Frühneuhochdeutsche Konnektoren: Entwicklungslinien kausaler Verknüpfungen auf dem Gebiet der Modalität 9783110501445, 9783110503289, 9783110498691

This diachronic, corpus-based study documents grammaticalization processes and the syntactic, semantic, and above all pr

176 70 4MB

German Pages 514 Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Übersichtenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
A. Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung
B. Theoretische Grundlagen
C. Einzelanalysen der Konnektoren
D. Die Analyseergebnisse in der Zusammenschau
E. Zusammenfassung
F. Verzeichnis der Korpustexte
G. Literaturverzeichnis
H. Verzeichnis der alten Grammatiken und Wörterbücher
Anhang
Register
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Frühneuhochdeutsche Konnektoren: Entwicklungslinien kausaler Verknüpfungen auf dem Gebiet der Modalität
 9783110501445, 9783110503289, 9783110498691

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Sebastian Gagel Frühneuhochdeutsche Konnektoren

Studia Linguistica Germanica

Herausgegeben von Christa Dürscheid, Andreas Gardt, Oskar Reichmann und Stefan Sonderegger

Band 131

Sebastian Gagel

Frühneuhochdeutsche Konnektoren Entwicklungslinien kausaler Verknüpfungen auf dem Gebiet der Modalität

Die Arbeit wurde als Dissertation unter demselben Titel an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg eingereicht und für die Drucklegung überarbeitet. Tag der Disputation war der 13. April 2015.

ISBN 978-3-11-050144-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-050328-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049869-1 ISSN 1861-5651 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Studie wurde von der Philosophischen Fakultät der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen und für den Druck leicht überarbeitet. Zu ihrem Entstehen haben die im Folgenden aufgeführten Personen beigetragen. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank. Frau Prof. Dr. Mechthild Habermann hat mit ihrer Lehre und den Gesprächen über das Deutsche, die Menschen und die Kultur der Frühen Neuzeit das Fundament für die Arbeit gelegt. Als Doktormutter hat sie stets beratend Anteil an ihrer Entstehung genommen, mir neue Perspektiven eröffnet, den Blick geschärft und meinem Arbeiten Schwung verliehen. Die Aufgabe als Zweitbetreuerin hat Frau Prof. Dr. Eva Breindl übernommen. Mit ihrer Expertise auf dem Gebiet der Konnektoren hat auch sie mein Forschen begleitet und mir nicht selten bei der methodischen Ausrichtung der Arbeit wichtige Hilfe geleistet. Frau Prof. Dr. Christiane Thim-Mabrey hat die Aufgabe des Drittgutachtens wahrgenommen und mir viele Hinweise für die Überarbeitung zum Druck gegeben. Drittprüfer bei meiner Disputation war Herr Prof. Dr. Volker Frederking. Für den wissenschaftlichen, geistigen und freundschaftlichen Austausch, speziell auch für zeitraubende und gewissenhafte Korrekturarbeiten sowie vielfältige Unterstützung danke ich Dr. Martin Behr, Dr. Andreas Flurschütz da Cruz, Eike Juhre, Dr. Martin Messingschlager und Dr. Johannes Weber. Frau Prof. Dr. Oda Wischmeyer gilt mein Dank dafür, dass sie mir die Freude am hermeneutischen Umgang mit theologischen Texten vermittelt hat. Herr Prof. Dr. Berndt Hamm und das Team der Bucer-Forschungsstelle Erlangen haben mir dankenswerterweise Kopien von handschriftlichen Originalen der in den Korpus aufgenommenen Bucer-Briefe zugänglich gemacht. Dem Evangelischen Studienwerk Villigst danke ich für die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Herr Daniel Gietz und Frau Lena Ebert haben von Verlagsseite freundlich, aufgeschlossen und kooperativ einen reibungslosen Ablauf ermöglicht. Danken möchte ich schließlich meinen Eltern, Richard und Elfriede Gagel, die mich, mein Studieren und Forschen immer mit Interesse, Wohlwollen und Zuspruch begleitet haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Bamberg, im Februar 2017

DOI 10.1515/9783110503289-202

Sebastian Gagel

Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis

XV

Übersichtenverzeichnis

XX

Abbildungsverzeichnis

XXI

A

Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung

B

Theoretische Grundlagen

1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4

Modalität 5 Theorien der Modalität 6 Das Modalitätskonzept Rainer Dietrichs 7 Dreidimensionale Modalitätskonzepte 13 Illokution und Modalität 17 Illokution im Modalitätskonzept Eve Sweetsers 17 Illokution und Satzmodus 18 Satzmodus und epistemischer Modus 22 Illokutionstypen und epistemische Modi 25 Exkurs: Diachrone Illokutionstypologie 31 Zusammenfassung: Modalität 35

1.3 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3

1

5

Modalität und Konnektoren 37 Abgrenzung der Konnektoren von Modalpartikeln und Diskursmarkern 39 Modalpartikeln 39 Diskursmarker 46 Konnektoren 50 Beschreibungs- und Analysemodelle 56 Domänen der Verknüpfung 57 Diskursrelationen 68 Konnektoren und Subjektivität 75 Zusammenfassung: Konnektoren und Modalität und daraus resultierende Aufgaben der diachronen Analyse 82

VIII

3 3.1 3.2 3.3

Inhaltsverzeichnis

Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren 86 Grammatikalisierung von Konnektoren 86 Grammatikalisierung der Verbstellung und des Satzrahmens 105 Auswahl der Konnektoren 118

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

Das Textkorpus 123 Zeitraum 124 ‚Textsorten‘ und Dialogizitätsgrad 125 Sprachlandschaften 129 Art des Korpus 131 Struktur des Korpus 133 Analysegrundlage 133 Technische Aufbereitung und Auswertung des Datenmaterials 134

5

Zusammenstellung und Zusammenwirken der Analyseparameter 135

C

Einzelanalysen der Konnektoren

1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

Die kausalen Konnektoren 158 da und do 158 Graphie und Verteilung aller da/do-Belege 158 Eingrenzung auf die Subjunktoren da und do 158 Die sprachlandschaftliche Verteilung der Subjunktoren da und do 159 Die Semantik der Subjunktoren da und do 161 Das Verknüpfungsverhalten und pragmatische Eigenschaften der Subjunktoren da und do 166 Der Zusammenhang von Semantik und Verknüpfungsverhalten bei den Subjunktoren da und do 166 Die diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens des Subjunktors da 168 Die Textgruppenspezifik des Verknüpfungsverhaltens bei den Subjunktoren da und do 169 Die Linearisierung der Konnekte und die Informationsstruktur bei den Subjunktoren da und do 171

1.1.4 1.1.5 1.1.5.1 1.1.5.2 1.1.5.3 1.1.5.4

158

Inhaltsverzeichnis

1.1.6 1.1.7 1.1.8 1.1.9 1.1.10 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.3.1 1.2.3.2 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.2.9 1.2.10 1.2.11 1.2.12 1.2.13 1.2.14 1.2.15 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6

Korrelatverbindungen mit da und do 174 Kombinationen mit da und do 175 da und do in Übersetzungstexten 176 da und do in alten Grammatiken und Wörterbüchern 177 Zusammenfassung 179 dieweil 180 Graphie und sprachlandschaftliche Verteilung von dieweil 180 Konnektorentypen von dieweil 182 Grammatikalisierungsgrade von dieweil 183 Der Zusammenhang von Semantik und Grammatikalisierungsgrad bei dieweil 184 Der Zusammenhang von Grammatikalisierungsgrad und Verknüpfungsverhalten bei dieweil 186 Die diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens von dieweil 187 Der Zusammenhang von Semantik und Verknüpfungsverhalten bei dieweil 189 Die diachrone Entwicklung der Semantik von dieweil 192 Der Gebrauch des Konnektors dieweil in den vier Textgruppen 193 Korrelatverbindungen mit dieweil 195 Kombinationen mit dieweil 196 Die Verbstellung im internen dieweil-Konnekt 199 Die Linearisierung der Konnekte von dieweil 201 Illokutionstypen und Verbstellung der internen dieweil-Konnekte 203 dieweil in Übersetzungstexten 206 dieweil in alten Grammatiken und Wörterbüchern 207 Zusammenfassung 208 denn und dann 209 Graphie von denn und dann 209 Funktionen von denn und dann 210 Die sprachlandschaftliche Verteilung der Konnektoren denn und dann 211 Die diachrone Entwicklung der Funktionen und Semantik der Konnektoren denn und dann 215 Das Verknüpfungsverhalten der Konnektoren denn und dann 221 Der Zusammenhang von Semantik und Verknüpfungsverhalten bei denn und dann 224

IX

X

1.3.7 1.3.8 1.3.9 1.3.9.1 1.3.9.2 1.3.10 1.3.11 1.3.12 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7 1.4.8 1.4.9 1.4.10 1.4.11 1.4.12 1.4.13 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3

Inhaltsverzeichnis

Die diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens von denn und dann 227 Die Textgruppenspezifik des Verknüpfungsverhaltens bei denn und dann 230 Kombinationen mit den Adverbkonnektoren denn und dann 235 Kombinationen kausaler Konnektoren mit den Adverbkonnektoren denn und dann 236 Kombinationen konsekutiver Pronominaladverbien mit den Adverbkonnektoren denn und dann 240 Begründungs-denn/dann mit Verbletztstellung 243 Konnektorales denn/dann in Übersetzungstexten sowie in alten Wörterbüchern und Grammatiken 251 Zusammenfassung 253 wenn und wann 254 Graphievarianten und sprachlandschaftliche Verteilung von wenn und wann 255 Die Semantik von wenn und wann 258 Der Zusammenhang von Semantik und Verknüpfungsverhalten bei wenn und wann 261 Konnektorenklassen von wenn und wann 262 Der Zusammenhang von Verknüpfungsverhalten und Verbstellung im internen Konnekt von wenn und wann 265 Die diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens von wenn und wann 267 Die Linearisierung der Konnekte bei wenn und wann 269 Textgruppenspezifik von wenn und wann 270 Korrelatkonstruktionen mit wenn und wann 273 Kombinationen mit wenn und wann 274 275 wenn/wann in Übersetzungstexten 275 wenn und wann in alten Grammatiken und Wörterbüchern Zusammenfassung 275 ſeit 277 ſintemal 282 Graphie und sprachlandschaftliche Verteilung von ſintemal 282 Der Zusammenhang von Semantik und Verknüpfungsverhalten des Subjunktors ſintemal 283 Textsortenspezifik beim Subjunktor ſintemal 288 Exkurs zum Konnektor ſintemal in Luthers Übersetzung des Neuen Testaments 289

Inhaltsverzeichnis

1.6.4 1.6.5 1.6.6 1.6.7 1.6.8 1.7 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.2.1 1.8.2.2 1.8.2.3 1.8.2.4 1.8.3 1.8.4 1.8.5 1.9 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8

2.1.9 2.1.10 2.1.11

XI

Korrelatverbindungen mit ſintemal 290 Kombinationen mit ſintemal 290 ſintemal in Übersetzungstexten 291 ſintemal in alten Grammatiken und Wörterbüchern 292 Zusammenfassung 293 zumal 294 nemlich 297 Graphievarianten und sprachlandschaftliche Verteilung von nemlich 297 Syntax und Semantik von nemlich 298 Traditionelle Beurteilungen und Korpusbefund 298 Die diachrone Entwicklung der Semantik von nemlich 304 Topologie des Konnektors nemlich 304 nemlich als Ellipse oder als Kurzantwort 305 Kombinationen von nemlich mit anderen Konnektoren 308 Das Verknüpfungsverhalten von nemlich 309 Zusammenfassung 310 ſo 310 Die konsekutiven und konklusiven Konnektoren 317 Die Pronominaladverbkonnektoren derhalben und derowegen 317 Konnektoren- und Graphievarianten bei derhalben und derowegen 317 Sprachlandschaftliche Verteilung bei derhalben und derowegen 318 Zeitliche Verteilung von derhalben und derowegen 319 Die Semantik von derhalben und derowegen 320 Konnektorenklassen und nichtkonnektorale Verwendungen von derhalben und derowegen 321 Verbstellung und Topologie bei derhalben und derowegen 322 Das Verknüpfungsverhalten von derhalben und derowegen 324 Der Zusammenhang von Korrelatverbindungen mit derhalben und derowegen, der Linearisierung der Konnekte und der Verknüpfungsebene 327 Diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens von derhalben und derowegen 330 Die Textgruppenspezifik des Verknüpfungsverhaltens von derhalben und derowegen 332 Kombinationen mit derhalben und derowegen 334

XII

2.1.12 2.1.13 2.1.13.1 2.1.13.2 2.1.13.2.1 2.1.13.2.2 2.1.13.2.3 2.1.13.2.4 2.1.13.2.5 2.1.13.2.6 2.1.14 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.4 2.2.4.1 2.2.4.2 2.2.5 2.2.6 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Inhaltsverzeichnis

derhalben und derowegen in Übersetzungstexten 335 Die Präpositionen halben und wegen 337 Varianten von präpositionalem und nicht-präpositionalem halben und wegen 337 Besonderheiten in der Verwendung von halben und wegen 339 Mögliche etymologisch begründete Kontextpräferenzen 339 Positionale Unterschiede zwischen halben und wegen 340 Das Verknüpfungsverhalten der Präpositionen halben und wegen 341 Die sprachlandschaftliche Verteilung von halben und wegen 341 Textgruppenspezifik bei halben und wegen 342 Die Präpositionen halben und wegen diachron 344 Zusammenfassung 344 darumb und darumb das 346 Graphievarianten und sprachlandschaftliche Verteilung der Konnektoren darumb und darumb das 346 Konnektorentypen und sonstige Funktionen von darumb und darumb das 347 Verknüpfungsverhalten des Konnektors darumb 350 Diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens beim Konnektor darumb 352 Die Textgruppenspezifik des Verknüpfungsverhaltens beim Konnektor darumb 355 Der komplexe Konnektor darumb das und einfaches darumb im Vergleich 356 Topologie und Übersetzungsbelege der Konnektoren darumb das und darumb 356 Das Verknüpfungsverhalten der Konnektoren darumb das und darumb im Vergleich 358 Korrelatverbindungen und Kombinationen mit dem Konnektor darumb 359 Zusammenfassung 364 demnach 365 Graphievarianten und sprachlandschaftliche Verteilung von demnach 365 Die Semantik und Konnektorenklassen von demnach 366 Der Zusammenhang von Konnektorenklasse, Semantik und Verknüpfungsebene bei demnach 367 Die diachrone Entwicklung und die Textgruppenspezifik von demnach sowie dessen Frequenz in Übersetzungstexten 369

Inhaltsverzeichnis

2.3.5 2.3.6

2.3.7 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.4.8

XIII

Kombinationen mit demnach 370 Die diachrone Entwicklung und die Textgruppenspezifik des Verknüpfungsverhaltens von demnach 371 Exkurs zum Konnektor nachdem 372 Zusammenfassung 376 daher 376 Graphie und sprachlandschaftliche Verteilung von daher 376 Konnektorenklassen bei daher 377 Das Verknüpfungsverhalten von daher 379 Der Zusammenhang von Konnektorenklasse und Verknüpfungsverhalten bei daher 379 Die Textgruppenspezifik der Verknüpfungsebene bei daher 381 Die diachrone Entwicklung des Verknüpfungsverhaltens bei daher 382 Die diachrone Entwicklung von konnektoralem und nicht-konnektoralem daher 383 daher in Korrelatkonstruktionen 383 Kombinationen mit daher 385 daher in Übersetzungstexten 385 Zusammenfassung 385

D

Die Analyseergebnisse in der Zusammenschau

1

Allgemeine Ablösungs- und Verdrängungsprozesse

2 2.1

Überprüfung der aufgestellten Hypothesen 396 Handelt es sich bei der Herausbildung modaler Lesarten um einen Grammatikalisierungsprozess? 396 Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen syntaktischen Eigenschaften und Verknüpfungsverhalten? 404 Hat die semantische Ambiguität Einfluss auf die Herausbildung modaler Lesarten? 405 Wie hängen Verknüpfungsebene und Dialogizität zusammen? 408

2.2 2.3 2.4

387

3

Die sprachlandschaftliche Verteilung der Konnektoren

E

Zusammenfassung

417

388

415

XIV

Inhaltsverzeichnis

F

Verzeichnis der Korpustexte

G

Literaturverzeichnis

H

Verzeichnis der alten Grammatiken und Wörterbücher

Anhang

458

Register

490

426

437 456

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Wachsende Hörerbeteiligung: Satzmodus, epistemischer Modus, kommunikative Funktion 21 24 Tab. 2: Epistemische Modi und Satzmodi 26 Tab. 3: Illokutionstypen und epistemische Modi 29 Tab. 4: Subtypen der Repräsentativa 44 Tab. 5: Anschluss an nichtsprachliche Kontexte durch Konnektorphrasen 52 Tab. 6: Syntaktische Merkmale von Konnektorenklassen 53 Tab. 7: Konnektorenklassifizierung nach Pasch et al. (2003) Tab. 8: Positionsmöglichkeiten einiger konnektintegrierbarer (adverbialer) Konnektoren im Gegenwartsdeutschen 54 60 Tab. 9: Integration und Desintegration bei Konnektorphrasen 77 Tab. 10: Modalität, Subjektivität und Intersubjektivität nach Nuyts (2010) 80 Tab. 11: Evidentialität und Subjektivität nach Frohning (2007) 120 Tab. 12: Auswahl der Grund- und Folgemarker in alphabetischer Reihenfolge 158 Tab. 13: Verteilung aller da- und do-Belege über die vier Textgruppen Tab. 14: Gewichtete Verteilung der Subjunktoren da und do über die fünf Sprachlandschaften 161 162 Tab. 15: Semantik mit dem Dialogizitätsgrad beim Konnektor da 163 Tab. 16: Semantik mit dem Dialogizitätsgrad beim Konnektor do 164 Tab. 17: Semantik von do in den drei Zeitabschnitten 164 Tab. 18: Semantik von da in den drei Zeitabschnitten 167 Tab. 19: Semantik und Verknüpfungsverhalten bei da 168 Tab. 20: Verknüpfungsverhalten von da in den drei Zeitabschnitten 169 Tab. 21: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von da Tab. 22: Position des internen Konnekts und Verknüpfungsebenen bei (auch) kausalen da/do-Belegen 171 181 Tab. 23: Graphievarianten von dieweil Tab. 24: Gewichtete Verteilung von dieweil (alle Graphievarianten) über fünf Sprachlandschaften in Prozent 182 183 Tab. 25: Grammatikalisierungsgrade von dieweil in den drei Zeitabschnitten 184 Tab. 26: Semantik und Grammatikalisierungsgrad von dieweil 186 Tab. 27: Verknüpfungsebene und Grammatikalisierungsgrad von dieweil 187 Tab. 28: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von dieweil (Verknüpfungsebene) 190 Tab. 29: Semantik und Verknüpfungsebene bei dieweil 193 Tab. 30: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von dieweil 198 Tab. 31: Linearisierung der Konnekte bei kombinierten dieweil-Belegen Tab. 32: Die Stellung des internen dieweil-Konnekts im Verhältnis zur Verknüpfungsebene 202 204 Tab. 33: Illokutionstypen und Verbstellung in den internen dieweil-Konnekten 206 Tab. 34: Fremdsprachliche Pendants für dieweil 209 Tab. 35: Graphievarianten von denn 209 Tab. 36: Graphievarianten von dann 210 Tab. 37: Funktionen von dann 210 Tab. 38: Funktionen von denn

DOI 10.1515/9783110503289-204

XVI

Tabellenverzeichnis

Tab. 39: Gewichtete Verteilung von Begründungs-dann/denn über fünf Sprachlandschaften in Prozent 211 Tab. 40: Verteilung von Modalpartikel-denn/dann über fünf Sprachlandschaften in Prozent 213 Tab. 41: Die zeitliche Verteilung der untersuchten Funktionen von dann in absoluten Zahlen 215 Tab. 42: Die untersuchten Funktionen von denn in absoluten Zahlen in den drei Zeitabschnitten 215 216 Tab. 43: Semantische Entwicklung des Adverbkonnektors dann 220 Tab. 44: Semantische Entwicklung des Adverbkonnektors denn 224 Tab. 45: Semantische Lesarten und Verknüpfungsebene bei denn 225 Tab. 46: Verknüpfungsebenen bei Begründungs-dann 226 Tab. 47: Semantische Lesarten und Verknüpfungsebene beim Adverbkonnektor dann 227 Tab. 48: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von denn (Verknüpfungsebene) 228 Tab. 49: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von dann (Verknüpfungsebene) 230 Tab. 50: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von denn 231 Tab. 51: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von dann Tab. 52: Kombinationen kausaler Konnektoren mit den Adverbkonnektoren denn und dann 235 236 Tab. 53: Aufschlüsselung der Kombinationen mit denn/dann nach Einzeltexten Tab. 54: Zeitliche Verteilung aller untersuchten Belege von Begründungs-denn und -dann und solcher mit Verbletztstellung (VL) in Prozent (auf eine Nachkommastelle gerundet) 244 Tab. 55: Textgruppenverteilung aller untersuchten Belege von Begründungs-denn und -dann und solcher mit Verbletztstellung (VL) 245 Tab. 56: Verteilung aller untersuchten Belege von Begründungs-denn und -dann, solcher mit sog. Hauptsatzstellung (Verberst- und Verbzweitstellung, abgekürzt V1, V2) und solcher mit Verbletztstellung (VL) über die Verknüpfungsebenen 248 255 Tab. 57: Graphievarianten von wann 256 Tab. 58: Graphievarianten von wenn Tab. 59: Gewichtete Verteilung von (auch) kausalem wenn/wann über fünf Sprachlandschaften in Prozent 256 Tab. 60: Gewichtete Verteilung aller (auch nicht-kausaler) wenn/wann-Belege über fünf Sprachlandschaften in Prozent 257 Tab. 61: Belegzahlen der semantischen Varianten von wenn/wann (HS) und Subjunktor wenn und wann sowie der Vergleichspartikel wenn und wann 258 260 Tab. 62: Semantik von (auch) kausalem wann in den drei Zeitabschnitten 260 Tab. 63: Semantik von (auch) kausalem wenn in den drei Zeitabschnitten 261 Tab. 64: Verknüpfungsarten und Semantik von (auch) kausalem wann 261 Tab. 65: Verknüpfungsarten und Semantik von (auch) kausalem wenn 263 Tab. 66: Subjunktorales wann und wann (HS) in den drei Zeitabschnitten 263 Tab. 67: Subjunktorales wenn und wenn (HS) in den drei Zeitabschnitten 265 Tab. 68: Verknüpfungsarten von subjunktoralem wann und wann (HS). 266 Tab. 69: Verknüpfungsarten von subjunktoralem wenn und wenn (HS). 267 Tab. 70: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem wann in den drei Zeitabschnitten 267 Tab. 71: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem wenn in den drei Zeitabschnitten 270 Tab. 72: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von wann

Tabellenverzeichnis

XVII

Tab. 73: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von wenn 270 Tab. 74: Verteilung der ſintemal-Belege über die fünf Sprachlandschaften (absolute Häufigkeiten) 283 284 Tab. 75: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von ſintemal (Verknüpfungsebene) 288 Tab. 76: Verteilung der ſintemal-Belege über die vier Textgruppen Tab. 77: Verknüpfungsarten von ſintemal in Luthers Übersetzung des Neuen Testaments der Ausgabe letzter Hand (1545), nach (Makro)Gattungen unterschieden 290 297 Tab. 78: Gewichtete Verteilung von nemlich über fünf Sprachlandschaften in Prozent Tab. 79: Adjektivisches nemlich und Semantik von konnektoralem nemlich in den drei Zeitabschnitten 304 305 Tab. 80: Topologie des Konnektors nemlich 309 Tab. 81: Verknüpfungsarten von nichtkausalem und (auch) kausalem nemlich 313 Tab. 82: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem ſo in den drei Zeitabschnitten 315 Tab. 83: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem ſo in den vier Textgruppen 317 Tab. 84: Graphievarianten von derhalben und derowegen Tab. 85: Gewichtete Verteilung von derhalben und derowegen über fünf Sprachlandschaften in Prozent 319 319 Tab. 86: Zeitliche Verteilung von derhalben und derowegen 321 Tab. 87: Konnektorenklassen von derhalben und derowegen 322 Tab. 88: Verbstellung bei den derhalben- und derowegen-Belegen 323 Tab. 89: Syntaktische Position der Konnektoren derhalben und derowegen 324 Tab. 90: Verknüpfungsverhalten von derhalben und derowegen Tab. 91: Verknüpfungsarten der verschiedenen Konnektorenklassen von derhalben und derowegen 327 330 Tab. 92: Verknüpfungsarten bei derhalben in den drei Zeitabschnitten 331 Tab. 93: Verknüpfungsarten bei derowegen in den drei Zeitabschnitten 332 Tab. 94: Verknüpfungsverhalten von derhalben in den vier Textgruppen 332 Tab. 95: Verknüpfungsverhalten von derowegen in den vier Textgruppen 335 Tab. 96: Übersetzungen für derhalben/derowegen 337 Tab. 97: halben-Varianten im Textkorpus 338 Tab. 98: wegen-Varianten im Textkorpus 340 Tab. 99: Position der Präpositionen halben und wegen bezüglich ihres Komplements 342 Tab. 100: Verteilung der Präpositionen halben und wegen über die Textgruppen Tab. 101: Verteilung der Konnektoren derhalben und derowegen über die Textgruppen 342 344 Tab. 102: Zeitliche Verteilung der Präpositionen halben und wegen 345 Tab. 103: Zusammenfassende Gegenüberstellung von derhalben und derowegen 346 Tab. 104: Graphievarianten von darumb und darumb das 349 Tab. 105: Konnektorentypen und sonstige Funktionen von darumb und darumb das 350 Tab. 106: Verknüpfungsverhalten der darumb-Konnektorenklassen 352 Tab. 107: Verknüpfungsarten bei darumb in den drei Zeitabschnitten 354 Tab. 108: Verknüpfungsarten bei derhalben/derowegen in den drei Zeitabschnitten 355 Tab. 109: Verknüpfungsarten bei darumb in den vier Textgruppen Tab. 110: Das Verknüpfungsverhalten von korrelativem und nicht-korrelativem darumb und von darumb das 358 360 Tab. 111: Korrelatverbindungen mit darumb 365 Tab. 112: Graphievarianten von demnach

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tab. 113: Semantik des Konnektors demnach 366 367 Tab. 114: Verknüpfungsarten des Adverbkonnektors und des Subjunktors demnach 369 Tab. 115: Adverbkonnektor und Subjunktor demnach in den vier Textgruppen 371 Tab. 116: Zeitliche Verteilung des Konnektors demnach 372 Tab. 117: Verknüpfungsarten beim Konnektor demnach in den vier Textgruppen 372 Tab. 118: Graphievarianten des Konnektors nachdem 373 Tab. 119: Verknüpfungsarten und Semantik von nachdem 374 Tab. 120: Textgruppenspezifische Verteilung der semantischen Lesarten von nachdem 375 Tab. 121: Semantik von nachdem in den drei Zeitabschnitten 377 Tab. 122: Graphievarianten von daher Tab. 123: Verknüpfungsarten der verschiedenen syntaktischen Verwendungsweisen von daher 379 381 Tab. 124: Verknüpfungsarten von daher in den vier Textgruppen 382 Tab. 125: Verknüpfungsarten von daher in den drei Zeitabschnitten Tab. 126: Nichtkonnektorale und aufgeschlüsselte konnektorale Verwendungsweisen von daher in den drei Zeitabschnitten 383 384 Tab. 127: Korrelatverbindungen mit daher 387 Tab. 128: Belegzahlen der untersuchten Konnektoren und Präpositionen im Korpus Tab. 129: Absolute Zahlen der untersuchten Konnektoren und Präpositionen in den drei Zeitabschnitten 388 Tab. 130: Anteil kombinierter konsekutiver und kausaler Konnektoren in den drei Zeitabschnitten 390 Tab. 131: Anteil der Korrelatkonstruktionen bei konsekutiven und kausalen Konnektoren in den drei Zeitabschnitten 390 Tab. 132: Absolute Zahlen der untersuchten Konnektoren und Präpositionen in den drei Zeitabschnitten, nach Verbstellung der internen Konnekte differenziert 392 Tab. 133: Gegenüberstellung der neun häufigsten gegenwartsdeutschen (nach Breindl/Walter 2009) und frühneuhochdeutschen Grund-Folge-Marker nach absoluter Häufigkeit, beschränkt auf diejenigen Marker, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, nach Verknüpfungsebenen differenziert 394 Tab. 134: Gegenüberstellung der Ranglisten gegenwartsdeutscher und sämtlicher frühneuhochdeutscher Grund-Folge-Marker nach absoluter Häufigkeit, einschließlich der Marker, die in Breindl/Walter (2009) zusätzlich untersucht worden sind, nach Verknüpfungsebenen differenziert 395 Tab. 135: Relative Häufigkeiten der Verknüpfungsarten aller Konnektoren und Präpositionen in den drei Zeitabschnitten 401 Tab. 136: Relative Häufigkeiten der Verknüpfungsarten aller kausalen Konnektoren und Präpositionen in den drei Zeitabschnitten 401 Tab. 137: Relative Häufigkeiten der Verknüpfungsarten der konsekutiven Konnekoren derowegen, derhalben, demnach und daher in den drei Zeitabschnitten 401 Tab. 138: Anteil modaler Verknüpfungsarten bei allen Konnektoren und Anteil der abgeschwächten Illokutionen (in dem für die Bestimmung der Verknüpfungsebene jeweils relevanten Konnekt) in den vier Textgruppen (ohne reine Ellipsen) 413 Tab. 139: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten im gesamten Zeitraum, nicht nach Verbstellung differenziert 462 Tab. 140: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten im gesamten Zeitraum, nach Verbstellung differenziert 464

Tabellenverzeichnis

XIX

Tab. 141: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt I, nicht nach Verbstellung differenziert 466 Tab. 142: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt I, nach Verbstellung differenziert 468 Tab. 143: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt II, nicht nach Verbstellung differenziert 470 Tab. 144: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt II, nach Verbstellung differenziert 472 Tab. 145: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt III, nicht nach Verbstellung differenziert 474 Tab. 146: Rangfolge der Konnektoren nach Verknüpfungsarten in Zeitabschnitt III, nach Verbstellung differenziert 476 Tab. 147: Relative Häufigkeiten für propositionale Verknüpfungen bei einzelnen Markern in 478 III Zeitabschnitten Tab. 148: Relative Häufigkeiten für epistemische Verknüpfungen bei einzelnen Markern in 480 III Zeitabschnitten Tab. 149: Relative Häufigkeiten für sprechaktbezogene Verknüpfungen bei einzelnen Markern in 482 III Zeitabschnitten Tab. 150: Relative Häufigkeiten für ambige Verknüpfungen (propositional/epistemisch) bei 484 einzelnen Markern in III Zeitabschnitten Tab. 151: Relative Häufigkeiten für ambige Verknüpfungen (propositional/sprechaktbezogen) bei einzelnen Markern in III Zeitabschnitten 486 Tab. 152: Syntaktische Realisierung des internen Konnekts der Konsekutivkonnektoren und des externen Konnekts der Kausalkonnektoren in den vier Textgruppen (ohne reine syntaktische Ellipsen) 488

Übersichtenverzeichnis Übersicht 1: Das Zusammenwirken der primären, sekundären und tertiären Analyseparameter 136 Übersicht 2: Primäre Analyseparameter (formal) 139 Übersicht 3: Primäre Analyseparameter (korpusbezogen) 141 Übersicht 4: Sekundäre Analyseparameter 142 Übersicht 5: Tertiäre Analyseparameter 143 Übersicht 6: Primäre Analyseparameter und ihr Einfluss auf sekundäre Analyseparameter 148 Übersicht 7: Primäre und sekundäre Analyseparameter und ihr Einfluss auf tertiäre Analyseparameter 155 Übersicht 8: Kurzschreibweisen 489

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Sprachlandschaftliche Verteilung von da und do 159 181 Abb. 2: Sprachlandschaftliche Verteilung von dieweil 186 Abb. 3: Verknüpfungsebene und Grammatikalisierungsgrad von dieweil 189 Abb. 4: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von dieweil (Verknüpfungsebene) 193 Abb. 5: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von dieweil 201 Abb. 6: Verknüpfungsverhalten von dieweil in den fünf Sprachlandschaften 202 Abb. 7: Verknüpfungsverhalten und Linearisierung der Konnekte von dieweil Abb. 8: Gewichtete Verteilung von Begründungs-dann/denn über fünf Sprachlandschaften 212 213 Abb. 9: Verteilung von Modalpartikel-denn/dann über fünf Sprachlandschaften 227 Abb. 10: Verknüpfungsverhalten von Begründungs-denn in den drei Zeitabschnitten Abb. 11: Verknüpfungsverhalten des Adverbkonnektors denn in den drei Zeitabschnitten 228 Abb. 12: Verknüpfungsverhalten von Begründungs-dann in den drei Zeitabschnitten 229 Abb. 13: Verknüpfungsverhalten des Adverbkonnektors dann in den drei Zeitabschnitten 230 Abb. 14: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von Begründungsdenn 232 Abb. 15: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten des Adverbkonnektors denn 232 Abb. 16: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von Begründungsdann 233 Abb. 17: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten des Adverbkonnektors dann 234 257 Abb. 18: wenn und wann in den fünf Sprachlandschaften 265 Abb. 19: Verknüpfungsarten von subjunktoralem wann/wenn und wenn/wann (HS) 268 Abb. 20: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem wann in den drei Zeitabschnitten 268 Abb. 21: Verknüpfungsarten von (auch) kausalem wenn in den drei Zeitabschnitten 271 Abb. 22: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von wann 271 Abb. 23: Textgruppenspezifische Verteilung der Verknüpfungsarten von wenn 286 Abb. 24: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von ſintemal (Verknüpfungsebene) 286 Abb. 25: Zeitliche Entwicklung des Gebrauchs von da (Verknüpfungsebene) 318 Abb. 26: Verteilung von derhalben und derowegen über die fünf Sprachlandschaften 331 Abb. 27: Die Verknüpfungsarten bei derhalben in den drei Zeitabschnitten 331 Abb. 28: Die Verknüpfungsarten bei derhalben in den drei Zeitabschnitten 333 Abb. 29: Verknüpfungsverhalten von derhalben in den vier Textgruppen 333 Abb. 30: Verknüpfungsverhalten von derowegen in den vier Textgruppen 352 Abb. 31: Verknüpfungsverhalten von darumb in den drei Zeitabschnitten Abb. 32: Verknüpfungsarten der Konnektoren derhalben und derowegen in den drei Zeitabschnitten 354 355 Abb. 33: Verknüpfungsarten bei darumb in den vier Textgruppen Abb. 34: Das Verknüpfungsverhalten von korrelativem und nicht-korrelativem darumb und von darumb das 359

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 35: Verknüpfungsarten der verschiedenen syntaktischen Verwendungsweisen von daher 379 381 Abb. 36: Verknüpfungsarten von daher in den vier Textgruppen 382 Abb. 37: Verknüpfungsarten von daher in den drei Zeitabschnitten Abb. 38: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und Präpositionen im gesamten Untersuchungszeitraum 397 Abb. 39: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und Präpositionen in Zeitabschnitt I (1472–1525) 398 Abb. 40: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und Präpositionen in Zeitabschnitt II (1526–1599) 399 Abb. 41: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und Präpositionen in Zeitabschnitt III (1600–1680) 400 Abb. 42: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und 409 Präpositionen in Textgruppe I (Gespräche) Abb. 43: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und 410 Präpositionen in Textgruppe II (Briefe) Abb. 44: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und 411 Präpositionen in Textgruppe III (Argumentative Texte) Abb. 45: Übersicht über das Verknüpfungsverhalten aller quantitativ erfassten Konnektoren und 412 Präpositionen in Textgruppe IV (Darstellende Texte) Abb. 46: Konnektorenprofile (Verknüpfungsarten diachron), Teil I (da bis Adverbkonnektor-denn) 458 459 Abb. 47: Konnektorenprofile (Verknüpfungsarten diachron), Teil II (dieweil bis zumal) Abb. 48: Konnektorenprofile (Verknüpfungsarten diachron), Teil III (nemlich bis Adverbkonnektor und Subjunktor darumb) 460 Abb. 49: Konnektorenprofile (Verknüpfungsarten diachron), Teil IV (darumb das bis wegen) 461

A Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung „Was iſt be dem FügWort in acht zu nehmen?“, fragt Wolfgang Ratke in seiner um das Jahr 1630 niedergeschriebenen WortschickungsLehr, und seine erste Antwort ist: „Daß etliche Fügwort bißweilen auß keiner noth, ſondern nur allein die Sprüche damit zu zieren vnd zu ergentzen, gebraucht werden“.1 Ratke nimmt den Konnektorengebrauch eher aus rhetorischer Perspektive in den Blick („Sprüche“, „zieren“). Andererseits wären manche „Sprüche“ wohl unvollständig, wenn der Sprecher nicht bestimmte Konnektoren verwenden würde, die die Sprüche „ergentzen“. Bödiker hält Jahrzehnte später fest: „Es mſſen viel ſchne Fg= | arten aus dem Gebrauch erlernet wer= | den. | Man kann es nicht alles mit Regeln fassen.“2 In den Ausführungen der beiden Grammatiker ist eine Frage angedeutet, die in der historischen Grammatikographie und auch in der heutigen Linguistik immer wieder – mehr oder weniger explizit – gestellt wird. Worin bestehen die Notwendigkeiten und Regelhaftigkeiten beim Gebrauch von Konnektoren? Woher rühren beispielsweise die immer wieder diskutierten Unterschiede im Gebrauch der kausalen Konnektoren denn, da und weil?3 Um solche Fragen für das Frühneuhochdeutsche exakter zu formulieren und zu beantworten, wurde ein komplexes Textkorpus erstellt, das die Grundlage der Analysen bildet. Es umfasst frühneuhochdeutsche Texte, die nach den Kriterien Alter, Dialogizitätsgrad und

1 Ratke, Wolfgang: Die WortschickungsLehr der Chriſtlichen Schulen […] zu der Lehrart RatichI. […] Gewonheit verſchwind. Vernunfft vberwind. Warheit find. [Um 1630], Bl. 42r, Manuskript zitiert nach der Edition von Erika Ising: Wolfgang Ratkes Schriften zur Deutschen Grammatik (1612–1630), Berlin 1959, S. 95–268, hier S. 208. 2 Bödiker, Johannes: Grund=Sätze der Deutschen Sprachen Jm Reden und Schreiben / Samt einem ausführlichen Bericht vom rechten Gebrauch Der Vorwörter / Der studierenden Jugend und allen Deutsch=liebenden zum besten vorgestellet […]. Berlin 1709, S. 261 f. In der zwanzig Jahre jüngeren Ausgabe werden grammatische, konversationelle und rhetorische näher erläutert: „Dreierlei muß man in der | Wort=Fügung wohl vor Augen haben: | Die Reinlichkeit / die Deutlichkeit und die | Zierlichkeit. | Das erſte lehrt ein Lexicon und die Grammatik / | oder der Gebrauch. Das andere die Noht / ſonſt | wird man nicht verſtanden / oder ausgelacht. Das dritte die Rhetorik / und die Lehr vom Unterſchied | des ſtili.“ Bödiker, Johannes: Grund=Sätze Der Teutschen Sprache – Meistens mit Ganz andern Anmerkungen und einem völligen Register der Wörter / die in der Teutschen Ubersetzung der Bibel einige Erläuterung erfordern Auch zum Anhange mit einem Entwurff und Muster eines Teutschen Haupt=Wörter=Buchs Verbessert und vermehrt von Joh. Leonh. Frisch. Berlin 1729, S. 310 f. 3 Vgl. zur aktuellen Forschungslage der Semantik und Pragmatik der deutschen Konnektoren Breindl, Eva/Volodina, Anna/Waßner, Ulrich Hermann: Handbuch der deutschen Konnektoren 2 – Semantik der deutschen Satzverknüpfer. 2 Teilbände, Berlin – München – Boston 2014. Dieser zweite Band konnte aus Zeitgründen nicht mehr zur Gänze für die Druckfassung der vorliegenden Arbeit rezipiert werden.  



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A Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung

Sprachlandschaft ausgewählt wurden. Ferner enthält es Übersetzungstexte, die kontrastive Seitenblicke erlauben. Vielleicht ist das, was Ratke, Bödiker und später vor allem die Grammatiker der Aufklärung am Konnektorengebrauch des Frühneuhochdeutschen kritisieren und auf den Verzierungswillen der Sprecher und Schreiber zurückführen, genauso wie das, was an den ‚Fügarten‘ als ‚schön‘ empfunden wurde, pragmatisch motiviert und erklärbar. Semantik und Pragmatik von Konnektoren zu ergründen, ist seit langem Anliegen der germanistischen Linguistik. Die vorliegende Arbeit nimmt die Pragmatik der frühneuhochdeutschen Grund- und Folgekonnektoren in den Blick und erfasst und beschreibt deren Gebrauchsbedingungen sowie Entwicklungen. Damit will sie Grundlagen auch für die Beschreibung der gegenwartsdeutschen Konnektoren schaffen. Um die Dynamik im kausalen Feld abbilden zu können, ist es unabdingbar, sowohl die kausalen (Grundkonnektoren) als auch die konsekutiven Konnektoren (Folgekonnektoren) zu analysieren. Neben den Konnektoren wird mit den beiden Präpositionen wegen und halben eine andere Ausdrucksmöglichkeit für Grund-Folge-Beziehungen analysiert. Vor allem die Verwendung der Pronominalkonnektoren derhalben und derowegen hängt eng mit ihren präpositionalen Quellwörtern zusammen. Darüber hinaus bietet die Analyse der Präpositionen Vergleichsmöglichkeiten innerhalb des kausalen Felds. Die Modalität wird als Teilbereich der Pragmatik herausgegriffen. Im ersten Kapitel ist zu beschreiben, was darunter verstanden wird und wie Modalität erhoben und parametrisiert werden kann. Anschließend daran wird es darum gehen, was Konnektoren sind, wie sie sich definieren, klassifizieren und unterteilen lassen und inwiefern sie am Zustandekommen von Modalität beteiligt sind. Neben den Verknüpfungsdomänen nach Eve Sweetser werden auch Theorien der Diskursrelationen und Subjektivität auf ihre Tauglichkeit für eine diachrone Analyse hin untersucht. Zu den Konnektoren des kausalen Feldes liegt viel Forschungsliteratur vor – bereits aus den Anfängen der Germanistik. Ein methodisches Ziel wird es sein, die alten Ansätze mit neueren zu verbinden, die häufig für diachrone Untersuchungen zu feine und – da für gegenwartssprachliche Analysen entwickelt – zu spezialisierte Instrumentarien entwickelt haben. Es muss geprüft werden, welche Methoden und Parameter aus den neueren Ansätzen für eine diachrone Analyse übernommen werden können. Grammatikalisierungs- und Pragmatisierungstheorien werden nicht nur auf die Entwicklung der Konnektoren selbst und auf die Verschiebungen innerhalb des Felds der Grund- und Folge-Konnektoren bezogen, sondern auch auf die Veränderungen im syntaktischen Umfeld der Konnektoren: die Herausbildung der gegenwartssprachlichen Verbstellung und des Satzrahmens sowie z. B. die Verschiebungen bei den Modalverben. In den Schnittbereich  

A Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung

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der Gebiete Konnektoren, Modalität und Grammatikalisierung zielen die drei zentralen Hypothesen der Arbeit. Erstens: In Analogie zu der von Anne Betten festgestellten ‚schwebenden Struktur‘ in der frühneuhochdeutschen Syntax kann man auf pragmatischer Ebene von einer ‚schwebenden Illokution‘ sprechen. Dabei werden, grob gesprochen, in Anschluss an die Sprechaktforschung zunächst sogenannte Hauptsätze als Träger von Illokutionen angenommen, wohingegen sogenannte Nebensätze keine Illokution im engeren Sinne tragen können. Sätze, die sich irgendwo zwischen Haupt- und Nebensatz befinden, könnten dann eine Illokution der anderen Art tragen. Zweitens: Die für frühneuhochdeutsche Konnektoren typische semantische Ambiguität hat Einfluss auf die Herausbildung modaler Lesarten. Von den leichter erhebbaren syntaktischen und semantischen Besonderheiten der Konnektoren geht der Weg hin zur pragmatischen Analyse.4 Was zu Syntax und Semantik der frühneuhochdeutschen Konnektoren erforscht ist, kann als Ausgangspunkt für weitere Analysen auf diesen Gebieten dienen und Parameter für die Beschreibung der Konnektorenpragmatik liefern. Ältere Szenarien zu den Verschiebungen, Ablöseprozessen und der Herausbildung prototypischer Konnektoren werden auf syntaktisch-semantischem Feld geprüft und auf dem Gebiet der Pragmatik neu erhoben. Dabei ist für die Analyse die Vorstellung leitend, dass das Verknüpfungsverhalten der Konnektoren mit dem Dialogizitätsgrad des jeweiligen Textes, also der Art der Kommunikationssituation, zusammenhängt. Drittens: In dialogischeren Texten sind Verknüpfungen auf epistemischer oder Sprechaktebene häufiger als in weniger dialogischen Texten. Auswertungen alter Grammatiken und Wörterbücher flankieren die Textanalysen und sollen die zeitgenössische Sprachreflexion, normierende Tendenzen und den Einfluss vor allem der klassischen Sprachen vergleichend aufzeigen. Diese Ausführungen sind auf Einlassungen der Grammatiker beschränkt, die für den Untersuchungsgegenstand aussagekräftig sind. Für die Folgekonnektoren ist dies

4 Diesen Weg schlagen auch Habermann und Ziegler (2010), S. 8 und 12 vor, indem sie von der „sprachliche[n] Oberfläche“ ausgehen und dann schrittweise und im Sinne einer „funktionalen Sprachauffassung“ in das Gebiet der Pragmatik vordringen.

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A Ziel, Ausrichtung und Aufbau der Untersuchung

selten der Fall, sie werden von den Grammatikern eher summarisch und schematisch behandelt. Aus diesem Grund findet sich jeweils hierzu kein Unterkapitel bei den Folgekonnektoren. Es handelt sich um eine korpusbasierte, diachron angelegte Untersuchung, innerhalb derer mittels zahlreicher Parameter die pragmatischen Eigenschaften, genauer: die Entwicklung modaler Lesarten der frühneuhochdeutschen Grund- und Folgekonnektoren zwischen 1472 und 1680 quantitativ und qualitativ erforscht werden sollen.

B Theoretische Grundlagen 1 Modalität Mit dem Begriff ‚Modalität‘ wird in der einschlägigen Literatur Vieles und zum Teil Unterschiedliches gefasst. In verschiedenen Konzepten, Modellen oder Theorien schneidet oder deckt er sich mit den Begriffen ‚Sprechereinstellung‘ und ‚Subjektivität‘. Die Metapher vom Irrgarten, die Jongeboer für die Modalität und deren Ausdrucksformen verwendet, erweist sich als noch treffender für die Modalitätsforschung (Jongeboer 1985). Jan Nuyts schreibt: there is no consensus on how to define and characterise it, let alone on how to apply definitions in the empirical analysis of data. And there are no signs that the debates are heading in the direction of a final solution (Nuyts 2010, S. 5).

Eine endgültige Lösung soll auch hier nicht versucht werden, aber es sollen Vorarbeiten hierzu geleistet werden – aufbauend auf zwei Prämissen: Erstens muss Modalität wahrgenommen und beschrieben werden aus ihrer Genese heraus, d. h. diachron. Hierauf weist Bybee bereits 1985, und Nuyts wiederholt ihre Forderung.1 Damit hängt die zweite Prämisse zusammen. Bevor eine umfassende Theorie der Modalität entwickelt werden kann, müssen – auch wieder in diachronen Analysen – die potentiellen Ausdrucksmittel der Modalität untersucht werden, von denen die Konnektoren eine vernachlässigte Gruppe sind (etwa im Vergleich zu den Modalverben). Dabei ist dieses Vorgehen in gewisser Weise zirkulär, weil z. B. die Menge der potentiellen Ausdrucksmittel aus ökonomischen Gründen in teleologischer Perspektive eingeschränkt wird. Es wird aus den diskutierten Modellen auszuwählen sein, was sich auf das Frühneuhochdeutsche übertragen lässt. Das hier verfolgte Anliegen in Bezug auf die Modalitätsforschung ist dann als ein zweigeteiltes zu begreifen. Diachrone Analysen sollen Orientierungspunkte im Irrgarten der gegenwärtigen Modalitätsforschung schaffen. Zugleich könnten die Ergebnisse dabei helfen, von den Konnektoren ausgehend eine Theorie historischer Modalität zu entwickeln. Als Einstieg werden zunächst von den jüngeren Ansätzen in der Modalitätsforschung einige einflussreichere knapp vorgestellt (Dietrich, Palmer, Sweetser). Es wird also der Genotyp Modalität über die Theorien in den Blick genommen, wobei die Theoretiker ihrerseits in der Darstellung sehr schnell zu den Ausdrucksmitteln vorstoßen.  



1 Nuyts (2010), S. 5; Bybee (1985), S. 195 f. Vgl. auch Bybee/Perkins/Pagliuca (1994), S. 176.  

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B Theoretische Grundlagen

Hieran anschließend wird skizziert, wie Konnektoren mit Modalität zusammenhängen. Das wird zu den Fragen führen, was unter Subjektivität verstanden wird, wie man ihr Verhältnis zur Modalität bestimmt (Langacker, Nuyts, Bybee, Traugott, Palmer, Pit, Frohning) und wie sich pragmatische Verwendungsweisen von Konnektoren parametrisieren, erheben und bewerten lassen. Beide Überblicke sind auch insofern beschränkt, als sie wiederum bereits daraufhin befragt werden, ob und gegebenenfalls wie sie sich eignen, modalisierende Funktionen frühneuhochdeutscher Konnektoren zu fassen. Da die Konnektoren aber in Begleitung anderer Ausdrucksformen der Modalität auftreten – Modus, Modalverben, Modalpartikeln etc. –, und es gerade auf deren Kookkurenzen und Kombinationen ankommen wird, müssen für die Untersuchung auch Beschreibungs- und Lesarten der Modalität bzw. Subjektivität berücksichtigt werden, die über die konnektorenspezifischen Anteile hinausreichen. Die theoretischen Arbeiten zur Modalität scheinen (in unterschiedlichem Maße) vorauszusetzen, dass nicht jede Modalitätstheorie die Mechanismen und Besonderheiten aller modalisierenden Ausdrucksmittel erfassen kann, ja dass im Umkehrschluss verschiedene Ausdruckmittel anderer oder zumindest modifizierter Theorien bedürfen. Die meisten Theorien der Modalität behandeln Konnektoren und (syntaktische) Verknüpfungen nur am Rande, gleichzeitig enthalten sie aber alle diesen Aspekt implizit oder explizit. Im ersten, allgemeineren Teil zu den Modalitätstheorien wird es deswegen darum gehen, zu sammeln und aufzuzeigen, wo dort auf Konnektoren Bezug genommen wird und was für die Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren bedeutsam ist. Auch werden innerhalb der allgemeinen Theorien solche Klassifizierungen und Strukturierungen verortet, die konnektorenspezifische Theorien später aufgegriffen haben, zum Beispiel die drei Deutungsebenen einer Verknüpfung (propositional, epistemisch und sprechaktbezogen) nach Eve Sweetser (Sweetser 1990).

1.1 Theorien der Modalität In einer ersten Annäherung kann man mit Angelika Kratzer eine noch recht vage Aussage treffen: „Modality has to do with necessity and possibility.“ (Kratzer 1991, S. 639). Notwendigkeit und Möglichkeit machen auch für Dietrich neben „Irrealität“ und der „eingeschränkten Gewißheit“ den Kernbereich der Modalität aus.2 Nach Dietrich (Dietrich 1992, S. 24) gilt: „Ein Satz ist modalisiert, wenn die Proposition, die er ausdrückt, nicht als faktisch gekennzeichnet ist.“ Diese Aus-

2 Dietrich (1992), S. 37. Vgl. auch Heidolph/Flämig/Motsch (1981), S. 521; Lyons 1977.

1 Modalität

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sage ist auch noch wenig konkret und kann sich deshalb sowohl auf alle Bereiche der Modalität (Notwendigkeit, Möglichkeit, Irrealität, eingeschränkte Gewissheit) als auch auf alle ihre Lesarten3 beziehen. Anhand der postulierten Lesarten oder Domänen der Modalität kann man mit Milan die Forschungsansätze ordnen. In seiner sorgfältigen Darstellung teilt er mehr als 50 Arbeiten zur Modalität in drei Gruppen ein: ein-, zwei- und dreidimensionale Modalitätskonzepte. Seine Anstrengungen müssen hier nicht wiederholt werden, neuere Arbeiten übernehmen diese Einteilung (vgl. etwa Krause 2007, S. 3–8).

1.1.1 Das Modalitätskonzept Rainer Dietrichs Rainer Dietrich orientiert sich an der Standardtheorie auf dem Gebiet der Modalität (vgl. Portner 2009, S. 47), nämlich an derjenigen Angelika Kratzers, ohne dass er sagen könnte, „wie eng oder lose die Orientierung ist“4. Wie Kratzer versucht auch Dietrich, Modalität in seinem Konzept bedeutungsminimalistisch zu beschreiben.5 Zwei Punkte, in denen er sich von Kratzer abhebt, sollen hier beleuchtet werden. Zum einen modifiziert er ihre Theorie, indem er, ausgehend von den Redehintergründen6, fünf sogenannte Basisrelationen beschreibt. Diese versucht er als Instrument zu etablieren, um die Geltung und somit auch die Art der Modalisierung eines Satzes zu ermitteln.7 Die Beziehungen bestehen „zwischen den in Arguments- und Prädikatsteil eines Satzes möglichen Bedeutungseinheiten“, wobei „diese Beziehungen eine ontologische Basis haben“, also auf Außersprachliches verweisen (Dietrich 1992, S. 45 f.). Dietrich bezeichnet die fünf Basisrelatio 

3 Dietrich spricht nicht von Lesarten; für ihn handelt es sich bei epistemischen Interpretationen nicht um „ontologisch begründete, semantische Alternativen“, sondern um „referentielle“ (S. 50 f.). Hierauf wird noch zurückzukommen sein. 4 Dietrich (1992), S. 12, FN 4. Den damals aktuellen Entwurf Kratzers (1991) hat Dietrich wohl nicht zur Kenntnis nehmen können. 5 Kratzer (1991), S. 649, verfolgt insofern einen bedeutungsminimalistischen Ansatz, als sie von einer modalen Kraft (modal force) ausgeht, die der Kernbedeutung eines modalen Ausdrucksmittels entspricht und die erst relativ zu modaler Basis und Ordnungsquelle zu einer situativen Bedeutung gewandelt wird. 6 Lohnstein (2004) S. 145, definiert Kratzers Redehintergründe knapp und verständlich so: „Ein Redehintergrund wird […] als eine Funktion aufgefasst, die jeder möglichen Welt eine Menge von Propositionen zuweist, die in der jeweiligen Welt gelten, also wahr sind.“ 7 Vgl. Dietrich (1992), S. 43 f. Die oben erwähnte Grundunterscheidung innerhalb der Modalität, nämlich die zwischen Möglichkeit und Notwendigkeit, ist den Basisrelationen noch vorgeschaltet. Diese Unterscheidung wird nicht von allen Forschern als grundlegend erachtet. So geht Hundt (2003), S. 355, von der alethischen Modalität als der „Basis aller anderen Modalisierungen“ aus.  



