die Abfahrt mit dem D-Zug erfolgte unter der Leitung Paul Dittscheids und Max Hempels bereits am Mittwochabend, den 28. März.367 Während die jüngeren Mitglieder dafür sorgten, dass sich die „trinkbaren Bestände der Speiseküche bedenklich lichteten“, wurde beanstandet, dass der eigene Zug nicht wie die anderen Züge mit Fahnen geschmückt worden war. Am nächsten Vormittag im Anhalter Bahnhof in Berlin angekommen, wurden die saarländischen Gäste vom Bund der Saarvereine empfangen. Theodor Vogel sprach von einem eigens in der Bahnhofshalle errichteten Rednerpult einige Grußworte. Am Abend fand im Sportpalast durch Robert Ley, dem Führer der Deutschen Arbeiterfront, ein feierlicher Empfang für die saarländischen Gäste statt, bei dem auch einige der Fußballspieler zugegen waren. Der Karfreitag stand ganz im Zeichen des Stadttourismus: Besichtigung des Berliner Zoos und Besuch des Deutschen Theaters. Am Karsamstag stand bei sonnigem Wetter das Spiel Saar gegen Berlin-Brandenburg auf dem Preußenplatz auf dem Programm. Der Sportgau III Berlin-Brandenburg hatte für diesen Samstag Spielverbot für sämtliche Mannschaften erlassen, um eine möglichst hohe Zuschauerzahl zu garantieren. Der Reinerlös der Begegnung sollte dem Abstimmungsfonds für die Saar zufließen.368 Die Saarmannschaft wurde aus Spielern des SV Saar 05 und des FV Saarbrücken gebildet. Die „Berliner Zeitung“ berichtete von einem „großen Werbefeldzug für die Saar“: „Es war ein prächtiges Bild, als die verschiedenen Saar-Abordnungen mit den Berliner Sängern und SA-Leuten unter den Klängen einer SA-Kapelle in den Preußenplatz einmarschierten. Sänger von der Saar, Turner, Kegler und – last not least – Saarbergleute in ihren Berg-

366 Art. Eindrucksvolle Saarkundgebung in Berlin, in: Saarbrücker Zeitung, 25.3.1934. 367 Die folgenden Schilderungen sind einem Erlebnisbericht entnommen. Siehe Paul Dittscheid: Art. Unsere Berliner Osterreise, in: Vereins-Nachrichten SV „Saar“ 05 Saarbrücken, April 1934, S. 4–6. 368 Königsberger Allgemeine Zeitung, 28.3.1934, archiviert in: BA Berlin, R 8014/735.

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manns-Uniformen zogen an den 15 000 Zuschauern vorüber, mit aller Herzlichkeit und Verbundenheit begrüßt.“369

Ansonsten glich das Rahmenprogramm des Spiels denjenigen der bereits beschriebenen Veranstaltungen: Vorträge, Ansprachen, Gesangsdarbietungen und das abschließende Absingen der Hymnen rundeten das Vorprogramm ab. Der Platz war mit Fahnen geschmückt und gegenüber der Tribüne war ein riesiges Spruchband „Die Saar bleibt deutsch!“ angebracht.370 Die Veranstaltung wurde von den Spielern selbst – dem Bericht Dittscheids zufolge – nicht ganz so euphorisch wahrgenommen wie in der Tagespresse. Dies durfte nicht zuletzt daran gelegen haben, dass die Saarländer trotz der Mitwirkung der Saarbrücker Spitzenspieler Edmund Conen und Bubi Sold mit 2:5 Toren verloren. Paul Dittscheid war „der Auffassung, daß man uns Saarländern hätte etwas mehr Aufmerksamkeit schenken dürfen.“ Zudem sei die dekorative Wirkung auf dem Platze im Vergleich zur Veranstaltung in Hagen beispielsweise „etwas dürftig“ gewesen.371 Auch die Spielreise des FV Saarbrücken nach Chemnitz und Dresden – direkt im Anschluss an das Spiel in Berlin – brachte dem Verein in der Sportöffentlichkeit und bei den eigenen Anhängern Kritik ein, da beide Spiele verloren gingen. Immerhin, so wurde von Vereinsseite verkündet, hätten die Spiele dazu beigetragen, „dem großdeutschen Gedanken durch die bald erhoffte Rückgliederung der Saar überzeugenden Ausdruck zu verleihen.“372 Dass die Saarkampagne von den Fußballvereinen bereitwillig mitgetragen wurde, zeigte sich im Fall von Borussia Neunkirchen nicht nur an der hohen Anzahl der Gastspiele im Deutschen Reich, sondern auch an den Äußerungen der Vereinsfunktionäre. Im Rahmen der Jahresversammlung des Vereins im September 1934 kam Vereinsführer Dr. Hans Bernbeck, seines Zeichens Rechtsanwalt in Neunkirchen, auch auf die Teilnahme an der Saarkampagne zu sprechen. Die Nachfrage nach der „Borussiamannschaft zu Privatspielen im Reich“ sei so stark gewesen, dass man nur zum Teil den Rufen hätte Folge leisten können, zumal sowieso bereits „ein Überspieltsein der Mannschaft eingetreten sei.“ Jedenfalls, so wurde Bernbeck zitiert, „hätten alle Beteiligten bei den verschiedenen Saartreuekundgebungen unvergeßliche Stunden verlebt und ganz bestimmt hätte Borussia ihre Heimat stets ausgezeichnet. Der Ruf des Vereins habe in dieser Zeit viel gewonnen, und die Saarpropaganda habe durch diese Spiele eine enorme Bereicherung erfahren.“373

Während die Fußballspiele im Rahmen der Saarkampagne als politischer Inszenierungsraum genutzt wurden, kann zugleich von einer Selbstinszenierung des saarländischen Fußballs gesprochen werden. Die Motive zur Teilnahme an der Saarpropaganda waren vielschichtig. Dass sich die Fußballvereine an der Saar so 369 Berliner Zeitung am Mittag, 3.4.1934, archiviert in: BA Berlin, R 8014/735. 370 Saarbrücker Landes-Zeitung, 3.4.1934, archiviert in: BA Berlin, R 8014/735. 371 Siehe Paul Dittscheid: Art. Unsere Berliner Osterreise, in: Vereins-Nachrichten SV „Saar“ 05 Saarbrücken, April 1934, S. 4–6, hier S. 5. 372 Art. Osterfahrt der Ersten, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, April 1934. 373 Siehe Art. Jahresversammlung der Borussia, in: SWD, 5.9.1934, S. 4.

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selbstverständlich gegen den Status quo aussprachen, lag nicht nur daran, dass auch deren Mitglieder von den starken Nationalisierungstendenzen ergriffen worden waren und die in den bürgerlichen Sportvereinen herrschende Sportmentalität eine affirmative Haltung gegenüber den bestehenden politischen Systemen begünstigte.374 Es gab auch sportpragmatische Gründe, sich gegen politische Experimente auszusprechen. Als sich der FV Saarbrücken in seiner Vereinszeitung mit der unwahrscheinlichen Eventualität des Status quo auseinandersetzte, warnte er vor dem Ende gewachsener sportlicher Strukturen. Mit der Festschreibung des Status quo sei die Gefahr groß, dass in Konkurrenz zum DFB ein Saarländischer Fußballverband gegründet würde. Zudem würden die besten Spieler abgeworben werden und der „auf den engen saarländischen Raum angewiesene Sport würde stagnieren.“375 Tatsächlich gab es aus Sicht des zeitgenössischen Fußballsports keinen Grund, die über drei Jahrzehnte gewachsenen sportlichen Strukturen aufs Spiel zu setzen. Die Zustimmung zum „Dritten Reich“ in den Fußballerkreisen der Saar dürfte nicht nur derart ausgeprägt gewesen sein, weil diese in der saarländischen Bevölkerung in allen Gesellschaftsschichten dominierend war. Zudem waren es die positiven Erlebnisse der Saarländer im Reich, die für eine ausgesprochene Akzeptanz sorgten. Die neuen Machthaber hofierten die Sportler durch die Übernahme eines Großteils der Kosten für Fahrt, Übernachtung und Verpflegung und die umworbenen „treudeutschen“ Saarländer durften sich als anerkannt und wichtig vorkommen, weswegen sie aus ihrer Perspektive heraus keinen Anlass hatten, gegenüber dem „neuen Deutschland“ misstrauisch zu sein. Vielmehr schreckte die Fußballvereine die Aussicht eines Status quo, würden doch damit die in den vergangenen fünfzehn Jahren erlebten sportpolitischen Hindernisse nicht nur zementiert werden, sondern möglicherweise in die vollkommene Isolierung des saarländischen Fußballs führen. Trotz der Bekenntnisse zur „Volksgemeinschaft“ ist darauf hinzuweisen, dass die Fußballvereine auch in der Völkerbundszeit zunächst sich selbst die Nächsten blieben. Der Vereinspragmatismus äußerte sich auch in den Jahren der Saarkampagne im Bestreben, den sportlichen Erfolg und das Wohlergehen des eigenen Vereins über alles andere zu stellen. Dies kam nicht nur dann zum Vorschein, wenn bei den Vereinen der sportliche Sinn mancher Propagandaspiele hinterfragt wurde. In der Teilnahme an der Saarkampagne sahen die Verantwortlichen klare Vorteile für den eigenen Verein, ging es doch auch darum, diesen über die engen Grenzen hinaus bekannt zu machen und sein Prestige zu erhöhen. Die individuelle Teilnahme der einzelnen Fußballspieler und Vereinsmitglieder muss ebenso differenziert gesehen werden. Der Bericht Paul Dittscheids machte deutlich, dass der Aspekt der Reiselust und des Vergnügens nicht zu unterschätzen ist. Die Möglichkeit für viele Vereinsmitglieder, kostengünstig weite Fahrten an den Rhein oder bis nach Berlin zu machen, war sehr verlockend. Ludwig Linsmayer ist demnach zuzustimmen, wenn er diesen „Polit-Tourismus“ nicht 374 Vgl. LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 401. 375 Art. „Der Status quo“ und wir Fußballer, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Jg. 1934/35, Nr. 6, S. 12–14.

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zuletzt mit einem stetig wachsenden Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung in Zusammenhang bringt.376 Dies schließt nicht aus, dass die individuelle Politisierung und Nationalisierung durch Spielreisen und Teilnahmen an sportlichen Festen im Deutschen Reich stimuliert wurde. So wurde einerseits der lebensweltlich verankerte Patriotismus der saarländischen Bevölkerung angesprochen, andererseits wurde aber auch durch das stetige Treuebekenntnis das „Saarländisch-Sein“ als regionale Identität in hohem Maße gefördert. Die im Deutschen Reich seit 1933 vollzogene Gleichschaltung des Sports war in den letzten zwei Jahren vor der Volksabstimmung im Saargebiet nicht unbemerkt vor sich gegangen. Im folgenden Teilkapitel wird das Verhältnis der saarländischen Fußballvereine zu dieser Gleichschaltung thematisiert sowie der Werdegang der Fußballvereine im „Dritten Reich“ skizziert. 6.5 „Volksgemeinschaft“ und Vereinspatriotismus Der Saarfußball im „Dritten Reich“ 1933/35 bis 1939 Zum Saisonbeginn 1933/34 veröffentlichte der soeben gegründete Sportgau XIII Südwest in Sachen Fußball neue Richtlinien: Es werde erwartet, dass die Meisterschaftsspiele „im Sinne des neuen Deutschlands in einer durchaus anständigen und ritterlichen Weise ausgetragen werden.“ Verstöße würden unnachsichtig geahndet. Außerdem seien zu allen größeren Veranstaltungen künftig die Spitzen der Behörden und die Regierungsbeauftragten einzuladen. Der obligatorische Sportruf wurde dahingehend verändert, dass sich nach dem Spielabpfiff die Spielführer die Hand reichten und die unterlegene Mannschaft ein dreifaches „Sieg Heil“ auf den Sieger auszubringen habe. Allerdings galt dies nicht „auf saardeutschen Plätzen“, wo stattdessen ein dreifaches „Hipp-Hipp-Hurra“ zu erklingen hatte.377 Die Umwandlung des Sportgrußes im Sinne des „Dritten Reiches“ zeigt einerseits, wie detailliert in der Gleichschaltung des deutschen Fußballsports vorgegangen wurde, andererseits auch, wie vorsichtig die neuen Machthaber im noch nicht angeschlossenen Saargebiet agieren mussten. Im sich anbahnenden Abstimmungskampf war sich die Regierungskommission der politischen Indienstnahme sportlicher Veranstaltungen bewusst. Im September 1933 wurden daher auf Anweisung der Direktion des Innern nicht nur Umzüge grundsätzlich verboten. Auch bei sportlichen Kundgebungen durften nur Redner das Wort ergreifen, deren Namen und deren Redetexte der Direktion zuvor mitgeteilt worden waren. Seit Ende Oktober 1933 konnten zudem Mannschaften aus dem Reich nur noch einreisen, wenn sie zuvor einen entsprechenden Antrag bei der Direktion des In-

376 Vgl. LINSMAYER: Politische Kultur (1992), S. 425. 377 Siehe Richtlinien über die Durchführung der Meisterschaftsspiele, in: SWD, 30.8.1933, S. 7; Amtliche Bekanntmachungen des Gaues XIII, Bezirk Saar, in: SWD, 13.9.1933, S. 8.

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nern der Regierungskommission gestellt hatten.378 Gleichwohl konnte die Regierungskommission nicht verhindern, dass viele der bürgerlichen Fußballvereine noch im Jahr 1933 bereitwillig das neue Führerprinzip einführten und sich zumindest verbal in den Dienst des „neuen Deutschlands“ stellten. In der sporthistorischen Forschung in Deutschland wird bis heute die Frage nach der Mittäterschaft der Sportvereine im Nationalsozialismus kontrovers diskutiert. Die Diskussionen um Interpretationen wurden bis zuletzt heftig geführt, wie die zum Teil emotional geführten Kontroversen um die ideologische Affinität der Fußballverbände und -vereine zeigen.379 Ohne diese hier im Detail aufgreifen zu wollen, zeigen sie, wie komplex die Beurteilung eines kulturellen Massenphänomens wie das des Fußballs in Bezug auf den Nationalsozialismus sein kann. Gerade weil die Frage, inwieweit und in welchem Umfang sich der Nationalsozialismus auf die deutsche Gesellschaft ausgewirkt hat – eine Frage, die Ian Kershaw zufolge zu den komplexesten überhaupt gehört380 –, ist vor einer pauschalisierenden Betrachtungsweise des Sports im „Dritten Reich“ zu warnen. Es ist daher von Bedeutung, dass sich eine Regionalgeschichte des Fußballs im „Dritten Reich“ als „Korrektiv einer zu abstrakten, zu sehr verallgemeinernden Strukturgeschichte des NS-Regimes“381 versteht. Regional-, Lokal- und Vereinsstudien erhalten daher zurecht eine Schlüsselrolle.382 Vereinsstudien zum FC Schalke 04 und dem 1. FC Kaiserslautern zeigten zuletzt, dass die Geschichte des DFB nicht eins zu eins auf die Vereine übertragen werden kann, dass beispielsweise die Verbandspolitik an der Basis kaum aufgenommen wurde.383 Es herrscht mittlerweile Konsens, dass die Geschichte des Fußballsports im „Dritten Reich“ Forschungen benötigt, welche die Alltäglichkeit des Fußballs an der Basis abzubilden vermögen. Skizziert werden soll im Folgenden der Werdegang der großen Fußballvereine an der Saar von den Jahren 1933 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die vereinszentrierte Sicht schließt eine Betrachtung der kommunalen und regionalen Sportentwicklung und -politik nicht aus, kam es auf letztgenannter Ebene doch zu personellen Verflechtungen mit der Vereins- und Verbandsebene. 378 Allgemeine Anweisung der Direktion des Innern, 8.9.1933, in: PAAA, R 75865; Art. Einreiseerlaubnis für die Spiele im Saargebiet, in: DFB: Fußball-Taschenkalender 1934/35 für die Gaue XIII, XIV, XV und XVI. 379 Der sog. „Fußball-Historikerstreit“ fußte auf der Monografie Nils Havemanns zur Geschichte des DFB im „Dritten Reich“ und dessen umstrittener „Ökonomie-These“, nach welcher der DFB in erster Linie wirtschaftlich-pragmatisch und weniger ideologisch agiert habe. Den Fußball-„Historikerstreit“ an der Schwabenakademie Irsee zusammenfassend HERZOG: Eigenwelt (2008), S. 29–31. Zur Gegenposition zu Havemann, in der das Primat der Ideologie Eingang findet, vgl. PEIFFER/SCHULZE-MARMELING: Vorwort (2008), S. 10–14. 380 Vgl. KERSHAW: Der NS-Staat (2006), S. 246–278. Zu den historiografischen Entwicklungstendenzen siehe S. 356–403. 381 Zur regionalgeschichtlichen Perspektive SCHWARTZ: Regionalgeschichte (1996), hier S. 200. 382 Vgl. HERZOG: Fußballsport (2009), S. 59f. In diesem Sinne auch BECKER: Zwischen (Selbst-) Gleichschaltung (1995), S. 24, BAHLKE/CACHAY: Vereins-Sozialisation (2002), S. 171. 383 EISENBERG: Aus der Geschichte lernen (2007), S. 575. Zu Schalke 04 siehe GOCH/SILBERBACH: Zwischen Weiß und Blau (2005), zum 1. FC Kaiserslautern siehe HERZOG: Der Betze (2006).

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Als sich am 15. Mai 1933 Parteivertreter des Saargebiets in Berlin mit Reichskanzler Adolf Hitler trafen, wurde in Hinblick auf den Abstimmungskampf an der Saar die Bildung eines parteiübergreifenden Aktionsausschusses beschlossen, welcher zwei Monate später in der ersten Deutschen Front an der Saar münden sollte, einem Parteibündnis der bürgerlichen Saarparteien und der NSDAP.384 Angeregt wurde auf dieser Sitzung, für die Abstimmungsarbeit auch die Gewerkschaften, die kulturellen Organisationen sowie die Sportverbände „in zweckentsprechender Weise heranzuziehen.“385 Tatsächlich war es bereits zehn Tage zuvor im Saarbrücker Rathaus zu einer entsprechenden Zusammenkunft saarländischer „nicht politischer Verbände“ gekommen.386 Mit Karl Burk als Vertreter für die Turnerschaft und Max Hempel für die Fußballvereine fanden sich zwei altgediente Funktionäre ein, die sich bereits seit Jahren in der Saarkampagne einen Namen gemacht hatten. Zudem erschienen Vertreter des Schwimmverbandes, des Bundes der Frontsoldaten, des Kyffhäuser-Bundes und mit Dr. Hermann Schulz auch der Leiter des Saarbrücker Stadtamts für Leibesübungen. Eingeladen zur Besprechung hatte Dr. Hans Bongard, Stadtschulrat und Vorsitzender des Saarländischen Sängerbundes. Verhandelt wurden Grundsatzfragen zur Bildung eines saarländischen Aktionskomitees für den Abstimmungskampf des Saargebiets. Vor der Ernennung eines Vorsitzenden sollten die einzelnen Vertreter ihre jeweiligen Organisationen und Verbände ihrerseits zur Bildung eines Aktionskomitees befragen. Über die weitere Entwicklung der Vorgänge informierte Otto Becker, der Vertreter des Stahlhelms, des Bundes der Frontsoldaten, die deutschen Regierungsstellen. Obwohl aus Furcht vor französischer Spionage ausdrücklich nichts schriftlich festgehalten werden sollte, so berichtete Becker, sei er noch am selben Abend von einem Stadtboten im Auftrag Bongards aufgesucht worden, um eine für die deutsche Regierung bestimmte Entschließung zu unterschreiben. In dieser setzten die „unterzeichnenden nationalen Verbände“ die Regierung in Kenntnis, dass man eine Arbeitsgemeinschaft gegründet habe, deren Ziel es sei, „die Saarbevölkerung in einer geschlossen nationalen Kampffront zusammenzuschließen.“ Gebeten wurde um eine regierungsseitige Ernennung eines Vorsitzenden und um entsprechende Vollmachten. Der weitere Hergang der Ereignisse ist nicht mehr im Detail zu rekonstruieren. Jedenfalls verweigerte Otto Becker gegenüber dem Stadtboten seine Unterschrift, da er sich zuerst der Zustimmung seines Bundes vergewissern wollte. Da er zudem fürchtete, dass gewisse Herren der Veranstaltung und auch Bongard möglicherweise Doppelagenten sein könnten, setzte er einen entsprechenden Bericht für die deutschen Regierungsstellen auf. Fest steht auch, dass Bongard bereits am nächsten Tag nach Ber-

384 Zur Bildung der zweiten Deutschen Front kam es im Herbst 1933, nachdem sich die bürgerlichen Parteien an der Saar auflösten und sich unter Führung der NSDAP gleichschalteten. Vgl. hierzu knapp LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 40f. 385 Siehe Besprechungsprotokoll vom 15.5.1933, in: PAAA, R 75859. 386 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen ausführlichen Bericht Otto Beckers, der unter anderem auf die Besprechung eingeht. Siehe PAAA, R 75862.

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lin fuhr und dass die Entschließung – ohne die persönliche Unterschrift Beckers – im Saarreferat des Auswärtigen Amts landete.387 Das Engagement Bongards dürfte sehr bald im Sande verlaufen sein. Denn noch im selben Jahr wurden die Fäden zur Koordinierung des Abstimmungskampfes neu gesponnen, wenngleich die Kompetenzen in Sachen Saarpropaganda sich weiterhin überschnitten. So wurde 1934 das Propagandaministerium zuständig für die Saarpropaganda, wobei das Reichsinnenministerium für die Pflege des Schulund Sportwesens verantwortlich blieb.388 Zugleich wurde Theodor Schlemmer offenbar im Herbst 1933 zum Beauftragten des Reichssportführers im Saargebiet ernannt. In dieser Funktion trat Schlemmer, seines Zeichens langjähriger Fußballfunktionär und NSDAP-Mitglied, zunehmend in Erscheinung. Er übte im Herbst 1933 seinen Einfluss in Saarbrücken dahingehend aus, dass sich die Sportvereinigung 1905 Saarbrücken und der SC Saar 05 im Oktober 1933 zum SV Saar 05 Saarbrücken zusammenschlossen, und hielt auf Sportwerbeveranstaltungen Vorträge.389 Vorausgegangen war bis Herbst die nationalsozialistische Gleichschaltung des Sports im Deutschen Reich und im Saargebiet. Nachdem der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen Anfang Mai 1933 aufgelöst worden war, wurden am 24. Mai 1933 die Leitsätze zur Neuordnung der Deutschen Leibesübungen bekannt gegeben, welche unter anderem die Bildung eines Reichsführerrings und eine Zentralisierung der Organisationsstrukturen unter dem Führerprinzip vorsahen. Am 19. Juli wurde der bisherige Reichssportkommissar Hans von Tschammer und Osten zum Reichssportführer ernannt.390 Erst 1934 sollte der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen (DRL) zur Dachorganisation des Sports mit einer Binnengliederung nach dem Fachprinzip ausgebaut werden.391 Bei den bürgerlichen Sportverbänden war die Gleichschaltung im Sommer 1933 erfolgt. Allerdings handelte es sich dabei weniger um eine geordnete Gleichschaltung als vielmehr um einen Prozess der Anpassung, der im Frühjahr mit einem „Wettlauf der bürgerlichen Verbände um die Gunst der Machthaber“392 begonnen hatte. Reale Existenzängste und wirtschaftliche Interessen der Verbandsfunktionäre paarten sich dabei mit Sympathien für die Idee der Volksgemeinschaft und dem gefühlten

387 Archiviert wird die Entschließung im Original in der Privatkorrespondenz des Saarreferats des Auswärtigen Amtes. Siehe PAAA, R 75931. 388 JACOBY: Die nationalsozialistische Machtübernahme (1973), S. 127. 389 Einen Vortrag hielt Schlemmer beispielsweise beim FV Püttlingen 08 im November 1933. Siehe HERRMANN: Püttlingen (2008), S. 302–310. 390 Mit einher gegangen war die Zerschlagung der Arbeitersportbewegung im Deutschen Reich sowie das Verbot konfessioneller Vereine. Ausführlich VIEWEG: Gleichschaltung (1985), S. 249–253; zu den Erwartungen der Sportverbände und der glücklosen Taktik des DRA im Frühjahr 1933 vgl. BECKER: Den Sport gestalten, Bd. III (2009), S. 11–94; BERNETT: Sportpolitik (1971), S. 21–32. 391 EISENBERG: English Sports (1999), S. 394–396. 392 BERNETT: Schulter an Schulter (1990), S. 63.

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nationalen Aufbruch in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“.393 Ganz nach dem Willen der führenden DFB-Funktionäre um Felix Linnemann wurde auch das föderative Prinzip des deutschen Fußballs durch einen rigiden Zentralismus gemäß des Führerprinzips ersetzt.394 In der Folge wurden die sieben Landesverbände aufgelöst und das Reichsgebiet in sechzehn Sportgaue eingeteilt. Die Auflösung betraf demnach auch den Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverband. Am 6. August 1933 wurde in Stuttgart ein außerordentlicher Verbandstag einberufen, auf welchem der Vorsitzende Paul Flierl die von Berlin aus vorgeschriebene Auflösung des Verbandes vornahm und die Eingliederung des süddeutschen Fußballs in die neuen Strukturen des DFB ankündigte.395 In seiner Funktion als Bundesführer ernannte Felix Linnemann die einzelnen Gauführer im Fachamt Fußball. Für den Gau XIII Südwest handelte es sich dabei mit Wilhelm Raßbach um einen altgedienten Funktionär des süddeutschen Fußballs, der bereits seit zwanzig Jahren wichtige Posten im Verband bekleidet hatte. Für den Meisterschaftsbetrieb bedeutete die neue Gaueinteilung eine Verschlankung der ersten Klasse. Nunmehr 160 Vereine spielten in den zehn erstklassigen Gauligen, deren jeweilige Sieger den Meister unter sich ausspielten.396 Im saarländischen Sport kam es trotz der bestehenden Grenzen bereits 1933 auf breiter Front zur offenen Einführung des Führerprinzips,397 die dadurch erleichtert wurde, dass die Regierungskommission bei Privatvereinigungen dies rechtlich nicht verhindern konnte.398 Geradezu beseelt von der neuen „Volksgemeinschaft“ und vom Aufbruch in eine vermeintlich bessere Zukunft schienen die Veranstaltungen und Versammlungen vieler saarländischer Fußballvereine im Jahr 1933 zu sein. Den Anfang machte am 1. Mai 1933 der Stadtverband zur Förderung der Leibesübungen in Saarbrücken – eingebettet in eine Versammlung, die vom Aufmarsch der Sportler und Turner und dem Abspielen des großen Zapfenstreiches begleitet wurde. Während der Versammlung wurde Hitlers Rede zum 1. Mai auf dem Tempelhof in Berlin live in den Saal übertragen. Als Redner traten anschließend mit Carl Friedrich Eckert und Karl Brück zwei bekannte NSDAPVertreter aus Saarbrücken auf.399 Unter großem Beifall sprachen sie von der Er393 So auch Rudolf Oswald, der für die Anbiederung der Sportverbände an die Politik weder rein ideologische noch rein ökonomische Gründe gelten lässt. Vgl. OSWALD: FußballVolksgemeinschaft (2008), S. 43. 394 Zur Zentralisierung des Fußballs vgl. ausführlich HAVEMANN: Fußball (2005), S. 114–119. 395 SFV: Festschrift 100 Jahre, S. 14f. 396 KOPPEHEL: Geschichte (1959), S. 189–191. 397 Das in den Satzungen verankerte Führerprinzip stellte ein wesentliches Mittel der Gleichschaltung dar. In den Vereinen herrschte Vieweg zufolge eine vergleichsweise milde Form, da die Mitgliederversammlung dem zuständigen Kreisführer einen Vereinsführer vorschlagen durfte und ihr weiterhin bestimmte Rechte zustanden. Vgl. VIEWEG: Gleichschaltung (1985), S. 258. 398 JACOBY: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme (1973), S. 110. 399 Carl Friedrich Eckert war seit 1929 NSDAP-Stadtratsmitglied in Saarbrücken und stellvertretender Gauleiter. Karl Brück (1895–1964) war 1931–1933 Gauleiter der NSDAP im Saargebiet, saß für seine Partei im Landesrat des Saargebiets und war Organisationsleiter der Deutschen Front. Vgl. PAUL: Die NSDAP (1987), S. 180f, 281.

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neuerung des deutschen Volkes, der Größe der Idee nationalsozialistischer Reichsgestaltung und von den Pflichten und Aufgaben aller Volksgenossen. Geradezu programmatisch musste der noch am selben Abend erfolgte Wiedereintritt des ausgetretenen Rasensportverbandes gewirkt haben.400 In ähnlicher Weise wurde die Gleichschaltung in den Vereinen zelebriert. Die Generalversammlung von Borussia Neunkirchen wurde im Pressebericht mit „Im neuen Geist auf neue Art“ betitelt. Aufmachung und Abwicklung der Veranstaltung seien in Übereinstimmung mit der Umgestaltung des Sportwesens im Reich vollzogen worden: „Der Halbergsaal war mit Fahnen, Wappen und Blumen geschmückt und klingende Marschmusik der beliebten Feuerwehrkapelle unter Leitung von Musikmeister Karl Schmeer, ehemals 2. Vorsitzender der Borussia, empfing die Eintretenden. (…) Der Vergangenheit gehören die Versammlungen an, wo nach dem Vorbild der Parlamente jede Gruppe vor allen ihre Interessen verfocht und wo in der Hitze des Gefechts auch vor persönlichen Verunglimpfungen oftmals nicht Halt gemacht wurde.“401

Der bisherige Vereinsvorsitzende Dr. Hans Bernbeck wurde „zum Führer der Borussia erkoren (…), der unter donnerndem Hurra das Amt übernahm.“ Bernbeck, seit 1929 Vorsitzender der Borussia, stand als Rechtsanwalt – wie so viele seines Standes – dem Nationalsozialismus nahe. Im Juni 1933 war er bereits der NSDAP beigetreten. Später wurde er Kreisrechtsamtleiter und politischer Leiter in der SA.402 Unter seiner Führung war der Verein Anfang der dreißiger Jahre in eine Existenzkrise geraten, die erst 1933 endgültig überwunden werden konnte. Für den Verein bedeutete das Jahr 1933 daher auch in dieser Hinsicht einen Neubeginn. Zum Abschluss der Versammlung trug Kapellmeister Schmeer „seine neueste Schöpfung ‘Ruf nach Deutschland’“ vor. Das Deutschland- und Horst-WesselLied erklangen, „und zu allerletzt ging man frohen Herzens auseinander“.403 Treuekundgebungen bei Vereinsveranstaltungen wurden zur Selbstverständlichkeit. Beim Festabend zum dreißigjährigen Jubiläum des FV Saarbrücken beendete der Vorsitzende Peter Kalter seine Ausführungen „mit einem Treuegelöbnis an das Reich, den Führer und an die deutsche Fußballbewegung. Das Deutschlandlied schloß sich an.“404 Noch im August wählte der Verein auf einer außerordentlichen Hauptversammlung seinen Vorsitzenden zum Vereinsführer, „den neuen Kurs einmütig bejahend.“405 Als im März 1934 die Regierungskommission die Präsenz reichsdeutscher Parteien im Saargebiet – und damit auch der NSDAP – verbot, wurde im Saargebiet die dritte „Deutsche Front“ gebildet. Diese Organisation, die von Anfang an in der Bevölkerung einen starken Rückhalt fand, glich in ihren Strukturen der 400 401 402 403

Art. Unter neuen Fahnen, in: SWD, 3.5.1933, S. 1. Art. Generalversammlungen der Vereine, in: SWD, 19.7.1933, S. 5. Vgl. Kurzbiografie, in: WETTMANN-JUNGBLUT: Rechtsanwälte (2004), S. 484. Art. Generalversammlungen der Vereine, in: SWD, 19.7.1933, S. 5. Zur Finanzkrise der Borussia siehe Art. Neunkircher Rechtfertigung, in: SWD, 20.4.1932, S. 4; Art. Neunkirchen: Jahreshauptversammlung, in: SWD, 22.6.1932, S. 4. 404 Art. 30 Jahre Fußballverein Saarbrücken, in: SWD, 7.8.1933, S. 6. 405 Art. Außerordentliche Hauptversammlung des FV Saarbrücken am 19.8.1933, in: SWD, 23.8.1933, S. 7.

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NSDAP.406 So wurde auch an der Saar innerhalb der Deutschen Front im März 1934 ein Sportführerring gegründet, dessen Vorsitzender Dr. Wilhelm „Willi“ Neu wurde. Neu hatte sich als Sportler in den zwanziger Jahren einen großen Namen gemacht. Er war nicht nur erfolgreicher Fußballspieler beim SC Saar 05 und bei Borussia Neunkirchen gewesen, sondern war auch als Leichtathlet und als Gründer des Leichtathletikvereins Deutscher Sport-Club Saarbrücken in Erscheinung getreten.407 Der Sportführerring wirkte auf die Sportvereine propagandistisch ein. Nicht unkritisch äußerte sich Erich Menzel rückblickend, dass der Sportführerring sich „so intensiv in die Werbung für die Rückkehr ins Reich“ eingesetzt habe, dass die sportlichen Ziele der Vereine teilweise verloren gegangen seien. Allerdings sei das „höhere Ziel“ gewonnen worden. Diesem gemeinsamen Ziel der Rückkehr ins Reich war es auch geschuldet, dass die Fußballvereine sogar am Tag der Abstimmung von der Landesleitung der Deutschen Front Aufgaben übertragen bekamen. So führte der FV Saarbrücken in deren Auftrag den Motor-Zubringerdienst für den Ortsteil Malstatt durch.408 Im Juni 1934 bot die Fußball-Weltmeisterschaft in Italien der Deutschen Front die Möglichkeit zur Inszenierung der „neuen Volksgemeinschaft“. Anlass war die Rückkehr des Nationalstürmers Edmund Conen in das Saargebiet. Der Spieler des FV Saarbrücken galt in den dreißiger Jahren als eines der größten deutschen Stürmertalente. Bereits als Sechzehnjähriger hatte er sein Debüt in der ersten Mannschaft gegeben und war 1932 in die süddeutsche Auswahlelf berufen worden.409 Im Alter von 19 Jahren wurde er 1934 in das deutsche WM-Aufgebot berufen und wurde durch einen Hattrick im Vorrundenspiel gegen Belgien auch auf nationaler Ebene zum populären Fußballstar.410 Der erste saarländische Nationalspieler wurde deshalb auch für die Saarpropaganda interessant, weswegen seine Rückkehr nach Saarbrücken entsprechend inszeniert wurde. Zumindest wurde zeitgenössisch der Empfang Conens, dem angeblich Zehntausende beiwohnten, als eine mächtige „Kundgebung der Volksverbundenheit des Fußballsports“ wahrgenommen.411 Dem Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken zufolge kreisten die Feierlichkeiten trotz der Beteiligung der Deutschen Front in erster Linie um den eigenen Verein, die „FVS-Familie“:

406 Einem Untersuchungsbericht der Regierungskommission zufolge war die Deutsche Front die Nachfolgeorganisation der NSDAP Saar. Siehe Rapport de la Commission de Gouvernement sur les activités de la „Deutsche Front“, 6.11.1934, in: Archives de la SDN, C 571. 407 Art. Dr. Willi Neu als Aktiver, in: SWD, 25.3.1934. 408 Erich Menzel: Art. Die politische Sendung des deutschen Sports, in: SWD, 7.4.1935; Rubrik „Querschnitt“, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Februar 1935, S. 3. 409 Siehe ausführlich Art. Der neue Mittelstürmer der deutschen Fußballelf, in: Saarbrücker Zeitung, 7.1.1934. 410 Das Spiel gegen Belgien am 27.5.1934 fand in Florenz statt endete mit 5:2 Toren für Deutschland. Edmund Conen (1914–1990) spielte 28 Mal für Deutschland. 1935–1938 musste er wegen einer Herzneurose das Fußballspielen zwischenzeitlich aufgeben. Vgl. BITTER: Deutschlands Fußball (2000), S. 104. 411 Art. Ein Fußballjahr geht zur Neige, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken Juli 1934, S. 4.

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Die getrennten Wege an der Saar und in der Moselle „In der schmucken kleidsamen Uniform der deutschen Ländermannschaft stieg Conen aus dem Zug, begleitet von unserem Vereinsführer Peter Kalter. Der Prolog des Jungmanns Richard Lenhof und die Überreichung eines großen Lorbeerkranzes durch Herrn Rheinländer auf dem Bahnsteig waren die ersten Ehrungen. (…) Vor dem Bahnhof stand unsere erste Elf geschlossen in Dreß, dicht umschlossen von den Massen, und unser Sportlehrer Wellhöfer brachte ein begeistert aufgenommenes „Sieg Heil!“ auf den Heimgekehrten aus. Dann ging es in fast endlosem Zug, unter Vorantritt der Blaskapelle, die St. Johanner Straße hinab.“412

Am Kameradschaftsabend, welcher der Vereinszeitung zufolge endlich wieder einmal die ganze „FVS-Familie“ vereint sah, nahmen auch Vertreter anderer Fußballvereine und der Deutschen Front teil. Der Neunkircher Dr. Bernbeck betonte in seiner Rede, dass die Feier Conens keine lokale Angelegenheit sei. Conen gehöre dem ganzen Saargebiet, dem ganzen deutschen Vaterlande. Schaub, der Vertreter der Deutschen Front, setzte die sportliche Qualität Conens in direkten Bezug zur anstehenden Saarabstimmung. In seiner Rede „gab [er] der Hoffnung Ausdruck, daß dieselbe Kameradschaft, dieselbe Zielbewusstheit und Willensverdichtung, die heute Conen zum deutschen Mittelstürmer qualifizierte, jeden bis zum letzten Mann auch am 13. Januar nächsten Jahres beseelen möge.“413

Der junge Conen selbst fühlte sich angesichts der Inszenierung seiner Rückkehr und seiner Persönlichkeit offensichtlich nicht wohl, wie der Sportpresse zu entnehmen war: „Als Conen von dem geplanten Empfange hörte, schien er von dem ‘Balawer’ sichtlich geniert, so groß auch seine Freude war, unter seinen Heimatgenossen und Klubkameraden nach den Tagen des Sieges zurückzukehren. Er hat sich denn auch den Ehrungen bald entrückt und war schon mit den Spielern der ersten Elf beim kommenden Kampf gegen den FKP [FK Pirmasens] beschäftigt.“414

Wie der Fußballspieler, so ging auch der Verein sehr rasch zur Tagesordnung über. So sehr auch der Verein nach außen die Umbildungsmaßnahmen im deutschen Sport begrüßt hatte, so sehr hatten auch kritische Äußerungen gegenüber höheren Stellen Kontinuität, wenn es um die sportlichen Belange des eigenen Vereins ging. Als 1933/34 die neue Gauliga Südwest eingeführt wurde, musste der FV Saarbrücken in das zweite Glied rücken. Diese Zurückstellung, so schrieb der Funktionär Reinhard Lenhof, sei für den Verein ungünstig gewesen, sei ihm doch dadurch der Breitensport und die wichtige Arbeit im „umstrittenen Grenzland“ erschwert worden.415 Überhaupt blieb trotz der Beschwörung einer „Volksgemeinschaft“ auch im „Dritten Reich“ – wie in den vergangenen Jahrzehnten – der eigene Verein das Maß aller Dinge. Aus dem Jahr 1934 stammt ein Vereinslied des FVS, das einzig 412 Art. Wir feiern unseren Internationalen, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Juli 1934, S. 8. 413 Art. Wir feiern unseren Internationalen, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Juli 1934, S. 9. 414 Art. 5000 waren im Ludwigspark, in: SWD, 17.6.1934, S. 3. 415 Reinhard Lenhof: Art. Gedanken um die Jahreswende, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Januar 1934, S. 2.

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und allein den Verein zum Kosmos allen Tuns erhöht und dessen Farben das Vereinsmitglied sogar bis in den Tod begleiten. So heißt es in der dritten Strophe: „Und wenn ich einst gestorben bin und lieg im Totenschrein, als tapfrer FVSpieler will ich begraben sein. Einen Fußball setzt mir auf mein Grab, ein Fähnlein in die Hand und um die kalte Brust schlingt mir das blau und schwarze Band.“416

Hans Jeanrond, Jugendwart des SV Saar 05 Saarbrücken und späterer Dietwart, betonte ebenso den Vereinspatriotismus, wenn er 1934 in einem Reim analog zur Vaterlandstreue die Treue zum eigenen Verein beschwor: „Das Fundament unseres Vereins ist kerngesund, Deswegen seid unbesorgt, die Jugend tut kund: Dem Verein zu dienen, ihn immer zu erhalten, So lautet der Treueschwur der Jungen und Alten!“417

Trotz der unübersehbaren Kontinuitäten im internen Vereinsleben hatten die durch den Nationalsozialismus veränderten Rahmenbedingungen Folgen für die Entwicklung der Fußballvereine. Dies äußerte sich in der Jugendarbeit ebenso wie in der bloßen Existenzfrage, wenn es darum ging, kleinere Vereine zu großen Vereinen zu fusionieren. Vor allen Dingen manifestierte sich der Nationalsozialismus im sogenannten Dietwesen. Diese Art der nationalsozialistischen Bildungsarbeit wurde im April 1934 eingeführt. Dietwarte sollten auf allen Ebenen – vom Reichs- bis zum Vereinsdietwart – die NS-Weltanschauung im Sport propagieren. Das Dietwesen als Kernbestandteil der nationalsozialistischen Leibeserziehung im deutschen Fußball durchzusetzen, war ein Ziel, das sich vor allem Guido von Mengden, seit 1933 Pressewart des DFB und NSDAP-Mitglied, zum Ziel gesetzt hatte.418 In der historischen Forschung wird die Dietarbeit in den Sportvereinen wiederholt als Beispiel herangezogen, um aufzuzeigen, dass sportpolitische Verordnungen im „Dritten Reich“ an der Basis oftmals ignoriert wurden. Gerade das Dietwesen sei bei den Sportlern und Vereinsmitgliedern wenig beliebt gewesen.419 Tatsächlich hatte bis 1937 noch knapp jeder vierte Sportverein in Deutschland keinen Vereinsdietwart ernannt, und noch 1938/39 sprachen die geheimen Lageberichte des Sicherheitshauptamtes von einem Versagen des Dietwesens im Sport.420 Bernhard Schwank, der das Dietwesen im Gau Hessen416 Gesungen wurde das Lied zur Melodie des Andreas-Hofer-Liedes „Zu Mantua in Banden“. Siehe Art. Lied des FVS, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Februar 1934. 417 Hans Jeanrond: „Jahresbericht der Jugendabteilung 1933/34“, in: Vereins-Nachrichten SV Saar 05 Saarbrücken, Nov./Dez. 1934, S. 11. 418 Guido von Mengden (1898–1982) wurde 1936 Generalreferent des Reichssportführers und leitete mit dem NS-Sport das offizielle Organ des Reichsbundes für Leibesübungen. Zu Mengden ausführlich BERNETT: Guido von Mengden (1976), hier S. 29. Vgl. auch TAUBER: Vom Schützengraben (2008), S. 412. Zum Dietwesen im „Dritten Reich“ ausführlich: BERNETT: Nationalsozialistische Leibeserziehung (²2008), S. 291–303. 419 Vgl. OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft (2008), S. 296f.; HERZOG: Eigenwelt (2008), S. 14; EISENBERG: English Sports (1999), S. 404; LÖFFELMEIER: Die »Löwen« (2009), S. 8588; KOLBE: Der BVB (2002), S. 115. 420 Erster Vierteljahreslagebericht 1939 des Sicherheitshauptamtes, publiziert in der Quellenedition BOBERACH: Meldungen aus dem Reich (1984), Bd. 2, S. 286.

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Nassau untersuchte, kam zu dem Urteil, dass die Dietwartdichte stark von der politischen Führung im Kreis abhing.421 In den Fußballvereinen an der Saar wurde das Dietwesen in der Regel erst nach der Volksabstimmung 1935 eingeführt. Jedoch war es auch in der Völkerbundszeit gerade bei den Turnvereinen – in welchen das Dietwesen traditionell verankert war – zur Veranstaltung von Dietabenden gekommen, in welchen nationalistische Themen dominierten. Sie waren jedoch genehmigungspflichtig und wurden seit 1934 zuweilen von Landjägern dahingehend überwacht, ob verbotene Uniformen oder Abzeichen getragen wurden. Gleichwohl konnte die Regierungskommission nicht verhindern, dass Vereine wie der TV Völklingen seine öffentlichen Dietabende der NSDAP und der Deutschen Front zur Kultur- und Volkstumsarbeit zur Verfügung stellte.422 Die großen Fußballvereine in Saarbrücken – der FV Saarbrücken ebenso wie der SV Saar 05 – bemühten sich nach der Rückkehr ins Deutsche Reich sehr darum, die Dietarbeit im Verein zu installieren. Im März 1935 übernahm im FV Saarbrücken mit Dr. Michael Hammes ein Redaktionsmitglied des Vereinsnachrichtenblattes die Aufgaben des Dietwarts. Er sollte ein „Wart des völkischen Gedankengutes und der nationalsozialistischen Weltanschauung“ sein.423 Am 8. Mai 1935 fand der erste Dietabend der ersten Mannschaft statt, wobei die Ausführungen „mit großem Interesse aufgenommen“ worden seien. Dem Vereinsnachrichtenblatt zufolge wurden die Vorträge des Dietwarts in den Spielersitzungen – dies gilt zumindest für die ersten Monate – zu einer festen Einrichtung. Bei den Themen, die von Hammes aufgegriffen wurden, handelte es sich um Schlachten vergangener Kriege, um die „am meisten erniedrigenden Paragraphen des Versailler Schandvertrages oder um sonstige Fragen und Begebenheiten des völkischen Lebens der deutschen Nation.“424 Beim SV Saar 05 Saarbrücken nahm mit Hans Jeanrond ein altgedienter Vereinsfunktionär die Aufgaben des Dietwarts wahr. Die Dietabende, die ab Mai 1935 jeden Donnerstag um 20.30 Uhr auf dem Sportplatz Kieselhumes stattfanden, waren für alle aktiven und inaktiven Mitglieder verpflichtend. Ein vollzähliges und rechtzeitiges Erscheinen wurde vom Vereinsdietwart auch zum Diet- und Kameradschaftsabend am 15. Juni 1935 erwartet. An diesem Abend trug Jeanrond die einzelnen Themen der völkischen Prüfung vor.425

421 SCHWANK: Weltanschauliche Schulung (2000), S. 173. 422 Am 3. März 1934 wurde ein Dietabend des TV Völklingen überwacht. Das Thema lautete: „Deutsche Männer aus großer Zeit“. Siehe Bericht über den Dietabend des TV Völklingen, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 313. Zur Verbindung des Vereins zur Deutschen Front siehe Bericht des TV Völklingen, 7.6.1936, in: StA Völklingen, A 507. 423 Rubrik „Querschnitt“, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Mai 1934. 424 Rubrik „Querschnitt“, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Juni 1934. 425 Die sechs Themen lauteten: 1. Jahns Stellung zu Volkstum, Wahrhaftigkeit und Einheit, 2. Körper und Geist, 3. Ariertum und Judenfrage, 4. Der Kriegsschuldparagraph, 5. Der Grenzlandkampf an der Saar, 6. Die Stellung der Leibesübungen im Parteiprogramm und im Urteil des Führers. Siehe Veranstaltungshinweis und Programm, in: Vereins-Nachrichten SV Saar 05 Saarbrücken, März/Mai 1935, S. 9.

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Inwiefern die Dietarbeit in den Fußballvereinen verbreitet war und von den Sportlern und Mitgliedern angenommen wurde, ist letztlich nicht mehr konkret zu ermitteln. Zumindest in den ersten Monaten nach der Rückgliederung sorgte die Abstimmungseuphorie dafür, dass sich der Saarbrücker Kreisdietwart über guten Besuch seiner Schulungsabende freuen konnte. Auf lange Sicht ist jedoch davon auszugehen, dass bei kleineren Fußballvereinen die Dietarbeit vernachlässigt wurde. So bemängelte 1938 der Kreisdietwart der Nordsaar, dass noch immer viele Vereine keinen Dietwart gemeldet hätten. Noch im Kriegsjahr 1942 fühlte sich der Bezirksdietwart von Saarbrücken bemüßigt, säumige Vereine aufzufordern, umgehend einen Dietwart zu benennen.426 Der Nationalsozialismus hatte sich im Saarland sehr rasch etabliert. Wie im übrigen Reich wurde auch hier nicht nur die „Volksgemeinschaft“ inszeniert. Auch an der Saar kam es zum völkisch-rassistischen Terror gegen tatsächliche oder vermeintliche „Gemeinschaftsfeinde“.427 Wenngleich dies noch im Einzelnen erforscht werden muss, ist davon auszugehen, dass die Ausgrenzung jüdischer Sportvereinsmitglieder an der Saar insgesamt jener im Deutschen Reich entsprochen haben dürfte. Gleichwohl war der Druck auf die Vereine zunächst nicht so groß wie im übrigen Deutschland, wo vielerorts den Vereinen wirtschaftliche und finanzielle Nachteile drohten, wenn sie den Vorgaben ihrer Verbände nicht gefolgt wären.428 Die Einführung des „Arierparagraphen“ in den saarländischen Turnvereinen war daher einerseits dem Druck der Deutschen Turnerschaft geschuldet, die bereits im April 1933 den Ausschluss jüdischer und marxistischer Turner aus den Vereinen verfügte.429 Andererseits entsprach die „Arisierung“ auch dem wachsenden Antisemitismus an der Saar seit den frühen dreißiger Jahren und insbesondere seit 1933. So mahnte im Februar 1934 eine an den Völkerbund gerichtete Denkschrift des Comité des Délegations Juives, die Ausgrenzung der Juden im öffentlichen Leben habe selbst vor den Sport- und Turnvereinen nicht Halt gemacht.430 Und trotz einer vom Deutschen Reich unterzeichneten Garantieerklärung für den Schutz von Minderheiten, welche für ein Jahr gelten sollte, kam es nach der Rückgliederung vermehrt zur Ausgrenzung jüdischer Mitbürger aus dem öffentlichen Leben. So wurde im November 1935 in der Vereinszeitung des MTV Saarbrücken darauf hingewiesen, dass es unwürdig sei, „Worte mit 426 Siehe Art. Erste Schulung der Vereinsdietwarte des RfL im Kreise Saarbrücken, in: SWD, 7.4.1935, S. 5; Gauverordnungsblatt des DRL, Gau XIII Südwest, 26.4.1938, S. 14; Gauverordnungsblatt des NSRL, Sportgau Westmark, 22.4., 6.5.1942. 427 In diesem Sinne zuletzt BURGARD: Geschichte (2010), S. 203–216, hier S. 205. 428 Eine Untersuchung für den Saarsport liegt bislang nicht vor, weswegen noch keine abschließende Bewertung erfolgen kann. Zur „Arisierung“ von Sportvereinen auf lokaler Ebene im Deutschen Reich vgl. BECKER: Zwischen (Selbst-)Gleichschaltung (1995), S. 30f. 429 Beim TV 1893 Blieskastel konnten ab Sommer 1935 nur noch „Volksgenossen, deren Eltern und Großeltern Arier sind“, Mitglieder sein. Vgl. MARX: Die Geschichte (1985), S. 234. Zu den Vorgängen in der DT vgl. generell KRÜGER, M.: Leibesübungen (2005), S. 135. 430 Siehe Denkschrift des Comité des Délégations Juives über die Notwendigkeit der Aushandlung von Garantien für die Minderheiten im Saargebiet, 6.2.1934, abgedruckt in: HERRMANN: Das Schicksal (1974), S. 342.

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Juden zu wechseln und Waren von Juden zu kaufen!“431 Spätestens mit dem Ablauf der einjährigen Garantieerklärung zum 29. Februar 1936 und der unmittelbaren Einführung der deutschen antijüdischen Gesetze wurden die Juden im Saarland wie im übrigen Reich zunehmend offen drangsaliert. Bis zum Kriegsausbruch 1939 verließen rund neunzig Prozent der noch verbliebenen rund 3 100 saarländischen Juden ihre Heimat.432 Über die stattgefundene Ausgrenzung jüdischer Mitglieder in den saarländischen Fußballvereinen stattfand, ist bis heute wenig konkretes bekannt. Überliefert ist das Schicksal der jüdischen Unternehmerfamilie Lachmann aus Neunkirchen, die zwei Wochen nach der Volksabstimmung im Februar 1935 nach Frankreich emigrierte. Sowohl Kurt als auch Hans Lachmann waren eng mit dem saarländischen Sportleben verbunden. Als bekannter Leichtathlet von Borussia Neunkirchen hatte Kurt Lachmann an zahlreichen Wettkämpfen teilgenommen und 1931 den Deutschen Sport-Club Neunkirchen mitgegründet. Nach dem Krieg sollte Kurt im autonomen Saarland Landespolizeipräsident und Vorsitzender des Aero-Clubs Saar werden, sein Bruder Präsident von Borussia Neunkirchen.433 Mit der Rückgliederung des Saargebiets in das Deutsche Reich im März 1935 wurde eine zweite Phase der Transformation des saarländischen Turn- und Sportvereinswesens eingeleitet. Mit der Zerschlagung des saarländischen Arbeitersports beziehungsweise dessen Selbstauflösung434 einher ging die formelle Etablierung der nationalsozialistischen Sportstrukturen vor Ort. Der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen ersetzte den Sportführerring der Deutschen Front, und bereits am 3. April 1935 wurde im Festsaal des Saarbrücker Rathauses die Ortsgruppe Saarbrücken des DRL feierlich konstituiert.435 Zum 1. Juni 1935 wurde die amtliche Anerkennung von Turn- und Sportvereinen eingeführt. Voraussetzung hierfür war die Mitgliedschaft im DRL und damit verbunden die Übernahme der DRLEinheitssatzung. Nach einer Anordnung des Reichskommissars für die Rückgliederung, Josef Bürckels, sollten sämtliche im Saarland bestehenden Vereine überprüft werden.436 Die Vereine hatten sich bei den örtlichen Polizeibehörden zu melden, um eine Erlaubnis zur Weiterbetätigung zu erhalten. So beantragte etwa der Fußball-Verein Ingobertia 1910 am 14. Juni 1935 eine Genehmigung zur weiteren sportlichen Betätigung. Die zwei Monate zuvor beschlossene Einheitssat431 Dietwart Ellrich: Art. Warum Judenbekämpfung in Deutschland?, in: Monatsschrift des MTV Saarbrücken, Nov. 1935, S. 164f. 432 MARX: Die Geschichte (1985), S. 238; TESCHNER: Saargebiet (2010), S. 66f. 433 Anna Lachmann floh am 28.1.1935 nach Frankreich, während ihre Söhne Hans und Kurt bereits in Forbach beziehungsweise in Dijon untergekommen waren. Siehe Dossier Anna Lachmann, in: AMD, 304 M 205. Zu Hans Lachmann nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Kapitel 9.4, S. 319. 434 In Sulzbach stellte der Freie Turn- und Schwimmverein seine Tätigkeit im Februar 1935 ein, da die meisten Mitglieder nach Frankreich geflohen waren. Siehe LA Saarbrücken, Best. Sulzb 55/9 (7). 435 Siehe Art. Saarbrückens Sport dem Reichsbund eingefügt, in: Saarbrücker Zeitung, 4.4.1935. 436 Bekanntmachung des Reichssportführers vom 1.6.1935, in: LA Saarbrücken, LRA.SB 320; Schreiben Bürckel an die Landräte, Polizeipräsidenten und Staatspolizeistellen, 30.7.1935, in: ebda., LRA.IGB 477.

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zung wurde vom Verein ebenso beigelegt wie eine Namensliste des Vorstandes inklusive des Vereinsführers und des Dietwarts. Bei anderen Vereinen wechselten die Vorstände, so auch beim SV 06 Völklingen. Mit Peter Spang wurde 1935 ein Vereinsvorsitzender gewählt, der – so wurde noch dreißig Jahre später in der Vereinsfestschrift resümiert – über „die notwendigen Beziehungen und das Vertrauen der Obrigkeit“ verfügte.437 Die nachhaltigste Umwälzung für das Vereinsleben bedeutete das Ziel der NS-Sportpolitik, Turn- und Sportvereine zu größeren „Vereinen für Leibesübungen“ zusammenzufassen und nicht lebensfähige Vereine zu sperren. Wenige Monate nach den Olympischen Spielen 1936 war es in den Augen der Reichssportführung an der Zeit, den inneren Ausbau voranzutreiben und „die Fundamente für den grundsätzlichen nationalsozialistischen Aufbau der deutschen Leibeserziehung zu legen.“438 Anfang 1937 beschloss der TV Limbach seine Auflösung, um sich gemeinsam mit dem FC Palatia Limbach zum Turn- und Sportverein Palatia zusammenzuschließen.439 Neugründungen dieser Art waren keine Einzelfälle und betrafen vor allem die ländlichen Gegenden beziehungsweise die kleinen sporttreibenden Vereine. Die Bezeichnung „Verein für Leibesübungen“ (VfL) wurde zum Kennzeichen der Fusionswelle im „Dritten Reich“. In vielen Gemeinden gab es ab 1936/1937 oftmals nur noch einen VfL, unter dessen Dach sämtliche Sportarten angeboten wurden. In Homburg wurden die zwei größten sporttreibenden Vereine – der Turnverein 1878 und der Fußballverein zum VfL Homburg zusammengelegt. Betrieben worden war die Fusion durch den in Neunkirchen geborenen ehemaligen Sparkassenbeamten Jakob Knissel. 1926 der NSDAP beigetreten, wurde er mit gerade dreißig Jahren im Dezember 1935 zum Bürgermeister und Kreisleiter ernannt. Im August 1936 ließ er es sich dann nicht nehmen, den Posten des Vereinsführers im neuen Großverein zu besetzen.440 Auch in Saarbrücken wurden Zusammenschlüsse von Sportvereinen durch die kommunale Politik vorangetrieben. Dies traf auf den von Bürckel als Nachfolger Neikes’ berufenen Oberbürgermeister Ernst Dürrfeld zu, der sich in seiner zweijährigen Amtszeit in besonderem Maße als Fußballfan erwies.441 Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt sprach er sich dafür aus, die verschiedenen Saarbrücker Fußballvereine „zu einem grossen spielstarken Fussball-Verein zusammenzuschließen“.442 Entsprechende Anregungen wurden dem Reichsbeauftragten 437 Schreiben FV Ingobertia 1910 an Bürgermeisteramt St. Ingbert, 12.6.1936, in: LA Saarbrücken, LRA.IGB 366; SV Röchling Völklingen 06: FS 60 Jahre (1966), S. 48. 438 Zitiert in: Art. Aufbruch in die Einheit des DRL, Saarbrücker Zeitung, 30.11.1936. 439 Siehe Protokollauszug vom 17.1.1937, in: LA Saarbrücken, AG.HOM 18. 440 Zu Jakob Knissel (1905–1940) siehe MAIER: Biographisches Organisationshandbuch (2007), S. 312f. Zu seiner Wahl zum Vereinsführer des VfL Homburg siehe Auszug des Versammlungsberichts vom 27.8.1936, in: LA Saarbrücken, AG.HOM 19. 441 Bereits vor 1935 hatte sich Dürrfeld in die Belange des 1. FC Kaiserslautern eingemischt. Vgl. HERZOG: Der Betze, S. 98. 442 Siehe Schreiben Dürrfeld an Stadtamt für Leibesübungen, 13.5.1935, in: StA Saarbrücken, G 10.1/3258. Siehe auch den Tagesordnungspunkt 8 der Morgensitzung des Oberbürgermeisters, in: ebda., G 10.2/3393.

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Neu mitgeteilt, blieben jedoch ohne Folgen. 1937 stellte Dürrfeld den Sportlehrer Wellhöfer ein, der den Schulfußball nicht nur in Saarbrücken, sondern in mehreren Städten des Gaues Saarpfalz auf eine breitere Basis stellte.443 Der Erfolg Dürrfelds im Hinblick auf Vereinsfusionen war insgesamt sehr dürftig. Dies dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass dem Sohn eines saarländischen Bergmanns Alkoholprobleme nachgesagt wurden, weswegen er im September 1937 wegen Unfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde und sich einer Kur in einer Trinkerheilanstalt unterziehen musste. Die lokalpolitische Karriere Dürrfelds war damit im Saarland beendet.444 Auch sein Amtsnachfolger Friedrich Schwitzgebel setzte sich in starkem Maße für die Zusammenlegung von Vereinen ein. Anders als sein Vorgänger hatte Schwitzgebel als Sohn eines pfälzischen Volksschullehrers einen bildungsbürgerlichen Hintergrund. Er hatte nicht nur in Frankreich studiert, sondern war vor dem Ersten Weltkrieg auch als Hauslehrer in England tätig gewesen. Hochdekoriert im Krieg, arbeitete er in der Zwischenkriegszeit als Studienrat in Zweibrücken und trat 1926 der NSDAP bei. Als Gefolgsmann Bürckels löste er 1937 Dürrfeld als Oberbürgermeister Saarbrückens ab, ein Posten, den er bis 1945 ausüben sollte.445 Das Ziel der Zerschlagung der bürgerlichen Sportvereinskultur wurde von den Nationalsozialisten mit der Ideologie der Volksgemeinschaft begründet, die von Vereinsfunktionären nach außen hin vertreten, im Fall partikularer Vereinsinteressen jedoch stets beiseite geschoben wurde. Auf einer Tagung des DRL in Saarbrücken im April 1937 betonte Schwitzgebel einmal mehr sein Ziel, den „Vereins-Partikularismus“ zu beseitigen und versuchte, den Vereinen den Fusionsgedanken schmackhaft zu machen: „Saarbrücken darf sich heute nicht 64 Einzelvereine für Leibesübungen leisten. Immer müssen wir daran denken, daß wir heute auch als Verein für Leibesübungen nicht abgekapselt bleiben können, daß wir uns einfügen müssen als tätige Glieder in den großen Strom der Volksgemeinschaft.“446

Schwitzgebel konnte sein Ziel, die Anzahl der Vereine auf sechzehn zu reduzieren, nicht erreichen. So wurden nach Kriegsende 1945 in der Stadt Saarbrücken noch 31 Vereine gezählt. Vor allem in den peripheren Stadtteilen waren die Vereine zusammengelegt worden. So gab es eine Sportgemeinde Burbach, einen VfL Russhütte, einen VfL St. Arnual und einen TSV Jägersfreude. Die großen Vereine FV Saarbrücken und der Deutsche Sportverein Saar 05 waren dagegen in ihrem Bestand nicht angetastet worden.447 Ihre Begeisterung über weitere Fusionen war weiterhin begrenzt. So sehr beispielsweise Michael Hammes, der Dietwart des FV 443 Siehe Schreiben Dürrfeld an Stadtamt für Leibesübungen, 13.5.1935, in: StA Saarbrücken, G 10.1/3258. Zur Einstellung Wellhöfers als Schulfußballlehrer ebda., G 40/6107. 444 1940–1944 arbeitete Dürrfeld (1898–1945) als Wirtschaftsdezernent in Warschau. Zur Biografie Dürrfelds siehe MAIER: Biographisches Organisationshandbuch (2007), S. 192f. 445 Zu Schwitzgebel (1888–1957) siehe MAIER: Biographisches Organisationshandbuch (2007), S. 428–430. 446 Art. Am Aufbruch in die DRL.-Einheit, in: SZ, 9.4.1937. Siehe auch Art. Todesstoß dem Vereins-Partikularismus, in: NSZ-Rheinfront, 9.4.1937. 447 Vorläufiges Verzeichnis aller Sportvereine, die bis zur Besetzung des Saargebiets bestanden hatten, Juli 1946, in: LA Saarbrücken, RegPräs 73.

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Saarbrücken, den „FVSler zum nationalsozialistisch denkenden Menschen“ erziehen wollte, so sehr sträubte sich auch er gegen Fusionen, die nur bei kleinen Vereinen angebracht seien.448 Auch bei den Funktionären des DFB regte sich mitunter Widerspruch gegen Vereinsfusionen, wobei der Streit dann entbrannte, wenn es um sportpolitische Kompetenzen ging. So beschwerte sich Wilhelm Raßbach, der Gaufachamtsleiter Fußball im Gau Südwest, darüber, dass sich die politischen Behörden oftmals Amtshandlungen anmaßten, die gemäß den Vorschriften des Reichssportführers nur ihm zustanden. Gerade die Vereinsverbote und die zwangsweisen Zusammenlegungen empfand er als sehr bedauerlich.449 Dem Sportjournalisten Erich Menzel zufolge handelte es sich beim Saarland um eine „besonders fusionsfreudige Ecke“. Wenngleich er mahnte, den einzelnen Sportabteilungen ihre Autonomie zu belassen, um den sportlichen Ehrgeiz nicht abzustumpfen, sah er in den Vereinigungen etwas Positives, würden doch nun – wie in Homburg – Sportanlagen realisiert, die vorher nur Utopie gewesen wären.450 Gerade am Homburger Beispiel kann aufgezeigt werden, wie von der kommunalen NS-Politik eine aktive Sportpolitik betrieben werden konnte. Im Dezember 1936 wurde unter der Leitung Jakob Knissels der Sportfeld-Bauverein Homburg gegründet. In der Gründungsversammlung beschwor der nationalsozialistische Bürgermeister und Vereinsführer des VfL Homburg den Willen und den Fleiß der „Volksgenossenschaft von Homburg“, um den Bau einer „Großkampfbahn“ Wirklichkeit werden zu lassen.451 Diesem Bauvorhaben vorausgegangen war nach der Volksabstimmung die Konfiszierung des ehemaligen ArbeiterSportplatzes, den der Freie Turn- und Sportverein Homburg von 1930 bis 1932 errichtet hatte. Knissel verfolgte mit dem Ausbau des Geländes hochtrabende Pläne. Er plante nicht nur den Ausbau des Stadions, sondern auch die Errichtung einer Ehrenhalle, einer Turnhalle, einer Schwimmhalle, eines Freibads, sechs Tennisplätzen sowie eines Aufmarschplatzes für 40 000 Menschen. Gelingen sollte Knissel, der stets zu freiwilligen Arbeitsstunden in der Bevölkerung aufrief, mit dem Erdstadion nur die erste Etappe: Im August 1937 wurde die „Hauptkampfbahn“, das spätere „Waldstadion“ des FC Homburg, im Rahmen der „Heimattage in Homburg-Saarpfalz“ eingeweiht. Für das Einweihungsspiel hatte Knissel den bayerischen Gauligisten SSV Jahn Regensburg eingeladen.452 Lokale Parteigrößen wie Knissel – er war dabei mit seinen Amtskollegen Richard Imbt in Kaiserslautern und Friedrich Krebs in Frankfurt in bester Gesellschaft – nutzten den Sport als Bühne, auf welcher sie sich und ihre Stadt volksnah

448 Michael Hammes: Art. Fusion??, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Mai 1934; Rubrik „Querschnitt“, in: ebda., Juni 1935, S. 2. 449 Schreiben Raßbach an den Gaubeauftragten Beckerle, 12.7.1935, in: LA Speyer, T 7/5. 450 Erich Menzel: Art. Fußball und Fusionen, in: Kicker, 3.8.1937. 451 Niederschrift der Gründungsversammlung, 21.12.1936, in: LA Saarbrücken, AG.HOM 21. 452 Vgl. zum Homburger Waldstadion GRIEBEN: Zur Geschichte (2009), S. 176f.; FUCHS: Waldstadion (2010), S. 192f. Siehe Fotomaterial und Baupläne der Homburger Hauptkampfbahn, Programmheft der „Heimattage Homburg-Saarpfalz“, in: StA Homburg, Best. 497.

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und vor allem medienwirksam präsentieren konnten.453 Auch in Saarbrücken hatte bezüglich der Aufmerksamkeit der kommunalen Politik ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Während der langjährige Saarbrücker Oberbürgermeister Hans Neikes nur wenige Einladungen zu Sportveranstaltungen angenommen hatte,454 waren seine nationalsozialistischen Amtsnachfolger stark mit dem Saarsport verflochten. Kennzeichnend für die kommunale Sportpolitik im „Dritten Reich“ ist wohl die Vermengung persönlicher Ambitionen mit zentralen Forderungen seitens der Reichssportführung. Dies hing einerseits zusammen mit einem generationellen Umbruch und damit einhergehend einer sich wandelnden Einstellung gegenüber dem Sport. Andererseits hatte die aktive Förderung auch die eigene Profilbildung innerhalb der niederen Parteikader zum Ziel.455 Resümierend ist festzuhalten: Die Funktionäre der bürgerlichen Fußballvereine im Saargebiet begrüßten 1933 die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Deutschen Reich und fügten sich durch die Einführung des Führerprinzips rasch in das neue System ein. Den Äußerungen der Vereinsfunktionäre nach zu urteilen ist ideologische Überzeugung und pragmatischer Opportunismus nicht einfach zu unterscheiden. Zu berücksichtigen ist zweifellos der politische Sonderkomsos, welchen das Saargebiet in der Zeit von 1920 bis 1935 darstellte. Ludwig Linsmayer zufolge wirkte das politische Geschehen im Reich auf das Saarland „wie ein Magnet, in dessen Sogkraft sich die Koordinaten des gesellschaftlichen Lebens verschoben.“456 Wie bei den bürgerlichen Fußballvereinen zu sehen ist, war die Sehnsucht nach einer neuen Volksgemeinschaft und einen nationalen Aufbruch im Saargebiet real. Die Bildung der Deutschen Front, die großen Saarkundgebungen, das Hofieren der Saarländer im Reich und der Wunsch nach einer Normalisierung der Lebensverhältnisse angesichts der Erfahrung von fünfzehn Jahren Völkerbundsverwaltung: all dies verstärkte den „Volksgemeinschafts“-Gedanken, der jedoch nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch im politischen Katholizismus und im bürgerlichen Vereinswesen verankert war.457 Die andere Seite der Medaille der „Fußball-Volksgemeinschaft“ war jedoch der weiterhin vorhandene Vereinspragmatismus. Der Fokus der Vereine blieb trotz aller Gleichschaltungstendenzen weiter in erster Linie selbstbezogen. Wie dies für andere Fußballvereine wie den FC St. Pauli oder Hertha BSC zuletzt festgestellt wurde,458 verfolgten eben auch die saarländischen Fußballvereine im „Dritten Reich“ ihre eigenen Vereinsinteressen. Wichtig blieben der sportliche Erfolg der eigenen Mannschaft und das wirtschaftliche Wohlergehen des Klubs.

453 Zu Krebs vgl. OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft (2008), S. 160–163; zu Imbt vgl. HERZOG: Der Betze (2006), S. 114f. 454 Neikes sagte „aus grundsätzlichen Bedenken“ ab. Siehe diverse Schreiben an den Rasensportverband und den SC Saar 05, 20.5., 28.5. und 3.10.1924, in: StA Saarbrücken, G.10.1/2027. 455 OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft, S. 158. 456 LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 41. 457 In diesem Sinne auch LINSMAYER: Bewahrend (2005), S. 43. 458 Vgl. hier zusammenfassend BACKES: Mit deutschem Sportgruß (2010), S. 161.

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7 GRENZ-FUSSBALL. DER SAARLÄNDISCH-LOTHRINGISCHE FUSSBALLSPORT ZWISCHEN ENTFREMDUNG UND ANNÄHERUNG 7.1 Genua statt Metz Die Nicht-Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg 1919–1924 Wie sehr und wie rasch durch die politischen Umwälzungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Beziehungen im Fußball geradezu auf den Kopf gestellt wurden, zeigte sich nur ein halbes Jahr nach der Rückgliederung ElsaßLothringens nach Frankreich. Im Juni 1919 wurde mit der „Coupe des Régions Libérées“ ein internationales Fußballturnier ausgetragen, das einerseits die im Krieg gewachsenen Ressentiments gegenüber den deutschen Besatzern widerspiegelte und andererseits durch die Einbeziehung des ehemals deutschen ElsaßLothringens gleichzeitig dessen sportliche Zukunft deutlich aufzeigte. Der Wanderpreis war für Auswahlmannschaften der „befreiten Regionen“ ausgeschrieben, das hieß jener Regionen, die von den Deutschen besetzt gewesen waren. Die teilnehmenden Mannschaften stammten daher aus französischen und belgischen Regionen sowie aus Luxemburg und den zurückgekehrten „provinces perdues“ Lothringen und Elsass. Einem luxemburgischen Berichterstatter zufolge fand das Fußballturnier unter schwierigen Bedingungen statt. So musste das geplante Spiel in Metz zwischen Lothringen und Luxemburg zunächst abgesagt werden, da die Gastgeber keine Mannschaft aufzustellen vermochten. Schließlich gelang es doch noch, eine Lothringer Auswahl zusammenzustellen, wenngleich diese ausschließlich aus Metzer Spielern und französischen Armeeangehörigen zusammengesetzt war. Das Spiel ging schließlich vor den Augen des Metzer Militärgouverneurs General Louis Ernest de Maud’huy für Lothringen mit 0:1 verloren. Den Wanderpreis sollte letztendlich Luxemburg gewinnen, nachdem es in weiteren Spielen in Straßburg das Elsass und die französische Champagne besiegte.459 Das Kappen der sportlichen Beziehungen zu Deutschland beziehungsweise zur Saar wurde Anfang 1919 von Seiten der „Entente“-Mächte zur Selbstverständlichkeit erklärt, in den Sportverbänden auch so umgesetzt und betraf alle ehemaligen Kriegsgegner.460 Allerdings hielt es auch der DFB im Frühjahr 1919 für „natürlich ausgeschlossen“, in absehbarer Zeit mit Frankreich oder anderen Ländern der Entente sportlichen Verkehr anzubahnen. Freilich wurde ein möglicher Sportboykott als ungerechtfertigt abgelehnt. Das Ausland, so die Stellungnahme des DFB, habe „allen Grund, die Kriegsleistung unseres Volkes hoch zu achten, und im besonderen Falle ist hier die Kriegsleistung des deutschen Fußballsports aller Achtung wert.“461 Dass „das Ausland“ anderer Meinung war und einen strengen sportlichen Boykott gegenüber den Verlierermächten des Kriegs verhängte, war in den folgenden Monaten vor allem auf England zurückzuführen. Offensichtlich 459 Siehe Art. Brief aus Luxemburg, in: Fußball, 9.7.1919. Zu den einzelnen teilnehmenden Regionen vgl. auch PERNY: Le football (2009), S. 127. 460 PERNY: Le football (2009), S. 148. 461 DFB: Jahresbericht 1918/19, S. 17.

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wurde die Spaltung des internationalen Sports bei den in Paris vom 22. Juni bis 6. Juli 1919 abgehaltenen „Jeux Interalliés“, einer Sportveranstaltung der alliierten Armeen. Diese große internationale und seit Herbst 1918 von den amerikanischen und französischen Streitkräften intensiv vorbereitete Sportveranstaltung, die sich an die modernen Olympischen Spiele anlehnte, versammelte Athleten aus 17 Nationen und umfasste insgesamt 26 Sportarten. Eigens für die „Jeux Interalliés“ war innerhalb weniger Wochen ein Stadion errichtet worden. Heute in der sportlichen Erinnerungskultur so gut wie vergessen, wurden die Spiele von bis zu einer halben Million Menschen besucht.462 Vom Sportboykott gerade der Engländer zeigte sich vor allem der Sportpionier und Kosmopolit Walther Bensemann überrascht. In einem offenen Brief an Frederick Wall, den Sekretär der englischen Football Association (FA), beklagte er den offenen Bruch „mit den besten Traditionen des englischen Sportsgeistes“.463 Bensemann, der selbst den Fußball dreißig Jahre zuvor in ElsaßLothringen eingeführt hatte, plädierte deshalb von Anfang an im „Kicker“ – der auch im Elsass gelesen wurde – für die Wiederaufnahme sportlicher Beziehungen über den Rhein hinweg.464 Im Dezember 1919 setzten die Engländer auf einer eigens einberufenen Konferenz der Fußballdelegierten der alliierten Staaten in Brüssel durch, dass nicht nur die Mittelmächte mit einem Spielboykott belegt wurden, sondern auch diejenigen Länder, welche ihrerseits weiterhin sportliche Beziehungen zu Deutschland, Österreich, Ungarn oder Bulgarien unterhielten. Der die neutralen Länder einbeziehende Sportboykott war insbesondere in Frankreich und vor allem im Elsass umstritten. Gerade die elsässischen Vereine wollten auf den traditionellen Sportverkehr mit der Schweiz nicht verzichten. Die Eidgenossen sollte der Bann jedoch ebenso treffen, da sie weiterhin sportliche Beziehungen zu ihren badischen Nachbarn pflegten.465 In den folgenden Jahren zeigte sich jedoch, dass diese harte Linie zunehmend durchbrochen wurde, zumal sich die englische FA durch ihren Rückzug aus der FIFA selbst isoliert hatte. Insofern wurde der Boykott seitens des französischen Fußballs, wenn auch nicht gegenüber Deutschland, so doch gegenüber der Schweiz gelockert.466 Es war dieser offizielle Sportboykott, der – einhergehend mit der neuen Grenzziehung – das sportliche Leben im saarländisch-lothringischen Grenzraum von heute auf morgen von Grund auf änderte. Während die Saarvereine sich im 462 DURRY: 1919 - Les Jeux Interalliés (1996), hier S. 103–107. 463 Wall war langjähriger Freund Bensemanns. Siehe Walther Bensemann: Ein offener Brief an Mr. Wall, Sekretär der Football Association“, in: Kicker, 22.9.1920; abgedruckt in: BEYER: Der König (2008), S. 53–56. 464 Um Bensemanns Kicker sozusagen das Wasser abzugraben, forcierte die Préfecture in Straßburg ab 1921 die Stärkung der elsässischen Sportberichterstattung. Vgl. PERNY: Le football (2009), S. 152. 465 Für Weihnachten 1919 war auch eine Spielreise der Old Boys Basel in das Saargebiet angekündigt worden. Siehe Rubrik „Brief aus dem besetzten Gebiet“, in: Fußball, 3.12.1919. 466 Im Herbst 1920 genehmigte die FFFA den elsässischen Vereinen die Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen zu Schweizer Vereinen. Vgl. hierzu und zu diesem Absatz PERNY: Le football (2009), S. 152f.

