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German Pages 471 Year 2006
SUSANNE BUMKE
Frequenzvergabe nach dem Telekommunikationsgesetz
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1032
Frequenzvergabe nach dem Telekommunikationsgesetz Unter besonderer Berücksichtigung der Integration ökonomischer Handlungsrationalität in das Verwaltungsverfahren
Von
Susanne Bumke
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-12092-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Sommersemester 2005 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Das Manuskript habe ich zuletzt im Januar 2005 aktualisiert. Ich danke Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts, für die Betreuung der Dissertation, seine kritischen Anregungen, die zügige Erstellung des Erstgutachtens und nicht zuletzt für die Erfahrungen, die ich während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl machen durfte. Herrn Prof. Dr. Hans-Bernd Schäfer danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein ganz besonderer Dank gebührt Frau Doris Kühlers für ihren unermüdlichen Einsatz: Sie hat durch Ihre Diskussionsbereitschaft und Ihre wertvollen Anregungen zum Entstehen dieser Arbeit maßgeblich beigetragen. Besonders hervorheben möchte ich aber auch ihre seelische Unterstützung. Ohne sie hätte ich diese Arbeit vielleicht nie fertiggestellt. Letzteres gilt in gleicher Weise für Frau Christel Schulze. Sie hat mir immer zur Seite gestanden und ist die beste Freundin, die man sich wünschen kann. Für die konstruktiven Denkanstöße insbesondere bei der Bearbeitung der ökonomischen Teile dieser Arbeit danke ich ihr. Herrn Dr. Frank Castenholz danke ich für seine juristischen und stilistischen Anmerkungen, die mir sehr geholfen haben. Des Weiteren gilt mein besonderer Dank Herrn Dr. Wolfgang Steinmetz für die Korrektur der Arbeit und seine motivierende Kritik. Meiner Tante Erika Stork und meinem Onkel Prof. Dr. Joachim Bumke danke ich für ihre Großzügigkeit. Ich danke auch meinem Freund Timo von Eicken, der mit seinen vielen Ablenkungsmanövern für meine Entspannung gesorgt hat. Meiner Mutter Gisela Bumke danke ich für einfach alles. Ihr und meiner im Jahr 2004 verstorbenen Oma Helene Ladwig ist diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im Dezember 2005
Susanne Bumke
Inhaltsverzeichnis Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
25
A. Versteigerungsverfahren - Anwendungsbereich, Entwicklung und historischer Überblick
25
B. Bisher durchgeführte Frequenzversteigerungen
27
I. ERMES-Auktion
27
II. GSM-Auktion
29
ΙΠ. UMTS-Auktion
30
C. Problemstellung und Gang der Untersuchung
32
1. T e i l Grundannahmen und Rahmenbedingungen
1. Kapitel Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter A. Frequenzen I. Begriff und Eigenschaften Π. Gründe für die Frequenznutzung
36 36 36 37
B. Frequenzen als natürliche Ressourcen
38
C. Frequenzen als knappe Güter
39
I. Natürliche Knappheit von Frequenzen 1. Relative Betrachtung
41 41
8
Inhaltsverzeichnis 2. Absolute Betrachtung
41
3. Aufhebung der natürlichen Knappheit durch technologischen Fortschritt
42
II. Künstliche Knappheit von Frequenznutzungsrechten 1. Ursachen und Gründe
43 43
a) Knappheit aufgrund staatlicher Nutzung
44
b) Knappheit als Folge einer ineffizienten Frequenzverwaltung
44
aa) Ineffiziente Frequenzverwaltung
44
bb) Rechtliche Bindungen und Gemeinwohlerwägungen
46
2. Schlussfolgerungen
47
2. Kapitel Frequenzzuteilung im System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung A. Notwendigkeit von Frequenzplanung und -allokation I. Frequenzknappheit II. Interferenzen
48 48 48 49
B. Technikregulierung
50
C. Art der Frequenzplanung
51
I. Internationale Frequenzplanung II. Nationale Frequenzplanung III. Frequenzplanung als hoheitliche Aufgabe D. Ebenen der Frequenzplanung I. Internationale Frequenzplanung durch die ITU
51 52 52 54 54
1. Organisation und Willensbildung
54
2. Ziele und Aufgaben
56
3. Instrumente
56
a) Zuteilungsentscheidungen auf nationalstaatlicher Ebene
57
Inhaltsverzeichnis b) Zuweisungs-und Verteilungsentscheidungen auf der Ebene der ITU
57
aa) Regelungsgehalt
57
bb) Verfahren
58
(1) Verfahren in ungeplanten Frequenzbändern
58
(2) Verteilungspläne
59
II. Internationale Frequenzplanung durch die CEPT
60
1. Organisation und Willensbildung
60
2. Ziele und Aufgaben
60
3. Instrumente
61
III. Internationale Frequenzplanung durch die Europäische Union
62
1. Die ursprüngliche Frequenzverwaltung und -Zuteilung
63
a) Frequenzpolitik durch Kooperation mit der CEPT
64
b) Eigene frequenzverwaltungsrechtliche Maßnahmen
65
aa) Maßnahmen zur Bereitstellung neuer Dienste
65
bb) Maßnahmen der „allgemeinen" Frequenzverwaltung
66
(1) ONP
66
(2) Richtlinie 90/388/EWG
66
(3) Richtlinie 97/13/EG (Lizenzierungsrichtlinie)
67
(a) Wahl und Ausgestaltung des Vergabeverfahrens, Art. 10 Lizenzierungsrichtlinie
68
(b) Kosten für Einzelgenehmigungen, Art. 11 Lizenzierungsrichtlinie
69
(4) Nutzung von Funkgeräten 2. Prozess des Wandels
70 70
a) Grünbuch der Frequenzpolitik
70
b) (Politischer) Hintergrund und Handlungsbedarf
71
aa) Ziel einer eigenen Frequenzpolitik
71
bb) Zuteilungsverfahren
73
c) Ergebnisse der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch der Frequenzpolitik
74
aa) Ziel einer eigenen Frequenzpolitik
74
bb) Zuteilungsverfahren
74
Inhaltsverzeichnis
10
3. Der Status Quo: Die Frequenzentscheidung und die Vorgaben des neuen Rechtsrahmens für Kommunikationsnetze und -dienste a) Frequenzentscheidung
75 75
aa) Allgemeines Verfahren für den Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen
76
bb) Zuteilungsverfahren
77
b) Der neue Rechtsrahmen für Kommunikationsnetze und-dienste
78
aa) Anwendungsbereich
80
bb) Regulierungsziele, Art. 8 Rahmenrichtlinie
81
c) Reform der Regulierung: Frequenzverwaltung
82
aa) Verwaltung für Funkfrequenzen, Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Rahmenrichtlinie
82
bb) Harmonisierte Frequenzzuteilung, Art. 8 Genehmigungsrichtlinie
83
d) Reform der Regulierung: Frequenzzuteilung aa) Vorrang des Allgemeingenehmigungsregimes
84 84
(1) Regelungsinhalt
84
(2) Regelungsstruktur
84
bb) Nutzungsrechte für Funkfrequenzen (1) Grundsatz: Frequenzvergabe durch Allgemeingenehmigung, Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Genehmigungsrichtlinie (2) Ausnahme: Frequenzvergabe als Einzelakt, Art. 5 i.V.m. Art. 7 Genehmigungsrichtlinie
86 86 86
(a) Notwendigkeit
86
(b) Voraussetzungen
87
(c) Beschränkungsentscheidung
87
(aa) Verfahrensrechtliche Aufträge
88
(bb) Materiellrechtliche Aufträge
88
(d) Vergabe verfahren
88
(aa) Anforderungen an die Auswahlkriterien
88
(bb) Art des Vergabeverfahrens
89
(α) Regelung der Genehmigungsrichtlinie
89
(ß) Exkurs: Vorschlag der Kommission
90
(3) Bewertung des Genehmigungsmodells
91
(4) Die Erhebung von Abgaben und Entgelten
92
(a) Verwaltungsabgaben, Art. 12 Genehmigungsrichtlinie
92
(b) Entgelte, Art. 13 Genehmigungsrichtlinie
93
cc) Frequenzhandel, Art. 9 Abs. 3, Abs. 4 Rahmenrichtlinie
93
Inhaltsverzeichnis IV. Nationale Frequenzplanung
95
1. Organisation und Willensbildung
96
2. Instrumente
96
a) Frequenzbereichszuweisungsplan, § 53 TKG
97
aa) Rechtsform und Aufstellung
97
bb) Inhalt und Zielsetzung
97
b) Frequenznutzungsplan, § 54 TKG
98
aa) Rechtsform und Aufstellung
98
bb) Ziele
99
cc) Inhalt
100
c) Frequenzzuteilung, §§ 55 ff. TKG
100
2. T e i l Das Frequenzversteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
1. Kapitel Frequenzzuteilung nach dem T K G A. Die Frequenzzuteilung bis zum Erlass des TKG-alt
102 103
I. Frequenzzuteilung zur Zeit des Verwaltungsmonopols im Fernmeldewesen (der Zeitraum bis 1989) 103 II. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform I (1989)
104
ΠΙ. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform Π (1994 /1995)
107
IV. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform ΙΠ: Das TKG (1996)
109
B. Frequenzzuteilung nach dem TKG I. Verhältnis Anzeige - Frequenznutzungsrecht II. Frequenzzuteilung 1. Frequenzzuteilung im Wege der Allgemeinzuteilung, § 55 Abs. 2 TKG
109 110 112 113
12
Inhaltsverzeichnis 2. Frequenzzuteilung im Wege der Einzelzuteilung, § 55 Abs. 3 TKG
113
a) Verfahren, § 55 Abs. 4 TKG
114
b) Zuteilungsvoraussetzungen, § 55 Abs. 5 TKG
114
c) Versagungsgründe, § 55 Abs. 10 TKG
115
3. Frequenzzuteilung im gestuften Verfahren gemäß §§ 55 Abs. 3, Abs. 9, 61 TKG 115 a) Entscheidung über die Durchführung eines Vergabeverfahren, § 55 Abs. 9 TKG 115 aa) Voraussetzung: Frequenzknappheit
115
bb) Prozedurale Sicherungen
117
b) Feinabstimmung durch Vergabe verfahren, § 61 TKG
118
aa) Verfahrenseinleitung durch die RegTP
118
bb) Wahl des Vergabe Verfahrens, Festlegungen und Verfahrensregeln
119
(1) Anhörung als prozedurale Sicherung
119
(2) Versteigerungsverfahren als Regel verfahren
119
(3) Inhaltliche Festlegungen, § 61 Abs. 4 S. 2 TKG
121
(4) Veröffentlichung im Amtsblatt, § 61 Abs. 1 S. 2 TKG
121
cc) Zulassungsverfahren
122
(1) Prüfung der ZulassungsVoraussetzungen, § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG 122 (2) Ausschluss von Vergabeverfahren, § 61 Abs. 3 TKG dd) Die Vergabe verfahren
123 124
(1) Ziel: Feststellung des potenziell effizienten Frequenznutzers, § 61 Abs. 4 S. 1 TKG
124
(2) Versteigerungsverfahren, § 61 Abs. 5 TKG
124
(a) Versteigerungsregeln
124
(b) Durchführung der Versteigerung
125
(c) Versteigerungsverfahren als Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung 126 (3) Ausschreibungsverfahren, § 61 Abs. 6 TKG
129
c) Zuteilung des Frequenznutzungsrechts, § 55 Abs. 3 TKG
130
d) Gestuftes Zuteilungsverfahren als normatives Konfliktschlichtungsprogramm
131
ΠΙ. Der Versteigerungserlös im System der Gebühren und Kosten
133
1. Gebühren und Auslagen, § 142 TKG
133
2. Frequenznutzungsbeitrag, § 143 TKG
134
Inhaltsverzeichnis
13
2. Kapitel Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren und normative Bewertung
135
A. Bewertungsmaßstab: Allokative Effizienz
136
B. Das Versteigerungsverfahren als effizienter Allokationsmechanismus
140
I. Unentgeltliche Verteilung II. Marktwirtschaftliche Verteilung 1. Die vorhandene Marktsituation
141 141 142
a) Monopolmarktsituation
142
b) Informationsasymmetrien
142
2. Alternativen der Vergabe
143
a) Ausgangspunkt: Neoklassische Markttheorie
143
b) Austausch über den Markt im Monopol
144
c) Versteigerungsverfahren
144
III. Ökonomische Analyse und normative Bewertung C. Institutionelle Ausgestaltung von effizienten Frequenzversteigerungen I. Auktionsmethoden 1. Charakterisierung
145 146 147 147
a) Englische Auktion
147
b) Holländische Auktion
148
c) Höchstpreisauktion
149
d) Vickrey-Auktion
150
e) Kategorisierungen
150
aa) Einstufige versus mehrstufige Auktionen
151
bb) Offene versus verdeckte Gebote
151
cc) Preisbestimmendes Gebot
151
f) Zwischenergebnis - normative Bewertung
152
14
Inhaltsverzeichnis 2. Ökonomische Bewertung der Auktionsmethoden mit Hilfe der Spieltheorie .. 152 a) Auktion als Spiel im Sinne der Spieltheorie
153
aa) Modellannahmen des Independent private values-Modells
155
bb) Modellannahmen des Milgrom-Weber-Modells
157
b) Die Auktionsmethoden im Hinblick auf ihre Effizienz
158
aa) Ein-Objekt-Auktion (1) Analyse des Bieterverhaltens (a) Holländische Auktion und Höchstpreisauktion (b) Englische Auktion und Vickrey-Auktion (2) Gleichgewichte
159 159 159 160 162
(a) Gleichgewicht in dominanten Strategien - Nash-Gleichgewicht 162 (b) Eindeutige symmetrische Gleichgewichte für alle Auktionsformen 162 (3) Höhe des Erlöses im Gleichgewicht - Das Revenue-Equivalence Theorem 163 (4) Das Verkettungsprinzip als Faktor der Gewinnerwartung (Milgrom-Weber-Modell) 164 (5) Ergebnis der ökonomischen Analyse und normative Bewertung .. 165 bb) Mehr-Objekt-Auktionen
166
(1) Homogene Versteigerungsobjekte
167
(2) Englische Auktionsmethode in simultaner Form
167
3. Normative Bewertung der ökonomischen Analyse II. Störanfälligkeit der einzelnen Auktionsmethoden 1. Wettbewerbsbeschränkendes Bieterverhalten
169 170 170
a) Ökonomische Analyse
170
b) Normative Bewertung der ökonomischen Analyse
173
2. Winner's curse-Effekt
174
a) Ökonomische Analyse
174
b) Normative Bewertung der ökonomischen Analyse
175
ΠΙ. Mögliche Verfahrensregeln zur Sicherung der Störungsfreiheit
176
1. Regeln zur Verhinderung Wettbewerbs widrigen Bieterverhaltens
176
2. Regeln zur Verhinderung des Winner's curse-Effektes
178
3. Normative Bewertung der ökonomischen Analyse
178
Inhaltsverzeichnis IV. Einzelne Verfahrensregeln zur Sicherstellung der Funktionsfahigkeit der Auktion 183 D. Ergebnis
188
3. Kapitel Das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren A. Güterverteilung
190 191
I. Güterverteilung über den Markt
191
II. Güterverteilung durch den Staat
191
1. Staatlicher Einfluss auf die Güterknappheit
192
2. Natürlich knappe Güter
193
B. Referenzgebiete I. Vergabe öffentlicher Aufträge Π. Vergabe von Start- und Landerechten (slots)
193 194 198
III. Hochschulzulassung
201
IV. Verteilung von Marktstandplätzen
203
V. Verteilung von Taxikonzessionen
206
C. Auswertung der Referenzgebiete I. Auswahlkriterien II. Prozedurale Sicherungen ΙΠ. Kein konzeptionelles Grundlagensystem D. Typenbildung von Verwaltungsverfahren
208 208 210 211 211
I. Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung
212
1. Verteilungsverfahren als Verfahrensuntertypus
213
a) Typenbildung herkömmlicher Verteilungskriterien aa) Formale Verteilungsverfahren
215 215
Inhaltsverzeichnis
16 (1) Systematik
215
(a) Losverfahren
216
(b) Prioritätsprinzip
216
(c) Mathematische Gleichheitsmaßstäbe (2) (Verfassungsrechtliche) Bewertung
217 218
(a) Allgemeine Bewertung
218
(b) Rechtliche Anforderungen
220
(aa) Rechtliche Rahmenbedingungen
221
(bb) Exkurs: Schlussfolgerungen für formale Verteilungsverfahren 224 bb) Wertende Auswahlmaßstäbe zur sachangemessenen Verteilungslösung 226 cc) Allokationseffizienz als marktorientiertes Verteilungskriterium
228
dd) Versteigerungsverfahren als Form des marktförmigen Verteilungsverfahrens 231 b) Marktförmige Verteilungsentscheidung aa) Verlust von Steuerungsmacht bb) Gerechtigkeitserwägungen
232 232 233
(1) Ausgleich des „ungerechten" Vermögenszuwachses
233
(2) Erwerbskostenniederschlag auf den Endverbraucher
235
cc) Zweckverfehlung
236
dd) Kommerzialisierung
238
ee) Zusätzliche Gründe (1) Schnelligkeit, Kostengünstigkeit und Praktikabilität
240 240
(2) Diskriminierungsfreiheit und Transparenz
241
2. Schlussfolgerungen für das Verteilungsverfahren nach dem TKG
242
II. Regulierte Selbstregulierung im Verteilungsverfahren - das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren 242
4. Kapitel Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen A. Die Verteüungswirkung von Versteigerungsverfahren I. Zuständigkeit des Bundes zur Frequenzbewirtschaftung und -Verteilung
245 246 247
Inhaltsverzeichnis II. Verfassungsmäßigkeit der Frequenzbewirtschaftungsordnung
247
1. Beeinträchtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
248
a) (Abwehrrechtlicher) Schutz für natürliche Ressourcen
249
b) Bestimmungen zur Frequenznutzung als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit
251
2. Rechtfertigung der Frequenzbewirtschaftung a) Rechtfertigungsmaßstab
253 253
aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
253
bb) Die Drei-Stufen-Lehre als Orientierungshilfe
254
cc) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Strukturierungsleistungen der Drei-Stufen-Lehre 257 b) Maßstabsbildung: Berufsausübungs- oder Berufswahlregelung
260
aa) Berufausübungsregelung von Mobilfunkanbietern
260
bb) Berücksichtigung der konkreten Beeinträchtigungsintensität
264
c) Die Rechtfertigung der Frequenzbewirtschaftungsordnung ΠΙ. Verfassungsmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens
265 267
1. Beeinträchtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
267
2. Grundrechtsdogmatischer Maßstab des Anspruchs auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Auswahlverfahren (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG)
268
a) Teilhaberechtlich strukturierte Vergabesituation?
269
b) Abwehrrechtlich strukturierter, aber reduzierter Anspruch
273
c) Umfang der Verteilungsaufgabe: Kapazitätsausschöpfung
277
3. Das Versteigerungsverfahren als sachgerechtes und chancengleiches Auswahlverfahren 278 a) Chancengleichheit des Versteigerungsverfahrens
278
b) Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums
280
aa) Verfassungsrechtliche Kritik an der Sachgerechtigkeit
280
bb) Gegenkritik und Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums
282
(1) Der Zusammenhang zwischen höchstem Gebot und Effizienz
282
(2) Marktmäßige Frequenzverteilung als Vorstufe einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit 283 2 Bumke
Inhaltsverzeichnis
18
(3) Die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums im Hinblick auf die Vorgabendes Art. 87 fGG 285 (a) Die Grundentscheidung für privaten Wettbewerb, Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG
285
(b) Der Gewährleistungsauftrag, Art. 87 f Abs. 1 GG
287
(aa) Flächendeckend
292
(bb) Qualität, Quantität und Erschwinglichkeit der Dienstleistungen 293 (4) Effizienz als sachgerechtes Auswahlkriterium
294
c) Versteigerungsverfahren als innovativer Auswahlmechanismus
294
aa) Eignung des marktwirtschaftlich orientierten Auswahlkonzepts zur staatlichen Verteilung 295 bb) Erforderlichkeit des Versteigerungsverfahrens
299
cc) Zumutbarkeit der Teilnahme an einem Versteigerungsverfahren
299
4. Ergebnis
301
IV. Vorbehalt des Gesetzes und Bestimmtheitsgrundsatz B. Die Einnahme- bzw. Abschöpfungswirkung von Versteigerungsverfahren I. Finanzverfassungsrecht 1. Sachliche Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates
302 305 306 307
a) Begrenzungs-und Schutzfunktion der Finanzverfassung
307
b) Versteigerungseriöse als öffentliche Abgaben
309
c) Abgrenzung zur Steuer
311
aa) Rechtsverleihung als „besondere staatliche Leistung"
313
(1) Der Versteigerungserlös im System der nicht-steuerlichen Abgaben 313 (a) Das Versteigerungsentgelt als Sonderabgabe?
313
(b) Das Versteigerungsentgelt als Beitrag?
314
(c) Das Versteigerungsentgelt als Gebühr
315
(2) Frequenznutzungsrecht als „Gegenleistung"
317
bb) Vorteilsgewährung durch Einräumung der Frequenznutzung
320
cc) Versteigerungen als Verfahren der Wertermittlung
321
d) Rechtfertigung 2. Grundsatz der Belastungsgleichheit a) Der Grundsatz der Belastungsgleichheit
322 323 323
Inhaltsverzeichnis b) Vorteilsabschöpfung
19 324
aa) Vorteilsabschöpfung bei Gebühren und Beiträgen
324
bb) Vorteilsabschöpfung im Versteigerungsverfahren
325
(1) Frequenznutzungsrechte als materieller Vorteil
325
(2) Zulässigkeit der Vorteilsabschöpfung
328
(3) Der Versteigerungserlös als Ressourcennutzungsentgelt
329
3. Ergebnis
332
Π. Verfassungsmäßigkeit des Versteigerungsentgelts im Hinblick auf die Freiheitsrechte 332 1. Die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG
332
a) Das Versteigerungsentgelt als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit
332
b) Rechtfertigung des Versteigerungsentgelts
335
aa) Geeignetheit und Erforderlichkeit
335
bb) Zumutbarkeit
337
(1) Höhe der Vorteilsabschöpfung
337
(2) Art und Weise der Vorteilsabschöpfung
338
2. Die Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG
340
3. Ergebnis
341
ΙΠ. Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz
341
IV. Exkurs: Beteiligungsansprüche der Länder an den Versteigerungserlösen
344
1. Ertragshoheit für die Versteigerungseriöse
345
a) Grundsatz: Ertragszuständigkeit des Bundes
345
b) Geteilte Ertragszuständigkeit für Bund und Länder nach Korioth
347
c) Stellungnahme
347
2. Finanzausgleichsrechtliche Folgeansprüche der Länder a) Umsatzsteuerneuverteilung nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG
349 349
aa) Bezugsobjekt: Die Steuereinnahmen der Länder
351
bb) Bezugsobjekt: Der Versteigerungserlös
352
b) Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG
354
3. Keine analoge Anwendung des Art. 104 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG und Ergebnis .. 357 2*
Inhaltsverzeichnis
20
5. Kapitel Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit europäischem Gemeinschaftsrecht A. Primärrechtliche Vorgaben I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV 1. Eröffnung des Anwendungsbereichs
358 359 359 359
a) Begriff der Dienstleistung
359
b) Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit
361
2. Diskriminierung
362
3. Beschränkung
364
a) Reichweite
364
b) Ansatzpunkte für eine Beschränkung
365
aa) Die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens als Versteigerungsverfahren
365
bb) Das Versteigerungsentgelt
365
cc) Die Ermöglichung wettbewerbswidrigen Bietverhaltens nationaler Unternehmen 366 dd) Kein EG-einheitliches Vergabeverfahren 4. Rechtfertigung
368 369
a) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses
369
b) Verhältnismäßigkeit
370
II. Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV
371
1. Eröffnung des Anwendungsbereichs
371
2. Diskriminierung / Beschränkung
372
3. Rechtfertigung
373
B. Sekundärrechtliche Vorgaben
373
I. Die Vereinbarkeit des § 61 Abs. 5 TKG mit den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie 374 1. Objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Auswahlkriterien, Art. 7 Abs. 3 S. 1 Genehmigungsrichtlinie
374
2. Die ausreichende Berücksichtigung der Regulierungsziele, Art. 7 Abs. 3 S. 2 Genehmigungsrichtlinie 375
Inhaltsverzeichnis II. Die Vereinbarkeit des Versteigerungsentgelts mit den Vorgaben des Art. 13 Genehmigungsrichtlinie 377 1. Versteigerungsentgelte zur Sicherstellung der optimalen Ressourcennutzung . 378 2. Objektive Rechtfertigung, Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und Angemessenheit der Versteigerungsentgelte 380 3. Versteigerungsentgelte zur Wettbewerbsförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie 380 C. Ergebnis
381
3. T e i l Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
1. Kapitel Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel A. Übertragbarkeit von Frequenzen nach dem TKG-alt I. Übergang der Lizenz II. Übergang der Frequenzen B. Übertragbarkeit von Frequenzen und Frequenzhandel nach dem TKG I. Die Übertragbarkeit von Frequenzen, § 55 Abs. 7 TKG Π. Der Frequenzhandel, § 62 TKG
382 383 383 384 386 386 387
1. Anwendungsbereich
388
2. Arten des Frequenzhandels
390
a) „Eigentumswechsel" des Frequenznutzungsrechtsinhabers
390
b) Frequenzleasing
390
c) Typisierung von Frequenzhandelsarten
392
3. Voraussetzung des Frequenzhandels: Interesse a) Implikationen des Erstverteilungsverfahrens auf den Frequenzhandel aa) Prioritätsprinzip
393 393 394
22
Inhaltsverzeichnis bb) Ausschreibungsverfahren
396
cc) Losverfahren
396
dd) Versteigerungsverfahren
397
b) Erfordernis der Zugänglichkeit von Informationen 4. Rahmenbedingungen und Verfahren des Frequenzhandels a) Effizienzsteigerung oder -Währung, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG aa) Ökonomische Effizienzanalyse
397 398 399 399
(1) Grundmodell des Frequenzhandels
399
(2) Frequenzhandel bei versunkenen Kosten
401
bb) Ergebnis der ökonomischen Analyse und normative Bewertung
402
b) Nichtentgegenstehen des ursprünglichen Frequenzvergabeverfahrens, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG
403
c) Keine Wettbewerbsverzerrung, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG
404
aa) Konzentrationsrisiken
404
bb) Horten von Frequenzen
405
(1) Strategische Motive
405
(2) Windfall profits
406
d) Die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG 407 e) Sicherstellung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 TKG
408
5. Verbleibender Gestaltungsspielraum der RegTP
408
6. Verwendung der Erlöse aus dem Frequenzhandel
409
C. Ergebnis
409
2. Kapitel Vereinbarkeit des Frequenzhandels mit den Vorgaben des Verfassungsrechts A. Verstoß gegen den im Erstverteilungsverfahren geltenden Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) I. Die Rechtsprechung zum Handel mit kontingentierten Taxi- und Güterverkehrsgenehmigungen
410
410
411
Π. Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf den Frequenzhandel nach § 62 TKG ... 412
Inhaltsverzeichnis Β. Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG C. Ergebnis
414 416
Zusammenfassung A. Ausgangspunkt der Untersuchung
418
B. Grundannahmen und Rahmenbedingungen
418
C. Das Frequenzversteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG als hoheitliches Erstverteilungsverfahren 420 I. Frequenzzuteilung nach dem TKG
420
II. Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren und normative Bewertung . 421 ΠΙ. Das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren
422
IV. Vereinbarkeit des Frequenzversteigerungsverfahrens mit dem Verfassungsrecht .. 426 1. Die Verteilungswirkung des Versteigerungsverfahrens
426
2. Die Abschöpfungswirkung des Versteigerungsverfahrens
427
3. Beteiligungsansprüche der Länder an den Versteigerungseriösen
428
V. Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit dem Gemeinschaftsrecht
429
D. Der Frequenzhandel
429
Literaturverzeichnis
431
Sachwortverzeichnis
468
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung A. Versteigerungsverfahren - Anwendungsbereich, Entwicklung und historischer Überblick Mit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes (TKG) am 1. August 1996, das die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Liberalisierung im deutschen Telekommunikationsmarkt geschaffen hat, wurde erstmals im Wirtschaftsverwaltungsrecht ein Versteigerungsverfahren 1 zur Lösung einer staatlichen Verteilungsaufgabe vorgesehen (§11 Abs. 4 TKG-alt). Seit der Neufassung des TKG 2 2004 ist das Auktionsverfahren in § 61 Abs. 5 TKG geregelt. Ziel eines solchen Versteigerungsverfahrens ist die effiziente Allokation knapper Güter. Die Idee, sich eines solchen Marktmechanismus zu bedienen, ist freilich keine Innovation der Neuzeit. So findet sich der erste dokumentierte Hinweis auf Auktionen bereits im Jahre 500 v. Chr. bei Herodot; dieser berichtet von einer Veranstaltung in Babylon, bei der Frauen zur Eheschließung versteigert wurden - bezeichnenderweise teils auch zu negativen Preisen.3 Eine weitere bemerkenswerte Auktion fand im Jahr 193 n. Chr. statt. Nachdem sie den Kaiser ermordet hatte, versteigerte die römische Palastwache das römische Reich höchstbietend. Zum Entsetzen der Römer kam so Didius Julianus zum höchsten Staatsamt. Dessen Glück weilte freilich nur kurz, wurde er doch bereits nach zwei Monaten von Soldaten ermordet und durch Septimius Severus ersetzt.4 Wirtschaftsnäher - wenngleich weniger spektakulär - war hingegen die im alten Rom praktizierte Methode, Sklaven sowie diverse Gegenstände aus den Beutezügen der Armee zu versteigern. 5 In China schließlich fanden schon im 7. Jahrhundert Auktionen für den persönlichen Nachlass verstorbener Mönche statt.6 1 Die Begriffe „Auktion" und „Versteigerung" werden im Folgenden synonym verwendet. Seinen Ursprung hat das Wort „Auktion" im lateinischen Verb „augere", das mit „erhöhen" bzw. „steigern" zu übersetzen ist, vgl. Langenscheidt Wörterbuch Lateinisch. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22. Juni 2004, BGBl., 1190. Die Neufassung ist am 26. Juni 2004 in Kraft getreten. 3 R. Cassady, Auctions and auctioneering, S. 26, bei dem auch ein historischer Überblick über Auktionen zu finden ist (S. 26 ff.). 4 R. Cassady, Auctions and auctioneering, S. 29; E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (140). 5 R. Cassady ; Auctions and auctioneering, S. 29. 6 R. Cassady, Auctions and auctioneering, S. 29.
26
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
Heute finden Auktionen in verschiedensten Marktsegmenten statt. Hervorzuheben sind insbesondere Kunstgegenstände und andere Seltenheitsgüter7 wie ζ. B. Antiquitäten, Briefmarken, Münzen, Schmuck. Aber auch bei einer Reihe leicht verderblicher Waren wie ζ. B. frischem Obst oder Blumen sind Auktionen ein durchaus gängiger Vergabemodus. Darüber hinaus werden Auktionsveranstaltungen etwa für landwirtschaftliche Güter, Fundsachen, Hausrat, Nachlässe, Pfandgut, Wein, Holz, Reitpferde, Immobilien, Gebrauchtwagen oder das Inventar insolventer Unternehmen durchgeführt. 8 A l l diesen Versteigerungen ist gemeinsam, dass sie zwischen Privaten stattfinden und der Staat unbeteiligt bzw. höchstens als Auktionator, ohne Verkäufer oder Käufer zu sein, auftritt. Auf dem Feld der Telekommunikation sind Auktionen zur Verteilung von Frequenzen erstmals im Jahre 1990 in Neuseeland durchgeführt worden. Es folgten Frequenzversteigerungen in den USA, Indien, Kolumbien, Australien, dem Vereinigten Königreich, Ungarn und Argentinien. 9 Große Aufmerksamkeit und ein breites öffentliches Interesse insbesondere aufgrund der hohen Komplexität des Verfahrens und den außerordentlichen Einnahmen, die die Regulierungsbehörde letztendlich erzielte, erlangten die PCS-Auktionen in den Vereinigten Staaten.10 Seit 1995 wird dieser Vergabemechanismus dort aufgrund der negativen Erfahrungen mit Lotterien und sich über lange Zeit hinziehenden Hearingprozessen bei anderweitigen Vergaben von Frequenzen regelmäßig angewendet. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Implementation effizienzorientierter Maßstäbe und Verfahren in das öffentliche Recht über lange Zeit als Fremdkörper empfunden. Dies gründete auf der Annahme, dass das Ziel ökonomischer Effizienz mit Gemeinwohlzielen, an denen sich die staatliche Verteilungsordnung ausschließlich zu orientieren hat, unvereinbar sei. Nach der Auflösung der staatlichen Monopolwirtschaft im Telekommunikationssektor erfolgte die Vergabe knapper Frequenzen daher zunächst durch eine administrative Kriterienbewertung in Ausschreibungsverfahren (so genante „beauty contests"). Das nunmehr eingeführte Auktionsverfahren (§61 Abs. 5 TKG) verfolgt hingegen ein grundsätzlich anderes Konzept. Sowohl das Auswahlkriterium - die Effizienz der Nutzung - als auch das Verfahren folgen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Die Nutzbarmachung des Versteigerungsverfahrens für die Frequenzvergabe führt insofern zu einem signifikan7 Siehe M. Beckmann/M. Krakel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (45). « Vgl. R. R McAfee/ J. McMillan, Journal of Economic Literatur 25 (1987), 699 (701); Y.-K Che/I. Gale, Review of Economic Studies 65 (1998), 1 (1 ff.). 9 J. McMillan, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 ff.
10 Siehe dazu D. Tewes, WIK Newsletter Nr. 18, 1995, S. 20 ff.; ders., WIK Newsletter Nr. 19, 1995, S. 21 ff.; ders., WIK Newsletter Nr. 23, 1996, S. 24 ff.; ders., WIK Newsletter Nr. 29, 1997, S. 17 ff.; W. Kummel, 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (538 ff.); T. W. Hazlett, 41. J. L. & Econ. (1998), 529 (536 f.); ders., 51. Fed. Comm. L.J. (1999), 639 ff.; R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Perspectives 10 (1996), No. 1, 159 ff.; P. Hess, Das Versteigerungsverfahren nach dem Telekommunikationsgesetz, S. 21 ff.
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
ten Systemwechsel auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Durch die Aufnahme dieses Vergabemechanismus in das TKG wurde ein Anwendungsbeispiel des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung geschaffen, das auf innovative Weise moderne Formen der staatlichen Verantwortung und des staatlichen Handelns aufgreift. Das novellierte TKG hat die Orientierung der Frequenznutzung am Effizienzziel und damit die Ökonomisierung des Verwaltungsrechts mit der Einführung des Frequenzhandels nach § 62 TKG auch auf die Sekundärverteilung ausgeweitet. Als ökonomisches Instrument ist sein Ziel ebenso die effiziente Frequenznutzung. Auch die Sekundärverteilung ist aus der hoheitlichen Verantwortung herausgelöst und in das private Marktgeschehen überführt. Der Staat reguliert nur noch die Rahmenbedingungen. Die Vorreiterrolle hierfür nahmen wiederum die USA ein, die den Frequenzhandel schon seit einiger Zeit praktizieren. Der Bereich der Frequenznutzung ist nun insgesamt dem Ziel der effizienten Frequenznutzung unterworfen.
B. Bisher durchgeführte Frequenzversteigerungen Während die Möglichkeit des Frequenzhandels bisher theoretisch blieb, ist das in § 61 Abs. 5 TKG (§ 11 Abs. 4 TKG-alt) geregelte Versteigerungsverfahren bisher dreimal zur Anwendung gekommen.
I. ERMES-Auktion Erstmals wurden im September 1996 vier bundesweite Lizenzen und zehn zusätzliche regionale Frequenzen für das Betreiben von Übertragungswegen für ein Funkrufnetz nach dem digitalen ERMES-Standard 11 in einem Versteigerungsverfahren 12 vergeben. 11
Bei ERMES (European Radion MEssaging System) handelt es sich um einen in den 1980er Jahren entwickelten europäischen Funkrufstandard. In der Bundesrepublik Deutschland standen für Anwendungen des ERMES-Standards im Frequenzband 169,4 MHz bis 169,8 MHz bei Einhaltung von Schutzabständen 15 Funkkanäle mit einer Breite von 25 MHz zur Verfügung. Vgl. zu den technischen Eigenschaften und der Anwendung des Standards A. Keuter/L. Nett, Telecommunications Policy 21 (1997), 297 ff. 12 Bereits im Frühjahr 1996 entschied sich das Bundesministerium für Post und Telekommunikation (im Folgenden: BMPT) auf der Basis des seinerseits erst kurz vor der Verabschiedung stehenden Entwurfs des TKG für eine Vergabe im Versteigerungsverfahren, vgl. Vfg. 82/1996, ABl. BMPT 1996,630. Das BMPT entschied die Wahl für das Versteigerungsverfahren (§ 61 Abs. 2 TKG), da der ERMES-Dienst neben den technisch veralteten POCSAG-Dienst treten würde, es sich also um sachlich andere Märkte handele. Die Abgrenzungsfrage zwischen Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren stellte sich vorliegend, da Lizenzen nach dem POCSAG-Standard
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
28
Lediglich drei Unternehmen - die DeTeMobil GmbH, die M I N I R U F G m b H und die Mobile InfoDienste G m b H - , die alle bereits auf dem Paging-Markt auf der Basis des POSAG-Standards m i t den Diensten Scali, Quix und Telmi tätig waren, nahmen am Versteigerungsverfahren teil. Obwohl die Anzahl an Nachfragern nach den ERMES-Lizenzen m i t drei geringer war als die angebotenen vier Lizenzen, also der erforderliche Nachfrageüberhang nicht bestand, 13 hielt das B M P T an deren Vergabe i m Versteigerungsverfahren fest mit der Begründung, dass teilweise identische Präferenzen der Antragsteller hinsichtlich der Lizenzen bestünden. 14 Basis dieser Entscheidung könnte allerdings vielmehr gewesen sein, dass das B M P T seine bereits vorgenommen Anstrengungen, Vorbereitungsmaßnahmen und Mittelausgaben für das Auktionsverfahren in die Praxis umgesetzt sehen wollte. 1 5 Die Verfahrensregeln wurden ausgehend von einem wissenschaftlichen Gutacht e n 1 6 entwickelt. 1 7 Sie sahen ein zweistufiges 1 8 simultanes Bietverfahren i n der Englischen Auktionsmethode v o r . 1 9 1995 im Ausschreibungsverfahren vergeben worden waren. Mit der Entscheidung der Trennung der Märkte war es sowohl den bisherigen Lizenznehmern nach dem POCSAG-Standard als auch neuen Antragstellern möglich, die Zulassung zur ERMES-Versteigerung der Lizenzen und Frequenzen des ERMES-Standards anzustrengen, vgl. Ziff. I Nr. 1 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948. Diese Entscheidung stieß auf Kritik. Allein aus der Eröffnung neuer technischer Möglichkeiten könne nicht zwingend gefolgert werden, dass es sich um einen anderen sachlich relevanten Markt handele; vielmehr sei der neue ERMESStandard als Substitutionstechnik zum technisch überholten PROSAG-Standard auf dem selben sachlich relevanten Markt anzusehen, vgl. dazu Ε.Ό. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (176); M. Geppert, in: Beck'scher TKG Kommentar, § 11 Rn. 7. Siehe dazu unten 1. Teil, 1. Kapitel, C. Es begehrten mindestens zwei Interessenten die Lizenz, mit der eine bundesweite Versorgung sichergestellt werden konnte. Vgl. BMPT (Hrsg.), Unterlagen zur Vergabe von vier Funkruflizenzen auf der Basis des europäischen ERMES-Standards in der Bundesrepublik Deutschland (ERMES-Lizenzen), Bonn, 08. 05. 1996. 15 So£.-0. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998,175 (178). 14
16 A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Regeln für das Verfahren zur Versteigerung von ERMESLizenzen/Frequenzen sowie regionaler ERMES-Frequenzen, Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste, Diskussionsbeitrag Nr. 165, Bad Honnef, September 1996. 17 Die Verfahrensregeln wurden im Amtsblatt des BMPT vom 17. 07. 1996 veröffentlicht: BMPT (Hrsg.), Regeln für ein Auktionsverfahren zur Versteigerung von ERMES-Lizenzen/ Frequenzen sowie regionaler ERMES-Frequenzen, Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948 ff. 18 Vorgesehen war im ersten Auktionsabschnitt als Grundausstattung drei dieser Lizenzen mit einer bundesweit nutzbaren Frequenz, die vierte Lizenz in Verbindung mit zwei regionalen Frequenzen, die eine bundesweite Frequenzabdeckung ergeben, zu vergeben, vgl. Ziff. I Nr. 1 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948. Diese Aufteilung ergibt sich daraus, dass es sich nur bei drei Funkkanälen um bundesweit nutzbare Frequenzen handelte, während die restlichen zwölf durch jeweils unterschiedliche Sendeeinschränkungen in den Grenzregionen aufgrund von Koordinierungsvereinbarungen mit Nachbarstaaten (,»regionale Frequenzen") gekennzeichnet waren. Nur die im ersten Versteigerungsabschnitt erfolgreichen Bieter durften dann noch für die verbleibenden, nur eingeschränkt nutzbaren zehn regionalen Frequenzen im zweiten Auk-
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung Die ERMES-Auktion dauerte insgesamt nur ca. zwei Stunden 2 0 und brachte einen Erlös in Höhe von D M 3,86 M i o . 2 1 Der verhältnismäßig niedrige Erlös, der i m ersten Auktionsabschnitt nur knapp D M 3.000 über dem erwartbaren M i n i m u m lag, ist mangels Knappheitssituation aufgrund des Angebotsüberhangs kaum überraschend, 22 das Versteigerungsverfahren als Allokationsmechanismus war aus ökonomischer Perspektive wenig sinnvoll.
Π. GSM-Auktion Das zweite M a l kam das Versteigerungsverfahren i m Oktober 1999 bei der Vergabe zusätzlicher Frequenzen i m Bereich 1800 M H z für Mobilfunkanwendungen nach dem G S M 1800-Standard (GSM = „Global System for Mobile Communication") zur Anwendung. 2 3 tionsabschnitt steigern, vgl. Ziff. I Nr. 1 und Ziff. IV Nr. 1 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948,950. 19 Vgl. Ziff. m Nr. 1, Ziff. IV Nr. 2 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949, 950. Mit der Zweistufigkeit sollte die Verfahrenstransparenz erhöht und gleichzeitig die Komplexität reduziert werden, vgl. dazu L Nett, WIK Newsletter Nr. 24,1996, 3 (4). Vgl. zu den weiteren Verfahrensregeln in der ERMES-, GSM- und UMTS-Auktion die jeweiligen Angaben in den Fußnoten 2. Teil, 2. Kapitel. 20 Die Versteigerung im ersten Abschnitt dauerte lediglich drei Runden an und war bereits nach ca. einer halben Stunde beendet. Dieses schnelle Ergebnis kam dadurch zustande, dass Mobile InfoDienste und DeTeMobil in der ersten Runde auf dieselbe Lizenz (Nummer 1) geboten hatten. In der zweiten Runde wechselte DeTeMobil auf eine andere Lizenz (Nummer 3). Die dritte Runde diente dann nur noch der Bestätigung der abgegebenen Gebote. Alle drei Teilnehmer ersteigerten also eine Lizenz zu nahezu demselben Preis. Der zweite Versteigerungsabschnitt dauerte immerhin neun Runden. Trotz der einheitlichen Mindestgebote kam es zu zum Teil erheblich differierenden Vergabepreisen. Siehe zu Verlauf und Ergebnis der Versteigerung A. Keuter/L Nett, Telecommunications Policy 21 (1997), 297 (304 ff.). 21 Zu den genauen Ergebnissen des ersten und zweiten Versteigerungsabschnitts siehe L Nett, WIK Newsletter Nr. 25, 1996, 22 f. 22 Von der Vergabebehörde wurde die Versteigerung im Allgemeinen positiv bewertet, vgl. dazu L. Nett, WIK Newsletter Nr. 25, 1996, 22 (23); A. Keuter/L. Nett, Telecommunications Policy 21 (1997), 297 (306). 23
Im Bereich von 1800 MHz waren in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 2 χ 55 MHz für Mobilfunkanwendungen nach dem GSM-1800-Standard vorgesehen, von denen bereits 2 χ 45 (jeweils 2 χ 22,5 MHz) an die beiden E-Netzbetreiber E l und E2 vergeben worden waren. Damit verblieben zur Vergabe im Versteigerungs verfahren noch 2 χ 10 MHz, die nach Einschätzung der RegTP für eine fünfte Mobilfunklizenz nicht ausreichend waren, so dass die RegTP die Frequenzen als Komplementärfrequenzen einstufte. Damit begründete die RegTP auch die Vergabe im Versteigerungsverfahren. Dieses sei nicht im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 2 TKG-alt im Hinblick darauf, dass die vier Netzbetreiber (Dl, D2, E l [die E2-Lizenz wurde aufgrund mangelnder Nachfrage ohne Ausschreibungsverfahren vergeben]) die Lizenzen im Ausschreibungsverfahren erhalten hatten (siehe unten im 2. Teil, 1. Kapitel, A) ungeeignet. Das Regelbeispiel sah sie „als nicht einschlägig, jedenfalls aber als widerlegt" an. Zweck des Regelbeispiels sei die Schaffung gleicher Marktzutrittsbedingungen für neu in den Markt eintretende Unternehmen. Da sich die Vergabe der GSM-
30
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
Teilnahmeberechtigt am Vergabeverfahren waren nur die bereits lizenzierten Betreiber bundesweiter Mobilfunknetze nach dem GSM-Standard, also die Unternehmen DeTeMobil ( D l ) , Mannesmann Mobilfunk (D2), E-Plus ( E l ) und Viag Interkom ( E 2 ) . 2 4 Gerechtfertigt wurde diese Beschränkung damit, dass das noch verbliebene G S M 1800 MHz-Frequenzspektrum zum Aufbau eines eigenständigen Mobilfunknetzes nach dem GSM-Standard nicht ausreichend sei. 2 5 Die Auktion fand wiederum nach der Englischen Auktionsmethode i n simultaner Form statt. 2 6 Die GSM-Auktion brachte einen Versteigerungserlös in Höhe von D M 416,04 Mio., wovon Mannesmann Mobilfunk D M 216 M i o . und DeTeMobil D M 200,040 M i o . zu entrichten hatten. 2 7 Die Ε-Netze stiegen aus der Versteigerung aus, weil sie vermutlich nicht über ausreichende Kapazitätsreserven verfügten.
ffl. UMTS-Auktion Beträchtliches Aufsehen in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit erregte die Versteigerung der UMTS-Lizenzen /Frequenzen, die am 31. Juli 2000 startete und am 19. August mit der „spektakulären" Erlöshöhe von D M 99,36 Mrd. endete. U M T S (Universal Mobile Telecommunications System) bezeichnet den europäischen Mobilfunkstandard der dritten Generation, 2 8 wobei es sich nicht um einen Komplementärfrequenzen nur an bereits lizenzierte Netzbetreiber richte, stelle sich die Frage der chancengleichen Marktzutrittsbedingungen bei dieser Vergabeentscheidung nicht, vgl. Vfg. 45/1999, ABl. RegTP 1999,1251,1254. 24 Im Vorfeld wurde die Frage, wer zur Versteigerung zugelassen werden sollte, problematisiert. Die D-Netzbetreiber waren der Ansicht, dass nur sie unter Frequenzknappheit leiden würden, während die E-Netzbetreiber der Ansicht waren, dass aufgrund der immer noch beherrschenden Marktstellung der D-Netze auf dem Mobilfunkmarkt Wettbewerbsaspekte zu einer Vergabe an sie zwingen würden, siehe dazu J. Kruse, Frequenzvergabe, S. 47 ff.; F. Schuster/U. Müller, MMR 2000, 26 (27); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (149). 25 Eckpunkt 2 der Vfg. 150/1998, ABl. RegTP 1998, 3135, 3136; siehe auch Eckpunkt 3 der Vfg. 45/1999, ABL RegTP 1999, 1251,1251,1252 ff. 26 So Ziff. 2.4. der Vfg. 93 /1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2379, 2382 f. 27 L. Nett, WIK Newsletter Nr. 37, 1999, 18 f. 28 Nach Art. 2 der UMTS-Entscheidung (Entscheidung Nr. 128/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 1998 über die koordinierte Einführung eines Drahtlos- und Mobilkommunikationssystems (UMTS) der dritten Generation in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 17 vom 22. 01. 1999, S. 1 ff.) ist UMTS „ein Mobilkommunikationssystem der dritten Generation, über das neuartige drahtlose multimediale Dienste bereitgestellt werden können, die die Möglichkeiten von Systemen der zweiten Generation wie GSM übersteigen, und das sich sowohl auf Elemente des terrestrischen als auch auf solche der Satellitenübertragung stützt". In Anhang I der UMTS-Entscheidung sind u. a. folgende Merkmale aufgeführt: 1. Multimediafähigkeit, d. h. es werden Anwendungen mit uneingeschränkter und eingeschränkter Mobilität in unterschiedlichen geographischen Umgebungen
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung weltweit einheitlichen Standard handelt, sondern um ein europäisches ( T e i l s y s tem innerhalb der IMT-2000 Funkübertragungstechnologien. 29 A n der Versteigerung nahmen schließlich sieben Unternehmen t e i l . 3 0 Dabei handelte es sich zunächst um drei der vier bereits für den GSM-Mobilfunkmarkt lizenzierten Netzbetreiber DeTeMobil ( D l ) , Mannesmann Mobilfunk ( D 2 ) 3 1 und Viag Intercom (E2). Weitere Wettbewerber waren das internationale Konsortium Group 3 G , 3 2 die M o b i l C o m Multimedia G m b H (im Folgenden M o b i l C o m ) , 3 3 die debitel Multimedia GmbH ( i m Folgenden debitel) und Auditorium Investments Germany S.A.R.L.34 Die Versteigerung erfolgte wie die ERMES- und GSM-Auktion nach der Englischen Auktionsmethode i n simultaner F o r m 3 5 in zwei Auktionsabschnitten. Als Besonderheit, auf die i m Rahmen dieser Arbeit zurückzukommen sein w i r d , 3 6 sahen die Versteigerungsregeln vor, dass es den Bietern i m ersten Auktionsabschnitt erlaubt war, Gebote für mindestens zwei und maximal drei Frequenzblöcke abzugeben, so dass Lizenzen mit einer Frequenzausstattung von mindestens 2 χ 10 M H z (gepaart) („kleine L i z e n z " ) 3 7 und höchstens 2 χ 15 M H z (gepaart) möglich, die die Fähigkeit der Systeme der zweiten Generation wie GSM übersteigen, 2. die Möglichkeit eines effizienten Zugangs zum Internet sowie zu Intranets und anderen Diensten, die sich auf das Internet-Protokoll (IP) stützen, sowie 3. die Möglichkeit der Sprachübertragung mit einer vergleichbar hohen Qualität wie in Festnetzen; Möglichkeit der Diensteportabilität unabhängig vom jeweiligen UMTS-Umfeld. Vereinfacht ausgedrückt könnte man UMTS als eine Konvergenz von Mobilfunk und Internet oder von Festnetz und Mobilfunk beschreiben. Vgl. zu Technik, Anwendungen und Einführung von UMTS auch H. W. Kreutzer, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 34 f f ; J. A. Heilbock, MMR 1999, 23 ff.; Κ.Ή. Ladeur, RTkom 1999, 68 (70 ff.). 29 Siehe dazu J. A. Heilbock, MMR 1999, 23 (23). 30 Ursprünglich waren es zwölf Bewerber. Die Nets AG wurde zur Versteigerung nicht zugelassen. E-Plus, TALKLINE Management und Finance Holding GmbH, VIVENDITELECOM INTERNATIONAL und WorldCom Wireless Deutschland GmbH zogen ihre Anträge zurück, vgl. die aktualisierte Fassung der Pressemitteilung der RegTP vom 31. 05. 2000, abrufbar unter: http: / / www.regtp.de / . 31 32
Als Konsortium mit Hutchison Whampoa. Ein Zusammenschluss aus Sonera (Finnland) und Telefònica (Spanien).
33 Ein Konsortium aus Mobilcom, France Telekom (Frankreich) sowie die Swisscom (Schweiz) über ihre deutsche Tochter debitel. 34 Vgl. Pressemitteilung der RegTP vom 02. 05. 2000, abrufbar unter: http://www. regtp.de/. 3 5 Vfg. Ziff. 2.4 der Vfg. 93 /1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2379. 3 6 Siehe dazu 2. Teil, 2. Kapitel, C.m.3. 37
Fraglich war, ob eine „kleine Lizenz" ausreichend sein würde, ein qualitativ gutes und flächendeckendes Angebot bereitstellen zu können. Wegen ihrer geringeren Bandbreite erfordern „kleine Lizenzen" höhere Infrastrukturinvestitionen in den Netzaufbau und stehen in Qualität und Service besonders in der Aufbauphase hinter „großen Lizenzen". Von einem wettbewerbsentscheidenden Nachteil wurde allerdings nicht ausgegangen, vgl. G. Warlimont, S. 4.
32
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
(„große Lizenz") erworben werden konnten. Damit stand die Zahl der insgesamt zu vergebenen Lizenzen a priori nicht fest. Abhängig von der Nachfrage nach Frequenzen und dem tatsächlichen Bieterverhalten war damit eine Anzahl zwischen vier und sechs Lizenzerteilungen theoretisch denkbar. Der zentrale erste Versteigerungsabschnitt fand zwischen dem 31.07. und dem 17. 08. 2000 an 14 Versteigerungstagen in insgesamt 173 Runden statt und brachte einen Erlös in Höhe von ca. DM 98,8 Mrd. 3 8 Den ersten nennenswerten Einschnitt brachte am neunten Versteigerungstag (Gebotssumme ca. D M 47 Mrd.) die Bekanntgabe von debitel, nur noch für zwei Frequenzblöcke zu bieten. Bereits am nächsten Auktionstag (Gebotssumme ca. DM 63 Mrd.) stellte debitel seine Gebotsabgabe vollständig ein und schied aus der Auktion aus. Im weiteren Verlauf reduzierten die anderen Auktionsteilnehmer nach und nach ihre Bietrechte von ursprünglich drei auf zwei Frequenzblöcke. Ab dem zwölften Tag boten nur noch DeTeMobil und Mannesmann Mobilfunk für eine „große Lizenz". Am 14. Versteigerungstag endete die Auktion, als sich DeTeMobil und Mannesmann Mobilfunk wohl angesichts des gestiegenen Preisniveaus ebenfalls auf eine „kleine Lizenz" beschränkten. Die verbliebenen sechs Auktionsteilnehmer erhielten je eine „kleine Lizenz" zu Preisen um D M 16,5 Mrd.
C. Problemstellung und Gang der Untersuchung Während den Versteigerungen der ERMES-Lizenzen/Frequenzen (1996) und der GSM-1800-Frequenzen (1999) weder in der Öffentlichkeit noch in der rechtswissenschaftlichen Literatur besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde, 39 erregte die Versteigerung der UMTS-Lizenzen /Frequenzen im Sommer 2000 erhebliches Aufsehen - insbesondere aufgrund der außerordentlichen Höhe der Erlöse. In Folge dieser Auktion mehrten sich auch juristische Veröffentlichungen, die Frequenzversteigerungen im Allgemeinen wie auch speziell die UMTS-Versteigerung kritisierten und für unzulässig erklärten. 40 Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vereinbar38 Der am 18. 08. 2000 durchgeführte zweite Versteigerungsabschnitt wurde innerhalb eines halben Tages nach neun Versteigerungsrunden mit einem Erlös in Höhe von ca. DM 561 Mio. abgeschlossen. Außer Viag Intercom teilten die aus dem ersten Auktionsabschnitt verbliebenen Teilnehmer die Frequenzen gleichmäßig untereinander auf. Die Preise für die einzelnen Frequenzen schwankten zwischen D M 73,6 Mio. und DM 122,7 Mio. Siehe zum Ergebnis die Pressemitteilungen der RegTP vom 17.08. und 18. 08. 2000, abrufbar unter: http://www.regtp.de/. Zum Auktionsverlauf siehe L Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (453 ff.). 39 Gegen die ERMES-Versteigerung wurde insbesondere der mangelnde Nachfrageüberhang nach Frequenzen geltend gemacht, vgl. E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175
(180).
Bei der GSM-Versteigerung bestanden Auseinandersetzungen darüber, wer zur Versteigerung zuzulassen sei, vgl. D. Beese/D. Neumann, MMR 2000, 145 (149).
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
keit der UMTS-Versteigerung mit den europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben fast durchgehend bezweifelt. 41 Ursächlich für diese ablehnende Haltung war sicherlich, dass ein Großteil der Beiträge anlässlich der Versuche der MobilCom 42 wie auch der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen43 entstanden ist, gerichtlich gegen die Versteigerung vorzugehen, 44 um zumindest einen Teil der Erlöse (zurück) zu erhalten. MobilCom erhob im September 2000 Klage vor dem Verwaltungsgericht. Zu einer gerichtlichen Überprüfung ist es dann freilich nicht mehr gekommen: Die Klage gegen die Zuschlags- und Zahlungsbescheide nahm MobilCom im Januar 2001 wegen der „wirtschaftliche(n) Gefahr" eines drohenden Lizenzentzugs zurück. 45 Im Verfahren vor dem BVerfG, in dem die Länder eine Erlösbeteiligung vom Bund forderten, unterlagen die Länder. Die insbesondere nach der UMTS-Versteigerung laut werdende Kritik am Versteigerungsverfahren bezog sich hauptsächlich auf die Einnahmenerzielung. Nach zu dieser Zeit nahezu einhelliger Meinung in der juristischen Literatur war ein Versteigerungsverfahren unter mehreren Gesichtspunkten unzulässig.46 Hoheitsrechte würden verkauft, die Verwaltung kommerzialisiert werden. Ein Versteigerungsverfahren verstieße gegen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, da die Chancengleichheit der Antragsteller nicht gewahrt bliebe und das Auswahlkriterium der Zahlungsbereitschaft nicht sachgerecht sei. Darüber hinaus stellten Teile der juristischer Fachliteratur gleich das gesamte Konzept der Versteigerung in Frage, indem dem Verfahren schon grundsätzlich die Eignung abgesprochen wurde, den effizienten Nutzer festzustellen; diese Auffassung steht freilich im eklatanten Gegensatz zu zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen zum Versteigerungsmechanismus und zeugt nicht zuletzt von einem bemerkenswert sicheren Auftreten mancher rechtswissenschaftlicher Autoren auf interdisziplinärem Terrain. 40 Dazu B. Varadinek, CR 2001, 17 ff.; H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 ff.; C. Degenhard, K&R 2001, 32 ff.; ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 259 ff.; C. Koenig, K&R 2001, 41 (47 ff.); O. Klöck, RTkom 2000, 280 f f ; C. Koenig /A. Neumann, ZRP 2001, 252 (254 ff.); D. Besse/D. Naumann, MMR 2000, 145 (146 ff.); S. Storr, K&R 2002, 67 ff.; M. Kötter, DVB1. 2001, 1556 ff. Allgemein zur Zulässigkeit von Lizenz- und Frequenzversteigerungsverfahren statt vieler K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen. 41 Durchgehend ablehnend die Beiträge in H.-J. Piepenbrock/F. Schuster (Hrsg.), UMTSLizenzvergabe, und die Beiträge in der K&R 2001, differenzierend B. Varadinek, CR 2001, 17 (22 ff.). Keine europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken äußert S. Korioth, UMTS-Gutachten. 42 Bei den Beiträgen in der K&R 2001 sowie in H.-J. Piepenbrock/F. Schuster, UMTSLizenzvergabe, handelt es sich um im Auftrag der MobilCom erstellte Gutachten. 43 Vgl. das Gutachten von S. Korioth, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozessuale Aspekte einer Beteiligung der Länder an den Erlösen aus der Versteigerung der UMTS/IMT2000-Lizenzen, 2001. 44
Siehe dazu unten 2. Teil, 4. Kapitel, B.IV. Siehe H.-J. Piepenbrock/F. Schuster (Hrsg.), Vorwort der Herausgeber, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 5. Vgl. auch J. Scherer, NJW 2003,1004 (1005). 46 Die Aspekte werden in den einzelnen Kapiteln des 2. Teils aufgegriffen, vgl. dort die Verweise auf die entsprechende Literatur. 45
3 Bumke
34
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
Unvereinbar sei ein Versteigerungsverfahren darüber hinaus mit den Vorgaben der Finanzverfassung; Einnahmen in dieser Höhe kämen einer Steuer gleich und seien vor der Finanzverfassung nicht zu rechtfertigen. Mindestens seien aber die Länder an den Erlösen zu beteiligen. Letztgenannter Einwand hat dazu geführt, dass die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen vor das BVerfG zogen, um ihren Teil des Erlöses einzuklagen. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht, das für den Sachbereich der Telekommunikation zunächst mit der Lizenzierungsrichtlinie und nun mit dem neuen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste47 zahlreiche Vorgaben bereitstellt, ließe ein solches Verfahren zur Frequenzvergabe nicht zu. Unvereinbar sei es schon mit den Vorgaben des europäischen Primärrechts in Form der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit. Die Lizenzierungsrichtlinie ließe ebenfalls keine Einnahmen in dieser Höhe zu. Das Versteigerungsverfahren wurde also insgesamt unter allen denkbaren Gesichtspunkten angegriffen. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem Versteigerungsverfahren und dem Frequenzhandel sowohl aus wirtschafts- als auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive. Zunächst sollen im ersten Teil die notwendigen Begriffsklärungen vorgenommen werden. Das Frequenzspektrum ist in die ökonomischen Begriffe der knappen Güter bzw. knappen Ressourcen einzuordnen und die These der Frequenzknappheit zu hinterfragen. Darüber hinaus erscheint es erforderlich, das System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung zu beleuchten, um die Frequenzzuteilung zuzuordnen. Im zweiten Teil der Arbeit, der den Schwerpunkt der Ausführungen bildet, folgen dann die Untersuchungen zum Versteigerungsverfahren. Er wird im ersten Kapitel eingeleitet mit einer Darstellung der einfachgesetzlichen Regelungen zur Frequenzzuteilung. 47 Richtlinie 2002/21 /EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. EG Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 33 ff.; Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), ABl. EG Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 7 ff.; Richtlinie 20/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsdienste und -netze (Genehmigungsrichtlinie), ABl. EG Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 21 ff.; Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. EG Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 51 ff. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Rahmenrichtlinie und Art. 18 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie waren die diesbezüglichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis zum 24. Juli 2003 umzusetzen. Die Bestimmungen waren ab dem 25. Juli 2003 anzuwenden.
Einführung - Gegenstand und Gang der Untersuchung
35
Zum Verständnis des Versteigerungsmechanismus mit dem Ziel der effizienten Frequenznutzung ist es unumgänglich, die ökonomischen Grundlagen der Auktionstheorie zu verstehen und diese rechtlich anzubinden; dies soll im zweiten Kapitel erfolgen. Als Anwendungsbeispiel des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung wird das Versteigerungsverfahren im dritten Kapitel in das System des Verwaltungsrechts bzw. der staatlichen Verteilungsverfahren eingeordnet. Hierbei ist insbesondere relevant, dass das Auktionsverfahren die Auswahl der Frequenznutzer anhand eines marktförmigen Maßstabs - der Effizienz - in einem marktförmigen Verfahren - der Auktion - trifft. Das vierte Kapitel widmet sich der Vereinbarkeit eines Frequenzversteigerungsverfahrens mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die verfassungsrechtliche Problematik stellt sich dabei sowohl im Hinblick auf die Verteilungs- als auch die Erlöswirkung von Auktionen. Während sich für den ersten Bereich insbesondere die Frage nach der Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit den Freiheitsrechten der betroffenen Unternehmen stellt, spielen für die Erlöswirkung einer Frequenzauktion zusätzlich die Anforderungen der Finanzverfassung eine bedeutende Rolle. Den Abschluss des zweiten Teils bilden dann die Ausführungen zur Vereinbarkeit eines Versteigerungsverfahrens mit den Vorgaben des europäischen Primärund Sekundärrechts (fünftes Kapitel). Der dritte und letzte Teil der Untersuchung beschäftigt sich schließlich mit dem durch die Novellierung des TKG eingeführten Frequenzhandel. Der in § 62 TKG geregelte Frequenzhandel als ökonomisches Instrument der effizienten Ressourcenallokation steht aufgrund der Zielkonformität in engem Zusammenhang mit dem ebenfalls der ökonomischen Effizienz dienenden Versteigerungsverfahren. In ihrer Kombination führen das Auktionsverfahren als Erstverteilungsverfahren und der Frequenzhandel als Instrument der Sekundärverteilung zu einer effizienten Ressourcenallokation. Neben der Vereinbarkeit des Frequenzhandels mit dem Verfassungsrecht, die im zweiten Kapitel überprüft wird, stellt sich die Frage nach Inhalt und Zweck der gesetzlichen Regelung, die im ersten Kapitel behandelt wird.
3*
1. T e i l
Grundannahmen und Rahmenbedingungen 1. Kapitel
Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter Zur Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes und Bestimmung des ökonomischen Ausgangspunktes erscheint es sinnvoll, zunächst die für die weiteren Ausführungen wesentlichen Begrifflichkeiten zu klären. Nach einer kurzen Darstellung der technischen Eigenschaften von Frequenzen, ihren Anwendungsmöglichkeiten und Vorteilen gegenüber leitergebundenen Übertragungssystemen (dazu unter A) werden die Frequenzen in die ökonomischen Kategorien der natürlichen Ressourcen (dazu unter B) und der knappen Güter eingeordnet (dazu unter C).
A. Frequenzen I. Begriff und Eigenschaften Das Frequenzspektrum ist eine Ansammlung elektrischer und magnetischer Schwingungen, die sich zwischen einem Sender und einem Empfänger ohne künstliche Leiter ausbreiten und entsprechend ihrer in Wellenlänge gemessenen Frequenz angeordnet sind.1 Frequenzen sind also physikalische Merkmale von elektromagnetischen Schwingungen einer bestimmten Wellenlänge, wobei die Frequenz die Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit angibt.2 Wellenlänge definiert 1 Vgl. auch Art. 2 Frequenzentscheidung (Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung), ABl. EG Nr. L 108 vom 24. 04. 2002, S. 1 ff), wonach der Ausdruck „Frequenzspektrum" Funkwellen mit Frequenzen zwischen 9 kHz und 3000 GHz bezeichnet, sowie § 3 Nr. 9 S. 1 TKG, wonach „Frequenznutzung" jede gewollte Aussendung oder Ausstrahlung elektromagnetischer Wellen zwischen 9 kHz und 3000 GHz zur Nutzung durch Funkdienste und andere Anwendungen elektromagnetischer Wellen ist. Ebenso ist nach § 3 Nr. 9 S. 2 TKG auch die Führung elektromagnetischer Wellen in und längs von Leitern, für die keine Freizügigkeit nach § 53 Abs. 2 S. 3 TKG gegeben ist, „Frequenznutzung". 2
V. Nowosadko, Frequenzplanungsrecht, S. 23; 7. Kruse, Frequenzvergabe, S. 40; B. Holznagel in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (769); S. Korehnke/G.-H. Groteliischen, in:
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
37
dabei den Abstand zwischen zwei Schwingungen.3 In der Regel wird diese von einem bestimmten Sender abgestrahlt, breitet sich im Raum aus und wird dann von einem oder mehreren Empfängern aufgenommen 4 Die Nutzung des Frequenzspektrums erlaubt alle Arten kabelloser Kommunikation.5 Will man elektromagnetische Wellen nutzen, indem man ihnen Informationen einprägt (so genannte Modulation),6 benötigt man einen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der elektromagnetischen Wellen. Dieser als Kanal bezeichnete Ausschnitt muss in seiner Größe an die Anzahl der zu übertragenen Informationen angepasst bzw. in die gewünschte Schwingung versetzt werden.7 Als Bezeichnung des Kanals dient die Mitte des Kanals - die so genannte Trägerfrequenz - , die in Hertz gemessen wird. 8 Zur Identifizierung werden einzelne Bereiche des Frequenzspektrums, die ähnliche Informationen übertragen können, in Frequenzbänder oder -blocke zusammengefasst. 9 Trotz optimaler technischer Bedingungen ist die zu übertragende Menge an Informationen in einem bestimmten Frequenzband bzw. -block objektiv begrenzt (Shannon-Theorem).10 Mittels der Frequenzen ist eine Separierung der einzelnen Funkanwendungen voneinander möglich. Die Anzahl der Anwendungen am selben Ort ist abhängig vom Grad der Separierung. 11
I I . Gründe für die Frequenznutzung
Zu einer enormen Ausweitung der Anwendung der drahtlosen Infrastruktur hat, nachdem der Zugang zum Frequenzspektrum zunächst fast ausschließlich hoheitliBeck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 13; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9. 3 M. C. Glass/D. M. Rhodes , 44 McGill L. J. (1999), 141 (148). 4 M. C. Glass/D. M. Rhodes , 44 McGill L. J. (1999), 141 (148). 5 Vgl. N. W. Allard, 18 Seton Hall Leg. J. (1993), 13 (20). * S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 12; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9; H. Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 17; G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 161 f. 7 H. Rindfleisch, Technik im Rundfunk, S. 17; G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 159; J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 445 (452); W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9. 8 J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 445 (452); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 159, 162; S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 13; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, 2001, Vor § 44 Rn. 8, 9. 9 M. C. Glass/D. M. Rhodes, 44 McGill L. J. (1999), 141 (149). 10 Vgl. S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 13. 11 Siehe ausführlich J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 159 f f ; V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 23 ff.; B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (769); S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 13.
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
38
chen Nutzern vorbehalten war, die Zulassung privaten Rundfunks Mitte der achtziger Jahre und die Privatisierung der Telekommunikation Mitte der neunziger Jahre geführt. 12 Die Funktechnik bietet gegenüber drahtgebundenen Nachrichtenverbindungen zahlreiche Vorteile, auf die der technisch hoch entwickelte Telekommunikationssektor nicht (mehr) verzichten kann. Die Nutzung von Funktechnik erlangt insbesondere durch den schnellen und im Vergleich zum Festnetz kostengünstigen Auf- und Ausbau der Kommunikationswege13 und durch die Mobilität der Anwendungsmöglichkeiten erhebliche Bedeutung.14 Die Funktechnik erlaubt die Erreichbarkeit beliebig vieler Nachrichtenempfänger von einer zentralen Sendestelle.15 Darüber hinaus zeichnet sich die Funktechnik gegenüber der Festnetztechnik durch ihre Zuverlässigkeit in der Erreichbarkeit aus. 16 Zudem gibt es für einige Funkanwendungen (ζ. B. Mobilfunk, Funkortung, Windprofilbestimmung) keine Alternativtechnologien, so dass deren Ausbreitung und Nutzung von der Reservierung von Frequenzspektrum abhängig ist. 17
B. Frequenzen als natürliche Ressourcen Da das aus elektromagnetischer Energie bestehende Funkfrequenzspektrum naturgegeben vorhanden ist, ist es eine Ressource.18 Beschäftigt sich die wirtschaftswissenschaftliche Literatur mit der Allokation von Ressourcen, so steht am Anfang ihrer Betrachtungen grundsätzlich die Frage nach deren Erschöpfbarkeit. Die im Zuge dieser Frage vorgenommene Differenzierung zwischen erneuerbaren 19 und nicht-erneuerbaren 20 natürlichen Ressourcen passt auf das Frequenzspektrum zwar 12
Siehe auch unten 1. Teil, 2. Kapitel, D.III. 13 B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (769 f.); S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 3; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9. 14 S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 4; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9. 15 Typische Anwendungsbeispiele sind der Hör- und Fernsehrundfunk, vgl. S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 6. 16 S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 9. 17 s. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 9. is N. W. Allard, 18 Seton Hall Leg. J. (1993), 13 (20); W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, Vor § 44 Rn. 8, 9. 19 Z.B. Fischbestände oder Wälder, die natürlichen Wachstumsprozessen unterliegen und deswegen grundsätzlich regenerationsfähig sind. Anders als bei nicht-erneuerbaren Ressourcen ist eine dauerhafte Nutzung der regenerierbaren Ressourcen möglich und zwar dann, wenn die Ausbeutungsrate der natürlichen Ressourcen der Zuwachsrate des Ressourcenbestandes entspricht. Das ökonomische Charakteristikum natürlicher Ressourcen liegt also darin, dass die Nutzung eines Rohstoffes heute dessen Verwendungsmöglichkeiten in der Zukunft beeinträchtigt oder dessen Verwendung sogar ausschließt, vgl. dazu J. Siebke, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 63 (113); C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (441).
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
39
insoweit, als es sich aufgrund seiner mangelnden Regenerationsfähigkeit um eine nicht-erneuerbare Ressource handelt. Aber der Ausgangspunkt ist bei Frequenzen ein anderer. Während die wirtschaftswissenschaftliche Literatur auf die Verringerung des Bestandes der Ressource durch seine Nutzung abstellt, werden Frequenzen nicht „verbraucht bzw. aufgebraucht"; sie werden lediglich „gebraucht", ohne dass Art und Umfang der gegenwärtigen Nutzung die zukünftige Nutzbarkeit tangiert. Frequenzen sind mithin nicht erschöpfbar, sie stehen ihren Anwendungsmöglichkeiten dauerhaft zur Verfügung. 21 Betriebswirtschaftlich ausgedrückt bedeutet dies, dass ihre Bereitstellung keinerlei „Produktionskosten im engeren Sinne", also keinen realen Ressourcenverzehr, erfordert. Aus der Erkenntnis des mangelnden Ressourcenverzehrs bei Frequenzen folgt nun, dass die im Rahmen der volkswirtschaftlichen Preistheorie entwickelten Gesetzmäßigkeiten zu Ressourcenmärkten 22 für Frequenzen keine Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Allokation bieten.