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B Theoretische Grundlagen

nen als „definitorische“, „präferenzielle, auch buleutische“, „akzidentielle, bei Kratzer auch fatalistische“, „konventionelle, auch deontische“ und „dispositionelle“ (Dietrich 1992, S. 47). Diese Basisrelationen werden später noch anhand eines frühneuhochdeutschen Textbelegs illustriert. Entscheidend für die Frage, inwieweit Dietrichs Kategorien in der vorliegenden Arbeit angewendet werden können, ist zunächst eine grundsätzliche Verortung der Basisrelationen. Die Basisrelationen treten gleichermaßen in Notwendigkeits- und in Möglichkeitskontexten auf, also in primären Modalitätsbereichen. Dietrich bezeichnet sie (die Basisrelationen) als „Lesarten“, ohne dass er hier eine epistemische Lesart erwähnt (Dietrich 1992, S. 49). Wie verhält sich nun die Epistemizität zu diesen Lesarten? In der Beantwortung dieser Frage unterscheidet sich Dietrichs Modell von den konventionelleren, die an der Grundunterscheidung epistemisch – deontisch weitgehend festhalten. Er sieht die epistemische Relativierung eben nicht als Lesart neben anderen, sondern als eine Hervorhebung, einen expliziten Hinweis zuerst auf eine Lesart, die ihrerseits auf die Geltung des Sachverhalts weist, und weiter auf deren Notwendigkeits- bzw. Möglichkeitsstatus (vgl. Dietrich 1992, S. 49–51) An diesem Punkt formuliert Dietrich einen Gedanken, der zugleich eine Grundthese der Subjektivitätsforschung darstellt, auf die noch einzugehen sein wird: Aus der Möglichkeit, eine besondere Sicht auf die Bezugswelt zu markieren, ist nicht zu schließen, daß im unmarkierten Fall der Referenzrahmen durch einen menschenunabhängige ‚objektive‘ Bezugswelt gebildet ist. Im unmarkierten Fall ist die Eventualität verschiedener Sichten nur eben nicht thematisiert. Durch epistemische Markierung wird sie zum Thema, und es wird zugleich die aktuell jeweils zugrundegelegte Sicht bezeichnet, z. B. die Sicht des Sprechers (das ist vielfach der Standardfall markierter Sicht) […] (Dietrich 1992, S. 50).  

Diese ungewöhnliche Standortbestimmung von Epistemizität, die auch in der Diskussion subjektivitätstheoretischer Arbeiten eine Rolle spielen wird, muss in die Suche nach passenden Analyseparametern einfließen. Problematisch bei einer Anwendung des Dietrich’schen Modells für eine umfängliche Korpusanalyse historischer Texte ist die feine Untergliederung der Lesarten. Historische Texte entziehen sich durch ihre zeitliche Entfernung und die daraus resultierende Fremdheit in einem höheren Grad einer solchen Untergliederung als gegenwartssprachliche Texte. Diese Aussage mag banal erscheinen, der Festschreibung o n t o l o g i s c h e r Beziehungen jedoch – und eben das sind die fünf Basisrelationen – stehen schlicht hermeneutische Schwierigkeiten entgegen, die im Rahmen dieser korpusbasierten Analyse nicht überwunden werden können. Zwei nicht besonders auffällige Textbelege aus dem Korpus sollen kurz die komplizierte Lage verdeutlichen:

1 Modalität

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a1 Joannes. Wo hero wird diß erwieſen vnnd probiert / das die Juden alſo jhren anfang des jahrs gehabt / vnd die Mo= nat anderſt / dan wir Chriſten / gezellet haben. Jacobus. Erſtlich / aus vorgemelten Biechern Moyſis / als Exodiam 12 Leuitici am 23 Numeri / oder aus dem vierdten Buch Moyſis / am 9 vnnd 21 Capitel / in wel= chem allem vom erſten Monat deß Jahrs / dem Mon= ſchein nach / meldung beſchicht / in welchem die Juden Oſtern halten ſolten vnd muſten. (Hornstein, 1596, Hervorhebung S.G.) Befund: Dass durch eine „einfache geltende Prädikation“ auch mehrere Basisrelationen (nämlich bis zu fünf) instanziiert werden können (vgl. Dietrich 1992, S. 47), führt zu der Frage, wie Art und Zahl der Basisrelation(en) bestimmt werden können. Dietrich geht von Restriktionen aus, denen die Modalverben unterliegen. So sei sollen auf präferenzielle Kontexte festgelegt (vgl. Dietrich 1992, S. 52). Eine solche Deutung ist aber in dem vorliegenden Kontext unmöglich, da eine Wahl des Feiertagstermins (aus jüdischer Perspektive und auch in der argumentatio des Textes) ausgeschlossen ist. Es muss sich also um eine (von Dietrich sogenannte konventionelle oder) deontische Lesart handeln. Weil Dietrich in seinem Theorieteil selbstformulierte Textbeispiele wählt, muss er solche Zweifelsfälle nicht behandeln. Es bleibt damit unbeantwortet, wie man mit Zwillingsformeln (ſolten vnd muſten) in Sätzen umzugehen hat, die nicht mehr als einfache Prädikationen bezeichnet werden können. Sind beide Modalverben deontisch/konventionell und somit zusammen pleonastisch zu lesen, oder werden durch die Kombination zwei verschiedene Basisrelationen instanziiert? Wenn letzteres der Fall ist, muss weiter gefragt werden, ob die Modalverben in der Kombination sich gegenseitig im Hinblick auf Art und Zahl der Basisrelationen restringieren. Wenn ferner Restriktionen der Lesarten „der semantischen Besonderheit“ einzelner Modalverben geschuldet sind (Dietrich 1992, S. 52), dann müssen die semantischen Verschiebungen innerhalb des Modalverbsystems, die in frühneuhochdeutscher Zeit noch nicht abgeschlossen sind (vgl. Bech 1951, S. 26–28), notwendigerweise auch Auswirkungen auf diesem Gebiet zeitigen. Hinzu käme dann noch der Grammatikalisierungsprozess der Modalverben im 15. und frühen 16. Jhd., als die nicht-deiktische (=epistemische) Markierung sich herausbildet und auch noch Futurperiphrasen gebräuchlich sind, an deren Stelle später das werden-Futur

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B Theoretische Grundlagen

tritt.8 Diese Probleme müssen bei der Wahl der Analyseparameter noch bedacht werden. Ontologische Aussagen schließlich lassen sich für historische Texte in einer viel eingeschränkteren Weise entschlüsseln. Das zeigt sich, wenn man versucht, die Paraphrasen der fünf Basisrelationen auf den obigen Textbeleg anzuwenden.9 a2 Zu allem, was gemäß Definition gilt, gehört, dass die Juden… a3 Zu allem, was an allgemeinen empirischen Zusammenhängen gilt, gehört, dass die Juden… a4 Zu allem, was an zufälligen Besonderheiten gilt, gehört, dass die Juden… a5 Zu allem, was an Konvention gilt, gehört, dass die Juden… a6 Zu allem, was an Präferenzen gilt, gehört, dass die Juden… Ob es sich im vorliegenden Beleg um Definition, Konvention, Präferenz oder etwas Viertes (z. B. – aus der Textperspektive: Disposition), vielleicht auch um eine Kombination aus ihnen handelt, kann schon in einem scheinbar recht eindeutigen Fall, dessen Kontext und Bezugswelt einigermaßen konkret rekonstruiert werden kann, nicht gesagt werden. Solche theoretischen Schwächen10 des Ansatzes bereiten bei der Analyse gegenwartssprachlicher Texte weniger Probleme, da sie nur in Randgebieten (entlegene, vielleicht poetische Texte, strukturelle Ambiguitäten) zutage treten. Bei der Analyse historischer Texte dagegen werden sie zu praktischen Schwächen, da diese Texte immer entlegen sind und damit sowohl die Unwissenheit in Bezug auf eine fremde, vergangene Welt zunimmt als auch die Menge der strukturellen Ambiguitäten, die sich aus der spezifischen Syntax des Frühneuhochdeutschen ergibt.11 Dabei muss vorerst noch nicht die Frage beantwortet werden, ob die Ambiguitäten auch von Zeitgenossen als solche wahrgenommen wurden oder ob sie mit anachronistischem Blick heute nicht mehr desambiguiert werden können.  

8 Vgl. Diewald/Habermann (2005), v. a. S. 239 ff. Vgl. ferner Bogner (19962). 9 Vgl. die Paraphrasen bei Dietrich (1992), S. 46. Vgl. Kratzers Paraphrasen zu ihren Redehintergründen in Kratzer (1978), S. 110 f. und Kratzer (1991), S. 639–641. 10 Auf die schwierige Abgrenzung zwischen deontischer und präferenzieller Lesart weist Dietrich (1992), S. 52, Fußnote 46, selbst kurz hin. 11 Diese Problemanzeige gilt in gleicher Weise auch für Kratzers Redehintergründe. Die zugänglichen Welten bei der Analyse schriftlich fixierter Aussagen, besonders bei historischen Texten, sind eben nicht unmittelbar zugänglich.  





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Ein weiterer Textbeleg: a7 Käßkramer. Was wilt du / ſolten wir dieſe Leuth nit lædiren, wie muſte vns beſchehen / wann der Anſtandt ſein End erreicht / lieſſen vnſere Sachen in Hiſpania vns recht ſtabiliren, wir wolten alsdann dieſer Hacken ſchon ein ſtill finden. (Colloqvium 1620, Hervorhebung S.G.) Es sei an Dietrichs eingangs zitierte, vorläufige Definition von Modalität erinnert (Dietrich 1992, S. 24): „Ein Satz ist modalisiert, wenn die Proposition, die er ausdrückt, nicht als faktisch gekennzeichnet ist.“ Diese kurze und damit weite Definition ist auch auf futurische und konditionale Sätze zu beziehen – und Dietrich rechnet sowohl Futur als auch Konditionale noch zum Kernbereich der Modalität.12 In Beleg a7 sind zwei Konditionale enthalten (ſolten wir dieſe Leuth nit lædiren und wann der Anſtandt ſein End erreicht). Der Konnektor wann ist hier konditional oder temporal, nicht aber kausal zu lesen, weil im Konsequenz der Konjunktiv II steht. Damit gilt (Dietrich 1992, S. 83): „Der im Folgesatz (p) ausgedrückte Sachverhalt ist modalisiert, d. h. hinsichtlich seiner Geltung offen. […] Auch der im Bedingungssatz ausgedrückte Sachverhalt sowie der gesamte Hintergrund sind in ihrer Geltung offen.“ Nun können aber alle frühneuhochdeutschen Konnektoren, die hier aufgrund ihrer Funktion als Kausalmarker untersucht werden sollen, weitere Relationen ausdrücken, z. B. temporale, konditionale, konsekutive oder konzessive (wenn/wann/wande, denn/dann, dieweil etc.). Das führt häufig zu Konstruktionen, in denen die Art der Relation nicht sicher bestimmt werden kann – viel häufiger als im Gegenwartsdeutschen, wo prinzipiell auch Ambiguitäten auftreten können. Der modale Charakter der Konditionalität wird für die Untersuchung bedeutsam sein. Problematisch bleibt, wie im konkreten Beleg die Kombination aus (hier auf die Zukunft bezogener) Konditionalität, Konjunktiv und Modalverb zu deuten ist. Wird die präferenzielle Lesart von sollen beeinflusst, gestärkt oder verhindert? Aus dem Kontext wird ersichtlich, dass sich die Modalverben sollen und müssen hier auf Zukünftiges beziehen. Uneindeutige Kontexte würden im Rahmen der Analyse also eine eventuell falsche präteritale Deutung der wohl nicht umgelauteten Form mit Dentalsuffix nahelegen, was sich zwingend auf die Bestimmung der Basisrelation(en) niederschlagen müsste.  



12 Dietrich (1992), S. 90–94 und S. 81–90. Nach Kratzer (1978), 3. Teil und Kratzer (1991), S. 649, beschränken konditionale Relationen die Kombinationsmöglichkeiten Redehintergründe. Solche Restriktionen (etwa bezüglich faktischer oder epistemischer Redehintergründe) berühren auch die Frage, inwieweit in den Konnekten Präsuppositionen ausgedrückt werden (können).

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B Theoretische Grundlagen

Aufschlussreich an Dietrichs Modell ist die Unterteilung in Haupt- und Nebenstruktur, da hieran die Konnektoren in besonderer Weise beteiligt sind. Diese Unterteilung erfolgt in Auseinandersetzung mit dem Qaestio-Modell von Christiane von Stutterheim und Wolfgang Klein (von Stutterheim/Klein 1989, S. 39–76.). Die Hauptstruktur wird durch die chronologische Gliederung des Textes festgelegt (vgl. Dietrich 1992, S. 118–120). Dietrich bildet zur Illustration tabellarisch die „Hauptstrukturäußerungen“ eines Textes ab, wobei in sechs von dreizehn Fällen die Markierung durch das Adverb dann erfolgt. Gerade bei der demonstrierten Transformation einer Nebenstrukturäußerung in eine Hauptstrukturäußerung ist der Konnektor denn betroffen.13 Aus der Instruktion a8 Quäle nie ein Tier im Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz. wird (insgesamt) eine Argumentation: a9 Quäle nie ein Tier im Scherz! Warum? (Denn) es fühlt wie Du den Schmerz. Auf diese Weise können frühneuhochdeutsche Texte aufgrund der oben erwähnten Mehrdeutigkeit der Konnektoren nicht in Haupt- und Nebenstrukturäußerungen gegliedert werden. Damit sollen Dietrichs Gedanken zur Modalität keinesfalls herabgewürdigt werden. Vielmehr muss deren Übertragung auf das Frühneuhochdeutsche so lange als problematisch gelten, bis die potentiellen Ausdrucksmittel der Modalität genau analysiert worden sind. Wenn – wie im Falle von dann/denn – im Frühneuhochdeutschen sowohl die Semantik (temporal/kausal) als auch die Verbstellung (V2/VL) schwanken und mitunter in der Schwebe gehalten sind, so ist auch eine Scheidung von Haupt- und Nebenstrukturäußerungen nicht möglich. Gerade diese Scheidung ist für Dietrichs Modell aber essentiell. Er begreift Modalität als „fokussierte Referenz“, die „zur Gliederung des Textes auf monotone Weise durch konstanten Erhalt einer topikalisierten Bedeutung beiträgt“ (Dietrich 1992, S. 208). Diese Teildefinition der Modalität wird für die vorliegende Untersuchung insofern von Belang sein, als sie sich auf die Gliederung des Textkorpus auswirkt. Dietrich kann seine These, die er anhand von Analysen erzählender, instruierender und beschreibender gegenwartssprachlicher Texte ausdifferenziert, nämlich auch an argumentativen Texten erhärten (vgl. Dietrich 1992, S. 158, S. 181f, 196 f. und S. 209).  

13 Vgl. Dietrich (1992), S. 210; die folgenden Beispiele werden von dort übernommen.

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1.1.2 Dreidimensionale Modalitätskonzepte Nachdem der Ansatz Dietrichs kurz gewürdigt worden ist, sollen jetzt in groben Zügen die Ansätze Palmers, Bybees und Sweetsers dargestellt werden. Sie alle lassen sich mit Milan als dreidimensionale Modalitätskonzepte bezeichnen (vgl. Milan 2001, S. 20). Stark vereinfacht könnte man die drei Gruppen folgendermaßen beschreiben. Zweidimensionale Konzepte unterscheiden im Grunde die epistemische Domäne von der deontischen. Die eindimensionalen Konzepte sind eher als Verkürzung der zweidimensionalen zu verstehen, da sie Modalität mit epistemischer Modalität im Wesentlichen gleichsetzen. Das zeigt sich deutlich an Definitionen einschlägiger Lexika. So wird in Glück (2010) Modalität zunächst verstanden als [s]emant[isch]-pragmat[ische] Beschreibungsperspektive, welche sich i. w. S. auf die Art und Weise der Stellungnahme des Sprechers zur Geltung der durch eine Äußerung ausgedrückten Sachverhaltes in der aktuellen Welt bezieht […] (Glück 20104, S. 433).  



Eine Definition von (Arten der) Modalität im engeren Sinne erfolgt nicht. Solche ein- und zweidimensionalen Konzepte stehen mehr oder weniger explizit im Hintergrund sehr vieler Arbeiten, die das Gebiet der Modalität streifen.14 Dreidimensionale Modalitätskonzepte nun sind diejenigen, die in Analogie zur dreifachen Funktion des sprachlichen Zeichens neben der „Welt der Sachverhalte und Gegenstände“ und der „kongnitiven Welt des Sprechers“ zusätzlich die „interaktionale[…] Welt der Sprecher-Hörer-Gemeinschaft“ berücksichtigen.15 Wie diese dritte Domäne der Modalität gefüllt und genannt wird, ist wiederum unterschiedlich. Palmer, der noch die Grundeinteilung deontisch – epistemisch aufrecht erhält (Palmer 1986, S. 224 f.). und mit der dynamischen eine dritte Domäne hinzufügt16, teilt in seinen jüngeren Arbeiten die Modalität in propositionale und Ereignis-Modalität („Propositional modality“, „Event modality“), erstere dann weiter in epistemische und evidentielle, letztere in deontische und dynamische Modalität (Palmer 2001, S. 8). Mittels epistemischer Modalität drücke der Sprecher seine Beurteilung(en) der Proposition hinsichtlich deren Faktizitätsstatus aus, während er mittels evidentieller Modalität die Evidenz für diesen Faktizitätsstatus indiziere (Palmer 2001, S. 4–10, besonders S. 8 f.).  



a10 Er kann im Garten sein. (epistemisch) 14 Etwa Sandhöfel-Sixel (1988). Vgl. Zur Würdigung Milan (2001), S. 58 ff. Vgl. die kurze Übersicht bei Ormelius Sandblom (1997), S. 102 ff. Vgl. auch Müller-Wetzel (2001), S. 17 f. 15 Milan (2001), S. 89, vgl. Krause (2007), S. 8. 16 Vgl. Palmer (1986), z. B. S. 16 und 19, vgl. aber auch schon Palmer (1979).  







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B Theoretische Grundlagen

a11

Er soll (angeblich) im Garten sein. (evidentiell)

Auf die Rolle der Evidenz bei der Erhebung und Klassifizierung von Modalität und Subjektivität wird in der Forschung häufiger verwiesen; bereits hier ist aber kritisch anzumerken, dass das Verhältnis zwischen Evidenz und Faktizitätsstatus zweifellos vermittelt ist durch Vermutung und Inferenz, was durchaus wieder unter einen weiteren Begriff von epistemischer Modalität fallen würde.17 Die Unterscheidung von dynamischer und deontischer Modalität dürfte hingegen weniger strittig sein. Unter deontisch versteht Palmer die (aus der Perspektive des Subjekts) externen Bedingungen wie Verbot oder Erlaubnis, unter dynamisch das Vermögen oder das Wollen des Subjekts (Palmer 2001, S. 9 f.), weshalb er auch in seinen älteren Arbeiten schon von ‚subject-oriented‘ (Palmer 1986, S. 103) spricht.  

a12

Du kannst die Schuhe anlassen. (deontisch)

a13

Er kann jetzt schon selbst seine Schuhe binden. (dynamisch)

Wie alle Domänen und Subdomänen der Modalität lassen sich auch diese an den Modalverben am anschaulichsten vorführen. Inwieweit die Volitionalität, die sich in Palmers dynamischer Modalität wiederfindet, bei der Beschreibung modalisierender Konnektoren angemessen erfasst werden kann, soll später für den Bereich der Subjektivität erörtert werden. Palmer hat sein Modell der Modalität umstrukturiert. Die anfängliche Dreiteilung hat er nicht beibehalten, dennoch sind auch in den beiden Hauptzweigen seines Modells, der propositionalen und der Ereignis-Modalität, die drei Dimensionen enthalten, wenngleich sie ihm nicht mehr als Gliederungskriterien dienen. An dieser Stelle ist ein Hinweis zu dem Begriff der propositionalen Modalität angebracht, denn er wird unterschiedlich verwendet. Palmers Gebrauch deckt sich nicht mit dem in der deutschsprachigen Forschung verbreiteteren, wie er z. B. bei Lang (1983) begegnet. Was Palmer der evidentiellen und damit der propositionalen Modalität zuschlägt, bezeichnet Lang als nicht-propositionale Spre 

17 Vgl. zu Evidentialität und epistemischer Modalität Nuyts (2010), S. 11. In Palmer (1986) ist die Evidentialität im Rahmen der epistemischen Modalität behandelt. Vgl. zur Erhebung speziell Kapitel B. 2.2.3.

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chereinstellung (z. B. Sie soll (angeblich) im Garten sein). Oft gelten die Begriffe Sprechereinstellung und propositionale Einstellung als synonym.18 Begrifflich soll hier, Lang (1983, S. 339) und der Mehrheit folgend, unterschieden werden zwischen „propositional und nicht-propositional repräsentierten Einstellungsausdrücken“, wobei davon ausgegangen wird, dass „ein kompletter, vollständiger Satz stets auch eine sprachlich indizierte ‚Fassung‘ für den ausgedrückten Gedanken, also eine Art Einstellungsrahmen [repräsentiert], in dem die Proposition figuriert“ (Lang 1983, S. 312). Für die Konnektorenanalyse und für die Bestimmung der Analyseparameter sind zwei Aspekte relevant. Bei den Konnektoren ist es die Unterscheidung von propositionalen und nicht-propositionalen Konnektoren (vgl. Pasch et al. 2003, S. 135). Wie lassen sich frühneuhochdeutsche Modalpartikeln hier einordnen, wenn sie noch nicht denselben Grammatikalisierungsgrad wie ihre gegenwartssprachlichen Entsprechungen erreicht haben? Oder ist bei subordinierendem Begründungs-denn in gleicher Weise von einem nicht-propositionalen Konnektor zu sprechen? Bei der Festlegung und Klassifikation der Analyseparameter wird die Frage sein, wie sich propositionale Anteile von nichtpropositionalen Anteilen scheiden lassen.19 Dass es hier nicht nur in diachronen Analysen zu Problemen kommt, zeigt ein Blick auf Ferenc Kiefers Versuch, die kursierenden Modalitätsbeschreibungen zu systematisieren, indem drei Typen der Modalität angesetzt werden:20  

Typ 1: Modalität als Ausdruck von Möglichkeit oder Notwendigkeit Typ 2: Modalität als Bedeutung von propositionalen Einstellungen Typ 3: Modalität als Ausdrücke der Sprechereinstellung Mit der Mögliche-Welten-Semantik (vgl. Typ 1) lassen sich Ausdrucksmittel der propositionalen Modalität, also etwa Verben der propositionalen Einstellung oder Modaladverbien, nicht behandeln. Im Rahmen einer Modalitätstheorie vom Typ 2 lassen sich solche Ausdruckmittel der propositionalen Modalität beschreiben, nicht aber beispielsweise die verschiedenen Lesarten der Modalverben. Subjektiv-epistemisch verwendete Modalverben müssten wie Modalpartikeln als Ausdrücke der Sprechereinstellung, der dritten Art von Modalität, interpretiert wer-

18 Vgl. von Polenz (19882), S. 212 ff.; Glück (2010), S. 662. Dagegen Kiefer (1987), S. 84.: “Propositional attitudes express attitudes toward propositions. Non-propositional attitudinal expressions always express the speaker’s attitudes. Propositional attitudes, on the other hand, are attitudes of the person referred to by the subject of the main clause.“ 19 Vgl. hierzu die Tests bei Waßner (1994). 20 Vgl. Kiefer (1987). Die Darstellung und Übersetzung aus dem Englischen folgt in diesem Absatz Meibauer (1994), S. 12 f.  



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den. Allerdings werden mit dem Modell Kratzers, das zum Typ 1 zu rechnen ist, sehr wohl auch solche Verwendungsweisen der Modalverben erklärt. Wenngleich die Grenzen zwischen den drei Typen nicht scharf zu ziehen sind, bestimmen die Einstellungsoperatoren, die von den Ausdruckmitteln repräsentiert werden, die Modalität eines Satzes.21 Die Mechanismen, durch die eine Modalisierung erfolgt, müssen für die einzelnen Ausdrucksmittel, z. B. für die Modalpartikel denn, gesondert untersucht werden. Joan Bybee hat das einflussreiche Modell Palmers (1986) modifiziert, indem sie die Gleichsetzung von syntaktischem Subjekt und Sprecher bei Palmer aufhebt, auf Palmers Bezeichnung ‚subject-oriented modality‘ verzichtet und ‚speaker-oriented modality‘ benutzt.22 Es zeigen sich auch deutliche Anleihen bei Sweetser (1990). Jackie Nordström sieht die beiden Ansätze (Bybee und Sweetser) im Hinblick auf die Teilung der Modalität in drei Domänen als identisch an, weil sie Bybees ‚speaker-oriented modality‘ mit Sweetsers ‚speech-act modality‘ gleichsetzt, was die recht vage Definition Bybees auch zulässt.23 In einer Zusammenschau der Dreiteilung Bybees mit der Sweetsers entspräche dann der ‚agentoriented modality‘ Bybees die ‚content modality‘ (auch ‚root modality‘) bei Sweetser, bei der epistemischen Modalität decken sich die Modelle begrifflich. Anhand einer Analyse von Sprechaktverben demonstriert Sweetser (1990, S. 71) die Notwendigkeit einer dritten Domäne: „[…M]odality applies not only to the content and epistemic domains but also to the conversational interaction itself […].“ Sweetser hat ihr Modell selbst auf syntaktische Verknüpfungen (sie verwendet hierfür den Begriff ‚conjunction‘) bzw. Konnektoren übertragen.24 Auch in Palmers neuerer Zweiteilung sind, wie gesagt, die drei Domänen noch erkennbar, die ‚speech-act modality‘ ist innerhalb der ‚event modality‘ verortet (vgl. Palmer 2001, S. 70 ff.).  



21 Vgl. Kiefer (1987), S. 77 und das Zitat bei Meibauer (1994), S. 13. 22 Vgl. z. B. Bybee/Perkins/Pagliuca (1994), besonders S. 210 ff. Palmer (20012), S. 85, gibt jedoch zu bedenken, dass Bybees neue Dichotomie an manchen Stellen unklar bleibt, etwa wenn es darum geht, ‚permission‘ (agent-oriented) von ‚permissive‘ (speaker-oriented) präzise zu trennen. M. E. bietet hier jedoch die Perspektive ein hinreichendes Unterscheidungskriterium. Vgl. zu Palmers Verwendung des Begriffs ‚speaker-orientation‘ Palmer (1986), S. 76 f. 23 Nordström (2010), S. 17. Vgl. hierzu nochmals Palmers (20012) Replik, S. 84 f. 24 Vgl. zu einer eingehenderen Behandlung und Illustration mit Textbeispielen Kapitel B. 2.2.1.  









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1.2 Illokution und Modalität 1.2.1 Illoktion im Modalitätskonzept Eve Sweetsers Wie und warum verortet Sweetser Sprechakte innerhalb der Modalität? Als Beispiel für speech-act modality gibt sie folgenden Satz (Sweetser 1990, S. 70): a14 He may be a university professor, but he sure is a dumb. Hier scheint zum einen die Faktizität durch das Modalverb may als eingeschränkt markiert zu sein, zum anderen folgt der concessio eine weitere Einschränkung in Form eines Adversativsatzes. Aber ist es hier zutreffend, von eingeschränkter Faktizität zu sprechen? Es ist ja vielmehr so, dass die Gültigkeit der Aussage selbst nicht berührt wird, was bei einer epistemischen Verwendung von may der Fall wäre. Sweetser (1990, S: 71) interpretiert diesen ersten Teil analog zu einem Sprechakt wie Ich räume ein, dass er ein Universitätsprofessor ist. Sie begründet ihre oben zitierte These von speech-act modality in Bezug auf das Textbeispiel folgendermaßen: „may does not indicate the absence of a real (content)-world barrier, nor of an epistemic barrier, but rather the absence of a barrier in the conversational world“.25 In ihren Ausführungen erwähnt Sweetser hier keine weiteren denkbaren Lesarten, die möglicherweise eher auf propositionaler oder einer anderen Ebene liegen: Es ist ihm erlaubt (worden), ein Universitätsprofessor zu sein/werden, aber er ist ein Trottel oder Er darf Universitätsprofessor sein/werden, aber… oder Er darf den Titel führen, aber er ist ein Trottel. Diese anderen Interpretationsmöglichkeiten hängen mit den Eigenschaften des Konnekors but bzw. aber zusammen.26 Auch in allen anderen Textbeispielen, die Sweetser hier bietet, um die Domäne speech-act modality zu rechtfertigen und zu etablieren, spielen Konnektoren bzw. semantische Verhältnisse wie das der Konditionalität eine entscheidende Rolle.27 Nachdem Sweetsers Deutungen überprüft worden sind, kann zunächst festgehalten werden, dass ihre Beispiele für speech-act modality das für Modalität grundlegende Kriterium der eingeschränkten Faktizität nicht uneingeschränkt

25 Ebd., Hervorhebungen im Original. 26 Ewald Lang (2000), S. 242–252, zieht die adversativen Konnektoren but und aber heran, um Sweetsers Domänen-Modell zu prüfen und modifizieren. 27 Vgl. z. B. Sweetser (1990), S. 71: „Mondale advisor giving directions to speech writer: Reagan will/must be a nice guy (as far as the content of the speech is concerned), even if we criticize him.“ (Kursivierung S.G.). Auch deutsche Konnektoren(kombinationen) wären hier vergleichbar: wenngleich/wenn…gleich, obwohl/ob…wol, wenn…auch etc. Vgl. ferner Kapitel 2.2.1.  

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B Theoretische Grundlagen

erfüllen. Gleichwohl ist der Sprecher in besonderer Weise beteiligt28 und scheint die dritte Domäne tatsächlich eine Art dritter Dimension neben der propositionalen und der epistemischen Ebene darzustellen. Das mag die Dreiteilung rechtfertigen. Zumindest auf die Unstimmigkeiten zwischen den Konzepten Kratzers und Dietrichs einerseits und dem weiteren Modalitätsbegriff Sweetsers andererseits sei an dieser Stelle hingewiesen.

1.2.2 Illokution und Satzmodus Mehr Klarheit auch zu dem Verhältnis von Illokution und Modalität wird die Erkundung eines weiteren theoretischen Problemfeldes bringen, nämlich der Frage, wie Satzmodus und Illokutionsart zusammenhängen. Der Weg, der hier zur vorläufigen Klärung eingeschlagen wird, sei zuerst kurz skizziert, bevor Definitionen der dabei verwendeten Begriffe in der ausführlicheren Darstellung vorgenommen werden: Ausgangsbeobachtung ist, dass Satzmodus und Illokution(styp), also kommunikative Funktion, auf irgendeine Weise zusammenhängen.29 Die kommunikative Funktion einer Äußerung hängt mit deren epistemischem Modus zusammen. Der epistemische Modus ist seinerseits Basis des Satzmodus. Mithin ist das Verhältnis von Satzmodus und kommunikativer Funktion ein indirektes.30 Der ausführliche Gedankengang verläuft so: Es ist innerhalb der Sprechakttheorie unumstritten, dass durch jede Äußerung (zumindest eines vollständigen Satzes) auch eine Illokution erfolgt.31 Ebenso ist communis opinio, dass jedem (vollständigen) geäußerten Satz auch ein Satzmodus32 zukommt. Schon aus 28 In welcher Weise, wird sich weiter unten zeigen, wenn das Verhältnis von epistemischem Modus zu kommunikativer Funktion geklärt wird. 29 Der Begriff ‚kommunikative Funktion‘ wird wie bei Pasch et al. (2003), S. 185, benutzt, nämlich synonym zu Austins ‚illocutionary force‘ oder der ‚illokutiven Funktion‘ bei Motsch und Pasch. Austin (1962), etwa S. 148. Motsch/Pasch (1987), S. 60 ff. 30 Später entwickelt Motsch ein Erklärungsmodell, mit dem er sich von seinen früheren Gedanken (Motsch/Pasch 1987) absetzt und Illokutionen als rein kommunikationstheoretisch begründet ansieht. Er untersucht sie analog zu konversationellen Implikaturen. „Illokutionen werden aufgrund von K[=kommunikativen]-Intentionen determiniert, nicht von sprachlichen Kategorien (wie Satzmodus).“ Motsch (1995), S. 143. 31 Vgl. Liedtke (1998), S. 18 f. Vgl. ferner Motsch (1995), S. 160: „ Eine Illokution muss mindestens einen selbständig äußerbaren grammatisch und satzsemantisch strukturierten sprachlichen Ausdruck enthalten.“ Wenn er betont, dass „nicht jede selbständig äußerbare sprachliche Einheit [….] als Träger einer K[=kommunikativen]-Intention in Frage“ kommt, so meint er damit z. B. „Interjektionen und bestimmte Signale“ (S. 159). 32 Vgl. Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992), S. 2. Ferner Lohnstein (2000), S. 154 ff. Der Begriff Satzmodus wird weiter unten noch klarer umrissen werden.  







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diesen trivialen Erkenntnissen heraus muss geklärt werden, ob hier Zusammenhänge bestehen. Zum einen korrelieren gewisse Realisierungsarten von Sprechakten mit den Ausdrucksmitteln der Modalität. Die geläufigste Form eines Direktivums (Illokutionstyp) etwa ist ein Imperativsatz (Satzmodus). Ein Imperativsatz wird normalerweise durch eine imperativische Verbform ausgedrückt, als Modus verbi zählt der Imperativ wiederum eindeutig zu den zentralen Ausdrucksformen der Modalität. Die Einstellung des Sprechers zu dem Geäußerten hängt entsprechend auch mit der Wirkung zusammen, die der Sprecher erzielen will. Dieser Zusammenhang ist ein direkterer im Normalfall, nämlich dann, wenn ein Direktivum durch einen Imperativsatz ausgedrückt wird, der eine imperativische Verbform enthält. Aber auch bei anderen Satzmodi besteht der Zusammenhang, nur unter Umständen weniger direkt. Dietrich verweist auf eine Möglichkeit, die kommunikative Funktion einer Frage, also des Satzmodus Interrogativität, zu bestimmen. Nach diesem Vorschlag besteht sie darin, dass „der Sprecher Lücken oder konkurrierende Geltungsalternativen in seiner Kenntnis anzeigt, die in seiner beim Hörer vermuteten Kenntnis nicht vorhanden sind“ (Dietrich 1992, S. 32). Hier handelt es sich um eine sehr rigide Bestimmung der kommunikativen Funktion. Pasch et al. bestimmen nicht die kommunikative Funktion, sondern den epistemischen Modus von Interrogativität in ähnlicher Weise. Sie verstehen unter Interrogativität eines Ausdrucks a, dass der Wert (d. h. das Denotat) von a, den (bzw. das) a in der Welt hat, auf die sich die Verwendung von a bezieht, als für jemanden unbekannt und als klärungsbedürftig hingestellt wird (Pasch et al. 2003, S. 207).  

Die kommunikative Funktion wäre dann als Absichtsbekundung des Sprechers zu begreifen, die Lücke schließen oder die zutreffende Alternative erkennen zu wollen. Sogar eine noch weitere Bestimmung wäre möglich: Der Sprecher fordert mittels der Frage – durchaus analog zum Direktivum – den Gesprächspartner auf, aus seiner (des Gesprächspartners) Kenntnis die Lücke zu schließen.33 Dass die kommunikative Funktion so unterschiedlich weit gefasst wird, sich in manchen Beschreibungen sogar mit dem epistemischen Modus deckt, zeigt, wie eng beide zusammenhängen. Im Handbuch der deutschen Konnektoren wird das Verhältnis so bestimmt:

33 Vgl. Searle (1979), S. 110: „So ist Fragen in der Tat ein Spezialfall des Aufforderns, nämlich der Aufforderung zu einer Information […].“ Dennoch setzt Searle die Frage als eigenen Illokutionstyp an, vgl. ebd., S. 102 f. Im Original ist diese Verwandtschaft auch durch die etymologische Nähe der Begriffe ausgedrückt: „request“ und „question“. Searle (1980/1969), S. 69.  

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Die Intention des Sprechers/Schreibers bezüglich des Adressatenverhaltens gegenüber dem propositionalen Gehalt eines geäußerten Ausdrucks, die Äußerungen dieses Ausdrucks in einer konkreten Kommunikationssituation zugeschrieben werden kann, nennen wir die „kommunikative Funktion“ der betreffenden Ausdrucksäußerungen. […] Die kommunikative Funktion einer Ausdrucksäußerung darf nicht mit deren epistemischem Modus verwechselt werden. Dieser ist eine Bewertung einer Proposition durch den Urheber der Ausdrucksäußerung, die unabhängig von der Rolle definiert ist, die dieser dem Äußerungsadressaten bezüglich dessen Verhalten gegenüber der ausgedrückten Proposition beimisst. Allerdings besteht nach unserer Auffassung durchaus ein enger Zusammenhang zwischen epistemischem Modus und kommunikativer Funktion. Wir nehmen an, dass eine kommunikative Funktion höchstens Äußerungen solcher Ausdrücke zukommt, für die ein epistemischer Modus zu interpretieren ist, der die bei der Äußerung aktuelle Einstellung des Sprechers/ Schreibers zum propositionalen Gehalt des jeweiligen Ausdrucks darstellt.34

Ähnliche Überlegungen wie zur Frage lassen sich auch zum Verhältnis von Satzmodus ‚Assertion(ssatz)‘35/Deklarativsatz36 und den Illokutionstypen Assertivum37 und Deklarativum anstellen, und sie sind schon vielfach angestellt worden.38 Bereits die Benennungen weisen auf eine Überlappung hin. Die gewöhnliche kommunikative Funktion eines Assertions- bzw. Deklarativsatzes ist die assertive Illokution, a15

Heinrich hat rote Haare.

Er kann aber eben auch (neben weiteren) eine deklarative Illokution (oder eine Perlokution) transportieren bzw. sein: a16 Ich bin schuldig. a17 Ich erkläre mich für schuldig. Wenn der Sprecher einen Deklarativsatz wie a15 äußert, dann zeigt er, dass er etwas weiß, von dem er im Normalfall erstens annimmt, dass es der Hörer nicht

34 Pasch et al. (2003), S. 185 f., auf die Hervorhebungen durch Fettdruck im Original wurde hier verzichtet. 35 Hentschel/Weydt (19942), S. 368–370, z. B. bezeichnen den Aussage- oder Deklarativsatz als „Assertionssatz“. 36 Pasch et al. (2003), S. 212 ff., nennen diesen Modus Deklarativsatz oder Deklarativausdruck; Zifonun et al. (1997), Bd. 1, S. 630 ff., verwenden den Begriff „Aussage-Modus“. 37 Vgl. zu den Bezeichnungen der Illokutionstypen Searle (1982), S. 17–50. Ferner Vanderweken (2009), S. 151–165. 38 Die folgenden Ausführungen sind nicht originell, sondern trivial, weshalb Verweise auf entsprechende Forschungsliteratur entbehrlich sind.  







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weiß und zweitens, dass es relevant und bedeutsam, zudem glaubwürdig ist.39 Ob der Sprecher tatsächlich etwas für glaubwürdig hält, muss freilich dahingestellt bleiben. Entscheidend und alleinig überprüfbar ist, ob der Sprecher seine Äußerung so markiert. Der Sprecher signalisiert – z. B. mit dem Indikativ, eventuell noch durch weitere modalisierende Ausdrücke –, dass er das Denotat seiner Aussage als wahr (unter Umständen als relevant, bedeutsam etc.) bewertet und/ oder bewertet wissen will.40 Man könnte sogar in Form eines Imperativsatzes paraphrasieren (Glaube mir, dass…). Ähnlich wie bei der Aussage verhält es sich bei Aufforderung und Frage. Für die Frage und Aussage etwa ließe sich eine Skala der wachsenden Hörerbeteiligung erstellen:  

Tab. 1: Wachsende Hörerbeteiligung: Satzmodus, epistemischer Modus, kommunikative Funktion. Frage

Sprecher weiß nicht

Sprecher will wissen

Sprecher will, dass Hörer Wissenslücke schließt

Aussage

Sprecher glaubt an x/ hält x für relevant und glaubwürdig/fraglich etc. (bzw. markiert es so)

Sprecher vermutet, dass Hörer x nicht weiß, x für ihn relevant ist, x für glaubwürdig/unglaubwürdig hält etc.

Sprecher will, dass Hörer x als unglaubwürdig/glaubwürdig relevant, wahr, fraglich….erachtet

Wie genau die Punkte auf der Skala formuliert werden, ist hier nicht entscheidend. Bedeutsam ist, dass die Paraphrasen für die jeweils transportierte Illokution, also die letzten Paraphrasen, eines erkennen lassen: Die Faktizität ist zum Zeitpunkt der Äußerung in unterschiedlicher Weise offengehalten. Beim Interrogativum besteht die Wissenslücke des Sprechers noch, beim Direktivum hat der Hörer das Verlangte noch nicht getan, beim Repräsentativum ist die (ideelle) Handlung des Glaubens, Für-wahr-Haltens, Zweifelns etc. noch nicht vollzogen. Es handelt sich also nicht mehr um die Faktizität der Proposition (die ja in

39 Ähnliches stellt auch Dietrich (1992), S. 32, fest, wenn er die kommunikative Funktion des Aussagens als komplementär zu der des Fragens auffasst. Zusätzliche Modalisierungen von Deklarativsätzen (etwa durch Adverbien wie sicher) sollen im Moment noch unberücksichtigt bleiben. 40 Solche ganz gewöhnlichen Inferenzen werden auch bei den Textbeispielen und deren Ausdeutungen vorausgesetzt.

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B Theoretische Grundlagen

Fragen und Aufforderungen ohnehin schon offen ist), sondern um die Frage, ob die Handlung schon faktisch, also zur Perlokution geworden ist. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist sie es jedenfalls nicht. Auch in diesem Sinne gehören Illokutionen dem Bereich der Modalität an – ihr Faktizitätswert muss als offen gelten.

1.2.3 Satzmodus und epistemischer Modus Das Verhältnis von Satzmodus und kommunikativer Funktion konnte bislang nicht exakt bestimmt werden. D a s s sie zusammenhängen, dürfte kaum strittig sein. „Das Problem besteht eher darin zu klären, w i e sie zusammenhängen […].“41 Bis jetzt wurde der Begriff ‚Satzmodus‘ in der Darstellung eher intuitiv bestimmt bzw. vorausgesetzt. Altmann liefert eine Definition, die auch jetzt noch als grundlegend und „empirisch […] sehr fundiert[…]“42 bewertet wird: Satzmodus als der grundlegende Begriff soll […] die regelmäßige Zuordnung eines Satztyps […] mit angebbaren formalen Eigenschaften zu einer bestimmten Art von Funktion […] im sprachlichen Handeln […] bezeichnen. Satzmodus bezeichnet also ein komplexes sprachliches Zeichen mit einem Form- und einem Funktionsaspekt.43

Dabei geht Altmann davon aus, dass „einem bestimmten Formtyp im Satzmodussystem ein Funktionstyp regelmäßig zugeordnet ist“, was dann – sprechakttheoretisch gesprochen – ein direkter Sprechakt wäre, wohingegen ein indirekter Sprechakt vorliege, sobald das Verhältnis zwischen Form- und Funktionstyp über eine konversationelle Implikatur bestimmt ist, wenn also mit anderen Worten die regelmäßige Zuordnung durchbrochen ist.44 Das ist z. B. der Fall bei einer rhetorischen Frage, die formal als Entscheidungsfragesatz, funktional-sprechakttheoretisch aber als (indirektes) Assertivum zu klassifizieren ist. Altmann verortet auf der Funktionsseite sowohl den „Ausdruck propositionaler Einstellungen“ als auch die „Ausführung sprachlicher Handlungen“.45  

41 Dietrich (1992), S. 30, Hervorhebung S. G. 42 Lohnstein (2000) S. 21. Zu weiteren hier nicht diskutierten Ansätzen zum Satzmodus vgl. den Forschungsüberblick bei Lohnstein, S. 11–28. Vor allem die Hypothese von Brandt et al. (1989; 1992, S. 34 f.), dass „Satzmodus eine einstellungsfreie Referenzspezifizierung für Sätze ist“, wird im hier gesteckten Rahmen nicht berücksichtigt. 43 Altmann (1987), S. 22. Vgl. auch die Darstellung bei Liedtke (1998), S. 246–250. 44 Altmann (1987), S. 23; Vgl. auch S. 24: Altmann spricht hier von ‚gerader‘ und ‚ungerader‘ Interpretation und weist selbst auf die Äquivalenz zu direkten und indirekten Sprechakten hin. 45 Altmann (1993), S. 1007, bezieht sich hier auf Lang (1983).  

1 Modalität

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Zifonun et al. verwenden für ‚Satzmodus‘ den Begriff des KM-Modus (d. i. Modus der kommunikativen Minimaleinheit). Hierunter verstehen sie, ähnlich wie Altmann,  

ein Paar, bestehend aus einem Formtyp und einem Funktionstyp. Mit KM eines bestimmten Formtyps können Sprecher in Äußerungssituationen oder Verwendungskontexten Sprechhandlungen des illokutiven Typs oder der illokutiven Typen vollziehen, die dem Funktionstyp der KM entsprechen (Zifonun et al. 1997, Bd. I, S. 608).

Dabei betonen die Autoren gerade die „Eigenständigkeit des KM-Modus [=Satzmodus] gegenüber pragmatischen Konzepten wie ‚Illokution‘ oder ‚kommunikativer Sinn‘“ (Zifonun et al. 1997, Bd. I, S. 607). Pasch et al. (2003) lehnen sich an den Satzmodusbegriff von Altmann (1987, 1991) und dessen Weiterentwicklung in Zifonun et al. (1997) an. Eine Modifikation besteht darin, dass sie zwischen epistemischem Modus auf der inhaltlichen Seite des sprachlichen Zeichens und formalen Charakteristika auf der Ausdrucksseite unterscheiden, die zusammen den Satzmodus konstituieren.46 Die Herausstellung des epistemischen Modus wird notwendig, weil manche Konnektoren im Hinblick auf diesen beschränkt sind (vgl. Pasch et al. 2003, S. 202 f.).  

Satzmodi sind Typen von Ausdrücken auf der Grundlage von deren epistemischen Modi, aber […] nicht reduzierbar auf diese. Die Satzmodi konstituieren sich nach weiteren inhaltlichen, aber auch formalen Merkmalen der Ausdrücke, die nach ihnen klassifiziert werden (Pasch et al. 2003, S. 211 f.).  

Damit wird die Verhältnisbestimmung von Satzmodus und kommunikativer Funktion über den epistemischen Modus präzisiert. In der folgenden Tabelle werden die epistemischen Modi und die Satzmodi synoptisch dargestellt und mit Beispielen versehen.47 Das soll aber nicht jene Reduktion der Satzmodi auf die epistemischen Modi bedeuten; die Verkürzung erfolgt allein der Übersichtlichkeit halber.

46 Vgl. Pasch et al. (2003), S. 206 und 211 f. Eine ähnliche Unterscheidung wird bereits vorgeschlagen in Motsch/Pasch (1987), S. 60 ff. Die Autoren sprechen von ‚Satzmodus‘, ‚illokutiver Funktion‘ und ‚kommunikativem Sinn‘. 47 Für die Übersicht sind Untergliederung und Bezeichnungen aus Pasch et al. (2003), S. 206– 225, bes. S. 206 f. und S. 212 entnommen.  





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B Theoretische Grundlagen

Tab. 2: Epistemische Modi und Satzmodi. Epistemische Modi

Satzmodi

Interrogativität

Interrogativausdrücke

Entscheidungsfrage

Beispiele

Entscheidungsfrageausdrücke Ist sie schon da? Die Fernleihe? Assertionsfragesatz

Sie soll heute kommen?

Offenheit der Frage

Deliberative Frageausdrücke

Ob sie morgen da ist? Warum sie wohl ausbleibt?

Ergänzungsfrage

Ergänzungsfrageausdrücke

Wen meinst du? Wo?

Versicherungsfragesätze

Sie hätte wann da sein sollen?

Wunsch Aufforderung

Optativität

Wunschausdrücke Aufforderungsausdrücke Imperativsätze

Geh!

nichtsententiale Aufforderungsausdrücke

Karten auf den Tisch! Auf!

Heischesätze

Man vergesse die Arbeit nicht!

Optativausdrücke

Wäre sie doch schon da! Wenn ihr bloß nichts passiert ist!

Exklamativität

Exklamativausdrücke

Das ist mir vielleicht eine!

Deklarativität

Deklarativausdrücke

Konstativität

Konstativausdrücke

Sie verspätet sich meistens.

modalisierte Deklarativität

modalisierte Deklarativausdrücke

Vielleicht kommt sie noch. Wahrscheinlich nicht.

Der Darstellung bei Zifonun et al. (1997) folgend, wäre eine ähnliche Gegenüberstellung von Illokutionstypen (vgl. deren Kap. C1) und Satzmodi (vgl. Kap. D2) möglich. Das würde auch der anfangs erwähnten und verbreiteten Ansicht entsprechen, derzufolge Satzmodi und Illokutionstypen zusammenhängen. Als zentrale Satzmodi stünden Aussage, Frage und Aufforderung den Illokutionstypen Assertivum, Interrogativum (Zifonun et al. sprechen von ‚Quaestiv‘) und Direktivum gegenüber.48 Auch für die peripheren Modi Optativität (bestehend aus dem

48 Die Teilung in zentrale und periphere Modi wird bei Zifonun et al. (1997), Kapitel D. 2, vorgenommen.

1 Modalität

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Heische-Modus und dem Wunsch-Modus) sowie Exklamativität ließen sich Entsprechungen finden, allerdings sind die betreffenden Vorschläge in der Literatur recht unterschiedlich, da es hier in höherem Grade um den schwer fassbaren „Ausdruck von Empfindungen“ geht.49 Joachim Jacobs (1984, S. 38) operiert mit einem „optativen Illokutionstyp“, der „tendenziell nicht adressatenorientiert“ ist, unter den Searle’schen Typen findet sich das recht vage bestimmte und heterogen gefüllte Expressivum (Searle 1980, S. 95). Motsch und Pasch (1987, S. 45) bemerken hierzu: „Ein wichtiges Bindeglied zwischen der grammatisch determinierten Bedeutung und der illokutiven Funktion einer Äußerung sind die Satzmodi (Deklarativ-, Imperativ-, Interrogativsatz) […]“. Als bedeutsam für das methodische Vorgehen der Konnektorenanalyse erweist sich die Präzisierung, die die Autoren anfügen. Sie sehen „die Satzmodi, genauer: die durch Satzmodi ausgedrückten Einstellungen […] in einer engen Beziehung zu illokutiven Funktionen.“50 Diese Präzisierung ermöglicht nämlich das methodische Vorgehen, für Konnektorenkonstruktionen getrennt voneinander sowohl Satzmodus als auch Illokutionstyp zu erheben und, in einem zweiten Schritt, vom Illokutionstyp auf den epistemischen Modus zu schließen, falls dies erforderlich ist. Einige Konnektoren sind, wie erwähnt, auf gewisse epistemische Modi beschränkt (so allerdings und freilich), während bei anderen (z. B. den Adverbkonnektoren aber und denn) die Verwendungsmöglichkeiten in Bezug auf die Satzmodi restringiert sind (vgl. Pasch et al. 2003, S. 202 und 205 f.). Indem die illokutionstypenspezifische Verwendung der frühneuhochdeutschen Konnektoren ermittelt wird, sind auch Rückschlüsse auf Restriktionen bezüglich des epistemischen Modus möglich. ‚Restriktion‘ kann in einer historisch-diachronen Korpus-Analyse freilich nicht im engeren Sinn verstanden werden, es können aber erstens Tendenzen für eine Restriktion aufgezeigt werden und zweitens können eventuelle Restriktionsvermutungen durch eindeutige Gegenbelege falsifiziert werden.  



1.2.4 Illokutionstypen und epistemische Modi Wie lassen sich aus einzelnen Illokutionstypen die ihnen zugrunde liegenden epistemischen Modi ermitteln? Die epistemischen Modi sind bereits benannt, nun sollen verschiedene Illokutionstypen vorgestellt werden. Dazu dient die klas49 Zifonun et al. (1997), S. 151, begründen in einem kurzen geistesgeschichtlichen Überblick, warum sie den Begriff ‚Empfindung‘ dem konkurrierenden der ‚Einstellung‘ vorziehen. 50 Motsch/Pasch (1987), S. 45. Vgl. zum Zusammenhang von Satzmodus und Illokutionstyp auch Sadoc (2006), hier besonders S. 71 ff.  

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B Theoretische Grundlagen

sische Einteilung nach Searle (1969, 1979, 1982) als Grundlage, allerdings wird sie mit Zifonun et al. (1997) und Schmitt (2000) modifiziert und erweitert. Vor allem die an Schmitt angelehnte Auffächerung der oft als zu heterogen und groß kritisierten Klasse der Repräsentativa fällt auf. Sie soll ein engeres Raster für die korpusbasierte Analyse bieten. Zunächst die Übersicht: Tab. 3: Illokutionstypen und epistemische Modi. Illokutionstypen

Beispiele

Epistemische Modi

Repräsentativa Reportiva

Die Mauer fiel im Jahre 1989.

Konstativität

Estimativa

Vielleicht kommt sie noch.

Evaluativa

Das ist ja nichts Schlechtes.

modalisierte Deklarativität

Identifikativa

Es ist schade, dass ihr schon geht.

Interrogativa

Hat jemand eine Ahnung hiervon?

Interrogativität

Direktiva

Geh jetzt los!

Aufforderung

Kommissiva

Ich werde kommen.

Optativa

Wenn doch schön morgen wäre.

Optativität

Expressiva

Das war mir vielleicht ein Tag!

Exklamativität

Deklarativa

Ich trete von meinem Amt zurück.

Deklarativität (i. e. S.)  



Zu dieser Übersicht sind einige Anmerkungen notwendig. Dabei sollen die Subtypen der Repräsentativa vorerst ausgeblendet bleiben, da sie im Gegensatz zu den etablierten Illokutionstypen eingehenderer Erläuterungen bedürfen. Die Bestimmung des Illokutionstyps lässt Rückschlüsse auf den epistemischen Modus zu. Dabei wird unter Satzmodus – der regelmäßigen Zuordnung entsprechend – die primäre kommunikative Funktion erfasst. Wie mit indirekten Sprechakten verfahren wird, ist in der Tabelle nicht aufgeschlüsselt. Die primäre kommunikative Funktion einer rhetorischen Frage wäre ‚Entscheidungsfrage‘51, während der Illokutionstyp einer rhetorischen Frage als (indirektes) Repräsentativum bestimmt wird, auf der Grundlage eines epistemischen Modus der Konstativität oder der modalisierten Deklarativität, je nach Form und Illoku-

51 Auf diese Weise analysiert auch Dietrich (1992), S. 35, z. B. die Äußerung Es zieht. in allen Kontexten ihrer primären kommunikativen Funktion entsprechend explizit als Mitteilung oder Hinweis, nie aber als Aufforderung. Damit blendet er absichtlich andere epistemische Modi und illokutive Funktionen aus. So ist es erklärlich, warum Dietrich Illokution „nicht im Mittelpunkt der linguistischen Modalitätsforschung“ (S. 29 f.) lokalisiert.  