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angestammten Süddeutschen Fußballverband neu orientierten, mussten die Nachfolgevereine in der Moselle sich mit den Gegebenheiten, die ihnen unter dem Dach des neu gegründeten französischen Fußballverbandes geboten wurden, arrangieren.467 Die gewachsenen Strukturen im saarländisch-lothringischen Grenzraum, die gerade im bürgerlichen Fußball nicht nur ein gemeinsames Verbandsgebiet, sondern auch einen regen Spielverkehr zur Folge gehabt hatten, waren dagegen nachhaltig zerstört worden. Bevor auf die Situation des bürgerlichen Fußballs im Grenzraum eingegangen wird, ist festzuhalten, dass im Hinblick auf die gegenseitige Wahrnehmung von Saarländern und Lothringern innerhalb des Grenzraums ein Unterschied zu den ansonsten in Deutschland und Frankreich weiterhin tradierten Feindbildern attestiert werden muss. So wird zwar einerseits gerade die politische Kultur einer Grenzregion in Krisenzeiten nationalistisch aufgeheizt. Andererseits gab es innerhalb des Grenzraums von alters her zahlreiche Kontakte sowie soziokulturelle Schnittmengen. Saarländer hatten in der Moselle einen Sonderstatus. So wurden von der Vertreibung der „Altdeutschen“ aus der Moselle die Saarländer in der Regel ausgenommen, da sie – auch aus politischen Gründen – nicht als Deutsche betrachtet wurden. Sie erhielten in der Moselle eine Arbeitserlaubnis, und bis Ende der zwanziger Jahre waren mehr als 10 000 Saarländer in den Kohlebergwerken des lothringischen Beckens beschäftigt. Sie wurden von der Bevölkerung nicht als Ausländer, sondern als Nachbarn gesehen, die denselben moselfränkischen Dialekt sprachen. Dies betraf vor allem die deutschsprachigen Lothringer der unmittelbaren Grenzregionen wie dem Warndt.468 Bereits im weiter entfernten – nunmehr französischsprachigen – Metz wurden die Saarbrücker allerdings verzerrt als Preußen wahrgenommen.469 Wie vertraut die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen dem saarländischen Warndt auf der einen Seite und dem Arrondissement Forbach auf der anderen Seite sein konnten, zeigt eine kleine Episode aus dem Radsport. Im Dezember 1920 wurde auf französischer Seite die „Union Cycliste de l’arrondissement de Forbach et du Pays de la Sarre“ gegründet, ein – nun grenzüberschreitender – Radsportverband, der bereits vor 1918 existiert hatte. Fünf der siebzehn Vereine stammten aus den saarländischen Warndtorten Emmersweiler, St. Nikolaus, Lauterbach, Nassweiler und Ludweiler. Der Vorstand setzte sich aus sechs Lothringern und zwei Saarländern zusammen. Interessanterweise behielten auch einige der lothringischen Radfahrvereine ihre deutschen Namen wie „Edelweiss“, „Wanderlust“, „Adler“ und „Blitz“ bei. Den französischen Behörden bereitete die Existenz dieser lothringisch-saarländischen Union verständlicherweise Kopfzerbrechen, war die Existenz einer solchen Union doch rechtlich ausgeschlossen. Dennoch wurde der Verband von französischer Seite aus politischen Gründen auf Geheiß des Präfekten zunächst toleriert. Allerdings sollte der Reaktivierung der alten 467 Siehe zu den getrennten Entwicklungen nach dem Krieg Kapitel 5. 468 Zur Warndtfrage im Zuge der „Saarkampagne“ siehe Kapitel 6.4, S. 207–209. 469 So galt auch die „Saarbrücker Zeitung“ als nationalistisches antifranzösisches Blatt. Vgl. ROTH: La frontière franco-allemande (2001), S. 134.

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Radfahrerunion keine lange Lebensdauer beschienen sein. Sie verschwand bereits zwei Jahre später und wurde durch einen anderen – nur lothringische Orte umfassenden – Verband ersetzt.470 Gute Beziehungen zwischen den Radfahrervereinen sollten allerdings auch in den folgenden Jahren Bestand haben. So wurde noch im Jahr 1933 von preußischer Seite aus bemängelt, dass saarländische Vereine aus Nassweiler, Klarenthal und Altenkessel regelmäßig an Tagungen des Radfahrverbandes für Ostlothringen teilnahmen.471 Im Fußball waren solche Lösungen wie im Radsport nicht denkbar. Der über Jahre hinweg anhaltende Sportboykott führte zu getrennten Entwicklungen und sorgte in Sportkreisen im Saargebiet, aber noch mehr in der Moselle für Entsetzen, brach dadurch doch das sportlich-attraktive Hinterland weg. Ausnahmen gab es zwar auch im Bereich des Fußballsports, jedoch betrafen diese nicht den Spielverkehr des offiziellen Verbandsfußballs. So reiste im Juni 1922 die Mannschaft von Sportive Thionvilloise nach Saarbrücken, wo sie auf den St. Arnualer Wiesen gegen eine Union Française de la Sarre spielte. Im badischen Grenzort Kehl fand drei Monate später sogar das erste inoffizielle deutsch-französische Fußballspiel statt. Doch auch dieses Spiel zweier Taubstummenvereine aus Straßburg und Ludwigshafen war kein offizielles Verbandsspiel.472 In der Moselle machten sich Fußballfunktionäre und Sportredakteure in den frühen zwanziger Jahren dafür stark, wieder Fußballspiele mit saarländischen Vereinen durchzuführen. Charles Houpert, der Herausgeber der Metzer Zeitung „Lothringer Sport“, sprach sich für eine Verständigungspolitik gegenüber Deutschland aus. Im September 1922 stellte er in einem Essay die Frage, wie die Beziehungen zwischen beiden sportlichen Lagern wieder aufgenommen werden könnten. Er beklagte den Chauvinismus auf beiden Seiten, der jedes vernünftige Wort zum Schweigen bringe und beklagte, dass auch die politischen Ereignisse jegliche Verständigung erschwerten. Die Ablehnung der sportlichen Beziehungen sei bedauernswert, liege „doch gerade im Sport ein wichtiges Propagandamittel für die Schaffung besserer Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland.“473 Seiner Ansicht nach müssten die politischen und Verbandsakteure in Paris und Berlin aktiv werden, um die sportlichen Beziehungen wieder aufzunehmen. Eine Initiative von Metz oder Straßburg aus zu ergreifen lehnte Houpert ab, da man in innenpolitischer Hinsicht „zu sehr Prellbock“ sei. Auch sei der lothringische Boden augenblicklich nicht für ein Fußballspiel zwischen einer deutschen und einer französischen Mannschaft geeignet. Die Frage der Zulassung saarländischer Vereine – hier machte er eine Ausnahme – hielt er aber für diskutierbar.474 470 Siehe Schreiben der Union an den Sous-Préfet von Forbach, 27.12.1920, Liste der Mitgliedervereine, Statuten sowie weiteren internen Schriftwechsel der französischen Behörden Februar/März 1921, in: ADM, 304 M 92. Vgl. auch DELLINGER: Présentation (1997), S. 39. 471 Siehe Notiz V-Mann Watermann, 19.5.1933, in: LHA Koblenz, Best. 403/16857. 472 Art. Reise der Thionviller nach Saarbrücken, in: Lothringer Sport, 8.6.1922; Art. Das erste deutsch-französische Spiel, in: Fußball, [10.10.1922], S. 1012. 473 Charles Houpert: Art. Frankreich–Deutschland. Sind es zwei feindliche Sportlager?, in: Lothringer Sport, 7.9.1922. 474 Charles Houpert: Art. Frankreich–Deutschland, in: Lothringer Sport, 7.9.1922.

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Im Januar 1923 plädierte Emil Müller, Fußballpionier der Sportive Thionvilloise, vehement für Spielabschlüsse mit saarländischen Vereinen.475 Er führte hierfür sportliche wie wirtschaftliche Gründe ins Feld. Aufgrund der geografischen Grenzlage sei es schwierig, jenseits des Ligabetriebs lukrative Wettspielabschlüsse zu tätigen. Belgische Vereine kämen aufgrund ihrer hohen Belastung nicht in Frage. Die luxemburgischen Vereine würden – da sie den Sportboykott ablehnen würden – die viel attraktiveren Spielabschlüsse mit deutschen Vereinen bevorzugen. Große innerfranzösische Vereine kämen für Spielabschlüsse ebenso wenig in Frage, da ihre Antrittsprämien für die meisten kleinen Vereine unerschwinglich seien. Müller plädierte daher für ein Ende des Sportboykotts. Davon versprach er sich einerseits eine Erhöhung der sportlichen Qualität, da der süddeutsche Fußball mittlerweile ausgezeichnet sei. Der zweite Vorteil sei finanzieller Art. Die Abschlüsse seien durch den Umtauschkurs derart günstig, dass sich sogar der kleinste Verein Abschlüsse mit deutschen Vereinen leisten könne. Müller sprach sich insbesondere für Spiele gegen saarländische Vereine aus: „Aber hier herrscht leider von unserer Verbandsbehörde der herrliche Boykott, der den Saarvereinen gegenüber vollständig unberechtigt ist. Die Leidtragenden sind nur wir, denn es würden sich uns schöne Abschlüsse bieten.“476

Analog zu Lothringen sprach sich auch der elsässische Fußballfunktionär Ernest Houtmann für die Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen zu den süddeutschen Nachbarn aus. Der 1876 geborene und im Reichsland sozialisierte Gymnasiallehrer aus Hagenau führte im elsässischen Sportmagazin „Sport Alsacien“ nicht nur sportliche Gründe an. Als Fußballpionier der ersten Stunde – er hatte 1900 den FC Hagenau mitgegründet – sah er den Fußball als Mittel, um kosmopolitische Ideale zu verwirklichen. Der Sport könne zur Annäherung und Versöhnung „zwischen zwei großen Kulturnationen des Kontinents“ beitragen.477 Die durch den Sportboykott hervorgerufene Isolierung betraf die großen Fußballvereine im Saargebiet in geringerem Maße, da ihnen für den internationalen Spielverkehr größere finanzielle Spielräume zur Verfügung standen. Paradoxerweise zählten ausgerechnet die Jahre des Sportboykotts zu den erfolgreichsten des Saarfußballs im 20. Jahrhundert. Zu verdanken hatte dieser seine goldene Ära aber weniger dem Sportboykott als vielmehr dem saarländischen Wirtschaftsaufschwung und der Einführung des stabilen französischen Franken. So waren internationale Gäste an der Saar gern gesehen, wenngleich sich deren Radius zunächst hauptsächlich auf Mittel- und Osteuropa beschränkte. Die sportlichen Höhepunkte

475 Emil Müller: Art. Welche Wettspielabschlüsse bieten sich den lothr. Vereinen?, in: Lothringer Sport, 11.1.1923. 476 Emil Müller: Art. Welche Wettspielabschlüsse bieten sich den lothr. Vereinen?, in: Lothringer Sport, 11.1.1923. 477 Ernest Houtmanns Argumente wurden aufgrund ihrer Sachlichkeit und Prägnanz im Fußball abgedruckt. Siehe Art. Das Elsaß und Deutschland, in: Fußball, [15.8.1922], S. 822. Zu Ernest Houtmann (1876–1948) siehe PERNY: Le football (2009), S. 243.

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der ersten Jahre stellten die Auftritte der großen Vereine des Donaufußballs aus Österreich und Ungarn dar.478 Daneben kam es in den Jahren nach dem Krieg erstmals zu Kontakten mit dem italienischen Fußball. Spiele mit italienischen Vereinen bekamen einen politischen Charakter, scherte doch das Königreich am Mittelmeer sportlich gesehen schon sehr rasch aus der Entente aus. Fußballspiele waren von der reichsdeutschen Außenpolitik daher gewollt. Obwohl Italien zu den Siegermächten des Kriegs gehörte, nahm es den Sportboykott nicht in derselben Weise wahr wie Frankreich oder England. Die Aufnahme sportlicher Beziehungen zu Italien war für das Deutsche Reich Harald Oelrich zufolge daher eine Möglichkeit, eine Bresche in die „Phalanx der Alliierten“ zu schlagen und die eigene handelspolitische Isolation zu durchbrechen.479 In diesem Kontext muss die Aufnahme bilateraler sportlicher Beziehungen zwischen Italien und Deutschland gesehen werden. Es war kein Zufall, dass es dazu nur wenige Monate nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages kam, spiegelte dieser doch die politische Unzufriedenheit in beiden Ländern wider. Sport konnte somit zum Ausdrucksmittel eines allgemeinen nationalen Protestes avancieren, und bereits 1921 hatte sich der deutschitalienische Spielverkehr auf Vereinsebene normalisiert. In diesem Zusammenhang ist die Spielreise von Borussia Neunkirchen in Italien zu sehen, welche in der letzten Dezemberwoche 1922 stattfand. Der Klub befand sich zu diesem Zeitpunkt auf seinem sportlichen Zenit, weswegen die Spiele in der deutschen Sportpresse auch breit rezipiert wurden. Dieser ersten Auslandsreise des Vereins vorausgegangen war an Pfingsten 1922 ein Gastspiel des SC Sampierdarena Genua in Neunkirchen. Der italienische Vizemeister war der erste Fußballverein seines Landes, der seit dem Weltkrieg – und nach vierzigstündiger Bahnfahrt – deutschen Boden betrat. Entsprechend fand das Gastspiel in Neunkirchen, das der Gastgeber mit 1:0 für sich entscheiden konnte, ein großes Echo. Emil Flasbarth, der Vorsitzende des Süddeutschen Fußballverbandes, nahm dieses Ereignis zum Anlass, dem Saargebiet einen dreitägigen Besuch abzustatten und über die „sportliche Idee“ zu referieren.480 Kurz vor Weihnachten reiste die erste Mannschaft der Borussia selbst nach Genua, wo sie im Hafenviertel Sampierdarena für die kommenden acht Tage ihr Lager aufschlug. Begleitet wurde sie vom Neunkircher Urgestein und Sportjournalisten Erich Menzel, der von der Reise ausführlich im „Fußball“ berichtete und nach eigenen Angaben die Organisation selbst in die Hand genommen hatte. Er berichtete über das italienische Publikum, dessen Leidenschaft als befremdlich wahrgenommen wurde, da es jedes internationale Spiel als nationale Angelegenheit betrachtete und entsprechend ein „Höllenspektakel“ veranstaltet habe. Ob sich dabei bereits der Nationalismus des faschistisch gewordenen Italiens widerspiegelte – nur acht Wochen zuvor war 478 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 5.1. 479 Vgl. zu diesem Abschnitt und generell zu den deutsch-italienischen Sportbeziehungen im außenpolitischen Kontext OELRICH: Sportgeltung (2003), S. 51, 83, 112–114, 585f. 480 Rubrik „Saarland“, in: Fußball, 2.5.1922, S. 462; Borussia Neunkirchen: Festschrift 50 Jahre (1955), S. 33.

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durch den „Marsch auf Rom“ die faschistische Machtübernahme durch Benito Mussolini erfolgt – muss dabei Spekulation bleiben. In Hinblick auf die bilateralen sportlichen Beziehungen bedeutete die politische Wende in Italien zumindest keine Zäsur. Ursprünglich nicht am Wettkampfsport interessiert, wandte sich der italienische Faschismus Simon Martin zufolge erst Mitte der zwanziger Jahre verstärkt dem Fußballsport zu. Zu sehr war dieser mittlerweile als Massensport eine nationale Institution geworden, als dass er weiter ignoriert werden konnte. Folgerichtig begann die „Faschisierung“ des italienischen Sports erst im Jahre 1925 mit der Ernennung Lando Ferrettis zum Präsidenten des Italienischen Nationalen Olympischen Komitees.481 Sportlich gesehen war die Reise ein großer Triumph für den saarländischen Fußball. Mit vier Siegen in Genua, Turin und Alessandria verschaffte sich der Verein in der italienischen Sportpresse großen Respekt. So schrieb die Sportzeitung „La Gazetta dello Sport“ von der vollständigen Überlegenheit der Gäste aus dem Saargebiet, die in Italien allerdings als Vertreter Deutschlands wahrgenommen wurden. Sie spielten, so die Zeitung, aus einem Guss, mit guter Technik und virtuosen Dribblings.482 Erich Menzel zog ein positives Resümee. Die Mannschaft habe nicht nur auf dem Spielfeld den deutschen Fußball würdig vertreten, sie habe „es auch durch ihr Auftreten außerhalb der Spiele verstanden, sich Achtung und Ansehen zu verschaffen und in Italien ein in jeder Beziehung würdiges Andenken zu hinterlassen.“483 Der Neunkircher „Siegeszug“ in Italien strahlte in den folgenden Wochen umso mehr, da am Neujahrstag 1923 in Mailand das erste offizielle Länderspiel Deutschlands gegen Italien mit 1:3 verloren ging und die von Neunkirchen besiegten Vereine laut Menzel das Gros der italienischen Nationalmannschaft gestellt hatten.484 Auch bei diesem Länderspiel, das den offiziellen Bruch des Sportboykotts bedeutete, wurde von den deutschen Beobachtern das italienische Publikum negativ bewertet. Skeptisch äußerte sich vor allem der deutsche Botschafter Konstantin Freiherr von Neurath, der vor der extremen nationalen Stimmung warnte, die durch solche Spiele geschürt würden.485 Resümierend kann festgehalten werden: Der Sportboykott der Entente-Mächte gegenüber den ehemaligen Mittelmächten des Weltkriegs spiegelte die Feindbilder des Ersten Weltkriegs auf dem Gebiet des Sports wider. Der Boykott traf insbesondere die deutsch-französischen Grenzregionen hart, da internationale Spiele mit den jeweiligen Nachbarn dort zuvor sehr häufig ausgetragen worden waren. Sowohl in der Moselle als auch an der Saar wurde der Boykott daher in den frü481 Vgl. MARTIN: Football and Fascism (2005), hier S. 51; CANTE: Propaganda und Fußball (1999), S. 185f.; OELRICH: Sportgeltung (2003), S. 114. 482 Die Spiele im Einzelnen: gegen Sampierdarena-Genua (gemischt) 4:2, gegen GenuaSampierdarena (gemischt) 2:0, gegen Unione sportiva Torinese 3:0, gegen SGC Alessandria 3:2. Zur Berichterstattung siehe ausführlich Erich Menzel: Art. Borussias siegreiche Italienreise, in: Fußball, 3.1.1923; Ders.: Art. Borussia Neunkirchens Siegeszug in Italien, in: Fußball, 10.1.1923, S. 40f. 483 Erich Menzel: Art. Borussia Neunkirchens Siegeszug in Italien, in: Fußball, 10.1.1923, S. 41. 484 Erich Menzel: Art. Borussias siegreiche Italienreise, in: Fußball, 3.1.1923. 485 OELRICH: Sportgeltung (2003), S. 84f.

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hen zwanziger Jahren zunehmend und aus – im wörtlichen Sinne – nahe liegenden Gründen kritisiert. Im Jahr 1924 bahnte sich das Ende des Sportboykotts an. Die nicht unumstrittene Wiederaufnahme des saarländisch-lothringischen Spielverkehrs ist Thema des folgenden Teilkapitels. 7.2 Die Rückkehr der „alten Spielgefährten“ Die Wiederaufnahme des Spielverkehrs seit 1924 Im Juni 1926 berichtete ein saarländischer Vertrauensmann den reichsdeutschen Regierungsstellen, dass die hiesigen Sport- und Fußballvereine „einen auffallend regen Verkehr mit französischen, darunter auch elsaß-lothringischen Vereinen aufgenommen“ hätten. Der V-Mann, bei welchem es sich wahrscheinlich um Karl Burk handelte, habe bei Nachforschungen die Feststellung gemacht, „daß einzig allein die Geldfrage sie dazu getrieben hat.“ Spielabschlüsse mit reichsdeutschen Vereinen seien durch die Währungskrise des Franken schlicht zu teuer geworden. Er halte es dringend für erforderlich, den Fußballvereinen in dieser Sache finanziell unter die Arme zu greifen, um „damit die Vereine wieder von der falschen Bahn abzubringen.“486 Tatsächlich hatte seit dem Ende des Sportboykotts im Herbst 1924 der saarländisch-französische Spielverkehr einen enormen Aufschwung erlebt. Und zweifelsohne waren Spielabschlüsse mit französischen Mannschaften für die saarländischen Vereine lukrativer als mit reichsdeutschen Vereinen. Bevor sich dieses Kapitel mit der Reaktion der reichsdeutschen Regierungsstellen auf diesen Bericht beschäftigt, werden zunächst die Anfänge des deutsch-französischen Spielverkehrs im Jahr 1924 unter die Lupe genommen. Im September 1924 berichtete im „Fußball“ der Korrespondent „Saaravius“, dass seit kurzem saarländische Fußballvereine von lothringischen und elsässischen Klubs vermehrt Einladungen erhielten. Man sei sich zunächst bezüglich einer Reaktion unsicher gewesen, da man – anders als die französischen Klubs – von einer Einigung der beiden Landesverbände zur Wiederaufnahme des Spielverkehrs noch nichts gehört hätte. Allerdings sei es unter den Vereinen Konsens, dass man durchaus bereit wäre, den alten Verkehr zwischen den elsasslothringischen und saarländischen Vereinen wieder aufzunehmen, zumal „alte sportliche und persönliche Beziehungen“ „trotz der gewaltigsten und gewaltsamsten Ereignisse noch nicht ganz gestorben“ seien.487 Tatsächlich kamen der deutsche und der französische Fußballverband in jenen Wochen überein, den grenzüberschreitenden Spielverkehr wieder aufzunehmen. Offensichtlich wurde dies von Seiten des DFB allerdings nicht ausreichend kommuniziert. Denn nicht zuletzt aufgrund einer fehlenden eindeutigen Beschlusslage seitens der Sportverbände lieferten sich Befürworter und Gegner in der deutschen Sportpresse einen Schlagabtausch, kam es laut Erich Menzel zu einer „fast lächer486 Bericht eines Vertrauensmannes, 1.6.1926, in: BA Berlin, R 1601/1029. 487 Art. Deutsch-französische Sportverständigung?, in: Fußball, 25.9.1924, S. 1132.

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lich wirkenden Disharmonie in dem Konzert der deutschen Pressestimmen bei der Symphonie der Verbrüderung.“488 An der Saar wurden wie überall im Deutschen Reich grundlegend verschiedene Positionen vertreten. Ein vehementer Gegner deutsch-französischer Sportbeziehungen war der altgediente Fußballfunktionär Karl Jose. Der frühere Vorsitzende des FV Saarbrücken und jetzige Vorsitzende der Sportfreunde Saarbrücken lehnte jeglichen Wettspielverkehr mit französischen Mannschaften aus politischen Gründen ab und kritisierte insbesondere die Positionen Erich Menzels in der „Südwestdeutschen Sportzeitung“, welcher davor warnte, die Haltung des Sports von politischen Erwägungen beeinflussen zu lassen. Joses verbale Attacken erhielten solch ein Echo, dass der „Kicker“Herausgeber Walther Bensemann seinem Kollegen Menzel vorschlug, im Saargebiet doch eine diesbezügliche Umfrage zu veranstalten. Er glaube nicht, dass Joses Ansicht allgemein geteilt werde.489 Im Oktober 1924 kam es in Paris zu den ersten zwei offiziellen deutsch-französischen Fußballspielen. Am 12. Oktober besiegte die Auswahlelf des deutschen Arbeiterturn- und Sportbundes eine französische Auswahl mit 3:0 Toren. Sieben Tage später gewann die erste Mannschaft von Tennis-Borussia Berlin gegen den Club Français an gleicher Stelle mit 3:1. Der Berliner Schiedsrichter und Fußballfunktionär Carl Koppehel490, der sich gemeinsam mit dem befreundeten Walther Bensemann im Kicker wiederholt für eine deutsch-französische Verständigung im Fußball ausgesprochen hatte, berichtete über den Auftritt der Berliner ausführlich im „Kicker“. Gemeinsam mit Peco Bauwens hatte er den 40-köpfigen Berliner Tross nach Paris begleitet. Koppehel lobte die Atmosphäre des Spiels, die große Fairness sowohl der Spieler als auch der rund 12 000 Zuschauer sowie den Beitrag des Spiels zu einer beginnenden Völkerverständigung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Krieg.491 Zwei Wochen später fand in Saarbrücken das erste Gastspiel eines französischen Vereins nach dem Weltkrieg auf deutschem Boden statt. Zugleich war es nach sechs Jahren das erste Aufeinandertreffen alter Rivalen aus der Zeit des Saar- und Moselgaus: Der FV Saarbrücken empfing am 1. November mit dem CA Metz den Nachfolgeverein der früheren Metzer Sportvereinigung. Die „Südwestdeutsche Sportzeitung“ betitelte das Spiel mit „Sportfriede“ und schrieb von „unsere[n] alten Spielgefährten“.492 Dem Bericht des lothringischen Mitarbeiters des „Kicker“ zufolge verhielt sich der gastgebende Verein sehr korrekt, doch sei die Resonanz von „Saarbrückens Sportwelt“ eher zurückhaltend gewesen: Ob mangelnder Sympathie, des schlechten Wetters oder des Feiertages wegen nur 1 500 488 Siehe Erich Menzel: Rubrik „Bemerkungen“, in: SWD, 13.10.1924, S. 1. 489 Siehe Erich Menzel: Rubrik „Bekenntnisse und Bemerkungen“, in: SWD, 20.10.1924, S. 2. Menzel schrieb – die Debatte abschließend – einen grundsätzlichen Essay. Siehe Erich Menzel: Art. Unser Glaubensbekenntnis: Wir treiben Sport und keine Politik, aber wir besitzen nationale Würde, in: SWD, 6.11.1924, S. 1f. 490 Carl Koppehel (1890–1975) war in diesen Jahren Geschäftsführer beim Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB). Zu Koppehels Biografie EGGERS: Publizist (2008). 491 Carl Koppehel: Art. Tennis-Borussia-Berlin in Paris, in: Kicker, 21.10.1924, S. 1366f, Art. Nachklänge zum ersten Pariser Spiel, in: Kicker, 28.10.1924, S. 1408. 492 Art. Sportfriede, in: SWD, 6.11.1924.

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Zuschauer im Ludwigspark gezählt wurden, vermochte er nicht einzuschätzen.493 Dem Spiel voraus gingen zwei Ansprachen der Vereinsvorsitzenden, die jeweils in ihrer Landessprache der Wichtigkeit dieser Begegnung gedachten, welche „nur unter wahren sportlichen Gesichtspunkten erfolgt“ sei. Sie betonten, das Spiel sei ein weiterer Schritt in der Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen.494 Für die 1:4-Niederlage der Lothringer konnten diese sich eine Woche später revanchieren. Am 9. November fand in Metz das Rückspiel vor einer größeren Kulisse statt, das der CA Metz mit 3:1 Toren für sich entscheiden konnte. Der Lothringer Mitarbeiter des „Kicker“ schrieb von einer Rekordzuschauermenge für Metz. Der Empfang sei seitens der Metzer Sportbevölkerung sehr herzlich gewesen. Beifallsstürme hätten beide Teams belohnt und es sei „wohl eines der feinsten Propagandaspiele, die in Metz und damit in Lothringen je sowohl den Sport als auch die Beziehungen mit Deutschland förderten.“495 Kritisiert wurde das Spiel im „Fußball“ von einem anonym bleibenden saarländischen Autor, bei dem es sich um Karl Jose handeln könnte. Er bezichtigte den FV Saarbrücken indirekt des Verrats, da dieser Spielabschlüsse mit einer Mannschaft tätige, „die vor 10 Jahren mit uns gekämpft [hat], heute aber als Feind betrachtet werden muß.“ Er warnte davor, dass die Regierungskommission es eventuell falsch auslegen würde, wenn die sportlichen Beziehungen mit Frankreich intensiver werden würden.496 Eine Zwischenposition nahm mit Egon Menzel der zweitälteste der drei Gebrüder Menzel ein, der in den zwanziger Jahren als Stahlexperte in Norwegen und Hamburg tätig war, aber stets gute Verbindungen zu seinem Stammverein Borussia Neunkirchen hielt. Als Neunkircher Fußballpionier war er Spieler der legendären „Meisterelf“ gewesen, der 1912 der Aufstieg in die höchste Klasse gelungen war.497 Angesichts der noch immer anhaltenden Rheinlandbesetzung hielt er es für einen Fehler, sportliche Beziehungen zu Frankreich aufzunehmen. Es sei nicht nur töricht, zu glauben, dass sportliche Annäherungsversuche nützliche Wirkungen ausübten. Auch würde im neutralen Ausland das Auftreten der deutschen Sportler nur als Anbiederung verstanden werden. Allerdings schloss er sein Plädoyer gegen einen deutsch-französischen Spielverkehr mit einem bemerkenswerten Schlusswort: „Etwas ganz anderes dagegen ist es, wenn die Beziehungen zu den ehemaligen Vereinen des Verbandsgebietes in Elsaß und Lothringen wieder aufgenommen werden. Hierüber will ich mich nicht weiter auslassen. Ich setze voraus, daß so viel Einsicht vorhanden ist, daß man mich ohne weiteres versteht: Hier liegt die Sache ganz anders.“498 493 Siehe Art. Der erste Kontakt elsass-lothringischer Fussballer mit einer deutschen Mannschaft, in: Kicker, 4.11.1924. Im Kicker erschien als Rubrik regelmäßig der „Lothringer Brief“, in dem ein lothringischer Korrespondent von der Entwicklung des dortigen Fußballs berichtete. 494 Art. FV Saarbrücken – CA Messin Metz 4:1, in: Saarbrücker Landes-Zeitung, 3.11.1924. 495 Rubrik „Lothringer Brief“, in: Kicker, 18.11.1924, S. 1547; Art. Spielbericht CA Messin Metz – FV Saarbrücken 3:1, in: SWD, 10.11.1924. 496 Art. Feiertagsgedanken im Saargebiet, in: Fußball, 6.11.1924. 497 Albrecht Menzel: In memoriam Egon Menzel, in: Schwarz-Weisse Blätter der Borussia, März 1972, o. S. 498 Egon Menzel: Art. Brief eines Auslandsdeutschen, in: SWD, 7.11.1924, S. 3.

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Dieses Selbstverständnis, nach dem der saarländisch-lothringische Spielverkehr sozusagen als eine längst notwendige Normalisierung begriffen wurde, teilten offensichtlich auch die Vereine im Saargebiet und in der Moselle, wie der sich nun in den nächsten Monaten ausbreitende Spielverkehr zeigen sollte. So kam es im Dezember 1924 auch zur Wiederaufnahme der saarländisch-elsässischen Beziehungen. Der FC 1906 Strasbourg reiste mitsamt „Schlachtenbummlern“ ins Saargebiet, wo er gegen die Spielvereinigung Elversberg, Viktoria St. Ingbert und den SV 06 Völklingen spielte. Der „Südwestdeutschen Sportzeitung“ zufolge hatten die einheimischen Vereine dabei der „saarländischen Gastfreundschaft alle Ehre gemacht.“499 Die in der liberalen Sportpresse gepflegte Rezeption der internationalen Spiele als Akt einer Völkerverständigung entsprach auch der politischen Friedensrhetorik Mitte der zwanziger Jahre. Geradezu programmatisch waren die Glückwünsche und Erwartungen, die Reichsaußenminister Gustav Stresemann 1925 an den DFB anlässlich dessen 25-jährigen Jubiläums richtete: „Möge der deutsche Fußball-Bund durch körperliche Ausbildung und friedliche Wettkämpfe den Geist der Energie, des Mutes und froher Tatkraft weiterpflegen und durch Zusammenwirken mit anderen Völkern auch Sportbetätigung und Sportgeist zum neuen Bindeglied zwischen den Nationen machen.“500

In den deutsch-französischen Fußballspielen und in deren Rezeption spiegelte sich das, was Nicolas Beaupré als die „große Illusion des Friedens“ bezeichnete.501 Das Ende des Sportboykotts war nicht zufällig mit dem politischen Tauwetter zusammengefallen, das 1924 mit dem Ende der Ruhrkrise eingesetzt hatte. Hintergrund war die Währungskrise des französischen Franken, die 1924 zu einer Abschwächung der französischen Machtpolitik geführt hatte. Unter dem Premierminister und später langjährigen Außenminister Aristide Briand etablierte sich dann eine „Politik der kollektiven Sicherheit“, die sowohl eine Stärkung des Völkerbunds als auch eine Verständigung mit dem Deutschen Reich zum Ziel hatte.502 Erste Etappen der Verständigung waren die Londoner Konferenz im August 1924, auf welcher die Reparationszahlungen der Weimarer Republik an deren Zahlungsfähigkeit gekoppelt wurden und das Ende der Ruhrbesetzung geregelt wurde. Im Jahr darauf wurden die Verträge von Locarno ausgehandelt. In der Folge trat im September 1926 das Deutsche Reich dem Völkerbund bei, und im selben Jahr erhielten mit Aristide Briand und Gustav Stresemann die Außenminister Frankreichs und Deutschlands gemeinsam den Friedensnobelpreis. Im Jahr darauf zogen sich die französischen Truppen größtenteils aus dem Saargebiet zurück, und im August 1927 wurde mit einem Handelsvertrag das erste bilaterale Ab499 Art. FC 1906 Straßburg im Saargebiet, in: SWD, 29.12.1924, S. 5. Das erste elsässischbadische Aufeinandertreffen hatte bereits am 16. November zwischen der AS Strasbourg und dem Freiburger FC stattgefunden. Siehe Art. AS Strasbourg – Freiburger FC 1:1, in: SWD, 20.11.1924, S. 1. 500 Zit. in: KOPPEHEL: Geschichte (1959), S. 166. 501 BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 68. Vgl. zu diesem Abschnitt S. 68–87. 502 BERNECKER: Europa (2002), S. 154f.

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kommen seit dem Krieg zwischen beiden Staaten unterzeichnet.503 Dieses gesellschaftspolitische Klima führte dazu, dass für die kurze Zeitspanne der Jahre von 1924 bis 1930 in der kollektiven Erinnerung sowohl in Frankreich als auch in Deutschland die Idee der „goldenen Zwanziger“ entstand, einer Epoche, in der die Vielfalt der Kultur- und Kunstszene zu einem Markenzeichen wurde. Mit einher ging dabei das Aufblühen der Populärkultur, was zugleich dem wachsenden Anspruch in der Bevölkerung in Bezug auf die Freizeitgestaltung entsprach.504 In dieser Zeit wurden internationale Spiele auch bei innerdeutschen Vereinen wieder Routine. Besonders gute Kontakte zu ausländischen Vereinen pflegte beispielsweise Eintracht Frankfurt, deren erste Mannschaft im Jahr 1929 alleine 40 internationale Spiele absolvierte. Wie sehr der kosmopolitische Aspekt im Fußball weiterhin vertreten wurde, zeigt, dass die Mannschaft von Olympique Marseille beim Vereinsjubiläum 1929 nicht nur zu Gast in Frankfurt war, sondern im Rahmen der Einweihung der Ehrentafel für die Gefallenen des Vereins ein Blumengebinde ablegte, „zum Zeichen, dass es im Sport keinen Hass und keine Feindschaft geben darf.“505 Dass der vom „Geist von Locarno“ beseelte und beschworene Völkerfrieden zwar einerseits einer weit verbreiteten Sehnsucht nach Normalität entsprang, aber andererseits auch umstritten war, hatte sich nicht nur bereits in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre in der innenpolitischen Instabilität der Weimarer Republik506, sondern eben auch in der Sportöffentlichkeit gezeigt. Der grenzüberschreitende Spielverkehr blieb umstritten, wenngleich sich seine Gegner vor allem außerhalb der Fußballbewegung fanden. Aller Völkerverständigungsrhetorik zum Trotz sollten sich Kritiker auch im von Gustav Stresemann geleiteten Auswärtigen Amt finden lassen. Bis 1926 waren Spielabschlüsse zwischen saarländischen auf der einen Seite und lothringischen beziehungsweise französischen Vereinen auf der anderen Seite Normalität geworden. Während sich die beteiligten Fußballvereine daran nicht störten, taten sich Protagonisten wie Karl Burk, die als Vertreter der Deutschen Turnerschaft internationalen Vergleichen grundsätzlich kritisch gegenüber standen, mit den grenzübergreifenden Wettspielen schwer. Es war deshalb keine Überraschung, dass angesichts der für das Jahr 1935 anberaumten Saarabstimmung Spiele zwischen saarländischen und französischen Vereinen in Verdacht gerieten, der französischen Propaganda zu nutzen. Die deutschen Regierungsstellen gingen im Sommer 1926 auf den eingangs erwähnten Bericht eines saarländischen V-Mannes ein, indem sie dessen Vorschlag aufgriffen, den Saarvereinen den Verkehr mit reichsdeutschen Vereinen in jeder nur denkbaren Art zu erleichtern. In einem Schreiben des Preußischen Innenministeriums an das Auswärtige Amt wurde vermerkt, dass man es mit Sorge registriere, dass bedeutende Vereine des Saargebiets in Paris, Le Havre, Bordeaux, Straßburg, Metz, Forbach und 503 504 505 506

SCHULZE: Weimar (2004), S. 271–282; BEAUPRÉ: Das Trauma (2009), S. 74f. MAASE: Grenzenloses Vergnügen (2007), S. 116. Zit. in THOMA: Wir waren die Juddebubbe (2007), S. 28. Anschaulich SCHULZE: Weimar (2004), S. 285–298.

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Saargemünd gespielt hätten. Dies sei nicht begrüßenswert, da bekannt sei, dass die französische Propaganda die deutschen Grenzgebiete umwerben würde. In Frankreich werde dies so dargestellt, „als suchten die Saarländer Anschluß bei den Franzosen“, was zu einer „Erschwerung der Saarfrage im deutschen Sinne“ führen würde. Er kritisierte dabei auch die saarländischen Vereine. Der verstärkte Spielverkehr würde „leider zu einer Schwächung des Verantwortungsbewußtseins auch der Mitglieder der Sportvereine im Hinblick auf die kommende Saarabstimmung führen.“507 Heinrich von Friedberg vom Referat Besetzte Gebiete des Auswärtigen Amtes teilte diese Auffassung und stimmte darin überein, dass auf den DFB hingewirkt werden müsse, damit dessen reichsdeutsche Vereine den durch die Frankenwährung benachteiligten saarländischen Vereinen günstigere Wettspielkonditionen anboten. Jedoch vertrat er die Auffassung, „daß Wettspiele mit Vereinen aus dem deutschsprachigen Teil Elsaß-Lothringens allerdings anders beurteilt werden müssen, als Spiele mit Vereinen aus dem übrigen Frankreich.“508 Inwiefern solche Maßnahmen Wirkung zeigten, ist ungewiss. Wie jedoch bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, standen auch Ende der zwanziger Jahre saarländische Vereine bei Spielabschlüssen mit großen reichsdeutschen Vereinen vor hohen finanziellen Hürden, die auch durch Vermittlung des Bundes der Saarvereine nicht automatisch zum Erfolg führten. Auftritte großer reichsdeutscher Fußballklubs blieben im Saargebiet eine Seltenheit.509 Das weiterhin bestehende Misstrauen seitens des Reiches gegenüber den politischen Ambitionen Frankreichs in den westdeutschen Grenzregionen und vor allem im umstrittenen Saargebiet spiegelte sich in der scharfen Beobachtung des saarländisch-französischen Spielverkehrs wider. Spiele saarländischer Mannschaften in Frankreich erregten auch in späteren Jahren weiterhin die Aufmerksamkeit der deutschen Regierungsstellen. Als die Sportfreunde Saarbrücken im Mai 1929 zu einem Wettspiel nach Marseille zum aktuellen französischen Meister fuhren, wurden sie am Bahnhof nicht nur von einer Delegation des Fußballvereins Olympique de Marseille empfangen, sondern auch von einem Sekretär des Deutschen Generalkonsulats in Marseille. Dieser diente der 18-köpfigen Saardelegation während des dreitägigen Aufenthalts in der Mittelmeerstadt als Dolmetscher. Nach dem Spiel, das mit 4:4 Toren unentschieden endete, wurden beide Mannschaften zu einem Empfang in das Deutsche Generalkonsulat eingeladen. Am folgenden Abend wurden die Saarbrücker erneut zum Abendessen eingeladen, an welchem allerdings keine Franzosen teilnahmen. Dabei seien von den Saarbrückern Worte gesprochen worden, so das Schreiben des Generalkonsulats an das Auswärtige Amt, „die mit Sicherheit dafür bürgen, dass die Entscheidung, die im Jahre 1935 wegen der zukünftigen staatlichen Zugehörigkeit des Saargebietes fallen soll, zu Gunsten Deutschlands fallen wird.“510 In der „Südwestdeutschen Sportzeitung“ wurde dem Spiel viel Platz eingeräumt. Ein Reiseteilnehmer berich507 508 509 510

Schreiben des Preuß. Innenministeriums an das Ausw. Amt, 28.6.1926, in: PAAA, R 76141. Schreiben des Ausw. Amtes an das Preuß. Innenministerium, 2.7.1926, in: PAAA, R 76141. Siehe Kapitel 6.4, S. 210f. Schreiben Deutsches Generalkonsulat an Auswärtiges Amt, 31.5.1929, in: PAAA, R 76142.

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tete ausführlich und euphorisch von der Fahrt nach Marseille und vom Spiel. Sein Bericht, der sich in Teilen wie ein Urlaubsbericht liest, beginnt damit, dass sich in Spielen wie diesem die beginnende Völkerversöhnung widerspiegele und endet mit einem großen Lob an das Marseiller Publikum, „welches sich absolut einwandfrei und objektiv gebährte und die Freundlichkeit selbst war.“511 Spiele zwischen saarländischen und französischen Mannschaften wurden in den späten zwanziger Jahren und Anfang der dreißiger Jahre auch trotz des näher rückenden Abstimmungskampfes durchgeführt und in der Sportpresse als Beitrag zur Völkerverständigung gefeiert. Während die großen Vereine auch Klubs wie Olympique Lille an die Saar einladen konnten, reisten die kleineren Vereine wie der SV 05 Sulzbach in die nahe Moselle.512 Generell wurden auch Teilnahmen an Sportfesten in der Moselle üblich. Die internationalen Leichtathletikmeetings der AS Sarreguemines wurden in den Jahren 1927 und 1928 zu Veranstaltungen, an welchen ausschließlich – mit Ausnahme einer Züricher Delegation – saarländische, lothringische und elsässische Teilnehmer an den Start gingen.513 Eine Bedeutung hatte der grenzübergreifende Spielverkehr mit Frankreich auch als Zuschauersport. Eines der größten sportlichen Ereignisse war im März 1931 das Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland in Paris. Es war der erste Ländervergleich überhaupt zwischen beiden Nationen und wurde entsprechend breit rezipiert. Jules Rimet zufolge hatte das Spiel immer wieder verschoben werden müssen, da man angesichts der schwierigen deutsch-französischen Beziehungen sicher gehen wollte, dass auch wirklich der Sport im Mittelpunkt stehen konnte. Daher habe man gewartet, bis sich die Gemüter beruhigt hätten und genügend Zeit nach dem Krieg vergangen sei.514 Das Echo in der Sportöffentlichkeit war groß. Der französischen Presse zufolge waren tags zuvor mehr als 10 000 Fans und 200 Journalisten aus Deutschland nach Paris gereist. Nicht weniger als vierzehn Sonderzüge seien zusätzlich eingesetzt worden.515 Die „Saarbrücker Zeitung“ sprach im Rückblick sogar von 12 000 deutschen Schlachtenbummlern. Die Zeitung war dabei selbst als Reiseveranstalter aufgetreten und hatte den Lesern eine Sonderfahrt zum Länderspiel angeboten. Der Reisepreis von 241 Franken beinhaltete die Bahnfahrt, den Spielbesuch sowie Übernachtung und Frühstück „in einem gutbürgerlichen Hotel“. Autofahrten zur Besichtigung der Stadt oder des Versailler Schlosses konnten arrangiert werden.516 Ursächlich für die friedli-

511 Art. Die Ovation für die Sportfreunde, in: SWD, 8.6.1929, S. 2. 512 Zum Gastspiel von Olympique Lille beim FV Saarbrücken siehe Art. Unter den Nationen. Olympique Lille an der Saar zu Gast, in: SWD, 27.12.1927, S. 3. Zum SV 05 Sulzbach siehe Art. Mit dem Sp.V. Sulzbach in Lothringen, in: SWD, 5.4.1928, S. 7. 513 Siehe zweisprachige Festprogramme der internationalen Meetings 1927, 1928, in: AM Sarreguemines, 31 R 02. 514 Jules Rimet äußerte sich vor dem Spiel im „Football“; zit. in: BARREAUD/COLZY: Les rencontres (1995), S. 117. 515 Art. Le premier match de football France-Allemagne, in: Le Petit Parisien, 15.3.1931. 516 Siehe zum Zitat sowie zu diesem Absatz Art. In Paris durch Selbsttor 0:1 geschlagen!, in: Saarbrücker Zeitung, 16.3.1931; Reklame „Sonderfahrt zum Fußball-Länderspiel Deutsch-

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che Invasion seitens der Deutschen dürfte nicht zuletzt der touristische Aspekt solch einer zwei- bis dreitägigen Reise sein. Der saarländische Korrespondent sprach in seinem Spiel- und Reisebericht dann auch davon, dass viele der deutschen Besucher wohl noch nie ein Fußballspiel gesehen hätten, und vor allem vom Glanz der „Seinemetropole“ angezogen worden seien. Das Spiel selbst ging für die Deutschen weniger glanzvoll aus. Vor ausverkauftem Haus und vor etwa 41 000 Zuschauern – kein französisches Länderspiel zählte in diesem Jahrzehnt ein größeres Publikum – wurden sie von der französischen Auswahl mit 1:0 besiegt. Das Verhalten der Zuschauer wurde in der französischen Presse jedoch ausdrücklich gelobt. Sie hätten sich sportlich und diszipliniert verhalten.517 Zur regionalen Ausgabe solch eines Ländervergleichs kam es im Jahr darauf erstmals im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Am 6. Juni 1932 fuhr eine Auswahlelf der Gruppe Saar – von vielen Schlachtenbummlern begleitet – in das nahe Metz, um ein Spiel gegen die Ligue Lorraine de Football zu bestreiten.518 Erstaunt nahmen die Saarländer die hohen Eintrittspreise zur Kenntnis, nahmen aber umso erfreuter die niedrigen Preise für Kaffee und Bier zur Kenntnis. Ansonsten freute sich der Berichterstatter der „Südwestdeutschen Sportzeitung“, alte Bekannte wie Poinsignon und Bichelberger zu treffen, die noch immer so jung aussehen würden wie zu den Zeiten vor dem Krieg. Das Spiel auf dem für die Saarländer ungewohnten Rasenboden gewann die Lothringer Auswahl mit 3:2 Toren. 3 000 Zuschauer hatten sich eingefunden, eine Zuschauerzahl, die der „Saarbrücker Zeitung“ zufolge relativ hoch ausfiel – in Anbetracht dessen, dass die Fußballsaison in Lothringen längst abgeschlossen gewesen sei. Die Motive der Fußballvereine, den Spielverkehr im Grenzraum nach 1924 wieder aufzunehmen, waren vielschichtig. Zum einen spielten sicherlich pragmatische Gründe eine Rolle: Die geografische Nähe war ein Faktor, die finanziellen Vorteile ein anderer. Dass die Währungskrise in Frankreich mit der politischen Neuausrichtung und dem Ende des Sportboykotts zusammenhing, war kein Zufall und ermöglichte es den ebenfalls frankenabhängigen saarländischen Fußballvereinen, günstigere Spielabschlüsse im nahen Frankreich zu suchen. Zum anderen waren es aber auch die gewachsenen sportlichen Strukturen im Grenzraum, die dafür sorgten, dass die Annäherung seit 1924 auf langjährigen vertrauten Verbindungen und Beziehungen aufbauen konnte. Für die saarländischen wie für die lothringischen Vereine in der Moselle bedeutete der gegenseitige Spielverkehr etwas völlig anderes als der Spielverkehr mit französischen beziehungsweise deutschen Vereinen. Allen Nationalisierungstendenzen im saarländisch-lothringischen Grenzraum in den zwanziger Jahren zum Trotz verstanden sich die Fußballvereine als Nachbarn. So war es auch keine Überraschung, dass die Fußballvereine 1924 nach der Möglichkeit griffen, die alten Verbindungen innerhalb des land-Frankreich“, in: ebda., 19.1.1931; Art. Le match de football France-Allemagne, in: Le Petit Parisien, 16.3.1931 517 BARREAUD/COLZY: Les rencontres (1995), S. 115. 518 Siehe Art. Saar-Pfalz unterliegt gegen Lothringen 2:3, in: Saarbrücker Zeitung, 6.6.1932; Art. Niederlage beim Repräsentativspiel in Metz, in: SWD, 6.6.1932, S. 1.

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Grenzraums erneut zu knüpfen. Eine dritte Triebfeder, die grenzüberschreitende Annäherung im Fußball wiederaufzunehmen, dürfte gerade in Hinblick auf Reisen nach Paris oder nach Marseille der individuelle touristische Erlebnischarakter solcher Spielreisen gewesen sein. Für die Reiseteilnehmer, aber auch für die mitgereisten „Schlachtenbummler“, bedeuteten solche Spiele schlicht auch die Möglichkeit, mehr von der Welt zu sehen und in Bezug auf Frankreich das „savoir vivre“ in vollen Zügen zu genießen. Die mehrtägigen Reisen beinhalteten nicht nur die eigentlichen Spiele, sondern Ausflüge, Festbankette und auch die Möglichkeiten, abends auszugehen. Mit dem Bau der Maginotlinie auf französischer Seite und der Remilitarisierung im nationalsozialistisch gewordenen Deutschland kam es ab 1933 zu einer zunehmenden Schließung der saarländisch-lothringischen Grenze, die sich François Roth zufolge zu einer „frontière militarisée de confrontation“ entwickelte.519 Wie sich unter diesen Voraussetzungen die deutsch-französischen Sportbeziehungen im Allgemeinen und die saarländisch-lothringischen im Besonderen nach 1933/35 entwickelten, wird im folgenden Abschnitt thematisiert. 7.3 Im Schatten der Maginot-Linie und des Westwalls Der deutsch-französische Spielverkehr 1933/35 bis 1939 Für den 5. März 1933 war in Berlin das Länderspiel Deutschland gegen Frankreich terminiert. Zwei Jahre nach dem ersten Aufeinandertreffen beider Nationen wollte die von Reichstrainer Otto Nerz betreute deutsche Nationalmannschaft die 0:1-Niederlage von Paris vergessen machen. Aus Rücksicht auf die Reichstagswahlen an diesem Tag wurde das Spiel jedoch um zwei Wochen verschoben. In der französischen Botschaft in Berlin wurden zwei Tage nach der Wahl auch Überlegungen angestellt, ob es sinnvoll sei, das Spiel wegen eventueller unerfreulicher Zwischenfälle noch einmal zu verschieben, weswegen das Auswärtige Amt kontaktiert wurde.520 Französische Bedenken konnten jedoch offensichtlich zerstreut werden. Denn am 19. März kam es vor über 55 000 Zuschauern im Grunewalder Stadion planmäßig zur Austragung des Ländervergleichs. Tags zuvor war die französische Auswahl in Berlin eingetroffen, wo sie am Bahnhof von französischen Botschaftsangehörigen und den führenden DFB-Funktionären begrüßt worden war. Auf der Ehrentribüne hatten sich neben dem französischen Botschafter André François-Poncet der deutsche Vizekanzler Franz von Papen und Reichsaußenminister Konstantin Freiherr von Neurath eingefunden. Der fran-

519 ROTH: La frontière (2001), S. 136f. 520 Aufzeichnung von Bülow: Deutsch-französisches Fußballturnier in Berlin, 7.3.1933, in: PAAA, R 29452.

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zösischen Presse zufolge waren auch zwischen 2 000 und 5 000 französische Fans nach Berlin gereist, um dem Spiel beizuwohnen.521 Nach dem Spiel äußerten die Funktionäre des französischen Fußballverbandes ihre volle Zufriedenheit. So würdigte der französische Verbandspräsident Jules Rimet auf dem obligatorischen Festbankett die in Deutschland herrschende Ruhe und Ordnung. Und auch die französische Presse lobte insbesondere die beispielgebende korrekte Haltung des Publikums, das nicht nur beim Abspielen der Marseillaise applaudiert, sondern auch dem Spiel der französischen Elf Beifall gespendet hätte.522 Die sportliche Revanche für die Niederlage zwei Jahre zuvor sollte der deutschen Auswahl nicht gelingen. Trotz einer 3:1-Führung musste sie in der Schlussphase des Spiels noch zwei Gegentreffer hinnehmen. Zwei Tore auf deutscher Seite steuerte Ossi Rohr bei. Für den zu dieser Zeit noch bei Bayern München spielenden Stürmer sollte es allerdings das letzte Länderspiel sein. Durch sein Engagement als Fußballprofi im Ausland – seit 1934 bei Racing Strasbourg – wurde er beim DFB als „Fremdenlegionär“ zur Persona non grata erklärt.523 Das Jahr 1933 stellte im Hinblick auf die internationalen Sportbeziehungen des Deutschen Reiches keine Zäsur dar. Intensiviert wurden gerade die sportlichen Beziehungen zu Frankreich, das bis 1937 sogar zum häufigsten Länderkampfpartner avancierte. Die Jahre 1937 und 1938 mit 24 beziehungsweise 17 Länderkämpfen bedeuteten einen neuen Höhepunkt im Sportverkehr beider Länder.524 Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam es im beibehaltenen Zweijahresrhythmus zu zwei weiteren Fußball-Länderspielen in Paris und Stuttgart. Beim Spiel in Paris im März 1935 kam Aimé Nuic, der aus dem herzegowinischen Mostar stammendem, eingebürgertem Außenstürmer des CS Metz, zu seinem Länderspieldebüt. Aber auch er konnte nicht verhindern, dass die deutsche Nationalmannschaft vor rund 40 000 Zuschauern das Spiel mit 3:1 Toren für sich entschied.525 Zwei Jahre später gab es in Stuttgart am 21. März 1937 einen weiteren deutschen Sieg. Vor rund 70 000 Zuschauern verlor die französische Nationalmannschaft mit 0:4 Toren.526 Wie vier Jahre zuvor wurden die französischen Gäste auch diesmal in Deutschland hofiert. Wie bei den Olympischen Spielen im Jahr 1936 inszenierte sich das „Dritte Reich“ bei den Fußball-Länderspielen als friedliebende Nation. Transportiert werden sollte dabei das Interesse der Nationalsozialisten an freundschaftlichen 521 Art. Le match de football France-Allemagne, in: Le Petit Parisien, 19.3.1933; Art. Le match de football de Berlin, in: ebda., 20.3.1933; Art. Football: Le match nul France-Allemagne, in: Match, 21.3.1933, S. 4. 522 Art. Football: Le match nul France-Allemagne, in: Match, 21.3.1933, S. 4; TEICHLER: Stationen (1994), S. 58; BARREAUD/COLZY: Les rencontres (1995), S. 118. 523 Zu Rohr siehe Kapitel 6.3, S.195-196. 524 TEICHLER: Stationen (1994), S. 58–61. 525 Marcel Rossini: Art. France-Allemagne, in: Match, 12.3.1935; Emmanuel Gambardella: Art. L’Allemagne a battu la France par 3 à 1, in: Match, 19.3.1935. 526 Roger Malher: Art. Allemagne bat France, in: Le Petit Parisien, 22.3.1937; Marcel Rossini: Art. Trop lourde defaite, in: Football, 24.3.1937.

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Beziehungen sowie an einer bilateralen und europäischen Verständigungspolitik. Tatsächlich hatte diese subtile Inszenierung – die Inszenierung der Nation bei Länderspielen war keine nationalsozialistische Erfindung – gewisse Erfolge aufzuweisen. Denn die umworbene französische Presse schrieb mehrheitlich ganz im Sinne der Nationalsozialisten vom Fußballspiel als Akt der Völkerverständigung.527 Allerdings wurden auch auf französischer Seite die Länderspiele politisch genutzt. Der Sportverkehr mit Deutschland sollte zur Entspannung beitragen und war deshalb letztendlich auch ein „Bestandteil staatlicher Außenpolitik.“528 Auf der Ebene der Experten und Funktionäre des Sports kam es – gerade aufgrund der offensichtlichen sportlichen Erfolge des „Dritten Reiches“ und aufgrund der anstehenden Olympischen Spiele in Berlin – zur Intensivierung der bilateralen Kontakte. Im Herbst 1935 löste der Pariser Besuch des Reichssportführers Hans von Tschammer und Osten ein großes mediales Echo aus. Er beeindruckte die französische Öffentlichkeit nicht nur mit seinen Fremdsprachenkenntnissen. Offensichtlich hinterließen seine Reden, die primär von der Internationalität des Sports und der Friedensmission der Olympischen Spiele handelten, großen Eindruck. Die NS-Sportpolitik wurde in Frankreich als erfolgreich eingeschätzt, hatte Vorbildcharakter und förderte die Bereitschaft, ebenfalls den Sport und die Leibesübungen unter staatlicher Kontrolle zentral zu organisieren.529 Es war nicht überraschend, dass das deutsche Modell einer einheitlichen Führung des Sports in Frankreich eine breite Rezeption erfuhr, war doch der Zentralismus als Leitprinzip tief in der politischen Kultur Frankreichs verankert. Die deutsch-französischen Kontakte äußerten sich in Studienreisen französischer Sportwissenschaftler oder im Rahmen der deutsch-französischen Kulturkonferenz im Juni 1938, anlässlich welcher in Baden-Baden ein Coubertin-Denkmal eingeweiht wurde. Bei den Referaten von Carl Diem und dem französischen IOC-Mitglied Marquis de Polignac ging es um Sport in der Jugend- und Volkserziehung und es zeigte sich einmal mehr, dass sich der „unpolitische“ Sport „als geeignetes Medium unverbindlicher Freundschaftsgesten“ erweisen konnte.530 Alles in allem verfestigte sich bei führenden französischen Sportfunktionären die Ansicht, dass autoritäre Systeme für den Sport effektiver seien. So kritisierte auch Jules Rimet – der zugleich ja auch Präsident der FIFA war – in den dreißiger Jahren zunehmend die Ineffektivität der demokratischen Prozesse im französischen Fußballverband.531 Im Kontrast zur Friedensrhetorik im Bereich des Sports kam es in den dreißiger Jahren zum Verfall der Nachkriegsordnung in Europa. Zur Konfliktverschärfung trug in erster Linie die immer aggressivere Außenpolitik des „Dritten Reiches“ bei, die nicht nur eine Revision des Versailler Vertragssystems verfolgte, 527 528 529 530

Vgl. WAHL: Fußball und Nation (1995), S. 345. WOITE-WEHLE: Zwischen Kontrolle (2001), S. 59. WOITE-WEHLE: Zwischen Kontrolle (2001), S. 58f.; TEICHLER: Stationen (1994), S. 60f. TEICHLER: Stationen (1994), S. 61f.; LIOTARD: Zur französischen Rezeption (1994), S. 88f.; BEYER: Die deutsch-französische Kulturkonferenz (1994), S. 46; DELAPLACE: Die deutschfranzösischen Beziehungen (1994), S. 51f. 531 Verwirklicht wurden die Vorstellungen einer autoritären Sportorganisation dann unter dem Vichy-Regime ab Sommer 1940. Siehe DEFRANCE: Le sport (2007), S. 100f.

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sondern auch weitreichende Expansionspläne. Bewegte sich die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes im März 1936 noch im Rahmen einer Revisionspolitik, wurde im Jahr darauf die für das Reich volkswirtschaftlich ruinöse Aufrüstung so sehr verstärkt, dass ein Krieg in naher Zukunft immer wahrscheinlicher wurde. Im Herbst 1937 war die deutsche Außenpolitik bereits auf Expansion ausgerichtet.532 Nach dem „Anschluß“ Österreichs im März 1938 und der Annexion des Sudetenlandes infolge der Münchener Konferenz im Herbst desselben Jahres, bedeutete die Besetzung Prags und der „Rest-Tschechei“ im März 1939 einen Wendepunkt. Mit der Einrichtung des Protektorats Böhmen und Mähren wurde nicht nur erstmals ein fremdes Volk unterworfen.533 Es besiegelte das Ende der in München verabredeten Ordnung und beschwor durch die Provokation der Westmächte ein Szenario für Europa herauf, in welchem – einundzwanzig Jahre nach dem Ende des großen Weltkrieges – ein neuerlicher Krieg in Europa immer realistischer wurde. Wie wirkten sich die aufblühenden Beziehungen zwischen dem reichsdeutschen und dem französischen Sport einerseits und die politischen Entwicklungen andererseits auf die sportlichen Beziehungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum aus? Die Zuspitzung der internationalen Beziehungen seit Mitte der dreißiger Jahre manifestierte sich im Grenzraum eindrucksvoll in der Errichtung der Maginotlinie auf französischer und dem Bau des Westwalls auf deutscher Seite. Die mit zahlreichen Bunkern versehene „Ligne Maginot“ war bereits seit Ende der zwanziger Jahre errichtet worden und erstreckte sich alleine im Departement Moselle über eine Länge von 130 Kilometern. Auf deutscher Seite wurde der saarländische Abschnitt des Westwalls seit dem Frühjahr 1938 gebaut. Zehntausende Arbeitskräfte errichteten 4 100 Bunker und Wehranlagen. Mit der Angliederung an das Deutsche Reich wurde die Stadt Saarbrücken durch den Bau der Below-Kaserne zudem wieder zur Garnisonsstadt.534 In den Jahren nach der Saarabstimmung wurde der grenzüberschreitende Spielverkehr zwischen lothringischen und saarländischen Fußballvereinen erheblich verringert. Dies dürfte zum einen daran gelegen haben, dass durch die faktische Schließung der Grenze zur Moselle hin sowie durch die Eingliederung des Saarlands in das Reich Spielabschlüsse mit reichsdeutschen Vereinen einfacher zu bewerkstelligen waren als mit lothringischen beziehungsweise französischen Klubs. Zum anderen dürfte die erhöhte Auslastung des Spielbetriebs der Vereine sowohl in der Moselle als auch an der Saar zu einem Rückgang der Freundschaftsspiele geführt haben. Nicht zuletzt die Schaffung einer Profimannschaft in Metz mit dem damit verbundenen engen Terminplan erschwerte einen Spielverkehr mit dem Saarland. Am 20. August 1935 kam es mit einem Gastspiel des SV 532 NIEDHART: Internationale Beziehungen (1989), S. 129–134; THAMER: Verführung (2004), S. 571. 533 RECKER: Vom Revisionismus (1993), S. 328; THAMER: Verführung (2004), S. 570–607, hier S. 604. 534 ROTH: La région (1996), S. 143; HIEGEL: La Drôle de guerre (1983), S. 42-55; HERRMANN: Saarbrücken (1999), S. 252f; BURGARD: Kleine Geschichte (2010), S. 215.

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Saar 05 in Metz zum einzigen Aufeinandertreffen eines Saarbrücker Vereins mit der Berufsmannschaft des FC Metz. Das Spiel endete mit 9:0 Toren für die französischen Profis. In Saarbrücken selbst sollte es bis 1940 dauern, bis wieder eine Metzer Mannschaft – unter völlig anderen Vorzeichen – ein Gastspiel geben sollte.535 Zu einem sporadischen Spielverkehr mit Frankreich kam es dennoch. Der FV Saarbrücken unterzeichnete im Jahr 1937 mit dem SC Fives Lille einen Vertrag für ein gegenseitiges Gastspiel. Im ausführlichen Reisebericht zu diesem Auswärts-spiel in Lille wird dabei deutlich, wie einerseits im grenzüberschreitenden sportlichen Umgang Kontinuitäten festzustellen sind, andererseits das Verhalten von Vereinsmitgliedern und Spielern sich den geänderten Rahmenbedingungen in der neuen „Volksgemeinschaft“ in hohem Maße angepasst hatte. Das Gastspiel in der nordfranzösischen Industriestadt war für den April 1937 terminiert. Für die Mannschaft war die Begegnung ein „lange gehegter Wunsch“, stand doch seit vier Jahren der langjährige Saarbrücker Torwart Karl „Knaule“ Dahlheimer dort zwischen den Pfosten.536 1933 war Dahlheimer als erster saarländischer Fußballprofi nach Lille gewechselt. Im Vereinsnachrichtenblatt wurde über die „Frankreichfahrt des FVS“ ausführlich berichtet. Zunächst wurde bemerkt, dass es heute keine Kleinigkeit sei, alle Schwierigkeiten zu überwinden, „die sich einem Besuche bei unserem westlichen Nachbarn in die Wege stellen.“ In seinem Bericht, der an dieser Stelle referiert wird, sparte Reinhard Lenhof zwar nicht an Lob für die französischen Gastgeber. Der Text lehnte sich jedoch in seinem Grundton ebenso an die nationalsozialistische Semantik seiner Zeit an wie er die Ideologie des „Dritten Reiches“ widerspiegelte. So führte die Eisenbahnfahrt vorbei an den „Stätten des großen Krieges“, die „mit dem Heldentum der feldgrauen Frontsoldaten unlöslich verknüpft“ waren. Die Fahrt führte die Saarbrücker Reisegesellschaft zunächst nach Paris, wo ein halbtägiger Aufenthalt auf dem Programm stand. Die obligatorische Stadtbesichtigung schloss unter anderem die Kathedrale von Notre-Dame und die Prachtstraße der Champs-Elysées ein. Als viel interessanter „für unsere Jungens“ war dem Reisebericht zufolge allerdings das Beäugen attraktiver Französinnen. Einer der Spieler habe den Ausspruch getätigt: „Daß do is jo die reinschd lewendisch Gemäldegalerie“. Am selben Abend fuhr die Gruppe nach Lille weiter, wo sie von Dahlheimer, seiner Frau und einer Delegation des gastgebenden Vereins empfangen wurde. Tags darauf beim Auflaufen auf das Spielfeld sei die Mannschaft – so der Bericht – vom Publikum mit lautem Beifall begrüßt worden. Für die Spieler überraschend sei es auch gewesen, dass auch ihr obligatorischer „deutscher Gruß“ „wiederum Anlaß für herzliche Beifallskundgebungen“ gewesen sei. Überhaupt, so schrieb Lenhof euphorisch, habe er „ein derart sportlich objektives Verhalten einer Zuschauermasse wie in Lille noch nicht erlebt.“ Wenngleich es der Saarbrücker Mannschaft gelun-

535 Art. Fussballverein Saarbrücken gegen Metzer Fussballverein, in: Deutsche Front, 31.8.1940. 536 Siehe Reinhard Lenhof: Frankreichfahrt des FVS, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Mai 1938, S. 2–6.

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gen sei, den französischen Nationalspieler Aimé Nuic537 auszuschalten, verlor sie das Spiel letztendlich mit 0:3 Toren. Bis zur abendlichen Abfahrt, so schloss der Bericht, sei man noch mit Spielern des SC Fives Lille sowie Mitgliedern der Ortsgruppe der NSDAP von Lille und Umgebung zusammengesessen. Den in Lille wohnenden Landsleuten habe man nicht genug erzählen können „von unserem in den letzten Jahren unter der Führung Adolf Hitlers so schön gewordenen Deutschland.“ Wenige Wochen später kam es im Saarbrücker Ludwigspark vor 6 000 Zuschauern dann zum Rückspiel. Wie die Saarbrücker war auch die nordfranzösische Mannschaft am Vortag angereist. Mit Stolz wurde im Vereinsnachrichtenblatt verkündet, dass auch dieses Mal wieder der vom eigenen Verein stammende Torwart Dahlheimer zwischen den Pfosten stand. Die sportliche Revanche glückte: Der FV Saarbrücken gewann mit 3:1 Toren.538 Zu repräsentativen Spielen der Ligue Lorraine de Football gegen deutsche Auswahlmannschaften kam es nach 1935 noch zwei Mal. Im Februar 1938 sollte ursprünglich ein Gastspiel des Gaus Südwest in Metz stattfinden. Da dessen Auswahlmannschaft jedoch wegen des Länderpokals terminlich verhindert war, kam es stattdessen am 20. Februar 1938 zu einem Aufeinandertreffen mit einer Auswahl aus Hessen. Vor mehr als 10 000 Zuschauern gewannen die unter der Leitung des Spielausschussvorsitzenden Bichelberger spielenden Lothringer mit 5:2 Toren. Acht von elf Spielern stammten dabei aus dem Profikader des FC Metz, und insbesondere dessen holländischer Stürmerstar Bep Bakhuys verdiente sich – dem Berichterstatter des „Kicker“ zufolge – Bestnoten. Allerdings wurden zugleich die Starallüren der „französischen Professionals“ bemängelt, welche dem „Kicker“ zufolge auch von Seiten Bichelbergers bedauert wurden.539 Ursprünglich hatten beide Seiten ausgehandelt, das Rückspiel im Laufe der nächsten Saison in Kassel auszutragen. Da jedoch offensichtlich der ursprüngliche Spielgegner, der Gau Südwest, ein Interesse daran hatte, gegen Lothringen zu spielen, wurde die LLFA von deutscher Seite aus im Dezember 1938 darum gebeten, das Rückspiel nicht in Kassel, sondern in Saarbrücken stattfinden zu lassen. Der Gegner sollte dann entsprechend auch die Auswahlmannschaft des Gaus XIII Südwest sein.540 Das Spiel auf dem Kieselhumes in Saarbrücken wurde sorgfältig vorbereitet und auf den 19. Februar 1939, einen Sonntag, terminiert. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Kreis Saarbrücken des NSRL. Er richtete Vorverkaufsstellen ein, organisierte die Hotels für beide Mannschaften sowie einen Schiedsrichter aus Luxemburg. Der Mitteilung des Kreises zufolge sollte das Spiel „gegen die west-

537 Der im herzegowinischen Mostar geborene und in Frankreich eingebürgerte Aimé Nuic (1912–1995) hatte von 1930 bis 1936 in Metz gespielt. Siehe Kapitel 6.3, S. 198. 538 Art. Lille in Saarbrücken, in: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Juni 1938, S. 5–7; Festschrift 50 Jahre 1. FC Saarbrücken (1953), S. 41. 539 Art. Bakhuys gegen Sonnrein, in: Kicker, 22.2.1938. 540 Art. Réunion du Bureau de la LLFA, 27.8.1938, in: Lorraine Football, 1.9.1938; Art. Réunion du Bureau de la LLFA, 17.12.1938, in: ebda., 23.12.1938.

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lichen Sportnachbarn […] neben dem Saarbrücker großen Fasching dem Tag das Gepräge geben.“541 Am Vormittag wurden beide Mannschaften vom Saarbrücker Oberbürgermeister Friedrich Schwitzgebel – der zugleich Kreisführer des NSRL in Saarbrücken war – persönlich empfangen. Beide Auswahlmannschaften wurden mitsamt Betreuern ausgerechnet durch das neue Saarbrücker Gautheater geführt, das dem „Kicker“ zufolge „einen gewaltigen Eindruck auf alle hinterließ.“542 Erst vier Monate zuvor war das „Grenzlandtheater“ – offiziell ein Geschenk Adolf Hitlers an die Saarländer für den Abstimmungserfolg 1935 – mit großem Pomp und im Beisein des „Führers“ eingeweiht worden. Das Theater sollte insbesondere kulturpolitische Aufgaben im Sinne des Deutschtums erfüllen.543 Zweifellos sollte auch das Repräsentativspiel gegen Lothringen dem kulturpolitischen Sendungsbewusstsein des „Dritten Reiches“ Rechnung tragen, inszenierte sich das Regime doch in solchen Spielen bereits durch die Anwesenheit zahlreicher parteipolitischer Prominenz und die stets gleichen Rituale immer wieder aufs Neue. Die Begegnung selbst war der Sportpresse zufolge in sportlicher Hinsicht ein hochklassiges Spiel und endete mit 4:4 Toren unentschieden. Erst in den letzten zehn Minuten konnten die Lothringer Berufsspieler um den niederländischen Stürmer Bep Bakhuys einen Rückstand von zwei Toren aufholen. Dem Sonderberichterstatter Müllenbach zufolge spielte sich insbesondere ein achtzehnjähriges Talent aus Kaiserslautern in den Vordergrund: Fritz Walter – bei Reichstrainer Sepp Herberger laut „Kicker“ bereits hoch im Kurs – trug sich mit „zwei unerhörten Treffern“ in die Torschützenliste ein. Dass das Spiel gegen Lothringen gerade für die ältere Generationen mehr als ein internationaler Wettkampf war, zeigen wiederum die Ausführungen Erich Menzels, der von einem „Wiedersehen nach 25 Jahren“ schrieb und für den das „Rendezvous an der Grenze“ mehr war „als ein interessanter Vergleichskampf zwischen zwei Auswahlmannschaften.“544 Auf der Tribüne des Kieselhumes fanden sich Menzel zufolge mehrere Protagonisten des alten Westkreises wieder zusammen, unter ihnen „unser aller Freund Bichelberger“: „Aber nun standen sie wieder mit derselben großen Liebe zum Spiel beisammen, innerlich verbunden durch das gemeinsame Ideal ihrer Jugend. Ueber die Grenzen hinweg erhalten sich herkömmliche Freundschaften und überzeugen uns von den vielfältigen Werten unseres schönen Sports.“545

541 Meldungen aus dem Kreis 14 Saarbrücken, in: Gauverordnungsblatt Sportgau XIII Südwest, 31.1.1939. 542 Vom Spiel berichtete Hans Müllenbach, der extra angereiste Hauptschriftleiter des Kicker. Siehe zu diesem Abschnitt Hans Müllenbach: Art. Saarbrücken: Begeisternde Stürmerleistungen, in: Kicker, 21.2.1939, S. 5f. Siehe auch knapp Art. A Sarrebruck contre l’Allemagne du Sud-Ouest, in: Lorraine Football, 25.2.1939. 543 SCHOLDT: Ein Grenztheater (2008), S. 196. BURGARD: Kleine Geschichte (2010), S. 203f. 544 Erich Menzel: Art. Dies und das aus dem Südwesten, in: Kicker, 21.2.1939, S. 38. 545 Erich Menzel: Art. Dies und das aus dem Südwesten, in: Kicker, 21.2.1939, S. 38.