C. Frequenzen als knappe Güter Unter dem ökonomischen Oberbegriff „Güter" werden alle Mittel zusammengefasst, die der Bedürfnisbefriedigung dienen können.23 Deren Potential, Personen Nutzen zu stiften, begründet den Wert des jeweiligen Gutes als Ausdruck seiner Wichtigkeit. 24 Dass es sich bei Frequenzen um Güter handelt, kann nicht zweifelhaft sein; sie stiften denen Nutzen, die die kabellose Nachrichtenübertragung anwenden. Zur weiteren Kategorisierung wird bei Gütern unter anderem zwischen wirtschaftlichen und freien Güter differenziert 25. Im Gegensatz zu freien Gütern, die nicht Gegenstand ökonomischer Entscheidung sind, weil sie in hinreichendem Umfang zur Bedürfnisbefriedigung aller Individuen unmittelbar zur Verfügung ste20 Ζ. B. Mineralien, Metalle oder alle fossilen Brennstoffe. Sie sind aufgrund der Endlichkeit ihrer Bestände erschöpfbar. 21 Vgl. G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 159; J. Kruse, Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (451). 22 Siehe als Einführung J. Siebke, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 63 (113 ff.). Die Theorie der Ressourcenmärkte scheidet noch aus einem weiteren Grund zur Lösung des Allokationsproblems aus: Frequenzen sind absolut knapp, dazu ausführlich sogleich. Die relative Knappheit ist aber konstitutive Annahme der Theorie der Ressourcenmärkte. 23 So Gabler Wirtschafts-Lexikon unter dem Begriff „Gut"; C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (431); C. Heinze, Autonome und heteronome Verteilung, S. 15; D. Briimmerhoff, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, S. 2; R. Fischbach/K. Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 12. 24 So Gabler Wirtschafts-Lexikon unter dem Begriff „Wert". 25 So Gabler Wirtschafts-Lexikon unter dem Begriff „Gut". Siehe zu weiteren Kategorisierungen R. Fischbach/ Κ Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 12 ff. Zu Kategorisierungen von Gemeinschaftsgütern siehe C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (429 ff.).
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
40
hen, 26 werden unter wirtschaftlichen Gütern solche verstanden, die nur begrenzt zur Verfügung stehen.27 Die Differenzierung zwischen wirtschaftlichen und freien Gütern leitet zu dem Problemkomplex der Knappheit von Gütern über, womit man sich am „Dreh- und Angelpunkt" der Wirtschaftswissenschaften befindet; 28 denn Knappheit im Sinne einer relativen - aber auch absoluten - Güterknappheit ist Grundvoraussetzung jeder Wirtschaft. 29 Erst aus der Knappheit eines Gutes bzw. konkret aus der Knappheit von Frequenzen als Ausgangspunkt und Grundvoraussetzung resultiert das Verteilungsproblem, also die Frage, wer welche Bedürfnisse mit welchen Mittel befriedigen kann bzw. wer welche Ressource auf welche Weise und in welchem Ausmaß nutzen kann. 30 Damit wird auch die Verbindung zwischen Knappheit und der telekommunikationsrechtlichen Frequenzvergabe deutlich: Ohne Knappheit entbehrt die Durchführung des Versteigerungsverfahrens und des Frequenzhandels ihre faktische Rechtfertigung. Der These der Knappheit ist der nächste Abschnitt gewidmet. Nach einer Begriffsklärung ist zu klären, ob die Knappheit sowohl Frequenzen als auch deren Nutzungsrechte betrifft. Im Zuge dessen wird es darum gehen, ob die im Zusammenhang mit Frequenzversteigerungen kaum hinterfragte These der Knappheit31 bei Ausdifferenzierung der Betrachtungsobjekte (Frequenzen oder Frequenznutzungsrechte) verschiedene Ursachen hat, um dann eventuelle Folgen und Auswirkungen für das Versteigerungsverfahren und des Frequenzhandels zu klären.
26
So Gabler Wirtschafts-Lexikon unter den Begriffen „freie Güter" und „Gut"; M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (31). R. Fischbach/K. Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 14 verlangen zur Einordnung als freie Güter des Weiteren, dass zur Bedürfniserfüllung kein Aufwand von Müheverwaltung erforderlich wird. Dieses zusätzliche Erfordernis wirft allerdings keine Probleme auf, denn Frequenzen - im Gegensatz ζ. B. zur Luft, bei der dies allerdings auch schon bezweifelt wird, wenn man die Frage nach „sauberer Luft" stellt, - dienen nur unter Arbeitseinsatz der Bedürfnisbefriedigung. Endprodukt des Arbeitseinsatzes ist die Nutzung von Kommunikationsdiensten, wozu neben der Ausnutzung des Frequenzspektrums zur Übertragung von Informationen durch Schaffung von Netzen weitere wirtschaftliche Güter wie ζ. B. technische Geräte benötigt werden. 27 Vgl. c. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (431); R. Fischbach/K. Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 14. 28 Siehe /?. Fischbach/K. Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 14. 29 Siehe den theoriegeschichtlichen Überblick bei E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, S. 9 (9 ff.). 30 Vgl. C. Heinze, Autonome und heteronome Verteilung, S. 15; M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (25). 31 Von der Feststellung der Knappheit von Frequenzen gehen ohne Problematisierung grundsätzlich alle Beiträge zum telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahren aus, vgl. nur R Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (888); F. Schuster/U. Müller, MMR 2000, 26 (26); W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307); M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (253). Anders nur K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 33 ff.
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
41
I. Natürliche Knappheit von Frequenzen Knappheit einer Ressource bedeutet zunächst einmal grundsätzlich, dass die nachgefragten Nutzungen bei einem Preis von Null durch die vorhandene Menge und Qualität eines Gutes nicht hinreichend befriedigt werden können, also insofern Verwendungskonkurrenzen auftreten. 32 Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur 33 differenziert bis zu zwölf verschiedene Arten von Knappheit. Auf die Differenzierungen und verschiedenen Ausprägungen soll nachfolgend allerdings nur insoweit eingegangen werden, als sie für die Betrachtungen im Zusammenhang mit der Knappheit von Frequenzen bzw. Frequenznutzungsrechten relevant werden. 1. Relative Betrachtung In der ökonomischen Preistheorie, die die Preisbildung auf Märkten zu erklären versucht, 34 ist Güterknappheit die Diskrepanz zwischen Angebot und (angebotsüberschreitender) Nachfrage. 35 Bei einer Güterverteilung über den Markt vollzieht sich der Marktmechanismus bis zum Erreichen des Marktgleichgewichts, indem Angebot und Nachfrage zu einem bestimmten Preis übereinstimmen. Preise sind damit Ausdruck der Knappheits-Relation. Der Preis und damit im Ergebnis auch der Grad der Knappheit, der so zum wertbildenden Faktor wird, 36 ist einerseits von der Qualität und Quantität des Angebots und andererseits von den Präferenzen der Nachfrager abhängig.37 Da die Ausweitung des Angebots im Produktionsprozess grundsätzlich möglich ist, handelt es sich folglich nur um eine relative Knappheit. 38 2. Absolute Betrachtung Von den relativen Güterknappheiten werden die absoluten Knappheiten unterschieden, deren Charakteristikum die Unsubstituierbarkeit 39 der Ressource ist. 32
So Gabler Wirtschafts-Lexikon unter dem Begriff „Knappheit"; M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (25); A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (23). 33
Siehe dazu E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, S. 9 (17 ff.). Siehe dazu Gabler Wirtschafts-Lexikon unter dem Begriff,»Preistheorie". 35 H. Siebert, Ökonomische Theorie der Umwelt, S. 142. Siehe dazu auch E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, S. 9 (18 f.). 36 Vgl. E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, S. 9 (17 ff.). 37 Siehe dazu C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (434 f.); M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (25). 38 Vgl. R. Fischbach/K. Wollenberg, Volkswirtschaftslehre I, S. 15. 39 Zu substituieren wäre im vorliegenden Zusammenhang die kabellose Informationsübertragung! 34
42
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Konsequenz der Unsubstituierbarkeit ist, dass die Knappheit letztlich nicht überwunden werden kann. 40 Dies sind Güter, die naturgegeben lediglich begrenzt vorhanden sind im Gegensatz zu relativ knappen Gütern, bei denen die Knappheit hauptsächlich durch menschliche Entscheidungen herbeigeführt wird. 41 Frequenzen sind absolut knapp. 42 Das Frequenzspektrum ist weder nach oben noch nach unten technisch unbegrenzt nutzbar. Auf den einzelnen Frequenzen kann zudem nur eine begrenzte Anzahl Bedarfsträger gleichzeitig störungsfrei 43 senden.44 Der Grad der Knappheit ist zwar auch abhängig von den Präferenzen der Nachfrager, aber begrenzt durch die absolute Menge der vorhandenen Ressourcen.45 Es ist nicht möglich, die Begrenztheit des Frequenzspektrums insoweit zu substituieren oder aufzuheben, dass eine uneingeschränkt quantitative und qualitative Befriedigung der Nachfrager möglich wird. Insofern sind auch Frequenzen Objekte konkurrierender Verwendungen.
3. Aufhebung der natürlichen Knappheit durch technologischen Fortschritt An der natürlichen Begrenztheit des Frequenzspektrums ändert auch der bereichsspezifische technologische Fortschritt im Ergebnis nichts. Zwar hat dieser im Laufe der Zeit zu einer sowohl extensiveren als auch intensiveren Nutzung des Frequenzspektrums geführt, indem die Grenzen des nutzbaren Spektrums beständig nach außen erweitert und die zur Übertragung von Daten benötigten Bandbreiten stetig verringert werden konnten. 46 Diese bessere Ausnutzung kann jedoch nicht über die mangelnde Substituierbarkeit hinwegtäuschen, die unabhängig davon (weiter) besteht. 40
Vgl. M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (25). 1 Siehe E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, 1980, S. 9 (17). 42 Speziell zu Frequenzen A. De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1504); J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (11); H. Leo/M. Schellenberg, ZUM 1997,188 (191). 43 Zum Interferenzproblem siehe unten 2. Kapitel, A.II. 44 Siehe z. B. J. Scherer, Frequenzverwaltung, S. 10; ders., K&R 1999, Beilage 2, 1 (2). 4 5 Vgl. M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 23 (26). 46 Vgl. dazu A. Freytag/B. Jäger, ORDO 47 (1996), 215 (221); K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 37 f.; H. Levin, 11 J. L. & Econ. (1968), 433 (440 ff.); B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (769 f.). Hinsichtlich zuletzt Genanntem ist insbesondere auf den Übergang von der analogen zur digitalen Fernsehübertragung zu verweisen, die eine Komprimierung der zu übertragenden Informationen erlaubt, siehe dazu Β. E. Vierhaus, Fernsehübertragung; C. Hiltl/K. Großmann, BB 1996,169 (170). Im Weiteren ist an die „Partagierung" (Mehrfachnutzung derselben Frequenz) zu denken, Beispiel hierfür ist das im Mobilfunk entwickelte Zellularprinzip, siehe dazu im Einzelnen J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (12 ff.); ders., Frequenz vergäbe, S. 9 ff.; S. Korehnke/ G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 20 ff. 4
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
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II. Künstliche Knappheit von Frequenznutzungsrechten Als erstes Ergebnis ist herausgearbeitet worden, dass das Frequenzspektrum naturgegeben, also absolut knapp ist. Problematisch ist allerdings, ob diese absolute Knappheit nicht nur als technischer, naturgegebener Zustand zu beschreiben ist, sondern sie sich auch in dieser Weise auswirkt; denn die Feststellung, dass das Frequenzspektrum absolut knapp ist, sagt noch nichts darüber aus, ob das naturgegeben vorhandene Spektrum auch tatsächlich unzureichend ist, um die zumindest derzeitigen und absehbaren Nachfragebedürfnisse zu befriedigen. Zum Tragen käme die absolute Frequenzknappheit dann, wenn die Nachfrage selbst bei Zugrundelegung eines Preises von Null das Angebot übersteigt. 47 Konkret geht es bei der Problematisierung der Auswirkungen der Knappheit um die Frage, ob eine das Angebot überschreitende Nachfrage ihren oder einen faktischen spürbaren Ursprung in der Knappheit der staatlich definierten Frequenznutzungsrechte hat. Denn das eigentlich relevante ökonomische Gut ist das Recht, auf einer bestimmten Frequenz (Kanal) senden zu dürfen. 48 Eine uneingeschränkte quantitative und qualitative Befriedigung der Nachfrage mit Frequenzen in den kommerziell attraktiven Frequenzbändern, die vorliegend betrachtet werden, ist nicht möglich. Die Annahme, dass neben den Frequenzen auch die Nutzungsrechte knapp sind, ist eindeutig. Problematisch ist aber das Verhältnis der beiden Knappheiten. Denkbar sind drei Konstellationen: In Betracht kommt zunächst, dass der Nachfrageüberhang nach Frequenzen seine Ursache in der naturgegebenen absoluten Knappheit hat, die ihre Entsprechung in der Knappheit der Nutzungsrechte findet. Im Weiteren könnten sowohl die naturgegebene Knappheit als auch die Knappheit der Nutzungsrechte für den Nachfrageüberhang verantwortlich sein, ohne sich zu entsprechen. Theoretisch wäre allerdings auch möglich, dass nur die Knappheit der Nutzungsrechte zur mangelnden Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager führt. Um eine Einordnung der Knappheit in eine der genannten Kategorien vornehmen zu können - also das Verhältnis zwischen knappen Frequenzen und knappen Nutzungsrechten zu bestimmen - , ist nach den Ursachen und Gründen für diese Knappheit zu fragen.
7. Ursachen und Gründe Die Ursachen eines Ausschlusses einzelner Nutzer vom Zugriff auf das begehrte Gut können unterschiedlicher Natur sein. Die künstliche Verknappung kann auf faktisch-technischen, wirtschaftlichen oder politisch-rechtlichen Gründen beruhen.
47
Siehe E. Streissler, in: Erschöpfbare Ressourcen, S. 9 (10); J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (11 Fn. 11). 4 » Vgl. J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (10).
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1. Teil: Gmndannahmen und Rahmenbedingungen
a) Knappheit aufgrund staatlicher Nutzung Teilweise ursächlich für eine künstliche Verknappung von Frequenznutzungsrechten ist, dass sich der Staat Handlungsspielräume für die Befriedigung künftiger und/oder vorrangiger Bedürfnisse belässt. Bestimmte Frequenzbereiche benötigt und nutzt der Staat selbst für eine Vielzahl von Aufgaben im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Die Frequenzen weist sich der Staat im Vorwege zu, er beansprucht ein „Erstzugriffsrecht" mit der Folge, dass für diese Bereiche erst gar kein Konkurrenzverhältnis mit potenziellen privaten Nutzern entsteht. Eine Verteilungslösung im Sinne einer Konkurrenzauflösung steht nicht an, da diese Frequenzen der kommerziellen Nutzung von vornherein entzogen werden. Zusätzlich zu der aktuellen staatlichen Frequenznutzung wird befürchtet, dass sich der Staat für die zukünftige Aufgabenerfüllung einen Teil des Spektrums reserviert hat, ohne es gegenwärtig zu nutzen.49 Ein solches Brachliegen verschwendet Frequenzen, da für ihr Schonen mangels Erschöpfbarkeit kein Anlass besteht.50 Eignen sich staatlich genutzte bzw. reservierte Frequenzbereiche aufgrund ihrer technischen Eigenschaften theoretisch für kommerzielle Anwendungen, übersteigt die Knappheit an Nutzungsrechten die natürliche Begrenztheit von Frequenzen im betrachteten Bereich. Das Knappheitsproblem wird aber lediglich verschärft, ohne maßgeblich das aus der natürlichen Begrenztheit resultierende Knappheitsproblem zu verändern. 51
b) Knappheit als Folge einer ineffizienten Frequenzverwaltung In Erwägung zu ziehen ist des Weiteren, ob die künstliche Knappheit von Frequenznutzungsrechten ihren Ursprung in einem ineffizienten Frequenzverwaltungssystem52 hat. Der Staat nähme dann - gewollt oder ungewollt - begrenzenden Einfluss auf die Bereitstellung von Frequenznutzungsrechten. aa) Ineffiziente
Frequenzverwaltung
Das staatliche Frequenzverwaltungssystem 53 wird in der Literatur teilweise stark kritisiert. Insbesondere die Tatsache, dass sowohl bei der Zuweisung 54 als auch bei 49 Vgl. M. Bullingen HdbStR VI, § 142 Rn. 122. 50
J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (451). Vgl. G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 223. 52 Frequenzeffizienz stellt das rein technische Verhältnis zwischen einem gegebenen Frequenzband und der damit erzielbaren Kapazität dar. Wird dieses Verhältnis verbessert, wird auch eine Verbesserung der Frequenzeffizienz erzielt. Es werden lediglich In- und Outputs in Relation zueinander betrachtet, ohne dass eine ökonomische Bewertung der Faktoren stattfindet. Siehe auch unten 2. Teil, 2. Kapitel, A. 53 Dazu sogleich unter D. 51
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
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der Zuteilung von Frequenzen der Frequenzwert, der abhängig von ihren Verwendungsmöglichkeiten stark differieren kann, 55 nicht bzw. nur eingeschränkt berücksichtigt wird, begründe die Annahme eines (ökonomisch) ineffizienten Frequenzallokationssystems.56 Fehlallokationen ergäben sich daraus, dass zwischen der Nutzung von Frequenzen auf der einen Seite und sonstigen Inputfaktoren der Kommunikationssysteme (ζ. B. Sende- und Empfangseinrichtungen) auf der anderen Seite Tradeoffs bestünden, deren Optima abhängig von den jeweils relativen Preisen seien. Werde für die Nutzung der Frequenzen nicht deren Wert veranschlagt, hätten die Akteure weder Informationen noch Anreize, 57 die optimalen Inputkombinationen zu realisieren. Ebenso verhielte es sich grundsätzlich auch in Bezug auf Richtung und Intensität des technischen Fortschritts (Produkt- und Prozessinnovationen). Die Nutzer hätten keinen Anreiz, neue Technologien zum sparsamen Umgang mit der knappen Ressource zu entwickeln und einzusetzen.58 Im Gegensatz dazu werde bei Abgabe der Frequenzen entsprechend ihrem wirtschaftlichen Wert ein solcher Anreiz geschaffen: Durch den Einsatz „frequenzschonender" Techniken sei es möglich, einen Teil der Kosten einzusparen.59 Ineffiziente Allokationen können in gewissem Maße auch die Knappheit von Nutzungsrechten bedingen, weil diejenigen Interessenten, für welche die Frequenzen einen hohen Wert haben, leer ausgehen bzw. sich beschränken müssen gegenüber denen, für die das Nutzungsrecht einen geringen bzw. keinen Wert hat. Kritisch beurteilt wird in diesem Zusammenhang auch die staatliche Frequenznutzung. Die unentgeltliche Zuteilung vergrößere das Risiko, dass die Frequenzbestände des Staates zu großzügig bemessen würden. 60 Ginge man davon aus, dass 54
Die Zuweisung einzelner Frequenzblöcke auf verschiedene Nutzungsarten wird als so genannte intermodale Frequenzallokation bezeichnet im Gegensatz zur intramodalen Frequenzallokation, mit der die Vergabe an einzelne Nutzer gemeint ist (Zuteilung), vgl. R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (235); J. Kruse, Frequenzvergabe, S. 41. 55 Vgl. J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 178; ders., in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (11); ders., in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 449 (456, 463); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 158; D. Witt, in: Offene Rundfùnkordnung, S. 411 (429). 56 J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (463), hebt hervor, dass der Rundfunk gemessen an Zahlungsbereitschaft der Rundfunkveranstalter unnötig viel Spektrum bekommt im Gegensatz zum Mobilfunk, der unter Frequenzknappheit leidet. 57 Siehe dazu auch K.-H. Ladern CR 2002, 181 (184). 58 Vgl. J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 449 (451); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 158. 59 Siehe allgemein H. Levin, 11 J. L. & Econ. (1968), 433 (445). Als Beispiel kann hier das für sinnvoll gehaltene Umsteigen des Rundfunks von Funkdiensten auf Breitbandkabel (sog. Negroponte Switch) bzw. auf Satellitenübertragung angeführt werden, vgl. S. Forge, Telecommunications Policy 20 (1996), 53 (71). Für einen Wechsel besteht aber dann kein Anreiz, wenn die Übertragung über Funk kostengünstiger ist, weil Frequenzen unentgeltlich zugeteilt werden bzw. unverkäuflich sind, vgl. G. O. Robinson, 41 J. L. & Econ. (1998), 609 (623). 60
So G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 158, 223.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
der Staat auf einen Teil ohne Einbußen bei der Aufgabenwahrnehmung verzichten könne, würde die nicht rationalisierte Frequenznutzung bzw. ein Brachliegen von Frequenzen ökonomisch betrachtet eine Verschwendung bedeuten.61 Ineffizient seien ferner Zuweisungen der ITU an Verwendungen und Regionen, wenn die Frequenzen dort ungenutzt blieben. 62 bb) Rechtliche Bindungen und Gemeinwohlerwägungen Unberücksichtigt lassen diese Kritikpunkte, die als Ausgangspunkt für ihre Beurteilung den ökonomischen Effizienzmaßstab zugrunde legen, aber die Gründe, warum die Zuweisung und Zuteilung zumindest teilweise in dieser ökonomisch ineffizienten Form erfolgen. Die Frequenzvergabe ist rechtlichen Bindungen und Gemeinwohlerwägungen unterworfen. Zu denken ist etwa daran, dass die beschriebene „ineffiziente Zuweisung" auf internationaler Ebene aus Gerechtigkeitserwägungen gegenüber Entwicklungsländern erfolgt. Auf nationaler Ebene z. B. steht der Zuteilung, deren Entscheidungskriterium ausschließlich der Wert der Frequenz ist, die Gewährleistung der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Rundfunkfreiheit entgegen.63 Die Rundfunkfreiheit fordert eine positive (staatliche) Ordnung und enthält eine staatliche Gewährleistungspflicht der Rundfunkversorgung, die auch die Bereitstellung geeigneter Übertragungswege beinhaltet.64 Aus dieser Präferenzposition des Rundfunks folgt für die Zuteilung knapper Übertragungswege, dass sie nicht dem „freien Spiel der Kräfte anheimgegeben" werden darf. 65 Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit bildet für die Regelungsaufgabe der rundfunkrechtlichen Frequenzverteilung einen speziellen Maßstab.66 Eine Frequenzvergabe, deren einziges Kriterium der Wert der jeweiligen Frequenz ist, kann der Rundfunkgewährleistungspflicht nicht genügen. Ebenso ist öffentlichen Interessen insbesondere im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - wie z. B. der störungsfreie Betrieb sicherheitsrelevanter Anwendungen zum Schutz des menschlichen Lebens (Sicherheitsfunkdienste) - ein Vorrang vor kommerziellen Belangen einzuräumen. Berücksichtigt und akzeptiert man solche Gesichtspunkte, scheidet eine Optimierung der Frequenzverwaltung in Form einer sich ausschließlich am Wert der Frequenzen orientierenden Verteilung in diesen Bereichen aus. Da der Bedarf an C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (475); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 158. 62 Z. B. nehmen Entwicklungsländer, die den Einsatz von Verteilungsplänen fordern, Frequenzbereiche in Anspruch, die sie nicht nutzen (können). 63 Siehe dazu ausführlich V Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, insb. S. 68 ff.; W. Hoffmann-Riem, Regulierung der dualen Rundfunkordnung. Deswegen findet das Versteigerungsverfahren gemäß § 61 Abs. 2 S. 3 TKG für Frequenzen, die für Rundfunkdienste vorgesehen sind, auch keine Anwendung. 64 Vgl. BVerfGE 12, 205,230, 249 f. 65 BVerfGE 57,295, 327. 66 Λ. Hesse, Rundfunkrecht, S. 257 ff.
1. Kap.: Frequenzen als natürliche Ressource und knappe Güter
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Frequenzen in diesen Bereichen unbestritten sein dürfte, handelt es sich um mit kommerziellen Anwendungen konkurrierende Verwendungen. Das Konkurrenzverhältnis und damit die Knappheit kann nur nicht über den Frequenzwert aufgelöst werden. Für die Knappheit von Frequenznutzungsrechten bedeutet dies, dass sie nicht der naturgegebenen Knappheit der Frequenzen entspricht, sondern diese verschärft.
2. Schlussfolgerungen Die genannten Gründe für Zuteilungen, die nicht dem ökonomischen Effizienzprinzip folgen, führen in ihrer Konsequenz dazu, dass die Zahl der Nutzungsrechte kleiner ist als Frequenzen vorhanden wären. Die Knappheit der Frequenzen entspricht mithin nicht der Knappheit der Nutzungsrechte. Andererseits kann aber auch festgestellt werden, dass diese (künstliche) Verknappung von Frequenznutzungsrechten die natürliche Knappheit lediglich verschärft, ohne dabei der maßgebliche Einflussfaktor zu sein. Die natürliche Frequenzknappheit ist nicht nur ein Zustand, sondern wirkt sich auch aus. Denn die steigende Nachfrage nach Kommunikationsdienstleistungen und das Entstehen immer neuer Dienste in Form häufig breitbandiger und damit frequenzintensiver 67 Anwendungen ist nicht (nur) abhängig von den knapperen Nutzungsrechten. Es wird sogar befürchtet, dass sich das Knappheitsproblem in den wirtschaftlich attraktiven Bereichen 68 eher verschärfen als vermindern oder gar auflösen wird. 69 Eine Kompensation der steigenden Nachfrage nach Frequenzen durch neue Technologien, die zusätzliche Frequenzen verfügbar machen, wird nicht erwartet. 70 Dies stützt die Annahme, dass selbst bei ökonomischer Optimierung der Frequenzverwaltung die Knappheitssituation nicht beseitigt werden kann.
67 Vgl. dazu G. L. Rosston/ J. S. Steinberg, 50 Fed. Comm. L.J. (1997), 87 (88 ff.). 68 M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (253); H. Leo/M. Schellenberg, ZUM 1997, 188 (191). Zuzugeben ist zwar, dass das Ausmaß der Knappheit auch abhängig von der unterschiedlichen Nutzbarkeit der verschiedenen Frequenzbänder und dem Ort der Nutzung ist. So tritt das Knappheitsproblem verschärft in Ballungszentren von Industrienationen auf, vgl. ERC, ERC Report 76, S. 2, 6; A. De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1504). Das Ausmaß variiert aber, das heißt es gibt sogar Frequenzbänder, wo die Nachfrage aufgrund ihrer „ungeeigneten" Eigenschaften das Angebot an Frequenzen übersteigt, vgl. dazu ERC, ERC Report 53, S. 36; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 4; A. De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1504). 69 So auch ERC, ERC Report 76, S. 6; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 12; A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 44 Rn. 2; S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 3. 70 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 12.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
2. Kapitel
Frequenzzuteilung im System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung Der Einzelentscheidung der Frequenzvergabe, die das Versteigerungsverfahren ermöglicht, und des sich anschließenden Frequenzhandels geht ein umfassendes System der hoheitlichen Planung und Verwaltung der Frequenzen auf internationaler und nationaler Ebene voraus. Die Einzelzuteilung ist dabei letztes Glied in einer Reihe von Maßnahmen auf dem Gebiet der Frequenzplanung und Ergebnis einer Abschichtung eines umfangreichen Planungsbedarfs. Dabei trägt jede Planungsebene zur Bestimmung des Umfangs und Inhalts des am Ende stehenden Frequenznutzungsrechts einen Teil bei. Die Frequenzplanung ist also die planmäßige Bewirtschaftung eines Gutes zur Schaffung von Nutzungsrechten. Die Untersuchung des Komplexes der Frequenzverteilung erfordert, die vorangegangenen Planungen auf internationaler und nationaler Ebene zu analysieren, um die Frequenzzuteilung in dieses System einzuordnen und die Einflüsse vorangegangener Planungen bzw. Vorgaben auf die Zuteilung zu verstehen. Bevor die rechtliche Ausgestaltung der internationalen und nationalen Frequenzverwaltungsebenen untersucht wird (dazu unter D), soll die Frage der Erforderlichkeit von hoheitlicher Frequenzplanung einer Prüfung unterzogen werden (dazu unter A). Nachdem festgestellt wird, dass es sich bei der Frequenzkoordinierung grundsätzlich um Technikregulierung handelt (dazu unter B), wird abschließend die Art der Planung untersucht (dazu unter C).
A. Notwendigkeit von Frequenzplanung und -allokation I. Frequenzknappheit Die Notwendigkeit einer Frequenzverwaltung ergibt sich zum einen aus der Knappheit der Frequenzen. Eine volle Bedürfnisbefriedigung einzelner Nutzer mit Frequenzen ist nicht möglich. Übersteigt die Nachfrage nach Frequenzen deren Angebot, ist eine sinnvolle Nutzung des Spektrums nur dann möglich, wenn einzelne oder ganze Gruppen von der Nutzung ausgeschlossen werden, also eine exakte Zuteilung des Frequenzspektrums erfolgt. 71 Eine solche verlangt nach einer exakten Planung des gesamten Spektrums.
7i C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 434 (465); W Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (9 f.).
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
49
Π. Interferenzen Das Erfordernis der Frequenzplanung mit dem Ergebnis ausschließlicher Nutzerrechte resultiert des Weiteren aus der Notwendigkeit, das technisch vorhandene Störrisiko zu minimieren, damit die Funktechnik für deren Nutzer ökonomisch sinnvoll und attraktiv ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Kommunikationsverbindungen stabil mit ausreichender Qualität betrieben werden können,72 was nur bei einer koordinierten Ausstrahlung der Frequenzen möglich ist, da es sonst bei der Vielzahl der Funkanwendungen zu Störungen (Interferenzen) einzelner Dienste käme.73 Betroffen von Interferenzen können nicht nur einzelne Nutzer derselben Frequenz sein. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Signale aller Nutzer einer bestimmten Frequenz ausgelöscht werden. 74 Abgesehen von Störungen der Funkdienste untereinander können auch die Verwendungen elektromagnetischer Wellen, die nicht mit der Nachrichtenübermittlung in Zusammenhang stehen, Störungen hervorrufen. 75 Auch sind Interferenzen zwischen Funkverbindungen und drahtgebundenen Netzen denkbar, da aus technischen Gründen eine vollständige Abschirmung von Frequenzen in leitergebundenen Übertragungswegen bisher nicht vollständig realisiert werden konnte. 76 Technisch betrachtet können Interferenzen dann entstehen, wenn zwei Sender gleicher Frequenz zur selben Zeit im gleichen Gebiet einen bestimmten Pegel überschreiten (so genannte Gleichkanalinterferenzen, Cochannel interferences). 77 So genannte Nachbarkanalinterferenzen (Adjacent channel interferences) sind Interferenzen, die sich auf die Ausbreitung in benachbarte Frequenzbänder beziehen. Die Beeinträchtigung von Nachbarfrequenzen folgt daraus, dass die Sendeeinrichtungen aufgrund technischer Grenzen ein gewisses Ausmaß an Energie außerhalb der intendierten Bänder bzw. Kanäle ausstrahlen. Sie treten also immer dann auf, 72
Vgl. dazu S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 25, 27; B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (769 f.); J. Scherer, Frequenzverwaltung, S. 10. So sah es auch das BVerfG (E 12, 205, 230) schon in seinem ersten Rundfunkurteil: Im Interesse der Allgemeinheit sei eine Ordnung der Frequenznutzungen erforderlich, „wenn ein Chaos im Funkverkehr vermieden werden soll". Vgl. auch N. W. Allard, 18 Seton Hall Leg. J. (1993), 13(21). 74 Vgl. G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 164; D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (412). 75 Beispielsweise durch Anwendungen im industriellen, wissenschaftlichen, medizinischen oder auch privaten Bereich. 76 Β. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 142. 77 Siehe dazu V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 24; G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 164; J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 449 (452). Wann der Pegel überschritten wird ist im Einzelnen von der Stärke des Nutzsenders, der Leistungsfähigkeit des Empfangers und einer Reihe weiterer technischer Charakteristika abhängig.
4 Bumke
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
wenn die Mittenfrequenzen zweier Kanäle nicht ausreichend Abstand voneinander haben.78 Gleichkanalstörungen sind nur durch geographische Entfernungen, eingeschränkt durch Abschirmungen oder entgegengesetzte Polarisation zu verhindern. 79 Nachbarkanalstörungen sind hingegen zu vermeiden, indem bestimmte Schutzabstände zu Nachbarfrequenzen eingehalten werden. 80 Diese Störabstände führen dazu, dass es prinzipiell unmöglich ist, das vorhandene Spektrum beliebig stark zu unterteilen, um immer mehr Nutzkanäle zu erzeugen. 81 Für die einzelnen Frequenzen besteht eine spektrale, regionale und temporale Nutzungs-Rivalität in dem Sinne, dass die jeweilige Nutzung einer spezifizierten Frequenz den Verzicht auf alternative Nutzungen derselben Frequenz durch den gleichen oder andere Nutzer impliziert. 82 Planung wird erforderlich.
B. Technikregulierung Grundsätzlich führt das BVerfG zur Ausgestaltung der Frequenzverwaltung aus, dass es notwendig sei, den Sendern bestimmte Wellenbereiche zuzuteilen, die auf die Frequenzen der anderen Sender abgestimmt sind. Zur Vermeidung von Überschneidungen und Interferenzen müssten Standort und Sendestärke der Sender nach funktechnischen Gesichtspunkten festgelegt werden. 83 Des Weiteren sind technische Eigenschaften von Frequenzen zur Sicherstellung einer anwendungsgerechten Nutzung des Frequenzspektrums zu beachten, die sich sowohl in der zeitlichen als auch in der räumlichen Planung auswirken. Bestimmte Arten von Kommunikationsdiensten benötigen aufgrund der für sie erforderlichen Voraussetzungen hinsichtlich der zu überwindenden Distanz und der zu übermittelnden Informationen bestimmte Teile des Frequenzspektrums, die aufgrund ihrer natürlichen Eigenschaften entsprechend besser für die Anwendung geeignet sind 78
Vgl. dazu V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 24; G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 165; A. De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1503 f., 1515 ff.); J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (452). Zu weiteren Formen von Interferenzen wie intermodulare Intereferenzen und die Problematik der Mehrwegeausbreitung siehe A. De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1520 ff.); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 164 f. 79 Vgl. V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 24; J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (452). so Vgl. V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 24\ J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (452). 81 Vgl. J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 449 (452). 82 Vgl. J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 449 (453); V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 1. 83 BVerfGE 12,205, 227.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
51
als andere. 84 Frequenzplanung ist damit grundsätzlich Technikregulierung. 85 Ferner sind neben rechtlichen Bindungen und Gemeinwohlerwägungen auch ökologische Fragestellungen i n Form des Schutzes von Mensch und Umwelt in die Planung einzubeziehen. 86
C. Art der Frequenzplanung Frequenzkoordinierung wird sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene erforderlich.
I. Internationale Frequenzplanung Z u m einen ist eine internationale Koordinierung notwendig, um weltweit eine „Ordnung i m Äther" für die verschiedenen Funkdienste in den verschiedenen Frequenzteilbereichen durch Zusammenwirken aller Staaten sicherzustellen. Funkwel84
Im Zusammenhang der zu überwindenden Reichweite wird eine Differenzierung zwischen Hoch- und Niedrigfrequenzspektrum vorgenommen. Im Bereich des Hochfrequenzspektrums (Bereich von 30 und 3.000 MHz) steigen Freiraumdämpfung und Empfindlichkeit gegen Witterungseinflüsse (ζ. B. Regen) mit wachsender Frequenz an. Abschattungseffekte spielen eine große Rolle, so dass schließlich bei sehr hohen Frequenzen Sender und Empfänger wie bei einer Sichtverbindung nicht durch Hindemisse gestört sein dürfen. Der technische Aufwand für stabile Funkverbindungen ist mit der Erschließung höherer Frequenzbereiche ständig gewachsen. Im Gegensatz dazu hat das Niedrigfrequenzspektrum (Bereich von 150 und 1.500 MHz) eine größere Reichweite, da es weniger gedämpft wird, die Schwingungen werden vielmehr um Hindernisse „herumgebeugt". Da die Wellen „überall hingelangen", ist aber ihr gegenseitiges Störpotential groß. Daraus entsteht auch die geringere Verfügbarkeit von Spektrum im unteren Bereich: Denn die Empfangssender werden zur Vermeidung von Überschneidungen in breiteren Erstreckungen mit der Folge der Einschränkung der Frequenznutzung platziert. Hinzu kommt, dass gerade ein Teil des Niedrigfrequenzspektrums lokal genutzt wird. So sollten Anwendungen mit vergleichsweise geringer Anzahl von zu übermittelnden Informationen - wie ζ. B. beim kommerziellen Radio mit der Übertragung von reinen Audio Informationen - das Niedrigfrequenzspektrum nutzen, vgl. dazu R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (236 f.); S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 16 f.; M. C. Glass/D. M. Rhodes, 44 McGill L. J. (1999), 141 (148 f.). Niedrige Frequenzen haben aufgrund einer geringeren Dämpfung eine vergleichsweise größere Reichweite, während höhere Frequenzen infolge einer höheren Dämpfung entsprechend weniger weit reichen. Höherfrequente Wellen können demnach ab einer gewissen Entfernung von einem Aussendungsort erneut verwendet werden, sobald die von diesem Ort gesendeten Wellen ausreichend abgeklungen sind (räumliche Entkopplung). Die so genannte zeitliche Entkopplung beschreibt demgegenüber den Zustand, dass Nutzungsrechte an bestimmten Frequenzen nur zeitweise an einzelne Nutzer vergeben werden, während sie zu anderen Zeiten anderweitig genutzt werden dürfen, siehe dazu A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 234; B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (770 f.). 85 Siehe W. Hoffmann-Riem/D. Wieddekind, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 745 (747 f.). 86 Dazu B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 142; S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 29. 4*
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
len und damit auch Interferenzen kennen keine Staatsgrenzen.87 Dass Funkwellen grenzüberschreitend Störungen auslösen können, gilt zwar aufgrund ihrer teilweise geringen Reichweite nicht für alle Frequenzbereiche, aber doch für eine Vielzahl. 88 Grenzüberschreitende Störungen können sich zum einen daraus ergeben, dass bei grenzüberschreitenden Dienstangeboten - wie ζ. B. das international empfangbare Satellitenfernsehen - nationale Grenzen gerade nicht gelten sollen. Zum anderen können Funkdienste, deren Reichweite zwar grundsätzlich an der nationalen Grenze enden soll, Funkstörungen auch über die Grenze hinaus verursachen. 89
Π. Nationale Frequenzplanung Neben einer internationalen Frequenzkoordinierung wird auch auf nationaler Ebene Frequenzplanung erforderlich. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass internationale Vorgaben in diesem Bereich national umgesetzt werden müssen und zu ihrer Wirkung weiterer Konkretisierung bedürfen. Zum anderen betrifft die internationale Frequenzplanung grundsätzlich nur den grenzüberschreitenden Funkverkehr, so dass die Errichtung einer nationalen Frequenzordnung Aufgabe der nationalen Staaten bleibt. Schließlich betrifft die internationale Frequenzplanung grundsätzlich nur die Ebenen der Zuweisung und Verteilung des Spektrums, die Zuteilung verbleibt hingegen in der Souveränität des einzelnen Nationalstaates.
ΠΙ. Frequenzplanung als hoheitliche Aufgabe Die aktuellen Regelungen sehen die Frequenzkoordinierung als staatliche Aufgabe vor, um durch die Rechtsordnung die anwendungsgerechte Nutzung des Spektrums zu sichern und um Unternehmen, die kommerzielle Nachrichtenübertragungsleistungen anbieten, die Sicherung einer definierten Dienstegüte ohne störende Interferenzen zu ermöglichen. 90 Ohne die staatliche Intervention besteht die Gefahr, dass sich beliebig viele Nutzer in einen bestimmten Frequenzbereich drängen, was eine ineffiziente Frequenzübernutzung zur Folge hätte.91
87 Vgl. nur R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (234 ff.); A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 238 f.; M. Geppert/E.-O. Ruhle/E Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 520; M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (253). Damit werden sie zu internationalen Gütern, vgl. C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (447). 88 H. Levin, 11 J. L. & Econ. (1968), 433 (449). 89 D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (421 ff.). 90 Vgl. J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 165 f.; H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/R. Maurer, Wettbewerb und Regulierung, S. 129 f.; V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 2. 91 S. Korehnke/G.-H. 30.
Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rn. 28,
2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z v e r w a l t u n g 5 3
Der Staat verhindert dieses Chaos, indem er Verfügungsrechte an Ressourcen definiert, die seinem Inhaber die Nutzung garantieren und die ihn berechtigen, Dritte von ihrem Gebrauch auszuschließen oder nur gegen Zahlung eines Entgelts zuzulassen.92 Eine Lösung der Frequenzplanungsproblematik durch nicht-staatliche Regelung auf der Basis freiwilliger Verträge zur Frequenzzuteilung im Kollektiv würde an der Nichterfassbarkeit von Außenseitern scheitern, die durch die Drohung der Frequenzstörung Seitenzahlungen erpressen könnten.93 Die Notwendigkeit dieser staatlichen Einflussnahme wird auch von Autoren anerkannt 94, die das bestehende staatliche Frequenzverwaltungssystem insbesondere hinsichtlich der Effizienzgesichtspunkte kritisieren und ein marktwirtschaftliches System der Frequenzverwaltung sowohl auf internationaler 95 als auch auf nationaler Ebene bevorzugen. Neben der staatlichen Definition von Verfügungsrechten fordern sie als weitere Prämissen, dass der Staat die Nutzungsrechte exklusiv zuteilt, ihre Handelbarkeit gewährleistet und Störungen effektiv sanktioniert. Die Kritik an der hoheitlichen Frequenzverwaltung setzt erst an den sich daran anschließenden Schritten an. 96 Der Marktmechanismus sorge - sofern Transaktionskosten unbeachtet blieben dafür, dass die Verfügungsrechte demjenigen zufielen, für den sie den höchsten Nutzen hätten, sie also in ihre optimale Verwendung gelangen würden. 97 Insbesondere könne der Markt die optimale Verwendung der Frequenzen besser bestimmen als staatliche Stellen. Die Bestimmung, für welche Dienste die Frequenzen genutzt werden sollen und mit welchen technischen Merkmalen diese Nutzung erfolgen soll, soll in der Hand der Inhaber der Nutzungsrechte bleiben. Diesbezüglich bedürfe es keiner hoheitlichen Frequenzverwaltung, -planung und -Verteilung, sondern lediglich der Einführung einer leistungsfähigen marktwirtschaftlichen Frequenzordnung. 98 Auf den Punkt gebracht heißt das, dass sich die Idee der Einführung eines marktwirtschaftlichen Systems grundsätzlich darauf beschränkt, die Entscheidung darüber, welcher Dienst mit welcher Frequenz genutzt wird, auf den privaten Inhaber des Nutzungsrechts zu verlagern. Gerade dies führt allerdings erneut zu dem 92 Vgl. R. Coase, 2 J. L. & Econ. (1959), 1 (14). 93 Dazu J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 166; ders., in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (11); E. Lenhard/B. Richert, K&R 2002, 578 (580). 94 Z. B. J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 1 (11). 95 Siehe dazu im einzelnen Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 45 ff. 96 Siehe den Vorschlag von A De Vany/R. Eckert/C. Meyers/D. O'Hara/R. Scott, Stanford Law Review 1969, 1499 (1512 ff.). Siehe auch T. Hazlett, 33 J. L. & Econ. (1990), 133 (138 ff.); K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 44 ff. 97 Statt vieler R. Coase, 2 J. L. & Econ. (1959), 1 (18).
98 Vgl. hierzu A. De Vany/R. view 1969, 1499 (1512 ff.).
Eckert/C.
Meyers/D.
O'Hara/R. Scott, Stanford Law Re-
54
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Problem, dass aufgrund von Gemeinwohlerwägungen und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen gerade nicht allein ein rein ökonomisch definierter Effizienzbegriff zur Anwendung kommen kann. Damit kann die Bestimmung, welcher Dienst mit welcher Frequenz genutzt wird, nicht ausschließlich der Entscheidung Privater, die nach ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden, überlassen werden. Ferner könnte eine rein ökonomisch orientierte private Frequenzordnung zum Verlust wirtschaftlicher Vorteile führen, die sich u. a. gerade auch aus einer weitestgehend gleichen Frequenznutzung in verschiedenen Staaten als Ergebnis internationaler Planung ergeben." Weitere Komponenten, die einem marktwirtschaftlichen System immanent wären, wie unter anderen eine Zuteilung unter Berücksichtigung des Frequenzwertes in kommerziell genutzten Bereichen sowie deren Handelbarkeit, werden bereits durch das bestehende - sich an ökonomischen Effizienzmaßstäben orientierende staatliche System gewährleistet. Es wird bereits in umfangreicher Weise auf eine Selbstregulierung der Frequenznutzer gesetzt, die sich auf Marktprozesse stützt und damit am Effizienzmaßstab orientiert.
D. Ebenen der Frequenzplanung Frequenzplanung findet auf internationaler, europäischer bzw. gemeinschaftsrechtlicher und nationaler Ebene unter Beteiligung einer Vielzahl von Akteuren statt. Im Folgenden soll das System der Frequenzplanung nachgezeichnet werden, wobei abrissartig auf den jeweils planenden Akteur und dessen Aufgaben eingegangen wird. Den Schwerpunkt bildet die Ebene der Europäischen Union mit den umfangreichen Vorgaben des neuen Rechtsrahmens für Kommunikationsnetze und -dienste 100 (dazu unter ΙΠ), der Planungen der ITU (dazu unter I) und der CEPT (dazu unter II) vorausgehen. Abschließend wird das nationale Frequenzverwaltungssystem erörtert (dazu unter IV).
I. Internationale Frequenzplanung durch die ITU 7. Organisation und Willensbildung Die in der Abfolge höchste und gröbste Frequenzplanungsebene wird von der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunications Union, ITU) 99 Nähme man z. B. den Mobilfunkmarkt, für den es bisher keinen weltweit einheitlichen Frequenzstandard gibt, ließen sich bei einem solchen erhebliche Produktionsvorteile verzeichnen, da ein weltweiter Wettbewerb zwischen den Dienstanbietem ermöglicht würde, Gerätehersteller nicht jeweils ihre Modelle an die nationalen bzw. regionalen Märkte anpassen müssten und die Verbraucher ihre Endgeräte international nutzen könnten, so B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (771 f.). 100 S.o. Fn 47.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
55
koordiniert, die als erste zwischenstaatliche Organisation überhaupt bereits 1865 gegründet wurde 101 und aktuell 189 Mitglieder zählt. 102 Zunächst beschäftigten sich die Internationale Telegraphen-Union und das Internationale Funkregime als Vorläufer der ITU mit der Entwicklung der Télégraphié, der Telefonie und Funkkommunikation 103 , bis diese schließlich im Jahr 1932 zur ITU fusionierten. 104 Die seit 1948 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen geführte 105 Institution unterlag in der Zeit von 1988-1992 aufgrund der technischen, ökonomischen und rechtlichen Veränderungen im Bereich der Telekommunikation einem umfassenden Reformprozess. 106 Aus dem Gesichtspunkt, dass elektromagnetische Wellen an geographischen und politischen Grenzen nicht haltmachen, ergibt sich auch der rechtliche Geltungsbereich der Frequenzverwaltung der ITU: Erfasst ist die Frequenznutzung nur insoweit, als sie sich grenzüberschreitend auswirkt und zivile Funkstationen betroffen sind. In den übrigen Fällen verbleibt die Frequenzplanung in der jeweils nationalstaatlichen Zuständigkeit. 107 Ihre rechtliche Legitimation leitet die ITU aus zwei grundlegenden Rechtsakten ab, nämlich der Konvention und der Konstitution, 108 die beide Teile des Internationalen Fernmeldevertrages sind. 109 Wahrend die Konvention als die Geschäftsordnung der ITU-Organe bezeichnet werden kann, ist die Konstitution der dauerhaft angelegte völkerrechtliche Vertrag, der die Ziele und Aufgaben der ITU grundlegend regelt. 110 Weiteres relevantes Regelwerk sind die für alle Mitglieder der ITU völkerrechtlich verbindlichen 111 Bestimmungen der Radio Regulations (Vollzugsordnung Funk, „VO Funk"). 1 1 2 101
A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 27. Siehe http: / / www.itu.int / cgi-bin / htsh / mm / scripts / mm.list?_search=ITUstates. 103 Siehe ausführlich A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 27 ff. 104 Siehe ausführlich A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 43 ff. 105 M. Geppert/E.-O. Rühle/ E Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 522. 106 Siehe ausführlich A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 59 ff. 107 Vgl. A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 242; D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (417). los Vgl. Bekanntmachung der Neufassung der Konstitution und Konvention der Internationalen Femmeldeunion vom 8. Oktober 2001, BGBl. II, 1121. Siehe dazu A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union; M. Geppert /E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 523 ff. 102
109
Ein historischer Überblick findet sich bei A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 27 ff. und bei M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 522. 1,0 Siehe ausführlich zu Aufbau und Aufgaben A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union. m Vgl. Art. 4 Nr. 3, 54 Nr. 1 der Konstitution der ITU. »2 ITU Radio Regulations, Vol. 1 (Articles), 2004 Edition.
56
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
2. Ziele und Aufgaben Geleitet wird das Frequenzmanagement der ITU von zwei grundlegenden Zielen. 1 1 3 Einerseits soll durch die Frequenzallokation 114 die technisch und wirtschaftlich verstandene Effizienz der Frequenznutzung der internationalen Telekommunikationssysteme erzielt werden. Diesbezüglich setzt die ITU auf die Förderung der internationalen Zusammenarbeit ihrer Mitglieder. Ansatzpunkt zur Gewährleistung einer rationellen, effizienten und wirtschaftlichen Frequenznutzung ist der möglichst ressourcenschonende Einsatz des Spektrums 115 ebenso wie die Vermeidung schädlicher Störungen. 116 Andererseits stehen die Tätigkeiten der ITU unter der Zielvorgabe, die verfügbaren Frequenzen unter den Mitgliedstaaten möglichst „gerecht" zu verteilen, wobei vornehmlich die Entwicklungsländer als schützenswert gelten. 117 3. Instrumente Zur Zielerreichung bedient sich die ITU im Wesentlichen folgender Instrumentarien: Sie weist die Nutzungsarten bestimmten Frequenzbändern zu. Die Zusammensetzung dieser Zuweisungen begründet als Ergebnis den Internationalen Frequenzbereichsplan, der auf den alle zwei Jahre von der ITU einberufenen Weltfunkkonferenzen (World Radio Conferences, WRC) 1 1 8 im Rahmen der Erörterung internationaler Fragen und Probleme der Frequenzordnung beschlossen wird. 1 1 9 Als Bestandteil der VO Funk ist er für die Mitgliedstaaten völkerrechtlich verbindlich. 1 2 0 Dieser Plan ist richtungsweisend für die nachfolgenden Frequenzplanungsebenen. Daneben registriert die ITU Frequenzzuteilungen. 121 Ferner unterstützt sie die technische Koordinierung zwischen Funkstationen verschiedener Staaten. 113
Siehe dazu auch A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 159 ff.; M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 523; D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (412 f.). i n Vgl. Art. 1 Nr. 2 a)der Konstitution der ITU. Π5 Vgl. Art. 1 Nr. 2 b), Art. 12 Nr. 1 (1) 1. Spiegelstrich, Art. 44 Nr. 1 und Nr. 2 der Konstitution der ITU. Dafür soll nach Art. 44 Nr. 1 der Konstitution der ITU die neuste Technik unverzüglich angewendet werden. 116 Art. 1 Nr. 2 a)und Nr. 2 b) der Konstitution der ITU. 117 Vgl. Art. 1 Nr. 2 d), Art. 44 Nr. 2 Konstitution der ITU, die sicherstellen sollen, dass alle Mitgliedstaaten einen gleichberechtigten Zugang zu der Ressource Frequenz haben. ne Die letzte World Radio Conference (WRC) fand 2003 statt. 119 Vgl. Art. 13 der Konstitution der ITU. Im Weiteren finden regionale Konferenzen unter der Obhut der ITU statt, die sich mit Fragen der Telekommunikation beschäftigen, deren Lösung auf regionaler Ebene möglich erscheint, vgl. M. Geppert/E.-O. Rühle /F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 527. 120 Vgl. Art. 54 Nr. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 3 der Konstitution der ITU. Siehe dazu ausführlicher A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 245 ff.; B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (774).
2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z v e r w a l t u n g 5 7
a) Zuteilungsentscheidungen auf nationalstaatlicher Ebene Die Zuteilungsentscheidung {assignment), also welcher Betreiber zu welcher Zeit an welchem Ort die Frequenz nutzen darf, 122 ist abhängig von den Zuweisungs- und Verteilungsentscheidungen der ITU und folgt diesen nach. Sie verbleibt als Koordinierungsmaßnahme grundsätzlich 123 in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten.124 Sie beinhaltet zum einen die Bestimmung der technischen und inhaltlichen Kriterien der Frequenzvergabe sowie deren Verfahren. Zum anderen wird darüber entschieden, wer zu welchem Zweck Frequenzen erhalten soll. Die Zuteilungsentscheidung bildet damit die „wesentliche Sperre" zwischen dem internationalen und dem nationalen Regelungssystem der Frequenznutzung.
b) Zuweisungs- und Verteilungsentscheidungen auf der Ebene der ITU Zuweisungs- und Verteilungsentscheidungen sind auf der Ebene der ITU angesiedelt. Durch sie wird keine eigentliche Frequenzplanung entwickelt. Die ITU stellt vielmehr die Einrichtungen und Verfahren zur Verfügung, die den Mitgliedstaaten eine internationale Harmonisierung der Frequenznutzung ermöglichen. aa) Regelungsgehalt Regelungsgehalt der Zuweisungsentscheidungen (allocation) sind die Festlegungen über eine Zuweisung von Frequenzbereichen auf bestimmte Nutzungsarten, also auf bestimmte Funkdienste125. Dafür wird jeweils ein bestimmter Wellenbereich 126 in einer Weltregion für einen oder mehrere Funkdienste127 vorgesehen. 128 Zuweisungen erfolgen für alle Frequenzbereiche. 121 Art. 1 Nr. 2 a) der Konstitution der ITU. 122 So genannte intramodale Frequenzallokation, s. o. Fn. 54 im 1. Teil, 1. Kapitel. 123 Die Mitgliedstaaten sind bei Frequenzzuteilungen gehalten, die Bestimmungen der VO Funk einzuhalten bzw. müssen diese Bestimmungen an die Betreiber weitergeben, Art. 54 Nr. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 3 der Konstitution der ITU. Diese „Einschränkung" der nationalen Planungshoheit ist allerdings auf solche Fälle begrenzt, in denen grenzüberschreitend schädliche Störungen auftreten. Zudem stehen der ITU keine eigenen Sanktionsmittel zu Verfügung. 124 Vgl. Art. 1 Nr. 18 der ITU Radio Regulations. 125 Vgl. Art. 1 Nr. 16 der ITU Radio Regulations. Vgl. auch R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (235). 126 Zum Zwecke der Frequenzplanung wurde die Welt in drei Regionen aufgeteilt: Europa und Afrika (Region 1), Amerika (Region 2) und Asien und Pazifikraum (Region 3), Art. 8 Nr. 1 der ITU Radio Regulations. 127 Siehe die Aufstellung in Art. 1 der ITU Radio Regulations, ζ. Β. terrestrischer Rundfunkdienst und beweglicher Seefunkdienst. 128 Art. 1 Nr. 17 der ITU Radio Regulations.
58
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
In Verteilungsentscheidungen (allotment ) werden Frequenzbereiche entsprechend ihrer Widmung für eine bestimmte Nutzungsart an einen bestimmten Mitgliedstaat vergeben. 129 bb) Verfahren Den nationalen Zuteilungsentscheidungen geht auf Ebene der ITU entweder ein einfaches Verfahren oder ein planerisches Verfahren voraus. Im einfachen Verfahren bildet die Verteilungsentscheidung keinen gesonderten Verfahrensschritt auf dem Weg zur nationalen Zuteilung; Zuweisungs- und Verteilungsentscheidung gehen ineinander auf. Den Gegensatz dazu bildet im planerischen Verfahren die Verteilungsentscheidung mit ihren Allokationsplänen einen gesonderten Verfahrensabschnitt auf der Ebene der ITU, der für die Zuteilungen auf nationaler Ebene maßgeblich ist. 1 3 0 (1) Verfahren in ungeplanten Frequenzbändern Grundsätzlich findet die Zuteilung in einem einfachen Verfahren statt, das der Transparenz der internationalen Nutzung des Frequenzspektrums dienen soll 1 3 1 . Es wird in Frequenzbereichen angewendet, für deren Nutzung auf der Ebene der ITU lediglich Zuweisungsentscheidungen getroffen werden. 132 Nach der Zuweisungsentscheidung meldet die nationale Verwaltung ihre Vergabe von Frequenznutzungsrechten an einen Betreiber der ITU mit dem Ziel der Eintragung in die Frequenzhauptkartei. 133 Die Anmeldung bei der ITU durch den jeweiligen Mitgliedstaat erfolgt bei Aussendung grenzüberschreitender Funkwellen unter Angabe aller technischen Daten. Voraussetzung für die Eintragung in die Frequenzhauptkartei ist, dass der Betrieb mit den Vorgaben insbesondere des internationalen Frequenzbereichsplans übereinstimmt und keine Interferenzen verursacht. 134 Liegen die Voraussetzungen vor, teilt die ITU den Mitgliedstaaten die Frequenzen unbefristet zu, wobei nach dem zeitlichen Prioritätsprinzip bereits bestehende Funkstationen Vorrang vor neuen Stationen genießen.135 Erreicht ist nun materiell-rechtlicher Schutz gegen Interferenzen anderer Funkstationen.136
129 Vgl. Art. 1 Nr. 17 der ITU Radio Regulations. Vgl. auch R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (235). 130 Siehe dazu A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 245 ff.; B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 146. 131 Vgl. A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 243. 132 Siehe D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (414).
1 33 Das Verfahren ist im Einzelnen in den Art. 10-17 der ITU Radio Regulations geregelt. ι-* Art. 14 der Konstitution der ITU. !35 Besteht die Gefahr schädlicher Störungen, kommt - abgesehen von der Möglichkeit, die technischen Daten anzupassen - in einem Zwischenschritt ein Koordinierungsverfahren
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
59
Die nicht im Vorfeld koordinierten Einzelentscheidungen tragen die Tendenz in sich, dass zeitlich frühere Nutzer von Frequenzen bessere Rechte haben als zeitlich nachfolgende Nutzer. 137 Dieses einfache „first come-first serve"-Verfahren ist aus verteilungspolitischer und wettbewerbspolitischer Sicht problematisch, 138 was insbesondere für solche Frequenzbänder gilt, die sich durch „besondere" Knappheit auszeichnen und für internationale Funkdienste vorgesehen sind. Es wird befürchtet, dass Anmeldungen nur strategisch im Hinblick darauf erfolgen, Überkapazitäten aufzubauen bzw. Frequenzen zu horten, um andere in ihrem Marktzutritt zu behindern. 139 Ferner wird die Gefahr einer faktischen Monopolisierung des Marktes gesehen. Denkbar wird dies allerdings nur unter den Voraussetzungen, dass die Anzahl an Bandbreiten schon nur wenige Zuweisungen zulässt und dann ein monopolisierender Anbieter nun durch seinen Mitgliedstaat die Nutzungsrechte für alle verfügbaren Frequenzen anmeldet. 140 Die VO Funk enthält keinerlei Vorkehrungen, die solchen Wettbewerbsrisiken entgegentreten. (2) Verteilungspläne Der Zuweisung durch die ITU und der Zuteilung durch die nationalen Verwaltungen kann die ITU Allokationspläne (allotment) Zwischenschalten. Sie werden auf den Weltfunkkonferenzen nach Maßgabe der Zuweisungsvorgaben erstellt und sehen eine Mindestzahl von Frequenzen für alle Mitgliedstaaten vor. Die im Wege dieses Verfahrens erfolgenden Verteilungen unterliegen einer Befristung, die sich nach der Gültigkeitsdauer des jeweiligen Plans richtet.141 Mit der über Pläne erfolgenden Frequenzplanung wird insbesondere das Ziel der gerechten, gleichgewichtigen Verteilung des Spektrums verfolgt. Dabei reicht die Planung von der Aufstellung bloßer Planungsgrundsätze bis zur konkreten Festlegung von Senderstandorten, Kanälen, Senderstärken und Reichweiten. 142
mit dem Ziel der Einigung mit dem von dem Interferenzrisiko betroffenen Mitgliedstaat zur Anwendung (vgl. Art. 11, 12 der ITU Radio Regluations). Endet dieses erfolglos, verbleibt der ITU nur die Verweigerung der Eintragung in die Frequenzhauptkartei, die jedoch an sich folgenlos ist, siehe dazu A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 249. 136 Vgl. D. Witt, in: Offene Rundfunkordnung, S. 411 (415). Im Gegensatz dazu bewirkt die Eintragung in die Frequenzhauptkartei zunächst nur eine formelle internationale Anerkennung der Zuweisung. 137 Dies sind insbesondere Entwicklungsländer. "β Siehe dazu unten im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)aa)(2)(b)(bb). 139
A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 251. 1 40 A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 251. 141 Diese liegt in der Regel bei 15-20 Jahren, vgl. A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 243 Fn. 216. 1 42 Siehe dazu ausführlich A. Tegge, S. 252 ff.
Die Internationale Telekommunikations-Union,
60
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
II. Internationale Frequenzplanung durch die CEPT 7. Organisation und Willensbildung Ein Teil der europäischen Frequenzplanung obliegt der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (Conférence européenne des administrations des postes et des télécommunications, CEPT). 143 Diese im Jahr 1959 aufgrund eines Verwaltungsübereinkommens 144 zwischen den europäischen Postverwaltungen gegründete Organisation hat inzwischen 46 Mitglieder 145 , darunter alle Mitgliedstaaten der E U 1 4 6 . Sie entstand aus vielfältigen Integrationsbestrebungen auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens und dem zu dieser Zeit stark aufkommenden Europagedanken. Trotz letzterem wurde hinsichtlich des Geltungsbereichs der Organisation die Notwendigkeit für einen über die damals sechs Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehenden Verbund gesehen, um eine optimale Zusammenarbeit auf einer möglichst breiten europäischen Ebene gewährleisten zu können. 147
2. Ziele und Aufgaben Die CEPT hat ihren Tätigkeitsschwerpunkt von der Bearbeitung rein technischer Angelegenheiten der Frequenznutzung auf die Wahrnehmung regulatorischer Aufgaben im Bereich der Frequenzverwaltung verschoben, 148 so dass sie nun als Organisation der Regulierer beschrieben werden kann. 149 Für die Koordinierung des Frequenzspektrums ist der Europäische Funkausschuss (ERC) zuständig. 150 Ziel ist neben der Entwicklung und Festlegung einer 143
Siehe die „Vereinbarung über die Gründung der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT)", Stand 10. September 2003, abrufbar unter http: / / www.cept.org. 1 44 Siehe dazu F. Koller, Archiv PF 1979, 201 (202). 145 Eine Aufzählung der Mitglieder ist abrufbar unter http:: //www.cept.org. 146 Die EU selbst ist nicht Mitglied der CEPT, allerdings hat sie einen Beraterstatus, vgl. B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 146. 147 Die Bundesrepublik Deutschland hatte aufgrund ihrer zentralen Lage im dicht besiedelten Europa und dem Einfluss von neun angrenzenden Ländern mit sehr unterschiedlichen fernmeldepolitischen Vorgaben ein besonderes Interesse an einer über die Staaten der EWG hinausgehenden Zusammenarbeit, vgl. R. Binz, Archiv PF 1989, 232 (237); F. Koller, Archiv PF 1979, 201 (201). 148
Vgl. „General Information, What is CEPT", abrufbar unter http: //www.cept.org. Vgl. B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (776); B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 146. 150 Für den Postbereich werden die Aufgaben der CEPT durch das Europäische Komitee für Regulierung Post (CERP) und für den Fernmeldebereich durch den Europäischen Ausschuss für Regulierungsfragen Telekommunikation (ECTRA) wahrgenommen.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
61
europaweit gemeinsamen Frequenzpolitik die europaweite Koordinierung und Harmonisierung von Frequenznutzungen.
3. Instrumente Um die Regulierungen auf der Ebene der ITU, auf der lediglich eine grobe Aufteilung des Frequenzspektrums nach Nutzungsarten vorgenommen wurde, zu konkretisieren, trifft das ERC Einzelmaßnahmen. Geht es dem ERC dabei um solche Angelegenheiten, die das Funktionieren der Organisation - wie z. B. Fragen ihrer inneren Struktur, Verfahrensfragen, Kosten betreffen, bedient es sich grundsätzlich der für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten rechtsverbindlichen 151 Entscheidung (Decision). 152 Empfehlungen 0Recommendations )153 betreffen demgegenüber solche Angelegenheiten, in denen dem ERC eine förmliche Entscheidung nicht notwendig erscheint. Trotz ihrer Unverbindlichkeit 154 sollen sie gleichwohl von den Mitgliedstaaten beachtet werden. 155 Sowohl Entscheidungen als auch Empfehlungen sollen sich zukünftig aus dem zu europäischen Frequenzbereichszuweisungs- und Frequenznutzungsplan (European Table of Frequency Allocations and Utilisations) entwickeln. 156 In beiden Handlungsformen erfolgt eine Verabschiedung durch das ERC erst nach Anhörung interessierter Kreise (Netzbetreiber, Diensteanbieter, Hersteller, Anwender, Standardisierungsorganisationen usw.). Ferner erstellt das ERC zur Unterstützung seiner Harmonisierungsmaßnahmen Berichte (Reports). Schließlich hat sich die CEPT zur Aufgabe gemacht, für Frequenzbereiche neue Nutzungskonzepte zu entwerfen, um durch Umstrukturierung von Frequenzbereichen und Einschränkung ineffizienter Nutzungen Raum für neue, innovative Dienste zu schaffen und damit die Frequenznutzung effizient zu gestalten.157
151 Dazu F. Koller, Archiv PF 1979, 201 (202); J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2,1 (3). 1 52 Die Entscheidungen des ERC sind abrufbar unter http: //www.ero.dk/documentation/ docs / doccategory.asp?catid=l &catname=ECC / ERC / ECTRA%20Decisions. 153 Die Empfehlungen des ERC sind abrufbar unter http://www.ero.dk/documentation/ docs / doccategory.asp?catid=2&catname=ECC / ERC / ECTRA%20Recommendations. 154 Dazu F. Koller, Archiv PF 1979, 201 (202); J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2,1 (3). 155 Vgl. B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (776). 156 Ein solcher wird zur Zeit für das Frequenzband zwischen 29,7 MHz und 105 GHz erstellt. Die endgültige Fertigstellung und Umsetzung ist bis zum Jahre 2008 vorgesehen, wobei davon auszugehen ist, dass sich die Mitgliedstaaten auch vor der endgültigen Umsetzung um eine Einhaltung der bereits fertig gestellten Teile bemühen werden, vgl. dazu ERC, ERC Report 25. 157 Siehe ERC, ERC Report 53, S. 25. Siehe dazu auch Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S.51.
62
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Europäische Gemeinsame Vorschläge {European common Proposals, ECP) werden als europäische Vorschläge für die Weltfunkkonferenzen der ITU erarbeitet. Da die CEPT auf den Weltfunkkonferenzen selbst kein Stimmrecht hat, sondern lediglich den Status eines Beobachters, 158 ist das Einigsein der einzelnen, auf den Weltfunkkonferenzen der ITU stimmberechtigten Mitgliedstaaten der CEPT von enormer Bedeutung.
ΠΙ. Internationale Frequenzplanung durch die Europäische Union Neben den europaweiten Harmonisierungsmaßnahmen der CEPT gewinnt die inzwischen zu einem großen Teil bereits verrechtlichte Frequenzpolitik der Europäischen Union zunehmend an Bedeutung.159 Die Europäische Union ist an der strategischen Planung der Frequenznutzung in den EU-Mitgliedstaaten und - wegen der auf Grundlage der Ratsentschließungen vom 28. 6.1990 1 6 0 und 19.11.1992 161 verfahrensrechtlichen Verzahnung der Frequenzpolitik der Gemeinschaft mit den Frequenzplanungs- und Harmonisierungsmaßnahmen der CEPT - auch über den Kreis der EU-Mitgliedstaaten hinaus - beteiligt. 162 Zu beobachten ist, dass insbesondere auf europäischer Ebene auf die Herausforderungen von Globalisierung, Liberalisierung und Konvergenz 163 reagiert wird. 1 6 4 Zu erkennen ist eine stetig voranschreitende Verlagerung von Maßnahmen der Frequenzplanung und -harmonisierung von der nationalen auf die gemeinschaftsrechtliche Ebene. Am Ende der bisherigen Entwicklung der Frequenzpolitik der Europäischen Union stehen die Frequenzentscheidung165 und der neue Rechtsrahmen für Kom158 Β. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (777). 159 Siehe Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998), 596, Anhang Π. 1 60 Entschließung des Rates 90/C 166/02 vom 28. Juni 1990 zum Ausbau der europaweiten Zusammenarbeit im Bereich der Funkfrequenzen, insbesondere im Hinblick auf die Einführung europaweiter Dienste, ABl. EG C 166 vom 07. 07. 1990, S. 4 ff. Siehe auch schon Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes, KOM (1987) 290 und die Entschließung des Rates vom 30. Juni 1988 über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und -geräte bis 1992, ABl. EG Nr. C 257 vom 04. 10. 1988, S. 1 ff. 161
Entschließung des Rates 92/C 318/01 vom 19. November 1992 zur Anwendung der Beschlüsse des European Radiocommunications Committee in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. C 318 vom 04. 12. 1992, S. 1. 162 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596,4. Kapitel, S. 19 ff. 1 63 Allgemein zur Konvergenz siehe Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Konvergenz, KOM (1997) 623, S. 1 ff.; W Hoffmann-Riem /W. Schulz/T. Held, Konvergenz und Regulierung; K -Η. Ladeur, RTkom 1999, 68 ff.; D. Beese/J. Merkt, MMR 2000, 532 ff. 164 j. Scherer, K&R 1999, Beüage 2, 1 (2 f.).
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
munikationsnetze und -dienste mit seinen Vorgaben zur Frequenzverwaltung in der Rahmen- und Genehmigungsrichtlinie. 166 Der Weg der Frequenzpolitik auf dieser europäischen Ebene soll übersichtsartig nachgezeichnet werden. Dabei wird in einem ersten Abschnitt ein Überblick über die ursprüngliche Frequenzpolitik der Europäischen Union gegeben (dazu unter 1). In dieser Phase zeichnet sich die europäische Frequenzpolitik dadurch aus, dass ihr Schwerpunkt in der Kooperation mit der CEPT liegt und sie sich auf die Umsetzung einzelner Harmonisierungsmaßnahmen beschränkt, ohne dass ein eigenes Gesamtkonzept der Frequenzplanung und -Verwaltung besteht. Mit dem Grünbuch der Frequenzpolitik begann ein Wandel (dazu unter 2). Das Ziel einer eigenen Frequenzpolitik wurde immer konkreter. In diesem Zusammenhang wird nach den Ursachen und Gründen für den Konzeptwandel gefragt. Schließlich wird die aktuelle Neugestaltung der Frequenzpolitik und -planung der Europäischen Gemeinschaft in Form der Frequenzentscheidung und den Regelungen in der Rahmen- und Genehmigungsrichtlinie im Bereich der Frequenzverwaltung einschließlich der Vorgaben zur Frequenzzuteilung in den Blick genommen (dazu unter 3.
1. Die ursprüngliche Frequenzverwaltung
und -Zuteilung
Geprägt ist die erste Phase in der Entwicklung des Telekommunikationssektors vom generellen gemeinschaftsrechtlichen Privatisierungsbestreben, 167 dem durch spezielle Vorgaben für die Ausgestaltung der nationalen Telekommunikationsdiensteregelungen Ausdruck verliehen wurde. Zu nennen sind hier einerseits die Entschließungen des Rates vom 22. 7. 1993 168 , 22. 12. 1994 169 und 18. 9. 1995 170 165
S.o. Fn. 1 in der Einführung. S.o. Fn. 47 in der Einführung. 167 Die europäische Union begann schon 1984 in der Empfehlung des Rates 84/549/EWG vom 12. November 1984 betreffend die Durchführung der Harmonisierung auf dem Gebiet des Femmeldewesens, ABl. EG Nr. L 298 vom 16. 11. 1984, S. 49 f., mit den ersten Schritten im Telekommunikationssektor. Darauf folgte 1987 als Einleitung der eigentlichen Liberalisierungsphase das „Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte" vom 30. 06. 1987, KOM (1987) 290. Die ersten Maßnahmen wurden dann auf dem Endgerätesektor durch die Richtlinie 88/301 / EWG der Kommission vom 16. Mai 1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (ABl. EG Nr. L 131 vom 27. 05. 1988, S. 73) ergriffen, bevor die EG mit der Umsetzung des Ziels der Auflösung der staatlichen Monopole begann, vgl. zu dieser hier nur bedingt relevanten Entwicklung F. Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 1 Rn. 3 ff. 166
168 Entschließung des Rates vom 22. Juli 1993 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich, ABl. EG Nr. C 213 vom 06. 08. 1993, S. 1 ff. 169 Entschließung des Rates vom 22. Dezember 1994 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen, ABl. EG Nr. C 379 vom 31. 12. 1994, S. 4 f.