1 Modalität

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tionssubtyp (Reportativum, Estimativum, Evaluativum oder Identifikativum). Der Satzmodus von a18 Ist er vielleicht der Chef von der Welt? ist als Entscheidungsfrage zu klassifizieren, der Illokutionstyp als indirektes Evaluativum, der epistemische Modus als modalisierte Deklarativität. Ähnlich lässt sich die Äußerung Kommst du jetzt endlich? bestimmen als Ergänzungsfrage (Satzmodus), indirektes Direktivum (Illokutionstyp) und imperativisch (epistemischer Modus). Schmitts Unterteilung der Interrogativa nach der erwarteten bzw. erwünschten „verbalen Reaktion“ des Hörers, also analog zu den Subtypen der Repräsentativa, wird für die hier verfolgten Ziele für inadäquat erachtet. Ob es dem Sprecher um „die Einforderung von Wissen, einer Einschätzung, eines Werturteils oder gar einer Selbstoffenbarung“ geht, ist nicht ausschlaggebend für die Festlegung von Illokutionstypen, wenn durch diese feinere Unterteilung Beschränkungsregularitäten für Konnektoren ermittelt werden sollen. Solche Beschränkungen können von einem externen Kriterium wie der qualitativen (!) Einordnung der vermuteten oder erwünschten Antwortart nicht affiziert sein. Im Gegensatz zu Schmitt wird der Illokutionstyp Interrogativum nicht in Subtypen aufgespaltet. Die epistemischen Modi Entscheidungs-, Ergänzungsfrage sowie Offenheit der Frage können über andere Analyseparameter erschlossen werden (z. B. Verbstellung, Interpunktion, Kombination mit anderen Konnektoren, die als Indikatoren für tendenziöse Fragen gewertet werden können). Searle hatte Äußerungen, die hier zu den Interrogativa gezählt werden, noch im Rahmen der Direktiva behandelt. Eine Herausstellung der Interrogativa wird häufig vorgenommen.52 Die eher graduell orientierte Unterteilung der Direktiva bei Schmitt (2000, S. 137 f.) in obligatorische und fakultative erscheint auch wenig geeignet, zumal die wichtige Unterscheidung von Aufforderung und Optativität hier keine Entsprechung findet; Befehle und Aufforderungen werden von Schmitt als obligatorische Direktiva klassifiziert, Bitten und Ratschläge etwa als fakultative. Wesen des epistemischen Modus der Optativität ist, dass durch ihn im Gegensatz zur Aufforderung (die als „adressierter Wunsch“ verstanden werden kann) „dem Äußerungsadressaten nicht zu verstehen gegeben wird, dass er durch sein Verhalten dem gewünschten Sachverhalt zur Realität verhelfen kann“.53 Dass in der  



52 So auch Liedtke (1998), S. 164. Er setzt innerhalb der von ihm sogenannten Petitiva zwei Unterklassen, Quaestiva und Direktiva, an. 53 Pasch et al. (2003), S. 209. Im Original ist „adressierter Wunsch“ durch Fettdruck hervorgehoben.

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B Theoretische Grundlagen

vorliegenden Analyse neben dem Illokutionstyp Direktivum auch einer mit der Bezeichnung Optativum erhoben wird, ist zweifach motiviert. Zum einen durch den angezeigten Unterschied der epistemischen Modi Aufforderung und Optativität, der sich auch klar in der kommunikativen Funktion durchschlägt. Zum anderen ist es das Wesen der Direktive, dass sie gerichtet sind (worauf auch das Wort selbst schon weist), während dies für den epistemischen Modus der Optativität und somit für den Illokutionssubtyp Optativum nicht gilt. So gesehen verbietet sich also eine Aufteilung der Direktiva in Optativa und ‚wirkliche‘ Direktiva. Deswegen werden Optativa in Anlehnung an Joachim Jacobs hier als eigener Illokutionstyp erhoben (vgl. Jacobs 1984, S. 38 f.). Es kommt den Optativa der epistemische Submodus der Optativität zu, den Direktiva derjenige der Aufforderung. Kommissiva sind insofern verwandt mit den Direktiva, als ihr epistemischer Modus identisch ist, wenngleich „Direktive auf die Handlungsplanung des Adressaten einwirken, […] Kommissive aber Handlungsverpflichtungen [übermitteln], die der Sprecher oder Sprecher und Adressat übernommen haben“.54 Was Searle als Expressiva bezeichnet, geht bei Schmitt fast ganz in den repräsentativen Subtypen der Evaluativa und Identifikativa auf. Für die Analyse soll diese Ausprägung des Merkmals ‚Illokutionstyp‘ allerdings anders definiert werden. Expressiva sollen diejenigen Illokutionen heißen, denen der epistemische Modus der Exklamativität zukommt. Diese Zuordnung steht in Einklang mit Rosengren (1992, S. 266.), der festhält: „Die Exklamation gehört dem Illokutionstyp der Expressiva an. Ihre Funktion ist jedoch eine andere als die der traditionellen Expressiva.“ Was die Exklamation von den anderen Expressiva unterscheidet,  

besteht gerade darin, daß das, was mit der Exklamation zum Ausdruck gebracht wird, nämlich die Normabweichung und affektiv-emotionale Einstellung, genau nicht propositionalisiert wird […], sondern durch prosodische Mittel (direkt) zum Ausdruck gebracht wird (ebd., S. 301 f.).  

Liedtke (1998) bildet eine Hierarchie der Illokutionstypen ab, in der die Expressiva (im Sinne Searles) an zweiter Stelle nach den Deklarationen stehen. Was sie über die restlichen Typen, Assertiva, Kommissiva, Direktive und Quaestiva (=Interrogativa) stellt, ist ihre Offenheit in Bezug auf die Einstellungen, die mit ihnen verbunden sein können.55 Indem nun hier ein Teil der Sprechhandlungen, die bei Searle unter die Expressiva fallen, ausgegliedert und nach Schmitt (2000) verschiedenen Subtypen der Repräsentativa zugeschlagen werden, ist zugleich die Hierarchie, die Liedtke vorstellt, in oben angezeigter Weise verändert. 54 Zifonun et al. (1997), S. 145. Die Autoren sehen in den Kommissiva ein ‚weiteres direktives Muster‘ (vgl. S. 136ff). 55 Vgl. Liedke (1998), S. 165 und die Übersicht auf S. 175.

1 Modalität

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Im Gegensatz zu den Repräsentativa entspricht den Deklarativa ein epistemischer Modus, der hier als ‚Deklarativität (im engeren Sinne)‘ bezeichnet werden soll. Reine Deklarativa sind im Korpus sehr selten. Die Unterscheidung von Konstativität56 und modalisierter Deklarativität wird auch in der Analyse aufrechterhalten. Diese Klassifikation erfolgt aber nicht nur über die Illokutions(sub)typen, sondern auch über die Kombination anderer Parameter, die zusätzlich erhoben werden (Person, Adverbien etc.; vgl. Kapitel B. 5). Dennoch entsprechen sich in gewisser Weise Reportiva und Konstativität auf der einen Seite sowie die übrigen Subtypen der Repräsentativa und die modalisierte Deklarativität auf der anderen Seite, wie aus der folgenden Übersicht57 klar werden wird. Tab. 4: Subtypen der Repräsentativa. Abkürzungen: S = Sprecher; H = Hörer; p = Proposition. typische Vertreter Regeln

Indikatoren

R EPORTIVA

Bericht, Bestätigung, Beschreibung, Feststellung, Schilderung, Bekanntmachung

Das berichtete Ereignis hat einen relativ objektiven Charakter, S hat p selbst erlebt oder entsprechende Evidenz dafür, S geht davon aus, dass H p nicht weiß und will H informieren.

Eventuell Indikativ, vergangenheitsbezogene Tempusform und adverbiale Ergänzungen der Zeit

E STIMATIVA

Einschätzung, Behauptung, Vermutung, Annahme

Es handelt sich um von S meist nicht objektiv zu beurteilende Inhalte (p), deren Wahrheit S aufgrund seines Weltwissens annimmt, an die S glaubt, aber über die S keine letzte Sicherheit hat.

Adverbien (vielleicht, offenbar, wahrscheinlich), epistemisch verwendete Modalverben, gewisse Konditionalsätze58

56 Austin (19812), S. 3–11, besonders S. 3 und 6, trifft bereits zu Beginn seiner Vorlesung die Unterscheidung zwischen Konstativum und Performativum. Im Laufe der Rezeption seiner Theorie wurde diese Unterscheidung modifiziert. Die Andersartigkeit der Repräsentativa gegenüber den anderen Illokutionstypen wurde auch schon in den obigen Paraphrasen deutlich. Während Austin (19812, S. 151) fünf Illokutionstypen (er spricht noch von „very general classes – eine Typologie im eigentlichen Sinne entwickelt erst Searle) ansetzt, nämlich Verdictives, Exercitives, Commissives, Behabitives und Expositives, wird nach Searle mehrheitlich auch das Feld der Repräsentativa zu den Illokutionstypen hinzugenommen. Somit kann ‚Konstativität‘ als Bezeichnung eines epistemischen Modus repräsentativer Illokutionen, also in einem anderen Sinne als Austins Äußerungsart Konstativum, verwendet werden. 57 Die Übersicht ist stark an Schmitt (2000), S. 140–147, angelehnt. Abweichungen werden anschließend einzeln benannt und begründet. 58 Nach Schmitt (2000), S. 144: „Einige durch Konditionalsätze eingeleitete oder ergänzte Aussagen über Ereignisse, die nicht in der Macht des Sprechers stehen.“

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B Theoretische Grundlagen

Tab. 4: (fortgesetzt).

E VALUATIVA

typische Vertreter Regeln

Indikatoren

Bewertungen, Werturteile

S hat zu der in p aufgeführten Referenz die durch p ausgedrückte Einstellung, die sich meist nicht im neutralen Bereich befindet.

Evaluative Adjektive, Substantive, Verben; Interjektionen

p bezieht sich auf einen inneren Zustand oder Vorgang des Sprechers, der eng mit seiner Persönlichkeit, seinen Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen, Erwartungen u. Ä. verknüpft ist

Adverbien (hoffentlich, leider, glücklicherweise), Gegenwartsbezug,Interjektionen

I DENTIFIKATIVA Ausgedrückte Hoffnungen, Gefühle, Grundwerte des Sprechers



Schmitt formuliert die Indikatoren und Regeln in Anlehnung an Searle ausführlicher als hier. Diese Ausführlichkeit ist aber methodisch gesehen für die vorliegende Untersuchung nicht möglich und notwendig, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen sind die Subtypen nicht trennscharf voneinander abzuheben. Damit hängt der zweite Grund zusammen. Äußerungen können bestimmten Illokutionstypen, erst recht dann deren Subtypen, nicht ohne Weltwissen zugeordnet werden. Für die Arbeit mit historischen Texten besteht hier also ein hermeneutischer Graben, der auch durch die Anhäufung feinkörniger Charakteristika nicht aufgeschüttet werden kann. Schon die Indikatoren der Estimativa, Evaluativa und Identifikativa lassen erkennen, dass ihnen der Modus der modalisierten Deklarativität zukommt. Die ‚typischen Vertreter‘ weisen auf Überschneidungen zu Searles Klasse der Expressiva hin, einer Klasse, die Schmitt nicht mehr ansetzt. Er stellt auch die Überschneidungen der verschiedenen Typen von Repräsentativa ausführlich dar, räumt aber ein, dass der „Versuch, wasserdichte Abgrenzungskriterien zu entwickeln, […] von vornherein zum Scheitern verurteilt sein“ muss.59 Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Grund für die Ausgliederung der Expressiva im oben angesprochenen Sinn (also nicht im Sinne Searles) nach formalen Kriterien erfolgt und von der Notwendigkeit motiviert ist, ein Pendant zum epistemischen Modus der Exklamativität zu erhalten. Diese Ausgliederung lässt sich aber theoretisch gut begründen. Äußerungen mit dem epistemischen Modus der Exklamativität können prinzipiell in Einklang gebracht werden mit den Ausführungen Searles zu den Expressiva. Zifonun et al. (1997, Bd. 1, S. 152) schreiben zu den

59 Schmitt (2000), S. 151. Zu den Abgrenzungsversuchen vgl. S. 150–158.

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Expressiva: „Im Vordergrund der Äußerung steht […] nicht ihr Sachbezug oder ein damit verbundener Wahrheitsanspruch, sondern ihr Selbstbezug und damit der kaum hinterfragbare Anspruch, eine unmittelbare, spontan auftretende Empfindung aufrichtig weiterzugeben.“ Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Sachbezug auch bei Expressiva vorliegt, was eine Einordnung gewisser Expressiva (im Sinne Searles) innerhalb der Repräsentativa gestattet.60 Eine weitere Abweichung von der Einteilung Schmitts wird im Bereich der Identifikativa vorgenommen. Schmitt zählt auch die Wunschsätze zu den typischen Vertretern dieses Subtyps.61 Diese Einteilung wird hier nicht übernommen. Die Eigenständigkeit des epistemischen Modus der Optativität wurde bereits unterstrichen. Sie wird auch auf der Illokutionsebene reklamiert, indem, wie oben ausgeführt, ein Illokutionstyp Optativum angesetzt wird.

Exkurs: Diachrone Illokutionstypologie Die Frage, inwieweit Sprechakttypen in historischen Texten eindeutig ausgemacht werden können, wäre wiederum nur sehr ausführlich und kaum abschließend zu beantworten. Im angelsächsischen Raum werden etwa seit Mitte der 1980er Jahre im Rahmen der Historical Pragmatics Sprechakte auch aus historischer Perspektive thematisiert. Allerdings nimmt dieses Thema innerhalb der jungen Disziplin nur eine sehr periphere Position ein.62 Deutschsprachige Forscher widmen sich bereits ein Jahrzehnt vorher vermehrt der historischen Dimension von Sprechakten, so Wunderlich (1976), Schlieben-Lange (1976), Lötscher (1981), später dann etwa Stetter (1991) und Wagner (1995). Kohnen (2008, S. 28.) sieht als eine hauptsächliche methodische Schwierigkeit bei diachron ausgerichteten Sprechaktstudien die Unmöglichkeit, alle möglichen Manifestationen eines Illokutionstyps einer Sprache zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit zu ermitteln. Dieses eher grundsätzliche Problem aller historischen Analysen soll hier nicht im Mittelpunkt stehen. Für Sprechakte gibt es eine Reihe anderer, spezifischerer, von denen hier nur vier herausgegriffen werden.

60 Ausführlicher begründet freilich Schmitt (2000), S. 130 ff., seine Typologie. 61 Vgl. Schmitt (2000), S. 146 f. Allerdings scheint er die Wunschsätze doch als in mancher Hinsicht abweichend von seinen anderen ‚typischen Vertretern‘ zu empfinden, da er sie durch Semikolon abhebt. 62 Traugott (2006), S. 538 f., geht in ihrem Beitrag „Historical Pragmatics“ am Anfang und hier nur kurz und indirekt auf Sprechakte ein, wenn sie die semantische und pragmatische Entwicklung verschiedener Wortarten erwähnt. Neben Fokuspartikeln und Diskursmarkern sind es auch die performativen und lokutionären Verben, auf die sie den Blick lenkt, ohne jedoch auf die Letzteren in ihrer folgenden Darstellung einzugehen.  





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B Theoretische Grundlagen

Erstens ist schon aus synchroner Perspektive heraus kein Sprechakt eindeutig festzulegen. Jeglicher Sprechakt umfaßt repräsentative, direktive, kommissive, expressive und im Falle explizit performativer Formeln auch deklarative Aspekte, nur sind diese auf verschiedene Interpretationsebenen verteilt, d. h. sie können propositional oder nicht-propositional in der sprachlichen Struktur repräsentiert sein, in der Satzbedeutung oder der Äußerungsbedeutung oder dem Kommunikativen Sinn verankert sein […].  

Diese Problemanzeige Langs (1983, S. 338) weist in zwei Richtungen. Einerseits darauf, dass die Grenzen der Illokutionstypen bzw. -subtypen nicht völlig eindeutig zu ziehen sind. Andererseits weist sie auch auf die notwendige Unterscheidung direkter und indirekter Sprechakte.63 Für die Klassifizierung von Illokutionen in historischen Texten sind zweitens die Prozesse des Bedeutungswandels und der Grammatikalisierung zu beachten. Illokutionen sind hiervon in besonderer Weise betroffen.64 Am deutlichsten zeigt sich das an performativen Verben und Formeln.65 Erstere sind oft entweder recht junge Wortbildungen (so sind z. B. feststellen, beauftragen, wohl auch begnadigen erst ab dem 17. Jhd. belegt oder verbreitet) oder unterliegen weitreichenden semantischen Veränderungen (so z. B. berichten bis ins 18. Jhd. noch im Sinne von ‚unterweisen‘ oder ‚belehren‘, vgl. auch die Entwicklungen von entschuld(ig)en und vereinbaren).66 Ähnliches gilt für performative Formeln und einschlägige Funktionsverbgefüge (einen Vorschlag machen, einen Rat erteilen, einen Antrag stellen etc.). Mit Habermann und Ziegler (2012, S. 18) ist festzuhalten: „Es mangelt noch immer […] an Untersuchungen, die text- und textsortenübergreifend für die einzelnen historischen Sprachstufen illokutionäre Akte und den damit verbundenen Bestand an performativen Verben erfassen“. Weitere an Illokutionen häufig beteiligte Wortarten unterliegen Grammatikalisierungsprozessen: Modalverben und Modalpartikeln. Letztere werden wie Satz 



63 Vgl. zu den indirekten Sprechakten Searle (1975). 64 Hierzu auch Bertucelli Papi (2000), S. 61: „[C]an illocutions be sharply distinguished from another if grammatical categories with which they are to some extent associated are not discrete categories?“ Was die Autorin hier für die Binnendifferenzierung der Illokutionstypen fomuliert, gilt in Konsequenz auch für die Frage, ob überhaupt eine Illokution ausgemacht werden kann. 65 Aber auch an Modalverben. Vgl. Wunderlich (1983). Für einen knappen aber informativen Forschungsüberblick vgl. Liedtke (1998), S. 221 ff. 66 Vgl. zu feststellen, beauftragen (s. Auftrag) Kluge (201125). Vgl. zu begnadigen, berichten, entschuldigen, vereinbaren Paul (200210).  

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1 Modalität

modus oder performative Verben für das Gegenwartsdeutsche vielfach als Illokutionsindikatoren gewertet.67 Jenseits der sprachlich determinierten Deutungs- und Bedeutungsveränderungen illokutionärer Handlungen ist eine weitaus komplexere Änderung der Gesamtbedeutung etwa von Assertionen oder Direktiven zu unterstellen. Das demonstriert Christian Stetter anhand der bekannten Äußerung Willy Brandts aus dem Jahre 1989 („Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“), indem er die Grice’sche Unterscheidung von Situationsbedeutung und zeitunabhängiger Bedeutung problematisiert (vgl. Stetter 1991, S. 74). Die Äußerungsbedeutung verändert sich in historischer Perspektive auf der Hörer- bzw. Rezipientenseite. Sie wird beispielsweise von späteren Historikern, so Stetter, anders gefasst werden. Gewiss lassen sich diese Ausführungen auf alle anderen in der Vergangenheit vollzogenen Äußerungen und deren Illokutionstypen beziehen, weil sich mit der verstrichenen Zeit auch die Rahmenbedingungen verändert haben: Wissen ist verloren gegangen, anderes ist hinzugekommen. Unabhängig davon, dass der heutige Leser einer schriftlich fixierten Äußerung mit illokutiver Funktion nicht der einstige Adressat ist, kann und muss er diese Äußerung dennoch deuten. Und seine Deutung kann nur eine im höheren Grade vermittelte und somit andere sein als die des ursprünglichen Adressaten. Das Problem literarisch fingierter Sprechakte ist damit noch nicht berührt und bleibt auch aus der Betrachtung ausgeklammert. Auf ähnliche Schwierigkeiten weisen auch Jucker und Taavitsainen (2000) im ersten Band des Journal of Historical Pragmatics. Sie untersuchen den Sprechakt(sub)typ Beleidigung und kommen zu dem Ergebnis, dass verschiedene Sprechakttypen aus diachroner Perspektive prinzipiell ineinander übergehen – abhängig von sozialen und textsortenspezifischen Kontexten. Drittens ist es vom historischen und sozialen Kontext und auch von der Textsorte abhängig, wie direkt, indirekt oder implizit ein Sprechakt vollzogen wird (vgl. Bertucelli Papi 2000, S. 62 f.). Werden Bitten etwa als Frage formuliert,  

67 Dieser Status ist für die konnektorale Modalpartikel denn/dann noch zu diskutieren. Liedtke (1998), S. 142, unterscheidet „konstitutive“ und „qualitative Indikatoren“, zu ersteren zählt er „Modalverben, performativ verwendete Verben, Modaladverbien und -partikel [sic]“, zu letzteren „Wortstellung und Intonationskontur des Satzes“. Dagegen Brandt et al. (1992), S. 72 f.: „Die Modalpartikeln sind […] nicht illokutive Indikatoren im strikten Sinne des Wortes; die einzelnen Partikeln sind auch nicht direkt an bestimmte Illokutionstypen gebunden. Ihre Affinität zu bestimmten Illokutionstypen ist auf ihre kommunikative Funktion zurückzuführen, die mit dem Illokutionstyp kompatibel sein muß.“ Eine Mittelposition nimmt König (1997), S. 59, ein, der im „Beitrag zur illokutiven Kraft [….] nicht ihre [d. i. der Modalpartikeln, S.G.] zentrale Funktion“ sieht.  



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B Theoretische Grundlagen

Imperative oder ein bloßes Nein vermieden, Entschuldigungen durch Phraseologismen ausgedrückt? Auch die Schriftlichkeit oder Mündlichkeit des Sprechaktes ist hier von Bedeutung. Viertens müssen Illokutionstypen – freilich nur modellhaft und im Bewusstsein der Vorläufigkeit und Vergröberung – in der Analyse als Universalien betrachtet werden. Sprachvergleichende und, soweit vorhanden, historisch-diachrone Arbeiten stützen die These von der Universalität tendenziell.68 Dass in historischen Untersuchungen nur ‚verschriftlichte Illokutionen‘ vorliegen, ist sprechakttheoretisch heikel69, gibt aber auch eine gewisse Verlässlichkeit für die Analyse. Die Verschriftlichung „setzt die Ausdifferenzierung von Sprachkonventionen in mündlicher Kommunikation voraus, in der Netze syntaktischer Regeln und semantischer Implikationen aufgebaut werden“ (Stetter 1991, S. 80). In einer sehr frühen Betrachtung dieses Komplexes tritt Brigitte Schlieben-Lange einer pauschalen „Universalitätsannahme“ entgegen; sie kritisiert Habermas’ vier universale Sprechakttypen und Wunderlichs metaphorische und wenig konkrete Rede von „naturwüchsigen“ Sprechakten.70 Als These formuliert sie (SchliebenLange 1976, S. 114): „Es gibt keine universellen sprachlichen Handlungen, sondern nur je historisch bestimmte, unterschiedene, konventionalisierte Handlungen.“ Schon diese prägnante These regt dazu an, die in ihr berührten Gedanken zu entfalten. Dass etwa Sprechakte aus diachroner Perspektive betrachtet werden müssen, um sie angemessen analysieren zu können, ergibt sich zwingend aus dem Prozess der Konventionalisierung und der Frage danach, zu welchem Grad sie beim jeweiligen Sprechakt bereits stattgefunden hat. Um ihre These zu untermauern, wendet sich Schlieben-Lange (1976, S. 114) exemplarisch dem Mittelhochdeutschen und dem Altfranzösischen zu, „weil das Maß an Verfremdung bereits beträchtlich ist, man nicht so leicht in Gefahr kommt, Ähnliches als Gleiches zu interpretieren“. Diese implizite Warnung muss auf sich beziehen, wer jüngere Sprachperioden untersucht.

68 Vgl. die Einführung von Taavitsainen/Jucker (2008), S. 1–23, hier S. 3 f. 69 Vgl. hierzu Moessner (2010), die in ihrer Studie über Early Modern und Present-day English versucht zu rechtfertigen, warum und wie die Sprechakttheorie auf geschriebene Texte übertragen werden kann. Ihr Leitgedanke dabei ist, dass (historische) schriftliche Texte als Interaktionen zwischen deren Produzenten und Adressaten zu interpretieren seien (vgl. S. 244). 70 Schlieben-Lange (1976), S. 113 f.; Wunderlich (1972), S. 38 (zitiert nach Schlieben-Lange, ebd.).  



1 Modalität

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1.3 Zusammenfassung: Modalität Nach vorläufigen Modalitätsdefinitionen wurden wichtige gegenwärtige Modalitätstheorien daraufhin befragt, ob syntaktische Verknüpfungen und Konnektoren in ihnen explizit abgehandelt werden, ob sie für die Beschreibung modalisierender Konnektoren dienen können und ob sie sich auf frühneuhocheutsche Texte anwenden lassen. Dabei stellte sich heraus, dass das Modell Rainer Dietrichs (und auch das Angelika Kratzers) mit einem ontologisch-hermeneutischen Problem behaftet sind, das sich in historisch-diachronen Analysen verschärft. Sowohl Kratzers Redehintergründe als auch Dietrichs Basisrelationen lassen sich in historischen Texten weit schwieriger oder überhaupt nicht aufschlüsseln. Was in alten Texten z. B. als ‚bekannt‘ oder ‚zufällig besonders‘ vorausgesetzt werden kann, ist in vielen Fällen nicht zu sagen. Zum Beispiel entzieht sich sowohl die ontologische Basis des epistemischen Redehintergrundes (die Evidenz) als auch der akzidentiellen Relation dem Interpreten. Eine derart feine Differenzierung der Lesarten kann aus diesen Gründen von der synchronen Theorie nicht auf die diachrone Analyse übertragen werden. Ferner teilt die Theorie Dietrichs (und auch die Kratzers) mit den meisten anderen, dass sie anhand eines zentralen Ausdrucksmittels der Modalität entwickelt worden ist, nämlich anhand der Modalverben. Sie kann auch aus diesem Grund nur in Teilen auf andere, weniger prototypische modalisierende Ausdrucksmittel wie die Konnektoren angewandt werden. Gleichzeitig sind die Konnektoren betroffen, wenn Betrachtungen zur Konditionalität angestellt werden71 oder Texte in Haupt- und Nebenstruktur in Anlehnung an das Quaestio-Modell unterteilt werden. Eine Scheidung kann, wie gezeigt, in frühneuhochdeutschen Texten nicht analog erfolgen, weil es die Konnektoren sind, die als Marker für Haupt- und Nebenstrukturen gelten. Konnektoren sind aber in jener Zeit meist polysem (vgl. nur frühneuhochdeutsches dann für gegenwartssprachliches denn und dann). Dass Text- bzw. Informationsstrukturierung und Modalität zusammenhängen, wird damit nicht in Abrede gestellt. Da sich die Struktur aber aufgrund der Polysemien nicht im Einzelnen, von Beleg zu Beleg, abheben lässt, wird dieser Gedanke auf andere Weise in die diachrone Untersuchung einfließen. Nach den Graden der Dialogizität werden die Korpustexte auf vier Unterkorpora aufgeteilt. So kann verglichen werden, wie die durch Konnektoren bewerkstelligten Modalisierungen sich in verschieden strukturierten Texten – rein oder vorwiegend dialogischen, argumentierenden oder darstellenden – voneinander unterscheiden.  

71 Konditionale sind immer als modalisiert im Dietrich’schen Sinne zu betrachten. Das unterscheidet sie von kausalen Verknüpfungen.

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B Theoretische Grundlagen

Als unabhängig von sprachlichen Veränderungsprozessen und damit geeignet auch für die diachrone Untersuchung hat sich die prinzipielle Ausrichtung des Ansatzes von Dietrich erwiesen. Wie der Kratzers ist er bedeutungsminimalistisch orientiert. Darin gehen sie zusammen mit Sweetsers Ansatz. Dasselbe gilt für seine allgemeinen Aussagen über Modalität. Sobald die Proposition eines Satzes nicht als faktisch gekennzeichnet wird, ist er modalisiert. Modalität hat dabei nach Kratzer zu tun mit Notwendigkeit, Möglichkeit oder eingeschränkter Gewissheit. Damit sind bereits die zwei modalen Ebenen in den Ansätzen von Palmer, Bybee und Sweetser angesprochen. Metaphernhaft entsprechen Möglichkeit und eingeschränkte Gewissheit der epistemischen Ebene, während der Notwendigkeit die illokutionäre Ebene enspricht – der Versuch, mit Worten auf die Welt einzuwirken. Sweetsers dritte Domäne der Modalität, die speech-act modality, führte zu der allgemeinen Frage nach dem Zusammenhang von Illokution und Modalität. Dass sie zusammenhängen, wird in der Literatur häufig erwähnt, suggeriert oder vorausgesetzt.72 Über den Satzmodus und den epistemischen Modus wurde dieser Zusammenhang formuliert. In der Analyse soll der notwendigen Unterscheidung von epistemischem Modus und Satzmodus Rechnung getragen werden, indem sowohl der Satzmodus als auch der Illokutionstyp ermittelt werden. Diese Wahl der zwei Analyseparameter Satzmodus und Illokutionstyp soll die Art der sprechaktbezogenen und epistemischen Modalität und eventuelle Restriktionen der Konnektorenverwendung zeigen. Aus diachroner Perspektive wird so einem Forschungsdesiderat nachgekommen, indem Vorarbeiten geleistet werden zu einer „für die Gebrauchsbedingungen von Konnektoren zugeschnittene[n] Typologie kommunikativer Funktionen“, die für das Gegenwartsdeutsche noch nicht vorliegt (Pasch et al. 2003, S. 229). Bei der Analyse frühneuhochdeutscher Texte ergeben sich auch hier Schwierigkeiten. Für die Illokutionstypen wurden sie schon angedeutet. Dass über die Intonationsverhältnisse nur wenig gesagt werden kann, schränkt die Bestimmung der Satzmodi ein. Am heikelsten gestaltet sich die Bestimmung von Satzmodus und Illokutionstyp in je beiden Konnekten, da diese sich nur für vollständige Sätze zweifelsfrei erheben lassen. Wie wären dann die Illokutionstypen der internen, subordinierten Konnekte zu analysieren? Die Frage nach dem Illokutionspotential von Nebensätzen ist in der Forschung nicht eindeutig beantwortet. Stede und Walter (2011, S. 167 ff.) bestimmen in ihrer Studie zu den Kausalkon 

72 So z. B. bei Dietrich (1992), S. 18: „Schließlich spielt besonders im Blick auf die Modalität die Verstehensebene des Kommunikativen eine Rolle. Aus der Bedeutung und der Referenz erschließt der Hörer unter Heranziehung weiterer Kenntnisse die performative Bedeutung“. Sieh auch Jachnow (1994), S. 57, wo er die „eindeutig sprechaktrelevante Dimension“ der Modalität betont.  

2 Modalität und Konnektoren

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nektoren (z. B. also, da, daher, deshalb, weil) für je beide Konnekte den Illokutionstyp. Sie deuten damit eine Prämisse zweier Theorien an, die sie anwenden:  

Two recent and well accepted models, the Rhetorical Structure Theory RST (Mann & Thompson 1988) and the Segmented Discourse Relation Theory SDRT (Asher & Lascarides 2003) share the basic assumption that discourse coherence is achieved only if each utterance makes an illocutionary contribution to another utterance in the context (Petrova/Solf 2008, S. 346).

Ob nun ein Nebensatz kein oder nur ein abgeschwächtes illokutives Potential aufweist, führt zu der Frage, ob Illokutivität ein skalares Phänomen ist oder nicht. Diese Frage hängt mit einer Hauptthese der vorliegenden Arbeit zusammen.73

2 Modalität und Konnektoren Im vorigen Kapitel wurde in noch unsystematischer Weise verschiedentlich auf die Rolle hingewiesen, die den Konnektoren bei der Modalisierung einer Aussage zukommt – bzw. die den Konnektoren in unterschiedlichen Modalitätstheorien hierin zugestanden wird. Auf „die Verbindung zwischen Modalität und Satzverknüpfung“ wird häufiger hingewiesen.74 Nicht immer wird diese Rolle der Konnektoren innerhalb der Modalitätstheorien und -konzepte explizit gemacht. So werden öfter die Konditionale hervorgehoben (etwa bei Kratzer), Dietrich entwickelt sein Modalitätskonzept mithilfe der Unterscheidung von Haupt- und Nebenstruktur, Sweetser formt Beispielsätze, in denen die Konnektoren maßgeblichen Anteil am Zustandekommen der Modalisierung haben. Abraham versucht in einem Aufsatz, die „Urmasse von Modalität“ zu systematisieren und hebt „bestimmte Koordinatoren und Subordinatoren“ als Wortarten hervor, die an Modalität „zentral […] beteiligt“ sind.75

73 Vgl. die Behandlung unter diachroner Perspektive in Kapitel B. 3.2. 74 So Waltereit (2006), S. 17, der zwei Arbeiten zu dieser Fragestellung heranzieht, die hier von Interesse sind: Hansen (1998) und Pons Bordería (1998). Pons Bordería nimmt an, so referiert Waltereit (ebd.), dass „die Elemente der Wortart [!] Konnektor in jeweils unterschiedlichem Maße drei verschiedene pragmatische Funktionen erfüllen, und zwar Konnexion (Satzverknüpfung), Formulierung und Modalität“. 75 Abraham (2009), S. 251. Wenn seine stichpunktartigen Bemerkungen (S. 263 f.) richtig gedeutet sind, dann meint Abraham wohl (wie schon 1976), dass sich kausale Relationen „annäherungsweise“ wie „logische Implikation[en]“ erklären lassen, dass mit adversativen Konnektoren einer Art Implikation („wenn x, dann normalerweise auch z“) widersprochen werden kann und dass „Kausation und Kausativität mit Kontrafaktizität in Verbindung“ gebracht werden kann; schließlich postuliert er: „Kontrafaktizität ist eindeutig modal“. Er geht damit weiter als Dietrich  

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B Theoretische Grundlagen

Man kann leicht einige vorwissenschaftliche Überlegungen anstellen, um nachzuvollziehen, wie man auf die Idee kommt, dass Konnektoren zur Modalisierung einer Aussage beitragen. Zunächst werden syntaktische Verknüpfungen vom Sprecher vollzogen. Er kann zum Beispiel ein Verhältnis zwischen zwei Sachverhalten als ein temporales, kausales oder konzessives markieren. So gesehen hat jede durch Konnektoren ausgedrückte syntaktische Verknüpfung mehr mit dem Sprecher zu tun als ein einfacher Satz ohne Verknüpfung, der natürlich in einer gewissen Weise auch auf den Sprecher zurückgeht, der ihn äußert. Wissenschaftlicher und speziell für den Bereich der Kausalität formuliert: Ob der Sprecher es will oder nicht: Durch die Wahl eines kausal determinierten Satzgefüges zur Darstellung einer Ereignisfolge ist er selbst in die Aussage integriert, kann er sich nicht selbst willkürlich daraus zurückziehen, hat er zugleich mit der Darstellung etwas von sich selbst gesagt, eine Position bezogen, eine Interpretation versucht, eine Meinung geäußert. […] Denn die Position des Sprechers ist ein nicht ablösbarer Bestandteil eines jeden kausal determinierten Satzgefüges (Rudolph 1982, S. 168).

Was Rudolph hier für kausale Konstruktionen reklamiert, lässt sich auf alle anderen semantischen Relationen übertragen. Konnektoren, die ja solche semantischen Relationen markieren, sind somit stets Ausdruck der Modalität im Sinne der Sprechereinstellung. Frohning (2007, S. 24) legt ihre Sicht ganz ähnlich dar: In einer kausalen Information sind der Grund und die Folge in erster Linie das, was ein Sprecher oder eine Sprecherin als solche ausweist. Kausale Informationen sind daher das Ergebnis einer sprachlichen Handlung, in der zwei Sachverhalte zu einer Grund-FolgeRelation verbunden werden. Aus dieser Perspektive sind Kausalmarker vor allem sprachliche Mittel zur expliziten Markierung von Begründungen.

Schon mancher jüngere Titel linguistischer Untersuchungen zeigt, dass diese Frage gegenwärtig von hohem wissenschaftlichen Interesse ist: „How to express yourself with a causal connective?“76

(1992, s. o.), der als modal im weiteren Sinne die Nicht-Faktizität herausgestellt hat. Zwei von Abrahams Beispielsätzen: Er kann nicht Siegfried heißen, weil er Franzose ist. und Er heißt Siegfried, ist aber Franzose. Was Abraham annäherungsweise über eine logische Implikation beschreiben will, wird hier als konversationelle Implikatur aufgefasst. Vgl. auch Abraham (1976), S. 19–33. 76 So lautet der Titel der Dissertation von Pit (2003). Der Untertitel: Subjectivity and causal connectives in Dutch, German and French.  

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2 Modalität und Konnektoren

2.1 Abgrenzung der Konnektoren von Modalpartikeln und Diskursmarkern Dass Konnektoren bei der Modalisierung von Aussagen beteiligt sein können und dass sie auch in einschlägigen Arbeiten als Ausdrucksmittel der Modalität beschrieben werden, wurde angedeutet. Es soll nun zuerst eine Abgrenzung von anderen Begriffen erfolgen, die teilweise mit dem der ‚modalisierenden Konnektoren‘ konkurrieren, sodann eine Definition dessen, was unter ‚Konnektor‘ verstanden wird. Konnektoren sind „Signale, die dem Leser klarmachen, unter welchem Gesichtspunkt er Zusammenhänge herstellen soll“ (Ortner 1983, S. 99). Abgesehen davon, dass Hanspeter Ortner hier die mündliche Kommunikation noch unbeachtet lässt, nimmt er mit seiner weiten Funktionsbestimmung einen Standpunkt ein, von dem aus auch in dieser Untersuchung die Konnektoren in den Blick genommen werden. Neben der Möglichkeit, Sprechereinstellungen auszudrücken77, wird nämlich die Leser- bzw. Hörerlenkung hervorgehoben, die mit Konnektoren bewerkstelligt werden kann.

2.1.1 Modalpartikeln Sowohl der Ausdruck der Sprechereinstellung wie auch die Hörerlenkung sind Funktionen, die den Modalpartikeln78 zugeschrieben werden. 1963 hat Alexej Krivonosov seine Dissertation über diese Wörter geschrieben, und nach Harald Weydts Arbeiten aus den Jahren 1969 ff. bricht die Reihe der Veröffentlichungen zu dem Thema nicht ab.79 Die Modalpartikeln dürfen mittlerweile als gut erforscht gelten. Dabei hat die diachrone Analyse der Modalpartikeln deren Funktionsweisen im Gegenwartsdeutschen maßgeblich erhellt und zudem die Grammatikalisierungsforschung vorangebracht (Hentschel, Diewald, Molnár, Autenrieth u. a.). Neben Ausdruck der Sprechereinstellung80 und Hörerlenkung81 schreibt man den Modalpartikeln folgende weitere Funktionen zu: Satzverknüpfung82, Gesprächs 



77 Im Sinne Rudolphs (1982). 78 Wenn hier in manchen Zitaten der Forschungsliteratur der Terminus ‚Abtönungspartikel‘ erscheint, dann ist damit stets dasselbe gemeint, was hier als Modalpartikeln beschrieben wird. 79 Hier nur einige Meilensteine: Wolfram Bublitz (1978), Monika Doherty (1985), Ursula Brauße (1986, 1994), Elke Hentschel (1986), Maria Thurmair (1989), Werner Abraham (1990), Theodor Ickler (1994), Jörg Meibauer (1994), Gerhard Helbig (1994), Gabriele Diewald (1997, 1999, 2010), Anna Molnár (2002), Tanja Autenrieth (2002), Richard Waltereit (2006), Marco Coniglio (2009). 80 Weydt (1969) S. 68; Bublitz (1978), S. 6–8, Helbig (1994), S. 33, Molnár (2002), S. 16. 81 Vgl. Lütten, Jutta: Die Rolle der Partikeln doch, eben und ja als Konsensus-Konstitutiva in gesprochener Sprache. In: Weydt (1979), S. 30–38, hier S. 33 82 Beispielsweise Dalmas (2006), S. 417.

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B Theoretische Grundlagen

oder Textgliederung83, Diskursfunktion84, Illokutionsindikation85. Erschöpfend ist diese Aufzählung nicht, sie gibt nur die verbreiteteren Auffassungen wieder. Als formale Charakteristika der Wortart Modalpartikel gibt die Mehrheit der oben aufgeführten Forscher an86: Modalpartikeln sind unflektierbar87, stehen im Mittelfeld88, sind unbetont89, fakultativ90, haben Satzskopus91, stehen meist vor dem Rhema92, sind nicht koordinierbar, nicht modifizier- oder erweiterbar, nicht erfragbar, nicht negierbar, sind auf je gewisse Satzmodi beschränkt und miteinander kombinierbar. „In anderer syntaktischer Stellung oder anders akzentuiert haben sie alle eine oder mehrere andere Bedeutungen. In dieser anderen Verwendung gehören sie dann anderen Funktionsklassen an“ (Weydt 1969, S. 68). Diese letzte Aussage trifft auf alle Modalpartikeln außer halt (und eventuell man) zu.93 In den diachronen Arbeiten wurde gezeigt, wie sich die Modalpartikeln aus Quellwörtern entwickelt haben, die Wortarten wie Konjunktion (aber), Adjektiv oder Adverb (ruhig, eben, wohl, denn) angehören. Dieser Grammatikalisierungs-

83 Vgl. König (1977), S. 129 und Waltereit (2006), S. 5. 84 Hervorgehoben bei Ormelius (1997), S. 113. 85 Vgl. Thurmair (1989), S. 2. Vgl. aber auch ebd., S. 47: Modalpartikeln gehören zu den Mitteln, „die die tatsächliche illokutive Kraft einer Äußerung bestimmen“. Vgl. ferner Abraham (2009), S. 269. 86 Die Liste lehnt sich hauptsächlich an Waltereit (2006), S. 1 an, der sich seinerseits vor allem auf Thurmair und Meibauer stützt. 87 Vgl. Weydt (1969), S. 68. Das Kriterium ist bei nahezu allen Forschern unbestritten. Ickler (1994), S. 376, gibt hingegen zu bedenken, dass die „abstraktiv ermittelten Lexeme“ durchaus flektierbar sind, aber in Modalpartikelfunktion nicht flektiert werden. 88 Helbig (1988), der auch von vorfeldfähigen Modalpartikeln ausgeht. Ferner Meibauer (1994), S. 31 f. und 59 f., der mindestens eine Ausnahme sieht, nämlich die Modalpartikel denn, die ähnlich wie Klitika nach einem W-Interrogativum im Vorfeld erscheinen kann: Wer denn von uns allen will das? (Beispiel bei Meibauer). 89 Vielfach werden betonte Varianten z. B. von schon, ja, wohl, doch, denn diskutiert. Vgl. Meibauer (1994), S. 20 und Ickler (1994), S. 376. 90 Das Merkmal der Fakultativität ist problematisch. Unklar bleibt, ob von syntaktischer, wahrheitssemantischer, pragmatischer etc. Fakultativität die Rede ist und wo eine Grenze verlaufen soll zu obligatorischen Bestandteilen von Sätzen. In Wunschsätzen und in manchen deliberativen Sätzen scheint die Fakultativität „eingeschränkt zu sein“, so Meibauer (1994), S. 31. 91 Vgl. z. B. Meibauer (1994), S. 11. 92 Hentschel (1986), S. 230–232, versucht zu beweisen, dass sich die Modalpartikel auf das Rhema des Satzes beziehe. Dagegen Thurmair (1989), S. 29–32. 93 Vgl. Meibauer (1994), S. 29, Fußnote 2 und Hentschel (1986), S. 50 ff. Zu man vgl. Helbig (1988), S. 177 und Franz, Barbara: Abtönungspartikeln im Deutschen – zur Bedeutung und Genese einer relativ jungen Wortart. In: Vater, Heinz/Letnes, Ole (Hgg.): Modalität und mehr/ Modality and More.Trier 2001, S. 115–128, hier S. 120.  









2 Modalität und Konnektoren

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prozess ist für den späteren Zustand der Polysemie, Heterosemie bzw. Homonymie verantwortlich, den Weydt in seiner vielzitierten Definition beschreibt.94 In Kapitel B. 3 werden die Grammatikalisierungsprozesse noch thematisiert. Über die oben referierten Merkmale hinaus lassen sich für Modalpartikeln typische Verwendungskontexte ausmachen. Die Titel der von Harald Weydt herausgegebenen Sammelbände stecken diese Kontexte ab: „Partikeln und Interaktion“ (1983) und „Sprechen mit Partikeln“ (1989): Partikeln sind in dialogischen Texten häufiger als in monologischen und in gesprochener Sprache häufiger als in geschriebener.95 Ickler bewertet diese Eigenschaft der Modalpartikeln, nämlich dass sie „bestimmte Äußerungen in größere, grundsätzlich dialogisch zu interpretierende Textzusammenhänge“ einpassen, als die vorrangige, den Ausdruck einer Einstellung (expressiv, emotional etc.) als nachgeordnet, da er stets als ein „auf den Partner bezogenes Verhalten“ zu verstehen sei (Ickler 1994, S. 377 f.). Indem er die interaktionale, kommunikative Grundfunktion der Modalpartikeln herausstellt, kritisiert er den psychologisierenden Begriff und das zu wenig durchdachte Konzept des ‚Einstellungsausdrucks‘. Unabhängig voneinander machen Ickler und Meibauer den interaktionalen Aspekt stark, wenn es darum geht, den Begriff der Sprechereinstellung zu erhellen.  

Mit Modalpartikeln kann der Sprecher […] dem Gesprächspartner Hinweise darauf geben, wie er das Gesagte auffassen und wo er es einordnen soll, sowie Hinweise darauf, wie der Sprecher die Äußerung bewertet[…] (Meibauer 1994, S. 94).

Hierin und in der daraus resultierenden Wirkung im dialogischen Kontext wird also das eigentlich Modale der Modalpartikeln gesehen. Es wird sich zeigen, dass für Diskursmarker und Konnektoren96 ganz ähnliche Funktionen beschrieben werden. Hentschel (1986, S. 278) konnte nachweisen, dass „die Häufigkeit des Partikelgebrauchs im selben Maße steigt, in dem der Privatheitsgrad eines Gespräches sich erhöht“. Nach Koch und Oesterreicher (1986, S. 22) ist der „Nähe-Diskurs“ durch eine ökonomische Sprache charakterisiert; „die durch Abtönungspartikeln ermöglichte Ökonomie in pragmatischer Hinsicht“ erklärt dann die höhere Frequenz dieser Ausdrucksmittel in Nähetexten. Ob aber die Modalpartikelfrequenz 94 Meibauer (1994), S. 5–7 und Autenrieth (2002), S. 55 ff. und passim diskutieren diese Begriffe und entscheiden sich im Falle der Modalpartikeln für Heterosemie. Abraham (1995), S. 125, beispielsweise benutzt den Begriff. 95 Vgl. hierzu auch die Beiträge von Dorothea Franck, Armin Koerfer, Jutta Lütten, Uta Quasthoff, Jochen Rehbein, Norbert Reiter, Barabara Sandig und Bodo Vogel in Weydt (1979). Vgl. ferner Klatte (2008), S. 228, und Schmid (2010), S. 633, sowie Deppermann (2009), S. 23. 96 Vgl. die soeben zitierte vorläufige Funktionsbestimmung der Konnektoren von Hanspeter Ortner.  

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B Theoretische Grundlagen

neben anderen textuell-pragmatischen, lexikalischen und morphosyntaktischen Erscheinungen als „universale Merkmale der Sprache der Nähe“ (Koch/Oesterreicher 1986, S. 27). gelten können, muss im Einzelfall geprüft werden. Eine gewisse Zirkularität ist aber auch in der Nähe-Distanz-Forschung nicht zu vermeiden. Vereinfachend: Man analysiert Texte, die man als nähesprachlich einstuft und stellt ein Inventar von Nähe-Indikatoren zusammen, erhebt dieselben dann in einem Text, um diesen als nähesprachlich klassifizieren zu können. Außerdem sind die Modalpartikeln in verschiedenen Sprachen unterschiedlich stark verbreitet, weshalb häufig kontrastive Untersuchungen durchgeführt werden.97 Der deutsche Satzrahmen und die Möglichkeit eines Mittelfelds sowie bestimmte Akzentverhältnisse sind (neben anderen, komplexeren Faktoren) für das vergleichsweise große Inventar der deutschen Modalpartikeln verantwortlich.98 Manche Beispielsätze, die seit Jahrzehnten in Gebrauch sind,99 illustrieren funktionale Parallelen von Modalpartikeln und gewissen Verwendungsweisen von Konnektoren (nicht in Modalpartikelfunktion): a19 Morgen ist Institutsratssitzung. Da musst du nämlich hin. a20 Ich sage dir das, weil ich dich erinnern/informieren will, dass du da hinsollst. a21 Morgen ist Institutsratssitzung. Da musst du doch hin. a22 Du hast es vielleicht vergessen/nicht gewusst, doch ich erinnere dich daran. a23 Morgen ist Institutsratssitzung. Da musst du ?doch nämlich/*nämlich doch hin. a24 Es hat Frost gegeben, weil die Heizungsrohre geplatzt sind. a25 Es hat Frost gegeben, weil ja die Heizungsrohre geplatzt sind. a26 Es hat Frost gegeben. Die Heizungsrohre sind ja (schließlich) geplatzt. a27 Es hat Frost gegeben. Die Heizungsrohre sind geplatzt. Hier ist nicht der Platz, diese Beispielsätze ausführlich zu diskutieren. Nur einige Anmerkungen dazu. a20 ist eine mögliche Explizierung der Verknüpfungsart, die in a19 vorliegt und a22 ist eine mögliche Explizierung der durch die Modalpartikel doch erfolgten Verknüpfung in a21. a23 sowie der Vergleich von a19 und a21 zeigen, dass doch und nämlich in diesem Fall (annähernd?) substituierbar sind. Zumindest können sie nicht (oder kaum?) kombiniert werden. Der Mechanismus 97 Wegweisend war hier wieder Weydt, der bereits in seiner oben erwähnten Dissertation von 1969 die deutschen Modalpartiklen mit ihren französischen Entsprechungen verglich. 98 Vgl. Abraham (1991), S. 336 und Franz (2001), S. 125. 99 Vgl. Motsch/Pasch (1984), S. 482 und Pasch et al. (2003).

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von doch und nämlich unterscheidet sich freilich mindestens insofern, als bei doch ein der Kausalität ähnliches Verhältnis markiert wird, das auf Kontrastierung gründet (vgl. z. B. a22). Die Beispielsätze a24 und a26 sind nicht so direkt miteinander vergleichbar wie a19 mit a21, da weil und ja auch miteinander kombiniert werden können (vgl. a25) und somit nicht substituierbar sind. Das bedeutet, dass sie nicht die identische Funktion ausüben können. Dennoch legt a26 im Vergleich zu a27 schon eher eine epistemische Deutung (hier als reduktiven Schluss) nahe. In a27 ist Es hat Frost gegeben nicht als Schlussfolgerung aus Die Heizungsrohre sind geplatzt markiert (wenngleich eine solche Interpretation nicht ausgeschlossen ist), sondern die Abfolge der Sätze nimmt eher ikonisch auf die zeitliche Abfolge Bezug. Die Modalpartikel ja in a25 und a26 wirkt anders, nämlich entweder als ein Evidenzmarker100 oder aber als Downtoner, der – scheinbar paradoxerweise über die etymologisch erklärbare Funktion der Affirmation – den „Anspruch, etwas Neues mitzuteilen, herab[…]mindert“.101 Ähnlichkeiten von Konnektoren, die nicht als Modalpartikeln verwendet sind, und Konnektoren in Modalpartikelverwendung lassen sich auch über den umgekehrten Weg aufzeigen – indem man nämlich eine Modalpartikelkonstruktion und deren Deutung in der Literatur vergleicht mit möglichen Paraphrasen dieser Konstruktion ohne Modalpartikel. Pasch et al. (2003) erläutern exemplarisch die Funktionsweise der Modalpartikel denn anhand des folgenden Beispiels (Hervorhebung S.G.):  

a28 A.: Ich helfe dir beim Umzug. B.: Hast du denn Zeit? „Der Interrogativsatz mit integrierter Abtönungspartikel denn ist in dem Falle zu verstehen als Frage von B. danach, ob die Bedingung, dass A. Zeit hat beim Umzug zu helfen, für die Wahrheit der Behauptung von A. gegeben ist“ (Pasch et al. 2003, S. 493). Mögliche Explizierungen dessen, was die Modalpartikel impliziert, sind: a29 Du brauchst Zeit, denn du willst beim Umzug helfen. a30 Ich frage dich, ob du Zeit hast, denn du brauchst Zeit, wenn du beim Umzug helfen willst.

100 Vgl. Bublitz (1978), S. 97: „Der Sprecher setzt voraus, daß ein bestimmter Sachverhalt dem Hörer bekannt oder offensichtlich ist, erwähnt ihn jedoch explizit, um sicherzugehen, daß er ihm auch gegenwärtig ist, da er ihn für den Fortgang der Kommunikation benötigt […]“. 101 Ickler (1994), S. 401. Eine ausführlichere Diskussion frühneuhochdeutscher Belege mit der Modalpartikel ja sowie der Funktionsweise dieser Partikel wird im Analyseteil folgen.

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B Theoretische Grundlagen

a31

Du willst mir beim Umzug helfen? Dann muss ich dich fragen, ob zu Zeit hast. a32 Du willst mir beim Umzug helfen? Hast du dann (auch) Zeit? Modalpartikel in a29 bezieht sich auf einen ‚pragmatischen Prätext‘ (Diewald), der in den Paraphrasen a30 und a31 in versprachlichter Form vorliegt. a31 und a32 dürften dem tatsächlichen Grammatikalisierungsprozess in höherem Maße gerecht werden. Gesteht man der Modalpartikel denn eine kausale Nuance zu, so geht diese wohl auf das temporal-diskursorganisierende Adverb dann zurück. Die Modalpartikel und das traditionell als Konjunktion bezeichnete denn haben demnach dasselbe Quellwort.102 Diewald versucht eine Abgrenzung der Modalpartikeln von den Konjunktoren in Hinblick auf den pragmatischen Prätext: „Während […] Konjunktoren an ein sprachlich realisiertes Element des Vortextes anschließen, haben Abtönungspartikeln im Normalfall kein direktes, sprachlich realisiertes Bezugselement.“103 Zwei Aussagen gilt es hier zu prüfen. Erstens: Gibt es Konjunktoren, die nicht direkt an ein sprachlich realisiertes Element im Vortext anschließen? Zweitens: Gibt es Modalpartikeln, die an ein sprachlich realisiertes Element im Vortext anschließen? Die erste Frage lässt sich bejahen, wie aus folgenden Beispielsätzen deutlich wird: Tab. 5: Anschluss an nichtsprachliche Kontexte durch Konnektorphrasen. Nichtsprachlicher Kontext

Konnektorphrase

Während des Picknicks beginnt es zu regnen.

Und was machen wir jetzt?

Klaus und Peter warten darauf, dass ein bestimmter Platz in einem Café frei wird und sehen, dass von dort dem Kellner gewinkt wird.

Und da zahlt er schon.

Der erste Versuch, zu zweit eine große Plane bei Wind zusammenzulegen, scheitert.

Oder wir machen’s jetzt so, dass du erst mal hier anpackst.

102 Vgl. hierzu die gesonderte Analyse von denn und die Forschungsliteratur zu diesem Thema in Kapitel B. 1.3. 103 Diewald (2007), S. 131. Vgl. auch Diewald (1999), S. 85.

2 Modalität und Konnektoren

45

Aber genauso gut können Subjunktoren verwendet werden, wenn „der Kontext […] ein nichtsprachlicher“ ist, „etwa wenn Person A. Person B. ein Geschenk überreicht mit den Worten: [a32] Weil du immer so nett zu mir bist.“ (Pasch et al. 2003, S. 395). A. könnte auch sagen: a33 Ich habe mich nämlich über deine Hilfe sehr gefreut. Zu ihrem Beispiel (a33) führen Pasch et al. (2003, S. 395) aus: Zu einer solchen syntaktisch selbständigen Verwendung einer Subjunktorphrase muss man zur Bedeutung des internen Konnekts ein konzeptuell passendes, in einer übergeordneten Satzstruktur formulierbares weiteres Argument der Bedeutung des Subjunktors weil hinzuinterpretieren.

Eine solche gedankliche Ergänzung entspricht der Ausformulierung des pragmatischen Prätextes bei den Modalpartikeln. Über die Annahme einer Ellipse lassen sich auch andere Belege deuten bzw. analysieren, nämlich sogenannte reduktive Schlüsse (als eine Erscheinungsform epistemischer Verknüpfung) oder auch sprechaktbezogene Verknüpfungen, wie oben gezeigt wurde (vgl. Pasch et al. 2003, S. 395). Diese beiden Verknüpfungsformen, die Eve Seetser (1990) in ihrem Ansatz benennt, werden weiter unten ausführlicher vorgestellt. Vorläufig soll festgehalten werden, dass Konnektoren (und zwar nicht nur Subjunktoren und Konjunktoren, sondern auch Adverbkonnektoren) nicht zwingend einen sprachlich realisierten Anknüpfungspunkt im Vortext benötigen. Die zweite Frage, ob Modalpartikeln auch an ein sprachlich realisiertes Element im Vortext anknüpfen können, ist ebenso positiv zu beantworten. a34 A.: Alles Gute zum Geburtstag! B.: Aber ich habe heute gar nicht Geburtstag! A.: Wann HAST du denn Geburtstag? oder Wann hast du DENN Geburtstag? Hier ließen sich mühelos noch weitere Beispiele finden. Der Mechanismus des pragmatischen Prätextes ist also erstens auch bei Konnektoren zu beobachten, die nicht Modalpartikelfunktion ausüben, und zweitens muss der pragmatische Prätext bei Modalpartikeln nicht implizit sein.104 Hierin 104 Hierauf weist auch Gabriele Diewald selbst an anderer Stelle hin, z. B. in Diewald (1997), S. 77.  