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Dem Grundton der Berichte im „Kicker“ zufolge war der Umgang zwischen beiden Delegationen während des Spiels herzlich. Zugespitzt wurde dies in der Karikatur im „Kicker“ dargestellt, in welcher eine lothringische Fußballerin und ein südwestdeutscher Fußballer – analog zur französischen Marianne und zum deutschen Michel – aufeinander zu stürmen, um sich einen Kuss zu geben (siehe Abbildung 5). Dem „Kicker“ zufolge fühlten sich die Gäste aus Lothringen bei ihrem Besuch in Saarbrücken sehr wohl, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass sie den Wunsch äußerten, die Begegnung in naher Zukunft zu wiederholen. Tatsächlich bedankte sich die Ligue Lorraine wenige Wochen später offiziell bei den Konsuln Deutschlands und Frankreichs für die Erleichterung der Formalitäten im Rahmen des Spiels sowie für die Verpflegung der lothringischen Verbandsdelegation während des Aufenthalts in Saarbrücken.546 Nur vier Tage nach der Sitzung des Vorstands der Ligue Lorraine marschierte die Wehrmacht auf Geheiß Hitlers in Prag ein und stellte mit der Besetzung der „Rest-Tschechei“ die Westmächte vor vollendete Tatsachen. Die Zuspitzung der internationalen Spannungen führte zur Unterbrechung des Sportverkehrs zwischen Frankreich und Deutschland. Abgesagt wurde nicht nur das noch für Ende März terminierte Rugby-Länderspiel. Nur eine Woche vor dem für den 23. April 1939 in Paris geplanten Fußball-Länderspiel gegen Deutschland wurde der franzöAbb. 5: Karikatur des Kicker zum sische Fußballverband vom französiAuswahlspiel vom 21.2.1939 schen Innenministerium aufgefordert, das Spiel aufgrund der aktuellen politischen Spannungen zu verschieben. Die Behörden befürchteten im Umfeld des Spiels feindliche Kundgebungen, die man unbedingt vermeiden wollte. Die französische Sportöffentlichkeit reagierte auf die kurzfristige Absage des Spiels enttäuscht, zumal ein Automobilrennen mit deutscher Beteiligung genehmigt worden war und ohne Zwischenfälle beendet werden konnte. In der auflagenstärksten französischen Tageszeitung „Le Petit Parisien“ wurde bedauert, dass die Politik gegenüber dem Sportpublikum kein Vertrauen habe. Verwiesen wurde dabei auf das ebenso politisch brisante Länderspiel von 1935, bei welchem die französischen Zuschauer vorbildlich agiert hätten.547 Im Gegenzug erließ der NSRL am 25. April 1939 ein Startverbot für deutsche Sportler in Frankreich. Es wurde damit begründet, dass die momentane französische Regierung keine Garantie abgeben könne, dass die sportlichen Begegnungen in Ruhe und Ordnung vonstatten gehen 546 Art. Réunion du Bureau de la LLFA, in: Lorraine Football, 10.3.1939. 547 Art. A propos de France-Allemagne, in: Le Petit Parisien, 19.4.1939, S. 6; Mario Brun: Art. France-Allemagne? Probablement pas!, in: ebda., 15.4.1939.

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könnten.548 Auch im saarländisch-lothringischen Grenzraum kam es in den folgenden Monaten zum Ende der bilateralen sportlichen Beziehungen. Zementiert wurde deren Ende schließlich am 1. September 1939. Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und der zwei Tage später erfolgten Kriegserklärungen Großbritanniens und Frankreichs an das Deutsche Reich wurde die Eigendynamik des Kriegs in Gang gesetzt, deren Auswirkungen umgehend im deutschfranzösischen Grenzraum zu spüren sein sollten. Die Entwicklung des Fußballsports und seiner Vereine vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs sind Thema des folgenden Kapitels. ZWEITE ZWISCHENBETRACHTUNG Fußball als Inszenierungsraum, 1919 bis 1939 Im ersten Hauptteil wurde das Wesen und Selbstverständnis der Fußballvereine erörtert, welches sich in der Formierungsphase des Fußballs bis zum Ersten Weltkrieg entwickelt hatte. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die untersuchten Fußballvereine eine bürgerlich geprägte exklusive Fußballkultur entwickelten, in welcher sich mit dem Vereinspragmatismus ein Grundprinzip herauskristallisierte, dem Motive und Verhaltensweisen oft untergeordnet waren. Im zweiten Hauptteil wurde der Werdegang der ab 1919 getrennte Wege gehenden Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum nachgezeichnet. Nachgegangen werden sollte der Frage, wie sich das wachsende Interesse der politischen Akteure in der Zwischenkriegszeit auf den Fußball, die Vereine und auf deren Selbstverständnis auswirkte. Diese grobe Fragestellung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Vereine an Saar und Mosel nach 1918 zwar völlig unterschiedliche politische Bedingungen vorfanden, jedoch ähnliche Problemlagen und Konflikte zu bewältigen hatten. Die Fußballvereine standen vor einer doppelten Herausforderung. Während Fußball als Breiten- und als Zuschauersport einen großen Aufschwung erfuhr, mussten die Vereine infolge der politischen Ereignisse nicht nur das Ende der bisherigen Strukturen bewältigen, sondern sich mit den neuen politischen Realitäten auseinandersetzen. Sowohl an der Saar als auch an der Mosel zeigten die Vereine in der Folge eine große Anpassungsfähigkeit, wenn es darum ging, sich in der politischen Neuordnung zurechtzufinden. Mit dem Bedeutungszuwachs des Fußballs als populäre Sportart und einer damit verbundenen zunehmenden öffentlichen Wahrnehmung wurde er – noch viel mehr als zuvor – zu einer Projektionsfläche sozialer und politischer Ideen und Ideologien: Erstens kam es zu Verschränkungen und Verflechtungen zwischen den Vereinen und politischen Akteuren. Zweitens wurde das Fußballspiel von der Politik in der Zwischenkriegszeit vermehrt als publikums- und öffentlichkeitswirksamer Inszenierungsraum wahrgenommen. Drittens agierten die Fußballvereine allerdings auch in diesem selbst als gesellschaftspolitische Akteure, deren 548 TEICHLER: Stationen (1994), S. 63.

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vereinspragmatische Ziele zum Teil kongruent mit jenen der staatlichen Akteure, zum Teil aber auch im Widerspruch zu ihnen stehen konnten. Der jeweilige Deckungsgrad hing davon ab, wie sehr gesellschaftspolitische Veränderungen und Tendenzen der Zwischenkriegszeit den bürgerlichen Fußballsport beeinflussten und welchen sportlichen Zwängen die Vereine durch die sportlich-autonomen Entwicklungstendenzen ausgesetzt waren. Dass der Handlungsspielraum der Vereine als selbstständige sportpolitische Akteure auch begrenzt sein konnte, sollte sich allerdings im Nationalsozialismus zeigen. Entlang dieser drei Thesen werden im Folgenden die Ergebnisse des zweiten Hauptteils jeweils für die Saar und die Moselle beschrieben. Um der wachsenden Sportöffentlichkeit seit den zwanziger Jahren gerecht zu werden, werden in einem dritten Abschnitt die in der Sportöffentlichkeit und in den Vereinen verhandelten Diskurse um den Vereinsfanatismus und den Profifußball thematisiert. Fußball als Inszenierungsraum im Saargebiet 1.) Zur Sportpolitik: Die französische Sportpolitik an der Saar in den Jahren nach 1918 scheiterte, da sie kein überzeugendes Konzept verfocht. Die Schaffung frankophiler und autonomer Sportstrukturen wies in eine ungewisse Zukunft und bot dem Fußballsport keine Alternative zu den etablierten und weiterbestehenden sportlichen Verbindungen zu den Mutterverbänden. Letztere waren der Grund, warum die ebenso wenig ausgereifte Sportpolitik der reichsdeutschen Stellen „erfolgreich“ sein konnte. Während die Franzosen völlig neue Strukturen hätten schaffen müssen, konnten die reichsdeutschen Stellen auf etablierte und erfahrene Sportverbände und Persönlichkeiten zurückgreifen. Die vereinspragmatischen Ziele der Fußballvereine an der Saar deckten sich mit jenen der deutschen Politik nicht nur in sportlicher Hinsicht: Eine deutschnationale Haltung hatte in den bürgerlichen Fußballvereinen Tradition. 2.) Vereine als selbstständige gesellschaftspolitische Akteure: Die Professionalisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen im Fußballsport führten – im Zusammenspiel mit dem wirtschaftlichen Aufschwung an der Saar – seit Anfang der zwanziger Jahre dazu, dass die vereinspragmatischen Ziele von jenen der reichsdeutschen Politik abwichen. In der kurzen „Scheinblüte“ an der Saar verpflichteten die dortigen Fußballvereine ausländische Spieler und Trainer. Deren Verpflichtung sowie die weiterhin bestehende Tradition internationaler Spiele standen für die Kontinuität kosmopolitischer Traditionen im Selbstverständnis der bürgerlichen Sportvereine. Zugleich zeigte der Umgang sowohl mit den deutschen Regierungsstellen als auch mit den Besatzungsbehörden vor Ort, dass die Vereine pragmatisch agierten, wenn es darum ging, den eigenen Verein erfolgversprechend zu positionieren. Sie nahmen sogar in Kauf, als national nicht zuverlässig zu gelten. Dies galt auch nach dem Ende des Sportboykotts im Herbst 1924, als die saarländischen Fußballvereine – nicht zuletzt auch aus finanziellen Erwägungen heraus – gegen den Willen der reichspolitischen Akteure zahlreiche Spielabschlüsse mit lothringischen und französischen Vereinen suchten. Es hätte gegen

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das Selbstverständnis der Vereine und ihre pragmatische Haltung verstoßen, hätten die saarländischen Vereine auf einen Spielverkehr insbesondere mit der Moselle verzichtet. Nicht zuletzt waren es auch die über Jahre hinweg gewachsenen Beziehungen zum lothringischen Fußball, welche eine Reaktivierung der brach gelegenen Kontakte erleichterte. Erst mit der Verschärfung der politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich nach 1933, die sich im saarländisch-lothringischen Grenzraum nach der Rückkehr des Saargebiets zum Deutschen Reich ab 1935 in der Militarisierung der Grenze manifestierten, kam es nur noch zu einem sporadischen Spielverkehr. Gleichwohl gab es bis wenige Monate vor Kriegsausbruch grenzüberschreitende Begegnungen. 3.) Fußball als Inszenierungsraum: Generell jedoch waren die Ziele der Vereine mit jenen der reichsdeutschen politischen Akteure kongruent. Dies hatte sich beispielhaft in der Rheinischen Jahrtausendfeier im Jahr 1925 gezeigt. Mit der Ausrichtung dieser Feier in den besetzten linksrheinischen Gebieten sollte die Bevölkerung ihre Verbundenheit zum Deutschen Reich bekunden. Mit der bereitwilligen Teilnahme an den Feierlichkeiten stellten die Fußballvereine ihren von manchen Seiten hinterfragten Patriotismus unter Beweis. Eine Rückkehr der Saar in das Deutsche Reich stand bei den Fußballvereinen stets außer Frage, wurden doch nicht zuletzt die über Jahre hinweg gewachsenen Strukturen einer ungewissen sportlichen Zukunft vorgezogen. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass die Fußballvereine an der Saar es duldeten, Fußballspiele im Rahmen der „Saarkampagne“ als politischen Inszenierungsraum zu nutzen. Über Spiele saarländischer Vereine im Reich sollte die „nationale Treue“ der Saarländer dokumentiert werden. Zur Häufung der Propagandaspiele, bei welchen der sportliche Wert oftmals zweitrangig war, kam es insbesondere in den zwei Jahren vor der Saarabstimmung. In dieser Zeit, in welcher die Saarpropaganda nicht mehr vom Bund der Saarvereine, sondern von den Nationalsozialisten gesteuert wurde, wurde die Durchführung der Spiele nicht nur zunehmend politisch kontrolliert, sondern durch den immer selben Ablauf der Programmpunkte auch ritualisiert und standardisiert. Gleichzeitig nutzten die Vereine den Inszenierungsraum aber auch für sich selbst. Durch Spiele im Reich konnte das Prestige des eigenen Vereins erhöht werden. 4.) Die Inszenierung der „Volksgemeinschaft“ im „Dritten Reich“: Da eine Rückkehr der Saar in das Deutsche Reich zum Selbstverständnis der Fußballvereine gehörte, wurde der „nationale Aufbruch“ der deutschen „Volksgemeinschaft“ seit 1933 wie vom Großteil der saarländischen Bevölkerung euphorisch begrüßt. Offen bleiben muss indes, zu welchen Teilen sich die Selbstgleichschaltung in den Vereinen aus ideologischer Affinität und aus Opportunismus speiste. Das kaum hinterfragte aktive Umsetzen politischer Vorgaben, hierzu gehörte auch der Ausschluss der jüdischen Vereinsmitglieder, war moralisch jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Einer Inszenierung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft im Fußball stand daher nichts im Wege. Die Indienstnahme des Fußballs als Inszenierungsraum beschränkte sich nicht auf ausgewiesene Propagandaspiele, sondern beinhaltete auch Veranstaltungen wie die Einweihung von Sportanlagen. Hinzu kam eine außenpolitische Instrumentalisierung internationaler Spiele. Ob es ein

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offizielles Länderspiel gegen Frankreich war oder die Begegnung einer saarländischen mit einer lothringischen Auswahl: in den späten dreißiger Jahren wurde durch solche Spiele die Friedfertigkeit Deutschlands inszeniert, wurden Fußballspieler unbewusst und teilweise womöglich auch wider Willen zu Diplomaten des „Dritten Reiches“. Fußball als Inszenierungsraum in der Moselle 1.) Der eingeschränkte Handlungsspielraum der Fußballvereine und der Vereinspragmatismus: Die rigide Politik der „Französisierung“ aller Lebensbereiche in der Moselle nach 1918 schränkte den Handlungsspielraum der ehemals deutschen Fußballvereine stark ein. Die Durchsetzung vereinspragmatischer Ziele der Nachfolgevereine verlagerte sich daher auf die Ebene der sportlichen Einbindung der Vereine in das französische Verbandswesen. Zwar gelang es den Verantwortlichen, mithilfe der 1920 gegründeten Ligue Lorraine de Football, die Vereine der Moselle auf lange Sicht in den französischen Fußballsport zu integrieren. Dennoch kam es in den ersten Jahren zu verbandsinternen Spannungen, die nicht zuletzt auf sprachliche und kulturelle Differenzen zurückzuführen waren. Die Professionalisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen im Fußballsport, welche an der Saar das vereinspragmatische Denken beförderten, wirkten auch in der Moselle, wenngleich weniger ausgeprägt. Dies hing damit zusammen, dass die Moselle vom Höhenflug des Franken gegenüber der Reichsmark nicht im selben Maße profitieren konnte wie die Vereine an der Saar. Da sie den Sportboykott der Alliierten gegenüber dem Deutschen Reich und dessen ehemaligen Verbündeten mittragen mussten, blieben ihnen preiswerte Spielabschlüsse mit reichsdeutschen Vereinen in den ersten Jahren zunächst verwehrt. Allerdings profitierten auch sie von der Arbeitsmigration ausländischer Spieler und Trainer. Wie an der Saar wurden auch in der Moselle Anfang der zwanziger Jahre Trainer und Spieler aus Ungarn und Österreich verpflichtet. 2.) Die Inszenierung der Republik im Fußball der Moselle: Die traditionelle Verschränkung der französischen Armee mit dem Sport wirkte sich rasch auf die Fußballvereine in der Moselle aus, welche ihrerseits Abteilungen für die „Préparation Militaire“ einführten. Auch die Kontakte zu den Behörden und zur Verwaltung vor Ort entwickelten sich in der Regel gut, da beide Seiten sich einen gegenseitigen Nutzen davon versprachen. Der Staat sah das Potenzial im Sport darin, gesundheitspolitische, militärische und patriotische Aufgaben zu übernehmen. Die Sportvereine selbst profitierten von Subventionen und dem Bau von Sportanlagen. Eben diese gemeinsamen sportpolitischen Ziele führten schließlich auch dazu, dass es durch die Verflechtung der Vereine mit den wirtschaftlichen und politischen Eliten vor Ort zu einer zunehmenden Französisierung und Republikanisierung der Vereine kam. Personelle Verbindungen der Sportvereine zu den lokalen Notabeln waren nicht zuletzt deshalb auch notwendig geworden, da die gewachsenen Herausforderungen durch den Aufschwung des Fußballsports zunehmend auch Persönlichkeiten mit politischer Kompetenz und wirtschaftlichem

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Gewicht erforderten. An einer Verflechtung der sportlichen und politischen Sphäre waren beide Seiten interessiert, ging es doch beim Bau großer Sportanlagen um handfeste Interessen. Die Errichtung der Stadien in der Moselle konnte nur erreicht werden, weil private und öffentliche Initiativen ineinander griffen. Ihren Ausdruck fanden solche Verflechtungen bei Sportplatzeinweihungen und großen Sportveranstaltungen. Sie wurden als nationaler Inszenierungsraum genutzt. Während die staatlichen Akteure die Französische Republik inszenierten, boten solche Veranstaltungen den Vereinen die Möglichkeit, ihren eigenen Patriotismus in Szene zu setzen. 3.) Der lothringische Fußball als Faktor der Ausbildung einer gesamtlothringischen Identität: Der französische Fußballregionalverband, die Ligue Lorraine de Football, war trotz anfänglicher Konflikte mit den Vereinen der Moselle langfristig ein Erfolgsmodell. Nicht zuletzt die sportliche Dominanz der Moselle-Vereine sorgte dafür, dass die Fußballvereine des ehemals reichsdeutschen Bezirks Lothringen in die französische Lorraine integriert werden konnten. Als regionale Institution fand die Ligue in ihrem Wirken und in ihren Kompetenzen im politischen Zentralismus Frankreichs keine Entsprechung und wirkte durch ihre – alle vier lothringischen Departements umfassenden – Wettbewerbe identitätsstiftend im Hinblick auf die Ausbildung einer regionalen lothringischen Identität. Die Diskurse über den Fußball in der Sportöffentlichkeit Der Eigensinn des Fußballs und seine sportlich-autonome Entwicklung wurden seit seinen Anfängen von politischen, sozialen und anthropologischen Deutungen überdeckt. Diskurse über den höheren Sinn des Fußballs und seinen Selbstzweck wurden gerade in den zwanziger Jahren in der Sportöffentlichkeit verhandelt. 1.) „Vereinsfanatismus“ als verschärfte Wahrnehmung des Vereinspragmatismus: Mitte der zwanziger Jahre wurde in der Sportpresse eine Krise des Fußballsports ausgemacht. Befördert wurde sie im Grenzraum einerseits sicherlich durch die einsetzende Talfahrt des französischen Franken und dem damit verbundenen Ende der „Scheinblüte“ des saarländischen Fußballs. Andererseits wurde die Krise weithin rezipiert und wahrgenommen. Konstatiert wurde mit dem Zustrom der Massen seit Kriegsende ein Niedergang der sportlichen Ideale und der Aufstieg des sogenannten „Vereinsfanatismus“. Als dessen zentraler Ausdruck galt die zunehmende Aggressivität auf und neben den Plätzen. Tatsächlich handelte es sich beim „Vereinsfanatismus“ um das verschärft wahrgenommene Phänomen des Vereinspragmatismus, der auch als Vereinsegoismus ausgelegt wurde. Das bedingungslose Unterstützen des Vereins übertrug sich mit dem Wandel des Fußballs zum Zuschauersport auf das Publikum und führte in den zwanziger Jahren zweifellos zu einer Überforderung der Vereine, mit dem neuen Phänomen des „Fußballfans“ zurechtzukommen. Ob Aggressivität und rohe Gewalt eine weite Verbreitung fanden, ist allerdings zu hinterfragen. Gerade die älteren Generationen reagierten empfindlich auf jegliche „Störungen“, weswegen unter „Vereinsfanatismus“ auch Pfiffe und verbale Unmutsäußerungen am Spielfeldrand subsu-

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miert wurden. Wenngleich über Fußballspiele auch lokale und regionale Rivalitäten ausgetragen wurden, hing der Grad der Ausschreitungen oftmals mit dem performativen Geschehen auf dem Platz zusammen, boten doch insbesondere umstrittene Spielsituationen erst den Anlass dazu. Die Fußballvereine selbst bekämpften zwar durch ihre Verbände offiziell den „Vereinsfanatismus“ und die zunehmende Aggressivität auf den Plätzen. Durch ihr Auftreten gegenüber anderen Vereinen und durch die mit Stolz getragenen Vereinsfarben hatten sie dieses Umfeld allerdings selbst geschaffen. Letztendlich konterkarierte die Realität in den Fußballvereinen die von deutschen Verbandsfunktionären erfundene Utopie einer nationalen „Fußball-Volksgemeinschaft“. Diese hatte nur dann Bestand, wenn es um die Verteidigung gemeinsamer Interessen ging.549 2.) Der zweite große Diskurs im Fußballsport betraf die Einführung des Profifußballs. Dieser Schritt der sportlich-autonomen Entwicklung des Fußballsports wurde sowohl in Deutschland als auch in Frankreich vor allem von den Funktionärseliten bekämpft. Dabei vermischten sich ideologische mit wirtschaftlichen Motiven. Der Berufsfußball wurde dabei generell als eine Gefahr für die Entwicklung des Fußballs angesehen. Ebenjene wurde dabei allerdings in ein Schema gezwängt, in welchem dem Fußball außer-sportliche Funktionen zugewiesen wurden: Fußball sollte die Nation beziehungsweise die „Volksgemeinschaft“ stärken, der Wehrertüchtigung dienen oder soziale Spannungen abbauen. Kritisiert wurden sowohl in der deutschen als auch in der französischen Sportöffentlichkeit weniger diese Zuweisungen, sondern dass die Realität in den Vereinen eine völlig andere war: die Entwicklung des Fußballs hin zur Professionalisierung wurde als unaufhaltsam betrachtet, im Scheinamateurismus sei sie bereits zum Vorschein gekommen. Wie dieser verdeckte Professionalismus aussehen konnte, hatte sich Anfang der zwanziger Jahre auch an der Saar gezeigt. Gefordert wurde deshalb eine reinliche Trennung von Berufs- und Amateurfußball. Als die großen Fußballvereine im Saargebiet 1932/33 den Profifußball ablehnten, geschah dies nicht aus ideologischen Gründen. Die Ablehnung bezog sich auf den konkreten Fall des süddeutschen Berufsfußballverbandes, der in Saarbrücken einen Profiverein hatte gründen wollen und damit die etablierten Verbandsstrukturen gefährdet hätte. Entsprechend war das Interesse an der Erhaltung des Status quo groß. Zur selben Zeit kam es im nahen Frankreich zur Einführung des Profifußballs. Mit dem FC Metz wurde auch in der Moselle ein professioneller Fußballverein gegründet. Trotz begleitender Kritik an den Zuständen des Profifußballs, wobei die schwelende „Ausländerfrage“ eine ganz eigene Dynamik entwickeln sollte, etablierte sich der Berufsfußball im Metz der dreißiger Jahre. Der dritte und letzte Hauptteil hat die Epoche des Zweiten Weltkriegs sowie die Nachkriegszeit zum Thema. Es wird dabei analysiert werden, inwiefern der Fußball im Sportgau Westmark als Inszenierungsraum genutzt wurde, wie sich die Fußballvereine verhielten, beziehungsweise über welche Handlungsspielräume sie verfügten, um vereinspragmatische Ziele formulieren zu können. Für politische Ziele in Dienst genommen wurde der Fußball auch in der Nachkriegszeit. Insbe549 In diesem Sinne auch OSWALD: Fußball-Volksgemeinschaft (2008), S. 217f.

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sondere in Hinblick auf den teilautonomen „Saarstaat“ wird untersucht, inwiefern die autonom-sportliche Entwicklung des Fußballs mit den Interessen der Vereine und der Politik kongruent ging.

TEIL III. FUSSBALL ALS GRENZGÄNGER DIE FUSSBALLVEREINE IN DER WESTMARK UND AN DER AUTONOMEN SAAR, 1940–1952 8 INSZENIERTE NORMALITÄT FUSSBALL IM SPORTGAU WESTMARK 1940–1944 8.1 Prolog Der Fußballbetrieb in der „Drôle de guerre“ 1939/40 Mit dem Beginn des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 war die französische und britische Appeasement-Politik, der Versuch, Hitlers Expansionspolitik mit diplomatischen Zugeständnissen zu begegnen, endgültig gescheitert. In Erfüllung ihrer Garantien gegenüber Polen erklärten beide Staaten am 3. September dem Deutschen Reich den Krieg.1 Die befürchtete und dennoch unabwendbare Eskalation war eingetreten und hatte für den saarländisch-lothringischen Grenzraum unmittelbare Konsequenzen. Sowohl in der Moselle als auch im Saarland wurde in den ersten Septembertagen die bereits seit mehreren Jahren präzise geplante Evakuierung der Zivilbevölkerung breiter Grenzstreifen durchgeführt. Im Saarland wurde die „rote Zone“ zwischen der französischen Grenze und den Westwallanlagen evakuiert: ein Gebiet, in welchem nicht nur die Großstadt Saarbrücken, sondern auch vier der fünf großen saarländischen Eisenhütten lagen. Die „Bergungszonen“ der Evakuierten im Deutschen Reich befanden sich in Franken, Hessen und Thüringen. Zeitgleich begannen am 1. September auch in der Moselle die Evakuierungen. Die „zone rouge“ umfasste die Arrondissements Thionville, Boulay, Forbach und Sarreguemines. Die Städte Thionville und Metz blieben dagegen von der Evakuierung verschont. Die mehr als 200 000 offiziell evakuierten Einwohner – zusammen mit den freiwillig Evakuierten waren es wohl einige mehr – mussten ihr Hab und Gut zurücklassen und wurden in den Südwesten und Westen Frankreichs transportiert. Trotz der Bemühungen Robert Schumans, der in Paris zum Unterstaatssekretär für das Flüchtlingswesen ernannt worden war, nahmen die Erfahrungen für die Flüchtlinge im innerfranzösischen Exil teils traumatische Züge an. Diejenigen Bewohner der Grenzregion, die nur 1

BERNECKER: Europa (2002), S. 288.

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moselfränkische Dialekte sprachen, wurden oftmals nur als „boches“ bezeichnet und es wurde ihnen mitunter sogar mit Feindseligkeit begegnet.2 Nur vier Tage nach der Kriegserklärung begann die französische Armee von der befestigten Moselle aus ihre Saaroffensive. Ab dem 9. September rückten französische Truppen ohne nennenswerte Gegenwehr bis zu acht Kilometer auf saarländisches Territorium vor und besetzten mehrere evakuierte Ortschaften im Bliesgau sowie im von der Wehrmacht verminten Warndt. Die Offensive wurde am 21. September beendet, es erfolgte der Rückzug zur befestigten Maginotlinie. Im Gegenzug kam es Mitte Oktober zu einer ebenso begrenzten Gegenoffensive einer deutschen Infanteriedivision, die bis zu 200 Soldaten das Leben kosten sollte. Weitere Kampfhandlungen blieben im sogenannten „Sitzkrieg“ – auf französischer Seite „Drôle de guerre“ genannt – aus. Bis zum Beginn des deutschen Westfeldzugs am 10. Mai 1940 standen sich die französische Armee und die deutsche Wehrmacht an den Grenzen gegenüber, ohne dass es zu nennenswerten Vorfällen kam.3 Die Fußballvereine im Saarland trafen der Kriegsbeginn und die Evakuierung unerwartet. Noch am letzten Augustwochenende 1939 war die Gauliga Südwest mit dem ersten Spieltag in die neue Spielzeit gestartet. In den zwei Augustwochenenden zuvor hatten noch der VfB Stuttgart und der FC Bayern München in Saarbrücken Vorbereitungsspiele absolviert.4 Bedingt durch die Frontnähe und die „Freimachung“ wurde der Saisonbetrieb 1939/40 nach dem ersten Spieltag dann zunächst unterbrochen. Im Spätherbst 1939 kam dann außerhalb der evakuierten „roten Zone“ der Fußballbetrieb wieder in die Gänge. Ausgerufen wurde eine Kriegsmeisterschaft. Die Gauliga Südwest wurde in eine Mainhessen- und in eine Saarpfalzgruppe mit jeweils sieben Mannschaften aufgeteilt. Da die Saarbrücker Gauligavereine aufgrund der Evakuierung nicht teilnehmen konnten, war Borussia Neunkirchen in der Saison 1939/40 der einzige teilnehmende Verein aus dem Saarland.5 Davon abgesehen wurde in den unteren Klassen weiter Fußball gespielt. Im Kreis 15 Nordsaar kam es am 29. Oktober in Neunkirchen zu einer Besprechung zur Einführung von Spielrunden. Auch im teilweise evakuierten Kreis 14 Saarbrücken wurde im November 1939 wieder ein gemischter Wettbewerb eingeführt. Der Weiterbetrieb des Spielverkehrs entsprach den Anweisungen des 2

3 4 5

HERRMANN: Saarbrücken (1999), S. 256; ROTH: Die Zeit (1984), S. 466; BURGARD: Kleine Geschichte (2010), S. 214; STROH: Sprachkontakt (1993), S. 57; WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 8f.; zur Moselle vgl. umfassend HIEGEL: Drôle de guerre, Bd. 1 (1983), S. 105-217; speziell zum Arrondissement Sarreguemines vgl. HEISER: La tragédie, Bd. 1 (1978), S. 23–35. Die Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzgebiet im Zweiten Weltkrieg sind Thema eines Forschungsprojekts an der Universität des Saarlandes in Kooperation mit Université Paris-Sorbonne und der Ruhr-Universität Bochum. Zu den Evakuierungen vgl. zuletzt WILLIAMS und GROßMANN: Fremde (2012) sowie GROßMANN u.a.: Les évacuations (2011). Zur französischen Saaroffensive vgl. MAIER: Die Errichtung (1979), S. 271f.; ausführlich HIEGEL: La Drôle de guerre (1983), S. 219-254. Siehe Werbeanzeige im Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, August 1939, S. 11. Borussia Neunkirchen: Festschrift 50 Jahre (1955), S. 44; HERZOG: Der Betze (2006), S. 157.

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Sportgauführers Beckerle, der bereits am 5. September seine „Kameraden und Kameradinnen“ im Gau darauf hinwies, dass es der „uns vom Führer gestellten Aufgabe“ entspreche, „den Betrieb der Leibesübungen auch unter den augenblicklich erschwerenden Umständen weiter zu führen“.6 Für die betroffenen Vereine bedeutete die Evakuierung nicht nur das Ende aller Vereinsaktivitäten. Zusätzlich wurden Spieler und Vereinsmitglieder durch die Mobilmachung im ganzen Reich verstreut. Willi „Bubi“ Sold, den Nationalspieler des FV Saarbrücken, verschlug es aufgrund der Ereignisse für eine Spielzeit zum 1. FC Nürnberg, mit dessen Mannschaft er das Endspiel um den Tschammerpokal gewinnen konnte. Die führenden Vereinsfunktionäre versuchten, Kontakt zu den Spielern zu halten und auch im Exil das Vereinsleben zu pflegen. So trafen sich unter der Leitung des Vereinsführers Paul Müller einige Mitglieder des FV Saarbrücken allmonatlich im Hamburger Hof in Frankfurt. In Saarbrücken selbst wurden die Sportplätze in dieser Zeit vom Militär benutzt. Einheiten der Wehrmacht und der Organisation Todt spielten während des sogenannten „Sitzkrieges“ um den eigens geschaffenen „Westwallpokal“. Das Endspiel dieses Wettbewerbs wurde – bereits nach der im Sommer 1940 erfolgten Rückkehr der evakuierten Zivilbevölkerung – am 15. September 1940 auf dem Kieselhumes und in Gegenwart von Reichsminister Todt, Gauleiter Bürckel und Oberbürgermeister Schwitzgebel ausgetragen.7 Wie in Deutschland wurde auch in Frankreich – im Gegensatz zu 1914 – weiterhin Fußball gespielt, wenngleich in beiden Ländern der Fußballbetrieb durch die Einberufung zahlreicher Spieler und Vereinsfunktionäre erschwert wurde. In Frankreich wurde der erste Spieltag der französischen Profiligen am letzten Augustwochenende 1939 – noch vor dem deutschen Überfall auf Polen – aufgrund der aktuellen Ereignisse abgesagt. Dies bedeutete jedoch nicht den Abbruch der Saison, sondern diente der Umstrukturierung des Spielbetriebs. Im September wurde der „championnat professionnel“ in die drei Zonen Nord, Südost und Südwest eingeteilt. Auch der französische Pokalwettbewerb, die Coupe de France, wurde wie geplant durchgeführt. In Erinnerung an die Opfer des Fußballs im Ersten Weltkrieg wurde der Pokal wieder in Coupe Charles-Simon umbenannt. In der Saison 1939/40, welche zeitlich ziemlich genau die Phase der „drôle de guerre“ umfasste, nahm eine Rekordzahl von 778 Vereinen am Pokalwettbewerb teil. Die Spielzeit 1939/40 konnte ohne Zwischenfälle beendet werden. Am 5. Mai 1940 fand in Paris das Endspiel statt. Nur fünf Tage später begann die deutsche Offensive in Westeuropa.8 In der Moselle gestaltete sich die Lage aufgrund der unmittelbaren Grenzlage etwas anders als im restlichen Frankreich. Analog zur „roten Zone“ im Saarland kam in der evakuierten Zone der Fußball zum Erliegen. Unter den Bedingungen 6 7 8

Beckerle: Grußwort, in: Verordnungsblatt Gau XIII Südwest, 5.9.1939; Meldung Kreis 15 Nordsaar, in: ebda., 24.10.1939; Meldung Kreis 14 Saarbrücken, in: ebda., 7.11.1939. Entwurf für den Saarbrücker Soldatenbrief Nr. 2 [Januar 1941], in: StA Saarbrücken, G 40/376; 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 42. DIETSCHY: Football et guerre (2006), S. 160–167; LAURENT: Histoire (1985), S. 74.

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der Evakuierung fand er allerdings in Südwestfrankreich vorübergehend ein neues Zuhause. Evakuierte Einwohner der Moselle gründeten in Angoulême den Sportverein Club de la Lorraine. Korrespondierend zur lothringischen Gründung wurde in Périgueux von elsässischen Exilanten der Racing-Club Strasbourg wieder aktiviert. Erfolgreicher als sein lothringisches Pendant nahm der Klub an einer improvisierten Meisterschaft im französischen Südwesten teil und erreichte im nationalen Pokalwettbewerb Coupe Charles Simon das Achtelfinale.9 Auch in der nicht evakuierten Zone der Lorraine wurde der Fußballbetrieb aufgrund der Frontnähe zunächst eingestellt. Am 5. September 1939 verkündete die Ligue Lorraine de Football über die Presse den Abbruch der Wettbewerbe. Der Vorstand der Ligue, der weiterhin in Nancy als Ansprechpartner der Klubs residierte, äußerte den Wunsch, dass alle momentan eingezogenen Fußballkameraden sich bald auf den Sportplätzen und in den Vereinen wieder zusammenfinden könnten: „Du fond de son cœur la Ligue souhaite à tous ses sportifs, qui sont actuellement rassemblés dans la grande tâche patriotique qui leur incombe, de se retrouver bientôt sur les terrains, dans les comités et les conseils de football.“10

Von der Mobilisierung blieben im Laufe der ersten Kriegsmonate auch die Spieler des FC Metz nicht verschont. Einige der lothringischen Profis wie Nicolas Hibst und Emil Veinante wurden einberufen. Ihren Dienst leisteten sie wie in der Zwischenkriegszeit im 162. Régiment d’infanterie de ligne (RIF) ab. Zunächst in Metz stationiert, wurde das Regiment 1940 nach Laval in das westfranzösische Departement Mayenne verlegt, wo die Spieler jedoch auch weiterhin Fußball spielen konnten.11 In der Saison 1939/40, der „saison sportive de guerre“, wurden im Bereich der Ligue Lorraine mehrere kleine lokal organisierte Wettbewerbe ausgetragen. In Hayange schlossen sich Ende November mehrere Klubs der Umgebung zur „Entente des clubs de football de la vallée de la Fentsch“ zusammen, um gemeinsame Wettbewerbe arrangieren zu können.12 In Nancy fanden bereits im ersten Kriegsmonat wieder Fußballspiele statt. In Metz organisierte der rührige und langjährige Funktionär Bichelberger eine lokale Fußballmeisterschaft mit fünfzehn Mannschaften. Großen Zuschauerzuspruch erhielten vor allem die Freundschaftsspiele seines FC Metz gegen die Mannschaften der in der Moselle stationierten französischen und britischen Einheiten. Bei solchen Freundschaftsspielen wurde die Mannschaft des Clubs durch weitere französische Fußballprofis und Nationalspieler verstärkt, die vor Ort stationiert waren. Bei den drei Spielen gegen eine „sélection anglaise“ im Jahr 1940, die alle hoch gewonnen wurden, nannte sich die dadurch verstärkte Auswahl entsprechend auch „sélection française“.13 Im April 1940 wurde die erste Kriegsmeisterschaft der Gauliga Südwest planmäßig beendet. Da der 1. FC Kaiserslautern nur aufgrund der mehr geschossenen Tore an der Tabellenspitze stand, kam es am 7. April in Neustadt mit der 9 10 11 12 13

Vgl. WAHL: Mit laschem Hitlergruß (2008), S. 235f.; PERNY: Le football (2009), S. 301–305. Zit. in: LAURENT: Histoire (1984), S. 20f. FC Metz: Festschrift Cinquantenaire (1985), S. 164. PETRUCCI: L’Histoire (1996), S. 80. FC Metz: Festschrift Cinquantenaire (1985), S. 164.

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punktgleichen Borussia Neunkirchen zu einem Endspiel, um die Kriegsmeisterschaft der Gruppe Saarpfalz zu entscheiden. Vor 4 800 Zuschauern gewann der erst zu dieser Saison aufgestiegene 1. FC Kaiserslautern mit dem jungen Fritz Walter gegen Borussia Neunkirchen mit 4:1 Toren.14 Unter dem Eindruck, dass seit mehr als einem halben Jahr die Waffen schwiegen, verkündete der lothringische Fußballverband am 20. April 1940 für den kommenden Sommer wieder die Einführung größerer regionaler Wettbewerbe. Die Pläne sollten jedoch nicht mehr zur Ausführung kommen können: Nur wenige Wochen später besetzte die Wehrmacht innerhalb weniger Tage weite Teile Frankreichs, und mit der faktischen Annexion der Moselle durch das „Dritte Reich“ wurde Lothringen – und damit das Verbandsgebiet der Ligue Lorraine – nach knappen einundzwanzig Jahren erneut geteilt.15 8.2 Von Südwest zur Westmark. Der „völkische“ Auftrag des Sports im Grenzraum „Das Jahr 1942, das durch die herrlichen Taten unserer tapferen Wehrmacht zu Wasser, zu Lande und in der Luft so überaus erfolgreich war, geht seinem Ende entgegen. Ein Jahr ist im Ablauf der Geschichte eine kleine Zeitspanne, aber für unseren jungen Sportgau Westmark bedeutet gerade dieses Jahr 1942 einen Markstein in der Geschichte des Turn- und Sportlebens. Aus kleinsten Anfängen heraus entwickelte sich der allmähliche Aufbau der Leibesübungen zu einem geschlossenen Ganzen und heute ist der Name „Sportgau Westmark“ be16 reits ein Begriff geworden.“

Als der Sportgauführer Friedrich Schwitzgebel sich mit diesen Zeilen zum Jahresende 1942 an die „lieben Kameraden und Kameradinnen“ richtete, existierte der die saarpfälzischen Teile des früheren Sportgaus Südwest und die besetzte Moselle umfassende Sportgau Westmark seit sechzehn Monaten. Die lothringischen Fußballvereine waren in den reichsdeutschen Spielbetrieb eingegliedert worden. Nach über zwanzig Jahren spielten die Fußballvereine im saarländisch-lothringischen Grenzraum wieder in einem zusammenhängenden Verbands- und Staatsgebiet. Möglich geworden war dies durch die nationalsozialistische Eroberungspolitik und die damit verbundene gewaltsame Zusammenführung der Saarpfalz und des ehemaligen Departements Moselle zum Gau Westmark. Ursächlich für die Bildung des entsprechenden Sportgaus Westmark war die nationalsozialistische Sportpolitik, deren treibende Kräfte im Saarland zu finden waren. Zur wichtigsten Figur des Sportgaus Westmark wurde Friedrich Schwitzgebel, Oberbürgermeister von Saarbrücken und späterer Sportgauführer. Seine sportpolitische Karriere hatte knapp fünf Jahre zuvor begonnen und soll an dieser Stelle nachgezeichnet werden. Im Februar 1938 hatte er die Führung des DRLKreises 14 Saarbrücken übernommen, nachdem die dortigen Zustände durch die mangelnde Führung des bisherigen Kreisführers Hermann Schulz dazu geführt 14 Art. Kaiserslautern ist Staffelsieger, in: Kicker, 9.4.1940; HERZOG: Der Betze (2006), S. 157. 15 LAURENT: Histoire (1984), S. 24; ISCH: La gloire (1995), S. 82. 16 Friedrich Schwitzgebel: Grußwort, in: Verordnungsblatt Sportgau Westmark, 23.12.1942.

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hätten, dass „die Fühlung zu den Vereinen bereits fast verloren gegangen sei.“17 Dass Schwitzgebel mit dieser Amtsübernahme weitergehende sportpolitische Ambitionen hatte, konnte bereits in einer Denkschrift des Kreises Saarbrücken erkannt werden, in welcher er eine effizientere Zusammenarbeit und eine besser koordinierte Leitung im Gau Südwest einforderte. Er kritisierte in dieser Schrift Missstände im Geschäftsverkehr mit dem Gauamt und den Gaustellen. In der Denkschrift wird deutlich, wie ineffizient der fünf Jahre zuvor eingeführte und zentralistisch geführte Sportgau arbeitete. Auf den Punkt brachte Schwitzgebel dies in seiner Kritik an der ausufernden Bürokratie im Sportgau: So diene es „nicht zur Erziehung eines freien, verantwortlichen Menschen, wenn er für jedes Stückchen Material, das er in ehrenamtlicher Tätigkeit braucht, Bittgesuche machen muss und dann noch wochenlang auf Bescheid warten darf.“18 Als Beispiel führte er die Praxis der Zuweisung von Büro- und Betriebsbedarf auf. So habe der Kreissportwart seine im Wettkampfbetrieb benötigte Stoppuhr im November nach Frankfurt zur Reparatur schicken müssen und sie im Mai trotz mehrfacher unbeantworteter Aufforderungen noch immer nicht wieder zurück erhalten. Die unbefriedigende Entwicklung im Sportgau Südwest wurde in einem Schreiben des Beauftragten Eugen Sommer an Gauleiter Bürckel Anfang 1938 bestätigt. Er bemängelte in diesem Bericht zur Entwicklung des Sports im Gau Saarpfalz die unzureichende Verbindung mit der Führung des Sportgaus in Frankfurt. Problematisch sei es, dass der Sportgauführer Adolf Heinz Beckerle als Polizeipräsident in Frankfurt zu wenig Zeit hätte, sich um den Gau Südwest zu kümmern.19 Hinzu kämen die massiven Spannungen zwischen den DRL-Vereinen und den Parteigliederungen.20 Die Konflikte waren – nicht nur an der Saar, sondern im gesamten Deutschen Reich – deswegen entstanden, weil die HJ, die Sportgemeinschaften der SS und der DAF sowie die Betriebssportgemeinschaften ebenfalls den Breiten- und Leistungssport zu pflegen begonnen hatten und den Sportvereinen dadurch Konkurrenz machten. Gerade die DAF, die einen Monopolanspruch auf den sogenannten „Volkssport“ erhob, stellte das im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen konservierte traditionelle deutsche Vereins- und Verbandssportsystem in Frage.21 Hinzu kam ein grundsätzliches Misstrauen der Partei gegenüber den ehemals bürgerlichen Turn- und Sportvereinen. Eben diese Spannungen zu entschärfen, war auch ein Ziel im Kreis Saarbrücken. So wies Schwitzgebel – 17 Schreiben Eugen Sommer an OB Schwitzgebel, 25.1.1938, Schreiben Sommer an Adolf Mayer in Saarbrücken, 5.2.1938, in: LA Speyer, Best. T 7, Akte 4. 18 Denkschrift des DRL Kreises 14 Saarbrücken, Mai 1938, in: LA Speyer, Best. T 7, Akte 6. 19 Der SA-Obergruppenführer Adolf Heinz Beckerle (1902–1976) war von 1933–1941 Polizeipräsident in Frankfurt. Zugleich leitete er seit 1934 den Sportgau Südwest. Als deutscher Gesandter war er seit 1941 in Sofia an der Deportation und Ermordung von etwa 11 000 Juden beteiligt. Vgl. THOMA: Wir waren die Juddebubbe (2007), S. 133. 20 Schreiben Eugen Sommer an Gauleiter Bürckel, 7.1.1938, in: LA Speyer, Best. T 7, Akte 6. 21 Siehe Jahreslagebericht 1938 des Sicherheitshauptamtes, publiziert in der Quellenedition BOBERACH: Meldungen aus dem Reich (1984), Bd. 2, S. 120; LUH: Betriebssport (1998), S. 327. Zu den SS-Sportgemeinschaften siehe zuletzt BAHRO: Der SS-Sport (2013), hier insbesondere S. 136–139.

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zugleich auch SA-Gruppenführer – die NSDAP-Ortsgruppen an, ihrerseits einen Verbindungsmann zu den Ortsgruppen der DRL zu ernennen und letztere bei Veranstaltungen weitestgehend zu unterstützen.22 Noch im selben Jahr wurde auf Reichsebene eine „Aufwertung“ des DRL beschlossen. Per Führererlass wurde im Dezember 1938 aus dem Deutschen der Nationalsozialistische Reichsbund für Leibesübungen (NSRL). Als „eine von der NSDAP betreuten Organisation“23 wurden die angeschlossenen Sportvereine damit offiziell zu Parteigliederungen. Dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten zufolge hatte dies für die Vereinsarbeit praktische Bedeutung. Arbeit im NSRL galt von nun als „politisches Wirken im Sinne und im Rahmen der NSDAP“. Für Parteigenossen war die Tätigkeit in einem vom NSRL anerkannten Sportverein nun offiziell Parteiarbeit.24 Waren dadurch zunächst die Konflikte zwischen dem Sport und den Parteigliederungen entschärft, bedeutete dieser Schritt jedoch dauerhaft das Ende der bisherigen bürgerlichen Sportstrukturen. Die Einheitssatzungen der Vereine wurden verschärft und die bürgerlichen Sportvereine sollten langfristig lokalen Sportgemeinschaften weichen. Entsprechend war auch bei den bisherigen Sportgauen eine Neueinteilung geplant, da diese sich zukünftig geografisch mit den Parteigauen decken sollten. Zu einer offiziellen Neueinteilung im Hinblick auf den Sportbereich XIII Südwest sollte es wegen des Kriegsausbruchs im September 1939 jedoch – statt wie geplant 194025 – erst 1941 kommen. Hintergrund waren nicht zuletzt die geopolitischen Erwägungen, die sich im Sommer 1940 im saarländisch-lothringischen Grenzraum durch die Kriegsereignisse ergeben hatten. Infolge des siegreichen Westfeldzugs der Wehrmacht im Mai und Juni 1940 kam es nicht nur zur Besetzung, sondern zur faktischen Annexion des Departements Moselle durch das „Dritte Reich“.26 Im August 1940 ernannte Hitler den Gauleiter der Saarpfalz Josef Bürckel zum Chef der Zivilverwaltung in Lothringen (CdZ). Im Dezember wurde die Saarpfalz mit der Moselle zum Gau Westmark der NSDAP zusammengelegt. Im März 1941 wurde Bürckel offiziell zum Reichsstatthalter der Westmark ernannt. Der Gau umfasste eine Fläche von 14 000 Quadratkilometern und eine Einwohnerzahl von 2,6 Millionen. Wenngleich die tatsächliche Schaffung eines Reichsgaus nie endgültig beschlossen wurde, schuf Bürckel durch seine Volkstums- und Siedlungspolitik Fakten. Die Ausweisung rassistisch verfolgter Bevöl22 Rundschreiben der Kreisleitung der Partei des Kreises Saarbrücken, 9.5.1938, Schreiben Schwitzgebel an die DRL-Ortsgruppenführer, 13.5.1938, in: LA Speyer, Best. T 7, Akte 6. 23 Bekanntgegeben wurde die Satzung des NSRL am 24.11.1939 durch den Reichssportführer. Siehe Satzung des NSRL, 24.11.1939, in: Reichsministerialblatt, Jg. 1940, S. 17–19. 24 Rede des Reichssportführers zur Eröffnung der 1. Reichstagung des NSRL am 14.1.1939, 35seitige Niederschrift als vertrauliche Arbeitsunterlage für die Amtsträger des NSRL, hier S. 19, in: StA Saarbrücken, G 13/3626. Zur Leibeserziehung in den Parteiformationen ausführlich FRIESE: Anspruch (1974), S. 77–86. 25 Zur geplanten Neuordnung ab der Saison 1940/41 siehe Erich Menzel: Art. Kommt Frankfurt zu Nordhessen?, in: Kicker, 20.6.1939. 26 Zu den Kampfhandlungen in der Moselle von Mai bis Juni 1940 vgl. ausführlich HIEGEL: La Drôle de guerre, Bd. 2 (1984).

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kerungsgruppen und französischsprachiger Amtsträger wurde in Bürckels Machtbereich mit noch größerer Brutalität durchgeführt als im Elsass. Während dort zwei Prozent der Bevölkerung ins unbesetzte Frankreich ausgewiesen wurden, waren es in der Moselle fünfzehn Prozent. Bis 1944 wurden über 100 000 Lothringer vertrieben, die nach Bürckels Plänen für saarpfälzische Siedler Platz schaffen sollten. Mit der Ausweisungspolitik einher ging die „Entwelschung von Land und Leuten“.27 Französische Denkmäler wurden entfernt, Straßennamen eingedeutscht und die Benutzung der französischen Sprache streng reglementiert. Neben diesem Ziel der „Germanisierung“ Lothringens, welcher auch die Steuerung der Tagespresse diente28, war es Bürckels Vision, die vorhandenen regionalen Identitäten der Saarländer, Pfälzer und Lothringer durch eine neue gemeinsame Westmarksidentität zu ersetzen. Für den Gedanken einer Grenzmarkidentität in Abgrenzung zur romanischen Welt sollten dabei saarpfälzische Arbeiterbauern – als Vorbild galt der ländlich verwurzelte saarländische Bergmann – die soziale Grundlage schaffen. Der Name Westmark hatte zwar keine historischen Vorgänger, war als Bezeichnung allerdings geläufig und stand für die Behauptung einer kulturellen Mission und Hegemonie des Deutschtums in Westeuropa.29 Im Juli 1941 wurden durch Verfügung des Reichssportführers die saarpfälzischen Gebietsteile des Sportbereichs XIII Südwest abgetrennt „und mit dem neu hinzugekommenen Gebiet Lothringen zu dem Sportgau Westmark vereinigt.“30 Die Führung im Sportgau wurde vom Gauleiter Josef Bürckel persönlich übernommen. Zu seinem Beauftragten für die Fragen der Leibeserziehung ernannte er Friedrich Schwitzgebel, der auch zugleich offiziell das Amt des Sportgauführers übernahm.31 Im seinem Leitwort im neuen Verordnungsblatt des Sportgaus führte Bürckel aus, dass er als Politiker verpflichtet sei, sich dem Sport als einer der wichtigsten nationalen Tugenden zu widmen. Niemals, so der Gauleiter, dürfe der Sport zu einer rein technischen Funktion herabgewürdigt werden. Sportgauführer Schwitzgebel betonte, dass der Sport „zum belebenden Element eines planvollen Aufbaues der deutschen politischen Leibeserziehung“ gemacht werden sollte, „deren höchstes Ziel die körperliche und geistige Wehrhaftigkeit unseres Volkes ist.“32 In der „NSZ-Westmark“ wurde die Schaffung des Sportgaus begrüßt: „Innerhalb unserer Südwestecke wird die Maßnahme (…) in allen Sportkreisen die freudigste Zustimmung auslösen. In bester Erinnerung scheiden die Sportler der Saarpfalz infolge dieser 27 WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 97–114. 28 Seit August 1940 erschienen die NS-Tageszeitungen Deutsche Front und Metzer Zeitung. Vom 1.12.1940 bis 1.12.1944 erschien die lothringische Lokalausgabe der NSZ-Westmark. Hierzu WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 111. 29 FREUND: Rassen- und Bevölkerungspolitik (2007), S. 334f, 344–346; MAI: Volkstumspolitik (1999), S. 128f; zum Westmarkbegriff vgl. ausführlich FREUND: Volk (2006), S. 33–43. 30 Vierteljahresbericht des Sportgaues Westmark, von der Gründung bis zum 30.9.1941, 25.11.1941, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 31 Bereits am 30.3.1941 war Schwitzgebel von Bürckel zum Referenten für die staatliche Sportaufsicht ernannt worden. Siehe „Amtliche Mitteilung des NSRL. Errichtung eines selbständigen Sportgaues Westmark“ [August 1941], archiviert in: BA Berlin, R 34/466. 32 Zit. in: Art. Arbeit und Leistung, Weg zum Ziel, in: NSZ-Westmark, Ausg. Metz, 29.7.1941.

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begrüßten Neugestaltung von ihren Kameraden aus Hessen und Frankfurt. Zusammen mit den lothringischen Kameraden, die gerade auf dem Gebiete des Sportes schon immer Großes leisten, wird es der neue Sportbereich Westmark als seine schönste und dankbarste Aufgabe betrachten, mit allen Mitteln und höchstem Einsatz als festgefügter Stoßtrupp der Leibesübun33 gen dazu beizutragen, die Front des deutschen Sportvolkes zu schließen.“

In diesem Tenor äußerte sich auch der pfälzische Sportjournalist und -funktionär Peter Meyer im Heimatbrief des 1. FC Kaiserslautern: „Zusammen mit den Kameraden aus Lothringen wird der saarpfälzische Sport […] den Neuaufbau des Sports innerhalb unserer südwestdeutschen Ecke aufnehmen. […] Es untersteht keinem Zweifel, dass mit Gauleiter Bürckel und seinem Beauftragten Oberbürgermeister Schwitzgebel […] die Leibesübungen innerhalb unserer Westmark Brauchtum auch des letz34 ten Volksgenossen werden.“

Seinen Sitz hatte der neue Sportgau in der neuen zentralen Gauhauptstadt Saarbrücken. Deswegen war es auch nicht überraschend, dass sich Schwitzgebels Mitarbeiterstab hauptsächlich aus Saarbrückern beziehungsweise in Saarbrücken Wohnenden zusammensetzte. Der Sportgauführer suchte sich Mitarbeiter aus, bei denen es sich vorwiegend um altgediente Verbands- und Vereinsfunktionäre handelte, die teilweise bereits seit Jahrzehnten in der Turn- und Sportbewegung tätig gewesen waren. So erhielt Hans Zeimet, der bereits 1910 in der ersten Mannschaft des FV Saarbrücken gespielt hatte und seit 1935 Fußballfachwart im Kreis Saarbrücken gewesen war, den Posten des Gaufachwarts für Fußball. Der aus Brebach stammende Willi Beyer, Parteimitglied und seit 1936 Gruppenobmann der Schiedsrichtergruppe Saarbrücken, wurde zum Gaudietwart ernannt. Als solcher war er für die Schulungen der einzelnen Kreis- und Vereinsdietwarte zuständig.35 Sportgauführer Schwitzgebel gab sich in seinem ersten Vierteljahresbericht des Sportgaus, den er der Reichsführung des NSRL in Berlin zur Verfügung zu stellen hatte, in Hinblick auf den Wiederaufbau der Sportstrukturen vorsichtig optimistisch. Trotz der Zerstörungen infolge des Westfeldzuges und der zahlreichen Ausweisungen sei es in den vergangenen zwölf Monaten gelungen, in Lothringen 150 Turn- und Sportgemeinschaften zu gründen, die sich in den Fachgebieten Fußball, Leichtathletik, Schwimmen, Schwerathletik, Boxen, Schießen und Radfahren betätigten. Auch wenn die allgemeine Stimmung in Lothringen infolge der Kriegsereignisse „nicht besonders gut zu nennen“ sei, sei eine gute Beteiligung bei den Veranstaltungen des NSRL ebenso festzustellen wie gute Erfolge bei der Mitgliederwerbung.36 Mit dem Ende des Berichtszeitraums des ersten Vierteljahresberichts zum 30. September 1941 war die Neuordnung des Turn- und Sportwesens im besetzten Lothringen bereits seit einem Jahr angelaufen. Hatte es zunächst in den ersten Wochen nach dem Waffenstillstand kommunale Lösungen 33 Art. Sportbereich Westmark, in: NSZ-Westmark, Ausg. Metz, 18.7.1941. 34 Peter Meyer, in: Heimatbrief des FV Kaiserslautern Nr. 20, August 1941, zitiert in: ROHRBACHER-LIST: Im Herzen (2007), S. 36. 35 Siehe Art. Sportgau Westmark startbereit!, in: ASZ-Sportbericht, o.D. [Sept. 1941], archiviert in: BA Berlin, R 34/466. 36 Art. Sportgau Westmark startbereit!, in: ASZ-Sportbericht, o.D. [Sept. 1941], archiviert in: BA Berlin, R 34/466.

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wie in Metz gegeben, wo Stadtkommandant Richard Imbt bereits im August 1940 alle französischen Vereine aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt hatte,37 kam es im Oktober 1940 erstmals zu landesweiten Regelungen. In seiner Eigenschaft als Chef der Zivilverwaltung in Lothringen setzte Bürckel Franz Schmidt als Stillhaltekommissar für das Organisationswesen ein und verordnete am 10. Oktober 1940 offiziell die Auflösung sämtlicher Organisationen in Lothringen. Hauptaufgabe Schmidts, der diese Aufgabe auch im Elsass und in Luxemburg verrichtete, war es, die Neuordnung des lothringischen Organisationswesens und des Sports nach nationalsozialistischen Grundsätzen vorzunehmen. Neugründungen bedurften daher seiner Genehmigung.38 Sechs Tage später erfolgte mit der „Anordnung über den Neuaufbau des Turn- und Sportwesens in Lothringen“ ein konkreter Richtlinienkatalog. In jedem Ort, in welchem sich eine Ortsgruppe der Deutschen Volksgemeinschaft (DVG) gebildet hatte, konnte demnach eine „Turn- und Sportgemeinde in der Deutschen Volksgemeinschaft“ errichtet werden. Die Deutsche Volksgemeinschaft selbst war eine von Bürckel ins Leben gerufene Ersatzorganisation der NSDAP. Für deutschstämmige Lothringer sollte sie als „Ort der Bewährung“ fungieren. Dass innerhalb kurzer Zeit einen Großteil aller Lothringer zu „Volksgenossen“ wurden, lag daran, dass nicht nur die sportliche Tätigkeit an eine DVG-Mitgliedschaft gebunden war, sondern diese oftmals auch Voraussetzung war, um seine Arbeitsstelle zu behalten beziehungsweise um Arbeit zu finden.39 Ausländer, die nicht Mitglied in der DVG werden konnten, durften sich in den Vereinen in gewissen Grenzen ebenso sportlich betätigen. In jeder Sportgemeinschaft waren bis zu zwei Ausländer spielberechtigt.40 Damit war nicht zuletzt die Möglichkeit geschaffen, dass sich ehemalige französische Fußballprofis wieder ihren Stammvereinen anschließen konnten. Analog zur Strukturierung der DVG sollten die einzelnen Orts-Turn- und Sportgemeinden zu Kreis-Turn- und Sportgemeinden zusammengefasst werden, welche wiederum die Landes-Turn- und Sportgemeinde bildeten. Während die Führung der Landes-TSG von Bürckel als Chef der Zivilverwaltung selbst übernommen wurde, wurden die Turn- und Sportgemeinden ansonsten von den Kreisleitern der DVG geführt. Die Deutsche Volksgemeinschaft konnte auch über die eingezogenen Vermögenswerte der aufgelösten Schützen-, Turn-, Fußball- und Sportvereine verfügen und sie den neu gegründeten Turn- und Sportgemeinschaften bereitstellen. Der Stillhaltekommissar hatte dabei darüber zu entscheiden, welche aufgelösten Turn- und Sportvereine innerhalb einer Turn- und Sportgemeinde neu errichtet wurden.41

37 Vgl. HERZOG: Der Betze (2006), S. 133. 38 Verordnung über die Auflösung von Organisationen in Lothringen, 16. Oktober 1940, in: ADM, 1 W 812; siehe auch Verordnungsblatt für Lothringen, Jg. 1940, S. 161. 39 WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 80–84; STROH: Sprachkontakt (1993), S. 58. 40 Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 22.8.-4.9.1941, in: ADM, 1 W 442. 41 Anordnung über den Neuaufbau des Turn- und Sportwesens in Lothringen vom 16. Oktober 1940, in: Verordnungsblatt für Lothringen, Jg. 1940, S. 161; siehe zahlreiche an das Schatz-

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Im Laufe des Jahres 1941 änderten sich die Zuständigkeiten. Im NSRLSportbezirk 14 Saarbrücken war für die Bearbeitung aller Fragen zum Aufbau des Turn- und Sportwesens in Lothringen bereits im Frühjahr 1941 in der Gerberstraße eine durchgehend besetzte Dienststelle eingerichtet worden. Geleitet wurde sie von Josef Schwab, dem bisherigen Fachwart des Bezirks 14 Saarbrücken, der das annektierte Lothringen nun zusätzlich als Bezirk 14a betreute. Anfragen aller Art waren seit April nur noch an die Saarbrücker Dienststelle zu richten. Dies betraf insbesondere die Anträge zur Austragung von Spielen wie die Durchführung von sonstigen Veranstaltungen durch die in Lothringen gegründeten Turn- und Sportgemeinschaften.42 Vorausgegangen war eine erste Tagung der Gemeinschaftsleiter und Schiedsrichter in der Fachschaft Fußball des NSRL in Lothringen. Sie fand am ersten Märzwochenende 1941 in Metz statt und wurde ebenfalls von den Saarbrücker Fußballfunktionären koordiniert. Den Vorsitz der zweitägigen Zusammenkunft, welche der Metzer Zeitung zufolge den „Grundstein für die kommende Entwicklung des Fußballsports in Lothringen“ legte, führte Friedrich Schwitzgebel in seiner Funktion als Sportbezirksführer von Saarbrücken.43 Nach einer pathetischen Losung über Blut, Verbrüderung und Wahrhaftigkeit, mit gehobener Stimme von Hans Zeimet vorgetragen, referierte Schwitzgebel zum Thema „Leibesübungen und völkisches Denken“. Er betonte, „dass ein Selbstzweck in jeder Organisation ausgeschlossen bleiben muss.“ In fachlicher Hinsicht wurden auf der Tagung verwaltungstechnische Details und die Fortschritte im Aufbau des Fußballsports in Lothringen besprochen. Die baldige Einführung einer Meisterschaftsrunde in Lothringen wurde in Aussicht gestellt. Dies sei der nächste Schritt „zur endgültigen Verschmelzung des lothringischen Sports mit der Saar und der Pfalz in der neugegründeten Westmark.“44 Die rasche Integration des lothringischen Fußballs in den NSRL lässt sich auch in der Sportbürokratie ablesen. So mussten die Turn- und Sportgemeinschaften bei Austragung von Rundenspielen nicht nur fünf Prozent Spielabgabe entrichten, sondern hatten auch den fälligen „Sportgroschen“ an den NSRL in Berlin zu überweisen. Ende Mai wurden darüber hinaus die vorläufigen „ReichsbundAusweise“ an alle Turn- und Sportgemeinschaften entsandt, die ab sofort Voraussetzung waren, um spielberechtigt zu sein.45 Nach der offiziellen Schaffung des Sportgaus Westmark im Sommer 1941 wurden die bereits geschaffenen sechs Sportbezirke in Lothringen in den Gau integriert und bildeten fortan die Kreise 20 bis 25.46 Neben der fachlichen Betreuung übernahm der NSRL nun auch die Ver-

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amt der DVG ergehende Schlussverfügungen des Stillhaltekommissars für das Organisationswesen in Lothringen, in: ADM, 2 W 77. Art. Aufbau des Turn- und Sportwesens in Lothringen, in: Verordnungsblatt Sportgau Westmark, 1.4.1941, S. 7. Art. Leibesübungen und völkischer Aufgabenkreis, in: Metzer Zeitung, 3.3.1941; Art. Aufbau, in: ebda., 4.4.1941. Art. Aufbau, in: Metzer Zeitung, 4.4.1941. Mitteilungen Gustav Schwab, in: Gauverordnungsblatt Gau XIII Südwest, 27.5.1941, S. 7. Die Bezeichnung Sportkreis statt Sportbezirk wurde erst 1942 eingeführt. Zur Kreiseinteilung in Lothringen siehe Mitteilung, in: Verordnungsblatt Sportgau Westmark, 4.10.1942.

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teilung der finanziellen Mittel, welche bislang von der „Landes- Turn- und Sportgemeinde“ in Metz vorgenommen worden war.47 Die lothringischen Turn- und Sportgemeinschaften wurden im Laufe der folgenden Monate nach und nach offiziell in den NSRL aufgenommen. So wurde die Aufnahme der 24 im Kreis Saargemünd bestehenden Gemeinschaften – unter ihnen die TSG Saargemünd – am 3. Juni 1942 verkündet.48 Einen Sonderfall stellte der ebenfalls im Juni 1942 in den NSRL aufgenommene Fußball-Verein Metz dar, der als einer der wenigen Vereine nicht den einheitlichen Titel einer Turn- und Sportgemeinschaft führte. Geschuldet war dies den besonderen Umständen der Gründung des FV Metz, die bereits in den ersten Augusttagen des Jahres 1940 zustande gekommen war. Dessen Gründung sowie der Werdegang der Fußballvereine im Sportgau Westmark sind Thema des folgenden Teilkapitels. Wie sehr die Saarbrücker Fußballfunktionäre in den Aufbau der Sportstrukturen in Lothringen involviert waren, zeigte beispielsweise die Einweihung eines Sportplatzes in dem kleinen lothringischen Ort Dannelburg. In dem abgelegenen Dorf im Kreis Saarburg – nahe der Grenze zum Elsass – nahm im Juli 1942 Sportgauführer Schwitzgebel persönlich die Übergabe der neuen „Pflegestätte der Leibesübungen“ vor, die von den Mitgliedern der TSG Dannelburg in einjähriger Bauzeit errichtet worden war. An der Sportveranstaltung, welche der Presse zufolge von über 2 000 Zuschauern besucht wurde, nahmen neben Schwitzgebel Gaufachwart Zeimet und Gaudietwart Beyer teil. Neben Darbietungen des Kreismusikzuges der DVG, war es dann der Fußball, der das neue Sportfeld „beherrschte“. Wenn auch nicht in seiner Bestbesetzung, nahm der FV Saarbrücken mit einer Mannschaft an der Propagandaveranstaltung teil. Nach einem Spiel der TSG Dannelburg gegen den elsässischen Nachbarn FV Zabern kam es zum Spiel der Kreisauswahl Saarburg gegen den FV Saarbrücken, das die Lothringer für sich entscheiden konnten.49 Veranstaltungen wie in Dannelburg dienten der Volkstumspolitik Bürckels. In seinen Vorstellungen sollten die Unterschiede zwischen der Saarpfalz und Lothringen ausgelöscht werden, weswegen der Gauleiter bereits im Dezember 1940 in einer Rede in Saarbrücken „zum lebendigen Austausch aller innerhalb unseres Gaues wohnenden Menschen“ aufgerufen hatte. Lothringer sollten in der Pfalz arbeiten und Saarländer in Lothringen. Eine gemeinsame Kultur einer „eingeschworenen deutschen Grenzgemeinschaft“ müsse hier entstehen.50 In diesem Sinne sollten auch Sport und Turnen dazu helfen, die Volksgemeinschaft zu stärken und eine neue westmärkische Identität zu fördern. Hierzu diente beispielsweise auch der im Radsport ausgetragene „Preis der Westmark“, der 1942 bereits zum zweiten Mal ausgetragen wurde. Mit einer Rundfahrt von Saarbrücken über Mettlach, Diedenhofen, Metz und zurück in die Gauhauptstadt wurden weite Teile 47 48 49 50

Schreiben Hans Haar (DVG) an Josef Schwab (NSRL), 30.9.1941, in: ADM, 2 W 84. Verordnungsblatt Sportgau Westmark, 3.6., 1.7., 4.10.1942. Art. Sportbegeistertes Dannelburg, in: NSZ-Westmark, 15.7.1942. Josef Bürckel: Rede Gau „Westmark“ – Eckpfeiler des Reiches, in: Die Westmark. Monatsschrift für deutsche Kultur, Januar 1941, S. 189–199, hier S. 199.

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des saarländisch-lothringischen Grenzraums im wahrsten Sinne des Wortes „erfahren“.51 Dass Sport als wichtiger Träger von Bürckels Grenzmarkideologie angesehen wurde, ist nicht nur daran zu erkennen, dass der Reichsstatthalter der Westmark persönlich die Führung des Sportgaus übernahm – wenngleich er Schwitzgebel als Sportgauführer freie Hand ließ – , sondern auch daran, dass er als Chef der Zivilverwaltung in Lothringen dem dortigen Aufbau der Turn- und Sportgemeinschaften finanzielle Mittel bereit stellte.52 Von Schwitzgebel, der sich in seiner Funktion als Sportgauführer auch für die Entwicklung des Sports in den saarpfälzischen Gebieten verantwortlich fühlte, wurde im Frühjahr 1942 eine ungleiche Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel kritisiert. So sei der vom Chef der Zivilverwaltung genehmigte Etat für den Lothringer Sport größer als der Etat für die Saarpfalz, wobei es aufgrund der Bevölkerungsdichte gerade umgekehrt sein sollte.53 Dass diesem Einwand aus der sportlichen Warte kein Erfolg beschieden sein konnte, war offensichtlich. Hatte der Sport in Lothringen doch den völkischen Auftrag, mitzuhelfen, die Grundlagen für eine westmärkische Identität im Sinne Bürckels zu schaffen. Für die großen Fußballvereine in Saarbrücken, Neunkirchen und Metz war die Verteilung oder Nichtverteilung finanzieller Beihilfen durch staatliche Stellen nur eines von mehreren Problemen, das sich im Kriegsalltag stellte. Als Mannschafts-, wie auch als Zuschauersport litt der Fußball zunehmend unter der Mobilmachung der wehrpflichtigen Bevölkerung. Gleichwohl sollte der Fußballsport im Sportgau Westmark trotz aller inneren Widersprüche, die sich durch den Kriegsalltag und die zwangsweise Integration des lothringischen Fußballs ergaben, in rein sportlicher Hinsicht große Erfolge feiern, wie das Kapitel 8.4 zeigen wird. 8.3 Kontinuitäten und Brüche Die Reorganisation des Fußballs in der Moselle 1940/41 Im Juli 1940 – nur drei Wochen nach der deutschen Besetzung von Metz – erinnerte sich der saarländische Fußballveteran Erich Menzel in einem Beitrag im „Kicker“ an die gemeinsame Sportgeschichte im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Er streifte den Werdegang des Fußballs in Metz und betonte dessen deutsche Herkunft. Die „alten Metzer“, so Menzel, würden sich nun „ihre Militärverdienstkreuze „aus der Preußenzeit“ wieder anstecken, und die Batisserien […] wieder deutschen Kuchen backen.“54 Wenngleich sich solch ein Wandel innerhalb kürzester Zeit natürlich nicht einstellte, kam der äußerliche sowie formelle Umbau auch des lothringischen Sports tatsächlich rasch voran. 51 Art. Bautz gewann den „Preis der Westmark“, in: NSZ-Westmark, 26.5.1942. 52 Vierteljahresbericht des Sportgaues Westmark, von der Gründung bis zum 30.9.1941, 25.11.1941, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 53 Vierteljahresbericht des Sportgaues Westmark, 1.1.–31.3.1942, 30.4.1942, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 54 Erich Menzel: Art. Elsaß-lothringische Bilder, in: Kicker, 9.7.1940.

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Die Gründung des Fußballvereins Metz fand bereits am 5. August 1940 statt: Sechs Wochen nach dem Einzug der Wehrmacht in Metz, eine Woche nach demjenigen der Gestapo und nur drei Tage nach der offiziellen Einführung der Zivilverwaltung im besetzten Lothringen. Um sechs Uhr abends versammelten sich in der Brasserie de la Gare, dem früheren Vereinslokal des Cercle des Sports Metz mehrere Funktionäre des FC Metz. Auf der Tagesordnung stand die Gründung des FV Metz. Dieser Versammlung vorausgegangen war ein knapp gehaltenes Schreiben des von Bürckel eingesetzten Stadtkommissars Richard Imbt vom 3. August, in welchem dieser Emil Felsburg „als Vereinsführer für den neu zu gründenden 'Fussballverein' Metz“ bestimmte.55 Felsburg, ein in Metz geborener Elektriker war bereits zur Reichslandzeit Spieler und Funktionär des alten FC Metis Metz gewesen. Nach 1918 war er in Lothringen geblieben und war unter anderem in den dreißiger Jahren Vorstandsmitglied des Großvereins CS Metz gewesen. Neben dem Vereinsführer wurden weitere wichtige Posten auf der Gründungsversammlung bekannt gegeben. Zum Spielertrainer der ersten Mannschaft wurde der 33jährige Lothringer Emil Veinante bestimmt, der damit auch der Sportkommission des neuen Klubs angehörte. Auch Veinante hatte eine Sportlerlaufbahn aufzuweisen, die noch in die deutsche Vergangenheit der Moselle zurückreichte. Der in Metz geborene und mehrfache französische Nationalspieler hatte im Ersten Weltkrieg bei der Metzer Sportvereinigung das Fußballspielen gelernt und war bis zu seinem Wechsel nach Paris im Jahr 1928 Spieler des CA Messin gewesen. Beim Racing Club de France war er 1932 schließlich Berufsspieler geworden. 1939 zunächst zur Armee einberufen, war er – wie andere Fußballprofis auch – im Sommer 1940 zu seinem Stammverein – in diesem Fall zum FC Metz – zurückgekommen, wo er bis zur Neugründung des Vereins als FV Metz das Training übernommen hatte.56 Die Kontinuität vom FC zum FV Metz wurde allerdings nicht nur durch das Vereinspersonal fortgeschrieben. Für die Zuschauer auf den Rängen war der alte FC Metz nicht nur durch dieselben Spieler auf dem Platz zu erkennen: Auch die Farben des FV Metz blieben diejenigen des alten Clubs: Rot-Weiß. Anders als mehrere seiner Sportkameraden stellte sich Raymond Herlory, der langjährige Präsident des FC Metz, dem Verein nicht mehr zur Verfügung. Nach dem Kriegsausbruch im Herbst 1939 ebenfalls zunächst zur französischen Armee eingezogen, kehrte er nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes nicht in seine nun annektierte Heimat zurück. Unweit der Moselle verbrachte er den Krieg im lothringischen Departement Vosges, wo er sich zeitweilig als Vereinspräsident der Association Sportive (AS) Gérardmer weiterhin dem Fußballsport widmete. Im Jahr 1941 geriet er in das Blickfeld der deutschen Behörden in Metz. Nachforschungen der DVG zur finanziellen Situation des aufgelösten FC Metz hatten ergeben, dass der Klub über kein Barvermögen verfügte. Dem ehemaligen Präsidenten Herlory wurde nachgesagt, wertvolle Teile des Inventars wie die Klubsessel in 55 Schreiben Richard Imbt an Emil Felsburg, 3.8.1940, Auszug aus dem Kontrollbuch des FV Metz, Sitzung vom 5.8.1940, in: AM Metz, 39 Z 1. 56 Liste des erweiterten Vorstands des FV Metz [August 1940], in: AM Metz, 39 Z 1. Zu Veinante vgl. PERNY: Le football (2009), S. 90; PERNY: La grande époque (2002), S. 163.

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eine Villa nach Gérardmer verschleppt zu haben. Ob es zu weiteren Untersuchungen diesbezüglich kam, ist nicht bekannt.57 Die Gründung des FV Metz war zunächst eine eigenwillige Entscheidung Richard Imbts gewesen. Er ließ sich in der parteitreuen Presse als Vereinsgründer feiern und organisierte eine Reihe von Propagandaspielen. Die lediglich dreieinhalb Monate umfassende „Mission“ des Kaiserslauterer Oberbürgermeisters, der seit 1926 NSDAP-Mitglied und enger Vertrauter Bürckels war, bestand darin, aus Metz „die deutscheste Stadt des Westens zu machen.“58 Imbt selbst hatte seit langen Jahren Verbindungen zum Fußballsport gepflegt. Als Stadtoberhaupt in Kaiserslautern hatte er über gute Kontakte zum 1. FC Kaiserslautern verfügt. Diese Verbindungen erlaubten es ihm auch, mit dem frisch gebackenen Meister des Sportbereichs Südwest bereits für den 11. August 1940 einen Spielabschluss für den FV Metz zu tätigen. Bei dem 9:1-Sieg der Pfälzer Mannschaft über die eben erst reorganisierte Metzer Mannschaft erzielte Fritz Walter sechs Tore. Erst einen Monat zuvor hatte der erst 19-jährige Fußballspieler sein Länderspieldebüt gegen Rumänien gegeben und dabei vier Tore geschossen.59 Weitere Spiele des FV Metz gegen Nachbarvereine, vorzugsweise aus dem Saarland, folgten. Im Laufe des Oktobers konsolidierte sich die Spielstärke des ehemaligen FC Metz. Offiziell war das Berufsspielertum unter der nationalsozialistischen Herrschaft abgeschafft worden. Durch mehrere zurückgekehrte ehemalige Profis konnte das Spielniveau der Mannschaft in den folgenden Monaten allerdings beträchtlich erhöht werden. Auch die ehemaligen Metzer Profis Charles Fosset und Marcel Müller kehrten nach dem Waffenstillstand im August 1940 zu ihrem Verein nach Metz zurück.60 Am 18. August 1940 – nur einen Tag vor der Auflösung aller französischen Vereine durch den Stadtkommandanten Imbt – beschloss der CS Metz den geschlossenen Beitritt zum FV Metz. Allerdings tat er dies ohne seinen bisherigen Präsidenten Maurice Michaux, der es seinerseits – wie Herlory – vorzog, das besetzte Metz zu verlassen.61 Außerhalb von Metz kam das Fußballvereinsleben durch die Evakuierung bedingt erst langsam wieder in Bewegung und vollzog sich ebenso wie in Metz im Rückgriff auf die ehemaligen Funktionäre und Spieler. In der Regel geschah dies offiziell innerhalb der Turn- und Sportgemeinden beziehungsweise gemeinschaften, die der DVG angeschlossen waren. Eben eine solche TSG wurde Anfang November 1940 beispielsweise im lothringischen Saarburg gegründet. Sie war der einzige Sportverein – in der nationalsozialistischen Semantik Sportge57 ISCH: La gloire (1995), S. 88; Aktenvermerk von Hans Haar zum FV Metz, 20.9.1941, in: ADM, 2 W 84. 58 Zit. in: HERZOG: Der Betze (2006), S. 132; zu Imbt auch MAIER: Organisationshandbuch (2007), S. 278–280. 59 Zum Spiel in Metz siehe HERZOG: Der Betze (2006), S. 134f.; siehe auch den Schriftverkehr zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und der Stadt Metz Juli/August 1940, in: AM Metz, 39 Z 1; Art. Alte Sportkameradschaft, in: Deutsche Front, 10.8.1940; SCHWARZ-PICH: Der Ball (1996), S. 136f. 60 Art. Metzer Fussball-Verein gegen SS-Leibstandarte, in: Deutsche Front, 22.8.1940. 61 Auszug aus dem Kontrollbuch, Sitzung des FV Metz, 27.8.1940, in: AM Metz, 39 Z 1.