64
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
mit speziellen Vorgaben für das Netzmonopol und die Dienstleistungen. Geleitet waren diese Bestrebungen sowie die Richtlinien der „allgemeinen" Frequenzverwaltung von dem allgemeinen Kernziel, die staatliche Monopolwirtschaft zu beenden und durch sektorspezifische Regulierung 171 im Telekommunikationssektor einen dauerhaft selbsttragenden Wettbewerb zu erreichen. Diese erste Phase der Frequenzpolitik der Europäischen Union zeichnet sich im Weiteren dadurch aus, dass eine umfassende Frequenzplanung nicht statt fand. Zwar beinhaltete das sekundäre Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften für einzelne Funkanwendungen, die in Randbereichen auch die Frequenzplanung betrafen. Durch sie sollte sichergestellt werden, dass der Rahmen der Frequenzkoordinierung mit den Interessen und internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft übereinstimmte. Sofern die Frequenzentscheidungen der CEPT oder der ITU allerdings geeignet und effizient waren, sah die Gemeinschaft von eigenen, internen Maßnahmen ab.
a) Frequenzpolitik durch Kooperation mit der CEPT In der Entschließung172 aus dem Jahre 1990 formulierte der Rat der Europäischen Gemeinschaft als politisches Ziel der Frequenzverwaltung den „Ausbau der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Frequenzkoordinierung mit dem Ziel, entsprechend den Anforderungen des europäischen Marktes und unter Berücksichtigung des Bedarfs bestehender Dienste sowie unterschiedlicher Benutzerkategorien ein hinreichendes Frequenzspektrum für neue Dienste bereitzustellen". Diese Entschließung bildet neben einem zwischen dem ERC und der Europäischen Kommission vereinbarten Memorandum of Understanding die Grundlage für einen Informationsaustausch, die Koordinierung ihrer Aktivitäten im Bereich der Frequenzplanung und -harmonisierung und einer Kooperation in Form der Erledigung von ,Arbeitsaufträgen" der Kommission durch das ERC. 1 7 3 Im Zuge dieser Zusammenarbeit forderte der Rat der Europäischen Gemeinschaft seine Mitgliedstaaten zur aktiven Mitwirkung an der Ausarbeitung von ERC-Beschlüssen zur Förderung der Bereitstellung wichtiger europaweiter Funkdienste auf und ersuchte des Weiteren die Kommission, den Mechanismus der ERC-Beschlüsse als Grundlage für die Harmonisierung der Frequenznutzung für europaweite Funkdienste zu nut-
170 Entschließung des Rates vom 18. September 1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation, ABl. EG Nr. C 258 vom 03. 10. 1995, S. I f f . 171 Vgl. dazu U. Eilinghaus, CR 2004, S. 23 ff.; R. Klotz, ZWeR 2003, 283 (283 ff.). Siehe dazu auch unten im 2. Teil, 1. Kapitel, A.
™ Entschließung des Rates 90/C 166/02, s. o. Fn. 160 im 1. Teil, 2. Kapitel. 173 Z. B. die Harmonisierung der Nutzungsbedingungen für bestimmte Frequenzbänder. Siehe zum ganzen J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2, 1 (4). M Entschließung des Rates 92/C 318/01, s. o. Fn. 161 im 1. Teil, 2. Kapitel.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
65
Durch diese Kooperation und durch die auf europäischer Ebene bestehenden Regelungen - dazu sogleich - entstand ein institutionelles Netzwerk auf europäischer Ebene, dessen Tätigwerden nicht mehr nur auf Maßnahmen der Frequenzkoordinierung und -harmonisierung in Europa begrenzt war, sondern das sich zudem maßgeblich in die Entscheidungsvorbereitung und -findung im Rahmen der obersten Frequenzplanungsebene der ITU einbrachte. 175 Dementsprechend hat die Europäische Gemeinschaft bei der ITU einen Beobachterstatus und bei der CEPT den Sonderstatus eines Beraters.
b) Eigene frequenzverwaltungsrechtliche Maßnahmen aa) Maßnahmen zur Bereitstellung
neuer Dienste
Schwerpunktmäßig behandelte die ursprüngliche Frequenzpolitik der Europäischen Union die Harmonisierung der Frequenzzuweisung für die gemeinschaftsweite Bereitstellung bestimmter Dienste. Telekommunikationsrechtlich wurde dieses Ziel mittels unterschiedlicher Instrumente verwirklicht, nämlich durch Einsatz von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, von Entscheidungen des Europäischen Parlaments und des Rates sowie von (rechtlich nicht bindenden) Ratsentschließungen. Erfolgte die Einführung - wie z. B. bei den digitalen Diensten ERMES und GSM - durch eine Richtlinie, wurde den einzelnen Mitgliedstaaten aufgegeben, bestimmte Frequenzbänder für den jeweiligen Dienst mit entsprechenden Plänen für die Frequenznutzung bereitzustellen. 176 Im Gegensatz dazu wählte die Europäische Gemeinschaft für die Dienste PCS und UMTS ein anderes Verfahren: Mit Entscheidungen des Europäischen Parlaments und des Rates sind die Mitgliedstaaten verpflichtet worden, zu einem festgelegten Datum den jeweiligen Dienst einzuführen. 177 Die Harmonisierung der Frequenzen wurde dabei der CEPT belassen. Diese Vorgehensweise stellte die EU allerdings unter den Vorbehalt, dass sie selbst 175
Siehe hierzu Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Weltfunkkonferenz 1997, KOM (1997) 304. 176 Vgl. Richtlinie 87/372/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind, ABl. EG L 196 vom 17. 07. 1987, S. 85 f.; Richtlinie 90/544/EWG des Rates vom 9. Oktober 1990 über die Frequenzbänder für die koordinierte Einführung eines europaweiten terrestrischen öffentlichen Funkrufsystems in der Gemeinschaft, ABl. EG L 310 vom 09. 11. 1990, S. 28 f. 177 Vgl. Entscheidung Nr. 710/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. März 1997 über ein koordiniertes Genehmigungskonzept für satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 105 vom 23. 04. 1997, S. 4 ff.; Entscheidung Nr. 128/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 1998 über die koordinierte Einführung eines Drahtlos- und Mobilkommunikationssystems (UMTS) der dritten Generation in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 17 vom 22. 01.1999, S. I f f .
5 Bumke
66
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
weitere Maßnahmen ergreifen würde, wenn die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten oder die CEPT nicht zufriedenstellend ablaufen sollte. bb) Maßnahmen der „allgemeinen " Frequenzverwaltung (1) ONP
Für die Frequenzzuteilung hat die Europäische Union in mehreren Richtlinien Verfahrensregeln erlassen, die auf den für den Open Network Provision (ONP) 1 7 8 kennzeichnenden Grundsätzen der Offenheit des Zugangs zu knappen Ressourcen, der Objektivität der Entscheidungskriterien, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz der Zuteilungsverfahren beruhen. Art. 2 Nr. 8 der ONP-Rahmenrichtlinie sah vor, dass zu den gemeinschaftsweit zu harmonisierenden Bedingungen des offenen Netzzugangs auch gemeinschaftsrechtliche Regeln über den Zugang zu Frequenzen zählen könnten und verpflichtete die Mitgliedstaaten sicherzustellen, „dass für Telekommunikationsdienste im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Frequenzen verfügbar gemacht werden". 179 (2) Richtlinie 90/388/EWG Besondere Beachtung in der europäischen Entwicklung insbesondere im Hinblick auf die telekommunikationsrechtlichen Genehmigungsverfahren verdient die Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikation. 180 Erst mit der Änderung der Richtlinie 90/388/EWG durch die Mobilnetzrichtlinie 181 sowie durch die Richtlinie Vollständiger Wettbewerb 182 wurde sie für den terrestrischen Mobilfunk anwendbar. Sie gab vor, dass das Erbringen von Telekommunikationsdiensten nur von einer Allgemeingenehmigung oder einem Anmeldeverfahren abhängig zu machen sei. Diese Beschränkung betraf allerdings ausdrücklich nicht die Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze. Eine Begrenzung der Lizenzenanzahl setzte voraus, dass eine solche aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzspektrum notwendig würde. Nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie waren die Bedingungen für Lizenzierungsverfahren im Zu178 Zum ONP-Konzept siehe die Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision-ONP), ABl. EG Nr. L 192 vom 24. 07. 1990, S. 1 ff., die allerdings nicht mehr rechtskräftig ist. 179 Vgl. Richtlinie 97/51 / EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 06. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld, ABl. EG Nr. L 295 vom 29. 10. 1997, S. 23 ff., Anhang I, Ziff. 5. 180 Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 192 vom 24. 07.1990, S. 10 ff. 181 Richtlinie 9 6 / 2 / E G der Kommission vom 16. Januar 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile Kommunikation und Personal Communications, ABL EG Nr. L 20 vom 26. 01. 1996, S. 59. Siehe zur Umsetzung J. Scherer, NJW 1996,2953 (2954 Fn. 7).
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
67
sammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen oder der Errichtung und Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen objektiv, nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent zu gestalten. (3) Richtlinie 97/13/EG (Lizenzierungsrichtlinie) Grundregeln für die Frequenzzuteilung als Instrument der Frequenzverwaltung im Zusammenhang mit telekommunikationsrechtlichen Genehmigungsverfahren enthielt die Richtlinie über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (im Folgenden: Lizenzierungsrichtlinie).183 Nach Art. 1 Abs. 1 Lizenzierungsrichtlinie umfasste der Anwendungsbereich die Verfahren zur Genehmigungserteilung 184 für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten einschließlich Genehmigungen für die Errichtung und/oder den Betrieb von Telekommunikationsnetzen für die Erbringung derartiger Dienste und die an diese Genehmigungen geknüpften Auflagen. 185 Die Lizenzierungsrichtlinie differenzierte ebenso wie die Richtlinie 90/388/EWG zwischen Allgemeinund Einzelgenehmigungen.186 Nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 Lizenzierungsrichtlinie hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Telekommunikationsdienste und/oder Telekommunikationsnetze genehmigungsfrei oder aufgrund von Allgemeingenehmigungen bereitgestellt werden konnten. Einzelgenehmigungen durften gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 Lizenzierungsrichtlinie vorgesehen werden, wenn der Genehmigungsträger Zugang zu knappen Sachressourcen erhalten sollte, besonderen Verpflichtungen unterworfen war oder besondere Rechte genoss. Geregelt war die Erteilung von Einzelgenehmigungen in den Art. 7 - 1 1 Lizenzierungsrichtlinie. Zu den knappen Ressourcen zählten nach Art. 7 Abs. 1 a) Lizenzierungsrichtlinie auch Funkfrequenzen. 187 Art. 7 Abs. 2 Lizenzierungsricht182
Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, ABl. EG Nr. L 74 vom 22. 03. 1996, S. 13. Durch diese Richtlinie wurde die Freigabe des Sprachtelefondienstes und der Telekommunikationsinfrastrukturen bewirkt. 183 Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 117 vom 07. 05. 1997, S. 15 ff. 184 Vgl. die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 a)Lizenzierungsrichtlinie. 185 Vgl. zu den Auflagen bei Allgemeingenehmigungen Art. 4 Lizenzierungsrichtlinie und bei Einzelgenehmigungen Art. 8 Lizenzierungsrichtlinie. 186 Vgl. wiederum die Legaldefinitionen in Art. 2 Abs. 1 a)Lizenzierungsrichtlinie. 187
Zu den knappen Sachressourcen gehörten nach Art. 7 Abs. 1 a)Lizenzierungsrichtlinie des Weiteren „Nummern". Siehe dazu auch den Beschluss des BVerwG (MMR 2003,741 ff.), wonach Rufnummern im Ortsnetz als „knappe Ressourcen" im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 1 Lizenzierungsrichtlinie einzuordnen sind. Zu den Konsequenzen im Rahmen der Festlegung von Gebühren für die Zuteilung von Nummern siehe auch G. Nacimiento, K&R 2003, 582 (596 f.); 7. Scheren NJW 2003, 1004 (1013). 5*
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
68
linie eröffnete den Mitgliedstaaten ungeachtet des Abs. 1 die Möglichkeit, die Erbringung von öffentlich verfügbaren Sprachtelefondiensten und die Errichtung und Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und anderer Netze, bei denen Funkfrequenzen genutzt wurden, von der Erteilung von Einzelgenehmigungen abhängig zu machen. 188 Art. 9 Lizenzierungsrichtlinie regelte das Verfahren für die Erteilung von Einzelgenehmigungen.189 Die Genehmigungsverfahren mussten offen, nicht diskriminierend, transparent und für alle Antragsteller gleich sein, sofern kein objektiver Grund für eine Andersbehandlung bestand (Art. 9 Abs. 2 Spiegelstrich 1 Lizenzierungsrichtlinie). Die Genehmigungen waren innerhalb angemessener Fristen zu erteilen (Art. 9 Abs. 2 Spiegelstrich 2 Lizenzierungsrichtlinie). Gemäß Art. 9 Abs. 3 Lizenzierungsrichtlinie hatte jedes Unternehmen einen Anspruch auf Genehmigungserteilung, wenn es die in Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie beschlossenen und veröffentlichten Auflagen erfüllte und nicht die Anzahl der Einzelgenehmigungen im Sinne des Art. 10 Lizenzierungsrichtlinie zulässig beschränkt worden war. Entziehung, Änderung, zeitweilige Aufhebung oder Maßnahmeauferlegung zur Einhaltung ergangener Auflagen regelte Art. 9 Abs. 4 Lizenzierungsrichtlinie. Einschlägige Vorgaben für die Vergabe von Funkfrequenzen in einem Versteigerungsverfahren enthielten Art. 10 und 11 Lizenzierungsrichtlinie, wobei Art. 10 Lizenzierungsrichtlinie die Wahl und Ausgestaltung des Vergabeverfahrens betraf und Art. 11 Lizenzierungsrichtlinie sich mit den Kosten für Einzelgenehmigungen beschäftigte. (a) Wahl und Ausgestaltung des Vergabeverfahrens, Art. 10 Lizenzierungsrichtlinie Art. 10 Abs. 1 Lizenzierungsrichtlinie erlaubte den Mitgliedstaaten eine Beschränkung der Anzahl der Einzelgenehmigungen für jede Art von Telekommunikationsdiensten und für die Errichtung und / oder das Betreiben der Telekommunikationsinfrastruktur nur in dem Maße, wie dies zur Gewährleistung der effizienten Nutzung von Funkfrequenzen erforderlich war. Bei der Beschränkungsentscheidung hatte jeder Mitgliedstaat gemäß Art. 10 Abs. 2 Spiegelstrich 1 Lizenzierungsrichtlinie „in angemessener Weise" zu berücksichtigen, „dass der Nutzen für die Benutzer maximiert und die Entwicklung des Wettbewerbs gefördert werden muss". Nachdem den von einer Beschränkung Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungsnahme eingeräumt worden war, war die Beschränkungsentscheidung unter Angabe ihrer Gründe nach Art. 10 Abs. 2 Spiegelstrich 3 Lizenzierungsricht188
Diese Vorgaben hatte der deutsche Gesetzgeber in den §§6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 8 Abs. 5 und § 47 TKG-alt umgesetzt und damit von der Befugnis, Einzelgenehmigungen vorzusehen, in umfassender Weise Gebrauch gemacht. 189 Nach Art. 8 Lizenzierungsrichtlinie konnten Einzelgenehmigungen an die im Anhang der Richtlinie unter den Nummern 2 und 4 aufgeführten Auflagen geknüpft werden.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenz Verwaltung
69
linie zu veröffentlichen, wobei die von der Beschränkung Betroffenen wiederum die Möglichkeit zur Stellungnahme haben sollten (Art. 10 Abs. 2 Spiegelstrich 2 Lizenzierungsrichtlinie). Nach Art. 10 Abs. 3 Lizenzierungsrichtlinie erteilten die Mitgliedstaaten Einzelgenehmigungen, die ihrer Anzahl nach beschränkt worden waren, aufgrund von objektiven, nicht diskriminierenden, detaillierten, transparenten und verhältnismäßigen Auswahlkriterien. Ebenso wie schon bei der Beschränkungsentscheidung war auch in Bezug auf die Auswahlentscheidung gemäß Art. 10 Abs. 3 S. 2 Lizenzierungsrichtlinie stets in angemessener Weise zu berücksichtigen, dass die Entwicklung des Wettbewerbs gefördert und der Nutzen für die Bieter maximiert werden sollte. 190 (b) Kosten für Einzelgenehmigungen, Art. 11 Lizenzierungsrichtlinie Art. 11 Lizenzierungsrichtlinie enthielt Vorgaben für „Gebühren und Abgaben für Einzelgenehmigungen". Gemäß Art. 11 Abs. 1 Lizenzierungsrichtlinie hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass von den Unternehmen im Rahmen der Genehmigungsverfahren nur Gebühren erhoben wurden, die die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der jeweiligen Einzelgenehmigungen anfallenden Verwaltungskosten abdeckten, wobei die Gebühren für die Einzelgenehmigung einerseits in Relation zu dem damit verbundenen Aufwand stehen mussten und andererseits mit ausreichenden Einzelheiten in geeigneter Form zu veröffentlichen waren. Ungeachtet des Abs. 1 des Art 11 Lizenzierungsrichtlinie konnten die Mitgliedstaaten gemäß Art. 11 Abs. 2 Lizenzierungsrichtlinie „ihren nationalen Regulierungsbehörden für den Fall, dass auf knappe Ressourcen zurückgegriffen werden soll, gestatten, Abgaben zu erheben, „die die Notwendigkeit widerspiegeln, die optimale Nutzung dieser Ressourcen sicherzustellen". Diese durften nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 Lizenzierungsrichtlinie nicht diskriminieren und hatten die Entwicklung innovativer Dienste und den Wettbewerb zu fördern. 191
190
Die Beschränkung der Anzahl der Lizenzen war in § 10 TKG-alt richtlinienkonform umgesetzt worden, das Vergabeverfahren nach der Beschränkung der Anzahl der Lizenzen regelte § 11 TKG-alt. Die Regelung des § 11 Abs. 4 TKG-alt, die das Versteigerungsverfahren vorsah, deckt sich weitestgehend mit dem neuen § 61 Abs. 5 TKG. 191 Ob die im Auktionsverfahren entstehende Entgeltverpflichtung des obsiegenden Bieters im Einklang mit diesen Vorgaben stand, war hoch umstritten, siehe dazu R. Schütz/J.-P. Nüsken, MMR 1998, 523 (524); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (247 f.); C. Koenig, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (343); S Korioth. UMTS-Gutachten, S. 47 f.; O. Klöck, RTkom 2000, 280 (288 f.); J. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (167 f.), die die Vereinbarkeit annehmen. A.A. B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (883) und L. Grämlich, CR 2000, 101 (106), der den Versteigerungserlös nicht unter den Abgabenbegriff des Art. 11 Abs. 2 S. 2 Lizenzierungsrichtlinie fassen will.
70
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
(4) Nutzung von Funkgeräten Ergänzt wurden die Frequenzkoordinierungsmechanismen des Gemeinschaftsrechts durch Rechtsregeln, die den freien Verkehr von Funkgeräten in der Europäischen Gemeinschaft und die Einführung allgemeiner Rahmenbestimmungen für die Genehmigung der Nutzung von Funkgeräten gewährleisten sollten. 192 Hierdurch und durch die verfahrensrechtliche Verknüpfung von Frequenzharmonisierung und technischer Normung 193 sollte die Nutzung von Funkgeräten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglicht und damit zugleich Größenvorteile für die geräteherstellende Industrie geschaffen werden.
2. Prozess des Wandels a) Grünbuch der Frequenzpolitik Im Jahre 1998 begann die Europäische Gemeinschaft ihre Rolle in der europäischen Frequenzpolitik zu überdenken. Die Erwägungen fanden ihre Verkörperung im Ende des Jahres 1998 veröffentlichten Grünbuch zur Frequenzpolitik, 194 mit dem erstmals ein eigener gestaltender Beitrag zu dem entsprechenden Gebiet europäischer Wirtschaftslenkung geleistet wurde. Das Grünbuch sollte die öffentliche Diskussion zu der Frage einleiten, „ob die derzeitigen politischen und rechtlichen Grundlagen sowie die praktische Durchführung der Frequenzpolitik der Gemeinschaft angesichts der technologischen, marktwirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen anzupassen sind". 1 9 5 Damit wurde problematisiert, ob und gegebenenfalls wie die Europäische Union in die europäische Frequenzverwaltung durch eigene harmonisierende und regulatorische Maßnahmen eingreifen soll, oder ob der Status quo, wonach es auf der EU-Ebene allenfalls flankierende Maßnahmen zu den Frequenzverwaltungsentscheidungen von CEPT und ITU gab, beibehalten werden sollte. 196
192 Richtlinie 98/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 1998 über Telekommunikationsendeinrichtungen und Satellitenfunkanlagen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität, ABl. EG Nr. L 74 vom 12. 03. 1998, S. I f f . 193 Vgl. Entschließung des Rates 90/C 166/02, s. o. Fn. 160 im 1. Teil, 2. Kapitel, der zufolge die Europäische Gemeinschaft ETSI bei der Entwicklung von Normen unterstützen und CEPT auffordern kann, die erforderlichen Funkfrequenzen zu ermitteln und zu harmonisieren. 194
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596. 195 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 19 ff. 196 Siehe dazu Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 19 ff. (4. Kapitel unter (1) bis (3)).
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
71
b) (Politischer) Hintergrund und Handlungsbedarf Nach Ansicht der Europäischen Kommission sprachen mehrere Faktoren des Wandels dafür, ihr bisheriges Tätigwerden auf dem Gebiet der Koordinierung und Harmonisierung des Frequenzspektrums auf der Ebene der Gemeinschaft dahingehend einer Prüfung zu unterziehen, ob dieses den Interessen der Gemeinschaft noch in ausreichender Weise Rechnung tragen kann. Zweifel am bisherigen Konzept rührten aus dem Umstand, dass technologische Entwicklungen, Markttendenzen und -Integrationen sowie politische Entwicklungen in einer Weise miteinander verknüpft sind, dass dem Bereich der Frequenzplanung eine enorme Komplexität zuteil wird. Beobachtet wurde die immer stärker werdende Bedeutung des Frequenzspektrums als Eckpfeiler einer Vielzahl gewerblicher Tätigkeiten in Branchen wie Telekommunikation, Rundfunk, Verkehr, FuE und allgemeinrelevanter Dienste 197 mit der Folge, dass das Spektrum sowohl als Wirtschaftsgut als auch als Beschäftigungsfaktor von maßgebender Bedeutung eingeschätzt wurde. 198 Hinzu kam der stetig wachsende Anteil an kommerziellen frequenzabhängigen Anwendungen, die Globalisierung der Dienste und Marktteilnehmer ebenso wie die Konvergenz verschiedener frequenzabhängiger Dienste, 199 wodurch der Planung der Frequenznutzung und deren Allokation unter Berücksichtigung der jeweiligen Nutzerinteressen ein immer höherer Stellenwert beigemessen wurde. 200 aa) Ziel einer eigenen Frequenzpolitik Die Einsicht, dass der Planung der Frequenznutzung und -allokation unter Berücksichtigung der jeweiligen Nutzerinteressen aufgrund der Konvergenz frequenzabhängiger Dienste und des Ansteigens frequenzabhängiger kommerzieller Anwendungen hohe Bedeutung beizumessen ist, führte zu dem Streben der Gemeinschaft nach einer umfassenden eigenen, von der CEPT unabhängigen Frequenzpolitik. 201 Sie soll die rechtliche und politische Grundlage durch Koordinierung der politischen Ansätze und gegebenenfalls durch harmonisierte Bedingungen in den Politikbereichen Kommunikation, Rundfunk, Verkehr und FuE bilden, um die gemeinschaftsweite - aber auch weltweite 202 - Verfügbarkeit und effiziente Nutzung des Frequenzspektrums gewährleisten und sicherstellen zu können. 203 197
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (1998) 596, Zusammenfassung, S. I. 198 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (1998) 596, Zusammenfassung, S. I. 199 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (1998) 596, Zusammenfassung, S. I I f. 200 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (1998) 596, S. 11 ff. 201 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (1998) 596, S. 11 ff. 202 So dann Erwägungsgrund 2 der Frequenzentscheidung.
zur Frequenzpolitik, KOM zur Frequenzpolitik, KOM zur Frequenzpolitik, KOM zur Frequenzpolitik, KOM zur Frequenzpolitik, KOM
72
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Verfolgte Ziele waren zudem die Entwicklung neuer Dienste und Geräte durch Förderung technischer Innovationen und der Wettbewerbsfähigkeit sowohl auf dem europäischen Binnenmarkt als auch auf dem Weltmarkt. Damit wurden im weiteren Sinne die Entwicklung des Wirtschaftswachstums, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung des Gemeinwohls in den Blick genommen.204 Die Frequenzverwaltung der CEPT allein könne dies nicht mehr leisten, da sie sich bislang in erster Linie auf technische Erwägungen stützte und sozioökonomische wie insbesondere marktwirtschaftliche Kriterien, anhand derer objektive und transparente Beschlüsse über den Harmonisierungsbedarf gefasst werden könnΛ/tC
ΛΛίΓ
ten, außen vor ließ. Die technischen Vorschläge würden zudem bei der CEPT und der ITU /WRC in zunehmendem Maße von kommerziellen und politischen Lobbies beeinflusst. 207 Mit der erkannten Gemeinschaftsdimension der Frequenzverwaltung will die Europäische Gemeinschaft die Aktivitäten der internationalen Organisationen wie ITU und CEPT allerdings nicht ersetzen. Die Europäische Gemeinschaft erkennt, dass eine Frequenzplanung allein auf der EU-Ebene nicht sinnvoll und ausreichend ist. Das Bedürfnis der europaweiten Koordinierung durch die CEPT bleibe bestehen, um in diesem weiter gefassten Verband die effiziente Spektrumsnutzung sicherzustellen und Interferenzen durch die Anwendung in europäischen Staaten außerhalb der Europäischen Union auszuschließen.208 Der Bereich der Frequenzplanung soll vielmehr ergänzt werden, wobei Erfahrungen ebenso wie Fachwissen der CEPT und ITU umfassend genutzt werden sollen. 2 0 9 Zwar seien die Tätigkeiten der Frequenzverwaltung sehr technischer Art, die am besten so marktnah wie möglich durchzuführen seien, 210 trotzdem sei es 203 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 3. Vgl. auch Erwägungsgrund 2 der Frequenzentscheidung. 204 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, Zusammenfassung, S. I f. Vgl. auch Erwägungsgrund 2 der Frequenzentscheidung. 205 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, (1998) 596, S. 21. Vgl. auch Erwägungsgrund 8 der Frequenzentscheidung, der neben technischen Parametern die Berücksichtigung wirtschaftlicher, politischer, kultureller, gesundheitlicher und sozialer Überlegungen fordert. 206 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, (1998) 596, Zusammenfassung, S. ΠΙ; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, schlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 2 f. 207 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, (1998) 596, S. 20 f.
KOM
KOM Vor-
KOM
208 B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 146 f. 209 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 2 f.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z e r w a l t u n g 7 3
auch nötig, diese Tätigkeiten durch politische Gespräche über die Notwendigkeit gemeinsamer Ziele hinsichtlich der Harmonisierung der Frequenznutzung in relevanten Bereichen zu vervollständigen. 211 In Situationen, in denen Harmonisierungsmaßnahmen erforderlich würden, seien geeignete Verfahren nötig, um der CEPT Aufträge für die Ausarbeitung von Maßnahmen zur Frequenzharmonisierung in Europa und entsprechender Vorschläge für die ITU erteilen zu können. 212 Rechtssicherheit sei ebenfalls erforderlich, um die Durchführung vereinbarter Harmonisierungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten gewährleisten zu können 2 1 3 bb) Zuteilungsverfahren Das Grünbuch der Frequenzpolitik stellt darüber hinaus auch die Frage nach dem zur Gewährleistung effizienter Frequenznutzung und der harmonisierten Einführung europaweiter Dienste am besten geeigneten Zuteilungsverfahren. 214 Im Einzelnen bat die Kommission in diesem Zusammenhang um Stellungnahmen zu den Fragen, - ob man sich in der Europäischen Gemeinschaft auf das Frequenzzuteilungsverfahren einigen müsse, das die effiziente Nutzung der Frequenzen für verschiedene Dienstkategorien gewährleiste, - wie sich abweichende nationale Verfahren der Frequenzzuteilung auf europaweite Dienste auswirken würden, - welches Verfahren sich am besten zur Unterstützung europaweiter Dienste eigne und inwieweit es hierzu eines Gemeinschaftskonzeptes bedürfe und - wie sich Gebühren und Kosten der Verlagerung - mit denen der in einer Versteigerung zu zahlende Preis gemeint ist - auf die Entwicklung von Diensten und den Wettbewerb auswirken würden.
210 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 2 f. 211 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 3. 2,2 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 3. 213 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 3. Vgl. auch Erwägungsgrund 1 und 13 der Frequenzentscheidung sowie Art. 1 Abs. 2 b) Frequenzentscheidung. 214 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zur Frequenzpolitik, KOM (1998) 596, S. 22 ff.
74
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
c) Ergebnisse der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch der Frequenzpolitik aa) Ziel einer eigenen Frequenzpolitik Nach Durchführung der öffentlichen Anhörung sieht sich die Europäische Kommission im Ergebnis in ihrer Absicht einer eigenen europäischen Frequenzpolitik bestätigt. 215 Zwar hoben die meisten Stellungnahmen die Bedeutung der CEPT bei der europäischen Frequenzverwaltung und der Interessenvertretung bei multilateralen Verhandlungen hervor. 216 Vorteilhaft sei der Wirkungsbereich der Harmonisierungsmaßnahmen, der die Marktöffnung in Ländern außerhalb der EU ermöglicht. 217 Die Kommission reagierte darauf mit der Absicht einer engen Zusammenarbeit mit der CEPT. 218 Trotzdem sei es unerlässlich, frequenzpolitische Fragen auf Gemeinschaftsebene zu behandeln,219 womit die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens für die Frequenzpolitik in der Gemeinschaft begründet sei. 2 2 0 Erforderlich gehalten wird ferner die Gewährleistung der Verfügbarkeit von Informationen, um so Fragen beantworten zu können, in welchen Bereichen eine Harmonisierung der Frequenznutzung nötig sei und wie diese technisch durchführbar sei. Der angestrebte Rahmen der Frequenzpolitik sollte deshalb eine Veröffentlichung aller Informationen durch die Mitgliedstaaten über die Nutzung des Frequenzspektrums sicherstellen. 221 Die Entscheidung zur Frequenzpolitik soll auch dazu dienen, die Gemeinschaftsinteressen auf internationaler Ebene zu wahren. 222 bb) Zuteilungsverfahren Hinsichtlich des Komplexes der Zuteilungsverfahren brachte die öffentliche Anhörung das Ergebnis, dass die Frequenzzuteilung an Nutzer den lokalen und natio215
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, Zusammenfassung S. II, S. 11 ff. 216 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 4, 6. Vgl. auch Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, Rn. 2. 217 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, Rn. 2. 218 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, Ergebnisse der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch, KOM (1999) 538, S. 20 f. 219 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 16 f. 220 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 17 f. 221 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 18. 222 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 19 f.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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nalen Bedürfnissen entspreche und daher weiter auf nationaler Ebene vorzuneh• 223 men sei. Harmonisierungsmaßnahmen hinsichtlich Frequenzzuteilungsverfahren für das Angebot europaweiter Dienste seien nicht erforderlich, da Dienste nicht europaweit, sondern nur im »jeweiligen" Land lizenziert würden. 224 Des Weiteren konnte kein Konsens zu Preisfestsetzungsverfahren festgestellt werden. Im Gegensatz dazu bestand unter den Nutzern Einigkeit - was allerdings auch nicht anders zu erwarten war - , sich gegen Entgelte auszusprechen. Nicht grundsätzlich ausschließen wollten einige Nutzer Frequenzentgelte, sofern diese zur Förderung einer effizienteren Frequenznutzung eingesetzt würden. Ein Bedürfnis für die europaweite Koordinierung bei europäischen Diensten wird nur hinsichtlich einer Zeitpunktfestlegung für die Bereitstellung geeigneter Vergabeverfahren, für das verfügbare Mindestspektrum und für die Aufnahme der Dienste gesehen 2 2 5
3. Der Status Quo: Die Frequenzentscheidung und die Vorgaben des neuen Rechtsrahmens für Kommunikationsnetze und -dienste Seinen bisherigen Abschluss fand der beschriebene Prozess des Wandels in der Frequenzentscheidung226 und in den Vorgaben des neuen Rechtsrahmens für Kommunikationsnetze und -dienste, 227 deren Gegenstände auch die Frequenzverwaltung und Frequenzzuteilung sind.
a) Frequenzentscheidung Mit der unter Berücksichtigung der Ergebnisse der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch der Frequenzpolitik von der Kommission erarbeiteten Frequenzentscheidung sollte ein politischer und technologieneutraler rechtlicher Rahmen geschaffen werden, um die Koordinierung der politischen Ansätze und harmonisierten Bedingungen im Hinblick auf die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Funkfre223 Siehe dazu und zum Folgenden Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Frequenzpolitik: die nächsten Schritte, KOM (1999) 538, S. 5. 224 Vgl. aus deutscher Sicht Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, Rn. 29. 225 Vgl. aus deutscher Sicht Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, Rn. 24. 226 S.o. Fn. 1 in der Einführung. Nach Art. 11 Frequenzentscheidung trat die Entscheidung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - also am 24. 04. 2002 - in Kraft. 227 S.o. Fn. 47 in der Einführung.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
quenzspektrums gewährleisten zu können. 228 Die Frequenzentscheidung soll die politischen Entscheidungen über die strategische Planung und Harmonisierung der Frequenznutzung erleichtern. 229 Durch die Frequenzentscheidung werde es nun möglich, den Mitgliedstaaten die Umsetzung politischer Einigungen über Harmonisierungsmaßnahmen grundsätzlich in einer für sie rechtsverbindlichen Weise aufzuerlegen. 230 Ferner soll der erarbeitete Rahmen der Kommission erlauben, mehr als bisher auf die konkrete Arbeit der CEPT einzuwirken. Im Gegensatz zu der bisherigen Situation, die dadurch gekennzeichnet war, dass die Frequenzvergabe ausschließlich in Drittgremien wie der ITU oder der CEPT beraten wurde, wird es nun möglich, einen durch vorherige Abstimmung auf der europäischen Ebene gebildeten gemeinsamen europäischen Standpunkt bei der Frequenzvergabe auf der Ebene der ITU zu vertreten. aa) Allgemeines Verfahren für den Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen Die Frequenzentscheidung selbst enthält allerdings keine unmittelbaren Harmonisierungsmaßnahmen, sondern gibt lediglich ein allgemein gültiges Verfahren vor, nach dem Harmonisierungsmaßnahmen erlassen werden sollen. Sie steckt nur den organisations- und verfahrensrechtlichen Rahmen für eine zukünftige europäische Frequenzpolitik ab, so dass ein direkter Umsetzungsbedarf in nationale Regelun231
gen gering war. Das Verfahren für den Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen sieht die Unterstützung der Kommission durch den Funkfrequenzausschuss vor, 2 3 2 der mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt ist. 2 3 3 Durch ihn soll sichergestellt werden, dass auch die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten in die Harmonierungsentscheidungen einfließen können, was zu deren politischer Akzeptanz beitragen dürfte. Die Funktionen des Ausschusses bestimmt Art. 4 Frequenzentscheidung. Abhängig vom Inhalt der beabsichtigten Harmonisierungsmaßnahme kommt entweder das reine Beratungsverfahren (Art. 4 Abs. 2 Frequenzentscheidung, Art. 3 des Rats228 Vgl. Art. 1 Frequenzentscheidung. Siehe zu den weiteren Zielen J. Scherer, K&R 2002, 385 (397). 229 Art. 1 Abs. 2 a)Frequenzentscheidung. 230 So die Begründung zum Vorschlag der Kommission vom 12. Juli 2000, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung über einen Rechtsrahmen für die Frequenzpolitik, KOM (2000) 407, S. 5. 231 Zu beachten sind lediglich die Informations- und VeröffentlichungsVerpflichtungen aus Art. 5 und 6 Frequenzentscheidung, die (auch) ohne Umsetzungsmaßnahmen verbindlich sind. 232 Art. 3 Abs. 1 Frequenzentscheidung. 233 Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (1999 7468/EG), ABl. EG Nr. L 184 vom 17. 7. 1999, S. 23 ff.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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beschlusses 1999/468/EG) oder das Regelungsverfahren (Art. 4 Abs. 3, 4 und 6 Frequenzentscheidung, Art. 5 des Ratsbeschlusses 1999/468/EG) zur Anwendung. Das Regelungsverfahren ermöglicht es der Kommission - allerdings nur in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten 234 - diese zur Umsetzung der erarbeiteten Harmonisierungsvorgaben entweder auf der Grundlage der von der CEPT durchgeführten Arbeiten (Art. 4 Abs. 3 Frequenzentscheidung) oder - falls die Arbeiten der CEPT angesichts eines festgelegten Zeitplans keine zufrieden stellenden Fortschritte machen oder nicht annehmbar sind (Art. 4 Abs. 4 Frequenzentscheidung) durch das Ergreifen eigener Maßnahmen zu verpflichten. 235 Bei unterschiedlichen Auffassungen der Kommission und des Ausschusses ist es letzterem möglich, die Vorlage der beabsichtigten Maßnahme an den Rat zu erzwingen, der dann über das Inkrafttreten der jeweiligen Maßnahme entscheidet. Zur Umsetzung der Frequenzentscheidung hat die Kommission eine Gruppe für Frequenzpolitik 236 und eine Gruppe Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste 237 eingerichtet. Die Gruppe für Frequenzpolitik setzt sich aus Vertretern je eines Mitgliedstaates und der Kommission zusammen. Sie soll die Kommission in frequenzpolitischen Fragen wie der Verfügbarkeit von Frequenzen und der Harmonisierung und Zuweisung von Frequenzen unterstützen und beraten. Dazu soll die Gruppe umfassende und frühzeitige Konsultationen mit Marktbeteiligten, Verbrauchern und Endnutzern auf offene und transparente Weise durchführen. Die Gruppe Europäischer Regulierungsstellen setzt sich aus den Leitern der nationalen Regulierungsbehörden und der Kommission zusammen. Sie soll eine Schnittstelle zwischen den nationalen Regulierungsstellen und der Kommission bilden, um zur einheitlichen Anwendung des neuen Rechtsrahmens beizutragen. bb) Zuteilungsverfahren Stellt man nun erneut die Frage nach einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Zuteilungsverfahren, findet das in der Frequenzentscheidung vorgesehene Harmonisierungsverfahren keine Anwendung. Zwar spricht die Frequenzentscheidung von Verfahren für Umsetzungsmaßnahmen, die harmonisierte Bedingungen für die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Frequenzspektrums betreffen. 238 Zu 234
Erforderlich ist im Regelungsverfahren gemäß Art. 5 Abs. 6, Art. 6 c) S. 2 des Beschlusses 1999/468/EG eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen der Mitgliedstaaten. 23 5 Siehe zum Verfahren ausführlicher 7. Scherer, K&R 2002, 385 (397 f.). 236 Beschluss der Kommission 2002/622/EG vom 26. Juli 2002 zur Einrichtung einer Gruppe für Frequenzpolitik, ABl. EG Nr. L 198 vom 27. 7. 2002, S. 49 ff. 237 Beschluss der Kommission 2002/627/EG vom 29. Juli 2002 zur Einrichtung der Gruppe Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. EG Nr. L 200 vom 30. 07. 2002, S. 38 ff. 238 Vgl. z. B. Art. 4 Abs. 1 Frequenzentscheidung, Erwägungsgrund 4 der Frequenzentscheidung.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
einer effizienten Nutzung könnte man auch die Zuteilung von Frequenzen in gemeinschaftsweit einheitlichen Verteilungsverfahren zählen. Davon geht auch Scherer - allerdings ohne Problematisierung - aus, indem er in der Frequenzentscheidung auch den rechtlichen Rahmen für eine Harmonisierung von Zuteilungskonzepten sieht. 239 Dem steht jedoch Erwägungsgrund 11 der Frequenzentscheidung entgegen. Danach umfasst die technische Verwaltung des Frequenzspektrums weder Zuteilungsund Genehmigungsverfahren noch die Entscheidung, ob bei der Zuteilung von Frequenzen wettbewerbsorientierte Auswahlverfahren heranzuziehen sind. Dies scheint nur auf den ersten Blick nicht verständlich; war doch im Grünbuch und auch in den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch auch diese Frage behandelt worden und Handlungsbedarf angedeutet worden. Macht man sich nun allerdings den Unterschied zwischen Zuweisung und Zuteilung klar, ist es durchaus einleuchtend, dass die Frequenzentscheidung Fragen der Zuweisung und nicht der Zuteilung behandelt. Vorgaben für die Zuteilung enthält die Genehmigungsrichtlinie als Teil des neuen Rechtsrahmens für Kommunikationsnetze und -dienste. 240 Sie beinhaltet lediglich Vorgaben für die Umsetzung der Mitgliedstaaten, in deren Zuständigkeit die Zuteilung verbleibt, und sieht keine eigenen Maßnahmen vor. Damit verbleibt den Mitgliedstaaten hinreichende Flexibilität, um auf nationale, regionale und lokale Erfordernisse zu reagieren. Im Hinblick auf gemeinschaftsweit einheitliche Genehmigungskonzepte enthält allerdings Art. 8 Genehmigungsrichtlinie eine einschlägige Vorgabe. 241 Die klare Trennung von Zuweisung und Zuteilung durch die Wahl unterschiedlicher Rechtsakte - der Frequenzentscheidung für die Zuweisung und die Genehmigungsrichtlinie für die Zuteilung - ist damit nur konsequent.
b) Der neue Rechtsrahmen für Kommunikationsnetze und -dienste Aufbauend auf den ersten Liberalisierungsabschnitt im Telekommunikationssektor soll der neue gemeinschaftsrechtliche Rechtsrahmen für Kommunikationsnetze und -dienste 242 den Wettbewerb in allen Marktsegmenten verstärken, indem die Regulierung in dem Maße zurückgenommen wird, wie der Wettbewerb auf den einzelnen Märkten bereits funktioniert. Zu diesem Zwecke schafft das Richtlinienpaket einen einheitlichen und vereinfachten Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. 243 Der harmonisierte Regulierungsrahmen 239 J, Scheren K&R 2002, 329 (332). 240
S.o. Fn. 47 in der Einführung. Siehe dazu sogleich unter D.III.3.c)bb). 242 S.o. Fn. 47 in der Einführung. 243 Siehe dazu Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommunikationsbericht 1999, KOM (1999) 539, S. 4 (19 f.); J. Scherer, K&R 2002, 273 (274 ff.). 241
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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trägt der „Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien" Rechnung, indem er auf die technischen Gegebenheiten, über die die Kommunikationsdienste erbracht werden, keine Rücksicht nimmt. 2 4 4 Die grundsätzlich bestehenden technischen Grenzen zwischen den verschiedenen Kommunikationsangeboten (technische Konvergenz) sind aufgehoben worden. 245 Sowohl die Rahmen- als auch die Genehmigungsrichtlinie enthalten Vorgaben für die Frequenzverwaltung und -Zuteilung. Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste 246 hat für das Reformpaket fundamentale Bedeutung, da sie den Anwendungsbereich des Richtlinienpakets definiert, Begriffsdefinitionen und Schlüsselbegriffe enthält und allgemeine Grundsätze und Ziele der Regulierung aufstellt. 247 Durch ihre inhaltlichen, Verfahrens- und organisationsrechtlichen Voraussetzungen wird eine gemeinschaftsweite harmonisierte Anwendung des europäischen Rechtsrahmens angestrebt. 248 Ferner bezweckt sie die flexiblere Zuordnung von sektorspezifischer Regulierung einerseits und dem Einsatz der Instrumente des nationalen und gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts andererseits. 249 Schließlich erleichtert sie die Einführung ökonomischer Instrumente durch die Mitgliedstaaten, ohne dabei das gemeinschaftliche Harmonisierungskonzept aufzugeben. 250 Für den Bereich der 244
Vgl. Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie. Siehe zum Ziel der Konvergenz und dem nötigen Regulierungsumfang auch D. Beese/J. Merkt, MMR 2000, 532 ff.; J. Scherer, Die Überprüfung des europäischen Telekommunikationsrechts, S. 20 ff.; 7. Scherer, K&R 2002, 273 (274); U. Immenga/C Kirchner, TKMR 2002, 340 (344). Gleichwohl zielt das Richtlinienpaket nicht auf Aufhebung inhaltlicher Grenzen, denn die zu transportierenden Inhalte sind weitestgehend vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgeschlossen, vgl. Art. 2 c) Rahmenrichtlinie: „ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben" als negative Abgrenzung des Anwendungsbereichs, siehe dazu R. Klotz, ZWeR 2003, 283 (291); R. Schütz/T. Attendorn/A. König, Elektronische Kommunikation, Rn. 44 ff. Beachte aber Art. 8 Abs. 1 Rahmenrichtlinie, wo neben der Gewährleistung einer technologieneutralen Regulierung auch die „Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und des Pluralismus der Medien" als Soll-Ziel der Regulierung ausgestaltet ist. Zu möglichen Schnittstellen zwischen „Infrastrukturregelungen" und „Inhalteregelungen" siehe J. Scherer, K&R 2002, 273 (274). 24 6 S.o. Fn. 47 in der Einführung. 245
247 Zu den Regelungsgegenständen der Rahmenrichtlinie siehe J. Scherer, K&R 2002, 273 (275, 276 ff.). 248 Vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 Rahmenrichtlinie. Vgl. auch Erwägungsgrund 16 der Rahmenrichtlinie; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommunikationsbericht 1999, KOM (1999) 539, S. 16, 59 ff.; J. Scherer, K&R 2002, 273 (275). 249
Vgl. Erwägungsgrund 25 und 27 der Rahmenrichtlinie. Siehe auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommunikationsbericht 1999, KOM (1999) 539, S. 14,57 ff.; J. Scherer, Die Überprüfung des europäischen Telekommunikationsrechts, S. 44 ff.; J. Seherer, K&R 2002,273 (275). Siehe dazu auch U. Eilinghaus, CR 2004, 23 ff. 2 50 C. Franzius, EuR 2002,660 (665).
80
1. Teil: Gndannahmen und Rahmenbedingungen
Frequenznutzung enthält die Rahmenrichtlinie auch Vorgaben zur Frequenzverwaltung, deren konkretere Ausgestaltung in der Genehmigungsrichtlinie zu finden ist251 Die Genehmigungsrichtlinie zielt speziell auf die Harmonisierung und Vereinfachung des Genehmigungsregimes, u m einen Binnenmarkt zu schaffen, der die freie Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste in der E U gewährleistet. 2 5 2 Sie hat die Vorgaben der Lizenzierungsrichtlinie a b g e l ö s t 2 5 3 aa) Anwendungsbereich Der bisherige Anwendungsbereich des europäischen Telekommunikationsrechts war durch die Begriffe „öffentliches Telekommunikationsnetz" und „Telekommunikationsdienst" definiert. 2 5 4 Die Rahmenrichtlinie erweitert den materiellen Anwendungsbereich und erfasst die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste (vgl. Art. 1 Abs. 1 Rahmenrichtlinie).
251
Siehe dazu unten in diesem Kapitel, D.III.3.d). Vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 S. 1 Genehmigungsrichtlinie. Siehe zu Umsetzungsdefiziten der Lizenzierungsrichtlinie, die durch die neue Genehmigungsrichtlinie behoben werden sollen, J. Scherer, Die Überprüfung des europäischen Telekommunikationsrechts, S. 13. Zu den Regelungsgegenständen der Genehmigungsrichtlinie siehe J. Scherer, K&R 2002,273 (275); J. Scherer, K&R 2002, 329 (329 ff.). 252
253
Die Lizenzierungsrichtlinie ist mit Ablauf der 15-monatigen Umsetzungsfrist gemäß Art. 26 der Rahmenrichtlinie aufgehoben worden. 2 54 Vgl. die Legaldefinitionen in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/388/EWG, in der Fassung der Richtlinie 96 /19 / EG und in Art. 2 Nr. 3 und 4 der Richtlinie 90 / 387 / EWG. 255 Gemeint sind gemäß Art. 2 c) Rahmenrichtlinie „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen". Damit erlangt der Transportcharakter der Dienstleistung unabhängig von der sie erbringenden Infrastruktur entscheidende Bedeutung. 25 * Gemäß der Definition des Art. 2 a) Rahmenrichtlinie sind elektronische Kommunikationsnetze alle „Übertragungssysteme und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitige Ressourcen, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische oder andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen ( . . . ) , unabhängig von der Art der übertragenen Informationen". Erfasst werden aufgrund der nicht abschließenden und damit zukunftsoffenen Aufzählung sämtliche Kommunikationsnetze. Vgl. dazu J. Scherer, K&R 2002,273 (276); R. Klotz, K&R 2003, Beilage 1, 3 (3). 257 Unter zugehörige Einrichtungen fallen gemäß Art. 2 e) Rahmenrichtlinie alle mit einem elektronischen Kommunikationsnetz und/oder -dienst „verbundenen Einrichtungen, die die Bereitstellung von Diensten" hierüber „ermöglichen und/oder unterstützen". Vgl. auch Art. 2 a) Zugangsrichtlinie, der u. a. als Zugangsobjekte physische Infrastrukturen, einschlägige Softwaresysteme wie elektronische Programmfiihrer nennt.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung bb) Regulierungsziele,
81
Art. 8 Rahmenrichtlinie
Art. 8 Rahmenrichtlinie legt nun erstmals i n umfassender Weise die Regulierungsziele nieder, die i n den Einzelrichtlinien konkretisiert und spezifiziert werd e n . 2 5 8 Nach Art. 8 Abs. 1 Rahmenrichtlinie sind die nationalen Regulierungsbehörden zur Umsetzung und Verwirklichung der Regulierungsziele angehalten, die geeigneten Maßnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. 2 5 9 Für die Abwägung bei Zielkonflikten und deren Auflösung haben sich die nationalen Regulierungsbehörden an den unterschiedlichen Verpflichtungsgraden der Regulierungsziele zu orientieren, die sich aus den unterschiedlichen Vorgaben hinsichtlich der Zielerreichung ergeben („sicherstellen", „gewährleisten", „fordern", „unterstützen", „beitragen", „berücksichtigen"). Eingeteilt sind die Regulierungsziele in die Obergruppen Wettbewerbsforderung (Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie) 2 6 0 , Entwicklung des Binnenmarktes (Art. 8 Abs. 3 Rahmenrichtlinie) 2 6 1 und Interessenförderung der EU-Bürger (Art. 8 Abs. 4 Rahmenrichtlinie). 2 6 2 Durch weitere Differenzierungen in (nicht abschließende) Unterziele werden die Obergruppen konkreter umschrieben und ausgestaltet. 258
Vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 Zugangsrichtlinie, Art. 1 Abs. 1 S. 2 Universaldienstrichtlinie und Art. 1 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie. 259 Vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Regulierungsgrundsatz W. Wegmann, K&R 2003, Beilage 1,21 (23). 260 Das Ziel der Wettbewerbsforderung umfasst unter anderem, dass die nationalen Regulierungsbehörden sicherzustellen haben, dass die Nutzer, einschließlich behinderter Nutzer, größtmögliche Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität genießen können (Art. 8 Abs. 2 a) Rahmenrichtlinie). Im Weiteren haben sie zu gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt (Art. 8 Abs. 2 b) Rahmenrichtlinie). Zudem ist fiir eine effiziente Nutzung der Funkfrequenzen und der Nummerierungsressourcen zu sorgen und deren effiziente Verwaltung sicherzustellen (Art. 8 Abs. 2 d) Rahmenrichtlinie). Effiziente Infrastruktureinrichtungen sind zu fördern und die Innovation zu unterstützen (Art. 8 Abs. 2 c) Rahmenrichtlinie). Deutlich wird anhand dieses Regulierungsziels, dass die ursprüngliche Struktur, die ausschließlich auf die Wettbewerbsförderung in Netzen abzielte, auf den Netzwettbewerb erweitert worden ist, vgl. dazu U; Immenga/C Kirchner, TKMR 2002, 340 (343,347). 261 Zur Entwicklung des Binnenmarktes tragen die nationalen Regulierungsbehörden durch den Abbau noch bestehender Hindemisse hinsichtlich Kommunikationsnetzen und -diensten auf europäischer Ebene (Art. 8 Abs. 3 a) Rahmenrichtlinie) durch Förderung des Aufbaus und der Entwicklung transeuropäischer Netze und der Interoperabilität europaweiter Dienste sowie der durchgehenden Konnektivität (Art. 8 Abs. 3 b) Rahmenrichtlinie), durch die Gewährleistung einer nicht diskriminierenden Behandlung (Art. 8 Abs. 3 c) Rahmenrichtlinie) und durch eine mit den jeweils anderen Regulierungsbehörden und der Kommission transparenten Zusammenarbeit mit dem Ziel einer einheitlichen Regulierungspraxis und Richtlinienanwendung (Art. 8 Abs. 3 d) Rahmenrichtlinie) bei. 262 Die Interessenförderung der EU-Bürger umfasst neben dem Zugang zum Universaldienst (Art. 8 Abs. 4 a) Rahmenrichtlinie) den Verbraucherschutz (Art. 8 Abs. 4 b) Rahmenrichtlinie), ein hohes Datenschutzniveau (Art. 8 Abs. 4 c) Rahmenrichtlinie), klare Informationen in Form transparenter Tarife und Nutzungsbedingungen bei öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten (Art. 8 Abs. 4 d) Rahmenrichtlinie), die Berücksichtigung der Bedürfnisse bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie insbesondere behinderter Nutzer (Art. 8
6 Bumke
82
1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen c) Reform der Regulierung: Frequenzverwaltung
aa) Verwaltung fiir Funkfrequenzen, Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Rahmenrichtlinie Art. 9 Rahmenrichtlinie stellt Grundsätze für die Verwaltung von Funkfrequenzen durch die nationalen Regulierungsbehörden auf. Die nationale Frequenzverwaltung hat sich, wie sich aus dem expliziten Verweis i n Art. 9 Abs. 1 S. 1 Rahmenrichtlinie auf Art. 8 Rahmenrichtlinie ergibt, an den Regulierungszielen auszurichten. Frequenzzuweisung und -Zuteilung erfolgen nach Art. 9 Abs. 1 S. 2 Rahmenrichtlinie anhand objektiver, transparenter, nicht diskriminierender und angemessener Kriterien. Ebenso waren die Kriterien bereits i n den Vorgaben des Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 9 0 / 3 8 8 / E W G i.d.F. der Richtlinie 9 6 / 1 9 / E G und Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 9 7 / 1 3 / E G strukturiert, so dass der Maßstab unverändert geblieben i s t . 2 6 3 Zur Gewährleistung eines effektiven und effizienten Einsatzes der Frequenzen i m Einklang mit der Frequenzentscheidung wird den Mitgliedstaaten in Art. 9 Abs. 2 Rahmenrichtlinie auferlegt, die Harmonisierung der Frequenznutzung zu fördern. Abs. 4 e) Rahmenrichtlinie) und die Gewährleistung der Integrität und Sicherheit der öffentlichen Kommunikationsnetze (Art. 8 Abs. 4 f) Rahmenrichtlinie). 263 Die Wettbewerbsrichtlinie 90/388/EG, s. o. Fn. 110 im 1. Teil, 2. Kapitel, wird vom neuen europäischen Richtlinienpaket nicht erfasst. Sie wurde jedoch bereits durch die Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. EG Nr. L 249 vom 17. 09. 2002, S. 21 ff., abgelöst. Die neue Wettbewerbsrichtlinie legt den Mitgliedstaaten im Verhältnis zur Richtlinie 90/388/EWG im Bereich der Frequenznutzung keine weitergehenden Verpflichtungen auf. Aufgehoben wurden inzwischen veraltete Bestimmungen. Sie bündelt und konsolidiert vielmehr die verschiedenen Liberalisierungsrichtlinien (Richtlinie 90/388/EWG; Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom 13. Oktober 1994 zur Änderung der Richtlinien 88/301/EWG und 90/388/EWG, insbesondere betreffend die SatellitenKommunikation, ABl. EG Nr. L 268 vom 19. 10. 1994, S. 15 ff.; Richtlinie 95/51 /EG der Kommission vom 18. Oktober 1995 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Aufhebung der Einschränkungen bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen für die Erbringung bereits liberalisierter Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 256 vom 26.10. 1995, S. 49 ff.; Richtlinie 9 6 / 2 / E G der Kommission vom 16. Januar 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile Kommunikation und Personal Communications, ABl. EG Nr. L 20 vom 26. 1. 1996, S. 59 ff.; Richtlinie 96/ 19/EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, ABl. EG Nr. L 74 vom 22. 3. 1996, S. 13 ff.; Richtlinie 1999/64/EG der Kommission vom 23. Juni 1999 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG im Hinblick auf die Organisation ein- und demselben Betreiber gehörender Telekommunikations- und Kabelfernsehnetze in rechtlich getrennten Einheiten, ABl. EG Nr. L 175 vom 10. 7. 1999, S. 39 ff.) in einem einheitlichen Rechtsakt. Die verwendeten Begriffe wurden dem neuen Rechtsrahmen angepasst. Die Vorgaben für Frequenznutzungsrechte sind in Art. 4 der Richtlinie zu finden. Vgl. zur neuen Wettbewerbsrichtlinie K.-H. Ladeur, K&R 2003, 153 (153 ff.); R. Schütz/T. Attendorn/A. König, Elektronische Kommunikation, Rn. 8.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzverwaltung
bb) Harmonisierte
Frequenzzuteilung,
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Art. 8 Genehmigungsrichtlinie
Das in der Frequenzentscheidung niedergelegte Frequenzharmonierungsziel wird erneut in Art. 8 Genehmigungsrichtlinie aufgegriffen. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet - sofern im Einklang mit internationalen Vereinbarungen und den Gemeinschaftsregeln die Nutzung von Funkfrequenzen harmonisiert, Vereinbarungen über die Zugangsbedingungen und -verfahren getroffen, und Unternehmen, denen die Funkfrequenzen zugeteilt werden sollen, ausgewählt wurden das Nutzungsrecht der betreffenden Funkfrequenz zuzuteilen, ohne dies von weiteren Bedingungen, Kriterien oder Verfahren abhängig zu machen, „welche die korrekte Durchführung der gemeinsamen Zuteilung dieser Funkfrequenzen einschränken, verändern oder verzögern würden". 264 Im Gegensatz zur Frequenzentscheidung, die ein einheitliches Verfahren für Harmonisierungsmaßnahmen bereitstellt und damit versucht, dem Harmonisierungsziel über formelle, prozedurale Elemente beizukommen, beinhaltet Art. 8 Genehmigungsrichtlinie einen materiellen Maßstab. Damit soll gewährleistet werden, dass die jeweils erarbeitete Harmonisierungsmaßnahme nicht im Wege von grundsätzlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegenden Maßnahmen ausgehebelt werden kann. Hat die Europäische Union einem bestimmten Bereich zu Harmonisierungszwecken an sich gezogen,265 ist der materielle Entscheidungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten 266 nach Art. 8 Genehmigungsrichtlinie begrenzt. 267 Die Bestimmung dient der gemeinschaftsweiten Einführung von frequenzabhängigen Netzen und Diensten. Mit ihr ist in geeigneten Fällen die Grundlage für die Umsetzung gemeinschaftsweit koordinierter Genehmigungskonzepte geschaffen worden. Diese könnten auch die Entscheidung über das jeweils anzuwendende konkrete Zuteilungsverfahren mit dem Ziel einer einheitlichen Vergabe aufgreifen, um so ein gemeinschaftsweites Nebeneinander unterschiedlichster Vergabeverfahren - wie bei der UMTS-Versteigerung - auszuschließen.268 An dieser Stelle nimmt also der bereits im Grünbuch der Frequenzpolitik angesprochene Gedanke der europaweiten Vereinheitlichung der Frequenzvergabeverfahren Gestalt an, der im Übrigen auch schon für das im „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste" 269 niedergelegte Verfahren 2 7 0 bestimmend war. 264
Art. 8 S. 2 Genehmigungsrichtlinie. Dies könnte ζ. B. auch eine Vergabe von Frequenzen desselben Standards in den Mitgliedstaaten in einem europaweit einheitlichen Versteigerungsverfahren umfassen. 266 Einfluss haben diese aber weiterhin über ihre Vertreter im Funkfrequenzausschuss, s. o. unter D.ni.3.a)aa). 267 Vgl. auch Erwägungsgrund 24 der Genehmigungsrichtlinie. 265
268 Hierzu C. Koenig/J. Kühling, MMR 2001, 80 (84). 269 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, KOM (2000), 393. *
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
d) Reform der Regulierung: Frequenzzuteilung Vorgaben für die Frequenzzuteilung finden sich in der Genehmigungsrichtlinie, die mit der Novellierung des TKG 2004 in nationales Recht umgesetzt wurden. 271 aa) Vorrang des Allgemeingenehmigungsregimes Die Genehmigungsrichtlinie vollzieht im Gegensatz zur Lizenzierungsrichtlinie einen Systemwechsel, da sie als Grundsatz das Allgemeingenehmigungsregime bindend vorgibt. Schon die Lizenzierungsrichtlinie statuierte zwar einen grundsätzlichen Vorrang der Allgemeingenehmigung, allerdings eben noch nicht verpflichtend. Die (meisten) Mitgliedstaaten nutzten den bestehenden Spielraum aus, indem sie in der Umsetzung die Einzellizenz als Regelfall vorsahen, so dass der Marktzutritt über das Instrument der Einzelgenehmigung gesteuert wurde, 272 was nicht selten als Marktzutrittshemmnis empfunden wurde. 273 (1) Regelungsinhalt Nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 a) Genehmigungsrichtlinie handelt es sich bei einer Allgemeingenehmigung um den in einem Mitgliedstaat errichteten rechtlichen „Rahmen, mit dem gemäß dieser Richtlinie Rechte für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste gewährleistet werden und in dem sektorspezifische Verpflichtungen festgelegt werden, die für alle oder bestimmte Arten von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten gelten können". (2) Regelungsstruktur Gemäß der vorgegebenen Regelungsstruktur haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass sich Anbieter von elektronischen Telekommunikationsdiensten im Sinne des Art. 2 c) Rahmenrichtlinie und Betreiber von elektronischen Telekommunikationsnetzen im Sinne des Art. 2 a) Rahmenrichtlinie grundsätzlich genehmigungsfrei betätigen können. Die Legalisierungswirkung der Allgemeingenehmigung tritt ein, sobald ein Unternehmen eine Tätigkeit im Sinne der Richtlinie aufnimmt, welche den in der Allgemeingenehmigung (also dem mitgliedstaatlich verfassten Rechtsrahmen) niedergelegten Bedingungen genügt. 274 Neben dem 270 Siehe dazu D.UI.3.d)bb)(2)(d)(bb)(ii). 271 Siehe dazu im 2. Teil, 1. Kapitel, B. 272 So auch der deutsche Gesetzgeber, vgl. §§ 6, 8 TKG-alt. 273 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Leitlinien für den neuen Rechtsrahmen, KOM (2000) 239, S. 9 f. Siehe schon A. Freytag/B. Jäger, ORDO 47 (1996), 215
(220).
274 Zu den weiteren durch die Allgemeingenehmigung entstehenden Rechte, wie dem Recht auf Antragstellung für die Erteilung der notwendigen Rechte zur Installation der Ein-
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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Wortlaut des Art. 3 Genehmigungsrichtlinie wird auch durch Erwägungsgrund 8 der Genehmigungsrichtlinie, wonach für die Allgemeingenehmigung keine ausdrückliche Entscheidung und kein Verwaltungsakt seitens der nationalen Regulierungsbehörde notwendig ist, deutlich, dass eine Allgemeingenehmigung eine pauschale Ermächtigung und gerade keine individuelle Einzelgenehmigung meint. Eine individuell erteilte Lizenz im Sinne des § 6 TKG-alt kann grundsätzlich nicht mehr der Regelfall sein. Das ursprünglich national gewählte Regelungsregime der Eröffhungskontrolle in Form des Lizenzerfordernises nach § 6 TKG-alt wird durch ein System der nachträglichen Verhaltenskontrolle abgelöst, der lediglich optional eine Anzeigepflicht der jeweilig ausgeübten Tätigkeiten vorgeschaltet werden kann. 275 Abgesehen vom Vorteil erheblicher Zeitersparnisse wird sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich der Markteintritt erleichtert, indem er auf transparenten und minimalen Zugangsbedingungen basiert. 276 Dies trägt zur Entwicklung neuer elektronischer Kommunikationsdienste und gesamteuropäischer Kommunikationsnetze und -dienste bei. 2 7 7 Schließlich erhalten Anbieter und Nutzer die Möglichkeit, von den Größenvorteilen des Binnenmarktes zu profitieren 2 7 8 Transnationale Geltungsanordnungen oder ein System der gegenseitigen Anerkennung von Genehmigungen werden auf lange Sicht weitestgehend obsolet. 279 Als Regulativ erfordert der Verzicht auf eine ausführliche Vorabprüfiing umfangreiche regulierungsbehördliche Aufsichtsbefugnisse in Form von Auskunftsund Einsichtsrechten, um die Einhaltung der Allgemeingenehmigungsbedingungen oder die an die Gewährung von Nutzungsrechten geknüpften Bedingungen ex-post kontrollieren und gegebenenfalls sanktionieren zu können. 280 Voraussetzung dafür ist wiederum, dass die nationalen Regulierungsbehörden über die entsprechenden richtungen nach Art. 11 Rahmenrichtlinie (vgl. Art. 4 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie), den Rechten der Verhandlung einer Zusammenschaltung und gegebenenfalls der Erlangung des Zugangs oder der Zusammenschaltung nach der Zugangsrichtlinie (vgl. Art. 4 Abs. 2 a) Genehmigungsrichtlinie) oder dem Recht, gemäß der Universaldienstrichtlinie die Möglichkeit zu erhalten, für die Erfüllung bestimmter Elemente einer Universaldienstverpflichtung benannt zu werden (vgl. Art. 4 Abs. 2 b) Genehmigungsrichtlinie), siehe R. Schütz/T. Attendorn, MMR 2002, Beilage zu Heft 4,1 (11, 19 f., 20 ff.). 275
Art. 3 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie. Die Anzeigeverpflichtung darf nicht mehr umfassen als zum einen „die Erklärung einer juristischen oder natürlichen Person gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde, dass sie die Absicht hat, mit der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste zu beginnen" und zum anderen die Erfassung der zur Identifizierung des Diensteanbieters erforderlichen Informationen zur Führung eines Verzeichnisses oder Registers der Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste durch die nationale Regulierungsbehörde, vgl. Art. 3 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie. 2 ™ Vgl. D. Beese/J. Merkt, MMR 2000, 532 (536); R. Schütz/T Attendorn/A. König, Elektronische Kommunikation, Rn. 73. 277 Siehe dazu A. Bartosch, EuZW 2000, 389 (390 f.). 278 Erwägungsgrund 7 der Genehmigungsrichtlinie. 27 9 So C. Franzius, EuR 2002,660 (664). 28 0 Vgl. dazu C. Franzius, EuR 2002, 660 (664); B. Holznagel/C. Schulz, MMR 2002, 364 (369).