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B Theoretische Grundlagen

kann also kein differenzierendes Merkmal gesehen werden. Vielmehr dürfte der pragmatische Prätext gerade im ‚kritischen Kontext‘ (Gabriele Diewald) auch expliziert sein, das hieße, dieses Kriterium hat in diachronen Analysen keine unterscheidende Kraft. Für die Arbeit lassen sich Konsequenzen aus der dargestellten Modalpartikelforschung ziehen. Auch diese werden im folgenden Kapitel B. 3 aus diachroner Perspektive ergänzt und dort vollständig aufgelistet.

2.1.2 Diskursmarker In der Literatur werden die Begriffe ‚Diskurspartikel‘ und ‚Diskursmarker‘, ‚pragmatic markers‘, ‚Modalpartikel‘ und ‚Abtönungspartikel‘, ‚Konnektor‘ und ‚connective/Konnektiv‘ teils synonym verwendet, teils geringfügig anders und sogar konträr. Waltereit etwa unterscheidet nicht zwischen Diskursmarkern und Diskurspartikeln, wohl aber zwischen Modalpartikeln und Abtönungspartikeln, die nach ihm jedoch beide teilweise zu den Diskurspartikeln zu rechnen sind (vgl. Waltereit 2006, S. 3, 7 und 18). Thurmair (1988, S. 3, Fußnote 5) betrachtet die Begriffe ‚Modalpartikel‘ und ‚Abtönungspartikel‘ dagegen als synonym. Sogar die Begriffe ‚connective‘ und ‚pragmatic particle‘/‚discourse marker‘ überlappen oder decken sich bisweilen (vgl. Aijmer/Simon-Vandenbergen 2006, S. 2 f.) ‚Pragmatic markers‘ und ‚discourse markers‘ gelten nach Brinton (1996, S. 29 f.) als synonym. Was unter Diskursmarkern verstanden wird, ist wieder recht unterschiedlich. Während Modalpartikeln und Diskursmarker meist auseinandergehalten werden (vgl. Fraser 1999, S. 942), zählt etwa Ormelius-Sandblom (1997, S. 80) die Modalpartikeln zu den Diskursmarkern. Auf deren funktionale Überschneidungen weist Deppermann (2009, S. 23) hin; ihrem interaktionalen Charakter entsprechend, sind Modalpartikeln und Diskurspartikeln gleichermaßen „darauf spezialisiert, rekurrente Verstehenskonstellationen zu indizieren“. Manche Autoren rechnen zu den Diskursmarkern auch einzelne Interjektionen. In ihrer einschlägigen Monographie wählt etwa Deborah Schiffrin (1987) oh, well, and, but, or, so, because, now, then, I mean und y’know, um ihre Theorie der Diskursmarker zu explizieren. Bruce Frasers Funktionsbestimmung der Diskursmarker darf als mehrheitsfähig gelten:105 „[A discourse marker] signals the relationship that the speaker intends between the utterance the DM [=discourse marker] introduces and the foregoing utterance“ (Fraser 1999, S. 936). In einer früheren Arbeit (Fraser 1996, S. 186) führt  



105 Bührig/House (2007), S. 346, dokumentieren die breite Zustimmung in der Forschungsliteratur hierzu.

2 Modalität und Konnektoren

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er diesen Aspekt etwas präziser aus. „[Dicourse markers] provide instructions to the addressee on how the utterance to which the discourse marker is attached is to be interpreted.“ Im Hinblick auf ihre Funktion stehen die Diskursmarker damit den Modalpartikeln sehr nahe, ja sie decken sich sogar, wenn man die zitierten geläufigen Bestimmungen (etwa von Meibauer zu den Modalpartikeln und von Fraser zu den Diskursmarkern) zugrunde legt. Auch formal gibt es etliche Übereinstimmungen. Diskursmarker sind nach Jucker (2002, S. 211–213) meist kurz, manchmal sind sie bezüglich ihres Lautbestandes reduziert, sie sind syntaktisch nicht notwendig, sind semantisch blass und berühren den Wahrheitswert eines Satzes nicht. Günthner ergänzt, dass Diskursmarker überwiegend im mündlichen Diskurs auftreten und (deswegen) stigmatisiert seien.106 Drei weitere Merkmale, die sie von den Modalpartikeln unterscheiden, sind aber in der Forschung auch umstrittener.107 Sie bilden eine eigene Intonationskontur, treten normalerweise am linken Satzrand auf und sind nicht Teil der syntaktischen Struktur oder nur lose mit ihr verbunden.108 Die Menge der Konnektoren schneidet sich also mit der Menge der Diskursmarker. Im Schnittbereich liegen gewisse Adverbien, Konjunktionen und Subjunktionen. Peter Auer und Susanne Günthner (2005) versuchen nachzuzeichnen, wie sich aus diesen (und anderen) Quellwörtern Diskursmarker herausbilden. Für die Adverbien greifen sie sich nur, bloß und jedenfalls heraus, für die Konjunktionen und und aber, für die Subjunktionen weil und obwohl. Sie deuten folgenden Beleg:109 a35 Das ist alles immer schön im Sand verlaufen, und den Profs war’s eigentlich im Grund genommen auch scheißegal, weil, pf, ja, also, des geht denen halt auch am Arsch vorbei. „Mit weil“, so die Autoren, „wird keine Begründung für den vorausgehenden Sachverhalt gegeben“, sondern es „lassen sich diesem weil im Vor-Vorfeld diskursorganisierende Funktionen zuschreiben“ (Auer/Günthner 2005, S. 340). Diese Deutung und deren Schlussfolgerung zitiert auch Beate Henn-Memmesheimer (2006, S. 539) – und sie widerlegt beide; eine kausale Verknüpfung lässt sich

106 Günthner (2000), S. 457. Vgl. auch Brinton (1996), S. 33. 107 Auer (1997), S. 81 und S. 88, Fußnote 39, geht auf Modalpartikeln ein, die in dieser Funktion das Vorvorfeld besetzen können. 108 Vgl. zu diesen zusätzlichen Merkmalen wieder Jucker (2002), S. 211–213. 109 Vgl. Auer/Günthner (2005), S. 340. Hier wird der Beleg der besseren Verständlichkeit halber nicht in der Transkription der Autoren wiedergegeben.

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B Theoretische Grundlagen

durchaus interpretieren – sowohl auf der propositionalen (a36) wie auch auf der epistemischen Ebene (a37): a36 Grund für den Sachverhalt, dass es ihnen scheißegal ist, ist der Sachverhalt, dass es ihnen am Arsch vorbeigeht. a37 Aus dem Sachverhalt, dass es ihnen am Arsch vorbeigeht, kann man schlussfolgern, dass es ihnen scheißegal ist. Genauso kann auch folgender Beleg110 durchaus kausal interpretiert werden: a38 Und grad vor mir überholen sich zwei Autos, weil das ist ja da zweispurig bei uns vor der Tür, und der eine, der hupt wie verrückt, gell. Man muss nicht dieselben Schlüsse wie die Autorinnen ziehen, die die „Notwendigkeit der Markierung solcher Einschübe“ darin sehen, dass die „Sprecher/innen […] hiermit deutlich [machen], daß eine begonnene Erzählung vorübergehend unterbrochen wird, um eine andere Aktivität – eine Präsentation von Zusatzinformationen – einzuschieben“ (Gohl/Günthner 1999, S. 43). Der Einschub wäre problemlos als solcher auch ohne weil zu erkennen. Gohl und Günthner weisen selbst darauf hin, dass das kausale Verhältnis über eine Explikation („und das ist möglich, weil…“) deutlich wird. Eine solche ist die grundlegendere, die näherliegende und eine, die für die Sprecher und Hörer transparent sein dürfte. Auch vergleichbare Konstruktionen mit konzessiven Subjunktionen oder Relativadverbien (obwohl und wobei) sind entsprechend interpretierbar. Dass Diskursmarker in diesen „Konstruktionen Funktionen innehaben, die sich nur wenig mit ihren traditionellen Funktionen und Bedeutungen als Konzessivsubjunktion bzw. Relativadverb decken“ (Günthner 2005, S. 44 f.), ist zwar schon eine vorsichtigere Formulierung, geht aber immer noch zu weit – wie auch die Schlussfolgerung, Diskursmarker seien nicht mehr als syntaktische Größen zu beschreiben, sie gehörten nicht mehr den Wortarten ihrer Quellwörter an, sind also nicht mehr Konjunktion, Subjunktion oder Adverb, sondern nurmehr „homophon“ mit diesen.111 Ob Diskursmarker eine eigene Wortart bilden,112 kann für frühere Sprachstufen kaum beantwortet werden.  

110 Nach Gohl/Günthner (1999), S. 43. Es wurde wieder die Transkription vereinfacht. 111 Auer/Günthner (2005), S. 336. Vgl. auch Gohl (2009), S. 311: „Sie fungieren als Diskursmarker und gehören damit einer anderen grammatischen Kategorie als die [sic] einer Subjunktion (obwohl, weil) bzw. eines Präpositionaladverbs (wobei) an, zu denen sie traditionellerweise gezählt werden.“ 112 Vgl. zu dieser Frage Imo (2011).

2 Modalität und Konnektoren

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„Konnektivität auch als globaleres Phänomen [… zu begreifen], das nicht nur zwischen Sätzen, sondern auch zwischen den durch sie konstituierten Handlungen und größeren Diskursteilen besteht“ (Gohl 2009, S. 320), ist allerdings nicht neu, sondern schon seit langem üblich. Man vergleiche nur die Ausführungen Behaghels zu den Konjunktionen113 oder den Ansatz von Eve Sweetser – ganz zu schweigen von der rhetorischen Tradition innerhalb und neben der Grammatik von der Antike bis heute. Gewiss weisen Konstruktionen, wie sie Auer, Gohl, Günthner und andere beschreiben, manche Besonderheiten auf. Diese können aber durchaus mit einem Instrumentarium, wie es z. B. in den Arbeiten von Christiane Thim-Mabrey oder Eve Sweetser entwickelt und in der Konnektorenforschung verfeinert worden ist, analysiert werden. Das Vorvorfeld, auf das diese Diskursmarker beschränkt sind, wurde von Thim-Mabrey beschrieben als „Leerstelle für einen metakommunikativen (metasprachlichen) Satz“, die Diskursmarker als ‚Para-Konjunktionen‘.114 Dabei könne die Funktion des Vorvorfeldes – Thim-Mabrey (1985, S. 245) spricht von ‚Nullstelle‘ –  

nur mit Hinblick auf den Prozeß der Textproduktion definiert und erklärt werden. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie für syntaktische Fragestellungen keine Relevanz hat. Vielmehr stellt sie eine Einheit dar, in der auch bestimmte Textbildungsprozesse überhaupt erst syntaktisch greifbar werden.

Nehmen Konnektoren diese Stelle ein, so besteht ihre Bedeutung „in der Anweisung, über den Konjunkten bestimmte Operationen auszuführen“ (Thim-Mabrey 1985, S. 226). Die Operationsanweisung ist stets auch eine Anweisung zur Interpretation der Konjunkte. Ein Konjunkt ist entweder als Sachverhaltsbeschreibung oder bezüglich seines Status auf der pragmatischen Ebene der Redeorganisation Gegenstand der Operation. Die Para-Konjunktionen lassen beide Möglichkeiten offen, das zweite Konjunkt zu interpretieren.115

Konnektoren bleiben Konnektoren – auch wenn sie (zusätzlich) diskurssteuernde Funktionen ausüben, „die mit der Gliederung von Texten, der Verknüpfung von Äußerungen, epistemischen Einstellungen, mit der Beziehung zwischen Sprecher und Hörer sowie mit dem turn-taking zu tun haben“ (Auer/Günther 2005, S. 336). Die Semantik (Kausalität, Konzessivität etc.) bleibt darin genauso im Hegel’schen

113 Behaghel, Bd. III (1928). S. 48–255, hier z. B. S. 50, wo er wichtige Beobachtungen der Grammatikalisierungsforschung vorwegnimmt, indem er auf die „mündliche Rede“, auf den dialogischen und interaktionalen Ursprung der Konjunktionen verweist. 114 Thim-Mabrey (1985), S. 243. Vgl. zum Vorvorfeld auch Auer (1997), S. 67. 115 Thim-Mabrey (1985), S. 226. Hervorhebungen wurden nicht übernommen.  

50

B Theoretische Grundlagen

Sinne aufgehoben wie die syntaktische Funktion. Schiffrin (1987, S. 317) weist darauf hin, dass Diskursmarker die Bedeutung der Konjunktion reflektieren. Brinton (1996, S. 35) spricht z. B. von syntaktischer, semantischer und pragmatischer Multifunktionalität der Diskursmarker, und Eroms (1995, S. 68) ist der Auffassung, dass „sich die Konnektorenbedeutungen standardisierend als Kommentar oder Anweisung in performativer oder diskursiv-steuernder Funktion erfassen lassen.“ Indem Konnektoren auch anzeigen, wie der Diskurs strukturiert ist, markieren sie Diskursrelationen.116 Aus der Darstellung der Forschungslage zu Modalpartikeln und Diskursmarkern ergeben sich (im Vorgriff auf die diachrone Betrachtung) folgende Linien: Es werden solche Ausdrücke untersucht, die in der Phase des Frühneuhochdeutschen eine Aussage modalisieren können und die zugleich von Konnektoren abstammen, sich zu Konnektoren entwickeln oder selbst Konnektoren sind. Auf diese Weise müssen erstens keine hybriden Klassen (z. B. ‚Diskurspartikel‘) konstruiert werden, deren Merkmale sowohl syntaktischer als auch semantisch-pragmatischer Natur sind. Zugleich wird der syntaktischen Klasse der Konnektoren eine zusätzliche pragmatische Funktion (die der Modalisierung) nicht abgesprochen. Konnektoren können die Funktionen übernehmen, die in der Literatur zu Modalpartikeln und Diskursmarkern beschrieben werden. Mit der Verwendung der Begriffe ‚Diskurspartikel‘ oder ‚-marker‘ würde nämlich zugleich die „Nichtverrechenbarkeit in einer Satzsyntax und in den ihr eigenen Wortarten […] zugestanden, ohne sie kritisch zu überwinden“, so die Kritik Angelika Redders.117  



2.1.3 Konnektoren Bevor auf die pragmatischen Funktionen von Konnektoren eingegangen wird, ist eine Antwort auf die Frage nötig, was man unter Konnektoren zu verstehen hat und wie sie für das Gegenwartsdeutsche definiert werden. Im Handbuch der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003, S. 331) sind folgende Merkmale aufgelistet: (M1’) (M2’) (M3’) (M4’)

x ist nicht flektierbar. x vergibt keine Kasusmerkmale an seine syntaktische Umgebung. Die Bedeutung von x ist eine zweistellige Relation. Die Argumente der Bedeutung von x sind propositionale Strukturen.

116 Vgl. zur Prüfung von Diskursrelationen als Berschreibungsinstrument Kapitel B. 2.2.2. Vgl. auch Fraser (1999), S. 937 und Bayerl (2004). 117 Redder, (2010), S. 37. Redder bezieht sich mit dieser terminologischen Kritik auf sogenannte Doppelpunktstrukturen wie Deswegen: Meiden Sie Baggerseen!.

2 Modalität und Konnektoren

51

(M5’) Die Ausdrücke für die Argumente der Bedeutung von x müssen Satzstrukturen sein können.

Gegenüber den Merkmalen, die Pasch et al. am Anfang ihres Handbuchs formuliert haben, sind die hier zitierten Merkmale eine präzisierte Fassung. Dabei konnten die ersten drei Formeln übernommen werden, in denen die Konnektoren (vereinfachend gesprochen) von den flektierbaren Wortarten (M1), von den Präpositionen (M2) und von semantisch einstelligen Adverbien wie tatsächlich (M3) unterschieden werden.118 In M5’ sind jetzt auch elliptische Strukturen als Argumente zugelassen, die nach relativ festen Regeln „zu einem Satz komplettiert werden können“ (Pasch et al. 2003; S. 333 f.) Oben wurde bereits auf Ähnlichkeiten zum pragmatischen, impliziten Prätext der Modalpartikeln eingegangen. Von den Modalpartikeln weisen manche auch die Konnektorenmerkmale auf. Die Veränderungen bei Merkmal 4 beziehen sich auf einen Bereich, der hier zentral ist. M4’ erfasst jetzt nicht mehr nur Propositionen – auch epistemische Minimaleinheiten und Illokutionen sind potentielle Argumente der Konnektorenbedeutung.119 Nach syntaktischen Kriterien werden die Konnektoren zunächst in zwei Gruppen unterteilt, in die nichtintegrierbaren Konnektoren (Konjunktionen) und die integrierbaren (Adverbkonnektoren). Von den nichtintegrierbaren Konnektoren stehen die Konjunktoren vor ihrem internen Konnekt in Nullposition (=Vorvorfeld). Konjunktoren (z. B. ja, oder, und) regieren ihr internes Konnekt nicht, während die anderen nichtintegrierbaren Konnektoren, nämlich ‚Subjunktoren‘, ‚Postponierer‘ und ‚Verbzweitsatz-Einbetter‘, dies tun. Bei den Subjunktoren, z. B. alldieweil, da, derweil(en), nachdem, ſeit(dem), ſintemal(en), während, weil, wenn, (zumal), ist die Abfolge der Konnekte frei, sie sind aber bezüglich ihrer Position (unmittelbar vor dem internen Konnekt) festgelegt. Subjunktoren können ferner ihr internes Konnekt in ihr externes einbetten, wobei es ein Verbletztsatz sein muss, wenn es als Satz realisiert wird.120 Schwierig ist die Frage zu beantworten, wie sich Subjunktoren (bzw. die regierenden nichtintegrierbaren Konnektoren überhaupt) zur Felderstruktur verhalten.  





118 Die vorläufigen Konnektorenmerkmale und genauere Erläuterungen dazu finden sich bei Pasch et al. (2003) auf S. 1 f. 119 Vgl. Pasch et al. (2003), S. 332. Zum Begriff epistemische Minimaleinheit vgl. Pasch et al. (2003), S. 174 f. Dort wird darunter eine „Einheit[…] aus epistemischem Modus und dessen Argument“ verstanden. In dem Satz Wahrscheinlich kommt er heute wird der epistemische Modus durch das Adverb wahrscheinlich angezeigt. Sein Argument ist der propositionale Gehalt kommt er heute. Durch den Satz ist eine epistemische Minimaleinheit ausgedrückt. 120 Vgl. Pasch et al. (2003), Kapitel C. 1.1, zu den spezifischen Merkmalen S. 417.  



52

B Theoretische Grundlagen

Für die frühneuhochdeutsche Zeit, in der die Verbstellung stark variiert, in der sich die Satzklammer und z. B. Subjunktoren aus Relativadverbien herausbilden, gestaltet sich diese Frage noch komplexer. Postponierer (z. B. weshalb, weswegen) sind in der Abfolge ihrer Konnekte anders als Subjunktoren festgelegt: „Sie stehen immer zwischen ihren Konnekten und dabei unmittelbar vor dem subordinierten Konnekt […]“ (Pasch et al. 2003, S. 352). „Die Argumente der Bedeutung […eines Postponierers] sind fokal.“121 Während Subjunktoren und Postponierer einen Verbletztsatz regieren, ist es bei der dritten nichtintegrierbaren, ihr Konnekt regierenden Konnektorenklasse ein Verbzweitsatz, weswegen sie Verbzweitsatz-Einbetter (vorausgesetzt, unterstellt) genannt werden (vgl. Pasch et al. 2003, S. 439 ff.). Verbzweitsatz-Einbetter können ihr internes Konnekt in ihr externes einbetten und stehen wie Subjunktoren und Postponierer unmittelbar vor ihrem internen Konnekt (vgl. Pasch et al. 2003, S. 452).  





Tab. 6: Syntaktische Merkmale von Konnektorenklassen. Konjunktoren

VerbzweitsatzEinbetter

Postponierer

Subjunktoren

regiertes Konnekt



+

+

+

subordinierend





+

+

einbettend



+



+

obligatorisch zwischen den Konnekten

+



+



Auf der Seite der integrierbaren, mittelfeldfähigen Konnektoren gibt es diejenigen, die im Satz die Vorfeldposition besetzen können, und die sogenannten ‚nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren‘ (z. B. allein, Modalpartikel-denn, nämlich, Fokuspartikel-zumal) (vgl. Pasch et al. 2003, S. 501 f.). Von den vorfeldfähigen Adverbkonnektoren wiederum können nicht alle die Nacherstposition besetzen, d. h. die Position unmittelbar nach dem Satzglied, das die Vorfeldposition einnimmt. Man nennt sie ‚nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren‘ (alldieweil, daher, darum, drum, demnach, deshalb, deswegen, folglich), die übrigen ‚nicht positions 





121 Pasch et al. (2003), S. 439. Vgl. ebd. S. 126: „Bedeutungsanteile eines syntaktisch komplexen Ausdrucks, die zu dessen Fokus gehören, nennen wir ‚fokal‘ […].“ (Hervorhebungen im Original nicht übernommen).

2 Modalität und Konnektoren

53

beschränkte Adverbkonnektoren‘ (z. B. also, bloß, dann, derweil(en), freilich, nur, schließlich) (vgl. Pasch et al. 2003, S. 501 f. und 512 ff.).  





Tab. 7: Konnektorenklassifizierung nach Pasch et al. (2003). Konnektorenklasse

Beispielsatz

Konjunktor

Er wartet noch einen Moment und sie geht schon mal los.

Subjunktor

Wenn es so stark regnet, wartet er lieber noch einen Moment.

Verbzweitsatz-Einbetter

Angenommen, es regnet so stark, wartet er wohl noch einen Moment.

Postponierer

Es regnet stark, weshalb er lieber noch einen Moment wartet.

nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren

Lass uns noch warten, es regnet nämlich.

nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren

Es regnet so stark, er wartet darum noch.

nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren

Es regnet noch. Die Leute jedenfalls sagen das.

Zu der skizzierten syntaktischen Klassifizierung ist noch manches anzumerken. Erstens: Die Konnektoren, die zu je einer der angesprochenen Konnektorenklassen gehören, teilen ein Bündel von syntaktischen Merkmalen, weisen aber darüber hinaus oft noch weitere Merkmale auf, die nicht alle anderen Konnektoren dieser Klasse mit ihnen gemeinsam haben. Das heißt, dass die Klassen selbst zu einem gewissen Grad heterogen sind. Während alle nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren Vor- und Mittelfeld besetzen sowie die Nacherstposition einnehmen können, ist etwa die Nachfeld- und die Nachsatzposition für bloß und nur nicht möglich, während freilich zwar Nachfeld und Nullposition besetzen kann, nicht aber die Vorerstposition. Die nicht nacherstfähigen Adverbkonnektoren daher, demnach, folglich können zusätzlich zu Vorfeld und Mittelfeld auch Nachfeld- und Nullposition einnehmen, darum, deshalb und deswegen darüber hinaus noch die Nachsatzposition. Auf das Mittelfeld beschränkt ist der nicht vorfeldfähige Adverbkonnektor Modalpartikel-denn; nämlich kann zusätzlich Nacherst-, Nachfeld- und Nullposition einnehmen. Hierzu in Anlehnung an Pasch et al. (2003, S. 504–509) eine Übersicht:

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B Theoretische Grundlagen

Tab. 8: Positionsmöglichkeiten einiger konnektintegrierbarer (adverbialer) Konnektoren im Gegenwartsdeutschen. Abkürzungen: VE: Vorerstposition; VF: Vorfeldposition (=Position im Vorfeld allein); MF: Mittelfeldposition; NF: Nachfeldposition; Null: Nullposition (nicht integriert); NS: Nachsatzposition (nicht integriert). VE Nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren

Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren

MP-denn nämlich zumal

VF

+

alldieweil daher darum drum demnach deshalb deswegen folglich

Nicht positionsbeschränk- also te Adverbkonnektoren dann derweil(en) schließlich

MF

NE

NF

Null

+ + +

+ +

+

+ +

+ + + + + +

+ + + + + + +

+

+

+ +

+

+ + + + + + + +

+ + + + + + + +

+ + + +

+ + + +

+ + + +

NS

+

+ +

Zweitens: Die einzelnen Klassen gehen insofern ineinander über, als es Konnektoren gibt, die mehr als einer Klasse angehören (Polykategorialität). Eine Form der Polykategorialität ist die Polysyntaktizität etwa zwischen Subjunktoren und nicht nacherstfähigen Adverbkonnektoren (z. B. alldieweil, da, seitdem) oder Subjunktoren und nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren (z. B. derweil/derweilen). Dass es „keinen einzigen Konnektor mit Adverbkonnektor/Subjunktor-Verwendung ohne unzweifelhaften Bedeutungsunterschied“ gibt (Pasch et al. 2003, S. 686), lässt sich für das Gegenwartsdeutsche sagen, nicht aber für das Frühneuhochdeutsche. Drittens werden nicht alle Konnektoren von diesem Klassifizierungsraster erfasst, sondern manche im Kapitel C3 des Handbuchs aufgrund ihres besonderen syntaktischen Verhaltens als Einzelgänger eingestuft. So z. B. das ‚Begründungs-denn‘, das traditionell als koordinierende Konjunktion (Eisenberg) oder kausaler Konjunktor (Engel) bezeichnet wird. Alle diese Sonderfälle sind gerade historisch-diachron betrachtet interessant, da sie von den Wandlungsprozessen der deutschen Syntax besonders betroffen sind. Die Erforschung der Grammatikalisierungsprozesse beispielsweise von darumb oder von denn/dann beleuchtet die syntaktische Ausdifferenzierung, die eng verbunden ist mit der Herausbildung semantischer Unterschiede.  





2 Modalität und Konnektoren

55

Bei den Einzelanalysen der frühneuhochdeutschen Konnektoren müssen Phänomene wie die folgenden berücksichtigt werden, weil sie mit der Modalisierung zusammenhängen. Beschränkungen, die für gegenwartsdeutsche Konnektoren hinsichtlich der syntaktischen Position und auch hinsichtlich des epistemischen Modus122 gelten, müssen verglichen werden mit Beschränkungen, die sich im Textkorpus für das Frühneuhochdeutsche abzeichnen. Welche Konnektoren zu den propositionalen und welche zu den nicht-propositionalen zu zählen sind, wird für das Frühneuhochdeutsche auch anders beantwortet werden als für das Gegenwartsdeutsche. Konnektoren in Nullposition (und ähnlich solche in Nachsatzposition) sind aufgrund ihrer metapragmatischen Funktion von herausgehobenem Interesse. Stehen die Konnektoren in Nachsatzposition, ist ihre Bewertung abhängig davon, ob sie in monologischen oder in dialogischen Texten (bei Sprecherwechsel) verwendet werden (vgl. Pasch et al. 2003, S. 538 f.). Ein Konnektor (v. a. adverbiale Konnektoren und Nicht-Konjunktoren) in Nullposition wiederum ist ein Indiz dafür, dass die Verknüpfung modaler Natur ist, d. h. entweder auf epistemischer oder auf Sprechaktebene gedeutet werden kann oder muss. Die Betonungsverhältnisse und die phonetische Desintegration können in diesem Fall positiv123 noch relativ gut in frühneuhochdeutschen Texten erschlossen werden. Für die Akzentverhältnisse, die für die Scheidung der Konnektoren in propositionale und nicht-propositionale wichtig sind (vgl. Pasch et al. 2003, S. 135), sowie für die Bestimmung von Fokus und Hintergrund, gilt das nicht. Die Fokus-HintergrundGliederung hat sich für die synchron-gegenwartssprachliche Beschreibung der Konnektoren als sehr fruchtbar herausgestellt. Eng mit der Informationsstrukturierung hängen etwa die sogenannten Fokuspartikeln zusammen (vgl. Pasch et al. 2003, S. 138 f.). Ohne Markierung der Akzentverhältnisse oder eventuellen Sprechpausen in einem Satz mit der potentiellen Fokuspartikel nur ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob es sich nun um die Verwendung als Fokuspartikel handelt oder um einen Konnektor in Nullposition:  







a39 Nur diese Geschichte kannte ich schon.

122 Vgl. beispielsweise Pasch et al. (2003), S. 529: freilich und nämlich sind „konnektintegriert weder in Imperativsätzen zugelassen […] noch in nicht subordinierten Interrogativsätzen […]“. 123 Das bedeutet, dass von einer entsprechenden Interpunktion in einem frühneuhochdeutschen Beleg einigermaßen sicher auf Nullposition geschlossen werden kann, nicht aber umgekehrt von fehlender Interpunktion darauf, dass der Konnektor nicht in Nullposition steht.

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B Theoretische Grundlagen

Kann zweifach gedeutet werden: a40 Nur diese Geschichte kannte ich schon. (Die anderen noch nicht.) a41 Nur – diese Geschichte kannte ich schon. (Der sie mir zum zweiten Mal erzählt hat, konnte das nicht wissen.) = Es ist nur so, dass ich diese Geschichte schon kannte. Im (geschriebenen) Gegenwartsdeutschen sind solche Ambiguitäten im Mittelfeld oft nicht ohne Zusatzinformationen aufzulösen, so dass a42 wieder im Sinne von a40 oder a41 interpretiert werden kann: a42 Ich kannte nur diese Geschichte schon. Häufig sind derlei Mehrdeutigkeiten aber auch durch den Kontext aufzulösen. Die Korpusbelege werden aus diesem Grund stets mindestens mit dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Satz, meist aber im größeren Kontext untersucht. Dabei wird sich die Analyse stärker an der Thema-Rhema-Gliederung orientieren, da hier die Akzentverhältnisse und die Prosodie nicht so stark involviert sind wie bei der Bestimmung von Fokus und Hintergrund. Allerdings ist die Bestimmung von bekannter und neuer Information nicht zweifelsfrei möglich, wenn die bekannte Information nicht im Text vorerwähnt ist, sondern vorausgesetzt wird oder implikatiert ist. Damit sind zwei Problemfelder angesprochen, die später anhand konkreter frühneuhochdeutscher Belege in den Einzelanalysen dargestellt werden sollen, nämlich das Verhältnis von Präsuppositionen zu Implikaturen und das Potential von gewissen Konnektoren, Präsuppositionen zu induzieren.124

2.2 Beschreibungs- und Analysemodelle Nachdem die syntaktischen Grundlagen der Konnektorenbeschreibung nach Pasch et al. (2003) grob referiert und Phänomene benannt worden sind, die mit Modalisierungen zusammenhängen, sollen verschiedene Versuche vorgestellt werden, die pragmatischen Funktionen und Mechanismen der Konnektoren zu erklären. Ein besonders grundlegender Ansatz ist derjenige Eve Sweetsers, der auch im Handbuch der deutschen Konnektoren als Beschreibungsfolie dient. Mit

124 Ausführlich wird dieser Komplex in Pasch et al. (2003) auf den Seiten 149–163 für das Gegenwartsdeutsche dargestellt.

2 Modalität und Konnektoren

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der Erweiterung des vierten Konnektorenmerkmals (Die Argumente der Bedeutung von x sind propositionale Strukturen.) sind die drei Domänen angesprochen, die Eve Sweetser zuerst für Modalverben benannt und dann auf Deutungsarten der Satzverknüpfung übertragen hat. Neben Propositionen im engeren Sinne können epistemische Minimaleinheiten und Illokutionen Argumente der Konnektorenbedeutung sein. In der Konnektorenforschung wurde die Dreiteilung vielfach aufgegriffen und soll auch in der vorliegenden Untersuchung Anwendung finden.

2.2.1 Domänen der Verknüpfung Schon der Titel ihrer berühmten Arbeit drückt aus, welchen semantischen Ansatz Eve Sweetser verfolgt: From Etymology to Pragmatics. Es ist ein zunächst diachron ausgerichteter, bedeutungsminimalistischer, den sie auf diverse Bereiche überträgt. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt bei den Autosemantika, behandelt das Gebiet der Modalität und kommt dann zu syntaktischen Verknüpfungen. Im Hintergrund steht dabei die klassische Vorstellung, dass Metaphorisierung ein zentraler Prozess bei der Bedeutungsveränderung ist, der nach Sweetser auch synchrone Polysemien und pragmatische Ambiguitäten erklärt.125 Die drei Ebenen, auf denen Modalität interpretiert werden kann, sieht sie auch als Deutungsraster für Satzverknüpfungen an. Textbeispiele lassen rasch erkennen, was damit gemeint ist: a43 Ortwin spannt den Schirm auf, weil es regnet. a44 Es regnet, weil die Leute ihre Schirme aufspannen. a45 Nimm einen Schirm mit! Es regnet nämlich. a43 ist auf der propositionalen Ebene zu deuten, a44 auf der epistemischen und a45 auf der Sprechaktebene. Für diese drei verschiedenen Deutungen sind folgende Paraphrasen möglich: a43’ Ortwin spannt den Schirm auf. Der Grund für diesen Sachverhalt ist der Sachverhalt, dass es regnet (und Ortwin nicht nass werden will). a44’ Der Grund für die Annahme/Schlussfolgerung, dass es regnet, besteht in der Beobachtung oder im Wissen, dass die Leute ihre Schirme aufspannen (um nicht nass zu werden). 125 Sweetser bezieht sich hauptsächlich auf die Metapherntheorie, die von George Lakoff und Mark Johnson (1980, deutsch Heidelberg 20044) entwickelt wurde. Grammatikalisierungstheoretisch stehen v. a. die Arbeiten von Elizabeth Closs Traugott im Hintergrund. Zur Bedeutung der Metapher in Grammatikalisierungsprozessen vgl. ferner Kapitel B. 3.  

58

B Theoretische Grundlagen

a45’ Der Grund dafür, dass der Sprechakt Nimm deinen Schirm mit geäußert wird, ist die Beobachtung/Tatsache, dass es regnet (und der Sprecher verhindern will, dass der Hörer nass wird). Dass a43 auch epistemisch interpretiert werden kann und sich auch für a44 ein abenteuerlicher Kontext konstruieren lässt, der eine propositionale Deutung erlaubt, greift die Theorie an sich nicht an: a43’’ Aus der Tatsache, dass es regnet, leite ich die Annahme ab, dass Ortwin (der gerade in der Stadt spazieren geht) jetzt (wohl) seinen Schirm aufspannt. a44’’ Nach dem verabredeten Zeichen, dem Aufspannen der Schirme, ließ der Regisseur die Regenmaschine starten. Alle diese Beispiele enthalten eine kausale Verknüpfung. Hardarik Blühdorn (2006, S. 266) bezeichnet das ‚verursachende Objekt‘ in der propositionalen Verknüpfung als ‚Ursache‘, in der epistemischen als ‚Grund‘ oder ‚Evidenz‘ und in der illokutionären als ‚Motiv‘. Das ‚verursachte Objekt‘ nennt er auf der ersten Ebene ‚Wirkung‘, auf den beiden modalen, der epistemischen und der illokutionären, ‚Folge‘ oder ‚Folgerung‘. Epistemische und sprechaktbezogene Verknüpfungen können aus zwei Gründen als modal bezeichnet werden. Erstens weist der Sprecher auf sich selbst, zweitens ist in einem Konnekt etwas ausgedrückt, das von eingeschränkter oder offener Faktizität ist. Für epistemische und sprechaktbezogene Verknüpfungen der kausalen Art formuliert: Der Sprecher weist in einer epistemischen Verknüpfung auf sich selbst, indem er die Proposition, die durch das externe Konnekt ausgedrückt wird, als seine Annahme, Behauptung und/oder möglich kennzeichnet. Somit ist die Faktizität als offen oder eingeschränkt gekennzeichnet. Der Sprecher deckt argumentativ den Grund oder die Evidenz auf, die ihn zu der Annahme gebracht haben oder die er als solchen Grund/solche Evidenz markieren will. Der Sprecher weist in einer sprechaktbezogenen Verknüpfung auf sich selbst, indem er einen Sprechakt vollzieht (externes Konnekt) und sein Motiv dafür angibt (internes Konnekt). Sprechakte sind, wie oben gezeigt wurde, (mindestens zu einem bestimmten Zeitpunkt) hinsichtlich ihres Faktizitätswertes offen. Innerhalb einer sprechaktbezogenen Verknüpfung kann auch ein indirekter Sprechakt identifiziert und expliziert werden.126

126 Vgl. z. B. Pasch et al. (2003), S. 188, Beispiel (9): Morgen ist Institutsratssitzung. Da sollst du nämlich hingehen und deinen Chef vertreten.  

2 Modalität und Konnektoren

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Epistemische und sprechaktbezogene Lesarten sind nicht immer möglich.127 Sie sind zweifellos dann möglich, wenn der Konnektor keine komplexe Proposition aus den Propositionen seiner beiden Konnekte bildet. Das gilt für sogenannte nichtpropositionale Konnektoren (z. B. denn), aber auch z. B. für weil, das sowohl wie ein propositionaler128 als auch wie ein nichtpropositionaler Konnektor verwendet werden kann und bisweilen mehrere Deutungen zulässt (vgl. a43’ und a43’’). Teil der propositionalen Struktur ist der epistemische Modus. Verknüpft ein Konnektor zwei Propositionen, ohne eine komplexe Proposition zu bilden, stehen auch die epistemischen Modi der beiden Propositionen im Skopus des Konnektors.129  

a46

Es regnet wohl.

epist. Modus

modalisierte Deklarativität



Denn die Leute spannen ihre Schirme auf. Konstativität

Dabei ist die modalisierte Deklarativität, die durch die Modalpartikel wohl besonders markiert wird, auch ohne diesen Modalitätsmarker gegeben; die Interpunktion weist auf zwei eigenständige Intonationseinheiten der beiden Teilsätze hin. Der Konnektor denn ist darüber hinaus nicht integriert, er steht in Nullposition. Alle diese Eigenschaften von a46 legen es nahe (in ihrer Kombination sogar zwingend), die Verknüpfung auf der epistemischen Ebene zu deuten. Blühdorns vier „Bedingungen“ für die epistemische Deutung einer Verknüpfung könnte man vorsichtiger als ‚Indizien‘ bezeichnen: „syntaktische Desintegration der Konnekte“, „getrennte prosodische Phrasierung der Konnekte“, „Definitheit des Bezugsrelats“ und „Modalitätsmarker in der Umgebung des Konnektors“.130 127 Vgl. zu diesem Abschnitt Pasch et al. (2003), S. 173–179. 128 Ein propositionaler Konnektor bildet eine komplexe Proposition aus den Propositionen seiner beiden Konnekte. Beispiel: Ehe die Wiese gemäht wurde, musste es drei Tage trocken sein. Vgl. Pasch et al. (2003), S. 175 ff. 129 „Den Skopus eines Konnektors bilden […] die Bedeutungen seiner beiden Konnekte.“ Pasch et al. (2003), S. 58. 130 Blühdorn (2008a), S. 221. Vgl. auch Breindl/Waßner (2006), S. 54, Fußnote 5: „Die Affinität von Indikator und Lesart reicht von Lesartbegünstigung bis Lesarterzwingung. So sind modalisierte Prädikate und Ausdrücke der epistemischen Einstellung natürlich keine Garanten für eine Interpretation als epistemische Minimaleinheit und folglich eine Begründungslesart, ebensowenig garantieren Ereignisprädikate eine temporale Lesart. Dagegen scheinen die formalgrammatischen Indikatoren Kombination mit und, Integration in temporalen Nebensatz einerseits und Kombination mit Kausalmarkern andererseits tatsächlich ‚harte‘ Garanten für die jeweilige Lesart.“ Vgl. zu den Kriterien ferner Sweetser (1990), S. 76 ff. und Wegener (1998), S. 42.  



60

B Theoretische Grundlagen

Sie alle müssen differenzierter betrachtet werden. Die syntaktische Integration/Desintegration kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Generell lässt sich sagen, dass bei Subordination die Integration höher ist als bei Koordination und bei syntaktisch eingebetteten Ausdrücken höher als bei nichteingebetteten. Zudem spielt die Position des internen Konnekts eine Rolle. In Anlehnung an Volodina (2009a, S. 154) wurde eine Übersicht entwickelt, die das Zusammenspiel dieser drei Faktoren zeigt: Tab. 9: Integration und Desintegration bei Konnektorphrasen. Abkürzungen:131 P = Position; E = Einbettung; S = Subordination; ante = anteponiertes internes Konnekt; links = linksversetztes internes Konnekt; post = postponiertes internes Konnekt; par = parenthetisch eingeschobenes internes Konnekt. P

E

S

a47

Weil es jetzt regnet, spannt Ortwin den Schirm auf.

ante +

+

a48

Wenn es regnet, dann spannt Ortwin den Schirm auf.

links –

+

a49

Ortwin spannt, weil es jetzt regnet, den Schirm auf.

par



+

a50

Ortwin spannt den Schirm auf, weil es jetzt regnet.

post –

+

a51

Angenommen, er hat einen Schirm dabei, wird er ihn aufspannen.

ante +



a52

Es regnet, weswegen Ortwin den Schirm aufspannt.

post –

+

a53

Weil du so fragend schaust: er spannt wegen des Regens ante – den Schirm auf.

+

Desintegration a54

Ortwin spannt den Schirm auf, denn/weil es regnet jetzt. post –



Integration

Die Postponierer a52 und vor allem die Verbzweitsatz-Einbetter a51 fügen sich in diese Skala nicht gut ein. Das liegt bei letzteren daran, dass sie ihr internes Konnekt zwar einbetten, es aber nicht subordinieren. Sie sind nicht Gegenstand der Untersuchung und werden daher nicht weiter erörtert.132 In a52 liegt mit dem weiterführenden Relativsatz ein Typ vor, der sich nur schwer eindeutig als koordiniert oder subordiniert bezeichnen lässt (vgl. Fabricius-Hansen 1992, S. 462 f.).  

131 Vgl. zur Terminologie Pasch et al. (2003), S. 73 f. und S. 230–237. 132 Zur Auswahl der Konnektoren vgl. Kapitel B. 3.3. Keiner der bei Pasch et al. (2003), S. 440, aufgelisteten Verbzweitsatz-Einbetter ist im engeren Sinne als kausal zu bezeichnen. Zudem kommen im Textkorpus angenommen; für den Fall; gesetzt den Fall; im Falle; unterstellt; vorausgesetzt nicht vor. Einzig der Verbzweitsatz-Einbetter gesetzt begegnet einmal.  

61

2 Modalität und Konnektoren

Die syntaktische Desintegration geht oft mit prosodischer Desintegration der Konnekte einher, die dann meist in der Interpunktion sichtbar wird. Beide Formen der Desintegration machen eine modale Deutung der Verknüpfung wahrscheinlicher.133 Allerdings scheint sowohl der Zusammenhang zwischen syntaktischer und prosodischer Desintegration als auch die Bedeutung dieses Zusammenhangs für die Interpretation (modal oder propositional) bei Konnektoren diverser semantischer Gruppen unterschiedlich zu sein. Auf epistemischer Ebene, das hat Anna Volodina nachgewiesen, verhalten sich kausale Verknüpfungen im Hinblick auf prosodische und syntaktische Desintegration nicht gleich, was sie durch unterschiedliche Fokus-Hintergrund-Gliederung erklärt (vgl. Volodina 2009a, S. 157 f.). Ob man einen „einheitlichen Beschreibungsansatz für kausale und konditionale Relationen“ für ein früheres Stadium der deutschen Sprache dennoch aufrecht erhalten und gleichzeitig annehmen kann, „dass die Sweetser’schen Ebenen selbst Ursache für die sprachliche Markierung sind“ (Volodina 2009a, S. 158), muss sich in der diachronen Untersuchung herausstellen. Nichtpropositionale Konnektoren (z. B. da) wirken bereits „semantisch desintegrierend“ – prosodische und syntaktische Desintegration sind bei ihnen nicht nötig, damit die Verknüpfung modal interpretiert werden kann (gl. Pasch et al. 2003, S. 397). Im Gegensatz zum sogenannten epistemischen weil kann der nichtpropositionale Konnektor da zusammen mit seinem internen Konnekt vor dem externen Konnekt stehen, ohne dass dies eine epistemische Deutung ausschließt:  



a55 Da die Leute ihre Schirme aufspannen, regnet es. Die Blockierung epistemischer Lesarten scheint aber auch bei anteponierten weilSätzen aufgehoben werden zu können – zumindest in speziellen Kontexten: a56 A: Es regnet doch schon wieder. B: Was? Nein, nie und nimmer, von Regen keine Spur! A: Doch! Schon weil die Leute ihre Schirme aufspannen, regnet es. Überhaupt wird die Akzeptabilität epistemischer weil-Sätze unterschiedlich bewertet, vgl. a57 */? Weil die Heizungsröhren geplatzt sind, hat es Frost gegeben. a58 ? Weil die Heizungsröhren geplatzt sind, muss es (wohl) Frost gegeben haben.

133 Vgl. z. B. Sweetser (1990), S. 77 und S. 82 f.; ferner in Ansätzen Peyer (1997), S. 124 ff.; Blühdorn (2008a), S. 221 f.  







62

B Theoretische Grundlagen

Syntaktisch und prosodisch desintegriert kann auch der Konnektor selbst sein, wenn er von seinem internen Konnekt abgehoben ist. Vor allem für Subjunktoren mit folgendem Verbzweitsatz ist dieses Phänomen erforscht.134 Für solche lange Zeit als ungrammatisch getadelten Konstruktionen kann auf die obigen Ausführungen zu den Diskursmarkern, die das Vorvorfeld besetzen, verwiesen werden. Bei verschiedenen Adverbkonnektoren ist es für die modale Deutung nicht förderlich oder gar notwendig, wenn sie nicht in ihr internes Konnekt integriert, also desintegriert sind. Besonders bei sprechaktbezogenen Verknüpfungen ist dies der Fall (vgl. das bereits zitierte Beispiel a19 Morgen ist Institutsratssitzung. Da musst du nämlich hin). Die beiden Konnekte sind hierbei jedoch prosodisch voneinander abgehoben. Insgesamt lässt sich zur syntaktischen (und damit indirekt zur prosodischen) Integration/Desintegration der Konnekte festhalten, was die Korpusstudie von Breindl und Walter (2009, S. 167) als Ergebnis liefert: Hochintegrierte Konstruktionen lassen semantische [d. h. propositional zu interpretierende, S.G.] Relationen erwarten, gering integrierte Konstruktionen können auch pragmatische [d. h. modal zu interpretierende, S.G.] Relationen kodieren. Hier ließ sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen desintegrierten Konstruktionen und einer pragmatischen Lesart nachweisen.  



Kürzlich wurde darauf hingewiesen, dass kausale Adverbkonnektoren in Nacherstposition (nämlich, schließlich, folglich, mithin) „auf der epistemischen Ebene der Annahmen, Begründungen und Schlussfolgerungen verknüpfen“, was unter anderem mit Funktionsähnlichkeiten zwischen Nacherststellung und Nullposition begründet wird (Breindl, 2011, S. 22 und 31). Das zweite Indiz: ‚Definit‘ im Sinne Blühdorns ist das Bezugsrelat dann, wenn der Hörer den entsprechenden Sachverhalt „identifizieren kann“, z. B. wenn er dem Hörer „schon bekannt ist“;135 dieses Indiz für eine modale Deutung bringt zwei Schwierigkeiten mit sich. Erstens ist es im Rahmen einer Korpusstudie kaum möglich, einen Parameter ‚Identifizierbarkeit‘ aufzustellen, weil in den Texten nur schwer oder nicht entschieden werden kann, was bei den Hörern (Dialogpartnern, Lesern etc.) als bekannt oder identifizierbar vorauszusetzen ist. Mögliche Indizien für die Definitheit des internen Konnekts sind bestimmte Artikel und Pronomina (vgl. Breindl/Walter 2009, S. 68), jedoch können diese aus stilisti 

134 Vgl. exemplarisch Keller (1993) und ferner den umfänglichen Überblick zur Forschungsliteratur zu diesem vieldiskutierten Themenkomplex in Pasch et al. (2003), S. 410 f. 135 Blühdorn (2008a), S. 223. Die „Definitheit ermöglicht […] die semantische Umkategorisierung des Nebensatzreferenten vom Sachverhalt zur Proposition und damit eine epistemische Deutung der Verknüpfung“.  

2 Modalität und Konnektoren

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schen Gründen, eventuell in manipulativer Absicht oder auch in nähesprachlichen Texten auch dann verwendet werden, wenn sie sich auf Unbekanntes beziehen. Zweitens sind sowohl mit ‚bekannt‘ als auch mit ‚identifizierbar‘ zwei Phänomene angesprochen, die einander ebenfalls überschneiden: Evidentialität und Präsuppositionalität. Die Proposition eines weil-Satzes kann wie die eines daSatzes präsuppositional und auch evident sein; sie kann sowohl identifizierbar als auch bekannt sein: a59 Ich komme nicht mit, weil/da es regnet (wie du siehst/weißt). Ferner lassen sich problemlos Fälle finden, in denen die Proposition von weilund da-Sätzen nicht evident, also auch nicht dem Hörer bekannt oder von ihm identifizierbar sind: a60 Ich komme nicht mit, weil/da ich keine Lust habe. Damit ist freilich nicht gesagt, dass da und weil sich nicht unterscheiden würden: Während da präsupponiert, dass die Proposition seines internen Konnekts faktisch ist, tut weil dies nicht. Auch ist nicht bestritten, dass manche Sprachteilnehmer gewisse Verwendungsweisen als nicht wohlgeformt bewerten würden. Für eine historisch-diachrone Analyse, die ja erst Ergebnisse zu den Verwendungsbedingungen frühneuhochdeutscher Konnektoren liefern soll, kann aber nicht vorausgesetzt werden, dass ein kausaler Konnektor wie da die Definitheit eines Sachverhalts anzeige oder die Faktizität präsupponiere, während ein anderer wie dieweil dies nicht tue. Es gibt auch im Gegenwartsdeutschen durchaus Verwendungsweisen, die von vielen Sprachteilnehmern als wohlgeformt empfunden werden, während sie in der Forschungsliteratur als ungrammatisch gelten.136 Das betrifft die Frage nach der Substituierbarkeit von da und weil, hierher gehö-

136 Vgl. die Beispiele von Eggs (2001), S. 63. Er bringt folgenden Beispielsatz: Petra heiratet Klaus, möglicherweise weil sie ihn liebt. Die Anbindung eines da-Satzes hält er für ungrammatisch: Petra heiratet Klaus, möglicherweise *da sie ihn liebt. Auch als Antwort auf eine warum-Frage eigne sich ein da-Satz nicht: Warum heiratet Klaus Petra? *Da sie ihn liebt. Auch wenn wohl meist die weil-Konstruktion gewählt wird, werden die da-Varianten durchaus von vielen Sprachteilnehmern akzeptiert. Dass „der im da-Satz ausgedrückte Sachverhalt thematisch ist und somit dem Hörer auch bekannt sein muss“ (S. 65), ist für viele Fälle zu streng formuliert. In seinem Beispiel Du solltest unbedingt zum Arzt gehen, *da du ja ganz bleich bist. (S. 65, Hervorhebungen nicht übernommen) ist es der Modalpartikel ja zuzuschreiben, dass die Information thematisch wird, nicht dem da. Ohne die Modalpartikel wird der Satz akzeptabel.

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B Theoretische Grundlagen

ren aber z. B. auch bestimmte Korrelatkonstruktionen, die als „umstritten“ gelten137, und solche, die als zuverlässige Indikatoren für propositionale Deutungen angesehen wurden:  

Wenn sich der Subjunktor auf den epistemischen Modus und/oder die kommunikative Funktion des externen Konnekts bezieht, kann die Subjunktorphrase nicht als Spezifikator eines Korrelats in einer attributiven Korrelatkonstruktion verwendet werden, da die attributive Verwendung einer Subjunktorphrase in einer solchen Konstruktion nur eine Beziehung auf der Ebene der Propositionen herstellt (Pasch et al. 2003, S. 396).

Als eindeutiger Hinweis auf propositionale Lesarten kann eine solche Korrelatkonstruktion aber nicht dienen, wie a61 zeigt: a61 Es hat (schon) deswegen Frost gegeben, weil die Dahlien ganz schwarz sind. Der Korrelatbegriff wird in der vorliegenden Untersuchung nach Pasch et al. (2003, S. 250) definiert: Für Ausdrücke, die als Korrelate fungieren können, ist charakteristisch, dass sie auf einen Sachverhalt referieren, dabei aber ihr Denotat nicht beschreiben, d. h. nicht näher durch den Ausdruck von Prädikaten charakterisieren, sondern nur auf ihr Denotat verweisen […].  

In den Beispielen, die aus Pasch et al. übernommen wurden, ist dann als Korrelat fettgedruckt, die eingerahmten Ausdrücke werden als „Korrelatspezifikatoren“ bezeichnet, da sie spezifizieren, „worin der vom Korrelat bezeichnete Sachverhalt besteht“ (Pasch et al. 2003, S. 248.): a62 Wenn es dir zu kalt ist , dann schließt Paul die Tür a63 Ich schließe erst dann die Tür, wenn es dir zu kalt wird . Je nach Abfolge von Korrelat und Korrelatspezifikator handelt es sich nach Pasch et al. um kataphorische (a63) oder anaphorische (a62) Korrelate. Auf epistemische Lesarten bei Korrelatkonstruktionen weisen auch Breindl und Walter (2009, S. 146 und 170) hin. Ihre Ergebnisse stützen ferner die Annahme, dass Modalitätsmarker in Umgebung des Konnektors modale Lesarten begünstigen (Breindl/Walter 2009, S. 167). Blühdorn (2008a, S. 223) zählt zu diesen Markern z. B. „epistemische Verben“, die „Verwendung des Konjunktivs“, „epis 

137 Breindl/Walter (2009), S. 146; vgl. zur Akzeptabilität von attributiven Korrelatkonstuktionen mit deshalb…da Pasch et al. (2003), S. 262.