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meinschaft – der Stadt und bot in den entsprechenden Abteilungen mehrere Sportarten an. Die Gründungsversammlung der TSG Saarburg fand im städtischen Festsaal statt. Nach der Eröffnung durch den Ortsgruppenleiter der DVG hielt der mit der Gründung beauftragte Stadtkommissar Boll eine lange Rede, in welcher er im gängigen nationalsozialistischen Pathos über die grundlegenden Richtlinien des deutschen Sports und den Wert der Leibesübungen referierte. Zuletzt erklärte er die TSG Saarburg für gegründet „und entbot derselben den Wunsch für eine glückhafte Zukunft, auf dass die Stadt Saarburg im deutschen Sportleben einen ersten Ruf erhält.“62 In Merlenbach wurde von ehemaligen Spielern und Funktionären der aufgelöste Klub Stade Olympique de Merlebach in die TSG Merlenbach überführt. Deren Gemeinschaftsführer war bereits zur Zwischenkriegszeit Sportfunktionär im Ort gewesen. Wie die anderen Turn- und Sportgemeinschaften wurde sie als Omnisportverein geführt. Neben den beiden Hauptsportarten Turnen und Fußball wurden Leichtathletik, Ringen und Boxen angeboten. Dies galt auch für Saargemünd, wo alle sportlichen Aktivitäten in der Stadt offiziell innerhalb der TSG Saargemünd ausgeübt wurden. In Saargemünd gab es dabei neben einer Fußballabteilung Sektionen für Turnen, Leichtathletik, Tennis, Basketball, Schwimmen und Wintersport. Auch im westlich von Thionville gelegenen Industriezentrum Hayange beruhte der Wiederaufbau des Sports auf die Hinzuziehung ehemaliger lokaler Vereinsfunktionäre und deren Bereitschaft, sich im Sport weiter zu betätigen. So nahm der Zahnarzt Camille Lantz, ehemaliger Vorsitzender der aufgelösten Entente Sportive de Hayange, neben anderen ehemaligen Funktionären auch in der neuen TSG Hayingen eine führende Position ein.63 Die Gründung der TSG Metz erfolgte erst Ende 1942, was darauf zurückzuführen war, dass in der lothringischen Großstadt mit dem FV Metz und weiteren Spartenvereinen bereits einige Sportvereine zuvor gegründet worden waren. Franz Schubert, seit September 1942 als Metzer Oberbürgermeister und Kreisleiter im Amt, verfolgte das Ziel, den Breitensport in den Vereinen und Sportgemeinschaften zu fördern. Es war deshalb nicht nur zu der von ihm forcierten Fusion von Rudersport- und Tennisverein zur Metzer Ruder- und Tennisgemeinschaft gekommen. Sein Anliegen, den Sport in Metz zu zentralisieren, fand schließlich ihren Höhepunkt in der Gründung der TSG Metz. Deren Gründungsversammlung fand am 1. Dezember 1942 im Sitzungssaal der Landesleitung der DVG statt. Eröffnet wurde sie von Schubert persönlich, der als Schirmherr der neuen Turn- und Sportgemeinschaft auf die Zweckmäßigkeit seiner sportpolitischen Reformen hinwies. Begründet wurde die Konstituierung der TSG mit dem bisherigen Fehlen einer Sportgemeinschaft, in welcher viele der „körperstählenden Sportarten“ von der breiten Masse ausgeübt werden konnten. Dazu zählten „sämtliche Sportarten wie Turnen, Gymnastik, Radsport, Fechten, Ringen, Stemmen usw.“ Schubert 62 Art. Die Gründungsversammlung der Turn- und Sportgemeinde Saarburg, in: Deutsche Front, 9.11.1940; Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 14.11.1941, S. 15, in: ADM, 1 W 442. 63 Schreiben der AS Sarreguemines an den Préfet de la Moselle, 23.6.1945, in: AM Sarreguemines, 31 R 05; PETRUCCI: L’Histoire (1996), S. 80f; RUNATOWSKI: Le Stade olympique (1996), S. 26f.

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versprach in seiner Rede finanzielle Unterstützung seitens der Stadtverwaltung und der Saarbrücker Gustav Schwab überbrachte als Vertreter des Sportgaus Westmark die Glückwünsche des Sportgauführers Schwitzgebel. Zudem äußerte Schwab den Wunsch, „dass recht bald in jeder, auch der kleinsten lothringischen Ortschaft eine eifrige TSG entstehe.“64 Insbesondere das Turnen sollte in der neuen TSG Metz einen wichtigen Platz einnehmen. Im Juli 1943 kam es symbolträchtig zur feierlichen Übergabe der Fahne des alten Metzer Turnvereins an die TSG Metz. Die traditionelle Fahne der Deutschen Turnerschaft in Metz war 1919 vor den französischen Behörden versteckt worden, hatte über Umwege ihren Weg nach Sachsen gefunden und war nun wieder nach Metz zurückgebracht worden.65 Die Turn- und Sportgemeinschaften in Lothringen wurden aufgrund der personellen Kontinuitäten von deutscher Seite aus, wie dies im Bericht der SDAußenstelle Metz66 zum Ausdruck kommt, als „Fortsetzungen früherer Vereine“ gewertet. Der Rückgriff auf frühere Vereinsfunktionäre sei aufgrund mangelnder Auswahl oft alternativlos: „Vielfach haben die Führer früherer Vereine, soweit es sich nicht um Innerfranzosen und Französlinge handelt, die Führung unter Aufsicht eines Ortsgruppenleiters wieder übernommen. Dies erwies sich besonders in ländlichen Gebieten als notwendig, da die Zahl der Personen, die für die Leitung eines Vereins in Frage kommen, nicht sehr groß ist. Da nur Mitglieder der DVG aufgenommen werden, ist die Gefahr, daß die Sportvereine zum Sammelpunkt franzosenfreundlicher Elemente werden, weitgehend unterbunden.“ 67

Die Durchmischung der lothringischen Fußballmannschaften, in denen begrenzt auch Ausländer mitspielen durften, war von der SS in Metz gewünscht. Insbesondere Soldaten sollten am Sportbetrieb teilnehmen, weswegen der Sicherheitsdienst der SS, unter dem Kürzel SD geläufig, in einem Wochenbericht im September 1941 einen Divisionsbefehl kritisierte, der den Soldaten das Spielen in lothringischen Vereinen untersagte. Interessanterweise wurde in jenem Bericht die Teilnahme französischer und italienischer Spieler sogar begrüßt: „Gerade der Sportbetrieb scheint geeignet, Lothringer und Reichsdeutsche, sowie die nationalen Minderheiten in Lothringen miteinander bekannt zu machen. Als Beispiel für diese friedliche Zusammenarbeit ist die Fußballmannschaft von St. Avold anzusehen, die sich aus folgenden Spielern zusammensetzt: 1 Italiener, 1 Nationalfranzose, 1-2 Soldaten, 1 SS-Mann, 1 Reichsdeutscher, die übrigen Lothringer (…).“68

Der Fußballsport war in der Moselle bereits wenige Wochen nach Beginn der Besatzung wieder in Bewegung gekommen. Abgesehen von den Propagandaspielen 64 Ausführlich, auch zu den Zitaten, Art. Metzer Sport erhielt neuen Auftrieb, in: NSZWestmark, 2.12.1942. 65 Siehe Abbildung der Fahne in: NSZ-Westmark, 17.7.1943, Art. Ehrentag der lothringischen Turner, in: NSZ-Westmark, 19.7.1943. 66 Der Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (SD) war der Nachrichtendienst der SS, der in Metz über eine Außenstelle verfügte, welche wöchentlich Geheimdienstberichte, sogenannte „Meldungen aus Lothringen“ nach Berlin lieferte. 67 Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 22.8.-4.9.1941, S. 8, in: ADM, 1 W 442. 68 Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 22.8.-4.9.1941, S. 8, in: ADM, 1 W 442.

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des FV Metz gegen saarländische beziehungsweise deutsche Vereine, deren Inszenierung im folgenden Teilkapitel referiert wird, fanden ab Herbst 1940 vermehrt Spiele der neu gegründeten Turn- und Sportgemeinschaften statt. Ende Januar 1941 nahmen zehn lothringische Mannschaften durch ihre Teilnahme am Tschammerpokal erstmals an offiziellen Spielen des NSRL teil. Für die Fußballabteilung der TSG Hayingen war die erste Begegnung dieses Wettbewerbs das erste Spiel überhaupt. Auch für die TSG Diedenhofen war das Spiel gegen den saarländischen Vertreter aus Friedrichsthal das erste offizielle Treffen auf eigenem Platz. Insgesamt vier der lothringischen Mannschaften trafen auf saarländische Gegner, was den Spielen der „NSZ-Westmark“ zufolge „eine besonders interessante Note“ verlieh. Drei von ihnen konnten sich dabei durchsetzen.69 Der FV Metz griff wie andere große Vereine erst eine Runde später in den reichsdeutschen Pokalwettbewerb ein. Der erste Gegner dieses ersten offiziellen Spiels der ehemaligen Profispieler um Emil Veinante und Albert Rohrbacher hieß TSG Sulzbach, deren Fußballabteilung aus dem ehemaligen SV 05 Sulzbach hervorgegangen war. Das am 23. März 1941 angesetzte Spiel war nicht aufgrund des regnerischen Wetters bemerkenswert, sondern dadurch, dass die Spielzeit nur 45 Minuten betrug. Bei einem Halbzeitstand von 0:5 verzichteten die Sulzbacher auf eine Fortsetzung des Spiels.70 Die spielerisch starke Elf des FV Metz setzte ihre Siegesserie im Tschammerpokal in den folgenden Spielen gegen FV Saarbrücken, Borussia Neunkirchen, VfL Neckarau und gegen Rotweiss Frankfurt fort. Der lothringische Vertreter war erst im August im Achtelfinale durch den SV Jena zu stoppen.71 Abgesehen von den vereinzelten Spielen um den Tschammerpokal begann für die meisten Nachfolger der alten Fußballvereine in der Moselle der sportliche Alltag am 20. April 1941. Mit der sogenannten lothringischen Frühjahrsmeisterschaft sollte es ein dreiviertel Jahr nach der Besetzung zu einer ersten geregelten Spielrunde im ehemaligen Departement kommen. Koordiniert und organisiert wurde der Wettbewerb, eingeteilt in mehrere Gruppen, wiederum von der Saarbrücker Dienststelle sowie vom Fußballfachwart des Sportgaus, Hans Zeimet. Um die Spielgruppen zusammenzustellen, war zwei Wochen zuvor eine Tagung in Metz einberufen worden, zu welcher sämtliche – bereits vom Stillhaltekommissar anerkannten – Turn- und Sportgemeinschaften eingeladen worden waren. Dass der Wiederbeginn des sportlichen Alltags unter Kriegsbedingungen stattfand, war allerdings auch hier zu spüren: Für die Option eines gemeinsamen Mittagessens im Hotel National waren von den Anreisenden für 100 Gramm Fleisch- und für 10

69 Art. Tschammer-Pokalspiele in Lothringen, in: Metzer Zeitung, 24.1.1941; Art. Lothringen startet im Tschammerpokal, in: Deutsche Front, 25.1.1941; Art. Erfolgreicher Start im Tschammerpokal, in: ebda., 27.1.1941. 70 Art. Sulzbachtal in Aufregung, in: Metzer Zeitung, 21.3.1941; Art. Eine Halbzeit und fünf Tore, in: ebda., 24.3.1941. 71 Die Ergebnisse im Einzelnen: FV Metz gegen FV Saarbrücken 3:1 n. V., gegen Borussia Neunkirchen 2:1, gegen Rotweiss Frankfurt 2:0, gegen 1. SV Jena 0:3. Siehe Berichterstattung in der NSZ-Westmark, 9.6., 23.6., 11.8., 21.8., 24.8., 25.8.1941.

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Gramm Fettmarken mitzubringen.72 Beendet wurde die im April initiierte Frühjahrsrunde für die lothringischen Fußballvereine erst im September, als die TSG Saargemünd vom FV Metz im Endspiel mit 4:1 geschlagen wurde.73 Zum Zeitpunkt des Starts der neuen Gauliga Westmark im Sommer 1941 hatten sich die sportpolitischen Rahmenbedingungen bereits wieder verändert. Während die Wehrmacht mit ihrem Angriff auf die Sowjetunion den nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg nach Osteuropa hineintrug, begann für die Fußballabteilungen der lothringischen Turn- und Sportgemeinschaften in beinahe friedlicher Atmosphäre im Sommer 1941 der geregelte Spielbetrieb in der soeben neu gegründeten Gauliga Westmark. Für die zehn Mannschaften umfassende Liga wurden für die erste Saison 1941/42 mit dem FV Metz und der TSG Saargemünd – nicht zuletzt auf den Wunsch Bürckels – auch zwei Fußballvereine aus der Moselle berücksichtigt. Beide Vereine konnten in ihrer ersten Gauligasaison die Klasse halten. Insbesondere die mit ehemaligen französischen Nationalspielern gespickte Mannschaft des FV Metz sollte dabei den Spitzenmannschaften aus Neunkirchen, Saarbrücken und Kaiserslautern ernsthafte Konkurrenz machen. Dass die nationalsozialistische Sport- und Volkstumspolitik sich im Bereich des Sports vor allem auf den Fußball konzentrierte, lag nicht zuletzt daran, dass Fußball auch in der Besatzungszeit in der Moselle weiterhin die mit Abstand führende Sportart geblieben war. Der SD meldete im Oktober 1941, dass sich die meisten Turn- und Sportgemeinschaften in Lothringen für den Fußballsport entschieden hätten. Alleine im Bereich Diedenhofen widmeten sich zu dieser Zeit von 32 Sportgemeinschaften 30 ausschließlich dem Fußballsport.74 Mit der die Moselle umfassenden Gauliga Westmark sollte den Menschen im saarländischlothringischen Grenzraum Normalität im Kriegsalltag suggeriert werden, deren Inszenierung mit zunehmender Kriegsdauer – wie im folgenden Teilkapitel zu sehen sein wird – jedoch immer schwerer fallen sollte. 8.4 Fußball als inszenierte Normalität im Krieg Die Gauliga Westmark 1941–1944 Nur drei Wochen nach dem ersten Propagandaspiel des FV Metz gegen den 1. FC Kaiserslautern im August 1940 fanden auch Spiele gegen die zwei saarländischen Traditionsvereine FV Saarbrücken und Borussia Neunkirchen statt. Zelebriert wurden sie als ein Anknüpfen an verloren gegangene Bande. Am 31. August 1940 fand in Saarbrücken – erst seit wenigen Wochen war mit der Rückführung der zivilen Bevölkerung in die vormals evakuierte Grenzzone begonnen worden – im Ludwigspark das Spiel FV Saarbrücken gegen den FV Metz statt. Für die Metzer Tageszeitung „Deutsche Front“, einem Druckerzeugnis aus Bürckels „Presseim72 Mitteilung „Durchführung einer Fußballrunde in Lothringen“, in: Gauverordnungsblatt Gau XIII Südwest, 1.4.1941. 73 Art. Pokal und Titel für den Fussballverein Metz, in: NSZ-Westmark, 15.9.1941. 74 Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 17.-23.10.1941, S. 7, in: ADM, 1 W 442.

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perium“,75 bedeutete dieses Ereignis nicht weniger als die „herzliche Wiederaufnahme engster Beziehungen zwischen sportkameradschaftlich und brüderlich im Grossdeutschen Reich wieder vereinter Sportler von Lothringen und dem Saarland.“76 Mit Rohrbacher, Fosset und Nock spielten auf Seiten der Metzer drei ehemalige Berufsspieler mit, die achtzehn Monate zuvor in Saarbrücken noch die Farben der Ligue Lorraine de Football vertreten hatten. Wie zu jenem Spiel empfing Oberbürgermeister Schwitzgebel die lothringische Delegation auch dieses Mal im Rathaus. Zuvor hatte der FVS die Metzer Delegation an der Polizeisperre am Ehrental in Empfang genommen. Schwitzgebel sprach in seiner Ansprache von einer „Wiedersehensfreude“ und „forderte die Lothringer zum gemeinsamen Wiederaufbau auf.“77 Um zwölf Uhr aßen die Mannschaften und ihre Begleiter gemeinsam zu Mittag und um 15 Uhr wurde das Wettspiel im Ludwigspark bei sommerlichem Wetter vor bis zu 5 000 Zuschauern angepfiffen. Zuvor hatten der Metzer Vereinsführer Emil Felsburg und der Saarbrücker Vereinsfunktionär Untermann jeweils ein Grußwort gesprochen. Im Anschluss führten – so berichtet es die Deutsche Front – die beiden Mannschaften „mit einem kernigen, dreifachen 'Sieg-Heil' geschlossen den deutschen Gruss aus.“78 Das Spiel selbst verloren die Metzer, die nach Ansicht der Presse in ihrer „Probezeit“ unter einem Unglücksstern standen, mit 2:7 Toren. Auch das Treffen wenige Tage später in Metz gegen Borussia Neunkirchen verlor der FV Metz hoch mit 0:5 Toren.79 Fünf Wochen später hatte sich die neu formierte Metzer Elf eingespielt und konnte das Rückspiel gegen den FV Saarbrücken auf der Metzer Symphorieninsel siegreich gestalten. Vor 5 000 Zuschauern gewannen die Lothringer mit 5:1 Toren. 80 Das Rückspiel des FV Metz in Neunkirchen fand im November 1940 statt. Vor 1 500 Zuschauern wurden die Mannschaften vor dem Anpfiff durch einen Vertreter der Stadtverwaltung begrüßt. Die Revanche gelang den Metzer Spielern um Charles Fosset jedoch nicht. Borussia Neunkirchen entschied das Spiel mit 5:2 Toren für sich.81 Durch den kontinuierlichen Fußballbetrieb im Krieg sollte sowohl für die Zuschauer als auch für die aktiven Vereinsmitglieder eine Rückkehr zur Normalität suggeriert werden. Dies galt insbesondere auch für den Bereich Lothringen. Die Integration des lothringischen Fußballs in den NSRL beziehungsweise in den Sportgau Westmark erfolgte dabei ohne größeres Aufsehen. Sowohl für die loth75 Die Deutsche Front als „Zeitung der deutschen Volksgemeinschaft“ erschien ab August 1940 in Metz und wurde am 1.12.1940 von der NSZ-Westmark, Ausgabe Metz, abgelöst. Letztere gehörte zum mindestens 22 Verlage umfassenden Presseimperium Bürckels und war Branchenführer im deutschen Südwesten. Vgl. HERZOG: Der Betze ²2009 (2006), S. 236; MALLMANN/PAUL: Herrschaft (1991), S. 126. 76 Art. Fussballverein Saarbrücken gegen Metzer Fussballverein, in: Deutsche Front, 31.8.1940. 77 Art. Fussballverein Saarbrücken gegen Metzer Fussballverein, in: Deutsche Front, 31.8.1940; Art. Fussballverein Saarbrücken schlägt Fussballverein Metz 7:2, in: ebda., 2.9.1940. 78 Art. Fussballverein Saarbrücken schlägt Fussballverein Metz, in: Deutsche Front, 2.9.1940. 79 Art. Borussia Neunkirchen schlägt Fussballverein Metz 5-0, in: Deutsche Front, 9.9.1940. 80 Art. FV Metz - FV Saarbrücken 5:1, in: Deutsche Front, 21.10.1940. 81 Art. Borussia Neunkirchen - FV Metz 5:2, in: Deutsche Front, 25.11.1940.

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ringischen als auch für die saarpfälzischen Vereine sollte dieser politisch gewollte Schritt eine Kontinuität aus der Reichslandzeit suggerieren, die lediglich von der französischen Zwischenkriegszeit unterbrochen worden sei. Entsprechend wurden beispielsweise die Spiele des FV Metz im Laufe der Zeit in der Presse nicht mehr besonders hervorgehoben. Der Normalität suggerierende Fußball sollte im Krieg auch die Leinwände erobern: Wie im übrigen Deutschen Reich wurde auch in der Moselle im Herbst 1942 der Kinofilm „Das große Spiel“ gezeigt. Es war der einzige nationalsozialistische Spielfilm, in welchem dem Fußball eine zentrale Rolle zukam und der zugleich weniger ein Propaganda- als vielmehr ein Unterhaltungsfilm war. Eine in Farbe gedrehte Szene enthielt Spielsequenzen mit mehreren Nationalspielern, die für den Dreh freigestellt worden waren.82 Der Film wurde vom SD in Hinblick auf seine Rezeption in der Metzer Bevölkerung untersucht. Er sei vor allem von Jugendlichen gut aufgenommen worden. Allerdings sei der Film auch kritisiert worden, da er sich zu einseitig auf das Bergarbeitermilieu fokussiert habe, während der Fußballsport „doch von allen Kreisen des Volkes betrieben würde.“83 Die Teilnahme der lothringischen Vereine in den deutschen Wettbewerben erregte reichsweit Aufsehen. Dafür sorgte im Jahr 1941 nicht nur der Siegeszug des FV Metz, der – wie bereits erwähnt – bis in das Achtelfinale des Tschammerpokals vorstieß. Bürckel verstand es offensichtlich, dass auch die Parteigrößen in Berlin seine Sportpolitik, die eben zugleich eine Volkstumspolitik darstellte, interessiert zur Kenntnis nahmen. Gewürdigt wurde dementsprechend die Propagandaarbeit im Sportgau Westmark im Oktober 1941, als Reichsminister Joseph Goebbels ein Fußballspiel in Metz besuchte. Es handelte sich dabei um das erste Spiel einer Auswahl des Sportgaus, das im Wettbewerb um den Reichsbundpokal gegen die Bereichsauswahl Köln/Aachen antrat. Auf der Ehrentribüne des Metzer Stadions war neben Goebbels auch Gauleiter Josef Bürckel zu finden. Die Mannschaft der Westmark selbst bestand – ganz nach dem Bürckel’schen Prinzip der Durchmischung – aus Saarländern, Pfälzern und Lothringern. Mit Emil Veinante und Henri Nock war dabei der FV Metz prominent vertreten. Das Spiel selbst ging vor 3 500 Zuschauern mit 1:3 für die Westmark verloren.84 Im Juni 1942 kam es in Metz zu einem zweiten Spiel der Gauauswahl. Der Gegner dieser Begegnung war die Auswahl des ebenfalls erst im Krieg gegründeten Sportgaus Moselland. Dies war insofern eine besondere Konstellation, da jener Sportgau auch das ehemalige Großherzogtum Luxemburg umfasste, das wie die Moselle infolge des deutschen Westfeldzuges faktisch annektiert worden war. Es war dem Parteigau Koblenz-Trier zugeschlagen worden und wie Bürckel in der Saarpfalz war analog der aus Saarbrücken stammende Gauleiter Gustav Simon zum Chef der Zivilver-

82 WICK: Der Spielfilm „Das große Spiel“ (2008), S. 294f; SCHWARZ-PICH: Der Ball (1996), S. 144f; LEINEMANN: Sepp Herberger (2004), S. 201-204. 83 Meldung aus Lothringen [SD-Meldung], 30.10.1942, in: ADM, 1 W 443. 84 Siehe Art. Westmark-Elf biss auf Granit, in: NSZ-Westmark, 6.10.1941.

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waltung in Luxemburg ernannt worden.85 So kam es unter diesen sportpolitischen Begleitumständen dazu, dass sich bei diesem von 7 000 Zuschauern besuchten „Gauvergleichskampf“ Lothringer und Luxemburger auf dem Spielfeld die Hände reichten, während die Tribüne des Metzer Stadions mit Hakenkreuzfahnen geschmückt war.86 Normalität suggerierten auch die Sportveranstaltungen, die in allen größeren Orten Lothringens während der Besatzungszeit stattfanden. In Saargemünd wurde an die Tradition der großen Leichtathletikmeetings der zwanziger und dreißiger Jahre angeknüpft. So nahm die Leichtathletikabteilung der TSG Saargemünd nicht nur an mehreren Wettkämpfen teil, sondern veranstaltete im Sommer 1942 im Bliesstadion ein großes Sportfest der Leichtathletik für alle drei Bezirke des Sportgaus Westmark.87 Für die Jugendmannschaften der Fußballvereine zählten Spielreisen während des Kriegs innerhalb des saarländisch-lothringischen Grenzraums zu den Höhepunkten, die noch ein Jahrzehnt später als völlig normal eingestuft wurden. So wurde in der Festschrift der Sportfreunde Saarbrücken zum fünfzigjährigen Jubiläum in erster Linie über den sportlichen Erfolg berichtet: „Trotzdem wurden in dieser Zeit schöne Erfolge errungen. Die Jugendmannschaft fuhr nach Metz, Diedenhofen, St. Avold, Saargemünd, Saarburg und heftete Erfolg auf Erfolg an die weißroten Farben.“88

Wie sehr die Moselle als Teil des Deutschen Reiches gerade im Bereich des Fußballs wahrgenommen wurde, zeigten auch die Schulungskurse, die Reichstrainer Sepp Herberger in Lothringen vornahm. Bereits im Januar 1941 war Herberger für zwei jeweils viertägige Lehrgänge in Straßburg und Mülhausen ins Elsass gekommen. Im Juli 1943 kam der weithin anerkannte Fußballlehrer auch für eine Woche in das annektierte Lothringen. Lehrgänge für seine Nationalspieler – oder zur Sichtung und Unterrichtung von Nachwuchsspielern – waren für Sepp Herberger Alltag, seit dem auf die Austragung von Fußball-Länderspielen nach der letzten Begegnung mit der Slowakei im November 1942 auf Weisung der Politik verzichtet wurde. Weitere Schulungen hatte er im Frühjahr 1943 bereits in Luxemburg, in Oberschlesien und im Elsass abgehalten.89 In Metz hielt er einen zweitägigen Lehrgang ab, an welchem Abteilungsleiter, Übungsleiter und „befähigte Spieler“ teilnehmen konnten. Vom 28. bis 30. Juli hielt Herberger im Olympia-Stadion in Merlenbach drei Lehrgänge ab. Von den Veranstaltungen profitier-

85 Die Geschichte des Sportgaus Moselland ist noch weitestgehend unerforscht. Aus luxemburgischer Sicht vgl. den Beitrag von Pierre GRICIUS: Als der Sport (2006). Zu Gustav Simon vgl. u.a. KLAUCK: Gustav Simon (2006). 86 Das Spiel endete mit 4:2 für den Sportgau Westmark. Siehe Art. Sportgaue messen ihre Kräfte, in: NSZ-Westmark, 27.6.1942; Art. Ein halbes Dutzend schöne Tore, in: ebda., 29.6.1942. 87 GROUSELLE: Un siècle (1991), S. 98. 88 Sportfreunde Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1955), S. 62. 89 HAVEMANN: Fußball (2005), S. 308; SCHWARZ-PICH: Der Ball (1996), S. 148.

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ten auch die kleineren Sportgemeinschaften in Kleinrosseln, Spittel und Bolchen, die zu einer Teilnahme jedoch zugleich auch verpflichtet wurden.90 Zwei durch den Krieg bedingte Besonderheiten sollten den Spielbetrieb der Gauliga Westmark prägen. Zum einen war dies das im gesamten Reich geltende sogenannte Gastspielerstatut, zum anderen die Präsenz der ehemaligen französischen Berufsspieler. Zunächst zum Gastspielerstatut und dessen Auswirkungen: Dieses sah vor, dass Soldaten im Rahmen einer Versetzung entweder in Militärmannschaften spielen konnten oder bei einem der NSRL-Vereine am neuen Standort. Lediglich der bisherige Stammverein sowie der militärische Vorgesetzte vor Ort mussten damit einverstanden sein. Die Spieler blieben dabei Mitglied in ihrem Stammverein und waren für die Zeit ihres Gastspiels lediglich beurlaubt. Im Sportgau Westmark spielten die Gastspieler eine wichtige Rolle. Im Sommer 1943 stellte Sportgauführer Schwitzgebel fest, dass einige der „Gemeinschaften“ ihre Erfolge und ihr Bestehen überhaupt, oftmals „den als Gastteilnehmer mitwirkenden Wehrmachtsangehörigen“ verdankten.91 Möglicherweise spielte Schwitzgebel in erster Linie auf den FV Saarbrücken an, der in der Saison 1942/43 in hohem Maße von Gastspielern profitieren sollte. Inmitten des Zweiten Weltkrieges sollte der saarländische Verein den bis heute sportlich größten Erfolg eines Fußballvereins im saarländisch-lothringischen Grenzraum feiern. Am 27. Juni 1943 sollte die mit Gastspielern verstärkte Mannschaft des FV Saarbrücken im Olympiastadion in Berlin im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft stehen. Vorausgegangen war die Erringung der Meisterschaft in der Gauliga Westmark, wo sich die Mannschaft um Willi Sold gegen die ebenfalls spielstarke Vertretung aus Metz hatte durchsetzen können. Am letzten Spieltag – nur wenige Tage nachdem Joseph Goebbels in seiner Sportpalastrede den „totalen Krieg“ verkündet hatte – hatte den Malstattern ein Unentschieden genügt, um sich den Meistertitel zu sichern. Dass es dem Verein gelingen konnte, noch im Frühjahr 1943 eine spielerisch starke Mannschaft aufzustellen, lag nicht zuletzt daran, dass einige Spieler in der kriegswichtigen Montan- und Rüstungsindustrie tätig waren und deshalb vor Ort bleiben konnten. Während zwei Spieler als Bergleute beschäftigt waren, arbeiteten drei weitere als Fachspezialisten in der Rüstungsindustrie. Unter diesen befand sich auch der bereits 37-jährige Torhüter Kurt Dahlheimer, der bis 1939 in Lille als Profi gespielt hatte. Weitere Spieler wie Willi Sold, Heinz Kurtsiefer oder der erst 19-jährige, aus Karlsruhe stammende Herbert Binkert waren als Soldaten in Saarbrücken stationiert. Zudem profitierte die Mannschaft von Gastspielern wie dem von Karlsruhe kommenden rechten Läufer Johann Herberger, einem Neffen des Reichstrainers Sepp Herberger, der für ein halbes Jahr für den Verein spielte. Beinahe wäre im Sommer 1943 laut 90 Zu Herbergers Lehrgängen im Elsass siehe Art. Seppl Herberger im Elsaß, in: Kicker, 21.1.1941, S. 3; Art. Neue Wege im Elsaß, in: Kicker, 28.1.1941. Zu seinem Wirken in Lothringen siehe Gauverordnungsblatt Sportgau Westmark, 14.7., 21.7.1943; Rubrik „Neue Sportnachrichten“, in: NSZ-Westmark, 9.7.1943. 91 Vierteljahresbericht Sportgau Westmark, 1.7.–30.9.1943, 30.9.1943, in: StA Saarbrücken, G 13/3677; HERZOG: Der Betze (2006), S. 138.

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Erich Menzel auch noch Fritz Walters Name auf dem Mannschaftsbogen der „Molschder“ – so der Spitzname der Saarbrücker Elf – aufgetaucht, da er zu dieser Zeit noch an der Saar „in Garnison“ lag. Zu einem Engagement Walters beim FV Saarbrücken, dem er auch nicht abgeneigt gewesen sein soll, war es jedoch nicht mehr gekommen.92 Auf dem Weg in das Meisterschaftsendspiel hatte sich der FV Saarbrücken gegen den elsässischen Meister FC Mülhausen mit 5:1 durchsetzen können. Siege in Köln, gegen den VfR Mannheim und den FC Vienna Wien waren die weiteren Schritte in Richtung Finale gewesen.93 Der mit einem 2:1-Sieg gegen Wien in Stuttgart sicher gestellte Einzug ins Endspiel wurde Erich Menzel zufolge von den Spielern und den mitgereisten Saarländern im Stuttgarter Schloßgarten-Hotel entsprechend gefeiert: „Die aufgesparten besternten Flaschen, wie sie der Westfeldzug an die Grenzmark gespült hatte, wurden nun aus den Koffern gepackt (…). Nun saßen sie zusammen: Bergleute, Hüttenarbeiter, Frontsoldaten, Flakkanoniere und feierten den bisher größten Tag der Saarbrücker und westmärkischen Fußballgeschichte, vertrauend auf einen noch größeren!“ 94

Zum Endspiel im Berliner Olympiastadion Ende Juni 1943 reiste ein Großteil der deutschen Fußballprominenz an. Auch der Saarbrücker Oberbürgermeister Friedrich Schwitzgebel ließ es sich in seiner Funktion als Sportgauführer der Westmark nicht nehmen, dem Spiel beizuwohnen. Vor rund 88 000 Zuschauern mussten sich die „Molschder“ allerdings gegen den Dresdner SC, auf deren Seite der spätere Bundestrainer Helmut Schön spielte, mit 0:3 Toren geschlagen geben.95 Vom Gastspielerstatut hatte auch der FV Metz profitiert, der dadurch prominente Verstärkung erhielt. Im Februar 1942 stieß der in Metz stationierte deutsche Nationalspieler Reinhard Schaletzki für einige Monate zur Mannschaft.96 Der prominenteste Gastspieler in Lothringen sollte indes aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen: Fritz Walter.97 Im Dezember 1940 wurde der damals zwanzigjährige Nationalspieler zur Wehrmacht eingezogen. Zunächst profitierte der 1. FC Kaiserslautern als sein Stammverein von Walters Stationierung in einer Kaserne vor Ort. Bis Mitte 1943 gehörte er dem Stab des Infanterie- und GrenadierErsatzbataillons 698 an. Als Walters Einheit in das ostfranzösische Conflans verlegt wurde, versuchte Gauleiter Bürckel im August 1941, den Infanteristen Walter nach Metz kommandieren zu lassen, um ihn beim FV Metz als Gastspieler einsetzen zu können. Damit hätte Walter in der soeben neu gegründeten Gauliga Westmark gegen seinen eigenen Stammverein 1. FC Kaiserslautern gespielt. Gegen die Pläne Bürckels und des bayerischen Sportbereichsführers Karl Oberhuber, die 92 Art. Der neue Westmarkmeister, in: Kicker, 23.2.1943, S. 8; Erich Menzel: Art. Klüger und technisch reifer spielte der DSC, in: Kicker, 29.6.1943, S. 2. 93 Siehe Berichterstattung im Kicker, 4.5., 18.5., 1.6., 16.6.1943 94 Erich Menzel: Art. Selbst Plocs phantastische Paraden verriegelten nicht Malstatts Sieg über Vienna“, in: Kicker, 16.6.1943, S. 4. 95 Siehe ausführliche Berichterstattung im Kicker, 29.6.1943. 96 Der Oberschlesier Reinhard Schaletzki (1916–1995) spielte zuvor bei Vorwärts Rasensport Gleiwitz und in Breslau. Siehe Art. Klasse bezwang Kämpfergeist, in: NSZ-Westmark, 23.2.1942; BITTER: Deutschlands Fußball (2000), S. 555. 97 Zu den Ausführungen zu Fritz Walter vgl. HERZOG: Fritz Walter (2008), hier S. 392–396.

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bei Reichstrainer Herberger auf Ablehnung stießen, konnte sich der pfälzische Verein erfolgreich wehren. Publizistisch unterstützt wurde der Verein dabei nicht zuletzt von Erich Menzel, der sich im „Kicker“ kritisch mit der Transferpolitik im Sportgau Westmark auseinandersetzte.98 Knapp anderthalb Jahre später kam es doch noch zu einem Gastspielereinsatz des Nationalspielers in Lothringen. Als Walters Bataillon im Dezember 1942 nach Diedenhofen verlegt wurde, spielte er zunächst für die lokale Standortauswahl, um sich dann im April 1943 der TSG Diedenhofen anzuschließen, deren erste Mannschaft er in den Aufstiegsspielen in die Gauliga Westmark führen wollte. Die TSG Diedenhofen war ein ähnliches Konstrukt wie die anderen Turn- und Sportgemeinschaften in Lothringen, die innerhalb der Deutschen Volksgemeinschaft gegründet wurden; in diesem Fall durch Bürgermeister Ludwig Liebel und Kreisleiter Schäfer im Jahr 1940. Im Fußballsport hatte Diedenhofen den Vereinen aus Metz und Saargemünd den Vortritt lassen müssen und spielte in der Gruppe Westlothringen daher zweitklassig. Den ersten Kontakt mit der TSG Diedenhofen hatte Fritz Walter indes bereits am 21. Dezember 1941 gehabt. Anlässlich der Einweihung des neuen Spielfeldes am Karolingerring hatte der 1. FC Kaiserslautern in der Stadt ein Gastspiel gegeben. Seine eigene Zeit als Spieler der TSG Diedenhofen währte von April bis Juni 1943. Wenn er auch rasch zum wichtigsten Spieler der Diedenhofener Elf aufrückte, konnte doch auch Walter nicht verhindern, dass Diedenhofen der TSG Merlenbach beim Aufstieg in die Gauliga Westmark den Vortritt lassen musste. Bevor Fritz Walter nach Italien versetzt werden sollte, trug er im Juni 1943 noch für kurze Zeit das Trikot der TSG Saargemünd.99 Eine weitere besondere Konstellation in der Gauliga Westmark stellte die Präsenz der ehemaligen französischen Fußballprofis dar, die ansonsten nur noch in der Gauliga Elsass anzutreffen war.100 Von der Rückkehr der ehemaligen Berufsspieler der aufgelösten französischen Profiliga in ihre Stammvereine profitierten auch die lothringischen Fußballvereine und insbesondere der FV Metz. Sie waren auch in der Gauliga spielberechtigt und sorgten im Metzer Fußballbetrieb für spielerische Kontinuität. Neben den bereits erwähnten lothringischen Spielern um Veinante und Rohrbacher kehrte im September 1942 sogar der mittlerweile 31jährige holländische Fußballprofi Bep Bakhuys nach Metz zurück, wo er von 1937 bis zu seiner Einberufung in die holländische Armee im Herbst 1939 bereits gespielt hatte. Er blieb bis 1944 beim FV Metz und war für die Mannschaft gerade angesichts der vermehrten Einberufungen von Spielern in die deutsche Wehrmacht eine wertvolle sportliche Verstärkung. Seine guten Verbindungen nach Metz sollten auch das Kriegsende überdauern, weswegen er 1945/46 sogar zwischenzeitlich das Traineramt beim FC Metz übernehmen sollte. Das Auftreten der ehemaligen französischen Fußballprofis wurde in der Sportpresse des „Dritten Reiches“ – anders als vor dem Krieg – kaum kritisch 98 Erich Menzel: Art. Süddeutsche Reise, 12.8.1941, zit. in HERZOG: Fritz Walter (2008), S. 395; ausführlich zuletzt HERZOG: Blitzkrieg (2012), S. 99-101. 99 Zu Walters Zeit beim TSG Diedenhofen vgl. HERZOG: Der Betze (2006), S. 144–149. 100 Zum Fußball im besetzten Elsass ausführlich PERNY: Le football (2009), S. 307-351.

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bewertet. Vor allem der holländische Stürmer Bakhuys als Vertreter des französischen Profifußballs wurde vergleichsweise milde beurteilt. Auch wenn es im nationalsozialistischen Fußballbetrieb – in der sogenannten Fußball-Volksgemeinschaft – offiziell keine Fußballstars gab, wurden auch im Sportgau Westmark entscheidende Begegnungen auf einzelne Spieler wie Bep Bakhuys oder Fritz Walter reduziert. So wurde im Mai 1943 das Pokalspiel der TSG Diedenhofen, bei welcher Walter zu dieser Zeit spielte, gegen den FV Metz zu einem Duell der beiden Nationalspieler stilisiert.101 Die vehemente Ablehnung jeglichen Starkults und des französischen Berufsspielertums bei gleichzeitiger Akzeptanz der Repräsentanten jenes Systems führte mitunter zu paradoxen Situationen, die achtzehn Monate zuvor unvorstellbar gewesen wären, die aber zeigten, wie kompromissbereit die Nationalsozialisten in der Verfolgung ihrer sportpolitischen Ziele waren. Als im September 1941 der FV Metz die TSG Saargemünd im Endspiel um die lothringische Meisterschaft mit 4:1 in Merlenbach besiegt hatte, war es zu der bis dahin unvorstellbaren Situation gekommen, dass Sportgauführer Schwitzgebel bei der Siegerehrung dem langjährigen lothringischen Fußballprofi Emil Veinante einen Pokal überreichen musste, der von Gauleiter Bürckel gestiftet worden war.102 Der Versuch, mithilfe von Fußballspielen Normalität zu schaffen und die Bevölkerung in der besetzten Moselle dadurch an das „neue“ Deutschland zu gewöhnen, war einerseits vielversprechend, da von Seiten der lothringischen Akteure des Fußballsports die Bereitschaft, am Fußballbetrieb des „Dritten Reiches“ teilzunehmen, vorhanden war. Andererseits dienten die Spiele nicht nur den Nationalsozialisten zur Inszenierung. Für die lothringischen Zuschauer konnte ein Fußballspiel auch als eine völlig entgegengesetzte Projektionsfläche dienen. Die Fußballspiele schrieben auf dem Platz oftmals ihre eigene Dramaturgie und waren insofern auch nicht kontrollierbar. Zum Ausdruck kommt dies nicht zuletzt in den Geheimdienstberichten des SD, in den sogenannten „Meldungen aus Lothringen“. Im August 1941 hielt der Bericht fest, dass die Erfolge des FV Metz im Tschammerpokal „das schon immer starke Interesse der lothringischen Bevölkerung am Fußball wieder besonders rege werden“ ließen, allerdings lasse die „allgemeine Disziplin bei Sportveranstaltungen“ sehr zu wünschen übrig. Insbesondere bei Fußballspielen sei es immer wieder „zu lauten Äußerungen des Publikums, Angriffen auf den Schiedsrichter und sogar tätlichem Eingreifen des Publikums“ gekommen.103 Es ist daher auch nicht überraschend, dass sich auch in Fußballspielen die ablehnende Haltung der Bevölkerung widerspiegeln konnte. Dies zeigte sich beispielsweise im Sommer 1941 bei einem Spiel des FV Metz gegen die deutsche Heeresauswahlelf Schwarz-Weiß Metz. Es handelte sich um das entscheidende Spiel um die Meisterschaft in der Gruppe 1 der sogenannten Lothringer Frühjahrsrunde. Im Vorfeld wurde in einem Geheimdienstbericht der SD-Außenstelle in 101 Der FV Metz gewann das Spiel in Diedenhofen mit 1:0. Siehe Art. Mit Glück 1:0 für Rotweiß, in: NSZ-Westmark, 24.5.1943. 102 Siehe Abb. und Art. Pokal und Titel für den FV Metz, in: NSZ-Westmark, 15.9.1941. 103 Meldung aus Lothringen [SD-Bericht], 8.8–14.8.1941, S. 8, in: ADM, 1 W 442.

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Metz vor dem Spiel gewarnt, da die Bevölkerung „etwas zu geschlossen auf der Seite des sich aus einheimischen Spielern zusammensetzenden FV Metz“ stehe, „während so ziemlich alle Wehrmachtsangehörigen die Militärmannschaft verteidigen.“ Man höre „hier und da recht unsportliche Äusserungen“, weswegen dafür Sorge getragen werden müsste, „dass dieser Fussballkampf (…) in durchaus sportlicher und unbedingt fairer Weise ausgetragen wird. In diesem Sinne an die Spieler beider Mannschaften gerichtete Ermahnungen würden in ihren Auswirkungen sicher eine heilvolle Lehre für das sportbegeisterte Publikum bedeuten.“104 Inwiefern es zu Unmutsäußerungen kam, ist dem Spielbericht in der Presse nicht zu entnehmen. Überliefert ist lediglich der Platzverweis jeweils eines Spielers beider Mannschaften. Das Spiel selbst endete vor 2 000 Zuschauern mit einem 3:0-Sieg für den FV Metz.105 Ausschreitungen und körperliche Auseinandersetzungen, zu welchen es im Juli 1942 im besetzten Dänemark gekommen war, sind für Lothringen nicht überliefert. Dort war es nach einem Gastspiel Austria Wiens in Kopenhagen zu Kämpfen zwischen Zuschauern und Wehrmachtssoldaten gekommen. Nicht nur der 4:1-Sieg Wiens dürfte die dänischen Gemüter erregt haben; auch die „Heil“-Rufe der Soldaten vor dem Spiel sollen für eine zusätzliche Provokation gesorgt haben.106 Alfred Wahl und Michel Laurent zufolge nahmen die Zwischenfälle in und vor den Stadien ab 1942 jedoch auch in der Moselle zu. Spieler lothringischer Vereine sollen bei ihren Auftritten im Deutschen Reich als „dreckige Franzosen“ beschimpft worden sein. Es war nicht nur die Verpflichtung zum Hitler-Gruß vor und nach dem Spiel, die eine resistente Haltung beförderte. Ein gewichtiger Grund dürfte vor allem in der Einführung der Wehrpflicht in der Moselle gelegen haben, welche die Stimmung in der Bevölkerung massiv verschlechterte.107 Bis zum Sommer 1942 waren die lothringischen Turn- und Sportgemeinschaften – anders als die Vereine an der Saar und in der Pfalz – von Einberufungen zur Wehrmacht nicht betroffen gewesen und hatten entsprechend von einem größeren Spielerreservoir profitiert. Da sich die Zuschauer vornehmlich aus Männern jüngeren und mittleren Alters zusammensetzten, waren die Einnahmen bei Veranstaltungen durch den damit verbundenen höheren Besuch höher als bei vergleichbaren Veranstaltungen in der Saarpfalz gewesen. Zudem hatte die nach wie vor hohe Unterstützung des lothringischen Sports für bessere finanzielle Verhältnisse und zu einem Zuwachs an Mitgliedern gesorgt. Noch im Frühjahr 1942 war Sportgauführer Schwitzgebel in seinem Vierteljahresbericht zur Feststellung gekommen, „dass keine Organisation bisher so viel Anklang in Lothringen gefunden hat wie der NSRL.“ Gleichwohl waren auch die lothringischen Mannschaften von praktischen Problemen betroffen. Bereits im Frühjahr 1942 konnten die Vereine und Gemeinschaften im Sportgau Westmark ihre Bezugsscheine für Bälle und Fuß-

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Meldung der SD-Außenstelle Metz, 23.7.1941, in: ADM, 1 W 441. Art. Metz sehr stark, in: Kicker, 29.7.1941. Zum Fußball im besetzten Dänemark vgl. BONDE: Football (2008), hier S. 132–135. WAHL: Mit laschem Hitlergruß (2008), S. 235, 240; LAURENT: Histoire (1984), S. 28.

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ballschuhe nicht nutzen, weil in den Geschäften schlicht keine Bestände mehr vorhanden waren.108 Am 29. August 1942 proklamierte Gauleiter Bürckel im Bergbausaal in Metz die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an alle Lothringer und verkündete offiziell die Einführung der Wehrpflicht für die männliche Bevölkerung. Dies betraf in der Moselle alle Jahrgänge von 1913 bis 1926.109 Damit änderte sich nicht nur schlagartig die Stimmung der lothringischen Bevölkerung. Weil sich tausende von Männern „nach Frankreich meldeten“ und damit den Gau Westmark verließen, mussten auch die Turn- und Sportgemeinschaften einen großen Schwund hinnehmen. Dem Vierteljahresbericht des Sportgauführers zufolge betraf die Flucht vieler Lothringer nach Frankreich auch einige Gemeinschaftsführer, weswegen einige Turn- und Sportgemeinschaften „völlig der Auflösung anheimfielen.“110 So musste 1943 die TSG Merlenbach wegen Mitgliedermangels mit der TSG Freyming fusionieren.111 Unter den Fußballspielern, die sich nach Innerfrankreich absetzten, gehörte auch Emil Veinante vom FV Metz. Der ehemalige Fußballprofi ging zurück zum Racing Club Paris, bei welchem er bereits in den dreißiger Jahren gespielt hatte. Unbehelligt blieb auch sein Metzer Mitspieler Antoine Gorius. Als er 1943 den Gestellungsbefehl erhielt, flüchtete er nach Lyon, wo er bereits geflohene Mannschaftskameraden wiedertraf. Dort schloss er sich dem FC Lyon an, für welchen er auch eine Spielerlaubnis erhielt.112 Mit der zwangsweisen Einberufung, die für die jungen Lothringer meist mit einem Einsatz an der Ostfront verbunden war, waren zahllose Einzelschicksale verknüpft. Eines davon betraf den jungen Marcel Müller, der als lothringischer Fußballprofi bereits in den dreißiger Jahren für den FV Metz gespielt hatte. 1943 verweigerte er den Eintritt in die Wehrmacht und hielt sich in seiner lothringischen Heimat versteckt. Er entging allerdings nicht seiner Verhaftung. Das Kriegsende erlebte er im April 1945 als Häftling des Konzentrationslagers Dachau. Insgesamt mussten bis zu 30 000 junge lothringischen Männer, die von der einheimischen Bevölkerung als „Malgré-Nous“ bezeichnet wurden, bis Kriegsende in die Wehrmacht eintreten. 8 000 von ihnen kehrten nach dem Krieg nicht mehr in ihre Heimat zurück.113 Inwiefern und inwieweit der lothringische Fußball in der Moselle in der Résistance eine Rolle spielte, ist nicht überliefert. Allerdings diente das Café „En bonne Ruelle“ von Ferdinand Bour den Widerstandskämpfern in Metz als Versammlungsort. Bour war Spieler des CA Messin gewesen und 1940 Mitglied der Sportkommission des FV Metz geworden. Er bezahlte sein Engagement im Widerstand mit dem Leben. Als sein Café als Versammlungsort entdeckt wurde, wurde er verhaftet und hingerichtet. Wenngleich Alfred Wahl bereits vorsichtig 108 Vierteljahresbericht Sportgau Westmark, 1.10.–31.12.1941, 26.2.1942; Vierteljahresbericht, 1.1.–31.3.1942, 30.4.1942 in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 109 WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 215; WAHL: Mit laschem Hitlergruß (2008), S. 235. 110 Vierteljahresbericht Sportgau Westmark, 1.7.–30.9.1942, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 111 RUNATOWSKI: Le Stade olympique (1996), S. 26. 112 ISCH: La gloire (1995), S. 110. 113 WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 221.

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den Begriff der Resistenz für das Fußballmilieu in der Moselle und im Elsass benutzte,114 ist zu konstatieren, dass für eine abschließende Beurteilung noch Forschungsbedarf besteht. Im Jahr 1943 beklagte Schwitzgebel in seinen vierteljährlichen Berichten einen weiteren „vermehrten Rückgang im sportlichen Leben“, der durch den totalen Kriegseinsatz und den vermehrten Einzug zur Wehrmacht und zum Reichsarbeitsdienst bedingt sei. Gerade für Lothringen wurde dies vom Sportgauführer bedauert: „Dass die o.g. Massnahmen sowie die volkspolitisch bedingten Regelungen im Zivilleben der dortigen Bevölkerung z. Zt. keine rosige Stimmung aufkommen lassen können, ist zu verstehen.“115 Im Herbst 1943 kam es dazu, dass Vereine sich zu gemeinsamen Kriegssportgemeinschaften zusammenschlossen. Eine solche Kriegssportgemeinschaft (KSG) gründete zur Spielzeit 1943/44 auch der deutsche Vizemeister FV Saarbrücken, der mit dem SC Altenkessel die KSG Saarbrücken bildete. Vertraglich wurde festgelegt, dass von den Spieleinnahmen jeder Verein soviel Elftel erhalten sollte, wie er Spieler zur Verfügung stellte. Diese – später so genannte „Vernunftehe“ - mit dem SC Altenkessel zahlte sich für den FV Saarbrücken insofern aus, da er erneut Meister in der Gauliga Westmark wurde und erst im Viertelfinale der Deutschen Meisterschaft vom 1. FC Nürnberg gestoppt wurde. Im Tschammerpokal erreichte die Saarbrücker Mannschaft ebenfalls die Runde der letzten acht.116 Kleinere Vereine mussten dagegen den Spielbetrieb ihrer ersten Mannschaft zum Teil ganz einstellen. So war bei den Sportfreunden Saarbrücken in den Jahren ab 1942 nur noch die Jugendabteilung aktiv, die immerhin noch sechs Jugendmannschaften aufzustellen vermochte.117 Vereine wie Borussia Neunkirchen mussten zwar keine KSG gründen, rekrutierten für die erste Mannschaft aber Spieler ihrer Jugendmannschaften für Spiele in der Gauliga Westmark. Einer dieser Jugendlichen war Manfred Weber. 1928 geboren, spielte er seit dem Alter von zehn Jahren in den Jugendmannschaften des Vereins. In der Saison 1943/44 wurde der damals Fünfzehnjährige für einige Spiele in der Gauliga Westmark verpflichtet, wenngleich ihm als jüngster Spieler der Mannschaft die Pflicht oblag, die Koffer zu tragen. Besonders in Erinnerung blieb ihm das Punktspiel in Speyer, als die Begegnung nach einem Luftalarm für längere Zeit unterbrochen werden musste. Obwohl der FV Speyer auf einen Abbruch des Spiels hätte bestehen können, wurde dies nicht verlangt, weswegen die Neunkircher ihren 3:0-Sieg behalten konnten.118 Mit zunehmender Kriegsdauer und der immer wahrnehmbarer werdenden Kriegswende häuften sich die Spielabsagen aufgrund der alliierten Luftangriffe. Durch die Angriffe wurden nicht zuletzt auch Turnhallen und Sportplätze in Mit-

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WAHL: Mit laschem Hitlergruß (2008), S. 241. Vierteljahresbericht Sportgau Westmark, 1.1.–31.3.1943, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 44–46. Sportfreunde Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1955), S. 62. Zeitzeugengespräch mit Manfred Weber in Neunkirchen am 25.11.2007.

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leidenschaft gezogen.119 In Saarbrücken machten die Luftangriffe im Sommer 1944 einen geregelten Spielbetrieb bald unmöglich. Die Geschäftsstelle des FV Saarbrücken in der Ludwigstraße wurde ebenso zerbombt wie der Sportplatz im Ludwigspark mit den Umkleideräumen. Auch den Platz am Kieselhumes fanden die Spieler der KSG Saarbrücken eines Sonntags mit Bombentrichtern übersät. Die Zerstörungen und das Näherrücken der Front im Herbst 1944 beendete schließlich das sportliche Leben in der Stadt. Am 4. Oktober wurde die Gauhauptstadt Ziel eines gezielten britischen Luftangriffs. Bis zu 500 Bomber sorgten dafür, dass mehr als 70 Prozent der Industrie- und Wohngebäude zerstört wurden. Bereits drei Tage zuvor hatte ein erster Evakuierungstransport mit Frauen, Kindern und Alten Saarbrücken verlassen, während alle waffenfähigen Männer im Saarland zwischen 16 und 60 Jahren zum „Deutschen Volkssturm“ einberufen wurden. Wer nicht an die Front geschickt worden war, wurde zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. So notierte sich auch Reichstrainer Sepp Herberger im September 1944, dass der Fußballbetrieb „in den grenznahen Gebieten des bedrohten Westens unseres Reiches“ zum Erliegen käme, da jeder, der eine Schaufel tragen könnte, zum Bau der Befestigungen des Westwalls eingesetzt werde.120 In Saarbrücken wurden bald darauf Tatsachen geschaffen: Am 6. Dezember wurde die endgültige Räumung der Hauptstadt der Westmark befohlen.121 Im lothringischen Teil des Grenzraums gestaltete sich das Kriegsende besonders traumatisch und zog sich in Teilen Ostlothringens bis in das Frühjahr 1945 hin. So fiel Metz zwar bereits am 22. November 1944 an die US-Armee, so dass die alliierten Streitkräfte bis an den Westwall vorrücken konnten. Aufgrund der deutschen Operation „Nordwind“ mussten Städte wie Forbach jedoch wieder aufgegeben werden und konnten endgültig erst im Laufe des März 1945 zurückerobert werden. In diesem Monat erfolgte auch die Besetzung des Saarlandes, begleitet von weiteren verheerenden Luftangriffen. Noch am 15. März wurde auch Neunkirchen durch ein alliiertes Bombardement in ein Trümmerfeld verwandelt. Am 21. März 1945 zogen Einheiten der US-Armee in das von nur noch wenigen hundert Menschen bewohnte und in Trümmern liegende Saarbrücken ein.122 Innerhalb weniger Tage wurde der gesamte saarländisch-lothringische Grenzraum von amerikanischen Truppen besetzt. Mit der Offensive der alliierten Streitkräfte in den letzten Kriegsmonaten war nicht nur der sportliche Verkehr völlig zum Erliegen gekommen. Auch das Bürckel’sche Experiment – der Gauleiter selbst war am 28. September 1944 bereits überraschend gestorben123 – der Westmark war vollkommen gescheitert. Der Widerwille der lothringischen Bevölkerung hatte gezeigt, dass die konstruierte gemeinsame westmärkische Identität eine Illusion 119 Vierteljahresbericht Sportgau Westmark, 1.7.–30.9.1942, in: StA Saarbrücken, G 13/3677. 120 Zit. in LEINEMANN: Sepp Herberger (2004), S. 248. 121 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 46; BRUCH: Weg (1961), S. 196; HERRMANN: Saarbrücken (1999), S. 330; BEHRINGER/CLEMENS: Geschichte (2009), S. 108. 122 WOLFANGER: Die nationalsozialistische Politik (1977), S. 259–261; HEISER: La tragédie, Bd. 1 (1978), S. 227–251; BURGARD: Kleine Geschichte (2010), S. 216; SANDER: Krieg (2005), S. 304f. 123 Zu den Gerüchten um seinen Tod ausführlich WETTSTEIN: Josef Bürckel (2010), S. 548–556.

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gewesen war. Die „Normalität“, die auf dem grünen Rasen inszeniert werden sollte, hatte keine nachhaltige Wirkung gehabt. Mit der Besetzung des Saarlands durch amerikanische Truppen im März 1945 folgte für das Land zehn Jahre nach der Rückkehr in das Deutsche Reich eine erneute Zäsur. Dies galt nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Fußballvereine. Mit dem Kriegsende im März 1945 und der Einrichtung einer Militärverwaltung hatte nicht nur die Gauliga Westmark aufgehört zu existieren. Mit dem faktischen Ende des Deutschen Reiches und der Aufteilung des Reichsgebiets in mehrere Besatzungszonen stand der Fußball an der Saar vor einer ungewissen Zukunft. In der Moselle schien die weitere Entwicklung dagegen vorgegeben. Nach dem Ende der deutschen Besatzung erfolgte auch für den Fußball in der Moselle eine erneute „Retour“ in die Französische Republik – jedoch unter anderen Vorzeichen als 1918: Mit der Ligue Lorraine de Football konnte nun auf eine französisch geprägte sportliche Tradition zurückgegriffen werden, konnte eine Reaktivierung einer langjährigen funktionierenden Fußballinfrastruktur erfolgen. 9 FUSSBALL ZWISCHEN DEUTSCHLAND, FRANKREICH UND EUROPA 9.1 Sportlicher Sonderweg Fußball unter Ausnahmebedingungen an der Saar, 1945–1948 Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Fußballbetriebs waren im Sommer und Herbst 1945 an der Saar alles andere als günstig. Zunächst schien sich die Geschichte zu wiederholen: Wie 1919/20 wurde das Industrierevier vom westlichen Nachbarn besetzt, das Land von Deutschland abgetrennt und erneut gingen die saarländischen Gruben in französischen Besitz über, deren eigene Grubenverwaltung sich nun „Régie des Mines“ nannte. Und doch war alles anders. Nicht wie 1919 war einfach nur ein Weltkrieg verloren gegangen. Das Deutsche Reich hatte aufgehört zu existieren und war in Besatzungszonen eingeteilt worden. Das Land lag ebenso in Trümmern wie das deutsche Selbstbewusstsein, welches angesichts der nach und nach bekannt werdenden Ausmaße der nationalsozialistischen Verbrechensbilanz nur an wenig anknüpfen konnte.124 Auch für die Sportvereine bedeutete das Jahr 1945 eine Zäsur. Zahlreiche Sportplätze und Turnhallen125 waren durch Luftangriffe zerstört, und in allen Vereinen waren viele Tote zu beklagen. Tausende saarländische Männer befanden sich in Kriegsgefangenschaft und sollten größtenteils für ihr Leben gezeichnet bleiben.126 Dass es für die Fußballvereine an der Saar tatsächlich zur „Stunde Null“ kommen sollte, dafür sorgte zudem das von den Alliierten verhängte Verbot des Nationalsozialistischen 124 Zur Zäsur 1945 vgl. LINSMAYER/REICHELT: Das autonome Saarland (2012), S. 315–317. 125 In Saarbrücken war von 20 Turnhallen nach dem Krieg noch eine intakt. Vgl. BERNARDI: Olympische Geschichte (2004), S. 47. 126 BURGARD: Kleine Geschichte (2010), S. 216–218.

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Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL). Denn mit diesem wurden alle angegliederten Turn- und Sportvereine mitaufgelöst und ihr Vermögen eingezogen. Die französische Besatzungszeit begann für das Saarland am 10. Juli 1945, als französische Truppen wie geplant die Vereinigten Staaten als Besatzungsmacht an der Saar ablösten. Das Saarland bildete mit der Pfalz, Rheinhessen und dem südlichen Teil der Rheinprovinz den nördlichen Part der Französischen Besatzungszone. Dass das Saarland allerdings erneut einen „Sonderweg“ zu gehen hatte, war bereits im Sommer 1945 ersichtlich. Das noch im Mai von den Amerikanern gebildete Regierungspräsidium Saar unter der Leitung von Hans Neureuter wurde aus seiner Unterstellung gegenüber dem Oberpräsidium in Neustadt an der Weinstraße gelöst und zur obersten zivilen Verwaltungsbehörde des Saarlandes ernannt. Am 30. August 1945 wurde Gilbert Grandval zum Délégué Supérieur der Militärregierung im Saarland ernannt. Der aus dem Elsass stammende Offizier, in der Résistance ein treuer Anhänger de Gaulles, sollte – neben dem späteren Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann – zu einer der beiden prägenden politischen Figuren des Nachkriegsjahrzehnts im Saarland werden. Wie noch zu sehen sein wird, spielte die Sportpolitik in seinen Überlegungen eine große Rolle. An eine zielgerichtete und einheitliche Besatzungspolitik Frankreichs war zunächst nicht zu denken. Determinierend für diese waren auch die tiefen Wunden, welche das Vichy-Regime, die deutsche Besatzungszeit und der Krieg dem Land sowohl im materiellen Sinne als auch im kollektiven Bewusstsein hinterlassen hatten. Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen waren die kulturpolitischen Konzepte der französischen Militärverwaltung überraschend differenziert, was sich auch in der Sportpolitik widerspiegelte. So sollte einerseits der Sport von nationalistischen und nationalsozialistischen Elementen und Traditionen gesäubert werden, weswegen alle Sportarten, die als militärisch oder paramilitärisch galten, verboten wurden. Dies galt nicht nur für das Schießen und Fechten, sondern auch für das Geräteturnen. Auch durften Gründungsmitglieder von Sportvereinen keine ehemaligen Mitglieder der NSDAP oder ihrer Gliederungen sein und die Namen der neu genehmigten Vereine nicht an diejenigen alter Vereine erinnern. Die Entnazifizierung sollte dabei nur begrenzt gelingen. Rainer Möhler zufolge fand ein dauerhafter Elitenwechsel lediglich auf der politischen Ebene statt, während in Verwaltung, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen es zum Teil zu einer „Renazifizierung“ kam. Letztlich ist der später übliche Rückgriff auf „ehemalige Parteigenossen“ auch im Saarsport damit zu erklären, dass erfahrene Kräfte gebraucht wurden.127 Andererseits unterstützten die französischen Besatzer die Wiederbelebung des Sports, was sich nicht nur beim Wiederaufbau der zerstörten Sportanlagen bemerkbar machte. Die Verteilung von Spielmaterial und unbürokratische Hilfe beim Aufbau einer Sportinfrastruktur wurden dankbar angenommen. Den Sport sah die französische Militärregierung als einen erfolgversprechenden Bereich an, 127 Ausführlich zur Thematik vgl. REICHELT: Nach dem Spiel (2013); zur Entnazifizierung im Saarland ausführlich MÖHLER: Entnazifizierung (1992), hier S. 405; zu diesem Absatz vgl. auch GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 511f.

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um den französischen Einfluss an der Saar zur Geltung kommen zu lassen.128 Damit verfolgte die französische Politik nicht nur eine stärkere wirtschaftliche und politische Abhängigkeit der Saar von Frankreich, sondern auch das Konzept einer sozialen und politischen „Rééducation“, um gerade die Jugendlichen für ein neues, demokratisches Wertesystem zu gewinnen. Diese Kooperations- und Demokratisierungskonzepte machten sich in der Kultur- und Sportpolitik bemerkbar und waren Teil einer übergeordneten Sicherheitspolitik gegenüber dem deutschen Nachbarn. Im Vergleich zur Situation nach dem Ersten Weltkrieg, als nur militärische und wirtschaftliche Maßnahmen im Vordergrund standen, machten sie den großen Unterschied aus. Die französische Sportpolitik fuhr somit ganz nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ zweigleisig. Sie bewegte sich zwischen den Polen Kontrolle und Demokratisierung und war für den Wiederbeginn der Aktivitäten im saarländischen Fußballvereinswesen nach 1945 – wie sich im Folgenden zeigen wird – Voraussetzung und Triebfeder zugleich.129 Anfang September 1945 erhielt der in Saarbrücken residierende Regierungspräsident Hans Neureuter von der „Section des Sports“ der französischen Militärregierung ein Dossier zum saarländischen Sport, dessen Inhalt er an die saarländischen Verwaltungsstellen weiterreichte. Jede einzelne sportliche Veranstaltung musste von der Militärverwaltung genehmigt werden. Französische und alliierte Soldaten erhielten freien Eintritt, und die Ehren- und Haupttribünen der Stadien mussten vorzugsweise für Offiziere freigehalten werden.130 Vereinsgründungen selbst wurden unter Auflagen wieder möglich. Am 6. Oktober wurden die Anweisungen der Militärregierung schließlich in einer Verordnung des Regierungspräsidiums Saar umgesetzt.131 Die Bestimmungen zur Umbildung der Sportvereine glichen zunächst denjenigen der übrigen französischen Besatzungszone. Am 29. Dezember 1945 verfügte Militärgouverneur Gilbert Grandval, dass Sportvereine nur als Omnisportvereine, also als Vereine mit mehreren Sportsparten, gegründet werden konnten. Sie durften weder einen politischen noch konfessionellen Charakter haben. Außerdem sollte die Anzahl der Sportvereine in Grenzen gehalten werden. In Orten mit weniger als 20 000 Einwohnern sollte nur ein Verein genehmigt werden. Jedes gewählte Vorstandsmitglied hatte einen politischen Fragebogen auszufüllen, und die Vereine hatten sich „allen von der Militärregie128 Haut-Commissariat de la République Française (Hg.): Trois ans de présence française en Sarre. Paris 1948, S. 26; Bericht „Organisation du sport et plus spécialement du Football sarrois de 1945 au rattachement économique“, S. 1, in: Archives de l’Occupation française en Allemagne et Autriche (AOF), Colmar, Best. Haut Commissariat de la République Française en Sarre (HCRF), Cabinet politique, Nr. 101. 129 Zur Sportpolitik vgl. GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 511f; BRAUN: Der Neubeginn (1994), S. 103–105; grundlegend WOITE-WEHLE: Zwischen Kontrolle (2001), S. 38–46, 52– 59, 387–393. Zur Kulturpolitik vgl. HUDEMANN: Brücke (2007), S. 108; HUDEMANN: Kulturpolitik (1994), S. 189. 130 Schreiben des Regierungspräsidenten Neureuter an die saarländischen Landräte, 13.9.1945, in: StA Völklingen, A 179. 131 Vgl. hierzu HARRES: Sportpolitik (1997), S. 36; Verordnung über Sportvereinigungen vom 6.10.1945, in: Saarländisches Sportarchiv, Best. Borussia Neunkirchen, Vereinsregister.

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rung notwendig erachteten Überwachungsmaßnahmen zu unterwerfen.“132 Das Prinzip des Omnisportvereins sollte letztendlich das Ziel verfolgen, den nun neu organisierten Sport besser kontrollieren zu können als in der Völkerbundszeit. Im Januar 1948 zählte das Hohe Kommissariat 261 Omnisportvereine mit mehr 68 000 Mitgliedern, von welchen 20 000 aktiv Fußball spielten.133 Im Sommer 1945 war es zu ersten genehmigten Fußballspielen im Saarland gekommen. So fand das erste Spiel von Borussia Neunkirchen am 26. August 1945 gegen den kleinen Nachbarverein Borussia Spiesen statt. Der wieder neu formierte Verein hatte davon profitiert, dass das Ellenfeld als einziger Sportplatz in Neunkirchen von Kriegsbeschädigungen verschont geblieben war. Das Spiel selbst musste bei einem Stand von 10:0 für Neunkirchen fünfzehn Minuten vor Spielende wegen Regens abgebrochen werden.134 Die in einer zeitgenössischen Vereinschronik fein säuberlich dokumentierte Begegnung war zugleich auch der erste Nachweis, dass der Verein zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Beinamen „Borussia“ abgelegt hatte und sich nur noch VfB Neunkirchen nannte. Er war damit der Forderung der französischen Militärregierung nachgekommen, dass die Namen der genehmigten Sportvereine nicht an frühere Namen erinnern durften.135 Dies galt auch für die anderen großen bekannten Vereine des Saarlands: Der FV Saarbrücken erhielt am 30. August 1945 die Erlaubnis zur Aufnahme des Sportbetriebs und gründete sich am 25. November im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung als 1. FC Saarbrücken neu. Am 3. März 1946 erfolgte mit Genehmigung der Militärregierung die Wiedergründung des SV Saar 05 Saarbrücken als SV Saarbrücken. Erster Vorsitzender wurde mit dem 57-jährigen Paul Dittscheid ein Pionier des Saarbrücker Fußballsports, der bereits im Rasensportverband vor dem Ersten Weltkrieg tätig gewesen war. In Völklingen wurde zunächst mit der Spiel- und Sportgemeinde Völklingen ein Omnisportverein gegründet, der sich wenige Jahre später wieder in die drei großen Völklinger Vereine aufspaltete. Neben dem Schwimm- und dem Turnverein war dies der SV Völklingen, „der damit die Tradition des im Jahre 1906 gegründeten Vereins“ übernahm.136 Zurück zum Sommer 1945. Bis zum Ende des Jahres absolvierte der VfB Neunkirchen insgesamt siebzehn Freundschaftsspiele. Alle wurden vom Vereinschronisten per Schreibmaschine ausführlich dokumentiert und fanden größtenteils 132 Amtsblatt des Regierungspräsidiums Saar Nr. 1 vom 31.1.1946. 133 Bericht über die Sportvereine im Saargebiet von Ludwig Geibig vom 22.7.1946, in: LA Saarbrücken, RegPräs 73; Bericht „Organisation du sport et plus spécialement du Football sarrois de 1945 au rattachement économique“, S. 1, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 134 Vereinschronik 1945–1947, in: Saarl. SpA, Best. Borussia Neunkirchen; BAUER: 50 Jahre Stadtverband (1970), S. 13. 135 §2 der Verordnung über Sportvereinigungen vom 6.10.1945, in: Amtsblatt des Regierungspräsidiums Saar 8/1945, S. 24; Satzung des VfB Neunkirchen (Saar) vom 4.9.1945, in: StA Neunkirchen, Varia Nr. 472; BUNGERT/LEHNERT: Vereine (1988), S. 136. 136 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 49f; SV Saar Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1955), o. S.; Art. Wieder Sportverein Völklingen, in: Monatsschrift Sport und Spiel, Juli 1950, S. 4.

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in der näheren Umgebung Neunkirchens statt. Das am weitesten entfernte Spiel fand am zweiten Weihnachtsfeiertag in Sobernheim in der Nähe von Bad Kreuznach statt. Spiele auf dem Land, sogenannte „Brot- und Freßspiele“137, waren bei städtischen Fußballvereinen unmittelbar nach Kriegsende weit verbreitet, stellte sich die Lebensmittellage dort doch erheblich besser dar als in der Stadt. Bezeichnend für die damalige Situation: Henner Theobald, langjähriges Vereinsmitglied und Spieler von Borussia Neunkirchen, trainierte bis 1947 nebenher eine Fußballmannschaft im benachbarten Bliesen. Sein Lohn wurde in Zentnern Kartoffeln bemessen.138 Im Dezember 1945 vereinbarten die ehemaligen Gauligavereine der französischen Besatzungszone die Durchführung einer Fußballrunde nach Punktwertung. Vorbild war dabei die Süddeutsche Oberliga, die in Stuttgart im Oktober 1945 gegründet worden war. Mit dem 1. FC Saarbrücken und dem VfB Neunkirchen nahmen zwei saarländische Vertreter an der südwestdeutschen Zonenmeisterschaft teil. Weitere Vereine aus der französischen Besatzungszone waren unter anderem Mainz 05, Wormatia Worms und der 1. FC Kaiserslautern. Die Spiele der selbst organisierten „Meisterschaft Hessen-Pfalz-Saar“ begannen im Januar 1946. Diese erste Spielzeit stand noch unter dem Eindruck katastrophaler Verkehrsverhältnisse. Kurt Gluding, in den Siebzigern Vorsitzender von Borussia Neunkirchen, begleitete 1946 seine Mannschaft als Fan zu einem Auswärtsspiel in Worms. Bei Regenwetter seien die Mannschaft und die Anhängerschaft jeweils auf einem offenen Lastwagen gefahren und mussten dort feststellen, dass das Spiel wegen Unbespielbarkeit des Platzes ausfallen musste. Meister dieser Frühjahrsrunde wurde der 1. FC Saarbrücken, der sich den Titel durch einen Sieg über den FC Rastatt sicherte. Der Meistertitel im Südwesten blieb allerdings auf die französische Zone beschränkt, da ein darüber hinaus gehender Spielverkehr nicht möglich war.139 Im Sommer 1946 beschloss die französische Verwaltung in Baden-Baden, das Heft für die kommende Saison selbst in die Hand zu nehmen. Die nun offizielle Zonenmeisterschaft – „championnat de la zone française d’occupation“ – orientierte sich an der bereits gespielten ersten Spielrunde und behielt auch die Einteilung in eine Nord- und eine Südgruppe bei.140 Diese hatte einerseits für die Vereine den Vorteil einer erleichterten Kommunikation und Organisation, entsprach andererseits aber auch dem Dezentralisierungskonzept der französischen Deutschlandpolitik. Der organisatorische Wiederaufbau des saarländischen Sports in den ersten Jahren sollte eine französische Handschrift tragen. Von zentraler Bedeutung für den Wiederaufbau der sportorganisatorischen Strukturen war dabei, dass das 137 BAROTH: Anpfiff (1990), S. 41. 138 BAROTH: Anpfiff (1990), S. 52f. 139 AMMERICH: Die südwestdeutsche Fußballszene (2007), S. 540; 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 51; Zeitungsausschnitte, in: Saarl. SpA, Best. Borussia Neunkirchen, Vereinschronik; BAROTH: Anpfiff (1990), S. 47. 140 Zur Einführung der Zonenmeisterschaft WOITE-WEHLE: Zwischen Kontrolle (2001), S. 273– 282; Haut-Commissariat de la République Française (Hg.): Trois ans de présence française en Sarre. Paris 1948, S. 27.