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Informationen verfügen. Art. 10 und 11 Genehmigungsrichtlinie sehen diesbezüglich eine systematische und einzelfallbezogene Erhebung spezifischer Unternehmensdaten vor. 2 8 1 bb) Nutzungsrechte fur Funkfrequenzen Für die Vergabe von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen 282 enthält Art. 5 Genehmigungsrichtlinie mit seinen Verweisungen insbesondere auf Art. 7 Genehmigungsrichtlinie spezielle Vorgaben. Einschlägig sind die Vorgaben, wenn die Frequenzen für die Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsnetzes oder -dienstes, normalerweise gegen Entgelt, genutzt werden. 283 (1) Grundsatz: Frequenzvergabe durch Allgemeingenehmigung, Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Genehmigungsrichtlinie Gemäß Art. 5 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie soll auch die Frequenz vergäbe grundsätzlich von der Allgemeingenehmigung erfasst werden, insbesondere dann, wenn die Gefahr von funktechnischen Störungen vernachlässigt werden kann. Der Begriff der „funktechnischen Störungen" wird in Art. 2 Abs. 2 b) Genehmigungsrichtlinie legaldefiniert als „ein Störeffekt, der für das Funktionieren eines Funknavigationsdienstes oder anderer sicherheitsbezogener Dienste eine Gefahr darstellt oder einen Funkdienst, der im Einklang mit den geltenden gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Regelungen betrieben wird, anderweitig schwerwiegend beeinträchtigt, behindert oder wiederholt unterbricht". (2) Ausnahme: Frequenzvergabe als Einzelakt, Art. 5 i.V.m. Art. 7 Genehmigungsrichtlinie (a) Notwendigkeit Als Ausnahme zur Frequenznutzung im Rahmen der Allgemeingenehmigung sieht Art. 5 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie die Erteilung individueller Nutzungsrechte für Funkfrequenzen bei zwingender „Notwendigkeit" 284 vor. Müssen individuelle Nutzungsrechte erteilt werden, sind sie vorbehaltlich der Art. 6, 7 und 11 Abs. 1 c) Genehmigungsrichtlinie und der sonstigen Vorschriften zur Sicherstellung einer effizienten Ressourcennutzung entsprechend der Rahmenrichtlinie auf Antrag grundsätzlich jedem Unternehmen, das elektronische Kommunikationsnetze oder -dienste aufgrund einer Allgemeingenehmigung nutzt, zu ertei281 Dazu J. Scheren K&R 2002, 329 (333 f.). 282 Neben Funkfrequenzen betreffen die Vorgaben auch Nummernnutzungsrechte. Als knappe Ressourcen unterliegen sie grundsätzlich den selben Vorgaben wie Frequenzen, siehe dazu und zu den Unterschieden W. Wegmann, K&R 2003,448 ff. 283 Vgl. Erwägungsgrund 5 der Genehmigungsrichtlinie. 284 Vgl. Erwägungsgrund 11 der Genehmigungsrichtlinie.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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len. 2 8 5 Der Richtliniengeber sieht damit einen grundsätzlichen Zuteilungsanspruch vor. 2 8 6 Nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 Genehmigungsrichtlinie muss das Verfahren zur Erteilung von Nutzungsrechten offen, transparent und nicht diskriminierend sein. Entscheidungen über die Gewährung von Nutzungsrechten sind „so schnell wie möglich" nach Eingang des vollständigen Antrags zu treffen, mitzuteilen und zu veröffentlichen, wobei im Fall von Funkfrequenzen, die im Rahmen eines nationalen Frequenzvergabeplans für spezielle Zwecke zugeteilt worden sind, nach Art. 5 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie eine Entscheidungsfrist von sechs Wochen gelten soll287 (b) Voraussetzungen Wann und unter welchen Voraussetzungen die Erteilung individueller Nutzungsrechte vorgesehen werden kann, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Erwägungsgründen der Genehmigungsrichtlinie eindeutig entnehmen. Dass nicht jede Frequenznutzung unter der Bedingung der Zuteilung im Wege eines Einzelaktes stehen kann, ergibt sich aber schon daraus, dass ansonsten die Beschränkung leer laufen würde. 288 Der Umkehrschluss aus Art. 5 Abs. 1 mit seiner Aussage, dass die Nutzung von Funkfrequenzen „vor allem" dann nicht von der Erteilung individueller Nutzungsrechte abhängig gemacht werden darf, wenn die Gefahr von funktechnischen Störungen unbedeutend ist, erlaubt zumindest die Aussage, dass immer bei Gefahr funktechnischer Störungen die Erteilung individueller Nutzungsrechte zulässig sein muss. (c) Beschränkungsentscheidung Gemäß Art. 5 Abs. 5 Genehmigungsrichtlinie ist eine Einschränkung der Zahl der erteilten Nutzungsrechte für Funkfrequenzen nur insoweit zulässig, wie dies für eine effiziente Nutzung der knappen Ressource Funkfrequenz gemäß Art. 7 Genehmigungsrichtlinie notwendig ist. Gemäß Erwägungsgrund 22 der Genehmigungsrichtlinie ergibt sich eine solche Notwendigkeit immer dann, wenn die Nachfrage nach Funkfrequenzen deren verfügbares Angebot übersteigt. 289 285
Art. 5 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie. 6 Siehe W. Wegmann, K&R 2003,448 (449). 287 Neu ist die in Art. 5 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie festgeschriebene (verkürzte) Sechs-Wochen-Frist für die Frequenzzuteilung nach Antragstellung. Für den Fall der Frequenzvergabe in einem Vergabeverfahren besteht gemäß Art. 7 Abs. 4 Genehmigungsrichtlinie zur Sicherstellung eines fairen, angemessenen, offenen und transparenten Verfahrens die Möglichkeit der Verlängerung um höchstens acht Monate. 28
288
R. Schütz/T. Attendorn, MMR 2002, Beilage zu Heft 4,1 (10). Diese Vorgabe ist identisch mit der in Art. 11 Abs. 1 S. 1 Lizenzierungsrichtlinie getroffenen Regelung, s. o. D.III.l.b)bb)(3)(b). 289
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Für die Entscheidung über die Beschränkung der Nutzungsrechte enthält Art. 7 Genehmigungsrichtlinie sowohl inhaltliche als auch verfahrensrechtliche Verpflichtungen. Die in der Aufzählung des Art. 7 Abs. 1 genannten Faktoren sind allerdings nicht abschließend bzw. ausschließlich geltende Kriterien. 290 (aa) Verfahrensrechtliche Aufträge Verfahrensrechtliche Vorgaben enthalten die Art. 7 Abs. 1 b), c) und d) Genehmigungsrichtlinie. Die Entscheidung über die zahlenmäßige Beschränkung ist durch eine Anhörung aller interessierten Parteien 291 vorzubereiten. 292 Die Entscheidung über die Beschränkung von Nutzungsrechten ist mit Gründen zu veröffentlichen. 293 Art. 7 Abs. 1 e) Genehmigungsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Beschränkungsentscheidung dauerhaft bzw. auf Antrag betroffener Unternehmen - damit auch nach Zuteilung der Nutzungsrechte - zu überprüfen. 294 (bb) Materiellrechtliche Aufträge Als materielle Gesichtspunkte nennt Art. 7 Abs. 1 a) Genehmigungsrichtlinie für die Beschränkungsentscheidung die Nutzenmaximierung und die Erleichterung des Wettbewerbs. Durch die Formulierung in Art. 7 Abs. 1 a) Genehmigungsrichtlinie („trägt... gebührend Rechnung") wird deutlich, dass die genannten Kriterien lediglich mittelbar auf die Beschränkungsentscheidung einwirken. Allerdings gehen die Anforderungen über eine bloße politische Zielvorgabe hinaus; es handelt sich um einen bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Auftrag. 295 Trotzdem verbleibt den Mitgliedstaaten ein breiter Spielraum hinsichtlich Art und Weise der Umsetzung, da unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden und konkrete Vorgaben für die Umsetzung der Ziele fehlen. (d) Vergabeverfahren (aa) Anforderungen an die Auswahlkriterien Ebenso wie bereits Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 90/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/19/EG und Art. 10 Abs. 3 Lizenzierungsrichtlinie bestimmt Art. 7 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie, dass die Frequenznutzungsrechte nach objektiven, trans290
Vgl. Art. 5 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie „unter anderem ...". Vgl. zur Unbestimmtheit darüber, wie weit der Kreis der „interessierten Parteien" zu ziehen ist J. Scheren K&R 2002, 273 (278 f.). 292 Art. 7 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie. 293 Art. 7 Abs. 1 c) Genehmigungsrichtlinie. 294 Diese Vorgaben entsprechen denen des Art. 10 Abs. 2 Lizenzierungsrichtlinie, waren dort allerdings noch in Spiegelstrichen aufgeführt, siehe dazu oben unter D.III.l.b)bb)(3)(a). 29 5 Siehe dazu - allerdings für die Richtlinie 97/13/EG - C. Koenig, K&R 2001, 41 (45 f.). 291
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parenten, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Auswahlkriterien zu vergeben sind. 296 Bei den Auswahlkriterien ist der Umsetzung der Ziele nach Art. 8 Rahmenrichtlinie gebührend Rechnung zu tragen. 297 Obwohl durch den Verweis auf den Katalog der Regulierungsziele die Ausformungen des Harmonierungs- und Liberalisierungsziels auf die Vergabeentscheidung einwirken, sind die Vorgaben nicht abschließend. Indem sie nicht erforderliche Beschränkungen vermeiden, dienen sie zwar zunächst dem übergeordneten Zweck, die Liberalisierung des Telekommunikationssektors zu befördern. Ist aber eine Beschränkung aufgrund der natürlichen Frequenzknappheit notwendig, kann das grundsätzliche Ziel der Marktliberalisierung sich schon nicht mehr vollständig entfalten, da aufgrund der notwendig werdenden Verteilungsentscheidung nur noch ein begrenzter Wettbewerb stattfinden kann. Die dann geltenden Mindestkriterien sind in der Auswahlentscheidung zu erfüllen. Soweit des Weiteren auf sachliche Kriterien abgestellt wird, sind diese solange zulässig, wie sie nicht Mindestvorgaben zuwiderlaufen. Bestätigt wird diese Auslegung durch die fehlende Ausschließlichkeitserklärung hinsichtlich der Auswahlkriterien. (bb) Art des Vergabeverfahrens (α) Regelung der Genehmigungsrichtlinie Für die Vergabeentscheidung selbst schreibt die Richtlinie ausdrücklich kein bestimmtes Verfahren vor. Die Frequenzvergabe kann aufgrund wettbewerbsorientierter oder vergleichender Verfahren stattfinden, so dass sowohl das Ausschreibungs- wie auch das Versteigerungsverfahren erfasst sind. 298 Einen Vorrang für eines der Verfahren statuiert die Genehmigungsrichtlinie nicht, schließt ihn aber möglicherweise um die Vorrangregelung u. a. des deutschen TKG wissend - auch nicht explizit aus. Erwägungsgrund 13 der Genehmigungsrichtlinie stellt darüber hinaus klar, dass die Mitgliedstaaten „als Teil des Verfahrens für die Vergabe von Nutzungsrechten für eine Funkfrequenz ... überprüfen (können), ob der Antragsteller in der Lage 296 Im Gegensatz zur Lizenzierungsrichtlinie ist das Auswahlkriterium der „Detailliertheit" weggefallen. Damit hat sich die Problematik erledigt, dass es sich bei dem Merkmal der Effizienz in Versteigerungen gerade nicht um ein detailliertes Auswahlkriterium handelt. Im Gegensatz dazu sind die Kriterien in Ausschreibungsverfahren detailliert, dort stellt sich allerdings die Frage der Objektivität der Kriterien. Siehe zur Detailliertheit des Versteigerungsverfahrens Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 278, der diesbezüglich die Entstehungsgeschichte der Lizenzierungsrichtlinie heranzieht. Da danach das zweifellos nicht detaillierte Prioritätsprinzip unproblematisch zulässig sein soll, müsse dies ebenso für das Versteigerungsverfahren gelten. 297 Damit verbleibt die Möglichkeit - wie es auch § 61 Abs. 3 TKG vorsieht - bestehen, über das Ziel der Wettbewerbsförderung bestimmte Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen, vgl. Erwägungsgrund 23 der Genehmigungsrichtlinie. 298
Vgl. Art. 7 Abs. 4 Genehmigungsrichtlinie, Erwägungsgrund 23 der Genehmigungsrichtlinie.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
sein wird, die mit diesen Rechten verknüpften Bedingungen zu erfüllen"; erbringt der Antragsteller den entsprechenden Nachweis nicht, kann sein Antrag abgelehnt werden. (/?) Exkurs: Vorschlag der Kommission Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste" 299 der Kommission vom 12. Juli 2000 in Art. 8 Abs. 3 Auktionen als Auswahlverfahren explizit nannte. Dies kann als Reaktion darauf gewertet werden, dass die nationalen telekommunikationsrechtlichen Regelungen die Frequenzvergabe im Versteigerungsverfahren bereits vorsahen. Allerdings hätte nach der Entwurfsfassung die Entscheidung über die Verfahrenswahl im konkreten Fall den nationalen Regulierungsbehörden entzogen werden können: Denn gemäß Art. 8 Abs. 6 des Vorschlags wären Beschlüsse über die Zuweisung von Frequenznutzungsrechten - dies hätte auch die Frage des „Ob" eines Versteigerungsverfahrens betreffen können - nach dem in Art. 6 des Vorschlags genannten Verfahren zu fassen gewesen. Nachdem die entsprechende nationale Regulierungsbehörde ihren Maßnahmeentwurf mit Begründung der Kommission und den jeweils anderen Regulierungsbehörden übermittelt gehabt hätte (vgl. Art. 6 Abs. 2 des Vorschlags) und sie ihn nach Überarbeitung entsprechend der Stellungnahmen der anderen Regulierungsbehörden der Kommission zugeleitet hätte (Art. 6 Abs. 3 des Vorschlags), hätte die Kommission bei ernsthaften Zweifeln hinsichtlich der Vereinbarkeit der entsprechenden Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Bestimmungen in Art. 7 des Vorschlags, der die politischen Regulierungsziele wie ζ. B. Wettbewerbsförderung enthielt, das Inkrafttreten der Maßnahme verhindern können (Art. 6 Abs. 4 S. 1 des Vorschlags). Innerhalb von zwei Monaten hätte die Kommission die nationale Regulierungsbehörde auffordern können, den Maßnahmeentwurf zu ändern oder aufzuheben (Art. 6 Abs. 4 S. 2 und S. 3 des Vorschlags). Zur Konsequenz hätte die Geltung dieses Verfahrens gehabt, dass die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich zur Durchführung von Frequenzauktionen ermächtigt gewesen wären, die Entscheidung über die Vereinbarkeit des Verfahrens mit dem Gemeinschaftsrecht jedoch letztlich die Kommission getroffen hätte. 300 Diese gra299 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, KOM (2000) 393. 300 Verankert ist dieses Vetoverfahren in Art. 7 Abs. 4 Rahmenrichtlinie. Es schließt sich an die einmonatige Konsultationsfrist des Art. 7 Abs. 3 Rahmenrichtlinie an, wenn sich die von der nationalen Regulierungsbehörde beabsichtigte Maßnahme auf die Festlegung eines relevanten Marktes, der von den in einer Kommissionsempfehlung festgelegten Marktdefinitionen abweicht, oder die Festlegung, inwieweit ein Unternehmen allein oder zusammen
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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vierende Kompetenzausweitung der Kommission wurde dann im Rat sicherlich nicht zuletzt auch wegen der grundsätzlich kritischen Einstellung der Kommission zu Frequenzversteigerungen dahingehend geändert, dass die Vergabeentscheidung grundsätzlich - wie bereits in der Lizenzierungsrichtlinie geregelt - den nationalen Regulierungsinstanzen verbleibt. (3) Bewertung des Genehmigungsmodells Der Paradigmenwechsel im Anwendungsbereich des Genehmigungsmodells greift die Herausforderungen der Informationsgesellschaft 301 auf und will diesen durch Zukunftsoffenheit und Flexibilität gerecht werden. 302 Das Instrument der Allgemeingenehmigung drängt die hoheitliche Regulierung in Form umfassender Genehmigungserfordernisse durch Verzicht auf Steuerung zurück. Die Deregulierung bewirkt, dass es immer weniger individuell erteilter Genehmigungen bedarf. 303 Die Anzeigepflicht wird zum Schlüsselinstrument der telekommunikationsrechtlichen Kontrolle. Zu beobachten ist damit ein weiterer Schritt des Übergangs vom „Verwaltungsmodell zum Marktmodell". 304 Dies gilt gleichwohl nicht umfassend, ist doch der Zugang zu den knappen Ressourcen weiterhin an das Erfordernis einer Genehmigung geknüpft. Dieses Genehmigungsmodell rechtfertigt sich aus seiner Funktion, den Zugang zu knappen Ressourcen zu steuern. Die Eigenart der Ressource erfordert also einen bestimmten Regulierungstyp, so dass dieser Kernbereich der europäischen Kommunikationsordnung nicht einfach in das neue Zugangsmodell überführt werden kann. 305 Betrachtet man die europäischen Vorgaben hinsichtlich des umzusetzenden Genehmigungsmodells als Einheit, ist eine Zurücknahme staatlicher Steuerung zu konstatieren, wobei es im Bereich der knappen Ressourcen bei einer hoheitlichen Regulierung in Gewährleistungsverantwortung 306 geblieben ist. mit anderen eine beträchtliche Marktmacht hat, bezieht. Hinzutreten muss des Weiteren, dass die Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hätte. Schließlich muss die Kommission erklären, dass der Maßnahmeentwurf ein Hemmnis für den Binnenmarkt schaffen würde oder sie emsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der geplanten Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit den in Art. 8 Rahmenrichtlinie festgelegten Zielen hat. Siehe dazu J. Scherer, K&R 2002, 273 (281 ff.). 301 Siehe dazu H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 ff.; F. Schock, W D S t R L 57 (1998), S. 158 ff.; ders., in: Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 221. 302 C. Franzius, EuR 2002, 660 (667 f.); R. Stober, DÖV 2004, 221 (225). 303 So auch H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (224 ff.). 304 F. Schoch, in: Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 221 (225). 305 Siehe dazu C. Franzius, EuR 2002, 660 (668 ff.). 306 Fehlgehend an dieser Stelle C. Franzius, EuR 2002, 660 (668 ff.), der von einer Erfüllungsverantwortung des Staates spricht. Eine solche liegt aber gerade nicht vor: Der Staat schafft nur die Rahmenbedingungen der Verteilung, indem er das Verfahren bereitstellt, die eigentliche Auswahlentscheidung nimmt der Markt selbst vor. Siehe dazu unten im 2. Teil, 1. Kapitel, B.ü.3.b)dd)(2)(c). Vgl. zu den Verantwortungsstufen auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2004, 3. Kapitel Rn. 109 ff.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
Die hoheitliche Steuerung im Bereich der knappen Frequenzen bedient sich allerdings zusätzlich selbstregulativer Elemente und der Steuerung über den Markt. 3 0 7 Das Genehmigungsmodell wird ökonomisiert, um deren Anpassungsund Entwicklungsfähigkeit zu bewahren. Ausdrücklich harmonisiert der europäische Richtliniengeber zwar nur die direkte Regulierung, er erkennt aber - zwar nicht ausdrücklich, aber doch indirekt - die mitgliedstaatlichen Entscheidungen an, den Zugang zu knappen Frequenzen über ein Versteigerungsverfahren als einem marktförmigen Allokationsmechanismus zu steuern. 308 (4) Die Erhebung von Abgaben und Entgelten Durch die Einführung des grundsätzlich geltenden Vorrangs der Allgemeingenehmigung unterliegt auch das Gebührenrecht einem Systemwechsel: Die bisher benutzte Lizenzgebühr im Sinne einer Einzelgebühr wird grundsätzlich durch eine Abgabe abgelöst, die sowohl den Verwaltungsaufwand im weiteren Sinne decken, als auch für Verteilungsgerechtigkeit sorgen soll. 3 0 9 Die Gebührenerhebung entspricht damit nicht mehr dem klassischen Verständnis, wonach sie sich an einem strengen individualisierenden Kostendeckungsprinzip zu orientieren hatte. 310 Anknüpfungspunkt der Abgabe ist nach Art. 12 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie im Falle einer Allgemeingenehmigung nicht ihre Erteilung, sondern die Aufnahme und Ausübung der von ihr erfassten Tätigkeit, im Falle der Frequenzeinräumung deren Nutzung. (a) Verwaltungsabgaben, Art. 12 Genehmigungsrichtlinie Art. 12 Genehmigungsrichtlinie enthält Vorgaben für „Verwaltungsabgaben". Diese dienen gemäß Art. 12 Abs. 1 a) Genehmigungsrichtlinie insgesamt lediglich der Deckung der „administrativen Kosten für die Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen und Nutzungsrechten sowie der in Art. 6 Absatz 2 genannten besonderen Verpflichtungen", 311 wobei sie auch die „Kosten für internationale Zusammenarbeit, Harmonisierung und Normung, Marktanalyse, Überwachung der Einhaltung und andere Marktkontrollmechanismen sowie für Regulierungstätigkeiten zur Ausarbeitung und Durchsetzung des abgeleiteten Rechts und von Verwaltungsbeschlüssen" 312 einschließen können. Es
307 Vgl. W. Hoffmann-Riem,
DVB1. 1999,125 (126 ff.).
308
Siehe zum Versteigerungsverfahren als Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung unten im 2. Teil, 1. Kapitel, B.ü.3.b)dd)(2)(c). 309 R. Stober, DÖV 2004, 221 (225). 310 Siehe dazu näher H. J. Wolff/ O. Bachoff/R. Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, § 42 Rn. 22 ff. 311
Dies sind Anbieterverpflichtungen aus der Zugangs- und Universaldienstrichtlinie. 12 Art. 12 Abs. 1 a) Genehmigungsrichtlinie.
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2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z e r w a l t u n g 9 3
sind damit kaum Kosten denkbar, die nicht unter den Terminus der „Verwaltungsabgaben" fallen. 313 Die administrativen Kosten sind dabei die notwendigen, „tatsächlichen Verwaltungskosten für diese Arbeit". 3 1 4 Es wird nicht ein individuell anfallender Verwaltungsaufwand vergütet, sondern es ist der gesamte Verwaltungsaufwand auf die einzelnen Abgabenschuldner umzulegen.315 Die Erhebung der Verwaltungsabgaben orientiert sich am Prinzip der Kostendeckung. Die Kosten sind den einzelnen Unternehmen gemäß Art. 12 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie in einer objektiven, verhältnismäßigen 316 und transparenten Weise aufzuerlegen, 317 bei der die zusätzlichen Verwaltungskosten und zugehörigen Aufwendungen auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen. Als „Beispiel einer fairen, einfachen und transparenten Option" für die Auferlegung von Verwaltungsabgaben nennt der Richtliniengeber einen umsatzbezogenen Verteilungsschlüssel, bei sehr geringen administrativen Kosten Pauschalabgaben oder eine Kombination aus pauschalen und umsatzbezogenen Abgaben. 318 (b) Entgelte, Art. 13 Genehmigungsrichtlinie Im Gegensatz zu den in Art. 12 Genehmigungsrichtlinie geregelten Verwaltungsabgaben erlaubt Art. 13 S. 1 Genehmigungsrichtlinie bei Nutzungsrechten für Funkfrequenzen, Entgelte zu erheben, die die optimale Ressourcennutzung sicherstellen. Der Richtliniengeber ordnet damit der Abgabe eine Lenkungsfunktion zu. Eine solche Abgabe wird allerdings nur in solchen Fällen sinnvoll sein, in denen individuell auf eine Ressource zurückgegriffen wird; Allgemeinzuteilungen können daher nicht mit ihr belegt werden. 319 cc) Frequenzhandel Art. 9 Abs. 3, Abs. 4 Rahmenrichtlinie Den Mitgliedstaaten wird durch Art. 9 Abs. 3 und 4 Rahmenrichtlinie erstmals die Möglichkeit eingeräumt, Regelungen über den Handel von Nutzungsrechten an Frequenzen zu treffen. 320 Die Entscheidung, Frequenzhandel zu erlauben, wird 313 J. Scherer, K&R 2002, 329 (334). 314
Vgl. Erwägungsgrund 30 der Genehmigungsrichtlinie. 315 R. Schütz/T. Attendorn, MMR 2002, Beilage zu Heft 4, 1 (11). 316 Als spezielle Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes steht die Erhebung von Verwaltungsabgaben unter dem Vorbehalt, dass sie zu keiner Wettbewerbsverzerrung führen und keine Marktzutrittsschranken schaffen darf, vgl. Erwägungsgrund 31 S. 1 der Genehmigungsrichtlinie. Siehe dazu J. Scherer, K&R 2002,329 (335). 317 Art. 12 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie. Vgl. auch Erwägungsgrund 30 der Genehmigungsrichtlinie. 318 Um den Abgabenvorgang transparent und verhältnismäßig zu gestalten und dem Abgabenschuldner die Möglichkeit zur Prüfung zu geben, sind die nationalen Regulierungsbehörden angehalten, die eingenommenen Abgaben und die angefallenen Verwaltungskosten jährlich offen zu legen, vgl. Erwägungsgrund 31 S. 4 der Genehmigungsrichtlinie. 319 Ebenso/?. Schütz/T. Attendorn/A. König, Elektronische Kommunikation, Rn. 377.
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
nach Art. 9 Abs. 3 Rahmenrichtlinie in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt („Die Mitgliedstaaten können Unternehmen die Übertragung von Frequenznutzungsrechten an andere Unternehmen gestatten"). Diese Zurückhaltung hinsichtlich der Einführung eines Frequenzhandels bzw. die Abwälzung der Entscheidung über die Einführung auf die Mitgliedstaaten resultiert nicht zuletzt aus der Verunsicherung der europäischen Organe, ob bzw. inwiefern Frequenzhandel spekulationsanfällig ist. 3 2 1 Durch die Möglichkeit zur Einführung von Frequenzhandel sollen die Nutzungsrechte an den Frequenzen flexibilisiert werden. 322 Der europäische Richtliniengeber belässt den nationalen Gesetzgebern allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum. Der Frequenzhandel wird als ein „wirksames Mittel zur effizienteren Frequenznutzung" angesehen, solange hinreichende Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der öffentlichen Interessen an der Überwachung und Transparenz der Frequenzverwaltung bestehen.323 Der Frequenzhandel ermögliche eine ständige Bewertung durch den Markt, was in seiner Folge dem Ziel der Sicherstellung der sachgerechten und effizienten Nutzung zur Geltung verhelfe. 324 Kontrollierter Frequenzhandel erlaube den Unternehmen, die das ihnen zugewiesene Frequenzspektrum nicht mehr nutzen möchten, dieses weiterzuverkaufen und sich (zumindest teilweise) hinsichtlich der eigenen Frequenzerwerbungskosten zu refinanzieren. 325 Die Unternehmen könnten durch die Option, die Frequenzen zu handeln, langfristig planen und handeln. Ein flexibler Rahmen für die Behandlung der Frequenznutzungsrechte führe zu einer größeren Liquidität der Investitionen im Funkbereich. 326 Mindestens in gewissem Umfang könne der Frequenzhandel das Einzelgenehmigungsverfahren ersetzen und damit insgesamt den 320 Die EU-Kommission hat ein Konsultationsverfahren zum Thema „Spectrum Trading" durchgeführt, vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Call for Tender: „Conditions and options in introduction secondary trading of radio spectrum in the European Community" vom 26. 11. 2002. Vgl. das Ergebnis im Abschlussbereicht für die Europäische Kommission von Analysys Consulting/DotEcon/Hogan & Hartson, Study on conditions and options in introducing secondary trading of radio spectrum in the European Community, 2004. Auch das ECC spricht sich für ein harmonisches Vorgehen der CEPT-Mitgliedstaaten bei der Einführung von Frequenzhandel aus, vgl. ECC, ECC Report 16. Vgl. auch A. Spies, MMR 2003, 230 (231), der die europäischen Initiativen zusammenfasst. 321 Vgl. C. Franzius, EuR 2002, 660 (665). Siehe dazu auch unten im 3. Teil, 1. Kapitel. 322 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19. 323 Vgl. Erwägungsgrund 19 der Rahmenrichtlinie. 324 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19. Siehe auch D. Beese/J. Merkt, MMR 2000, 532 (534). 325 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19. Siehe auch A. Bartosch, EuZW 2000, 389 (390); J. Scherer, K&R 2002, 273 (287). 326 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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Marktzutritt einfacher, schneller und gegebenenfalls auch kostengünstiger gestalt e 327
ten. Art. 9 Abs. 4 S. 1 Rahmenrichtlinie sieht für die Ausgestaltung einer nationalen Bestimmung des Frequenzhandels vor, dass jede Absicht eines Unternehmens, Frequenznutzungsrechte zu übertragen, den nationalen Regulierungsbehörden mitzuteilen ist. Die Abtretung hat zudem in einem von der Regulierungsbehörde festgelegten Verfahren zu erfolgen und ist öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus werden die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 9 Abs. 4 S. 2 Rahmenrichtlinie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb infolge derartiger Übertragungen nicht verzerrt wird. Wurde die Frequenznutzung durch Gemeinschaftsmaßnahmen harmonisiert, ist die ursprüngliche Nutzung der Frequenzen beizubehalten.
IV. Nationale Frequenzplanung Bis zum Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes (TKG) am 1. August 1996 328 war die nationale Frequenzverwaltung an keiner Stelle gesetzlich geregelt. 3 2 9 Der Erkenntnis, dass die Frequenzverwaltung von immenser Bedeutung ist, trug dann § 1 TKG-alt Rechnung, der die Festlegung einer Frequenzordnung explizit in die Zweckaufzählung des Gesetzes aufgenommen hatte. 330 Im novellierten § 1 TKG ist der Gesetzeszweck einer Frequenzordnung nicht mehr explizit genannt. Daraus kann nun aber nicht geschlossen werden, dass der Frequenzordnung ihre Bedeutung abgesprochen wurde. Sie ist in § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG, wonach Ziel der Regulierung unter anderem „die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen" 331 ist, weiterhin 332 verankert. Im Rahmen der Re327
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19. Siehe auch C. Franzius, EuR 2002, 660 (665). 3 28 BGBl. I, 1120. 329
Seinen Ursprung hatte dieser Mangel darin, dass der Begriff der Femmeldeanlage im Vordergrund stand, die ausschließlich vom Bund errichtet und betrieben werden sollten (Fernmeldehoheitsrecht, § 1 FAG). Die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 FAG, die eine Genehmigung „privater" Femmeldeanlagen vorsah, wurde restriktiv gehandhabt, um das Telekommunikationsmonopol des Bundes zu bewahren, siehe dazu BVerwG, Archiv PF 1976, 582 (584). Ausführlich zum ganzen P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 ff.; Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 57 f. Die Frequenzverwaltung erschöpfte sich mithin praktisch in der Zuordnung von Frequenzen an öffentlich-rechtliche Rechtssubjekte, siehe dazu M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (253). Zur Verwaltungspraxis vor Inkrafttreten des TKG-alt BMPT (Hrsg.), Frequenzregulierung, S. 42 ff.; J. Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, 1987, S. 10 ff. Siehe auch zur Geschichte der deutschen Frequenzverwaltung R. Binz, Archiv PF 1989, 232 ff. 330 Vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 36. 331 Dabei sind die Belange des Rundfunks zu berücksichtigen. Diese rundfunkrechtliche Frequenzplanung wird vorliegend mangels Relevanz für das vorliegend bearbeitete Thema
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
gulierungsziele steht sie als Programmsatz an einer der zentralen Stellen des TKG. Um dieses Ziel zu erfüllen, ist (immer noch) eine Regulierung der Frequenznutzung erforderlich, die in Regelungen zur Frequenzverwaltung ihren Ausdruck findet. Diese sind im Fünften Teil des TKG zu finden, der die Überschrift „Frequenzordnung" (Abschnitt 1: §§ 52-65 T K G ) 3 3 3 trägt. Der diesen Abschnitt einleitende § 52 Abs. 1 TKG bestimmt als Instrumentarien der Frequenzordnung den Frequenzbereichszuweisungsplan, den Frequenznutzungsplan, die Frequenzzuteilung und die Überwachung der Frequenznutzung. In den ihm folgenden Bestimmungen werden diese Instrumente näher ausgestaltet. Die in den Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2 Nr. 7 und 52 ff. TKG geregelte Frequenzverwaltung ist mithin festes Element telekommunikationsrechtlicher Regulierung geblieben.334
1. Organisation und Willensbildung Zuständig für die nationale Frequenzplanung ist im Wesentlichen die RegTP, die als Bundesbehörde gemäß Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG die Hoheitsaufgabe der Frequenzverwaltung 335 in bundeseigener Verwaltung wahrnimmt. 336 Einzelne Kompetenzen im Bereich der nationalen Frequenzverwaltung werden allerdings von der Bundesregierung selbst wahrgenommen. 337
2. Instrumente Gemäß dem programmatischen Einleitungsparagraphen (§ 52 Abs. 1 TKG) vollzieht sich die Frequenzverwaltung auf drei Stufen: Zur Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG) und unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 2 TKG genannten weiteren Regulierungsaußer Acht gelassen. Siehe dazu z. B. J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2, 1 ff.; W. HoffmannRiem/D. Wieddekind, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 745 ff.; W Schulz/T. Vesting, Frequenzmanagement und föderale Abstimmungspflichten. 332 Vgl. schon § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG-alt. 333 im TKG-alt waren es die Regelungen im Siebten Abschnitt, § 4 4 - 4 9 TKG-alt. 334 Die Erforderlichkeit der Regulierung ist vorliegend auf die Fimfcfrequenznutzung beschränkt. Siehe zur Regulierung von Kabelnutzungen W. Schulz/T. Vesting, Frequenzmanagement und föderale Abstimmungspflichten, insb. S. 13. 335 BT-Drs. 12/7269, S. 5; Β. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 87 f GG Rn. 1 ; M. Rottmann, Archiv PT 1994, 193 (195). Siehe dazu ausführlich, auch zur Abgrenzung zur Länderkompetenz und Verzahnungen, wenn die Frequenzordnung „rundfunkrelevant" ist J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2,1 (6 ff.). Vgl. auch unten im 2. Teil, 4. Kapitel, A.I. 336 Siehe zu Aufbau und Aufgaben der RegTP statt vieler K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG. Siehe auch L Grämlich, CR 1998,463 ff. 337 Siehe insb. die Verordnungsermächtigungen in §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 3 S. 2 TKG. Darüber hinaus wirkt die Regierung der Bundesrepublik Deutschland an Maßnahmen der internationalen Frequenzplanung über ihrem Mitgliedstatus in der CEPT und ITU mit.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen Frequenzerwaltung
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ziele werden ein Frequenzbereichszuweisungsplan nach § 53 TKG (1. Stufe) und ein Frequenznutzungsplan nach § 54 TKG (2. Stufe) aufgestellt. Diese beiden Stufen entsprechen den Zuweisungs- und Verteilungsentscheidungen auf internationaler Ebene. Als dritte Stufe erfolgt auf Grundlage des Frequenznutzungsplans die Frequenzzuteilung nach den §§ 55 ff. TKG.
a) Frequenzbereichszuweisungsplan, § 53 TKG aa) Rechtsform und Auf Stellung § 53 Abs. 1 S. 1 T K G 3 3 8 ermächtigt die Bundesregierung, die Frequenzbereichszuweisung durch Rechtsverordnung des Bundes 339 , die durch die Bundesregierung mit der fachlichen Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft zu erlassen ist, 3 4 0 in einem Frequenzbereichszuweisungsplan festzulegen. Die Aufstellung des Frequenzbereichszuweisungsplans vollzieht sich auf der Grundlage der ihm vorgelagerten internationalen Aushandlungen und Festlegungen im internationalen Frequenzbereichsplan der I T U . 3 4 1 Eine explizite Verweisung auf die Vorgaben enthält § 53 TKG zwar nicht, allerdings ist der nationale Gestaltungsspielraum durch völkerrechtliche Vorgaben erheblich beschränkt. 342 Die unter Geltung des TKG-alt erlassene Frequenzzuweisungsplanverordnung 343 galt zunächst auf der Grundlage des neuen TKG fort, 3 4 4 ist zwischenzeitlich aber aufgrund der Novellierung der Verordnung außer Kraft getreten. 345 bb) Inhalt und Zielsetzung Im Frequenzzuweisungsplan, der die in § 2 Abs. 2 TKG genannten Regulierungsziele verwirklichen soll, 3 4 6 werden die Frequenzbereiche den Funkdiensten 338
§ 53 TKG entspricht § 45 TKG-alt, wobei keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen wurden. 339 Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates (§ 53 Abs. 1 S. 1 TKG), sofern nicht dem Rundfunk Frequenzen zugewiesen werden (§ 53 Abs. 1 S. 2 TKG). 340 A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 45 Rn. 1. 541 BT-Drs. 13/3609, S. 47 f. für § 45 TKG-alt; BT-Drs. 15/2316, S. 76. 342
Er ist lediglich beschränkt, nicht aber aufgehoben, vgl. V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, 1999, S. 45. 343 Die Frequenzbereichszuweisungsplan Verordnung (FreqBZPV) vom 26. April 2001, BGBl. 1,778, ist am 09. Mai 2001 in Kraft getreten. 344 BT-Drs. 15/2316, S. 76. 345 Die novellierte Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung (FreqBZPV) vom 28. September 2004, BGBl. I, 2499, ist am 29. September 2004 in Kraft getreten, womit gleichzeitig die alte FreqBZPV aus dem Jahre 2001 außer Kraft getreten ist. ue S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 45 Rn. 14; B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (782 f.). 7 Bumke
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
und anderen Anwendungen elektromagnetischer Wellen zugewiesen (§ 53 Abs. 2 S. 1 TKG). Er legt also in tabellarischer Form nieder, welche Art von Funkdienst welches Frequenzband nutzen darf. 347 Der Begriff der „Funkdienste" 348 ist aus dem Grund der Einheitlichkeit an den des Art. 8 VO Funk angelehnt.349
b) Frequenznutzungsplan, § 54 TKG Die im Frequenzbereichszuweisungsplan vorgenommenen allgemeinen Zuweisungen bilden im Weiteren die Grundlage für den detaillierteren Frequenznutzungsplan (§ 54 T K G 3 5 0 ) , dem als Grundlage für die Frequenzzuteilung besondere Bedeutung zukommt. aa) Rechtsform und Aufstellung Die Aufstellung des Frequenznutzungsplans, für die die RegTP gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 TKG zuständig ist, findet unter Beteiligung der Öffentlichkeit statt, § 54 Abs. 3 S. 1 TKG. Zur Regelung des Aufstellungsverfahrens ermächtigt § 54 Abs. 3 S. 2 TKG die Bundesregierung wiederum mit der fachlichen Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft, eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Die im Rahmen des TKG-alt erlassene Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes351 besteht unter Geltung des neuen TKG fort. 3 5 2 Sie normiert insbesondere Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit durch Anhörung und Mitwirkung bei der Aufstellung des Plans.
347
Siehe zum Inhalt und Aufstellungsverfahren ausführlicher B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (781 ff.); V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 23 ff., 32 ff., 34 ff. 348 Zur Begriffsbestimmung M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 529 und vgl. die Auflistung der Funkdienste bei S. Korehnke/G.-H. Grotelüschen, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 45 Rn. 22. 349 Zu Unterschieden und Ausweitungen J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2,1 (17). Mit den anderen Anwendungen elektromagnetischer Wellen werden solche aus Industrie, Wissenschaft, Medizin, Haushalt etc. erfasst, deren Zweck nicht in der Nachrichtenübermittlung liegt, deren Betrieb aber gleichfalls elektromagnetische Wellen erzeugt, vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 48 für § 45 TKG-alt; BT-Drs. 15/2316, S. 76. 350 § 54 TKG entspricht der Vorschrift § 46 TKG-alt, wobei keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen worden sind. 351 Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes (Frequenznutzungsplanaufstellungsverordnung - FreqNPAV) vom 26. April 2001, BGBl. I 2001, 827, die am 09. Mai 2001 in Kraft getreten ist, siehe dazu V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 46 ff. Zum Aufstellungsverfahren B. Holznagel, in: Festschrift für W. Hoppe, S. 767 (786); M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 532 ff.; V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 47 ff. 3 52 BT-Drs. 15/2316, S. 77.
2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z v e r w a l t u n g 9 9
Zur Vereinfachung der Erstellung und Aktualisierung des Frequenznutzungsplans 353 gestattet § 54 Abs. 2 S. 2 TKG den Erlass von Teilplänen. Im Gegensatz zum Frequenzbereichszuweisungsplan als Gesetz im materiellen Sinne mit allen Folgen hinsichtlich Rechtswirkungen und Rechtsschutz354 handelt es sich bei dem Frequenznutzungsplan nicht um eine Rechtsnorm. Seine Rechtsnatur ist bisher noch ungeklärt. Die Literatur zieht die Institute der Allgemeinverfügung 355 und der Verwaltungsvorschrift 356 in Betracht. Die Rechtsfolgen des Frequenznutzungsplans ergeben sich folglich lediglich und unmittelbar aus dem TKG. 3 5 7 Gemeinsam ist dem Frequenzbereichzuweisungs- und dem Frequenznutzungsplan ihr imperativer Charakter. Beide enthalten verbindliche Vorgaben für die Frequenzzuteilung. Sowohl die Ermächtigung zur Aufstellung des Frequenzbereichszuweisungsplans als auch die zur Aufstellung des Frequenznutzungsplans repräsentieren das für das Planungsrecht charakteristische gesetzliche Finalprogramm: 358 Zweck der hoheitlichen Planung ist eine Frequenzordnung, die eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung sicherstellt, wobei die Ordnung nicht durch die Bestimmungen des TKG selbst errichtet wird; sie wird vielmehr auf die Exekutive verlagert. Diese Verlagerung hat einen planerischen Gestaltungsspielraum der Exekutivorgane zur Konsequenz. Begleitet wird dieser von prozeduralen Elementen in Form der Einbeziehung betroffener Kreise (§ 53 Abs. 1 S. 3 TKG), der Beteilung der Öffentlichkeit (§ 54 Abs. 3 S. 1 TKG) und der Anhörung des Beirats (§ 120 Nr. 6 TKG). 3 5 9 bb) Ziele Bei Aufstellung des Frequenznutzungsplans sind nach § 54 Abs. 1 TKG die in § 2 Abs. 2 TKG genannten Regulierungsziele 360, die technische Entwicklung und die Verträglichkeit von Frequenznutzungen in den Übertragungsmedien zu berücksichtigen. Des Weiteren wird in § 54 Abs. 1 TKG die Berücksichtigung der euro353 BT-Drs. 13/3609, S. 48 für das TKG-alt; BT-Drs. 15/2316, S. 77. 354 Siehe dazu V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 36 ff. 355 Mit ausführlicher Begründung K.-H. Ladeur, CR 2002, 181 (188 ff.). Ebenso wohl M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 531; V. Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, S. 48. 356 J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2, 1 (14).; V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 41. 357 So ist kein Rechtsschutz unmittelbar gegen den Plan möglich, sondern nur im Wege einer Inzidentkontrolle bei Klagen gegen die Zuteilung, vgl. V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 66 ff. 358 Vgl. H.-U. Erichsen, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 3. 359 M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (255). 360 Die in § 2 Abs. 2 TKG niedergelegten Regulierungsziele entsprechen den Vorgaben des Art. 8 Rahmenrichtlinie, vgl. dazu oben unter D.III.3.b)bb). *
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1. Teil: Grundannahmen und Rahmenbedingungen
päischen Harmonisierung genannt, womit Vereinbarungen und Vorgaben gemeint sind, die auf den Ebenen der CEPT und der Europäischen Union bestehen.361 Diese explizite Nennung der europäischen Harmonisierung auf der Ebene des Frequenznutzungsplans macht bestehende jeweilige Abhängigkeiten und Wechselwirkungen der nationalen und internationalen Regelungen besonders deutlich. Denkt man in diesem Zusammenhang an möglicherweise in Zukunft ergehende Harmonisierungsmaßnahmen im Rahmen der Frequenzentscheidung, ist zu erwarten, dass sich der Gestaltungsspielraum der RegTP durch sie erheblich beschränken bzw. stark überlagern wird. 3 6 2 cc) Inhalt Den Inhalt des Frequenznutzungsplans bestimmt § 54 Abs. 2 S. 1 TKG. Er teilt die im Frequenzbereichszuweisungsplan enthaltenden Frequenzbereiche auf die Frequenznutzungen weiter auf und trifft Festlegungen für diese Frequenznutzungen hauptsächlich über die sendetechnischen Merkmale der Frequenzen. 363 Es findet also durch ihn eine weitere Konkretisierung und Präzisierung statt. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 150 Abs. 7 TKG erfolgt die Frequenzzuteilung bis zum Erlass eines Frequenznutzungsplans nach Maßgabe der Bestimmungen des geltenden Frequenzbereichszuweisungsplanes.
c) Frequenzzuteilung, §§ 55 ff. TKG Die Frequenzzuteilung regeln die §§ 55 ff. TKG. Die Vorschriften der Frequenzzuteilung beinhalten auch das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG und den Frequenzhandel gemäß § 62 T K G . 3 6 4 Gemäß § 60 Abs. 2 S. 1 TKG kann die Frequenzzuteilung zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung mit Nebenbestimmungen versehen werden. 365 361 BT-Drs. 13/3609, S. 48 für das TKG-alt. BT-Drs. 15/2316, S. 76. Siehe dazu oben unter D.II und III. 362 K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 60. 363 γ Nowosadtko, Frequenzplanungsrecht, 1999, S. 48; W. Schulz/T. Vesting, Frequenzmanagement und föderale Abstimmungspflichten, S. 13; J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2, 1 (14). 364 Siehe dazu ausführlich das 1. Kapitel des 2. Teils und den 3. Teil. 365 Dass Nutzungsrechte für knappe Ressourcen wie auch die Allgemeingenehmigung an Bedingungen geknüpft werden können, sieht auch Art. 6 Genehmigungsrichtlinie vor. Allerdings ist die Möglichkeit von Bedingungen gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Genehmigungsrichtlinie beschränkt auf die sich im Anhang der Richtlinie befindenden Kataloge („Maximalliste"). Aus dem Begriff der Maximalliste folgt deren abschließender Charakter. Die Bedingungen sind zudem nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 Genehmigungsrichtlinie nur dann zulässig, wenn sie in Bezug auf das betreffende Netz oder den betreffenden Dienst objektiv gerechtfertigt, nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sind. In Erwägungsgrund 15 der Genehmi-
2. Kap.: System der internationalen und nationalen F r e q u e n z e r w a l t u n g 1 0 1
Des Weiteren kann die RegTP nach § 63 Abs. 1 TKG die Frequenzzuteilung widerrufen, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach der Zuteilung mit der Nutzung der zugeteilten Frequenz im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks begonnen wurde oder wenn die Frequenz länger als ein Jahr nicht im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks genutzt worden ist. Ferner kommt ein Widerruf nach § 63 Abs. 2 S. 1 TKG auch dann in Betracht, wenn eine der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 5 TKG und § 57 Abs. 4 bis 6 TKG nicht mehr gegeben ist (Nr. 1) oder eine aus der Frequenzzuteilung resultierende Verpflichtung nicht eingehalten wird (Nr. 2). Neu aufgenommen wurden in § 63 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 TKG die Widerrufsmöglichkeit aus wettbewerbsrechtlichen Gründen. Nach § 63 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG kann die Frequenzzuteilung widerrufen werden, wenn durch eine nach der Frequenzzuteilung eintretende Frequenzknappheit der Wettbewerb oder die Einführung neuer frequenzeffizienter Techniken verhindert oder unzumutbar gestört wird, oder nach Nr. 4, wenn durch eine Änderung der Eigentumsverhältnisse in der Person des Inhabers der Frequenzzuteilung eine Verzerrung des Wettbewerbs auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt zu besorgen ist. Zur Sicherstellung der Frequenzordnung verleiht § 64 T K G 3 6 6 der RegTP die Befugnis, die Frequenznutzung - also die Zuteilungen nach § 55 TKG - zu überwachen, wozu sowohl anlassbezogene als auch präventive Prüfungen zählen. Die Erhebung eines „allgemeinen" Frequenznutzungsbeitrags sieht § 143 TKG vor. Gebühren und Auslagen können im Rahmen des § 142 TKG erhoben werden. 367
gungsrichtlinie wird klargestellt, dass Bedingungen auf das „absolut Notwendige" zu beschränken sind, was die Deregulierungstendenzen des europäischen Gesetzgebers erneut verdeutlicht. 366 Vgl. § 49 TKG-alt. 367
Siehe dazu auch ausführlich im nächsten Kapitel, also im 2. Teil, 1. Kapitel, B.III.
2. T e i l
Das Frequenzversteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 T K G als hoheitliches Erstverteilungsverfahren 1. Kapitel
Frequenzzuteilung nach dem T K G Das Frequenzversteigerungsverfahren ist i m Rahmen der Frequenzzuteilung i n § 61 Abs. 5 T K G geregelt. Die gesetzlichen Bestimmungen der staatlichen Erstvergabe werden i m Folgenden dargestellt (dazu unter B). Zunächst soll aber ein Überblick über die Frequenzvergabe vor dem Inkrafttreten des TKG-alt gegeben werden (dazu unter A). Frequenzzuteilungen an private Nutzer erfolgten vor Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vornehmlich nach Durchführung von administrativen Ausschreibungsverfahren (so genannte beauty contests) i m Bereich des digitalen zellularen Mobilfunks ( G S M ) 1 , i n dem seit 1988 vier Betreiber zum Betrieb privater Mobilfunknetze zugelassen wurden. 2
1 Das GSM-System war erster gemeinsamer digitaler Mobilfunkstandard. Initiatoren waren die bundesdeutsche und französische Femmeldebehörde zu Beginn der 1980er Jahre. Der Standard wurde dann von der CEPT-Arbeitsgruppe Group Spéciale Mobile (GSM) erarbeitet und von 18 europäischen Femmeldebehörden bzw. Betreiberunternehmen anerkannt. Wichtigste Merkmale des GSM-Standars waren die ISDN-Kompatibilität, europaweites Roaming und die Bereitstellung der gleichen Frequenzen für 124 Kanäle in allen Ländern, vgl. dazu ausführlich J. Kruse, Wirtschaftsdienst 1990, 194 (196 f.); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 92 ff. 2
Im Weiteren wurden 1994 in administrativen Auswahl verfahren - neben der Erteilung von Bündelfunklizenzen vom Typ A - zwei Lizenzen zum Betrieb eines bundesweiten terrestrischen Funkrufnetzes (so genannte „Paging Dienste") an private Anbieter erteilt, vgl. dazu G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 149 f.; A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Versteigerungsregeln, S. 20.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
103
A. Die Frequenzzuteilung bis zum Erlass des TKG-alt I. Frequenzzuteilung zur Zeit des Verwaltungsmonopols im Fernmeldewesen (der Zeitraum bis 1989) Bis zum Konzeptwechsel, der mit der Postreform I eingeleitet wurde, wurde das Fernmeldewesen gemäß Art. 87 Abs. 1 GG a.F. als Gegenstand der bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. 3 Die staatlich monopolisierte Dienstleistungserbringung im Telekommunikationsbereich war dem Prinzip der Daseinsvorsorge verpflichtet. Im Rahmen der Daseinsvorsorge kam der Deutschen Bundespost (DBP) als alleinigem Anbieter damit die Aufgabe zu, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen zu einheitlichen Gebühren und in gleichmäßiger Qualität sicherzustellen. Wettbewerb zwischen privaten Betreibern fand nicht statt: Die Festsetzungen der Bedingungen und Preise für die den Nutzern angebotenen Dienste erfolgte durch staatliche Regelung. Einfachgesetzlich wurde die von betriebswirtschaftlichen Erwägungen unabhängige, nur am Gemeinwohl orientierte Dienstleistungserbringung im Telekommunikationssektor im Wesentlichen durch das Gesetz über Fernmeldeanlagen (FAG) 4 und das Telegraphenwegegesetz (TWG) 5 geregelt. Das FAG statuierte in seinem § 1 das Fernmeldemonopol: Ausschließlich dem Bund war es vorbehalten, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben.6 Obwohl § 2 Abs. 1 FAG eine Genehmigungsmöglichkeit für solche Fernmeldeanlagen vorsah, die nicht zum öffentlichen Fernmeldenetz der DBP gehörten,7 spielten private Akteure kaum eine Rolle. Die als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestalteten „Verleihungen" wurden nur sehr zurückhaltend vorgenommen, um das ertragreiche Telefondienstmonopol des Bundes zu bewahren.8 Da die Frequenznutzung nahezu ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern zustand, bestand für eine geregelte Frequenzzuteilung an private Unternehmen im Wege eines Verteilungsverfahrens kein Bedarf. 3 Siehe zur Geschichte z. B. L. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (605 ff.). 4 Vom 14. Januar 1928, RGBl. I, 8. 5 Vom 18. Dezember 1899, RGBl., 705. Das TWG gewährte der DBP die für Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsnetzen erforderlichen Wegerechte. 6
Zu privaten „Nischen" wie den Amateurfunk und bestimmte leitungsgebundene Femmeldeanlagen, die gemäß § 3 Abs. 1 FAG genehmigungsfrei auch von Privaten betrieben werden durften L Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (608 ff.). 7 ,»Privaten" Fernmeldeanlagen im Sinne dieser Vorschrift waren hauptsächlich solche, die von „nichtpostalischen" Trägem öffentlicher Verwaltung errichtet und betrieben wurden, vgl. hierzu J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 63. » Vgl. R. Doll/S.-E. Heun/T. Lohmann, CR 1992, 416 (417); L Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (610). Selbst das BVerwG (Archiv PF 1976, 582, 584) hielt es für die Post nicht zumutbar, Anlagen außerhalb ihres Monopols zu dulden. Siehe zur „wirtschaftlichen" Bedeutung P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (886).
104 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Π. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform I (1989) Die Situation änderte sich mit der (rasanten) Entwicklung der Mikrotechnologie und der Gesellschaft zur Wissensgesellschaft. 9 Erstere steigerte die Leistungsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologie und schaffte immer neue Nutzungsmöglichkeiten. Das Konzept einer staatlichen Monopolstruktur i m Telekommunikationswesen wurde als innovationshemmend und als zur Bedürfnisbefriedigung der Endabnehmer ungeeignet eingestuft. 10 Angetrieben wurden Umstrukturierungsmaßnahmen i n diesem Bereich des Weiteren durch die zunehmende Internationalisierung. Einfluss nehmend war neben den U S A 1 1 insbesondere die Europäische Kommission, die i n ihrem „Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte" 12 den Abbau von Wettbewerbshindernissen i m Telekommunikationssektor forderte. Es folgten eine Reihe von Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten die vollständige Liberalisierung des europäischen Telekommunikationssektors vorschrieben. 13 Die Aufhebung des Monopols der DBP erfolgte schrittweise und wurde eingeleitet durch die Postreform I i m Jahre 1989. 1 4 Sie betraf primär die organisatori9
Siehe hierzu allgemein H. Willke, Supervision des Staates, S. 167 ff.; K.-H- Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft. Für den vorliegenden Zusammenhang T. Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 25 ff. !0 Unter Ökonomen wurde das Vorliegen eines „natürlichen Monopols" in Frage gestellt, vgl. nur G. Knieps, in: Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und Telekommunikation, S. 147 (148 ff.); E.-J. Mestmäcker, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 13 ff.; C. C. v. Weizsäcker, in: Die Zukunft der Telekommunikation in Europa, S. 21 ff. Auch unter den Rechtswissenschaftlern mehrten sich die Stimmen, die das staatliche Femmeldemonopol für überholt hielten, vgl. nur V. Emmerich, AfP 1984, 11 ff.; W. Möschel, WuW 1986, 555 ff.; ders., JZ 1988, 885 ff. 11 Siehe dazu B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 8. 12 KOM (1987) 290. Vgl. etwa J. Scherer, CR 1987, 743 ff. 13 So trieb neben politischen Maßnahmen die Interpretation des primären Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof und die Kommission den Prozess der Demonopolisierung an. Die Kommission griff zunächst mehrfach auf Art. 235 EGV zurück, um ihre Zuständigkeit ohne formelle Vertragsänderung festschreiben zu können. Begleitet wurde diese Strategie durch eine Konkretisierung der Grundfreiheiten, die es der Kommission u. a. ermöglichte, die Bundespost als öffentliches Unternehmen im Sinne von Art. 85 ff. EGV einzustufen. Damit konnte die Kommission auch auf die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages zugreifen und hier insbesondere auf Art. 90 Abs. 3 EGV, der die Kommission mit einer eigenen Richtlinienund Entscheidungskompetenz ausstattet. Der Rückgriff auf Art. 59 ff. EGV ermöglichte daneben die Marktöffnung im Bereich der Mehrwertdienste, während die Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 ff. EGV) dazu genutzt werden konnten, eine europaweite Öffnung der Endgerätemärkte einschließlich einer Lockerung der Zulassungsbedingungen durchzusetzen, vgl. hierzu T. Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 13; J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (326 ff.); L. Grämlich, NJW 1994, 2785 (2786 f.); P. Badura, in: BK-GG, Art. 87 f GG Rn. 9; K. Windhort, in M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 7 ff. Vgl. auch oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.2.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
105
sehe Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der DBP. Hervorgegangen sind die drei selbstständigen Verwaltungseinheiten DBP Postbank, DBP Postdienst und DBP Telekom.15 Die im Rahmen dieses Reformabschnitts vorgenommene Novellierung des FAG hob zwar das ursprünglich umfassende Fernmeldemonopol des Bundes auf. Das betrieblich-technische Übertragungsmonopol (Netz- und Funkanlagenmonopol) und das im Kern wirtschaftsverwaltungsrechtliche Telefondienstmonopol blieben allerdings im Grundsatz unangetastet (§ 1 Abs. 2 und Abs. 4 S. 2 FAG 16 ); Der Bundesminister für Post und Telekommunikation übertrug nach § 1 Abs. 5 S. 2 FAG die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb von entsprechenden Funkanlagen auf die DBP Telekom. Dabei wurden ebenfalls die erforderlichen Frequenzen zugeteilt. Diese per „Rechtszuweisung" zugeteilten Frequenzen erhielt die DBP Telekom zur Sicherstellung ihres Auftrages nach § 1 FAG, der die Bereitstellung der Übertragungswege (Netzmonopol) für die eigenen Dienste und das Diensteangebot von Dritten umfasste. Darüber hinaus regelte das FAG das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen im Monopol (Telefondienst) und solchen Diensten, die im Wettbewerb stehen. § 2 Abs. 2 S. 3 FAG ermöglichte „Randwettbewerb", indem er vorsah, dass eine „Verleihung" auch „für Satellitenfunkanlagen, die zur Übermittlung von Daten niedriger Bitraten bestimmt sind, erteilt werden" musste, „soweit Gründe des Funkverkehrs nicht entgegenstehen".17 Große praktische Bedeutung erlangte § 2 Abs. 1 FAG, der im Bereich des Mobilfunks auf der Basis von privaten Unternehmen die Errichtung und den Betrieb eigener Netze (einschließlich des Telefondienstes auf diesen) gestattete. Die Möglichkeit der „privaten" Frequenznutzung trat damit erstmals in den Vordergrund. 18
14 Mit dem Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz) vom 08. 06. 1989, BGBl. I, 1026, trat das Postverfassungsgesetz (Art. 1 PoststruktG) an die Stelle des Postverwaltungsgesetzes vom 24. 7. 1953. Zudem wurde das Fernemeldeanlagengesetz grundlegend novelliert (Art. 3 PostStruktG). Vgl. dazu W. Schachtschneider, NJW 1989, 2371 ff.; H. Fangmann, CR 1989, 647 ff. 15 Deren Aufgaben lagen in der Wahrnehmung der auf horizontaler Ebene abgetrennten unternehmerischen und betrieblichen Funktionen, siehe dazu P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (890 ff.). Die politischen Entscheidungen und hoheitlichen Aufgaben der Planung und Regulierung verblieben beim neu gegründeten Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT), §§ 1 Abs. 1, 36 Abs. 3 PostVerfG. 16 In der Fassung von 1989, Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über Femmeldeanlagen, vom 3. Juli 1989, BGBl. I, 1455. Vgl. auch P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (885 ff.). π Vgl. hierzu R. Doll/S.-E. Heun/T. Lohmann, CR 1992, 416 (418).
18 Vgl. R. Doll/S.-E. Heun/T. Lohmann, CR 1992, 492 (493 f.); L. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (620); W. Löwer, in: Jahrbuch der Deutschen Bundespost 40 (1989), 41 (118 f.).
106 2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Nachdem die DBP Telekom bereits im Jahre 1988 prädesigniert worden war, das heißt sie erhielt eine Lizenz als Betreiberin (Dl) des GSM-Mobilfunksystems ex-ante, ohne sich einem Ausschreibungsverfahren unterziehen zu müssen, wurde 1990 eine zweite Lizenz im digitalen D-Netz 19 erteilt. 20 Die Lizenz des zweiten und privaten Betreibers (D2) wurde 1990 gemäß § 2 Abs. 1 FAG 2 1 über ein Ausschreibungsverfahren vergeben, deren Bewertungskriterien sich auf die Bereiche Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Lizenzvorschläge und Wettbewerbsaspekte sowie auf technische und geschäftliche Planungen der Bewerber 22 bezogen.23 Die D2-Lizenz erhielt schließlich das Mannesmann-Konsortium zugeteilt.24 Vor dem Hintergrund, dass der Wert der Lizenz schon vor Beginn der Ausschreibung in der interessierten Öffentlichkeit auf mehrere Milliarden Markt geschätzt wurde, 25 war als Verteilungsverfahren eine Versteigerung der D2-Lizenz in Erwägung gezogen worden. Unüberwindbares Problem war allerdings die Tatsache, dass der Konkurrent DBP-Telekom des Lizenzgewinners im Dyopol die Lizenz ohne ein Versteigerungsverfahren erhalten hatte. Die daraus folgende deutliche Asymmetrie auf dem GSM-Markt und die ungleichen Wettbewerbschancen konnten nicht hingenommen werden. D2 hätte den Lizenzpreis als Kosten betrachtet, die D l nicht zu tragen gehabt hätte. 1993 wurde dann die El-Lizenz, bei der der Standard DCS 1800 vorgeschrieben war, wiederum in einem nicht-pretialen Ausschreibungsverfahren an das E-Plus Konsortium vergeben. Da der Mobilfunkmarkt zwischenzeitlich sehr eng geworden war und sehr hohe Investitionen für die Infrastruktur des El-Netzes erforderlich waren (ca. 8 Mrd. DM), konkurrierten nur die zwei Bewerber E-Plus und Ε-Star 26 um die Lizenz, von denen schließlich E-Plus sein DCS 1800-System im Mai 1994 in Betrieb genommen hat.
19 Zu Leistungsmerkmalen, Teilnehmer- und Gebührenentwicklungen des analogen A-, Bund C-Netzes siehe G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 88 ff. 20 Der ökonomische Hintergrund, nur zwei Netzbetreiber zuzulassen, wurde mit den besonderen Kostenstrukturen, die auf ein natürliches Monopol bzw. auf Subadditivität der Totalkosten bei einem nationalen Mobilfunksystem hindeuten, begründet. Die durch nur zwei Anbieter auftretenden Kostennachteile (technische Ineffizienz) würden durch den Wettbewerb zwischen diesen beiden Betreibern kompensiert werden, vgl. G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 92. 21
In der Fassung von 1989 siehe Fn. 16 in diesem Kapitel. Insgesamt haben sich zehn überwiegend internationale zusammengestellte Konsortien beworben, vgl. zu deren Zusammensetzung J. Kruse, Wirtschaftsdienst 1990,194 (197). 23 Siehe zum Aus wähl verfahren J. Kruse, Wirtschaftsdienst 1990, 194 (197); ders., Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 36 (1991), S. 87 (91 f.). 24 Siehe zum Inhalt der Lizenz, die die gleichen Rechte und (fast) die gleichen Bedingungen und Verpflichtungen für beide Betreiber trotz des anderen rechtlichen Verhältnisses der DBP Telekom im Gegensatz zu dem privaten Unternehmen enthält, G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 93 ff. 22
25
Siehe dazu J. Kruse, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 36 (1991), S. 87 (92).
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
107
ΠΙ. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform Π (1994/1995) Schon bald nach der Umsetzung der ersten Postreform zeigte sich, dass durch sie allein die Wettbewerbseinführung nicht möglich war. 27 Dem Telekommunikationsbereich, der sich als einer der am schnellsten wachsenden Märkte durch eine hohe wirtschaftliche Dynamik auszeichnet(e), wurde aber eine Schlüsselposition für die Entwicklung moderner Volkswirtschaften zugesprochen.28 Hinzu kam, dass die EU durch Ministerratsbeschluss eine vollständige Marktöffnung bis Ende 1997 vorschrieb. 29 So wurden durch die Postreform Π 1994 die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Telekommunikationssektors umstrukturiert. Der neu eingefügte Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG beinhaltet eine vollständige Privatisierung des Telekommunikationssektors. Er sieht vor, dass Telekommunikationsdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen DBP hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht werden. 30 Eine - wenn auch nur vorübergehende - Einschränkung erfuhr die Grundsatzentscheidung für einen privaten Wettbewerb durch die Regelung des Art. 143 b Abs. 2 S. 1 GG, der erlaubte, bestehende ausschließliche Rechte aufrechtzuerhalten. Von dieser Ermächtigung machte der Bundesgesetzgeber im PTNeuOG31 Gebrauch, indem er Ausschließlichkeitsrechte einschließlich des Funkanlagenmonopols32 der nunmehr Deutschen Telekom AG (im Folgenden: DTAG) 33 unter 26 Siehe zur Zusammensetzung G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 105. 27 Die Funktionsfähigkeit des recht komplizierten Poststrukturgesetz mit seinen unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Zielvorgaben und seinem fragmentierten Kompetenzgefüge im Verhältnis von Bundesministerium und Unternehmen wurde bezweifelt, vgl. E.-J. Mestmäcker, in: Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (88 ff.), vgl. auch T. Vesting, in: AK-GG, Art. 87fRn. 15. Das Art. 87 Abs. 1 GG a.F. anhaftende Prinzip der Leistungsstaatlichkeit stand einer primär erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates entgegen. Zudem wurde ein öffentliches Unternehmen als zu unflexibel und als nur sehr eingeschränkt in der Lage eingeschätzt, auf die Herausforderungen der sich globalisierenden Mikroelektronik- und Telekommunikationsindustrie einzugehen. So die wohl ganz h.M., vgl. nur E Ossenbiihl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 105 ff.; P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (879); P. Lerche, in: Kommunikation ohne Monopole, S. 139 (146 f.); K. Stern, DVB1. 1997, 309 (309); J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (315 f., 331 ff.). 2 » Vgl. die Bundesregierung zur Privatisierung BT-Drs. 12/6718, S. 75 f.; BT-Drs. 12/6717, S. 3. Siehe auch J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (317); T. Vesting , in: Rechtswissenschaftliche Innovationssteuerung, S. 246 (251 f.). 29 S.o. im 1. Teil, 2. Kapitel, D.ffl.1. 30 Verblieben ist der Infrastrukturgewährleistungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG, der im Sinne einer Gewährleistungsverantwortung weiterhin staatliches Tätigwerden legitimiert. Siehe dazu ausführlich unten im 2. Teil, 4. Kapitel, A.III.3.b)bb)(3)(b).
31 BGBl. I, 2325; BT-Drs. 12/6718. Siehe hierzu L Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (623 f.). 32 Siehe hierzu J. Simon, Archiv PT 1996, 142 (146).
108 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Befristung bis zum 31. 12. 1997 verlieh. Das PTNeuOG führte aber zu einer weiteren Marktöffnung im Telekommunikationssektor, teils unmittelbar durch, teils aufgrund des (modifizierten) FAG. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FAG statuierte die Verpflichtung des BMPT, „Entscheidungen über die beabsichtigte Öffnung von Märkten für Telekommunikationsdienstleistungen" zu erlassen, wobei sich diese Kompetenz auf die Verleihung der Befugnisse nach § 2 Abs. 1 FAG bezog. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FAG gab dem BMPT auf, „Regelungen zu Inhalt, Umfang und Verfahren der Verleihung" zu treffen. Auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 und 2 FAG trat am 01. 11. 1995 die Verordnung „zur Öffnung von Märkten für Dienstleistungen sowie zur Regelung von Inhalt, Umfang und Verfahren der Verleihung im Bereich der Telekommunikation"34 in Kraft. Das BMPT entschied nicht allein über „beabsichtigte Marktöffnungen" (§ 2 TVerleihV), nämlich „für das Betreiben von Fernmeldanlagen, die der Vermittlung von Sprache für geschlossene Benutzergruppen dienen", sondern regelte auch im Hinblick hierauf (§§ 3 ff. TVerleihV) ebenso wie für andere Sachverhalte (§§ 7 ff. TVerleihV) „Inhalt und Umfang" sowie schließlich das „Verfahren" der Verleihung (§§ 26 ff. TVerleihV). Für die Errichtung und den Betrieb „privater Übertragungswege in öffentlichen Mobilfunknetzen, die abweichend von § 1 Abs. 2 (FAG) von anderen als der Deutschen Telekom AG errichtet oder betrieben werden sollen", sah hingegen die Mobilfunk-Telekommunikations-Verleihungsverordnung 35 nur vor, dass Lizenznehmer auf Antrag auch das Recht erhielten, „die im Rahmen ihrer Verleihungen für diese Netze benötigten Übertragungswege selbst zu errichten und zu betreiben und diese auch anderen Inhabern verliehener Rechte im Bereich des öffentlichen Mobilfunks, die ebenfalls über diese Rechte verfügen, zur Verfügung zu stellen" (§ 2 Abs. 1 MTVerleihV). Für das Verleihungsverfahren verwies § 3 MTVerleihV auf die §§ 26 ff. TVerleihV. Damit regelten die beiden - bis 31. 12. 1997 befristeten 36 - Rechts Verordnungen Vergabe verfahren - nicht jedoch Verteilungs verfahren in Konkurrenzsituationen - für Mobilfunklizenzen und -frequenzen. 37 33 Die Umwandlung (auch) der DBP Telekom in die Deutsche Telekom AG legte Art. 3 PTNeuOG („Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft" [PostUmwG]) fest, vgl. dazu L. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (623 f.). 34 Telekommunikations-Verleihungsverordnung (TVerleihV) vom 19. Oktober 1995, BGBl. I, 1434. Vgl. dazu 7. Simon, ArchPT 1996, 142 ff.; R. Schütz, BB 1996, 1445 ff.; R. Hallenga, ArchPT 1996, 239 (243 ff.); L. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (626 f.). 35 Verordnung über Verleihungen zum Errichten und Betreiben privater Übertragungswege in öffentlichen Mobilfunknetzen (Mobilfunk-Telekommunikations-Verleihungsverordnung MTVerleihV) vom 23. Oktober 1995, BGBl. I, 1446. Vgl. dazu 7. Simon, ArchPT 1996, 142 (146); R. Hallenga, ArchPT 1996,239 (245); L Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (627 f.). 3 6 § 38 TVerleihV, § 4 MTVerleihV. Zur Weitergeltung von Verleihungen nach § 2 Abs. 1 FAG siehe § 97 Abs. 5 TKG-alt und nun § 150 Abs. 8 TKG, der ihre Handelbarkeit nach § 62 TKG für den in diesen Lizenzen und Frequenzen festgelegten Geltungszeitraum ausschließt, siehe dazu unten im 3. Teil, 1. Kapitel, Β .11.1. Vgl. zum Verhältnis der Verordnungen zum TKG-alt 7. Simon, Archiv PT 1996,142 (147). 37 Siehe dazu 7. Simon, Archiv PT 1996,142 (147).
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
109
IV. Frequenzzuteilung zur Zeit der Postreform III: Das TKG (1996) Da europäische Vorgaben forderten, vollständigen Wettbewerb in der Sprachtelefonie zum 01. Januar 1998 einzuführen, war die Postreform Π von vornherein nur bis zum 31. Dezember 1997 befristet. Insofern stand schon bald nach der Postreform II eine weitere Novellierung des gesamten Regelwerks an: Das im Zuge der Postreform ΠΙ folgende Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25. Juli 1996 38 hob die verbliebenden Monopolrechte auf und ordnete die vollständige Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte an. Um die Umsetzung des TKG zu gewährleisten, wurde die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (im Folgenden: RegTP) mit Sitz in Bonn errichtet. 39 In der Erwartung der weiteren Intensivierung des Wettbewerbs auf dem Mobilfunkmarkt erhielt - allerdings bereits nach Erlass des TKG - 1997 Viag Intercom die E2-Lizenz. Da das Konsortium aus der Viag AG und der British Telecom einziger Interessent war, wurde auf ein Ausschreibungsverfahren gänzlich verzichtet. Es erfolgten dann weitere Frequenzzuteilungen nach Maßgabe des TKG-alt. 40
B. Frequenzzuteilung nach dem TKG Durch Umsetzung der Harmonisierungsbestrebungen in Form des Allgemeingenehmigungsregimes41 ist eine völlig neue Ordnung im novellierten TKG für die Frequenznutzung entstanden, wobei insbesondere die Frequenzzuteilung als Teil der Frequenzordnung mit anderen Ebenen der Frequenzverwaltung zusammengefasst bzw. vollständig in diesen Zusammenhang integriert wurde. 42 38 Telekommunikationsgesetz vom 25. 07. 1996, BGBl. I, 1120. Dazu J. Scherer, NJW 1996, 2953 ff.; A. Kemmler, ArchPT 1996, 321 ff.; A Freytg/B. Jäger, ORDO 47 (1996), 215 ff.; L. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (629 ff.). Zu den vorausgegangenen, am 27. 03. 1995 veröffentlichten „Eckpunkten eines künftigen Regulierungsrahmens" (ArchPT 1995, 149 ff.) siehe W. Bötsch, Wirtschaftsdienst 1995, 347 ff.; A. Börnsen, Wirtschaftsdienst 1995, 350 ff.; H. P. Stihl, Wirtschaftsdienst 1995, 353 ff.; C. B. Blankart, Wirtschaftsdienst 1995, 355 ff.; H.-W Hefekäuser/A. Wehner, CR 1996, 698 ff. 39
Sie nahm ihre Arbeit zum 01. Januar 1998 auf. Bis zum 31. 12. 1997 wurden die Dienste der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) durch das BMPT durchgeführt, dessen Befugnisse durch das Bundesamt für Post und Telekommunikation wahrgenommen wurden, vgl. Vfg. 143/1996, ABl. BMPT 1996, 1246 ff. Siehe zu ihr die Nachweise in Fn. 336 im 1. Teil, 2. Kapitel. 40 Siehe zu den Frequenzzuteilungen im Wege eines Versteigerungsverfahren oben in der Einführung unter B. 41 Siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)aa). 42 Ferner wurde auch die auf Grundlage des § 47 Abs. 4 TKG-alt erlassene Frequenzzuteilungsordnung vom 26. 04. 2001 (BGBl. I, 829) - soweit normativer Handlungsbedarf bestand - in die Regelungen des TKG aufgenommen, vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 77. Die Frequenzzuteilungsverordnung ist am 26. Juni 2004 außer Kraft getreten, § 152 Abs. 2 TKG.
110 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
1. Verhältnis Anzeige - Frequenznutzungsrecht Trotz der Konstitutionalisierung des Wettbewerbsprinzips (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 G G ) 4 3 und der weiteren Liberalisierung des Telekommunikationssektors durch den neuen europäischen Rechtsrahmen ist Leitmotiv immer noch das Modell des regulierten Wettbewerbs. I m Zuge der Umsetzung der Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie ist dieses allerdings auf den Bereich der Frequenznutzung verdichtet worden. I m Gegensatz zum TKG-alt, das i n § 8 TKG-alt die Lizenz für den nach § 6 TKG-alt lizenzpflichtigen Bereich als Kontrollerlaubnis vorsah, 4 4 geht das Gesetz nun - entsprechend den sekundärrechtlichen Vorgaben - von einem weiter gefassten System der Allgemeingenehmigung 4 5 mit Meldepflicht aus. 4 6 Grundsätzlich ist der Marktzugang nicht mehr als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet, sondern steht unbeschränkt allen potenziellen Markteilnehmern offen. Das liberalisierte Zulassungssystem mit einer ex-postKontrolle der einzuhaltenden Bedingungen macht den Marktzugang lediglich von einer Meldepflicht für das gewerbliche Betreiben öffentlicher Telekommunikationsnetze und dem Erbringen öffentlicher Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit als grundsätzlich mildestes Instrument der Betätigungskontrolle abhängig. Nach § 6 Abs. 1 T K G 4 7 muss, wer gewerblich öffentliche Telekommuni43
Vgl. auch das Regulierungsziel in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG. Die Lizenzpflicht nach § 8 TKG-alt war als präventives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet. Die verfassungsrechtlichen Rechte potenzieller Marktakteure sollten nur ,4m unbedingt erforderlichen Umfang eingeschränkt" werden, vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 34. Diese Auslegung folgt auch aus der Privatisierungsentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG sowie aus der Lizenzierungsrichtlinie, wonach jedes die gesetzlichen Anforderungen erfüllende Unternehmen einen Anspruch auf Erteilung einer Einzelgenehmigung haben sollte. Siehe dazu C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 13 ff. Durch das Wegfallen des Lizenzerfordernisses haben sich auch die damit verbundenen Probleme wie das abgestufte System von Reaktionsmöglichkeiten bei Frequenzknappheit (Lizenzversagung nach § 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 TKG-alt, Lizenzbefristung nach § 8 Abs. 4 TKG-alt, Beschränkung der Anzahl der Lizenzen nach § 10 TKG-alt mit sich anschließendem Vergabeverfahren nach § 11 TKG-alt), also das Verhältnis zwischen § 8 TKG-alt und § 10 TKG-alt und das Problem des Verhältnisses zwischen Lizenzerteilung und Frequenzzuteilung, für das von einer gewissen Bindungswirkung ausgegangen wurde, erübrigt, vgl. dazu statt vieler C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 32 ff., 36 ff. 44
45 Auf den ersten Blick legt diese Terminologie eine Übereinstimmung mit verwaltungsrechtlichen Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG nahe. Aus der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 2 a) Genehmigungsrichtlinie ist jedoch abzuleiten, dass hiermit ein normativer Rahmen gemeint ist und kein behördlicher Rechtsakt. Gleiches folgt auch aus der entsprechenden Begriffsbestimmungin Art. 2 a) Spiegelstrich 2 Lizenzierungsrichtlinie, wonach Allgemeingenehmigungen u. a. in Form von „allgemeinen Rechtsvorschriften" ergehen konnten. 46
Handelt es sich um ein „stehendes Gewerbe", bedarf es allerdings auch der An-, Umund Abmeldung nach § 14 GewO, zumal diese Unterrichtungspflicht einen anderen Adressaten hat. 47 Eine Anzeigepflicht sah auch schon § 4 TKG-alt vor. § 6 TKG ist um die nach Art. 3 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie zulässige Angaben erweitert worden.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
111
kationsnetze betreibt und gewerblich Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringt, die Aufnahme, Änderung und Beendigung sowie Änderungen seiner Firma bei der RegTP unverzüglich in schriftlicher Form melden. Neben der Absichtserklärung, elektronischen Kommunikationsnetze oder -dienste ab einem bestimmten Zeitpunkt bereitzustellen, werden lediglich noch die für die Identifizierung des Anbieters notwendigen Angaben verlangt (vgl. § 6 Abs. 2 T K G ) . 4 8 Diese Angaben sind für die Ausübung der behördlichen Aufsichts- und Eingriffsrechte erforderlich. A u f Verlangen der Regulierungsbehörde ist der genannte Personenkreis überdies berichtspflichtig, wobei der Umfang der gebotenen Auskünfte durch Informationspflichten der EU-Kommission gegenüber näher bestimmt und begrenzt wird (§ 4 T K G ) . 4 9 Für den Bereich der Frequenznutzung reicht die Meldung allein nicht aus. 5 0 Gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 T K G 5 1 bedarf jede Frequenznutzung 52 einer vorherigen Zuteilung durch die RegTP, soweit sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergibt. 5 3 Da der Vorrat an nutzbaren Frequenzen aus natürlichen bzw. technischen Gründen begrenzt ist, bedarf es einer staatlichen Koordinierung und Steuerung der Nutzung dieser knappen Ressource. 54 Das Genehmigungserfordernis 55 ist allerdings nur präventiv ausgestaltet. Das grundsätzlich erlaubte Verhalten wird dabei lediglich 48 Im Gegensatz dazu war nach § 6 TKG-alt das Betreiben von Übertragungswegen, die für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit genutzt werden, und das Anbieten von Sprachtelefondienst auf der Basis selbstbetriebener Telekommunikationsnetze einer Lizenzpflicht unterworfen. 49 Mit dieser Bestimmung werden die Art. 10 und Art. 11 Genehmigungsrichtlinie umgesetzt, siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)aa)(2). 50 Genehmigungen, die bei Inkrafttreten der Genehmigungsrichtlinie bereits gültig erteilt worden waren, genießen keinen Bestandsschutz mehr. Sie waren gemäß Art. 17 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist mit den Bestimmungen der Richtlinie in Einklang zu bringen. Art. 17 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie erlaubte den Mitgliedstaaten unter der Bedingung, dass die gemeinschaftsrechtlichen Rechte anderer Unternehmen nicht nachteilig beeinträchtigt würden, eine Verlängerung der Umsetzungsfrist um neun Monate, wenn die Anpassung der Rechtsposition des Lizenznehmers zu einer Einschränkung seiner Rechte oder einer Erweiterung seiner Pflichten geführt hätte. Auch diese Frist ist zwischenzeitlich verstrichen. Die Unwirksamkeit nicht angepasster Auflagen ist anders als noch in Art. 22 Abs. 3 S. 1 Lizenzierungsrichtlinie - nicht ausdrücklich vorgesehen, dürfte sich jedoch grundsätzlich aus dem nationalen Recht ergeben. Zur Verlängerung von Bedingungen, die ohne übermäßige Schwierigkeiten nicht abgeschafft werden können siehe Art. 17 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie. Siehe dazu allgemein R. Schütz/T. Attendorn, MMR 2002, Beilage zu Heft 4, 1 (12, 27); mit Beispielen R. Schütz/T. Attendorn/A. König, Elektronische Kommunikation, Rn. 337 ff., 342 ff.