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2 Modalität und Konnektoren

temische Adverbien oder Partikeln“. Breindl/Walter (2009, S. 72 f.) sprechen von ‚Subjektivitätsindikatoren‘. Sie erheben ein Merkmal ‚SPRECHEREINSTELLUNG‘ und listen dafür die folgende Ausdrucksformen auf: „Modalverben“, „bewertende“ (z. B. hoffentlich) und „geltungsbezogenen Adverbien“ (z. B. wahrscheinlich) sowie „Verben der propositionalen Einstellung“ (z. B. glauben). Außerdem werden die Merkmale ‚EXPERIENCER‘, ‚NONFAKT‘ (je im Konsequenz) und ‚WERTUNG‘ (in Antezedenz und Konsequenz) mit epistemischen Verknüpfungen in Zusammenhang gebracht. Unter Experiencer verstehen sie die „Partizipantenrollen, die als ‚Tiefensubjekt‘ […] der Träger einer Wahrnehmung, Empfindung oder Einschätzung ist“; erfasst werden hierfür „evaluative Prädikate“ (z. B. gut/ schlecht, hassen/mögen), „Prädikate der psychischen Einstellung“ (z. B. erschrecken, sich freuen) sowie „Prädikate der propositionalen Einstellung“ (z. B. vermuten, annehmen) (Breindl/Walter 2009, S. 75 f.). Verschiedene dieser Merkmale (z. B. NONFAKT und WERTUNG) lassen sich auch zusammenlegen. Breindl und Walter verbinden in ihrer Studie zwei Ansätze, nämlich denjenigen Sweetsers mit Theorien zu Diskursrelationen. Letztere werden im folgenden Kapitel gesondert vorgestellt. Korpusstudien sowie Ausführungen zu frei gebildeten Beispielen zeigen, dass es ratsam ist, Sweetsers Deutungsraster methodisch zu flankieren. Die Zuordnung einzelner Belege zu einer der drei Ebenen kann Probleme bereiten. Häufig werden Verknüpfungen dann als epistemisch oder sprechaktbezogen interpretiert, wenn eine propositionale Deutung nicht sinnvoll wirkt. Im Gegenzug sind gerade propositionale Verknüpfungen oft auch offen für eine der modalen Deutungen, wobei Rezipienten diese komplexere Interpretation dann oft nicht leisten.138 Auch hier ist es sinnvoll, die Verknüpfung im weiteren, eventuell desambiguierenden Kontext zu lesen. Hierbei ist auf die oben genannten Indizien zu achten, ferner auf solche, die z. B. im Rahmen der ‚Rhetorical Structure Theory‘ herauspräpariert werden konnten (s. Kapitel B. 2.2.2). Von verschiedenen Seiten ist der Ansatz Sweetsers kritisiert worden. So schlägt Lang eine Präzisierung und eine Erweiterung vor, welche er anhand adversativer Konnektoren entwickelt. Die Erweiterung besteht in einer vierten Ebene, die er Textprogression („textual progression“) oder Diskursperspektive  



















138 Vgl. hierzu Sweetser (1990), S. 80. In ihrer korpusbasierten Studie konnten Breindl und Walter (2009), S. 168 dies beobachten: „Die Annotator(inn)en gaben sich offenbar mit einer faktisch-objektiven Interpretation zufrieden, sobald diese auch auf einer Sachebene plausibel ist – und diese Plausibilität ist allen Fällen außer reduktiven Schlüssen gegeben.“ Ein sowohl propositional als auch epistemisch interpretierbarer Satz wie Julia geht zu dem Konzert, weil sie den Komponisten schätzt würde wohl von den meisten Lesern nur auf der propositionalen Ebene gedeutet werden.

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B Theoretische Grundlagen

(„discourse perspective“) nennt und die er nicht als eine neben den drei Sweetser’schen Ebenen verstanden wissen will, sondern als zu ihnen allen quer verlaufend (Lang 2000, S. 238 und 253). Im Falle der adversativen Konnektoren but und aber sei diese vierte Ebene die entscheidende, wohingegen eine Interpretation über die epistemische Ebene nicht eindeutig möglich sei (vgl. Lang 2000, S. 244 f.). Lang bestreitet ferner, dass die Form für die Deutung irrelevant und eine pragmatisch motivierte Auswahl entscheidend sei.139 Er greift mit seiner Kritik entweder Punkte auf, von denen Sweetser (1990, S. 145 ff.) selbst sagt, dass sie näher untersucht werden müssen, oder aber er nimmt von seiner Kritik die Theorie selbst aus und formuliert genauer, was von Sweetser bereits abgesteckt oder angedeutet worden ist. Dass es ebenenspezifische distributionelle Beschränkungen für einzelne Konnektoren geben dürfte, ist eine solche Präzisierung, für die Sweetsers Ansatz prinzipiell offen ist.140 Es geht hier darum, durch welche Satztypen die Konnekte ausgedrückt sind und wie sich die Konnekte intern z. B. in Bezug auf ihre Informationsstruktur voneinander unterscheiden, welche Satzmodi beteiligt sind, ob die Reihenfolge der Konnekte festgelegt ist etc. Lang (2000, S. 253) formuliert die Restriktionen für die drei Ebenen so:  





a.

Content-level interpretation is reserved for conjunctions of declarative clauses that render STATEMENTS (i. e. entities to be related to the world via truth conditions) […]. Epistemic-level interpretation is confined to conjunctions of declarative clauses, of which at least one is marked as rendering an ASSUMPTION […]. Speech act level-interpretation is available for conjunctions of non-declaratives […] as well as for conjunctions of clauses differing as to type but with one clause being marked as rendering a SPEECH ACT […].  

b. c.

Der Kritik Langs soll Rechnung getragen werden, indem in der Analyse die entsprechenden Parameter abgegriffen werden (syntaktische Form der Konnekte, ihre Abfolge, Satzmodi, Illokutionstypen etc.). Für (im weiteren Sinne) kausale und konditionale Verknüpfungen hat sich Sweetsers Modell insofern bewährt, als sie gegenwartssprachlich in allen drei Domänen (propositional, epistemisch und sprechaktbezogen) interpretiert werden können und hiermit alle Deutungsmöglichkeiten der Kausalität und Konditionalität abgedeckt sind. Gewiss schließt das Ambiguitäten nicht aus. Auch sind den drei Deutungsmöglichkeiten im Deutschen nicht eindeutig drei Kodierungsarten zugeordnet (vgl. Volodina 2009a,

139 Vgl. Lang (2000), S. 236, mit Bezug auf Sweetser (1990), S. 78. 140 Vgl. Lang (2000), S. 238, für die folgenden Präzisierungen S. 240–243.

2 Modalität und Konnektoren

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S. 158). „Die Tatsache, dass im Deutschen die Sweetser-Ebenen nicht zeichenhaft kodiert sind […]“ (Volodina 2010, S. 3) und dass eine Zuordnung zu einer der drei Ebenen häufig nicht eindeutig erfolgen kann (vgl. Breindl/Walter 2009, S. 4), stößt die Theorie nicht um. Bei aller Kritik wird der Ansatz prinzipiell meist anerkannt.141 Es geht in den neueren Untersuchungen nicht in erster Linie darum, aufzuzeigen oder zu widerlegen, dass die drei Ebenen für die Konnektorenbeschreibung relevant sind, sondern vielmehr darum festzustellen, ob es erstens Tendenzen oder Beschränkungen verschiedener Konnektoren oder Konnektorengruppen in Hinblick auf die einzelnen Ebenen gibt, ob zweitens spezifische syntaktische oder semantische Besonderheiten auszumachen sind, wenn Konnektoren auf einer der Ebenen interpretiert werden, und ob drittens generell „Korrelationen“ bestehen zwischen den drei Verknüpfungsarten und „der syntaktischen und prosodischen Form“.142 Mit der jeweiligen Deutungsebene hängt die Unterteilung der Konnektoren in propositionale und nicht-propositionale zusammen. Durchaus nicht alle gegenwartsdeutschen Konnektoren lassen sich eindeutig einer der beiden Gruppen zuweisen; weil und obwohl sind keine rein propositionalen Konnektoren, sondern „hinsichtlich der Verknüpfungsebene unterspezifiziert“ (Breindl/Walter 2009, S. 19). Frühneuhochdeutsche Konnektoren, so die These, entziehen sich einer eindeutigen Zuordnung auch auf diesem Feld viel stärker als die gegenwartssprachlichen. Die Ausführungen Blühdorns, der den „modalen Gebrauch bei Konnektoren“ zu erklären versucht und Möglichkeiten aufdeckt, (im weiteren Sinne) temporale (und damit propositionale) Verknüpfungen von epistemischen zu unterscheiden, rechtfertigen diese These, da sie die Ambiguitäten (temporal – epistemisch) im Gegenwartsdeutschen thematisieren.143 Zu prüfen ist für das Frühneuhochdeutsche auch sein Ergebnis, dass sich für die Konnektoren mit sog. Hauptsatzstellung des Finitums „eine generelle Spezialisierung auf modale (epistemische und deontisch-illokutionäre) Verknüpfungen“ anbietet, sobald eine Sprache „bedeutungsähnliche“ Konnektoren auf unterschiedlichen Strukturniveaus als „Ausdrucksalternativen“ aufweist (Konnektoren wie denn und weil) (Blühdorn 2008a, S. 247). Sweetser hat mit ihren Ausführungen Linguisten unterschiedlicher Strömungen inspiriert, was darauf hindeutet, dass ihre Theorie erstens tragfähig, zweitens aber an manchen Stellen noch ausbaufähig ist. Gleichzeitig ist ihr Ansatz kom-

141 Vgl. Lang (2000), S. 235; Pasch et al. (2003); Volodina (2010), S. 26. 142 Breindl/Walter (2009), S. 17. Vgl. auch Volodina (2010), S. 2; Stede/Walter (2011). 143 Blühdorn (2008a), S. 248. Vgl. nur fnhd. weil, dieweil(en) und dagegen nhd. weil, derweil.

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B Theoretische Grundlagen

patibel mit anderen. Nur einige wenige dieser Ansätze können im Rahmen dieser Arbeit angerissen werden. Aus ihnen werden einige Ergänzungen für die Analyse übernommen.

2.2.2 Diskursrelationen In der Rhetorical Structure Theory (RTS) wird der Versuch unternommen, die Struktur, die Organisation von natürlichen Texten zu ermitteln und abzubilden mithilfe von sogenannten „coherence relations“ (Diskursrelationen).144 Dabei wird einem Text zunächst Kohärenz unterstellt, die Existenz und Anordnung aller Bestandteile gilt als funktional motiviert und erklärbar. Zwischen je zwei Einheiten (‚units‘) bestehen Relationen, wobei die Größe der Einheiten beliebig ist – meist sind es Sätze (‚clauses‘). Die Richtung der Textbeschreibung verläuft vom Kleinen zum Großen: Relationen, Schemata145, Strukturen. Die Ausrichtung des Ansatzes selbst ist umgekehrt die vom Großen zum Kleinen: Die vorausgesetzte rhetorische Struktur des Textes, die Organisation des Diskurses, schlägt sich nieder in Textgrammatik und Syntax, somit auch in Verknüpfungsformen (vgl. Frohning 2007, S. 44 f.). Warum welcher Konnektor gewählt wird, sei auch über die Funktion innerhalb des Diskurses zu erklären; in besonderer Weise findet die hierarchische Gliederung des Textes in der Hypotaxe bzw. der Subordination ihr syntaktisches Pendant, weil mit ihr eine Gewichtung der Information vorgenommen werden kann. Während die RST entwickelt wurde, stellte sich heraus, dass ein NukleusSatellit-Modell die Einheiten einer Relation beschreiben kann. Grob zusammengefasst bestehen die Relationen meist zwischen einem Nukleus und einem Satellit (sind also eher asymmetrischer Natur), wohingegen das Verhältnis der Nuklei in den Schemata abgebildet wird. Mann und Thompson listen zwölf Diskursrelationen auf, von denen sie sieben in je zwei Subtypen unterteilen, die kausale Diskursrelation sogar in fünf: volitional cause, non-volitional cause, volitional result, non-volitional result und purpose.146 Sie ist damit die komplexeste. Interessant ist, dass der Textproduzent sozusagen als Rhetor, als Gestalter in den Blick genommen wird, der für die Strukturierung des Textes (somit auch der syntaktischen  

144 Vgl. Mann/Thompson (1988), S. 243. Ferner Knott/Sanders (1990), passim. 145 Mann/Thompson (1988), S. 245: „[…] the schemas define patterns in which a particular span of text can be analyzed in terms of other spans.“ 146 Vgl. Mann/Thompson (1988), S. 250 ff. Die Bezeichnungen der anderen Diskursrelationen sind: Circumstance, Solutionhood, Elaboration, Background, Enablement und Motivation, Evidence und Justify, Antithesis und Concession, Condition und Otherwise, Interpretation und Evaluation, Restatement und Summary, Other Relations (Sequence und Contrast).  

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Ebene) verantwortlich ist, dass also der Analyst im Gegenzug (vermittelt) auf die Sprecherintention schließen könnte. Alistair Knott und Ted Sanders (1998) wollen die unterschiedlichen und recht vielgestaltigen Diskursrelationen, die in der Literatur diskutiert werden, mittels eines hierarchischen Stufenmodells ordnen und beschränken.147 Sie beziehen sich dabei ausdrücklich auf Sweetsers Ansatz (vgl. Knott/Sanders 1998, S. 140, Fußnote 2). Allerdings fallen die epistemische und die sprechaktbezogene Ebene zusammen. Die Autoren formulieren vier sogenannte „cognitive primitives“, die je dichotomisch angelegt sind und deren Ausformungen in Kombination insgesamt wieder zwölf Diskursrelationen zulassen: –







BASIC OPERATION: every relation is deemed to have either a CAUSAL or an ADDITIVE component. CAUSAL relations are those where a ‚relevant‘ causal connection exists between the spans; all other relations are ADDITIVE. SOURCE OF COHERENCE: every relation is coherent on SEMANTIC or PRAGMATIC grounds. It is semantic if the spans are related in terms of their propositional content and pragmatic if they are related because of their illocutionary force. POLARITY: a relation is POSITIVE if its basic operation links the content of the two spans as they stand, and NEGATIVE if it links the content of one of the spans to the negation of the content of the other span. Negative polarity relations typically involve either a violation of expectation, where the expectation derives from a causal basic relation; or a contrast, where the basic relation is additive. ORDER OF SEGMENTS: this distinction only applies to CAUSAL relations; they are deemed to have BASIC order if the antecedent is on the left, and NON-BASIC order if it is on the right (Knott/Sanders 1998, S. 135–175, hier S. 140).

Nach dieser Skizze grundlegender Gedanken aus der RST soll geprüft werden, ob sich die Theorie für die Analyse frühneuhochdeutscher Texte eignet. Mann und Thompson (1988, S. 245 f.) reflektieren bereits zu Beginn ihrer Ausführungen, von welchem Standpunkt aus eine Analyse nach der RST möglich ist und welche wissensbezogenen Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen:  

In this view of analysis, the analyst has access to the text, has knowledge of the context in which it was written, and shares the cultural conventions of the writer and the expected readers, but has no direct access to either the writer or other readers.

147 Mann/Thompson (1988), S. 250, betonen hingegen, dass ihrer Ansicht nach das Set von Relationen prinzipiell offen ist: „Despite our efforts to say the opposite, some have interpreted our other papers as suggesting that the relations are a closed list, a kind of one-dimensional text theory. We see it as an open set, susceptible to extension and modification for the purposes of particular genres and cultural styles.“

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Indirekt ist hier die hermeneutische Situation historischer Analysen umrissen. Denn Hindernisse ganz unterschiedlicher Art versperren dem Untersuchenden den Weg zu alten Texten. Dabei kann der Entstehungskontext häufig noch recht genau rekonstruiert werden. Aber dass der heutige Leser und Interpret kulturelle Konventionen der Entstehungszeit teile, lässt sich nicht behaupten. Sehr detailliert könnte man diese grundlegenden hermeneutischen Schwierigkeiten schildern. Aber für den Moment sollen sie ausgeblendet bleiben, um die Theorie weiter zu prüfen. Dazu soll wieder die theoretische Basis in den Blick genommen werden. Voraussetzung dafür, dass Relationen erhoben werden können, ist, dass funktionale und semantische Urteile über Texte und Texteinheiten getroffen werden können (vgl. Mann/Thompson 1988, S. 249 f.). Kohärente Texte, so die Annahme, bestehen aus Einheiten, die eine eindeutige Funktion ausüben und deren Auftreten als plausibel gelten muss. Konfrontiert man diese Voraussetzung mit einem frühneuhochdeutschen Textbeleg, der eine Kombination zweier Konnektoren enthält (z. B. nur allein)148, so müsste man, der Theorie folgend, wohl ausweichen und dieser anscheinend pleonastischen Fügung eine expressive Funktion zuschreiben – der Sprecher will wohl irgendetwas (seine Gefühle?) ausdrücken. Eine solche Restklassenlösung kann nicht befriedigen. Ob eine andere Theorie die Kombination besser erklären kann, sei dahingestellt. Wird aber der Anspruch erhoben, jeder Einheit eine Funktion zuweisen zu können, so müsste das gerade auch für markierte Relationen gelten. Eine weitere grundsätzliche Einschränkung zeigen die Vertreter der RST selbst an: Es können nicht alle Arten von Texten gleichermaßen innerhalb dieser Theorie analysiert werden.149 Juridische und berichtende Texte bzw. Textsorten entziehen sich einer solchen Analyse, weil ihre Struktur typischerweise nicht hierarchisch organisiert ist. Gerade für historische Textsorten fehlen noch immer verlässliche Untersuchungen.150 Mit textsortenspezifischen Aspekten hat auch die nächste Einschränkung zu tun. Knott und Sanders beschränken sich ausdrücklich auf monologische Texte, zudem ganz überwiegend schriftsprachlicher Art.151 Eine solche Beschränkung  



148 Z. B.: Aber erſtlich iſt dieſes meine Meynung / […] daß keine Freundſchafft ſeyn knne denn nur allein bey oder vnter ehrlichen vnd frommen Leuten. Lælius (1628), S. 109. 149 Wieder sind es bereits Mann/Thompson (1988), S. 259, die in ihrer gründlichen Arbeit auf dieses Problem verweisen. 150 Vgl. die „vorläufigen Beobachtungen“ in van Gemert (2002), S. 240. Zur deutschsprachigen mittelalterlichen Predigt vgl. Schiewer (2002), S. 283, der auf die „Unsicherheiten“ bei der Beschreibung dieser Textsorte hinweist. 151 Knott/Sanders (1998), S. 136, Fußnote 1. Auch Mann/Thompson (1988), S. 244, beziehen sich ausschließlich auf schriftliche Monologe („written monologue“).  

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würde dann weder Texte zur Analyse zulassen, die dialogisch strukturiert sind, noch solche, die der Mündlichkeit nahestehen, noch solche, die nach klassisch rhetorischen Gesichtspunkten komponiert sind. Gerade Texte dieser Art sind aber im Korpus enthalten – darüber hinaus auch solche, bei denen rhetorische Verfasstheit und Orientierung am mündlichen Sprachgebrauch nicht auseinandergehalten werden können.152 Ferner spielen auch einige Textsorten, die eigentlich als eher monologische gelten müssen, mit Dialogizitätsmustern (Briefe, Predigten, Traktate). Es wurden zwar Versuche unternommen, die RST auch auf dialogische Texte zu übertragen, sie blenden aber grundlegende Probleme aus und müssen zusätzlich zu den etablierten Relationen noch dialogspezifische ansetzen („Comment“, „Correction“, „Cue“) (Stent 2000, S. 248). Diese liegen weder auf demselben logischen Hierarchieniveau wie die anderen (Cause, Condition, Concession etc.), noch lassen sie sich insgesamt unter anderen Gesichtspunkten sinnvoll als Konstituenten eines Systems ansprechen. Zudem überschneiden sich die dialogspezifischen Relationen mit denen, die von Mann/Thompson (1988) vorgeschlagen worden sind und die in solchen Versuchen dann zusätzlich berücksichtigt werden. Dass dialogische Texte wie monologische als „task oriented“ bewertet werden, ist verkürzend und problematisch. Im Hinblick auf die dialogischen Korpustexte müsste eine Aufspaltung der Intention(en) an- und vorgenommen werden – und zwar zunächst auf der Textebene in die Intentionen der verschiedenen Gesprächspartner und dann auf der nächsthöheren Ebene, wo die Intention des Autors bei der Abfassung des Dialogs nach Maßstäben der Plausibilität erklärt werden müsste. Von einer derartigen Aufspaltung ist bei den Texten fraglos auszugehen. Sie muss aber nur dann erörtert werden und in das Analyseinstrumentarium einfließen, wenn die ‚task orientation‘ ein Grundstein der verwendeten Theorie ist. In der RST, die einem Text eine hierarchische Struktur und eine singuläre Stoßrichtung unterstellt, wäre dies der Fall. Die eine Stoßrichtung153 wäre (freilich wieder nur verkürzend) mit der Stoßrichtung des Autors zu identifizieren, während dann eine oder mehrere andere Stoßrichtungen, die im Text vielleicht dialektisch verschränkt sind, vernachlässigt werden müssten, weil eine einzige Stoßrichtung ja nur aus dem Textganzen destilliert werden könnte. Die meisten Dialoge im Textkorpus sind aber nicht so stark sokratisch geformt. In ihnen werden stets zwei oder mehr Stoßrichtungen auf die Figuren verteilt. Durch die Interaktion kommt es zu Kursänderungen, zu Modifikationen, zum Einlenken,

152 Vgl. hierzu Kapitel B. 4., besonders die Ausführungen zu den Reformationsdialogen. 153 Stent (2000), S. 247, spricht hier von „the speaker’s goals“. Wer der Sprecher eines literarischen Dialogs im Sinne der RST ist, kann so nicht beantwortet werden.

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Widerspruch und gegenseitiger Beeinflussung der Stoßrichtungen. Gerade die Komik solcher Texte entsteht häufig aus Kontrastierung und unerwartetem Umschwenken. Alle diese Eigenheiten alter Texte, speziell der gewählten Korpustexte, legen eine andere Vorgehensweise nahe. Einzelne Verknüpfungen sollen nicht als Niederschlag einer großen Struktur aufgefasst, sondern in einem kleineren Kontext analysiert werden. Auch soll nicht von den syntaktischen Relationen die gesamte Struktur erschlossen werden, sondern es werden aus dem unmittelbaren Kontext Indizien für propositionale, epistemische oder sprechaktbezogene Interpretationen erhoben. Die mitunter komplexen rhetorischen Strukturen werden dabei nicht ausgeblendet, sie können aber aufgrund ihrer Komplexität nicht als Ausgangspunkt dienen. Bedeutsam ist der Kontext für die Analyse auch deswegen, weil aus ihm heraus Mehrdeutigkeiten vereindeutigt werden können. Da frühneuhochdeutsche Konnektoren nicht selten sowohl kausal als auch temporal oder konditional, bisweilen auch zusätzlich konzessiv oder adversativ interpretierbar sind, würde aber mit der Festlegung auf ein Set von Diskursrelationen den Analyseergebnissen vorgegriffen werden.154 Das wäre der Fall, wenn auf der ersten Stufe der vier ‚cognitive primitives‘ von Knott und Sanders (1998) die Entscheidung gegen ‚adversative‘ und für ‚causal‘ getroffen werden würde und sich dann die übrigen Diskursrelationen aus Kombinationen mit den restlichen ‚primitives‘ ergeben würden. Es müssten für eine derartige Analyse viel mehr Diskursrelationen berücksichtigt werden als für die gegenwartssprachlich-synchronen Analysen zur Kausalität, was dieses Modell äußerst unhandlich werden ließe. Dasselbe gilt auch für die ältere Typologie von Mann und Thompson (1988); eine Wahl zwischen der kausalen, konditionalen und adversativen Relation wäre ein Präjudiz. Manche Fälle sind nicht oder nur mehrfach klassifizierbar. Bei ihnen ist die Semantik vage gehalten, z. B. eben zwischen Kausalität und Temporalität, Konzessivität oder Adversativität. Erstens müssten daher für die Gesamtanalyse eines einzigen kausalen Konnektors aufgrund seiner potentiellen Polysemie bis zu 16 Diskursrelationen berücksichtigt werden und zweitens müssten, bei der Einzelanalyse eines Belegs, bei dem die Bedeutung z. B. zwischen Kausalität und Adversativität schwankt, zwei Auswertungen durchgeführt werden. Diese Umstände machen beide Modelle für eine Analyse frühneuhochdeutscher Konnektoren wenig attraktiv, ja unbrauchbar.  



154 So kann das frühneuhochdeutsche dieweil temporal, kausal, konzessiv und adversativ verwendet werden. Vgl. Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), S. 467 und 474; Rieck (1977), S. 124–126. Ähnliches lässt sich zu den meisten kausalen frühneuhochdeutschen Konnektoren sagen, vgl. Kapitel B. 1.

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Zu den ‚primitives‘ von Knott und Sanders (1998) sind noch zwei Punkte anzumerken. Erstens lässt sich die Hierarchie nicht für jeden Punkt nachvollziehen. Warum sollte etwa Kausalität verglichen mit der Evidentialität das elementarere Konzept sein? Zweitens wirkt der Zwang zur Paarigkeit innerhalb der einzelnen ‚primitives‘ künstlich, weil er nicht aus dem Untersuchungsgegenstand erwächst, sondern aus dem Modell selbst. Walter und Stede (2011) spalten die Relation ‚pragmatic claim‘ mit Bezug auf Sweetser (1990) auf in ‚pragmatic claim I‘ und ‚pragmatic claim II‘, wobei ersterer der epistemischen Domäne, zweiterer der sprechaktbezogenen Domäne entspricht.155 Drittens: Eine Erweiterung einzelner ‚primitives‘ (wie z. B. durch eine Aufspaltung der pragmatischen Kohärenzquelle) würde die durch Kombination entstandenen Relationsklassen noch weiter vermehren. Ein letztes Argument dagegen, dass die RST und die auf ihr aufbauenden Ansätze für die vorliegende Untersuchung sinnvoll genutzt werden können, wird aus dem Forschungsüberblick bei Frohning deutlich.  

Allen [Ansätzen im Gefolge der RST] gemeinsam ist die Annahme, dass syntaktische Subordination als formales Instrument genutzt werden kann, um einer Information ein kommunikatives Format zu geben, ob als pragmatische Präsupposition auf der Satzebene, als rhetorischer background auf der Diskursebene oder als Grund und Bezugspunkt für eine kognitiv hervorgehobene saliente Figur (Frohning 2007, S. 46, Hervorhebung i. O.).  

Gerade bei der Beschreibung und Deutung der frühneuhochdeutschen Syntax verführt diese Annahme dazu, gegenwartssprachliche Verhältnisse einfach auf die ältere Sprachstufe zu übertragen. Indem der Dichotomie Subordination – Koordination auf kommunikativ-pragmatischer Ebene entsprechende, wiederum dichotomische Funktionen zugeschrieben werden, wird der Übergang, die ‚schwebende Struktur‘, ignoriert. Das ist keine prinzipielle Kritik an der Theorie, dass Subordination und Koordination pragmatisch unterscheidbare Effekte erzielen. Vielmehr ist in alten Texten die klassifikatorische Festlegung auf Subordination oder Koordination, über die ja eine rhetorische Struktur herauspräpariert werden soll, anachronistisch und zirkulär.156 Dasselbe gilt auch für die ‚Segmented Discourse Relation Theory‘ (SDRT) nach Asher und Lascarides (2003). Auf diese Theorie wird hier nicht mehr ausführlich eingegangen, weil auch sie mit vielen oben angesprochenen Problemen behaftet ist, wenn sie für historisch-diachrone Analysen genutzt werden soll.157 155 Stede/Walter (2011), S. 152. Ähnlich Breindl/Walter (2009), S. 22 ff. 156 Vgl. die bereits geschilderten parallelen Probleme des Quaestio-Ansatzes. 157 Vgl. zu einigen grundsätzlichen Problemen der SDRT in der Weiterentwicklung von Asher/ Vieu (2005) die Ausführungen von Blühdorn (2008b), S. 79 f.  



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Es sei aber noch auf eine Studie hingewiesen, die Svetlana Petrova und Michael Solf unter anderem zum Althochdeutschen vorgelegt haben.158 Darin versuchen sie, die grundlegenden Diskursrelationen Subordination und Koordination als an die Position des finiten Verbs gekoppelt herauszustellen. Da das Althochdeutsche dem Gegenwartsdeutschen viel fremder als das Frühneuhochdeutsche und auch im Hinblick auf das syntaktische Verhalten des Verbs nicht so komplex und vielgestaltig ist, können die Autoren eine recht eindeutige Zuweisung von Verbstellung und Subordination über die Informationsstruktur vornehmen (Petrova/ Solf 2008, S. 347). Einige synchron-gegenwartssprachliche Arbeiten bedienen sich der RST und der SDRT. Der Grund dafür, dass Theorien, die nicht in die Analyse einfließen werden, so ausführlich gewürdigt worden sind, besteht in der Notwendigkeit, diese Entscheidung zu rechtfertigen. Gerade dort, wo über den Ansatz Sweetsers hinausgegangen wird, wo feinere Analyseinstrumente entwickelt werden, entstehen die Probleme für eine historisch-diachrone Textanalyse. Das spricht dafür, das kompaktere Ausgangsmodell zu benutzen. Gut in dieses Modell lässt sich die Aufgliederung der Illokutionstypen integrieren. Zudem kann der Faktor Subjektivität besonders berücksichtigt werden. Wie häufig treten Konnektoren in propositionaler, epistemischer oder sprechaktbezogener Verwendung zusammen mit Subjektivitätsmarkern auf? Im Metaphorisierungsprozess der Konnektoren, aus welchem heraus die pragmatische Ambiguität entstehen kann, ist der Sprecherbezug gleichsam grammatikalisiert. Die unveränderliche „Grundbedeutung dieser Ausdrücke [wird] von der Welt der physischen Objekte auf eine mentale, sprechersubjektive Ebene und auf eine Ebene der Sprechakte“ übertragen (Breindl/ Walter 2009, S. 245). Mit diesem Umstand ist zugleich ein weiterer Aspekt angesprochen, der zeigt, wie gut sich Sweetsers Ansatz für diachrone Betrachtungen eignet. Er ist explizit offen für die historisch-diachrone Perspektive, ja er fordert geradezu eine historische Behandlung. „My hope is that future work in semantics will move towards the examination of meaning in its larger historical and cognitive setting“ (Sweetser (1990), S. 148). Die Ansätze von Mirna Pit und Dagmar Frohning sind einerseits subjektivitätstheoretisch fundiert, setzen sich aber andererseits auch mit der Theorie Sweetsers auseinander.

158 Petrova/Solf, Michael (2008). Althochdeutsch, Altenglisch, Altsächsisch und Altnordisch werden in der Studie durch sechs Primärtexte abgedeckt. Andere Verbstellungsmöglichkeiten als Verberst- und Verbzweitstellung werden nicht berücksichtigt.

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2.2.3 Konnektoren und Subjektivität Im Bereich der Konnektorenforschung wird die Beteiligung, ja die Implementierung der Sprechereinstellung eher mit dem Begriff der Subjektivität (subjectivity) verbunden. Für Mirna Pit (2003) hängt die Art und Weise der sprachlichen Kodierung eines kausalen Verhältnisses und somit auch die linguistische Analyse einer kausalen Konstruktion in Äußerungen vom Faktor der Subjektivität ab. Allerdings fasst sie Subjektivität erstens als Ausdruck der Sprechereinstellung auf159 – eine Begriffsbestimmung, die sich mit eindimensionalen Modalitätsdefinitionen deckt. Zweitens übernimmt sie von Langacker die problematische These, Subjektivität sei graduierbar.160 Das lässt sich mit der domänenspezifischen Interpretation nach Sweetser nicht vereinbaren.161 Drittens stellt sie einen „causally primary participant“ ins Zentrum ihrer Versuche, Subjektivität zu erfassen, die mittels kausaler Konnektoren erzeugt wird.162 Damit schränkt sie ihren Ansatz auf die Analyse kausaler Verknüpfungen ein. Im Frühneuhochdeutschen überschneiden sich die semantischen Relationen (z. B. Konditionalität und Kausalität) stärker als etwa im Gegenwartsdeutschen, deshalb soll das hier zu erarbeitende Methodeninventar sich prinzipiell für Konnektoren aller semantischen Richtungen eignen. Man würde andernfalls den Ergebnissen vorgreifen bzw. ambige Fälle oder weitere semantische Nuancen ausblenden. Dass der Faktor Subjektivität die Wahl eines kausalen Konnektors entscheidend mitbestimmt und somit Subjektivität in einer Konnektorenanalyse erhoben  

159 „Subjectivity equals self-expression.“ Pit (2003), S. S. 108. In dieser grundlegenden Aussage folgt Pit einem Ansatz von Lyons, der folgendermaßen klärt, was bei der Rede von Subjektivität bereits vorausgesetzt ist: „If we accept uncritically for the moment the post-Cartesian […] distinction of the (internal) subjective ego, or self, and the (external) objective non-ego, or non-self, we can say of locutionary subjectivity that it is the locutionary agent’s (the speaker’s or wirter’s, the utterer’s) expression of himself or herself in the act of utterance: locutionary subjectivity is, quite simply, selfexpression in the use of language.“ Lyons, John: Linguistic Semantics – An Introduction. Cambridge 1996, S. 337. Vgl. auch Pit 2003, S. 90. 160 „Subjectivity is a matter of degree“, Pit (2003), S. 108. Langacker (1985), S. 144, postuliert (mindestens) fünf Subjektivitätsgrade des Sprechers – und analog der Äußerung – , die maßgeblich über die Weise definiert werden, in der der Sprecher innerhalb der Äußerung vergegenwärtigt ist. 161 Vgl. hierzu auch die Rezension von Eva Breindl zu Pit (2003) in Germanistik 46 (2005), S. 598. Pit (2003), S. 57 f., weist selbst darauf hin, dass in früheren Arbeiten (Pit/Pander Maat/ Sanders 1997) sowohl die Diskursrelationen aus der RST als auch Sweetsers drei Verknüpfungsdomänen den theoretischen Hintergrund für die Beschreibung kausaler Relationen beeinflussten. 162 Pit (2003), S. 108–170, besonders S. 113. Dass die Konnektoren Subjektivität erzeugen, ist freilich, wie im sloganartigen Titel, eine verkürzende Redeweise.  

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werden soll, stellt auch Dagmar Frohning heraus. Dabei ist Subjektivität nur ein Differenzkriterium, ein sogenannter funktionaler Faktor, neben drei anderen: Ikonizität, Informationsstatus und Aufmerksamkeit(ssteuerung).163 Sie argumentiert, dass es nicht in erster Linie die epistemische und die Sprechaktebene sind, die dazu beitragen, den Gebrauch der Kausalmarker zu erklären, sondern dass es die evidenzielle Dimension der Subjektivität ist, die besonders trennscharf und systematisch auf die Variation Einfluss hat (Frohning 2007, S. 42).

Frohning sucht über die Evidentialität einen Zugang zur Subjektivität. Sie unterscheidet Herkunft und Art der Evidenz: Subjektivität zeigt sich dann, wenn S sich über sprachliche Verfahren als einzige Quelle für die Evidenz ausweist und gleichzeitig seine persönliche Einstellung zur Qualität der Evidenz in Form von Bewertungen, Meinungen oder Gefühlen markiert.164

Im Rahmen ihrer Arbeit will Frohning keine saubere Trennung der unterschiedlichen Subjektivitätskonzepte vornehmen, sondern modifiziert den Ansatz, wie er von Nuyts vertreten wird. Für dieses Subjektivitätskonzept entscheidet sie sich aus empirischen Gründen – Subjektivität präsentiere „sich vor allem aus Sicht des Korpus als evidentielle Dimension“ (Frohning 2007, S. 72). Verfolgt man die Frage, wie die Forschung Evidentialität ins Verhältnis zur Subjektivität setzt, gerät man unversehens auf das Gebiet der Modalität. Elisabeth Leiss (2009, S. 14) weist zunächst auf Überschneidungen hin, die es nahelegen, „Epistemizität und Evidentialität gleichzusetzen“. Die Epistemizität wird von Leiss insofern beschrieben, als sie epistemische (Lesarten von) Modalverben analysiert und zu dem Ergebnis kommt, dass sie „Phänotypen eines umfassenden Genotyps darstellen, der auch evidentielle Kodierung von Modalität beinhaltet“.165 Zu Recht kritisiert Leiss, dass der Genotyp (Modalität bzw. Subjektivität) nicht unmittelbar zugänglich sei, wie das Nuyts voraussetze, wenn er den Phänotyp (in diesem Fall Modalverben) untersucht.166 Damit ist dasselbe hermeneutische Problem

163 Vgl. Frohning (2007), S. 59–79. Pit (2003), S. 57. 164 Frohning (2007), S. 71, S steht für Sprecher/Sprecherin. 165 Leiss (2009), S. 22. Sie versucht das Verhältnis zwischen epistemischer Modalität und Evidentialität spezifizieren, indem sie sich auf eine Typologie von Modalitätssystemen stützt, die Davidson (2001) entwickelt hat. Portner (2009), S. 264, sieht zwei Forschungsmeinungen: 1. Evidentialität und epistemische Modalität seien streng voneinander zu trennen; 2. Evidentialität ist eine Art der epistemischen Modalität. 166 Vgl. Leiss (2009), S. 3. Sie bezieht sich hier auf Jan Nuyts: Epistemic modality, language ans conceptualization. A cognitive-pragmatic perspektive. Amsterdam – Philadelphia 2000.

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benannt, das die Anwendung etlicher Theorien aus der gegenwartssprachlich ausgerichteten Linguistik auf sprachhistorische Fragestellungen verhindert, weil es durch die Fremdheit beträchtlich verschärft wird. Nuyts unternimmt seinerseits später den Versuch, in einer Superkategorie der Modalität die deontische und die epistemische Modalität mit Evidentialität zusammenzufassen167 und erwägt, in diese Superkategorie noch eine Einstellungsart aufzunehmen, die er „boulomaic attitude“ nennt (Nuyts 2010, S. 25 f.). Dabei sieht er als gemeinsames Kriterium dieser drei bzw. vier Unterkategorien die Sprechereinstellung an (Nuyts 2010, S. 23 und 27), was ihn wiederum in die wenig erquickliche (und von ihm selbst als unrealistisch eingeschätzte) Situation bringt, den Begriff der Modalität zugunsten dessen der Sprechereinstellung aufzugeben (ebd., S. 28). Weder mit der Etablierung einer derart vagen Superkategorie noch mit der Verlagerung der Probleme mit dem Begriff Modalität auf das Feld der Sprechereinstellung dürfte aber viel gewonnen sein. Was an Nuyts Vorschlag jedoch bedenkenswert bleibt, ist seine Dichotomie von Subjektivität und Intersubjektivität, die er als eigene Ebene quer zu den konstituierenden Größen seiner Superkategorie verlaufen lässt168:  

Tab. 10: Modalität, Subjektivität und Intersubjektivität nach Nuyts (2010). Intersubjektiv

Subjektiv

Epistemische Modalität

a64 Es ist unwahrscheinlich, dass sie verreist.

a65 Ich bin sicher, dass sie verreist.

Evidentialität

a66 Es liegt auf der Hand, dass sie verreist.

a67 Ich folgere, dass sie verreist.

Deontische Modalität

a68 Es ist für sie ratsam zu verreisen.

a69 Ich bestehe darauf, dass sie verreist.

Boulomaische Einstellung

a70 Ihre Reisepläne sind äußerst willkommen.

a71 Ich würde mich freuen, wenn sie verreisen würde.

Bei Frohnings Prämisse, dass „mit der Markierung von Evidenzialität auch die Markierung von Subjektivität interagieren kann, die als entscheidendes Differenzkriterium trennscharf zur Unterscheidung der zehn Marker beiträgt“ (Froh-

167 Nuyts 2010, S. 18–26, bes. S. 21. Auf S. 11 referiert er Palmers Klassifikation von 1986, nach der Evidentialität ein Teilbereich der epistemischen Modalität ist. 168 In eine andere Richtung geht Leiss (2009), S. 20, die festhält: „Dieses humanspezifische Charakteristikum der Modalisierung setzt Intersubjektivität voraus.“

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ning 2007, S. 71), muss demnach bedacht werden, dass die Markierung als (im Sinne Nuyts’) subjektiv auch auf den übrigen drei Ebenen (epistemische und deontische Modalität und boulomaische Einstellung) erfolgen kann. Frohnings sorgfältig angelegte Arbeit kann methodisch in mancher Hinsicht als Vorbild für eine sprachhistorische Konnektorenanalyse dienen. Sie trifft eine Auswahl169, die sowohl konnektorale wie auch präpositionale (aufgrund und wegen) Kausalmarker umfasst. Die kausalen Konnektoren untergliedert sie mit dem Handbuch der deutschen Konnektoren nach konnektintegrierbaren Konnektoren (nämlich, daher, darum, deshalb, deswegen), Subjunktoren (da, weil) und das nicht konnektintegrierbare Begründungs-denn. Mit diesen zehn Markern sind neben den beiden präpositionalen Grundmarkern auch koordinierende (denn und nämlich) und subordinierende (da und weil) Grundmarker sowie vier adverbiale Folgemarker (daher, darum, deshalb, deswegen), die alle zu den Pronominaladverbien zu rechnen sind, vertreten. Ausgeklammert bleiben Postponierer (z. B. so dass und weswegen) und andere frequente Grund-Folge-Marker (z. B. also und folglich). Insgesamt ermöglicht die Auswahl zahlreiche Vergleiche: zwischen koordinierenden, subordinierenden und integrierenden, zwischen Grund- und FolgeMarkern, zwischen seltenen und häufigen, zwischen solchen mit deiktischer Komponente und solchen ohne, zwischen den abgedeckten Konnektorenarten usw. Mit ihrer Auswahl und der stärkeren Berücksichtigung syntaktischer Parameter führt die Arbeit zu fundierteren Ergebnissen zu den deutschen Konnektoren als die Arbeit Pits. Auch die Konnektoren für die hier angestrebte Analyse sollen ähnlich repräsentativ ausgewählt werden. Allerdings muss die Auswahl z. T. aus teleologischer Perspektive erfolgen, weil die Übergänge zwischen den Klassen oft fließend sind (z. B. zwischen Postponierern, konnektintegrierbaren Pronominaladverbien, Subjunktoren und anderen Konnektoren mit sog. Hauptsatzstellung des Finitums). Ferner ist die Grammatikalisierung oft noch nicht so weit fortgeschritten wie im Gegenwartsdeutschen. So schwindet etwa allmählich das deiktische die- beim Konnektor dieweil. Wie bei Frohning sollen auch mehr syntaktische Parameter erfasst werden als bei Pit. Ferner sollen die Konnektoren in je allen Verwendungsweisen untersucht werden, nicht nur in denjenigen Kontexten, in denen etwa denn, weil und da einander substituieren können.170 Hier muss eine historisch-diachrone Analyse sogar noch weiter gehen und das gesamte Verwendungsspektrum eines Ausdrucks abdecken. Das bedeutet,  







169 Zur Auswahl s. Frohning (2007), S. 27–36. 170 Zurecht kritisiert Frohning (2007), S. 76, in diesem Punkt Pit (2003), S. 176.

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dass auch nichtkonnektorale und/oder nichtkausale Homonyme behandelt werden – bei denn zusätzlich zum kausalen Konnektor auch die temporale Variante (i. S. v. 'dann') und die Modalpartikel, bei dieweil, demnach, nachdem und ſintemal die temporale Verwendungsweise etc. Eine nähere Betrachtung erfordern Frohnings bereits erwähnte Versuche, Subjektivität zu erheben. Neben Quelle und Qualität der Evidenz sind Frohnings Variablen Redemarkierung (direkte und indirekte Rede), Konjunktivvorkommen, (teil-)satzinterne oder satzübergreifende Relation (Präpositionen vs. Konnektoren), Direktiva (Aufforderungen, Befehle, Wünsche), Relationstypen (volitional, non-volitional, causal epistemic, noncausal epistemic, speech act I/II) und epistemische Relationen.171 „Ist S die einzige Quelle der Evidenz, so markieren solche Subjektivitätsmarker seine oder ihre Einstellung zur Evidenz.“172 Wie bereits angedeutet, können aber für das Frühneuhochdeutsche nicht alle Subjektivitätsmarker, die Frohning erwähnt, sinnvoll angewendet werden. Für das Gegenwartsdeutsche konstatiert sie, dass es sich erstens um eine offene Liste handelt und dass „solche Ausdrucksmittel nicht als eindeutige Hinweise interpretiert werden können“ (Frohning 2007, S. 73). Wegen des oft niedrigeren Grammatikalisierungsgrades der Ausdrucksmittel sind die Hinweise noch weniger eindeutig in älteren Sprachstufen. Dass etwa der frühneuhochdeutsche Konjunktiv im gleichen Maße einer subjektiven Markierung entgegenwirkt und der Indikativ im Gegenzug eine Subjektivierung ermöglicht, ist fraglich. Es wird für den Konjunktiv im älteren Deutsch die „Funktion einer Dependenzbezeichnung“ (Schrodt 1983, S. 312) beschrieben, also die Markierung von Unterordnung. Unabhängig von einer solchen Einschätzung wäre aber die unterstellte Distanz, die der Sprecher durch die Wahl des Konjunktivs ausdrücken will, genauso eine Art der Stellungnahme – auch wenn er die Verantwortung für die Evidenz nicht übernimmt. Eine Äußerung wäre durch den Konjunktiv demnach modalisiert, aber nicht subjektifiziert, sondern sozusagen entsubjektifiziert.173 Was von den Analyseparametern direkt oder indirekt (durch Kombination der Merkmale oder Merkmalsausprägungen) abgedeckt werden wird, sind bewertende Ausdrücke, Superlative, Imperative und Aufforderungen, erste Person Singu 



171 Vgl. Frohning (2007), S. 217 f. In der obigen Aufzählung sind die sehr speziellen Variablen „Juristischer Kontext“ und „Jura-Kopfnomen“ ausgelassen. 172 Frohning (2007), S. 73. S bedeutet Sprecher oder Sprecherin. 173 Vgl. einerseits Langackers bereits erwähntes Subjektivitätskonzept und anderseits Zifonun et al. (1997), Bd. III, S. 1787, die den gegenwartsdeutschen Konjunktiv als „origo-mittelbar“, den Indikativ als „origo-unmittelbar“ bezeichnen.  

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B Theoretische Grundlagen

lar174 und lexikalische Marker unterschiedlicher Art sowie Schlussfolgerungen und epistemische und deontische Markierungen.175 Manche Parameter werden noch verfeinert oder aufgespaltet; neben dem Verbmodus (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ) werden Satzmodus und Illokutionstyp sowie, mittelbar, der epistemische Modus erhoben. Neben der ersten Person Singular wird auch die erste Person Plural abgegriffen. Schlussfolgerungen werden auch aus klassisch-rhetorischer Perspektive (Redeteile: argumentatio, concessio, conclusio etc.) bewertet. Ob der Sprecher sich als Quelle der Evidenz ausgibt oder nicht und ob die Evidenz als subjektiv markiert wird oder nicht, eröffnet vier Kombinationsmöglichkeiten: Tab. 11: Evidentialität und Subjektivität nach Frohning (2007). Sprecher/in ist die Quelle der Evidenz

Sprecher/in bezieht sich explizit auf externe Quellen

Evidenz als subjektiv markiert

subjektiver Gebrauch

intersubjektiver Gebrauch

Evidenz nicht als subjektiv markiert

neutraler Gebrauch

neutraler Gebrauch

Hier wurden die Formulierungen Frohnings übernommen.176 In diesen Formulierungen liegt aber gerade ein Problem. Wo wäre folgender Fall, der Normalfall, einzuordnen? Der Sprecher kann nicht als Quelle der Evidenz ausgemacht werden und verweist auch nicht explizit auf externe Quellen. Die Formulierung „Sprecher ist Quelle der Evidenz“ müsste als Pendant haben „Sprecher ist nicht Quelle der Evidenz“. Die gewählte Formulierung „Sprecher bezieht sich explizit auf externe Quelle“ bildet nur einen Sonderfall ab. Alles, was zwischen „Sprecher ist Quelle“

174 Auch bei Pits Analysemodell ist der cp meist gleichzusetzen mit der ersten Person Plural, ausgedrückt über Personalpronomina, Verbformen etc. Vgl. neben Pit hierzu auch Pander Maat/ Sanders, (2001), S. 251. 175 Vgl. zu diesen Variablen Frohning (2007), S. 73. 176 Die ausführlichen Formulierungen zur Qualität der Evidenz wurden der Übersichtlichkeit halber gekürzt. Hier der originale Wortlaut: Evidentielle Struktur 1: „Sprecher/in ist die Quelle der Evidenz und in der Äußerungsstruktur sind sprecherdeiktische Subjektivitätsmarker vorhanden (=subjektiver Gebrauch)[.]“ Evidentielle Strukur 2: „Sprecher/in bezieht sich explizit auf externe Quellen. In der Äußerungsstruktur sind Subjektivitätsmarker vorhanden, die auf die persönliche Einstellung des Sprechers/der Sprecherin schließen lassen.“ Evidentielle Struktur 3: „Sprecher/in ist die Quelle der Evidenz, aber in der Äußerungsstruktur sind keine Subjektivitätsmarker vorhanden.“ Evidentielle Struktur 4: „Sprecher/in bezieht sich auf externe Quellen. Zudem sind keine Subjektivitätsmarker in der Äußerungsstruktur vorhanden.“ Frohning (2007), S. 214 f. Vgl. auch ihre Ausführungen auf S. 74.  

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und „Sprecher bezieht sich explizit auf externe Quelle“ liegt, ist nicht eindeutig abgedeckt. Die Beispielsätze177 sind mit Bedacht formuliert: a72 Da die Teilnahme am Straßenverkehr bei Regen als gefährlich gilt, bleibt Anna heute wahrscheinlich zu Hause. Hier ist die „intersubjektive Gültigkeit“ der Evidenz im internen Konnekt herausgestellt. Müsste man dann die Evidenz im folgenden, leicht abgeänderten Satz als subjektiv bewerten oder nicht? a72’ Da die Teilnahme am Straßenverkehr bei Regen gefährlich ist, bleibt Anna heute wahrscheinlich zu Hause. Über die Evidentialität einen Zugang zur Subjektivität zu bekommen, ist ein spezieller Weg. Die Zuordnung eines Textbelegs zu einer der vier Strukturen kann ähnlich problematisch werden wie die Paraphrasentests, die benutzt werden, um Relationstypen zu ermitteln. Frohning weist auf die Probleme dieser Paraphrasentests hin, die Pander Maat und Degand entwickelt haben; zudem stellt sie heraus, dass die durch Paraphrasen ermittelten Relationstypen „deutliche Analogien zu den Domänen Sweetsers“ erkennen lassen.178 Von der Sweetser'schen Theorie aber wollen sich Pander Maat und Degand gerade absetzen. Nach fünfzig Belegen pro Marker bricht Frohning (2007, S. 215) die Anwendung der Paraphrasentests ab, da sie eine verlässliche Klassifizierung des Relationstyps (non-volitional, volitional, causal-epistemic, noncausal epistemic und speech act I und II) nicht ermöglichen. Breindl und Walter (2009, S. 100) konnten – „mit Ausnahme von sodass – keinerlei markerspezifische Präferenzen in Bezug auf das Merkmal erkennen“, woraus sie für das Deutsche schlussfolgern, dass dieses Merkmal für die Beschreibung von Kausalmarkern und Kausalrelationen praktisch keine Rolle spielt“. Stichproben aus dem frühneuhochdeutschen Textkorpus lassen auch keine signifikanten Ergebnisse erwarten, weshalb dieses Merkmal in der Analyse nicht abgegriffen wird. Stede und Walter (2011, S. 157 f.) erhalten in ihrer Studie durch Anwendung von Paraphrasen eine „hohe Anzahl von ambigen Konstellationen“, was sie mit Frohning als „Argument gegen den Einsatz dieser Tests“ werten. Besonders Be 

177 Frohning (2007), S. 72, Beispielsatz (25). 178 Frohning (2007), S. 74–77, besonders Fußnote 17 auf S. 75. Vgl. Pander Maat/Degand (2001), S. 243, Fußnote 6.

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lege, die der Diskursrelation pragmatic claim I (epistemische Lesart) zugewiesen werden können, seien auch für andere Deutungen offen. Dieses Ergebnis relativiert bis zu einem gewissen Grad die Bemühungen von Pander Maat, Sanders und Degand179, Volitionalität und Epistemizität erstens trennscharf zu definieren und damit zweitens volitional und epistemisch als zwei Diskursrelationen nebenbzw. übereinander zu etablieren (oder auf der propositionalen Ebene zwischen volitional und non-volitional zu unterscheiden). Die Überschneidung beider liegt im Subjekt, was Pander Maat und Sanders anerkennen.180 Auch muss folgende Beobachtung nicht bestritten werden: A difference between epistemic and volitional relations is that the typical volitional subject of consciousness is explicitly realized, while epistemic subjects of consciousness often remain implicit (Pander/Maat/Sanders 2001, S. 253).

Da es aber durchaus möglich ist, dass dieses Subjekt in epistemischen Relationen explizit ist, wie es auch umgekehrt in volitionalen Relationen implizit bleiben kann, taugt diese Beobachtung nicht dazu, eine Unterscheidung vorzunehmen. Eher lassen sich die von Stede und Walter festgestellten Ambiguitäten teilweise theoretisch erklären, nämlich durch die angesprochene Überschneidung von Epistemizität und Volitionalität. In der Zusammenfassung des Kapitels werden die Vorzüge des Ansatzes von Frohning, aber auch die für eine diachrone Untersuchung problematischen Aspekte aufgeführt und zu den anderen diskutierten Ansätzen in Bezug gesetzt.

2.3 Zusammenfassung: Konnektoren und Modalität und daraus resultierende Aufgaben der diachronen Analyse Die Begriffe und Definitionen von ‚Konnektoren‘, ‚Modalpartikeln‘ und ‚Diskursmarkern‘ können nun verglichen werden. Alle kann man als Signale bezeichnen, die dem Rezipienten bedeuten, unter welchen Gesichtspunkten er Zusammenhänge herstellen soll.181 Modalpartikeln und Diskursmarker werden funktional explizit über ihren interaktionalen Charakter definiert, grundsätzlich weisen auch Konnektoren diesen Charakter auf. Den funktionalen Parallelen stehen syntakti-

179 Pander Maat/Sanders (2001), S. 251–253; Pander Maat/Degand (2001). 180 „What epistemicity and volitionality have in common is that both crucially involve an animate subject, a person, whose intentionality is conceptualized as the ultimate source of the causal event, be it an act of reasoning or some 'real-world' activity.“ Pander Maat/Sanders (2001), S. 251. 181 Vgl. nochmals Ortner (1983), S. 99.

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sche Eigenheiten gegenüber. Während die Modalpartikeln weitgehend auf das Mittelfeld beschränkt sind, ist die syntaktische Position der Diskursmarker das Vorvorfeld. Diejenigen sprachlichen Ausdrücke, die für die vorliegende Analyse ausgewählt werden, lassen sich allesamt als Konnektoren beschreiben. Sie können alle eine gewisse modalisierende Funktion ausüben, weswegen manche von ihnen in der Forschung auch zu den Modalpartikeln oder Diskursmarkern gezählt werden, sobald sie die speziellen Kriterien dieser Wortarten erfüllen. Üben Konnektoren die Funktion von Diskursmarkern aus, bleiben sie dennoch Konnektoren, weil ihre syntaktische in ihrer informationsgliedernden und/oder modalisierenden Funktion aufgehoben ist.182 Fünf Merkmale grenzen nach dem HdK die gegenwartsdeutschen Konnektoren nach außen hin ab. Die Gruppe derjenigen Ausdrücke, die hier analysiert werden sollen, können nicht alle diese Merkmale erfüllen, weil die zum Teil noch nicht den entsprechenden Grammatikalisierungsgrad erreicht haben. Frühneuhochdeutsches nämlich/namentlich kann neben seiner bereits gebräuchlichen Konnektorenfunktion auch nichtkonnektorales Adjektiv oder Adverb und somit auch flektiert sein. Darüber hinaus muss es auch noch nicht eine zweistellige Relation bezeichnen. Für das Gegenwartsdeutsche gilt dies auch, es hat aber im Gegensatz zum Frühneuhochdeutschen eine eindeutige Aufspaltung zwischen konnektoralem und nichtkonnektoralem nämlich stattgefunden. Die Binnengliederung der Konnektoren nach syntaktischen Merkmalen (Rektion, Positionsmöglichkeiten) kann auch nicht exakt auf das Frühneuhochdeutsche übertragen werden. Es ist mit einem viel höheren Grad an Polykategorialität, v. a. Polysyntaktizität zu rechnen. Eine Herausforderung wird es sein, die syntaktischen Positionen der Konnektoren zu ermitteln, weil die frühneuhochdeutsche Syntax sich erstens oft nicht eindeutig nach dem Feldermodell beschreiben lässt und weil zweitens – so eine Arbeitsthese – Sätze aller Verbstellungstypen im Frühneuhochdeutschen selbständige Sätze sein können. Im Rahmen der Analyse sind die Positionen besonders signifikant, die an der Satzperipherie angesiedelt sind: Vorvorfeld (bei sogenannten Diskursmarkern) und Nachsatzposition, zudem die Nacherstposition. Treten Konnektoren in diesen Positionen auf, sind modale Interpretationen der Verknüpfung wahrscheinlich. Aber auch das Mittelfeld ist diesbezüglich interessant, weil es die Position der metapragmatisch kommentierenden Modalpartikeln ist. Es konnte gezeigt werden, dass der Mechanismus von Konnektoren in Diskursmarkerfunktion mit solchen in Modalpartikelfunktion, aber auch mit epistemisch oder sprechaktbe 

182 Vgl. Breindl (2011), S. 17, die für Adverbkonnektoren in Nacherstposition eine „Amalgamierung der für Konnektoren genuinen lokalen satzverknüpfenden Funktion mit einer informationsstrukturierenden Funktion [feststellt], die sowohl auf der lokalen Ebene der Satzstruktur als auch global auf der Ebene der Diskursstruktur wirkt“.