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Omnisportprinzip sich nicht nur auf die Sportvereine selbst, sondern auch auf deren Dachorganisation erstrecken sollte. Am 6. Dezember 1946 erfolgte die Gründung des zentralen Landessportausschusses (LSA), welchem die Sportvereine angeschlossen waren. Die Neuorganisation erfolgte – ganz in der Tradition der französischen Vorstellungen von verwaltungstechnischer Effizienz – einem zentralistischen Ordnungsschema.141 Als Modell für den LSA hatte das „Comité National des sports français“ Pate gestanden. In der saarländischen Sportöffentlichkeit gab es im ersten Jahr nach Kriegsende – anders als in der Völkerbundszeit – keinen Widerstand gegen die Gründung eines zentralen Sportverbands, da es in erster Linie darum ging, nach dem Kollaps des Reichs und in Hinblick auf eine ungewisse Zukunft überhaupt wieder sportliche Strukturen zu schaffen. Zudem gab es anders als 1919 im Jahr 1946 keine deutschen Mutterverbände, die „separatistische Strömungen“ mit allen Mitteln bekämpft hätten.142 Die Bildung autonomer Fachverbände für die einzelnen Sportarten war dagegen nicht vorgesehen. Dem Omnisportprinzip der Vereine folgend, vertraten auch im Landessportausschuss einzelne Sparten die jeweiligen Interessen ihrer Sportdisziplinen. Eine der ersten Sparten, die sich organisatorisch zusammenschloss, war diejenige der Fußballvereine. So kam es am 6. Oktober 1946 in Sulzbach zu einem Ereignis, das in der Völkerbundszeit noch nicht denkbar gewesen wäre: Der saarländische Fußball schuf sich seine eigenen Organisationsstrukturen. Im Rahmen einer außerordentlichen Tagung wurde die Sparte Fußball gegründet. Neben Sportreferent Ludwig Geibig vom Regierungspräsidium nahmen Vertreter der Militärregierung und 400 Tagungsteilnehmer aus 183 Vereinen teil. Vorgestellt wurde das neue Spielsystem für das Saarland, das den politischen Gegebenheiten geschuldet war. Höchste Liga des Saarlandes wurde die „Ehrenklasse Saargebiet“, aus welcher die besten zwei Mannschaften zum Jahreswechsel in die übergeordnete Zonenliga wechseln sollten. Das traditionelle Fachverbandsprinzip, das in den übrigen Westzonen rasch an Land gewann, sollte sich an der Saar erst ab Ende der vierziger Jahre Geltung verschaffen.143 Zu Beginn des Jahre 1947 hatten sich der 1. FC Saarbrücken und Borussia Neunkirchen erwartungsgemäß für die Nordgruppe der nun startenden Zonenliga qualifiziert, der außerdem Vereine aus der Pfalz, dem Rheinland und aus Rheinhessen angehörten. In einer Phase, in welcher sich der saarländische Sonderweg144 immer deutlicher abzeichnete, – am 20. Dezember 1946 wurde eine Zollgrenze errichtet – wurde der Saarfußball über die Zonenliga in die nördliche Besatzungszone integriert. Diese Entwicklung stand nicht nur im Kontrast zur Dezentralisierungspolitik in der französischen Besatzungszone, sondern war auch unvereinbar mit der Saarpolitik Grandvals, der durch jegliche Bindungen an Deutschland die Wirtschaftsunion der Saar mit Frankreich gefährdet sah. Dies galt auch für die 141 In diesem Sinne auch GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 515. 142 In diesem Sinne REICHELT: Nach dem Spiel (2013). 143 Art. Das Parlament der Fußballer; Art. Der Sitzungsbericht, in: Sport-Echo, 8.10.1946; PABST: Sport (1980), S. 52; HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 76f. 144 Zum saarländischen „Sonderweg“ vgl. LINSMAYER: Gründervisionen (2007), S. 19.

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Fußballvereine, weswegen Grandval bereits im Herbst 1946 über die Landratsämter bekanntgeben ließ, dass Wettspiele außerhalb des Saargebietes nicht mehr genehmigt werden würden. Ausnahmefälle waren nur zulässig, wenn keine entsprechenden Gegner im Saargebiet zu finden waren. 145 Dies betraf unter anderem die Zonenliga. Die steigenden Zuschauerzahlen auf den Sportplätzen dürften Grandval gezeigt haben, welche Massenwirksamkeit der Fußballsport hatte. So zählte das am 4. Mai 1947 ausgetragene Ligaspiel des 1. FC Saarbrücken gegen den 1. FC Kaiserslautern 25 000 Zuschauer. Jeden Samstag wurden die zahlreichen Fußballspiele im Saarland von bis zu 300 000 Menschen besucht. In Neunkirchen wurden die 13 Heimspiele der Saison 1947/48 von rund 83 000, in Saarbrücken von 88 000 Fußballfans besucht.146 Als Mittel zum Zweck sollte der bereits erwähnte und politisch kontrollierte Landessportausschuss dienen, der sich bald darauf in Landessportverband umbenannte. Starker Mann wurde in den ersten Jahren dabei Hans Helmer, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Saar (SPS) und zugleich seit Neugründung auch Präsident des 1. FC Saarbrücken. Grandval hatte ihm 1946 nicht nur die Leitung des LSA übertragen. Er war von ihm bereits im Juli 1946 persönlich mit der Herausgabe der saarländischen Sportzeitschrift „Sport-Echo“ beauftragt worden.147 Die erste Ausgabe des zunächst wöchentlich erscheinenden Fachblattes erschien am 9. Juli 1946. Es war die erste nichtpolitische Publikation an der Saar und darüber hinaus die erste deutschsprachige Sportzeitschrift nach dem Krieg auf dem Boden des ehemaligen Deutschen Reiches. Nicht nur durch die Zensur, sondern auch über den Aufsichtsrat – entsprechende verwaltungstechnische Konstrukte sicherten der Militärregierung eine Aufsichtsratsmehrheit – konnte die Jugend- und Sportabteilung der Militärverwaltung ihren Einfluss geltend machen. Das „SportEcho“ sollte dabei die „Rééducation“ der Jugend unterstützen, den französischen Einfluss im Saarsport stärken und helfen, den Autonomiegedanken in den Köpfen der Saarländer zu verankern. Die Entwicklung der saarländischen Sportpresse in den folgenden Jahren und vor allem die eigenwillige Gründung des konkurrierenden „Sport-Express“ im Herbst 1948 durch die alten Sportjournalisten Erich Menzel und Max Harig spiegelte jedoch zugleich die Emanzipation des saarländischen Sports wider, auf welche im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch eingegangen wird.148 Seit 1946 lotete Grandval die Möglichkeiten der Integration des saarländischen in den französischen Sport aus. Dabei versuchte er, den französischen Einfluss im Saarsport nicht nur durch die Vorgabe institutioneller Rahmenbedingun145 Bekanntmachung des St. Ingberter Landrats an die Bürgermeister, 26.10.1946, in: LA Saarbrücken, LRA.IGB 475; zu diesem Absatz vgl. REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010), S. 412f.; GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 513. 146 Art. Über eine Million, in: Sport-Echo, 5.7.1948; Haut-Commissariat de la République Française (Hg.): Trois ans de présence française en Sarre (1948), S. 27. 147 Schreiben Grandval an Helmer, 13.7.1946; diverse Gründungsdokumente, in: LA Saarbrücken, InfA 401. 148 Ausführlich vgl. REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010), hier S. 414, 428f.; BERWANGER: Massenkommunikation, S. 50–54.

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gen und durch eine gewisse Kontrolle der Sportpresse zu gewährleisten. Er nutzte auch implizit konkrete Sportveranstaltungen dazu, seine sportpolitischen Konzepte in den Alltag des Sports zu übertragen. Gerade öffentlichkeitswirksame Fußballspiele boten sich als urbaner Inszenierungsraum149 – sowie als „terrain favorable“150 – an, um die französisch-saarländischen Beziehungen im und über den Sport zu fördern und zu intensivieren. Bereits um die Jahreswende 1945/46 hatte die Sport- und Jugendabteilung der Militärregierung sich bemüht, eine französische Fußballmannschaft an die Saar zu lotsen. Wenngleich der Pariser Verein Stade Français seine prinzipielle Bereitschaft erklärt hatte, musste er auf die Vorgaben des französischen Fußballverbands verweisen, nach welchen eine Ausnahme des nach dem Zweiten Weltkrieg erneut gegen deutsche Mannschaften verhängten Sportboykotts nicht möglich war. Auf den Vorschlag des Stade Français hin intervenierte Grandval persönlich beim FIFA-Präsidenten Jules Rimet – zugleich Präsident der „Fédération Française de Football“. Dabei stellte er die politische Bedeutung solcher Spiele in den Vordergrund: „L’organisation de rencontres sportives entre des équipes sarroises et des équipes françaises appuierait dans des très bonnes conditions mes efforts, et c’est la raison pour laquelle je me permets d’insister très vivement pour que vous envisagiez la possibilité de déroger à la règle appliquée à l’égard de l’Allemagne.“151

Rimet stellte Grandval daraufhin eine baldige Ausnahmeregelung für saarländische Fußballvereine in Aussicht.152 Im Juli 1946 traf sich Lieutenant Brissat von der Abteilung Jeunesse et Sports der Militärregierung in Nancy mit Maurice de Vienne. Dieser war nicht nur Präsident der Ligue Lorraine de Football (LLFA), sondern zugleich einer der Vizepräsidenten der FFFA sowie Mitglied der französischen FIFA-Delegation. De Vienne zufolge konnte eine Einbindung des saarländischen Fußballs in die französischen Wettbewerbe erst dann erfolgen, wenn die Saarfrage geklärt sei. Gegen Freundschaftsspiele sei dagegen nichts einzuwenden, gerade wenn es sich um den 1. FC Saarbrücken handelte, der schon immer von einem guten Sportsgeist beseelt gewesen sei. Ein Freundschaftsspiel zu Saisonbeginn gegen eine Mannschaft aus Lothringen sei eine gute Idee. Infrage käme dabei die Profimannschaft des FC Nancy.153 Allerdings sollte es zu einer saarländisch-französischen Begegnung erst im Frühjahr 1947 kommen. Das Freundschaftsspiel des 1. FC Saarbrücken gegen den französischen Profiklub Stade de Reims wurde kurzfristig sechs Tage zuvor für den 27. April 1947 terminiert und sollte das erste internationale Fußballspiel eines 149 Zu konzeptionellen Überlegungen des Fußballspiels als urbanem Inszenierungsraum vgl. REICHELT: Das Spiel (2011), hier S. 125–127. 150 Haut-Commissariat de la République Française (Hg.): Trois ans de présence française en Sarre. Paris 1948, S. 27. 151 Schreiben Grandval an Rimet, 7.2.1946, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 152 Vgl. Schriftwechsel zwischen der Section Jeunesse et Sports und der FFF, sowie zwischen Grandval und Rimet von Januar bis Februar 1946, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 153 Bericht der Section Jeunesse et Sports für Grandval, 19.7.1946, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101.

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deutschen Vereins seit Kriegsende werden. Bei der Organisation des Spiels arbeiteten der gastgebende Verein unter Hans Helmer und die Abteilung Jeunesse et Sports der Militärregierung Hand in Hand. In der Stadt wurden Spielankündigungsplakate aufgehängt, und an die Mitglieder der Verwaltungskommission des Saarlandes, welche im Herbst 1946 das Regierungspräsidium als oberste zivile Verwaltungsinstanz abgelöst hatte, erging eine offizielle Einladung. Für die Gäste aus Frankreich – auch der französische Verbandspräsident Jules Rimet war eingeladen worden – wurde ein minutiös ausgearbeitetes Zweitagesprogramm erstellt.154 In der französischen Sportöffentlichkeit und vor allem im Elsass wurde die Ankündigung eines französisch-saarländischen Fußballspiels mit Empörung aufgenommen.155 Aimé Gissy, Generalsekretär des elsässischen Fußballverbandes, der „Ligue d’Alsace de Football-Association“ (LAFA), warnte im Vorfeld der Partie vor zu schnellem Vergessen, erinnerte an Oradour und die „Todeslager“.156 Für Jules Rimet, der zum Spiel nach Saarbrücken von Grandval eingeladen worden war, wurde das Spiel zu einer heiklen Angelegenheit. Er besuchte Stunden vor dem Saarbrücker „Großereignis“ im nur wenige Kilometer entfernten Forbach auf französischer Seite ein Auswahlspiel zwischen Lothringen und dem Elsass. Dort bekam er die Empörung Gissys und anderer Funktionäre deutlich zu spüren, worauf er versprach, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Seinen eigenen Angaben zufolge habe Rimet erst in Forbach davon erfahren, dass es sich bei der „manifestation de propagande sportive“ in Saarbrücken um ein deutsch-französisches Spiel handelte.157 Ob es sich dabei um eine Schutzbehauptung gegenüber seinen aufgebrachten Landsleuten handelte, lässt sich nur vermuten. Jedenfalls war Rimet wenige Stunden später als Ehrengast auf der Ehrentribüne des Kieselhumes – umbenannt in „Stade Jean Bart“ – zu finden. Drei Tage nach dem Spiel verlangte die von Gissy geführte „Association des Rédacteurs Sportifs du Bas- Rhin“ in einer Resolution die Beendigung jeglicher sportlicher Kontakte mit dem Saarland und verwies nicht nur auf den generellen Sportboykott gegenüber Deutschland, sondern auch darauf, dass die Wunden des Kriegs noch nicht verheilt und der Hass gegen den damaligen Besatzer noch nicht überwunden sei.158 Vom Spiel selbst lieferte die heimische Sportpresse ein geradezu konträres Bild im Vergleich zu derjenigen des Elsass. Sie sprach von einem „Sportereignis epochaler Bedeutung“ und widmete dem Spiel gegen Reims sogar ein Gedicht.159 154 Siehe Programm zum Spiel, in: LA Saarbrücken, Vk 46; vgl. außerdem Sport-Echo vom 28.4.1947. Ausführlich zum Spiel REICHELT: Das Spiel (2011), S. 131–136; Bericht der Section Jeunesse et Sports für Grandval, 23.4.1947, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101; HARRES: Sportpolitik (1997), S. 54–59. 155 Siehe ausführlich zu diesem Absatz REICHELT: Inszenierte Erinnerung (2013), S. 378-382. 156 Aimé Gissy: Art. Un peu fort!, in: Sport Est, 25.4.1947; PERNY: Le football (2009), S. 363. 157 Aimé Gissy: Art. Notre point de vue, in: Sport Est, 2.5.1947. 158 Art. Après le match Sarrebruck-Reims: Résolution, in: Sport Est, 9.5.1947. 159 Lothar Krämer: Art. Fußball-Botschaft an der Saar, in: Sport-Echo, 28.4.1947; Erich Menzel: Art. Das Ereignis, in ebda.; Erich Menzel: Art. Das schönste Spiel seit Jahren, in: ebda., 12.5.1947. Zum Spiel außerdem ausführlich HARRES: Sportpolitik (1997), S. 54–56.

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Zumindest äußerlich gelang die politische Inszenierung der Sonderstellung des Saarlands und der saarländisch-französischen Freundschaft. Anlässlich des Spiels waren die Grenzen zur Moselle geöffnet worden, und Presseberichten zufolge hatten sich etwa 25 000 Zuschauer – unter ihnen auch viele aus Lothringen – auf dem Kieselhumes eingefunden. Das Stadion war mit französischen Flaggen geschmückt und Militärgouverneur Grandval begrüßte nach der Abnahme einer Ehrenformation des Saarbataillons und dem Erklingen der Marseillaise persönlich die Spieler auf dem Rasen. Wer dem Saarsport die Richtung vorgab, wurde deutlich, als der Ball von einem Flieger abgeworfen wurde: Grandval führte den Anstoß des Spiels persönlich aus. Im Anschluss an das Spiel, das der französische Gast aus Reims mit 5:3 für sich entscheiden konnte, gab es im Festsaal des Saarbrücker Rathauses für die Mannschaften und die Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Sport einen Empfang. Verteilt wurden Erinnerungsmedaillen an diesen denkwürdigen Tag, und Grandval selbst hielt ein Ansprache, in der er die Arbeit der vergangenen zwei Jahre lobte. Er grenzte dabei das Saarland explizit von Deutschland ab: „Vor allem aber ist uns dieses Werk gelungen, weil wir uns im Saarland befinden und nicht anderswo, weil sich hier täglich mehr das herausbildet, was ich als saarländischen Geist bezeichnen möchte, der ein Geist der Verständigung und ehrlichen Aufbauwillens ist. (…) Ich erhebe mein Glas auf das Wohl des FC Saarbrücken, des Stade de Reims, des Saarlandes und der Französischen Republik!“160

Zwei Wochen später folgte ein weiteres Spiel. Eine Kombination des 1. FC Saarbrücken und des VfB Neunkirchen trat auf dem Kieselhumes gegen die Profimannschaft des Stade Français aus Paris an. Vor 25 000 Zuschauern konnte die von Erich Menzel im Sport-Echo betitelte „Saarlandelf“ einen 2:1-Sieg erringen. Danach wurde das sportpolitische Experiment der internationalen Spiele allerdings beendet. Zum einen zeigte sich die Militärregierung mit dem Hergang der Begegnungen und vor allem auch mit der Niederlage im zweiten Spiel unzufrieden. Zum anderen hatte auch die FIFA wegen der Rechtmäßigkeit der Spiele Bedenken erhoben. Zur Wiederaufnahme von internationalen Spielen sollte es erst wieder ab Mai 1948 kommen.161 Abgesehen von der Möglichkeit, die saarländisch-französische Freundschaft über Fußballspiele konkret zu inszenieren, war die Frage der Orientierung der saarländischen Fußballvereine von grundsätzlicher Natur. Grandval sollte diese mit dem Versuch beantworten, die Vereine in die französischen Sportwettbewerbe einzubinden und eine entsprechende Angliederung – auf Französisch „Affiliation“ – an die entsprechenden französischen Föderationen zu forcieren. 162 Der Widerstand an der saarländischen Sportbasis sowie in der französischen Sportöffentlichkeit wird hierzu im Kapitel 9.3 beschrieben. Aimé Gissy, der Grandseigneur des elsässischen Fußballs, der sich zu einem scharfen Gegner von Grandvals Plänen entwickeln sollte, urteilte bereits im Mai 1947 nicht gerade wohlwollend: 160 Zit. in: Art. Große Sportkundgebung Frankreich-Saarland, in: Saarbrücker Ztg., 29.4.1947. 161 Sport-Echo, 12.5.1947; HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 57f. 162 Vgl. zusammenfassend LINSMAYER: Gründervisionen (2007), S. 36–42, hier S. 39f.

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„J’ai l’impression que ces messieurs du Gouvernement Militaire de la Sarre sont des peitits utopistes. Tant au point de vue politique que sportif.“163 9.2 „La vie reprend …“ Die Croix de Lorraine und der lothringische Fußball Als sich am 21. Juli 1945 die Vereinsvertreter Lothringens zum ersten Mal nach sechs Jahren wieder in Nancy zu einer Generalversammlung der Ligue Lorraine de Football-Association (LLFA) zusammenfanden, hielt Maurice de Vienne eingangs eine bemerkenswerte Rede. Der langjährige Präsident der Ligue ließ 25 Jahre Verbandsgeschichte Revue passieren. Insbesondere berichtete er von der Aufrechterhaltung des Fußballbetriebs in den drei lothringischen Departements Meuse, Meurthe-et-Moselle und Vosges während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg. Außen vor blieb der Fußball in der Moselle, dessen vier lange Jahre im Sportgau Westmark von de Vienne bewusst ausgeklammert wurden: „Que se passa-t-il en Moselle? Je l’ignore. Je sais seulement que petit à petit l’emmeni chercha à organiser et que quelques sociétés fonctionnèrent sous l’emprise et dans le cadre allemand. Cela, nous ignorons; je ne veux pas en faire état. Bien plus, nous devons écarter le concours de ceux qui, comme dirigeants ou cadres, se présentèrent à la volonté ennemie.“164

Dass de Vienne auf eine Thematisierung der Geschehnisse in der Moselle verzichtete, dürfte daran liegen, dass es ihm wichtiger war, keine Unruhe innerhalb des – die vier lothringischen Departements – umfassenden Verbandes aufkommen zu lassen. Um die LLFA wieder rasch zur alten Stärke zurückzuführen, kam es ihm auf eine möglichst rasche Reintegration der Moselle in die Ligue an. Außerdem stärkte er durch das Ausblenden anderer Traditionen die Legitimation der Ligue Lorraine de Football gerade auch für das Moseldepartement. Die Zusammenführung der vier Departements in eine gemeinsame Ligue sollte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einfacher gestalten als 1919. Anders als ein Vierteljahrhundert zuvor gab es für den lothringischen Fußball mit der Ligue Lorraine de Football eine gemeinsame Erinnerungskultur, die auch den Fußball in der Moselle über zwanzig Jahre lang geprägt hatte. Es war deshalb keine Überraschung, dass die Fußballvereine in der Moselle rasch wieder ihre alten französischen Namen annahmen und die Jahre der Besatzungszeit schnell vergessen machten. Die Wiederaufnahme des Fußballbetriebs nach dem Krieg begann unmittelbar in den ersten Wochen nach der „Libération“. Nachdem Metz am 22. November 1944 von amerikanischen Truppen befreit worden war, begannen die Funktionäre des alten FC Metz umgehend, den Club wieder zu beleben. Die Aufbauarbeit war nicht nur organisatorischer, sondern auch materieller Natur. Die Zerstörungen waren immens. Die Wehrmacht hatte bei ihrem Rückzug die Moselbrücken zur Île St. Symphorien zerstört, auf welcher das gleichnamige Stadion des Clubs behei163 Aimé Gissy: Rubrik „Notre point de vue“, in: Sport Est, 2.5.1947. 164 Compte Rendu Moral du Président, 21.7.1945, abgedruckt in: Lorraine football. Organe officiel de la Ligue de Lorraine, 14.6.1945.

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matet war. Der Platz selbst war überflutet worden.165 Mit den alliierten Truppen war Ende November auch Raymond Herlory, der langjährige Präsident aus seinem Exil in den Vogesen nach Metz zurückgekehrt. Umgehend nahm Herlory, der den Spitznamen „le bélier“ – auf Deutsch „der Leithammel“ – innehatte, die Leitung des Vereins wieder in seine Hand. Während in Teilen der Moselle noch gekämpft wurde, fand bereits am 7. Januar 1945 das erste offizielle Spiel des FC Metz statt. Es handelte sich um ein Ausscheidungsspiel im neu aufgelegten französischen Pokalwettbewerb „Coupe de France“. Gegner war mit dem Cercle Sportif Blénod ein direkter Nachbar. Blénod-les-Pont-à-Mousson war eine kleine Gemeinde im benachbarten Departement Meurthe-et-Moselle, auf halbem Weg zwischen Metz und Nancy an der Mosel gelegen. Die damit zugleich verbundene Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen zwischen der Moselle und dem lothringischen Nachbardepartement wurde in der lothringischen Presse, in diesem Fall im „L’Est Républicain“, nicht nur als eine Rückkehr der Moselle nach Frankreich, sondern auch als eine endgültige Erneuerung der Bruderschaft mit der Nachbarin Metz gefeiert: „Rencontre symbolique, nous précise la Fédération. Qui certes, mais pour nous Lorrains, c’est encore bien davantage. C’est le renouveau définitif de notre fraternité avec notre voisine et sœur, notre bonne ville de Metz, dont on a voulu en vain nous séparer.“ 166

Am 29. März 1945 kam es zum ersten Freundschaftsspiel des FC Metz gegen den FC Nancy. Bei diesem Spiel, das die Metzer mit 3:1 Toren für sich entscheiden konnten, spielte der holländische Fußballspieler Bep Bakhuys bereits wieder für seinen alten Verein. Die erste Mannschaft trug auch ihr neues Trikot: weiße Hose, granatrotes Hemd und als besonderes Emblem die „Croix de Lorraine“. Die Mannschaft des FC Metz war die einzige, die das Lothringer Kreuz überhaupt tragen durfte. Verkündet worden war dies bereits am 7. Januar von Raymond Herlory, der mit seiner Mannschaft die Croix de Lorraine in alle Ecken Frankreichs tragen wollte: „J’ai foi dans l’avenir et dès maintenant je peux vous assurer que dans le prochain championnat de France, le F.C. Metz se trouvera à nouveau parmi l’élite du football français, et portera dans tous les coins de France l’insigne symbolique de la foi, notre belle Croix de Lorraine. Car, désormais, ce sera l’emblème du F.C. Metz“ 167

Die Wahl dieses „Abzeichens des Glaubens“ war naheliegend, symbolisierte es doch zugleich die Verbundenheit zur lothringischen Heimat als auch zur wieder auferstandenen Französischen Republik unter Charles de Gaulle. Die Croix de Lorraine selbst hat eine lange Geschichte. Ursprünglich nicht aus Lothringen stammend168, war sie im 15. und 16. Jahrhundert zum Abzeichen der Grafen von Lothringen geworden und hatte die Zugehörigkeit zum Herzogtum und zum Katholizismus symbolisiert. Nach 1871 war das Kreuz im reichsländischen Bezirk 165 166 167 168

Zum Abschnitt GALLOIS: Naissance (2000), S. 148; LAURENT: Histoire (1984), S. 74–80. L’Est Républicain, Anfang Januar 1945, zit. in: LAURENT: Histoire (1984), S. 75. LAURENT: Histoire (1984), S. 75. THÉVENIN: Les Lorrains (2003), S. 109–113.

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Lothringen zu einem Symbol des Widerstands gegen die von den deutschen Behörden voran getriebene „Germanisierung“ geworden und wurde mit dem aufkommenden Kult um Jeanne d’Arc verknüpft. Nicht zuletzt die von den deutschen Behörden scharf beobachtete frankophile Organisation Lorraine Sportive hatte das Motiv für ihre Zwecke auf Postkarten und Veranstaltungsplakaten genutzt.169 In der Zwischenkriegszeit von den Autonomisten im Elsass und in Lothringen vereinnahmt, hatte es dann im Zweiten Weltkrieg erstmals eine nationale Dimension erhalten. Von General Charles de Gaulle war es zum Symbol der Freien Französischen Streitkräfte, der „Forces Françaises Libres“ und der Résistance auserkoren worden. Bei seinem Besuch im befreiten Metz im Februar 1945 verknüpfte der Präsident der provisorischen Regierung Frankreichs die Auswahl des Lothringer Kreuzes mit der Verbundenheit der Nation zur Lorraine und speziell zur Stadt Metz: „La France n’a jamais renoncé à sa Lorraine, à sa ville de Metz. La preuve, c’est comme signe de sa lutte, de sa victoire aussi et demain de sa rénovation, c’est la croix de Lorraine qu’elle a choisie.“170

Der breiten Verwendung des Symbols nach zu urteilen – immerhin zierte das Lothringer Kreuz jeden französischen Soldatenhelm – war dessen Inanspruchnahme für den FC Metz keine ausgesprochen ausgefallene Idee. Im Gegenteil. Die Verwendung der Croix de la Lorraine im lothringischen Fußball war keine Erfindung von Raymond Herlory gewesen. Als Symbol war das Kreuz bereits bei der Ligue Lorraine de Football in der Zwischenkriegszeit zur Verwendung gekommen. Im Verbandsorgan „Lorraine Football“ zierten bereits in den dreißiger Jahren zwei Lothringer Kreuze den Titel. Abb. 5: Die Croix de la Lorraine als Symbol des Nach dem Krieg wurde das Emblem lothringischen Fußballs. Hier ist sie auf den Titeln des „Lorraine Football“ aus den Jahren wiederum in den Titel mitaufgenom1939 und 1947 zu sehen. men, dieses Mal umwoben von einer Distel, ebenfalls ein Symbol für Lothringen und insbesondere bezugnehmend auf das Stadtwappen von Nancy (Abb. 5).

169 Siehe beispielsweise das Ankündigungsplakat eines Sportfestes der Lorraine Sportive auf der Symphorieninsel in Metz im August 1910, in: ADBR, 69 AL 462/48. 170 Charles de Gaulle in Metz am 11.2.1945. Zit. in THÉVENIN: Les Lorrains (2003), S. 113.

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In der privilegierten Nutzung der Croix de la Lorraine spiegelte sich die Sonderstellung des FC Metz in der Moselle und in der gesamten Lorraine wider: Raymond Herlorys Verein wurde in den ersten Jahren nach 1945 zum Werbeträger der Moselle in Frankreich sowie zum Fluchtpunkt des lothringischen Fußballs überhaupt. Dies zeigte sich bereits in den ersten großen Spielen des Vereins im Frühjahr 1945. Am 8. April 1945 war die Mannschaft um Bep Bakhuys in die französische Hauptstadt eingeladen. Im Pariser Stadion Parc des Princes spielte sie vor 12 000 Zuschauern gegen die B-Auswahl der französischen Nationalmannschaft 2:2 unentschieden. Im Anschluss an das Spiel weilten die lothringischen Spieler im französischen Marineministerium, wo sie von Minister Louis Jacquinot – einem lothringischen Landsmann aus dem Departement Meuse – empfangen wurden. Der Besuch in Paris stand noch ganz im Zeichen des Krieges mit Deutschland, der zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht beendet war. Entsprechend sangen die mit der Mannschaft aus Metz angereisten jungen Mädchen nicht nur die Marseillaise, sondern auch die patriotischen Lieder „La Marche Lorraine“ und „Vous n’aurez pas l’Alsace et la Lorraine“.171 Großes Aufsehen erregte der FC Metz wiederum bei seiner Teilnahme am Wettbewerb um die „Coupe de la Libération“, der parallel zur Coupe de France ausgespielt wurde. Die Geschichte des Fußballs wiederholte sich hier gewissermaßen. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatte es einen Fußballwettbewerb um die „Coupe des Régions Liberées“ gegeben.172 Anders als 25 Jahre zuvor blieb die lothringische Vertretung dieses Mal jedoch siegreich. Am 10. Mai 1945 gewann der FC Metz in Marseille im Endspiel gegen Olympique de Marseille die „Coupe de la Libération“, die anlässlich der Kapitulation Deutschlands zwei Tage zuvor, spontan in „Coupe de la Victoire“ umbenannt worden war.173 Fußballspiele wie diese standen ganz im Zeichen der Inszenierung der „Grande Nation“ und der Wiedervereinigung der Moselle mit Frankreich. Nicht nur in den Vereinen, auch im regionalen Verbandswesen war unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen mit dem Wiederaufbau begonnen worden. Bereits am 23. September 1944 – nur eine Woche nach der Befreiung von Nancy – hatte sich in der Stadt bereits wieder der Vorstand der altbekannten Ligue Lorraine de Football versammelt. Wenngleich der Verband zwei Wochen später – noch war die Moselle vom Deutschen Reich besetzt – wieder davon Abstand nehmen musste, einen geregelten Ligabetrieb einzuführen, und sich stattdessen für lokale und zeitlich begrenzte Wettbewerbe entschied174, wurde auch hier unmittelbar an die Vorkriegszeit angeknüpft. Dies garantierte nicht zuletzt die Kontinuität, die sich in der Person des alten und neuen Präsidenten Maurice de Vienne personifizierte. Als Grandseigneur des lothringischen Fußballs leitete der nunmehr 68-jährige Sportmäzen im Sommer 1945 den „recommencement“ – den Wiederbeginn – ein. Wie eingangs erwähnt, sollte – unter Ausblendung der Be171 172 173 174

LAURENT: Histoire (1984), S. 77; FC Metz: Festschrift Cinquantenaire (1985), S. 45. Siehe Kap. 5.4, S. 161. FC Metz: Festschrift Cinquantenaire (1985), S. 166. ISCH: La gloire (1995), S. 124.

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satzungsjahre – der lothringische Fußballsport seinen Anteil für den Wiederaufbau der „Grande Nation“ leisten: „Après six ans, il faut se ressaisir, il faut prendre notre part dans la rénovation de la nation. C’est la tâche, à laquelle nous vous convions.“175

Nur wenige Monate zuvor waren die Rekonstruktion der Ligue und die Wiedervereinigung mit der Moselle zustande gekommen. Am 17. März 1945 hatte in Hayange das erste Treffen von Vereinsvertretern aus der nun wiedervereinigten Lorraine stattgefunden. Maurice de Vienne und der Verbandsvorstand hatten Vertreter von vierzehn Vereinen begrüßen können. Trotz der Wiedersehensfreude war es bei dem Treffen vor allem auch um pragmatische Dinge gegangen. Noch immer war es schwierig, Sportkleidung und Bälle zu erwerben. Auf dem Platz war die Wiedervereinigung nur vier Tage nach der Kapitulation Deutschlands am 12. Mai gefeiert worden. In Nancy hatte eine Auswahl der Moselle gegen eine Auswahl der Departements Meurthe-et-Moselle und Vosges gespielt. Das Spielergebnis mit 4:3 Toren für die Moselle sollte bereits die weiterhin bestehende sportliche Dominanz der Moselle andeuten. Auch die regional begrenzten Wettbewerbe wie der „Challenge de Wendel“ wurden wieder aufgegriffen. Der vom lothringischen Industriellen Guy de Wendel gestiftete Pokalwettbewerb fand in der Saison nach dessen Rückkehr in die Moselle mit dem Endspiel in Hayange im Mai 1946 seinen ersten Abschluss.176 Im Jahr 1946 kam auch die Auswahlelf der Ligue Lorraine wieder ins Spiel; die erste Begegnung fand im März 1946 in Metz statt. Gegner war die Auswahl Luxemburgs. Nominiert wurde für das Spiel auch der in Morsbach wohnende Marcel Müller, der nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau wieder die Fußballschuhe geschnürt hatte. Die Mannschaftsaufstellung für dieses erste Auswahlspiel nach dem Krieg verwies auf eine weitere reaktivierte Tradition aus der Zwischenkriegszeit: Den Berufsfußball, der bereits in der ersten Nachkriegssaison auch in Lothringen wieder Einzug gehalten hatte: Beim 5:1-Sieg der Auswahl der LLFA gegen Luxemburg war Marcel Müller der einzige Amateur der lothringischen Elf.177 Zu diesem Zeitpunkt war die erste Nachkriegssaison der ersten französischen Profiliga bereits in vollem Gange. Die neue Spielzeit im reaktivierten französischen Profifußball war von der Fédération Française de Football-Association (FFFA) unter ihrem alten und neuen Präsidenten Jules Rimet Ende August 1945 eingeläutet worden. Der FC Metz wurde dabei der ersten Division ebenso zugeteilt wie der Racing Club de Strasbourg. Er gehörte wie vor dem Krieg zu jenen französischen Fußballvereinen, welchen die FFFA den Titel „club autorisé à utiliser des joueurs professionnels“ verlieh. Die Vereine selbst blieben Amateurvereine, hatten jedoch die Berechtigung, eine Abteilung für den Profifuß175 Maurice de Vienne: Art. Recommencement, in: Bulletin Officiel provisoire de la LLFA, 14.7.1945, abgedruckt, in: ISCH: La gloire (1995), S. 115. 176 Compte rendu moral du Président, Assemblée générale annuelle am 30.6.1945, in: Lorraine Football, 12.7.1946, S. 4. 177 ISCH: La gloire (1995), S. 116f, 124; Compte rendu moral du Président, Assemblée générale annuelle am 30.6.1945, in: Lorraine Football, 12.7.1946, S. 3.

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ball zu betreiben. Der FC Metz profitierte wie die anderen Vereine von der Regelung, dass alle Profispieler zu jenen Vereinen zurückkehren mussten, bei welchen sie zu Kriegsbeginn im Herbst 1939 gespielt hatten. Auch der aus Holland zurückgekehrte Bep Bakhuys, der sich während des Krieges auch dem FV Metz zur Verfügung gestellt hatte, spielte auch in der ersten offiziellen Nachkriegssaison in der ersten Mannschaft. Er hatte sogar die Funktion eines Spielertrainers inne. Der erste Gegner des Vereins wurde zum Saisonauftakt am 26. August 1945 der Red Star de Paris, der in Paris mit 3:2 Toren besiegt werden konnte. Das erste Spiel vor heimischer Kulisse gegen den OSC Lille ging am 9. September allerdings mit 0:3 Toren verloren. Die Vereinsverantwortlichen und die Stadt profitierten in dieser ersten Saison nach dem Krieg von einer besonderen Regelung. Als im Krieg beschädigte Stadt, als „ville meurtrie par la guerre“, sollte Metz von einem Abstieg in die Zweite Division – unabhängig vom Tabellenplatz – verschont bleiben. Dieselbe Ausnahmeregelung hatte der französische Fußballverband für den Racing Club des Strasbourg und den Le Havre Athletic Club beschlossen. Sowohl der FC Metz als auch der Le Havre AC mussten diese Regelung in dieser ersten Spielzeit in Anspruch nehmen.178 Sportlich aufwärts sollte es in der folgenden Saison gehen. Für diese Spielzeit gelang es dem Metzer Erstligisten, den englischen Trainer Ted Maghner zu verpflichten. Mit dem Fußballlehrer aus dem „Mutterland“ des Fußballs hatte der FC Metz bereits 1938 das Endspiel um den französischen Pokal erreicht. Nur gesundheitliche Gründe und später der Krieg hatten ein weiteres Engagement verhindert. Während des Kriegs hatte Maghner englische Vereine trainiert, bevor es den 55-jährigen Coach nun im Jahr 1946 zurück nach Lothringen zog. Mit dem FC Metz erreichte er in der Spielzeit 1946/47 einen respektablen zehnten Tabellenplatz. Aus krankheitsbedingten Gründen – er litt an den Folgen einer Malariaerkrankung aus dem Ersten Weltkrieg – kehrte er 1947 nach Großbritannien zurück, wo er im Sommer 1948 verstarb.179 Drei Jahre nach Maghners endgültigem Abschied aus Metz musste der Verein als Tabellenletzter doch noch den Gang in die zweite Division antreten, wenngleich nur für kurze Zeit. Bereits in der ersten Saison 1950/51 gelang dem FC Metz – als Trainer war der langjährige ehemalige lothringische Spieler Emil Veinante verpflichtet worden – der direkte Wiederaufstieg. Anlässlich des großen Erfolges organisierte der Club am 27. Mai 1951 mit der „Grande journée de propagande de football“ ein großes Sportfest. Die Ähnlichkeiten zur 1936 abgehaltenen gleichnamigen Veranstaltung waren nicht nur offensichtlich, sondern auch gewollt. Raymond Herlory, der schon fünfzehn Jahre zuvor die Fäden gezogen hatte, führte auch bei dieser zweiten Auflage des „großen Tags des Fußballs“ Regie. In der für diesen Tag aufgelegten Broschüre verwies der Vereinspräsident auf die Veranstaltung von 1936 und auf dasselbe Ziel wie damals: für den Fußball in Stadt und Land zu werben. Zusätzlich sollte die Erneuerung und Wiederaufer178 LAURENT: Histoire (1984), S. 78f; PERNY: Le Football (2009), S. 348; FC Metz: Festschrift Cinquantenaire (1985), S. 167. 179 Zu Ted Maghner siehe Kurzbiografie, S. 348.

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stehung des Fußballs in dieser Stadt und in diesem Departement gefeiert werden; beide hätten besonders unter Krieg und Besatzung gelitten.180 Für nationale Prominenz hatte der Verein gesorgt: Die Schirmherrschaft übernahm der aus Paris angereiste Emmanuel Gambardella persönlich. Der 62-jährige ehemalige Sportjournalist war zu diesem Zeitpunkt der mächtigste Mann im französischen Fußball. Er hatte 1949 nicht nur die Nachfolge Jules Rimets als Präsident der FFFA angetreten, sondern war zugleich auch Vorsitzender des „Groupement des clubs autorisés“. Letzterer war ein Interessenverband der französischen Profifußballvereine, der sich 1944 gebildet hatte und welcher dem französischen Fußballverband unterstand. Die Ehrenpräsidentschaft für diesen Tag hatte mit André Morice ein Vertreter der französischen Regierung übernommen.181 Der aus Nantes stammende Politiker war zu dieser Zeit als Staatssekretär für Bildung, Jugend und Sport zuständig. Darüber hinaus gaben viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein Stelldichein. Neben dem Präfekten der Moselle, zahlreichen Notabeln und Vertretern der Stadt Metz hatten sich auch viele Vereinsfunktionäre aus der gesamten Moselle auf der Île St-Symphorien eingefunden. Das dicht gefüllte Tagesprogramm beschränkte sich allerdings nicht nur auf das Stadion. Es beinhaltete vormittags Sportfilmvorführungen im Kino, eine sich dort anschließende Podiumsdiskussion mit Gambardella und mittags einen Empfang im Rathaus. Den sportlichen Höhepunkt stellte am Nachmittag das Spiel zwischen dem FC Metz und dem FC Nantes dar. Für den Vereinspräsidenten Raymond Herlory hatte es den persönlichen Höhepunkt bereits zuvor gegeben: Im Rahmen eines Banketts in den Salons des Metzer Bahnhofsgebäudes wurde ihm für seine Verdienste für den französischen Sport durch den Verbandspräsidenten Gambardella der Orden der französischen Ehrenlegion, die „Croix de la Légion d’Honneur“ verliehen. 9.3 Von Utopisten, Patrioten und Pragmatikern Die „Affiliation“ und die Suche nach dem richtigen Spiel Am 6. Juli 1949 fand beim VfB Neunkirchen eine Vierteljahresversammlung statt, deren Entscheidungen Albrecht Menzel zufolge „an den Grundlagen des Vereinslebens rüttelten.“182 Auf der Tagesordnung stand der von der Regierung empfohlene Anschluss an den französischen Fußballverband. Nach mehrstündigen Diskussionen beschloss die Versammlung, bei der FFFA die Mitgliedschaft zu beantragen, um in der Saison 1949/50 am „Championnat de France Amateurs de l’Est“ teilnehmen zu können. Der Vereinsvorsitzende Robert Neufang, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei und seit seiner Zeit als Mitglied der Verwaltungskommission eng mit den französischen Behörden zusammenarbeitend, hatte mit dieser Entscheidung einen Etappensieg errungen. Allerdings war das 180 Raymond Herlory: Art. La Journée de Propagande du Football et son but, in: FC Metz: Festschrift Grande Journée (1951), o. S. 181 Zu diesem Abschnitt siehe ausführlich FC Metz: Festschrift Grande Journée (1951). 182 Albrecht Menzel: Art. Der VfB am Scheidewege, in: Sport-Express, 10.7.1949.

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Abstimmungsergebnis nicht so eindeutig, wie das Schreiben Neufangs an Jules Rimet vermuten lässt. Eine „grande majorité“, wie Neufang an Rimet schrieb, sprach sich keineswegs für die Mitgliedschaft in der FFFA aus. 183 Von den 300 anwesenden Mitgliedern stimmten etwa 150 für den Antrag, während sich 100 Mitglieder enthielten und 50 dagegen stimmten. Dass sich die Anschlussbefürworter durchsetzen konnten, hatte in erster Linie sportpragmatische Motive. So wurde im Protokoll festgehalten, dass der Verein sich für einen Beitritt ausgesprochen habe, „um einer Verflachung des Sportes durch nur innersaarländische Spielabschlüsse vorzubeugen.“184 Die Einrichtung einer Vertragsspielerabteilung, mit welcher dann – wie beim 1. FC Saarbrücken – eine Bewerbung für den französischen Profifußball möglich gewesen wäre, wurde allerdings nicht in Erwägung gezogen. Ohne die Wiederinbetriebnahme des Neunkircher Eisenwerks fehlten dem Verein eigenen Angaben zufolge die wirtschaftlichen Voraussetzungen.185 Mit der Frage der Affiliation des Saarsports an die französischen Verbände, welche im Sommer 1949 endgültig geklärt werden sollte, wurden die Fußballvereine an der Saar vor eine Zerreißprobe gestellt, in welcher sich politische Entscheidungen und sportliche Entwicklungstendenzen miteinander verflochten. Zugleich beschleunigte die Frage des Anschlusses die zunehmende Emanzipation der Fußballvereine, die sich nicht nur in der schärferen Profilbildung der großen saarländischen Vereine, sondern auch in der Gründung des Saarländischen Fußballbundes widerspiegeln sollte. Zudem betrafen die Diskussionen um die Affiliation nicht zuletzt auch die sportlichen Beziehungen des Saarlandes zu Frankreich und insbesondere zum elsässisch-lothringischen Grenzraum, wo die politisch gewollte Affiliation vor allem in der elsässischen Sportöffentlichkeit als Affront aufgefasst wurde. Ihren Anfang genommen hatte die delikate Angelegenheit der Affiliation mit dem wirtschaftlichen Anschluss des Saarlands an Frankreich und der damit verbundenen Gründung des teilautonomen „Saarstaats“ im Dezember 1947. Mit der Unabhängigkeit des Saarlands vom übrigen ehemaligen Deutschen Reich war die Affiliation des saarländischen an den französischen Sport das erklärte Ziel der Sportpolitik sowohl des Hohen Kommissariats als auch der Saar-Regierung geworden. Bereits am 2. November 1947 hatte in Saarbrücken der von den französischen Behörden ins Leben gerufene Landessportausschuss Saar getagt, um die offene Zukunft des Saarsports zu besprechen. Die Möglichkeit, weiterhin Teil der französischen Zone zu bleiben, war in der Sitzung ebenso verworfen worden wie die als utopisch angenommene Möglichkeit der internationalen Anerkennung eines unabhängigen saarländischen Sportverbandes. Als einzige Alternative war deshalb der Anschluss an einen französischen Sportverband in Betracht gezogen 183 Schreiben VfB Neunkirchen an Rimet, 13.7.1949, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 184 Protokoll Vierteljahresversammlung vom 6.7.1949, in: Saarl. SpA, Best. Borussia Neunkirchen, Protokolle 1948–50; Albrecht Menzel: Art. Der VfB am Scheidewege, in: SportExpress, 10.7.1949; Art. VfB tritt der FFF bei!, in: Sport-Echo, 8.7.1949. 185 Siehe Leserbrief „Eingesandt des VfB Neunkirchen“, in: Sport-Express, 12.6.1949.

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worden. Gebildet worden war deshalb an diesem Abend ein dreiköpfiges Komitee, das diesbezüglich Kontakt mit dem französischen Sport aufnehmen sollte. Es war kein Zufall, dass es sich bei den drei Herren um drei Fußballvereinsfunktionäre handelte. Während Willy Koch vom ASC Dudweiler technischer Leiter der Sparte Fußball war – ein halbes Jahr später wurde er zum Präsidenten des Saarländischen Fußballbundes gewählt – , gehörten Hans Helmer und Bill Groenke dem 1. FC Saarbrücken an. Gerade dieser Verein hatte ein Interesse daran, der drohenden sportlichen Isolation im Saarland zu entgehen.186 Die Bemühungen des Komitees waren zunächst fruchtlos geblieben, weswegen Hans Helmer Ende Januar 1948 – seit fünf Wochen war die Saar-Regierung unter Johannes Hoffmann nun im Amt – beim Hohen Kommissariat in Saarbrücken um Unterstützung bat. So schwierig der Spielverkehr mit deutschen Vereinen durch die neue politische Situation geworden sei, so weit entfernt sei man auch von einer Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen zu Frankreich. Helmer, als Vereinsvorsitzender zugleich die Interessen seines 1. FC Saarbrücken vertretend, warnte außerdem vor Kräften im LSA, die eine Wiederherstellung der Beziehungen mit dem deutschen Sport anstrebten.187 Zu Verhandlungen mit der französischen Seite sollte es erst im Frühling kommen. Vorher intervenierte Grandval beim französischen Fußballverband sowie beim Außenministerium. Im April 1948 berieten sich auf Einladung Jules Rimets in Paris saarländische und französische Sportfunktionäre zusammen mit Regierungsvertretern beider Seiten über den weiteren Werdegang des Saarsports. Eine Mitwirkung saarländischer Vereine in französischen Wettbewerben wurde allerdings abgelehnt. Um dem Saarfußball eine attraktive Alternative zu bieten, wurde der Gedanke einer grenzüberschreitenden Meisterschaft aufgeworfen, an welcher die besten Vereine des Saarlandes, Lothringens, Luxemburgs und Belgiens teilnehmen sollten.188 Am 4. Mai 1948 wurde von Jules Rimet eine Reihe von Beschlüssen bekannt gegeben. So wurde der freie Spielverkehr zwischen saarländischen und französischen Mannschaften ab sofort zugelassen, und auch Begegnungen mit Mannschaften aus anderen Mitgliedsländern der FIFA wurden genehmigt. Über die FFFA war der Saarsport nun mittelbares FIFA-Mitglied geworden. Eine Konsequenz war allerdings auch, dass der Spielverkehr mit deutschen Mannschaften mit Wirkung zum 20. Mai untersagt wurde.189 Am 29. Mai unterrichtete Hans Helmer auf einer Tagung der Nordzonenvereine die anderen Klubs entsprechend. Dem „Sport-Echo“ zufolge bekundeten die deutschen Vertreter Verständnis. So wurde ein Delegierter zitiert, nach welchem ihm das Saarland in der FIFA im Augenblick wichtiger sei als in der Nordzone. 190 Von einer offiziellen FIFA-Mitgliedschaft war das Saarland allerdings noch weit entfernt. Dem 186 Protokollauszug der LSA-Sitzung vom 2.11.1947, in: Archives du Ministère des Affaires étrangères Paris (MAE), Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre, Nr. 64. 187 Schreiben Helmer an Gouvernement Militaire, 28.1.1948, in: MAE Paris, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre, 64. 188 „Relations sportives franco-sarroises“, 5.5.1948, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 189 „Relations sportives franco-sarroises“, 5.5.1948, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 190 Art. Abschied von der Nordzone, in: Sport-Echo, 31.5.1948.

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saarländischen Fußball drohte deshalb im Sommer 1948 eine sportliche Isolation. Denn auch die anvisierte Affiliation des Saarfußballs war ja genauso wenig zustande gekommen wie der geplante grenzüberschreitende Wettbewerb mit den Nachbarregionen. Umso mehr bemühte sich die Verwaltung, den saarländischfranzösischen Spielverkehr mit Freundschaftsspielen wieder in Gang zu bringen. Seinen Anfang nahm dieser mit einer Reihe von Spielen in Saarbrücken und Neunkirchen bereits ab dem 5. Mai.191 Bei der Absage an eine Affiliation des LSA mochte Grandval es allerdings nicht belassen, weswegen die Section Jeunesse et Sports weitere Schritte unternahm, um zumindest den Vorzeigeverein 1. FC Saarbrücken in einen französischen Wettbewerb zu integrieren. Unterstützung erhielt sie dabei von Maurice de Vienne, dem Präsidenten der Ligue de Lorraine, der ebenso wie Emmanuel Gambardella, Vorsitzender des „Groupement des clubs autorisés“, die Aufnahme des saarländischen Klubs in diesen Dachverband der französischen Profivereine, befürwortete.192 Grandval zufolge hatte sich auch der frühere Außenminister und spätere Ministerpräsident Georges Bidault persönlich eingeschaltet und entsprechenden Druck auf den Französischen Fußballverband ausgeübt. 193 Gegenwind erhielt das Anliegen Grandvals von den französischen Fußballvereinen, die sich ebenso für die Profifußballmeisterschaft qualifizieren wollten und dabei de Vienne zufolge auch nicht davor zurückschreckten, das nationale Empfinden zu beschwören. Gegen einen Beitritt des 1. FC Saarbrücken verwahrte sich auch Raymond Herlory, Präsident des FC Metz, der de Vienne zufolge letztlich Urheber eines Briefes gewesen sein soll, welcher der Ligue von Raymond Mondon, dem erst 34-jährigen Bürgermeister von Metz, zugegangen war. Darin sprach sich dieser strikt gegen eine Aufnahme des Saarbrücker Vereins aus, da es bei Spielen von diesem in Metz angesichts der nationalen Ressentiments sicherlich zu Ausschreitungen kommen würde.194 Die Unterstützung Gambardellas, Rimets und de Viennes für den 1. FC Saarbrücken sollte nicht ausreichen, um die Mehrheit der organisierten Vereine im „Groupement des Clubs Autorisés“ zu überzeugen. Die endgültige Ablehnung eines Beitritts des 1. FC Saarbrücken am 15. Juni 1948 – mit 10:4 Stimmen – wurde von de Vienne in einem Schreiben an das Hohe Kommissariat zutiefst bedauert. Die Vereinspräsidenten, so der langjährige Präsident der LLFA, hätten ihre eigenen Vereinsinteressen der „idée générale française“ leider voran gestellt.195 Allerdings waren auch technische Gründe für die ablehnende Haltung ausschlaggebend gewesen. So verfügte der Malstatter Verein zu diesem Zeitpunkt weder über eine Vertragsspielerabteilung noch über einen Rasenplatz.196

191 Siehe ausführlich hierzu Kapitel 9.5. 192 Schreiben de Vienne an Babin, 9.6.1948, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 193 Schreiben Grandval an Schuman, 4.6.1949, in: MAE, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre 64. 194 Schreiben de Vienne an Babin, 9.6.1948, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 195 Schreiben de Vienne an Babin, 18.6.1948, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 196 WEIßMANN: Gastspiel (2008), S. 11, 15.

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Der drohenden sportlichen Isolation entging der 1. FC Saarbrücken dennoch. Im August 1948 gab die AS d’Angoulême aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Profilizenz zurück, weswegen der saarländische Club als zwanzigster Verein und als „Hospitant“ in der Saison 1948/49 in der zweiten französischen Division starten konnte. Die Spiele wurden allerdings nicht regulär gewertet. Die inoffizielle Teilnahme an der französischen Meisterschaft sorgte aber dafür, dass es im saarländischen Fußball zu einem weiteren Professionalisierungsschub kam: Ende August 1948 gewährte der Vorstand des Saarländischen Fußballbundes (SFB) dem 1. FC Saarbrücken die Gründung der ersten saarländischen Vertragsspielerabteilung. Alle Verträge des „Proficlubs“ mit angeworbenen Spielern mussten allerdings vom SFB genehmigt werden. Damit sollte die Rechtmäßigkeit der Anwerbungen – zum Schutz der Amateurvereine – überprüft werden.197 Mit nur fünfzehn Vertragsspielern bestritt der Verein die kommende Saison in der zweiten französischen Division. Anders als im Saarland wurde der Auftritt der Malstatter von der französischen Sportöffentlichkeit so gut wie ignoriert.198 Im „France Football“ erschienen während der ganzen Spielzeit nur zwei Artikel über den saarländischen Klub, der dennoch für Furore sorgte, 148 Tore erzielte und mit vier Punkten Abstand inoffizieller Meister der zweiten Division wurde. Ausgespart wurde die saarländische Episode im französischen Profifußball auch in regionalen Zeitungen, so auch im elsässischen „Sport Est“. Trotz der Warnung vor nationalen Ressentiments waren bei den Spielen des Vereins in Frankreich allerdings keine Zwischenfälle zu verzeichnen. Darauf verweisen nicht nur die Berichte in der saarländischen und in der französischen Presse, sondern auch ein Vermerk für den diesbezüglich interessierten französischen Außenminister: Die zahlreichen Spiele des 1. FC Saarbrücken, so eine Notiz vom Februar 1949, seien bislang noch nie Anlass für unerfreuliche Bekundungen gewesen. So zeigten sich die Zuschauer in Lyon, als die gastgebende Mannschaft von den „Molschdern“ um Herbert Binkert und Peter Momber mit 3:0 besiegt wurde, vom Spiel der saarländischen Gäste begeistert und feuerten sie lautstark an.199 Der Verein selbst informierte nach Abschluss der Saison den Ministerpräsidenten über die Auftritte in Frankreich. Überall habe man bei den Auswärtsspielen Anerkennung und Beifall gefunden, was „wohl in der Hauptsache auf das bescheidene und sportliche Auftreten“ der Mannschaft zurückzuführen gewesen sei. Auf jeden Fall, so schrieb Hans Helmer, hätten sie ihre Aufgabe, „Propagandisten für den saarländischen Sport zu sein“, in hervorragender Weise gelöst.200 197 Rubrik „Fussball“, in: Nachrichtenblatt des Landessportverbandes Saar, 26.8.1948; Rubrik „Saarl. Fussball-Bund“, in: ebda., 7.10.1948. 198 Vgl. zu diesem Absatz die Ergebnisse von WEIßMANN: Gastspiel (2008), S. 15–33. 199 Note pour le cabinet du ministre, 21.2.1949, in: MAE Paris, Série Z Europe 1944–1960, sous série Sarre 64; zum positiven Auftreten der Mannschaft vgl. WEIßMANN: Gastspiel (2008), S. 22–24; BERG: Ein Jahr (2008), S. 67. 200 Schreiben des 1. FC Saarbrücken, Hans Helmer, an Ministerpräsident Hoffmann, 6.7.1949, in: LA Saarbrücken, StK 2420; der 1. FC Saarbrücken beschwerte sich im Oktober 1948 beim Sport-Expreß, da dieser von der Hospitantenrolle geschrieben hatte. Siehe Erich Menzel: Art. Krieg zwischen 1. FCS und SFB?, in: Sport-Expreß, 24.10.1948, S. 2.

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Das „Gastspiel“ konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation für die großen saarländischen Fußballvereine durch die Isolation des Saarsports kritisch geworden war. Vereine wie der SV 05 Saarbrücken und der VfB Neunkirchen waren in der Saison 1948/49 auf die kleinräumige Landesliga beschränkt und auch die nun häufigen internationalen Freundschaftsspiele boten den Klubs keine wirkliche Perspektive. In Neunkirchen wurde im zeitnahen Rückblick ernüchtert festgehalten, dass die Ligaspiele derart reizlos gewesen seien, dass sogar mehrere verloren gegangen seien und die eigene Schlagkraft „auf das Niveau solcher zweit- und drittrangiger Gegnerschaft abzusinken drohte.“201 Gerade der VfB Neunkirchen fühlte sich in Hinblick auf den 1. FC Saarbrücken von Politik und Presse im Stich gelassen. Der Vorwurf, dass dieser einseitig als rechtmäßiger Repräsentant des Saarfußballs hofiert wurde – so ganz von der Hand zu weisen war dies tatsächlich nicht – sollte in den folgenden Jahren immer wieder auf den Tisch kommen. Tatsächlich hatte sich der Abschied aus der Nordzonenliga beim VfB Neunkirchen wirtschaftlich bemerkbar gemacht. Im Kassenbericht 1948/49 wurde aufgrund des Abbruchs des Verkehrs mit deutschen Vereinen ein „merklicher Einnahmeausfall“ konstatiert.202 Die Spannungen und „Seilschaften“ im Saarfußball in der Saison 1948/49 spiegelten sich auch in der Entwicklung der saarländischen Sportpresse wieder. Im Sommer und Herbst 1948 war es in dieser zu einer Affäre gekommen, die in ihrer politischen Tragweite zugleich die wachsenden Gräben zwischen dem Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und dem Hohen Kommissar Gilbert Grandval aufzeigte, aber auch zwischen den saarländischen Regierungsparteien. Der aus Neunkirchen stammende, altgediente Sportjournalist Erich Menzel, der bereits in den zwanziger Jahren die „Südwest-Deutsche Sportzeitung“ geleitet hatte und seit 1946 Chefredakteur beim „Sport-Echo“ war, wurde im Sommer 1948 von Hans Helmer – mit Unterstützung Grandvals und gegen den Willen Hoffmanns – nach und nach aus der „Sport-Echo“-Redaktion verdrängt. Im Gegenzug schuf Erich Menzel zusammen mit Max Harig im Oktober 1948 das Konkurrenzblatt „Sport-Express“. Lizenzträger wurde mit Erwin Müller der Fraktionsvorsitzende der CVP, der als Gegenspieler des Sozialdemokraten Hans Helmers galt. Diese Gegnerschaft äußerte sich auch im Sportvereinswesen: Während Helmer dem 1. FC Saarbrücken vorstand, war Müller Präsident des SV 05 Saarbrücken. Die Lizenzierung der neuen Sportzeitung fand dabei ohne Wissen und gegen den Willen des Hohen Kommissars statt, welcher der neuen Sportzeitung im Dezember 1948 prompt vorwarf, die saarländische Verfassung zu verletzen und die gemeinsamen sportpolitischen Ziele zu untergraben.203 Den Vorwurf der Untergrabung gemeinsamer sportpolitischer Ziele musste sich auch der Saarländische Fußballbund (SFB) gefallen lassen, der am 25. Juli 1948 in Sulzbach aus der Taufe gehoben wurde und dessen Unabhängigkeit vom 201 Borussia Neunkirchen: Festschrift 50 Jahre (1955), S. 48. 202 Kassenbericht 1948/49, in: Saarl. SpA, Best. Borussia Neunkirchen, Protokollakten 1948–56. 203 Schreiben Grandval an Hoffmann, 3.12.1948, in: LA Saarbrücken, StK 1215; zur Affäre Menzel ausführlich REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010), S. 418–421.

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Landessportverband gerade vom „Sport-Express“ massiv gefordert und publizistisch unterstützt wurde. Der SFB war die erste Abteilung des Landessportverbandes, die als Fachverband selbstständig wurde. Immerhin begleitete auch das „Sport-Echo“ diesen Schritt der Emanzipation, der zugleich einen Schritt der Demokratisierung darstellte, in der Hoffnung, der SFB werde sicherlich auch weiterhin die schwächeren Abteilungen im LSVS unterstützen und damit dem Gesamtsport an der Saar dienlich sein.204 Zu einer wichtigen Persönlichkeit des Fußballbundes sollte sich in den folgenden Jahren neben Präsident Willy Koch vor allem ein gerade mal dreißigjähriger Sportfunktionär aus dem Umfeld des 1. FC Saarbrücken entwickeln: Hermann Neuberger. Er sollte aufgrund seines sportpragmatischen Denkens wie kein anderer die Emanzipation des Saarsports personifizieren. Mit Ablauf der für den Saarfußball so denkwürdigen Saison 1948/49 nahm der Saarsport, wiederum mit Unterstützung der Saar-Regierung und des Hohen Kommissariats, einen zweiten Anlauf für eine Affiliation an die französischen Verbände. Politisch begünstigt wurde dies nicht zuletzt dadurch, dass durch das saarländisch-französische Kulturabkommen vom 15. Dezember 1948, dessen Artikel acht den Ausbau der sportlichen Beziehungen beider Länder vorsah, das Projekt der Affiliation völkerrechtlich abgesichert war.205 Mittlerweile hatten sich jedoch strukturelle Veränderungen ergeben, welche eine Affiliation erschweren sollten. So war zum einen mit dem Saarländischen Fußballbund ein weiterer sportpolitischer Akteur auf die Bühne getreten, der – demokratisch legitimiert – die Interessen der saarländischen Fußballvereine vertrat und wie kein anderer Sportfachverband seine Unabhängigkeit einfordern sollte. Zum anderen waren seit Mai 1949 eingeschränkt wieder Fußballspiele zwischen FIFA-Mitgliedsländern und deutschen Mannschaften möglich. Eine endgültige Legalisierung war angesichts einer baldigen Gründung eines westdeutschen Teilstaats nur eine Frage der Zeit. In dem Maße, wie die Wahrscheinlichkeit, saarländisch-deutsche Beziehungen wiederaufzunehmen, stieg, sank die Neigung, sich auf einen Anschluss an den französischen Sport einzulassen.206 Dieser Gefahr war sich das Hohe Kommissariat bewusst, weswegen Grandval im Frühsommer 1949 seine ganze Persönlichkeit einsetzte, um die ein Jahr zuvor gescheiterte Affiliation doch noch unter Dach und Fach zu bringen. Im Juni wandte sich der Hohe Kommissar noch einmal nachdrücklich an den französischen Außenminister. Dabei handelte es sich in jenem Jahr ausgerechnet um Robert Schuman, der selbst aus der Moselle stammte und aus seiner Zeit als Rechtsanwalt, Lokalpolitiker und Abgeordneter der Moselle mit dem saarländisch-lothringischen Grenzraum und dessen (Sport-)Geschichte vertraut war.207

204 Lothar Krämer: Art. Saarländischer Fußballbund, in: Sport-Echo, 26.7.1948; BURR: Was sich nicht alles Ball nannte (1998), S. 11. 205 Abdruck des Kulturabkommens bei MENZEL: Gesetzgebung (1954), S. 186f; GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 519; zum Sportparagrafen HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 86–90. 206 Bericht „Organisation du sport et plus spécialement du Football sarrois de 1945 au rattachement économique“, S. 8f., in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 207 Siehe Kap. 3.2, S.97.

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Am 4. Juni 1949 setzte Grandval ein ausführliches Schreiben an Schuman mit dem Titel „Orientation du sport sarrois“ auf. In dem neunseitigen Schreiben zeichnete er zunächst einen Grundriss seiner Sportpolitik, die im Dienst seiner Autonomiepolitik für die Saar stand. Gerade die Berücksichtigung des Fußballs, der am weitesten verbreitete Sportart an der Saar, sei hierfür elementar. Da er in seiner Entwicklung nicht auf das kleine Saarland beschränkt bleiben könne, sei eine Anbindung an die französischen Wettbewerbe absolut unverzichtbar.208 Schuman selbst wollte allerdings die Autonomie des Sports gewahrt wissen. Bereits vor Grandvals Schreiben hatte er in einem internen Schreiben des Außenministeriums wissen lassen, dass er um die Vorbehalte im französischen Sport bezüglich der Affiliation des Saarsports wisse und diesbezüglich keinen besonderen Druck auf die Sportverbände ausüben wollte.209 Am 15. Juni 1949 richtete die Regierung des Saarlandes ein von allen Regierungsmitgliedern unterschriebenes Schreiben an den Landessportverband, in welchem sie diesem die Angliederung des saarländischen an den französischen Sport nahelegte, „um die Tätigkeit der Sportvereine in Übereinstimmung mit der politischen Linie des Saarlandes zu bringen (...)“.210 Infolgedessen kam am 3. Juli 1949 der Gesamtvorstand des Landessportverbandes zu einer Sondersitzung zusammen und empfahl den einzelnen Fachverbänden, „im Rahmen des französisch-saarländischen Kulturabkommens sich den entsprechenden französischen Fachverbänden anzugliedern bis zu dem Zeitpunkt einer endgültigen Klärung des politischen Statutes des Saarlandes.“211 Zum Zeitpunkt der Entschließung des LSVS war bereits bekannt geworden, dass der elsässische Fußballverband sich auf seiner Jahreshauptversammlung eine Woche zuvor vehement gegen eine Affiliation des Saarlandes ausgesprochen hatte. Generalsekretär Aimé Gissy hatte die Saarfrage auf die Tagesordnung der Generalversammlung gesetzt, die am 25. Juni 1949 stattfand. Gissy, Chefredakteur des „Sport Est“ und zugleich langjähriger Generalsekretär, galt als der starke Mann im elsässischen Fußballsport. In der Versammlung erläuterte Gissy das „problème sportif de la Sarre“ und auch den Standpunkt Grandvals. Einstimmig wurde schließlich eine Resolution verabschiedet, in der die Vorbehalte der LAFA gegenüber einer Affiliation zum Ausdruck gebracht wurden. Offiziell wurde angekündigt, die Saarfrage auf dem kommenden Verbandstag des französischen Fußballverbandes zur Sprache zu bringen.212

208 Schreiben Grandval an Schuman, 4.6.1949, in: MAE, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre 64; veröffentlicht auch im Quellen- und Arbeitsbuch von HUDEMANN/HEINEN: Das Saarland (2007), S. 491–497. 209 Schreiben Schuman an den Secretaire d’État à l’enseignement technique, à la jeunesse et aux sports, 1.6.1949, in: MAE, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre 64. 210 Schreiben der Regierung des Saarlandes an den LSVS, 15.6.1949, in: Saarl. Sportarchiv, Bestand Landessportverband, Nr. 126. 211 Protokoll der Sondersitzung des LSVS, 3.7.1949, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 212 Vgl. abgedruckte Resolution, in: Art. L’Assemblée Générale de la LAFA a pris position dans la question de l’affiliation des clubs sarrois, in: Sport Est, 27.6.1949; REICHELT: Inszenierte Erinnerung (2013), S. 381f.

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Der elsässische Widerstand wurde in der saarländischen Öffentlichkeit mit Befremden aufgenommen. In der Sondersitzung des Landessportverbandes vom 3. Juli wurde festgehalten, dass das schlechte Verhältnis zum Elsass nicht das ansonsten gute Verhältnis zum französischen Nachbarn widerspiegeln würde. Willy Koch, der sich zwar selbst gegen eine Affiliation aussprach, sah den Grund der „gehässigen Angriffe“ darin, dass der 1. FC Saarbrücken dann in der gleichen Liga spielen würde wie der soeben erst abgestiegene Racing Club de Strasbourg. Auch in der Saar-Regierung wurde der elsässische Beschluss kritisiert, wurde von einer Entschließung gesprochen, „die an Unfreundlichkeit gegenüber dem Saarland nichts zu wünschen übrig lässt und bestimmt an der Saar kein gutes Echo auslöst.“213 Düpiert vom elsässischen Coup dürfte sich auch der Hohe Kommissar Gilbert Grandval gefühlt haben, hatte er doch erst am 1. Juni der LAFA in Straßburg einen aus seiner Sicht vielversprechenden Besuch abgestattet. Bei dem Treffen mit Präsident Lambling, Generalsekretär Gissy und dem Vorsitzenden des Racing Club de Strasbourg hatte er nach eigenen Angaben die Zusicherung bekommen, dass die LAFA trotz psychologischer Schwierigkeiten und Bedenken es nicht zu riskieren würde, „pour une partie de football“ die französisch-saarländische Politik zu sabotieren.214 In den kommenden Wochen überschlugen sich die Ereignisse. Die größeren Vereine wie der 1. FC Saarbrücken und VfB Neunkirchen entschlossen sich bereits in der ersten Juliwoche zu einem Antrag auf Mitgliedschaft in der FFFA. Der SV Homburg hingegen lehnte eine Woche später eine Affiliation mit großer Mehrheit von 94 Prozent ab. Auch der ASC Dudweiler, dessen Präsident mit Ludwig Geibig der Sportreferent der Regierung war, stimmte zu zwei Dritteln gegen die Affiliation.215 Ausschlaggebend für eine ablehnende Haltung waren sportpragmatische Gründe: zum einen die Größe des Vereins und zum anderen die sportliche Relevanz eines Wechsels in den Französischen Fußballverband. Kleine Vereine fern der französischen Grenze konnten darin keinen Vorteil sehen, würden sie doch auch in diesem Fall weiterhin an ihren lokalen Fußballrunden – beispielsweise im St. Wendeler Land – teilnehmen. Grenznahe Vereine im Warndt standen einer Affiliation dagegen aufgeschlossener gegenüber. Diese Gegensätze zwischen den großen und kleinen Vereinen und einer ablehnenden Front der grenzfernen Vereine sollten sich auch in der außerordentlichen Vollversammlung des SFB am 17. Juli 1949 widerspiegeln und letztendlich den Ausschlag dafür geben, dass sich die Mehrheit der Bundesmitglieder gegen eine Affiliation aussprach. Auf der Tagung kritisierten die kleinen Amateurvereine die Instrumentalisierung des Sports 213 Protokoll der Sondersitzung des LSVS, 3.7.1949, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101; Vorlage des Informationsamts für Ministerpräsident Hoffmann, 4.7.1949, in: LA Saarbrücken, InfA 139. 214 Grandval an Schuman, 4.6.1949, in: MAE, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre 64; 215 P6-Bericht vom 26.7.1949 über den SV Homburg, in: LA Saarbrücken, NL Edgar Hector, Carton 3; HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 96. Ludwig Geibig blieb allerdings Vereinspräsident und wurde 1950 im Amt bestätigt. Vgl. ASC Dudweiler: FS 80 Fußball in Dudweiler (1992), S. 27f.

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für politische Zwecke und sahen ihre eigenen Interessen zugunsten der großen Fußballklubs vernachlässigt.216 Für eine Affiliation sprachen sich unter anderem der Regierungsreferent Geibig aus, der betonte, dass erst durch den Beitritt zur FFFA – und damit zugleich zur FIFA – internationale Spiele, auch mit deutschen Vereinen, erst wieder möglich würden. Unterstützt wurde Geibig von den beiden Präsidenten der beiden großen Vereine, Hans Helmer und Robert Neufang. Aber auch Hermann Neuberger, der wie Helmer zum 1. FC Saarbrücken gehörte und im Fußballbund für den Jugendfußball zuständig war, stellte sich auf die Seite jener, die einen vorläufigen Anschluss an den französischen Fußball forderten. In seiner Rede bemängelte er angesichts des starken Gegenwinds vieler Vereinsfunktionäre, dass im Saal sich zu wenig Realpolitiker befänden. 217 Mit einer Mehrheit von etwa zwei Dritteln lehnte die Versammlung eine Affiliation an die FFFA ab. Den Vereinen wurde allerdings freigestellt, selbst einen Mitgliedsantrag beim Französischen Fußballverband zu stellen. In den verbliebenen Tagen bis zur endgültigen Entscheidung beim Conseil National der FFFA stellten zahlreiche saarländische Fußballvereine und -abteilungen direkte Aufnahmeanträge.218 Fast alle zeichneten sich durch ihre geografische Nähe zu Frankreich aus oder waren durch ihre Spielstärke ansonsten von der sportlichen Isolation bedroht. Sechs Tage nach dem Sulzbacher Beschluss fand in Paris die entscheidende Versammlung der FFFA statt. Obwohl der Verbandsvorstand unter dem Vorsitz Jules Rimets einer provisorischen Angliederung des 1. FC Saarbrücken bereits zugestimmt hatte, gelang es den Affiliationsgegnern auf französischer Seite, die Mehrheit auf ihre Seite zu bringen. Den Ton gab dabei Aimé Gissy, der Generalsekretär des elsässischen Fußballverbandes an, der – wie bereits in der Einleitung ausführlich dargestellt.219 – nicht davor zurückschreckte, nationale Ressentiments mit sportlichen Gesichtspunkten und dem Vorwurf der politischen Instrumentalisierung zu vermischen. Jules Rimet, der aufgrund seines Eintretens für die Affiliation – nach dreißig Jahren Amtszeit – nicht mehr als Vorsitzender der FFFA wiedergewählt wurde, bereute seine Haltung, die Affiliation aus politischen Erwägungen heraus vollziehen, nicht. In einem Zeitungsinterview betonte er, für die außenpolitischen Interessen der französischen Regierung eingetreten zu sein. Er habe als „perfekter Bürger gehandelt.“220 Für die saarländischen Spitzenvereine bedeutete das endgültige Scheitern der Affiliation im Sommer 1949 die Zementierung der sportlichen Isolierung. Für den 216 In diesem Sinne auch GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 520. 217 Siehe zur Versammlung ausführliche Berichterstattung im Sport-Expreß, 17.7.1949. 218 Folgende Vereine stellten Aufnahmeanträge: 1. FC Saarbrücken, VfB Neunkirchen, Bettingen, Brebach/Fechingen, Ensdorf, ASV Saarbrücken, 1. FC St. Ingbert, SV St. Ingbert, VfB Dillingen, SSV Saarlouis, SV Merzig, Losheim, FC Homburg, FC Roden, FC Fraulautern, Bous, Beaumarais, Hanweiler, Blieskastel, Hostenbach, Mettlach, Naßweiler, Pachten, Saarhölzbach, Schwalbach, Winterbach, Ballweiler, Sitterswald, Wallerfangen, Güdingen, Besseringen, Großrosseln. Siehe AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101 oder GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 520. 219 Siehe Einleitung, S. 9f. 220 Art. Le Journal du Dimanche interviewte Jules Rimet, in: Sport-Echo, 25.7.1949.