51 § 55 Abs. 1 TKG beinhaltet § 47 Abs. 1 TKG-alt und § 2 Abs. 4 und 5 FreqZutV. 52
S.o. Fn. 1 in der Einführung. 53 Vgl. dazu insb. § 55 Abs. 1 S. 4 und 5 TKG. 54 Vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 78. 55 Die Begriffe „Genehmigung", „Erlaubnis", „Bewilligung" oder „Zulassung" werden im Sprachgebrauch zumeist nahezu synonym verwendet, obwohl die Unterscheidungen innerhalb einzelner Umweltgesetze eine Rolle spielen, vgl. M. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 53.
112 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
zu Kontrollzwecken einer präventiven Eröffnungskontrolle unterstellt (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Die bis zur Genehmigungserteilung bestehende Beschränkung dient allein der rechtzeitigen behördlichen Kontrolle und hat Ordnungsfunktion, um die gemeinwohlverträgliche gewerbliche Betätigung von Anfang an sicherzustellen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen und kein Versagungsgrund vor, ist das Nutzungsrecht zu erteilen und die angestrebte Betätigung zu gestatten.56 Es besteht also ein Rechtsanspruch auf die Genehmigungserteilung. 57 Als Versagungsgrund sieht § 55 Abs. 10 TKG nur die Unvereinbarkeit der beabsichtigen Frequenznutzung mit den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 TKG vor. Eine (sofortige) Frequenzzuteilung im Wege der Allgemeinzuteilung scheidet ebenso bei Frequenzknappheit bzw. beim Fehlen jedweder nutzbarer Frequenzen aus.
Π. Frequenzzuteilung Die Frequenzzuteilung wird in § 55 Abs. 1 S. 2 TKG definiert als die behördliche oder durch Rechtsvorschriften erteilte Erlaubnis zur Nutzung bestimmter Frequenzen unter festgelegten Bedingungen. Die Zuteilung erfolgt nach Maßgabe des Frequenznutzungsplans58 diskriminierungsfrei auf der Grundlage nachvollziehbarer und objektiver Verfahren (§ 55 Abs. 1 S. 3 TKG). § 55 Abs. 1 S. 3 TKG macht deutlich, dass die Frequenzzuteilung frequenzbezogen und nicht gerätebezogen erfolgt. Diese Zweckbindung stellt klar, dass Frequenzen nicht zu beliebigen, 56 BVerfGE 20,150,155. Siehe dazu auch sogleich B.II.2.b). 57 BVerfGE 20, 150, 155; W. Frotscher, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht § 1 Rn. 116; R. Sparwasser/R. Engel/A. Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 65; M. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 55. Auch bei insoweit nicht eindeutigem Wortlaut einer gesetzlichen Regelung ergibt sich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zugang zur gewünschten Betätigung über einen Durchgriff auf die verfassungsrechtliche Freiheitsverbürgung. 58 § 58 S. 1 TKG enthält eine aus Flexibilitätsgründen notwendige Ausnahmeklausel, welche unproblematische Abweichungen von den planerischen Vorgängen gestattet. Vom Frequenzbereichszuweisungsplan oder Frequenznutzungsplan abweichende Frequenzzuteilungen sind im begründeten Einzelfall auch dann zulässig, wenn nach Art und Umfang der Frequenznutzung Beeinträchtigungen oder im Frequenzbereichszuweisungsplan oder Frequenznutzungsplan festgelegten Frequenznutzungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind. Gedacht ist auch an Sonderzuteilungen bei Großveranstaltungen, experimentellen Nutzungen oder solch marginalen Nutzungen, bei denen Störungen praktisch ausgeschlossen werden können, wobei der Antragsteller selbst keinen Schutz vor Beeinträchtigungen durch eingetragene Frequenznutzungen beanspruchen kann. Die planerischen Vorgaben können beispielsweise versuchsweisen Anwendungen neuer Techniken entgegenstehen, an deren Einführung zum Zwecke der Effizienzsteigerung ein Interesse besteht. Eine Änderung der planerischen Vorgaben kommt aber noch nicht in Betracht, da erst durch die versuchsweise Einführung ermittelt werden muss, ob die neue Technik die an sie gestellten Erwartungen erfüllt, so BT-Drs. 15/2316, S. 79.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
113
sondern nur zu den in der Zuteilung angegebenen Zwecken genutzt werden dürfen. 59 Die unterschiedlichen Arten der Frequenzzuteilung regeln § 55 Abs. 2 und Abs. 3 TKG. 6 0 § 55 Abs. 2 TGK bestimmt als Regelfall der Frequenzzuteilung die Allgemeinzuteilung. Als Einzelzuteilung erfolgt die Frequenzvergabe nach § 55 Abs. 3 TKG entweder unmittelbar oder unter Zwischenschaltung eines Vergabeverfahrens, §§ 55 Abs. 9, 61 TKG.
1. Frequenzzuteilung im Wege der Allgemeinzuteilung, § 55 Abs. 2 TKG Gemäß § 55 Abs. 2 TKG werden Frequenzen in der Regel von Amts wegen als Allgemeinzuteilung in Form einer Allgemeinverfügung 61 durch die RegTP für die Nutzung von bestimmten Frequenzen durch die Allgemeinheit oder einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis zugeteilt.62 Die Zuteilung ist nicht von in der Person des Nutzers liegenden Kriterien abhängig, sondern erfolgt allein sachbezogen zu diesbezüglichen Ordnungs- und Kontrollzwecken.
2. Frequenzzuteilung im Wege der Einzelzuteilung, §55 Abs. 3 TKG Für den Fall, dass eine Allgemeinzuteilung nicht möglich ist, werden Frequenzen für einzelne Frequenznutzungen als Einzelzuteilung in Form von Verwaltungsakten durch die RegTP zugeteilt. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Gefahr von funktechnischen Störungen nicht anders ausgeschlossen werden kann oder wenn es zur Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung erforderlich ist (§ 55 Abs. 3 S. 2 TKG). 6 3
59 BT-Drs. 15/2316, S. 77. 60
§ 59 TKG, der § 6 Abs. 1 FreqZutV entspricht, regelt die gemeinsame Frequenznutzung. Bei manchen Frequenznutzungen, beispielsweise dem Betriebsfunk, gebietet die Knappheit der dafür zur Verfügung stehenden Frequenzen und die besondere Nutzungsart eine parallele Zuteilung einer Frequenz an eine Vielzahl von NutzeRn. § 59 TKG stellt sicher, dass in diesen Bereichen keine Verteilungsprobleme durch eine normale Einzelzuteilung nach dem Prioritätsprinzip entstehen, vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 79. 61 Vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 77. 62 Umgesetzt wird damit Art. 5 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie, wonach die Frequenznutzung grundsätzlich von der Allgemeingenehmigung umfasst sein soll, vgl. dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)bb)(l). 63 Umgesetzt wird also Art. 5 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie, siehe zu den Vorgaben oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)bb)(2). 8 Bumke
114 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
a) Verfahren, § 55 Abs. 4 TKG § 55 Abs. 4 TKG konkretisiert das Verfahren der Einzelzuteilung. Die RegTP ist hierbei befugt, die Zuteilung von der Erfüllung subjektiver Voraussetzungen abhängig zu machen und notwendige Vorgaben für die Antragstellung festzulegen. Diese Voraussetzungen stehen unter dem Gebot, dass sie im Hinblick auf eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung notwendig sein müssen und den Bedingungen in Anhang Β der Genehmigungsrichtlinie entsprechen.64
b) Zuteilungsvoraussetzungen, § 55 Abs. 5 TKG § 55 Abs. 5 T K G 6 5 enthält die Zuteilungsvoraussetzungen: Nach Nr. 1 des § 55 Abs. 5 S. 1 TKG muss die geplante Nutzung mit den planerischen Vorgaben des Frequenznutzungsplans, der wiederum auf die Vorgaben des Frequenzbereichszuweisungsplans zurückgeht, vereinbar sein. Frequenzen müssen des Weiteren nach Nr. 2 des § 55 Abs. 5 S. 1 TKG verfügbar sein, also dürfen nicht durch andere Nutzungen belegt sein. § 55 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 TKG fordert, dass nicht aufgrund funktechnischer Umstände eine Störung anderer Nutzungen zu befürchten ist. 66 § 55 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 TKG greift erneut die Forderung auf, dass eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung durch den Antragsteller sichergestellt wird. Die Formulierung des § 55 Abs. 5 TKG („Frequenzen werden zugeteilt...") stellt klar, dass es sich bei der Frequenzzuteilung um eine gebundene Entscheidung der RegTP handelt und dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 S. 1 TKG ein Rechtsanspruch auf Zuteilung besteht.67 § 55 Abs. 5 S. 2 TKG schließt lediglich einen Anspruch auf eine bestimmte Frequenz aus, womit eine im Interesse der gesetzlichen Aufgabenerfüllung notwendige Flexibilisierung gewährleistet bleibt.
64
Für den Fall der Einzelzuteilung ist die Bearbeitungsfrist von sechs Wochen in § 55 Abs. 4 S. 3 TKG aufgenommen worden. Im Falle eines Vergabeverfahrens kann die Frist gemäß § 61 Abs. 8 S. 1 TKG um längstens acht Monate verlängert werden, um für alle Beteiligten ein chancengleiches, angemessenes, offenes und transparentes Verfahren sicherzustellen. Die Fristenregelungen entsprechen den Vorgaben der Art. 5 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 4 Genehmigungsrichtlinie, vgl. dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb)(2)(a) mit Fn. 287. 65 § 55 Abs. 5 TKG entspricht § 4 Abs. 1 FreqZutV. 66 Durch dieses Kriterium wird es der RegTP ermöglicht, ζ. B. sog. geographische Frequenzverteilungspläne (Rautenpläne) zu erstellen, durch welche näher beschrieben wird, wann von einer funktionierenden Frequenznutzung in der Fläche ausgegangen werden kann. Umgesetzt wird Art. 5 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie, siehe zu den Vorgaben oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb). 67
Auch die Genehmigungsrichtlinie sieht in Art. 5 Abs. 2 einen grundsätzlichen Zuteilungsanspruch vor, siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.IÜ.3.d)bb)(2)(a).
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
115
c) Versagungsgründe, § 55 Abs. 10 TKG § 55 Abs. 10 T K G 6 8 räumt der RegTP die Möglichkeit ein, einen Antrag auf Zuteilung trotz Vorliegen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 5 TKG abzulehnen, wenn die vom Antragsteller beabsichtigte Nutzung mit den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 TKG nicht vereinbar ist. Damit ist eine Verweigerung der Zuteilung insbesondere dann möglich, wenn eine Überprüfung des Nutzungskonzeptes des Antragstellers ergibt, dass dessen Bedürfnis nach Frequenzzuteilung nur der Hortung von Frequenzen dient oder auf einer technisch nicht erforderlichen ineffizienten Gestaltung der Funkanlagen beruht. Dann widerspräche die Frequenznutzung nämlich dem Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG. Die Vorschrift des § 55 Abs. 10 TKG ist schließlich auch erforderlich, um bei der Gestaltung von Funknetzen prüfen zu können, ob nicht lediglich aus Kostengründen oder um Konkurrenten eine Erweiterung ihrer Netze zu verbauen die Anlagen so gestaltet werden, dass mehr Frequenzen als die zum jeweiligen Zeitpunkt erforderliche Minimalausstattung für das geplante Netz benötigt werden. Bedeutung erlangt dies beispielsweise bei der Ausgestaltung von Mobilfunknetzen. Ohne eine solche Vorschrift müsste die RegTP frühzeitig sämtliche freien Frequenzen zuteilen, ohne dass dafür ein technisch begründbarer Bedarf bestünde. Folge wäre eine erhebliche Verschwendung von Frequenzressourcen, was wiederum in Widerspruch zum Regulierungsziel der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG stünde. Die Ausgestaltung der Vorschrift des § 55 Abs. 10 TKG als im Ermessen stehender Versagungsgrund erlaubt im Gegensatz zu einer Ausgestaltung als Zuteilungsvoraussetzung, bei der im Ermessen notwendig werdenden Abwägung zu berücksichtigen, dass Konkurrenten des Antragstellers aus früheren Zeiten noch über entsprechende Frequenzreserven verfügen.
3. Frequenzzuteilung im gestuften Verfahren gemäß §§ 55 Abs. 5, Abs. 9, 61 TKG a) Entscheidung über die Durchführung eines Vergabeverfahrens, § 55 Abs. 9 TKG aa) Voraussetzung: Frequenzknappheit Nach § 55 Abs. 9 T K G 6 9 kann die RegTP 70 bei Frequenzknappheit unbeschadet des § 55 Abs. 5 TKG anordnen, dass der Frequenzzuteilung ein Vergabeverfahren nach § 61 TKG voranzugehen hat. 71 Frequenzknappheit liegt vor, wenn entweder 68 § 55 Abs. 10 TKG entspricht § 4 Abs. 2 FreqZutV. 69 § 55 Abs. 9 TKG entspricht § 47 Abs. 5 S. 2 TKG-alt. 70 Die RegTP entscheidet alles, was im Zusammenhang mit der Frequenzzuteilung steht, der ein Vergabeverfahren vorangestellt wird - also in den Fällen des §§55 Abs. 9, 61 TKG - , gemäß § 132 Abs. 1 TKG durch Beschlusskammerentscheidung.
116 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Frequenzen nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind oder mehrere Anträge für eine bestimmte Frequenz gestellt sind. Es besteht dann ein, JMachfrageüberhang mit kapazitätsbedingter Ausschlusswirkung". 72 Im Gegensatz zu § 10 S. 1 TKGalt, der für die Lizenzbeschränkung im Rahmen der Lizenzknappheitsprognose konstitutiv eine sachliche und räumliche Marktabgrenzung forderte, 73 ist die im Rahmen des § 55 Abs. 9 TKG zu treffende Knappheitsprognose an rein faktische Sachgesetzlichkeiten der Frequenzen gekoppelt. Entscheidender materieller Maßstab ist nun nicht mehr, für welche Dienstleistung auf welchem Markt der Antragsteller die Frequenzen nutzen will. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings das Problem, wie die Voraussetzung der Frequenzknappheit mit dem Verfahren nach § 55 Abs. 9 TKG festzustellen ist. Da grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Frequenzzuteilung besteht und Anträge auf Frequenzzuteilung positiv zu bescheiden sind, könnte die Situation eintreten, dass Antragstellern zunächst Frequenzen zugeteilt werden, die im Zeitpunkt der Zuteilung noch ausreichend verfügbar sind. Kurzfristig später beantragende Frequenzbewerber könnten anschließend damit konfrontiert sein, dass durch die früheren Frequenzzuteilungen keine bzw. nicht in ausreichendem Umfang zur Zuteilung verfügbare Frequenzen vorhanden wären. Eine solche Zuteilung nach dem „Windhundprinzip" (Prioritätsprinzip) und somit eine Zuteilung ohne Vergabeverfahren im Sinne des § 61 TKG ausschließlich aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung wäre diskriminierend und soll gerade mit der Regelung des § 55 Abs. 9 TKG vermieden werden. Die Formulierung des § 61 Abs. 1 S. 1 TKG („das Versteigerungsverfahren nach Abs. 5 oder das Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6") macht deutlich, dass andere - nichtförmliche 74 - Verfahrensarten nicht zulässig wären. Verhindert wird eine Zuteilung nach dem „Windhundprinzip" zwar zunächst durch den in § 55 Abs. 10 TKG geregelten Versagungsgrund, der allerdings im Zusammenhang mit dem Regulierungsziel der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG) nur dann zum Tragen kommt, wenn zu befürchten ist, dass Frequenzen verschwendet werden. 75 Ansonsten muss der RegTP zur Vorbeugung die Möglichkeit verbleiben, um eine Zuteilung nach dem „Windhundprinzip" zu vermeiden, eine potenzielle Knappheitssituation zu berücksichtigen. Diesbezüglich ist ihr ein gewisser Prognosespielraum zuzubilligen. 76 Die Entscheidung über die Durchführung eines Vergabeverfahrens darf die 71
Hier werden die Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie zur Beschränkungsentscheidung umgesetzt, siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.IÜ.3.d). Zur Rechtsnatur der Entscheidung und zum Rechtsschutz C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 68, 137 ff., insb. 143; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 9 ff., 16 ff. 72
M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 34. Siehe dazu C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 58 f. 74 Vgl. § 10 VwVfG. 7 5 S.o. B.II.2.C). 76 W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307). 73
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
117
RegTP also nur dann treffen, wenn bereits Anträge in einer die möglichen Frequenzzuteilungen übersteigenden Anzahl eingereicht wurden oder die RegTP über eine frühzeitige umfassende Bedarfsermittlung festgestellt hat, dass die Nachfrage nach bestimmten Frequenzen größer ist als ihr Angebot. 7 7 bb) Prozedurale
Sicherungen
Vor der Entscheidung, der Frequenzzuteilung ein Vergabeverfahren voranzustellen, sind nach § 55 Abs. 9 S. 2 T K G die betroffenen Kreise 7 8 verpflichtend anzuhören. 7 9 Die Anhörung verfolgt neben der Bedarfsabfrage, also der Prüfung des „ O b " eines Vergabeverfahrens, auch das Ziel, die Entscheidungsgrundlagen der RegTP hinsichtlich des „ W i e " (Anzahl der Nutzungsrechte bzw. Aufteilung der Frequenzen) zu erarbeiten sowie die Beteiligten i n einer transparenten Weise bei der Entscheidungsfindung zu beteiligen. 8 0 Die Entscheidung der RegTP ist zu veröffentlichen, § 55 Abs. 9 S. 3 T K G . 8 1
77
Diese Problematik hat die RegTP erkannt und behilft sich in der Praxis mit dafür entwickelten Verfahrensregelungen. So forderte ζ. B. die Vfg. 51/1997, ABl. RegTP 1997, 338 ff., potenzielle Frequenznutzer unter Fristsetzung dazu auf, ihren Frequenzbedarf formell anzuzeigen, um den Frequenzbedarf mit hinreichender Genauigkeit festzustellen. Der Gefahr, dass Unternehmen mit innovativen Technologien und Produktideen, für die das Bedürfnis einer schnellen Frequenzzuteilung besteht, zeitlich „ausgebremst" werden, wäre mit den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 TKG nicht vereinbar. Eine effiziente Nutzung von Frequenzen wird nur dann gewährleistet, wenn nicht der langsamste Marktteilnehmer die Frequenzzuteilungspolitik bestimmt. Konsequenz muss dann also sein, dass die RegTP unmittelbar nach Eingang eines Antrags eine Bedarfsabfrage durchfühlt, vgl. dazu M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 5 f. 7
8 Dazu wurden im Rahmen des § 10 S. 2 TKG-alt alle Antragsteller, Wettbewerbsteilnehmer, Träger konkurrierender Frequenznutzungsinteressen sowie Repräsentanten der Nutzerinteressen an Telekommunikationsdienstleistungen - also alle diejenigen, deren Rechte oder schützenswerten Interessen durch die Entscheidung berührt werden - gezählt, vgl. W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 10 Rn. 5 f.; C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 56; enger M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 7. Aufgrund der Vorgabe des Art. 7 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie („allen Beteiligten, einschließlich Nutzern und Verbrauchern ") sind nun Nutzer und Verbraucher einzuschließen. 79 Dies entspricht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie, siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb). so Vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 39 für die doch vergleichbare Beschränkungsentscheidung nach § 10 TKG-alt; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 7; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 10 Rn. 7. Kritisch unter dem Gesichtspunkt einer substantiellen Anhörung C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 51 ff., 175 f. mit der Forderung eines dieser Entscheidung voranzuschaltenden formellen Bedarfsermittlungsverfahrens. 81
So gibt es auch Art. 7 Abs. 1 c) Genehmigungsrichtlinie vor. Umsetzungsbedürftig geblieben sind das Antragsverfahren nach Art. 7 Abs. 1 d) Genehmigungsrichtlinie und die Rechtspflicht zur Überprüfung der Beschränkung von Amts wegen und auf Antrag (Art. 7 Abs. 1 e) Genehmigungsrichtlinie). Vgl. dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)bb).
118 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
b) Feinabstimmung durch Vergabe verfahren, § 61 TKG § 61 TKG konkretisiert das Vergabeverfahren, dass die RegTP nach § 55 Abs. 9 TKG in Fällen der Frequenzknappheit der Zuteilung voranstellen kann. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 11 TKG-alt. Die Regelungen sollen sicherstellen, dass begrenzt verfugbare Frequenzen durch ein nicht diskriminierendes Verfahren den Nutzern zugeordnet werden können. § 61 Abs. 1 TKG benennt die beiden möglichen Vergabe verfahren, nämlich das Versteigerungs verfahren nach § 61 Abs. 5 TKG und das Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG. aa) Verfahrenseinleitung
durch die RegTP
§ 55 Abs. 9 TKG ermächtigt die RegTP, in Fällen von Frequenzknappheit der Zuteilung ein Vergabeverfahren nach § 61 TKG voranzustellen. Das Verfahren wird von der RegTP eingeleitet, nachdem die Anordnungsentscheidung für ein Vergabeverfahren nach § 55 Abs. 9 TKG ergangen ist. Der Wortlaut des § 55 Abs. 9 TKG ( „ k a n n " ) eröffnet zwar formell ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Verfahrenseinleitung, also bezüglich der Frage, ob die RegTP überhaupt ein Vergabeverfahren durchführt. Würde man der RegTP ein diesbezügliches Ermessen einräumen, hätte sie letztlich die Wahl, ob sie den Frequenzbedarf einiger Antragsteller befriedigt, andere hingegen leer ausgehen lässt, sobald keine Frequenzen mehr verfügbar sind. Eine solche Vergabe nach dem „Windhundprinzip" will das Gesetz aber gerade vermeiden; als Frequenzvergabeverfahren sind das Versteigerungs- und das Ausschreibungsverfahren und eben nicht das Prioritätsverfahren vorgesehen. Auch § 61 Abs. 2 TKG, wonach die Frequenzvergabe dann, wenn das Versteigerungsverfahren zur Sicherstellung der Regulierungsziele nicht geeignet ist, im Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG erfolgt, spricht gegen ein Entschließungsermessen. § 61 Abs. 2 TKG lässt also nicht den Spielraum, bei Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens überhaupt kein Vergabeverfahren durchzuführen bzw. das Prioritätsprinzip anzuwenden.82 Aufgrund der Verpflichtung der RegTP, Wettbewerb zu fördern und zu sichern (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG), sowie der Ansprüche potenzieller Frequenznutzer auf Zugang, ist der Ermessensspielraum in der Praxis folglich in der Regel 83 auf Null reduziert. 84
82 So auch B. Varadinek, CR 2001, 17 (19). 83 Nur in Ausnahmefällen, ζ. B. bei noch ungeklärten technischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Störungsbeeinflussungen, könnte eine ermessensfehlerfreie Nichteinleitung des Vergabeverfahrens möglich sein, vgl. M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 3. m So auch die h.M. in der Literatur, vgl. G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 10 Rn. 7; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 3; W. Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 100; F. Schuster/U. Müller, MMR 2000, 26 (27); W Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307); O. Klöck, RTkom 2000, 280 (282). A.A. B. Varadinek, CR 2001, 17 (19), die ein Entschließungsermessen trotz des Wortlauts ablehnt.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
119
bb) Wahl des Vergabeverfahrens, Festlegungen und Verfahrensregeln (1) Anhörung als prozedurale Sicherung Vor der Entscheidung über die Wahl des Verfahrens sowie deren konkreten Festlegungen und Regeln für die Durchführung muss gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 TKG verpflichtend eine Anhörung der betroffenen Kreise durchgeführt werden. Es werden also bereits im Vorfeld der Durchführung eines Vergabeverfahrens die unmittelbar Betroffenen, also insbesondere alle Frequenzzuteilungsbewerber, in die Entscheidung der RegTP einbezogen. Diese öffentlichkeitsorientierte Vorfeldkommunikation bzw. normative Verdichtung der Kommunikationsbeziehungen zwischen den Beteiligten dient einerseits der Transparenz und erleichtert andererseits der Behörde aufgrund der erworbenen Informationen eine sachlich angemessene Verfahrensgestaltung. 85 (2) Versteigerungsverfahren als Regelverfahren Der Wortlaut des § 61 Abs. 1 S. 1 TKG („... das Versteigerungsverfahren nach Absatz 5 oder das Ausschreibungsverfahren nach Absatz 6 ...") gesteht der RegTP für die Entscheidung, welches der Vergabeverfahren sie durchführt, 86 ein Auswahlermessen zu. Dieses Auswahlermessen ist jedoch durch die weiteren Regelungsinhalte des § 61 TKG so determiniert, dass bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen kaum Spielräume des behördlichen Handelns auf der Rechtsfolgenseite bestehen.87 § 61 Abs. 2 S. 1 TKG normiert nämlich einen prinzipiellen Vorrang des Versteigerungsverfahrens als Regelverfahren, indem die grundsätzliche Anwendung des Versteigerungsverfahren angeordnet wird; 8 8 nur wenn das Versteigerungsverfahren nicht geeignet ist, die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG
85 Siehe dazu Λ. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 2002, S. 277 (344 f.). 86 Zur Rechtsnatur dieser Entscheidung und zum Rechtsschutz C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 90, 137 ff., insb. 143; M Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 11 f., 34 f.; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 25, 68 ff. Nach der bisherigen Praxis der RegTP (vgl. ζ. B. Vfg. 45/1999, ABl. RegTP 1999, 1251 ff. [GSM]; Vfg. 51 /1999, ABl. RegTP 1999, 1519 ff. [UMTS]) wurde sowohl die Entscheidung über die Wahl des Verfahrens als auch die Entscheidung über die Ausgestaltung im Rahmen eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsakts - Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 VwVfG - getroffen und begründet. 87 M Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 5. 88
Vgl. BT-Drs. 80/96, S. 39. So auch die ganz h.M. in der Literatur Κ Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG, S. 427; W Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 16; M Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 5; L. Grämlich, CR 1999,752 (753); C. Koenig /A. Neumann, ZRP 2001, 252 (254); C. Koenig, K&R 2001, 41 (42); M. Rujfert, AöR 124 (1999), 237 (258); R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (27); Α. Α. H. Gersdorf, AfP 1997,424 (425 Fn. 3).
120 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren sicherzustellen, findet das Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 T K G Anwendung. A u f der Tatbestandsseite kann allerdings aufgrund der wertenden und prognostischen Elemente ein gewisser Beurteilungsspielraum der RegTP bestehen, welche Sachverhaltskonstellationen unter den unbestimmten Rechtsbegriff der „Geeignetheit" zu subsumieren sind. 8 9 Die Prüfung der Geeignetheit umfasst dabei neben der Beurteilung des Ziels der Nutzungseffizienz auch die übergeordneten Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 T K G . Das gewählte Verfahren muss also nicht nur seinen spezifischen Zweck erfüllen, die Verfahrenswahl darf darüber hinaus auch andere Ziele nicht gefährden. 90 § 61 Abs. 2 S. 2 T K G enthält diesbezüglich Regelbeispiele. Insbesondere wenn auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt der betreffenden Telekommunikationsdienstleistung für die Öffentlichkeit bereits Frequenzen ohne Durchführung eines Versteigerungsverfahrens erteilt worden sind oder ein Antragsteller als Frequenznehmer oder ein Nutzer der betreffenden Dienstleistung für die zuzuteilenden Frequenzen eine gesetzlich begründete Präferenz 91 geltend machen kann, ist davon auszugehen, dass das Versteigerungsverfahren zur Sicherstellung der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 T K G ungeeignet ist. I n diesen Fällen ist die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens allerdings auch nicht zwingend („dies kann . . . der Fall sein"); eine Ungeeignetheit wird lediglich indiziert. 9 2 Ferner ist die Aufzählung derjenigen Fallkonstellationen, 89 W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 16; G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 8; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 5; W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (244); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (146); J. Scherer, NJW 1996, 2953 (2958); C. Degenhart, K&R 2001, 32 (40), zumeist ohne Problematisierung. Vgl. ausführlich C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 86 ff. A.A. O. Klöck, RTkom 2000, 280 (282 f.), der von einem Rechtsfolgeermessen ausgeht. B. Varadinek, CR 2001, 17 (20), geht von einer Kopplungsnorm aus, bei der eine materielle Verzahnung von Tatbestands- und Ermessensvorschrift zu einer einheitlichen Ermessensvorschrift vorliegt. Konsequenz ist, dass weitere Gesichtspunkte neben der Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens in die Entscheidung der RegTP einfließen könnten. 90 W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 17. 91 Wie z. B. Polizeifunk oder Ansprüche von Betreibern von Rundfunksendeanlagen. Vgl. dazu auch die Begründung zum Gesetzesentwurf BT-Drs. 13/3609, S. 39 für das TKG-alt und BT-Drs. 15/2316, S. 80; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 9. 92 Ebenso M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 6; J. Scherer, K&R 1999, Beilage 2, 1 (15). A.A. wohl O. Klöck, RTkom 2000, 280 (282), der wohl von einer widerlegbaren Regelvermutung ausgeht. So wurde ζ. B. bei der Vergabe der ERMES-Lizenzen ein Versteigerungsverfahren angeordnet, obwohl bereits früher Lizenzen ohne Durchführung eines Versteigerungsverfahrens auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt (bundesweiter Paging-Dienste) vergeben worden waren. Als Begründung wurde angeführt, dass sich die bisherigen, im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens lizenzierten Lizenznehmer ebenfalls an der Versteigerung beteiligen könnten. Damit würde dem Sinn des § 11 Abs. 2 S. 2 1. Alt. TKG-alt entsprochen, der verhindern wolle, dass neu in den Markt eintretende Unternehmen nicht asymmetrischen Zugangsbedingungen unterliegen, vgl. BMPT (Hrsg.), Unterlagen zur Vergabe von vier Funkruflizenzen auf der Basis des europäischen ERMES-Standards in der Bundesrepublik Deutschland (ERMES-Lizenzen), Bonn, 08. 05. 1996. Diese Begründung ist problematisch,
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
121
in denen das Versteigerungsverfahren zur Erreichung der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG ungeeignet sein kann, nicht abschließend („insbesondere"). 93 (3) Inhaltliche Festlegungen, § 61 Abs. 4 S. 2 TKG Neben Verfahrensregeln, die organisatorische Fragen wie etwa den zeitlichen Ablauf der Vergabeverfahren betreffen, wird die RegTP auch verpflichtet, die inhaltlichen Festlegungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 TKG „vor" Durchführung der Vergabeverfahren aber bereits nach Verfahrenseinleitung zu treffen. 94 Sie bestimmt „die vom Antragsteller zu erfüllenden fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen für die Zulassung zum Vergabeverfahren" (Nr. 1), „den sachlich und räumlich relevanten Markt, für den die zu vergebenen Frequenzen unter Beachtung des Frequenznutzungsplans verwendet werden dürfen" (Nr. 2), „die für die Aufnahme des Telekommunikationsdienstes notwendige Grundausstattung an Frequenzen, sofern dies erforderlich ist" (Nr. 3) und schließlich „die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung" (Nr. 4). Bei den Entscheidungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und Nr. 4 TKG wirkt gemäß § 120 Nr. 2 TKG der Beirat mit. (4) Veröffentlichung im Amtsblatt, § 61 Abs. 1 S. 2 TKG Durch Veröffentlichung im Amtsblatt der RegTP nach § 61 Abs. 1 S. 2 TKG werden die Entscheidung über das gewählte Verfahren 95 und die jeweils anzuwendenden Verfahrensregeln 96 öffentlich bekannt gegeben. Die ex-ante Transparenz erleichtert potenziellen Interessenten die Entscheidung über die Beteiligung am Vergabeverfahren. Es wird ihnen schon frühzeitig die Möglichkeit eingeräumt, vor Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu erkennen, welchen Inhalt das Nutzungsda Asymmetrien dann bestehen, wenn im Markt bisher nicht tätige Unternehmen sich um den Marktzutritt bemühen. Diese können im Gegensatz zu den Alt-Lizenznehmern nur über die Teilnahme am Versteigerungsverfahren auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt tätig werden, vgl. oben in der Einführung, unter B.I. 93 Vgl. zu weiteren vorstellbaren Fallkonstellationen M. Geppert, in: Beck'scher TKGKommentar, § 11 Rn. 8. Das Gebot des § 11 Abs. 2 S. 3 TKG-alt, wonach die Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen „ausschließlich" im Wege der Ausschreibung zu erfolgen hatte, ist durch die TKG-Novelle aufgehoben worden, so dass auch diesbezüglich jetzt das Versteigerungsverfahren als Regelverfahren zur Anwendung kommt. 94 Zur Rechtsnatur dieser Entscheidung und zum Rechtsschutz C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 106,137 ff., insb. 143; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 11 f., 34 f.; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 25, 68 ff.; M. Sachs, K&R 2001, 13 ff.; ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 152 ff. Vgl. auch D. Ehlers, K&R 2001, 1 ff. 95 9
Zu dessen Rechtsnatur C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 90 ff. * Siehe dazu sogleich B.II.3.b)dd)(2)(a).
122 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
recht besitzen wird, 97 welche Verpflichtungen für den Frequenznehmer damit verbunden sind und ob es sich vor diesem Hintergrund auszahlt, die Antragsunterlagen auszuarbeiten.98 Nur wenn die zugrunde gelegten Entscheidungskriterien vor Durchführung der Verfahren mit einem möglichst hohen Detaillierungsgrad feststehen, ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen der RegTP gewährleistet. cc) Zulassungsverfahren (1) Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen, § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG Nachdem die potenziell Interessierten einen Antrag auf Zulassung zum Vergabeverfahren gestellt haben, prüft die RegTP die Zulassungsvoraussetzungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG (fachliche und sachliche Mindestvoraussetzungen), womit verhindert werden soll, dass ein fachlich und sachlich ungeeigneter Antragsteller ein Frequenznutzungsrecht erhält. 99 Die Bedeutung des § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG beschränkt sich aber darauf, die Sachverhaltsermittlung zu strukturieren, also die erforderlichen Nachweise vorzugeben, und die Prüfung im Interesse eines effizienten Verfahrens vorzuverlagern. Keinesfalls darf diese Prüfung als Einfallstor dafür genutzt werden, jene komplexen Überlegungen, die für die Lizenzvergabe nach § 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 a TKG-alt in Form der Prüfung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde einschlägig waren, nun in das Zulassungsverfahren zu implementieren. Dem steht schon der Gesetzeswortlaut entgegen, es handelt sich um die Prüfung von A/imfesivoraussetzungen. Ferner widerspricht dies dem Regulierungsansatz, den die Genehmigungsrichtlinie mit der zwingenden Geltung des Allgemeingenehmigungsregimes vorgibt, wonach der Marktzutritt grundsätzlich lediglich von einer Anzeigeverpflichtung abhängig zu machen ist. Wird eine Kontrollerlaubnis aufgrund von Frequenzknappheit erforderlich, erfolgt deren Erteilung anhand des Effizienzkriteriums in Form des höchsten Gebots im Versteigerungsverfahren oder in Form der Eignungsbewertung im Ausschreibungsverfahren, nicht aber im Rahmen der Prüfung der Mindestvoraussetzungen im Sinne des § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG. Ebenso sind im Falle der Durchführung des AusschreibungsVerfahrens nach § 61 Abs. 6 TKG die fachlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren nicht vor Durchführung des Verfahrens in dem Zulassungsverfahren nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG zu bewerten, sondern werden durch das Ausschreibungsverfahren selbst festgestellt. Der Wortlaut des § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG könnte aufgrund der vereinheitlichten Geltung für Vergabeverfahren zwar 97 In der Regulierungspraxis wird die Entscheidung nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 TKG in einer Musterlizenz zusammengefasst, vgl. etwa zu UMTS RegTP, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, 516 ff. 98 M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 13. 99 Vgl. dazu Erwägungsgrund 13 der Genehmigungsrichtlinie, s. o. im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)bb)(2)(d)(bb)(i).
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
123
auch weitergehend interpretiert werden. Bei der sachlichen Einbindung in den Verfahrensverlauf wird jedoch deutlich, dass die Formulierung „ Z u l a s s u n g zum Vergabeverfahren", wovon das Ausschreibungsverfahren umfasst wird, nicht bedeutet, dass dem Ausschreibungsverfahren ein weiteres Zulassungsverfahren im Sinne der Prüfung der fachlichen Voraussetzungen vorgeschaltet wäre. 100 In die materielle Bewertung der Eignung werden vielmehr nur solche Bewerbungen einbezogen, die sachliche Mindestanforderungen, wie ζ. B. Anforderungen an das Dienstleistungsangebot, und der einzureichenden Nachweise erfüllen. Werden diese sachlichen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, lehnt die Beschlusskammer der RegTP eine Bewerbung ohne weitere inhaltliche Bewertung ab. Das bedeutet, dass das vorgeschaltete Zulassungsverfahren im Falle des Ausschreibungsverfahrens auf die Prüfung der sachlichen Mindestvoraussetzungen beschränkt bleibt. (2) Ausschluss von Vergabe verfahren, § 61 Abs. 3 TKG § 61 Abs. 3 TKG steht in engem Zusammenhang mit dem Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG und eröffnet der RegTP die Möglichkeit zu gewährleisten, dass die Betätigungsmöglichkeiten erfolgreicher Bieter oder Bewerber durch den Marktzutritt anderer, überlegender Wettbewerber nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Zur Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs kann die RegTP verhaltenskontrollierende Maßnahmen gegenüber den überlegenden Wettbewerbern - was nicht zwangsweise deren marktbeherrschende Stellung sein muss - als Minusmaßnahmen im Rahmen des § 61 Abs. 3 TKG festlegen oder diese erforderlichenfalls vom Vergabeverfahren ausschließen.101 Bei der Entscheidung über den Ausschluss von Unternehmen, die nach § 121 Abs. 1 S. 1 TKG im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt erfolgt, sind die berechtigten Interessen der jeweiligen Antragsteller an der Anwendung neuer Technologien angemessen zu berücksichtigen. Soweit Substitutions- oder Nachfolgetechnologien entwickelt wurden, für deren Anwendung die zur Verteilung stehenden Frequenzen benötigt werden, muss an dieser Stelle eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Marktförderungsinteresse durch Einbeziehung neuer Wettbewerber und dem Partizipationsinteresse bisher tätiger Unternehmen an der technischen Weiterentwicklung getroffen werden. 102
>oo So auch M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 27. Zur Rechtsnatur dieser Entscheidung C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 114. Zum Rechtsschutz C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 137 ff., insb. 142; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 35. 102 Eine solche dürfte auch bei der ERMES-Versteigerung erforderlich geworden sein, wo der POCSAG-Standard durch den digitalen ERMES-Standard abgelöst wurde, s. o. in der Einführung, B.I. 101
124 2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
dd) Die Vergabeverfahren Nachdem nun die generelle Eignung des Antragstellers bzw. Bewerbers im Rahmen der Prüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen festgestellt worden ist, erfolgt in einem weiteren Verfahrensschritt die eigentliche Auswahlentscheidung im Vergabeverfahren. 103 (1) Ziel: Feststellung des potenziell effizienten Frequenznutzers, § 61 Abs. 4 S. 1 TKG Nach Ansicht des Gesetzgebers soll mit dem Vergabeverfahren festgestellt werden, welcher oder welche der Bewerber am besten geeignet sind, die zu vergebenen Frequenzen effizient zu nutzen (§ 61 Abs. 4 S. 1 TKG). Mit dieser Zielformulierung soll der in bestimmten Frequenzbereichen bestehenden Knappheit von Übertragungskapazität Rechnung getragen werden. (2) Versteigerungsverfahren, § 61 Abs. 5 TKG (a) Versteigerungsregeln Vor Durchführung des Versteigerungsverfahrens legt die RegTP nach § 61 Abs. 5 S. 1 TKG die Regeln für die Durchführung des Versteigerungs Verfahrens im Einzelnen fest, 104 wobei diese objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen müssen. Als politische Zielvorgabe 105 ist eine solche Berücksichtigung denkbar, 106 indem die Gebotshöhe der einzelnen Bieter in Abhängigkeit zur Unternehmensgröße bestimmt wird oder kleinen und mittleren Unternehmen Sonderrechte eingeräumt werden, indem man ζ. B. die Gebote dieser Unternehmen fiktiv höher bewertet. 107 Im Weiteren kann die RegTP ein Mindestgebot für die Teilnahme am Versteigerungsverfahren festsetzen (§ 61 Abs. 5 S. 2 TKG). Im Gegensatz zu den Entscheidungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 TKG, die materielle Kriterien hinsichtlich des Be103
Siehe zur Vereinbarkeit des in § 61 Abs. 5 TKG geregelten Versteigerungsverfahrens mit den Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie unten im 2. Teil, 5. Kapitel, B. 104 Zur Rechtsnatur dieser Entscheidung und zum Rechtsschutz C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 108, 137 ff., insb. 143; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 11 f.; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 25, 68 ff.; M. Sachs, K&R 2001, 13 ff.; ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 152 ff. Vgl. auch D. Ehlers, K&R 2001,1 ff. los Vgl. BT-Drs. 13/4438, S. 32. 106 in den USA werden kleine und mittlere Unternehmen im Telekommunikationssektor besonders gefördert. So sind ζ. B. kleine und ländliche Telefongesellschaften von der Zusammenschaltungspflicht mit großen Telekommunikationsunternehmen befreit und können von der Uni Versaldienstpflicht ausgenommen werden, section 101, p. 23 des US Telecommunications Act von 1996. Vgl. dazu H.-W. Moritz/H. R. Neus, CR 1997, 239 (244). 107 Vgl. BT-Drs. 13/4438, S. 9; C. Koenig/ A. Neumann, ZRP 2001, 252 (256). Kritisch M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 24.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
125
werberkreises und den Gegenstand des Nutzungsrechts betreffen, beinhalten die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen eher die konkrete Variante des Versteigerungsverfahrens. 108 Das Versteigerungsverfahren ist nur in seinen Grundzügen gesetzlich ausgestaltet, die Ausgestaltung im Einzelnen ist auf die Exekutive verlagert. Dies belässt die nötigen Steuerungsmöglichkeiten und sichert ein hinreichendes Maß an Flexibilität, um zur Verwirklichung des Ziels, den effizienten Frequenznutzer festzustellen, abhängig von den zur Versteigerung stehenden Frequenzen und den damit zusammenhängenden Wettbewerbsgesichtspunkten punktuell reagieren zu können. Ebenso scheitert die Vorgabe einer bestimmten Auktionsmethode sowie der Ausgestaltungs- und Durchführungsregeln durch den Gesetzgeber an den Grenzen der Normierbarkeit, die sich aus der Dynamik und Ungewissheit, die für das Handlungsfeld der Telekommunikation bzw. konkret für die Frequenznutzung kennzeichnend sind, ergeben. Zudem erfordert auch die Vorgabe der Berücksichtigung der Regulierungsziele abhängig von der konkreten Vergabesituation hinreichenden Spielraum; auch die konkrete Ausgestaltung der Berücksichtigung kann nicht durch den Gesetzgeber im Vorwege vollständig antizipiert werden. Ein starrer, in allen Einzelheiten vorgegebener rechtlicher Rahmen würde schließlich kontraproduktiv und innovationshemmend wirken. 109 Ebenso resultieren die Regelungsdichte reduzierende Grenzen der Normierbarkeit aus dem Steuerungsparadigma regulierter Selbstregulierung als Architektur des Gewährleistungsstaates.110 (b) Durchführung der Versteigerung Im Versteigerungsverfahren vollzieht sich die Feststellung des effizienten Nutzers über die Ermittlung des wirtschaftlichen Knappheitspreises von Frequenzen. 111 Gleichzeitig werden durch die Ermittlung des wirtschaftlichen Knappheitspreises ein chancengleicher Wettbewerb sichergestellt und nachhaltig wettbewerbsorientierte Märkte der Telekommunikation gefördert (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) sowie effiziente Infrastrukturinvestitionen zu fördern und Innovationen zu unterstützen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). 1 1 2 Auch die weiteren Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG sind über den Gewährleistungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG - soweit sie einschlägig sind - hinreichend zu berücksichtigen. 113 Die Höhe des Angebots ist das einzige Kriterium für die Frequenzvergabe. Eine materielle Auswahlentscheidung der Behörde entfällt damit; sie ist vollständig zu108
Siehe dazu ausführlich das folgende Kapitel (2. Teil, 2. Kapitel). 109 Siehe dazu unten im 2. Teil, 4. Kapitel, A.IV. no Dazu sogleich. Siehe auch die Ausführungen im 2. Teil, 4. Kapitel, A.IV.
m M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (258). h 2 Siehe dazu jeweils die normativen Bewertungen der ökonomischen Analysen im 2. Teil, 2. Kapitel. h 3 Siehe unten im 2. Teil, 4. Kapitel, A.III.3.b)bb)(3)(b).
126 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
gunsten eines marktwirtschaftlichen Auswahl- und Preisbildungsmechanismus prozeduralisiert. (c) Versteigerungsverfahren als Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung Die Frequenzvergabe im Wege eines Versteigerungsverfahrens bildet einen Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung im Telekommunikationsbereich. Da die Verwendung der Begriffe für die Kombination von Regulierung und Selbstregelung uneinheitlich ist, 1 1 4 soll der Begriff der regulierten Selbstregulierung zunächst definiert werden. Der Begriff der Regulierung wird in der verwaltungspolitischen Diskussion verwendet, um die Einflussnahme des Staates auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorgänge durch Gesetze, Verordnungen, andere untergesetzliche Vorschriften und technisch-administrative Normen zu beschreiben oder den Rückgang dieser Einflussnahme als Deregulierung zu bezeichnen.115 Ein anderes Begriffsverständnis herrscht im Zusammenhang mit der sozialwissenschaftlichen Konzeption politischer und gesellschaftlicher Steuerung. 116 Der Begriff der Regulierung wird hier im Sinne hoheitlicher imperativer Steuerung verstanden. Gemeint ist die Gestaltung der Lebensverhältnisse durch einen Träger öffentlicher Gewalt, in deren Rahmen der Staat sowohl die Ziele als auch die Geund Verbote festlegen kann. 117 Diese Form staatlicher Steuerung hat einen über den Einzelfall hinausgehenden Ordnungszweck. 118 Maßnahmen nichtstaatlicher Instanzen, die eigene Verhaltensmaßstäbe der Beteiligten sichern sollen, werden als Selbstregulierung bezeichnet.119 Sie dienen nicht staatlich definierten öffentlichen Zwecken, sondern der Ausübung grundrechtlicher Freiheit des privaten, gesellschaftlichen Handelns. 120 Der „Vermittlungsbegriff* der regulierten Selbstregulierung bezeichnet die Verbindung von hoheitlicher Gemeinwohlverpflichtung und „freiheitlichem" privatinitiativem Handeln nichtstaatlicher Akteure zu einem gemeinsamen Ordnungsn* w. Schulz, Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 101 (102 ff.). us C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 289 ff.; R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, § 21 2 c bb. ne U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (237 Fn. 2); M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff. Zur Konzeption der Steuerung statt vieler G. F. Schuppert, in: Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65 ff.; ders., VerwaltungsWissenschaft, insb. S. 102 ff., 165 ff. Vgl. auch H.-H. Trute, DVB1. 1996, 950 ff. sowie auch die Beiträge in R. Mayntz/F. W. Scharpf(Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. i n C. Palzer, ZUM 2002, 877 ff. us E. Schmidt-Aßmann, 119 E. Schmidt-Aßmann, VVDStRL 56 (1997), S. 235 120 E. Schmidt-Aßmann,
Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 253 (255). Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 253 (255); U. Di Fabio, (241). Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 253 (255).
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
127
konzept. 121 Die Selbstregulierung ist in einen staatlich gesetzten Rahmen eingepasst bzw. erfolgt auf rechtlicher Grundlage. Durch regulierte Selbstregulierung soll Verantwortung an die Gesellschaft zurückgegeben werden, ohne dabei allerdings die Gemeinwohlsicherung aufzugeben. Insbesondere ist das Konzept nicht durch einen spezifischen Katalog von Handlungsformen definiert. Den Handlungsformen nach schließt diese Aufgabe grundsätzlich an den verschiedenen Instituten des traditionellen Verwaltungsrechts an und fügt sich etwa als Genehmigung, Auflage, als Verwaltungsakt und Plan in die allgemeine Dogmatik. Regulierung revoltiert auf dieser Abstraktionsebene das Verwaltungsrecht nicht. 122 Es zeichnet sich vielmehr durch seine spezifische Aufgabenstruktur inhaltlich durch eine neuartige Verschränkung von staatlicher Verantwortung und privater Wirtschaft, respektive gesellschaftlicher Freiheit aus. 123 Allgemein knüpft schon die Zweckbestimmung des § 1 TKG, wonach in Anlehnung an Art. 87 f GG Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation durch Regulierung gewährleistet werden soll, an das Steuerungsparadigma regulierter Selbstregulierung an. Das ursprüngliche Modell staatlicher Selbstvornahme wurde durch das Konzept regulierter Selbstregulierung abgelöst, wobei als deren Verwirklichungsmodus der ökonomische Markt, bei dem sich über Angebot und Nachfrage ein Preisbildungsmechanismus mit der Ergebnis der Güterallokation vollzieht, gewählt wurde. 124 Der telekommunikationsrechtliche Ordnungsrahmen zielt zwar grundsätzlich auf Wettbewerb, 125 der „chancengleich" sein soll (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG). Neben dem Wettbewerbsziel werden aber zudem weitere spezifische Gemeinwohlziele (vgl. §§ 1, 2 Abs. 2 TKG) verfolgt, deren Verwirklichung auch dann anzustreben ist, wenn dies der Markt aus sich heraus nicht automatisch zu leisten vermag (Gewährleistungsverantwortung des Staates). Hieraus folgt die Unverzichtbarkeit flankierender staatlicher Maßnahmen, die jedoch angesichts der hohen Bedeutung des Wettbewerbsziels zu diesem kompatibel sein sollten. Die Rolle des Staates beschränkt sich darauf, der selbstregulativen Regulierung einen Rahmen zu geben, der ein Mindestmaß an Gemeinwohlorientierung privater Selbstregulierung sichern soll, womit die staatliche Verantwortung als rechtsnormativ begründetes Einstehenmüssen für Zielverwirklichung und Zielverfehlung nicht ab- sondern umgebaut wurde. 126
121 E. Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 253 (255). 122 J. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (24). 123 J. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (25). 124 W. Hoffmann-Riem/M. Eifert, in: Innovation und Telekommunikation, S. 9 (17). 125 V g l . nur § 121 Abs. 2 TKG. 126 W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 4; W. Hoffmann-Riem, Vom Nutzen der Governance-Perspektive für die Rechtswissenschaft, Manuskript S. 4, 12.
128 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Trotz der allgemeinen Tendenz des neuen TKG, die Regulierungselemente immer stärker zurückzunehmen, greift das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG als wirtschaftlicher Allokationsmechanismus das Konzept der regulierten Selbstregulierung auf, wobei es mit „Elementen wertender Auswahlverfahren" verknüpft wird: 1 2 7 Die materielle Aus Wahlentscheidung nach dem Höchstgebotskriterium trifft letztlich der Markt selbst (gesellschaftliche Selbstregulierung). Dieses selbstregulative Element ist verbunden mit staatlicher Regulierung in Form der Schaffung der Rahmenbedingungen des Verfahrens für die gesellschaftliche Problembewältigung und der Kontrolle, ob bestimmte inhaltliche Mindeststandards eingehalten wurden. 128 Dem Staat ist diesbezüglich die Bereitstellungsverantwortung verblieben. 129 Die telekommunikationsrechtliche Frequenzvergabe wird damit nicht allein von der unsichtbaren Hand des Marktes, sondern auch von der sichtbaren Hand des regulierenden Staates geprägt. 130 Im durch seine Dynamik und Ungewissheit gekennzeichneten Handlungsfeld der Telekommunikation - konkret der Frequenznutzung - kann die regulierte Selbstregulierung effektiv verlaufen, weil die bestehenden Ungewissheitsbedingungen in die Regelungsstrategie des Versteigerungsverfahrens integriert wurden: 131 Die Unternehmen entscheiden selbstregulativ durch ihre Gebotsabgabe über die Höhe des Frequenzwertes, lösen so bestehende Unsicherheiten hinsichtlich des Frequenzwertes auf Seiten der RegTP und gleichen damit die mangelnde Steuerungsfähigkeit des Staates aus. Die Funktion der RegTP ist beschränkt auf die Unterstützung des Selbstregulierungsprozesses durch Bereitstellung des Rahmens. Das Marktgeschehen wird nicht nur freigesetzt und sich selbst überlassen, sondern systematisch organisiert, beobachtet 1 3 2 und steuernd influenziert. Dies ist für die Perspektive des Regulierungsverwaltungsrechts signifikant. 133 Darüber hinaus ist mit dem Versteigerungsverfahren ein Verfahren gewählt worden, das den Unternehmen hilft, auch ihre Restunsicherheiten hinsichtlich des Frequenzwertes zu verringern, indem über die Ausgestaltung der Versteigerung nach § 61 Abs. 5 TKG eine Methode gewählt wird, die zusätzlich Informationen generiert. 134 In der Zugangsentscheidung zu knappen Frequenzen werden der staatliche 127 M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 20. 128 W. Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 102 f. Vgl. auch allgemeiner H.-H. Trute, DVB1. 1996,950 ff. 129 Siehe allgemein dazu W. Hoffmann-Riem, auf dem Prüf stand, Manuskript S. 8.
in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild
130 F. Schock, in: Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 221 (237 f.); /. Wieland, in: Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 235 (247). 131 Siehe allgemein zu den Funktionsvoraussetzungen regulierter Selbstregulierung K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (153). 132 Vgl. § 121 TKG, der regelmäßige Berichtspflichten vorsieht, aufgrund derer das Marktgeschehen sektoral übergreifend analysiert werden kann. 133 7. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (25). 134 Siehe unten im 2. Teil, 2. Kapitel, C.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
129
und wirtschaftliche Bereich also derart verknüpft, dass sich die staatliche Regulierung und ökonomische Steuerungsmechanismen des Marktes jeweils gegenseitig nutzen und auffangen. (3) Ausschreibungsverfahren, § 61 Abs. 6 TKG In Fällen, in denen das Versteigerungsverfahren ungeeignetes Vergabeverfahren ist, erfolgt die Vergabe der Frequenzen ausschließlich im Wege des Ausschreibungsverfahrens nach § 61 Abs. 6 T K G . 1 3 5 Auch das Ausschreibungsverfahren steht nun unter der in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG verankerten Zielvorstellung, demjenigen Antragsteller die Frequenz zuzuteilen, der zur effizienten Nutzung der Frequenz(en) am besten geeignet ist. Die Zielverwirklichung erfolgt nur anhand einer administrativen Kriterienbewertung. Nur auf den ersten Blick hat sich hier ein Konzeptwechsel zu der im Rahmen § 11 Abs. 6 TKG-alt geltenden Zielvorstellung vollzogen. Nach § 11 Abs. 6 TKG-alt sollte mit dem Ausschreibungsverfahren festgestellt werden, „welcher oder welche Bewerber ausweislich ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften am besten geeignet sind, die Nachfrage der Nutzer nach der zu lizenzierenden Telekommunikationsdienstleistung für die Öffentlichkeit zu befriedigen". Da nun aber gerade der effiziente Nutzer (im Sinne des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG) derjenige ist, welcher der Nachfrage der Nutzer am besten gerecht wird, 1 3 6 ist das Leitmotiv im Ausschreibungsverfahren grundsätzlich unverändert geblieben. Der effiziente Nutzer soll im Ausschreibungsverfahren anhand der Kriterien der Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bewerber (personenbezogene Kriterien), der Eignung von vorzulegenden Planungen für die Erbringung des ausgeschriebenen Telekommunikationsdienstes (konzeptbezogene Kriterien) und der Förderung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes (wettbewerbsbezogene Kriterien) ermittelt werden (§ 61 Abs. 6 S. 2 TKG). 1 3 7 Die Effizienzkriterien hat die RegTP nach § 61 Abs. 6 S. 1 TKG vor Durchführung des Ausschreibungsverfahrens im Einzelnen unter Berücksichtigung der jeweils speziellen Vergabesituation zu bestimmen. Ebenso wie im Falle des Versteigerungsverfahren legt die RegTP ferner die Regeln für die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens im Einzelnen fest; diese müssen ebenso objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein (§ 61 Abs. 6 S. 4 TKG). 135 Hierbei handelt es sich grundsätzlich um ein vergleichendes Vergabeverfahren im Sinne der Genehmigungsrichtlinie. Durch die Anordnung des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG, dass auch mit dem Ausschreibungsverfahren der effiziente Frequenznutzer festgestellt werden soll, enthält es aber auch ein Element - nämlich das leitende Auswahlkriterium - eines wettbewerbsorientierten Vergabeverfahrens, vgl. zu den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.IIL3.d)bb)(2)(d)(bb)(i). 136 Siehe unten im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. 137
Diese Kriterien entsprechen dem Auswahlmodus, der vor Erlass des TKG angewendet wurde, vgl. oben in diesem Kapitel unter A. 9 Bumke
130 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Bei der Auswahlentscheidung besitzt die RegTP kein Auswahlermessen, da bei festgestellter Überlegenheit gemäß § 61 Abs. 6 TKG der oder die am besten geeigneten Bewerber zwingend auszuwählen sind. 138 Zwischen den Kriterien besteht grundsätzlich - bis auf das aufgeführte Regelbeispiel des höheren räumlichen Versorgungsgrades - kein qualitatives Rangverhältnis; sämtliche Kriterien dienen der Feststellung des effizienten Nutzers und sind daher auf diese Zielsetzung hin zu beurteilen. 139 Ein Regelbeispiel für die Annahme höherer Effizienz des Bewerbers enthält § 61 Abs. 6 S. 3 TKG, der eine Bevorzugung derjenigen Bewerber vorschreibt, die einen höheren räumlichen Versorgungsgrad mit den entsprechenden Telekommunikationsdiensten gewährleisten. 140 § 61 Abs. 6 S. 5 TKG sieht eine Entscheidung bei ranggleichen Bewerbern im Losverfahren vor; in seiner Ausgestaltung als ultima Ratio-Regelung bestehen dagegen keine Bedenken. 141
c) Zuteilung des Frequenznutzungsrechts, § 55 Abs. 3 TKG Schließlich erfolgt nach Durchführung des Vergabeverfahrens die eigentliche Frequenzvergabe in Form der Erteilung des Nutzungsrechts nach § 55 Abs. 3 TKG. Bei dem Vergabeverfahren handelt es sich (nur) um einen vorgelagerten bzw. in die Frequenzvergabe nach § 55 Abs. 3 TKG integrierten Auswahlmodus, der aus dem Kreis der Bewerber Nutzungsrechtsnehmer ermittelt und mit dem Rückverweis auf § 55 Abs. 3 TKG abgeschlossen wird. Aufgrund des nun bestehenden Anspruchs auf die Erteilung des Nutzungsrechts, besteht für die Ausübung von Regulierungsermessen kein Raum mehr. Nebenbestimmungen sind hier grundsätzlich nur noch zulässig, wenn sie den Vergabevoraussetzungen oder Versagungs138
Ein Beurteilungsspielraum besteht allerdings auf der Tatbestandsseite, da die Auswahlentscheidung aufgrund zu bewertender Eignung immer auch prognostische Elemente beinhaltet, ebenso M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 30. A.A. wohl C. Hiltl/K. Großmann, BB 1996, 169 (172). 139 M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 29. 140 Anders M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 29, der in der Nennung des höheren Versorgungsgrads keine Präferenzentscheidung sieht, sondern nur deren Berücksichtigung in der Eignungsprüfung als ein qualitativ gleichrangiges Kriterium fordert, ähnlich auch G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 18. Dem widerspricht aber der eindeutige Wortlaut („Bei der Auswahl sind diejenigen bevorzugt zu berücksichtigen ..."). Zuzugeben ist allerdings, dass es sich nur um eine relative Vorrangregelung handeln kann. Räumte man diesem Kriterium einen absoluten Vorrang ein, würde dies dazu führen, dass alle anderen Kriterien nur noch dann eine Rolle spielten, wenn hinsichtlich des räumlichen Versorgungsgrads eine non-liquet-Situation bestünde. Dies widerspräche aber der Gesetzessystematik, wonach das Kriterium des räumlichen Versorgungsgrads nur eines von mehreren Entscheidungskriterien ist, vgl. dazu W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 66.
141 Vgl. unten im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)aa)(2)(b)(bb). Für den vorliegenden Zusammenhang vgl. W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 63.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
131
gründen entsprechen, 142 da ansonsten die von den Gesetzes- und Richtlinienvorgaben geforderte Transparenz 143 ad absurdum geführt würde. Denn die Teilnehmer im Vergabeverfahren haben über den inhaltlichen Zuschnitt und damit auch über den wirtschaftlichen Wert der Frequenzen aufgrund der Festlegungen durch die RegTP nach § 61 Abs. 4 S. 2 TKG eine Vorstellung entwickelt, die es aufrecht zu erhalten gilt. Handlungsform der Frequenzzuteilung ist schließlich der Verwaltungsakt, wie sich insbesondere aus der vom Gesetz vorgesehenen Möglichkeit des Erlasses von Nebenbestimmungen nach § 60 Abs. 2 S. 1 TKG ergibt, die nach § 36 VwVfG nur Verwaltungsakten beigefügt werden können. 144
d) Gestuftes Zuteilungsverfahren als normatives Konfliktschlichtungsprogramm Die Ausführungen zeigen, dass die Frequenzzuteilung bei Frequenzknappheit in mehreren Verfahrensabschnitten gestuft durchgeführt wird. Als ein Modell verfahrensrechtlich programmierter behördlicher Normkonkretisierung 145 hat § 61 TKG eine äußerst wichtige Funktion: Er konkretisiert das allgemeine Regulierungsprogramm für den Bereich der Verteilung knapper Frequenzen. Insoweit leistet die Vorschrift das unerlässliche verteilungspolitische - notwendig konkretisierungsoffene - Gesamtkonzept. Darüber hinaus strukturiert sie trotz ihrer relativ komplexen Struktur die notwendige offene Entscheidung in staatlichen Zuteilungssituatio142 w. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 67. Vgl. auch oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d)bb). 143 Siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb)(2)(d)(aa). 144 Die Handlungsform des Verwaltungsaktes ist zudem auch ein Argument, warum ein gegenseitiger öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der RegTP und dem Höchstbieter mit der Verpflichtung der RegTP zur Frequenzzuteilung und der Bieter zur Zahlung ausscheidet. Grundsätzlich bestehen durchaus Parallelen zwischen Frequenzversteigerungen und sonstigen Versteigerungen, die grundsätzlich auf einen privatrechtlichen (Kauf-)Vertrag abzielen. Hauptargument gegen den Abschluss eines öffentlich-rechlichen Vertrages ist, dass die RegTP nach Abschluss der Versteigerung keinen Spielraum mehr besitzt, ob sie Frequenzen zuteilt oder nicht. Nach § 55 Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 9 TKG „werden Frequenzen ... zugeteilt"; es handelt sich also um einen gebundenen Verwaltungsakt, bei dem kein Auswahlermessen mehr besteht. Ein Versteigerungsverfahren kann nur vorangestellt werden, weitet den Spielraum aber nicht aus. Ein Rechtsbindungswille als konstituierendes Merkmal eines Vertrages liegt bei der RegTP nicht vor, da schon das TKG abschließende Bindungen enthält, vgl. dazu L. Grämlich, CR 1999, 752 (753 ff.); K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 157 ff., der auch den einseitig verpflichtenden Vertrag oder Austauschvertrag ablehnend erörtert. Vgl. auch H. Altmeppen /H.-J. Bunte, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 443 (457 ff.), die im Zusammenhang mit dem telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahren von einem Handlungstyp zur privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen sprechen. 145 W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 1, 73. Vgl. dazu auch H. H. Trute, in: Festschrift für W. Brohm, S. 169 (173 ff.). 9*
132 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
nen mustergültig. Weil im dynamischen Telekommunikationssektor materielle gesetzliche Programmierung an ihre Grenzen stößt, bedarf es des vorgesehenen verfahrensrechtlichen Programms. Als Einheit fügen sich die einzelnen Verfahrensabschnitte zu einem kongruenten Vergabeverfahren zusammen. Das normative Konfliktschlichtungsprogramm dient durch die Aufteilung in verschiedene Stufen der (verfahrensökonomisch) effektiven Abarbeitung der komplexen Problemstellung und der Bewahrung von Entscheidungsrationalität. 146 Durch die Trennung der unterschiedlichen Verfahrensabschnitte wird auch die Transparenz des Verteilungsverfahrens deutlich erhöht. 147 Die AbschichtungsWirkung erfolgt durch die gesetzlich vorgesehenen Entscheidungen über die Anordnung eines Vergabeverfahrens (§ 55 Abs. 9 TKG), über die Verfahrenswahl (§ 61 Abs. 1 TKG), die Zulassungsvoraussetzungen (§61 Abs. 4 S. 2 TKG), über den eventuellen Ausschluss bestimmter Unternehmen (§61 Abs. 3 TKG), über die inhaltliche Ausgestaltung des jeweiligen Vergabeverfahrens (§§ 61 Abs. 5, 61 Abs. 6 S. 3 TKG), Zuschlagsentscheidungen, Zahlungsfestsetzungen 148 sowie letztlich über die materielle Frequenzierung (§ 55 Abs. 3 TKG). Im Kern stehen also mehrere (Teil-)Verfahren in einer inneren Abhängigkeit dergestalt, dass die getroffenen Festlegungen die Grundlage der nachfolgenden Verfahrensstufe bilden 1 4 9 und die Entscheidung über einen Zwischenakt einen weiteren nachfolgenden Akt voraussetzt. 150 Gewahrt wird so ein hinreichendes Maß an Flexibilität bei Fragen späterer Detailpla151
nung. Ein grundsätzlicher Unterschied des telekommunikationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens zu herkömmlich gestuften Verfahren besteht aber im Ansatzpunkt der Verfahren: In letzteren werden im Grundsatz materielle Sachentscheidungen abgeschichtet,152 im Frequenzzuteilungsverfahren werden demgegenüber Verfahrensentscheidungen 153 im Vorfeld der dann in einem einheitlichen Akt erfolgenden Frequenzzuteilung nach § 55 Abs. 3 TKG, der eigentlichen Sachentscheidung, ge146 C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 125; H.-G. Henneke, in: H. J. Knack (Hrsg.), VwVfG, Vor § 35 Rn. 28; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 504 ff. 147 A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (306). 148 C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 118 f. w F. Ossenbühl, NJW 1980, 1353 (1355); R. Wahl, DÖV 1975, 373 (375). 150 Vgl. die Definition gestufter Verwaltungsverfahren bei Ρ Stelkens/H. Schmitz, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 191.
151 A v. Mutius/F. Schoch, DVB1. 1983, 149 (149); H.-G. Henneke, in: H. J. Knack (Hrsg.), VwVfG, Vor § 35 Rn. 29. 152 Teilentscheidungen werden als ein notwendiges Instrument angesehen, um komplexe, sich wandelnde Lagen mit begrenzen Entscheidungskapazitäten zu bewältigen E. SchmidtAßmann, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, Einleitung Rn. 202. 153
Einen Ausnahmefall bildet dabei die Möglichkeit zum Ausschluss bestimmter Unternehmen nach § 61 Abs. 3 TKG, da hierdurch eine vorgelagerte Sachentscheidung mit dem Inhalt getroffen wird, dass das betroffene Unternehmen endgültig vom weiteren Markt und damit auch von der Chance einer Frequenzzuteilung ausgeschlossen wird.
1. Kap.: Frequenzzuteilung nach dem TKG
133
troffen. Durch die vorhergehenden Zwischenentscheidungen wird nur der zu beschreitende formelle Weg zur Frequenzzuteilung geebnet. Dies folgt aus dem Grundgedanken der regulierten Selbstregulierung. Danach trifft allein der Markt die materielle Auswahlentscheidung über die jeweiligen höchstbietenden Frequenznehmer, während der Staat allein das zu diesem Ziel führende Verfahren steuert. 1 5 4
ΠΙ. Der Versteigerungserlös im System der Gebühren und Kosten 1. Gebühren und Auslagen, § 142 TKG § 142 T K G fasst alle Gebührentatbestände des Gesetzes zusammen. 1 5 5 Nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. I 1 5 6 T K G kann die RegTP Gebühren und Auslagen für die Entscheidungen über die Zuteilung eines Nutzungsrechts an Frequenzen nach § 55 T K G erheben. M i t der Regelung in § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 T K G werden als Auffangtatbestand alle Amtshandlungen erfasst, die in einem engen Zusammenhang mit den Nummern 1 bis 4 stehen. Die Vorschrift stellt nunmehr klar, dass ζ. B. auch Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren als Amtshandlungen i m Rahmen der Zuteilung von der Vergebührung nach dem Gesetz erfasst s i n d . 1 5 7 154 155
Vgl. W. Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 102 f.
§ 142 TKG setzt die Vorgaben der Art. 12 und 13 Genehmigungsrichtlinie um. Zusätzlich zu den bereits zuvor geregelten Tatbeständen werden solche aufgenommen, die neu im Gesetz geregelte Amtshandlungen betreffen. Darüber hinaus sind Präzisierungen und Klarstellungen vorgenommen worden, die vor dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen der Verwaltungspraxis hinsichtlich der Erhebung und Regelung von Kosten notwendig waren. 156 Die Bestimmung in Nr. 1 ersetzt die Regelung zu Frequenzgebühren des § 48 Abs. 1 TKG-alt. Sie wird sprachlich an Art. 13 Genehmigungsrichtlinie angepasst, ohne jedoch eine inhaltliche Änderung der bisherigen Regelung des § 48 Abs. 1 TKG-alt vorzunehmen. In den Nummern 2 bis 4 des § 142 Abs. 1 S. 1 TKG sind weitere Gebührentatbestände geregelt, die allerdings vorliegend außen vor gelassen werden, da sie nicht die Frequenznutzung betreffen. In § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 werden alle Amtshandlungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Gesetz oder die darauf beruhenden Rechtsverordnungen erfasst. 157 § 142 Abs. 2 S. 1 TKG enthält die Verordnungsermächtigung zur näheren Regelung der gebührenpflichtigen Tatbestände, der Gebührenhöhe sowie der Zahlungsweise. Die Vorschrift des § 142 Abs. 1 S. 2 TKG erfasst bestimmte Tatbestände des § 15 VwKostG. Nach der Bestimmung des § 142 Abs. 2 S. 2 TKG ist eine Deckung der mit den Amtshandlungen verbundenen Kosten vorgesehen, so dass für die Bemessung der Gebühren grundsätzlich ergänzend § 3 S. 2 VwKostG gilt. § 142 Abs. 2 S. 2 TKG setzt die Vorgabe des Art. 12 Genehmigungsrichtlinie um, die eine Deckung der administrativen Kosten der RegTP vorsieht. In § 142 Abs. 2 S. 4 TKG wird die Möglichkeit eröffnet, in der Rechtsverordnung für Entscheidungen über die Zuteilungen nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 TKG die Gebühren - unabhängig von der Höhe des Verwaltungsaufwandes - so festzusetzen, das sie als Lenkungszweck dem Ziel dienen können, die optimale Nutzung und effiziente Verwendung der knappen Güter sicherzustellen. Soweit eine Gebühr auch den wirtschaftlichen Wert berücksichtigt, kann sie sowohl über als auch unter den Verwaltungskosten hegen. Die Gebühr und der wirtschaftliche Wert müssen nach dem Äquivalenzprinzip (Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung) in einem angemessenen Verhältnis stehen.