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zogen zu interpretierenden Konnektoren in einem Punkt verglichen werden kann. In allen Fällen kann Unausgedrücktes in sehr ähnlichen Paraphrasen expliziert werden. Die beiden nichtpropositionalen Lesarten, die nach Sweetser als epistemische und sprechaktbezogene Lesarten bezeichnet werden, sind insofern modal zu nennen, als sie Sprecherbezug aufweisen und zudem das Kriterium der eingeschränkten Faktizität erfüllen. Diese zwei Lesarten stehen somit hier im Zentrum des Interesses. In Anlehnung an Blühdorn (2008) und Breindl/Walter (2009) wurden vier Indizien für modale Lesarten vorgestellt: syntaktische Desintegration der Konnekte und/oder des Konnektors (in Bezug auf das interne Konnekt), prosodische Desintegration, (mit Einschränkungen) die Definitheit des internen Konnekts sowie Modalitätsmarker. Auch Lang versucht in seiner konstruktiven Kritik an Sweetser (1990), die Theorie zu präzisieren und ein Instrumetarium zu entwickeln, mit dem aufgezeigt werden kann, ob ebenenspezifische distributionelle Restriktionen für die einzelnen Konnektoren existieren. Wenngleich die drei Domänen z. B. für die Beschreibung adversativer Konnektoren nicht hinreichend sind, lassen sich kausale und konditionale Verknüpfungen mit der Dreiteilung sinnvoll erfassen. Damit ist noch nicht gesagt, dass die drei Domänen im Frühneuhochdeutschen zeichenhaft kodiert seien – für das Gegenwartsdeutsche wurde dies von Volodina widerlegt. Der Dreiteilung Sweetsers setzen die Vertreter der Rhetorical Structure Theory ein weitaus feiner ausdifferenziertes System von Diskursrelationen entgegen. Für eine diachrone Analyse liegt hier eine Schwäche des Ansatzes. Angesichts der semantischen Vagheit frühneuhochdeutscher Konnektoren ist das Raster, das über die Texte gelegt wird, zu fein. Wollte man die verschiedenen semantischen Nuancen z. B. von wann/wenn berücksichtigen, wäre eine Korpusstudie kaum druchführbar, weil sich die Zahl der notwendigen Operationen potenzieren würde. Prinzipiell stehen auch hermeneutische Probleme einer Anwendung entgegen. Wir wissen über den jeweiligen Entstehungskontext, über kulturelle Konventionen oder den Adressatenkreis meist zu wenig. Auch kann die historische Textsortenlinguistik zu vielen der recht speziellen Textsorten der frühneuhochdeutschen Zeit nicht genug theoretische Grundlagen liefern. Alle diese Informationen wären aber notwendig, weil die RST erstens die Perspektive von der globalen Ebene (Diskurs) zur lokalen (Syntax) einnimmt, zweitens die hierarchische Strukturierung der Texte voraussetzt und drittens von einer durchgängig funktionalen Motivation eines jeglichen sprachlichen Ausdrucks innerhalb der Texte ausgeht. Die frühneuhochdeutsche Syntax kann wohl noch weit weniger angemessen mit Methoden der Logik beschrieben werden. Man kann daher nicht mit derselben Stringenz von der Diskurs- und Textstruktur auf die syntaktischen Verknüpfungen schließen. Angesichts der Forschungsdefizite im Großen wie im Kleinen, in der Text- und Texstsortenlinguistik wie in der Syntax und darunter,  



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scheint es angemessen zu sein, zuerst das Kleine systematisch zu erforschen, um dann zum Großen vorzudringen. Die Erkenntnisse, die zu den globalen Sprachebenen vorliegen, müssen für diese Vorgehensweise natürlich berücksichtigt werden. Dass globale und lokale Ebene strukturell zusammenhängen und nicht unabhängig voneinander interpretiert werden können, ist derjenige Aspekt der RST, der für die vorliegende Studie stark gemacht wird. Aufgrund der Verwandtschaft zwischen dem Ansatz Sweetsers und den diskurstheoretischen Arbeiten können die Ergebnisse letzterer bis zu einem gewissen Grad mit den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung verglichen werden. Mirna Pit will in ihrer kontrastiv angelegten Monographie klären, wie der Gebrauch von kausalen Konnektoren mit dem Ausdruck von Sprechereinstellungen zusammenhängt. Damit liegt sie recht nahe am hier gesteckten Rahmen. Ihr Ansatz weist aber erstens prinzipielle theoretische Probleme auf (Subjektivitätsbegriff, Skalierbarkeit von Subjektivität), zweitens ist er auf Kausalität beschränkt und lässt sich auch methodisch nicht ohne weiteres auf andere semantische Richtungen übertragen, drittens geht sie zu selektiv bei der Auswahl der deutschen Konnektoren vor, viertens eignet sich der Ansatz nicht für historisch-diachrone Untersuchungen. Dieser letzte Kritikpunkt hängt mit den beiden ersten zusammen und muss auch den meisten Theorien zu Modalität (vgl. oben zu Kratzer und Dietrich) entgegengehalten werden. Die von Pit gewählten Parameter können jedoch wichtige Anhaltspunkte liefern und werden in die Zusammenstellung der Analyseparameter einfließen. Den Zusammenhang von Subjektivität und Verknüpfung stellt auch Dagmar Frohning heraus. Sie schätzt den Faktor Subjektivität als den wichtigsten für die Wahl des Kausalmarkers und somit des Konnektors ein. In der breiten Auswahl der Kausalmarker und in der Zusammenstellung der Subjektivitätsmarker ist Frohnings Arbeit für die vorliegende Analyse vorbildlich. Auf gewisse Einschränkungen theoretischer Art wurde hingewiesen: Quelle und Art der Evidentialität müssen in ihrem Wert als Subjektivitätsindikatoren relativiert werden. Gleichwohl ist es unablässig, sie zu erheben, wenn die Art der Modalisierung bestimmt werden soll. Subjektivität als ‚self-expression‘ oder Sprecherbezug hängt nämlich insofern mit Modalität zusammen, als letztere ja neben der eingeschränkten Faktizität auch über die Sprechereinstellung definiert wird. Sobald also Notwendigkeit und Möglichkeit als die beiden genuinen Gebiete der Modalität über den Sprecherbezug auf die (im pragmatischen Sinne) modale Ebene gehoben werden, also epistemisch oder sprechaktbezogen gedeutet werden, sind die entsprechenden Verknüpfungen sowohl subjektivitätstheoretisch als auch modalitätstheoretisch zugänglich. Weitere Stärken des Ansatzes Frohnings liegen in ihrer Vorsicht in Bezug auf die Bedeutung der Marker; sie erstellt mittels der vier oben erwähnten funktionalen Faktoren (mit besonderer Gewichtung der Faktors Sub-

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jektivität) die Funktionsprofile der Marker. Dabei lässt sich ihr methodisches Vorgehen im Gegensatz zu dem Mirna Pits auch auf andere semantische Klassen von Konnektoren anwenden, da sie ohne einen kausalen Partizipanten auskommt. Frohnings gut dokumentierte Ergebnisse können als Vergleichsbasis für historische Untersuchungen dienen.

3 Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren 3.1 Grammatikalisierung von Konnektoren Satzverknüpfungen und deren Ausdrucksmittel sind viel behandelte Gegenstände der Grammatik. Schon in den antiken und vor allem den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rhetoriken und Grammatiken haben sie ihren festen Platz.183 In der Germanistik nehmen schon früh die Konjunktionen, aber auch diachrone Darstellungen von Haupt- und Nebensatz im Deutschen, breiten Raum ein. Otto Behaghel kann bei seiner umfänglichen Abhandlung der deutschen Konjunktionen und der Syntax überhaupt bereits auf etliche Arbeiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückgreifen, Arbeiten der Grimms, Erdmanns, Pauls und anderer. Die Entwicklung von Konnektoren wurde vielfach als Grammatikalisierungsprozess beschrieben. Diewald (2008a, S. 2) hält folgenden Forschungskonsens fest: „Ein Grammatikalisierungsprozess ist ein Prozess, in dessen Verlauf eine linguistische Einheit grammatische Funktion(en) hinzugewinnt und zugleich lexikalische Funktion(en) abbaut.“ In Einführungen in die Grammatikalisierungstheorie(n) dienen Konnektoren regelmäßig als Beispiele. Aus ihrem Paradigma lassen sich leicht besonders anschauliche auswählen,184 andererseits können an ihnen auch Probleme der aktuellen Forschungslage skizziert werden.185

183 Für einen Überblick von Aristoteles, der die sogenannten ‚Syndesmoi‘ in seiner Poetik (20. Kapitel) und seiner Rhetorik (III) erwähnt, über Apollonios Dyskolos und Dionysios Thrax, der die Syndesmoi in sieben semantische Gruppen einteilt, zu Donatus, dessen Fünfteilung bis in die Frühe Neuzeit (Melanchthon, Clajus) fortgewirkt hat vgl. Haßler/Neis (Bd. 2), S. 1292 ff. Vgl. auch Brauße (1994), S. 20 ff. 184 So werden gerne weil und obwohl gewählt. In den Monographien werden gewöhnlich nur spezielle Gruppen untersucht. Wolf (1978), S. 22, nimmt etwa die Subjunktoren von seiner Untersuchung aus. 185 Vgl. die einschlägigen Einführungen, z. B. Szczepaniak (20112), S. 171 ff., Nübling (20134), S. 184 ff. und S. 282 ff. sowie Fritz (2005), S. 217 ff.  













3 Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren

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Ausdrücke, die nicht oder nicht primär als konnektoral bezeichnet werden können, entwickeln sich zu Konnektoren, also zu satzverknüpfenden Einheiten, die die von Pasch et al. (2003) formulierten Merkmale aufweisen. Nicht oder weniger grammatische Ausdrücke werden zu (stärker) grammatischen Ausdrücken. Nun können Konnektoren aber zusätzlich zu ihrer syntaktischen Funktion weitere Funktionen ausüben, nämlich pragmatische. Beispiele hierfür sind die sogenannten Modalpartikeln und Diskursmarker, die in den vorigen Kapiteln angesprochen worden sind. Man ist sich in der Forschung nicht einig darüber, ob ein Zugewinn pragmatischer Funktionen innerhalb einer Grammatikalisierungstheorie beschrieben werden kann, oder ob es sich dabei um Prozesse handelt, die denen der Grammatikalisierung entgegengesetzt sind und eher als Pragmatisierung oder Pragmatikalisierung zu bezeichnen seien. Letztere Position vertreten etwa Lehmann (1985) und Aijmer (1997, S. 2 f.). Pragmatisierung wird auch von Molnár beschrieben als „Terminus […], der pragmatisch motivierte Sprachwandelprozesse bezeichnet und dadurch diese von der Grammatikalisierung radikal abtrennt“. Diewald (2008a, S. 24) wiederum vertritt einen weiteren Grammatikund damit Grammatikalisierungsbegriff, indem sie von einer „pragmatische[n] Fundierung der Grammatik“ ausgeht. Vom Grammatikalisierungsbegriff hängt es also ab, ob man eine Grammatikalisierungstheorie und Grammatikalisierungsparameter für geeignet hält, Modalpartikeln, Konjunktionen und Diskursmarker zu beschreiben. Während die einen sie für solche (modalisierenden) Konnektoren für ungeeignet halten (vgl. Auer/ Günthner 2005, S. 357), sehen andere z. B. die Modalpartikeln als Paradebeispiele der Grammatikalisierung (vgl. Diewald 1997) an oder beschreiben exemplarisch die „Grammatikalisierung zum Diskursmarker“ (Szczepaniak 2009, S. 187) in Einführungswerken. Wie sich Grammatikalisierung darstellt, wie man grammatikalisierte Zeichen von weniger grammatikalisierten unterscheiden kann und was Grammatikalisierung von anderen Sprachwandelprozessen wie Lexikalisierung unterscheidet – auf diese Fragen hat die Forschung mit dem Sammeln, Ordnen, Bestreiten und Verteidigen von Grammatikalisierungsmerkmalen, Grammatikalisierungsfaktoren186, Grammatikalisierungsparametern, Grammatikalisierungsprozessen, Grammatikalisierungsphasen, Grammatikalisierungstendenzen, Grammatikalisierungskontexten, Grammatikalisierungsmechanismen, Grammatikalisierungspfaden etc. geantwortet. Später wurden diese verschiedenen Listen und Skalen zu Listen  



186 Z. B. Heine (2002), S. 84: a. Context, b. Frequency in use, c. Reasoning process (inferencing), d. Mechanisms of transfer (metaphor, metonymy, etc.), e. Directionality (Abstraction/Concretization), f. Semantic Implications (bleaching, generalization).  

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zusammengefasst, die Überschneidungen und Unterschiede verschiedener Ansätze aufzeigen. Unbestritten ist dabei, dass Grammatikalisierung ein komplexer Vorgang ist und in Phasen oder Subprozessen abläuft. Das Nacheinander der einzelnen Phasen ist an verschiedene Kontexte gekoppelt. Solche Kontexte beschreiben z. B. Diewald (1997, 1999, 2002) und Heine (2002). Diewald zeigt auf, dass die Bedeutung bzw. Funktion sich in Stufen verändert, die sie anhand dreier Kontexttypen bestimmt. Ausgangpunkt ist ein untypischer Kontext, d. h. ein Ausdruck wird in einem Kontext verwendet, in dem er vorher nicht verwendet worden ist. Anschließend kann der Ausdruck in einem kritischen Kontext auftreten, der von Ambiguität gekennzeichnet ist. Der Ausdruck kann sowohl in der herkömmlichen Weise als auch in einer neuen gedeutet werden. In isolierenden Kontexten schließlich ist im Falle einer erfolgten Grammatikalisierung nur noch die neue Deutung möglich. Die drei Kontexte lassen sich für die Entwicklung des Konnektors weil ausmachen. Vor allem der kritische Kontext mit der Ambiguität zwischen temporalem und kausalem dieweil/weil ist hier bedeutsam. Ob man als Ausgangspunkt des Grammatikalisierungsprozesses bei Konnektoren auch von einem untypischen Kontext sprechen kann, muss sich in den Analysen zeigen. Bei weil/dieweil dürfte es jedenfalls eher ein Kontext sein, den man ‚speziell‘ nennen kann, nicht aber ‚untypisch‘. In Diewalds Stufenmodell ist dieser Kontext der Ausgangspunkt der Grammatikalisierung. Der Vollständigkeit halber wird ihm hier der typische Kontext vorangestellt, der noch früher im Entwicklungsprozess zu beobachten ist.  



0. typischer Kontext: die weile als Substantiv ‚die Weile‘ und Adverb: ‚unterdessen‘ b1

nimb die Trommel mit mir | für die lange Weil (Colloquium, 1620, 4)

b2

Warumb Paul: eyn | weyl ein Jud ſey: das ander mal als ein heyd / ein weyl | on geſetz / das andermal vntern geſetz / yetz kranck / ytzt | ſtarck / (Mykonius, 1524, A ivv)

b3

Das gewiſſen / hertz v | glauben / an gottis wort / wllē wir frey haben / es bleyb | mit dē brauch ſolcher freyheit die weil wie es wl. (Mykonius, 1524, B ijr)

I.

untypischer/spezieller Kontext: dieweil als temporaler Subjunktor

b4

v die weil du lebſt ſo gib deinē kindē keinē gewalt über dein gůt / wann verderbet dich dein ſun ſo magſt du in mit recht nit tten. (Bämler, 1476, e 2r)

3 Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren

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II. kritischer Kontext: dieweil als temporal-kausaler Pronominalkonnektor/Subjunktor b5

Du armer / die weil du haſt auß zu geben vnnd mit im zu zeren vnnd milt biſt / ſo ist er dein geſelle. Aber wenn du nichts mer haſt / ſo loßt er dich gahn / vnnd hat kain mitleyden mer mit dir. (Bämler, 1476, d 3v)

b6

vnd ob er gleich ſoliche | lieb / dieweil er bleych dürr vnd mager darzů jmt augen | dieff im kopff legē euſſerlich anzeygte mcht eyn ſlcher | nit vor dorecht vnd nrriſch geacht werden. (Schenck, 1530, C iijr)

III. isolierender Kontext: dieweil als rein kausaler Pronominalkonnektor/Subjunktor b7

Dieweil das æquinoctium vernale, das iſt / die Gleiche | lenge tags vnd nachts / (ſo sich nach rechter Kalenders | Calculation, auff den 21 Martij begibt) ſampt der Gul= | den zal / welche die zeit des Newen Oſtermonſcheins / an= | zeiget / zu weit frgeruckt vnd je lenger je mehr frkom= | men werden / kunten auch dahero die Oſtern / vnd andere | bewegliche Feſtag / nit mehr zu rechter zeit angeſtelt vnd | gehalten werden (Hornstein, 1596, C iijr)

Anhand der Entwicklung von weil können die zwei zentralen Mechanismen des Grammatikalisierungsprozesses dargestellt werden: Metonymisierung und Metaphorisierung. Der Gedanke, dass Metonymie und Metapher im Sprachwandel von Bedeutung sind, wurde auch in der modernen Sprachwissenschaft, namentlich in der Grammatikalisierungsforschung, aufgegriffen und vielfach modifiziert.187 Es gibt viele Gründe dafür, in der Kommunikation auf Metaphern zurückzugreifen. Sie sind im Vergleich zur eigentlichen Rede auffälliger und ausdrucksstärker188 und ermöglichen es, Abstraktes durch Konkretes zu vermitteln. Aristoteles (Poetik XXI 1870/1960, S. 1457) sieht in der Übertragung (Metapher) ein Dazubringen (ἐπιφορά), das in Analogie (κατὰ τὸ ἀνάλογον) zur Quelle erfolgen kann. Die Analogie nennt Aristoteles dabei nur als eine Möglichkeit neben anderen, seine Beispiele folgen diesem Kriterium allerdings sämtlich, woraus sich die

187 Vgl. Kapitel B. 2 zu Sweetsers Metaphernbegriff, den sie in Anlehnung an Lakoff und Johnson („die Sprache [ist] metaphorisch strukturiert“, Lakoff/Johnson (20044), S. 13) entwickelt hat. Vgl. Traugott (1982), S. 248 ff.; Bybee et al. (1994), S. 285; Brinton (1996), S. 55 f.; Traugott/ Brinton (2005), S, 28 f. 188 Vgl. Claudi/Heine(1986), S. 299. Ähnlich auch Keller (1993). Diesen Vorteil der Metapher sieht sowohl die klassische als auch die eher konstruktivistisch ausgerichtete Metapherntheorie; gerade auch den „prototypische[n] Kern des Konzepts der KAUSALITÄT“ sehen Lakoff /Johnson (20044) S. 92, „in vielfältiger Weise metaphorisch ausgeschmückt“.  





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B Theoretische Grundlagen

traditionelle Scheidung der Metapher von ihrer Unterart, der Metonymie, erklärt. Auch die Metonymie ist eine Übertragung (Quintilian: positio, traditionell: translatio). Bei ihr muss jedoch ein Verhältnis zwischen Ursprung und Ziel bestehen, das in der klassischen Rhetorik proximitas, von Jakobson contiguity genannt wird, während die Metapher von Ähnlichkeit (similitudo) gekennzeichnet ist.189 Bei der Metonymie gibt es Berührungspunkte oder Überschneidungen, bei der Metapher nicht – sie ist eher einem Sprung zu vergleichen. Wenn Achilles metaphorisch als Löwe bezeichnet wird, ist das tertium comparationis zum Beispiel der Mut – hierin besteht die Ähnlichkeit, auf der die Metapher aufbaut. Gelegentlich wird problematisiert, dass sich das Springen der Metapher mit einer Grammatikalisierungtheorie nicht vereinbaren lasse, die von graduellen Veränderungen ausgeht (vgl. Heine 1992, S. 9). Dem kann zweierlei entgegengehalten werden. Erstens kann ein Sprung, wenn die Analogie klar ersichtlich ist, von anderen Sprachteilnehmern leicht mit- oder nachvollzogen werden. Zweitens ist denkbar, dass die Entfernung, die zwischen Ursprungs- und Zielpunkt der Metapher liegt, durch mehrere kleine Schritte zurückgelegt wird, eventuell Schritte metonymischer Art. Inwiefern kann man die Abfolge der obigen Kontextverwendungen von weil, also im typischen, untypischen, kritischen und isolierenden Kontext, als Metaphorisierungs- und Metonymisierungsprozesse beschreiben? Nachdem innerhalb des Stadiums 0 das Substantiv die Weile (b1) sich allmählich zu einem Adverb mit temporaler Bedeutung entwickelt hatte (b2, b3)190, entsteht die zusätzliche Funktion eines temporalen Subjunktors (Kontext I). Diese Verwendung ist Ausgangspunkt für die konversationelle Implikatur, die in Kontext II möglich ist: b8

Du armer / die weil du haſt auß zu geben vnnd mit im zu zeren vnnd milt biſt / ſo ist er dein geſelle. (Bämler, 1476, d 3v)

die weil kann temporal gedeutet werden (solange du auszugeben hast, ist er dein Freund) oder aber kausal (weil du Geld hast, ist er dein Freund). Manchmal wird die Deutung aus dem Kontext klar, es findet eine Desambiguierung statt. Im vorliegenden Fall legt der nächste Satz die temporale Deutung nahe: b9

Aber wenn du nichts mer haſt / ſo loßt er dich gahn / vnnd hat kain mitleyden mer mit dir. (Bämler, 1476, d 3v)

189 Vgl. Jakobson/Halle (19752), S. 90, wo Jakobson die Metapher als von Similarität, die Metonymie als von Kontiguität gekennzeichnet beschreibt. 190 Zur exakteren Etymologie vgl. die Einzelanalyse von weil sowie die zahlreichen dort genannten Untersuchungen.

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3 Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren

Hier deutet das wenn auf eine temporale (oder konditionale) Verwendung, weshalb auch im vorhergehenden Satz, der parallel gebaut ist, von einer analogen Verwendung auszugehen ist. Wie kommt es zu der Ambiguität von temporaler und kausaler bzw. konditionaler Verwendung? Von einer zeitlichen proximitas wird auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen. Die Implikatur bildet hier somit die Basis für die Metonymie. Oft ist die Rolle dieses Mechanismus, der in der Philosophie als Fehlschluss bezeichnet wird, in der Literatur beschrieben worden (vgl. z. B. Behaghel, Bd. III 1928, S. 249). Auch Diewald (vgl. z. B. 1997, S. 55) führt die Herausbildung der kausalen Bedeutung von weil auf das Schema post hoc ergo propter hoc zurück. Wöllstein bestreitet nun erstens, dass die kausale Interpretation auf dieser Form der Implikatur beruhe und zweitens, dass die Metonymisierung als Erklärungsmodell für den Wandel ausreichend sei. Das mag zum einen daran liegen, dass Wöllstein den Satz post hoc ergo propter hoc sehr eng fasst – man muss wohl sagen zu eng –, zum anderen daran, dass dieser Satz nicht genau auf die Entwicklung von weil passt. Zu eng fasst Wöllstein den Satz insofern, als sie von dieser Analogieregel auch die lineare Abfolge der Konnekte (Antezedenz vor Konsequenz bzw. Ursache vor Wirkung) betroffen sieht, was durchaus nicht notwendig ist. Die Implikatur hat nicht in der syntaktisch independenten Konstruktion ihren direkten Ausgangspunkt:  



b10 Du hast Geld. Er ist dein Freund. b11 Hast du Geld, ist er dein Freund.

Weil die lineare Abfolge vertauscht ist, ist folgender Beleg nicht in gleicher Weise deutbar: b12 Er ist dein Freund. Du hast Geld.

Die Implikatur hat ihren Ausgangspunkt vielmehr in einer konnektorhaltigen, syntaktisch abhängigen Konstruktion, bei der die Abfolge der Konnekte bereits frei ist: b13 Solange du Geld hast, ist er dein Freund.

oder b14 Er ist dein Freund, solange du Geld hast.

Von der Analogieregel ist lediglich die Reihenfolge der Sachverhalte bzw. Ereignisse betroffen, nicht die Reihenfolge der Konnekte, in denen diese Sachverhalte bzw. Ereignisse ausgedrückt sind. Eine Rückführung in die „Basisabfolge“, deren Unmöglichkeit Wöllstein zu beweisen versucht, ist demnach gar nicht nötig. Aber selbst wenn man die lineare Abfolge der Konnekte mit dem Mechanismus des logischen Schlusses bzw. Fehlschlusses in Einklang bringen will, könnte man

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B Theoretische Grundlagen

dies tun – und damit die Implikatur verteidigen. Man muss ohnehin angesichts der historischen Textbelege eher von einem cum hoc ergo propter hoc ausgehen, also von der temporalen Bedeutung ‚während‘, ‚solange‘ oder ‚als‘, nicht von der Bedeutung ‚seit‘.191 Aus dem zeitlichen Nebeneinander zweier Ereignisse, nicht aus dem zeitlichen Nacheinander wird im Falle von weil auf Kausalität geschlossen.192 Zwar kann weil auch ‚seit‘ bedeuten, aber die kausale Bedeutung bildet sich zu der Zeit heraus, als die Bedeutung ‚während‘ die vorherrschende ist. Die Analyse der einzelnen Konnektoren wird noch Raum für weitere Belege und deren Diskussion geben. Die Tauglichkeit der Metonymie-These soll hier zunächst angenommen werden. Bevor weil im isolierenden Kontext erscheinen kann, muss die Implikatur konventionalisiert sein. Es kann nun durch dieweil/weil ein Verhältnis der Kausalität ausgedrückt sein, wo ein Verhältnis der Temporalität unmöglich wäre: b7

Dieweil das æquinoctium vernale, das iſt / die Gleiche | lenge tags vnd nachts / (ſo ſich nach rechter Kalenders | Calculation, auff den 21 Martij begibt) ſampt der Gul= | den zal / welche die zeit des Newen Oſtermonſcheins / an= | zeiget / zu weit frgeruckt vnd je lenger je mehr frkom= | men werden / kunten auch dahero die Oſtern / vnd andere | bewegliche Feſtag / nit mehr zu rechter zeit angeſtelt vnd | gehalten werden (Hornstein, 1596, C iijr)

Die beiden unterschiedlichen Tempora des dieweil-Satzes, Perfekt und Futur I (das elliptische frgeruckt ist aus dem Kontext heraus eindeutig als Perfekt identifizierbar, in frkommen werden liegt Futur I vor), schließen eine temporale Deutung sowohl im Sinne von ‚sobald‘ als auch von ‚solange‘ ‚während‘ oder ‚als‘ aus. Auch das Verhältnis dieser Tempora zum Präteritum als Bezugszeit im externen Konnekt (kunten […] angeſtelt vnd gehalten werden) steht einer Interpretation des dieweil als ‚solange‘ entgegen. Das interne Konnekt muss als präsuppositional gelten (die Sachlage wird breit im Text zuvor erläutert), was eindeutig

191 In der Grammatikalisierungsforschung wird häufiger die These des post hoc ergo propter hoc vertreten. Auch Szczepaniak (20112), S. 177 gibt in ihrer Einführung zuerst Beispiele und Belege, die auf die Analogie von der Bedeutung ‚nachdem‘/‚seit‘ und kausalem (!) weil abheben. Sie wählt hier denselben Beleg aus dem DWB, der auch in der Einführung von Damaris Nübling, Historische Sprachwissenschaft des Deutschen, seit der ersten Ausgabe 2006 (hier S. 233) als einziger ambiger angeführt wird. Diewald (1997), S. 57, hebt hingegen eher auf die „semantische Komponente der Gleichzeitigkeit“ ab. 192 Vgl. Kluge (201125), S. 979. Traugott/König (1991), S. 197 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Formulierung post hoc ergo propter hoc nicht immer wörtlich genommen werden kann: „It appears then that what is needed for a causal inference to arise is partial temporal overlap, not sequence.“

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gegen eine konditionale Lesart spricht. Die kausale Deutung wird vom korrelatähnlichen dahero im externen Konnekt abgesichtert. Jetzt kann weil in einem Kontext verwendet werden, der eine temporale Deutung nicht mehr zulässt. Man könnte also argumentieren, dass weil die Sphäre der Temporalität verlassen hat und in der Sphäre der Kausalität angekommen, also von einer Sphäre in die andere übergegangen ist – was dem Vorgang der Metaphorisierung entspricht. Metaphorisierung ist auch in der Tat der zweite Hauptprozess, der für die Grammatikalisierung beschrieben wird. Es gibt aber Gründe dagegen, hier von einer metaphorischen Verwendung zu sprechen. Das Konzept der Kausalität ist ohne das Konzept der Temporalität nicht vorstellbar und von ihm nicht zu trennen. Diese Überlagerung der beiden Sphären würde einer Definition der Metapher, die auf reiner similitudo, nicht auf proximitas beruht, widersprechen. Damit hängt der zweite Grund zusammen: Auch im Gegenwartsdeutschen sind Konstruktionen mit weil möglich, die eine (zusätzliche) temporale Deutung zulassen bzw. eine zeitliche Abfolge voraussetzen oder implikatieren: b15 Weil die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.

Es ist daher treffender, die bisher geschilderten Prozesse als Metonymisierung(en) zu bezeichnen. Der Grammatikalisierungsprozess von weil, der anhand der Kontexte skizziert wurde, in denen die unterschiedlichen Deutungen möglich sind, manifestiert sich in weiteren Phänomenen, die als Indikatoren für Grammatikalisierung gelten. Einer konkreteren Ausgangsbedeutung folgen abstraktere Bedeutungen bzw. Funktionen (Temporalität > Kausalität). Diesen scheinbaren Verlust der konkreten Bedeutung nennt man Desemantisierung, semantic bleaching oder nur bleaching.193 Da aber die ältere Bedeutung meist zumindest strukturell erhalten bleibt, ist der Begriff semantic bleaching nicht angemessen. Auch verdeckt der Begriff den Zugewinn pragmatischer Funktionen (pragmatic enrichment):194 kausale Konnektoren wie weil als ein Ausdruckmittel der Kausalität sind bereits subjektiver195 und

193 Vgl. Heine (2003), S. 579; für einen theoriehistorischen Überblick vgl. Hopper/Traugott (20032), S. 20 und 31 f.; vgl. ferner Diewald (2008), S. 3. 194 Vgl. Sweetser (1988), S. 389 ff.; Brinton (1996), S. 63 f.; Brinton/Traugott 2005, S. 29; Hopper/Traugott (2003), S. 94. 195 Wöllstein (2008), S. 237, hält hierzu fest: „Darüber hinaus ist zu beachten, dass die im weilKonnekt ausgedrückte Ursache, d. h. die hinreichende Bedingung, eine dem Sprecher unterstellte Einstellung formuliert. Das heißt: Die Modifikation der semantischen Defaultrelation durch Inversenbildung, die ausnahmslos in konnektorhaltigen Konnexionen erfolgen kann, kodiert Sprechereinstellungen.“  







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B Theoretische Grundlagen

ermöglichen Modalität.196 Ihre Eigenschaft, auf den modalen Ebenen (epistemisch und sprechaktbezogen) interpretiert werden zu können, wird anschließend noch unter dem Blickwinkel der Grammatikalisierung betrachtet. Unmittelbare Folge des mit semantic bleaching (unzureichend) bezeichneten Prozesses ist die Generalisierung (generalization), d. h. die Entwicklung zu einer weniger spezifischen, abstrakteren Bedeutung, die dann auch eine Verwendung in weniger spezifischen Kontexten erlaubt (vgl. Bybee/Perkin/Pagliuca 1994, S. 289). Dass dieweil/weil synchron parallel in konkreteren und abstrakteren Verwendungen vorkommt, in temporalen und nicht-temporalen, zeigt, dass Grammatikalisierung kontinuierlich, im großen Zusammenhang gesehen nicht sprunghaft verläuft. Wenn das Quellwort in seiner ursprünglichen Bedeutung neben dem grammatikalisierteren Wort erhalten bleibt, spricht man mit Hopper (1991, S. 22 und 24 f.) von divergence. Dieser Umstand ermöglicht es erst, den gesamten Grammatikalisierungsprozess von weil mit Belegen nachzuzeichnen, die aus einer Zeit stammen, in der die ersten Stufen bereits erreicht waren.197 Das Textkorpus kann mit den obigen Belegen nur einen Querschnitt durch den Zeitraum von 1472–1680 geben. Damit sind die Anfänge des Grammatikalisierungsprozesses von weil nicht erfasst, da es bereits in mittelhochdeutscher Zeit adverbial, und wenig später bisweilen mit kausaler Nebenbedeutung vorkommt. Im Frühneuhochdeutschen des genannten Zeitraums sind aber alle ursprünglichen Bedeutungen und Verwendungsweisen noch präsent, sie existierten nebeneinander und tun dies zum Teil noch im Gegenwartdeutschen. „Divergence indicates that when a lexical form undergoes grammaticalization, the original lexical form may remain as an autonomous lexical item […]“ (Aijmer (1997), S. 6). Im Falle von weil bedeutet dies, das Substantiv Weile, das temporale Adverb mit seinen verschiedenen Bedeutungen (‚so lange‘, ‚währenddessen‘), der Subjunktor mit temporaler (‚solange‘, ‚seit‘, ‚während‘) oder auch kausaler (‚weil‘) oder adverativer (‚aber‘, ‚jedoch‘) Semantik existieren nebeneinander als stärker oder schwächer grammatikalisierte Ausdrücke. In dieser Arbeit steht nicht die Gesamtentwicklung im Mittelpunkt, sondern nur ein Ausschnitt. Knappe Überblicke, die in Anlehnung an einschlägige Wörterbücher den Zeitraum vom Althochdeutschen bis heute abdecken, liegen bereits vor. Gerade für die Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert müssen diese Darstellungen ergänzt und durch Korpusstudien geprüft werden. Dabei gilt es, andere Konnektoren des kausalen Feldes in ihrer spezifischen Entwicklung und in Interaktion mit der Entwicklung von weil  



196 Lakoff/Johnson (20044), S. 91, gehen davon aus, dass das Konzept der Kausalität „auf dem Prototyp DIREKTE MANIPULATION“ beruhe. 197 Vgl. Sczcepaniak (20112) oder Nübling (20134), S. 284 f.  

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abzubilden. Der Konnektor weil, der heute als der prototypische Kausalkonnektor (vgl. Frohning 2007, S. 136 und 169) gelten kann, hat andere Konnektoren gewissermaßen verdrängt.198 Die formalen Nachfolger von wanne/wande/wann/wenn sind nicht mehr kausal im engeren Sinn zu verwenden. Für einen langen Zeitraum bleiben aber verdrängende und verdrängte Ausdrücke nebeneinander bestehen. In der Grammatikalisierungsforschung nennt man dies layering.199 Für die vorliegende Untersuchung ergibt sich hieraus die oben genannte Aufgabe: Neben Konnektoren, die innerhalb eines gewissen Zeitraums Kausalität ausdrücken konnten oder können, sind auch immer diejenigen zu berücksichtigen, die von neueren ganz oder in bestimmte Nischen verdrängt werden. Wie schlagen sich solche semantischen Verschiebungsprozesse auf das pragmatische Potential der Konnektoren nieder? Der Umstand, dass je ältere und neuere Bedeutungen und Funktionen nebeneinander fortbestehen können (divergence), ermöglicht es dann auch, die modalen Verknüpfungsformen, z. B. den Diskursmarker- oder Modalpartikelgebrauch in einem Zeitraum zu untersuchen, der die frühen Grammatikalisierungsprozesse mancher Konnektoren nicht erfasst. Konkret bedeutet das für die einzelnen Konnektoren etwa, dass dann/denn in seinen Verwendungen als Adverb, als koordinierender und subordinierender Konnektor, als Modalpartikel und als Vergleichspartikel analysiert werden kann. Pronominaladverbien wie deshalb, darum, demnach müssen in ihrem Gebrauch als (nichtkonnektorales) Relativadverb und als Adverbkonnektor untersucht werden, was die Diskursmarkerfunktion einschließt. Häufig gehen kategorienspezifische Eigenheiten im Grammatikalisierungsprozess verloren. Das Substantiv Weile erstarrt in der Verbindung die Weile/ dieweil und kann nicht mehr flektiert werden. Adverbien, die konnektoral verwendet werden können, sind in ihrer Stellungsfreiheit eingeschränkt.200 Hopper und Traugott (2003, S. 106–115) nennen dies decategorialization. Mit dieser Dekategorialisierung ist zugleich eine neue Kategorialisierung verbunden – die grammatikalisierten Ausdrücke nehmen die Spezifika ihrer neuen Kategorie an (z. B. Unflektierbarkeit) (vgl. Hopper 1991, S. 30 f.). Mit den genannten Prozessen geht die Erosion einher, worunter man eine Reduktion auf phonologischer Ebene versteht.201 Im Korpus finden sich Formen  





198 Die einschlägigen Untersuchungen zu diesen Prozessen von Roemheld, Arndt, Eroms und anderen werden in den einzelnen Analysekapiteln herangezogen. 199 Hopper (1991), S. 23: „The Principle of Layering refers to the prominent fact that very often more than one technique is available in a language to serve similar or even identical functions.“ 200 Vgl. Lehmann (1995), S. 158 ff., der von syntagmatic variability spricht. 201 Vgl. hierzu Diewald (1997), S. 19, die den Begriff in der grundlegenden Forschungsliteratur verortet. Ferner Diewald (2008a), S. 2 und Brinton/Traugott (2005), S. 24.  

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B Theoretische Grundlagen

wie die weyl, dieweil, dweil und weil.202 Auch bei anderen Konnektoren lassen sich solche Schwund- und Verschmelzungserscheinungen beobachten, etwa dar umbe, darumbe, darumb, darum, drumb, drum. Bei den genannten Beispielen wird aus einem Syntagma zunächst ein komplexer, dann ein (synchron betrachtet) eingliedriger und einfacher Konnektor. Manchmal geht der Substanzverlust bis zu einer Klitisierung, wie sie z. B. bei der Modalpartikel denn im Gegenwartsdeutschen vorkommen kann (Wer kommt’n alles mit?).203 Die Erosion hat im bleaching ihr Pendant auf semantischer Ebene. Zugleich wirkt sie der Divergenz entgegen, indem die stärker grammatikalisierte Form sich auch ausdrucksseitig von der weniger grammatikalisierten unterscheidet. Der Kategorienwechsel (Dekategorialisierung/Kategorialisierung) wird erkennbar. Die bisher genannten Grammatikalisierungsprozesse decken sich weitgehend mit denen, die Christian Lehmann den sechs von ihm vorgeschlagenen Grammatikalisierungsparametern zuweist.204 Zu ergänzen wäre noch die Paradigmatisierung (paradigmatization), die eng zusammenhängt mit der (De-)Kategorialisierung und der Spezialisierung (specialization). Konnektoren stellen im Vergleich zu ihren Quellwörtern ein übersichtliches, nahezu geschlossenes Paradigma dar. Wenn man alledings wie Auer und Günthner davon ausgeht, dass Konnektoren in einem weiteren Prozess zu Diskursmarkern werden, muss man auch erklären, ob und gegebenenfalls warum hier eine Ausweitung des Paradigmas stattfindet. Ohne an dieser Stelle die Frage zu diskutieren, ob die Reihenfolge Konnektor – Diskursmarker historisch korrekt und sinnvoll anzunehmen sei, könnte man das Prinzip der Paradigmatisierung für den angenommenen Prozess durchaus aufrechterhalten. Schließlich müsste man das gesamte Feld der Paradigmen berücksichtigen, aus denen sich die Diskursmarker rekrutieren können (Konjunktionen, Subjunktionen, Matrixsätze mit Verba sentiendi oder sciendi, Relativa, imperativische Verbformen werden bei Auer und Günthner vorgestellt), und dieses dann dem vergleichsweise nicht mehr so großen Paradigma der Diskursmarker gegenüberstellen. In der vorliegenden Arbeit wird die These vertreten, dass Konnektoren auch dann Konnektoren bleiben, wenn sie Diskursmarkerfunktionen ausüben. Zudem wird von einer sprachgeschichtlich frühen Diskursmarkerfunktion von Konnektoren ausgegangen. Beide Thesen werden im analytischen Teil überprüft.  

202 Ursprünglich, im Althochdeutschen, wurde die Subordination noch durch so oder daz/thaz übernommen, der Ausdruck war also drei- oder viergliedrig: (al) dia wîle so, dia wîla do oder (al) die wîle daz. Vgl. Kluge (201125), S. 979 und Behaghel, Bd. III (1928), S. 339. 203 Man spricht in solchen Fällen von Fusion. Vgl. Brinton/Traugott (2005), S. 24. 204 Vgl. Lehmann (1995), S. 122–178, besonders die Übersicht S. 164.

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Zwei Prozesse, die bei Lehmann geschildert werden, lassen sich mit der Grammatikalisierung von Konnektoren nicht ohne weiteres in Einklang bringen. Erstens: Konnektoren haben einen weiteren Skopus als ihre Quellwörter. Lehmann sieht in der Skopusverengung (condensation) aber ein Spezifikum der Grammatikalisierung.205 In manchen Fällen trifft dies zwar zu, es kann aber nicht als allgemeiner Vorgang angesehen werden, vielmehr als eine mögliche Konkretisierung eines Teilbereichs des komplexen Vorgangs Grammatikalisierung. Dass die „klassischen Grammatikalisierungskriterien (etwa im Sinne Lehmanns) […] für diesen Teil der Grammatik nicht geeignet“ seien, also „bei der Entstehung von Diskursmarkern, […] Konjunktionen, Präpositionen, Modalpartikeln u. a. scheitern“, ist zu scharf formuliert.206 Auch Matsumoto (1988, S. 345) urteilt etwas einseitig, wenn er die Position vertritt, Grammatikalisierung gehe mit Skopuserweiterung einher. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass sowohl die Skopusverengung (z. B. in der Entwicklung von Flexionsmorphemen) als auch die Skopuserweiterung zwei mögliche Wege der Abstraktion und des Autonomieverlusts sind.207 Der zweite problematische Prozess ist die Obligatorisierung (obligatorification).208 Für die Konnektoren bedeutet das: Sobald Konnektoren sich durch Grammatikalisierung herausgebildet haben, werden sie für entsprechende Konstruktionen benutzt und sogar obligatorisch. Grammatikalisierungsvorgängen im verbalen Bereich (beispielsweise Tempusmarkierung) sind hiervon sicher stärker geprägt als solche bei Konnektoren. Syntaktische Relationen können auch ohne Konnektoren ausgedrückt werden, nämlich z. B. durch Präpositionen (wegen). Vor allem dass Modalpartikeln oder auch Diskursmarker in gleicher Weise obligatorisch seien, lässt sich nicht behaupten. Manche Modalpartikeln weisen zwar eine Tendenz zur Obligatorik auf209, Diskursmarker dagegen sind „grammatisch gesehen immer weglassbar“ (Auer/Günthner 2005, S. 349). Diewald (2008a, S. 10) hat vorgeschlagen, in solchen Fällen von ‚kommunikativer Obligatorik‘ zu reden: „Die Auswahlregeln in diesen Fällen müssen mit Bezug auf die Sprecher 





205 Vgl. Lehmann (1985), S. 308. Lehmann vernachlässigt aber keineswegs Fälle, in denen Grammatikalisierung einhergeht mit Skopuserweiterung, vgl. Lehmann (1995), S. 145. 206 Auer/Günthner (2005) 357. Es wird hier auch nicht bedacht, dass Diskursmarker nicht weiteren Skopus als z. B. Konektoren haben müssen. Vgl. Waltereit (2006), S. 6. 207 Vgl. auch Christian Lehmanns Kritik in Lehmann (2004). Ganz ähnlich argumentieren Tabot/Traugott (1998), S. 265. 208 Vgl. Lehmann (1995), S. 139. 209 Z. B. doch in Wenn er doch käme! Vgl. auch das obligatorisch gewordene wol in konditionalen und dann konzessiven Sätzen mit ob, das letztlich sogar mit diesem zu obwohl verschmolzen ist.  



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B Theoretische Grundlagen

perspektive bzw. Sprecherintention formuliert werden […].“ Ob Konnektorengebrauch im Frühneuhochdeutschen obligatorisch wird oder nicht, kann nicht entschieden werden; allenfalls kann die token-Frequenz darüber einigen Aufschluss geben.210 Die Erweiterung des Obligatorik-Begriffes über die Sprecherintention entspricht einem Prozess, der oft als typisch für Grammatikalisierung beschrieben wird, nämlich der Subjektivierung (subjectification). Es handelt sich hierbei im Grunde um den diachronen Blick auf die Subjektivität. Wie der Blick auf Pits Arbeit gezeigt hat, ist das Subjektivitätskonzept Langackers nicht für eine diachrone Konnektorenanalyse geeignet. Elizabeth Closs Traugott (1982) hat ihr Konzept dagegen erstens aus sprachhistorisch-diachronen Untersuchungen heraus entwickelt und zweitens an Konnektorenanalysen erprobt. Es soll hier deswegen mit ihrer Definition von Subjektivierung gearbeitet werden: ‚subjectification‘ refers to a pragmatic-semantic process whereby ‚meanings become encreasingly based in the speakers subjective belief state/attitude toward the proposition‘, in other words, towards what the speaker is talking about (Traugott 1995, S. 31).

Anhand des Konnektors while zeigt sie, vom Altenglischen ausgehend, dieselben Mechanismen, die auch in den obigen dieweil-Belegen greifen. Nur semantisch verläuft die Entwicklung im Englischen anders – die kausale Bedeutung wird ungebräuchlich, während die adversativ-konzessive sich durchsetzt.211 „Connectives […] are used in discourse to signal speaker’s perspective on the way in which the events talked about relate to each other“ (Traugott 1995, S. 39). Hierin sieht sie einen Zugewinn an Subjektivität gegenüber den objektiveren Quellwörtern. Die oben skizzierte Entwicklung vom Substantiv und Adverb zum temporalen Pronominaladverb dieweil und von dort weiter zum kausalen Konnektor, auch die Herausbildung der Diskursmarkerfunktion geht nach Traugotts Theorie mit einer Zunahme von Subjektivität einher. Die Subjektivität liegt zunächst darin, dass der Sprecher zwei Sachverhalte als in einem Verhältnis zueiander stehend markiert. Während in b4

v die weil du lebſt ſo gib deinē kindē keinē gewalt über dein gůt (Bämler, 1476, e 2r)

durch den Sprecher ein temporales Verhältnis zwischen zwei Sachverhalten ausgedrückt wird, liegt in

210 Frequency wird als ein bedeutender Grammatikalisierungsfaktor eingestuft. Vgl. z. B. Brinton/Traugott (2005), S. 29 f. oder Bybee/Thompson 1997. 211 Vgl. Traugott (1995), S. 40–42. Vgl. auch Traugott/König (1991), S. 199–201.  



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b1

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nimb die Trommel mit mir für die lange Weil (Colloquium, 1620, 4)

noch keine syntaktische Verknüpfung vor. Allein eine solche Verknüpfung ist bereits in stärkerem Maße Ausdruck der Sprechereinstellung als ein Einfachsatz. Tritt der Konnektor dann ins Kausalfeld über, liegt in diesem Schritt eine weitere Subjektivierung. Kausale Verknüpfungen sind aus verschiedenen Gründen als sprecherbezogen und als Ausdruck von Sprechereinstellung zu beurteilen.212 Dazu sei noch einmal Rudolph zitiert: „Durch die Wahl eines kausal determinierten Satzgefüges zur Darstellung einer Ereignisfolge ist er [d. i. der Sprecher] selbst in die Aussage integriert[…]“213 Der Sprecher selbst legt fest, welchen Sachverhalt er als Grund und welchen er als Folge darstellt.214 Indem die ‚ikonische‘ Reihenfolge (früheres Ereignis → späteres Ereignis) umgedreht werden kann (Folge ← Ursache)215, wird noch mehr erreicht. Das im internen Konnekt Ausgedrückte formuliert „eine dem Sprecher unterstellte Einstellung“; der Wechsel von temporaler zu kausaler Bedeutung ermöglicht Inversenbildung und die Kodierung von Sprechereinstellung (Wöllstein 2008, S. 209). Ob diese Gedanken zur Subjektivierung in der Entwicklung der Konnektoren in den Korpustexten bestätigt werden, muss sich in den Analysen zeigen, wo zu diesem Zweck die angesprochenen Subjektivitätsparameter abgegriffen werden. Ihre Zahl müsste mit der Subjektivitätszunahme auch ansteigen. Die Entwicklung der Konnektoren wird in der Literatur häufig anhand von Strahlen wie dem folgenden dargestellt:216  

lokal → temporal → kausal → diskursiv Eine solche Abfolge wäre ein Musterbeispiel der Grammatikalisierung und der Subjektivierung im Speziellen. Bei weil kann eher nicht von einem lokalen Ursprung ausgegangen werden, also einem Ursprung der ein noch konkreteres Verhältnis als das Temporale darstellt. Das Substantiv Weile gehört zum indogermanischen Stamm kei ̯ə-, kii ̯ē- (‚behaglich ruhen‘) bzw. k ī-lo- (‚ruhig‘), von dem

212 Vgl. Kapitel B. 2. 213 Rudolph (1982), S. 168. Vgl. das ausführlichere Zitat in Kapitel B. 2. 214 Vgl. Frohning (2007), S. 24. Das ausführliche Zitat findet sich auch zu Beginn von Kapitel B. 2. 215 Diese veränderte Reihenfolge stellt in kausaler Verwendung die sprachgeschichtlich ältere und auch späterhin den Normalfall. Vgl. die Belege bei Behaghel, Bd. III (1928), z. B. S. 249. 216 Vgl. etwa Abraham (1990), S. 128 mit Bezug auf Abraham (1976), S. 25 f.: „räumliche Einordnung > temporale Beziehung > logisch-modal-illokutiv-textkohärenzschaffende Bedeutung“.  



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sich auch altisländisch hvīla (‚Ruhebett‘) ableitet (Pokorny 1959, S. 638). Eine solche lokale Bedeutung scheint aber die sekundäre zu sein, die Althochdeutschen Wörterbücher geben keine lokale Bedeutung für (h)wīla an (vgl. Schade, Bd. I 1872–18822/1969, S. 439 f.). Andere Konnektoren, z. B. dann/denn, vollziehen diesen vorgelagerten Subjektivierungsschritt von der lokalen Bedeutung auf die temporale. Erstere kann in höherem Grad an gegenständliche und damit objektivere Punkte anknüpfen als die temporale. Die Temporalität muss damit als sekundäres, abstrakteres und somit zugleich subjektiveres Konzept gelten, da die Abstraktion und die Metonymisierung vom Sprecher (und vom Hörer) geleistet, der (Fehl-)Schluss cum hoc ergo propter hoc (mit-)vollzogen werden muss – jedenfalls bis zur Phase des kritischen Kontexts, um die es hier geht. Das rechte Ende der obigen Skala, das hier mit diskursiv bezeichnet wird, ist ein Bereich, dem man diverse Funktionen zuschlägt und Namen zu geben pflegt. Abraham setzt hier eine oder mehrere (?) „logisch-illokutiv-textkohärenzschaffende Bedeutung[en?]“ an; Auer und Günthner nennen die nicht-denotative Ebene die „metapragmatische und/oder diskursorganisierende“.217 Entsprechend der hier vertretenen These, dass auch in solchen diskurssteurenden, pragmatischen oder modalen Verwendungen von Konnektoren deren Semantik, z. B. die Kausalität, erhalten bleibt, müsste der Entwicklungsstrahl eher so aussehen:  





lokal

→ temporal

kausal-diskursiv ↑ → kausal

Wie schon an dem Titel eines ihrer Aufsätze deutlich wird, versteht Traugott (1985) zunächst unter subjectification das Entstehen epistemischer Bedeutung, somit rückt sie epistemische Modalität nahe an Subjektivität oder setzt beide sogar gleich. In späteren Arbeiten sieht sie sich dazu veranlasst, eine exakte Studie zu fordern, in der das Verhältnis von Subjektivierung und Modalität, vor allem epistemischer Modalität, zu klären ist (Traugott 1995, S. 49). Der Zugewinn an epistemischen und illokutiven Funktionen ist ein Vorgang, den Traugott als

217 Abraham (1990), S. 128. Auer/Günthner (2005), S. 340. Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele solcher Abstufungen. José Pinto de Lima (2002), S. 374, stellt die Subjektivierung des portugiesischen Konnektors pois wie folgt dar: „as a temporal conjunction: the speaker implicates a temporal relationship between the events expressed by the clauses connected by pois; […] as a causal conjunction: the speaker implicates a relationship of state-of-affairs to its cause or reason; […] as a discourse marker: the speaker implicates an attitude towards a feature or features of the previous discourse, and […] as a phatic marker: the speaker implicates an attitude towards the communication act itself.“

3 Diachrone Beschreibung frühneuhochdeutscher Konnektoren

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pragmatic strengthening bezeichnet, sobald die neue Bedeutung bzw. Funktion fest mit dem Ausdruck verbunden ist (wie bei Modalpartikeln oder konventionalisierten Implikaturen im Falle anderer Konnektoren) (vgl. Traugott 1988). Schon eine vorläufige Sichtung des Textkorpus liefert für den Konnektor weil ein komplexeres Bild als in den obigen Skizzen der vier Kontexte und der Subjektivierung. Zwei Belege seien herausgegriffen: b16 Da behüte mich mein Gott für / ach lieber Gott / es muß auch wol böſe | Leuth dort haben / weil man die Leuth zum Fenſter hinauß wirfft. (Colloqium, 1620, 29)

Hier wird weil epistemisch verwendet, d. h. es verknüpft eine Sprecherannahme (Illokutionstyp Estimativum, externes Konnekt, Folge: es muß auch wol böſe Leuth dort haben) mit der Beobachtung bzw. Evidenz, die der Grund für diese Annahme ist (internes Konnekt, Ursache: weil man die Leuth zum Fenſter hinauß wirfft).218 Es wäre aber auch eine nicht-kausale Deutung auf propositionaler Ebene möglich:  

b16’ Solange man die Leute zum Fenster hinaus wirft, gibt es böse Leute dort.

Während des gesamten Untersuchungszeitraumes kann weil/dieweil sowohl temporal als auch schon kausal gelesen werden. Wenn nun in solchen ambigen Fällen zudem epistemische Deutungen möglich sind, könnte man sich zuerst fragen, ob nicht vielleicht die epistemische Lesart sich direkt aus der temporalen oder aber aus der Ambiguität kausal-temporal heraus entwickelt haben könnte:

Um dies zu bestätigen oder zu widerlegen, muss man in einem ersten Schritt die (u. U. mehr als zweifache)219 Ambiguität feststellen, dann in einem zweiten die  

218 Vgl. zu den drei Verknüpfungsarten propositional, epistemisch und sprechaktbezogen das in Kapitel B. 2 vorgestellte Modell Sweetsers. 219 Eine kausale Lesart auf der propositionalen Ebene wäre in diesem Beispiel zwar sehr unwahrscheinlich, aber doch möglich: Weil man die Leute zum Fenster hinauswirft, gibt es böse Leute dort. (Die Leute werden aufgrund dieser Vorgänge immer böser). In anderen Belegen kommt es zu mehrfachen Ambiguitäten, die keine derart akrobatischen Paraphrasen notwendig machen.