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VfB Neunkirchen hatte es zur Folge, dass es zur saarländischen Landesliga weiterhin keine Alternative gab. Attraktive internationale Freundschaftsspiele sollten die Fußballvereine und ihre Anhänger bei Laune halten und waren dabei für die Politik eine Möglichkeit, nach außen den politischen Status der Saar und nach innen eine saarländische Identität zu unterstreichen. 9.4 Fußball und Identitätspolitik Der saarländische Vereinspragmatismus zwischen Europa und Deutschland Das Ellenfeld in Neunkirchen präsentierte sich an jenem Sonntag im Mai 1949 von seiner besten Seite. Zu Füßen der neu errichteten Tribüne erstreckte sich der leuchtend grüne Rasen, „kurz geschoren wie ein Teppich“. Die Sonne schien und über den Köpfen der 12 000 Zuschauer flatterten die roten, weißen und blauen Farben der dänischen Flagge, der Saarlandflagge und der Trikolore. Bevor das Spiel des VfB Neunkirchen gegen den dänischen Gast aus Aarhus begann, kam es zum einem Spiel der Neunkircher Hockeyabteilung gegen die Mannschaft des Stade Universitaire Nancy. Im Anschluss an das Hockeyspiel wurden von Kultusminister Straus, dem Beigeordneten Delheid, dem Vereinspräsidenten Neufang und dem SFB-Präsidenten Koch Grußworte gesprochen. Das Spiel, von einem Schiedsrichter aus Straßburg geleitet, gewann der VfB Neunkirchen überzeugend mit 6:1 Toren. Zu Vorfällen kam es nicht. Zu leichten Unmutsäußerungen seitens des Publikums war es lediglich bei den zähen und sich lange hinziehenden vier Begrüßungsansprachen gekommen. Die Mannschaften selbst wurden dem „SportExpreß“ zufolge „für ihre feinen Darbietungen und ihr faires Spiel mit Händeklatschen bedacht.“221 Internationale Freundschaftsspiele waren seit Mai 1948 für saarländische Fußballvereine möglich, und die großen Vereine machten – auch dank der Vermittlung von Kontakten durch das Hohe Kommissariat – davon regen Gebrauch. Im ersten Halbjahr 1949 gaben belgische, jugoslawische und skandinavische Mannschaften zum ersten Mal ein Gastspiel im Saarland, und auch eine englische Profimannschaft war nach vielen Jahren wieder im Saarland zu sehen. Das Spiel der Dänen wurde von Albrecht Menzel, dem Grandseigneur des Neunkircher Fußballs – wie zwei Monate zuvor dasjenige einer schwedischen Elf aus Göteborg222 – in einen höheren Kontext gestellt: „Die VfB-Mannschaft war sich der Aufgabe bewußt, nicht nur den Verein und Heimatstadt, sondern auch das ganze Saarland zu vertreten und hat diese Aufgabe glänzend gelöst.“ 223

Fußballspiele wie dieses dienten der Saar-Regierung nach innen der Herausbildung einer saarländischen nationalen Identität und nach außen als Werbeträger für 221 Siehe zu diesem Absatz Art. Der Danebrog überm Ellenfeld, in: Sport-Expreß, 15.5.1949; Art. VfB Neunkirchen - Aarhus 6:1, in: ebda., 22.5.1949; Art. Marginalien zum Dänen-Spiel, in: ebda., 22.5.1949. 222 Vgl. ausführlich zum Schweden-Spiel in Neunkirchen REICHELT: Kicken (2008). 223 Albrecht Menzel: Art. VfB Neunkirchen - Aarhus 6:1, in: Sport-Expreß, 22.5.1949.

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den neuen „Saarstaat“. Sie standen damit im Dienst einer saarländischen Identitätspolitik. Hintergrund war, dass der neue „Saarstaat“ seit seiner Gründung Ende 1947 mit dem Problem der Identitätsfindung konfrontiert war. Er verstand sich als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich sowie ab Anfang der fünfziger Jahre mit der Gründung der Montanunion auch als Keimzelle eines künftigen Europas. Dieses Selbstverständnis sollte in erster Linie durch die Kulturpolitik kommuniziert werden: Der Saarländer sollte sich auf seine saarländische Heimat besinnen, sich gleichzeitig für die französische Kultur und für Europa begeistern und daraus seine spezifische saarländische Identität beziehen. Hierzu diente einerseits eine eigene öffentliche Erinnerungskultur, welche die saarländische Heimat in Abgrenzung zu Deutschland sah. So wurde der Verfassungstag – der 15. Dezember 1947 – ebenso alljährlich gefeiert wie die zahlreichen lokalen Heimatfeste und Jubiläen gefördert. Andererseits diente eben auch der Bereich des Sports dazu, die saarländische Identität zu transportieren.224 Wichtig für die Sportpolitik der Saar-Regierung war nicht nur die politische Kontrolle des Landessportverbandes (LSVS), der zum 1. Dezember 1949 in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt wurde und in den Verantwortungsbereich des saarländischen Kultusministeriums fiel.225 Bewusst war man sich allerdings, dass Kontrolle und Zwang keine erfolgreiche Sportpolitik garantierten. Problematisch für eine Indienstnahme des Saarsports für die Autonomiepolitik waren zunächst die engen politischen Rahmenbedingungen gewesen, die den Saarsport zwischen einem Anschluss an den französischen Sport und einer sportlichen Isolation manövrieren ließen. Die Antwort auf das Scheitern der Affiliation hieß jedoch 1949/50 nicht Isolation, sondern Internationalisierung. Auf französische Initiative hin gelang es, Anfang der fünfziger Jahre das teilautonome Saarland als eigenständiges Mitglied in den internationalen Sportverbänden zu etablieren. Die Anerkennung als olympische Nation im Mai 1950 wurde richtungsweisend für die saarländische Sportautonomie. Innerhalb weiterer fünf Monate wurden die wichtigsten saarländischen Fachverbände – wenn auch nur vorläufig – von den internationalen Föderationen anerkannt. Vor allem mit der Aufstellung einer saarländischen Olympia-Mannschaft für die Olympischen Spiele im Jahr 1952 wurde der „Saarstaat“ auf eine Stufe mit anderen Nationen gestellt. Dokumentiert wurde dies bei der Eröffnungszeremonie im Olympiastadion von Helsinki, als die saarländische Delegation – die Saarflagge voraus – geradewegs vor der deutschen Auswahl einmarschierte. Ein Coup gelang dem Olympischen Komitee des Saarlandes auch mit dem obligatorischen Fackellauf,226 der werbewirksam für

224 Zur Erinnerungskultur im autonomen Saarland vgl. FLENDER: Öffentliche Erinnerungskultur (1998), hier S. 25f, 203f, 219. Zum Aufbau kultureller Institutionen vgl. BECKER: Formierung (2009), S. 209–214. 225 Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Zulassung von Sportvereinen im Saarland vom 29.11.1949, in: Amtsblatt des Saarlandes 92/1949, S. 1255–1260; Art. Von der Regierung anerkannt, in: Sport-Expreß, 11.12.1949. 226 Der Fackellauf wurde 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin eingeführt. Trotz der damaligen propagandistischen Instrumentalisierung wurde diese Tradition fortgesetzt, wovon

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den jungen Staat eingesetzt werden konnte: Die olympische Flamme wurde auf ihrem Flug von Athen in das dänische Ålborg in einer saarländischen Grubenlampe befördert.227 Internationale Spiele und Wettkämpfe galten generell als hoheitliche Akte des Saarlandes. Das obligatorische Hissen der Landesflagge und derjenigen des Gastlandes bei internationalen Begegnungen und das Landeswappen auf der Sportkleidung machten das Werden einer saarländischen Nation für jeden „greifbar“. Nicht überraschend ist es daher auch, dass die saarländische Landeshymne nicht bei einem Staatsempfang, sondern anlässlich des ersten Fußball-Länderspiels des Saarlands gegen die Schweiz im November 1950 erstmals intoniert wurde. Hintergrund war, dass im Juni 1950 der Saarländische Fußballbund provisorisch in die FIFA aufgenommen worden war. Vorausgegangen war der Verzicht des französischen Außenministeriums und der FFFA darauf, den saarländischen Sport im Ausland zu vertreten.228 Für die Regierung bot sich die Möglichkeit, nun auch die offiziellen Länderwettkämpfe im Fußball als Werbeträger für eine saarländische Autonomie zu nutzen. In Hinblick auf den Vereinsfußball betraf die Internationalisierung nicht nur die seit 1948 möglich gewordenen internationalen Freundschaftsspiele. Für den 1. FC Saarbrücken wurde für die Saison 1949/50 eigens der „Internationale Saarland-Pokal“ ins Leben gerufen. Teilnehmen konnten alle Vereine, die über ihre Verbände der FIFA angehörten. Der Wettbewerb stand unter der Schirmherrschaft des Hohen Kommissariats und der saarländischen Regierung, die hohe Geldmittel zur Verfügung stellten. Zahlreiche Vereine aus Ländern von Skandinavien bis Jugoslawien und sogar aus Chile nahmen an dem hochdotierten Wettbewerb teil. Den Pokal in den Händen hielten am Ende die Saarbrücker selbst: Am 11. Juni 1950 besiegten sie im Endspiel und im Beisein der gesamten politischen Elite des Saarlandes den Stade Rennais mit 4:0 Toren. Während die „Coupe Internationale de la Sarre“ Wolfgang Harres zufolge außenpolitisch die Autonomie festigte, wurde sie innenpolitisch als Fehlschlag rezipiert, da der Wettbewerb bei der saarländischen Sportöffentlichkeit zunehmend auf fehlende Akzeptanz stieß. So wurde die zweite Ausgabe des Wettbewerbs, die in der Saison 1950/51 ausgespielt wurde trotz vieler Neuerungen – er wurde für deutsche Vereine sowie für den ebenso mit einer Vertragsspielermannschaft auftretenden VfB Neunkirchen geöffnet – im Frühjahr 1951 vorzeitig abgebrochen.229 auch die saarländische Regierung nun profitieren konnte. Zur Einführung 1936 vgl. KRÜGER, A.: Germany (2003), S. 32f. 227 HARRES: Sportpolitik (1998), S. 36; ausführlich HARRES: Sportpolitik (1997), S. 150–162; zum Olympischen Komitee des Saarlandes und den Olympischen Spielen vgl. ausführlich BERNARDI: Olympische Geschichte (2004), S. 73–144. 228 Ausführlich HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 118–120, 126–128; Art. Saarland-Schweiz B 5:3, in: Sport-Expreß, 22.11.1950. 229 Ausführlich HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 107–110; 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 61f.; zum Règlement de la Coupe Internationale de la Sarre siehe MAE Paris, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre, 322; Abdruck der Statuten siehe Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen, November 1950, S. 5f.

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Bevor auf die Frage nach dem Spielsystem beziehungsweise der Ligazugehörigkeit weiter eingegangen wird, wird zunächst ein weiterer Bereich des Fußballvereinslebens thematisiert, der von der saarländischen Identitätspolitik ab dem Jahr 1950 berührt wurde: Als ein Inszenierungsraum für die Europäisierung der Saar dienten nun auch die Jugendturniere. Vier Wochen, bevor Robert Neufang in einer Kampfabstimmung sein Amt als Vereinsvorsitzender des VfB Neunkirchen verlieren sollte, bat er den Ministerpräsidenten, für das anstehende internationale Jugend-Fußball-Turnier am Ostersonntag 1950 die Schirmherrschaft zu übernehmen.230 Mit dem Turnier, das mit jeweils drei Mannschaften aus Deutschland und Frankreich und zweien aus dem Saarland stattfand, belebte der Verein eine Tradition aus der Völkerbundszeit, die bis 1961 Bestand haben sollte. Für alle Turniere wurden Ehrenausschüsse mit Würdenträgern aus Politik, Wirtschaft und Sport gebildet. Die Schirmherrschaft wurde jeweils vom amtierenden Kultusminister übernommen. Achtseitige Programmhefte informierten über die Mannschaften und den Spielplan und enthielten Geleitworte der Mitglieder des Ehrenausschusses. Derartige Jugendturniere wie in Neunkirchen waren sowohl im Saarland als auch in der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren häufig zu beobachten. Auch der 1. FC Saarbrücken nahm den Gedanken auf und veranstaltete 1952 und 1954 internationale Jugendturniere, an welchen jeweils zehn Jugendmannschaften aus Deutschland, Luxemburg, Frankreich, der Schweiz und dem Saarland teilnahmen.231 Und auch die kleineren saarländischen Fußballvereine ließen es sich nicht nehmen, internationale Jugendturniere zu veranstalten. Neben den Vereinen in Völklingen, Hühnerfeld und Otzenhausen nahm es selbst die Sportvereinigung Dorf im Warndt für sich in Anspruch, ein „Internationales WarndtjugendPokalturnier“ auszurichten.232 Die internationalen Gegner stammten dabei aus der unmittelbaren Umgebung aus der Pfalz und der Moselle. Waren in Neunkirchen Mannschaften des FC Schalke 04 und des Grazer AK zu Gast, waren es in Hühnerfeld entsprechend Olympique Merlebach oder ASV Hochfeld. Die Bereitschaft der Saar-Regierung für Schirmherrschaften und finanzielle Zuschüsse von Jugendturnieren war insgesamt groß. Kleineren Turnieren wurde ein Pokal gestiftet, größere erhielten Geldsummen zugesprochen. Den Erinnerungen Manfred Webers zufolge, der zu dieser Zeit Leiter der Jugendabteilung des VfB Neunkirchen war, waren die Turniere „top organisiert“ und von der Regierung großzügig unterstützt worden. Jederzeit hätten Busse bereit gestanden, um die Mannschaften von den Pensionen zum Stadion hin und zurück zu fahren.233 230 Schreiben Neufang an Hoffmann, 25.3.1950, in: LA Saarbrücken, StK 1038. 231 Art. 1860 München Sieger in Saarbrücken, in: Sport-Welt, 15.4.1952; Art. Malstatts Nachwuchs stolzer Pokalgewinner, in: ebda., 20.4.1954; siehe auch ausführliche Berichterstattung in: Monatszeitschrift des 1. FC Saarbrücken, Jan./Feb. 1955 und Apr./Mai 1955. 1955 überreichte Minister Heinz Braun der Siegermannschaft den Pokal der Europa-Union. 232 Siehe Schreiben des Jugendleiters Feller an den „Regierungspräsidenten“ bzw. „Landesminister“ Hoffmann, 23.7.1950, 19.5.1951. 233 Gespräch mit Manfred Weber, 24.11.2007; zu den finanziellen Subventionen siehe internes Schreiben Geibig an Klitscher, 29.11.1951, in: LA Saarbrücken, InfA 401.

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Die Jugendturniere boten sich einer saarländischen Identitätspolitik als idealer Inszenierungsraum an. Aufgrund ihres ausgesprochen europäischen Charakters und vor dem Hintergrund des beginnenden europäischen Einigungsprozesses Anfang der fünfziger Jahre konnten die Turniere als Werbeträger eines europäisch orientierten Saarlandes dienen. Dadurch, dass der Verein als explizit saarländischer Gastgeber auftrat – in den Programmheften wurde deutlich zwischen saarländischen und deutschen Vereinen unterschieden – wurde sowohl den Gästen als auch dem heimischen Publikum eine saarländische Identität aufgezeigt, die bewusst gegenüber den Gästen ein „Wir-Ihr-Schema“ konstruierte. Die Turniere unterstrichen damit – von den Vereinen gewollt oder nicht – die Autonomie des Saarlandes. Dies gilt besonders für die Neunkircher Jugendturniere. Das Protektorat für das große Neunkircher Oster-Jugendturnier, das vom 24. bis 26. März 1951 stattfand, übernahm Kultusminister Emil Straus, der damit Schirmherr einer Veranstaltung eines Vereins wurde, den er in jenen Wochen im Verdacht hatte, eine Kampagne für die Rückkehr in die deutsche Südwestliga zu betreiben. Mit im Ehrenausschuss saßen der Neunkircher Bürgermeister Brokmeier, SFB-Präsident Neuberger, Bergwerksdirektor Marcel Motreul sowie Hans Lachmann. Während Straus in seinem Grußwort die erzieherischen Ideale betonte, würdigte Brokmeier den europäischen Gedanken: „Das Saarland, bewußt seiner besonderen territorialen Lage […], fördert gerne und aus innerer Bereitschaft alles, was die Zusammengehörigkeit der europäischen Völker festigen kann. […] Die Stärkung des Europa-Gedankens sei beim Messen der Kräfte das Hauptziel.“234

In der Nachbetrachtung zum Turnier lobte Albrecht Menzel im „Sport-Expreß“ den Sinngehalt solcher Veranstaltungen gerade für die Jugendlichen, die „begeisterungsfähig und für Ideale aufgeschlossen“ seien: „Auf dem Spielfelde, mehr noch in der Tholeyer Jugendherberge und bei den gemeinsamen Saalveranstaltungen lernten sich die Schweizer, deutschen, französischen, luxemburgischen und saarländischen Jungen kennen und schätzen […]. Und mag der Turniersieg die Hochstimmung des Patron sochalien [FC Sochaux] besonders gesteigert haben, er schoß den Vogel ab in seinem Drang, sich dankbar zu erweisen. Er warf hunderttausend Franken auf den Tisch, lud alle […] ein, mit Sochaux zu feiern, und es war nicht leicht, ihn auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Sochaliens Gäste und nicht Gastgeber waren.“ 235

Jugendleiter Kurt Gluding dankte in der Vereinszeitung für die großzügige Unterstützung von Seiten der Regierung, des Hohen Kommissariats, der Saargrubenverwaltung, der Stadt und der Unternehmen. Eine unmittelbare „völkerverbindende“ Konsequenz gab es für die Jugendabteilung des Vereins: Sie wurde umgehend vom ostfranzösischen Klub FC Sochaux zu einem Gegenbesuch Ende Mai eingeladen.236

234 Siehe VfB Neunkirchen: Programmheft Internationales Oster-Jugendturnier (1951), o. S.; Schreiben VfB Neunkirchen an Brokmeier, 21.3.1951, in: StA Neunkirchen, Varia Nr. 472. 235 Albrecht Menzel: Art. Es hat hingehauen!, in: Sport-Expreß, 1.4.1951. 236 Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen, Juni 1951, S. 6f.

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Bis 1955 änderte sich in den Tendenzen der Grußworte in den Programmheften der Neunkircher Jugendturniere wenig. Johannes Hoffmann, der 1954 und 1955 als Ministerpräsident und Kultusminister persönlich das Protektorat übernahm, betonte nachdrücklich die politische Bedeutung solcher Turniere. Für ihn sei es eine Freude, dass der Verein „sich mit einschaltet in die Bemühungen, die Jugend Europas zusammenzubringen.“ Es sei „wertvolle politische Erziehungsarbeit im Sinne der Völkerverständigung und des europäischen Zusammenschlusses.“ Der Verein unterstütze, so schrieb er im Jahr des Referendums 1955, „die Bestrebungen der besten Kräfte Europas, die eine Einigung und damit Frieden und Wohlfahrt für alle Menschen in Europa erstreben.“ Dies sei „Wollen und Ausdruck der gesamten saarländischen Bevölkerung, die Europa ersehnt.“237 Anders als bei den Jugendturnieren tat sich die saarländische Sportpolitik umso schwerer, wenn es galt, den saarländischen Spitzenfußball zufrieden zu stellen. Dies hatte sich trotz der Ausrufung des Internationalen Saarland-Pokals im Herbst 1949 bereits zu diesem Zeitpunkt angedeutet. Ein ausnahmsweise genehmigtes Spiel des 1. FC Saarbrücken gegen den 1. FC Kaiserslautern Ende Oktober 1949 – es war das erste Spiel gegen eine deutsche Mannschaft seit Mai 1948 – zeigte den Behörden, welche Zugkraft solche Spiele haben konnten. Im und vor dem Kieselhumes drängten sich trotz eines Werktages bis zu 40 000 Schaulustige, die sich diesen „Fußball-Klassiker“ gegen die berühmte Mannschaft um Fritz und Ottmar Walter nicht entgehen lassen wollten.238 Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung des VfB Neunkirchen wurde im Juli 1950 mit großer Mehrheit die Gründung einer Vertragsspielerabteilung und die Teilnahme an der kommenden zweiten Ausgabe des Internationalen Saarlandpokals beschlossen. Vorausgegangen war im April die Wahl Willi Buschbaums zum Nachfolger Robert Neufangs.239 Buschbaum, langjähriges Vorstandsmitglied und Spielausschussvorsitzender, schlug für den Klub damit einen neuen Weg hin zur weiteren Professionalisierung ein. In der Hauptversammlung argumentierte Buschbaum, dass der Verein sich dem Berufsfußball, der in der ganzen Welt nicht aufzuhalten sei, nicht länger verschließen wolle. Zwei Jahre Landesliga hätten sich verhängnisvoll ausgewirkt. Der Verein sei „spielkulturell und wirtschaftlich zurückgegangen und das Interesse des verwöhnten Publikums dauernd abgesunken.“240 Durch die Einnahmeausfälle hatte der Kassenbericht für die Spielzeit 1948/49 als auch für 1949/50 ein Defizit zu verzeichnen. Im Sommer 1950 gab die Vereinsspitze in der Vereinszeitung offen zu, dass es ein Fehler gewesen sei, nicht bereits vor zwei Jahren wie der 1. FC Saarbrücken eine Vertragsspielerabteilung gegründet zu haben.241 237 Siehe Borussia Neunkirchen: Programmheft 4. Internationales Jugend-Turnier (1954) o. S.; Programmheft 5. Internationales Jugend-Turnier (1955), o. S. 238 Zum Spiel, das der Gast mit 5:3 gewann, vgl. REICHELT: Das Spiel (2011), S. 137–143. 239 Albrecht Menzel: Art. Neue Männer leiten den VfB, in: Sport-Expreß, 26.4.1950. 240 Albrecht Menzel: Art. Neue Blütezeit Neunkirchens?, in: Sport-Expreß, 29.6.1950. 241 Josef Becker: Art. Der neue Kurs, in: Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen, 1.8.1950, S. 4; siehe Kassenberichte 1948/49 und 1949/50, in: Saarl. SpA, Best. Borussia Neunkirchen, Protokolle 1948–1950.

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Neben der Aufstellung einer Vertragsspielermannschaft ließ sich Buschbaum zum hauptamtlichen Geschäftsführer ernennen und ließ im August Hans Lachmann zum neuen Ersten Vorsitzenden wählen. Der vierzigjährige Unternehmer wurde im Verein als „Repräsentant mit guten Verbindungen“ eingeführt. Der Sohn eines jüdischen Unternehmers aus Neunkirchen war 1935 nach Frankreich emigriert, hatte die französische Staatsbürgerschaft angenommen, sich 1942 der Résistance angeschlossen und war 1944 ins Konzentrationslager verschleppt worden. Während sein Bruder Kurt Lachmann in Saarbrücken zum Polizeipräsidenten aufgestiegen war, hatte Hans nach seiner Rückkehr beim ehemaligen elterlichen Betrieb Menesa als Teilhaber und kaufmännischer Direktor eine neue Existenz aufgebaut. Für den VfB Neunkirchen war die Verbindung insofern bedeutsam, da er über seinen Bruder nicht nur über gute Beziehungen zu den saarländischen und französischen Behörden verfügte. Die Menesa, eine Fabrik zur Herstellung von Aluminiumgeschirr, war mit rund 800 Beschäftigten Anfang der fünfziger Jahre außerdem der zweitgrößte Betrieb in der Stadt. Nicht zuletzt dadurch konnte der Verein mehrere Vertragsspieler im Unternehmen unterbringen.242 Wenngleich die Fußballvereine in Bereichen wie internationalen Jugendturnieren sich – wohl nicht zuletzt dank der finanziellen Unterstützung – im Einklang mit der Regierung befanden: in der Frage des Spielsystems verfolgten die Fußballklubs ihre eigenen sportpragmatischen Ziele. Grandvals Prophezeiung gegenüber dem französischen Außenminister Schuman vom Juni 1949 sollte sich bewahrheiten: „Le Football sarrois, rejeté par le Football français, ne pourrait faire autrement que de se tourner vers le Football allemand (…).“243 Dass es zu dieser Hinwendung nach Deutschland kam, war nicht zuletzt das Ergebnis einer wachsenden Unzufriedenheit der Vereine mit der sportlichen Situation. Bereits bei der Einführung des Vertragsspielertums in Neunkirchen im Sommer 1950 hatte der Vorsitzende Buschbaum klar artikuliert, wohin der Klub wollte. Die Teilnahme am Saarlandpokal betrachtete er als Zwischenlösung, da vorläufig eine Beteiligung an der deutschen Südwestliga noch nicht möglich sei. Immerhin, so erhoffte er es sich, gebiete der Wettbewerb „der weiteren Stagnation des Saarspitzenfußballs Einhalt“.244 Allerdings wurden Buschbaums Hoffnungen bereits im Herbst 1950 enttäuscht. Selbst die Teilnahme hochkarätiger Mannschaften am Internationalen Saarlandpokal vermochte nur noch wenige Zuschauer ins Stadion zu locken. Zum Spiel VfB Neunkirchen gegen den 1. FC Kaiserslautern erschienen nur etwa 4 000 Zuschauer, gegen Metz waren es nur noch 2 000. Beim 1. FC Saarbrücken wurde von einer „Überfütterung des Publikums mit internationaler Kost“ gesprochen. Erich Menzel kritisierte im „Sport-Expreß“ die Unübersichtlichkeit des Spielsystems, welchem der Reiz der Meisterschaft und der wechselnde Tabellen242 Zu Hans Lachmann siehe Kurzbiografie im Anhang sowie seine Akte im Landesentschädigungsamt, in: LA Saarbrücken, LEA 345; zur Menesa vgl. u.a. Stadtverwaltung Neunkirchen (Hg.): Festschrift Ausstellung Eisen und Stahl in Neunkirchen (1952), S. 58. 243 Schreiben Grandval an Schuman, 4.6.1949, in: MAE, Série Z Europe 1944–1960, sous-série Sarre 64; veröffentlicht auch im Quellen- und Arbeitsbuch von HUDEMANN/HEINEN: Das Saarland (2007), S. 491–497. 244 Albrecht Menzel: Art. Neue Blütezeit Neunkirchens?, in: Sport-Expreß, 29.6.1950.

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stand in einer langen Serie von Punktspielen fehle.245 Der laufende Spielbetrieb verursachte gerade beim VfB Neunkirchen wachsende Kosten, die nicht mehr bewältigt werden konnten. Im November 1950 wurde auf einer Mitgliederversammlung festgehalten, „dass die Saarlandpokalspiele eben nur ein mehr als dürftiger Ersatz einer Verbandsspielrunde sind und dass unbedingt für die Zukunft die Mitwirkung unserer Vertragsmannschaft in einer deutschen oder französischen Meisterschaftsrunde erreicht werden muss.“246 Die Initiative Buschbaums, den Verein neu aufzustellen, war hervorgerufen worden durch die weiterhin bestehende Isolation und den damit verbundenen sportlichen und wirtschaftlichen Niedergang. In diesem Rahmen hatten sich bereits seit Ende 1949 die Stimmen gemehrt, die für eine Wiederaufnahme der Beziehungen zu den deutschen Vereinen plädierten. Im Januar 1950 wurde in der Abteilung P6, der seinerzeit berühmt-berüchtigten „politischen Polizei“ des Innenministeriums247, über die Stimmung in den Sportkreisen berichtet. So sei die Opposition gegen den Präsidenten des VfB Neunkirchen, Robert Neufang, immer stärker geworden. Ihm sei vorgeworfen worden, „zu stark nach Westen zu sehen, und zu gute Beziehungen zum Hohen Kommissariat zu pflegen.“ Hinzu kämen die finanzielle Lage des Vereins und die abnehmenden Zuschauerzahlen. Die Forderung „nach stärkerer Wiederaufnahme mit deutschen Mannschaften“ werde immer lauter, da die französischen Berufsmannschaften zu teuer seien. Auch über Homburg und St. Ingbert wurde ähnliches berichtet, wo sowohl von den Spielern als auch vom Publikum die rasche Wiederaufnahme von Spielen gegen pfälzische Mannschaften verlangt werde.248 Erich Menzel wurde als Chefredakteur des „Sport-Expreß“ zum Jahreswechsel 1950/51 recht deutlich, als er neben der Einführung des Fußball-Totos zugleich die Rückkehr zur Südwestliga einforderte.249 Seine Ausführungen spiegelten die Stimmungen und Forderungen im Umfeld des 1. FC Saarbrücken und des VfB Neunkirchen wider. In der Neunkircher Vereinszeitung zog Pressewart Josef Becker ähnliche Schlussfolgerungen und gab auch der Verwirklichung einer eigenen saarländischen Profiliga keine großen Chancen, da vier bis fünf weitere Vertragsspielerabteilungen finanziert werden müssten. Die Rückkehr in die Oberliga

245 Erich Menzel: Art. Alte Freunde treffen sich im Ellenfeld, in: Sport-Expreß, 26.12.1950; 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 66. 246 Geschäftsbericht für das 2. Quartal 1950/51, in: Saarl. SpA, Best. Neunkirchen, Protokollakten 1948–1950. 247 Die Abteilung P6 bestand innerhalb des innenministeriellen Polizeireferats. Wenngleich der Forschung zufolge die Bedeutung der nur wenige Mitarbeiter umfassenden Abteilung in der Vergangenheit überschätzt wurde, arbeitete sie tatsächlich in erster Linie verdeckt gegen die politischen Gegner des Ministerpräsidenten Hoffmann und der Regierungspartei CVP. Vgl. knapp KUNZ: Geschichte (2010), S. 496f. 248 P6-Bericht vom 18.1.1950: „Stimmung in den Sportkreisen Neunkirchen - Homburg“, in: LA Saarbrücken, NL Edgar Hector, Carton 3. 249 Erich Menzel: Art. Zwei Wünsche für 1951, in Sport-Expreß, 26.12.1950; Erich Menzel.: Rubrik „Zwischen den Sonntagen“, in: ebda., 7.1.1951; ausführlich zur Rückkehr des Saarfußballs in die deutsche Liga vgl. HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 140–146.

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Südwest sei die einzige Alternative. In seiner Argumentation bemühte sich der Verein jedoch, rein sportliche Gründe gelten zu lassen: „Die Vorstände der beiden Vertragsspielervereine sind durchaus verfassungstreu. Es wäre absurd, ihnen irgendwelche politischen Hintergedanken zuzutrauen, wenn sie die Aufnahme ihrer Vertragsspielermannschaften in die Südwestliga fordern.“ 250

Die vom SFB unter Hermann Neuberger unterstützten Bestrebungen wurden im Kultusministerium unter Emil Straus mit Besorgnis registriert. Gegenüber dem Ministerpräsidenten warnte er im Januar 1951, dass sie „von der Öffentlichkeit als ein Schlag gegen die saarländische Autonomie aufgefasst werden.“ Als treibende Kräfte vermutete er Hermann Neuberger, Vorstandsmitglied beim 1. FC Saarbrücken und ab 1951 Präsident des SFB sowie Erich Menzel vom „Sport-Expreß“.251 In den folgenden Wochen wurde auf verschiedenen Ebenen versucht, die Rückkehr in die Südwestliga zu verhindern. Im Februar 1951 traf sich Sportreferent Ludwig Geibig – zugleich Präsident des ASC Dudweiler – mit Vertretern der Landesligavereine. Er stellte großzügige finanzielle Unterstützung in Aussicht, wenn der SFB von seinen Plänen Abstand nehme. Neuberger verwahrte sich gegenüber Geibig einer Einmischung und führte aus, „dass die Regelung von sportlichen Angelegenheiten man den Fachleuten überlassen soll und […] dass der Herr Ministerpräsident und Herr Minister Dr. Straus keine Ahnung von sportlichen Dingen hätten.“252 Auch das „Sport-Echo“ unter seinem Chefredakteur Fritz Winners hatte sich Anfang 1951 auf die Seite der Südwestliga-Befürworter geschlagen. Im Januar kontaktierte Winners die FIFA, um auszuloten, inwieweit grundsätzlich rechtliche Voraussetzungen für grenzüberschreitende Meisterschaftsrunden bestünden. Aus dem Antwortschreiben der FIFA an das „Sport-Echo“ ging hervor, dass bei einem Einverständnis beider Landesverbände grundsätzlich keine Einwände vorzubringen seien.253 Dies spielte dem SFB insofern in die Hände, da die Aussage umgehend auf die Teilnahme saarländischer Vereine am deutschen Spielverkehr umgemünzt und dies so im „Sport-Echo“ veröffentlicht wurde. Das Schicksal des Sport-Echo war damit jedoch besiegelt. Auf Drängen des Kultusministers Straus wurden die beiden saarländischen Sportblätter zum 1. August zur „Sport-Welt“ fusioniert. Ziel war es, die Sportpresse besser zu kontrollieren. Chefredakteur wurde der Franzose Ernst Meyer, der zeitweilig Chef der Informationsabteilung der französischen Militärregierung in Wien gewesen war.254 Im Hohen Kommissariat wurden unterdessen mehrere innovative, alternative Konzepte vorgelegt. Jedoch konnten weder eine grenzüberschreitende Liga mit Lu-

250 Josef Becker: Art. Der Ruf nach Punktespielen, in: Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen, 1/1951, S. 4. 251 Schreiben Straus an Hoffmann, 12.1.1951, in: LA Saarbrücken, StK 2420. 252 Bericht Geibigs für den Ministerpräsidenten, 15.2.1951, in: LA Saarbrücken, StK 2420. 253 Schreiben Winners an die FIFA, 26.1.1951, Schreiben FIFA an das Sport-Echo, 5.2., 9.2.1951, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101, doc. 218, 226, 233. 254 Akte Dr. Ernst Meyer, in: LA Saarbrücken, InfA 378; REICHELT: Die saarländische Sportpresse (2010), S. 425f.

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xemburg und Belgien noch eine saarländische Sponsorenliga mit acht Vertragsspielervereinen – kurz „Achterliga“ genannt – realisiert werden. Am 22. April 1951 wurde vom SFB eine Pressemitteilung übermittelt, die bekannt gab, dass der SFB und der Fußballverband Rheinland-Pfalz mit Zustimmung des DFB die Vereinbarung getroffen hätten, „vom Spieljahre 1951/52 ab den 1. FC Saarbrücken und den VfB Neunkirchen mit allen Rechten und Pflichten an der Meisterschaftsrunde der Südwestdeutschen Oberliga teilnehmen zu lassen.“255 Drei Tage später erfolgte in einer Vorstandssitzung des VfB Neunkirchen in Abwesenheit des Präsidenten Hans Lachmann einstimmig die Zustimmung zur Teilnahme an deutschen Ligaspielen. Am selben Abend erfolgte der entsprechende Vorstandsbeschluss bei nur einer Enthaltung beim 1. FC Saarbrücken. Zeitgleich kam es im Büro des Ministerpräsidenten zu einer Krisensitzung der Spitzen des Hohen Kommissariats und der saarländischen Regierung. Während insbesondere Grandval sich beunruhigt zeigte, riet Erwin Müller von Sanktionen gegenüber dem SFB und den Vereinen ab. Er mahnte, dass die den SFB-Kurs stützenden Sozialdemokraten daraus politisch Kapital schlagen könnten. Erst wenige Tage zuvor hatten die Minister der SPS die Regierung Hoffmann verlassen und waren nun auf der Oppositionsbank zu finden. Zwar nahm sich die Regierung Anfang Mai das Recht, die Vereinbarungen des Saarländischen Fußballbunds noch einmal rechtlich zu prüfen. Letztlich verhindern konnte die Regierung die „Rückkehr“ des Saarfußballs nicht mehr.256 Neben dem 1. FC Saarbrücken und dem VfB Neunkirchen meldete auch der SV Saar Saarbrücken in den kommenden Wochen seinen Anspruch auf einen Platz in der Südwestliga an. Der zahlenmäßig größte Omnisportverein des Saarlandes, der infolgedessen als dritter saarländischer Verein eine Vertragsspielerabteilung gründete, sollte in der darauf folgenden Saison einen Startplatz zugesprochen bekommen.257 Ende Juli 1951 – kurz vor dem regulären Start in der Oberliga Südwest – kam es beim VfB Neunkirchen zu einem von der Vereinsbasis lange geforderten formalen Akt: die Wiedereinführung des Namens „Borussia“. Für den Verein stellte dies den Schlusspunkt dar unter die „Irrungen und Wirrungen der Nachkriegspsychose.“ Betont wurde allerdings, dass der Name niemals politisch gewesen sei, sondern die großen sportlichen Erfolge des Klubs symbolisiere.258 Sportlich sorgte die Rückkehr der Saarvereine in die deutsche Oberliga Südwest bereits in der ersten Saison für Furore. Der 1. FC Saarbrücken setzte sich in der Oberliga nicht nur gegen alle Konkurrenten durch, sondern erreichte sogar das Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Während sowohl in Bonn als auch in Paris diese Situation als eine politische Demonstration gefürchtet wurde, reagierte der saarländische Mi255 Art. Saarvereine doch in der Südwestliga, in: Sport-Expreß, 22.4.1951. 256 Protokoll einer Besprechung im Büro des Ministerpräsidenten, 25.4.1951; Schreiben Hoffmann an Saarländischer Fußballbund, 4.5.1951, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 257 Art. 1952/53 wieder in der Oberliga Südwest!, in: Monatsschrift Sportverein „Saar“ Saarbrücken Juli/August 1951. 258 Art. Borussia, in: Borussia-Vereinsnachrichten, Sept. 1951; Art. Wieder Borussia, in: SportWelt, 6.8.1951.

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nisterpräsident souverän, indem er das durch den sportlichen Siegeszug ausgelöste Gemeinschaftsgefühl voll unterstützte. Er sprach von einer Verbundenheit zum deutschen Volkstum, wissend dass das regionale Sonderbewusstsein durch das Endspiel gestärkt wurde. Wenngleich die Malstatter sich dem VfB Stuttgart am 23. Juni 1952 in Ludwigshafen mit 2:3 Toren geschlagen geben mussten, wurde die Mannschaft bei ihrer Rückkehr in der Heimat gefeiert. Zehntausende säumten die Straße bis zum Rathausplatz und „Schritt für Schritt mussten sich die vielen blumenüberhäuften Mercedes-Cabriolets mit den Spielern den Weg durch die begeisterte Menge bahnen.“259 Bejubelt wurden auch die Grußworte des Ministerpräsidenten, dem es gelang, den sportlichen Erfolg „seiner Saarländer“ in Deutschland und den damit verbundenen überschäumenden Regionalstolz als Erfolg für seine Autonomiepolitik zu verbuchen.260 Als Fazit bleibt zu ziehen, dass die saarländische Identitätspolitik nur dann erfolgreich agieren konnte, wenn die Eigeninteressen des Sports mit denen der Politik kongruent waren. Dies war bei der Teilnahme an internationalen Wettbewerben der Fall, weniger jedoch dann, wenn durch die Autonomiepolitik die Isolierung des Saarsports drohte. Dies zeigte sich besonders im Saarfußball. Die Vereine nahmen zwar staatliche Unterstützung für internationale Freundschaftsspiele und Jugendturniere gerne in Anspruch. Gefährdete aber die Autonomiepolitik die sportliche Weiterentwicklung der Fußballvereine, dann waren dem Inszenierungsraum Fußball sportlich wie kommerziell Grenzen gesetzt. Als sportpolitische Akteure setzten die Fußballvereine eigene Akzente, indem sie weniger den sportpolitischen Vorgaben folgten als vielmehr mit dem Prinzip des Vereinspragmatismus ihren eigenen Interessen. 9.5 Vom Gegeneinander zum Miteinander Saarländisch-lothringische Begegnungen in der Nachkriegszeit Als im Frühjahr 1948 Freundschaftsspiele saarländischer Fußballmannschaften mit französischen und internationalen Fußballmannschaften wieder offiziell möglich wurden, schrieb Erich Menzel im „Sport-Echo“ begeistert: „Die Tore nach Westen sind geöffnet! Unsere alten Freunde in Metz, Nancy, Strasbourg, Mulhouse, Luxemburg, Esch, Differdingen und wo sie auch immer sein mögen, freuen sich gewiß auf neuen Sportverkehr.“261

Dass der „neue Sportverkehr“ nicht überall gut geheißen wurde, dürfte dem renommierten Sportjournalisten allerdings bewusst gewesen sein. Noch ein Jahr zuvor hatte es in der elsässischen, aber auch in der lothringischen Sportöffentlichkeit starken Protest gegeben, als die französischen Behörden in Saarbrücken zwei

259 1. FC Saarbrücken: Festschrift 50 Jahre (1953), S. 81; Siehe ausführliche Berichterstattung in der Sport-Welt-Ausgabe vom 23.6.1951; SKRENTNY: Teufelsangst (1996), S. 156. 260 In diesem Sinne HARRES: Sportpolitik (²1999), S. 145f. 261 Erich Menzel: Art. Mit Frankreich verbunden, in: Sport-Echo, 3.5.1948.

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Spiele saarländischer gegen französische Mannschaften nicht nur genehmigt, sondern sogar bewusst initiiert hatten.262 Hintergrund des seinerzeitigen Protestes war nicht zuletzt das offizielle FIFAVerbot des Spielverkehrs mit deutschen Fußballvereinen gewesen. Und auch im Mai 1948 lag über den deutschen Vereinen – das Saarland eben ausgenommen – der Bann des internationalen Fußballs. Wie nach 1918 war es auch 1945 zum Sportboykott der Alliierten gegenüber den besiegten Mächten gekommen. Wie aus anderen internationalen Sportverbänden wurde Deutschland auch aus der FIFA ausgeschlossen. Das politische Ende des Deutschen Reiches, die damit verbundene Auflösung der deutschen Sportorganisationen und damit das Fehlen eines offiziellen Ansprechpartners auf deutscher Seite hatten den im November 1945 vollzogenen Ausschluss erleichtert. Trotz der langjährigen guten persönlichen Kontakte zwischen dem FIFA-Generalsekretär Ivo Schricker und dem ehemaligen deutschen FIFA-Vertreter Peco Bauwens wurde eine weitere Mitgliedschaft Deutschlands im Weltfußballverband von einer großen Mehrheit der FIFAMitglieder abgelehnt. Jeglicher Spielverkehr mit Vereinen aus Deutschland wurde ab sofort verboten.263 Offizielle internationale Spiele deutscher Mannschaften waren in den vier Besatzungszonen daher eigentlich tabu und konnten nur abseits der bürokratischen Hürden und in hohem Maße improvisiert stattfinden. Eine Ausnahme war beispielsweise am 15. September 1946 ein nicht genehmigtes Fußballspiel zwischen dem ASV Villingen 08 und dem Zürcher Vorortklub FC Schlieren gewesen. Der Schweizerische Fussball- und Athletikverband (SFAV) war es auch, der in den Nachkriegsjahren unablässig Druck auf die FIFA ausübte, den Spielverkehr freizugeben, wobei er im Streit mit der FIFA auch auf den „Sonderfall“ des Saarlandes verwies. Im Oktober 1948 organisierten die Schweizer – gegen den ausdrücklichen Willen der FIFA – drei Spiele von Schweizer Stadtauswahlen in Stuttgart, Karlsruhe und München, bei denen insgesamt bis zu 150 000 Zuschauer gezählt wurden. Die vor allem im mittel- und osteuropäischen Ausland kritisierten Spiele markierten trotz FIFA-Sanktionen das beginnende Ende der sportpolitischen Isolation Deutschlands. Ein halbes Jahr später, am 6. Mai 1949, hob die FIFA das Spielverbot für deutsche Vereinsmannschaften auf und erlaubte offiziell die Austragung internationaler Spiele mit den deutschen Mannschaften.264 Zu diesem Zeitpunkt war die offizielle Freigabe internationaler Spiele an der Saar exakt ein Jahr alt. Es war – wie bereits ausführlich dargestellt – dem saarländischen „Sonderweg“ nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken, dass der saarländische Fußball schneller als erhofft wieder internationale Spiele austragen konnte. Nicht nur war es im Frühjahr 1947 zu den ersten saarländischfranzösischen Fußballspielen gekommen. Seit Mai 1948 konnte der Saarländische 262 Siehe Kapitel 9.1. 263 Der DFB wurde auf der ersten Nachkriegssitzung des Exekutivkomitees am 10.11.1945 von der Mitgliederliste gestrichen und Peco Bauwens persönlich aller Ämter enthoben. Ausführlich WAHLIG: Ein Tor (2008), S. 39–46. 264 WAHLIG: Ein Tor (2008), S. 35–37; 66–93; 97–99.

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Fußball auch offiziell und mit dem Segen der FIFA internationale sportliche Beziehungen eingehen und wurde im weiteren Verlauf offiziell in den internationalen Fußballverband aufgenommen. Förderer waren dabei nicht nur die die französischen Behörden vor Ort gewesen. Tatkräftige Unterstützung hatte der Saarfußball auch durch FIFA-Präsident Jules Rimet erfahren, der seiner Verantwortung als französischer Staatsbürger damit mehr als gerecht wurde und damit bewusst der von Frankreich gewollten saarländischen Autonomie den Rücken stärkte. Die sportlichen Beziehungen des Saarlands zu den lothringischen und elsässischen Nachbarn im französischen Grenzraum gestalteten sich unterschiedlich. Zwar hatte es ebenso wie im Elsass in der Moselle gegen die saarländischfranzösischen Spiele im Jahr 1947 Protest gegeben. Die Ligue de Lorraine unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Maurice de Vienne nahm aber anders als ihr elsässisches Pendant eine ambivalente, wenn nicht gar positiv gestimmte Haltung gegenüber den saarländischen Nachbarn ein. Gerade de Vienne hatte nach dem Krieg gegenüber dem saarländischen Fußball keinerlei Berührungsängste gehabt. Wie bereits beschrieben, hatte er sich bereits im Sommer 1946 ein Freundschaftsspiel zwischen dem 1. FC Saarbrücken und einem Verein der Ligue de Lorraine vorstellen können.265 Dies kam jedoch ebenso nicht zustande wie auch im Frühjahr 1947 bei den ersten saarländisch-französischen Begegnungen keine Vereine aus Lothringen berücksichtigt wurden. Die offizielle Wiederaufnahme der sportlichen Beziehungen im Fußball ab Mai 1948 dürfte de Vienne jedoch dann erfreut haben. Im Beisein der französischen Behörden empfing der 1. FC Saarbrücken am 6. Mai 1948 die Profimannschaft des FC Nancy. Zur selben Zeit spielte Borussia Neunkirchen gegen den Racing Club de Strasbourg und drei Tage später gab der FC Metz beim SV Saarbrücken ein Gastspiel.266 Die Auftritte der Profimannschaften aus Nancy, Metz und Straßburg im Saarland waren angesichts der nur wenige Wochen zuvor geschürten nationalen Ressentiments in Metz und im Elsass in Hinblick auf eine Affiliation des Saarfußballs etwas überraschend. Dies gilt vor allem für den elsässischen Vertreter, dessen Spiel Pierre Perny zufolge zuhause im Elsass sehr kritisch gesehen wurde. Gerade Aimé Gissy, der sich Spiele mit deutschen Vereinen verbat, dürfte über die Fahrt des Straßburger Vereins an die Saar nicht erfreut gewesen sein. Gissys Sportzeitung „Sport Est“, immerhin offizielles Organ der LAFA, reagierte in seiner Weise: Während über Gastspiele französischer Klubs bei französischen Militärmannschaften in der Französischen Zone ausführlich berichtet wurde, wurde das Spiel des RC Strasbourg an der Saar mit keinem Wort gewürdigt.267

265 Siehe Kap. 9.1, S. 318. 266 „Relations sportives franco-sarroises“, S. 3, in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101. 267 Spiele eines Straßburger Vereins gegen eine französische Militärmannschaft in der besetzten Zone wurden dagegen sehr breit referiert. Vgl. PERNY: Le football (2009), S. 366.

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Die Fußballvereine in der Westmark und an der autonomen Saar

Saarländisch-französische Fußballspiele 1948/49

Ligue de Lorraine

50

Ligue d’Alsace Andere 9

117

Abbildung 6

Die Freigabe der sportlichen Beziehungen bezog sich auf andere Sportarten und Veranstaltungen. Dies betraf im nationalen Rahmen im Mai 1948 auch die 35. Aus-tragung der weltweit renommierten Radrundfahrt Tour de France. So führte am 17. Mai 1948 die achtzehnte Etappe von Straßburg über Saarbrücken nach Metz. Dies war insofern von Bedeutung, war dieses seit 1903 ausgetragene französische Massen- und Medienspektakel doch längst zu einem Träger kultureller Nationsbildung und republikanischer Selbstvergewisserung gereift. Wie in der Zwischenkriegszeit, als Metz zwischen 1918 und 1939 achtzehn Mal Etappenstadt war, war auch hier eine bildwörtlich „er-fahrene“ Integration der Saar Ende der vierziger Jahre durchaus gewollt.268 Die Normalisierung der sportlichen Beziehungen zwischen der Moselle und dem Saarland erfolgte in dieser Phase rasch. Seit jenem Monat nahmen die Spiele saarländischer Vereine gegen Klubs aus der Moselle wieder stark zu. Die Ligue de Lorraine stellte mit weitem Abstand die meisten Gegner bei saarländischfranzösischen Begegnungen. Zahlen liegen hierbei für die Saison 1948/49 vor. Die Section Jeunesse et Sports des Hohen Kommissariats in Saarbrücken zählte insgesamt 176 Fußballspiele zwischen saarländischen und französischen Mannschaften. Mit 117 Vereinen stellte die Ligue de Lorraine zwei Drittel aller Klubs. Lediglich neun Klubs (5 Prozent) kamen aus dem Elsass (siehe Abb. 6). Der internationale Spielverkehr an der Saar in jener Saison betraf überhaupt fast ausschließlich französische Mannschaften. Insgesamt kam es nur zu 22 weiteren internationalen Begegnungen, wobei alleine vierzehn Mannschaften aus Österreich anreisten. Der Spielverkehr mit den westlichen Nachbarländern Luxemburg und Belgien beschränkte sich dabei jeweils auf nur ein Spiel. Der saarländische Verein mit den meisten internationalen Spielen war dabei – wenig überraschend – der 1. FC Saarbrücken mit 49 Spielen, der in dieser Saison allerdings als Hospitant in der zweiten französischen Division zahlreiche Spiele gegen französische 268 Die kulturhistorische Einordnung der Tour de France in den Kontext der saarländischfranzösischen Beziehungen stellt noch ein Desiderat dar. Zu diesem Absatz vgl. PERNY: Le football (2009), S. 366; HEINEN/HÜSER: Vorwort (2008), S. 1.

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Profiklubs absolvierte. Es folgt der VfB Neunkirchen mit 22 Begegnungen. Die weiteren 120 Spiele verteilten sich auf 45 weitere, meist kleinere saarländische Vereine. Den Presseberichten zufolge gab es bei den Spielen keine Zwischenfälle. Insofern handelte es sich bei einem Freundschaftsspiel zwischen dem SV Homburg und der US Forbach, das Ende Juli 1948 in Homburg stattfand, wohl um eine Ausnahme. So vermeldeten die französischen Behörden ein brutales Spiel beider Mannschaften, bei welchem die „Taktik der Gewalt“, so der Bericht der französischen Sûreté allerdings in erster Linie von den französischen Spielern ausgegangen sei.269 Im November 1949 fuhr ein Tross des Saarländischen Fußballbundes über die Grenze nach Metz. Auf dem Plan stand das erste Auswahlspiel einer saarländischen Auswahlmannschaft gegen eine Auswahlelf der Ligue de Lorraine. Letztere setzte sich aus den Profis des FC Metz und des FC Nancy zusammen. Die saarländische Auswahl formierte sich aus Spielern des 1. FC Saarbrücken und des VfB Neunkirchen. Vor dem Spiel wurde die saarländische Delegation von den lothringischen Gastgebern zum Mittagstisch in ein Metzer Restaurant eingeladen. Mit dabei war Erich Menzels Bericht zufolge auch wieder „Freund Bichelberger“, der sich gut an seine „Kombattanten“ aus der Westkreisliga vor dem Ersten Weltkrieg erinnert habe. Eine Zeit, seit der nun vier Jahrzehnte hinweggegangen seien.270 Das „kleine Länderspiel“ auf der Metzer Symphorieninsel selbst, wie die Begegnung von der saarländischen wie auch von der Metzer Presse nicht ohne ironischen Unterton genannt wurde, erfuhr nicht zuletzt aufgrund des Regenwetters bei den Zuschauern nicht den erwarteten Zuspruch. Objektivität wurde dem Publikum vom „Sport-Expreß“ allerdings zugesprochen, der von einem souveränen Sieg der Saarländer sprach, die mit 4:0 Toren das Spiel gewannen.271 Im April 1951 fand im Neunkircher Ellenfeld das „Revanchetreffen“ statt. In Anwesenheit von etwa 7 000 Zuschauern wurde von einem Flieger, der den Aufdruck der Homburger Brauerei Karlsberg trug, der Ball abgeworfen. Das Spiel selbst gewann die saarländische Kombination mit 4:2 Toren.272 Seit 1949 war der FC Metz zu einem regelmäßigen Gegner der saarländischen Spitzenvereine geworden. Sowohl in der Saison 1949/50 als auch 1950/51 nahm der führende Klub aus der Moselle am Internationalen Saarland-Pokal teil, bei welchem die lothringische Profimannschaft auf die beiden Vertragsspielermannschaften des 1. FC Saarbrücken und des VfB Neunkirchen traf. Doch gerade in diesem von den saarländischen Fußballanhängern nicht angenommenen Wettbewerb zeigte sich, dass auch der FC Metz für das von internationalen Begegnungen

269 Bericht „Organisation du sport et plus spécialement du Football sarrois de 1945 au rattachement économique“, S. 4f., in: AOF Colmar, HCF Sarre, Cabinet 101; Schreiben Inspecteur de Sûreté Nationale, 31.7.1948, in: ebda. Vgl. auch GROßMANN: Sportpolitik (2005), S. 520, Fußnote 53. 270 Art. Saarland - Lothringen 4:0, in: Sport-Expreß, 13.11.1949. 271 Art. Saarland - Lothringen 4:0, in: Sport-Expreß, 13.11.1949. 272 Art. Saarland gegen Lothringen 4:2, in: Sport-Expreß, 15.4.1951.

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Die Fußballvereine in der Westmark und an der autonomen Saar

inzwischen verwöhnte Publikum keine hohe Anziehungskraft mehr besaß. Den Neunkircher 1:0-Sieg Ende Dezember 1950 sahen lediglich 2 000 Zuschauer.273 Fußballspiele mit elsässischen Vereinen waren – wie bereits erwähnt – rarer gesät. Am 3. Juni 1950 empfing der RC Strasbourg den VfB Neunkirchen.274 Es war das erste Spiel einer saarländischen Mannschaft seit Ende der Feindseligkeiten, wie eine Elsässer Tageszeitung erwähnte. Zwischenfälle blieben aus. Bei anderen – wenn auch wenigen – Spielen kam es dagegen zu Zwischenfällen. Auffällig ist, dass darüber in der französischen Sportpresse häufiger berichtet wurde, beziehungsweise es zu einer völlig unterschiedlichen Wahrnehmung kam. Nachdem der Profiklub Stade Rennes Ende Oktober 1949 ein Spiel in Saarbrücken und eines tags darauf in Neunkirchen absolviert hatte, gab Hans Hoffmann, der Sohn des Ministerpräsidenten, dem „Sport-Expreß“ den Hinweis auf die Berichterstattung im französischen Sportblatt „Sport Ouest France“. Der „SportExpreß“ empörte sich daraufhin, dass der französische Berichterstatter seiner Fantasie freien Lauf gelassen hätte. Berichtet wurde – anders als vom Spiel in Saarbrücken – von einer „Hölle im Ellenfeld“. Rennes, das mit 1:2 Toren verlor, habe in Neunkirchen ein „Gummiknüppel-Match“ erlebt und durch das Geschrei des Publikums sei das Spiel hart und sogar brutal geworden. Das Spiel habe den Charakter eines Straßenkampfes gehabt. Zudem sei die Leistung des Schiedsrichters kläglich gewesen.275

Abb. 7: Karikatur im Sport Est, 10.2.1950

Im „Sport Est“ wurde im Februar 1950 von einem Gastspiel des FC Nancy in Saarbrücken berichtet, nach welchem die Spieler im Anschluss an das Spiel den geplanten Ehrenempfang boykottierten. Es hatte sich um ein Spiel um den Internationalen Saarlandpokal gehandelt, das der 1. FC Saarbrücken mit 4:2 Toren für sich entscheiden konnte. Trainer und Mannschaft hätten sich nicht nur vom saar273 Art. Wieder schlug VfB den FC Metz, in: Sport-Expreß, 26.12.1950. 274 PERNY: Le football (2009), S. 378. 275 Art. Die Hölle im Ellenfeld, in: Sport-Expreß, 13.11.1949.

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ländischen Schiedsrichter benachteiligt gefühlt, sondern seien von den Saarländern auf dem Platz unfair attackiert worden. Zudem sei die Stimmung des Publikums bedrohlich gewesen und sogar der Trainer – so beklagten sich die Spieler in der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ – sei Opfer einer Attacke geworden. Ob die Reibereien auf nationale Ressentiments zurückzuführen oder eher ein Einzelfall waren – möglicherweise ein emotional aufgeladenes Spiel – lässt sich im Nachhinein nicht klären. Von den anderen Gastspielen französischer Teams im Rahmen des Wettbewerbs – im Mai trat unter anderem auch der FC Metz in Saarbrücken an – gab es keine Vorfälle zu berichten. Für den „Sport Est“ waren die Beschwerden des FC Nancy jedenfalls Anlass genug, die sportpolitischen Bemühungen um eine französisch-saarländische Annäherung mit einer Karikatur über die verletzten französischen Spieler zu parodieren (Abb. 7).276 Ein weiteres Feld grenzüberschreitender Begegnungen im Fußball waren zudem die Jugendfußballturniere, die seit den frühen 1950er Jahren verstärkt beiderseits der Grenze durchgeführt wurden und auf welche bereits ausführlich eingegangen wurde.277 Auf Einladungen folgten oftmals auch Gegeneinladungen, so beispielsweise im Fall des FC Sochaux, der im Mai 1951 die Jugendabteilung des VfB Neunkirchen zum „Challenge des Espoirs“ nach Frankreich einlud. Fahrten ins Ausland waren für Jugendliche Anfang der fünfziger Jahre nicht selbstverständlich. Die saarländischen Junioren nutzten daher die Gelegenheit und besuchten auf dieser Reise Straßburg und besichtigten in Sochaux selbst die Peugeot-Werke. Beim gemeinsamen Abendessen im Club-Hotel Peugeot überreichten die Neunkircher dem Gastgeber zur Erinnerung an das Neunkircher Osterturnier ein Bild mit der Hochofengruppe Neunkirchens.278 Alles in allem hatten sich die sportlichen Beziehungen im Fußball im saarländisch-lothringischen Grenzraum in den ersten fünf bis sechs Jahren nach Kriegsende überraschend schnell normalisiert. Kam es bis 1947 noch zu Protesten vor allem in der elsässischen Sportöffentlichkeit, wurden Spiele zwischen saarländischen, lothringischen und elsässischen Mannschaften Anfang der fünfziger Jahre alltäglich und wurden nicht mehr als besonderes Sportereignis wahrgenommen. Herauszuheben ist vor allem, dass sich insbesondere die Beziehungen zwischen Fußballvereinen der Moselle und aus dem Saarland rasch normalisierten. Bezeichnend ist es, dass bereits in der ersten Saison nach der offiziellen Freigabe der sportlichen Beziehungen mehr als einhundert Freundschaftsspiele miteinander im Grenzraum ausgetragen wurden.

276 Rubrik „Propos de Vendredi“, in: Sport Est, 10.2.1950. 277 Siehe Kapitel 9.4, S.340-342. 278 Art. Die Junioren in Sochaux, in: Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen 6/1951, S. 7f.

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Die Fußballvereine in der Westmark und an der autonomen Saar

DRITTE ZWISCHENBETRACHTUNG DER INSTRUMENTALISIERTE FUSSBALL 1940–1952 Die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren im saarländisch-lothringischen Grenzraum nicht nur von rasch aufeinanderfolgenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. In dem Jahrzehnt, das mit der vierjährigen „Occupation“ Lothringens begann, wurden die Fußballvereine im Grenzraum zu „Grenzgängern“: von den Metzern, die während des Kriegs für den FV Metz am deutschen Spielbetrieb teilnahmen und Reisen weit in das Innere des Deutschen Reichs unternahmen, bis hin zu den Spielern des 1. FC Saarbrücken, die in der Nachkriegszeit für ein Jahr in der zweiten französischen Division hospitierten. Politisch inszeniert und initiiert war beides gewesen. Während die zwangsweise Integration des lothringischen Fußballs in die „Westmark“ unter den Rahmenbedingungen des Zweiten Weltkriegs kein Gegenstand von Diskussionen in der Sportöffentlichkeit war, war der in der Nachkriegszeit politisch forcierte Anschluss des saarländischen an den französischen Fußball dagegen – wie Grandval schmerzlich feststellen musste – nun unter demokratischen Rahmenbedingungen und gegen den Widerstand emanzipierter Fußballvereine und -verbände nicht durchzusetzen. In keinem anderen Jahrzehnt wie in diesem, weder zuvor noch danach, wurde von französischer oder deutscher Seite in diesem Ausmaß versucht, den Fußball politisch zu instrumentalisieren. Dass dies grundsätzlich scheiterte, lag in Hinblick auf die nationalsozialistische Sportpolitik am abrupten Ende des brutal durchgeführten „Westmark“-Projekts, und in der Frage der Affiliation sowie der saarländischen Identitätspolitik an den Fußballvereinen selbst, die als gesellschaftspolitische Akteure ihre eigenen Ziele verfolgten, die sie je nach (sport-)politischem Handlungsspielraum auch durchzusetzen versuchten. Dies schloss nicht aus, dass die Ziele der Fußballvereine und ihrer Verbände teilweise kongruent mit jenen der Politik waren. Sei es der von den lothringischen Vereinen mitgetragene Sportstättenbau in der Moselle oder die bereitwillige Unterstützung der saarländischen Europapolitik durch die Fußballvereine an der Saar. Letztendlich verfolgten die Vereine sowohl an der Mosel als auch an der Saar – abhängig vom politischen Handlungsspielraum – ihre eigenen Ziele des Vereinspragmatismus. Geprägt waren diese vom Prozess der kontinuierlichen Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballsports, der – nach kriegsbedingtem Stillstand – in der Nachkriegszeit wieder eine enorme Dynamik erfuhr. Dies führte zu einer noch nie da gewesenen Emanzipation des Bereichs des Fußballsports, die sich insbesondere im Saarland ausdrückte, wo sich die Fußballvereine und mit ihnen der immer autonomer agierende Saarländische Fußballbund den politischen Vorstellungen widersetzten und ihrerseits immer mehr zu sportpolitischen Akteuren wurden. All dies und auch die Erkenntnis, dass die Hinwendung des Saarfußballs nach Deutschland keineswegs mit einer Ablehnung guter sportlicher Beziehungen nach Lothringen einhergehen musste, wird im Folgenden knapp und thesenartig zusammengefasst.

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Fußball als Inszenierungsraum im Nationalsozialismus 1.) Fußball als völkischer Inszenierungsraum: Der Fußballsport im neu gegründeten Sportgau Westmark hatte einen „völkischen“ Auftrag und sollte der Förderung einer gemeinsamen „westmärkischen“ Identität dienen. Sport diente im Rahmen von Bürckels Volkstumspolitik der Stärkung der „Volksgemeinschaft“. Die völkische Ausrichtung spiegelte sich auch in der strukturellen Neuausrichtung des lothringischen Sports wider, im Rahmen welcher die alten Vereine aufgelöst und stattdessen von der Deutschen Volksgemeinschaft (DVG) abhängige Turnund Sportgemeinschaften gegründet wurden. Wenngleich zahlreiche ehemalige lothringische Vereinsfunktionäre und Spieler für personelle Kontinuität sorgten, nahm die Zerschlagung der bürgerlichen Fußballvereine in der Moselle das vorweg, was sich im Deutschen Reich noch in der Planungsphase befand. 2.) Fußball als inszenierte „Normalität“: Fußball sollte außerdem im besetzten Departement Moselle eine gewisse Normalität im nun „westmärkischen“ Alltag suggerieren. Die Ansetzung zahlreicher lothringisch-saarländischer Begegnungen, die Anknüpfung an Traditionen aus der Reichslandzeit und ein kontinuierlicher Ligabetrieb sollten die Realität des Krieges im besetzten Lothringen ausblenden. Hierzu dienten auch Gauauswahlspiele, Reisen von Jugendmannschaften und Fußballlehrgänge. Um den lothringischen Fußball möglichst schnell zu integrieren, wurde einerseits auf erfahrene Vereinsfunktionäre aus der Zwischenkriegszeit zurückgegriffen. Andererseits wurden ehemalige französische Fußballprofis in den Mannschaften der Moselle akzeptiert und waren sogar erwünscht. So kam es zur paradoxen Situation, dass bei gleichzeitiger offizieller Ablehnung jeglichen Starkults und des französischen Berufsspielertums zugleich die Repräsentanten jenes Systems in der Gauliga Westmark spielen durften. 3.) Grenzen der Inszenierung: Fußballspiele konnten auch den Zuschauern als Projektionsfläche dienen, im Rahmen welcher sie in einem öffentlichen und schwer kontrollierbaren Raum Partei ergreifen konnten. Vor allem mit der Einführung der Wehrpflicht in Lothringen ab 1942 und der damit verbundenen Verschärfung der Spannungen im besetzten Departement kam es auch bei Fußballspielen verstärkt zu Zwischenfällen. Während von Resistenz und Widerstand im Bereich des Sports nur sehr begrenzt gesprochen werden kann und hier noch Forschungsbedarf besteht, ist zu konstatieren, dass spätestens mit dem weiteren Fortgang des Krieges und dem damit verbundenen allgemeinen Niedergang des Fußballs im saarländisch-lothringischen Grenzraum ab 1943/44 das Projekt der Bildung eines „westmärkischen“ Fußballsports gescheitert war. Fußball als politischer Inszenierungsraum in der Nachkriegszeit 1.) Fußball als Instrument der französischen Politik an der Saar: Im Rahmen der französischen Sportpolitik, welche eine Entnazifizierung des Sports ebenso zum Ziel hatte wie dessen Kontrolle und Demokratisierung, erfolgte der Wiederaufbau der sportlichen Strukturen mit klarer französischer Handschrift. Der Auf-

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Die Fußballvereine in der Westmark und an der autonomen Saar

bau von staatlich kontrollierten Omnisportvereinen, die Bildung eines zentralen saarländischen Sportverbandes bei gleichzeitigem Verbot autonomer Sportfachverbände sowie die Kontrolle der Sportpresse hatten nicht zuletzt das gemeinsame Ziel der Loslösung des Saarlandes von Deutschland. Saarländisch-französische Fußballspiele boten sich dabei als Inszenierungsraum an und wurden entsprechend von der französischen Militärregierung im Saarland angesetzt und politisch vereinnahmt. 2.) Die gescheiterte „Affiliation“ und die Emanzipation der Fußballvereine: Im Kontext der von der französischen und der saarländischen Politik forcierten Angliederung des saarländischen an den französischen Sport agierten die Fußballvereine an der Saar zunehmend autonom und traten spätestens mit der Gründung ihres Saarländischen Fußballbundes als gesellschafts- und sportpolitische Akteure in Erscheinung. Eigene und differenzierte Ziele verfolgten auch die Fußballvereine und -verbände in Lothringen und im Elsass, die sich teils für und teils gegen eine Affiliation der Saarländer aussprachen und mit ihrem öffentlichen Auftreten der Politik ihre sportpolitische Autonomie vor Augen führten. Die in der Sportöffentlichkeit geführte Debatte um eine mögliche Affiliation führte zu einer verschärften Profilbildung bei den Fußballvereinen. Dass sich an der Saar manche Vereine zunächst für die Affiliation und später dagegen aussprachen, stellt keinen Widerspruch dar. Sie trafen ihre Entscheidungen in erster Linie aufgrund vereinspragmatischer und nicht aufgrund patriotischer Motive. Die sportlichen Entwicklungstendenzen, die von den Spitzenvereinen eine weitergehende Professionalisierung verlangten, um das sportliche Niveau weiter heben zu können, gingen dabei einher mit sich rasch wechselnden politischen Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund entsprach die Rückkehr des saarländischen Fußballs im Jahr 1951 in den Deutschen Fußballbund auch sportpragmatischen Motiven, waren doch alle anderen Versuche seitens der Politik, dem Saarfußball durch Affiliation oder Internationalisierung eine Plattform zu bieten, gescheitert. 3.) Die Fußballvereine und die saarländische Identitätspolitik: Die Indienstnahme des Fußballs für die saarländische Identitätspolitik gestaltete sich insofern erfolgreich, da hier die Interessen der Vereine mit jenen der Saar-Regierung eine Schnittmenge besaßen. Die Subventionierung internationaler Spiele und von europäischen Jugendturnieren wurden von den Fußballvereinen ebenso gerne akzeptiert wie die Internationalisierung, wenn es darum ging, der FIFA als autonomer Verband beizutreten und eine saarländische Auswahlmannschaft zu gründen. Insofern konnten Fußballspiele tatsächlich dazu dienen, nach außen als Werbeträger für die saarländische Autonomie zu wirken, sowie nach innen den saarländischen Identitätsbildungsprozess zu unterstützen. Gleichwohl waren auch der Identitätspolitik Grenzen gesetzt. Die Konstruktion einer exklusiv saarländischen „Nation“ musste scheitern. Es überforderte die Menschen, die sich zwar sehr wohl mit ihrer saarländischen Heimat identifizierten, sich aber eben auch weiterhin als Deutsche fühlten.279 279 Zum Identitätskonzept der Saar-Regierung vgl. FLENDER: Öffentliche Erinnerungskultur (1998), S. 219f.

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4.) Fußball als Identitätsfaktor in der Moselle: Unter bewusster Ausblendung der Geschehnisse in der Moselle in den Jahren der deutschen Besatzung gelang es der rasch reaktivierten Ligue de Lorraine, die ebenfalls wiedergegründeten Fußballvereine der Moselle in den lothringischen und französischen Fußball zu integrieren. Dies geschah durch Auswahlspiele, eine rasche Wiederaufnahme des Ligaspielverkehrs sowie durch eine Privilegierung insbesondere des FC Metz, der nicht zuletzt auch durch die exklusive Nutzung der „Croix de la Lorraine“ als Vereinsemblem, nach 1945 als Werbeträger der Moselle und als Fluchtpunkt des gesamten lothringischen Fußballs galt. Vor diesem Hintergrund bestand eine besondere Unterstützung seitens der Politik und des Französischen Fußballverbandes auch darin, dass dem FC Metz in der Saison 1945/46 der Verbleib in der ersten Liga auch bei einem sportlichen Abstieg garantiert wurde. 5.) Die sportlichen Beziehungen zwischen der Moselle und dem Saarland: Trotz der Wunden, welche die vierjährige Besatzung hinterlassen hatte, und trotz der sportpolitischen Brisanz, welche durch die Frage der Affiliation aufgeworfen worden war, kam es ab Mai 1948 rasch zu einem regen Spielverkehr zwischen Fußballvereinen aus dem Saarland und der Moselle. Die Gründe, warum zwei Drittel der französischen Vereine, die gegen saarländische Vereine spielten, aus der Moselle stammten, liegt zum einen an der geografischen und kulturellen Nähe und zum anderen an den damit verbundenen nachbarschaftlichen Beziehungen, die insbesondere im Fußballsport an eine jahrzehntelange gemeinsame Tradition anknüpfen konnten. Die äußerst geringe Anzahl saarländisch-elsässischer Spiele ist dagegen auffällig. Zwar waren die sportlichen Beziehungen zwischen dem Saarland und dem Elsass schon immer deutlich weniger ausgeprägt als die zwischen dem Saarland und der Moselle. Ende der vierziger Jahre hatten aber auch die strikt ablehnende Haltung des elsässischen Fußballverbandes und die damit geschürten Emotionen zu einer weiteren Reduktion der Begegnungen beigetragen.