134 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
§ 142 Abs. 2 S. 5 TKG bestimmt, dass die vorhergehenden Sätze 2 - 4 keine Anwendung finden, wenn Frequenzen von außerordentlich wirtschaftlichem Wert im Wege wettbewerbsorientierter oder vergleichender Auswahlverfahren vergeben werden. Diese Regelung ist auf die im Versteigerungsverfahren entstehende Entgeltverpflichtung ausgerichtet, für die das Kostendeckungsprinzip somit nicht gilt. 1 5 8 § 142 Abs. 5 TKG legt das Verhältnis der Gebührenhöhe zu den Erlösen aus einem Versteigerungsverfahren fest. Er greift auf die bisherigen Regelungen in §§ 48 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 16 Abs. 2 TKG-alt zurück und besagt, dass eine Zuteilungsgebühr nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG nur anfällt, wenn eine solche den Erlös des Versteigerungsverfahrens übersteigt.
2. Frequenznutzungsbeitrag,
§ 143 TKG
Die Vorschrift des § 143 T K G 1 5 9 regelt den jährlichen Frequenznutzungsbeitrag zur Deckung der Kosten für die Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeinzuteilungen und Nutzungsrechten im Bereich der Frequenznutzungen, die der RegTP entstehen (§ 143 Abs. 1 S. I 1 6 0 ) . § 143 Abs. 2 TKG legt als Beitragspflichtige die Frequenzzuteilungsempfänger fest (S. 1). Die Anteile an den Kosten sind den einzelnen Nutzergruppen, die sich aus der Frequenzzuweisung ergeben, so weit wie möglich aufwandsbezogen zugeordnet (§ 143 Abs. 2 S. 2 TKG). Innerhalb der Nutzergruppen hat die Aufteilung entsprechend der Frequenznutzung zu erfolgen (§ 143 Abs. 2 S. 3 TKG). 1 6 1 Mit § 142 Abs. 2 S. 6 TKG wird die Möglichkeit genutzt, den Erlass der Rechtsverordnung auf die dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit nachgeordnete Ausführungsbehörde RegTP zu übertragen. Damit soll u. a. durch Vermeiden von Kompetenzkonflikten und Doppelarbeit sowie Gewährleistung noch sachnäherer und damit wirtschaftlicherer Aufgabenerfüllung ein Beitrag zu dem in der Regierungserklärung festgelegten Bürokratieabbau geleistet werden. 158 Daraus folgt, dass die Entgeltverpflichtung des Versteigerungsverfahrens nicht schon deshalb unzulässig sein kann, weil für jegliche ,»Zahlungsverpflichtungen" das Kostendeckungsprinzip gilt. Diese Regelung steht im Einklang mit den Vorgaben des Art. 13 Genehmigungsrichtlinie, der Versteigerungs^nfge/te grundsätzlich zulässt, siehe dazu schon oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb)(4)(b) und unten im 2. Teil, 5. Kapitel, Β.Π. 159 § 143 TKG greift auf die Vorschrift des § 48 Abs. 2 und 3 TKG-alt zurück und passt diese den Vorgaben des Art. 12 Genehmigungsrichtlinie an. 160 Die unter § 143 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TKG aufgeführten beitragsrelevanten Aufwendungen ersetzen die Bestimmung des § 48 Abs. 2 TKG-alt, ohne eine inhaltliche Änderung vorzunehmen. Die Aufwendungen unter § 143 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 TKG werden nach Art. 12 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie neu aufgenommen. Es handelt sich um eine Klarstellung hinsichtlich der Abdeckung unerlässlicher Aufwendungen für ein international abgestimmtes Frequenzmanagement, die in § 48 Abs. 2 TKG-alt nicht ausdrücklich genannt waren. 161 „Sonstige Verwaltungsakte" im Sinne des § 143 Abs. 2 S. 4 TKG sind ζ. B. die Zulassungen zur Teilnahme zum Amateurfunkdienst (gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes über den
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
135
§ 143 Abs. 4 T K G 1 6 2 enthält die Verordnungsermächtigung zur näheren Festlegung des Kreises der Beitragspflichtigen, die Beitragssätze und das Verfahren der Beitragserhebung einschließlich der Zahlungsweise (neu). Die Bestimmung des § 143 Abs. 4 S. 2 TKG trägt darüber hinaus der Rechtsprechung des BVerwG 163 hinsichtlich der beitragsmindernden Berücksichtigung des auf das Allgemeininteresse entfallenden Anteils Rechnung.
2. Kapitel
Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren und normative Bewertung Gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG soll mit dem Versteigerungsverfahren festgestellt werden, welcher oder welche Antragsteller am besten geeignet sind, die zu vergebenden Frequenzen effizient zu nutzen. Das Versteigerungsverfahren soll also den effizienten Nutzer ermitteln. Ob bzw. unter welchen Rahmenbedingungen das Versteigerungsverfahren zu einer effizienten Verteilung von Frequenzen führt, wird in diesem Kapitel in einer ökonomischen Analyse untersucht. Sie soll zum einen die Voraussetzungen des normativen Oberziels des effizienten Nutzers klären und zum anderen Aufschluss über mögliche systemimmanente, normative Absicherungserfordernisse im Rahmen der Versteigerungsausgestaltung als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens geben. Nach einer inhaltlichen Anreicherung des ökonomischen Bewertungsmaßstabs Effizienz (dazu unter A) werden zwei Stufen der Effizienzverwirklichung zu unterscheiden und zu betrachten sein: Auf einer ersten Stufe ist zu klären, warum es gerade das Versteigerungsverfahren in Abgrenzung einerseits zu sonstigen Verteilungsverfahren und andererseits zu einem Austausch über den Markt im Monopol ist, das eine ökonomisch effiziente Allokation der Frequenzen bewirken kann (dazu unter B). Die zweite Stufe betrifft dann die Ausgestaltung der Auktion im Sinne ihrer Methode und sonstiger institutioneller Rahmenbedingungen, deren Auswahl es bedarf, um die theoretischen Vorteile von Versteigerungsverfahren für eine effiziente Verteilung auch in der praktischen Umsetzung zu gewährleisten (dazu unter C). Diese Vorgehensweise spiegelt die gesetzliche Regelung der Frequenzvergabe nach dem TKG wider: Auch im TKG ist auf der ersten Stufe die Auswahl zwiAmateurfunk - AfuG). Die Beitragspflicht für diejenigen, die eine Frequenz dauerhaft ohne Zuteilung nutzen, soll unbeschadet weiterer Sanktionen auch den Fall missbräuchlicher Anwendungen erfassen. Dies gilt gemäß § 143 Abs. 2 S. 5 TKG auch für alle bis zum 1. August 1996 erteilten Rechte, soweit diese Festlegungen über die Nutzung von Frequenzen enthalten, wie ζ. B. Verleihungen nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen (FAG). 162 Die Vorschrift greift im Wesentlichen auf § 48 Abs. 3 S. 1 TKG-alt zurück. 163 BVerwG, DVB1. 2001, 920 ff.
136 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren sehen Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 T K G ) und auf der zweiten Stufe die Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrens festzulegen (vgl. § 61 Abs. 5, Abs. 6 T K G ) . 1 6 4 Die ökonomische Betrachtung verfolgt dabei das Ziel, die gesetzliche Regelung ökonomisch zu bewerten und zu überprüfen sowie gegebenenfalls Defizite sichtbar zu machen. 1 6 5
A. Bewertungsmaßstab: Allokative Effizienz M i t dem Versteigerungsverfahren soll festgestellt werden, welcher oder welche der Antragsteller am besten geeignet ist bzw. sind, die zu vergebenen Frequenzen effizient zu nutzen (§ 61 Abs. 4 S. 1 T K G ) . 1 6 6 Als normativen Bewertungsmaßstab hat § 61 Abs. 4 S. 1 T K G damit allgemein die ökonomische bzw. gesamtwirtschaftliche E f f i z i e n z 1 6 7 zugrunde gelegt. 1 6 8 >64 Vgl. dazu oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.II.3.b)dd). 165 Diese Überlegungen werden teilweise auch innerhalb der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Versteigerungsverfahrens im Rahmen der Sachgerechtigkeit des Auswahlkriteriums erörtert, so z. B. K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 190 ff. Diese Vorgehensweise übersieht jedoch, dass ökonomische Maßstäbe nie „eins zu eins" den verfassungsrechtlichen Maßstab bilden können. Zu den Prinzipien der Verfassungsinterpretation allgemein F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Rn. 376 ff. 166 Mit dieser Zielvorgabe der Allokationseffizienz schließt sich der deutsche Gesetzgeber der U.S.-amerikanischen „Law and Economics"-Schule an, deren Anhänger sich als Urheber der Idee der Frequenzversteigerung einschätzen. So bezeichnet A. De Vany, 41 J. L. & Econ. (1998), 627 ff., den Erfolg von Frequenzauktionen als „Triumpf der „Law and Economics"-Schule. Vgl. allgemein die Beiträge von R. Coase, 2 J. L. & Econ. (1959), 1 ff.; D. Lueck, 38 J. L. & Econ. (1995), 393 (419 ff.) sowie die Beiträge in Band 41 J. L. & Econ. (1998), die sich ausführlich mit der Allokationseffizienz von Frequenzversteigerungen beschäftigen. Der Gedanke der Allokationseffizienz kommt auch in der amtlichen Begründung zum TKG-alt zum Ausdruck, wo es heißt, dass das Versteigerungsverfahren ein „geeignetes Auswahlverfahren" zur Feststellung des wesentlichen Regulierungsziels der Frequenzeffizienz sei und der Frequenzknappheit hinreichend Rechnung trage. Das erfolgreiche Gebot belege typischerweise die Bereitschaft und Fähigkeit, die Frequenz im marktwirtschaftlichen Wettbewerb optimal einzusetzen und sich um den wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit der knappen Ressource zu bemühen. Darüber hinaus geht auch die amtliche Begründung von der Neutralität, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit des Versteigerungsverfahrens aus, vgl. BT-Drs. 13/3609, S. 39. Auktionen haben in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur insbesondere seit dem Beitrag von W. Vickrey, Journal of Finance 16 (1961), 8 ff., zunehmend Beachtung gefunden. Überblicksarbeiten zur Auktionstheorie R. R McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 ff.; P. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 ff. 167 Der Effizienzbegriff stammt aus den Wirtschaftswissenschaften. Die Rechtswissenschaft hat keinen eigenständigen Effizienzbegriff entwickelt. Trotzdem wird die „Effizienz" zu den „Schlüsselbegriffen" der Verwaltungsrechtsreform gezählt. In der juristischen Literatur wird der Effizienzbegriff in der Regel benutzt, um zu messen, dass irgendein vorgegebenes Ziel mit einem möglichst geringen Aufwand oder dass mit einem gegebenen Aufwand ein bestimmtes Ziel in möglichst hohem Maße erfüllt wird (Effizienzbegriff der Wirtschaft-
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
137
In der Literatur wird Effizienz grundsätzlich in technische und allokative Effizienz unterteilt. 1 6 9 Die technische Effizienz bestimmt die technische Relation, die die Zahl der Nutzkanäle pro Frequenzeinheit a n g i b t . 1 7 0 Technische Effizienz ist dann erfüllt, wenn der vorgegebene Output bei einem gegebenen Stand der Technik gesamtwirtschaftlich kostenminimal produziert w i r d . 1 7 1 Dieses Verhältnis wird in der Regel von der RegTP bereits i m Vorfeld der Versteigerung in Form der Qualifikation der Frequenzpakete, Anzahl und Größe der Frequenzblöcke und damit der Anzahl der Nutzungsrechte usw. festgelegt (vgl. § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 T K G ) . 1 7 2 Die Verwirklichung der technischen Effizienz, die auch vom Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 7 T K G erfasst wird, ist damit nicht dem Vergabeverfahren zuzuordnen. Mittelbar besteht jedoch - soweit die Frequenznutzungsbestimmungen eine derartige Flexibilität zulassen - ein Einfluss der technischen Effizienz auf die allokative Effizienz, weil für den Frequenznutzer durch das i m Versteigerungsverfahren zu zahlende Entgelt ein Anreiz zur besten, technisch effizienten (Aus-)Nutzung der Frequenzen gesetzt w i r d . 1 7 3 Da hier die Frage der Verteilung von Frequenzen behandelt wird, wird i m Folgenden die allokative Effizienz verwendet und gemessen. Allokative Effizienz misst sich - vereinfacht gesagt - an der Verwendung des eingesetzten Gutes, ist
lichkeit). Dieser Effizienzbegriff reduziert sich dann auf eine Zweck-Mittel-Relation. Kennzeichnend ist dabei, dass es beliebige Ziele sein können, die verfolgt und deren Verwirklichungsgrad gemessen werden sollen. Gebraucht wird er zumeist im Zusammenhang mit Bemühungen zur Steigerung der Effizienz der Verwaltung in ihrer Aufgabenwahrnehmung. Vgl. dazu H. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 55 ff.; W. Hoffmann-Riem, in: Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 11 (16 ff.); E. Schmidt-Aßmann, in: Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 245 (246 ff.); A. Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), 184 (197 f.). Der hier verwendete wohlfahrtsökonomische Effizienzbegriff bzw. das Pareto-Kriterium gehen darüber hinaus, da es darum geht, dass die Effizienz selbst das Ziel ist. 168 Vgl. Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 16; P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (539 f.). 169
So die angloamerikanische Literatur, vgl. statt vieler W. G. Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 17 ff., 131 fi. J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 7, bezieht noch eine qualitative Teileffizienz mit ein, die erfüllt ist, wenn die Produkte den Präferenzen der Nachfrager optimal entsprechen. Diese beziehen sich auf den optimalen Grad der horizontalen (Ausmaß der Produktvariation) und vertikalen (Anzahl und Ausprägung der Qualitätsstufen) Produktdifferenzierung. 170 Vgl. hierzu J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 124 ff. 171 Die kurzfristigen und langfristigen Durchschnittskosten sind bei dieser produzierten Menge identisch, vgl. dazu W. G. Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 18; J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 6. 172 Anders sah es das UMTS-Versteigerungsregelwerk vor, was die Annahme der Rechtswidrigkeit nahe legt, vgl. unten in diesem Kapitel unter C.II.2.b). Π3 Vgl. W. Kummel, 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (527); B. C. Fritts, 51 Fed. Comm. L.J. (1999), 849 (855); J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 129.
138 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
also die Bewertung der Input-Output-Relation. Ziel des Vergabeverfahrens ist es unter diesem Aspekt, dass deijenige die Frequenz zugeteilt erhält, der sie effizient nutzen wird (vgl. § 61 Abs. 4 S. 1 TKG). Das für die Auswahlentscheidung vorgesehene ökonomische Programm ist zweistufig ausgestaltet. Die in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG niedergelegte effiziente Nutzung der Frequenz beschreibt ökonomisch betrachtet die zweite Stufe. Dieser Stufe vorgelagert ist die prognostische Bewertung der Allokationseffizienz. Dem Versteigerungsverfahren liegt die Verknüpfung der beiden Stufen zugrunde: Die Bewertung der Allokationseffizienz beinhaltet gleichzeitig die prognostische Bewertung des effizienten Nutzers. Betrachtet man zunächst die zweite Stufe, so kann der effiziente Nutzer als derjenige beschrieben werden, der das bestmögliche Verhältnis von Output zu Input für die Konsumenten hinsichtlich der mit der Nutzung der Frequenz angebotenen Dienstleistung bzw. des angebotenen Produkts realisieren kann. Die wertmäßige Höhe eines bestimmten Outputs wird in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung durch die Nutzeneinschätzung der Produkte von Seiten der Konsumenten und der Unternehmer determiniert. 174 Die aggregierte Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft der Nachfrager und dem tatsächlich von den Konsumenten zu zahlenden Preis bezeichnet man als Konsumentenrente. 175 Entsprechend ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Preis bzw. dem Erlös, 176 den das Unternehmen mit der Frequenznutzung erzielt, und den langfristigen Grenzkosten, die das Unternehmen für die Veranstaltung der entsprechenden Telekommunikationsdienstleistung aufwenden muss, 177 die Produzentenrente. 178 Daraus resultiert der ökonomische Effizienzmaßstab, dass die Summe aus Produzenten- und Konsumentenrente zu maximieren ist. 1 7 9 Je positiver Kosteneffizienz, Produktqualität und Innovationspotential bewertet werden können, desto höher fällt auch die Produzentenrente bzw. der Gewinn eines Unternehmens aus. 180 Die Erlöse sind im Wesentlichen abhängig vom Nutzen der Dienstleistung für die Konsumenten. Ihre Zahlungsbereitschaft steigt mit der Attraktivität und Produktqualität der angebotenen Dienstleistung.181 Da174
Dies wird in mikroökonomischen Analysen durch die betreffenden Nachfrage-Funktionen repräsentiert, die das Vorhandensein von Kaufkraft implizieren. 175 Dabei wird eine negativ geneigte Nachfragekurve unterstellt. 176 Der Erlös ergibt sich aus der Multiplikation der abgesetzten Menge mit dem Preis. 177 Wie ζ. B. Kosten für den Aufbau der Netzinfrastruktur, Produktionskosten etc. 178 Vgl. H. R. Variati, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 315; U. Fehl/P. Oberender, Grundlagen der MikroÖkonomie, S. 20 ff. 179
In den Wirtschaftswissenschaften wird zur Messung der allokativen Effizienz ein weiterer Wohlfahrtsmaßstab angewendet und zwar die Maximierung der Konsumentenrente unter der Bedingung der Totalkostendeckung, wobei Totalkostendeckung bedeutet, dass ein Unternehmen unter der Bedingung der Eigenwirtschaftlichkeit (Deckung der Totalkosten aus den Erlösen) wirtschaftet. Die Antizipierung dieses Maßstabes wirft in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten auf, so dass er vernachlässigt werden soll, vgl. zum ganzen 7. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 4 ff.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
139
raus folgen für die Unternehmen auch höhere Einnahmen. 182 Entsprechend steigt auch die Effizienz des Unternehmens. 183 Die Höhe des antizipierten Gewinns ist also das Äquivalent für die Effizienz der Frequenznutzung. 184 Aus diesem Zusammenhang, dass die Erlöshöhe abhängig vom Nutzen der Dienstleistung für die Konsumenten ist, folgt auch, dass mit dem Ansteigen des Nutzens sich auch die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten erhöht, womit die Effizienz im Sinne der Maximierung der Konsumentenrente erfüllt ist. Da im Fall der Frequenzvergabe die Frequenzen noch nicht genutzt werden, sie erst zur Verteilung anstehen, kann der Gewinn natürlich nicht gemessen und damit der effiziente Nutzer im Vorfeld nicht zuverlässig bestimmt werden. Deshalb muss er mittels einer Gewinnprognose antizipiert werden. Entsprechend der ökonomischen Logik wird das Unternehmen mit der höchsten Zahlungsbereitschaft in der Regel der effiziente Nutzer sein, weil es die geringsten Produktionskosten und/oder die besten Produktqualität aufweist. Es besitzt die höchste Wertschätzung und damit auch die höchste Gewinnerwartung. Der höchste gesamtwirtschaftliche Nutzen wird also in Abwesenheit externer negativer Effekte 185 durch die jeweilige (maximale) Zahlungsbereitschaft repräsentiert. Da die Nutzung von Frequenzen grundsätzlich keine negativen externen Effekte verursacht, 186 ist also das Verteilungsverfahren, das sich an der Zahlungsbereitschaft und somit an der Wertschätzung des Interessenten orientiert, nach ökonomischen Kriterien ein effizienter Auswahlmaßstab. Über einen Preismechanismus gelangt die Frequenz in diejenige Verwendung, in der sie den höchsten gesamtwirtschaftlichen Nutzen erbringt, und damit zu einem effizienten Unternehmen. 187 180 Monopolkommission, Hauptgutachten 1998/1999, S. 57 Rn. 46. 181 Vgl. L Herzel, University of Chicago Law Review 18 (1950-1951), 802 (812); Monopolkommission, Hauptgutachten 1998/1999, S. 57 Rn. 46. 182 Vgl. J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (454); E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998,175 (176). 183 Vgl. J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 171. 184 Vgl. J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (453 ff.). 185 Eine (physischer) externer Effekt liegt vor, wenn das Wirtschaften eines Wirtschaftssubjektes den Nutzen oder die Produktionsmöglichkeiten eines anderen Wirtschaftssubjektes positiv oder negativ beeinflusst, ohne dass hierfür (im Rahmen einer Tauschbeziehung) ein Preis erhoben wird, vgl. dazu R. Coase, 3 J. L. & Econ. (1960), 1 ff.; G. Knieps, Wettbwerbsökonomie, S. 11. 186 Man könnte an die Interferenzproblematik denken, bei ungeplanter Nutzung von Frequenzen würden sich die Nutzungen im Sinne negativer externer Effekte stören. Diese Externalitäten sind durch die staatliche Frequenzverwaltung internalisiert worden, vgl. G. Knieps, Wettbwerbsökonomie, S. 11. 187 Siehe z. B. R. P. McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (711); R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (498 ff.). P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (2 ff.); J. McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (193); J. McMillan, Journal of Economics Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 (150 f.); M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (42); J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 169 ff.;
140 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Dies impliziert gleichzeitig ein Gewinnmaximum für den Versteigerer, wenn das zu zahlende Entgelt für die Frequenzen der Zahlungsbereitschaft entspricht. Die höchste Zahlungsbereitschaft verkörpert sich im höchsten Preis, der dann gleichzeitig gewinnmaximal ist. Die Gesetzmäßigkeit, dass das Gewinnmaximum mit der allokativen Effizienz gleichgesetzt werden kann, gilt allerdings nur dann, wenn sich die Wertschätzungen der teilnehmenden Unternehmen im Ergebnis abbilden. Durch den Maßstab des effizienten Nutzers soll auch die Beständigkeit der Vergabeentscheidung sichergestellt werden. Ökonomisch rückübersetzt auf die erste Stufe der Allokationseffizienz wird gleichzeitig ein pareto-optimaler Zustand hergestellt, der dadurch charakterisiert ist, dass es keine Möglichkeit der Umverteilung gibt, die ein Wirtschaftssubjekt besser stellt, ohne dass gleichzeitig die Situation eines anderen Wirtschaftsubjektes verschlechtert wird. 1 8 8 Der pareto-optimale Zustand stellt damit gleichzeitig die Beständigkeit unter der jeweiligen Wirtschaftssituation 189 der Vergabeentscheidung sicher.
B. Das Versteigerungsverfahren als effizienter Allokationsmechanismus Das Versteigerungsverfahren ist gegenüber dem Ausschreibungsverfahren im TKG als die Regelform der Vergabe von Frequenzen festgelegt. 190 Seit der Novellierung des TKG ist der effiziente Frequenznutzer Maßstab der Bewertung in beiden Verfahren. Dennoch ist es bei der Priorität des Versteigerungsverfahrens geblieben. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis soll nunmehr auf seine ökonomischen Grundlagen hin untersucht und näher erörtert werden.
J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, 1992, 162 (165); T. Hazlett, 41 J. L. & Econ. (1998), 529 (530 f.); A Keuter/L. Nett/U. Stumpf, WiST 1998, 81 (81). 188 Vgl. H. R. Varian, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 14 f., 291 ff., 297 ff.; U. Fehl/P. Oberender, Grundlagen der MikroÖkonomie, S. 481 ff. Ergänzt wird die „Pareto-Effizienz" durch das so genannte „schwache" Pareto-Kriterium sowie den Kaldor-Hicks-Test. Im Gegensatz zum „regulären" Pareto-Kriterium, das von einer Situation ausgeht, in der die Allokation mindestens einem Wirtschaftssubjekt einen Vorteil und niemandem einen Nachteil einbringt, trägt das „schwache" Pareto-Kriterium lediglich Allokationen, die jedem Wirtschaftssubjekt einen Vorteil einbringen. Demgegenüber rechtfertigt der Kaldor-Hicks-Test solche Verteilungsentscheidungen, die zwar bei einzelnen Wirtschaftssubjekten zu Nachteilen führen, die aber zugleich die Möglichkeit beinhalten, dass die Begünstigten aus ihrem Vorteil die Benachteiligten entschädigen, vgl. H.-B. Schäfer/C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 25, 32 ff. 189 Verändern sich die wirtschaftlichen Umstände nach der Erstverteilung, sorgt der Frequenzhandel nach § 62 TKG für eine effiziente Sekundärallokation, siehe dazu unten im 3. Teil, 1. Kapitel. 190 S.o. im 2. Teil, 1. Kapitel, B.H.3.b)bb)(2).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
141
I. Unentgeltliche Verteilung Die Feststellung des ökonomisch effizienten Nutzers ist in unentgeltlichen Verteilungsverfahren wie dem Prioritätsverfahren, der Lotterie und dem Ausschreibungsverfahren nicht möglich. 191 Bei der Lotterie und dem Prioritätsverfahren ist entscheidender Auswahlmaßstab für die Verteilungsentscheidung letztlich der Zufall, die Effizienz kommt allenfalls unbewusst daneben zur Geltung, wenn zufällig auch das effiziente Unternehmen ausgewählt wurde. 192 Die Verteilung von Frequenzen in einem Ausschreibungsverfahren muss sich demgegenüber gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG zwar am Maßstab der Effizienz orientieren, ist aber im Ergebnis nicht so leistungsstark wie eine an der Zahlungsbereitschaft orientierte Verteilung. 193 Denn die Vergabebehörde ist nur eingeschränkt in der Lage, das Effizienzkriterium zu messen; ihr fehlen die nötigen Informationen hinsichtlich der zu prognostizierenden Gewinne, die Rückschlüsse auf die Kosteneffizienz, die Produktqualität und das Innovationspotential geben. 194 Dies gilt unabhängig von der Reichweite der der RegTP eingeräumten Informationsrechte. Aufgrund der Komplexität der Telekommunikationsunternehmen und ihrer Handlungsweisen sowie Unsicherheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung sind die Unternehmen selbst Außenstehenden in der Bewertung grundsätzlich überlegen.
Π. Marktwirtschaftliche Verteilung Im Gegensatz zu unentgeltlichen Verteilungsverfahren orientiert sich die marktwirtschaftliche Verteilung an einem Entgelt für die zu allozierenden Güter. Betrachtet man die Frequenzvergabe im Hinblick auf eine marktwirtschaftliche Verteilung und damit auch im Hinblick auf ihre allokative Effizienz, ist das Auswahlverfahren im Wesentlichen auf zwei Möglichkeiten reduziert. Entweder wird ein Vergabemodus gewählt, in dem die Nachfrager den Preis bestimmen, oder einer, in dem der Anbieter den Preis vorgibt. Differenzierungskriterium ist also, ob die Anbieter- oder die Nachfragerseite das zu zahlende Frequenzentgelt festlegt. Ersteres umfasst neben dem Anbieten der Frequenzen auf dem Markt als Monopolist auch Vergabeverfahren wie die Lotterie, das Prioritäts- und das Ausschreibungsverfahren, 1 9 5 wenn man unterstellen würde, dass eine entgeltliche Verteilung vorgesehen ist. Immanent wäre ihnen dann, dass die RegTP als Anbieter einseitig ein monetär bemessenes Äquivalent festlegt. 191 A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 41 f. 192 J. McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (193). 193
Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4. 194 Dazu R. Coase, 2 J. L. & Econ. (1959), 1 (18); A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 37; R. H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerblichen Ausnahmebereichen, S. 316. 195 Siehe dazu oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.II.3.b)dd)(3).
142 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
1. Die vorhandene Marktsituation Welche der beiden genannten Alternativen im speziellen Fall der Frequenzverteilung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu bevorzugen ist, ist abhängig von der vorhandenen Marktsituation. 196
a) Monopolmarktsituation Die Frequenzverteilungssituation lässt sich durch eine gewisse Nähe zur Monopolmarktsituation kennzeichnen. Ein Monopol zeichnet sich dadurch aus, dass es gemeinhin nur einen Anbieter für das zu verteilende Objekt gibt, während eine Vielzahl von potenziellen Nachfragern das Objekt begehrt. 197 Frequenzen bzw. Frequenznutzungsrechte sind knappe Güter, bei denen ein Nachfrageüberhang besteht. Einziger Anbieter ist der Staat, dessen hoheitliche Aufgabe die Verteilung der Frequenzen ist.
b) Informationsasymmetrien Des Weiteren zeichnet sich die Marktsituation durch Informationsasymmetrien 198 aus: Während die potenziellen Käufer ihre eigene Wertschätzung bzw. ihre Erwartungen hinsichtlich des Auktionsobjektes kennen, verfügt der Staat als Anbieter nicht in ausreichendem Maße über Informationen, die es ihm ermöglichen würden, Einschätzungen darüber zu treffen, welches Unternehmen aufgrund von Technologie, Know-how und Marktstrategien die Frequenzen bzw. Frequenznutzungsrechte in dem entsprechenden Markt effizient nutzen kann. Der Vergabebehörde fehlt es regelmäßig an Kenntnissen und Erfahrungen, die es ihr erlauben würde, diesbezüglich fundierte Aussagen zu treffen. 199 Daran ändern auch von den Unternehmen zur Verfügung gestellte Informationen grundsätzlich nichts. Dass die RegTP die Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge im Einzelfall vollständig antizipieren kann, ist kaum denkbar. •96 In der diesbezüglich ökonomischen Analyse wird die besondere Rolle des Staates mit seinen rechtlichen Bindungen und Verantwortungen außen vor gelassen, da dies für die rein ökonomische Analyse nicht von Bedeutung ist. 197
J. Siebke, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 63 (68 f.). 198 Vgl. A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, WiST 1998, 81 (81); P. Jehiel/B. Moldovanu, Economic Policy 36 (2003), 271 (281). Die Analyse asymmetrischer Informationsverteilungen ist ein Schwerpunktthema des informationsökonomischen Ansatzes. G. A. Akerlof, Quartely Journal of Economics 84 (1970), 488 ff., hat als erster asymmetrische Informationsverteilungen als Problem auf Märkten konkretisiert. i " S.o. Fn. 194 in diesem Kapitel.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
2. Alternativen
143
der Vergabe
Grundsätzlich sind für den Veräußerer in der beschriebenen Marktsituation zwei Allokationsmechanismen in Betracht zu ziehen: Er könnte als Monopolist den Preis einseitig festsetzen oder den Mechanismus der Versteigerung einsetzen.
a) Ausgangspunkt: Neoklassische Markttheorie Zunächst ist davon auszugehen, dass sich alle Transaktionen über den Markt vollziehen, da auf diese Weise eine effiziente Allokation von Ressourcen erreicht wird. Ob und unter welchen Bedingungen markträumende effiziente und stabile Konkurrenzgleichgewichte existieren, untersucht die neoklassische Markttheorie.200 Dazu betrachtet sie das Angebots- und Nachfrageverhalten von Unternehmen und Haushalten auf Märkten. 201 Unternehmen werden durch ihre Produktionsfunktionen, Haushalte durch ihre Nutzenfunktionen vollständig abgebildet, die sich und die Beziehungen zur Umwelt dann wiederum in den Angebots- und Nachfragefunktionen ausdrücken. Die Koordination des unterschiedlich motivierten Angebots- und Nachfrageverhaltens wird durch den Markt vorgenommen. Ein Markt ist der ökonomische Ort des Tausches und bildet sich durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. 202 Die stattfindenden Abstimmungsprozesse unter Berücksichtigung bestimmter Bedingungen führen grundsätzlich zu pareto-optimalen Konkurrenzgleichgewichten, in denen Angebot und Nachfrage zu einem bestimmten Preis übereinstimmen. Das Erfordernis bestimmter Bedingungen zur Zielerreichung lässt im Umkehrschluss erkennen, dass reale Märkte auch Funktionsschwächen besitzen (können). Diese können dazu führen, dass sich ein unkoordinierter Austausch über Märkte nicht als optimal erweist. „Marktfehler" können zu einer Fehlallokation von Ressourcen oder zu einem Marktversagen führen. Arten von Marktversagen sind Externalitäten, unvollständige Information und Größenvorteile. 203
200 z. B. K. J. Arrow/G. Debreu, Econometrica 22 (1954), 265 ff.; K J. Arrow, American Economic Review 64 (1974), 253 ff.; D. Schneider, in: Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie IX., S. 95 ff.; B. Schauenberg, in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, S. 1 (26 ff.). 201 Vgl. G. Gabisch, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 1 ff. 202 Vgl. statt vieler J. Siebke, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 63 (66). 203 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 11 ff.
144 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
b) Austausch über den Markt im Monopol Tritt ein Veräußerer am Markt als Monopolist auf, gibt er einen Preis für sein Objekt vor und wartet ab, bis ein Nachfrager den von ihm festgesetzten Preis akzeptiert. 204 Grundsätzlich kann der Monopolist, da er keinen Konkurrenten hat, den Preis, zu dem er anbieten will, einseitig bestimmen. Die Nachfrager entscheiden über seinen Absatz. In diesem Fall handelt der Monopolist als Preisfixierer; der Preis ist sein Aktionsparameter und die Absatzmenge seine Erwartungsgröße. Umgekehrt könnte er als Mengenfixierer die Produktions- und Absatzmenge (Aktionsparameter) bestimmen und die Preishöhe (Erwartungsgröße) der Marktgegenseite überlassen. Entscheidend für die Analyse des Monopolmarktes ist dabei nicht die Auswahl einer dieser beiden strategischen Variablen, sondern deren Beziehung zu der Reaktion der Nachfrager selbst. An dieser Beziehung wird und muss der Monopolist seine Produktionsplanung und Marktpolitik ausrichten. Die Möglichkeit als Mengenfixierer zu agieren, scheidet für die Frequenzvergabe jedoch aus, da die Frequenzen natürlich knapp sind, 205 so dass ihre Menge nicht durch den Anbieter als Mengenfixierer festgelegt werden kann. Es verbleibt nur die Alternative des Handelns als Preisfixierer. Das bedeutet, dass sich der Anbieter für einen Preis entscheiden muss, von dem er weder weiß, ob es überhaupt einen Nachfrager gibt, der bereit ist, den vorgegebenen Preis zu bezahlen, noch, ob der von ihm vorgegebene Preis zu niedrig ist, es also Nachfrager gibt, die bereit wären, einen höheren Preis zu akzeptieren. Damit besteht aufgrund der Informationsasymmetrie für den Anbieter eine große Wahrscheinlichkeit, nicht die optimale Preisentscheidung zu treffen. In der Konsequenz könnte dieser Marktfehler dazu führen, dass eine effiziente Ressourcenallokation nicht erreicht wird.
c) Versteigerungsverfahren Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Anbieter zur Allokation der Frequenzen das Auktionsverfahren wählt. McAfee und McMillan definieren eine Versteigerung als eine Markttransaktion mit einem expliziten System von Regeln, bei der die Ressourcenallokation und die Preisbildung aufgrund des Vergleichs der unterschiedlichen (monetären) Gebote der Teilnehmer erfolgen. 206 Das grundlegende Charakteristikum von Auktionen ist, dass sie den Teilnehmern private Informationen (in Form von Geboten) entlo204
Siehe zum Gleichgewicht im Monopol statt vieler J. Siebke, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 63 (88 ff.). 205 Siehe dazu oben im 1. Teil, 1. Kapitel, C. 206 R. p, McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (701).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
145
cken, diese zusammenführen und die gesammelte Information dann nutzen, um Preise zu bilden und Ressourcen zu allozieren. 207 Derjenige, der den höchsten Betrag für die Frequenz bietet, erhält dafür das Nutzungsrecht. In einer Frequenzversteigerung werden Frequenznutzungsrechte über einen wettbewerblichen Preismechanismus vergeben (so genanntes pretiales Vergabeverfahren). Die sich bildenden Preise reflektieren die tatsächliche Knappheit der Frequenzen. Diese wahren Preise entsprechen den Opportunitätskosten und haben eine Signal- und Informationsfunktion bezüglich der Zahlungsbereitschaft der Interessenten für Frequenzen in den verschiedenen Spektralbereichen. Dadurch, dass die Preisofferten der Bieter den Preis für die Frequenzen bestimmen, sind Auktionen der Preisfindungs- und Allokationsmechanismus, bei dem die Nachfrageseite den größtmöglichen Einfluss auf das Ergebnis der Markttransaktion hat. Die Nachfrager bestimmen letztlich den Marktpreis des Auktionsgegenstandes und lösen so das Problem der asymmetrischen Information für den Veräußerer. Es kommt grundsätzlich zu einer effizienten Zuteilung der Frequenzen, weil jener Bieter, der die Frequenz effizient nutzen kann, in der Regel die höchste Wertschätzung aufweist und bereit ist, das höchste Gebot abzugeben.208
ΙΠ. Ökonomische Analyse und normative Bewertung Unter dem Gesichtspunkt der asymmetrischen Informationsverteilung - jeder Nachfrager kennt seine individuelle Wertschätzung und damit seine Zahlungsbereitschaft, während der Anbieter über die Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nur unsichere Erwartungen besitzt - wird die Vorteilhaftigkeit eines Auktionsverfahrens in seinen Effizienzwirkungen offensichtlich. Im Gegensatz zum „normalen" Marktgeschehen gibt der Anbieter bei Versteigerungen keinen festen Preis (posted price) vor, bei dem die Nachfrager sich nur zwischen Kauf und Nichtkauf zu diesem Preis entscheiden können. Die unsicheren Erwartungen hinsichtlich des Objektwertes fixieren sich nicht im Wege des Prioritätsprinzips. Auktionen greifen nämlich gerade die Situation auf, dass es aufgrund mangelnder Informationen keinen Standardwert gibt und sich Angebots- und Nachfragekonditionen erst zu einem bestimmten Zeitpunkt herausbilden. Sie ermitteln den Preis bei jeder Transaktion neu. Die Nachfrager konkurrieren in einer Versteigerung über die Abgabe von Preisofferten miteinander. Über das vorher festzulegende Regelwerk der Versteigerung überlässt der Anbieter der Nachfragerseite, durch die Abgabe seines Angebots für das Objekt sowohl den Tauschpreis des Objektes als auch den Erwerber zu bestimmen. In diesen Preisbildungsprozess bringt jeder Nachfrager seine gesamte private 207
Die Informationsgenerierung variiert jedoch abhängig von der gewählten Auktionsmethode, vgl. unten unter C. 208 Siehe die Nachweise in Fn. 187 in diesem Kapitel. 10 Bumke
146 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Information hinsichtlich der Wertschätzung der Frequenzen ein. Das Informationsdefizit der Anbieterseite wird mithin kompensiert. Der Anbieter kann grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Preis des Auktionsgegenstandes wesentlich an der tatsächlichen individuellen Zahlungsbereitschaft (Grenzpreis) unter den Nachfragern orientiert. Unter der Bedingung geeigneter institutioneller Ausgestaltung der Versteigerung resultiert hieraus eine (pareto-)effiziente Allokation, da der Bieter mit der höchsten Wertschätzung das Auktionsgut erhält. Das Versteigerungsverfahren ist damit unter Effizienzgesichtspunkten vorzugswürdig. Im Verhältnis zu anderen Verteilungsverfahren und dem Austausch der Frequenz über den Markt im Monopol lassen sich Frequenzversteigerungen damit als ökonomisch optimale Allokationsmethode identifizieren. Damit erklärt sich auch das im TKG für die Frequenzvergabe vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis von Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren. Steht die Frequenzvergabe unter dem Ziel einer effizienten Allokation wie es das zweistufige Programm des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG vorsieht, lässt sich die Effizienz über die im Versteigerungsverfahren hervortretende Zahlungsbereitschaft messen. Daneben hat ein Auktionsverfahren auch positive Auswirkungen auf das in § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG niedergelegte Regulierungsziel der Infrastrukturförderung und Innovationsunterstützung, die ebenso wie die effiziente Frequenzallokation einen ökonomischen Ausgangspunkt haben. Die Vergabe in einem Versteigerungsverfahren mit seiner Entgeltverpflichtung besitzt als Effekt neben der Effizienzverwirklichung Stimulierungsfunktion für die Infrastrukturförderung und Innovationsunterstützung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). 2 0 9 Die vergleichsweise hohen Kosten, die für den Erwerb des Auktionsobjekts aufzuwenden sind, rufen einen starken Antrieb im Unternehmen hervor, Investitionen zu tätigen, um die Frequenz technisch mit effizienten Infrastrukturen innovativ auszunutzen.210
C. Institutionelle Ausgestaltung von effizienten Frequenzversteigerungen Die Rechtmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens hängt maßgeblich von seiner Ausgestaltung durch die Versteigerungsregeln ab. 2 1 1 Um die Versteigerungsregeln in einem marktförmig ausgestalteten Verteilungsverfahren wie der Versteigerung bewerten zu können, bedarf es daher der ökono209 K.-D. Scheurle, MMR 2000, 577 (578); B. C. Frìtts, 51 Fed. Comm. L.J. (1997), 849 (855). Siehe auch oben im 1. Teil, 1. Kapitel, C.ü.l.b)aa). Vgl. allgemein zur Stimulierungsfunktion W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 14. 210 Vgl. oben in diesem Kapitel, Β.ΠΙ. Siehe auch G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 5. 211 Vgl. dazu auch im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)bb).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
147
mischen Analyse der Wirkungsweisen bestimmter Versteigerungsformen, ihrer jeweils möglichen Ausgestaltung und insbesondere der möglichen Gefahren, die dem Erfolg, der gesetzlich geforderten Verteilung an den effizienten Nutzer, entgegenstehen. Nach § 61 Abs. 2 S. 1 TKG muss das Versteigerungs verfahren weiterhin geeignet sein, die Regulierungsziele aus § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen. Damit treten die Regulierungsziele neben die Vorgabe der Auswahl des effizienten Nutzers als Maßgaben für die Ausgestaltung der Versteigerungsregeln. Untersucht man die Regulierungsziele auf ihre mögliche Einschlägigkeit für die Ausgestaltung von Versteigerungsregeln, so werden insbesondere das Ziel aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG, die Sicherstellung des chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation sowie das Ziel der Förderung der effizienten Infrastrukturinvestitionen und der Unterstützung von Innovationen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG relevant. Beide Ziele sind - wie das Ziel der Vergabe an den effizienten Nutzer - ökonomisch geprägt und sollen daher bei der ökonomischen Analyse näher betrachtet werden. Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verfahrens sieht § 61 Abs. 5 S. 1 TKG vor, dass die Durchführung des Verfahrens objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen muss.
I. Auktionsmethoden Maßgeblich für die Ausgestaltung einer Auktion und damit für die Rechtmäßigkeit einer Frequenzversteigerung ist zunächst die Wahl einer Auktionsmethode. Mit dem Ausdruck Auktionsmethode oder -form bezeichnet man ein eindeutig festgelegtes Regelwerk, über das sich sowohl der Käufer als auch der Kaufpreis ermitteln lassen.212 In der auktionstheoretischen Literatur werden vier Standardauktionsformen unterschieden: die Englische Auktion, die Holländische Auktion, die Höchstpreisauktion und die Vickrey-Auktion. 213 Diese sollen im Folgenden definiert werden. 1. Charakterisierung a) Englische Auktion Bei einer Englischen Auktion 2 1 4 erhält derjenige Bieter den Zuschlag, der das höchste Gebot abgibt. Zu Beginn der Versteigerung wird zumeist ein Mindestgebot 212
M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 9. Teilweise werden auch Kombinationen der einzelnen Auktionsmethoden vorgeschlagen, um so die jeweils positiven Auswirkungen nutzen zu können, siehe ζ. Β. P. Klemperer, What really matters in Auction Design, S. 15 f. 214 In der Literatur - insbesondere der englischsprachigen - ist diese Auktionsform auch unter der Bezeichnung ascending-bid auction anzutreffen. 213
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148 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
durch den Auktionator festgelegt, das dann von den Auktionsteilnehmern zu überbieten ist. 2 1 5 Von den Bietern werden so lange sukzessiv höhere Gebote genannt, bis die Preisofferte eines Bieters nicht mehr überboten wird. Die Auktion ist dann beendet. Der Preis, der für das Auktionsobjekt zu bezahlen ist, entspricht dem zuletzt genannten Gebot. Es sind zwei besondere Merkmale der Englischen Auktion hervorzuheben: Zum einen ist die Anzahl der Bietrunden vorher nicht festgelegt, das heißt, es gibt eine unbestimmte Rundenzahl. Zum anderen sind alle Bieter zu jedem Zeitpunkt zumindest über das gegenwärtig höchste Gebot informiert. Das Englische Auktionsverfahren wird praktisch am häufigsten angewendet.216 Vornehmlich wird es für den Verkauf von Antiquitäten und Kunstgegenständen eingesetzt.217 Auch die bisher national durchgeführten Versteigerungen von Funkfrequenzen basieren auf dem Englischen Auktionsverfahren. 218
b) Holländische Auktion Bei der Englischen Auktion wird bei Null bzw. einem vorher festgesetzten Mindestgebot mit der Versteigerung begonnen und auf diese Weise das Höchstgebot ermittelt. Demgegenüber zeichnet sich das Verfahren bei der Holländischen Auktio n 2 1 9 dadurch aus, dass der Auktionator zu Beginn der Versteigerung mit einem denkbaren Höchstgebot beginnt, das deutlich über der Zahlungsbereitschaft aller Bieter liegen sollte, und dieses sukzessive senkt, bis ein Auktionsteilnehmer den Vgl. zu dieser Methode M. C. Glass/D. M. Rhodes , McGill Law Journal 44 (1999), 141 (178 f.); T. J. Schroepfer, 14 Hastings Comm/Ent L.J. (1992), 35 (39); H. R. Varian, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 296; E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (177); M. Krakel, Auktionstheorie, S. 13; M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 30; M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (140). 215 Die Abgabe der Gebote kann sowohl durch mündliche Gebotsabgabe (Handzeichen) als auch in elektronischer Form erfolgen. 216 Vgl. R. Cassady, Auctions and Auctioneering, S. 56 ff.; M Beckmann /M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (59 f.). 217 Vgl. R. R McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (702); E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (141). 218
S.o. in der Einführung unter B. In der Literatur - insbesondere der englischsprachigen - ist diese Auktionsform auch unter der Bezeichnung descending-bid auction anzutreffen. Vgl. zu dieser Methode M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (179); T. J. Schroepfer, Hastings Comm/Ent L.J. 14 (1992), 35 (40); H. R. Varian, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 296; E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (177); V: Grimm/U. Schmidt, WiSt 1999, 670 (670); M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 14; M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 30; M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (140). 219
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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zuletzt genannten Preis akzeptiert und die Auktion geschlossen wird. Die Holländische Auktion ist damit quasi die Umkehrung der Englischen Auktionsmethode, was sich auch in den englischen Bezeichnungen „descending bid" für die Holländische Auktion und „ascending bid" für die Englische Auktion niederschlägt. Charakteristisch ist für die Holländische Auktion genauso wie für die Englische die unbestimmte Rundenzahl. Anwendung fand diese Methode bisher vor allem bei der Versteigerung großer Mengen verderblicher Güter, wie Fisch und Tabak. 220 Die Versteigerung von Schnittblumen auf niederländischen Märkten hat diesem Verfahren seinen Namen gegeben. Die Holländische Auktion wurde bisher weder national noch international zur Versteigerung von Frequenzen eingesetzt.
c) Höchstpreisauktion Die Höchstpreisauktion 221 unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von der Holländischen und der Englischen Auktion. Zum einen handelt es sich um ein geschlossenes Vergabeverfahren, bei dem alle Mitbewerber ihre einzige Preisofferte verdeckt abgegeben. Zum anderen beinhaltet diese Auktionsform lediglich eine Versteigerungsrunde, denn der Meistbietende erhält den Auktionsgegenstand. Damit wird ein gegenseitiges Überbieten unmöglich. Die Verbreitung von Höchstpreisauktionen ist hauptsächlich beschränkt auf die Beschaffung von Vorprodukten und Dienstleistungen.222 Es wurde aber auch schon für die Versteigerung von Frequenzen eingesetzt, so ζ. B. bei den Frequenzauktionen in Neuseeland im Jahre 1991 und 1993. 223
220 Vgl. R. P. McAfee/ J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (702). 221 In der Literatur - insbesondere der englischsprachigen - ist die Höchstpreisauktion auch unter der Bezeichnung first-price-sealed-bid auction zu finden. Vgl. zu dieser Methode M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (179); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 715 ff.; T. J. Schroepfer, Hastings Comm/Ent L.J. 14 (1992), 35 (40); H. R. Varian, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 296; E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998,175 (177); V. Grimm/U. Schmidt, WiSt 1999, 670 (670); M. Krakel, Auktionstheorie, S. 14; M Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 31; M Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, 139 (140); P. Klemperer, What really matters in Auction Design, S. 13 ff. 222 Bei der Beschaffung ist das niedrigste an Stelle des höchsten Angebots entscheidend; vgl. E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (141). 223 Vgl. G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 241 ff.
150 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
d) Vickrey-Auktion 1961 entwickelte William Vickrey eine neue Versteigerungsmethode. Wie die Höchstpreisauktion handelt es sich bei der Vickrey-Auktion 224 um eine geschlossene Auktionsform. Die Vickrey-Auktion unterscheidet sich von der Höchstpreisauktion nur dahingehend, dass der Höchstbieter zwar den Zuschlag erhält, aber lediglich den Preis zahlt, den der Interessent mit dem zweithöchsten Gebot offeriert hat. Dieser Lösung liegt die theoretische Überlegung zugrunde, dass ein rationaler Auktionsteilnehmer durch diese Regel veranlasst wird, ein Gebot entsprechend seiner realen Wertschätzung abzugeben und damit die Allokationseffizienz eindeutig erreicht wird. Die Vickrey-Regel soll garantieren, das derjenige Bewerber das Auktionsobjekt erhält, der ihm den größten wirtschaftlichen Wert beimisst, ohne dass er mit dem vollständigen Risiko eines überhöhten Preises belastet ist. 2 2 5 Ebenso wie bei der Höchstpreisauktion besteht die Vickrey-Auktion aus nur einer Runde. Reine Vickrey-Auktionen sind trotz ihrer theoretisch vorteilhaften Eigenschaften in der praktischen Anwendung selten zu beobachten, allerdings wurde dieses Verfahren u. a. in Neuseeland für Frequenzauktionen gewählt. 226 Weit verbreitet sind jedoch Mischformen aus Englischer und Vickrey-Auktion: Die Zahlungsregel der Vickrey-Auktion wird häufig dann übernommen, wenn in einer Englischen Versteigerung schriftliche Gebote zulässig sind 2 2 7
e) Kategorisierungen Allen vier Methoden ist gemeinsam, dass derjenige Interessent den Zuschlag für den Auktionsgegenstand erhält, der das höchste Gebot abgibt. Differenzierungen zwischen den einzelnen Auktionsformen können anhand dreier Kriterien vorgenommen werden, die nun erläutert werden.
224 Die Vickrey-Auktion ist sowohl unter den Bezeichnungen sealed-second-bid auction und second-price-sealed-bid auction in der Literatur zu finden. Vgl. dazu M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (180); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 711 ff.; H. R. Varian, Grundzüge der MikroÖkonomik, S. 296 f.; M. Krakel, Auktionstheorie, S. 14; M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 31; M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (140 f.). 22 5 Dies wird als Winner's curse-Effekt bezeichnet, siehe dazu ausführlich unten in diesem Kapitel unter C.II.2. 226 227
Siehe dazu G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 237 ff. Siehe E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (141).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
aa) Einstufige
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versus mehrstufige Auktionen
Ein Kriterium der Differenzierung bildet die Bestimmung, wie häufig die einzelnen Auktionsteilnehmer Gebote während der gesamten Versteigerung abgeben können, das heißt, ob das Auktionsverfahren einstufig oder mehrstufig ausgestaltet ist. Bei einer einstufigen Versteigerungsmethode - wie der Höchstpreis- und Vickrey-Auktion - ist die Auktion bereits beendet, nachdem die Auktionsteilnehmer einmalig ein Gebot für das jeweilige Auktionsobjekt abgegeben haben. Hingegen besteht bei einer mehrstufigen Auktionsform - wie der Englischen und Holländischen Auktion - für die Teilnehmer mehrmals die Möglichkeit, für den Auktionsgegenstand bieten. Das Ende der Auktion ist folglich abhängig vom Verhalten der Teilnehmer; geben sie keine Gebote mehr ab, endet die Versteigerung. bb) Offene versus verdeckte Gebote Außerdem differieren die Standardauktionsformen hinsichtlich der Art der Abgabe der Gebote. Man kann zwischen offenen und verdeckten Auktionen unterscheiden. Unter offenen Geboten, die in der Englischen und Holländischen Auktion abgegeben werden, wird verstanden, dass durch den Auktionsprozess die Höhe zumindest des Höchstgebotes und die Identität zumindest des obsiegenden Bieters den anderen Teilnehmern bekannt werden. Durch offene Auktionen werden Informationen über die Zahlungsbereitschaften bzw. die Preise für bestimmte Frequenzen und Frequenzrechte generiert. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Frequenzvergabe, da potenzielle Betreiber von Diensten eine optimale Evaluierung dieser Ressource vornehmen können. In offenen Versteigerungen erlangen die Auktionsteilnehmer gegenseitig Kenntnis über mindestens das Höchstgebot, womit sie aufgrund der Mehrrundigkeit der offenen Verfahren die Möglichkeit erhalten, auf rivalisierende Gebote (bzw. auf das Fehlen von Geboten) zu reagieren. Das Bieterverhalten ist wechselseitig beobachtbar. Anders ist dies bei den verdeckten Auktionen wie der Höchstpreis- und der Vickrey-Auktion. Bei ihnen wird weder die Höhe der Gebote noch die Bieteridentität automatisch bekannt. Jeder Bieter gibt einmalig ein Gebot ab, ohne andere Gebote zu kennen. 228 Die Offenbarung weiterer Informationen ist dann jeweils abhängig von der Informationspolitik der Vergabebehörde. cc) Preisbestimmendes Gebot Unstreitig ist, dass derjenige Bieter den Auktionsgegenstand zugeschlagen erhält, der das höchste Gebot abgegeben hat. 2 2 9 Unterschieden werden können die 228
Klassisches Beispiel ist die Abgabe der Gebote aller Bieter in einem verschlossenen Umschlag. 229 So auch in den bisher nach § 11 Abs. 4 TKG-alt durchgeführten Auktionen, vgl. Ziff. ΠΙ Nr. 3 a der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949 (ERMES); vgl. Ziff. 11. der Vfg.
152 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Versteigerungsmethoden aber danach, welches der abgegebenen Gebote das für das Auktionsobjekt zu zahlende Entgelt bestimmt. Im Wesentlichen bestehen zwei Alternativen. Die Englische Auktion, die Holländische Auktion und die Höchstpreisauktion sind so genannte „High Price"-Auctions. Der zu zahlende Preis entspricht dem zuletzt genannten Gebot. Im Gegensatz dazu hat der Höchstbietende bei der Vickrey-Auktion lediglich den Preis des zweithöchsten Gebots für den Auktionsgegenstand zu zahlen (Zweithöchstgebotsregel, second-price).
f) Zwischenergebnis - normative Bewertung Die ökonomische Charakterisierung der möglichen Versteigerungsmethoden gibt noch keinen Aufschluss für die mögliche normative Bewertung anhand der rechtlichen Vorgaben des TKG. Es bedarf daher der weiteren ökonomischen Analyse der möglichen Ausgestaltung der einzelnen Methoden und ihrer Wirkungsweisen.
2. Ökonomische Bewertung der Auktionsmethoden mit Hilfe der Spieltheorie Um eine ökonomische Bewertung der vier Standardauktionsmethoden vorzunehmen, bietet sich die spieltheoretische Betrachtung an, da sie prognostische Ergebnisse für die Ausgestaltung der einzelnen Auktionsmethoden liefern kann. In der Auktionstheorie werden unterschiedliche spieltheoretische Modelle eingeführt, die mit je unterschiedlichen Grundannahmen arbeiten: das Independent private values-Modell, das Common value-Modell und das Milgrom-Weber-Modell. Für die Bestimmung der optimalen Auktionsmethode hat sich das Independent private values-Modell als praktikabel erwiesen, da es valide Ergebnisse liefert, die aus meiner Sicht für die normative Bewertung anschlussfähig erscheinen. Das Milgrom-Weber-Modell stellt eine Weiterentwicklung des Independent private valuesModells dar. 230 Deshalb ist es sinnvoll, ergänzend hinsichtlich bestimmter Aspekte 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2381, 2386 (GSM); Ziff. 12 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 566 (UMTS). 230 Das Milgrom-Weber-Modell versucht die Schwächen der beiden anderen Grundmodelle aufzugreifen. Das Independent private values-Modell geht nämlich von den restriktiven Annahmen aus, dass jeder Bieter genaue Kenntnis über seine individuelle Wertschätzung des Auktionsobjektes besitzt und die Wertschätzungen der Bieter statistisch unabhängig sind. Das Independent private values-Modell berücksichtigt nicht, dass der Besitz des begehrten Objektes mit einem Prestigewert verbunden sein kann. Unter den restriktiven Annahmen dieses Modells wäre es unmöglich, dass mehrere Bieter gleichzeitig entscheidende Informationen haben können. Außerdem wird nicht beachtet, dass ein besonders interessierter Bieter mit entsprechend hoher Wertschätzung durchaus auf ebenso hohe Wertschätzung bei den
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
153
auf die Ergebnisse dieses Modells zu rekurrieren. Eine vollständige Analyse mithilfe des Milgrom-Weber-Modells ist zwar grundsätzlich möglich, die Ergebnisse sind durch die hohe Komplexität des Modells jedoch kaum klar bestimmbar und insoweit für den Anwendungsbereich und die Anschlussfähigkeit nicht hinreichend operationalisierbar. 231 Das Common value-Modell erscheint demgegenüber als suboptimal: Es klammert die Analyse der Auktionsmethoden hinsichtlich ihrer Effizienz aus und ist daher i n diesem Kontext nicht verwertbar. 2 3 2
a) Auktion als Spiel i m Sinne der Spieltheorie Auktionen werden aus spieltheoretischer S i c h t 2 3 3 als zweistufiges, nicht-kooperatives 2 3 4 Spiel bei unvollständiger Information modelliert: Der Verkäufer bzw. A u k t i o n a t o r 2 3 5 entscheidet sich zunächst auf der ersten Stufe für eine Auktionsform und legt damit die Spielregeln des Auktionsspiels fest. A u f der zweiten Stufe bilden diese Regeln dann den spieltheoretischen Rahmen für die Versteigerung des anderen Bietern rückschließen kann. Im Gegensatz dazu lässt zwar das Common value-Modell (siehe dazu sogleich in Fn. 232 in diesem Kapitel) statistische Abhängigkeiten zwischen den Wertschätzungen der Bieter zu, allerdings ist es mit ihm nicht möglich, Unterschiede hinsichtlich der individuellen Präferenzen der Bieter abzubilden. Vgl. zu den Schwächen der Modelle M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 35; P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095). 231
Dies hebt auch M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 95, hervor. Das Common value-Modell, das auch als Auktionsmodell bei Qualitätsunsicherheit bezeichnet wird, beruht nämlich auf der für die Frequenznutzung nicht zutreffenden Grundannahme, dass ein einheitlicher (Markt-)Wert für den Auktionsgegenstand existiert, wobei dieser allerdings allen Beteiligten zum Zeitpunkt der Versteigerung unbekannt ist; sie besitzen lediglich eine private Schätzung - die zu Grunde liegenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind jedoch in der Tendenz für alle die gleichen. Im Modell existiert damit nur ein einziger Reservationswert. Diese Annahme resultiert aus der Voraussetzung, dass sämtliche Einflussfaktoren, die für die Bieter unterschiedliche Kosten sowie unterschiedliche Marktpreise bewirken können, faktisch immunisiert werden. Alle Bieter sollen die gleichen technischen und finanziellen Anfangsausstattungen besitzen und mit identischen Marktbedingungen konfrontiert sein, vgl. zu diesem Modell E. Wolfstetter, in: Ökonomische Theorie der Rationierung, S. 139 (142); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (265); Ρ R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (4 f.); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 ff.; P. R. Milgrom/ R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1093 f.); R. P. McAfee/J. McMillan , Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (705); M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 32 ff. 232
233
Siehe allgemein J. Nash, Annals of Mathematics 54 (1951), 286 ff.; G. Owen, Game Theory, S. 6; M. J. Holler /G. Illing, Einführung in die Spieltheorie, S. 23 ff. 234 Während bei der kooperativen Spieltheorie bindende Absprachen möglich sind, versucht bei der nicht-kooperativen Spieltheorie jeder einzelne, ohne die Chance zu bindenden Absprachen, seinen Nutzen zu maximieren. 235 Die Auktionstheorie unterscheidet in der Regel nicht zwischen den Akteuren Verkäufer und Auktionator.
154 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Auktionsobjekts unter den Bietern, die auf dieser zweiten Stufe des Spiels ihre Bieterstrategien kalkulieren und Preisofferten abgeben. Wesentlich ist dabei, dass der Auktionator auf der ersten Stufe gezielt solche Regeln festlegen kann und wird, die auf der zweiten Stufe ein für ihn günstiges Bieterverhalten hinsichtlich des Effizienzziels induzieren. 236 Demzufolge handelt es sich bei den ökonomischen Betrachtungen des Auktionsverfahrens um eine Analyse nicht-kooperativer Spiele, wobei generell unterstellt wird, dass die Regeln, die Zielsetzungen sowie die Wahrscheinlichkeitsverteilungen, welche den Wert des Auktionsgegenstandes bei den anderen bestimmen, allen bekannt sind. Man spricht davon, dass die Struktur des Spiels common knowledge ist237 Um die für ihn hinsichtlich der ökonomischen Effizienz optimale Auktionsform zu finden, muss der Versteigerer das Auktionsspiel - also die erste Stufe - lösen. In Anlehnung an die Spieltheorie gehört die Lösung des Problems der optimalen Auktionsform zwar auf die erste Stufe (Auswahl der Auktionsregeln) des zweistufigen Prozesses, wobei aber die Kenntnisse über den Verlauf auf der zweiten Stufe unentbehrlich sind. Um die optimale Auktionsform wählen zu können, muss der Versteigerer die Bietstrategien der Interessenten bei gegebenen Auktionsregeln eindeutig antizipieren. In der Spieltheorie gibt es zur Lösung nicht-kooperativer Spiele eine Strategie, die als Rückwärtsinduktion bezeichnet wird. 2 3 8 Dabei löst man zunächst die letzte Stufe und arbeitet sich auf diese Weise immer weiter nach vorne, bis man infolge der Rückwärtsschritte auf der ersten Stufe des Spiels angelangt ist. Dort ist dann die Lösung des Gesamtspiels zu ermitteln. Betrachtet man die Auktion als Spiel, heißt das, dass ein Versteigerer zunächst den eigentlichen Versteigerungsvorgang (die zweite Stufe des Auktionsspiels) lösen muss. Insbesondere die spieltheoretisehen Gleichgewichte sind entscheidend, das heißt, wie und wann sich die Gebote aller Teilnehmer in so einem Gleichgewicht befinden, dass für niemanden mehr ein Anreiz besteht, individuell sein Bietverhalten erneut zu ändern.
236 Siehe E. Feess, MikroÖkonomie, S. 709 ff.; M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 29; M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43). 237 Angenommen wird des Weiteren, dass die Bieter Zugang zu Informationen bezüglich der Auktionsregeln und der grundsätzlichen Charakteristika des zu versteigernden Objekts haben. Die Anzahl der Bieter beträgt mindestens zwei, ist konstant und ist allen Bietern sowie dem Verkäufer bekannt. Jeder Bieter hat zudem private Informationen über seine Präferenzen und seine darauf basierende Bewertung des Objekts. Die Strategie eines Bieters bestimmt sich durch die Wahl seines Gebots in Abhängigkeit der ihm zur Verfügung stehenden Informationen. 238
Vgl. R. Selten, Theory and Decision 9 (1978), 127 ff.; M. J. Holler/G. Illing, Einführung in die Spieltheorie, S. 23.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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Erst wenn diese Frage geklärt ist, können die Überlegungen zur optimalen Auktionsform (die erste Stufe des Auktionsspiels) erfolgen. Die weiteren Ausführungen werden die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens verdeutlichen: Grundsätzlich ist aus der Spieltheorie bekannt, dass ein Spiel mehrere Gleichgewichte ermöglicht und sich somit im vornherein nichts über die Spielstrategie und damit den Ausgang des Spiels sagen lässt. Dies ist aber natürlich nicht der Fall, wenn sich für jeden Bieter lediglich eine streng dominante Vorgehensweise anbietet. Eine Strategie ist (streng) dominant, wenn sie unabhängig von den Strategien der anderen Bieter den eigenen Erwartungsnutzen maximiert. Das bedeutet, dass ein Bieter nur mit seiner (dominanten) Strategie den höchsten Erwartungsnutzen erzielen kann, und es keine Rolle spielt, welche Strategie die anderen Bieter gewählt haben oder welche Strategiekombinationen sich daraus ergeben. Die gewählte Strategie stellt also unabhängig von dem Verhalten der anderen Bieter die beste Entscheidung dar. 239 Jede dominante Strategie ist gleichzeitig eine Gleichgewichtsstrategie, während dies für den Umkehrschluss nicht unbedingt gilt. Es handelt sich dann um eine beste Antwort; die gewählte Strategie maximiert den individuellen Erwartungsnutzen in Abhängigkeit von dem speziellen letztlichen Bieterverhalten der anderen Auktionsteilnehmer. 240 aa) Modellannahmen des Independent private values-Modells Das Ziel des Independent private values-Modells241 - auch als Auktionsmodell bei Präferenzunsicherheit bezeichnet242 - besteht in der Beantwortung der Frage nach der effizienten Auktionsform. Um die verschiedenen Auktionsformen zu vergleichen und das optimale Verfahren zumindest theoretisch herauszufinden, werden zunächst für alle Verfahren bestimmte Annahmen zugrunde gelegt. 243 Vickrey war der erste Ökonom, der solche Annahmen entwickelt hat. 2 4 4 239 j. Nash, Annals of Mathematics 54 (1951), 286 (292). 240 Siehe M. Krakel, Auktionstheorie, S. 21. 241 Siehe dazu P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1090 ff.); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (265); R. P. McAfee/ J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (704 f.); R R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (4); M. Beckmann/M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); M. Beckmann, Ökonomische Analyse deutscher Auktionen, S. 31 f.; L. Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 30. 242 So R. B. Myerson, Mathematics of Operations Research 6 (1981), 58 ff. 243 Vgl. zu den im Folgenden aufgeführten Annahmen R. P. McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (706); P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1090); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (265); R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (704 ff.); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (4); M. Beckmann/ M. Kräkel/B. Schauenberg, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 67 (1997), 41 (43); H. Lindstädt, Die Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen, S. 8. Modellerweiterungen des Independent Private values-Modell - die in der vorliegenden Arbeit außen vor gelassen werden sollen - beziehen sich zum einen auf die Einbeziehung einer
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1. Es wird davon ausgegangen, dass für das zu versteigernde Objekt kein allgemeingültiger monetärer Wert existiert. Die Auktionsteilnehmer haben unterschiedliche Informationen über den Auktionsgegenstand mit der Konsequenz, dass jeder Wettbewerber über eine eigene individuelle Wertschätzung gemäß seiner Präferenzen verfügt, die nur er selbst genau kennt. Der Auktionator kennt keinen der Bieterweite. Jeder Bieter nimmt seine individuelle Wertschätzung des Auktionsobjektes unabhängig von Informationen über die Höhe der Bewertungen der übrigen Mitwettbewerber vor. Die individuelle Wertschätzung drückt sich dann in der Zahlungsbereitschaft aus (Reservations wert). Zwischen dem Reservations wert und der Gebotsabgabe besteht folglich ein Zusammenhang, der über so genannte Bietfunktionen abgebildet werden kann. 2. Weitere zentrale Grundannahme des Independent private values-Modells ist das Bestehen einer symmetrischen Informations- und Verhaltensstruktur. Eine symmetrische Informationsstruktur besteht, wenn jeder Bieter, dem ja lediglich sein eigener Reservationswert bekannt ist, davon ausgeht, dass die Reservationswerte seiner Mitwettbewerber einer einheitlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung folgen. Das heißt, dass jeder Bieter seinen individuellen subjektiven Grenzpreis für das Auktionsobjekt genau kennt, während die Grenzpreise seiner Konkurrenten stochastisch unabhängige Stichprobenvariablen sind (independent value). Unter einer symmetrischen Verhaltensstruktur versteht man, dass sich die Bieter lediglich anhand ihrer jeweiligen Präferenzen unterscheiden, die sich durch ihren individuellen Reservationswert ausdrücken. Bieter mit identischer individueller Bewertung des Auktionsgegenstandes - also gleichem Reservationswert zeigen dasselbe Bietverhalten in der Versteigerung, das heißt, dass sie von anderen Bietern nicht zu unterscheiden sind. 3. Die Annahme einer symmetrischen Bieterstruktur setzt die gleiche Risikoneigung aller Bieter voraus. Das strategische Verhalten der Bieter in einer Auktion basiert auf einer Entscheidung unter Unsicherheit, zum einen über den Wert des zu ersteigernden Objekts, zum anderen über die Höhe der Gebote der anderen Bieter. Das Verhalten eines Bieters unter Risiko ist somit von entscheidender Bedeutung für die Höhe seines eigenen Gebotes. Diese sind im Grundmodell risikoneutral, das heißt sie orientieren sich lediglich an ihrem Erwartungswert, also dem erwarteten mittleren Gewinn (gewogener Durchschnitt). 245 asymmetrischen Bietstruktur, so dass für die Reservationswerte der Bieter unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsverteilungen gelten. Zum anderen wird die Risikoeinstellung der Bieter dahingehend verändert, dass sie als risikoavers eingestuft werden. Letzte Modellveränderung ist die Annahme einer stochastischen Bieterstruktur, das heißt, es wird von einer ex ante unbekannten Auktionsteilnehmerzahl ausgegangen. 244 w. Vickrey, Journal of Finance 16 (1961), 8 (24 ff.). 245 Im Gegensatz dazu ist ein Entscheidungsträger risikoscheu oder -avers, wenn er sich für eine Alternative mit einem niedrigeren Erwartungswert entscheidet, weil diese mehr
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4. Die Höhe des Preises bzw. des Gebotes ist das einzige Vergabekriterium. 5. Die Regeln der Auktion, die Anzahl der Bieter, Versteigerungsobjekt und Risikoeinstellung sind allen Auktionsteilnehmern bekannt und werden von allen auch vom Auktionator - befolgt. Dieses Wissen ist common knowledge im spieltheoretischen Sinne. Die Auktionsteilnehmer entscheiden sich bei gegebenem Informationsstand rational und treffen keine Absprachen hinsichtlich ihrer Gebote. bb) Modellannahmen des Milgrom- Weber-Modells Das Milgrom-Weber-Modell 246 - auch als Affiliated values-Modell 247 bezeichnet - soll vor allem die Fragen beantworten, welche Auktionsform unter den veränderten Situationsbedingungen des Milgrom-Weber-Modells optimal ist und welche Informationspolitik sich von Seiten des Verkäufers bzw. des Auktionators empfiehlt. Das Modell geht von einer stochastischen Verknüpfung verschiedener Komponenten aus: 248 Jeder (risikoneutrale) Bieter ordnet dem Auktionsobjekt eine eigene Wertschätzung entsprechend seiner individuellen Präferenzen zu. Diese Wertschätzung hängt jedoch des Weiteren von Bestimmungsfaktoren wie der Bewertung anderer Bieter ab. Es gibt also private und gemeinsame Einflüsse auf die Wertschätzung, und die Bewertungen sind immer interdependent. 249 Wenn Frequenzen der Auktionsgegenstand sind, kann diesbezüglich zweierlei angenommen werden: Einerseits liegen aufgrund der unternehmensspezifischen Bedingungen (Marktposition, Produktionsbedingungen, Technologie etc.) individuelle Merkmale vor, andererseits existieren für die Nachfrager wegen gleicher Marktbedingungen gemeinsame wertbildende Merkmale. 250 Da jeder Bieter nur sein eigenes Qualitätsurteil kennt und alle anderen Einflussfaktoren unbekannt sind, können die Bieter den Wert des versteigerten Objektes nicht genau kennen. 251 Im Milgrom-WeSicherheit bringt. Ein risikoaverser Bieter maximiert mithin seinen Erwartungsnutzen. Einen Entscheidungsträger, der auf einen höheren Erwartungswert zugunsten einer größeren Streuung der Ergebnisse verzichtet, nennt man risikofreudig. 246 R R, Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095 ff.). 247 So P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095 ff.), die für den Umstand, dass Bieterwertschätzungen in einem gewissen Ausmaß voneinander abhängen, den Ausdruck „affiliation" benutzen. 248 in seiner Grundform geht das Milgrom-Weber-Modell wie die Grundmodelle von der Symmetrieannahme für die Bieter aus. Das heißt, dass zwei Bieter mit identischen privaten Schätzungen und Zusatzinformationen dem Auktionsgut auch denselben Wert beimessen. 249 Vgl. P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (274); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (17); R. P. McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (705 f.); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (4 f.) 250 Vgl. L Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 30. 251 Vgl. P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (274); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (17); R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Literature 25
158 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
ber-Modell wird also die Annahme der stochastischen Unabhängigkeit durch affilierte Qualitätssignale ersetzt. Grob skizziert bedeutet die Affiliation von Zufallsvariablen, dass das Auftreten ähnlicher Realisationen der Situation am wahrscheinlichsten ist: Beobachtet ein Bieter ein hohes Qualitätssignal, dann geht er bei Affiliation davon aus, dass rivalisierende Bieter mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein hohes Qualitätssignal wahrnehmen. Korrelationen zwischen den Wertschätzungen werden damit in diesem Modell ausdrücklich zugelassen.252
b) Die Auktionsmethoden im Hinblick auf ihre Effizienz Unter Zugrundelegung der Erkenntnisse des Independent private values-Modells werden nun zunächst die einzelnen Auktionsmethoden analysiert. Das Ergebnis ist insoweit für die normative Bewertung anschlussfähig, als mit der optimalen Auktionsmethode auch das normative Kriterium des effizienten Nutzers i. S. d. § 61 Abs. 4 S. 1 TKG erfüllt wird. 2 5 3 In den meisten Fällen werden Versteigerungen von den privaten Veräußerern mit dem einzigen Zweck der Gewinnmaximierung organisiert. Die effiziente Allokation des Versteigerungsobjektes bleibt für den privaten Veräußerer außer Betracht. Dies ist der (Hinter-)Grund dafür, dass sich die Mehrzahl der auktionstheoretischen Beiträge mit der Konzeption einer für den Versteigerer gewinnmaximalen Versteigerung beschäftigt. 254 Allerdings bedingt eine erlösmaximale Versteigerung zugleich eine effiziente Allokation, wenn die Wertschätzungen hinsichtlich des Auktionsobjektes das Bietverhalten bestimmen. Denn dann ist deijenige mit der höchsten Zahlungsbereitschaft auch der potenziell effiziente Nutzer. Entscheidend ist also, dass sich die Wertschätzungen der Versteigerungsteilnehmer im Auktionsergebnis abbilden. Für die Bewertung der Frequenzversteigerung folgt daraus, dass bei der gewinnmaximalen Versteigerung, in der sich die Wertschätzungen der Versteigerungsteilnehmer widerspiegeln, gleichzeitig die allokative Effizienz als normatives Leitkriterium gewährleistet ist. Gewinnmaximierung ist also - entgegen der vielfach in der Literatur geäußerten Kritik der Kommerzialisierung - im Rahmen des Versteige(1987), 699 (705 f.); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (4 f.). 252 Siehe P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095 ff.); Siehe auch P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (274); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (17); R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (705 f.). 253 Zu dieser Grundannahme bereits oben in diesem Kapitel unter A. 254 Vgl. z. B. R. P. McAfee/ J. McMillan, Journal of Economic Literature, Vol. 25 (1987), 699 ff.; P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 ff.; P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 ff.; P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 ff.; M. Krakel, Auktionstheorie.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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rungsverfahrens keineswegs fiskalisch motiviert, sondern vielmehr ein notwendiges, systemimmanentes Steuerungsinstrument. 255 aa) Ein-Objekt-Auktion Zunächst wird die effiziente Auktionsmethode unter den Annahmen des Independent private values-Modells in einer einfachen Auktion (single object auction), bei der ein einmal vorhandenes Gut versteigert wird, gesucht. (1) Analyse des Bieterverhaltens Für das Independent private values-Modell kann gezeigt werden, dass sich einerseits die Englische und die Vickrey-Auktion und andererseits die Holländische und die Höchstpreisauktion strategisch äquivalent zueinander verhalten, das heißt, dass diese Auktionsformen spieltheoretisch gesehen jeweils äquivalente Bieterstrategien implizieren. (a) Holländische Auktion und Höchstpreisauktion In der Höchstpreisauktion gibt jeder Bieter ein schriftliches Gebot ab. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält dann den Zuschlag und bezahlt sein Gebot. Die Holländischen Auktion zeichnet sich dadurch aus, dass der Auktionator mit einer hohen Preisforderung beginnt, die er dann fortlaufend reduziert, bis ein Bieter die Preisforderung akzeptiert. Diesem Bieter wird das Auktionsgut zugeschlagen, und er bezahlt die akzeptierte Preisforderung. In beiden Auktionsmechanismen wird die Strategie eines Bieters durch sein Gebot in Abhängigkeit von seiner Wertschätzung bestimmt. 256 Der Bieter entscheidet über die Höhe seines Gebots, ohne die Höhe der übrigen Gebote zu kennen. Wenn er den Zuschlag erhält, zahlt er für das Objekt genau den Betrag, den er geboten hat. Je näher Gebot und Bewertung beieinander liegen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den Zuschlag erhält, desto geringer ist jedoch sein dabei realisierter Gewinn. Der Ertrag des Gewinners berechnet sich also aus der Differenz zwischen dem Betrag der eigenen Wertschätzung und dem Preis, den er bei Erhalt des Zuschlags zu zahlen hätte. Diese Überlegung muss berücksichtigt werden, wenn es um die Berechnung der Gebotshöhe geht. Bei einem Gebot, das größer oder gleich der eigenen Wertschätzung ist, käme es zu negativen öder gar keinen Erträgen, so dass die Teilnehmer folglich Gebote abgeben sollten, die geringer 255 Anders aber die Kritiker des Versteigerungsverfahrens, insb. B. Grezeszick, DVB1. 1997, 878 (883). Siehe dazu aber auch die Nachweise im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)dd), und im 2. Teil, 4. Kapitel, A.III.3. Dies entspricht überdies auch den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben, siehe dazu unten im 2. Teil, 4. Kapitel, B.I. 256 p. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (6 f.); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 724 ff.; E. Wolfstetter, Journal of Economic Surveys 10 (1996), 367 (375).