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B Theoretische Grundlagen

wahrscheinlichere Semantik (temporal – kausal) ermitteln, anschließend in einem dritten prüfen, ob die epistemische Lesart die wahrscheinlichere ist, um schließlich in einem vierten Schritt das Alter derjenigen Belege, die sowohl temporal-kausal als auch propositional-epistemisch ambig sind, mit dem Alter derjenigen Belege vergleichen zu können, die epistemisch-kausal gelesen werden können, ohne dass eine Ambiguität zwischen Temporalität und Kausalität vorliegt. Ob die temporale oder die kausale Lesart die wahrscheinlichere ist, muss erstens aus dem Kontext heraus ersehen werden, zweitens können die Subjektivitätsindikatoren hier Aufschluss geben, weil kausale Verknüpfungen als subjektiver zu gelten haben als temporale. Die Prüfung der Epistemizität (Schritt drei) kann mittels der besprochenen Parameter durchgeführt werden. Die Subjektivitätsindikatoren, die die Kausalität gegenüber der Temporalität herausstellen sollen, überschneiden sich naturgemäß mit den Modalitätsindikatoren, die die Unterscheidung zwischen propositionaler und modaler (hier: epistemischer) Lesart objektivieren soll.220 Zusätzlich können noch verschiedene Grammatikalisierungsparameter selbst Hinweise auf die Deutung geben. Am konkreten Beleg aufgezeigt: Subjektivitätsindikatoren: – Das epistemisch verwendete Modalverb müssen, – die Modalpartikel wol, – der (Tiefen-)Subjektbezug, der sich sowohl im wertenden Prädikat böse als auch im Exklamativum ach lieber Gott manifestiert, – der klar bestimmbare Sprecher im Dialog als Quelle der Evidenz – und der direkte Redekontext sind als Subjektivitätsindikatoren zu werten. Modalitätsindikatoren: – Das interne Konnekt ist postponiert, – daher liegt nur ein mittlerer syntaktischer Integrationsgrad vor, – die getrennte prosodische Phrasierung der Konnekte wird durch die Virgel nahegelegt, – die obigen Subjektivitätsindikatoren epistemisches Modalverb, Modalpartikel, Tiefensubjektbezug und Evidenzquelle gelten auch als Modalitätsindikatoren, – der Illokutionstyp Estimativum (es muß auch wol böſe | Leuth dort haben) weist die Verknüpfung als epistemisch aus.

220 Vgl. zu einer gesonderten Aufführung der Subjektivitäts- und die Modalitätsindikatoren Kapitel B. 5.

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(Die Verbstellung, hier eindeutig Verbletztstellung im internen Konnekt, kann in diesem Fall keine Anhaltspunkte für die modale Lesart liefern, steht einer solchen aber auch nicht entgegen.)

Grammatikalisierungsparameter: – weil ist die phonologisch reduzierte Form von die weil/dieweil (Erosion), damit stärker grammatikalisiert und aufgrund dessen eher kausal zu deuten. In ihrer Häufung weisen die Subjektivitätsindikatoren recht eindeutig auf eine kausale, die Modalitätsindikatoren auf eine epistemische Lesart hin. Gestützt wird dies durch die erodierte Form. Nach solchen Parametern werden alle Korpusbelege untersucht, um Konnektorensemantik und Deutungsdomäne zu ermitteln. Dabei ist auch mit unauflösbar ambigen Fällen zu rechnen. Analoge Ambiguitäten gibt es bei der anderen modalen, der sprechaktbezogenen Verknüpfungsebene. Das soll der zweite Beleg veranschaulichen: b17 Wie muß ich das verſtehen / das die Juden im Voll= | mon deß erſten Monats im jahr / Oſtern gehalten / die= | weil doch mir [sic] dieſelbige erſt im viertten Monat zu hal= | ten / im brauch haben / nemlich im Monſchein Aprilis. (Hornstein, 1596, B ivr)

Hier lässt sich die dieweil-Verknüpfung auf propositionaler Ebene temporal (1) oder konzessiv-adversativ (2) deuten, auf der Sprechaktebene kausal (3). Deutung (1) und (2) gehen ineinander über: b17’ …dass die Juden im Vollmond des ersten Monats im Jahr Ostern halten, während/obwohl doch wir dieselbige erst im vierten Monat zu halten im Brauch haben…

Die adversativ-konzessive Deutung ist hier die wahrscheinlichere. Für sie sprechen die kontrastierende Lesart von doch, der Subjektivitätsmarker (1. Person Singular) und auch die zeitlichen Angaben, die eine temporale Deutung unwahrscheinlicher machen, weil sie eine exakte Gleichzeitigkeit ausschließen. Andererseits ist eine Gleichzeitigkeit in Bezug auf das jeweilige Jahr denkbar – oder eine Übertragung von der Zeit auf den Fall ‚Ostertermin‘. Dies würde dann aber wieder der konzessiv-adversativen Deutung nahekommen. Auch sind die beiden Indizien (doch, ich) quantitativ nicht sehr aussagekräftig. In beiden Fällen (adversativ oder temporal) wird die Verknüpfung auf der propositionalen Ebene interpretiert.221

221 Vgl. aber die in Kapitel B. 2 kurz referierte Kritik Ewald Langs (2000) an der Dreiteilung Sweetsers auf dem Gebiet der Adversativität.

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B Theoretische Grundlagen

Der Sprechaktbezug des Konnektors (3) lässt sich durch eine Paraphrase verdeutlichen: b17’’ Wie soll ich das verstehen, dass die Juden im Vollmond des ersten Monats im Jahr Ostern halten? Ich frage das, weil wir doch erst im vierten Monat….

Ob der adversativen Deutung auf propositionaler Ebene oder der kausalen auf der Sprechaktebene der Vorzug zu geben sei, lässt sich nicht entscheiden: Weder der Kontext noch die Redesituation (Gegenstand, Argumentationsort, Sprecherrollen, Textsorte) geben hier Aufschluss noch lassen sich deutliche Subjektivitäts- oder Modalitätsindikatoren finden. Zwar ist der dieweil-Satz postponiert, das wäre aber für die Interpretation auf epistemischer Ebene (die hier nicht möglich ist) ein stärkers Indiz als für die Interpretation auf der Sprechaktebene. Die getrennte prosodische Phrasierung der beiden Konnekte ist durch die Virgel angedeutet, aber auch das wäre nur im Verbund mit anderen Indikatoren aufschlussreich. Das Modalverb (muß) ist nicht epistemisch gebraucht. Dass doch hier als Modalpartikel aufgefasst werden kann, würde eher für die sprechaktbezogene Deutung sprechen, stünde aber aber der adversativen nicht entgegen (s. o.). Auch die erste Person Singular (Sprecher/Konzeptualisierer) könnte sowohl auf die adversative Lesart hinweisen, die als subjektiver als die temporale gelten muss, als auch auf die kausale Lesart mit Sprechaktbezug. Die nicht vollständige Erosion von dieweil schließlich erlaubt auch kaum Rückschlüsse – eher vielleicht noch auf die propositionale Deutung. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Konstruktion als ambig zu bewerten ist. Auch die Entwicklung der zweiten nicht-propositionalen Deutung, nämlich der sprechaktbezogenen, muss in die obige Darstellung miteinbezogen werden. Das führt zur erweiterten Skizze:  

Man hat es im Frühneuhochdeutschen also häufig mit pragmatischen (propositional, epistemisch, sprechaktbezogen) und semantischen (temporal, kausal, adversativ, …) Ambiguitäten zu tun, die einander zudem überlagern können. Wenn die Entwicklung von konkreteren zu abstrakteren Bedeutungen (lokal, temporal, kausal) als Subjektivierung bezeichnet wird, könnte man die Entwicklung modaler Lesarten (epistemisch und sprechaktbezogen) eine Subjektivierung zweiter Ordnung nennen. Hier von Pragmatisierung zu sprechen und diesen Begriff von dem der Grammatikalisierung abzutrennen, ist nicht sinnvoll, wenn man erstens

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mit Sweetser diese modalen Verwendungsweisen als metaphorische begreift und zweitens davon ausgeht, dass man die pragmatischen Verwendungen (Diskursmarkerfunktionen) ausreichend mittels dieser modalen Domänen erklären kann. Diese letzte Prämisse bedeutet konkret auch, was schon mehrfach betont wurde: dass nämlich die Kausalität kausaler Konnektoren nicht verloren geht, wenn sie Diskursmarkerfunktionen ausüben. Wenn propositionale Lesarten mit nichtpropositionalen Lesarten anderer semantischer Relationen konkurrieren, dann zwingt das dazu, den Zusammenhang zwischen semantischer und pragmatischer Ambiguität zu beleuchten. Die Entstehung modaler Lesarten fällt in die Phase des kritischen Kontexts auf semantischer Ebene, nicht etwa in die Zeit, als temporale Lesarten nicht mehr möglich waren. Hängt die Entstehung modaler Lesarten also mit dem semantischen Schwebezustand zusammen? Da diese Frage nicht vor der Untersuchung beantwortet werden kann, muss eine solche Verquickung der Ambiguitäten vorerst angenommen werden, was eine aufwendige Analyse zur Folge hat.

3.2 Grammatikalisierung der Verbstellung und des Satzrahmens Neben den semantischen Verschiebungen (v. a. lokal, temporal, kausal) und den Verdrängungen innerhalb des kausalen Konnektorenfeldes (wenn/wann, denn/ dann, dieweil, darumb etc.) sind für die Herausbildung modaler Konnektorenlesarten syntaktische Enwicklungen im Frühneuhochdeutschen von Belang. Die modalen Lesarten von Konnektoren korrelieren mit syntaktischen Parametern wie Verbstellung oder der Serialisierung der Konnekte, Modalpartikeln sind größtenteils an das Mittelfeld gebunden. Diese und weitere syntaktische Parameter sind für das Frühneuhochdeutsche noch anders zu beurteilen als für das Gegenwartsdeutsche. Die Verfestigung des Satzrahmens und die immer konsequentere Zuordnung von Verbletztsätzen und Verbzweitsätzen zu Neben- und Hauptsätzen ziehen sich über Jahrhunderte und sind wieder als Grammatikalisierungsvorgänge zu verstehen. Vor dieser ‚Zementierung‘ (Admoni) gilt aber, dass sich Hauptsätze im Frühneuhochdeutschen mit allen Verbstellungstypen realisieren lassen und dass Nebensätze neben der heute üblichen Verbletzt- und Verberststellung (uneingeleiteter Konditionalsätze) auch mit Verbspät- und Verbzweitstellung realisiert werden konnten. Generationen von Forschern beschäftigten sich mit den vom Gegenwartsdeutschen abweichenden Verbstellungsmöglichkeiten im Alt-, Mittel- und Frühneuhochdeutschen. Es kann hier nicht um eine umfassende Darstellung dieses Problemfeldes gehen. Nur einige repräsentative Stimmen und Ergebnisse, die in der Forschung nicht veraltet sind, die immer wieder diskutiert und von korpusba 

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sierten Untersuchungen – soweit vorhanden – bestätigt werden, seien hier ausgewählt. Zum Hauptsatz. 1926 unterscheidet Friedrich Maurer (S. 196) „Belege mit wirklicher Endstellung im Hauptsatz von den Fällen, in denen das Verb von seiner gewöhnlichen Stellung verschoben ist“. Die sogenannte wirkliche Verbendstellung erblickt er vor allem in „relativähnlichen Sätzen“ und „bei gewissen Schriftstellern, die unter lateinischem Einflusse stehend und die deutsche Sprache vergewaltigend, in jedem Hauptsatze Endstellung erstreben“, während die scheinbare Endstellung eigentlich eine Verbdrittstellung sei, die wiederum entweder vom Lateinischen her beinflusst oder volkstümlich geprägt sei.222 Welche Rolle das Lateinische im Hinblick auf die Verbstellung spielt und welche weiteren Interdependenzen anzunehmen sind, wurde kontrovers diskutiert und ist immer noch nicht abschließend beantwortet. Die Analyse der deutsch-lateinischen bzw. lateinisch-deutschen Übersetzungstexte im Korpus wird hier möglicherweise mehr Aufschluss geben. Entscheidend für den Überblick ist vorerst, welche Stellungsvarianten für den frühneuhochdeutschen Hauptsatz in der Forschung festgehalten werden. Der Sprachstil Martin Luthers ist in der Germanistik von Anfang an mit besonderem Interesse beobachtet worden. So liegen auch zu syntaktischen Phänomenen zahlreiche Untersuchungen vor, die nicht ganz zu Unrecht beanspruchen, für das gesamte Frühneuhochdeutsch aussagekräftig zu sein.223 Carl Franke beobachtet, dass „Luther zuweilen auch im e r z ä h l e n d e n Hauptsatz d i e g e b o g e n e Z e i t w o r t f o r m an die erste, den Satzgegenstand aber an die zweite oder dritte Stelle [setzt…].“224 Paul findet bei Luther in „ausgedehnterer Anwendung als im Nhd. […] absolute Anfangs- und Endstellung des Verbs […]“ (Erben 1954, S. 13). Für die Verberststellung versucht Franke (1922, S. 69, Hervorhebung i. O.) auch eine Erklärung, die plausibel ist:  

Da die Anfangsstellung des Zeitwortes sich meiner Beobachtung nach n i e z u B e g i n n einer Erzählung oder Darlegung findet, scheint sie ähnlich wie die nach u n d im Hauptsatz durch die Beziehung auf das Vorausgehende bewirkt worden zu sein. Vielleicht kam noch hinzu, daß der Satzgegenstand etwas an Kraft verloren hatte, da er entweder kurz vorher schon einmal genannt worden war […], oder von sehr geringer Bedeutung ist […].

222 Maurer (1926), S. 196. Zum Einfluss des Lateinischen vgl. auch Paul, III,IV (1919/1968), S. 75 f.: „In der Humanistenzeit wurde die Schlußstellung des Verb[um finitum im Hauptsatz] von manchen Schriftstellern unter dem Einflusse des Lat. auch in die Prosa eingeführt […].“ Ferner ebd., S. 71: „Im Spätmhd. und Anhd. begegnet wieder eine Anfangsstellung des Verb., von der es zweifelhaft ist, ob sie mit der ahd. in geschichtlichem Zusammenhange steht […]“. 223 Zum Anteil der Texte Luthers am Textkorpus vgl. Kapitel B. 4. 224 Franke (1922/1973), S. 68 (Hervorhebung i. O.).  



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Verbstellung scheint dieser Auffassung nach entsprechend den Erfordernissen der Informationsgliederung gesteuert zu werden. Als vorläufiges Resümee ist mit Ebert (1986, S. 101) festzuhalten, dass „im aussagenden Hauptsatz vier Stellungsvarianten des finiten Verbs […, nämlich] Anfangs-, Zweit-, Dritt- und Endstellung“ möglich sind. Zum Nebensatz. Dieser kann vor, während und nach der frühneuhochdeutschen Zeit sowohl mit Verbletzt- als auch mit Verbzeitstellung konstruiert werden, so eine These Barbara Sandigs (1973, S. 41). Auch für die Durchsetzung der Verbendstellung wird lateinischer Einfluss diskutiert (Maurer 1926, S. 179), ist aber nicht nach allgemeiner Auffassung nicht bewiesen (vgl. Ebert 1986, S. 110f.). In der Forschung ist nicht geklärt, wodurch die zunehmende Oppositionierung von Hauptsatz mit Verbzweitstellung und Nebensatz mit Verbletztstellung ausgelöst worden ist. An der verschiedentlich geäußerten These, „die Verbendstellung sei durchgeführt worden, damit der Nebensatz vom Hauptsatz besser differenziert werde“, kritisiert Ebert (1987, S. 111) zurecht, dass „nicht empirisch überprüft ist“, ob die „absolute Endstellung des finiten Verbs eine eindeutigere Opposition ermögliche“. Erben (1954, S. 22) untersucht die Wortstellung „an Hand der daß- und derSätze als typischer und meistbelegter Vertreter der durch Konjunktionen und Pronomina eingeleiteten Gliedsätze“. Dass er mit dieser Einschränkung zu einem verzerrten Ergebnis zugunsten der Verbletztstellung kommt, verwundert nicht. Dennoch werden seine Ergebnisse immer wieder aufgenommen und für alle Arten von Nebensätzen generalisiert.225 Ähnliches trifft auch auf die Arbeit Hartmanns zu. Er untersucht nämlich keine Angabesätze, sondern einzig Ergänzungssätze, und zwar zum größten Teil diejenigen in Funktion einer Akkusativergänung, also ø-, dass- und ob-Ergänzungssätze (Hartmann 1970, S. 21). Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit schneidet sich mit dem der seinigen kaum. Es sollen vorwiegend Hauptsätze (entsprechend den gegenwartsdeutschen denn- oder darumSätzen) und Angabesätze (entsprechend den gegenwartsdeutschen weil- oder daSätzen) untersucht werden, daneben solche Sätze, die den weiterführenden und z. T. auch freien Relativsätzen nahestehen (also vor allem die durch Pronominaladverbien eingeleiteten Sätze). Erben und Hartmann haben sich solchen Sätzen zugewandt, die aus heutiger Sicht syntaktisch als prototypische Nebensätze zu bezeichnen sind. Von den Analysen weniger prototypischer Vertreter der jeweiligen Satztypen sind aber gerade die interessanteren und uneinheitlicheren Ergebnisse zu erwarten. Auch für den jetzigen Forschungsstand gilt: „Die Entstehung  

225 So z. B. in Arndt/Brandt (1983), S. 189 ff.  



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der S c h l u ß s t e l l u n g des finiten Verbums im dt. Gliedsatz ist bis heute umstritten.“226 Hauptsätze können im Frühneuhochdeutschen also mit der heute für Nebensätze typischen Verbletztstellung ausgedrückt werden, Nebensätze mit der heute für Hauptsätze typischen Verbzweitstellung. Rieck (1977, S. 56) sieht in ihrer sorgfältigen Untersuchung, dass „die Verbendstellung im NS, bzw. die Zweitstellung im HS in der älteren Sprache kein zureichendes Kriterium ist.“ Sie beruft sich dabei auf die einschlägigen Arbeiten von Virgil Moser, Otto Behaghel, Friedrich Maurer, Walther Preusler, Emil Hammarström und anderen. Aus diesem Umstand heraus bildete sich ihrer Ansicht nach das „[…] Bedürfnis […], HS und NS formal zu differenzieren“, und zwar auch mittels verschiedener Konjunktionen (ebd.). Diese formale Differenzierung hängt maßgeblich mit der informationsstrukturellen Gliederung der Sätze und Texte zusammen, wie Behaghel227 und Fleischmann (1973) dargelegt haben. Ihre Einteilung in wichtige und weniger wichtige Information bzw. in Vorder- und Hintergrundhandlung wird bis heute für das Gegenwartsdeutsche und für ältere deutsche Sprachstufen übernommen und vielfach modifiziert. Dabei stellt Fleischmanns Arbeit in Anlehnung an Weinrichs Relieftheorie gerade den Versuch dar, die Verbstellungstypen alternativ zu beschreiben, nicht über die Begriffe Haupt- und Nebensatz, sondern als Ausdruck für Vorder- und Hintergrund (vgl. Fleischmann 1973, z. B. S. 77 f. und S. 323). Viel häufiger als das Frühneuhochdeutsche wird das Althochdeutsche im Hinblick auf den Zusammenhang von Verbstellung und Informationsstrukturierung untersucht.228 Das Frühneuhochdeutsche mit seiner syntaktischen und semantischen Vielfalt und Komplexität, den veränderten Produktionsbedingungen der Texte und dem Textsortenreichtum lässt sich nur mit viel aufwendigerem Methodeninventar beschreiben. Auch sind keine so klaren Ergebnisse zu erwarten, sondern viele Abstufungen zwischen den Polen ‚wichtig – weniger wichtig‘, ‚bekannt – unbekannt‘, ‚fokussiert – kommentierend‘ etc.229 Werden Satzver 



226 Tschirch (1989), S. 162 (Hervorhebung i. O.). Tschirch meint mit ‚Gliedsatz‘ wohl allgemein ‚Nebensatz‘, also auch Gliedteilsätze und solche, „bei denen die Bestimmung des Satzgliedwerts Probleme bereitet“ (Peyer 1997, S. 51). 227 Vgl. Kapitel C. 2.1.7 (Das Verknüpfungsverhalten von derhalben und derowegen). 228 Vgl. die Publikationsliste des Forschungsprojekts „Informationsstruktur und Wortstellung im Germanischen“ an der Humboldt-Universität Berlin, geleitet von Karin Donhauser, Svetlana Petrova und, bis 2010, Roland Hinterhölzl, einsehbar unter http://www2.hu-berlin.de/sprach geschichte/forschung/informationsstruktur/ 229 Auch Fleischmann (1973), S. 318, weist gerade für die Übergangsphase zwischen Mittel- und Neuhochdeutsch, für die aus syntaktischer Sicht „eine genaue Datierung […] vorläufig nicht möglich“ ist, auf solche Abstufungen der Hintergrundhandlung hin.  

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knüpfungen untersucht, kann die Informationsstruktur nicht vernachlässigt werden. In den Einzelanalysen wird gelegentlich auf informationsstrukturelle Regelhaftigkeiten oder Besonderheiten der ausgewählten Konnektoren hingewiesen. Für die vorliegende Untersuchung ist die Informationsstruktur aber nicht zentral, auch können die Betonungsverhältnisse für deren Offenlegung nicht gut ermittelt werden. Die Aussage Weinrichs, dass es im Frühneuhochdeutschen bereits zu einer „konsequenten Ausbildung der Reliefgebung durch die Verbstellung“ gekommen sei, ist zu modifizieren. Im gesamten 17. Jahrhundert, als relative und demonstrative Pronominaladverbien mit Verbletzt- und Verbzweitstellung, die einen großen Teil aller Konnektoren ausmachen, noch nicht voneinander geschieden waren, war der heutige Zustand nicht erreicht. Möglicherweise stand aber mit der größeren Zahl von Kombinationsmöglichkeiten aus Konnektor und Verbstellungstyp auch für einige Jahrhunderte ein differenzierteres Instrumentarium zu Verfügung. Ein zweiter Weg, der gegenüber dem informationstrukturellen der ältere ist, führt über das Illokutionsgefälle zwischen sogenanntem Haupt- und Nebensatz. In den Arbeiten, die sich mit den Verbstellungsvarianten beschäftigen, wird oft nicht erläutert, was genau einen Hauptsatz zu einem Hauptsatz und was einen Nebensatz zu einem Nebensatz macht.230 Eine Unterscheidung kann funktional oder – sekundär – formal erfolgen. Seit den älteren Untersuchungen begegnet eine funktionale Unterscheidung immer wieder – stillschweigend vorausgesetzt oder ausformuliert. Der Hauptsatz wird als selbständiger, der Nebensatz als unselbständiger Satz verstanden. Dazu Wunder (1965, S. 33.): „Als ‚Hauptsatz‘ bezeichnen wir jeden selbständigen Satz […]“. „Der Nebensatz ist ein untergeordneter und dadurch abgeschlossener Satz […]“ (Wunder 1965, S. 522, Hervorhebung i. O.). Zum Kriterium der Selbständigkeit bemerkt schon Paul (IV,IV 1920/ 1968, S. 160) kritisch: „Vollkommen selbständig ist ein Satz nur, wenn er isoliert für sich hingestellt wird. Man reiht nicht mehrere Sätze aneinander, wenn nicht irgend ein Verhältnis zwischen ihnen besteht.“ Zifonun et al. (1997, Bd. I, S. 88) haben die traditionelle Einteilung übernommen und präzisiert:  

Unter funktionalen Gesichtspunkten unterscheiden wir bei Teilsätzen zwischen HAUPTSÄTZEN und NEBENSÄTZEN. Nebensätze sind Teilsätze, die bei Ablösung aus der Gesamteinheit nicht als selbständige kommunikative Minimaleinheiten verwendet werden können. Hauptsätze sind Sätze, die selbst als KM [=kommunikative Minimaleinheit] fungieren können.

230 So fehlt eine Definition etwa in Huldi (1957), S. 3 f., in Roemheld (1911) und in Maurer (1926). Küpper (1971), S. 22 f., verweist auf die „traditionellen Kategorien der historischen Syntax“ und meint damit die Grammatiken von Behaghel und Paul sowie die Untersuchungen Maurers.  



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Häufig wird auch noch der Satzglied- bzw. Satzgliedteilcharakter der Nebensätze herausgestellt.231 Einzelsprachlich und gegenwartssprachlich-synchron kann man die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit an gewissen formalen, d. h. grammatikalisierten Indikatoren ablesen. Wunder (1965, S. 522) berücksichtigt in seiner Definition die funktionale und die formale Seite; der (althochdeutsche) Nebensatz besitze „[…] formale[…] Merkmale[…], die den Charakter des untergeordneten Satzes betonen.“ Ferner sei der „Nebensatzcharakter […] dort am schwächsten, wo die formalen Merkmale am undeutlichsten sind […]; nur die Intonation u. ä. zeigt hier die Unterordnung an“ (ebd.). Wie oben erwähnt, werden in den einschlägigen Untersuchungen mit den Begriffen Nebensatz und Gliedsatz subordinierte Sätze gemeint (vgl. Huldi 1957, S. 3). Als hinreichenden, womöglich einzig zuverlässigen (formalen) Subordinationsindikator des Gegenwartsdeutschen sehen viele Autoren die Verbendstellung.232 Der gegenwartsdeutsche (untergeordnete) Nebensatz wird formal hauptsächlich nach seiner Verbletztstellung bestimmt (vgl. Pasch et al. 2003, S. 230), während die Verbzweitstellung als das wichtigste Kriterium für den aussagenden Hauptsatz gilt. Die Verbstellung hat sich zu einem zuverlässigen Indikator entwickelt, sie war dies aber, wie gesagt, nicht zu jedem Zeitpunkt in der deutschen Sprachgeschichte. Im Textkorpus lassen sich Fälle finden, in denen sie nicht hinreichend den Charakter als Hauptoder Nebensatz herausstellt. Zwei solcher Fälle, b23 und b24, sollen später beispielhaft und unter Heranziehung der sehr heterogenen Forschungsliteratur diskutiert werden. Dass Übergänge zwischen Haupt- und Nebensatz, die für das Gegenwartsdeutsche beschrieben sind, sich auch im Frühneuhochdeutschen finden, zeigen die Belege b19, b20 und b22, die hiervor besprochen werden. In manchen Ansätzen werden ausdrucksseitige Kriterien verworfen, um so sprachenübergreifende Aussagen über Subordination treffen zu können, die eben nicht von einzelsprachlichen Besonderheiten abhängig sind – Subordination als ein generelles Prinzip. Cristofaro geht davon aus, dass ein Satz dann als subordiniert zu bezeichnen ist, wenn er kein eigenes illokutives Potential besitzt.233 Es wäre auch für eine historische Analyse angemessen, nicht von der formalen  



231 Vgl. die Darstellung bei Peyer (1997), S. 49–51. 232 Frohning (2007), S. 29, schreibt: „Mit Subordination beziehe ich mich auf asymmetrische Sachverhaltsverknüpfungen, die zwischen einem Haupt- und einem Nebensatz bestehen können und durch die Verbletztstellung im Nebensatz formal indiziert sind.“ Nebensätze mit Verberstoder Verbzweitstellung, also z. B. Konditionalsätze wie Scheint heute die Sonne, komme ich mit dem Rad. oder Ergänzungssätze nach Verba sentiendi, sciendi oder dicendi wie Er glaubt, das ist die Wahrheit. werden in vielen Arbeiten als Ausnahmen angesehen, vgl. schon Fleischmann (1973). 233 Vgl. Cristofaro (2003), S. 28. Ähnlich Kwon (2005), S. 6.  

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Seite auf die Funktion zu schließen, weil der Grammatikalisierungsgrad der Verbstellung, der Modalverben, der Konnektoren usw. nicht feststeht und weil sich zudem diese und andere Indikatoren gegenseitig in ihrer Funktion und in ihrem Grammatikalisierungsprozess beeinflussen. Das illokutive Potential muss sich jedoch ausdrucksseitig manifestieren, wenn man es in einer Analyse historischer Texte fassen will, denn ein Zugang wie die muttersprachliche Kompetenz, von dem aus kommunikative Funktionen intuitiv bewertet werden könnten, steht nicht zur Verfügung. Peyer (1997, S. 53) führt solche notwendigen Illokutionsindikatoren für das Gegenwartsdeutsche auf, die eine abgestufte Klassifikation ermöglichen sollen; analog zu ihrem Vorschlag der „Subordination als Kategorie mit Prototypenstruktur“ nimmt sie prototypische und weniger prototypische Nebensätze an. Prototypische Nebensätze haben keine eigene Illokution, weniger prototypische oder „untypische“ Nebensätze haben eine (Peyer 1997, S. 118 ff.). In Auseinandersetzung mit Brandt (1990) unterscheidet Peyer (1997, S. 119 ff.) zweierlei Illokutionsindikatoren, die für Nebensätze bedeutsam sind: „lexikalische Indikatoren“ und solche, die eine „Stützungsfunktion“ (Nebensatz stützt die Illokution des Hauptsatzes) anzeigen. So arbeitet sie drei potentielle Illokutionswerte für Nebensätze heraus: 1. keine eigene Illokution, 2. Bezug auf die Haupsatzillokution (=Stützungsfunktion), 3. eigene Illokution (vgl. Peyer 1997, S. 121 ff.). Die erste Gruppe besteht als ‚typischen‘ Nebensätzen. Zur zweiten Gruppe zählt sie gewisse Nebensätze im Vorvorfeld (z. B. Um es kurz zu machen: Ich ziehe aus.). Wohl auch Irrelevanzkonditionale (vgl. Waßner 2006) (Ob dich das interessiert oder nicht: ich ziehe aus.) und Nebensätze wie Weil du mich jetzt schon zum fünften Mal fragst: ich ziehe aus. oder Wenn du schon mal hier bist, könntest du das mal halten? gehören hierher. Als Nebensätze mit Stützungsfunktion bewertet Peyer ferner nachgestellte weil-, obwohl- und während-Sätze, die Verbzweitstellung aufweisen können – also solche, die vermehrt modal gedeutet werden. Nebensätze mit eigener Illokution sind für Peyer weiterführende Relativsätze, die nicht restriktiv sind (z. B. Es war sehr kalt in der Wohnung, weshalb sie die Schuhe nicht auszog), speziell auch Sätze, die einen Illokutionsindikator wie hiermit enthalten. Das Textkorpus enthält auffällig viele Belege, in denen darumb, deshalb, deswegen etc. Sätze mit Verbletztstellung einleiten und die wohl ähnlich wie weiterführende Relativsätze zu interpretieren sind (vgl. Pasch et al. 2003, S. 423 f. und 690 f.). Illokutionsindikatoren wie hiermit sind allerdings selten.234 Ausnahmen im Textkorpus sind die Briefe Luthers, in denen gerade hie mit/hiemit zu einer festen Gruß- und Schlussfomel gehört, die auch mit Verbletztstellung vorkommt:  













234 Seit wann hiermit als Illokutionsindikator fungiert, ist bisher m.W. nicht untersucht worden.

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b18 Denn E f / vnd gantzer Chriſtlichen gemeine vnd ſtad | zu dienen/ wollen wir willig erfunden werden ynn | Chriſto vnſerm herrn vnd lieben Heiland / Dem ich hiemit | E F vnd gantze ſtad befelhe Amen (Luther an Bürgermeister und Rat zu Augsburg, 20. Juli 1535, Hervorhebung S.G.)

Neben illokutionsanzeigendem hiemit enthält dieser Beleg auch ein performatives Verb (befehlen). Trotz der Letztstellung des finiten Verbs müsste man nach Peyer diesem Satz eigenständiges illokutives Gewicht beimessen, was durch die Großschreibung zu Beginn des Satzes gestützt wird. Andere Illokutionsindikatoren235 wie performative Verben und Formeln, Modalverben und Modalpartikeln sind in dem Zeitraum, der untersucht werden soll, ganz unterschiedlich stark grammatikalisiert und etabliert, mitunter noch gar nicht performativ oder illokutionsindizierend gebraucht. Eine Durchsicht des Textkorpus hat ergeben, dass die Verben bitten und versprechen, geloben, (be-) schwören/schweren und erklären trotz z. T. hoher Frequenz nicht performativ in Nebensätzen gebraucht werden. Trotz ihrer Seltenheit und gleichzeitigen Vielfalt werden performative Verben als eigener Parameter der quantitativen Analyse eingerichtet. Ein Beispiel für ein solches performatives Verb:  

b19 Dieweyl wir dann bekennen mſſen / das diſe | ſünd vnd laſter / in der gantzen Chriſtenheyt hin v | wider / bey vilen / hohes vnd niders ſtands / gewal | tigklich eingeriſſen / vnd gantz vberhandt genom̅ en | haben / wllen wir anderſt nicht der offentlichen | greyfflichen warheyt widerſprechen / v Chriſtum | mit ſeine Apoſteln lgſtraffen. (Osiander, 1542, B iiiv, Hervorhebung S.G.)

In dem durch dieweyl eingeleiteten Verbletztsatz zu Beginn des Gefüges wird mit dem performativen Verb bekennen ein Sprechakt vollzogen. Dies geschieht aber in einer modifizierten Form, da auch das Modalverb mſſen, ein weiterer Illokutionsindikator, Teil des Verbalkomplexes ist. Es wird mit dem dieweyl-Satz etwas Neues ausgedrückt, von einem derartigen Bekenntnis war im vorhergehenden Text nicht die Rede: b19’ Des gleichen ſchreybt auch der heylig Petrus / | inn ſeiner andern Epiſtel / am andern Capitel / Es | werden vnter euch ſein falſche leerer […] | Vnd abermals ſpricht er / Sie achten für wol= | luſt das zeytlich leben […] | vnd volgen dem weg Balaams / welchem | liebet der lohn der vngerechtigkeyt rc. | Dieweyl wir dann bekennen mſſen[…] (Osiander, 1542, B iiiv)

235 Vgl. die Problematisierung solcher Illokutionsindikatoren – v. a. in Anlehung an Wunderlich (1983) und Liedtke (1998) – im Exkurs zur historischen Illokutionstypologie, Kapitel B. 1.  

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Der apokalyptischen Rede aus dem zweiten Petrusbrief folgt mit dieser Illokution eine transpositio in die Gegenwart. Schwierig ist die Klassifikation von dann im Mittelfeld.236 Als Modalpartikel wäre es nach Peyer und Liedtke ein Hinweis auf illokutionäres Potential. Die Grammatikalisierung scheint aber nicht so weit fortgeschritten zu sein wie z. B. beim Modalpartikel-denn im Entscheidungsfragesatz:  

b20 A:Nimm einen Schirm mit! B: Soll es denn regnen?

Für dieses denn lässt sich sagen, „dass der Inhalt seines internen Konnekts als Konklusion aus dem Inhalt seines externen Konnekts zu interpretieren ist“.237 Sein externes Konnekt ist präponiert. In b19 ist ein konklusiver Charakter nicht auszumachen. Zwar wirkt dann auch anaphorisch, es ist aber wohl eher als Fortsetzungssignal ähnlich nun, somit kontrastierend zu deuten. Durch das anaphorische dann und das kataphorische dieweyl ist der Teilsatz mit dem oberen und unteren Kontext konnektoral verzahnt – ein für den Untersuchungzeitraum häufig auszumachendes Phänomen. Aufgrund der Indikatoren (performatives Verb mit Modalverb in der ersten Person Singular Präsens, mit Einschränkung dann, dem ein Zwischenstatus zwischen Adverb und Modalpartikel zukommt) kann dem dieweyl-Satz der epistemische Modus Deklarativität (im engeren Sinne) und der Illokutionstyp Deklarativum zugesprochen werden.238 Als Beispiel eines freien Relativsatzes mit eigenständiger Illokution folgt noch ein Beleg: b21 Das H. oder | allgemeyne Concilium vnnd Verſamblung / hat ein= | hellig erkennet / daß kein weltlicher Frst oder Herr / | ſich der Wahl eines Patriarchen / Metropolitanen, oder | Ertzbiſchoffs / oder jrgend eines Biſchoffs / ſoll ſelber | einmiſchen / damit nit etwan vnordenliche / ſchndtli= | che Confuſiones oder Zanck erwachſen: Welches auch | frnemlich der Vrſachen halbē ſoll vnderlaſſen wer= | den / (Thyraeus, 1587, 15, Hervorhebung S.G.)

Hier ist mit ſoll ein Modalverb enthalten, das auf den Illokutionstyp Direktivum verweist. Dessen Eigenständigkeit ist durch die Interpunktion nahegelegt. Die am häufigsten angeführten Kriterien zur Bestimmung von Haupt- und Nebensatz auch im Frühneuhochdeutschen sind Verbstellung und Konnektor. Wunder nennt sie „wesentliche und kennzeichnende Elemente des NS“, wobei er 236 Métrich/Faucher (2009), S. 186, klassifizieren denn in vergleichbaren Fällen als Satzpartikel, was definitorisch der Modalpartikel nahekommt. 237 Pasch et al. (2003), S. 683 (Hervorhebung aus dem Original nicht übernommen). 238 Vgl. Kapitel B. 1.2.3 und B. 1.2.4.

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B Theoretische Grundlagen

festhält, dass es „kein f o r m a l e s M e r k m a l des NS [gibt], das für alle NS zuträfe“.239 Etliche Korpusbelege lassen eine Klassifikation nach diesen Kriterien nicht zu, beispielsweise folgender: b22 wiltu von mir | gnad erwerben ſo verſprich mir das du mich krnen welleſt | mit drn kron mit der xs iheſus gekrnt ward / die iungk | frow antwurt vnd ſprach / wie mcht ich das gethůn wann | die kron iſt nit in meiner gewalt / (Bämler, 1472, 16, Hervorhebung S. G.)

Der wann-Satz in Beleg b22 weist Verbzweitstellung auf: wann die kron iſt nit in meiner gewalt. Dass mittel- und frühneuhochdeutsche, auch niederdeutsche wande-/wann-Sätze sowohl Verbletzt- wie Verbzweitsätze einleiten können, ist bekannt und oft behandelt.240 Auf die Frage, wie dieses syntaktische Verhalten von wande zu beschreiben und zu deuten sei, wird oft wenig gesagt. Wolf beispielsweise geht nicht über den alten Forschungsstand hinaus.241 Frühneuhochdeutsches wann kann konditional und kausal benutzt werden, wobei die kausale Bedeutung die ältere ist und die konditionale sich aus der Mischung mit wenn/ wenne erklärt. Dadurch entsteht oft eine aus gegenwartsdeutscher Perspektive unklare Situation, die noch von weiteren Ambiguitäten auf pragmatischer Ebene überlagert werden. Wird die Proposition assertiert, präsupponiert oder gar präsuppositionalisiert?242 Mit diesem Ambiguitätsproblem ist Beleg b22 nicht behaftet. Aus dem Kontext geht eindeutig hervor, dass die Proposition des wann-Satzes präsuppositionalisiert sein muss: Die Aufgabe (Krönung mit der Dornenkrone Christi) ist als unerfüllbare Aufgabe konzipiert. Im Gegenwartsdeutschen wäre bei Verbzweitstellung eher eine Assertion, also eine eigenständigere Illokution, nicht eine Präsupposition zu erwarten. Das externe Konnekt wie mcht ich das

239 Wunder (1965), S. 523 f. (Hervorhebung i. O.) Vgl. auch Reichmann et al. (1993), S. 443: „Da es im Fnhd. nur eine geringe Zahl von Elementen gibt, die allein in der Funktion einer unterordnenden Konjunktion auftreten und nicht auch (als Adverbien und Partikeln) an der Spitze von Hauptsätzen vorkommen, hat die Verbindung von Einleitungsstück und Nebensatzstellung des finiten Verbs (End- bzw. Späterstellung) einen großen diagnostischen Wert […].“ 240 Vgl. z. B. Roemheld (1911), Dal (1966), Sandig (1973), Betten (1987), Freywald (2010). 241 Wolf (1978), S. 35 zitiert aus der Mittelhochdeutschen Grammatik (Paul/Moser/Schröbler 197521, S. 440): Eine „klare Abgrenzung zwischen der beiordnenden und der unterordnenden Funtkion der Konjunktion (die im Deutschen ursprünglich beiordnend ist auf Grund des Kriteriums der Wortstellung in dem mit wand(e) eingeleiteten Satz ist im Mhd. nich timmer möglich und ist nicht immer sinnvoll […]“. 242 Mit der Unterscheidung ‚präsupponiert‘ – ‚präsuppositionalisiert‘ wird auf den Grad der Sprecherbeteiligung abgehoben. Propositionen können als präsupponiert markiert oder suggestiv ausgegeben werden. Solche Fälle sollen durch die Begriffsscheidung von herkömmlichen und unstrittigen Präsuppositionen auseinandergehalten werden.  





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gethůn ist eine (rhetorische) Frage, die als indirektes Assertivum zu klassifizieren ist (‚Ich kann das nicht tun‘). Mit dem internen Konnekt wird dieses indirekte Assertivum begründet. Als Paraphrase, in die die bisherige Interpretation des Belegs einfließt, könnte man formulieren: b22’ Wie kann ich das tun? Ich frage das, weil es ja offensichtlich ist, dass die Krone nicht in meiner Gewalt ist.

Die Verbzweitstellung wäre im Gegenwartsdeutschen ein Indiz für die Lesart. Es müssen aber zunächst andere Indizien für die Deutung auf einer nichtpropositionalen Verknüpfungsebene ausgewertet werden, da die Funktion der Verbstellung gerade zu überprüfen ist. Um verallgemeinerbare Aussagen treffen zu können, wird in der Korpusanalyse geprüft, ob sich entsprechende Korrelationen zwischen den Parametern feststellen lassen. Weitere Indizien in diesem Beleg sind der direkte Sprecherbezug (erste Person Singular, ich) und das Modalverb mugen/mögen, das hier zwar nicht epistemisch, dafür aber zusammen mit dem ge-präfigierten Verb tuon/tun verwendet ist. Solche ge-Präfixe sind für die Erhebung von Modalität bzw. Subjektivität ein besonders interessanter Fall, weil sie grammatikalisierte Ausdrucksmittel der aspektuellen Situierung sind.243 Die gegenwartsdeutsche Standardsprache kennt etwas Vergleichbares nicht mehr. Somit liegt hier der seltene Fall vor, dass ein gegenüber dem Gegenwartssdeutschen zusätzliches Subjektivitätskriterium formuliert werden kann. Der Aspekt hängt nämlich nicht nur eng mit der Temporalität zusammen, sondern auch mit Modalität und Subjektivität, da der Sprecher durch ihn eine Perspektivierung des propositionalen Gehalts und damit eine Bewertung vornehmen kann. Diese Sprecherperspektivierung244 ist nun häufig gekoppelt an bestimmte Konstruktionen245, von denen manche regulär durch Konnektoren bewerkstelligt werden. Vor allem dann, wenn der Aspekt in internen Konnekten (ursprünglich) temporaler oder temporal-ambiger Konnektoren (z. B. wann/wenn, weil) ausgedrückt ist, verdient dies Beachtung. Solche modalen Lesarten, die durch die genannten Parameter indiziert werden, sind für wann typisch. Dieser Umstand wird in der älteren und jüngeren Forschungsliteratur immer wieder angedeutet. Behaghel geht auf die Etymologie von wann/wan/wanta ein. Aus dem Interrogativum (‚warum‘) hat sich der kausale  

243 Vgl. hierzu Weinhold (18832), S. 468 f. Ferner Solms (1991). 244 Vgl. hierzu Herweg, Michael (1990), S. 15. Herweg bezieht sich hier vor allem auf die klassische Arbeiten von Aleksandr V. Isacenko, z. B.: Die russische Sprache der Gegenwart. Bd. I: Formenlehre. Halle 1962. Eine diachrone Untersuchung zum Zusammenhang von temporalen Konnektoren und (anderen) Ausdrucksmitteln des Aspekts liegt m.W. nicht vor. 245 Vgl. Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), S. 386. Vgl. auch Schwarz (1986), S. 265–69.  



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B Theoretische Grundlagen

Konnektor gebildet, die „Verbindung eines Satzes mit einem durch wan eingeleiteten Satz geht also auf eine ältere Dreiheit von Sätzen zurück“ (Behaghel, Bd. III 1928, S. 333). Hierauf hatte schon sein Schüler Roemheld 1911 hingewiesen, der seinerseits auf Ausführungen Lachmanns zurückgreift. Er illustriert diese Entwicklung mit einem Tatian-Beleg: „Der Satz: tuot riuwa, wanta nâhit sih himilo rîchi (Tat. 13,2) besteht also ursprünglich aus drei Sätzen: 1. tuot riuwa, 2. wanta? 3. nâhit sih himilo rîchi.“ Hier wird der ursprünglich dialogische Charakter von wann deutlich. Fleischmann interpretiert die etymologischen Betrachtungen, wie sie Roemheld und Behaghel angestellt haben.246 Wie Dieter Wunder sieht auch er wanta als „relativ selbständig und nur kontextbedingt zu dem ihm folgenden Satz gehörig“.247 Wunder meint, „die wanta-Sätze verdeutlichen nur, sie geben einen Kommentar, aber keine Ergänzung“248, wobei wanta „nicht als Satzteil [Satzglied] fungiert“ (Wunder 1965, S. 446). Eine syntaktische Desintegration wird aber in diesem Fall nicht durch die Interpunktions- und Graphiebefunde gestützt. Weder ist der wann-Satz vom externen oder vom internen Konnekt durch ein Satzzeichen abgehoben, noch wird etwa durch Großschreibung des Konnektors ein Einschnitt markiert. Die Indizien für eine modale, hier epistemische Lesart, sind somit die genannten Subjektivitätsparameter (Modalverb mit ge-präfigiertem Verb, ich) und das indirekte Evaluativum im externen Konnekt. Zusammengenommen weisen sie darauf hin, dass auch die Verbzweitstellung als Indikator für die modale Lesart dienen könnte. Korpusanalysen müssen das bestätigen. Das interne Konnekt, so die These, könnte in seiner Form, die als eine ‚schwebende Struktur‘ (Anne Betten) zwischen Haupt- und Nebensatz zu bewerten ist249, entsprechend eine schwebende Illokution tragen. Damit ist eine Illokution gemeint, die nicht die volle Kraft einer Illokution besitzt, die von einem Hauptsatz transportiert wird. Diese These wird noch weiter präzisiert werden, nachdem der zweite Beleg analysiert wurde.

246 Weitere etymologische Ausführungen finden sich in Kapitel C. 1.4. Wenig aufschlussreich ist ein Blick in die etymologischen Wörterbücher, z. B. Kluge (201125), S. 971 und 982. Hier wird auf die verschlungene Entwicklung zu stark vereinfacht, der Einfluss des ahd. (h)wanta wird vernachlässigt. 247 Fleischmann (1973), S. 133. Vgl. auch Wunder (1965), S. 157, auf den Fleischmann verweist. 248 Wunder (1965), S. 444. Nach Betten (1987), S. 87, dient althochdeutsches wanta einer „Äußerungsbegründung“. 249 Auch Wunder (1965), S. 527, legt sich bei der Bestimmung der althochdeutschen wantaSätze nicht fest. Er versteht sie als „einen kommentierenden Nachtragssatz, der bedeutungsmäßig eher als ein Einschubsatz denn als ein Nebensatz zu verstehen ist (vgl. a. Stellung des Vf.)“.  

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b23 Wo ich yhn kan hie | behalten/ wil ichs nicht laſſen/ Denn ich yhn nicht | gerne von vns laſſe komen/ weil er der aller gelertiſt | vleyſſigſt frümeſt treweſte Ebreiſt iſt/ | den ich ken̂ n̂ e/ vnd halt ſein̂ er gleich itzt nicht viel | leben […]. (Luther an Georg Vogler, 18. Juli 1529, Hervorhebung S. G.)

Mit diesem Beleg liegt eine zweite Art der schwebenden Struktur vor. Zwar steht der Verbkomplex an letzter Position, es sprechen aber einige Indizien dagegen, das interne Konnekt als Nebensatz und somit als defizitär in Hinblick auf sein illokutives Potential einzustufen. Der Konnektor denn leitet im Gegenwartsdeutschen keine Verbletztsätze ein, sein internes Konnekt muss Verbzweitstellung aufweisen. Auch im älteren Deutsch ist diese Verbstellung bei denn die übliche.250 Im Gegensatz zum vorigen Beleg sind die beiden Konnekte durch Virgel voneinander abgehoben, der Konnektor fällt durch Großschreibung auf. Beides weist auf zwei getrennte prosodische Einheiten. Aufgrund der Indikatoren (Ausdruck der ersten Person, wertendes Adverb) kann der denn-Satz als Identifikativum klassifiziert werden, also als ein gegenüber dem häufigen Repräsentativum qualitativ gewichtigerer Illokutionstyp. Man kann nun entweder von aussagenden Hauptsätzen auch bei Verbletztstellung sprechen251 oder wieder eine schwebende Struktur annehmen. Anhand dieser beiden Belege wurde skizziert, welchen Problemen die Parametrisierung der Korpusanalyse begegnen muss. Es wurde deutlich, wie notwendig korpusbasierte Studien gerade für historische Sprachstufen sind, da nur so eine breite Vergleichsbasis verschiedener Konstruktionen, Kollokationen, Kombinationen und Korrelationen geschaffen und ausgewertet werden kann. Gerade die Bündelung der verschiedenen Merkmalsausprägungen, also der internen Variationsmöglichkeit einzelner Analyseparameter, soll über die Verknüpfungsart Erkenntnisse liefern – Erkenntnisse darüber, warum die verschiedenen Konnektoren auf welchen Ebenen verknüpfen. Auf diese Weise können andere methodische Einschränkungen zum Teil kompensiert werden, z. B. die fehlende Sprachkompetenz und die Einschränkungen bezüglich der Betonungsverhältnisse.  

250 Vgl. z. B. Roemheld (1911), S. 9. Seinen Auszählungen zufolge scheint das oberdeutschfränkische Gebiet, besonders Nürnberg, eine Sonderstellung einzunehmen. 32 der 55 Belege weisen ‚Nebensatzstellung‘ auf (S. 35). 251 So in Reichmann et al. (1993), S. 430, was in einer gewissen Spannung zu der oben zitierten Einschätzung Eberts (ebd., S. 443) steht, derzufolge gerade in solchen uneindeutigen Fällen die Verbstellung das entscheidende Kriterium sei.  

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B Theoretische Grundlagen

3.3 Auswahl der Konnektoren Kausale Konnektoren sind die am besten untersuchten bezüglich Semantik und Syntax sowie Auftreten, Entwicklung und gegebenenfalls Verschwinden.252 Einer Analyse im pragmatischen Bereich müssen notwendig die semantischen und syntaktischen Ebenen vorgeschaltet sein. Und gerade wenn sie diachron angelegt ist, dürfen Etymologie und Grammatikalisierung der Konnektoren nicht außer acht gelassen werden. Bei den im engeren Sinne kausalen Konnektoren wie denn, da und dieweil gibt es auch frühe Ansätze einer pragmatischen Beschreibung. Dass diese drei Konnektoren, denn, da und weil, die einander in vielen Fällen substituieren können (vgl. Eroms 1980, S. 94), sich in ihrer Verknüpfungsart unterscheiden, wurde und wird immer wieder vermutet und behauptet. Einige dieser Arbeiten haben nicht nur historischen Interesse, sie sind auch für die Beurteilung neuer Ansätze bedenkenswert. Zum Konnektor da führt Becker (18702, S. 378) aus: Da der l o g i s c h e G r u n d immer e i n U r t h e i l d e s S p r e c h e n d e n i s t , und a l s s o l c h e s nicht kann durch einen N e b e n s a t z ausgedrückt werden; so machen wir von der Konjunktion da insgemein nur dann Gebrauch, wenn aus einem r e a l e n Grunde seine Wirkung g e f o l g e r t , und so der r e a l e Grund der Grund des U r t h e i l e s (logischer Grund) wird […]. Man sagt daher nicht wohl „Da der Schnee schmilzt, so thaut es“ „Da er nicht gekommen ist, so ist er krank“ […sondern] „Da der Schnee schmilzt, so muß es thauen“ „Da er nicht gekommen ist, so muß er krank sein“ (ist er vielleicht krank)[…].

Damit deutet Becker eine Unterscheidung an, die verschiedene Modifikationen erfahren hat (z. B. Sachverhalts- und Äußerungsbegründung), und die später in der Drei-Ebenen-Theorie Sweetsers zum Tragen kommt. Auch die Folgekonnektoren teilt Becker in zwei Gruppen. Allerdings bleibt diese Scheidung Beckers nicht unkritisiert. Bauer (1832) greift sie zunächst zitierend auf:  

Die Sprache unterscheidet den l o g i s c h e n G r u n d , aus welchem etwas (mit dem Verstande) geschlossen wird, von dem realen Grunde, nämlich der Ursache, daß (warum) etwas geschieht. Den logischen Grund bezeichnen: d e n n , a l s o , f o l g l i c h , d e m n a c h , m i t h i n ; alle andere (daher, deshalb, deswegen, darum, somit) bezeichnen einen realen Grund.

Danach konkretisiert253 er Beckers Unterscheidung, um sie anschließend zu relativieren:

252 Vgl. die in den Analysekapiteln zitierte Literatur, die zum Teil bereits über ein Jahrhundert alt ist. 253 Bauer (1832), S. 206: „Der G r u n d bezieht sich also auf das Gedachte, die U r s a c h e auf das Geschehende, d. h. der Grund giebt an, warum ein gewisses Urtheil gefällt wird, die Ursach, warum eine gewisse Handlung oder ein Zustand erfolgt. Der Grund giebt an, daß etwas geurtheilt  

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Dies ist eine sehr wichtige Bemerkung; nur darf man sie in Ansehung des Gebrauchs der einzelnen causalen Bindewörter nicht zu strenge nehmen, denn auch die zuletzt genannten causalen Bindewörter werden sehr oft zur Bezeichnung eines l o g i s c h e n Grundes gebraucht, und die ersten auch zur Angabe einer Ursach oder eines realen Grundes.254

Behaghel (Bd. III 1928, S. 341.) etwa nimmt denn und weil zusammen und grenzt es von da ab: Wenn weil und denn im wesentlichen den tatsächlichen Grund bezeichnen, da den logischen Grund, so hängt dies damit zusammen, daß da der Mundart, der lebendigen Rede überhaupt fremd ist.

Arndt (1960, S. 249) und Eroms (1980, S. 92) kritisieren diese Unterscheidung von logischem und tatsächlichem Grund als „fragwürdig“ und „wenig überzeugend“. Beide Forscher führen noch weitere Dichotomien an, allerdings mit wechselnden Koalitionen. Einmal stehen denn und weil gegen da (Behaghel), dann denn und da gegen weil (realer Grund vs. logischer Grund) (Becker 18702, S. 373–378), denn und weil wieder gegen da (enge Begründungsbeziehung vs. lockere Begründungsbeziehung) (Eroms 1980, S. 96f .), denn und da gegen weil (bereits bekannte Grund vs. noch nicht bekannter Grund) (Dal 1966, S. 208). Die damit zusammenhängenden möglichen Kriterien Bekannheit/Unbekanntheit, Identifizierbarkeit und Präsuppositionalisierung sind im Kapitel B. 1 und B. 2 besprochen. Dass Unterschiedliches beobachtet wird, scheint darauf hinzuweisen, dass die drei kausalen Konnektoren insgesamt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben und keine klare domänenspezifische Distribution vorliegt.255 Die vorliegende Arbeit vertieft die pragmatischen Analysen, indem über eine Vielzahl von Parametern die Verknüpfungsebene bestimmt wird und informationsstrukturelle Fragestellungen einfließen. Ferner dehnt sich die Analyse auf eine viel größere Zahl, nämlich auf fast das gesamte Feld der Kausalkonnektoren, aus. Auf das pragmatische Verhalten hin werden zuerst die konnektoralen Grundmarker, danach die Folgemarker untersucht. Nur indem auch die konsekutiven bzw. konklusiven Konnektoren berücksichtigt werden, können Verschiebungen und Beeinflussungen innerhalb dieser eng aufeinander bezogenen semantischen Familien nachvollzogen werden. Tabelle 12 gibt eine Übersicht aller untersuchten Grund- und Folgemarker:

wird, die Ursach, warum etwas geschieht. Die Ursach ist also das, was etwas Geschehenes hervorbringt, der Grund ist das, was einen Entschluß als Urtheil veranlasst.“ 254 Bauer (1832), S. 207, hebt hervor, dass die Wahl des Konnektors nicht zuletzt eine Stilfrage ist und argumentiert mit dem Gebrauch der „besten Schriftsteller“. 255 Vgl. für das Gegenwartsdeutsche Breindl/Walter (2009), S. 167.