SCHLUSSBETRACHTUNG Ziel dieser Studie zum Fußballsport im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle war es, die Entwicklung der dort um 1900 entstandenen bürgerlichen Fußballvereine in einem langen Zeitraum von fünfzig Jahren auf zwei Ebenen zu analysieren. Erstens sollten die Vereine nicht als passive Objekte außersportlicher Interessen, sondern als aktive Akteure aus dem Bereich des Sports beschrieben werden. Hierbei war weniger primär das Geschehen auf dem Spielfeld relevant, sondern auch das Handeln der Vereine und ihrer Protagonisten neben dem Platz. Dargestellt werden sollten die sportlich-kulturellen und sportpolitischen Handlungen der Fußballvereine sowie deren strukturelle und personelle Verflechtungen mit ihrem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Umfeld. Zweitens sollte der Fußball beziehungsweise das Fußballspiel als offene Projektionsfläche beschrieben werden. Die Frage nach dem Fußball als Inszenierungsraum zielte darauf ab, zu untersuchen, wer wann und wie dem Spiel außersportliche Funktionen zuwies und als wie erfolgreich sich die Indienstnahme des Sports erwies. Dieses Spannungsfeld zwischen autonomen Akteuren aus dem Bereich des Fußballsports und der Indienstnahme des Spiels für außersportliche Zwecke zog sich im saarländisch-lothringischen Grenzraum wie ein roter Faden durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Fußballvereine bildeten allerdings keine exklusive Eigenwelt. Auch wenn es zur Ausbildung einer regionalen Fußballkultur und eines eigenständigen kulturellen Sinnsystems kam: die Protagonisten in den Vereinen blieben Kinder ihrer jeweiligen Zeit, im Denken und Handeln ihrer Epoche verhaftet. Verflechtungen zwischen Akteuren aus dem Sport und aus ihrem sozialen und politischen Umfeld waren zudem ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Überlagert wurde dieses Spannungsfeld im saarländisch-lothringischen Grenzraum nicht nur von rasch aufeinanderfolgenden politischen und sozialen Umstürzen und Verwerfungen, sondern auch von der Dynamik der genuinen Entwicklung des Fußballsports selbst. Die quantitative Ausweitung des Fußballspiels sowie dessen qualitativ-sportliche Entwicklung standen in Wechselbeziehung zu den Entwicklungsprozessen der Kommerzialisierung und Professionalisierung und stellten die Fußballvereine zugleich vor große Herausforderungen, zumal mit zunehmender Popularisierung das Interesse des außersportlichen Umfelds am Spiel selbst immer stärker wurde. Im Folgenden wird dieses soeben beschriebene Spannungsfeld nicht jeweils einzeln für die drei Hauptteile beziehungsweise für die drei Zeiträume erläutert. Dies ist bereits in den drei Zwischenbetrachtungen geschehen. Ebenso werden nicht alle bereits referierten Ergebnisse der Zwischenbetrachtungen hier wiederholt. Vielmehr werden die Ergebnisse der Arbeit entlang der zwei hier getrennt analysierten, aber stets verflochtenen Ebenen – den Fußballvereinen als aktive

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Akteure und dem Fußball als Inszenierungsraum – für den gesamten Untersuchungszeitraum formuliert. FUSSBALLVEREINE ALS GESELLSCHAFTLICHE UND SPORTPOLITISCHE AKTEURE Bereits in den ersten Jahren nach ihrer Gründung kristallisierte sich bei den bürgerlichen Fußballvereinen ein Grundprinzip heraus, das als Vereinspragmatismus bezeichnet werden kann. Bei diesem Selbstverständnis stand pragmatisches Vorgehen im Vordergrund aller Handlungs- und Verhaltensweisen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Zielsetzung war dabei sportlicher Natur: Alles musste sich dem Streben nach sportlichem Erfolg unterordnen. Das performative sportliche Geschehen auf dem Platz stand somit in direktem Zusammenhang mit dem (sport-)politischen Handeln der Vereinsfunktionäre. Das Streben nach sportlichem Erfolg im Wettspiel war demnach nicht nur der signifikante Unterschied zu den althergebrachten Turnvereinen. Es bestimmte die gesamte Tätigkeit der Vereinsfunktionäre und setzte damit eine Dynamik frei, die einerseits für den Fußballsport eine immer weiter sich steigernde Professionalisierung und Kommerzialisierung mit sich brachte und andererseits dazu führte, dass der Bereich des bürgerlichen Fußballsports auch Ziele formulierte, die mit jenen des außersportlichen Umfelds und des Staates nicht immer übereinstimmten. Die Handlungsmaxime des Vereinspragmatismus hatte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt, nachdem sich die Vereine sehr rasch von der Vormundschaft reformpädagogischer Kräfte emanzipiert hatten. Der Vereinspragmatismus implizierte dabei allerdings keineswegs generell oppositionelle Verhaltensweisen. Vielmehr agierten die Vereine in der Regel staatstragend. Einerseits waren die Vereine in der regionalen und bürgerlichen Vereinskultur verwurzelt, andererseits war in autoritären Staaten wie im deutschen Kaiserreich affirmatives Verhalten die Voraussetzung, um überhaupt erfolgreich agieren zu können. Die Übergänge von ideologisch affinem zu pragmatischem Verhalten waren dabei fließend. So erfolgte beispielsweise die Mitgliedschaft vieler Fußballvereine im patriotischen Jungdeutschlandbund auch und vor allem aus pragmatischfinanziellen Gründen. Soziale und politische Grenzen wurden nur dann überschritten, wenn es das Streben nach sportlichem Erfolg erforderte. Die Zusammenarbeit mit dem Militär hatte in der Regel einen sehr hohen Stellenwert, da die Vereine von der Bereitstellung von Plätzen profitieren konnten. Allerdings stieß wiederum die Einführung von Jugendwehrabteilungen während des Ersten Weltkriegs bei den Fußballvereinen auf sehr geringe Resonanz, da dies mit dem Vereinspragmatismus nur schwer zu vereinbaren war. Ein weiteres Feld waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg die internationalen Begegnungen und der damit verbundene Kosmopolitismus. Dieser gehörte zum Wertekanon der größeren Fußballvereine ebenso wie eine gelebte patriotische Grundhaltung. Trotz Kritik aus turnerischen und nationalen Kreisen hielten die Vereine an internationalen Spielen fest. Letztlich dienten auch sie dem Streben nach sportlichem Erfolg. Spielab-

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Schlussbetrachtung

schlüsse mit reputierten ausländischen Vereinen hatten als „Lehrspiele“ nicht nur ihren sportlichen Reiz, sondern waren öffentlichkeitswirksam und lohnten sich finanziell. Mit der Popularisierung des Spiels nach dem Ersten Weltkrieg wuchs nicht nur die öffentliche Wahrnehmung für den Fußball und damit das Interesse politischer Akteure an diesem Inszenierungsraum. Zugleich agierten die nun auch in ihren Mitgliederzahlen enorm gewachsenen Fußballvereine selbst als gesellschaftspolitische Akteure, deren vereinspragmatische Ziele auch von den staatlichen Interessen abweichen konnten. Die Schnittmenge gemeinsamer Interessen und Ziele hing davon ab, wie sehr gesellschaftspolitische Veränderungen und Tendenzen der Zwischenkriegszeit den bürgerlichen Fußballsport beeinflussten und welchen sportlichen Zwängen die Vereine ausgesetzt waren. So standen die Verpflichtung zahlreicher ausländischer Spieler und Trainer bei den saarländischen Fußballvereinen Anfang der zwanziger Jahre ebenso wie die zahlreichen internationalen Spielabschlüsse im Gegensatz zur reichsdeutschen Politik. Vereinspragmatisch agierten die Vereine im Saargebiet auch dann, wenn es darum ging, sich sowohl bei den reichsdeutschen Regierungsstellen als auch bei den Institutionen der Völkerbundverwaltung gut zu positionieren. Wiederum gegen den Willen der reichsdeutschen Akteure kam es nach Ende des Sportboykotts Mitte der zwanziger Jahre zu einem regen Spielverkehr zwischen Vereinen aus dem Saarland und aus der Moselle. Generell waren die vereinspragmatischen Ziele der saarländischen Vereine mit jenen der reichsdeutschen politischen Akteure jedoch kongruent. So wurde der deutsche Patriotismus nie wirklich in Frage gestellt, wie die Beteiligung der Fußballvereine an der 1925 auch im Saargebiet abgehaltenen Jahrtausendfeier zeigte. Allerdings wäre eine Ablehnung der Rückkehr der Saar nach Deutschland auch gegen die sportpolitischen Interessen der Vereine gewesen, die sich auf eine ungewisse sportliche Zukunft hätten einlassen müssen. Inwiefern vereinspragmatisches Handeln zum Tragen kam beziehungsweise wie es erfolgreich umgesetzt werden konnte, hing nicht zuletzt von den politischen Handlungsspielräumen ab, die sich den Fußballvereinen in ihrer jeweiligen Epoche boten. So wurden diese in der Moselle nach 1918 durch eine rigide Politik der „Französisierung“ aller Lebensbereiche zunächst stark eingeschränkt, so dass sich die Durchsetzung vereinspragmatischer Ziele der ehemaligen deutschen Fußballvereine in der Moselle auf die Ebene der sportlichen Integration in das französische Verbandswesen verlagerte. Mehr als im Saargebiet kam es in der Moselle dann in den zwanziger Jahren aufgrund großer gemeinsamer sportpolitischer Interessenlagen – dies betraf vor allem den Bau größerer Sportstätten – zu einer Verflechtung der Vereine mit den wirtschaftlichen und politischen Eliten vor Ort, so dass von einer zunehmenden Französisierung und Republikanisierung der Vereine gesprochen werden kann. Mit der wachsenden Bedeutung des Fußballs als Zuschauersport übertrug sich der Vereinspragmatismus auf die Zuschauer beziehungsweise die entstehende Fangemeinschaft. Das neue Phänomen der zahlreichen „mitfiebernden“ Fans, die je nach sportlicher Lage auf dem Spielfeld emotional reagierten – Aggressivität blieb nicht immer aus – wurde in der Sportpresse als Form des „Vereinsfanatis-

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mus“ ausgemacht. Die Sportöffentlichkeit der zwanziger Jahre sprach von einer Krise des Fußballsports, die sich in zunehmender Aggressivität auf und neben dem Platz bemerkbar machte. Kritisiert wurde außerdem ein zunehmender „Vereinsegoismus“ bei den Fußballvereinen. Letztendlich handelte es sich hierbei um die verschärfte Wahrnehmung des Vereinspragmatismus, dessen bedingungsloses Unterstützen des eigenen Vereins sich auch auf das Publikum übertrug und zu einer teilweisen Überforderung der Vereine selbst führte. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Handlungsspielräume der saarländischen Vereine zunehmend eingeschränkt. Offen bleiben muss, zu welchen Anteilen sich die Selbstgleichschaltung aus ideologischer Affinität und Opportunismus speiste. Jedenfalls wurden politische Vorgaben kaum hinterfragt und unkritisch umgesetzt. Hierzu gehörte nicht zuletzt auch der Ausschluss der jüdischen Vereinsmitglieder, weswegen das Verhalten vieler Vereine auch mit dem Hinweis auf pragmatische Notwendigkeiten nicht zu rechtfertigen ist. Letztendlich führte der Vereinspragmatismus unter den Bedingungen des Nationalsozialismus zu Opportunismus und Mitläufertum und hatte den Erhalt der eigenen Existenz zum Ziel. Mit der Auflösung der traditionellen regionalen Verbandskultur und der Entdemokratisierung der Vereine durch die Einführung des Führerprinzips geriet die bürgerliche Fußballvereinskultur ernsthaft in Gefahr und wäre wohl noch weiter in Bedrängnis gekommen, wäre das „tausendjährige Reich“ nicht schon nach zwölf Jahren in sich zusammengebrochen. Größere Handlungsspielräume besaßen die Fußballvereine in der Nachkriegszeit. Die Neuaufstellung und Demokratisierung des Vereins- und Verbandswesens an der Saar führte dazu, dass die Vereine zu immer autonomer agierenden sportpolitischen Akteuren wurden, die ihre vereinspragmatischen Ziele mit zunehmender Entschiedenheit artikulierten. Das Scheitern der Angliederung des saarländischen an den französischen Fußball Ende der vierziger Jahre war ein Beleg dafür, wie begrenzt die politischen Einwirkungsmöglichkeiten sein konnten, wenn sich die sportpolitischen Ziele sowohl der saarländischen als auch der französischen Vereine von jenen der Politik so sehr unterschieden. Ein gewichtiger sportpolitischer Akteur entstand im Saarland in Form des Saarländischen Fußballbundes, der im Interesse seiner angegliederten Vereine und explizit gegen den Willen der Saar-Regierung 1951 eine Rückkehr des saarländischen Fußballs in den Deutschen Fußballbund durchsetzte. Der ermahnende Hinweis Hermann Neubergers an den saarländischen Innenminister, man solle die Regelung sportlicher Angelegenheiten doch besser den Fachleuten überlassen, ist ein Beleg für das Selbstbewusstsein des autonomer gewordenen Fußballsports. Die Einführung des Profifußballs war eine Entwicklung, die der Eigendynamik der sportlich-autonomen Entwicklung der Wettkampfsportart selbst geschuldet war. Während es in der Moselle, wie überall in Frankreich, Anfang der dreißiger Jahre zur Einrichtung von Berufsspielerabteilungen gekommen war, verzögerte sich deren Einführung an der Saar um zwei Jahrzehnte. In Deutschland und an der Saar war der Widerstand in den dreißiger Jahren interessanterweise auch auf Seiten zahlreicher Vereins- und Verbandsfunktionäre zu finden, die eine Professionalisierung des Spiels verhinderten, indem sie dem Sport außersportliche Funk-

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Schlussbetrachtung

tionen zuwiesen. Letztendlich verbargen sich hinter den Argumenten bei Vereinsund Verbandsfunktionären auch handfeste Interessen: Profiabteilungen konnten sich nur wenige große Vereine leisten. Ein Großteil der kleinen Vereine und damit eine Mehrheit in den Verbänden hatte an der Einrichtung von Profiabteilungen kein Interesse und sah darin eher Wettbewerbsnachteile für ihren eigenen Klub – weswegen es sich hier bei den einzelnen Vereinen durchaus wieder um vereinspragmatisches Vorgehen handelte. DAS FUSSBALLSPIEL ALS MEHRDIMENSIONALER INSZENIERUNGSRAUM Die Indienstnahme des Fußballspiels für außersportliche Zwecke ist ein weites Feld. Letztendlich begann der Fußball im saarländisch-lothringischen Grenzraum seine Geschichte als Inszenierung: Die Vereinsgründungen durch Lehrer und die Inszenierung des Spiels beim Spichererbergfest, einer alljährlich in Saarbrücken von den Turnvereinen organisierten Veranstaltung, zeigten: Fußball sollte als Volks- und Jugendspiel wie das Turnen die sittlich-moralische Erziehung und das patriotisch-nationale Ideal der reformpädagogischen Spielbewegung verkörpern. Wie rasch sich die Fußballvereine von dieser Indienstnahme emanzipierten, sollte sich an der dynamischen Entwicklung des Fußballs im Grenzraum zeigen, der innerhalb weniger Jahre mit dem Saargau den Rahmen für seine eigene Fußballvereinskultur schuf. Dass der Fußballsport dennoch nicht frei war von außersportlichen Zuweisungen – auch innerhalb der eigenen Vereine und Verbände – , zeigte sich beispielsweise in der Zugehörigkeit zahlreicher Fußballvereine zum deutschnationalen Jungdeutschlandbund, welcher den Fußballsport als Mittel zur Wehrertüchtigung und nationalen Erziehung der Jugend nutzen wollte. Die Selbstinszenierung sozialer und politischer Milieus über den Sport betraf den bürgerlichen Fußball nicht. Zwar wurden äußere Formen der bürgerlichen Vereinsfestkultur übernommen. Zwar stammte ein Großteil der Mitglieder auch aus dem bürgerlichen Milieu, allerdings wurden bürgerliche Werte, wenn überhaupt vorhanden, dem Streben nach sportlichem Erfolg untergeordnet. Nicht zuletzt die soziale, politische oder religiöse Überformung des eigentlichen Sports dürfte dafür gesorgt haben, dass die sozialdemokratischen, kommunistischen oder konfessionellen Fußballvereine für die prinzipiell allen offen stehenden bürgerlichen Vereine keine ernsthafte Konkurrenz bedeuteten. Mit dem Popularitätsschub nach dem Ersten Weltkrieg einher ging eine zunehmende öffentliche Wahrnehmung des Fußballsports. Fußball wurde noch stärker als zuvor zur Projektionsfläche sozialer und politischer Ideen und Ideologien. Während in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg ein Fußballwettbewerb veranstaltet wurde, bei welchem die Vereine der ehemals von Deutschen besetzten Regionen gegeneinander um die „Coupe des Régions Libérées“ spielten, wurden Fußballspiele saarländischer Vereine im Rahmen der „Saarkampagne“ für die Rückkehr der Saar nach Deutschland vereinnahmt. Mit den Spielen sollte im Abstimmungskampf die „Treue“ der Saarländer dokumentiert werden. Die hohe Be-

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reitschaft der saarländischen Fußballvereine war vielschichtig und neben aller Affinität zum allgemein begrüßten „nationalen Aufbruch“ auch sportpragmatisch bedingt. Subventionierte Spiele im Reich waren mit hohem Prestige verbunden und nicht zuletzt hatte jeder einzelne Spieler dadurch die Möglichkeit, preiswert weite Reisen zu unternehmen. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden diese Spiele ritualisiert und standardisiert. Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es zudem zu einer zunehmenden außenpolitischen Instrumentalisierung internationaler Begegnungen, die auch regionale Spiele zwischen saarländischen und lothringischen Auswahlmannschaften betraf. Auch in der Moselle wurden in der Zwischenkriegszeit dem Fußballspiel außersportliche Funktionen zugewiesen. Die Fußballvereine sollten gesundheitspolitische, militärische und patriotische Aufgaben übernehmen. Dies wurde nicht zuletzt durch die Einführung der Vereinsabteilungen für „Préparation Militaire“ versucht. Vor allem die inhaltliche und personelle Verflechtung zwischen den Kommunen und den lokalen Fußballvereinen führte zu einer zunehmenden Französisierung und Republikanisierung der Klubs. Fußballspiele und große Veranstaltungen wie die Einweihung von Sportplätzen wurden als nationaler Inszenierungsraum genutzt. Bei solchen Anlässen wurde die Republik inszeniert. Auch im nur vier Jahre existierenden Sportgau Westmark wurde von den Nationalsozialisten versucht, den Fußball als Inszenierungsraum zu nutzen. Sport diente im Rahmen der Volkstumspolitik der Stärkung der „Volksgemeinschaft“ sowie der Schaffung einer gemeinsamen „Westmark“-Identität. Wirklich messbare Erfolge zeitigte die nationalsozialistische Sportpolitik nicht, wenngleich zu konstatieren ist, dass Vereine und Zuschauer in der Moselle bereitwillig ihren deutschen „Sonderweg“ beschritten. Letztlich war die Zeit in der Westmark zu kurz, als dass Schlüsse gezogen werden können. Nicht zuletzt dürften aber auch andere Gründe ausschlaggebend für die Beteiligung der Lothringer gewesen sein: zum einen boten die Sportgemeinschaften und die Spiele Abwechslung im harten Besatzungsalltag. Zum anderen waren sie weiterhin ein relativer, schwer zu kontrollierender Freiraum, in welchem auch Ansätze resistenter Formen möglich waren. Letzten Endes sorgte das abrupte Ende des „Westmark“-Projekts dafür, dass diese sportliche Episode in Lothringen sowie im Saarland und in der Pfalz rasch verdrängt wurde. In der unmittelbaren Nachkriegszeit boten sich Fußballspiele weiterhin als politischer Inszenierungsraum an. Während in der Moselle der FC Metz durch das Tragen der Croix de la Lorraine als Vereinsemblem die „Libération“ verkörperte und repräsentative Spiele des Vereins noch vor Kriegsende die Rückkehr der Moselle nach Frankreich symbolisierten, versuchte die französische Militärregierung in Saarbrücken, durch saarländisch-französische Fußballspiele die Anbindung der Saar an Frankreich zu inszenieren. Dass sie bereits im Jahr 1947 damit einen Großteil der französischen Sportöffentlichkeit vor den Kopf stieß, zeigt, wie sehr die Instrumentalisierung des Fußballsports für politische Zwecke an ihre Grenzen stoßen konnte. Dies war endgültig der Fall, nachdem sämtliche sportpolitische Optionen, die für den saarländischen Sonderfall durchgespielt worden waren – von der Affiliation bis hin zur Internationalisierung – gescheitert waren. Der politischen Indienstnahme der Vereine stand ein Vereinspragmatismus gegenüber, der

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Schlussbetrachtung

sich in eigenwilligen sportpolitischen Vorstellungen ausdrückte und im Rahmen der rasanten sportlichen Entwicklung sowie im Umfeld einer gesellschaftlichen Liberalisierung eine Eigendynamik entwickeln sollte, mit welcher unmittelbar nach Kriegsende nicht zu rechnen gewesen war. Mit wachsender Popularität der Sportart wurde Fußball auch zur Projektionsfläche lokaler und regionaler Identitäten. Dies betraf in erster Linie die großen Fußballvereine, deren sportlicher Erfolg die lokale oder auch regionale Heimat weithin bekannt machte und für einen Identifikationsschub sorgte. Dies galt beispielsweise für den Verein Borussia Neunkirchen, der seit seinen frühen großen sportlichen Erfolgen den Namen der Industriestadt im süddeutschen Raum bekannt gemacht hatte und seitdem entsprechend von den lokalen Eliten hofiert wurde. Fußball wurde auch selbst zum Träger von Identitäten. Fußball galt vielen Menschen als Teil der eigenen „erfahrenen“ Identität, Fußball wurde zu einem Stück lebenspraktischer Alltagserfahrung. Dies galt auch für die Moselle, wo die Ligue Lorraine de Football in den zwanziger Jahren als Integrationsklammer für die Mitglieder der ehemaligen deutschen Vereine dienen konnte. Zugleich konnte der alle lothringischen Departements umfassende regionale lothringische Fußballverband als Träger einer regionalen lothringischen Identität dienen, die auf politischer Ebene noch keine Entsprechung gefunden hatte. Dass Fußballvereine mit ihren Herkunftsorten und ihrer Region in einer fruchtbaren Wechselbeziehung standen, war der Grund, warum bisweilen von außen versucht wurde, den Fußball als Faktor für die eigene Identitätspolitik zu nutzen. Hierzu war es insbesondere im teilautonomen Saarland in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren gekommen. Tatsächlich zeitigte die Indienstnahme des Fußballs hier einige Erfolge, waren die Fußballvereine doch gerne bereit, sich auf internationaler Bühne und als explizit saarländische Vereine zu repräsentieren und zu vernetzen. Gleichwohl waren der Intention, den Fußball nach außen als Werbeträger und nach Innen als Faktor der Identitätsstiftung zu instrumentalisieren, Grenzen gesetzt. Dies lag aber weniger an einer Weigerung der Saarländer, sich eben als solche zu fühlen, als vielmehr daran, dass die saarländische Identität regional verstanden wurde, während es im Saarland weiterhin selbstverständlich war, sich zugleich als Deutsche zu fühlen. DIE LOTHRINGISCH-SAARLÄNDISCHEN FUSSBALLBEZIEHUNGEN: EINE BILANZ Dass sich enge nachbarschaftliche Beziehungen in einem Grenzraum entwickeln konnten, der zugleich einen sich überschneidenden Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraum darstellte, überrascht nicht. Die gemeinsame Geschichte einer Region mit sich über die Jahrzehnte hinweg ständig verändernden Grenzziehungen bildet sich nicht nur in der gemeinsamen Geschichte der Turnvereinskultur, sondern auch in der Entwicklung des bürgerlichen Fußballsports ab. Die Ausbildung einer gemeinsamen regionalen Lebenswelt Fußball hatte sich im 1907 gegründeten Saargau institutionalisiert. Auch wenn es nach 1919 zu getrennten Entwicklungs-

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linien gekommen war, wurden mit dem Ende des von der Mehrheit der saarländischen und lothringischen Vereine scharf kritisierten Sportboykotts gegenüber Deutschland die nachbarschaftlichen Beziehungen Mitte der zwanziger Jahre wieder aufgenommen. Der nun wieder rege Spielverkehr im Grenzraum war für die Mehrheit der saarländischen Fußballvereine eine Selbstverständlichkeit, was in Hinblick auf andere französische Regionen – das Elsass eingeschlossen – nicht galt. So war es kein Zufall gewesen, dass das erste Spiel einer französischen Mannschaft auf deutschem Boden seit der „Libération“ ausgerechnet das Spiel einer Mannschaft aus Metz in Saarbrücken war. Dass sich im November 1924 bei diesem Spiel ehemalige Vertreter des Saargaus die Hand geben, die nun jeweils einer anderen Nation angehörten, war sinnbildlich für den Entwicklungsweg des Fußballsports in der Grenzregion und zeigte doch dessen weiter existierende Verbundenheit an. Die sich durch den Bau von Maginot-Linie und Westwall auch räumlich seit den späten dreißiger Jahren manifestierenden politischen Spannungen hatten auch Auswirkungen auf den saarländisch-lothringischen Spielverkehr, der stark zurückging. Die ersten saarländisch-lothringischen Fußballspiele nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges infolge der deutschen Besetzung Lothringens wurden 1940 als Propagandaspiele inszeniert und in der nationalsozialistischen Presse als „Wiedervereinigung“ gefeiert. Der neue Sportgau Westmark und die lothringische Vereine einschließende Gauliga sollten an die Reichslandzeit anknüpfen. Tatsächlich kam es zu Anknüpfungspunkten an die nun über zwanzig Jahre zurückliegende gemeinsame Vergangenheit. Alte Funktionäre auf beiden Seiten waren in ihren Vereinen noch aktiv und sorgten, wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen, für eine gewisse Kontinuität. Die offizielle Wiederaufnahme des Spielverkehrs zwischen lothringischen und saarländischen Mannschaften nach dem Krieg erfolgte nach der offiziellen Aufhebung des Sportboykotts gegenüber dem Saarland im Mai 1948. Die Ablehnung der Affiliation sowohl durch den französischen als auch den saarländischen Fußballsport und die Hinwendung der saarländischen Vereine nach Deutschland war sportpolitisch begründet und bedeutete keine Absage an partnerschaftliche Beziehungen. Ein Jahr früher als gegen deutsche Vereine konnten französische Mannschaften nun gegen Teams von der Saar antreten. Trotz großer Vorbehalte, die vor allem im elsässischen Fußballverband geäußert worden waren, war der Spielverkehr mit den Vereinen der Ligue de Lorraine wieder rasch in Gang gekommen. Anders als ihr elsässisches Pendant hatte die Ligue de Lorraine – vor allem in Person ihres langjährigen Präsidenten Maurice de Vienne – die Wiederaufnahme des Spielverkehrs mit den Saarländern begrüßt und gefordert. Insofern überrascht es auch nicht, dass die große Mehrheit der französischen Vereine, die gegen saarländische Klubs spielten, der Ligue de Lorraine angehörten. Der Spielverkehr innerhalb des saarländisch-lothringischen Grenzraums nahm in der Folge stark an Intensität zu. In den Jahren 1949 und 1951 folgten auch Spiele zweier jeweiliger Auswahlmannschaften. Die Voraussetzungen für ein langfristiges „Miteinander“ waren ab den fünfziger Jahren gegeben. Die Entstehung einer demokratischen westdeutschen Repub-

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lik und der beginnende europäische Integrationsprozess waren Rahmenbedingungen, die erneute politische Auseinandersetzungen und damit verbundene Abschottungsprozesse verhinderten. Im kleinen saarländisch-lothringischen Grenzraum zeichnete sich seit Ende der vierziger Jahre der sich langsam, aber stetig anbahnende gesellschaftlich-kulturelle Ausgleich nicht nur zwischen Lothringen und dem Saarland, sondern auch zwischen Frankreich und Deutschland ab. Wenn auch im kleinen Rahmen: in den zahlreichen Spielen zwischen saarländischen und lothringischen Mannschaften leisteten gerade auch die kleinen Vereine – bewusst oder unbewusst – einen Beitrag zur gesellschaftlichen Verständigungsarbeit, welche die wirtschaftliche und politische Kooperation zwischen beiden Staaten und deren Gesellschaften möglich machte.1 Einen politischen Inszenierungsraum stellten solche Spiele nicht dar. Die sich normalisierenden Beziehungen zwischen der Moselle und dem Saarland, zwischen Frankreich und Deutschland wurden weniger inszeniert, als vielmehr gelebt und sollten nun auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden. AUSBLICK In der vorliegenden Studie wurde die Entwicklung bürgerlicher Fußballvereine im deutsch-französischen Grenzraum Saarland/Moselle untersucht. Der Untersuchungszeitraum eines halben Jahrhunderts ermöglichte es, die Klubs als eigenständige historische Akteure in langfristiger Perspektive zu analysieren und ihre Verflechtung mit einem sich stetig wandelnden politischen und sozialen Umfeld zu beschreiben. Bei der Entwicklung der bürgerlichen Fußballvereine in der Zeit von 1900 bis etwa 1950 handelte es sich um einen Emanzipationsprozess, wenngleich eine vermeintliche Erfolgsstory relativiert werden muss. Und dies geschieht nicht nur, um den möglichen Vorwurf positivistischer Geschichtsschreibung zu entkräften: zu unstet verlief die Entwicklung, zu groß waren die sozialen und politischen Umwälzungen in diesen Jahrzehnten. Gleichwohl muss bei aller nötigen Differenzierung festgehalten werden, dass die Fußballvereine sich – trotz personeller Kontinuitäten über Jahrzehnte hinweg – gewandelt und in gewisser Weise emanzipiert hatten. Die Fußballvereine aus Metz, Saarbrücken und Neunkirchen waren Anfang der fünfziger Jahre nicht nur in quantitativer Hinsicht gewachsen. In einem – im Vergleich zu früheren Jahrzehnten – politisch und gesellschaftlich liberalen Umfeld konnten die Vereine ihre sportlich-autonome Tätigkeit stärker als je zuvor nach vereinspragmatischen Zielvorgaben ausüben. Verantwortlich war hierfür nicht nur der langfristige Wandel der Gesellschaft(en) und ihrer Wertvorstellungen. Entscheidend war hierfür die Dynamik des um die Jahrhundertwende in den Vereinen einsetzenden Strebens nach sportlichem Erfolg auf dem Fußballplatz. Dieses hatte Prozesse der stetigen Professionalisierung und Kommerzialisierung ausgelöst, die immer wieder Rückschlägen und Widerständen

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DEFRANCE/PFEIL: Eine Nachkriegsgeschichte (2011), S. 16–18.

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ausgesetzt waren. Überwunden werden konnten sie im gesamten saarländischlothringischen Grenzraum erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass diese Entwicklungsprozesse von außen beeinflussbar waren, zeigt die Geschichte. Zum einen hing deren Fortgang davon ab, welche sportpolitischen Handlungsspielräume die Vereine als Motor der Entwicklung hatten. Dass diese eingeschränkt werden konnten, zeigte sich in der Geschichte des Grenzraums nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus. Zusätzlich erfolgten außersportliche Funktionen und Rollenzuschreibungen für den Fußballsport von außen wie von innen. Dass das Fußballspiel in bestimmten historischen Konstellationen als Projektionsfläche multidimensionaler Identitätsmuster verwendet werden konnte, hatte sich bereits früh herausgestellt. Diese Fähigkeit des Fußballspiels, an kulturelle Sinnmuster anzuknüpfen, war die Grundlage dafür, dass es als mehrdimensionaler Inszenierungsraum genutzt wurde. Die Analyse des Fußballsports aus verschiedenen Perspektiven heraus und dessen Einbettung in transnationale grenzüberschreitende Prozesse hat sich als fruchtbar erwiesen. Als gewinnbringend erwies es sich auch, sich methodisch dem Konzept der „Histoire croisée“ anzunähern, indem eine Verflechtungsgeschichte geschrieben wurde, die eben nicht nur Objekte, Institutionen und Systeme in den Blick nimmt, sondern auch Entwicklungsprozesse, die wie im vorliegenden Fall der sportlichen Entwicklungsdynamik das Handeln der Akteure entscheidend bestimmte und beeinflussten. Durch die Einbeziehung verschiedener räumlicher und zeitlicher Ebenen – von den lokalen bis zu den staatlichen Ebenen zweier sich wandelnder Staaten und Nationen – konnten nicht nur die unterschiedlichen und gemeinsamen Entwicklungsstränge beschrieben werden, sondern auch die regionalspezifischen Besonderheiten der sportlichen Entwicklung vor Ort berücksichtigt werden. Das Grundprinzip des Vereinspragmatismus, welches das Handeln der Fußballvereine von Anfang an bestimmte, ist für die künftige historische Forschung zum Fußballsport insofern relevant, als dass es den Fußballsport in den Mittelpunkt der historischen Beschreibung stellt. Fußballvereine waren eigenständige Protagonisten, die durch ihr Tun und Handeln auf ihr Umfeld und ihre gesellschaftliche und politische Umwelt einwirkten. Die Fußballvereine spielten in der Geschichte nicht nur mit, sondern gestalteten sie auch aktiv.

KURZBIOGRAFIEN Viele der hier aufgeführten Personen übten im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Funktionen im saarländisch-lothringischen Grenzraum aus. Ausgewählt wurden Persönlichkeiten aus Politik, Presse und Sport, sofern sie von Relevanz waren, beziehungsweise mehrfach genannt wurden. Die 61 Kurzbiografien beanspruchen hinsichtlich der Lebensdaten und der biografischen Etappen keine Vollständigkeit und sollen dem Leser in erster Linie zur raschen Orientierung dienen. Auf die Notierung einzelner Belege der biografischen Daten wurde der Übersichtlichkeit wegen größtenteils verzichtet. Wenn nicht ausgewiesen, wurden die Quellen bereits im Anmerkungsapparat genannt oder sind den verschiedenen Ausgaben der dort zitierten Zeitungen, Zeitschriften und Archivmaterialien entnommen. AHREINER, Dr. Georg Elsässischer Arzt und Fußballfunktionär in der Moselle. Bis 1918 Chirurg in Straßburg, Schüler von Albert Schweitzer; seit 1919 Chefarzt im Hospice Madeleine in Forbach; seit 1920 im Gemeinderat. 1920–1945 Präsident der US Forbach. Unter ihm größter Sportverein Ostlothringens und Stadionbau auf dem Schlossberg; zugleich Altersratsmitglied im Forbacher Turnverein „Le Retour“. Zeitweise auch einer der Vizepräsidenten in der LLFA und Vorsitzender des Groupement de la Sarre. Nach dem Krieg Vorwurf der Kollaboration und 1945 Rücktritt von seinen Ämtern. BAKHUYS, Bep 1909–1982. Eigentlicher Name: Elisa Hendrik Bakhuijs. Niederländischer Fußballspieler und trainer; Nationalspieler; geboren in Pekalongan, Niederländisch-Indonesien. 1937 erster niederländischer Fußballprofi in Frankreich, 1937–1939 FC Metz. Im Zweiten Weltkrieg zunächst Einberufung in die niederländische Armee. Im September 1942 Rückkehr nach Metz als Fußballspieler, 1942–1944 FV Metz; Nach Kriegsende erneute Rückkehr, 1945/46 Spielertrainer beim FC Metz. BECKERLE, Adolf Heinz 1902–1976. Gauführer des Gaus XIII Südwest im DRL/NSRL 1934–1940. 1937–42 SAObergruppenführer in Hessen, 1933–41 Polizeipräsident in Frankfurt am Main. Als deutscher Gesandter in Sofia/Bulgarien seit 1941 an der Deportation und Ermordung von etwa 11 000 Juden beteiligt; am 18.9.1944 Verhaftung durch die Rote Armee; 1955 mit den letzten Kriegsgefangenen Rückkehr nach Deutschland; 1966 begonnener Prozess wurde 1968 wegen Krankheit eingestellt. BERNBECK, Hans Hermann 1901–1989. Promovierter Rechtsanwalt und Sportfunktionär in Neunkirchen. Als Sohn eines Oberkonsistorialrates in Erbach im Odenwald geboren; 1920–1924 Jurastudium, 1927 Große Staatsprüfung in Gießen; ab 1929 Rechtsanwalt beim Amtsgericht Neunkirchen und Landgericht Saarbrücken; 1929–1935 Erster Vorsitzender bei Borussia Neunkirchen; unter seiner Führung erlebte der Verein 1931/32 seine größte Finanzkrise; im Mai 1935 Ernennung zum Ehrenvorsit-

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zenden. Seit Juni 1933 NSDAP-Mitglied; später Kreisrechtsamtleiter, politischer Leiter in der SA; 1939 in die Wehrmacht eingezogen, seit 1941 Kriegsverwaltungsrat; nach dem Krieg wohnhaft in Michelstadt im Odenwald; 1949 von der Epurationskammer als Mitläufer eingestuft. BÜRCKEL, Josef 1895–1944. Pfälzischer NS-Politiker. Teilnahme am Ersten Weltkrieg; seit 1921 NSDAPMitglied. Seit 1926 NSDAP-Gauleiter der Rheinpfalz. Als Saarbevollmächtigter und Reichskommissar 1934/35 für die Rückgliederung des Saarlandes zuständig; 1940 zum Chef der Zivilverwaltung in Lothringen ernannt; 1941 zum Reichsstatthalter in der Westmark und zugleich Gauleiter des Gaus Westmark. BURK, Karl 1882–1973. Konservativer Lokalpolitiker und Turnverbandsfunktionär aus Saarbrücken. Seit 1897 Mitglied im TV Malstatt und langjähriger Erster Vorsitzender. Ab 1919/20 Vertreter des SaarBlies-Gaus in der DT; 1921 Vorsitzender der vereinigten „Saarbrücker Turnerschaft“; 1922 gelingt ihm die Vereinigung der vier saarländischen Turngaue zu einer Arbeitsgemeinschaft, deren Vorsitzender er wird; ebenfalls 1922 Initiative zur Gründung der „Saar-Turn-Zeitung“. In der Völkerbundszeit Stadtverordneter der Deutsch-Saarländischen Volkspartei in Saarbrücken; 1925 Vorsitzender des Hauptausschusses für die Jahrtausendfeier im Saargebiet; bis 1933 langjähriger Vorsitzender des Stadtverbandes für Leibesübungen Saarbrücken; bis zur Rückgliederung 1935 V-Mann der Reichs- und der preußischen Regierung; 1933 Ernennung zum Turn-Führer im Bezirk 1 „Saar“ des Sportgaus 13 Südwest; wegen Differenzen 1936 Rücktritt. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1953–1961 Erster Vorsitzender des Saarländischen Turnerbunds und Vorstandsmitglied im LSVS; 1947 Wahl zum Alterspräsidenten des LSVS; bis 1966 Mitglied der Sportplanungskommission; seit 1961 Ehrenvorsitzender des STB; 1959 Großes Bundesverdienstkreuz. Ab 1956 Stadtverordneter der Deutschen Demokratischen Partei Saar. CONEN, Edmund 1914–1990. Nationalspieler des FV Saarbrücken in den dreißiger Jahren. 1929 aus Ürzig zum FV Saarbrücken gestoßen. Bei der WM 1934 erzielte er einen Hattrick. Im Mai 1934 in Saarbrücken Eröffnung eines Fachgeschäfts für Zigarren und Zigaretten; zudem Eigentümer des „Turmhotels“ an der Rosensteinbrücke. 1935–1938 Aufgabe des Fußballs wegen einer Herzneurose. 1938–1943 und 1945–1950 Spieler bei den Stuttgarter Kickers. Während des Zweiten Weltkriegs 1944 Gastspieler beim FC Mülhausen im Elsass. Ab 1950 Fußballtrainer in der Schweiz und in Deutschland. DAHLHEIMER, Karl „Knaule“ 1906–1943. Gelernter Schlosser aus Saarbrücken, Fußballprofi in Frankreich. 1925–1933 Torwart beim FV Saarbrücken; 1933 einer der ersten deutschen Profis in der französischen Profiliga; 1933–1939 Profi beim SC Fives Lille. Ab 1939/40 spielte er wieder beim FV Saarbrücken, erreichte 1943 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Im November 1943 verstarb er an den Folgen eines Unfalls. DITTSCHEID, Paul Kaufmann und Sportfunktionär aus Saarbrücken, 1889 geboren. Gründungsmitglied des Spielclub Saarbrücken; 1908/09 Vorsitzender des FC Saarbrücken; 1914 Gründungsmitglied des Rasen-

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sportverbandes Saarbrücken; seit 1919 Vorsitzender des aus einer Fusion hervorgegangenen SV 1905 Saarbrücken. Im Oktober 1919 Kontaktaufnahme mit Theodor Vogel vom Bund deutscher Saarvereine, um die Rolle der Sportvereine in der „Saarkampagne“ auszuloten; 1933 Leiter der Fußballabteilung im neu gegründeten Großverein SV Saar 05 Saarbrücken. Nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied im Landessportausschuss; Vorstandsmitglied im SFB, später Ehrenpräsident; 1945/46 Mitgründer des Sportvereins Saarbrücken und 1946 Erster Vorsitzender; später Ehrenvorsitzender. DÜRRFELD, Ernst 1898–1945. Saarländischer Bergmann, Angestellter und NS-Politiker. Teilnahme im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg Hilfsgrubenwächter im Saargebiet und Geldzähler bei der Reichsbank; NSDAP-Mitglied seit 1922; Mitbegründer der NS-Parteizeitung „Saardeutsche Volksstimme“; 1925 Angehöriger des Saardeutschen Volksbundes; 1926 wegen NS-Aktivitäten Ausweisung aus dem Saargebiet; ab 1926 Stadtangestellter in Kaiserslautern und Parteikarriere; Unterstützung des 1. FC Kaiserslautern; seit 1935 NSDAP-Kreisleiter Saarbrücken-Stadt und Mitglied des Reichstages; im Mai 1935 Wahl zum Oberbürgermeister von Saarbrücken; 1935 Scheitern im Streben, die Fußballvereine in Saarbrücken zu einem Großverein zu fusionieren. Im September 1937 wegen Unfähigkeit und Trinksucht in Ruhestand versetzt; 1940–1944 Wirtschaftsberater und Dezernent in der Stadtverwaltung Warschau, 1944/45 in Berlin tätig. FISCHERA, Adolf „Adi“ 1888–1938. Österreichischer Fußballspieler und -trainer; galt als einer der spielstärksten österreichischen Fußballer der Vorkriegszeit. Vor dem Ersten Weltkrieg Spieler des Wiener AC und des Wiener AF, seit 1908 Nationalspieler. Von Juni 1920 bis Januar 1922 Spielertrainer bei Borussia Neunkirchen, zugleich Posten als Sekretär bei einem Neunkircher Fabrikanten. Mit dem Verein Gewinn des Süddeutschen Pokals 1921, der Saarmeisterschaft und Erreichen der Endrunde der deutschen Meisterschaft. 1922 Rückkehr nach Wien, Tätigkeit als Telegraphenbeamter. Geplantes Engagement als Trainer in Neunkirchen scheiterte 1938, da er schwer erkrankte und verstarb. GANSSER, Hellmut 1898–1933. Journalist aus Saarbrücken. Neffe von Theodor Vogel. Jugendlicher Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. Zunächst Redakteur des „Saar-Freund“ in Berlin, dann Redakteur bei der Saarbrücker Zeitung; 1921 Mitarbeiter bei der Presseabteilung der Rheinischen Volkspflege in Saarbrücken; erfolgloser Versuch, im Auftrag des reichsdeutschen Konkordia-Verlags den von den Gebrüdern Neu gegründeten „Sportecho“ zu übernehmen; in den zwanziger Jahren ständiger Korrespondent der Saarbrücker Zeitung; 1927–1932 Mitarbeiter im Depeschenbüro Europapress in Genf; 1933 in Paris als Korrespondent der Europapress. 1933 Kuraufenthalte in Bad Mergentheim und Heidelberg. Tod in Saarbrücken infolge einer alten Lungenverletzung aus dem Ersten Weltkrieg. [Q: Handbuch der deutschen Presse 23 (1933), S. 12, 125, 168]. GEIBIG, Ludwig Aus Saarbrücken-Dudweiler stammender Sportfunktionär und Sportreferent, 1905 geboren. Gelernter Maurerpolier, seit 1925 Sozialdemokrat; Arbeitersportler. 1935 im saarländischen Widerstand tätig; Ende 1935 kurzzeitig verhaftet; 1940 in Stuttgart zu 14-monatiger Haftstrafe verurteilt, anschließende Schutzhaft im Konzentrationslager Dachau. Nach dem Krieg Rückkehr ins Saar-

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land; ab 1946 langjähriger Leiter des Sportreferats im Regierungspräsidium, in der Verwaltungskommission sowie im späteren Kultusministerium der Regierung des Saarlandes. 1950 Gründungspräsident des ASC Dudweiler, bis 1971. GISSY, Aimé 1907–1987. Sportjournalist, elsässischer Fußballverbandsfunktionär, wohnhaft in Straßburg. Einer der ersten professionellen Journalisten im Elsass, die sich in der Zwischenkriegszeit auf die Sportpresse spezialisierten. 1946 in Straßburg Gründer und Chefredakteur der Sportzeitung „Sport Est“ (1946–1955) und des „Alsace Foot“ (1955–1974). Langjähriger Vorsitzender der Association des Rédacteurs Sportifs du Bas-Rhin. Langjähriger Funktionär der Ligue d’Alsace de football. 1936– 1973 Generalsekretär. Nach 1945 drängte er auf Säuberungsaktionen im Verband; 1948/49 Gegner der Angliederung des Saarfußballs an Frankreich; galt als „der starke Mann des elsässischen Fußballsports“ [Perny]. GRANDVAL, Gilbert 1904–1981. Französischer Militär, Diplomat, Politiker. Im Zweiten Weltkrieg führende Stellung in der Résistance; 1945–1948 Militärgouverneur, bis 1952 Hoher Kommissar im Saarland; 1952– 1955 Botschafter in Saarbrücken; Ende der vierziger Jahre Befürworter einer Angliederung des saarländischen an den französischen Sport; 1955 Résident général in Marokko; 1962–1966 Arbeitsminister. HARIG, Mathias (Max) 1892–1962. Hauptberuflicher Sportjournalist aus Saarbrücken/Güdingen. 1913–1918 Unteroffizier bei der Infanterie. 1921–1923 Chefredakteur der saarländischen Sportzeitung „Sport an der Saar“, die er ab 1923 zusammen mit Erich Menzel als „Südwestdeutsche Sportzeitung“ innerhalb des Verlagshauses der Saarbrücker Landeszeitung weiterführte. 1936 Übernahme der SWD im Eigenverlag bis zur Evakuierung 1939; seit August 1938 NSDAP-Mitglied. Im Zweiten Weltkrieg von 1942–1944 Sportschriftleiter bei der NSZ-Westmark. In der Nachkriegszeit ab Juli 1946 mit Erich Menzel beim „Sport-Echo“. Im Oktober 1948 gründete er mit Menzel das Konkurrenzblatt „SportExpreß“, das bis 1951 erschien. HELMER, Hans Sozialdemokratischer Politiker und Sportfunktionär aus Saarbrücken, gestorben 1968. 1946 von Grandval mit Herausgabe der neuen saarländischen Sportzeitung „Sport-Echo“ betraut. 1945–1953 Präsident des 1. FC Saarbrücken, Nachfolgeverein des FV Saarbrücken. Als Vorsitzender des Landessportausschusses (1946–1948) und des LSVS (1950–1952) propagierte er den Anschluss des Saarsports an Frankreich; 1952 zum Ehrenpräsidenten des LSVS gewählt, mit beratender Stimme im Vorstand; 1959 Alterspräsident. HERLORY, Raymond 1899–1966. Lothringischer Sportfunktionär aus Metz. Schule und Kennenlernen des Fußballspiels in Diedenhofen. Während des Ersten Weltkriegs Flucht nach Frankreich, um sich der Armee anzuschließen. Nach 1918 Rückkehr in die Moselle. 1934–1965 Präsident des FC Metz, anschließend Ehrenpräsident. Wegen seiner autoritären Art und Weise kommt es zu Konflikten innerhalb des Vereins; bekannt für seinen Ehrgeiz und seine Sparsamkeit. 1937–1940 zudem Mitglied im Con-

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seil Départemental des Sports, Loisirs et Education Physique. 1939 Einberufung in die Armee. Nach dem Waffenstillstand 1940 Verbleib im Département Vosges, gründet in Gérardmer die AS Gérardmer. Rückkehr nach Metz 11/1944 und sofortiger Wiederaufbau des FC Metz. HEMPEL, Max Sportfunktionär aus Saarbrücken. In den zwanziger Jahren Vorsitzender des SC Saar 05, Anfang der dreißiger Jahre Vorsitzender des SV Saarbrücken 05, nach der Fusion zum Großverein SV Saar 05 Saarbrücken seit 1933 ständiges Vorstandsmitglied; bekannt als „prächtiger Organisator“, zuständig für die Fußballbegegnungen i.R. der Saarkampagne und für die Boxkämpfe im Saalbau; 1930 Wahl zum Alterspräsidenten des Bezirks Rhein-Saar im SFV. Während der Saarkampagne V-Mann des Saarfußballs für die reichsdeutschen Stellen und den Bund der Saarvereine; 1933 Wahl zum Vorsitzenden des Rasensportverbandes; 1935 Mitglied im Arbeitsausschuss für das Saar-Befreiungs-Gaufest; seit 1935 Leiter der Abt. Fußball in der DRL-Ortsgruppe Saarbrücken. JOSE, Karl Elektroingenieur, Fußballspieler und Sportfunktionär aus Saarbrücken; gestorben 1956. Nach Studium in der Schweiz 1903 Umzug nach Saarbrücken. Mitgründer der Spielabteilung im TV Malstatt 1903; 1906 wechselte er als Spieler vorübergehend zum SV 06 Völklingen, da der Turnverein nicht dem Saar-Moselgau im SFV beigetreten war. Erster Vorsitzender des FV Saarbrücken 1909–1910 und 1920–1922. Erster Vorsitzender der Sportfreunde Saarbrücken 1924; in den zwanziger Jahren bis 1933 Geschäftsführer im Stadtverband zur Förderung der Leibesübungen Saarbrücken; ab 1924 Mitglied im Ausschuss für Leibesübungen Saarbrücken; tätig auch in der Vorstandschaft des Rasensportverbandes Saarbrücken und im Bezirk Rhein-Saar des SFLV. 1924 stellte er sich gegen die Wiederaufnahme sportlicher Beziehungen nach Frankreich; 1925 Mitglied des Hauptausschusses für die Jahrtausendfeier im Saargebiet; 1928 Engagement für die „Warndtpropaganda“, Organisation von Wettspielreisen deutscher Mannschaften im Saargebiet. KERTÉSZ, Adolf 1892–1920. Im Fußballjargon Kertész III. Ungarisch-jüdischer Fußballspieler und -trainer. Zweitjüngster der vier Kertész-Brüder, die beim MTK Budapest spielten; Nationalspieler für Ungarn; spielte bis 1920 für den MTK Budapest; im August 1920 Wechsel zum SC Saar 05 als Spielertrainer, arbeitete in einem Saarbrücker Bankhaus als Buchhalter. Auf der Fahrt von Homburg zu einem Wettspiel bei Borussia Neunkirchen Tod bei einem Verkehrsunfall. Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof in Saarbrücken. Grabinschrift: „Er war ein treuer Sportkamerad. S.C. Saar 05“. KERTÉSZ, Géza 1894–1945. Im Fußballjargon Kertész IV. Ungarisch-jüdischer Fußballspieler und -trainer. Jüngster der vier Kertész-Brüder, die beim MTK Budapest spielten; Nationalspieler für Ungarn. 1920/21 spielte er unter seinem Bruder Kertész I beim CA Metz. Im Februar 1921 Einsatz für ein Auswahlspiel der LLFA gegen das Elsass. Später Spielerkarriere in Italien; seit 1927 Trainerlaufbahn. Im Zweiten Weltkrieg trainierte er unter anderem den AS Rom. 1943 Rückkehr nach Ungarn. KERTÉSZ, Gyula 1888–1982. Im Fußballjargon Kertész I. Ungarisch-jüdischer Fußballspieler und -trainer. Ältester der vier Kertész-Brüder, die beim MTK Budapest spielten; Nationalspieler für Ungarn. Im Herbst

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1920 wurde er Trainer beim CA Metz. In Metz Geburt seines Sohnes George im April 1921. Später weitere Trainerstationen FC Basel, Hamburger SV und VfB Leipzig. 1933 verließ er Deutschland, 1938 Emigration nach New York, wo er für eine Plattenfirma arbeitete. Sohn George Curtiss (amerikanisierter Nachname) wurde führender Manager bei Remington Records. LACHMANN, Hans 1909–1981. Unternehmer jüdischen Glaubens und Fußballvereinsfunktionär aus Neunkirchen. Aufgewachsen in einem bürgerlich-konservativen jüdischen Milieu, Sohn von Heinrich Lachmann, Teilhaber der Metallwarenfabrik Menesa. 1933 Emigration nach Frankreich; 1937 Verleihung der französischen Staatsbürgerschaft und Annahme des Namens Jean Lackmann; im Oktober 1937 Einberufung zur französischen Armee, im Zweiten Weltkrieg Zivilangestellter bei der Militärintendanz in Clermont-Ferrand, seit 1942 in der Résistance. Am 5.5.1944 Verhaftung durch die französische Miliz und Übergabe an die Gestapo; im Mai 1945 Befreiung im Konzentrationslager Sachsenhausen. Im Juli 1946 Rückkehr nach Neunkirchen; Teilhaber und bis 1956 kaufmännischer Direktor des ehemals elterlichen Betriebs Menesa. 1950–1959 Präsident von Borussia Neunkirchen. Als Direktor der Menesa unterstützte er den Verein und konnte u. a. Spieler im Betrieb „unterbringen“, so z.B. Karl Ringel 1953. Im November 1959 Amtsniederlegung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten und aus gesundheitlichen Gründen; seit 1960 Ehrenpräsident. LUDWIG, Albert Deutscher Rechtsanwalt in Metz und Hanau, Sportfunktionär. Im Fußballsport Schiedsrichter, 1907 II. Schriftführer im VSFV, 1908 Bundesdelegierter des VSFV; 1910 Mitglied der Jahrbuchskommission des DFB; 1910–1920 II. Vorsitzender im VSFV; in Metz Mitglied der Vereine Metis Metz und Metzer Sportvereinigung; 1913 propagierte er das „deutsche Fußballspiel“ als männliche Charakterschule und Volkserziehungsmittel. Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Vizefeldwebel. Nach 1918 Umsiedlung nach Hanau. 1920 Aufgabe seines Amtes als II. Vorsitzender im SFV auf, da er seine Ideale gegenüber dem „Abgleiten ins Materielle“ verraten sah. In den 1930er Jahren Rechtsrat der Stadt Frankfurt. MAGHNER, Edward „Ted“ 1891–1948. Englischer Fußballspieler und -trainer aus Newcastle upon Tyne. Bereits mit 17 Jahren Fußballprofi in England. Während des Ersten Weltkriegs Malariaerkrankung. In den dreißiger Jahren Trainer auf dem europäischen Kontinent. 1937/38 Trainer beim FC Metz, mit welchem er 1938 im Finale der Coupe de la France steht. Während des Zweiten Weltkriegs Trainerstationen in England, 1946/47 erneutes Engagement beim FC Metz. MENZEL, Albrecht 1885–1974. Hüttenbeamter, Sportjournalist, Fußballspieler, Leichtathlet und Sportvereinsfunktionär aus Neunkirchen. Der älteste der drei Menzelbrüder gehörte zu den Sportpionieren in Neunkirchen. 1905 Spieler und Vorsitzender der neu gegründeten „Fußballriege“ beim TV 1860 Neunkirchen, die sich 1906 als Sportklub verselbstständigte; 1907 Gründungsmitglied des fusionierten VfB Borussia Neunkirchen; im selben Jahr Gründungsmitglied des Saargaus, der sich dem VSFV anschloss. Während des Ersten Weltkriegs Vorsitzender von Borussia Neunkirchen; Gründer der Leichtathletikabteilung im Verein; 1920 Mitbegründer des Stadtverbandes für Leibesübungen in

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Neunkirchen. Als langjähriger Pressewart seines Vereins verantwortlich für zahlreiche Publikationen und Beiträge; Ehrenmitglied des Vereins. 1966 Bundesverdienstkreuz für Verdienste im Sport. MENZEL, Erich 1894–1962. Sportjournalist aus Neunkirchen. Jüngster der drei Menzelbrüder. Als Funktionär bei Borussia Neunkirchen organisierte er 1917–1920 Freundschaftsspiele. Zunächst Angestellter im Neunkircher Eisenwerk, seit 1919 Journalist. Ab 1923 Redakteur des Münchener „Fußball“; 1927–35 angestellter Redakteur der „Südwestdeutschen Sportzeitung“. 1935–1939 selbstständiger Journalist; seit 1937 NSDAP-Mitglied; im Krieg Schriftleiter beim „Kicker“. Nach 1945 Rückkehr ins Saarland; 1946–1948 Chefredakteur des „Sport-Echo“, 1948–1951 des „Sport-Express“; 1947 Gründungsmitglied der Saarländischen Pressevereinigung. MENZEL, Eugen 1889–1971. Ingenieur im Neunkircher Eisenwerk, Stahlexperte in Hamburg, Journalist und Sportvereinsfunktionär. Zweitältester der drei Menzelbrüder. Wie sein Bruder Albrecht 1905 Mitglied der „Fußballriege“ im TV 1860 Neunkirchen und 1907 Mitgründer des fusionierten VfB Borussia Neunkirchen. 1907–1912 Spieler der Meistermannschaft, die in die Westkreisliga des VSFV aufsteigt; 1909 Erster Vorsitzender, bis 1928/29 in der Vereinsführung, u. a. als Pressewart; in Hamburg und Norwegen privat für den DFB tätig, wofür er für die „Wiederbelebung des deutschen Sports im Auslande“ die Ehrennadel des DFB erhielt. MICHAUX, Paul Marie 1854–1923. In Metz geborener und in Paris tätiger Arzt und Chirurg. 1898 Gründer der katholischen Sportorganisation FGSPF; 1911 Gründer der katholischen Fédération internationale d’Education physique (350 000 Mitglieder in 12 Ländern). Bis zum Ersten Weltkrieg Sportpropaganda für die Loslösung der Moselle vom Deutschen Reich. 1919 Rückkehr nach Metz. 1920 initiierte er die alljährlich stattfindenden katholischen Sportwettkämpfe, die am 20.6.1920 erstmals in Metz stattfanden. Ebenfalls 1920 Gründer des regionalen FGSPF-Verbands Société Union Jeanne la Lorraine. MOTREUL, Marcel 1893–1958. Franzose mit deutschen Wurzeln, für die französische Bergwerksindustrie sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch nach 1945 an der Saar beziehungsweise in Neunkirchen tätig. Bereits bei seinem ersten Engagement unterstützte er Borussia Neunkirchen; nach 1945 Direktor und Gruppenleiter Ost der „Régie des Mines de la Sarre“; 1952 Ehrenmitglied von Borussia Neunkirchen; er gewährte finanzielle Unterstützung und brachte Spieler bei den Saarbergwerken unter, unter ihnen Erich Leibenguth. Nach seiner Pensionierung lebte er in Paris. MÜLLER, Emil Lothringischer Tierarzt, Lokalpolitiker und Sportfunktionär aus Thionville mit luxemburgischen Ursprüngen. In der Reichslandzeit Besuch des Gymnasiums in Diedenhofen, wo er den Fußball kennenlernte; 1907 Mitgründer des Diedenhofener FC und 1909 des Diedenhofener FV; 1919/20 erster Präsident der Sportive Thionvilloise nach dem Krieg; Studium der Tiermedizin in Straßburg. Im September 1919 gründete er die Fédération Lorraine des Sports Athlétiques, die die Vereine der Moselle vereinigte und eine Fußballmeisterschaft austrug. Noch im Februar 1920 lehnte er

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eine Vereinigung mit der LLFA ab, später jedoch dort Verbandsfunktionär; 1922 zeitweilige Ämteraufgabe aus Protest gegen Verbandsentscheidungen. 1922 positionierte er sich gegen das verkappte Berufsspielertum, 1923 für eine Aufhebung des Sportboykotts gegenüber Deutschland und verlangte eine Zulassung der saarländischen Vereine. 1925–1966 Stadtrat in Thionville. MÜLLER, Erwin 1906–1968. Christdemokratischer Politiker und Sportfunktionär aus dem Saarland. Vor 1935 Mitglied des katholischen Zentrums, später Rechtsberater des französischen Generalkonsuls in Saarbrücken; nach dem Krieg Mitglied im Verfassungsausschuss, 1946/47 Direktor für Justiz und Präsident der Verwaltungskommission; 1947–1955 Landtagsabgeordneter für die CVP; April 1951 bis Ende 1952 Justiz- und Kultusminister, bis Juli 1954 Finanzminister, bis Oktober 1955 erneut Justizminister. Seit 1947 Präsident des SV Saar 05 Saarbrücken; 1950–1953 Vorsitzender des neu gegründeten Saarländischen Turnerbundes, nach Kampfabstimmung gegen Carl Rupp; Vorsitzender der Motorsport-Union; 1950–1955 Präsident des Olympischen Komitees des Saarlandes. Bei den Wahlen zum Präsidenten des LSVS unterlag er 1948/1950 Hans Helmer. MÜLLER, Marcel 1916–1993. Lothringischer Fußballprofi und Lokalpolitiker aus Morsbach. 1934–1938 Fußballprofi beim FC Metz; 1940/41 beim FV Metz. 1943 in der besetzten Moselle als Kriegsdienstverweigerer verhaftet; 1945 Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau. Nach dem Krieg Beendigung der Profikarriere; 1946 als einziger Amateur in die Auswahl der LLFA berufen; 1945–1953 Spielertrainer der SO Merlebach und der US Forbach. 1953–1983 Bürgermeister in Morsbach/Moselle. NEUMANN, Kurt „Kulle“ 1892–1927. Deutscher Eisenbahner und bekannter Leichtathlet in Lothringen. Als Sohn eines deutschen Eisenbahnbeamten in Saargemünd geboren. Mitglied im SV Wodan Saargemünd; Sportpionier in Saargemünd, Lothringen und im Saargebiet und einer der erfolgreichsten Leichtathleten; vor dem Krieg Rekordhalter im Hochsprung im Saargebiet und in Lothringen; an der Saar wegen des roten Wodan-Trikots „der rote Schrecken“ genannt. 1915 Kriegsteilnahme und Beinamputation. Seit 1919 in Düsseldorf, seit 1924 Eisenbahninspektor; im Januar 1927 nach schwerer Grippe verstorben. Sein Tod wurde in Saargemünd bestürzt wahrgenommen. NEIKES, Hans 1881–1954. Promovierter Jurist aus Köln, langjähriges Stadtoberhaupt Saarbrückens. 1921–1928 Bürgermeister; 1928–1935 Oberbürgermeister; am 9.4.1935 auf Betreiben Bürckels beurlaubt; im September 1935 Umzug nach Wiesbaden. Ab 1938 Mitarbeiter von Albert Speer, später im Reichswirtschaftsministerium; Mai 1952 Umzug von Berlin nach Saarbrücken. Neikes besuchte in seiner Amtszeit grundsätzlich keine Sportveranstaltungen, erst im Vorfeld des Abstimmungskampfes Besuch des Spichererbergfestes. Albrecht Menzel zufolge gehörte er in jungen Jahren als Spieler dem Kölner FC 1899 an. In seiner Amtszeit Interesse am Pferdesport; unter seiner Ägide Beginn der Institutionalisierung der kommunalen Sportförderung. NEU, Wilhelm „Willi“ Spitzensportler und Sportfunktionär aus Saarbrücken. Bis 1921 Fußballspieler beim SC Saar 05; 1921–1924 bei Borussia Neunkirchen; seit 1924 wieder beim SC Saar 05, v. a. als Leichtathlet

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und Trainer; außerdem süddeutscher Repräsentativspieler. Zusammen mit seinem Bruder Elli Neu 1921 Gründung des „Sportecho“ als Nachrichtenblatt des Rasensportverbandes Saarbrücken, des Vorgängerblatts der „Südwest-Deutschen Sportzeitung“. In den frühen 1920er Jahren Engagement gegen die Gründung eines selbstständigen südwestdeutschen Fußballverbandes. Um die Leichtathletik voranzubringen, gründete er mit Aktiven des SC Saar Anfang der dreißiger Jahre den Deutschen Sportclub Saarbrücken. 1934/35 Führer des Sportführerrings der Deutschen Front im Saargebiet; im März 1935 Ernennung zum Bezirksbeauftragten des Reichssportführers; im Zweiten Weltkrieg übergeordneter Sportbeauftragter im Sportgau Westmark. NEUBERGER, Hermann 1919–1992. Saarländischer Journalist und Sportfunktionär, langjähriger DFB-Präsident. Als Kind und Jugendlicher sportlich beim FV Saarbrücken aktiv. Im Zweiten Weltkrieg Offizier beim Generalstab der Wehrmacht in Rom. Nach dem Krieg ab November 1945 beim 1. FC Saarbrücken für mehrere Jahre für die Pressearbeit zuständig. Ab 1946 Sportjournalist: 1946–1951 „Sport-Echo“ und „Sport-Welt“, 1955–1957 „Toto-Sport“ (Chefredakteur); Vorstandsmitglied des SFB seit Gründung; sprach sich 1949 zunächst für eine Angliederung des Saarsports an Frankreich aus, betrieb 1951 erfolgreich die Rückkehr des Saarfußballs in den bundesdeutschen Oberligafußball; 1951–1969 Vorsitzender des SFB/SFV; 1959–1969 auch Vorsitzender des LSVS; geschäftsführender Direktor der Saarland-Sporttoto GmbH. Laufbahn im DFB: 1969 Vizepräsident, 1975–1992 DFB-Präsident; 1975–1992 außerdem Vizepräsident der FIFA; desweiteren 1963–92 Mitglied des Rundfunkrates des Saarländischen Rundfunks. 1985 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern. NEUFANG, Robert 1901–1972. Saarländischer Politiker und Sportfunktionär aus Neunkirchen. Seit 1920 Mitglied von Borussia Neunkirchen. 10/1946 bis 7/1947 Direktor der Ernährung und der Landwirtschaft in der Verwaltungskommission; Mitglied der Kommunistischen Partei; im Juni 1947 Parteiaustritt, da die KP den Kurs der Verwaltungskommission nicht mitträgt. 1948–1950 Erster Vorsitzender des VfB Neunkirchen; ab 1953–1956 Ehrenpräsident. Neufang war 1949 ein Verfechter des Anschlusses an die FFFA und konnte sich damit innerhalb des Vereins durchsetzen. [u.a. MALLMANN/PAUL: Milieus und Widerstand (1995), S. 525, Personalakte im LA Saarbrücken (VK 177)]. NOMINÉ, Henri Pierre 1892–1972. Lothringischer Notabel, Politiker und Sportfunktionär aus Sarreguemines. 1911–1914 Studium der Agrarwissenschaften in Bonn. 1914 Teilnahme am Ersten Weltkrieg im 22. Bayerischen Infanterie-Regiment; nach Kriegsverwundung 1915/16 Assistent am Botanischen Institut in Bonn; seit März 1917 Landwirtschaftsexperte in der Kreisdirektion Saargemünd. Im November 1918 Übernahme durch französische Behörden. 1919 als Unabhängiger der Sozialistischen Liste Wahl zum Bürgermeister von Sarreguemines, im Amt 1919–1935; Conseiller général de la Moselle 1925–1940 und Député de la Moselle 1928–1936. Präsident der AS Sarreguemines 1922–1932, unter seiner Führung Bau des städtischen Stadions. Nach Kriegsausbruch 1939 als Landwirtschaftsreferent beim Stab der 5. Französischen Armee; während der Besatzungszeit und nach dem Krieg tätig im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen im Elsass und in Lothringen. Ab 1961 ehrenamtlicher Vorsitzender der Société d'histoire et d'archéologie Sarreguemines.

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POINSIGNON, Lucien 1888–1937. Lothringischer Postbeamter und Fußballfunktionär; eine der „grandes figures du football lorrain“. Vor dem Ersten Weltkrieg Kassier und Erster Vorsitzender bei der Metzer Sportvereinigung. 1911 Leiter der Schiedsrichterkommission und der Juniorenmeisterschaft im Saargau innerhalb des VSFV. 1919 Vorstandsmitglied des Nachfolgevereins der MSV, dem CA Messin; 1920 Mitgründer der LLFA, langjähriger Generalsekretär und Vizepräsident. In einem Metzer Polizeibericht nach Kriegsende wurde ihm in der nationalen Gesinnung eine Kehrtwende bescheinigt. Vor 1919 sei er für sein Deutschtum bekannt gewesen. 1937 tödlicher Unfall bei einer Alpenwanderung. POPPER, Lothar Ludwig 1861–1921. Promovierter Amtsgerichtsrat (a. D.), Sportfunktionär aus Hanau. Zugleich Rittmeister der Landwehr bei einem Kavallerieregiment. In frühen Jahren Rugby- und Tennisspieler. 1910–1921 Vorsitzender VSFV/SFV; im DFB 1910–20 Vorsitzender des Bundesgerichts; vor dem Ersten Weltkrieg machte er sich für eine Mitgliedschaft des Verbandes im Jungdeutschlandbund stark, lehnte 1919 dann eine Mitgliedschaft völlig ab. 1920/21 Engagement für die Vereine in den besetzten Gebieten. Er wurde „Der Rat“ genannt und war laut einer Festschrift des SFV „die populärste Persönlichkeit, die der süddeutsche Sport je gekannt hat“. Er starb während einer Zugfahrt an einem Herzinfarkt, auf dem Weg zur Geschäftsstelle des SFV. POLLER, Johann Heinrich Volksschullehrer, Turninspektor und -funktionär aus Dudweiler, geboren 1868. Besuch des Lehrerseminars in Ottweiler, ab 1891 Volksschullehrer in Malstatt. Bereits 1884 Mitglied im TV Dudweiler; seit etwa 1895 Turnwart des TV Malstatt; 1903 bot er Jugendlichen an, innerhalb des Vereins eine Spielabteilung zu gründen; seit etwa 1906 für über zwei Jahrzehnte Turninspektor in Mal-statt-Burbach/Saarbrücken; seit 1912/13 Mitglied des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses für Jugendpflege; Kreisjugendpfleger 1912 bis Anfang der zwanziger Jahre. Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Offizier und Träger des Eisernen Kreuzes; im Saar-Blies-Gau langjähriger Erster Gauturnwart; Rücktritt im Herbst 1919; 1921 zusammen mit Karl Burk Gauvertretung auf dem Deutschen Turntag; langjähriger Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses des Spichererberg Turn- und Spielfestes; mit Karl Burk seit 1919 Feindschaft wegen der von Poller getragenen Teilnahme von Turnern an einer von den Franzosen organisierten Sportwoche. RAßBACH, Dr. Wilhelm 1884–1950. Oberlehrer und Sportfunktionär aus Wiesbaden. Naturwissenschaftliches Studium in Bonn und Marburg, 1907 Promotion. Im Ersten Weltkrieg freiwilliger Militärdienst, Offizier. 1929–1932 Mitglied der Deutschnationalen Partei, 1933 der NSDAP. Im Fußballsport Schiedsrichter und im Zweiten Weltkrieg Vereinsführer des SV Wiesbaden. Im Zweiten Weltkrieg Teilnahme am Westfeldzug. Langjähriger Funktionär im VSFV/SFV: 1914 Vorsitzender des Nordkreises und des Spielausschusses, 1924 Schatzmeister; seit 1925 in Wiesbaden Leiter der Geschäftsstelle des Bezirks Rheinhessen-Saar; seit 1932 beim DFB langjähriger dritter Vorsitzender. Im August 1933 mit drei weiteren Funktionären für die Überführung des SFV in den DFB verantwortlich. Seit 1933 Gaufachamtsleiter Fachamt Fußball im Gau XIII Südwest im DRL.

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RICHERT, Augustin Xavier 1879–1975. Französischer Offizier und Geheimagent aus dem Elsass; seit 1901 Offizier, im Ersten Weltkrieg Hauptmann der Fremdenlegion; 1919–1922 als Major des französischen Nachrichtendienstes in den besetzten Gebieten; Leiter des französischen Informationsbüros in Saarbrücken; laut einem ehemaligen Mitarbeiter Selbstbeschreibung als „eigentlicher König von Saarabien“; 1922/23 geheimdienstlicher Auftrag bei der französischen Gesandtschaft in München zur Infiltrierung rechtsextremer Organisationen; 1923 von Poincaré desavouiert und nach Frankreich versetzt; bis 1939/40 beim Militär, zuletzt Brigadegeneral [HUBER: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 (1984), S. 322]. RIMET, Jules 1873–1956. Französischer Sportfunktionär. Studium der Rechtswissenschaften und 1897 Mitgründer des Vereins Red Star Paris; 1919–1949 Präsident des französischen Fußballverbandes FFFA; setzte sich 1949 für die Angliederung des Saarfußballs an Frankreich ein, wurde infolge seiner Minderheitsposition im eigenen Verband 1949 nicht wiedergewählt; 1921–1954 Präsident der FIFA. RÖCHLING, Hermann 1872–1955. Stahlindustrieller und Mäzen in Völklingen, seit 1898 Kommerzienrat. Förderer und Gönner des SV Völklingen 06, Ehrenvorsitzender seit 1908; ab 1912/13 Mitglied im Bezirks- und des Arbeitsausschuss für Jugendpflege und im Kreisausschuss für Saarbrücken. In der Völkerbundszeit Vorsitzender der Deutsch-Saarländischen Volkspartei; 1922–1935 Mitglied im Landesrat; 1941 übernahm sein Konzern treuhänderisch die Karlshütte in Diedenhofen/Thionville; 1941 Präsident der IHK Metz, später „Reichsbeauftragter für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten“. 1948 zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1951 Entlassung. RUPP, Carl Alexander 1902–1973. Saarländischer Turn- und Sportfunktionär aus Sulzbach. In den 1920er und 1930er Jahren Redakteur bei der Saar-Turn-Zeitung; Volksturnwart im Saar-Blies-Gau, Gaupressewart und vier Jahre technischer Leiter des Spichererbergfestes; 1937–1939 Vereinsführer der TSG Sulzbach. Im „Dritten Reich“ Aufgabe der Ehrenämter wegen jüdischer Ehefrau. Nach dem Krieg 1950 knappes Scheitern in der Kampfabstimmung zum STB-Vorsitzenden gegen Erwin Müller; 1950–1955 Vorsitzender des Handballbundes; Vizepräsident und kommissarischer Präsident des LSVS; 1952 zum Vizepräsidenten des OKS gewählt. SCHENCKENDORFF, Emil von 1837–1915. Preußischer Politiker und Sportförderer, einer der Hauptprotagonisten der Spielbewegung im Deutschen Reich. Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus; zunächst Beamter und Karriere bei der Armee; als Politiker der Nationalliberalen Partei Schwerpunkte Bildungswesen und Jugenderziehung; Credo „Handfertigkeit statt Intellektualismus“; Gründungsmitglied des Vereins für Knaben-Handfertigkeit; Ausrichter öffentlicher Volks- und Jugendspiele, seit 1890 Veranstaltung von Spiel-Lehrgängen für Lehrer. 1891 Gründungsmitglied des Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele und bis 1915 dessen Vorsitzender. Er unterstützte das Spichererbergfest und stiftete einen Ehrenschild.

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SCHLEMMER, Theodor Beamter, Sportfunktionär und Sportjournalist aus Neunkirchen-Heinitz. 1911 gründete er mit Vereinen aus dem Sulzbachtal den bis 1914 bestehenden „wilden“ Saar-Pfalz-Verband, der sich dem VSFV anschloss; Funktionär im Saar- und Moselgau. In den zwanziger Jahren Vorstandsmitglied des Bezirks Rhein-Hessen-Saar im SFV. 1925/26 erfolgloser Versuch, das Saargebiet als eigenständigen Bezirk zu installieren. Sportredakteur bei der Saarbrücker Zeitung und der Saar-BliesZeitung; Konflikte v.a. mit Borussia Neunkirchen; NSDAP-Mitglied und 1933 Stadtrat in Saarbrücken; Autor mehrerer Schriften in der NS-Presse und seit 1933 Hauptschriftleiter beim nationalsozialistischen „Saarbrücker Abendblatt“; Vorstandsmitglied im „Verein der Saarpresse“. Seit 1933/34 außerdem Beauftragter des Reichssportführers im Saargebiet und damit Leiter des Sportführerrings. Spieltechnischer Vorsitzender des Bezirks Rheinhessen-Saar. Im Vorfeld der Saarabstimmung ab August 1934 zeitweilig Emigration nach Deutschland. SCHMIDT, Otto 1885–1944. Brauereibesitzer und Sportmäzen aus Neunkirchen. Studium in Heidelberg und Paris, Promotion in Leipzig. 1910 Offizier beim Husarenregiment 9 in Straßburg. Nach dem Tod seines Bruders Übernahme der elterlichen Schlossbrauerei in Neunkirchen. 1909 vermittelte er Borussia Neunkirchen den Sportplatz Friedrichspark und verpachtete 1911/12 dem Verein das neben der Brauerei gelegene Ellenfeld. Teilnehmer im Ersten Weltkrieg, 1916 Versetzung zur Fliegertruppe. Nach dem Krieg widmete sich Schmidt wieder der Brauerei. Als sportbegeisterter Mäzen 1920 zum Ehrenmitglied von Borussia Neunkirchen ernannt. SCHUMAN, Robert 1886–1963. Französischer Politiker. In Luxemburg als Sohn lothringischer Eltern geboren. Studium der Rechtswissenschaften im Deutschen Reich, 1911 Promotion in Berlin; ab 1912 tätig als Rechtsanwalt in Metz. Vor dem Ersten Weltkrieg aktiv in katholischen Organisationen; 1913 Vorsitzender des Organisationskomitees für den Deutschen Katholikentag in Metz. 1912 Vorsitzender der Fédération diocésaine des groupements de jeunesse; auf seine Anregung hin wurden die Fußballabteilungen der hiesigen katholischen Jünglingsvereine dort organisiert. 1919 Annahme der französischen Staatsangehörigkeit und Beginn einer politischen Karriere. Langjähriger Abgeordneter der Moselle in der französischen Nationalversammlung. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 Finanzminister, 1947 Ministerpräsident Frankreichs; 1948–1952 Außenminister; Bekanntheit v.a. durch den nach ihm benannten Schuman-Plan (1950); später Präsident des Europäischen Parlaments; gilt als einer der Gründerväter der Europäischen Union. SCHULZ, Hermann 1900–1965. Aus dem Rheinland stammender promovierter Turn- und Sportlehrer in Saarbrücken. 1929–1936 hauptamtlicher Leiter des Stadtamts für Leibesübungen in Saarbrücken; 1930 Schrift „Wohlfahrtspflege im Saargebiet“; seit 1936 Dozent für Leibeserziehung an der neu eröffneten Hochschule für Lehrerbildung Saarbrücken; NSDAP-Mitglied; seit April 1935 Führer der Ortsgruppe Saarbrücken im DRL und „Beauftragter des Reichssportführers für den Bezirk I des Gaues XIII“; 1936–1938 Kreisführer des Kreises 14 im Gau XIII; 1937 Gesamtleitung des Spichererbergfestes; Teilnehmer im Zweiten Weltkrieg; 1947 Epurationsbescheid als „Mitläufer ohne Sanktion“; 1948 bei der Stadt Saarbrücken Antragsstellung auf Wiedereinstellung im Sport-

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amt; am 1.4.1948 Einstellung in den Volksschuldienst, Seminaroberlehrer; zum 1.12.1949 Ruhestand infolge schwerer Kriegsverletzungen. SCHWITZGEBEL, Friedrich 1888–1957. Lehrer, nationalsozialistischer Politiker und Sportgauführer in Saarbrücken, aus der Pfalz stammend. Geisteswissenschaftliches Studium in München, Nancy und Straßburg; 1912– 1914 Hauslehrer in Folkstone, England; dekorierter Kriegsteilnehmer und Offizier im Ersten Weltkrieg; nach dem Krieg 1919–23 Studium Anglistik, Romanistik und Geographie in Bonn; Anstellung als Studienrat in Zweibrücken scheiterte am Einspruch der Interalliierten Rheinlandkommission wegen Verweigerung einer Verpflichtungserklärung; Herbst 1923 Arbeiter in Homburg, aus politischen Gründen aus dem Saargebiet abgeschoben; 1924–1932 Lehrer und Studienrat in Zweibrücken; 1926 NSDAP-Mitglied; seit 1937 SA-Gruppenführer; 1932–1934 Landtagsabgeordneter in Bayern; 1937–1945 Oberbürgermeister in Saarbrücken; Sport: aus eigenem Bestreben seit 1938 Kreisführer des Kreises 14 (Saarbrücken) des DRL; 1938/39 vorübergehend Kommunalbeauftragter des Reichskommissars Bürckel in Wien; 1939/40 während der Evakuierung Saarbrückens Stadthauptmann im polnischen Radom; seit 30.3.1941 Bürckels Referent für die staatliche Sportaufsicht; Gauleiter-Beauftragter für die Fragen der Leibeserziehung und Sportgauführer des neuen Sportgaus Westmark des NSRL (früher Sportgau XIII Südwest); 1940–1945 Leiter der Stadtverwaltung und des Verwaltungsbezirks Forbach. 1945–1949 Internierung in Theley; vorzeitige Entlassung mit der Auflage, das Saarland zu verlassen; 1951 Kabinettsbeschluss, dass er das Recht auf Pensionsansprüche hat. SOLD, Wilhelm „Bubi“ 1911–1995. Saarländischer Fußballspieler des FV/1. FC Saarbrücken und Nationalspieler. Er spielte 1930–1939, 1941–44 für den FV Saarbrücken, 1943 Deutscher Vizemeister; im September 1932 wurde er für das neue Profiteam des FC Metz verpflichtet, kehrte jedoch vor dem ersten Meisterschaftsspiel aus unbekannten Gründen nach Saarbrücken zurück. Während der Evakuierung Saarbrückens 1939/40 Spieler beim 1. FC Nürnberg, 1940–1941 Spieler bei Tennis Borussia Berlin. 1944 spielte er kurzzeitig während seines Militärdienstes bei der Heeresmannschaft HSV Großborn bei Stettin. 1945–1947 Trainer des 1. FC Saarbrücken; nach Karriereende Leiter des Bubi-Sold-Sportgeschäfts in Saarbrücken. VEINANTE, Emil 1907–1983. In Metz geborener lothringischer Fußballspieler und -trainer. Als Jugendlicher seit 1916 bei der Metzer Sportvereinigung und beim Nachfolgeverein CA Messin; 1928 Wechsel zum Racing Club de France nach Paris; 1929 erster lothringischer Nationalspieler für Frankreich; ab 1932 Fußballprofi. 1939 Einberufung in die französische Armee. 1940 Rückkehr nach Metz, wo er für den FV Metz als Spielertrainer tätig war. Im Sommer 1942 Rückkehr zum RC Paris; 1945– 1947 Trainer beim RC Strasbourg, 1950/51 beim FC Metz. VIENNE, Maurice de 1877–1956. Lothringischer Notabel, Unternehmer und Sportfunktionär aus Nancy. Seine Mutter stammte aus Metz. Diverse Funktionen als Aufsichtsratsmitglied in Banken und Unternehmen, bekannt als Wohltäter und Mäzen. In frühen Jahren Engagement in katholischen Organisationen wie dem Cercle Catholique Ouvrier in Nancy. 1904 Gründer der katholischen Union Sportive „La

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Frontière“; Funktionär im katholischen Sportverband FGSPF; in dessen lothringischer Sektion Drouout 1906–1919 Generalsekretär und Vizepräsident. 1920 Gründungsmitglied der LLFA, der er 1921–1956 vorstand; dadurch auch Mitglied des Bureau Fédéral der FFFA, seit 1925 einer der Vizepräsidenten. Zudem Präsident der regionalen Sportverbände Ligue de Lorraine d’Athlétisme und Ligue de Lorraine de Basketball. Während des Zweiten Weltkriegs in Nancy. In der Nachkriegszeit verhielt er sich – anders als sein elsässischer Kollege – in Hinblick auf eine Aufnahme des Saarlandes in den französischen Fußballverband neutral. VOGEL, Theodor 1870–1942. Journalist aus dem Saarland. 1893–1919 Redakteur des „Bergmannsfreund“, 1904– 1919 Zweiter Vorsitzender des Saarbrücker Kriegervereins; 26.3.1919 Ausweisung aus dem Saargebiet und Umzug nach Berlin; Gründung des „Saargebietsschutzes“, später „Bund der Saarvereine“; Breites Engagement für die Rückkehr des Saargebiets zum Reich; als Vorsitzender des BdV wiederholt Kontakt zu saarländischen Sportvereinen und -funktionären. WALTER, Fritz 1920–2002. Deutscher Fußballspieler aus Kaiserslautern. Seit der Jugend beim 1. FC Kaiserslautern. Langjähriger Nationalspieler unter Sepp Herberger. Im Dezember 1940 Einzug zur Wehrmacht; bis Mitte 1943 an den Standorten Kaiserslautern, Conflans-en-Jarnisy, Commerdy und Thionville. Von Dezember 1942 bis März 1943 Spieler bei der TSG Diedenhofen und im Juni 1943 kurzzeitig bei der TSG Saargemünd. Zudem mehrere Spiele für die Auswahl des Sportgaus Westmark. 1941/42 spielte Walter außerdem für die Prestige-Mannschaft der Wehrmacht, die Pariser Soldatenelf. Nach dem Krieg Rückkehr zum 1. FC Kaiserslautern. WATERMANN, Theodor Deutscher Beamter; Regierungsrat in Köln. Seit Sommer 1926 preußischer Saarvertrauensmann mit Sitz in Köln. Vorher war er im Berliner Polizeipräsidium als Gerichtsassesor tätig. Er unterstand dem Preußischen Innenministerium und knüpfte Kontakte zu saarländischen Parteien und Organisationen; monatliche Reisen an die Saar und Aufbau eines Systems an Vertrauensmännern; wurde als Saarvertrauensmann auch für die Reichsbehörden immer wichtiger; Ein von ihm verwendeter Deckname lautete „Kipp“. WENDEL, Guy de 1878–1955. Französischer Industrieller und Sportmäzen aus der Unternehmerfamilie de Wendel. Im Ersten Weltkrieg Teilnahme als Offizier. Nach 1918 Abgeordneter, später Präsident des Conseil général de la Moselle. Ehrenpräsident der LLFA. Stiftung des nach ihm benannten Pokalwettbewerbs der LLFA: Challenge de Wendel; Bezeichnung wurde nach 1945 beibehalten. ZEIMET, Hans Fußballspieler und Sportfunktionär aus Saarbrücken, 1976 verstorben. 1909 als Jugendspieler beim FV Saarbrücken, 1910 in der Ersten Mannschaft; 1930–1936 Gruppenobmann der Schiedsrichtergruppe Saarbrücken; Ehrenmitglied und seit 1927 Ehrenspielführer des FV Saarbrücken; 1935–1942 Kreis- bzw. Bezirksfachwart für Fußball im Bezirk 14 (Saarbrücken) im Sportgau XIII/Westmark, seit 1940/41 für Lothringen zuständig; Teilnahme im Zweiten Weltkrieg. In den 1950er Jahren Vorstandsmitglied im SFB/SFV; 1950–1967 Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses im Saarland.