160 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
als die eigene Wertschätzung sind. Wie weit das Gebot unter der eigenen Wertschätzung liegen sollte, ist abhängig von der Anzahl der Bieter und der Höhe der Wertschätzungen der anderen Bieter. Angenommen die Wertschätzungen der anderen Teilnehmer sind dem Bieter bekannt, und seine ist die höchste, dann ist offensichtlich, dass er das zu versteigernde Objekt ersteigert, wobei er ein wenig mehr als die zweithöchste Bewertung bezahlen muss. Ein geringeres Gebot als die zweithöchste Bewertung kann nicht optimal sein, da sich dann das Risiko, den Zuschlag nicht zu erhalten, unverhältnismäßig erhöht, obwohl ja die Bereitschaft vorhanden ist, einen Preis in Höhe der Wertschätzung zu zahlen und damit auch das Auktionsobjekt zu erhalten. Sind die individuellen Bewertungen unbekannt, wird ein Bieter zur Berechnung seines Gebotes zunächst davon ausgehen, dass seine Wertschätzung die Wertschätzungen aller Wettbewerber übersteigt. Diese Annahme ist für den Bieter finanziell unbedenklich, denn anderenfalls kann er die Auktion nicht für sich entscheiden, und muss als Verlierer nicht zahlen. Die höchste aller Bewertungen der anderen Bieter stellt den erwarteten Wert dar und muss aus den eigenen Vermutungen bezüglich der Wertschätzungen der Konkurrenten errechnet werden. 257 Das abzugebende Gebot wird in der Höhe des erwarteten Wertes sein. 258 Daraus folgt, dass ein Bieter den erwarteten, zweithöchsten Wert, den er bei einem anderen Konkurrenten vermutet, bieten sollte. Insbesondere bleibt er bei der Gebotsabgabe stets unter seinem eigenen Wert. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass der Bieter bei der Holländischen Auktion hinsichtlich seines Bietverhaltens vor der gleichen Entscheidung steht wie bei der Höchstpreisauktion. Die entsprechenden Spiele haben die gleiche Normalform, sind also äquivalente Spiele, da sie übereinstimmende Allokationsund Preisregeln haben. 259 Die Höhe der Gebote wird mit zunehmender Wertschätzung der Bieter ansteigen, so dass der Bieter mit der höchsten Bewertung tatsächlich das höchste Gebot abgeben und den Zuschlag erhalten wird. Das Ergebnis der Auktion ist also effizient. (b) Englische Auktion und Vickrey-Auktion In der Englischen Auktion ist der Preis, den der Höchstbietende dem Versteigerer für das Objekt zahlt, unabhängig von der Höhe des eigenen potenziellen (Höchst-)Gebots. Der Bieter ist daher Preisnehmer und akzeptiert folglich jeden Preis, der unterhalb seiner Objektbewertung liegt. Die Strategie eines Bieters wird durch sein Preislimit bestimmt, also den Betrag, bis zu dem er mit bietet. Er verbleibt solange in der Auktion, bis sein eigener Objektwert erreicht wird, und steigt 257 R R, Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (6 f.); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 715 ff. 258 R R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (6 f.); T. J. Schroepfer, Hastings Comm/Ent L.J. 14 (1992), 35 (41). 259 E. Feess, MikroÖkonomie, S. 724.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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dann aus der Auktion aus. Diese Bieterstrategie ist dominant, denn der Nutzen des Bieters wird unabhängig von den Bietstrategien der anderen Teilnehmer optimiert. 260 Der vorletzte Bieter wird aus der Auktion ausscheiden, sobald das aktuelle Gebot seine eigene individuelle Wertschätzung wenigstens leicht übersteigt. So gewinnt schließlich der Bieter mit der höchsten Bewertung als letzter Teilnehmer die Versteigerung. Er muss jedoch lediglich den Betrag bezahlen, der dem Gebot des zuletzt ausgestiegenen Wettbewerbers entspricht. Damit ist der Verkaufserlös, wenn sich alle Teilnehmer der dominanten Bieterstrategie entsprechend verhalten, gleich dem Objektwert des Bieters mit der zweithöchsten Objektbewertung. 261 Üblicherweise wird dieser Preis unter der Wertschätzung des verbleibenden Bieters liegen. In der Vickrey-Auktion gibt jeder Bieter ein schriftliches Gebot ab. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag und zahlt den Preis des zweithöchsten Gebots. Jeder Bieter nimmt eine individuelle Bewertung des Auktionsgegenstandes vor und hat die dominante Strategie, ein Gebot in Höhe seiner Zahlungsbereitschaft abzugeben - unabhängig von der Anzahl der anderen Bieter und seinen Vermutungen über deren Wertschätzungen. 262 Der Vorteil der dominanten Strategie in diesem Fall liegt im Folgenden: Wenn das höchste Gebot seiner Mitbewerber kleiner als die eigene Bewertung eines Bieters ist, wird er bei einem Gebot in Höhe seiner Zahlungsbereitschaft den Zuschlag erhalten, muss aber nur das geringere zweithöchste Gebot bezahlen. Dies führt zu einem strikt positiven Ertrag in Höhe der Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft und Gebot des Mitbewerbers. Bei einem Gebot hingegen, das unter seiner Zahlungsbereitschaft liegt, kann ein Bieter seinen Gewinn nicht maximieren, da der Preis in diesem Fall nur von den Geboten der Mitbieter abhängt. Der Bieter geht das Risiko ein, das Objekt nicht zu erhalten und folglich auch keinen Gewinn zu erzielen. Diese Situation wird eintreten, wenn das Gebot des Konkurrenten zwischen dem eigenen Gebot und der eigenen Zahlungsbereitschaft liegt. Auch wenn das potenzielle Höchstgebot eines Mitbieters über der eigenen Wertschätzung liegt, ist es schließlich für jeden Bieter optimal, ein Gebot abzugeben, welches seiner individuellen Bewertung entspricht. Denn in diesem Fall möchte der Bieter die Versteigerung nicht gewinnen, weil er dann einen Preis bezahlen müsste, der über seiner Wertschätzung läge. Ähnlich ist die Argumentation, wenn die eigene Wertschätzung dem potenziellen Höchstgebot des Mitkonkurrenten entspricht. Die vorangegangene Ausführung zeigt, dass bei der Vickrey-Auktion einzig die individuelle Bewertung bestimmend ist, die unabhängig vom höchsten Gebot der anderen ist. Somit muss ein Bieter es in diesem Fall immer als optimal erachten, 260 Vgl. /> Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (7 f.); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 714 f. 261 R R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (7 f.). 262 Vgl. Ρ R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (7 f.); E. Feess, MikroÖkonomie, S. 711 ff. 11 Bumke
162 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
ein Gebot in Höhe seiner Zahlungsbereitschaft abzugeben. Ein Abweichen von der eigenen Wertschätzung in den Geboten lohnt sich demnach unabhängig von dem Verhalten der Konkurrenten nicht. Das Ergebnis der Auktion ist effizient, denn der Bieter mit der höchsten Wertschätzung erhält den Zuschlag. Zusätzlich entspricht das Vorgehen den individuellen Interessen der sich strategisch verhaltenden Bieter, ihre persönliche, nur ihnen selbst bekannte Wertschätzung für das Objekt in ihren Geboten wahrheitsgemäß zu offenbaren. Die Gemeinsamkeiten von Englischer und Vickrey-Auktion stehen nach der Analyse beider Formen fest: Die dominante Strategie, und zwar ein Gebot in Höhe der individuellen Wertschätzung abzugeben, stellt die optimale Vorgehensweise dar, die zu einer effizienten Allokation führt. Außerdem entspricht in beiden Fällen der zu zahlende Preis dem zweithöchsten Gebot. (2) Gleichgewichte (a) Gleichgewicht in dominanten Strategien - Nash-Gleichgewicht Das Ergebnis einer Auktion, bei der alle Teilnehmer ihre rationale Bieterstrategie gewählt haben, ist als Gleichgewicht zu bezeichnen. Je nachdem ob dieses Gleichgewicht durch dominante Strategien aller Auktionsteilnehmer gekennzeichnet ist oder durch wechselseitig beste Antworten, spricht man entweder von einem Gleichgewicht in dominanten Strategien oder aber von einem (Bayesianischen) Nash-Gleichgewicht263. Ein Strategiebündel heißt NashGleichgewicht, wenn für jeden Bieter gilt, dass seine Strategie für ihn die beste Antwort auf die Strategien seiner Konkurrenten darstellt, also kein Spieler seine Strategie ändern kann, ohne sich zu verschlechtern, wenn die anderen Spieler bei ihrer Strategie bleiben. Verhält es sich so, existieren zumeist mehrere Nash-Gleichgewichte. Existiert hingegen für jeden Bieter eine dominante Strategie, dann gibt es auch nur ein einziges Gleichgewicht, das als ein eindeutiges Gleichgewicht in dominanten Strategien bezeichnet wird. (b) Eindeutige symmetrische Gleichgewichte für alle Auktionsformen Für die Englische Auktion und die Vickrey-Auktion wurde bereits festgestellt, dass die Bieter eine streng dominante Bieterstrategie besitzen, 264 während das für die Holländische Auktion und die Höchstpreisauktion nicht zutrifft. Denn hier beeinflusst jeder Bieter mit seinem Gebot nicht nur seine Gewinnwahrscheinlichkeit, sondern darüber hinaus im Falle seines Obsiegens auch den für das Auktionsobjekt zu zahlenden Preis. Vor Beginn der Auktion besteht für einen Bieter bei jeder ge263 Siehe J. Nash, Annals of Mathematics 54 (1951), 286 (287); G. Owen, Game Theory, S. 191 ff. 264 S.o. C.I.2.b)aa)(l)(b).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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wählten Strategie unter der Annahme der gegebenen Strategien der übrigen Bieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Versteigerung mit einem geringeren Gebot für sich zu entscheiden bzw. die Auktion mit einem höheren Gebot zu gewinnen, wenn das ursprünglich geplante Gebot nicht zu einem Zuschlag geführt hat. Dennoch ergeben sich auch unter den Voraussetzungen der Holländischen Auktionsform und der Höchstpreisauktion eindeutige symmetrische Gleichgewichte, denn auch hier gibt es eindeutige Wege, wie ein Bieter sein optimales Gebot zu berechnen hat, 265 so dass auf diese Weise dann grundsätzlich ein eindeutiges Nash-Gleichgewicht, also ein pareto-effizientes Ergebnis entsteht. 266 Damit existieren für alle Auktionsformen eindeutige pareto-effiziente Lösungen in dem Sinne, dass der Bieter mit dem höchsten Reservationswert den Zuschlag für den Auktionsgegenstand erhält. (3) Höhe des Erlöses im Gleichgewicht Das Revenue-Equivalence Theorem Im Folgenden wird geklärt, zu welchen Erlösen die einzelnen Auktionsmethoden mit ihrem jeweilig indizierten Bieterverhalten führen. Da sich einerseits die Englische und die Vickrey-Auktion und andererseits die Höchstpreis- und die Holländische Auktion bietstrategisch äquivalent zueinander verhalten, kann die folgende Erläuterung auf die Vickrey-Auktion und die Höchstpreisauktion stellvertretend für alle Auktionsformen beschränkt werden. In der Vickrey-Auktion geben die Teilnehmer Gebote in der Höhe ihrer Wertschätzungen ab, und der Gewinner zahlt einen Preis in Höhe des zweithöchsten Gebots. Daher ist der Versteigerungserlös für den Versteigerer gleich dem Erwartungswert der zweithöchsten Wertschätzung. Bei der Höchstpreisauktion bieten die Teilnehmer hingegen einen Betrag in Höhe des erwarteten Maximums aller geschätzten Bewertungen, wobei vorausgesetzt wird, dass dieses erwartete Maximum unter ihrer eigenen Wertschätzung liegt. Der Interessent mit der höchsten Wertschätzung gewinnt und zahlt den Erwartungswert der zweithöchsten Wertschätzung. De facto zahlt er aber den Betrag seines Gebotes, und somit erzielt der Auktionator denselben erwarteten Versteigerungspreis wie in der Vickrey-Auktion. Der erwartete Erlös ist also in allen Standardauktionsformen identisch (Revenue-Equivalence Theorem) und entspricht dem erwarteten, zweithöchsten Wert des Auktionsobjektes.267 Dies bedeutet nun analytisch, dass jedes symmetrische Gleichgewicht einer beliebigen Auktion zu identischen Auszahlungen führt. 265 S.o. C.I.2.b)aa)(l)(a). 266 Zum Beweis von Existenz und Eindeutigkeit des Nash-Gleichgewichts und damit des pareto-effizienten Ergebnisses siehe E. S. Maskin /J. Riley, Existence and Uniqueness of Equilibrium in Sealed High Bid Auctions; P. R. Milgrom/R. J. Weber, Mathematics of Operations Research 10 (1985), 619 ff.; M. Krakel, Auktionstheorie, S. 26 ff. 1*
164 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
(4) Das Verkettungsprinzip als Faktor der Gewinnerwartung (Milgrom-Weber-Modell) In der Praxis findet dennoch die Englische Auktion am häufigsten Anwendung, was mit der höheren Gewinnerwartung unter den Annahmen des Milgrom-WeberModells erklärt werden kann. 268 In der Erlöswirkung folgt dann die Vickrey-Auktion der Englischen Auktion, die wiederum im Durchschnitt zu höheren Gewinnen führt als die Höchstpreisauktion und die Holländische Auktion. 269 Das Independent private values-Modell bietet - wie oben dargestellt - keine Begründung für das beobachtbare Phänomen an, so dass an dieser Stelle auf das komplexere Modell, das Milgrom-Weber-Modell zurückgegriffen wird. Als Erklärung bietet das Milgrom-Weber-Modell das so genannte Verkettungsprinzip (Linkage principle) an. 2 7 0 Dieses Prinzip zeigt die stochastischen Abhängigkeiten (Verkettungen) zwischen den privaten Schätzungen eines Bieters und den Informationsvariablen, die den Preis beeinflussen, auf. Je stärker andere Variablen als die ursprüngliche private Schätzung in den Preis eingehen und je ausgeprägter die Korrelation der Schätzung des Höchstbieters mit diesen Variablen ist, desto höher ist auch die Verkettung zwischen dem Preis und der Schätzung des Auktionsgewinners. Es folgt daraus, dass die Höhe des erwarteten Zuschlagpreises von der Stärke der Verkettung abhängt: Ohne Verkettung, das heißt wenn allein private, zum Teil unsichere Schätzungen zur Gebotsberechnung herangezogen werden, ist der erwartete Preis am geringsten. Da bei der Höchstpreisauktion und der strategisch äquivalenten Holländischen Auktion der Zuschlagpreis ausschließlich durch die private Wertschätzung des Gewinners determiniert wird, handelt es sich um eine Situation ohne Verkettung, so dass nur ein geringer Zuschlagpreis zu erwarten ist. In der Vickrey-Auktion erhält derjenige den Zuschlag, der das höchste Gebot abgibt; er muss aber lediglich einen Zuschlagspreis in Höhe der zweithöchsten Wertschätzung entrichten. Diese zweithöchste Wertschätzung ist mit der Wertschätzung des Auktionsgewinners affiliiert 267 Zum Revenue-Equivalence Theorem W. Vickrey, Journal of Finance 16 (1961), 8 ff.; 7. G. Riley /W. f. Samuelson, American Economic Review 71 (1981), 381 (383 f.); P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1092); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (269); R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (706 ff.); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (10). 268 Siehe dazu P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095, 1117); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (278 ff.); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (23 f.). 2
69 Siehe dazu R. P. McAfee/J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (722); P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1095, 1105, 1109); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (21 f.); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (17). 2 ?o Siehe dazu P. R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1110 f.); P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (20 ff.); M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 102 ff.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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und folglich ist ein kaufpreiserhöhender Verkettungseffekt vorhanden. In der Englischen Auktion ist der Zuschlagpreis sogar per definitionem von den Wertschätzungen sämtlicher aktiver Auktionsteilnehmer abhängig. Durch die offene Form der Gebotsabgabe erhalten alle Auktionsteilnehmer Informationen über die Schätzungen ihrer Wettbewerber, so dass die Möglichkeit der Anpassung der privaten Wertschätzungen der Bieter an die Konkurrenzbedingungen besteht. Es entstehen höhere Preisofferten, die den Zuschlagpreis für den Auktionsgegenstand erhöhen und letztlich zu einem verstärkten Wettbewerb zwischen den Bietern führen. 271 Die Reihenfolge der Auktionsmethoden hinsichtlich der Höhe des Erlöses ist also Folge der je nach Auktionsform verbesserten Informationsstände der Bieter, die Unsicherheiten in der Wertschätzung abbauen.272 (5) Ergebnis der ökonomischen Analyse und normative Bewertung Im Ergebnis sind die Gebote bei allen Auktionsmethoden (im Durchschnitt) unter den Annahmen des Independent private values-Modell gleichgerichtet. Der Preiszuschlag entspricht theoretisch immer der Höhe des zweitletzten Gebotes bzw. der Bewertung des zweitletzten Bieters und somit den Opportunitätskosten, welche die relevante Kostenkategorie darstellen. Es gewinnt immer derjenige Bieter mit der höchsten Wertschätzung. Das Ergebnis ist also in allen Auktionsmethoden effizient, so dass unter den Annahmen des Independent private values-Modells diesbezüglich keine Effizienzunterschiede bestehen. Für die normative Bewertung bedeutet dieses Ergebnis, dass grundsätzlich alle Auktionsmethoden für die Versteigerung nach dem TKG in Betracht kämen. Erst bei Ergänzung der Annahmen durch den Aspekt der Verkettung des Milgrom-Weber-Modells zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der Effizienz bei den unterschiedlichen Versteigerungsmethoden. Unter den Annahmen des MilgromWeber-Modells und seiner Erweiterung konnten Unterschiede zwischen den Auktionsmethoden hinsichtlich ihrer Gewinnerwartung herausgearbeitet werden. Diese sind vor allem zurückzuführen auf das so genannte Verkettungsprinzip (linkage principle) und die damit im Zusammenhang stehende Informationsgenerierung, die für die verschiedenen Methoden in unterschiedlichem Maße eintreten bzw. erfolgen können. Für die Bewertung der Auktionsmethoden nach den Vorgaben des TKG lässt sich daraus zunächst einmal ableiten, dass die Englische Auktion mit ihrer höchsten Gewinnerwartung und ihrem hohen Maß an Informationsgewinnung das Oberziel der Verteilung an den effizienten Nutzer am sichersten gewährleisten kann. Daneben kann die Generierung von Information auch weitere Regulierungsziele wie etwa die Förderung von Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von 271 Vgl. M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 104. 272 Siehe L Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (451).
166 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren Innovationen aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 T K G befördern, so dass sich aus der ökonomischen Analyse an dieser Stelle auch eine normative Präferenz für die Englische Auktionsmethode ableiten lässt. bb) Mehr-Objekt-Auktionen Bei der telekommunikationsrechtlichen Versteigerung werden in einem Verfahren zumeist mehrere Frequenzen verteilt. I m folgenden Abschnitt wird daher die Theorie der Mehr-Objekt-Auktionen 2 7 3 vorgestellt, die wissenschaftlich noch nicht so stark durchdrungen ist wie die Theorie der Ein-Objekt-Auktionen. Bereits für die Ein-Objekt-Auktion ist unter den Annahmen des Milgrom-Weber-Modell festgestellt worden, dass als entscheidender Aspekt für die Gewinnerwartung und damit die Effizienz der Versteigerungsmethode die Informationsgenerierung identifiziert werden kann, die mit den Modellannahmen des Independent private values-Modells nicht sichtbar gemacht werden kann. Die Annahmen des Independent private values-Modells führen auch für MehrObjekt-Auktionen nicht zu einer normativ relevanten Unterscheidung der einzelnen Versteigerungsmethoden, da sich unter diesem Modell keine Unterschiede hinsichtlich der Effizienz der Methoden identifizieren lassen. 2 7 4
273 Siehe dazu R. J. Weber, in: Auctions, Bidding, and Contracting, S. 165 ff.; P. Jehiel/B. Moldovanu, Economic Policy 36 (2003), 271 (275 ff.). 274 Trotz dieses Ergebnisses sind bei den multiplen Auktionen in simultaner Form die Prozesse und Regeln in den vier Methoden etwas abweichend von denen der einfachen Auktionen. Im Falle der Englischen Auktion erhalten diejenigen Interessenten den Zuschlag, die solange mit geboten haben, bis die Anzahl der zu versteigernden Objekte der Anzahl der Bieter entspricht. Alle Gewinner zahlen denselben Preis in der Höhe des Gebots, bei dem der letzte vorherige Bieter ausgeschieden ist. Es ist wiederum die für jeden Bieter dominante Strategie, genau bis zum Erreichen seines Objektwertes in der Versteigerung zu verbleiben. Auch bei der Vickrey-Auktion verhalten sich die Bieter wie in der Englischen Auktion entsprechend der dominanten Strategie, die Höhe des Gebots entsprechend der individuellen Wertschätzung abzugeben. Dies ergibt sich aus der verdeckten Gebotsabgabe. Alle Bieter, die die höchsten Gebote abgegeben haben, erhalten je ein Objekt. Alle zahlen denselben Preis, der dem Gebot des zuletzt ausgeschiedenen Gebots entspricht. Dahingegen geben die Gewinner bei der Höchstpreisauktion ein geheimes schriftliches Gebot ab und zahlen den Preis, den sie jeweils geboten haben. Für eine gegebene Menge an Einheiten werden die höchsten Gebote akzeptiert, und zwar zu den jeweils artikulierten Preisen und Mengen. Werden homogene Einheiten nach der Holländischen Methode versteigert, kann sich der erste, der das Gebot zu dem dann gültigen Preis akzeptiert, das Gut buchen lassen. Der Preis wird anschließend weiter gesenkt und der nächste akzeptierende Bieter kann ebenfalls eine Einheit für sich zu diesem (niedrigeren) Preis reservieren lassen. Verhalten sich alle Bieter entsprechend der Strategien, dann entspricht der Erlös in allen Auktionsmethoden dem höchsten Objektwert multipliziert mit der Anzahl der Objekte. Mathematisch ausgedrückt entspricht der Erlös dem k-fachen des (k+l)-höchsten Objektwertes unter allen Bietern, wobei „k" die Anzahl der Objekte meint. Damit ist zugleich festgestellt, dass auch im Fall der Mehr-Objekt-Auktionen unter den Annahmen des Independent private values-Modells Erlösäquivalenz gilt, vgl. dazu W. Vickrey, Journal of Finance 16 (1961), 8 (24 ff.); P. Jehiel/B. Moldovanu, Economic Poli-
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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Es bedarf daher für die Bestimmung der optimalen Versteigerungsmethode wiederum des Rückgriffs auf einzelne Annahmen des Milgrom-Weber-Modells, um mögliche Anknüpfungspunkte für die rechtliche Bewertung herausarbeiten zu können. (1) Homogene Versteigerungsobjekte Unterschieden wird bei multiplen Auktionen danach, ob die zur Versteigerung stehenden, mehreren Einheiten eines Gutes identisch bzw. homogen oder nichtidentisch bzw. heterogen sind. Zwar sind Frequenzen bzw. Frequenzrechte definitionsgemäß heterogene und gerade nicht homogene Güter (verschiedene technische Spezifikationen), schon allein aufgrund der Interferenzproblematik dürften sie nicht identisch sein. Dennoch können die Rechte aus Sicht der Nachfrager sehr enge Substitute sein, und zwar je näher beieinander liegend im Spektrum, desto enger: Man kann sie als quasi-homogen bezeichnen.275 Wenn also definierte Frequenzrechte eines bestimmten Frequenzbereichs zur Disposition stehen, können diese prinzipiell wie homogene Einheiten behandelt werden. (2) Englische Auktionsmethode in simultaner Form Legt man die Annahmen des Milgrom-Weber-Modells zugrunde, kann man zunächst von den Ergebnissen für die Betrachtung der Ein-Objekt-Auktion ausgehen. Dort wurde festgestellt, dass die Englische Auktion im Hinblick auf die Informationsgenerierung und die Gewinnerwartung vorzugswürdig erscheint. Überträgt man dieses Ergebnis auf die Mehr-Objekt-Auktion, ist weiter zwischen den Unterformen der sequentiellen und der simultanen Vergabe zu unterscheiden. 276 Werden die Objekte sequentiell vergeben, erfolgt die Versteigerung der verschiedenen Auktionsobjekte nacheinander, wohingegen sie bei einer simultanen Auktion gleichzeitig versteigert werden. 277 Unter den Annahmen des Milgrom-Weber-Modells kann gezeigt werden, dass eine simultane Englische Versteigerungsmethode insbesondere bei Unsicherheiten hinsichtlich des Wertes der Auktionsobjekte - wie sie in der Praxis zumeist bestehen - 2 7 8 als die effiziente Auktionsmethode gelten kann. Im Gegensatz zu einstufigen Verfahren und auch zu der Holländischen Auktionsmethode werden bei der Englischen Auktionsform Informationen über die Bewertung des Auktionsobjektes durch die jeweils anderen Bieter generiert, was die Unsicherheit über den wirtschaftlichen Wert der Versteigerungsobjekte abbaut. cy 36 (2003), 271 (279); H. Lindstädt, Die Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen, S. 10. 275 So auch G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 204. 276 Siehe dazu J. McMillan, Journal of Economics Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 (153 ff.); M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (180 ff.). 277 Α. Keuter/L. Nett/U. Stumpf WiST 1998, 81 (81). 2 ™ So auch J. McMillan, Journal of Economics Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 (153 ff.).
168 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Ebenso entstehen durch die simultane Verfahrensform im Gegensatz zu sequentiellen Versteigerungsformen Informationen über unternehmensspezifische Wertschätzungen, die auch zu einer Verringerung der Unsicherheit führen. Für eine sequentielle Auktionsform spricht nur, dass ihr administrativer Aufwand im Verhältnis zur simultanen Form geringer ist. Zudem wissen alle Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt, welches Auktionsobjekt bereits von ihnen oder anderen ersteigert worden ist. Dem steht allerdings der Nachteil gegenüber, dass sich die Ausgangssituation der Versteigerung stetig ändert, was eine ständige Anpassung der Bieterstrategien an die veränderte Situation erfordert. Diese Strategieanpassung unterscheidet sich aber wesentlich von der in der simultanen Auktionsform, in der eine Strategieanpassung während des Versteigerungsvorgangs aufgrund des Entstehens neuer Informationen über den Wert der jeweiligen Auktionsobjekte für die Bieter möglich ist. Es handelt sich also um eine „positive" Anpassung, die vorgenommen wird, weil die Unsicherheit über den Wert des Auktionsobjektes durch den Informationsfluss geringer wird, so dass eine immer genauere Bieterstrategie möglich wird. Dagegen entstehen in sequentiellen Auktionen keine Informationen, die eine potenzielle Unsicherheit verringern. Darüber hinaus ist bei simultanen mehrstufigen Verfahren eine Anpassung der Bieterstrategien für bestimmte Auktionsgegenstände möglich, die bei sequentiellen Verfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits vergeben sind. Die simultane Methode fördert so die Entwicklung optimaler Bietstrategien. Zur Teilnahme an der Versteigerung ist es für die Bieter hinreichend, den wirtschaftlichen Wert des Auktionsobjektes vorerst zu konkretisieren. Er kann dann solange in der Versteigerung verbleiben, wie ein Gebot seinen individuellen wirtschaftlichen Wert nicht übersteigt. Dies fördert die Implementation der Offenlegung der Wertschätzung im Bietverhalten. Zudem wird durch ein simultanes Verfahren Flexibilität dahingehend gewährleistet, dass die Möglichkeit der Entwicklung von Ausweichstrategien und der Realisierung von „second-,, oder ,,third-best"-Lösungen bestehen bleibt. Denn in einem simultanen Verfahren wird die Möglichkeit zur Abgabe von Geboten nicht eingeschränkt bzw. nicht beendet, bevor nicht die Bieteraktivität auf alle Objekte eingestellt wird. Das bedeutet, dass Gebote für ein Auktionsobjekt solange möglich bleiben, wie auf die anderen Objekte noch Gebote abgegeben werden könnten, selbst wenn bei ihnen seit mehreren Runden keine Veränderung in der Gebotshöhe stattgefunden hat. 2 7 9 Insbesondere ist es möglich, auf andere Auktionsobjekte durch entsprechende Gebote zu wechseln, wenn sich abzeichnet, dass die Ersteigerung eines ursprünglich gewollten Auktionsobjektes aufgrund der bereits erfolgten Gebote nicht mehr erwünscht ist. Ferner müssen die Bieter vor der Durchführung der Versteigerung keine Mittel zur Erwartungsformulierung über potenzielle Bietstrategien und Wertschätzungen der Konkurrenten aufwenden, um diese in die eigene Wertschätzung einzubeziehen und in die Bietstrategie zu verarbeiten. 280 279 E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (177). 280 L. Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (450).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
169
Dies dient der Verwirklichung der Zielsetzung, dass derjenige die Frequenzen erhält, der sie ökonomisch effizient verwerten kann. Ein simultanes englisches Auktionsverfahren gewährleistet somit unter dem Gesichtspunkt der Informationsgenerierung eine effiziente Ressourcenallokation und ist eindeutig zu bevorzugen. 2 8 1
3. Normative Bewertung der ökonomischen Analyse Aus der ökonomischen Analyse ergibt sich unter den Annahmen des MilgromWeber-Modells als effiziente Versteigerungsmethode die Englische Auktionsmethode in simultaner Form. Es konnte herausgearbeitet werden, dass sich die Vorteile dieser Methode i m Hinblick auf die Informationsgenerierung insbesondere dann realisieren, wenn Unsicherheiten in der Wertschätzung des Versteigerungsobjektes bestehen. Dieser Aspekt erscheint für die normative Bewertung i m Rahmen des T K G relevant, da der Realbereich durch hohe Ungewissheit und starke Wandelbarkeit immer Unsicherheiten i n der Wertschätzung produziert. Es kann i m Ergebnis für die Auswahl der optimalen Versteigerungsmethode auch in normativer Hinsicht eine Präferenz für die Englische Auktion in ihrer simultanen Form statuiert werden.
281 Gibt man die Symmetrie-Annahme der Bieterstruktur in Abweichung von der Grundstruktur des Milgrom-Weber-Modells auf, ist wiederum die Englische Auktionsmethode in simultaner Form die effiziente Auktionsmethode. Ein Bedürfnis dafür resultiert aus der Überlegung, dass die meisten Konstellationen in der Praxis eine solche Symmetrie in der BieterStruktur nicht aufweisen dürften. Vielmehr werden die teilnehmenden Unternehmen zumeist durch zahlreiche Heterogenitäten hinsichtlich Netzstruktur, Investitionsvolumina, Marktanteile, finanzieller Leistungsfähigkeit u.ä. gekennzeichnet sein. Die unterschiedlichen Bieterstrategien je nach Auktionsmethode bleiben grundsätzlich unverändert. Unterschiede ergeben sich aber für die Effizienzwirkungen der einzelnen Methoden. Denn die effiziente Versteigerungsform bei asymmetrischer Bieterstruktur ist abhängig von der Art der bestehenden Heterogenitäten. Herrscht sowohl Unsicherheit über den Wert des Versteigerungsobjektes und bestehen Wertabhängigkeiten als auch erhebliche Unterschiede in der Bieterstruktur, ist das Auftreten von Wechselwirkungen der verschiedenen Einflussfaktoren wahrscheinlich. An dieser Stelle setzt wieder die Vorteilhaftigkeit der Englischen Auktionsmethode gegenüber den anderen Versteigerungsformen ein. Aufgrund ihrer permanenten Informationserzeugung wird es den Bietern möglich, die Wechselwirkungen aufzugreifen. Überlegungen hinsichtlich bekannter Heterogenitäten zwischen den Teilnehmern, die die Wirkung der Gebote der jeweils anderen Bieter anders erscheinen lassen, können in die Bieterstrategie einbezogen werden, was eine ständige Anpassung der individuellen Wertschätzung zur Folge hat. Vgl. dazu P. R. Milgrom/R. J. Weben Econometrica 50 (1982), 1089 (1095 ff.); H. Lindstädt, Die Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen, S. 15.
170 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Π. Störanfälligkeit der einzelnen Auktionsmethoden Den bisher erzielten Ergebnissen der ökonomischen Analyse ist gemein, dass sie mit der Fiktion arbeiten, dass sich die reale Einschätzung der Bieter in ihren Geboten widerspiegelt. Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, welche Aspekte diese Grundvoraussetzung für die mögliche Bewertung des Versteigerungsergebnisses beinträchtigen bzw. stören können. Störanfälligkeit ist auch im Hinblick auf die normative Beurteilung relevant, da die oben getroffene Grundaussage, dass von der Allokationseffizienz auf die Effizienz der Nutzung rückgeschlossen werden kann, nur dann gilt, wenn Gebot und reale Einschätzung des Objektwertes übereinstimmen. Eine Reihe von Einflüssen kann die eigentlich effiziente Allokation verhindern. In diesem Zusammenhang ist zu problematisieren, in welchem Maße die jeweiligen Versteigerungsformen Anreize dafür bieten, wettbewerbsbeschränkende, mit dem Effizienzargument unvereinbare Aspekte in ihre Bietstrategien aufzunehmen. Im Anschluss wird das Winner's curse-Phänomen beschrieben, dass ebenfalls einer effizienten Allokation entgegenstehen kann.
7. Wettbewerbsbeschränkendes
Bieterverhalten
a) Ökonomische Analyse Zur Zielverwirklichung einer effizienten Frequenzallokation darf das Bieterverhalten nur von den wahren Wertschätzungen hinsichtlich der Objekte und der daraufhin gebildeten Zahlungsbereitschaft geprägt sein. Sowohl in ihren Effizienzund Erlöswirkungen als auch in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind Versteigerungsverfahren, wenn die Bieter sich wettbewerbsbeschränkender Praktiken wie der Submissionskollusion bedienen und/oder die Frequenzauktionen zur Errichtung strategischer Markteintrittsbarrieren nutzen. 282 Unter einer Submissionskollusion werden Absprachen zwischen wenigen Bietern mit dem Ziel verstanden, den Gebotspreis niedrig zu halten. Sie vereinbaren untereinander, eine bestimmte Gebotshöhe nicht zu überbieten, und versuchen so den Überbietungswettbewerb, der mit steigender Intensität ihre eigenen Interessen schädigt, zu beschränken. 283 Anreiz dafür bietet die Aussicht, das Auktionsobjekt 282 Vgl. zu dieser Problematik R. P. McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (724 f.); R. P. McAfee/7. McMillan, American Economic Review 82 (1992), 579 ff.; E. Wolfstetter, Journal of Economic Surveys 19 (1996), 367 (389 ff.); R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (500 f.); W. Güth, ZWS 115 (1995), 1 (16 ff.); E. Noam, 41 J. L. & Econ. (1998), 765 (775 ff.). 28 3 Unter eine Submisionskollusion fallen auch die Fälle, in denen ein Frequenzinteressent bereits vor Durchführung eines Versteigerungsverfahrens durch einen Preisanreiz angehalten wird, an der Vergabesituation gar nicht mehr teilzunehmen und die Knappheitssituation und
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
171
möglichst preisgünstig zu ersteigern. Besonders hoch ist der Anreiz für Kollusionen, wenn die Anbieter bereits die Kapazitätsgrenze des entsprechenden Dienstes mit gegebenen Frequenzen erreicht haben und kollusionsbedingt Renten abschöpfen, denn dann sind höhere Kosten nicht mehr überwälzbar und gehen zu Lasten der Gewinne. 284 Durch das Geringhalten der Preise können die Bieter eine Rente in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen Wertschätzung und dem kollusiven Auktionspreis erzielen. 285 Darüber hinaus besteht die Aussicht, durch gemeinschaftliche Preisabsprachen das Risiko einer Fehleinschätzung über den Wert des Auktionsobjektes zu reduzieren. Die effizienzmindernden Auswirkungen ergeben sich daraus, dass die Preise niedriger als die pareto-optimalen sind, weil die Bieter ihre tatsächliche Wertschätzung nicht offenbaren bzw. diese in ihren Geboten unterschreiten. Welcher Bieter der eigentlich effiziente Nutzer sein würde, stellt sich in der Versteigerung dann nicht mehr heraus. Um mögliche Gewinneinbußen durch zusätzliche Konkurrenz zu verhindern, kann es für manche Bieter, die bereits in einem mindestens zusammenhängenden Markt etabliert sind, rational sein, strategische Markteintrittsbarrieren zu errichten. Die strategischen Markteintrittsbarrieren bestehen darin, dass die Etablierten den potenziellen Konkurrenten am Erwerb von Frequenzen hindern, indem sie ihn bei der Auktion gezielt überbieten. Der erzielte Versteigerungserlös ist dann zwar grundsätzlich höher als die eigentliche wahre Objektbewertung, aber die Wertschätzung und damit auch die Höhe der Erlöse ergibt sich allein aus dem Marktfernhaltungsinteresse. Dieses Risiko steigt mit der Höhe der teilnehmenden Bewerber, für die die Frequenznutzung mit abnehmender Wettbewerberzahl immer attraktiver erscheint. Je kleiner die Zahl der vergebenen Nutzungsrechte ist, desto größer sind die Objektwerte einer Frequenz. 286 Insbesondere dann, wenn für die zu ersteigernden Frequenzen bereits auf bestehende Netze, Infrastrukturen und einen Kundenstamm zurückgegriffen werden kann, also der Investitionsbedarf relativ gering ist, besteht die Möglichkeit, eigene Renten gegenüber Newcomern zu verteidigen, so dass das Marktfernhaltungsinteresse ihnen gegenüber dominieren kann. Anreize für ein solches Verhalten werden insbesondere hervorgerufen, wenn die damit die Notwendigkeit der Durchführung eines Versteigerungsverfahrens entfallen lässt. Tritt eine solche Konstellation auf, ist das Ziel der Geeignetheit, den effizienten Frequenznutzer durch Versteigerung festzustellen, nicht berührt, denn es handelt sich in der Regel um eine Art „Vorauktion", dessen Gewinner in der Hauptauktion ernsthaft bietet. Grundsätzlich wird also „nur" das ineffizientere Unternehmen entschädigt, während das effizientere Unternehmen in der Konkurrenz verbleibt, vgl. W. Güth, ZWS 115 (1995), 1 (19); R. P. McAfee/7. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (725). 284 Vgl. 7. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 190. 2 85 Siehe erklärend G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 133 ff. 286 Siehe dazu P. Jehiel/B. Moldovanu, The European UMTS / IMT-2000 License Auctions; P. Jehiel/B. Moldovanu, Licence auctions and Market Structure; P. Klemperer, What Really Matters in Auction Design; B. Moldovanu, Financial Times Deutschland vom 6.4. 2000; Β. Moldovanu, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom. 29. 7. 2000, S. 15.
172 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Auktionsteilnehmer es selbst in Hand haben, über die Anzahl der Wettbewerber und den Umfang des Nutzungsrechts mit ihrer strategischen Gebotsabgabe zu bestimmen. Eine effiziente Allokation der Frequenzen wird nicht erreicht, da die höheren Gebote nur aus dem Marktfernhaltungsinteresse und nicht aus der Wertschätzung hinsichtlich des zur Versteigerung stehenden Objektes resultieren. Der effiziente Nutzer für die entsprechenden Frequenzen wird nicht widergespiegelt. Generell besteht in allen Standardauktionsformen die Möglichkeit wettbewerbsschädigender Verhaltensweisen der Bieter. Der Anreiz dafür fällt aber unterschiedlich stark aus. 287 Das entscheidende Problem bei einer Englischen Auktion ist die hohe Wahrscheinlichkeit einer Kollusion. Ein Grund liegt in der vergleichsweise einfachen Feststellbarkeit eines möglichen Abweichens eines Kartellmitglieds von den vorher getroffenen Vereinbarungen aufgrund der offenen Gebotsabgabe durch die anderen Kollusionsmitglieder. Im weiteren Verlauf des sukzessiven Überbietungswettbewerbs kann dann durch höhere Preisofferten reagiert werden. Durch diese Kontrolle sinkt der Anreiz für Kartellmitglieder, von den Vereinbarungen abzuweichen. 288 Bei der Höchstpreisauktion als verdeckte Auktionsmethode sind die Gefahren der Kollusionsbildung und der Errichtung strategischer Markteintrittsbarrieren relativ gering. 289 Zwar wird kollusives Zusammenwirken der Mitkonkurrenten durch die verdeckte Gebotsabgabe impliziert, aber nach Beginn des Verfahrens kann dieses Risiko vernachlässigt werden. Dieses Ergebnis resultiert zum einen aus der verdeckten Gebotsabgabe, durch die es unmöglich ist, den Abweichler (sofort) zu identifizieren. 290 Die Kontrolle über die Einhaltung von abgesprochenen Geboten ist kaum vorhanden, also sind Cheating-Anreize 291 hoch und eine Kollusion eher unwahrscheinlich. Zum anderen ist ein korrigierender Eingriff in Form der Formulierung eines höheren Gebots seitens der Kartellmitglieder ausgeschlossen, da lediglich eine Preisofferte abgegeben wird. 2 9 2 Bezüglich Kollusion und Errichtung von strategischen Markteintrittsbarrieren gilt für die Vickrey-Auktion grundsätzlich das gleiche wie bei Höchstpreisauktio-
287
Siehe dazu J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 190. P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (27); Ρ! R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (18); R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (500). 289 Vgl. dazu P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (27); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (18); R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (500 f.). 2 *> Siehe T. J. Schroepfer, Hastings Comm/Ent L.J. 14 (1992), 35 (40 f.); W. Kummel, 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (531). 288
291 292
D. h. das Überbieten eines vereinbarten Gebots. Vgl. T. J. Schroepfer, Hastings Comm/Ent L.J. 14 (1992), 35 (41).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
173
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird die Holländische Auktion trotz der offenen Gebotsabgabe als die am geringsten kollusionsgefährdete Methode eingeschätzt.294 Grund ist, dass der Preisbildungsprozess durch das Gebot eines von den vorher getroffenen Absprachen abweichenden Bieters beendet wird, wobei eine Reaktion der Kartellmitglieder ausgeschlossen ist. In den verdeckten Auktionsformen der Vickrey- und der Höchstpreisauktion geht das abweichende Kartellmitglied das Risiko ein, trotz der höheren Preisofferte das Auktionsobjekt nicht zugeschlagen zu bekommen, weil ein anderer Bieter ein noch höheres Gebot abgegeben hat. Bei der Holländischen Auktion hängt es im Gegensatz dazu nur von dem Zeitpunkt der Gebotsabgabe des von den Vereinbarungen abweichenden Kartellmitglieds ab, den Preisbildungsprozess als erster Bieter zu beenden und damit den Auktionsgegenstand zu erhalten. In dieser Auktionsform bestehen also die größten Schwierigkeiten, Absprachen durchzusetzen.
b) Normative Bewertung der ökonomischen Analyse Es ist festgestellt worden, dass die einzelnen Auktionsmethoden in unterschiedlich starker Weise das Potential haben, wettbewerbseinschränkendes Zusammenwirken von Bietern zu bewirken. Die Englische Auktion ist für wettbewerbswidriges Bieterverhalten am stärksten anfällig, während die Holländische Versteigerungsmethode ein solches weitestgehend ausschließt. Durch die Störanfälligkeit ist die Englische Auktion auch in der normativen Bewertung in ihren Effizienzwirkungen eingeschränkt, da der effiziente Nutzer nur dann über die Allokationseffizienz bestimmt werden kann, wenn das Verfahren nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten manipuliert ist. Kollusives Verhalten tangiert darüber hinaus weitere Regulierungsziele: So werden effiziente Infrastrukturinvestitionen i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG durch kollusives Verhalten eher verhindert denn gefördert. Eine effiziente Ausnutzung der Infrastruktur steht in engem Zusammenhang mit der Motivation zum Infrastrukturausbau. Kann durch ein Verfahren nicht die Auswahl des potenziell effizienten Nutzers gewährleistet werden, wird damit gleichzeitig auch die Zielkonformität hinsichtlich der Infrastrukturförderung zumindest gefährdet. Infrastrukturförderung und Innovationen sind eng aneinander gekoppelt. Derjenige Bieter, der kein Interesse am Ausbau der Infrastruktur hat, wird auch kaum in die Forschung und Entwicklung innovativer Dienste und Produkte investieren. Kollusivem Verhalten wohnt eine wettbewerbseinschränkende Wirkung inne, so dass erwartbar auch das Regulierungsziel der Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG verfehlt wird. 293 P. R. Milgrom, in: Advances in Economic Theory, S. 1 (27); P. R. Milgrom , Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (18); R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (500 f.). 294 R. A. Feldman/R. Mehra, International Monetary Fund Staff Papers 40 (1993), 485 (501).
174 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Als Zwischenergebnis kann festgestellt werden, dass ein Verfahren, das im Hinblick auf kollusives Verhalten störanfällig ist, nicht den normativen Anforderungen des TKG entspricht. 2. Winner 's curse-Effekt a) Ökonomische Analyse Eine effiziente Frequenzallokation kann verhindert werden, wenn der obsiegende Bieter dem Winner's curse-Effekt („Fluch des Gewinners") unterlegen war. Das Versteigerungsverfahren hat dann nicht den potenziell effizienten Nutzer ausgewählt. Als Winner's curse-Effekt bezeichnet man das Phänomen, dass ein Bieter nur deshalb die Auktion gewinnt, weil er den wahren unbekannten Wert des Auktionsgegenstandes von allen Beteiligten am meisten überschätzt hat. 2 9 5 Seine Höhe ist die Differenz zwischen dem individuellen Gebot eines Bieters und dem unbekannten wahren Wert des Auktionsgegenstandes.296 Ein Bieter muss bei der Berechnung seines Gebots berücksichtigen, dass der Erwartungswert für das Auktionsobjekt ex post geringer ausfallen wird als vor Beginn der Versteigerung. Andernfalls muss er bei Erhalt des Zuschlags erkennen, dass er tendenziell zu hoch geboten hat. Die Differenz zwischen ex ante- und ex post-Erwartungswert kommt zustande, da der Gewinner nach der Versteigerung eine zusätzliche Information bei der Erwartungswertkalkulation zu berücksichtigen hat, und zwar, dass sämtliche Bieter niedrigere Gebote abgegeben haben als er selbst. Um diesem Effekt nicht zu unterliegen, also die Auktion nur aufgrund einer überzogenen individuellen Wertschätzung zu gewinnen, korrigieren die Bieter ih295
Der Winner's curse-Effekt gilt vor allem unter den Annahmen des Common value-Modells. In diesem Fall besitzt das zu versteigernde Gut für jeden Bieter den gleichen, unbekannten Wert. Der einzelne Bieter nimmt unabhängig von der Schätzung der anderen Teilnehmer eine individuelle Wertschätzung hinsichtlich des Auktionsgegenstandes vor. Der genaue Wert des Auktionsgegenstandes wird erst nach Abschluss der Auktion bekannt. Im Independent private-values-Modell ist die Auktionssituation hingegen von den speziellen Präferenzen der Bieter geprägt. Die optimale Bieterstrategie besteht darin, ein Gebot in Höhe der eigenen Wertschätzung abzugeben. Der Gewinn der Versteigerung impliziert keine negative Information über den wahren Wert des Auktionsobjekts, sondern lediglich die Information, dass seine individuelle Wertschätzung die höchste war. Der Fluch des Gewinners hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Da das Milgrom-Weber-Modell das Common value-Modell als Spezialfall enthält, können Winner's curse-Effekte auch unter diesen allgemeineren Modellannahmen auftreten. Vgl. zu diesem Phänomen P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (5); P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (265); M. Krakel, WiSt 1996,462 ff.; C. A. Holt/R. Sherman, American Economic Review 84 (1994), 642 ff.; R. H. Thaler, Journal of Economic Perspectives 2 (1988), No. 1,191 ff. 29
6 P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (5); S. E. Thiel, American Economic Review 78 (1988), 884 (885).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
175
ren ex-ante-Erwartungswert nach unten, das heißt sie nehmen einen Sicherheitsabschlag auf das ursprüngliche Gebot vor. 2 9 7 Jeder rationale Bieter wird somit seine Einschätzung des Objekts in Abhängigkeit davon revidieren, wie unsicher er über dessen wahren Wert ist. Sein Gebot entspricht dann einem Erwartungswert, den er unter der Bedingung bildet, dass seine Wertschätzung die höchste von allen ist. Am wenigsten störanfällig in Bezug auf den Winner's curse-Effekt ist ein offenes, mehrrundiges Verfahren. Die Mehrrundigkeit ermöglicht den Teilnehmern, ihr Bietverhalten an die realistischeren Erwartungen über den Wert des Auktionsobjektes anzupassen. Vorteilhaft ist wiederum die Englische Auktionsmethode bei einer Mehr-Objekt-Auktion in simultaner Form. 2 9 8 Durch die offene Gebotsabgabe erhalten die Bieter jeweils zusätzliche Informationen über die Objektschätzungen ihrer Konkurrenten. Unsicherheit kann abgebaut und ursprüngliche Prognosen können korrigiert werden, indem die zusätzlich generierten Informationen in die Bieterstrategie aufgenommen werden.
b) Normative Bewertung der ökonomischen Analyse Sowohl der Winner's curse-Effekt selbst als auch das Konzept des Sicherheitsabschlages zur Vermeidung stehen einer effizienten Allokation entgegen: Entweder verschätzen sich die Interessenten und bieten zu hoch, oder sie bieten bei Antizipierung der Winner's curse Problematik nicht mehr in Höhe ihrer Wertschätzung, sondern verringern ihre Preisofferten. Das Auktionsergebnis spiegelt dann nicht die wahren Wertschätzungen wider. Es besteht so das Risiko, dass sich ein Bieter gegen einen theoretisch effizienten Konkurrenten durchsetzen kann. Eine effiziente Allokation würde lediglich zufällig erreicht. Bei einer hohen Störanfälligkeit im Hinblick auf das Auftreten des Winner's curse-Effekts wird das Oberziel der Bestimmung des effizienten Nutzers gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG bei der Versteigerung im Sinne des § 61 Abs. 5 TKG in nicht unerheblichem Maße gefährdet, so dass ein solches Verfahren in der Zwischenbilanz den Vorgaben des TKG nicht genügen kann. Als am wenigsten anfallig für diesen Effekt ist wiederum die Englische Auktionsmethode (in simultaner Form) identifiziert worden, so dass erneut eine normative Präferenz für sie abgeleitet werden kann.
297 Vgl. R. R McAfee /J. McMillan, Journal of Economic Literature 25 (1987), 699 (721); P. R. Milgrom, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), No. 3, 3 (5 f.); M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 87 f. 298 Ebenso P. R. Milgrom, in: Social Goals and Social Organization, S. 261 (279 f.); J. McMillan, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 (152); L Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (450); L. Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 28.
176 2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
III. Mögliche Verfahrensregeln zur Sicherung der Störungsfreiheit Es konnte gezeigt werden, dass die Auktionsmethoden sich hinsichtlich ihrer Störanfälligkeit unterscheiden, und eine störanfällige Methode zunächst den Vorgaben des TKG nicht gerecht werden kann. Neben der Wahl der Auktionsmethode hängt aber die Zielerreichung eines Versteigerungsverfahrens wesentlich von der Ausgestaltung der Versteigerungsregeln ab, die auf die Störanfälligkeit der jeweiligen Methode reagieren und den störungsfreien Ablauf des Verfahrens gewährleisten sollen. Unter normativen Gesichtspunkten dienen die Verfahrensregeln der Sicherstellung der Zielkonformität des Versteigerungsverfahrens und damit der Einhaltung der Vorgaben des T K G . 2 9 9
7. Regeln zur Verhinderung wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens Sind bereits im Vorwege der Auktionsdurchführung Anhaltspunkte für wettbewerbswidriges Bieterverhalten zu erkennen, ist dies entsprechend zu ahnden, indem die jeweiligen Unternehmen ζ. B. von der Teilnahme ausgeschlossen oder mit entsprechenden Auflagen belegt werden. Zur Verhinderung wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens während der Auktionsdurchführung ist erforderlich, dass die Versteigerungsregeln ein solches Verhalten verbieten. Darüber hinaus sollten spürbare Sanktionsvorkehrungen für den Fall des Zuwiderhandelns vorgesehen sein, so dass sich wettbewerbswidriges Bieterverhalten für die Bieter nicht lohnt. In Betracht zu ziehen sind der Ausschluss vom weiteren Verlauf der Versteigerung bei Feststellung wettbewerbswidrigen Verhaltens, der Widerruf des Zuschlags bzw. der Zuteilung des Nutzungsrechts im Anschluss an die Auktion sowie die Regel, dass die Zahlungsverpflichtung bestehen bleibt, auch wenn aufgrund des wettbewerbswidrigen Verhaltens keine Nutzungsrechte ersteigert wurden. Auch Umfeldregelungen können wettbewerbswidriges Bieterverhalten erschweren: Wird während der Auktionsdurchführung die Kommunikation zwischen den Bietern ausgeschlossen, wird das Risiko von Absprachen reduziert. Als besonderer Anreiz zu wettbewerbswidrigem Verhalten wurden Informationen über die Identität der Bieter identifiziert. 300 In der Regel wird die Identität des 299 Dies ist auch bei der Englischen Auktionsform möglich, vgl. L. Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (450); L. Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 28. 300 Bei der Englischen Auktion wird die Höhe jedes Gebotes bekannt, bei der Holländischen Methode nur diejenige des Siegergebotes. Ob die Identität der Bieter bekannt wird, hängt von der praktischen Ausgestaltung ab: Sind alle Bieter in einem Raum körperlich anwesend und geben ihr Gebot per Handzeichen ab, wird auch die Identität bekannt. Der prakti-
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
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erfolgreichen Bieters bekannt und wäre auch ohne Information des Auktionators schwerlich verdeckt zu halten. Dies gilt jedoch nicht für die Identität solcher Bieter, die nicht zum Zuge gekommen sind. Technisch ist es möglich, die Bieteridentität potenzieller Newcomer, Spekulanten und Cheater zu anonymisieren. Auf diese Weise kann mögliches Cheating nicht entdeckt werden, so dass der Anreiz, sich an eine Kollusion zu halten, relativ hoch ist. Da die Etablierten jedoch so nicht erkennen können, ob die Gebote von Konkurrenzanbietern, von potenziellen Newcomern oder sogar vom Auktionator selbst kommen, der eventuell eine Kollusion verhindern bzw. destabilisieren möchte, wird die Wahrscheinlichkeit für kollusives Verhalten deutlich verringert. Auch die Gefahr der Errichtung strategischer Markteintrittsbarrieren kann durch eine hinsichtlich der Identität der Bieter verdeckte Auktionsweise minimiert werden. Für Etablierte ist nämlich nicht mehr erkennbar, wer (noch) an der Auktion teilnimmt und wann dieser genau „zuschlägt". Festgestellt wurde, dass die Endogenisierung der Wettbewerberzahl das Risiko wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens allgemein und speziell gegenüber Newcomern erhöht, da die mengenmäßige Verteilung der Frequenzblöcke für die Bieterstrategie entscheidenden Einfluss gewinnen kann. Um einen solchen Anreiz zum wettbewerbswidrigen Bieterverhalten zu verhindern, muss die Vergabebehörde bereits im Vorwege der Versteigerung die Anzahl und Größe der ersteigerbaren Frequenzblöcke bestimmen und damit auch gleichzeitig die Anzahl der zuzuteilenden Nutzungsrechte festlegen. 301 Die Unternehmen verlieren die Möglichkeit, durch eine Gebotsabgabe, die von einem Marktfernhaltungsinteresse dominiert wird, die Anzahl der Wettbewerber am Markt beeinflussen zu können. Darüber hinaus sind Privilegierungen von Newcomern in Erwägung zu ziehen. 302 Etablierten Bietern wird damit der Anreiz genommen, Marktfernhaltungsinteressen gegenüber Newcomern zu entwickeln und diese in ihre Gebotsabgabe einzubeziehen.
sehe Regelfall ist allerdings inzwischen die elektronische Abgabe aus separaten Räumen. Dies führt nicht zu einem automatischen Öffentlichwerden der Identität. Bei den verdeckten Auktionen werden weder Gebote noch Bieter automatisch bekannt. 301 Anders entschied sich die RegTP bei der UMTS-Versteigerung, wo die teilnehmenden Unternehmen selbst die Wettbewerberanzahl durch den Versteigerungsvorgang bestimmten, die Wettbewerberzahl also endogenisiert war. Eben diese Externalität des Regelwerks ist im Vorfeld der UMTS-Auktion stark kritisiert worden, vgl. Monopolkommission, Kurzfassung, S. 5; B. Moldovanu, Financial Times Deutschland vom 06. 04. 2000; B. Moldovanu, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. 07. 2000, S. 15; P. Jehiel/B. Moldovanu, Licence Auctions and Market Structure, S. 3, 20 f. Siehe dazu sogleich unter 1.3.3. 302 Die Furcht vor einem solchen Ergebnis hat bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Großbritannien dazu geführt, dass eine Lizenz für einen Bieter ohne eigenes Mobilfunknetz reserviert wurde, obwohl dort die Wettbewerberzahl nicht endogen festgelegt war und Konzentrationsrisiken vergleichsweise geringer waren als in der deutschen Versteigerung. 12 Bumke
178 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
2. Regeln zur Verhinderung
des Winner's
curse-Effektes
Zur Verhinderung des Winner's curse-Effekts sollte die Vergabebehörde das Auktionsverfahren so ausgestalten, dass das Risiko einer Fehleinschätzung möglichst gering gehalten wird. Mittel dazu sind wiederum Informationen. Milgrom und Weber 303 haben gezeigt, dass die vollständige Informationsaufdeckung vor der Auktionsdurchführung unabhängig von der verwendeten Auktionsform für den Verkäufer vorteilhaft ist, um die Unsicherheit über den Wert des Auktionsgutes zu reduzieren und um so Gebote zu erreichen, die einer möglichst sicheren Wertschätzung entstammen. Die Teilnehmer benötigen die Informationen, um ihre Präferenzen und Bietstrategien entsprechend formulieren zu können. Selbst die Filterung schlechter Informationen erweist sich gegenüber der Strategie der vollständigen Informationsaufdeckung als nachrangig, da die Bieter die fehlenden Informationen über bestimmte Qualitätsmerkmale durch die negativsten Ausprägungen in diesen Merkmale ersetzen würden. Dies führt zu einer vorsichtigeren weil von Unsicherheit geprägten Formulierung der Gebote. 304 Auch die Informationsgenerierung während der Durchführung der Versteigerung trägt dazu bei, Unsicherheiten hinsichtlich der Objektbewertung zu verringern. Neben der Auswahl der Auktionsmethode, die diesbezüglich für die Englische Auktionsmethode in simultaner Form aufgrund deren zusätzlichen Informationsflusses ausfallen sollte, können Regeln zur Veröffentlichung sowohl der Höhe der Gebote in dem Sinne, wer sie für welches Objekt in welcher Höhe abgegeben hat, als auch bestehender Bietrechte der Gefahr des Winner's curse-Effektes entgegen wirken und damit effizienzsteigernde Wirkungen haben. 305
3. Normative Bewertung der ökonomischen Analyse Für die normative Bewertung ist entscheidend, dass das Ziel, mit dem Versteigerungsverfahren denjenigen Antragsteller zu ermitteln, der die Frequenz effizient nutzen kann (§61 Abs. 4 S. 1 TKG), nicht mehr erreicht werden kann, wenn die Auktion bzw. das Verteilungsergebnis von wettbewerbswidrigem Bieterverhalten geprägt ist oder der Winner's curse-Effekt eingetreten ist. Ebenso wird im Falle wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens dem Regulierungsziel der Sicherstellung und Förderung von Wettbewerb (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) nicht mehr hinreichend Rechnung getragen. Auch die Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) scheinen im Falle wettbewerbswidrigen Verhaltens mindestens gefährdet, da der Anreiz für Nutzer, Investitionen zu tätigen, dann eher gering ausfallen dürfte, denn schließlich hat er 303 R R. Milgrom/R. J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 (1102 f., 1105 f., 1109 ff., 1115 ff.). 304 Darauf weist auch M. Kräkel, Auktionstheorie, S. 104, hin. 305 Vgl. R R. Milgrom/R.
J. Weber, Econometrica 50 (1982), 1089 ff.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
179
die Frequenzen nur ersteigert, um andere Wettbewerber vom Markt fernzuhalten. Deshalb muss die Versteigerung so ausgestaltet werden, dass wettbewerbswidriges Bieterverhalten und der Winner's curse-Effekt verhindert werden. Das TKG enthält zum einen Bestimmungen, die zwar nicht ausdrücklich wettbewerbswidriges Bieterverhalten in den Blick nehmen, aber indirekt ein solches verhindern sollen. Befürchtet die RegTP bereits im Vorwege der Auktionsdurchführung wettbewerbswidrige Kollusionen in der Versteigerung, kann sie nach § 61 Abs. 3 S. 1 TKG den entsprechenden Wettbewerber von der Teilnahme am Versteigerungsverfahren ausschließen, „wenn zu erwarten ist, dass durch dessen erfolgreiches Gebot nach Absatz 5 ( . . . ) ein chancengleicher Wettbewerb auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ( . . . ) gefährdet wird". Diese Bestimmung reduziert die Gefahr einer wettbewerbswidrigen Blockade durch eine überhöhte Gebotsabgabe, weil sie insbesondere den Ausschluss solcher Konkurrenten erlaubt, die auf demselben oder einem benachbarten Markt über eine marktbeherrschende Stellung ver«igen. 306 Nach § 63 Abs. 1 TKG kann die Frequenzzuteilung „widerrufen werden, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach der Frequenzzuteilung mit der Nutzung der zugeteilten Frequenz im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks begonnen wurde oder wenn die Frequenz länger als ein Jahr nicht im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks genutzt worden ist". Es gilt damit die so genannte „use it or lose ist"-Regel, die in den USA im Rahmen der Verteilung von slots zur Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens der Konkurrenten praktiziert wird. 3 0 7 Diese Regelung schränkt die Möglichkeit ein, dass Frequenzen nur in der Absicht ersteigert werden, Konkurrenten vom Markt fernzuhalten, und dann „brachliegen". 308 Zum anderen muss die Ausgestaltung der Versteigerungsregeln nach § 61 Abs. 5 S. 1 TKG hinreichend dafür sorgen, dass Wettbewerbs widriges Bieterverhalten vermieden wird. Sie sollten die oben genannten Regelungen beinhalten. 309 306 Siehe dazu A Freytag /Β. Jäger, ORDO 1996, 215 (222). 307
Vgl. dazu C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 411 mit Fn. 188. 308 Vgl. dazu C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (248); N. Nolte, CR 1996, 459 (464); J. Ehmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 47 Rn. 19. 309 Die Versteigerungsregeln der ERMES-, GSM- und UMTS-Auktion verboten übereinstimmend kollusives Verhalten der Bieter. Der Durchsetzung dieses Verbots diente die Regelung, die Teilnehmer während des Versteigerungsvorgangs in separaten Räumen unterzubringen. Eine Kommunikation (visueller, akustischer oder sonstiger Art) zwischen den Bietern oder den von diesen autorisierten Personen war damit so weit wie möglich ausgeschlossen, vgl. Ziff. Π Nr. 4 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948 (ERMES); Ziff. 8. der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380 (GSM); Ziff. 9 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 566 (UMTS). Wäre trotz dieser Maßnahme während des Auktionsprozesses kollusives Zusammenwirken einzelner Bieter festgestellt worden, hätte dies deren Ausschluss vom weiteren Verlauf der Versteigerung zur Folge gehabt, vgl. Ziff. ΙΠ Nr. 10, Ziff. IV Nr. 11 der Vfg. 115/1996, ABl. 1*
180 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Besonderes Augenmerk ist auf die Ausgestaltung der Informationsgenerierung während der Versteigerungsdurchführung zu legen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits das Offenlegen von Informationen über die Gebote die Gefahr des Winner's curse-Effektes eindämmt, andererseits Informationen über das Bietverhalten anderer Teilnehmer kollusives Verhalten begünstigen.310 Die Informationspreisgabe ist deswegen so zu regeln, dass sie beide Störfaktoren hinreichend berücksichtigt. Denn es nützt nichts, wenn der Winner's curse-Effekt aufgrund der vollständigen Informationsgenerierung ausgeblieben ist, dafür aber wettbewerbswidriges Bieterverhalten das Auktionsergebnis bestimmt hat. Der effiziente Nutzer ist nicht festgestellt worden. Das gleiche gilt für den umgekehrten Fall. Zur Verminderung der Unsicherheit hinsichtlich des Frequenzwertes dienen Informationen über die Höhe der jeweils abgegebenen Gebote. Die Identität der Bieter ist dabei nur von untergeordneter Bedeutung. Die Preisgabe der Identität der Bieter steigert aber den Anreiz zu wettbewerbswidrigem Verhalten erheblich. Sie zu verschweigen verkleinert also die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieses Störfaktors ohne Einbußen im Abbau der Unsicherheit in Kauf zu nehmen, der für die Winner's curse-Problematik so wichtig ist. Ebenso wird die Gefahr wettbewerbswidrigen Verhaltens verringert, wenn die Vergabebehörde bereits im Vorwege der Auktion die Anzahl und Größe der ersteigerbaren Frequenzblöcke determiniert. Damit lässt sich vermeiden, dass die Gebotsabgabe von Marktfernhaltungsinteressen dominiert wird. Im Ergebnis ist bei der Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens die Zusammenschau der Auktionsmethode und der Verfahrensregeln entscheidend für den Erfolg der Versteigerung. Im Hinblick auf die Informationsgenerierung ist die Englische Auktion in ihrer simultanen Form als effiziente Methode identifiziert worden. Sie ist allerdings in hohem Maße anfallig für wettbewerbswidrige Kollusionen. Die besondere Bedeutung der Informationsgenerierung für die Erreichung der Regulierungsziele des TKG hat bei den bisherigen Verfahren zur Wahl der englischen Auktionsmethode in ihrer simultanen Form geführt. 311 Für eine konkrete Betrachtung der UMTS-Versteigerung liegt dementsprechend das Hauptaugenmerk auf den Regeln zur Verhinderung kollusiven Bieterverhaltens und des Winner's curse-Effektes. BMPT 1996, 948, 950, 951 (ERMES); Ziff. 8.1 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2384 f. (GSM); Ziff. 9.1 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 567 (UMTS). Nach Ende der Versteigerung wäre absprachegeleitetes Bieterverhalten mit dem Widerruf des Zuschlags und dem Widerruf der Frequenzzuteilungen nach § 47 TKG-alt geahndet worden, vgl. Ziff. ΠΙ Nr. 10, Ziff. IV Nr. 11 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 950, 951 (ERMES); Ziff. 8.2 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2384 f. (GSM); Ziff. 9.2 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 567 (UMTS). Als spürbaren Sanktionsmechanismus sahen z. B. die GSM-Regeln vor, dass die Zahlungsverpflichtung bestehen bleibt, obwohl nutzbare Frequenzen nicht ersteigert wurden, vgl. Ziff. 8.2 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2384 f., ebenso wie die Regeln der UMTS-Versteigerung, vgl. Ziff. 9.2. der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 567. 310 Vgl. z. B. A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 59. 311
Vgl. dazu oben in der Einführung unter B.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
181
Ein Beispiel für eine ungenügende Ausgestaltung der Verfahrensregeln sind die UMTS-Versteigerungsregeln. Das Regelwerk sah vor, dass sowohl die Wettbewerberzahl endogenisiert war, 3 1 2 als auch Informationen sowohl über die Höhe als auch über die Identität des Höchstbieters während der einzelnen Bieterrunden den anderen Teilnehmern bekannt wurden. 313 Die zunächst von Kritikern befürchtete Marktstruktur mit lediglich drei oder vier Anbietern womöglich ohne Newcomer trat zwar nicht ein. Vielmehr wurden sechs Lizenzen ersteigert, wobei neben den vier GSM-Netzbetreiber auch zwei Newcomer eine Lizenz erwarben. 314 Trotzdem liegt die Annahme nahe, dass sich beide Störfaktoren - wettbewerbswidriges Bieterverhalten und der Winner's curse-Effekt - in der UMTS-Versteigerung verwirklicht und den Ausgang der Auktion in Form der Höhe der Versteigerungsentgelte nicht unerheblich beeinflusst haben. Mit dem Ausscheiden der debitel am zehnten Versteigerungstag (Gebotshöhe insgesamt ca. DM 63 Mrd.) wurde die letztlich auch realisierte Verteilung, dass alle sechs verbleibenden Bieter eine „kleine Lizenz" ersteigern, zum ersten Mal möglich. 315 Als im weiteren Verlauf nur noch DeTeMobil und Mannesmann Mobilfunk um eine „große Lizenz" boten, mussten die Bieter von einem Ergebnis mit fünf oder sechs Lizenznehmern ausgehen. DeTeMobil und Mannesmann Mobilfunk steigerten den Preis in die Höhe, aber eben nicht so lange, bis ein weiteres Unternehmen ausschied. Bis dahin waren allerdings 173 Runden vergangen, wobei sich an der Konstellation seit der 131. Runde nichts verändert hatte - außer dem zu zahlenden Preis für eine Lizenz, der sich um D M 35 Mrd. erhöht hatte. Erklärbar ist dieses Verhalten damit, dass die beiden Unternehmen DeTeMobil und Mannesmann Mobilfünk in der Schlussphase der Versteigerung das Ziel verfolgten, durch den Erwerb einer „großen Lizenz" einen Wettbewerbsvorteil erzielen zu können. 316 Dass diese Strategie verfolgt wurde, bestätigt das Verhalten der Mannesmann Mobilfunk, die Gebotsbeträge auf einer Reihe von Sechsen enden zu lassen. Damit signalisierte sie Bereitschaft, mit dem Ergebnis von sechs „kleinen Lizenzen" einverstanden zu sein, 317 sofern DeTeMobil ebenfalls auf eine „große Lizenz" und damit auf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mannesmann Mobilfunk verzichten würde. Die Reduzierung der Gebote von Mannesmann Mobilfunk 312
Dies ist heftig kritisiert worden, siehe Fn. 301 in diesem Kapitel. ' Vgl. Ziff. 3.8 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565 (UMTS). Ebenso war es in der ERMES- und GSM-Versteigerung vorgesehen, vgl. Ziff. ΠΙ Nr. l d und IV Nr. 2e der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949, 950 (ERMES); Ziff. 2.10 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999,2379, 2379 (GSM). 314 Bei einer ex-post-Betrachtung bedeutet das Ergebnis mit sechs Lizenznehmern, dass bei der UMTS-Versteigerung in Großbritannien zu viel Frequenzspektrum für einen Newcomer reserviert worden war, vgl. dazu L Nett, WIK-Newsletter Nr. 36, 1999, 10 (11); L Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001,447 (456). 315 Vgl. zum Verlauf oben Einführung, Β.ΙΠ. 316 H. Lindstädt, Die Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen, S. 19 f. 3 3
317
So Financial Times Deutschland, UMTS-Auktion: Gebote nähern sich der 90-Mrd.DM-Grenze, 16. 08. 2000.