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B Theoretische Grundlagen

Tab. 12: Auswahl der Grund- und Folgemarker in alphabetischer Reihenfolge. Grundmarker

Folgemarker

Konnektoren

da Begründungs-dann darumb das demnach (Subjunktor) Begründungs-denn dieweil do nachdem nemlich wann wenn ſeit ſintemal ſo zumal

daher Adverbkonnektor dann darumb demnach (Adverbkonnektor) Adverbkonnektor denn derhalben derowegen

Präpositionen

halben wegen

Innerhalb der Analysekapitel werden die hier alphabetisch aufgeführten Konnektoren oft zu Gruppen zusammengenommen, wenn dies etymologisch und ökonomisch sinnvoll ist. So wird da zusammen mit do analysiert, wenn mit wann, denn und dann in den je zwei kausalen/konklusiven Basisfunktionen sowie derhalben und derowegen. Diverse Form- und Graphievarianten wie dahero, weyl, deswegen etc. sind in den Kapiteln angeführt. Zum Zweck einer organischen Darstellung wird der komplexe kausale Konnektor darumb das im Rahmen des darumb-Kapitels untersucht, kausales demnach und nachdem innerhalb des Kapitels zu konsekutivem/konklusivem demnach. Ein Teilkapitel zu den Präpositionen halben und wegen ermöglicht schließlich erstens ein besseres Verständnis der Folgekonnektoren derhalben und derowegen und ist daher in dieses Kapitel eingefügt. Zweitens wird damit den Konnektoren eine andere Art kausaler Verknüpfung gegenübergestellt. Mit der Auswahl sind alle zentralen und auch einige weniger zentrale, also seltenere und spezifischere Grund- und Folgekonnektoren des Frühneuhochdeutschen erfasst.256 Nur im Zusammenspiel mit anderen kausalen oder konsekutiven Konnektoren werden ebenfalls kausal verwendbares ja

256 Als Grundkonnektoren werden hier die im engeren Sinne kausalen Konnektoren bezeichnet, als Folgekonnektoren die konsekutiven und konklusiven.

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und doch einbezogen. Dass dabei die Grundmarker im Frühneuhochdeutschen wie im Gegenwartsdeutschen viel zahlreicher sind als die Folgemarker, ist „ein Reflex von konstruktionellem Ikonismus“ (Breindl/Walter 2009, S. 22). Auch ist der Zusammenhang von Koordination und Folgemarkierung, der heute als systematisch bezeichnet werden kann (vgl. Frohning 2007, S. 96), im Frühneuhochdeutschen noch nicht so eng; Relativa und Demonstrativa fallen zusammen und sind im 17. Jahrhundert noch nicht voneinander geschieden (vgl. Fleischmann 1973, S. 115 ff., 143, 204). Konklusive Konnektoren werden hier insofern als eine Untergruppe der konsekutiven begriffen, als das interne Konnekt beider eine Folge oder Folgerung bezeichnet, während das interne Konnekt kausaler Konnektoren einen Grund bzw. eine Ursache bezeichnet. Gleichzeitig kann aber eine kausale Konstruktion insgesamt konklusiv genannt werden, nämlich dann, wenn eine modale (vor allem epistemische) Verknüpfung vorliegt. Folgekonnektoren wie derhalben oder darumb können auch konklusiv verwendet werden. Weil die Begriffe konklusiv und konsekutiv in der Forschung unterschiedlich fest etabliert sind und auch verschieden definiert werden, wurde für die Analyse folgender Weg gewählt: Die Folgemarker werden als konsekutiv gewertet, wenn ihr internes Konnekt eine Folge oder Folgerung bezeichnet. Substitutionstests mit folglich, also oder aus diesem Grunde sind an historischen Belegen nicht sinnvoll durchführbar. Auch sind Kombinationstests, wie sie Konerding (1998) sehr ausführlich unternimmt, nicht möglich und Kombinationen konsekutiver Konnektoren untereinander extrem selten. Daher können die (im engeren Sinne) konsekutiven Belege von den sogenannten konklusiven mittelbar, nämlich über die Verknüpfungsebene geschieden werden. Sind Konsequenz und Antezedenz auf propositionaler Ebene verknüpft, spricht dies für einen konsekutiven Konnektor, sind sie auf epistemischer oder illokutiver Ebene verknüpft, kann man den Konnektor als konklusiv oder konsekutiv-inferentiell bezeichnen (vgl. Konerding 1998, S. 63). Am Begriff konklusiv wurde generell für die Modalpartikel denn/dann festgehalten, weil hier regulär Schlussfolgerungen vorliegen.257 Die Folgekonnektoren, die hier untersucht werden, sind allesamt sogenannte Pronominaladverbien258 oder Pronominalkonnektoren: derhalben, derowegen und ähnliche Formen, darumb, daher(o), demnach. Damit sind die wichtigsten frühneuhochdeutschen Folgekonnektoren benannt. Von den heutigen sind die meisten erst später zum Inventar der Folgekonnektoren259 gekommen, so zum Bei 

257 Dass es auch hier Ausnahmen oder Grenzfälle gibt, ist in Kapitel B. 1.3.6 dargelegt. 258 Vgl. die Liste in Pasch et al. (2003), S. 558 f. 259 Vgl. die Liste bei Waßner (2006), S. 391.  

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B Theoretische Grundlagen

spiel aufgrunddessen, folglich, demzufolge, infolgedessen, mithin und von daher, andere sind, obwohl älter, im Korpus nicht belegt (z. B. somit, aus diesem Grunde, letzten Endes, schlussendlich, letztendlich), auch die Postponierer weswegen und weshalb sind noch kaum gebräuchlich, es findet sich nur ein weßhalben-Beleg. Zweimal könnte endlich konsekutiver bzw. konklusiver Konnektor sein. Ein heute besonders frequenter Folgekonnektor ist also. Auch in frühneuhochdeutschen Texten ist alſo vielbezeugt, allerdings fast nie konsekutiv oder konklusiv. Aus den gut 440 alſo-Belegen im Korpus die wenigen für die Analyse auszusondern, die am ehesten bereits eine konsekutive oder konklusive Nuance aufweisen, wurde aus ökonomischen Gründen unterlassen; die kleine Zahl solcher Heteroseme würde keine belastbaren Aussagen zu den Verknüpfungsebenen zulassen. Ein Blick in die zeitgenössischen Grammatiken und Wörterbücher sowie in die modernen sprachhistorischen Aufsätze und Grammatiken bestätigt den Eindruck der Korpusdurchsicht (vgl. Henn-Memmesheimer 2006, S. 544 f.). Emmel (1594), Dasypodius (1536) und Maaler (1561) bieten alle nur die frühere Bedeutung (‚ita‘, ‚sic‘, ‚taliter‘), die konsekutive oder konklusive fehlt bei ihnen ganz. Immerhin erwähnt Schottelius als und ſo als Korrelate zu „dieweil/weil/demnach/ſintemahl“, verzeichnet aber für alſo wieder nur die lateinischen Entsprechungen ita und sic sowie für ſo lateinisch ſi, quando, ita und qui, quæ, quod.260 Noch im 18. Jahrhundert sind „die beiden Konjunktionaladverbien als und also nur sehr schwer auseinander zu halten […], so dass sie vermutlich beide nur eine Verstärkung von so darstellen […].“261 Als sicher kann gelten, dass also auch Anteil am Bedeutungsspektrum des frühneuhochdeutschen so hat (vgl. Paul 1968, Bd. IV, § 406 f.), das so breit und schillernd ist, dass es sich kaum exakt beschreiben lassen wird, das selbst aber eigentlich nicht konsekutiv/konklusiv ist.262 Deutlich unter ein Prozent der ſo-Belege im Textkorpus sind kausal zu deuten, was eine rein quantitative Analyse erschwert und eine gesonderte Untersuchung erforderte – es werden alle einschlägigen Belege diskutiert. Aufgrund seiner Andersartigkeit, der übergroßen Belegzahl sowie seiner äußerst selten primär kausalen Verwendungsweise263 wurde das/dass/daß nur in  





260 Schottelius (1663/1967), I. Teil, S. 787 und II. Teil S. 1279 und 1416. 261 Eichinger (2006), S. 526. Vgl. auch Behaghel (1928), III, S. 66. 262 Die „Verwendung in der Folgerung = lat. ergo […] ist dem einfachen so fremd“, schreibt Behaghel (1928), Bd. III, S. 67, der dem Wörtchen so wie viele Forscher mehr Raum als anderen Konnektoren widmet. 263 Rieck (1977), S. 101 betont die „Multifunktion“ von das, welches in ihrem Material in etwa 3,7% der Fälle kausal deutbar ist (vgl. die Übersicht S. 91 f.)  

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4 Das Textkorpus

Verbindung mit anderen Konnektoren, besonders darumb, derhalben, daher und ſeit untersucht.264 Nicht kausal zu deuten ist im Textkorpus nun.

4 Das Textkorpus Das Textkorpus für die Analyse der kausalen Konnektoren wurde neu erstellt. Dazu wurde in einigen Fällen auf bereits transkribierte Texte,265 bei den meisten Texten aber direkt auf die Handschriften und Drucke zurückgegriffen.266 Im ersten Fall wurden die Transkriptionen stets mit den Originalen abgeglichen267 und bei den drei Texten des Bonner Frühneuhochdeutschkorpus gegebenenfalls in der Wiedergabe vor allem der Vokal- und Diphthonggraphien, der sGraphien, der Interpunktion und Spatien, der Groß- und Kleinschreibung sowie der Zeilenumbrüche nach den Originalen verändert. Ein Textkorpus neu zu erstellen war deswegen notwendig, weil die bestehenden frühneuhochdeutschen Korpora entweder Texte in der Form von Editionen enthalten, die sich nicht in sprachwissenschaftlich gebotener Treue an das Original halten, weil diese Korpora in ihrer sprachlandschaftlichen und zeitlichen Aus-

264 Ebert hält in Reichmann/Ebert/Solms/Wegera (1993), S. 475 fest: „Daß leitet adverbiale Kausalsätze meist in Verbindung mit anderen kausativen Ausdrucksmitteln ein (z. B. dadurch, darum […]). Selten steht daß allein als Einleitung eines adverbialen Kausalsatzes […].“ 265 Es handelt sich um die Texte 10, 36, 37 und 39, um den Großteil der Lutherbriefe und um die Melusine-Texte. Text 10 wurde dem von Matthias Schulz angelegten Textkorpus entnommen, das seiner Habilitationsschrift beigegeben ist (Deutscher Wortschatz im 17. Jahrhundert. Methodologische Studien zu Korpustheorie, Lexikologie und Lexikographie von historischem Wortschatz. Tübingen 2007). Die Lutherbriefe sind, falls nicht anders in der Übersicht vermerkt, der Habilitationsschrift von Claudine Moulin-Frankhänel entnommen (Der Majuskelgebrauch in Luthers deutschen Briefen. Heidelberg 1990). Die Standorte der jeweiligen Handschriften sind dort verzeichnet. Die Texte 36, 37 und 39 sind dem Bonner Frühneuhochdeutschkorpus entnommen und wurden überarbeitet. Sie sind abrufbar unter http://www.korpora.org/fnhd/ (zuletzt abgerufen am 05. 09. 2012). 266 Für die Melusine-Texte konnte auf die sorgfältigen Transkriptionen Martin Behrs zurückgegriffen werden, für die Handschrift Gabriel Tetzels wurde die Transkription Eike Juhres hinzugezogen; beide Manuskripte sind unveröffentlicht. Die ausgewählten Handschriften aus dem Briefwechsel Martin Bucers konnten mit der Edition Hamm et al. (2006 und 2008) verglichen werden. Dort sind auch deren Standorte aufgeführt. 267 Nur stichprobenartig konnten die transkribierten Lutherbriefe mit den Autographen oder Faksimileausgaben abgeglichen werden. Diese Transkriptionen sind aber sehr gewissenhaft und exakt durchgeführt, vor allem die sonst häufig vernachlässigte Groß- und Kleinschreibung und die Getrennt- und Zusammenschreibung wurde hier aufgrund des Untersuchungsgegenstands (Majuskelgebrauch bei Luther) detailliert beachtet.  

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B Theoretische Grundlagen

richtung anders beschränkt sind oder weil zu wenig dialogische Texte berücksichtigt wurden und diese wenigen dialogischen Texte dann großteils in gebundener Rede abgefasst sind. Das neu eingerichtete Korpus enthält Texte aus der Zeit zwischen 1472 und 1680, die unterschiedliche Dialogizitätsgrade aufweisen und den fünf großen hochdeutschen Sprachlandschaften zugeordnet werden können. Näheres zu den Parametern Zeit, Sprachlandschaft und Dialogizitätsgrad der Einzeltexte sowie zur Struktur des Gesamtkorpus soll nun dargelegt werden.

4.1 Zeitraum Für die zeitliche Ausrichtung und Eingrenzung des Textkorpus könnte man viele inner- und außersprachliche Gründe anführen. An innersprachlichen zum Beispiel die Verfestigung des Satzrahmens und die Erhebung der Verbletztstellung zur Norm gegen Ende des 17. Jahrhunderts, die relativ gut dokumentierten Verschiebungen innerhalb der kausalen Konnektoren und die großen Grammatikalisierungsprozesse der Modalpartikeln und der Modalverben, die in dieser Zeit fassbar werden.268 Außersprachliche Gründe sind zum Beispiel die Entwicklung neuer Drucktechniken und der explosionsartige Anstieg der Druckerzeugnisse (vgl. Giesecke 1990) sowie die Reformation und die konfessionellen Auseinandersetzungen oder das Sprachschaffen Luthers.269 Das Textkorpus ist nicht unabhängig von solchen inner- und außersprachlichen Faktoren entworfen worden, sie waren aber nicht leitend bei der Zusammenstellung, bei der Ziehung der zeitlichen Grenzen und der Binnengliederung des Korpus. Das 16. Jahrhundert, genauer die 1520er Jahre, wurden als Kernzeit gewählt, in der diese angesprochenen inner- und außersprachlichen Entwicklungen besonders konzentriert stattfinden. Um die Texte dieser Kernzeit wurden Texte aus den Jahren nach 1472 und vor 1680 gruppiert. So sollten vor allem die Entwicklungen einer vernachlässigten Konnektorengruppe erfasst werden, nämlich der Pronominalkonnektoren. Das Korpus ist damit später angesiedelt als die Korpora bzw. Textgrundlagen von Roemheld (Anfang 14. Jahrhundert bis Anfang 17. Jahrhundert), Huldi (1325–

268 Vgl. Huldi (1957). Er gewinnt seine Ergebnisse aus drei Texten zwischen 1335 und 1478 sowie aus den bereits angesprochenen „ausgezogenen Quellen“, die bis 1516 reichen (S. 108 ff.); Reichmann et al. (1993), S. 435; Molnár (2002); Diewald (1999b). 269 Martin Luthers großer Einfluss auf die deutsche Sprachgeschichte lässt sich früh greifen und ist vielfach Thema germanistischer Abhandlungen geworden. Erstens fanden seine Bibelübersetzung und Flugschriften weite Verbreitung, zweitens wurde er von den Grammatikern bzw. dann Germanisten des 16. bis 19. Jahrhunderts zum sprachlichen Vorbild erklärt und als solches zitiert. Vgl. Bergmann (1983), ferner Stolt (2000) und Beutel (2005).  

4 Das Textkorpus

125

1516), Putzer (1390) Rieck (1383 bis Ende 15. Jahrhundert), Speyer (ca. 1400 bis ca. 1550) und Eroms, der das Frühneuhochdeutsche nur noch streift und anhand eines Textes (Prosatristrant von 1484) untersucht.270 Die einzelnen Korpustexte werden nach Zeitabschnitten in drei Gruppen geteilt. Zeitabschnitt I beginnt 1472 und endet 1525, Zeitabschnitt II beginnt 1526 und endet 1599, Zeitabschnitt III reicht von 1600 bis 1680. Die Kerngruppe, die Texte des zweiten Zeitabschnittes, enthält mehr Texte als die beiden anderen, um eine breitere Basis verschiedenartiger Texte für diesen zentralen Zeitabschnitt zu gewinnen. Dennoch sind die drei Gruppen gleich groß, da die Textausschnitte in der zweiten Gruppe jeweils um etwa ein Drittel kleiner gewählt wurden.271 Damit ergibt sich folgende Verteilung der Texte auf die drei Zeitabschnitte. In den Zeitabschnitt I fallen die Texte 1, 2, 11, 15, 16, 21, 22, 31, 32, 33, 34, in Zeitabschnitt II die Texte 3, 4, 5, 6, 7, 12, 13, 14,17, 18, 23, 24, 25, 26, 27, 35, 36 und in Zeitabschnitt III die Texte 8, 9, 10, 19, 20, 28, 29, 30, 37, 38, 39.

4.2 ‚Textsorten‘ und Dialogizitätsgrad Für synchrone wie für diachrone Untersuchungen gilt, dass erst ein „textsortenvariantes Korpus“ zeigen kann, ob und wie gut Wortbildungen wie ſintemal, dieweil, derohalben etc. in einer Sprache integriert und verbreitet sind (Feine/ Habermann 2005, S. 95.). Auch ob sich ihr Gebrauch qualitativ oder quantitativ in den verschiedenen Texten unterscheidet, kann an solchem Material erhoben werden, das entsprechend gefächert ist.

270 Roemheld (1911), S. VIII–XV; Rieck (1977), S. 13; Speyer (2011), S. 82 f.; Eroms (1980), S. 111. Eroms (1980), S. 94 f., weist in seinem ausführlichen und bis heute sehr lesenswerten Aufsatz bereits auf die wichtigen Fragen hin, die eine (korpusbasierte) Untersuchung berücksichtigen muss. Das Feld der kausalen Konnektoren sollte möglichst breit erfasst und die einzelnen Konnektoren im Hinblick auf die kommunikative Funktion sowie die Verknüpfungsebene (Eroms spricht von Sachverhalts- oder Äußerungsbegründungen) untersucht werden. 271 Die Abweichungen fallen für die textgruppenspezifische Unterteilung nicht ins Gewicht; für die Analyse werden die Korpustexte bezüglich der fünf Sprachlandschaften gleichgewichtet, wie anschließend ausgeführt wird.  



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B Theoretische Grundlagen

Die Repräsentativität korpuslinguistischer Arbeiten ist nur gegeben, wenn schriftliche und mündliche Register (Textsorten und kommunikative Gattungen) in signifikanter Diversität (narrative, deklarative, darstellende, argumentative … Texte, relevante Interaktionssituationen) berücksichtigt werden (Dittmar/Bressem (2005), S. 101).

Die größeren Untersuchungen zu frühneuhochdeutschen Konnektoren sind gerade im Bezug auf die Textsortenvielfalt stark eingeschränkt. Putzer untersucht einen einzigen Text eines Autors in einer Fassung, Rieck legt ihrer Analyse sieben Handschriften eines Textes zugrunde; eine Ausnahme bildet Huldi, der „sämtliche gedruckten schweizerischen Quellen des 15. Jh. (mit Ausnahme der Urkunden) aus[zieht]“.272 Seine Ergebnisse sind allerdings nicht ohne weiteres auf das gesamte hochdeutsche Sprachgebiet zu übertragen. Zu den Schwächen des Bonner Frühneuhochdeutschkorpus ist am wenigsten dessen textsortenbezogene, sprachlandschaftliche und zeitliche Streuung zu zählen. Gleichwohl haben auch gerade für Spezialuntersuchungen auf phonologischer, graphematischer oder morphologischer Ebene solche Korpora Vorzüge, bei denen einer dieser Parameter, z. B. die Textsorte, konstant gehalten ist.273 Insofern haben gewiss auch die oben genannten Untersuchungen ihren Wert, da es ihren Verfassern nicht in erster Linie um die pragmatischen Eigenschaften der Konnektoren ging. Eben diese sollen aber hier für die kausalen und konsekutiven Konnektoren beschrieben werden. Solche pragmatischen Funktionen von Konnektoren „können nur aufgespürt werden durch eine empirische Auseinandersetzung mit interaktiv gestalteten Sequenzen“ (Gohl 2002, S. 41). Viele der Konnektoren sind ursprünglich dialogisch, d. h., sie sind aus dialogischen Strukturen hervorgegangen wie etwa das alte kausale wande274 oder das konzessive ob (…) wol/ obwohl, andere, z. B. die Modalpartikeln denn und dann, erreichen ihre grundsätzliche interaktionale Ausrichtung auf einer höheren Grammatikalisierungsstufe. Die Gründe dafür, dass zunächst solche frühneuhochdeutschen Texte ausgewählt wurden, die von Interaktion geprägt sind, erwachsen also aus dem Untersuchungsgegenstand selbst.275 Bei der Zusammenstellung des Korpus konnte aber auf keine Textsortentypologie für die Zeit des Frühneuhochdeutschen zu 





272 Putzer (1979), S. 17 ff.; Rieck (1977), S. 11; Huldi (1957), S. 1; vgl. sein Quellenverzeichnis auf S. XI–XXV. 273 Vgl. die Kritik Franz Simmlers (2005). 274 Vgl. Kapitel B. 3. 275 Vgl. das Vorgehen von Stede/Küssner (2009), S. 516, die in ihrer Untersuchung kausaler Konnektoren nicht mehr Zeitungskorpora verwenden, sondern „Erfahrungsberichte und Bewertungen von Hotels“, die „eine relativ hohe Frequenz von Kausalkonnektoren sowohl in eher semantischen […] als auch in eher pragmatischen […] Lesarten“ versprechen.  

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4 Das Textkorpus

rückgegriffen werden, die den Besonderheiten der Dialoge, der Briefe, der Traktate und der Romane, Chroniken und Reiseberichte gerecht wird.276 Neben den allgemeinen Vorbehalten gegen den Begriff ‚Textsorte‘ in der Linguistik hat man bei Texten aus frühneuhochdeutscher Zeit spezifische Probleme, über Merkmalslisten und Raster einzelne Texte einer Textsorte zuzuweisen und eine Typologie zu erstellen.277 Kern des Textkorpus wurden zehn Gespräche, von denen zwei frühneuhochdeutsche Übersetzungen antiker Texte sind (6 und 9), drei Reformationsdialoge (Texte 3, 4 und 5) und weitere drei den Reformationsdialogen vergleichbar (2, 7 und 8). In diesen letzten drei werden mehr oder weniger polemisch von mindestens zwei Sprechern politische und theologisch-religiöse Themen abgehandelt. Text 1 lässt sich am ehesten als ein geistliches Lehrgespräch bezeichnen, Text 10 besteht aus den Auszügen zweier Predigten. Die Sprache der Reformationsdialoge steht dem damaligen mündlichen Sprachgebrauch nahe,278 wenngleich deren Form, wie in der Forschung vielfach herausgestellt worden ist, literarisch und die Mündlichkeit stilisiert ist.279 Die Autoren der Reformationsdialoge sind meist hoch gebildet, das kommunikative Ziel dieser Texte ist es, reformatorisches Gedankengut im Volk zu verbreiten und zu verteidigen. Dabei wird als eine Strategie verfolgt, möglichst unverfälscht den ‚Volkston‘ zu treffen, um die Figuren und deren Botschaft authentisch und überzeugend erscheinen zu lassen. „Auf der Basis des Kriteriums der konzeptionellen Authentizität“, so Kilian (2005), S. 43), kann man sich „an die historische gesprochene Sprache im natürlichen und spontanen Gespräch“ annähern. Diese zehn Texte wurden zu einer Textgruppe zusammengefasst, die sich von den übrigen Texten durch einen hohen Grad an Dialogizität auszeichnet. Mit der Dialogizität wurde ein Kriterium gewählt, das auf formale Weise leichter zu bestimmen ist als etwa der Grad an Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit oder an Nähe- und Distanzsprachlichkeit bei historischen Texten. Die Texte gliedern sich meist in eine kurze Einleitung oder ein Vorwort des Autors und einen Hauptteil. Dieser Hauptteil besteht ausschließlich aus direkten Redebeiträgen zweier oder mehrerer Kom-

276 Meist werden nur einzelne Textsorten bzw. -gruppen, häufig ‚Brief‘, ‚Kanzleitexte‘ oder ‚Flugschrift‘, behandelt. Vgl. zum Brief in frühneuhochdeutscher Zeit Knape/Roll (2002), S. 13 ff.; zu Flugschriften vgl. Campbell (2003). 277 Vgl. den Überblick über den aktuellen Forschungsstand bei Schulz (2007), S. 124 ff. 278 Vgl. zur sprachwissenschaftlichen Bewertung der Reformationsdialoge die differenzierten Arbeiten Rudolf Bentzingers, z. B. (1990), S. 198: „Die Kommunikationssituation wurde generell so wirklichkeitsnah wie möglich eingefangen.“ 279 Vgl. Kampe (1997), S. 316; Guchmann (1974), S. 164; etwas anders akzentuiert Joachim Schildt (1987), S. 7–19.  





128

B Theoretische Grundlagen

munikationspartner.280 Freilich bewegen sich die dialogischeren Texte eher um die Pole Mündlichkeit und Nähesprachlichkeit, die weniger dialogischen eher um die Pole Schriftlichkeit und Distanzsprachlichkeit. Es wird aber versucht, eine Typologisierung nach syntaktischen, morphologischen oder gar lexemspezifischen Indikatorenlisten und somit die Beeinflussung der Analyseergebnisse und eine methodische Zirkularität zu vermeiden. Die Texte der vier Gruppen lassen sich strukturell leicht voneinander unterscheiden. Texte der Gruppe I bilden den Dialog selbst ab. Im Vergleich dazu sind die Texte der Gruppe II (Briefe) weniger dialogisch, es geht aber wie im direkten Gespräch um die Kommunikation zweier konkreter Personen bzw. Gruppen. Auch in den beiden weiteren Textgruppen III (argumentative Texte) und IV (darstellende Texte wie Reiseberichte, Chroniken, Romane) nimmt der Dialogizitätsgrad noch weiter ab, in Texten beider Gruppen sind aber durchaus noch dialogische Momente enthalten. Solche Partien, etwa in den hier gewählten Romanen, sind aber wesentlich stilisierter und gesetzter als in den Dialogen der Gruppe I. Sind Konnektoren in wörtlicher Rede belegt, ist dies bei der Analyse eigens vermerkt. Am losesten ist der Adressatenbezug in den darstellendenTexten der Gruppe IV verankert. In den argumentativen Texten (III) beziehen die Autoren Position gegen andere Positionen und adressieren zudem meist ihre Gegner direkt. Vor der leichteren formalen Bestimmbarkeit dialogischer und weniger dialogischer Texte legt, wie gesagt, der Untersuchungsgegenstand selbst den Analyseparameter Dialogizität nahe. Vor allem die Dialogizität muss berücksichtigt werden, wenn es darum geht, „Verwandtschaftsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Funktionen einer Form sichtbar zu machen“ (Gohl 2007, S. 65). Zwar wird in der vorliegenden Arbeit nicht die Annahme Gohls geteilt, dass es sich bei einem diskursmarkierenden Konnektor nicht mehr um einen Konnektor im eigentlichen Sinn handle, sondern es wird versucht, solche Verwendungsweisen über die Drei-Ebenen-Theorie Sweetsers zu erklären. Der Parameter Dialogizität wird gleichwohl als aussagekräftig für die Analyse dieser pragmatischen Lesarten erachtet. Zur in

Textgruppe I (Gespräche) zählen die Texte mit den Nummern Textgruppe II (Briefe) fallen diejenigen mit den Nummern

1–10, 11–20,

280 Manchmal sind den Gesprächen zusätzlich zu Bibelstellen im Text oder unabhängig von ihnen am Rand noch Bibelstellen als Verweise beigegeben (z. B. Text 4). Diese Verweise wurden bei der Transkription berücksichtigt, bei den Anführungen der Belege aber weggelassen, da sie zur Auswertung der Konnektorenverwendungen nichts beitragen. Gelegentlich sind die Texte (z. B. Texte 2 und 7) durch Zwischenüberschriften gegliedert.  



4 Das Textkorpus

Textgruppe III (Argumentative Texte wie Streitschriften) die Nummern und in Textgruppe IV (Darstellende Texte wie Romane, Reiseberichte etc.)

129

in

21–30 31–39.

4.3 Sprachlandschaften Die sprachlandschaftliche Zuordnung der Korpustexte erfolgte im wesentlichen nach den von Reichmann (20002, S. 1623–1646) zusammengestellten distingemischen, morphologischen, lexikalischen und syntaktischen Kriterien. Darüber hinaus können in den meisten Fällen Druck- oder Schreibort und die Herkunft des Autors bzw. der Autorin Hinweise geben. Die Texte des 17. Jahrhunderts weisen nicht mehr im gleichen Maß eindeutige Kennzeichen bestimmter Sprachlandschaften auf. Bei ihnen ist die Zuweisung naturgemäß weniger sicher. Sprachlandschaftliche Unterschiede in der Verwendung der Konnektoren stehen nicht im Zentrum des Interesses. Das Korpus wurde vor allem nach den ersten beiden Kriterien, Zeit und Dialogizität, gebildet. Gleichwohl gibt es in den hochdeutschen Regionen durchaus Unterschiede, die den Lautstand und die Auswahl der Konnektoren bereffen. So liegt bei denn und dann grob gesprochen eine Nord-Süd-Verteilung vor, ſeit begegnet im Oberdeutschen viel häufiger als im Mitteldeutschen. Von den 21 ausführlicher untersuchten Konnektoren lohnt es sich bei sechs besonders, verschiedene Graphien bzw. Lautungen in Bezug auf ihre sprachlandschaftliche Verteilung zu vergleichen: do und da, dann und denn, wann und wenn.281 Bei der Verwendung, Vermeidung und Frequenz dieser Konnektoren unterscheiden sich die Augsburger Texte weder von den bairischen noch von den schwäbischen/alemannischen. Für alle drei landschaftlichen Gruppen sind wann und dann typisch, denn und wenn sind wesentlich weniger gebräuchlich. Nur da und do scheinen hiervon etwas abzuweichen. da kommt mit der Ausnahme eines Augsburger Textes in allen Korpustexten vor, do nur in vier Augsburger Texten (2, 31, 32, 33), in einem bairischen (16) und in einem alemannischen (18). Der Konnektor ſeit kommt (mit der Ausnahme eines wmd. Textes) nur in oberdeutschen Texten vor, drei davon sind Augsburger Texte (31, 32, 33), einer ist bairisch (8), einer schwäbisch (28). In Bezug auf die Frage, ob die Augsburger Texte eher zu den bairischen oder zu den alemannisch-schwäbischen Texten zu

281 Die 21 Konnektoren sind zusammen mit den beiden untersuchten Präpositionen in Kapitel B. 3.3, Tab. 12 aufgeführt.

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B Theoretische Grundlagen

rechnen sind, sind diese Ergebnisse nicht eindeutig. Weitere Stichproben bezüglich der Syntax und auch der Präferenz für einzelne Konnektoren haben ergeben, dass nichts dagegen spricht, die vier Augsburger Korpustexte mit den drei schwäbischen/alemannischen Texten zusammenzunehmen. Der Konnektor daher etwa begegnet in den bairischen Texten 27mal, in den schwäbischen/alemannischen nur viermal, in den Augsburger Texten zweimal. Hier stehen die Augsburger Texte den schwäbischen/alemannischen also näher – auch eine Gleichgewichtung der Sprachlandschaften würde an dieser Tendenz nichts ändern. Dies gilt ebenso für darumb, das in Augsburger Texten (43mal) und in den schwäbischen/ alemannischen (22mal) jeweils wesentlich häufiger vorkommt als in den (verglichen mit letzteren doppelt so vielen) bairischen Texten (20mal). Hier würde die Gleichgewichtung die Andersartigkeit der bairischen Texte sogar noch schärfer konturieren. Bei dieweil, demnach und der deshalb-Familie zeigen sich vergleichbare Übereinstimmungen zwischen den augsburgischen und den schwäbischen/ alemannischen Texten, die sie von den bairischen unterscheiden; alle drei sind im Bairischen häufiger und in den beiden anderen Gruppen seltener. Als mitteldeutsch haben die Texte 9, 10, 11, 12, 13, 14, 22, 25, 26, 30, 38, 6, 35 und 37 zu gelten (die letzten drei als westmitteldeutsch, die übrigen als ostmitteldeutsch). Die oberdeutschen Texte lassen sich in bairische, schwäbische/(augsburgische/)alemannische und ostfränkische gliedern. Zu den bairischen Texten zählen 7, 8, 15, 16, 19, 20, 27 und 29, zu den schwäbischen/alemannischen die Texte 1, 2, 18, 21, 28, 31, 32, 33, 36, zu den ostfränkischen die Texte 3, 4, 5, 17, 23, 24, 34, 39.282 Um besser darstellen zu können, wie sich einzelne Konnektoren und deren Graphievarianten über die verschiedenen hochdeutschen Sprachlandschaften verteilen, wurde eine Gewichtung vorgenommen. Zunächst wurden die Texte in drei Gruppen geteilt: in mitteldeutsche, oberdeutsche und ostfränkische Texte. Aus dem Oberdeutschen wurde das Ostfränkische ausgegliedert, um dessen Funktion als Mediator zwischen dem Mittel- und dem Oberdeutschen auf dem Gebiet der Konnektoren zu erforschen. Weil nicht alle drei Sprachlandschaften gleich stark im Korpus vertreten sind, wurden die Ergebnisse gleichgewichtet. Eine anschließende Fünfteilung des Korpus hat gezeigt, dass zwischen west- und ostmitteldeutschen Texten besonders bezüglich der Konnektorenverwendung größere Unterschiede bestehen können. Deswegen wurde für alle Analysekapitel ein-

282 Die Zuweisung von Text 4, Ein Geſprech aines Fuchs vnd Wolfs […] von Hans Bechler, war schwierig. ‚Hans Bechler‘ ist ein unaufgelöstes Pseudonym. Zwar weist der hier zugrunde gelegte Augsburger Druck einige wenige augsburgische Lautungen auf, der wohl als Vorlage dienende Nürnberger Druck des gleichen Jahres bleibt aber allgemein bestimmend, weshalb Text 4 als ostfränkisch gewertet wurde. Vgl. Schottenloher (1929); ferner Zorzin (1997), S. 110.

4 Das Textkorpus

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heitlich die Teilung nach den oben angezeigten fünf Sprachlandschaften durchgeführt, auch wenn die westmitteldeutschen Texte im Vergleich zu den anderen Gruppen unterrepräsentiert sind. Dies wurde durch eine entsprechende Gewichtung ausgeglichen. Die sprachlandschaftliche Verteilung wird in allen Kapiteln nach der Gleichgewichtung in relativen Häufigkeiten angegeben.

4.4 Art des Korpus Das Korpus wurde so zusammengestellt, dass für einige Texte ein kontrastiver Vergleich zu anderssprachigen Vorlagen oder Übersetzungen möglich ist. Dass nicht das gesamte Korpus als Übersetzungs- oder Parallelkorpus konzipiert worden ist, hat methodische Gründe. Eventuelle Abhängigkeiten fremder Sprachen, vor allem des Lateinischen, in Bezug auf die Syntax (z. B. Verbstellung; Linearisierung der Konnekte; Korrelatkonstruktionen) oder die Wahl der Konnektoren (Lehnübersetzungen, grammatische und rhetorische Traditionen) können nur dann verifiziert oder falsifiziert werden, wenn auch Texte enthalten sind, die nicht aus anderen Sprachen übersetzt worden sind. Diese machen den größten Teil im Korpus aus. Indirekte Einflüsse der klassischen Sprachen, die auf die höhere Schulbildung der Autoren oder die Kenntnis vorbildhafter, kanonischer Texte zurückzuführen sind, können für solche Texte weitgehend ausgeschlossen werden, die von nachweislich lateinunkundigen Autoren oder Autorinnen verfasst worden sind. Im Korpus sind dies etwa die Texte der Argula von Grumbach. Aber auch die Reformationsdialoge werden als typische Texte der Volkssprache, ja des – wenn auch stilisierten – mündlichen Sprachgebrauchs angesehen, wie oben ausgeführt wurde. Die fremdsprachigen Texte oder Textpassagen sind bei Rhenius (Text 9) und im ‚Apostolischen Bericht‘ (Text 19) Teil des Textes und somit des Korpus, bei anderen Texten wurden die Ausgangs- oder die Übersetzungstexte hinzugezogen. Es handelt sich um die Texte 5 (Übersetzung aus dem Lateinischen vom Autor Ulrich Burchardi selbst), 6 (Übersetzung aus dem Lateinischen), 20 (zeitnahe Übersetzung aus dem Französischen), 26 (viersprachige Ausgabe biblischer Texte und theologischer Schriften Luthers, deutsch, griechisch, lateinisch und hebräisch), 27 (Übersetzung aus dem Lateinischen) und 29 (zweispaltig synoptisch gedruckter, deutsch-lateinischer Text). Für andere Texte wurden die fremdsprachigen Vorlagen nicht herangezogen, weil sie sich nicht mit Sicherheit ermitteln ließen und/oder nur schwer zugänglich sind. Es handelt sich um die niederländische Vorlage von Text 37, die ihrerseits eine Übersetzung aus dem Englischen ist, und um die lateinische Vorlage von Text 21. Dieser Text hat exzerpthafte Züge und ist passagenweise eher eine  

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B Theoretische Grundlagen

Paraphrase als eine Übersetzung, weshalb er sich für eine kontrastive Untersuchung auf dem Gebiet der Konnektoren nicht eignet. Auch die lateinische Vorlage der Chronik Birkens (Text 39) wurde aus diesen Gründen nicht berücksichtigt. Insgesamt handelt es sich bei dem erstellten Korpus also weder um ein Übersetzungskorpus (definiert als Korpus, das aus Übersetzungstexten besteht, ohne dass deren Vorlagen berücksichtigt wären) noch um ein Parallelkorpus im engeren Sinne,283 da nur ein Teil aller Korpustexte mit einer Vorlage oder einer Übersetzung verglichen werden können. Diese hybride Form soll Verzerrungen vermeiden, wenn die fremden Einflüsse überprüft werden.284 Gleichzeitig können die fremdsprachlichen Paralleltexte bis zu einem gewissen Grad die mangelnde Sprachkompetenz ersetzen (vgl. Schmied 2009, S. 1143), was bei historisch-diachronen Untersuchungen aufgrund der prinzipiellen Fremdheit umso wichtiger ist. Die Gebrauchsbedingungen und Verwendungsweisen lateinischer und griechischer Konnektoren sind – wenn auch in traditioneller altphilologischer Manier – gut untersucht, so dass durchaus semantische und auch pragmatische Interpretationen frühneuhochdeutscher Verknüpfungen am lateinischen oder griechischen, mit Einschränkungen auch am französischen Pendant überprüfbar werden. Das Korpus wurde, wie gesagt, von einer Gruppe von Texten ausgehend angelegt. Diese dialogischen Texte (Gespräche) bilden zunächst ein gerichtetes Spezialkorpus, das dann aber um drei weitere Textgruppen mit gestaffeltem Dialogizitätsgrad ergänzt wurde. So soll ein „Zirkelschluss“ vermieden werden, den Arbeiten an gerichteten Korpora riskieren (Schulz 2007, S. 111). Ob Zusammenhänge zwischen dem Dialogizitätsgrad und der Konnektorwahl sowie der Verknüpfungsebene bestehen und – wenn ja – wie stark diese Zusammenhänge sind, kann anhand der drei weniger dialogischen Textgruppen bestimmt werden. Das größere, viergliedrige Korpus ist somit kein gerichtetes Korpus mehr, sondern ein ungerichtetes. Seine Staffelung nach dem Dialogizitätsgrad kann für Untersuchungen nahezu aller historisch-linguistischen Teildisziplinen sinnvoll sein, sie kann aber auch gänzlich unberücksichtigt bleiben. Die einzelnen Korpustexte können entweder nach anderen Kriterien angeordnet werden, etwa nach dem Bildungsstand der Verfasser, nach handschriftlichen und gedruckten Texten oder einfach nach der bereits vorgenommenen zeitlichen und sprachlandschaftlichen

283 Vgl. zu den Termini ‚parallel corpus‘ und ‚translation corpus‘ Aijmer (2008), S. 276 f. 284 Von solchen Verzerrungen muss man in etlichen Arbeiten ausgehen, wohl auch bei der Untersuchung Putzers (1979), dessen Korpus aus einem aus dem Lateinischen übersetzen Text besteht.  

4 Das Textkorpus

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Unterteilung. Seinem Umfang nach ist das Korpus ein kleines Korpus (small corpus),285 das zwar statisch bzw. geschlossen ist, dessen Struktur aber durchaus eine spätere Erweiterung erlaubt.

4.5 Struktur des Korpus Das Korpus besteht aus 39 Einzeltexten. Diese Einzeltexte sind meist als Ausschnitte aus größeren Texten aufgenommen, in einigen Fällen aber komplett (z. B. Texte 4, 5, 15, 16, die beiden Sendschreiben in Text 20). In Textgruppe II nehmen die Lutherbriefe eine Sonderstellung ein, weil aus ihnen vier ‚Einzeltexte‘, also vier Untergruppen jeweils von der Größe eines Einzeltexts, erstellt wurden. Aus Briefen Martin Bucers wurde ein ‚Einzeltext‘ zusammengesetzt.286 Die 39 Einzeltexte umfassen je ca. 23.000–24.000 Zeichen. Mitunter wurde dieser Richtwert etwas unter- oder überschritten, wenn auf Besonderheiten einzelner Texte Rücksicht zu nehmen war. So umfasst Text 9 ca. 35.000 Zeichen, da die lateinische Vorlage selbst ein knappes Drittel des Texts ausmacht. Die beiden Texte der Argula von Grumbach wiederum sind bereits als Ganze kürzer als der Ausschnitt, der sonst gewählt wurde. Insgesamt sind aber die vier Textgruppen gleich groß (jeweils gut 230.000 Zeichen), auch die Zeitgruppen I, II und III machen je ein Drittel der Gesamtgröße (925.000 Zeichen) aus. Die zeitliche Dreigliederung durchzieht alle vier Textgruppen. Zudem wurde auf eine sprachlandschaftliche Streuung geachtet, die es mittels der oben vorgestellten Gleichgewichtung erlaubt, Korrelationen mit allen anderen erhobenen Parametern aufzuspüren. So wurde ein hochstrukturiertes und komplexes Korpus eingerichtet. Eine Aufstellung der Einzeltexte findet sich vor dem Literaturverzeichnis.  

4.6 Analysegrundlage Prinzipiell wurden alle tokens der gewählten Konnektoren erfasst und analysiert, randomisierte Stichproben wurden nur bei den Konnektoren denn/dann und wenn/wann durchgeführt. Im ersten Fall wurde ein Drittel der Gesamtbelegzahl analysiert, im zweiten die Hälfte.

285 Vgl. zu den Vorteilen von small corpora Wolf (2010), S. 22; ferner Lemnitzer/Zinsmeister (20102), S. 105. 286 Genaue bibliographische Angaben und Blatt- oder Seitenzahlen der Ausschnitte finden sich in der Übersicht aller Korpustexte.

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B Theoretische Grundlagen

Von diesen Konnektoren wurden diejenigen ausgewählt, die eine kausale oder konsekutive Lesart erlauben. In diese Menge sind gerade auch die mehrdeutigen Belege eingeschlossen, bei denen die kausale oder konsekutive Lesart nur eine mögliche ist. Die anderen wurden ausgeschieden oder – in etlichen Fällen – zu Vergleichszwecken quantitativ erfasst. Dieses Vorgehen ist dadurch zu rechtfertigen, dass kein derartig großes Korpus frühneuhochdeutscher Texte zur Verfügung steht, das den Ansprüchen einer Konnektorenanalyse genügen könnte. Die Gesamtzahlen der tokens, gegebenenfalls der Umfang der einzelnen Stichproben und die Zahlen der vollständig analysierten Konnektoren finden sich in Tabelle 128 zu Beginn von Kapitel D.

4.7 Technische Aufbereitung und Auswertung des Datenmaterials In einem ersten Schritt wurden die Texte bzw. Textausschnitte diplomatisch transkribiert. Die Transkription erfolgte über den alphanumerischen Zeichensatz Unicode,287 der erstens eine möglichst exakte Wiedergabe vor allem der Diakritika und zweitens eine problemlose Weiterverarbeitung ermöglicht. Um die Tokenisierung nicht unnötig zu erschweren und weil sie für den Untersuchungsgegenstand nicht maßgeblich sind, wurden konsonantische Ligaturen und graphische Varianten für die Phoneme /r/, /n/ und /ts/, die in manchen Drucken auftreten, normalisiert. Abbreviaturen wurden beibehalten. Bei der Zeichensetzung in den Handschriften gab es Zweifelsfälle etwa in der Abgrenzung der Virgeln von Kommata, die je nach Schreiber entschieden wurden. Dabei wurde gewöhnlich als Virgel gewertet, was die Höhe des Graphems erreicht oder übersteigt. Nach der Transkription wurden die Texte über den Texteditor TextPad in XML288 transformiert. Die komplexe Struktur des Korpus und die zugehörigen Metadaten wie Entstehungszeit, Mundart, Textgruppe, Schreiber, Seite, strukturelle Stelle innerhalb des Einzeltextes, Absätze etc. konnten durch Abschnittsdefinitionen über Attribute abgebildet werden. Die Codierung orientiert sich dabei prinzipiell an den Standards der Text Encoding Initiative (TEI).289 Tokenisierung, Lemmatisierung und Annotation erfolgten manuell, die beiden letzteren partiell: Es wurden diejenigen Sätze, in denen einer der zu unter-

287 Vgl. zu Unicode Lehmberg/Wörner (2008), S. 485 f., vgl. ferner http://www.unicode.org. 288 Vgl. zu XML Lehmberg/Wörner (2008), S. 485; siehe http://www.w3.org/XML/. 289 Vgl. zur TEI Lehmberg/Wörner (2008), S. 486; siehe http://www.tei-c.org/.  

5 Zusammenstellung und Zusammenwirken der Analyseparameter

135

suchenden Konnektoren auftritt, zusammen mit mindestens dem vorhergehenden und dem folgenden Satz, meist aber mit einem größeren Kontext annotiert. Hierbei erwiesen sich Tokenisierung und Tagging insofern als problematisch, als Desambiguierungen (z. B. von Graphien wie oder von Verbformen, die bezüglich des Modus mehrdeutig sind) nicht immer möglich waren. Aus diesen Gründen wurde das Tokenisierungsscript des TreeTaggers290 zunächst angepasst. Auf diese Weise konnten zudem weitere Annotationsebenen, nämlich syntaktische, semantische und pragmatische, eingezogen werden. Das Tagset orientiert sich am STTS291, dieses wurde aber den Ambiguitäten entsprechend erweitert. Die Recherche erfolgte über die IMS Open Corpus Workbench292, die Auswertung teils zusätzlich über SPSS, das statistisch komplexe Operationen ermöglicht. Die Annotationsebenen beziehen sich zum Teil direkt auf die Primärdaten, zum Teil aber auch auf niedrigere Annotationsebenen. Die genaueren Zusammenhänge sind den Übersichten über die primären, sekundären und tertiären Analyseparameter zu entnehmen.  

5 Zusammenstellung und Zusammenwirken der Analyseparameter Herzstück und vorläufiges Ziel der Analyse ist es, die pragmatischen Ebenen – propositionale, epistemische und illokutive Ebene – für die untersuchten kausalen und konsekutiven Verknüpfungen zu bestimmen.293 Um die Verknüpfungsebenen voneinander abheben zu können, wurden 30 verschiedene Analyseparameter (AP) an den Textbelegen erhoben. Diese Analyseparameter sind dreifach gestaffelt. Dabei zählt die Verknüpfungsebene zu den tertiären Parametern, die auf den primären und sekundären Parametern aufbauen. Vom Ziel her, nämlich der Bestimmung der Verknüpfungsebene, wird der Analyseweg von den tertiären über die sekundären zu den primären Analyseparametern hier nachgezeichnet.

290 Vgl. zu dem von Helmut Schmid entwickelten Werkzeug http://www.cis.uni-münchen.de/ ~schmid/tools/TreeTagger/. 291 Vgl. die Übersicht des Stuttgart-Tübingen-TagSets unter http://www.ims.uni-stuttgart.de/ forschung/ressourcen/lexika/TagSets/stts-table.html. 292 Siehe http://cwb.sourceforge.net/. 293 Vgl. zu den Domänen der Verknüpfung nach Eve Sweetser Kapitel A. 2.2.1.

136

B Theoretische Grundlagen

Übersicht 1: Das Zusammenwirken der primären, sekundären und tertiären Analyseparameter.

Von allen Parametern ist der bedeutsamste für die Bestimmung der Verknüpfungsebene der Illokutionstyp (AP29). Die Verknüpfungsebene wurde für die kausalen Konnektoren wie folgt bestimmt: Trägt das externe Konnekt ein Reportivum, handelt es sich um eine Verknüpfung auf der propositionalen Ebene (vgl. Beleg c4, unten). Trägt es ein Estimativum, ein Evaluativum oder ein Identifikativum, handelt es sich um eine Verknüpfung auf der epistemischen Ebene. Eine illokutive Verknüpfung liegt dann vor, wenn das externe Konnekt ein Interrogativum, Direktivum, Kommissivum, Optativum, Expressivum, Deklarativum oder Direktivum+Kommissivum transportiert. Bei den Folgekonnektoren wurde die

5 Zusammenstellung und Zusammenwirken der Analyseparameter

137

Verknüpfungsebene analog ermittelt. Sie ist jedoch (primär) von der Illokution des internen Konnekts abhängig. Hierin unterscheiden sie sich von den Grundmarkern. Trägt das interne Konnekt ein Reportivum, wurde von einer propositionalen Verknüpfung ausgegangen, entsprechend von epistemischen oder sprechaktbezogenen Verknüpfungen, wenn das interne Konnekt die oben aufgelisteten Illokutionen trägt. In beiden Fällen, bei den Grund- und Folgemarkern, ist es das Konsequenz, dessen Illokution die Verknüpfungsebene anzeigt. Die Bestimmung des Illokutionstyps (und die des Satzmodus, AP28) erfolgte über 15 primäre formale Analyseparameter, die im Zusammenspiel meist eindeutige Ergebnisse lieferten. So ermöglicht etwa die Kombination von dreien dieser primären Analyseparameter bereits die sichere Bestimmung als Direktivum: Verbstellung (AP2, Ausprägung 4 = Verberststellung), Interpunktion (AP6, Ausprägung 23, Ausrufezeichen am Satzende) und Verbmodus (AP8, Ausprägung 6 = Imperativ). In anderen Fällen, vor allem bei der Feingliederung der Repräsentativa, mussten viele weitere erhobene Parameter für die Bestimmung des Illokutionstyps hinzugenommen werden: bewertende und geltungsbezogene Adverbien, Verben der propositionalen Einstellung, illokutive Verben, wertende Adjektive und Nomina, skalierende und einschränkende Ausdrücke sowie der direkte Ausdruck der Sprechermeinung (AP13–AP20). Als Reportivum wurden z. B. Belege gewertet, bei denen die erwähnten Analyseparameter auf einen Bericht, eine Bestätigung, Beschreibung, Feststellung, Schilderung oder Bekanntmachung schließen ließen. Estimativum, Evaluativum und Identifikativum wurden entsprechend der Übersicht in Tabelle 4 in Anlehnung an Schmitt (2000) bestimmt. Zusätzlich zu diesem Vorgehen, der Bestimmung der Illokutionstypen, wurden die einschlägigen Indizien für propositionale oder modale Lesarten zum Teil gesondert berücksichtigt (AP1, AP3–AP6, AP8–AP20).294 Als Modalitätsindikatoren, also Indikatoren für modale Lesarten, gelten erstens Subjektivitätsindikatoren. Zusätzlich zu denen, die der Bestimmung des Illokutionstyps dienen, handelt es sich vor allem um (epistemisch gebrauchte) Modalverben (AP10), Modalpartikeln (AP11), Tiefensubjektbezug und die Bestimmbarkeit des Sprechers im Dialog als die Quelle der Evidenz (vgl. AP9 sowie AP20). Neben diesen Subjektivitätsindikatoren weisen folgende Indikatoren auf eine modale Deutung der Verknüpfung hin: die syntaktische Desintegration, die einerseits über die Position des Konnektors (AP4, vor allem die Ausprägungen 3, 5, 8, 9 und 12, also mögliche oder zwingende Deutung als Nullposition), andererseits über die Linearisierung  

294 Vgl. zur Be- und Verwertung dieser einzelnen Parameter in der Forschung und in der vorliegenden Analyse die Kapitel B. 2 und 3 sowie die Einzelanalysen unter C.

138

B Theoretische Grundlagen

der Konnekte (AP5, vor allem Ausprägung 2, die Postposition) bestimmt wird, sowie Interpunktionen, die eine getrennte prosodische Phrasierung der Konnekte nahelegen (AP6). Abgesehen von zwei sehr schwachen Indizien, nämlich dem (deontisch verwendeten) Modalverb (mochten) und der Virgel zwischen den Konnekten, bietet Beleg c4 keine weiteren Anhaltspunkte für eine modale Lesart und ist daher als propositional zu bewerten: c4

Da nun das Volck jren | Herren gefangen vernamen / vnd jhn nit mehr ſe= | hen mochten / da namen ſie die flucht […]. (Melusine Han, 1560, D VIIr) (propositionale Ebene)

An den Belegen b16 und g5 hingegen sprechen einige Indikatoren (im Folgenden unterstrichen) für modale Lesarten. b16 Da behüte mich mein Gott für / ach lieber Gott / es muß auch wol böſe | Leuth dort haben / weil man die Leuth zum Fenſter hinauß wirfft. (Colloquium, 1620, 29 = Beleg d4) (epistemische Ebene) g5

vnd ſo vil will ich euch | zů willen ſton ſeit ir in ewere woppen auch ein lwen furent • (Melusine Knoblochtzer, 1481/83, D IIr) (illokutive bzw. sprechaktbezogene Ebene)

Beleg b16 ist gegen Ende des Kapitels B. 3.1 eingehender analysiert. An Beleg g5 fallen vor allem die Postpositon des internen Konnekts, der Tiefensubjektbezug bzw. die Bestimmbarkeit des Sprechers als Quelle der Evidenz, der skalierende Ausdruck vil, und vor allem die performative Formel (inklusive Modalverb) ins Gewicht. Dass das interne Konnekt nicht durch ein Interpunktionszeichen abgehoben ist, wird von der Menge der anderen Indikatoren überwogen. Während das Estimativum in b16 (es muß auch wol böſe | Leuth dort haben) den Beleg als epistemische Verknüpfung ausweist, lässt das Kommissivum in g5 (ſo vil will ich euch | zů willen ſton) die Verknüpfung auf illokutiver Ebene deuten. Die Übersichten 2 bis 5 zeigen, welche der primären Parameter für die Bestimmung der sekundären und welche der primären und sekundären Parameter für die Bestimmung der tertiären herangezogen werden. Die Ausprägungen der meisten Parameter sind vollständig aufgeführt, manche, und zwar AP3, AP6, AP7, AP13–16 und AP19, nur exemplarisch („…“). Aus der Zahl der Ausprägungen geht stets hervor, wie viele Möglichkeiten bestehen.

14

77

48

71

Vzweit, Vletzt, Vspät, Verst, Ellipse, Vzweit/ Verst,Vzweit/Vletzt, Vzweit/Vspät, Vzweit (Ellipse), Vletzt (Ellipse),Vspät (Ellipse), Verst (Ellipse), Vzweit (Ellipse)/Vletzt (Ellipse), Vzweit (Ellipse)/Vspät (Ellipse).

kein Korrelat; ist Korrelat; hat Korrelat; ſeyt…/ſo; derhalben / weill, …

VF, MF, NULL, NF, VF/NULL, VF (Ellipse), MF (Ellipse), NULL (Ellipse), VF/NULL (Ellipse), Position vor internem Konnekt (Subjunktionen/Relativa), MF/Position vor dem internen Konnekt, NULL/Position vor internem Konnekt.

Ante-, Post-, Interposition des Konnekts

,