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AA .................................................................................... Auswärtiges Amt ADM ........ Archives départementales de la Moselle, Saint-Julien-Lès-Metz ADBR ........................... Archives départementales du Bas-Rhin, Strasbourg AH ............................................................................................. Alte Herren AS .............................................................................. Association Sportive ASC ......................................................................... Allgemeiner Sport-Club BA ........................................................ Bundesarchiv, Berlin-Lichtenfelde CA ................................................................................... Cercle Athlétique CS ......................................................................................... Cercle Sportif CFI ................................................................... Comité français interfédéral CVP ...........................................................................Christliche Volkspartei DAF ............................................................................ Deutsche Arbeitsfront D.R.U. .................................................................Deutsche Radfahrer-Union DAGS .............................. Deutsche Arbeitsgemeinschaft von Sportmuseen, .............................................Sportarchiven und Sportsammlungen e.V. DFB ........................................................................ Deutscher Fußball-Bund DJK ............................................................................. Deutsche Jugendkraft DPS ..................................................................... Demokratische Partei Saar DRA .................................... Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen DRAfOS ........................ Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele DRL .............................................Deutscher Reichsbund für Leibesübungen DSP .................................................... Deutsche Sozialdemokratische Partei DT ........................................................................... Deutsche Turnerschaft DVG ...................................... Deutsche Volksgemeinschaft (in Lothringen) EGKS ................................. Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl FGSPF .......... Fédération gymnastique et sportive des Patronages de France FC/F.C. ................................................................. Fußballclub/Fußball-Club FCS ................................................................. 1. Fußball-Club Saarbrücken FFFA ..................................... Fédération Française de Football Association FIFA ............................... Fédération Internationale de Football Association FV ..........................................................................................Fußballverein IfSG BW .......................... Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg IOC ..........................................................International Olympic Committee JHV ....................................................................... Jahreshauptversammlung JDB ............................................................................. Jungdeutschlandbund KP .......................................................................... Kommunistische Partei LA .......................................................................................... Landesarchiv LAFA ............................................. Ligue d’Alsace de Football-Association LAS ..................................................................... Landesarchiv Saarbrücken LHA ................................................................................ Landeshauptarchiv LEFA ................................................ Ligue de l’Est de Football-Association LLFA / LLF ................................ Ligue Lorraine de Football (-Association) LSA ..............................................................................Landessportausschuß

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LSVS .................................................. Landessportverband für das Saarland MTK ................................................................. Magyar Testgyakorlók Köre .......................................... übers.: Kreis ungarischer Körperertüchtiger MTV .................................................................................. Männerturnverein NISH ...................... Niedersächsisches Institut für Sportgeschichte in Hoya NSDAP................................ Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSRL ..................... Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen OKS ................................................... Olympisches Komitee des Saarlandes PAAA ......................... Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin RIF ............................................................... Régiment d’infanterie de ligne RGbl. ................................................................ Deutsches Reichsgesetzblatt RMBG ..................................... Reichsministerium für die besetzten Gebiete RMI ................................................................ Reichsministerium des Innern RVP ......................................................................... Rheinische Volkspflege SA ......Sturmabteilung (paramilitärische Kampforganisation der NSDAP) SAG ............................................ Société Agrée par le Ministre de la Guerre SC/S.C. ....................................................................... Sportclub/ Sport-Club SD ................................................. Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS SDN .................................................... Société des Nations (dt. Völkerbund) SDV .................................................. Saarbrücker Druckerei und Verlag AG SFAV ................................. Schweizerischer Fussball- und Athletikverband SFB ................................................................... Saarländischer Fußballbund SFLV ...............................Süddeutscher Fußball- und Leichtathletikverband SFV .............................................................. Saarländischer Fußballverband SFV ................................................................ Süddeutscher Fußballverband SLZ .................................................................. Saarbrücker Landes-Zeitung SOFE ...........................................Service des œuvres françaises à l’étranger SPD ..............................................Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPS ........................................... Sozialdemokratische Partei des Saarlandes SS ....................................................................... Schutzstaffel der NSDAP SSV ....................................................................Sport- und Schwimmverein StA ..............................................................................................Stadtarchiv SULB ............................. Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek SV ............................................................................................. Sportverein SWD .............................................................. Südwestdeutsche Sportzeitung SZ ............................................................................... Saarbrücker Zeitung TSG ................................................................. Turn- und Sportgemeinschaft TSV ............................................................................ Turn- und Sportverein UEFA ....................................... Union Européenne de Football-Association UNESCO ................................... United Nations Educational, Scientific and ............................................................................. Cultural Organization US ....................................................................................... Union Sportive USFSA ..................... Union des Sociétés Françaises des Sports Athlétiques USGF .................................... Union des sociétés de gymnastique de France VA ......................................................................................... Vereinsarchiv

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VBB .......................................Verband Brandenburgischer Ballspielvereine VfB .................................................................. Verein für Bewegungsspiele VfL ...................................................................... Verein für Leibesübungen VfZ ................................................... Vierteljahreshefte für Sportgeschichte VSFV ............................................... Verband Süddeutscher Fußballvereine VV ..................................................................... Vierteljahresversammlung ZA ....................................... Zentralausschuß für Volks- und Jugendspiele ORTSVERZEICHNIS Die Städte und Gemeinden des Departement Moselle hatten entweder schon seit längerer Zeit sowohl deutsche als auch französische Bezeichnungen oder erhielten erst mit Beginn der Annexion 1870/71 deutsche Namen. Während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg wurden diese Ortsnamen wieder eingeführt. Aufgeführt werden auch einzelne Ortschaften des Saarlandes und des Elsass. Französische Bezeichnung

Deutsche Bezeichnung

Algrange Amnéville Ars-sur-Moselle Basse-Yutz Bitche Boulay Château-Salins Créhange Dannelbourg Dieuze Forbach Grosbliederstroff Guebwiller Haute-Yutz Hayange Metz Moyeuvre-Grande Nilvange Petite-Rosselle Rédange Rombas Rosbruck Saint-Avold Sarralbe Sarrebourg

Algringen Amenweiler, ab 1902: Stahlheim Ars an der Mosel Niederjeutz Bitsch Bolchen Salzburg, Salzburgen (1940–1944) Kriechingen Dannelburg Dieuze Forbach Großblittersdorf Gebweiler Oberjeutz Hayingen Metz Groß-Moyeuvre Nilvingen Kleinrosseln Redingen Rombach Roßbrücken St. Avold Saaralben Saarburg (i.L. / in Lothringen)

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Sarrebruck Sarreguemines Schœneck Séléstat Spicheren Stiring-Wendel Strasbourg Thionville

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Saarbrücken Saargemünd Schöneck Schlettstadt Spichern Stieringen-Wendel Straßburg Diedenhofen

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS QUELLEN Archivalien BUNDESARCHIV, BERLIN-LICHTENBERG: Deutsches Nachrichtenbüro (R 34): NSRL: einzelne Gaue (Berichte und Zeitungsausschnitte), 2 Bde.: 465, 466. Neue Reichskanzlei (R 43): Medizinalwesen: II/726. Reichsministerium des Innern (R 1501): Abteilung Frieden: 105761, 105763. Reichsministerium für die besetzten Gebiete (R 1601): Kulturpflege – Sport und Wandern: 691, 692; Vereine für Leibesübungen: 774; Turnvereine: 780; Arbeitersportvereine: 781; Saar: Sport: 1028, 1029; Saar: Deutschfeindliche Propaganda u.a.: 1701; Kulturfonds Preußen/Sport: 1885, 1886, 1887, 1895, 1900, 1901, 1902. Rheinische Volkspflege (R 1603): Abteilung IV Kultur: 2414; Abteilung VII Saargebiet: 2541. Bund der Saarvereine (R 8014): Verschiedene Vereine und Verbände im Saargebiet: 726, 727, 728, 729, 730; Sport- und andere Vereine und Verbände im Saargebiet: 731, 732, 733, 738; Besuch von saarländischen Vereinen in Berlin: 735, 736; Propaganda verschiedener Art im Inlande: 1017, 1018. POLITISCHES ARCHIV DES AUSWÄRTIGEN AMTES, BERLIN Büro des Staatssekretärs: Aufzeichnungen über Diplomatenbesuche: R 29452. Politische Abteilung II: Referat Besetzte Gebiete – Saargebiet: Allg. Angelegenheiten des Saargebiets: R 75430; Politische Angelegenheiten des Saargebiets: R 75823, 75824, 75859, 75862, 7865; Tausendjahrfeier: R 76139; Theater, Kunst, Musik, Film und Sport im Saargebiet: R 76140, 76141, 76142, 76143; Privatkorrespondenz in Saarsachen: R 75931. GEHEIMES STAATSARCHIV PREUßISCHER KULTURBESITZ, BERLIN Preußisches Finanzministerium (I. HA Rep. 151): Bereitstellung von Mitteln für kulturelle Zwecke im besetzten rheinischen Gebiet: 7497, 7498. LANDESARCHIV SPEYER Bestand T 7: Akte 1/2: Vertrauensleute des Sportbeauftragten Bezirk Pfalz I, 1933–1935; Akte 4: Kreisführer des Bezirks Pfalz im Sportgau XIII Südwest, 1936–1939; Akte 5/6: Schriftwechsel des Bezirksbeauftragten Allgemein, 1935–1939; Akte 7: Schriftwechsel mit Fachämtern, 1935–1936.

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LANDESHAUPTARCHIV KOBLENZ Oberpräsidium der Rheinprovinz (Best. 403): Jugendfürsorge: 7415, 13198; Polizei: 8831; Saargebiet, Bd. 1–6: 16856, 16857, 16858, 16859, 16860, 16861. Regierungsbezirk Trier (Best. 442): Besatzungszeit, Angelegenheiten des Saargebietes: 7520; Jahrtausendfeier im Rheinlande: 7463; Jugendpflege: 4021, 10327; Bund Jungdeutschland: 10348. STADTARCHIV MÜNCHEN Amt für Leibesübung: 256. INSTITUT FÜR STADTGESCHICHTE FRANKFURT A.M. Stadtverordnetenversammlung: 1496, Akte Stadion Gesellschaft mbH 1931–1933. LANDESARCHIV DES SAARLANDES, SAARBRÜCKEN Landratsamt Saarbrücken (LRA.SB): 313, 320, 1279, 1281, 1284, 1290, 1291, 1683. Landratsamt St. Ingbert (LRA.IGB): 366, 475, 477. Amtsgericht Homburg (AG.HOM): 18, 19, 21. Gemeindearchiv Sulzbach (Best. Sulzb): 55/9 (7). Landesforstverwaltung (LFV): 105. Landesentschädigungsamt (LEA): 345. Regierungspräsidium Saar, 1945/46 (RegPräs): 73. Verwaltungskommission des Saarlandes, 1946/47 (Vk): 46, 177. Saarbrücker Druckerei und Verlag (SDV): 4, 157, 229. Informationsamt der Regierung des Saarlandes (InfA): 40, 139, 358, 378, 401. Staatskanzlei (StK): 1036, 1038, 1039, 1215, 1810, 2341, 2420, 3435, 3442. Nachlass Edgar Hector1 SAARLÄNDISCHES SPORTARCHIV, SAARBRÜCKEN Bestand Borussia Neunkirchen: Nachlass Arthur Goedicke, Ordner Vereinsregister, Vereinschronik 1945–1947, Protokollakten 1948–1956. Bestand Landessportverband (LSVS): 126, 218. STADTARCHIV HOMBURG Waldstadion Homburg: Best. 497. STADTARCHIV NEUNKIRCHEN Samml. Kleine Schriften Sport: Borussia Neunkirchen. Sonstige Bestände: Varia 472 (Sport). STADTARCHIV SAARBRÜCKEN Bürgermeisterei Malstatt-Burbach (Bgm. M-B): 1149, 1150, 1189. Bürgermeisterei St. Johann (Bgm. St. J.): 57, 235, 236. Bürgermeisterei Alt-Saarbrücken (Bgm. Alt-SB): 231. Großstadt bis 1945: Hauptverwaltung, Rechts- und Wirtschaftsamt (G 10.1): 1848, 1888, 2027, 7347, 7378. Hauptverwaltung (G 10.2): 3258, 3301, 3393. Amt des Oberbürgermeisters (G 13): 3626, 3677. Schul- und Kulturverwaltung (G 40): 6030, 6107. Sozialverwaltung (G 50): 1854, 7291, 7296. Verkehrsamt (G 80): 2132. 1

Einsicht der mikroverfilmten Akten am Hist. Institut der Universität des Saarlandes.

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Großstadt nach 1945: Kulturamt (G 40): 376. Sammlung Stützer: 1, 93, 110, 119. STADTARCHIV VÖLKLINGEN Amts- und Gemeindearchiv Völklingen, 1816–1930: Polizei: Öffentliche Versammlungen, Bälle und Lustbarkeiten der Vereine: A 1036. Polizei: Vereinswesen: A 434, A 435. Amt, Gemeinde und Stadt Völklingen, 1930–1973: Recht, Sicherheit und Ordnung: A 507, A 508, A 719. ARCHIVES MUNICIPALES, SARREGUEMINES Construction des édifices communaux (M): Sous-Série Stade Municipal de Blies (6 M): 1, 3. Instruction Publique, Sciences-Lettres-Arts (R): Sous-Série Jeunesse, Sports et Tourisme (31 R): 1, 2, 3, 4, 5. ARCHIVES MUNICIPALES, THIONVILLE Instruction Publique, Sciences-Lettres-Arts (R): Sous-Série Associations, demandes de subvention: 1; Sous-Série Associations sportives (4 R): 1, 2. ARCHIVES MUNICIPALES, METZ Instruction Publique, Sciences-Lettres-Arts (R): Sous-Série Instruction publique 1871–1918 (1 R): 259, 261. Série Administration communale Gross-Stadt Metz, 1940–1944 (Z): Sous-Série Sport (39 Z): 1. ARCHIVES DÉPARTEMENTALES DE LA MOSELLE, SAINT-JULIEN-LÈS-METZ Série Alsace-Lorraine (AL): Sous-Série Cabinet du Président (2 AL): 109, 343; Sous-Série Police générale et administrative (3 AL): 416, 420, 431/1, 438, 448, 472. Fonds des directions des cercles 1870–1918 (Z 11 – 18): Direction de cercle de Boulay (11 Z): 40; Direction de cercle de Sarrebourg (15 Z): 62; Direction de cercle de Sarreguemines (16 Z): 139, 141; Série Administration générale et économique du département, section 1918–40 (M): Sous-Série Police (304 M): 92, 113, 114, 115, 130, 132, 133, 205. Série contemporaine (W): Sous-série Administration civile de Lorraine à Sarrebruck (1 W): 441, 442, 443, 777, 812; Sous-série Parti nazi et organisations dérivées (2 W): 77, 78, 84, 85, 87, 88. Documents écrits (J): Organisation Lorraine Sportive, 1940 (7147 J); Office municipal des Sports de l’Hôpital, 1932–1997 (103 J): 24, 25, 27, 28, 29, 30. ARCHIVES DÉPARTEMENTALES DU BAS-RHIN, STRASBOURG Série Alsace-Lorraine (AL): Sous-série Bureau du Statthalter (27 AL): 236A, 236B; Sous-série Division de l’Intérieur: Associations, généralités (87 AL): 571, 577; Sous-série Division de l’Intérieur: Associations et sociétés diverses (69 AL): 427, 462/48, 462/49, 463; Sous-série Fonds du Commissariat Général de la République (121 AL): 188, 189, 543. ARCHIVES DU MINISTÈRE DES AFFAIRES ÉTRANGÈRES, PARIS Série Z – Europe 1944–1949: Sous-série Sarre 1944–1949: dossier 64 – Sports 11/1947–6/1949. Série Z – Europe 1949–1960: Sous-série Sarre 1949–1955: dossier 322 – Jeunesse et Sports 7/1949–6/1951. ARCHIVES DE L’OCCUPATION FRANÇAISE EN ALLEMAGNE ET EN AUTRICHE, COLMAR/PARIS Haut Commissariat de la République Française en Sarre: Cabinet politique: Dossier 101 – Question culturelles, Jeunesse et Sports 1/1946–4/1952.

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ARCHIVES DE LA SOCIÉTÉ DES NATIONS, GENÈVE Fonds extérieurs, 1920–1937: Commission de Gouvernement de la Sarre / Fonds de Sarrebruck, 1920–1935 (FdS): C 329: Procès-Verbaux originaux de la Commission, 1925; C 463: Dossier Millénaire rhénan en Sarre, 1925; C 571: Documents sur les activités de la Deutsche Front, 1934.

Veröffentlichte Quellen und Quelleneditionen Beyer, Bernd-M. (Hg.): »Der König aller Sports«. Walther Bensemanns Fußball-Glossen. Göttingen 2008. Boberach, Heinz (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938–1945. Herrsching 1984. Gruner, Wolf (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, Band: 1: Deutsches Reich 1933–1937. München 2008. Hudemann, Rainer und Heinen, Armin (Hg.): Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945–1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Saarbrücken 2007. Herrmann, Hans-Walter (Bearb.): Das Schicksal der Juden im Saarland 1920 bis 1945 (= Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800–1945, hg. von der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz in Verbindung mit dem Landesarchiv Saarbrücken, Bd. 6). Koblenz 1974. Menzel, Eberhard (Bearb.): Gesetzgebung und Abkommen des Saarlandes. Hamburg 1954. Weber, Marianne: Max Weber. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik. Tübingen 2 1988 (1924).

Gedruckte Quellen Gesetze, Erlasse, Verordnungen Amtsblatt der Regierungskommission des Saargebietes, Jg. 1920–1935. Amtsblatt des Regierungspräsidiums Saar, Jg. 1945–1946. Amtsblatt des Saarlandes, Jg. 1948–1950. Erlaß des Ministers der geistl., Unterrichts- u. Medizinal-Angelegenheiten, 18.1.1911, betr. Jugendpflege. Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen. Deutsches Reichsgesetzblatt, hg. vom Reichsministerium des Innern, Berlin (Rgbl.). Jahresberichte der Abteilung Volkswohlfahrt und Landwirtschaft, Arbeitsamt und Sozialversicherung der Regierungskommission des Saargebiets. Jg. 1924–1932. Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich. Jg. 1935–1940. Verordnungen für den Festungsbericht Metz seit Kriegsbeginn. Metz 1916. Verordnungsblatt für Lothringen. Hrsg. vom Chef der Zivilverwaltung in Lothringen. Saarbrücken 1940-1944.Sonstige zeitgenössische Publikationen Hahndorff, Viktor Theodor Wilhelm (Red.): Das Verhalten der Elsaß-Lothringer in drei Kriegsjahren. Zusammengestellt vom Generalquartiermeister. Berlin 1917. Hauptausschuß für die Jahrtausendfeier im Saargebiet (Hg.): Rheinische Jahrtausend-Feier im Saargebiet. Saar-brücken 1925. Haut-Commissariat de la République Française (Hg.): Trois ans de présence française en Sarre. Paris 1948. Ludwigsgymnasium Saarbrücken: Bericht für das Schuljahr 1896/97.

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Lyceum zu Metz: Jahres-Bericht über das Schuljahr 1897/98. Oberrealschule Metz: Jahres-Berichte 1898/99, 1900/01. Progymnasium Neunkirchen: Schuljahresberichte 1896/97, 1897/98. Realgymnasium Neunkirchen: Bericht für das Schuljahr 1907. Saarbrücker Kriegerverein: Festbuch zum 60-jährigen Stiftungsfest. Saarbrücken [1934]. Stadtverwaltung Neunkirchen (Hg.): Festschrift zur Ausstellung „Eisen und Stahl“ in Neunkirchen (Saar) vom 13.–28.9.1952. Neunkirchen 1952.

Publikationen und Periodika von Sportvereinen, -verbänden und -institutionen Verbandspublikationen Landessportverband des Saarlandes: Amtliches Nachrichtenblatt des Landessportverbandes für das Saarland.[wechselnde Titel, 1948–1956]. Deutsche Turnerschaft: Jahrbuch der Turnkunst. Jahrbuch der Deutschen Turnerschaft. Leipzig 1907–1916, hg. von Dr. Rudolf Gasch. Deutscher Fußball-Bund: Deutsches Fussball-Jahrbuch. Jg. 1904/05–1906/07. Berlin, Leipzig; Fussball-Jahrbuch. Jg. 1908–1910. Leipzig, Dortmund; Deutsches Fussball-Jahrbuch. Jg. 1911–1913. Dortmund; Kriegsjahrbuch des Deutschen Fußball-Bundes 1915. Dortmund 1915; Jahresberichte 1910/11–1919/20; Fußball-Taschenkalender 1934/35 für die Gaue XIII, XIV, XV und XVI. Sportgau/Sportbereich XIII Südwest (DRL, NSRL): Gauverordnungsblatt, Jg. 1938–1941. Sportgau Westmark (NSRL): Gauverordnungsblatt/ Verordnungsblatt, Jg. 1942–1943. Saarländischer Fußballbund/Fußballverband: Festschriften: Saarfußball 5 Jahre in der FIFA. Saarbrücken 1957; 60 Jahre Schiedsrichter-Gruppe Sulzbach-Saar. Sulzbach 1979. | Verbandszeitung: Fußball. Offizielle Monatsschrift des Saarländischen Fußballverbandes, Jg. 1958–70. Stadtverband für Leibesübungen Neunkirchen: Festschriften: 40 Jahre Stadtverband für Leibesübungen Neunkirchen (Saar). Neunkirchen 1960; Sportstadt Neunkirchen (Saar) und ihre Jubiläumsvereine. Neunkirchen 1970. Stadtverband für Leibesübungen Saarbrücken: Jahresberichte 1929, 1931, 1932. | Sonstige Publikationen: Programmheft „Werbeveranstaltung 24.–28. August 1927; Programmheft „Werbetage des Verbandes zur Förderung der Leibesübungen“. Saarbrücken 1929. Ligue Lorraine de Football-Association: Verbandszeitung Lorraine Football. Organe officiel de la ligue de Lorraine, 1933–1939; 1946–1957; Statuten: Statuts et Règlements. Metz 1920. Saar-Blies-Gau, Mittelrheinkreis der DT: Saar-Turn-Zeitung, Jg. 1930–33. Saarländischer Turnerbund: 50 Jahre Saarländischer Turnerbund. Ottweiler 1999. Verband Süddeutscher Fußballvereine/Süddeutscher Fußball-Verband e.V.: Festschriften: 60 Jahre Süddeutscher Fußball-Verband. Nürnberg 1957; 100 Jahre Süddeutscher Fußball-Verband. Gersthofen 1997 | Jahresberichte: Jahresberichte 1910/11–1913/14, 1921/22. Ludwigshafen; Kriegs-Geschäftsbericht 1914–18. Worms 1919. Zentralausschuß zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland: Jahrbuch für Volksund Jugendspiele, Jg. 1892–1916.Vereinspublikationen ASC Dudweiler: Festschriften: Festschrift der Abteilung Fußball aus Anlass des 50-jährigen Fußballjubiläums und X. Internationalen B-Jugend-Fussballturniers. Dudweiler 1962; 80 Jahre Fußball in Dudweiler. Dudweiler 1992; 50 Jahre ASC Dudweiler e. V. Dudweiler 2000. US Forbach: Festschrift Union Sportive Forbach 1909–1959. Forbach 1959. FC 08 Homburg: Festschrift 60 Jahre FC 08 Homburg. Homburg 1968. TV Malstatt-Burbach: Festschrift 21. Gauturnfest des Saar-Blies-Gaues vom 30.6.–2.7.1906. CS Metz: Publikation Grande Journée de propagande de football. Metz 1936.

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FC Metz: Festschrift Cinquantenaire 1932–1985. Metz 1985; Publikation Grande Journée de propagande de football. Metz 1951. Borussia Neunkirchen: Festschriften: 25 Jahre Borussia Neunkirchen. Neunkirchen 1930; 40 Jahre Erste Liga 1912–1952. Neunkirchen 1952; Ellenfeld-Stadion. Aufbau, Ausbau, Neues Leben. Neunkirchen 1952; Festschrift anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Borussia. Neunkirchen 1955; 50 Jahre oberste Fußballklasse 1912–1962. Neunkirchen 1962; Hoch lebe Eisen... Ein Lese- und Bilderbuch zum 75jährigen Bestehen. Neunkirchen 1980; 90 Jahre Borussia Neunkirchen. Neunkirchen 1995; Festschrift Mythos Ellenfeld. 100 Jahre Borussia Neunkirchen. Neunkirchen 2005. | Sonstige Publikationen: Programmheft zum Spiel VfB Neunkirchen - 1. FC Kaiserslautern am 17.6.1950; Programmhefte der internationalen Jugendturniere 1953–56, 1959–60. | Vereinszeitungen: Nachrichtenblatt der Borussia, Verein für Bewegungsspiele, Neunkirchen (Saar), Jg. 1912/13; Vereinsnachrichten des VfB Neunkirchen, Jg. 1950/51; Borussia-Vereinsnach-richten, Jg. 1951/52–1955/56; Schwarz-Weiße Blätter, ab Juni 1956. SC Saar 05, SV Saar 05 Saarbrücken: Festschriften: 50 Jahre SV Saar 05. Saarbrücken 1955; 60 Jahre SV Saar 05. Saarbrücken 1965; 70 Jahre SV Saar 05. Saarbrücken 1975; 75 Jahre SV Saar 05. Saarbrücken 1980 | Vereinszeitungen: Clubzeitung SC „Saar“ 05 e.V., Jg. 1925: Nr. 1, Jg. 1928: Nr. 11; Vereins-Nachrichten SV „Saar“ 05 e.V., Jg. 1933/34–1934/35; Monatsschrift SV „Saar“ Saarbrücken, Jg. 1950–1958. FV Saarbrücken, 1. FC Saarbrücken: Festschriften: 50 Jahre 1. FC Saarbrücken. Saarbrücken 1953. | Vereinszeitungen: Vereinsnachrichtenblatt des FV Saarbrücken, Jg. 1933/34–1940/41; Monatszeitschrift des 1. FC Saarbrücken, Jg. 1948–1956. Sportfreunde Saarbrücken: Festschriften: 50 Jahre Sportfreunde. Saarbrücken 1955; 60 Jahre Sportfreunde 05. Saarbrücken 1965; 75 Jahre Sportfreunde 05. Saarbrücken 1980; 100 Jahre Sportfreunde Saarbrücken. Der Verein mit Tradition und Zukunft. Saarbrücken 2005. Mitteilungsblatt, Jg. 1949/50. | Vereinszeitung: Mitteilungsblatt, Jg. 1949–1950. AS Sarreguemines: Festprogramme: 3me Grand Meeting d’Athlétisme 13 Août 1922 au terrain Utzschneider; 4e Meeting National d’Athlétisme 7 Septembre 1924 au Stade Municipal; 7e Meeting International d’Athlétisme 21 Août 1927 au Stade Municipal; 8e Meeting International d’Athlétisme 5 Août 1928 au Stade Municipal | Festschriften: Brochure du 60e anniversaire de l’ASS football. Sarreguemines 1983. Club Sportif Sierck: Festprogramm Grande Fête sportive à l’occasion de l’inaugration officielle du Stade Municipal. Sierck [1931]. FC Viktoria St. Ingbert: Festschrift 70 Jahre FC Viktoria 1909 St. Ingbert. 1979. Sportive Thionvilloise: Festschriften: Sportive Thionvilloise 1905–1955. Thionville 1955; Sportive Thionvilloise 1905–1965. Thionville 1965. SV Rot-Weiß 05 Sulzbach: Festschrift 60 Jahre SV Rot-Weiß Sulzbach. Saarbrücken 1965. SV Völklingen 06: Festschriften: 60 Jahre Sportverein Röchling Völklingen. Völklingen 1966; 100 Jahre Sportverein Röchling Völklingen 06. Völklingen 2006. | Vereinszeitung: Sport und Spiel. Monatsschrift der Vereine Turn- und Spielverein, Sportverein, Schwimmverein Völklingen, Jg. 1950–1952. Sportfachzeitschriften Football. Hebdomadaire français [Französische Fußballfachzeitschrift seit 1929, zugleich offizielles Organ der Fédération Française de Football Association]. Fußball [1913/14 „Fußball und olympischer Sport“, später als „Fußball“ mit wechselnden Untertiteln]. Le Miroir des Sports [Französische Sportzeitschrift]. Lothringer Sport. Moselle-Sport. Allgemeine Sportzeitung [erschien in Metz 1921–1923 selbstständig, ab 1923 als Beilage in der Tageszeitung „Metzer Freies Journal“]. Match: L’intran. Le plus grand hebdomadaire sportif [Französische Sportfachzeitschrift]. Spiel und Sport. Organ zur Förderung der Interessen aller athletischen Sports [erschien in Berlin 1891–1901 und war Organ vieler der ersten Fußballvereine und -verbände in Deutschland].

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Sport an der Saar. Wochenschrift für alle Sportarten und Turnen [erschien 1921–1923 in Saarbrücken und war zugleich amtliches Organ des Rasensportverbandes Saarbrücken sowie weiterer Sportverbände. Bis heute sind nur einzelne Ausgaben im Bundesarchiv überliefert]. Südwest-Deutsche Sportzeitung [erschien 1923–1939 in Saarbrücken]. Sport-Echo [erschien 1946–1951 in Saarbrücken]. Sport-Expreß [erschien 1948–1951 in Saarbrücken]. Sport-Welt [erschien 1951–1954 in Saarbrücken]. Toto-Sport [erschien 1954–1957 in Saarbrücken]. Wiener Sport-Tagblatt. Organ für alle Sportzweige.

Sonstige Zeitungen und Zeitschriften Deutsche Front. Organ der deutschen Lothringer. Deutsche Saar. Stimmen der Demokratischen Partei Saar Deutsche Saar-Zeitung [ab 1952 Sprachrohr der „prodeutschen“ Opposition im Saarland]. Le Petit Parisien [Französische Tageszeitung]. Lothringer Zeitung [Deutschorientierte und deutschsprachige Tageszeitung in der Reichslandzeit]. Metzer Zeitung [Unabhängige deutschsprachige Zeitung zur Reichslandzeit]. Metzer Zeitung [erschien während der Besatzungszeit 1940–1944]. Neue Saarbrücker Zeitung. Neunkirchener Zeitung. Neunkircher Volkszeitung. Generalanzeiger für Neunkirchen und Umgebung. Revue ecclésiastique du Diocèse de Metz. Saarbrücker Landes-Zeitung. Saarbrücker Zeitung. Saarburger Zeitung. Saar-Freund. Nachrichten aus dem abgetrennten Saar- und Pfalzgebiet. Der Tintenfisch. Das humoristische Blatt des Saarlandes. Völklinger Zeitung. Volksstimme. Organ der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes. Die Westmark. Monatsschrift für deutsche Kultur.

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LITERATUR Darstellungen vor 1960 Albert, Ludwig: Das deutsche Fußballspiel, in: Nordhausen, Richard (Hg.): Jung-Deutschland 1913. Kalender des Jung-Deutschland-Bundes. Berlin 1912, S. 212–222. Albert, Ludwig: Fußball. Das deutsche Volksspiel, in: Fußball und olympischer Sport, 27.1.1913, S. 2–4. Albert, Ludwig: Zur Amateurfrage, in: Fußball und olympischer Sport, 29.7.1912, S. 2, 5f. Alger, Rudolf: Volkstümliches Turnen, Spiel und Sport an höheren Schulen, in: Gymnasium zu Saarlouis. Bericht über das Schuljahr 1908–1909. Saarlouis 1909,S. 3–14. Anschütz, Hugo: Der Kampf der Saarbeamten unter der Völkerbundsregierung. Frankfurt a.M. 1922. Bensemann, Walther: Der Fußballsport als Kulturfaktor im englischen Volksleben, in: Deutscher Fußballbund (Hg.): Fussball-Jahrbuch 1910. Dortmund 1910, S. 130–134. Bensemann, Walther: Die Fussballbewegung in Deutschland und ihre Gegner, in: Spiel und Sport. Organ zur Förderung der Interessen aller athletischen Sports, Jg. 1894, S. 1194–1197, 1224– 1227 [Autorenschaft nicht endgültig geklärt]. Berner, Martin: Sport und Vaterland, in: Deutscher Fußballbund (Hg.): Kriegsjahrbuch des Deutschen Fußball-Bundes. Dortmund 1915, S. 24–32. Bruch, Ludwig: Die Franzosen im Saargebiet. Erinnerungen an die ersten saarländischen Besatzungsjahre. Saarbrücken 1934. Diem, Carl: Der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen und seine Hochschule, in: Diem, Carl u.a. (Hg.): Stadion. Das Buch von Sport und Turnen, Gymnastik und Spiel. Berlin 1928, S. 457–468. Euting, J. und Klatte, Alfred: Die Jugendspiele in Straßburg, in: Schenckendorff, Emil von u. Schmidt, Ferdinand A. (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Jahrbuch des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. Hannover 1893, S. 43–46. Flierl, Paul: Geschichte des Süddeutschen Fußball-Verbandes e.V., in: Süddeutscher FußballVerband (Hg.): Sechzig Jahre Süddeutscher Fußball-Verband 1897–1957. Nürnberg 1957, S. 13–119. Goltz, Colmar Freiherr von der: Jung-Deutschland. Ein Beitrag zur Frage der Jugendpflege. Berlin 1911. Hermann, August: Zur Geschichte der Jugend- und Volksspiele, in: Schenckendorff, Emil von und Schmidt, Ferdinand August (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Allgemein unterrichtende Mitteilungen des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. Leipzig 1892, S. 5–7. Hirtz, Justin: Die Spielbewegung in Elsaß-Lothringen, in: Raydt, Hermann (Hg.): Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 1907. Leipzig 1907, S. 261–264. Jung, von, [Vorname unbekannt]: Der Jungdeutschland-Bund, in: Nordhausen, Richard (Hg.): Jung-Deutschland 1913. Kalender des Jung-Deutschland-Bundes. Berlin 1912, S. 5–15. Koch, Konrad: Sind Fußball und Lawn Tennis deutsche Spiele?, in: Schenckendorff, Emil von und Schmidt, Ferdinand August (Hg.): Jahrbuch für Jugend- und Volksspiele 1894. Leipzig 1894, S. 58–62. Koch, Konrad: Zur Geschichte des Fußballs, in: Schenckendorff, Emil von und Schmidt, Ferdinand August (Hg.): Jahrbuch für Jugend- und Volksspiele 1895. Leipzig 1895, S. 88–96. Koppehel, Carl (Red.): Geschichte des deutschen Fußballsports. Frankfurt a.M. [1959] (1954). Kuhring, Fritz (Hg.): Aus der Wohlfahrtspflege im Saargebiet. Düsseldorf 1930. Malessa, Wilhelm: Amateursport und Berufssport, in: Deutsche Sport-Behörde für Athletik (Hg.): Athletik-Jahrbuch für 1912. Berlin, S. 80–85. Menzel, Albrecht: Aus den Anfängen unseres Schulsports, in: Schnur, Karl (Hg.): 75 Jahre Staatliches Realgymnasium Neunkirchen. Neunkirchen 1950, S. 63–66.

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Menzel, Albrecht: Die Geschichte des Saarfußballs, in: Süddeutscher Fußball-Verband (Hg.): Sechzig Jahre Süddeutscher Fußball-Verband 1897–1957. Nürnberg 1957, S. 236–244. Menzel, Albrecht: Stadtverband für Leibesübungen e. V. – 40 Jahre im Dienste der Volksgesundheit und der Jugendpflege, in: Stadtverband für Leibesübungen (Hg.): 40 Jahre Stadtverband für Leibesübungen Neunkirchen (Saar). Jubiläumsfestschrift. Neunkirchen 1960, S. 5–7. Menzel, Erich: Die Geschichte des Fußballsportes im Saargebiet, in: Fußball, 28.12.1920, S. 1505–1506. Meyer, Heinrich: Die Jugendwehrbewegung in Frankreich, hg. von der Oberleitung für die militärische Vorbereitung der Jugend in Elsaß-Lothringen. Straßburg 1917. Planck, Karl: Fußlümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart 1898. Poinsignon, Lucien: Historique du Football Messin, in: CS Metz (Hg.): Festprogramm Grande Journée de propagande de football. Metz 1936, S. 9–11. Poller, Johann: Sechs Jahre Spicherer Berg Turn- und Spielfest, in: Raydt, Hermann (Hg.): Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 1911. Leipzig 1911, S. 234–244. Raydt, Hermann: Was kann in Deutschland unter den heutigen Verhältnissen zur Förderung der Jugendspiele geschehen?, in: Schenckendorff, Emil von und Schmidt, Ferdinand August (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Allgemein unterrichtende Mitteilungen des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. Leipzig 1892, S. 89–92. Ruppersberg, Albert: Das Gymnasium zu Saarbrücken 1604–1904. St. Johann-Saarbrücken 1904. Schlemmer, Theo: Ein Kapitel aus dem deutschen Sport an der Saar, in: Bürckel, Josef u.a. (Hg.): Kampf um die Saar. Stuttgart 1934, S. 385–390. Schuman, Robert: Verfassung und Verwaltung des Landes, in: Ruppel, Aloys (Hg.): Lothringen und seine Hauptstadt. Eine Sammlung orientierender Aufsätze. Metz 1913, S. 81–88. Seybold, Eugen: Hitler und Wir, in: Fußball. Illustrierte Sportzeitung, 4.4. und 11.4.1933, S. 4–6 und S. 4–5. Simon, Gustav: Aufgaben und Ziele der Saarvereine im Reich, in: Spaniol, Alois u.a. (Hg.): Kampf um die Saar. Stuttgart 1934, S. 381–384. Singer, Franz Maria: Der Weg der Saarwirtschaft in den letzten 15 Jahren, in: Saarbrücker LandesZeitung, 1.11.1934, S. 9–10. Trapp, Eduard und Pinzke, Hermann: Das Bewegungsspiel. Seine geschichtliche Entwickelung, sein Wert und seine methodische Behandlung; nebst einer Sammlung von über 200 ausgewählten Spielen und 25 Abzählreimen. Langensalza 21885. Wentzcke, Paul: Art. Albrecht, Paul, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1. Berlin 1953, S. 184. Wetterling, Heinrich: Staatliche Organisation der Jugendpflege (= Pädagogisches Magazin, Heft 453), 21912.Hilfsmittel, Bibliografien und Quelleninventare Barreaud, Marc: Dictionnaire des footballeurs étrangers du Championnat professionnel français 1932–1997. Paris 1998. Barthel, Jocelyne: Hommes et femmes célèbres de la Moselle. Paris 1995. Bitter, Jürgen: Deutschlands Fußball. Das Lexikon. Berlin 2000. Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, 5. Aufl., 2 Bände. Leipzig 1911. Heckmann, Dieter: Quellen zur Landesgeschichte der Rheinprovinz im 19. und 20. Jahrhundert. Teil 1: Regierungsbezirk Trier. Berlin 2004. Lorentz, Claude: La presse alsacienne du Xxe siècle. Répertoire des journaux parus depuis 1918. Strasbourg 1997. Maier, Franz: Biographisches Organisationshandbuch der NSDAP und ihrer Gliederungen im Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz. Mainz 2007. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl., 20 Bände. Leipzig und Wien 1902–08. Neue Deutsche Biographie, 24 Bände. Berlin 1953–2010. Niesen, Josef: Bonner Personenlexikon. Bonn ²2008 (2006). Röthig, Peter (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. Schorndorf 2003. Weiß, Hermann (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt a.M. 1998.

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Darstellungen nach 19602 Ammerich, Hans: Im Spannungsfeld von französischem Gestaltungswillen und Selbstbestimmung. Sport an der Saar und in der Pfalz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Furtwängler, Martin u.a. (Hg.): Nicht nur Sieg und Niederlage. Sport im deutschen Südwesten im 19. und 20. Jahrhundert. Ostfildern 2011, S. 213–230. Ammerich, Hans: Die südwestdeutsche Fußballszene vor der Einführung der Bundesliga, in: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische Geschichte und Volkskunde 8/9 (2008/09), S. 539–552. Antenucci, Marie-Louise: Associations et italiens en Moselle: Quelles intégrations sur un siècle (1880–1890), in: Desmars, Bernard und Wahl, Alfred (Hg.): Les associations en Lorraine. Metz 2000, S. 73–86. Aretin, Felicitas von: Erziehung zum Hurrapatrioten? Überlegungen zur Schulpolitik des Oberschulrates im Reichsland Elsaß-Lothringen 1871–1914, in: Ara, Angelo und Kolb, Eberhard (Hg.): Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen: Elsaß-Lothringen / Trient-Triest 1870– 1914. Berlin 1998, S. 91–113. Arnaud, Pierre (Hg.): La Naissance du mouvement sportif associatif en France. Lyon 1986. Arnaud, Pierre (Hg.): Les athlètes de la République. Gymnastique, sport et idéologie républicaine 1870/1914. Toulouse 1987. Arnaud, Pierre und Gounot, André: Mobilisierung der Körper und republikanische Selbstinszenierung in Frankreich. Ansätze zu einer deutsch-französischen Sportgeschichte, in: François, Etienne u.a. (Hg.): Nation und Emotion. Göttingen 1995, S. 300–320. Arnaud, Pierre: Des jeux de la guerre aux jeux de la paix. Sport et relations internationales (1920– 1924), in: Ders. und Terret, Thierry (Hg.): Education et politique sportive, XIXe – XXe siècles (= Jeux et sports dans l’histoire; 3). Paris 1995, S. 315–348. Augustin, Jean-Pierre: L’évolution géopolitique des patronages catholiques: 1898–1998, in: Cholvy, Gérard (Red.): Sport, culture et religion. Brest 1999, S. 69–87. Augustin, Jean-Pierre: Loisirs, sport et éducation populaire, in: Duriez, Bruno u.a. (Hg.): Les catholiques dans la République 1905–2005. Paris 2005, S. 153–164. Backes, Gregor: »Mit deutschem Sportgruß, Heil Hitler!« Der FC St. Pauli im Nationalsozialismus. Hamburg 2010. Bahlke, Steffen und Cachay, Klaus: Vereins-Sozialisation im Zeichen des Nationalsozialismus, in: Sportwissenschaft 32 (2002) 2, S. 170–190. Bahro, Berno: Der SS-Sport. Organisation – Funktion – Bedeutung. Paderborn u.a. 2013. Balbier, Ute Andrea: „Spiel ohne Grenzen“. Zu Stand und Perspektiven der deutschen Sportgeschichtsschreibung, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 585–598. Bancel, Nicolas und Gayman, Jean-Marc: Du guerrier à l’athlèthe. Éléments d’histoire des pratiques corporelles. Paris 2002. Baroth, Hans Dieter: Anpfiff in Ruinen. Fußball in der Nachkriegszeit und die ersten Jahre der Oberligen Süd, Südwest, Nord und Berlin. Berlin 1990. Barreaud, Marc und Colzy, Alain: Les rencontres de football France-Allemagne, de leur origine à 1970. Déroulement, environnement et perception, in: Centre de Recherche Histoire et Civilisation de l’Université de Metz (Hg.): Sports et relations internationales. Metz 1995, S. 113–127. Baudin, François: Histoire économique et sociale de la Lorraine 2: L’Essor. Nancy 1992. Baudin, François: Histoire économique et sociale de la Lorraine 3: Les Hommes 1870–1914. Nancy 1997. Bauer, Albert: 50 Jahre Stadtverband für Leibesübungen Neunkirchen (Saar), in: Stadtverband für Leibesübungen Neunkirchen (Hg.): Sportstadt Neunkirchen (Saar) und ihre Jubiläumsvereine. Neunkirchen 1970, S. 9–18. 2

Sammelbände werden gesondert aufgeführt, sofern daraus mehr als ein Aufsatz zitiert wurde oder es sich um ein grundlegendes Werk handelt.

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Bauernfeind, Hermann (Red.): Tradition und Wandel. Fahnen im Saarländischen Turnerbund. Saarbrücken 2001. Beaupré, Nicolas: (Wieder-)Herstellen, löschen, verschieben: Grenzen in den Köpfen. Das Saarland zwischen Krieg und Volksabstimmung in den ersten Jahren der „Besatzungszeit“, in: François, Etienne, Seifarth, Jörg und Struck, Bernhard (Hg.): Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Frankfurt, New York 2007, S. 163–182. Beaupré, Nicolas: Das Trauma des großen Krieges 1918–1932/33. Darmstadt 2009. Becker, Christian: Zwischen (Selbst-)Gleichschaltung, kommunaler Sportpolitik und sporttreibenden NS-Gliederungen. Die bürgerlichen Turn- und Sportvereine der Stadt Hannover in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 9 (1995) 2, S. 24–41. Becker, Frank G.: „Deutsch die Saar, immerdar!“ Die Saarpropaganda des Bundes der Saarvereine 1919–1935. Saarbrücken 2004. Dissertation, publiziert auf dem Wissenschaftsserver SciDok der Universität des Saarlandes. URL: scidok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2009/2344. Becker, Frank G.: „Deutsch die Saar, immerdar!“ Die Saarpropaganda des Bundes der Saarvereine 1919–1935. Saarbrücken 2007. Becker, Frank: Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882–1962), Bände I, III, IV. Duisburg 2009–2010. Becker, Irmgard-Christa: Formierung der Landeshauptstadt. Saarbrücken in der Nachkriegszeit (1945–1960), in: Linsmayer, Ludwig (Hg.): Bilder der Großstadt. Barbian belichtet Saarbrücken (1948–1960). Saarbrücken 2009, S. 199–217. Behringer, Wolfgang und Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes. München 2009. Behringer, Wolfgang: Fugger als Sportartikelhändler. Auf dem Weg zu einer Sportgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Weber, Wolfgang E. J. und Dauser, Regina (Hg.): Faszinierende Frühneuzeit. Reich, Frieden, Kultur und Kommunikation 1500–1800. Berlin 2008, S. 115–134. Berg, Christa (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 4: 1870–1918. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. München 1991. Berg, Christa: Familie, Kindheit, Jugend, in: Dies. (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 4: 1870–1918. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. München 1991, S. 91–145. Berg, Ulrich von: Ein Jahr beim Erbfeind – die unglaubliche Nachkriegsgeschichte des 1. FC Saarbrücken, in: 11 Freunde. Magazin für Fußballkultur 80 (2008), S. 64–69. Bernardi, Volker u.a. (Hg.): Olympische Geschichte des Saarlandes. Blieskastel 2004. Bernecker, Walther L.: Europa zwischen den Weltkriegen 1914–1945 (= Handbuch der Geschichte Europas; 9). Stuttgart 2002. Bernett, Hajo (Hg.): Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Dokumentation ihrer Theorie und Organisation. Schorndorf ²2008 (1966). Bernett, Hajo: „Schulter an Schulter mit SA und Stahlhelm“. Das politische Bündnis der Turn- und Sportbewegung mit den nationalsozialistischen Machthabern, in: Grupe, Ommo (Hg.): Kulturgut oder Körperkult? Sport und Sportwissenschaft im Wandel. Tübingen 1990, S. 62–84. Bernett, Hajo: Die pädagogische Neugestaltung der bürgerlichen Leibesübungen durch die Philanthropen. Schorndorf 31971 (1960). Bernett, Hajo: Guido von Mengden. „Generalstabschef“ des deutschen Sports. Berlin u.a. 1976. Bernett, Hajo: Sportpolitik im Dritten Reich. Aus den Akten der Reichskanzlei. Schorndorf 1971. Berwanger, Dietrich: Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945–1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle“. München 1969. Besnard, Annick (Hg.): Une histoire culturelle du sport: de Joinville à l’olympisme. La rôle des armées dans le mouvement sportif français. Paris 1996. Beyer, Bernd-M.: Walther Bensemann – ein internationaler Pionier, in: Schulze-Marmeling, Dietrich (Hg.): Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003, S. 82-100.

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416

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PERSONENREGISTER Aufgenommen wurden Namen zeitgenössischer Akteure. Autoren der Sekundärliteratur werden nicht aufgeführt. Kursive Seitenzahlen verweisen auf den Anmerkungsapparat. Abt, Henri 52, 54 Ahreiner, Dr. Georg 174, 175, 181, 186f., 188 Alapetite, Gabriel 187f. Albert, Ludwig 83, 86, 114f., 123, 131, 142, 156, 174, 195 Albrecht, Dr. Paul 67 Alger, Rudolf 63 Andlauer, Joseph 158, 159 Baden, Prinz Max von 141 Bakhuys, Bep 216, 221, 272f., 305f., 322, 324, 326 Bartsch, Carl 63, 80, 124 Bauer, Albert 203, 205 Bauwens, Peco 260, 348 Becker, Otto 237, 238, 249 Beckerle, Adolf Heinz 249, 283, 286 Bensemann, Walther 30, 57f., 75, 127f., 131, 143, 193, 204, 252f., 259f. Benzler, Willibrord 97 Bernbeck, Hans Hermann 232, 234, 240, 242 Berner, Martin 131 Bethmann-Hollweg, Theobald von 123 Beyer, Willi 289, 292 Bichelberger, Vorn. n.b. 175, 178, 217, 266, 272f., 284, 351 Binkert, Herbert 303, 331 Blaschke, Georg 191 Bongard, Hans 168, 238 Bour, Ferdinand 308 Briand, Aristide 223, 262 Brokmeier, Friedrich 341 Brück, Karl 240 Buhrer, Emil 216 Bürckel, Josef 247f., 249, 283, 286f., 288f., 290, 292f., 294f., 299, 300, 301, 304, 306, 308, 310, 355 Burk, Karl 158, 192, 223, 226f., 237, 258, 263 Buschbaum, Willi 167, 342f., 344

Cailloux, Emile 174 Cocheteux, Jules 211 Conen, Edmund 233, 242f. Coubertin, Pierre de 201, 209, 269 Couturier, Louis 187f. Dahlheimer, Karl 271, 303 Danglard, Maurice 175f. Derichsweiler, Hermann 57f. Diem, Carl 107, 113, 131, 162f., 169, 192, 199, 269 Dietzsch, Friedrich Alexander 46 Dimofski, Jean 66, 186 Dittscheid, Paul 68, 69, 76, 106, 125, 157f., 233, 235, 314 Dryander, Gottfried von 227 Dürrfeld, Ernst 248f. Eckert, Carl Friedrich 240 Eidinger, Otto 200 Emmel, Leopold 116 Felsburg, Emil 294, 300 Ferretti, Lando 257 Fischer, Georg 66, 122 Fischera, Adolf "Adi" 153f., 156, 168, 201 Flasbarth, Emil 257 Flierl, Paul 239 Fosset, Charles 212, 295, 300 Francken-Sierstorpff, Adalbert von 134 François-Poncet, André 267 Fried, Otto 71 Friedberg, Heinrich von 263 Gambardella, Emmanuel 268, 327, 330 Gansser, Hellmut 169 Gaulle, Charles de 322, 323 Geibig, Ludwig 314, 316, 335, 336, 341, 345 Gissy, Aimé 9, 319, 321, 334f., 336, 349 Glaser, Josef 225 Gluding, Kurt 315, 341 Goebbels, Joseph 27, 301, 303

418 Goltz, Colmar Freiherr von der 112, 114 Gorius, Antoine 308 Grandval, Gilbert 28, 312f., 316f., 318f., 320f., 329f., 332f., 334f., 343, 346, 354 Groenke, Bill 329 Hammes, Michael 245, 249 Hanke, Walter 216 Hanot, Gabriel 210, 215 Harig, Mathias (Max) 169f., 171, 195, 317, 332 Hector, Edgar 28, 335, 344 Helmer, Hans 317, 319, 329, 331f., 336 Hempel, Max 221, 222, 233, 237 Herberger, Johann 303 Herberger, Sepp 273, 301, 302f., 305, 310 Herlory, Raymond 208, 217f., 220, 294f., 322f., 324, 326f., 330 Herrmann, Arnold 122 Hesser, Theodor 152 Hilbert, Ludwig 71 Hirtz, Justin 66f., 132, 175f. Hitler, Adolf 222f., 237, 240, 271f., 273, 281, 287 Hoffmann, Johannes 312, 329, 332, 333, 335, 340, 342, 344, 345, 346, 352 Houpert, Charles 255 Houtmann, Ernest 193, 210, 256 Imbt, Richard 250, 290, 294f. Jacquinot, Louis 324 Jahn, Friedrich Ludwig 47, 59, 245 Jeanrond, Hans 243, 245 Jenner, Otto 182, 183 Jose, Karl 161, 169, 223, 227, 229, 259f. Kalter, Peter 232, 241f. Kertész, Adolf "Adi" 152, 156, 176, 201 Kertész, Géza 177 Kertész, Gyula 176, 217 Klinger, Elie 217 Knissel, Jakob 248, 250 Koch, Konrad 59f. Koch, Willy 329, 333, 335, 337 Koppehel, Carl 229, 230, 260 Kowalczyk, Ignace 215f. Kraus, Ludwig 203, 205 Krebs, Friedrich 250 Kreß, Willibald 214 Kuhn, Fritz 76, 80, 169 Kun, Béla 152

Anhang Kurtsiefer, Heinz 303 Lachmann, Anna 246 Lachmann, Hans 246, 341, 343, 346 Lachmann, Kurt 246, 343 Landfried, Dr. Friedrich 163f. Lantz, Camille 296 Lebrun, Albert 208 Lenhof, Reinhard 242f., 270, 271 Lévy, Georges 210f. Lewald, Theodor 160, 162, 163, 166, 169 Ley, Robert 233 Liebel, Ludwig 305 Linnemann, Felix 156, 166, 239 Maghner, Ted 208, 217, 221, 326 Malessa, Wilhem 199 Manceron, François 187 Maud’huy Louis Ernest de 252 Mayer, Eugen 153 Mengden, Guido von 244 Menzel, Albrecht 70, 71, 72, 87, 105f., 121, 138f., 261, 327, 337, 341 Menzel, Erich 29, 70, 104, 118, 138, 139, 147, 151, 153f., 155, 157, 167, 170, 192f., 194f., 198, 202, 205, 224f., 241, 249, 257f., 259, 273, 293, 304f., 320, 332, 344f., 347, 351 Menzel, Eugen 72, 73, 261 Meyer, Ernst 345, 346 Michaux, Maurice 295 Michaux, Paul-Marie 95f. Mihalek, Josef 153 Millerand, Alexandre 188 Miquel, Walter von 129 Molchendorff, Julius 193, 194 Momber, Peter 331 Mondon, Raymond 330 Morice, André 327 Motreul, Marcel 167, 341 Müllenbach, Hans 272, 273 Müller, August 176, 184 Muller, Emil(e) 177, 179, 209, 255f. Müller, Erwin 332, 346 Müller, Friedrich 166 Müller, Marcel 212, 295, 308, 325 Müller, Paul 283 Mussolini, Benito 257 Neff, Alfred Paul 120 Neikes, Hans 204, 248, 250 Nerz, Otto 267

419

Anhang Neu, Wilhelm 151, 168, 169, 241, 248 Neuberger, Hermann 333, 336, 341, 345, 361 Neufang, Robert 327f., 336f., 340, 342, 344 Neumann, Kurt „Kulle“ 174 Neurath, Konstantin Freiherr von 258, 267 Neureuter, Hans 312f., 313 Nock, Henri 300f. Nolde, Emil 70 Nominé, Henri 174, 185f., 187 Nuic, Ljubomir „Aimé“ 216f., 268, 271 Oberhuber, Karl 304 Pabst, Georg 80, 140 Papen, Franz von 267 Peugeot, Jean-Pierre 209, 353 Poincaré, Raymond 187f. Poinsignon, Lucien 106, 118, 176, 178f., 217, 219f., 266 Polignac, Marquis de 269 Poller, Johann 48, 64f., 89, 94, 122, 158 Popper, Lothar 114, 140, 142, 165f., 171 Raßbach, Wilhelm 151, 239, 249 Rault, Victor 148, 158, 160, 223 Renker, Stefan 203, 204 Richert, Augustin 160 Rimet, Jules 9f., 96, 137, 208, 265, 267, 269, 318f., 325, 327f., 329f., 336, 337, 349 Röchling, Carl 69 Röchling, Hermann 69f., 89f., 110 Rohr, Oskar 214, 267, 268 Rohrbacher, Albert 212, 298, 300, 305 Samain, Alexis 132 Samain, Paul 132 Schaffer, Alfréd 154, 200f. Schaletzki, Reinhard 304 Schenckendorff, Emil von 59, 61 Schlemmer, Theo 170, 204f., 238f. Schmeer, Karl 240f. Schmidt, Otto 87, 101 Schmidt, Ferdinand August 59, 60 Schmidt, Franz 290 Schön, Helmut 304 Schricker, Ivo 58, 128, 348 Schubert, Franz 296 Schulz, Hermann 238, 285 Schuman, Robert 97, 98, 187, 281, 330,

334, 335, 343 Schwab, Josef 291, 292 Schwank, Bernhard 244 Schwitzgebel, Friedrich 248f., 272, 283, 285f., 287f., 289, 291f., 293, 297, 300, 303f., 306f., 309 Seybold, Eugen 30, 79, 156 Simmerlein, Max 155 Simon, Charles 95f., 283 Simon, Gustav 301, 302 Sold, Willi „Bubi“ 216, 233, 283, 303 Sommer, Eugen 286 Spang, Peter 247 Stejskal, Willy 212, 217 Straus, Emil 337, 341, 345 Stresemann, Gustav 262f. Stumm-Halberg, Karl Ferdinand von 134 Theobald, Henner 315 Thomas, Paul 212, 216 Thury, Alexander 153 Todt, Fritz 283 Trott zu Solz, August von 108 Tschammer und Ostern, Hans von 239, 268, 287 Veinante, Emil 284, 294, 298, 301, 305f., 308, 326 Vienne, Maurice de 10, 96, 97, 172, 177f., 179f., 211, 220, 318, 321, 324f., 330, 349, 365 Vogel, Theodor 157f., 161, 229, 230, 233 Voß, Kurt 155 Wagner, Otto 80 Wall, Frederick 252f. Walter, Fritz 273, 285, 295, 304f., 306, 342 Walter, Otmar 342 Watermann, Theodor 254 Weber, Manfred 309, 340, 341 Wellhöfer, Georg Sebastian 242, 248 Wendel, Charles de 35, 37, 68 Wendel, Guy de 179, 187f., 189, 325 Wilson, Walter 154 Wilson, Woodrow 141 Winners, Fritz 345 Wolff, Julius 120 Zeimet, Hans 289, 291f., 298 Zeppelin-Aschhausen, Friedrich von 132 Ziegler, Jean-Jacques 50

DANKSAGUNG Eine transnationale Geschichte des deutsch-französischen Fußballs zu schreiben, die sich nicht nur über den Zeitraum eines halben Jahrhunderts erstreckt, sondern durch ihre regionale und lokale Verortung im saarländisch-lothringischen Grenzraum in der Tat eine Feldforschung der ganz besonderen Art verlangte, war nur möglich mit der bereitwilligen Hilfe zahlreicher Menschen, Freunde und Kollegen. Dank sagen möchte ich zunächst meinem Doktorvater Dietmar Hüser, dessen zeithistorische Seminare in Saarbrücken im Jahr 2004 mich bereits darin bestärkt hatten, das runde Leder lieber mit geschichtswissenschaftlichen Methoden als mit den Füßen zu traktieren. Er unterstützte und förderte mich von Anfang an in der Themenwahl und begleitete mich durch eine Promotion, die sich nicht zuletzt aufgrund der wirklich wichtigen Ereignisse in meinem Leben – der Geburt meiner Kinder – zeitweise hinten hatte anstellen müssen. Jens Flemming danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und für interessante Gespräche. Danken möchte ich auch dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel, der mich als Doktoranden angenommen hatte und dem Kasseler Internationalen Graduiertenzentrum Gesellschaftswissenschaften – kurz KIGG – das mich, auch wenn ich selbst nicht oft vor Ort sein konnte – hervorragend betreut hat. Unterstützung für mein Promotionsprojekt hatte ich stets auch bei „meinem“ Historischen Institut der Universität des Saarlandes gefunden. Rainer Hudemann möchte ich danken, der nicht nur meine Diplomarbeit zum Thema „Fußballsport und Identität“ betreut hatte, sondern dessen Lehrstuhl mich stets unterstützte, insbesondere bei der Einsicht der französischen Akten auf Mikrofilm. Für sein inhaltlich wertvolles und kritisches Feedback möchte ich an dieser Stelle auch meinem Freund Johannes Großmann danken, über Jahre hinweg Mitarbeiter am Lehrstuhl. Mein Dank gilt auch Wilfried Loth und dem Deutsch-französischen Historikerkomitee für die Ehre, dass mein Buch in deren Schriftenreihe erscheinen darf. Durch die Einwerbung eines Druckkostenzuschusses bei der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wurde die Drucklegung des Buchs sehr erleichtert. Auch hierfür möchte ich mich herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt der Konrad Adenauer Stiftung. Durch die Aufnahme in die Graduiertenförderung wurde meine Promotion überhaupt erst möglich gemacht. Die zwei Jahre bei der KAS bleiben mir in guter Erinnerung, nicht zuletzt durch das Kennenlernen vieler interessanter Menschen sowie durch die ausgesprochen hohe Qualität der ideellen Förderung, die ich in Anspruch nehmen durfte. Dies gilt sowohl für den wertvollen Input, den mir die Seminare gaben und die mich nach München, an den Rhein, nach Frankfurt und in die brandenburgischen Wälder führten als auch für meine Tübinger Stipendiatengruppe 4.

Anhang

421

Durch die Promotion durfte ich zwischen Genf und Berlin weit mehr als zwanzig Archive und Bibliotheken kennenlernen und mit diesen viele kompetente, freundliche und wohlwollende Ansprechpartner, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Für die stets bereitwillige Hilfe möchte ich stellvertretend Paul Burgard und Ludwig Linsmayer vom Landesarchiv Saarbrücken nennen, mit denen ich nicht zuletzt durch gemeinsame Buchprojekte seit Jahren verbunden bin und die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Geografisch nicht weit entfernt von Saarbrücken-Scheidt befindet sich das Ellenfeld-Stadion in Neunkirchen. Jens Kelm, der mir noch zu Zeiten der Diplomarbeit das wertvolle Archiv von Borussia Neunkirchen öffnete und Tobias Fuchs, mit welchem er heute den Verein Ellenfeld e.V. betreut, waren von unschätzbarer Hilfe. Deren Idealismus, gepaart mit hoher fachlicher Kompetenz und Enthusiasmus für die Fußballkultur an der Saar waren und sind für mich eine große Quelle der Inspiration. Danken möchte ich auch Pierre Perny aus dem Elsass, der zur Geschichte des elsässischen Fußballs promovierte und mir dadurch völlig neue Perspektiven auf den Fußball in „meinem“ Grenzraum ermöglichte. Mein Dank gilt auch Katharina Stüdemann und Harald Schmitt vom Franz Steiner Verlag, die mit Geduld meine Publikation betreuten sowie meinem jetzigen Arbeitgeber, dem ZfP Südwürttemberg. Thomas Müller, in dessen historischer Forschungseinheit ich heute mitwirken darf, unterstützte meine Promotion stets mit Wohlwollen, Verständnis und guten Ratschlägen. Dankbar bin ich auch meinem Schwiegervater für manch kritisches Wort sowie meiner Schwiegermutter und meiner Frau für das unermüdliche Korrekturlesen meines Manuskripts. Meiner lieben Frau Mareike und meinen beiden Kindern Elias und Ronja danke ich dafür, dass sie mir in den Jahren der Familiengründung offenbarten, dass es einen Sinn gibt, die ganzen Mühen überhaupt auf sich zu nehmen. Aus der Geborgenheit eines sicheren Hafens heraus konnte ich auch in schwierigeren Phasen, die eine Promotion immer mit sich bringt, stets neue Kraft schöpfen. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Riedlingen, im September 2014 Bernd Reichelt

schriftenreihe des deutsch-französischen h i s t o r i k e r ko m i t e e s

Im Einvernehmen mit dem Deutsch-Französischen Komitee für die Erforschung der deutschen und französischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts herausgegeben von Etienne François und Wilfried Loth.

Franz Steiner Verlag

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ISSN 1863–2076

Stefan Fisch / Florence Gauzy / Chantal Metzger (Hg.) Machtstrukturen im Staat in Deutschland und Frankreich / Les structures de pouvoir dans l’État en France et en Allemagne 2007. 188 S. mit 12 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08946-3 Stefan Fisch / Florence Gauzy / Chantal Metzger (Hg.) Lernen und Lehren in Frankreich und Deutschland / Apprendre et enseigner en Allemagne et en France 2007. 240 S., kt. ISBN 978-3-515-08945-6 Chantal Metzger / Hartmut Kaelble (Hg.) Deutschland – Frankreich – Nordamerika: Transfers, Imaginationen, Beziehungen 2006. 227 S. mit 9 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08926-5 Armin Heinen / Dietmar Hüser (Hg.) Tour de France Eine historische Rundreise. Festschrift für Rainer Hudemann 2008. 524 S. mit 92 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09234-0 Jean-Paul Cahn / Hartmut Kaelble (Hg.) Religion und Laizität in Frankreich und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert / Religions et laïcité en France et en Allemagne aux 19e et 20e siècles 2008. 197 S., kt. ISBN 978-3-515-09276-0

6.

Alain Chatriot / Dieter Gosewinkel (Hg.) Koloniale Politik und Praktiken Deutschlands und Frankreichs 1880–1962 / Politiques et pratiques coloniales dans les empires allemands et français 1880–1962 2010. 199 S., kt. ISBN 978-3-515-09670-6 7. Dietmar Hüser / Jean-François Eck (Hg.) Medien – Debatten – Öffentlichkeiten in Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert / Médias, débats et espaces publiques en Allemagne et en France aux 19e et 20e siècles 2011. 321 S. mit 19 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09886-1 8. Jean-François Eck / Dietmar Hüser (Hg.) Deutschland und Frankreich in der Globalisierung im 19. und 20. Jahrhundert / L’Allemagne, la France et la mondialisation aux XIXe et XXe siècles 2012. 213 S., kt. ISBN 978-3-515-10187-5 9. Michael Schmiedel „Sous cette pluie de fer“ Luftkrieg und Gesellschaft in Frankreich 1940–1944 2013. 360 S., kt. ISBN 978-3-515-10247-6 10. Johan S. U. Wagner Politische Beratungsinstitute, Europa und der Maghreb, 1990–2000 2014. 320 S., kt. ISBN 978-3-515-10647-4

Michael Schmiedel

„Sous cette pluie de fer“ Luftkrieg und Gesellschaft in Frankreich 1940–1944 Schriftenreihe des Deutsch-Französischen Historikerkomitees – Band 9

Michael Schmiedel „Sous cette pluie de fer“ 2013. 360 Seiten. Kart. & 978-3-515-10247-6 @ 978-3-515-10401-2

Der Luftkrieg gehörte auch in Frankreich zu den einschneidenden gesellschaftlichen Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs. Michael Schmiedel beleuchtet seine sozialen und politischen Auswirkungen, die bisher in der Geschichtsschreibung weitgehend vernachlässigt wurden. Er zeigt, wie der durch die deutsche Besatzung ohnehin in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkte französische Staat durch die Bombardierungen noch weiter unter Druck geriet. Die Bombardements, denen das Vichy-Regime nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen hatte, trugen entscheidend zum Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber dem Regime und der deutschen Besatzung bei. Zudem verschärften die Luftangriffe die sozialen Konflikte und waren selbst Auslöser von hoch emotionalisierten Auseinandersetzungen. Den ambivalenten Umgang mit den Folgen des Luftkriegs in Frankreich zeigt nicht zuletzt der Blick auf die Erinnerungskultur in den Jahren nach 1945. Die Opfer des Luftkriegs wurden dabei lange Zeit an den Rand gedrängt. .............................................................................

Aus dem Inhalt Frankreich im Zweiten Weltkrieg: Politische & soziale Lage vor 1940 | Gesellschaft & Staat während des Kriegs | Alliierter Luftkrieg in Frankreich p Luftkrieg & Staat: Ziviler Luftschutz & État français | Lokale Krisenbewältigung | Ziviler Luftschutz & deutsche Besatzung p Luftkrieg & Zivilbevölkerung: Erlebnisbereiche | Erlebnisgemeinschaften | Arbeiter & Unternehmer | Vergesellschaftung im Luftkrieg: orchestrierte Solidarität p Deutungen des Luftkriegs: Sinnstiftung für die Opfer | Kampf um die Deutungshoheit: Propaganda | Gelenkte Öffentlichkeit – öffentliche Meinung Erinnerungen an den Luftkrieg: Kriegsende, Auflösung der Défense passive, Wiederaufbau | „Une amnésie nationale“? Auf der Suche nach der Erinnerung | Lokale Erinnerung: Spurensuche in Nantes, Lyon & Caen | u.a.

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Johan S. U. Wagner

Politische Beratungsinstitute, Europa und der Maghreb, 1990–2000 Schriftenreihe des Deutsch-Französischen Historikerkomitees – Band 10

Johan S. U. Wagner Politische Beratungsinstitute, Europa und der Maghreb, 1990–2000 2014. 320 Seiten. Kart. & 978-3-515-10647-4 @ 978-3-515-10738-9

Beratungsinstitute und ihre Europarepräsentationen stehen im Zentrum der Studie von Johan S. U. Wagner. Er untersucht deutsche und französische Einrichtungen: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Centre d’études et de recherches internationales (CERI) und Institut français des relations internationales (IFRI). Europa hatte für diese außenpolitischen Beratungsinstitute in den 1990er Jahren große Bedeutung, da sie sich nach dem Kalten Krieg neu orientierten. Dabei stellten sie Europa als das Eigene und den Maghreb als das Andere gegenüber. Gleichzeitig entwickelte sich die Mittelmeerregion zu einem Schwerpunkt innerhalb der internationalen Beziehungen, und die Europabilder der Institute skizzierten die EU allmählich als abgeschlossen. Der Autor beschreibt wissensgeschichtlich die politische Kultur Deutschlands und Frankreichs, indem er diese think tanks kritisch beleuchtet. Der Vergleich in der Gründungszeit der Euro-Mediterranen Partnerschaft (EMP) zeigt dabei einen deutsch-französischen Wissenstransfer. Mit dem „Arabischen Frühling“ und der aktuellen europäischen Nachbarschaftspolitik gewinnen die Forschungsergebnisse zusätzlich an Brisanz. .............................................................................

Aus dem Inhalt Einleitung – „Gehirne im Krieg der Ideen“ | Stiftung Wissenschaft und Politik | Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik | Centre d’etudes et de recherches internationales | Institut français des relations internationales | Bezüge, Unterschiede und Gemeinsamkeiten | Schluss – „Entwicklung im Spiegel der Anderen“ | Abstracts | Quellen- und Literaturverzeichnis | Namen- und Sachverzeichnis

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Geprägt von Bergbau und Industrie war der saarländisch-lothringische Grenzraum über viele Jahrzehnte hinweg der Spielball zweier Nationen. Dies betraf zugleich den Fußballsport, der sich dort seit der Jahrhundertwende entwickelte und der von jeher eng verflochten war mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Je dynamischer sich Professionalisierungs- und Kommerzialisierungstrends im Sport selbst gestalteten, desto mehr wurde das Spiel zu einem Inszenierungsraum sozialer, politischer und ideologischer Entwürfe. Sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite sollte der populäre Fußball die jeweilige Nation repräsentieren und festigen. Politi-

sche Inszenierungen fanden sich in der Zwischenkriegszeit ebenso wie auch während des Zweiten Weltkriegs im sogenannten Sportgau Westmark und im Saarland der Nachkriegszeit. Zugleich waren die Vereine jedoch von ihren Anfängen an aktive gesellschaftliche und sportpolitische Akteure, die eigene Interessen und Ziele verfolgten. Trotz aller Unterschiede war die Handlungsmaxime der Vereine darauf ausgerichtet, sportlich erfolgreich zu sein. Dass aus diesem Vereinspragmatismus sowohl widerständiges als auch opportunistisches Verhalten resultieren konnte, war dabei kein Widerspruch, sondern entsprang dem Selbstverständnis der Fußballvereine.

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ISBN 978-3-515-10893-5