182 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
auf zwei Frequenzblöcke wäre diesbezüglich nicht erfolgsversprechend gewesen, da sie aufgrund der Aktivitätsregel nicht wieder auf drei Frequenzblöcke hätte erhöhen können. Mannesmann Mobilfunk hätte aus eigener Kraft nicht mehr verhindern können, dass DeTeMobil als einziges Unternehmen eine „große Lizenz" und damit einen potenziellen Wettbewerbsvorteil erwirbt. Diese Zielsetzung erklärt auch das Verhalten der DeTeMobil. Das stetige Steigern der Gebote sollte ihr gegenüber Mannesmann Mobilfunk und den anderen Bietern den Wettbewerbsvorteil einer „großen Lizenz" bereiten. Ergebnis der UMTS-Versteigerung war im Hinblick auf das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG die erwünschte, weniger als möglich konzentrierte Marktstruktur mit sechs Lizenznehmern. Diesbezüglich ist der Ausgang der Versteigerung zielkonform. Dieses Ergebnis ist allerdings wohl eher „zufällig" erreicht worden, denn die relevante Ausgestaltung des Regelwerks - die Endogenisierung der Wettbewerberzahl und die Preisgabe der Identität der Bieter - hätte ein anderes Ergebnis nahe gelegt. Erforderlich wäre gewesen, die Anzahl der Wettbewerber über Größe und Anzahl der Frequenzblöcke vorzugeben und nicht zur Disposition der Teilnehmer zu stellen. Zur Sicherheit hätte eine Privilegierung kleiner und mittlerer Unternehmen im Sinne des § 61 Abs. 5 S. 1 TKG vorgesehen werden können. Aber Zweifel bestehen aufgrund des hohen Preisniveaus an der Effizienz der Allokation, also an der Zielkonformität der Versteigerung mit § 61 Abs. 4 S. 1 TKG. Das Nichtannehmen des versteckten Abspracheangebots von Mannesmann Mobilfunk durch die DeTeMobil sowie die weiter realisierbar erscheinende Möglichkeit, allein einen Wettbewerbsvorteil mit einer „großen Lizenz" genießen zu können, haben das „eingeschränkte" Marktfernhaltungsinteresse in der Gebotsabgabe dominieren lassen. Folge davon ist das Ansteigen des Versteigerungsentgelts von insgesamt DM 35 Mrd. ab dem zehnten Versteigerungstag, an dem debitel ausstieg. Ab diesem Zeitpunkt war nur noch das Interesse an einer „großen Lizenz" im Gegensatz zur „kleinen Lizenz" ausschlaggebend. In diesem Sinne liegt die Annahme nahe, dass auch der Winner's curse-Effekt eingetreten ist, denn die Wertschätzung für eine „kleine Lizenz" entspricht ca. DM 10,5 Mrd. Das waren die Gebotshöhen, als debitel ausstieg. Die Entscheidung über die Höhe ihrer Gebote und damit über das Preisniveau ist den Bietern in der Versteigerung selbst anvertraut. Sie sind es, die ihre Interessen und damit auch Effizienzüberlegungen am besten selbst beurteilen können, so dass man grundsätzlich davon auszugehen hat, dass das Ergebnis der Verteilung zumindest zum Zeitpunkt der Versteigerung effizient ist. Der Maßstab der Messung der Allokationseffizienz hat damit subjektive Elemente bzw. er ist nicht eindeutig aus dritter Warte rekonstruierbar. Das Ergebnis der UMTS-Versteigerung sowie das zu beobachtende Verhalten der Auktionsteilnehmer deuten darauf hin, dass das Eintreten von Störfaktoren für das Auktionsergebnis maßgeblich gewesen sein könnten. Haben sich die Auktionsteilnehmer bei der Abgabe ihrer Gebote nicht
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
183
mehr allein von ihren Frequenzwertschätzungen leiten lassen, sondern war die Verwirklichung von Störfaktoren für das Ergebnis verantwortlich, wäre das in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG normierte Ziel der Allokationseffizienz verfehlt. Eine Erklärung für das Eintreten der Störfaktoren bietet die mangelnde Ausgestaltung der Verfahrensregeln hinsichtlich der Informationspreisgabe und der Endogenisierung der Wettbewerberzahl. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausgestaltung der UMTSVersteigerungsregeln durch die RegTP und damit auch des Ergebnisses der Versteigerung ließen sich so durchaus begründen. Es spricht einiges dafür, dass durch entsprechende verfahrensmäßige Vorkehrungen bzw. die Ausgestaltung der Verfahrensregeln das Verhalten der Auktionsteilnehmer in der Versteigerung anders hätte gesteuert werden können und eine überhöhte Gebotsabgabe hätte vermieden werden können. Insbesondere diese Auswertung des Verlaufs der Versteigerung der UMTS-Frequenzen macht das Zusammenspiel von Verfahrensregeln und Zielverwirklichung bzw. den möglichen Einfluss von Auktionspreisregeln auf das Ergebnis der Versteigerung sichtbar.
IV. Einzelne Verfahrensregeln zur Sicherstellung der Funktionsfahigkeit der Auktion Die beschriebenen Effizienzvorteile von Versteigerungsverfahren hängen neben den bisher genannten Elementen wie der Auktionsmethode und den Versteigerungsregeln zur Verhinderung von Störfaktoren zudem von der Wahl weiterer allgemeiner Verfahrensregeln ab, die vor allem die praktische Durchführung der Versteigerung betreffen. Auch diese Vorkehrungen sollen gewährleisten, dass die Teilnehmer ihre Gebote ihrer Bietstrategie entsprechend abgeben, die sich aus der Wertschätzung bildet. Das TKG sieht in § 61 Abs. 5 S. 1 TKG dementsprechend vor, dass das Verfahren transparent, diskriminierungsfrei und nachvollziehbar sein muss. Für jeden Auktionsteilnehmer müssen dabei grundsätzlich die gleichen, 318 verständlichen und für alle gleichermaßen zugänglichen Regeln gelten, damit das Verfahren mit den Vorgaben des § 61 Abs. 5 S. 1 TKG konform ist. 3 1 9 318 Denkbar ist aber, dass bestimmten Auktionsteilnehmern aus politischen oder sonstigen Erwägungen Vorrechte zum Erwerb des Auktionsobjektes eingeräumt werden. Vorrechte sind aber nur dann zu rechtfertigen, wenn die Zahlungsbereitschaft des jeweiligen Versteigerungsteilnehmers kleiner ist, als der gesellschaftliche Wert, der daraus resultiert, dass der „bevorzugte" Teilnehmer das Auktionsobjekt erhält. Praktisch könnte die Einführung eines Vorrechts so ausgestaltet werden, dass dem Gebot des Teilnehmers, der ein Vorrecht für sich in Anspruch nehmen können soll, ein höherer Wert beigemessen wird als den Geboten der übrigen Teilnehmer. Eine solche Abwägung, dass der gesellschaftliche Wert die grundsätzlich allein ausschlaggebende Zahlungsbereitschaft überwiegen kann, ist bereits in § 61 Abs. 5 S. 1 TKG verankert, wonach die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen besonders zu berücksichtigen sind. Trotz dieser Vorschrift ist es allerdings bisher in keiner der durchgeführten Versteigerung zu einer höheren Gewichtung der Gebote kleiner und mittlerer Unternehmen gekommen.
184 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Auktionsteilnehmer sowie der Glaubhaftigkeit der Gebote sollte die Hinterlegung einer Kaution und/oder einer Bankbürgschaft gefordert werden. Weiterer Zweck der Kaution ist die Erleichterung der Erhebung und Durchsetzung einer Strafgebühr. 320 Die Bietrechte ebenso wie die Bieteinheiten eines Auktionsteilnehmers zu Beginn der Auktion müssen durch die Auktionsregeln selbst, also exogen, festgelegt werden. 321 Werden mehrere Auktionsobjekte gleichzeitig versteigert und soll jeder Auktionsteilnehmer nur maximal eines der Objekte erwerben dürfen, ist insbesondere die Beschränkung, für maximal ein Versteigerungsobjekt aktiv bieten zu können, durch Festlegung in den Verfahrensregeln notwendig. Denkbar wäre es jedoch auch, dass die Auktionsteilnehmer durch Vorauszahlung („eligibility payments") ihre maximalen Bietrechte selbst bestimmen. Auch eine Kombination beider Alternativen wäre denkbar. Die Verfahrensregeln sollten ferner einen Zeitrahmen für die Gebotsabgabe vorgeben. In simultanen Auktionen werden den Bietern komplexe Entscheidungen abverlangt, so dass das Risiko der Überforderung mit der Folge einer möglicherweise „falschen" Entscheidung besteht. Ihnen muss in hinreichendem Maße die Möglichkeit eingeräumt werden, die eingegangenen Informationen zu verarbeiten, um die gegebenenfalls notwendige Veränderung und Anpassung der Bietstrategie genau 319
Diesem dient auch die Forderung nach vollständiger Ausformulierung und Veröffentlichung sowie der Unveränderbarkeit der Regeln. Ansonsten wären die Bietstrategien der Auktionsteilnehmer obsolet. Vgl. dazu J. McMillan, Journal of Economics Perspectives 8 (1994), No. 3, 145 (155); L Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 28; L Nett/U. Stumpf, in: Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, S. 447 (450). 320 Als Orientierungspunkt für die Höhe der Bankbürgschaft ist der geschätzte wirtschaftliche Wert des Auktionsgegenstandes in Ansatz zu bringen, vgl. A. Keuter/L· Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 54. Die Versteigerungsregeln aller bisher durchgeführten Auktionen sahen sowohl die Hinterlegung einer Kaution, die sich in ihrer Höhe am jeweiligen Mindestgebot orientierte, als auch das Beibringen einer Bankbürgschaft vor, vgl. Ziff. I Nr. 4a, b der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948 (ERMES); Ziff. 1.3 der Vfg. 93/1999, 2379, 2379, 2382 (GSM); Ziff. 1.2 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 564 (UMTS). Die maximalen Bietrechte eines Versteigerungsteilnehmers wurden durch die Höhe der geleisteten Bankbürgschaft bestimmt. Maximal konnten die Bieter eine Bankbürgschaft für alle fünf Frequenzpakete hinterlegen. 321 Bei der ERMES-Versteigerung durften die Bieter im ersten Versteigerungsabschnitt nur eine Lizenz erwerben, so dass auch die Anzahl der Gebote beschränkt war, vgl. Ziff. IQ Nr. l b und c der Vfg. 115 /1996, ABl. BMPT 1996,948, 949. Im Gegensatz dazu bestand bei der GSM-Auktion keine Beschränkung, vgl. Ziff. 2.7 Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999,2379, 2379. Die UMTS-Versteigerungsregel sahen eine Beschränkung von Geboten auf maximal drei Frequenzpakete im ersten Abschnitt vor, vgl. Ziff. 3.2 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565. Gleich geregelt war in allen drei Versteigerungen, dass die Teünehmer frei wählen konnten, für welche Frequenzen sie steigern wollten, vgl. Ziff. ΙΠ Nr. lc der Vfg. 115 /1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949 (ERMES); Ziff. 2.7 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2379 (GSM); Ziff. 3.2 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565 (UMTS).
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
185
überdenken zu können. 322 Als beendet anzusehen ist eine Versteigerungsrunde grundsätzlich dann, wenn alle Auktionsteilnehmer ihre Gebote bereits abgegeben haben. In der Weiterverfolgung von Vickrey s Forschungsansatz323 haben mehrere Wissenschaftler gezeigt, dass die vier Auktionsformen erlösmaximierend für den Versteigerer sind, wenn der Auktionator zusätzlich ein Mindestgebot bestimmt, unterhalb dessen er nicht zur Vergabe bereit ist. 3 2 4 Die Festsetzung eines Mindestgebots sieht das TKG in § 61 Abs. 5 S. 2 explizit vor. 3 2 5 Dass der Versteigerer seinen erwarteten Gewinn durch einen Reservationspreis, der größer ist als seine Bewertung des Objekts, erhöhen kann, kann am Beispiel der Vickrey-Auktion mit einem einzigen Bieter gezeigt werden: Ist die Objektbewertung durch den Auktionator gleichzeitig das Mindestgebot in der Auktion, so wird der Bieter immer genau diesen Betrag zahlen, wenn seine Objektbewertung die des Auktionators in Form des Mindestgebots übersteigt. Durch eine Erhöhung des Mindestgebots tauscht der Versteigerer die Möglichkeit eines positiven Gewinns gegen die Wahrscheinlichkeit, dass der Bieter das Objekt nachfragt. Neben einer Erlösmaximierung beschleunigt die Festlegung eines Mindestpreises insbesondere in der Kombination mit der Festlegung von Mindestinkrementen - dazu sogleich - den Versteigerungsvorgang. 326 Hinsichtlich der Höhe des Mindestgebotes sind zum einen die administrativen Versteigerungskosten in Ansatz zu bringen, um den Erwerb eines minimalen Ver322
In der ERMES-Versteigerung war die Zeit für die Abgabe der Gebote im ersten Abschnitt auf 15 Minuten und im zweiten Abschnitt aufgrund der höheren Komplexität auf 30 Minuten festgesetzt, vgl. z. B. Ziff. IU Nr. 7a und Ziff. IV Nr. 8a der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948,949, 950. 323 W. Vickrey, Journal of Finance 16 (1961), 8 ff. 324 y. G. Riley /W. F. Samuelson, American Economic Review 71 (1981), 381 ff.; R. B. My er son, Mathematics of Operations Research 6 (1981), 58 ff.; P. Klemperer, What really matters in Auction Design, S. 8. 325
So sahen auch die bisher durchgeführten Versteigerungen Mindestgebote vor. Zu den Mindestgeboten in der ERMES-Auktion in Höhe von DM 500.000 für eine bundesweite Lizenz und D M 170.000 für die Regionalfrequenzen siehe Ziff. I Nr. 3 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 948. Mindestgebote in der GSM-Auktion waren für ein Frequenzpaket à 2 χ 1 MHz D M 1.000.000 und für das Frequenzpaket zu 2 χ 1,4 MHz D M 1.400.000, vgl. schon Eckpunkt 5 der Vfg. 150/1998, ABl. RegTP 1998, 3135, 3136; Eckpunkt 5 der Vfg. 45/1999, ABl. RegTP 1999, 1251, 1251, 1257; Ziff. 5 der Vfg. 79/1999, ABl. RegTP 1999, 1751, 1751, 1757 und Ziff. 2.12 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2379, 2383. Ziff. 3.7 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565 regelte die Mindestgebote in der UMTS-Versteigerung. Im ersten Versteigerungsabschnitt wurde das Mindestgebot für eine Lizenz mit einer Frequenzausstattung von 2 χ 10 MHz (gepaart) auf D M 200.000.000 und mit einer Frequenzausstattung von 2 χ 15 MHz (gepaart) auf DM 300.000.000 festgelegt. Im zweiten Auktionsabschnitt betrug das Mindestgebot DM 50.000.000 pro 1 x 5 MHz ungepaartem Frequenzblock. Wäre es in diesem Abschnitt zu einer Versteigerung von gepaartem Frequenzspektrum gekommen, hätte das Mindestgebot pro 2 x 5 MHz Frequenzblock DM 100.000.000 betragen. 326 Vgl. dazu A. Keuter/L· Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 54.
186 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
steigerungseriöses zu sichern. 327 Zum anderen hat sich die Höhe des Mindestgebots am geschätzten wirtschaftlichen Objektwert zu orientieren. Angesichts der Unsicherheit über den wirtschaftlichen Wert der Auktionsobjekte, der aufgrund unterschiedlicher subjektiver Bewertungen von Unternehmen zu Unternehmen variieren kann, ist allerdings zu beachten, dass kein zu hohes Mindestgebot gewählt wird, da sonst keine Gebote abgegeben werden und eine Transaktion nicht stattfindet. Ein Mindestinkrement ist der Betrag, um den ein Gebot das zu Beginn einer Auktionsrunde geltende Höchstgebot mindestens übersteigen muss, um als valide zu gelten. 328 Ziel der Aufnahme von Mindestinkrementen in die Verfahrensregeln ist, dass sich durch das bestimmte Anwachsen der Gebote zügig herausstellt, wer bereit ist, für das Auktionsobjekt die entsprechende Höhe der Gebote als Zuschlagpreis zu bezahlen. Insbesondere zwei Aspekte sind bei der Entscheidung über die Aufnahme von Mindestinkrementen in die Verfahrensregeln zu berücksichtigen: Je höher das Mindestinkrement festgelegt wird, desto kürzer dauert in der Regel der Auktionsprozess, da die Gebote relativ zügig anwachsen. Auf der anderen Seite steigt mit der Höhe des Mindestinkrements die Wahrscheinlichkeit, dass das Auktionsergebnis von der jeweils maximalen Zahlungsbereitschaft der Auktionsteilnehmer abweicht. 329 Die Aktivitätsregel legt fest, in welchem Umfang aktive bzw. valide Gebote von Seiten der Bieter erfolgen müssen, damit diese die ursprünglich zugestandenen bzw. erworbenen Bietrechte im Versteigerungsverlauf nicht einbüßen.330 Bei der 327 Vgl. A Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 54. 328 Das Mindestinkrement kann ein absoluter Betrag oder ein Prozentsatz einer zuvor festgelegten Bemessungsgröße ζ. B. des geltenden Höchstgebots sein. Der Betrag als auch die Regel für die Bemessung des Mindestinkrements können dynamisch variieren, vgl. A. Keuter/L Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 53. 329 Auch die ERMES-Versteigerungsregeln sahen Mindestinkremente vor und trafen Aussagen darüber, wann ein Gebot als valide galt. Dies war dann der Fall, wenn das Gebot in der ersten Runde das Mindestgebot erfüllt und in den nachfolgenden Runden das geforderte Mindestinkrement enthielt. Das Mindestinkrement wurde vor jeder Runde bekannt gegeben und betrug entweder 10% (in Phase 1), 5% (in Phase 2) oder 2% (in Phase 3) bzw. war es dem Auktionator vorbehalten, die Höhe des Mindestinkrements ebenso wie auch die Phase zu bestimmen, vgl. Ziff. ΠΙ Nr. 4 und Nr. 5, Ziff. IV Nr. 5 und Nr. 6 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949, 950. Die Regelungen über valide Gebote und Mindestinkremente bei der GSM-Auktion entsprachen denen der ERMES-Versteigerung, vgl. Ziff. 3 und 4 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2383 (GSM). Etwas abweichend ist die Regel der Mindestinkremente bei der UMTS-Versteigerung, vgl. Ziff. 5 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565, wonach dem Auktionator ein größerer Spielraum eingeräumt wurde. Die Regel über valide Gebote entspricht der der ERMES-Auktion, vgl. Ziff. 4 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565. 330 Die Versteigerungsregeln der ERMES-, der GSM- und der UMTS-Auktion sahen eine Aktivitätsregel vor, vgl. Ziff. ΙΠ Nr. 6, Ziff. IV Nr. 7 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996,
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
187
Formulierung der Aktivitätsregel ist darauf zu achten, dass den Auktionsteilnehmern genügend Handlungsspielraum und Flexibilität verbleibt. Ziel einer Aktivitätsregel ist die Beschleunigung des Versteigerungsprozesses, um die Kosten sowohl für den Versteigerer als auch für die bietenden Unternehmen gering zu halten. 331 Des Weiteren soll durch diese Regel ein abwartendes Bietverhalten ohne Informationspreisgabe hinsichtlich der Wertschätzung („wait and see") verhindert bzw. zumindest verringert werden, um die Gefahr des Winnens CurseEffektes einzudämmen. Regelungsbedürftig ist außerdem die Rücknahme von Geboten. 332 Aus Sicht der Auktionsteilnehmer kann die Möglichkeit, ein Gebot zurücknehmen zu können, durchaus sinnvoll sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn für einen aktuellen Höchstbieter das jeweilige Objekt nicht mehr attraktiv ist, weil einer seiner Wettbewerber für das Auktionsobjekt, das er zusätzlich zu benötigen meint, ein seine Zahlungsbereitschaft übersteigendes Gebot abgegeben hat. Eine derart motivierte Gebotsrücknahme wäre unter Effizienzgesichtspunkten zu befürworten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass das Instrument der Gebotsrücknahme strategisch verwendet wird. Sie verzerrt dann das Auktionsergebnis zu Lasten einzelner Bieter und ist nicht diskriminierungsfrei im Sinne des § 61 Abs. 5 S. 1 TKG. Folge ist, dass eine ökonomisch effiziente Allokation unwahrscheinlich wird.
948, 949, 950 (ERMES); Ziff. 5 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2384 (GSM); Ziff. 6 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 565 (UMTS). Die UMTS-Aktivitätsregel wies die Besonderheit auf, dass einem Bieter, der in einer Runde nur noch bei zwei Frequenzblöcken durch Gebotsabgabe aktiv war, die Möglichkeit genommen war, im weiteren Verlauf erneut für drei Frequenzblöcke zu bieten. Dabei galt ein Bieter für einen Frequenzblock als aktiv bietend, wenn er das aktuelle Höchstgebot für den entsprechenden Block hielt oder ein neues, das alte Höchstgebot zumindest um das aktuell geforderte Mindestinkrement übersteigende Gebot abgab. Der Übergangszeitpunkt der Reduzierung der Gebote von drei auf zwei Frequenzblöcke war damit von entscheidender Rolle für später noch mögliche Bietstrategien. 331 Siehe dazu A. Keuter/L Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 59. 332 Die Verfahrensregeln der ERMES-Versteigerung bestimmten, dass ein Zurückziehen von Geboten während der Versteigerung zu Strafzahlungen und dem Ausschluss vom weiteren Verlauf der Versteigerung geführt hätte. Da eine Gebotsrücknahme insbesondere am Auktionsende besonders starke Auswirkungen auf das Versteigerungsergebnis haben kann, wurde für diesen Fall eine Strafgebühr von 100% des Gebotes in beiden Auktionsabschnitten festgesetzt. Die Lizenz hätte ggf. neu versteigert werden können. 100% seines Gebotes hätte ein Auktionsteilnehmer aber sogar auch dann als Strafgebühr bezahlen müssen, wenn er im zweiten Versteigerungsabschnitt sein Gebot zurückgenommen hätte und die regionale Frequenz im Anschluss daran nicht mehr versteigert worden wäre, vgl. Ziff. ΙΠ Nr. 9, Ziff. IV Nr. 10 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996,948,949, 951. Auch die GSM- und UMTS-Auktion sahen in ihren Regeln in ähnlicher Weise vor, dass eine Gebotsrücknahme nicht zulässig ist, vgl. Ziff. 10 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2385 f. (ERMES); Ziff. 11 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 566 (UMTS).
188 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Allgemein lässt sich sagen, dass eine Gebotsrücknahme immer dann bedenklich ist, wenn zu erwarten ist, dass bei Nichtabgabe des zurückgenommenen Gebotes ein grundsätzlich anderes Auktionsergebnis zustande gekommen wäre. Dies ist insbesondere bei der Durchführung von simultanen, mehrstufigen Auktionen zu befürchten, bei denen zwischen den einzelnen Versteigerungsobjekten Wertinterdependenzen bestehen. Aufgrund der Gefahr negativer Allokationswirkungen sollte die Möglichkeit zur Gebotsrücknahme so weit wie möglich beschränkt werden bzw. mit einer Strafgebühr belegt werden, deren Höhe faktisch abschreckend wirkt. 3 3 3 Der Zuschlag hat an den Höchstbieter zu erfolgen. Die Stoppregel gibt vor, wann eine Versteigerung beendet ist. 3 3 4 Wesentlicher Aspekt für Stoppregeln ist zunächst, dass die Versteigerung für alle Auktionsgegenstände gleichzeitig in angemessener Zeit beendet werden sollte. 335 Bei sequentiellen Auktionen ist dies der Fall, wenn keine Höchstgebote mehr erfolgen. 336 Bei simultanen Versteigerungen mehrerer Auktionsobjekte sind unterschiedliche Ausgestaltungen der Stoppregel denkbar: Man könnte die Auktion nach der Vergabe jedes einzelnen Objektes schließen. Damit nähme die Versteigerung sequentiellen Charakter an, und die Vorteile der simultanen Auktionsform wären eingebüßt. Alternativ wäre denkbar, die Auktion als beendet zu sehen, wenn für kein Auktionsobjekt mehr Höchstgebote erfolgen. Hervorzuheben ist das diesbezüglich hohe Maß an Flexibilität. Jedoch wird der Anreiz verringert, aktiv zu bieten. Dieses Problem kann jedoch über die Aktivitätsregel ausgeglichen werden.
D. Ergebnis Das in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG festgelegte ökonomische Programm, im Versteigerungsverfahren den effizienten Frequenznutzer festzustellen, ist zweistufig aus333 Die Höhe könnte sich an den Kosten orientieren, die dem Auktionator aufgrund der Rücknahme des Gebots entstehen. Das wären die Opportunitätskosten, also die Differenz zwischen dem ursprünglich zu zahlenden und dem neuen Preis, und die zusätzlich anfallenden administrativen Kosten. Darüber bedarf es der Regelung, wer den Zuschlag erhält und welcher Preis für das Auktionsobjekt zu zahlen ist. Konsequent wäre es, das zurückgezogene Höchstgebot als nicht abgegeben anzusehen. Alternativ könnten die Auktionsregeln vorsehen, dass die Versteigerung erneut durchzuführen ist, vgl. dazu A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 54,59. 334 Die ERMES-, GSM- und UMTS-Versteigerungsregeln sahen das Ende des Bietverfahrens vor, wenn in einer Auktionsrunde für kein Frequenzpaket mehr ein valides Gebot abgegeben wurde, vgl. Ziff. ΠΙ Nr. 2, Ziff. IV Nr. 3 der Vfg. 115/1996, ABl. BMPT 1996, 948, 949, 950 (ERMES); Ziff. 9 der Vfg. 93/1999, ABl. RegTP 1999, 2379, 2380, 2385 (GSM); Ziff. B. 10, C. 10 der Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000 564, 565, 567 (UMTS). 33 5 Siehe J. McMillan, Journal of Economics Perspectives 8 (1994), No. 3,145 (155). 336 Vgl. Α. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 59.
2. Kap.: Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren
189
gestaltet. Die Bewertung der Allokationseffizienz als erste Stufe beinhaltet gleichzeitig die prognostische Bewertung des effizienten Frequenznutzers, die die zweite Stufe bildet. Dieser Zusammenhang erfordert eine ökonomische Analyse der Allokationseffizienz im Versteigerungsverfahren. Die ökonomische Analyse ergibt hinsichtlich der Allokationsmethoden, dass aufgrund bestehender Informationsasymmetrien und der Nähe der Frequenzvergabesituation zum Monopolmarkt das Versteigerungsverfahren gegenüber einer einseitigen Preisfestsetzung durch den Anbieter bzw. einem administrativen Ausschreibungsverfahren unter Effizienzgesichtspunkten (§ 61 Abs. 4 S. 1 TKG) vorzügswürdig ist. Über den Versteigerungsmechanismus offenbaren die Unternehmen ihre Schätzung über den Frequenzwert, die sich in der Zahlungsbereitschaft ausdrückt. Das Unternehmen mit der höchsten Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft ist gleichzeitig der effiziente Frequenznutzer. Auch im Hinblick auf die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 TKG ist das Versteigerungsverfahren anderen Verfahren überlegen. Die Effizienzwirkungen eines Versteigerungsverfahrens hängen aber wesentlich von der institutionellen Ausgestaltung der Auktion ab. Diesbezüglich konnten vier Standardauktionsmethoden unterschieden werden. Unter den realitätsnahen Annahmen des Milgrom-Weber-Modells kann die Englische Auktionsmethode in simultaner Form aufgrund der Informationsgenerierung, die Unsicherheiten in der Wertschätzung abbaut, als effiziente Versteigerungsmethode identifiziert werden, woraus auch in normativer Hinsicht eine Präferenz für diese Methode folgt. Gleiches ist für die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 TKG festgestellt worden. Das Ergebnis einer effizienten Frequenzallokation im Versteigerungsverfahren kann aber durch Verwirklichung der Störfaktoren des wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens und des Winner's curse-Effekt verhindert werden. Das Versteigerungsergebnis steht dann auch in Widerspruch zu den unter ökonomischen Gesichtspunkten einschlägigen Regulierungszielen. Die Verwirklichung von Störfaktoren ist allerdings durch geeignete Verfahrensregelungen weitestgehend vermeidbar. Neben Elementen wie der Auktionsmethode und den Versteigerungsregeln zur Verhinderung von Störungen wie wettbewerbsbeschränkendes Verhalten und des Winner's curse-Effekts hängen die Effizienzvorteile von Auktionen von der Wahl weiterer allgemeiner Verfahrensregeln ab, die vor allem die praktische Durchführung der Versteigerung betreffen. Im Ergebnis ist bei der Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens die Zusammenschau der Auktionsmethode und der Verfahrensregeln entscheidend für den Erfolg der Versteigerung hinsichtlich der effizienten Frequenzallokation und damit der Feststellung des effizienten Frequenznutzers sowie der Verwirklichung der Regulierungsziele.
190 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
3. Kapitel
Das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren Ergebnis der internationalen und nationalen Frequenzplanung ist der nationale Frequenznutzungsplan nach § 54 TKG. Er weist in Form detaillierter Festlegungen die Frequenzbereiche einzelnen Frequenznutzungen zu (intermodale Frequenzallokation). Es fehlen allerdings Aussagen über die jeweiligen konkreten Nutzer. Dies betrifft die Frequenzzuteilung nach den §§ 55 ff. TKG (intramodale Frequenzallokation). Treten aufgrund der Knappheit der Frequenzen bzw. der Frequenznutzungsrechte Verwendungskonkurrenzen in Form eines Nachfrageüberhangs auf, muss die RegTP das Verteilungsproblem lösen, indem sie eine Auswahlentscheidung darüber trifft, welches Unternehmen zur Nutzung berechtigt und welches Unternehmen vom Zugang ausgeschlossen wird. Erforderlich wird ein Verteilungsverfahren. Für die Verteilung von Telekommunikationsfrequenzen sieht das TKG als Regelverfahren in § 61 Abs. 5 das Versteigerungsverfahren vor. Insbesondere seit der gesetzlichen Verankerung des telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahrens und der Neuordnung der öffentlichen Auftragsvergabe wird staatlichen Verteilungsentscheidungen und -verfahren in der rechtswissenschaftlichen Literatur zunehmend Aufmerksamkeit entgegengebracht, mit der die Ökonomisierung der Auswahlmaßstäbe und -verfahren in Zusammenhang steht. Ziel der in diesem Teil folgenden Ausführungen ist die Frage der Integration des Versteigerungsverfahrens als neue Form eines Verteilungsverfahrens in das System der Verwaltungsverfahren. Die Frage einer staatlichen Verteilungsordnung stellt sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Sie ist in der (öffentlichrechtlichen) Rechtsordnung seit jeher - zwar teilweise nur rudimentär - verankert. Auch die Rechtsprechung hatte sich nicht selten mit Verteilungslösungen, die der Gesetzgeber aufgestellt hatte, und exekutiven Auswahlentscheidungen zu befassen. Dies wird - nach einer Darstellung derjenigen Konstellationen, aus denen das Erfordernis einer staatlichen Verteilungsorganisation folgt (dazu unter A) - anhand einer Auswahl von Referenzgebieten gezeigt (dazu unter 3). Nach einer Auswertung der Referenzgebiete hinsichtlich ihrer Auswahlmaßstäbe und Verfahrensregelungen (dazu unter 4) wird der Versuch einer Typenbildung unternommen (dazu unter 5). Es soll die Frage beantwortet werden, ob sich das Versteigerungsverfahren als notwendige Fortentwicklung von Verteilungsverfahren in das System der Verwaltungsverfahren integrieren lässt. Als Ausgangspunkt der Systembildung wird dabei die im bzw. mit dem Verwaltungsverfahren zu erfüllende Aufgabe gewählt.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
191
A. Güterverteilung I. Güterverteilung über den Markt Ist ein Gut knapp, bedarf es seiner Verteilung unter den konkurrierenden Nachfragern. Die Güterverteilung erfolgt in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem vorrangig privatautonom auf Märkten über eine knappheitsgerechte Preisbildung durch Angebot und Nachfrage. Grundsätzlich gilt dieses Vorgehen auch dann, wenn es sich um ein begrenzt vorhandenes Gut handelt, da fast alle Güter zur Deckung individueller Bedürfnisse einen Marktpreis haben und gegen Bezahlung erworben werden können, also kommerzialisiert und monetarisiert sind. 337 An dieser privatautonomen Güterproduktion und -Verteilung nimmt der Staat grundsätzlich nicht unmittelbar teil, außer er tritt selbst als kommerzieller Wettbewerber am Markt auf. 338 Sonst beschränkt sich seine Teilnahme im Wesentlichen darauf, neben der Funktionsfähigkeit der dezentralen Güterverteilung die Wirksamkeit und Sozialverträglichkeit des Wettbewerbs zu sichern. 339 Instrument ist eine Rechtsordnung, die ein Vertragsrecht ebenso wie ein Verfahren zur Sanktion von Störungen - wie das Wettbewerbsrecht - bereitstellt und Eigentumsrechte definiert. Darüber hinaus kann der Staat - hält er dies für notwendig - wettbewerbliche Maßnahmen ergreifen.
II. Güterverteilung durch den Staat Neben der grundsätzlichen Güterverteilung über den Markt gibt es eine Reihe von Ausnahmebereichen, in denen der Staat zumeist aus Gründen des Gemeinwohls 3 4 0 in unterschiedlichem Maße auf die Verteilungsmechanismen des Marktes Einfluss nimmt. 3 4 1 337 Vgl. C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (436). 338 Vgl. dazu P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 300; C. R. Eggers/B. Malmendier, NJW 2003, 780 ff. 339 J, Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 126 f.; A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (23). 340 Verallgemeinerungsfähig ist der Konkurrentenschutz als Gemeinwohlerwägung, der zum Schutze staatlicher Betriebe - wie der Bundesbahn - herangezogen wurde. In diesem Sinne konnte der Bundesminister für Verkehr im Rahmen der Regelung des § 9 Abs. 1 GüKG (Güterkraftverkehrsgesetz i.d.F. vom 22. 12. 1969, BGBl. 1970 I, 2) Höchstzahlen an Kraftfahrzeugen für den Güterfernverkehr bestimmen, vgl. dazu BVerfGE 40, 196, 218 f. Zwischenzeitlich wurde diese quantitative Begrenzung unter Berücksichtigung der Verordnung (EWG) Nr. 1841/88 des Rates vom 21. Juni 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten aufgehoben, ABl. EG Nr. L 163 vom 30. 06. 1988, S. 1 f., vgl. § 3 GüKG vom 22. 06. 1998, BGBl. I, 1485. Im Weiteren spielt der Konkurrentenschutz auch etwa im Taxiund Schornsteinfegergewerbe eine Rolle, vgl. zum Konkurrentenschutz Monopolkommission, Hauptgutachten 1988/89, S. 317 f. Zumeist sind die einschlägigen Gemeinwohlerwägungen allerdings von der jeweiligen Sachmaterie abhängig, so ζ. B. die „Feuersicherheit" als
192 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
1. Staatlicher Einfluss auf die Güterknappheit Dem Staat ist es möglich, auf die Güterknappheit einzuwirken und die Güternutzung zu steuern. Einerseits kann er Maßnahmen zur Verschärfung oder gar Schaffung der Knappheit ergreifen, indem er Güter künstlich verknappt. 342 Denkbar ist in diesem Zusammenhang eine Steuerung durch Verbote wie ζ. B. bei Betäubungsmitteln oder durch die Vorgabe von Kapazitätsgrenzen (z. B. Umweltverschmutzungszertifikate 3 4 3 ). Künstliche Knappheit erzeugt der Staat auch dann, wenn er durch rechtliche Maßnahmen die Güter erst schafft, indem er bestimmte Tätigkeiten verbietet, von diesem Verbot aber begrenzt Ausnahmen zulässt. Instrument ist die Ausnahmegenehmigung, die selbst zum künstlich geschaffenen knappen Gut wird und deren Er- bzw. Verteilung als Hoheitsakt in den Aufgabenbereich des Staates fällt. 3 4 4 Beispiel hierfür sind die Spielbanken- oder Lotteriegenehmigung, die Taxikonzession, die Zulassung zum Bezirksschornsteinfeger und die Bereitstellung zum Notar. Andererseits kann der Staat, will er die Nutzung bestimmter Güter fördern, die Güterknappheit mit Maßnahmen steuern, die die Knappheit verringern oder gar beseitigen.345 Dies kann im Wege mittelbar wirkender Maßnahmen wie der Subventionierung bestimmter Bereiche geschehen. Zudem sind auch unmittelbar wirkende Maßnahmen in Form der eigenen Produktion der Güter bzw. Bereitstellung von Kapazitäten denkbar. Hierzu gehören etwa Schulen, Studienplätze, Schwimmbäder, Start- und Landerechte auf Flughäfen, Markt- und Messestandplätze sowie Parkplätze. Selten wird die Güterknappheit vollständig aufgehoben. 346 Grundsätzlich bleibt auch das staatliche Angebot begrenzt. Gemeinwohlerwägung neben der ausreichenden Einkommenssicherung und Wettbewerbsschutz bei der Zulassung als Bezirksschornsteinfeger nach § 2 Abs. 1 S. 2 BSchFG (Schornsteinfegergesetz vom 15. 9. 1969, BGBl. I, 1634). Gemeinwohlerwägungen im Glücksspielrecht sind die von Glückspiel ausgehenden Gefahren der Bevölkerung und den Spielnehmern, die sich aus der Ausnutzung der Spielleidenschaft ergeben, siehe dazu BVerwGE 96, 302, 311; BVerfGE 102, 197, 215; A Voßkuhle, VerwArch 87 (1996), 395 (410 f.). Siehe dazu auch unter 3. 341 Vgl. dazu C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (434 ff.). 342 Siehe dazu P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (539); Λ. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (24); C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (443 f.). 343 Siehe dazu A. Voßkuhle, in: Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 159 ff.; H.-J. Koch/A. Wieneke, DVB1. 2001, 1085 ff.; S. Kobes, NVwZ 2004, 513 ff.; M. Burgi, NJW 2003, 2486 ff.; J. Schlüter, NVwZ 2003, 1213 ff.; C. Weidemann, DVB1. 2004, 727 ff.; A. Epiney, DVB1. 2002, 579 ff.; E. Rehbinder/M. Schmalholz, UPR 2002, 1 ff. Vgl. auch unten Fn. 512 in diesem Kapitel. 344 R Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (532); A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (24). 345 Siehe dazu P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (539); A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (24); C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (438 ff.).
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
193
Erforderlich ist in allen Knappheitssituationen, für die der Staat die Verteilung übernommen hat, die Auswahl und Verteilung durch Aufstellung von Maßstäben und Verfahren zu organisieren. 347
2. Natürlich knappe Güter Der Staat kann die Verteilung solcher Güter organisieren, die unabhängig von dem Ausmaß ihrer Produktion oder rechtlichen Maßnahmen knapp sind. Zu denken ist insbesondere an die Verteilung natürlicher Umweltressourcen wie etwa die Gewässernutzung. 348 Grundsätzlich unterwirft er diese Güter einer hoheitlichen Nutzungsordnung, deren Zweck die staatlich kontrollierte ressourcen- und umweltschonende Bewirtschaftung ist. 3 4 9 Die Verteilung vollzieht sich durch Einräumung von Nutzungsrechten. 350 In diesen Bereich fallen auch Frequenzen als natürlich knappe Güter, für die der Staat die Bewirtschaftung übernommen hat.
B. Referenzgebiete Zur Kriterienbildung, Bewertung und Systematisierung von Verteilungsverfahren mit dem Endziel der Integration in das System der Verwaltungsverfahren kann eine Betrachtung von Rechtsgebieten, in denen sich bereits Verteilungskriterien und -verfahren entwickelt haben, nützlich sein. 351 Versucht man die jeweiligen Rechtsgebiete zu systematisieren, stehen sich insbesondere drei Komplexe gegenüber. 352 Zunächst existieren Verteilungssituationen, die aus einer natürlichen Knappheit in Sinne solcher Kapazitätsengpässe herrühren, die der Staat nicht oder nur theoretisch beheben kann. Faktisch würde die Auflösung der Knaappheit einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Dazu zählen die Vergabe öffentlicher Aufträge, von Start- und Landerechten auf Flughäfen (so genannten slots) und Frequenzen. Davon zu unterscheiden sind Bereiche wie die Studienplatzvergabe und die Verteilung von Marktstandplätzen, die sich dadurch charakterisieren lassen, dass der Staat als Leistungsträger das zu verteilende Gut bereitstellt. Der Umfang der Güterknappheit ist dabei an die staatliche Bereitstellungsfähigkeit und -bereitschaft gekoppelt.
346 So ζ. B. bei Schulen. 347 Λ. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (23 f.). 348 Vgl. §§ 2 ff. WHG. 349 Vgl. 7. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 127 ff. 350 Vgl. etwa §§ 2, 7 und 8 WHG. 351 Vgl. hierzu auch C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung. 352 Vgl. dazu M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (49). 13 Bumke
194 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Der dritte Bereich der „künstlich verknappten Güter" als klassisches Beispiel der Verteilungssituation ergänzt die betrachteten Referenzbereiche durch Kriterien, die insbesondere von der Rechtsprechung als Ausgestaltungsnotwendigkeiten für Verteilungsverfahren herausgearbeitet wurden und zum Teil universell Anwendung finden. Hierunter fallen reglementierte Berufe oder Dienstleistungen wie der Personenbeförderungsverkehr, in denen die Berücksichtigung sektorspezifischer Gemeinwohlerwägungen eine absolute „künstliche" Knappheitsentscheidung des Staates in Form einer Kontingentierung bedingt. Berufliche und unternehmerische Handlungsmöglichkeiten werden im Wege objektiver Voraussetzungen einer Zulassungsentscheidung im Einzelfall unterworfen.
I. Vergabe öffentlicher Aufträge Eine grundlegend neue Ausgestaltung hat der Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge an private Anbieter für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen erfahren. Dieser Bereich ist von enormer wirtschaftlicher Bedeutung; in der Bundesrepublik entfallen zwischen 10% und 15% des Bruttoinlandsproduktes auf diesen Wirtschaftszweig, was einer Gesamtsumme von etwa € 300 Mrd. entspricht. 353 Der vorgenommene Systemwechsel354 „vom haushaltsrechtlichen Innenrecht zum (auch) bieterschützenden Außenrecht" 355 beruht im Wesentlichen auf der Vorgabenumsetzung verschiedener europäischer Richtlinien 356 , in deren Vordergrund 35? Statistische Angaben machen T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456, (459); E. Pache, DVB1. 2001, 1781 (1782); H. Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (39 Fn. 4). 354 Siehe zur Rechtslage bis dorthin Ρ Schäfer, BB 1996, Beilage Nr. 12, 1 ff.; F. Rittner, NVwZ 1995, 313 ff. 355 So J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (430, 456). Vgl. auch M. Burgi, DVB1. 2003, 949 ff. 356 Nach der sog. Nachprüfungsrichtlinie (Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. Nr. L 395 vom 20. 12. 1989, S. 33 ff.) und der sog. Sektorenrichtlinie (Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. Nr. L 76 vom 23. 03. 1992, S. 14 ff.) wurden die Mitgliedstaaten zunächst verpflichtet, ein Nachprüfungsverfahren einzurichten, mit dessen Hilfe Verstöße gegen das bestehende Vergaberecht effektiv kontrolliert werden können. Jeder, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte oder dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht, besitzt danach ein Initiativrecht, eine Nachprüfung in Gang zu setzen, an deren Ende die Entscheidung einer „unabhängigen Instanz" stehen muss, die „ein Gericht im Sinne des Art. 177 des Vertrages ist", vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 8 Nachprüfungsrichtlinie und Art. 1, Art. 2 Abs. 9 Sektorenrichtlinie. Vier weitere Richtlinien aus den Jahren 1992 und 1993 (vgl. Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
195
eine transparente, wettbewerbsorientierte und neutrale Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens stand. 357 Das deutsche Vergaberecht ist zweigeteilt. Während es für die Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der EG-rechtlich festgelegten Schwellenwerte 358 bei der alten Rechtslage geblieben ist, 3 5 9 finden sich die einschlägigen Regelungen für die Dienstleistungsaufträge, ABl. EG Nr. L 209 vom 24. 07. 1992, S. 1 ff. [Dienstleistungsrichtlinie]; Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. EG Nr. L 199, vom 09. 08. 1993, S. 1 ff. [Lieferkoordinierungsrichtlinie]; Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. EG Nr. L 199 vom 09. 08. 1993, S. 54 ff. [Baukoordinierungsrichtlinie]; Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. EG Nr. L 199 vom 09.08. 1993, S. 84 ff. [Sektorenrichtlinie]) hatten sodann zum Ziel, die deutliche Bevorzugung inländischer Unternehmen bei der Auftragsvergabe zu beseitigen. Ihnen zufolge müssen Aufträge ab einer bestimmten Größenordnung (oberhalb sog. Schwellenwerte) gemeinschaftsweit öffentlich ausgeschrieben werden, das Vergabeverfahren muss nach vereinheitlichten Vorgaben transparent durchgeführt werden und die Vergabe muss diskriminierungsfrei erfolgen. Die betreffenden Richtlinien wurden zwar mittlerweile teilweise geändert (vgl. Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge, ABl. EG Nr. L 328 vom 28. 11. 1997, S. 1 ff.; Richtlinie 9 8 / 4 / E G des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftrags vergäbe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. EG Nr. L 101 vom 01. 04. 1998, S. 1 ff.) und sollen weiter aufgrund der bisherigen Erfahrungen ergänzt und modifiziert werden, die wettbewerbsorientierte, ökonomische Stoßrichtung büeb aber erhalten. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben mittlerweile umgesetzt, siehe zu den auch nach der Neufassung fortbestehenden Problemen und daraus folgendem weiteren Reformbedarf statt vieler E. Pache, DVB1. 2001, 1781 (1787 ff.). 357 Das besondere Bedürfnis für die Regelungsbedürftigkeit dieses Rechtsbereichs ergibt sich insbesondere daraus, dass es den handelnden Amtswaltern vielfach an adäquaten Anreizen fehlt, mit den ihnen anvertrauten Mitteln sparsam umzugehen. Zudem ist des Recht der öffentlichen Auftragsvergabe dadurch gekennzeichnet, dass für die Abwicklung solcher Verträge das Privatrecht einschlägig ist, so die h.M., vgl. z. B. BGHZ 14, 222, 226; 48, 98, 103; zu unterschiedlichen Konstruktionen im Schrifttum vgl. J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (458). Der Staat handelt aber schon bei der Auftragsvergabe nicht „privatautonom", sondern ist grundrechtsverpflichtet, vgl. T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 (477 ff.); H. Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (41 ff.). Die Regelungsbedürftigkeit folgt des Weiteren aus der Problematik, ob mit der Auftragsvergabe so genannte vergabefremde, konjunkturpolitische und sonstige Zwecke verfolgt werden (können), zusammenfassend T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 (459 f.).
358 Vgl. §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB und §§ 1 f. VgV. 359 Gründe dafür sind die formalisierte Verfahrensstruktur des neuen Vergaberechts und die Vermeidung langwieriger Vergabeprozesse. Problematisch ist daran insbesondere, dass die Vergabeentscheidung unberücksichtigt lässt, dass der Staat nicht als privater Auftraggeber auf einem Markt auftritt, sondern in hoheitlicher Funktion grundrechtsverpflichtet einen Marktzugang bestimmt. Dem entspricht der ebenfalls grundrechtlich geschützte Anspruch aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG des potenziellen Auftragnehmers 13*
196 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der Schwellenwerte in den §§ 97 ff. G W B 3 6 0 und in der am Ol. 02. 2001 i n Kraft getretenen, neu gefassten Vergabeverordnung ( V g V ) 3 6 1 . Letztere verweist auf die von den Verdingungsausschüssen D V A 3 6 2 und D V A L 3 6 3 erarbeiteten und verabschiedeten Verdingungsverordnungen für Leistungen, Bauleistungen und freiberufliche Dienstleistungen 3 6 4 , die detaillierte verfahrensrechtliche Regelungen ebenso wie materielle Vergabekriterien enthalten (so genanntes K a s k a d e n p r i n z i p 3 6 5 ) . 3 6 6 § 101 Abs. 1 und 5 G W B bestimmt das offene
Verfahren
zur Vergabe öffentli-
cher Aufträge als den gesetzlichen Regelfall. 3 6 7 auf ein neutrales, transparentes und gerichtlich überprüfbares Vergabeverfahren, vgl. ausführlich T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 (477 ff.). 360 Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26. 08. 1998, BGBl. I, 2512, und Bekanntmachung der Neufassung des GWB vom 26. 08. 1998, BGBl. I, 2546. Vgl. dazu und zum neuen Vergaberecht allgemein W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff.; T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 ff.; M. Holoubek, VVDStRL 60 (2001), S. 513 ff.; A. Vetter, NVwZ 2001, 745 ff.; E. Pache, DVB1. 2001,1781 ff. 361 Vom 09. Ol. 2001, BGBl. I, 110. Vgl. dazu näher H. Höfler/B. Bert, NJW 2000, 3310 ff.; H.-J. Prieß, EuZW 2001, 365 ff.; O. Otting, NVwZ 2001, 775; H. Höfler, NJW 2001, 950 f. 362 Deutscher Verdingungsausschuss für Bauleistungen. 363 Deutscher Verdingungsausschuss für Leistungen - außer Bauleistungen. 364 Verdingungsverordnung für Leistungen (VOL) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 08. 2000, Bundesanzeiger Nr. 200a vom 24. 10. 2000; Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. 07. 2000, Bundesanzeiger Nr. 173a vom 13. 09. 2000; Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. 05. 2000, Bundesanzeiger Nr. 120a vom 30. 06. 2000. Die VOL und VOB enthalten jeweils zwei Teile. Teil A betrifft das dem Vertragsschluss vorgelagerte Verfahren, Teil Β die auf den Regelfall der Auftragsvergabe anzuwendenden allgemeinen Vertragsbedingungen. Während unterhalb der Schwellenwerte nur die jeweils 1. Abschnitte der Verdingungsordnungen Anwendung finden, gelten die 2. Abschnitte und die VOF erst oberhalb der Schwellenwerte. 365 Wegen der statischen Verweisung der VgV auf die Verdingungsverordnungen haben die ursprünglich privaten Regelwerke nach h.M. Rechtssatzqualität mit Verordnungsrang, vgl. BGH NJW 2000, 137 (138). Zustimmend ζ. B. J. Pietzcker, in: Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 61 (63); T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 (472); A. Vetter, NVwZ 2001, 745 (747). Kritisch ζ. Β. M. Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1266 ff.). 366 Der derzeitigen Regelung vorausgegangenen war die zunächst verabschiedete „haushaltsrechtliche Lösung", die aus einer Ergänzung des HGrG durch die §§ 57 a bis c und auf deren Grundlage dem Erlass zweier Verordnungen, der Vergabeverordnung (VgV) zur Umsetzung der Vergaberichtlinien und der Nachprüfungsverordnung (NpV) zur Umsetzung der Nachprüfungsrichtlinien bestand, vgl. Zweites ÄndG zum HGrG vom 26. 11. 1993, BGBl. I, 1928; VgV vom 22. 02. 1994, BGBl. I, 321 - geändert durch die 1. ÄndVO zur VgV vom 29. 09. 1997, BGBl. 1,2384; NpV vom 22. 02. 1994, BGBl. I, 324. 367 Offene Verfahren sind nach der Legaldefinition des § 101 Abs. 2 GWB diejenigen Verfahren, in denen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Nur bei ausdrücklich gesetzlicher Gestattung kann die Vergabe im Wege des nicht offenen Verfahrens (§ 101 Abs. 3 GWB) oder des Verhandlungsverfahrens
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
197
Allgemeine Grundsätze des Verteilungsverfahrens und seiner Entscheidung sind in § 97 G W B niedergelegt, finden sich aber zudem auch i n der V g V . 3 6 8 Materielles Auswahlkriterium ist i n einem transparenten Vergabeverfahren (§ 97 Abs. 1 GWB), in dem alle Teilnehmer grundsätzlich gleich zu behandeln sind (§ 97 Abs. 2 GWB), das wirtschaftlichste Angebot (vgl. § 97 Abs. 5 GWB). Der Zuschlagserteilung geht nach § 97 Abs. 4 G W B die positive Feststellung der grundsätzlich maßgeblichen Eignungskriterien in Form der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit voraus. 3 6 9 Die rechtswissenschaftliche Literatur diskutiert äußerst kontrovers, ob neben dem wirtschaftlichsten Angebot auch so genannte „vergabefremde" - wie konjunktur- und infrastrukturpolitische - 3 7 0 Zielsetzungen bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden k ö n n e n . 3 7 1 Für zulässig erachtet hat der E u G H jetzt die Verfolgung arbeitsmarktpolitischer Z w e c k e . 3 7 2 Ob diese Entscheidung verallgemeinerungsfähig ist, ist noch ungeklärt. 3 7 3 Diesbezüglich dürfen (§101 Abs. 4 GWB) vollzogen werden. Während im nicht offenen Verfahren öffentlich zur Teilnahme aus dem Bewerberkreis sodann eine beschränkte Anzahl von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird, wendet sich der Auftraggeber im Verhandlungsverfahren mit oder ohne vorherige öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an ausgewählte Unternehmen, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln. Allgemein zum Zweck der Ausschreibung und ihrer rationalitätsfördernden Wirkung C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 265 ff. 368
So sieht z. B. § 13 VgV eine Informationspflicht des Auftraggebers gegenüber Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, 14 Tage vor Vertragsschluss über den Grund der Nichtberücksichtigung sowie den Namen des Bieters, dessen Angebot letztlich erfolgreich sein wird, vor. Mit dieser Vorschrift reagiert der Gesetzgeber einerseits auf die Münzplättchen-II-Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (BKartA, NJW 2000, 151), wonach Bieter spätestens zehn Tage vor Zuschlagerteilung darüber zu informieren sind, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden wird, und andererseits auf das Alcatel-Urteil des EuGH (Rs. C-81/98, Slg. 1999, 1-7671 [Alcatel Austria AG u. a., Siemens AG Österreich und Sack-Schrack Anlagentechnik AG/Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr]). Zweck der Vorschrift ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Ein solcher muss vor Zuschlagserteilung möglich sein, da bereits erteilte Zuschläge auch im gerichtlichen Verfahren nicht mehr aufgehoben werden können, vgl. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB. Wird die Informationspflicht nicht eingehalten oder der Zuschlag vor Ablauf der Frist erteilt, ist der Vertrag gemäß § 13 Abs. 4 VgV nichtig. 369
An dieser Stelle erlangen die Verdingungsordnungen Bedeutung, zu den einzelnen Verfahrensstufen siehe A. Vetter, NVwZ 2001, 745 (753 f.). 370 In Betracht gezogen werden z. B. das Betreiben von Regionalförderung, Konjunktursteuerung, Mittelstandsförderung, Umweltschutz, Frauenförderung, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, die Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung oder von Ausbildungsplätzen für Jugendliche oder der Schutz des deutschen Tarifrechts, vgl. als Überblick über die bei der öffentlichen Auftragsvergabe angestrebten Ziele etwa C. Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren, S. 18 ff., m. w. Ν.; 7. Schwarze, in: Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13 (27 f.). 37 1 Ablehnend T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), S. 456 (486 ff.); M. Dreher, JZ 2000, 519 ff. A.A. J.-P Schneider, Die Verwaltung 34 (2001), 317 (323 ff.). Differenzierend H. Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (41 ff.). 37 2 EuGH (Rs. C 225/98), NJW 2000, 3629 Tz. 52 (Kommission/Französische Republik).
198 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
die vom EuGH ebenfalls dargelegten Schranken einer Instrumentalisierung der Auftrags vergäbe nicht übersehen werden. 374 Das neue Vergaberecht wird aufgrund seiner Paradoxie kritisiert. Die Starrheit und Unflexibilität der formalisierten Verfahrensstruktur, die politische Einflüsse ausschließen und fehlende Marktkräfte kompensieren solle, stehe doch gerade im Widerspruch zu einem marktangepassten Verhalten. 375
II. Vergabe von Start- und Landerechten (slots) Verteilungsentscheidungen werden auch im Bereich der Vergabe knapper slots auf stark frequentierten Flughäfen erforderlich. 376 Die Zuteilung von Start- und Landezeiten durch den mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen Flugplankoordinator (vgl. 31 a LuftVG) ist insbesondere in den §§ 27 a, 27 b LuftVG geregelt, wobei §§ 27 a Abs. 1 und § 31 a LuftVG für die Flughafenkoordinierung und damit für das Verfahren der Zeitnischenzuweisung auf das Europäische Recht verweisen. 377 Damit wird auch eine Besonderheit dieses Referenzgebietes deutlich: Bei dem Vergabeverfahren handelt es sich um ein europäisiertes Verteilungsverfahren. 378 Im Hinblick auf eine luftrechtliche Ordnung der Start- und Landeberechtigungen auf einem überfüllten Flughafen hat das BVerwG in der München-Riem-Entscheidung angesichts der inzwischen bestehenden Engpässe sowie der hohen gesell373 Davon geht J.-R Schneider, Die Verwaltung 34 (2001), 317 (325), aus. 374 Vgl. nur die ,»Interpretierende Mitteilung der Kommission über das auf das Öffentliche Auftragswesen anwendbare Gemeinschaftsrecht und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge", 04. 07. 2001, KOM (2001) 274, S. 23 f. 375 So spricht J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (432 f.), von einer Paradoxie: „Starre Regeln sollen politische Einflüsse ausschließen und fehlende Marktkräfte kompensieren, widersprechen aber gerade einem flexiblen, marktangepassten Verhalten. Kein Privatunternehmer würde sich aus wirtschaftlichen Überlegungen einem dem öffentlichen Vergaberecht vergleichbaren starren Einkaufsregime unterwerfen." 376 τ Tschentscher/C. Koenig, NVwZ 1991, 219 ff.; C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 153 ff. 377 Neu ausgestaltet wurde die Zeitnischenzuweisung insbesondere durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 23. Juli 1992, BGBl. I, 1370. Danach war die Zuweisung allerdings noch direkt im LuftVG geregelt. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 14, S. 1 ff., wurde die Flughafenkoordinierung den Regelungen dieser Verordnung unterworfen. Mit der Neufassung der §§ 27 a und 27 b LuftVG durch das 11. ÄndG zum LuftVG vom 25. August 1998, BGBl. I, 2432, in Kraft seit dem 01. März 1999, wurden die bislang bestehenden nationalen Regelungen angepasst, vgl. BT-Drs. 13/9513, S. 31. 378 Vgl. zur Europäisierung allg. W. Hoffmann-Riem, DVB1. 1999, 125 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S. 487 ff.; M. Rujfert, Die Verwaltung 36 (2003), 293 ff. und die Beiträge in W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts.
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schaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Luftverkehrs angenommen, dass eine allgemein-politische Leitscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers geboten sei, die auch normative sach- und fachspezifische Kriterien beinhalten müsse, um den „Verteilungskampf 4 der Flughafenbenutzer zu bewältigen. 3 7 9 Die durch einen Kapazitätsengpass betroffenen Flugunternehmen seien in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls - bei der Neueinführung oder Verschärfung einer Kapazitätslenkung - i n ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) berührt. Das Gebot der Gleichbehandlung werde durch die Zweckbestimmung und die räumlichen Gegebenheiten des Flugplatzes und durch die berührten Grundrechtspositionen differenziert. Dementsprechend dient die Flughafenkoordinierung nach § 27 a L u f t V G i.V.m. der Verordnung 9 5 / 9 3 / E W G der vorausplanenden Verteilung nachgefragter Startund Landezeiten als knappe Kapazitäten auf die vorhandene Flugplatz- und Flugsicherungskapazität. 380 Der Anwendungsbereich des Verfahrens der Zeitnischenzuweisung i m Sinne der Verordnung 9 5 / 9 3 / E W G ist beschränkt auf Flughäfen, die als vollständig koordiniert erklärt w u r d e n . 3 8 1 Nach Art. 6 der Verordnung 9 5 / 9 3 / E W G ermitteln die zuständigen Behörden eines Flughafens, 3 8 2 auf dem Zeitnischen zugewiesen werden, zweimal jährlich 379 BVerwGE 82,246, 254 ff. 380 BT-Drs. 12/1801, S. 14. 381 Nach Art. 2 f. der Verordnung 95/93/EWG ist ein koordinierter Flughafen ein Flughafen, für den ein Koordinator benannt wurde, um die Tätigkeiten der Luftfahrtunternehmen zu erleichtem, die an diesem Flughafen Flugdienste betreiben und betreiben wollen. Um einen vollständig koordinierten Flughafen handelt es sich dagegen nach Art. 2 g der Verordnung 95/93/EWG bei einem koordinierten Flughafen, auf dem ein Luftfahrtunternehmen während der Zeit, in der dieser Flughafen vollständig koordiniert wird, zum Starten und Landen eine von einem Koordinator zugewiesene Zeitnische benötigt. Eine Zeitnische (slot) ist nach Art. 2 a der Verordnung 95/93/EWG die flugplanmäßige Lande- und Startzeit, die für eine Luftfahrzeugbewegung an einem bestimmten Tag auf einem in Sinne der Verordnung koordinierten Flughafen zur Verfügung steht oder zugewiesen wird. Die Verpflichtung, einen Flughafen für koordiniert zu erklären, besteht nur gemäß den Vorschriften des Art. 3 der Verordnung 95/93/EWG. Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung 95/93/EWG ist eine Kapazitätsanalyse zu erstellen, wenn die Flughafenbehörde es für erforderlich hält oder der Ansicht ist, dass die Kapazität nicht ausreicht oder wenn Neubewerber ernste Schwierigkeiten haben, Zeitnischen zu erhalten. Wenn die Analyse keine Möglichkeiten aufzeigt, wie sich die Schwierigkeiten kurzfristig lösen lassen, so stellt der Mitgliedstaat sicher, dass der Flughafen für Perioden, in denen die Kapazitätsprobleme auftreten, für vollständig koordiniert erklärt wird (Art. 3 Abs. 4 der Verordnung 95 / 93 / EWG). In Deutschland ist damit Flughafenkoordinierung sicherlich zulässig auf den in § 27 d LuftVG genannten Flughäfen. Sie kann auch auf anderen Flughäfen angeordnet werden, wenn zumindest zeitweise die Nachfrage größer ist als die verplanbare Kapazität. Welche Flughäfen für koordiniert erklärt wurden ist in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung (FPKV) vom 13. Juni 1994, BGBl. I, 1262, geregelt. 382 Nach § 27 a Abs. 2 S. 1 LuftVG ist das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen zuständig.
200 2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren die Kapazität, die für die Zeitnischenzuweisung zur Verfügung steht. 3 8 3 Es wird für jede koordinierte Periode ein Pool eingerichtet, der neu geschaffene, ungenutzte sowie solche slots enthält, die ein Luftfahrtunternehmen während oder zum Ende einer Flugplanperiode aufgegeben hat oder die auf andere Weise verfügbar geworden sind (Art. 10 der Verordnung 95 / 93 / E W G ) . 3 8 4 Das Verteilungsverfahren ist i m Wesentlichen in den Art. 8 und 10 der Verordnung 9 5 / 9 3 / E W G geregelt. Vorrang bei der Verteilung haben gemäß Art. 10 Abs. 3 bis 5 der Verordnung 9 5 / 9 3 / E W G zunächst diejenigen Luftfahrtunternehmen, die solche slots beantragen, die ihnen in der letzten entsprechenden Flugplanperiode 3 8 5 bereits zugewiesen w a r e n . 3 8 6 Der Vorrang besteht insofern, als die Anträge auf Wiederherstellung dieser so genannten „Großvaterrechte" nicht aus dem beschriebenen Zeitnischenpool bedient werden. 3 8 7
383
Die vorausplanende Verteilung von Start- und Landezeiten beginnt demnach bereits etwa sechs Monate vor einer neuen Flugplanperiode, deren Beginn und Ende international festgelegt werden und die sich im Allgemeinen über einen Zeitraum von sechs Monaten erstreckt. Die Luftverkehrsgesellschaften legen dabei ihre nach kommerziellen Gesichtspunkten orientierten Planungen vor. Diese individuellen Pläne müssen untereinander abgestimmt und mit den vorhandenen Kapazitäten an den jeweiligen korrespondierenden Flughäfen am Abflug- und Zielort und im Luftraum in Einklang gebracht werden. Festgesetzt wird dafür ein Koordinierungseckwert, mit dem die in einer Zeiteinheit planbare Zahl der Starts und Landungen beschrieben wird. Wegen der Bedeutung des Koordinierungseckwertes für die optimale Kapazitätsauslastung und im Hinblick auf die kommerziellen Interessen des Flughafens ist der Betreiber des Flughafens bei der Festsetzung des Eckwerts zu beteiligen. Auch die für die Flugsicherung zuständige Stelle und die betreffenden Luftfahrtunternehmen sind anzuhören (§ 27 a Abs. 2 LuftVG). Ebenso ist die Teilnahme der Länder am Verfahren notwendig, da diese Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden für die Anlage und den Betrieb der Flughäfen sind und die regionalen und wirtschafts- und verkehrspolitischen Interessen des Landes vertreten, vgl. auch BT-Drs. 11/6261, S. 13 zu § 27 a Abs. 4 LuftVG. 384 Nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung 95/93/EWG kann ein Mitgliedstaat auf einem vollständig koordinierten Flughafen bestimmte Zeitnischen für innerstaatliche Linienflugdienste auf Strecken reservieren, mit denen entweder Rand- oder Entwicklungsgebiete eines Hoheitsgebiets bedient werden oder für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt wurden. „Großvaterrechte" können hier nicht erworben werden. 38
5 Vgl. die Legaldefinition in Art. 2 d der Verordnung 95/93/EWG, wonach eine Flugplanperiode entweder die Sommer- oder die Wintersaison in den Flugplänen der Luftfahrtunternehmen ist. 386
Es muss sich dabei allerdings um eine Abfolge von slots im Linienflugverkehr oder im programmierten Gelegenheitsflugverkehr handeln, die in dieser Flugplanperiode zumindest zu 80% genutzt wurden bzw. deren Nichtnutzung begründet wurde, Art. 10 Abs. 3 und 5 der Verordnung 95/93/EWG. Bei einer Abfolge von Gelegenheitsflugdiensten muss die Ausnutzung bei mindestens 70% liegen, Art. 10 Abs. 5 d der Verordnung 95 / 93 / EWG. 387 Vgl. Art. 10 Abs. 3 bis 5 der Verordnung 95/93/EWG. Diesem Konzept zustimmend E. Giemulla, in: E. Giemulla/R. Schmid (Hrsg.), Luftverkehrsgesetz, vor §§ 27 a Rn. 7. Kritisch dazu C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 153 ff. Änderungsvorschläge bei C. Koenig/T. Tschentscher, NVwZ 1991, 219 ff.; H. Wolf, Die Weltwirtschaft 1991, Heft 2, 187 ff.; J. Borrmann, WuW 1991, 678 ff.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
201
In der Zuweisungsreihenfolge folgt nun die Vergabe aus dem Zeitnischenpool auf die antragstellenden Unternehmen (Art. 10 Abs. 7 S. 1 der Verordnung 95/93/EWG), wobei zunächst die Rechte von Neubewerbern 388 gemäß Art. 10 Abs. 7 S. 2 der Verordnung 95/93/EWG klassifiziert werden. Hier kommt der Kompromiss zwischen der Intention der Verordnung, den Luftverkehr dem Wettbewerb zu öffnen, und den Bedürfnissen der bereits am Markt agierenden Unternehmen nach Planungssicherheit zum Ausdruck. Danach stehen Neubewerbern 50% der im Zeitnischenpool für einen Flughafen vorhandenen slots zu, so dass auch Newcomern eine Marktzutrittschance eingeräumt wird. 3 8 9 Nach Art. 8 Abs. 1 b der Verordnung 95/93/EWG wird als nächstes dem gewerblichen Luftverkehr, insbesondere dem Linienflug- sowie dem programmierten Gelegenheitsflugverkehr, Vorrang eingeräumt, falls nicht allen slot-Anträgen zur Zufriedenheit der betreffenden Luftfahrtunternehmen stattgegeben werden kann. Sofern nach Anwendung der genannten Prioritäten noch slots im Zeitnischenpool vorhanden sind, werden anschließend alle Anträge jeder beliebigen Berufskategorie (einschließlich der allgemeinen Luftfahrt) bedient (Art. 8 Abs. 3 der Verordnung 95/93/EWG). Dies schließt auch Anträge auf kurzfristig zuzuweisende Starts ein, die entweder aus dem Zeitnischenpool oder aus kurzfristig freigewordenen Kapazitäten zugewiesen werden. 390
ΙΠ. Hochschulzulassung Insbesondere mit den Entscheidungen zur Studienplatzvergabe („numerus clausus") hat das BVerfG für Verteilungsentscheidungen im Leistungs- und Zuteilungsstaat wesentliche Grundlagen entwickelt. 391 Da der Staat selbst die Einrichtung Universität zur Verfügung stellt und die Verteilungsentscheidung ihre Ursache eben in dieser Zurverfügungstellung hat, ist die Verteilungsentscheidung teilhabe388 Vgl. die Definition in Art. 2 b i.V.m. Art. 10 Abs. 8 der Verordnung 95/93/EWG. Ein Neubewerber, dem Zeitnischen in einer Spanne von jeweils zwei Stunden vor oder nach der beantragten Zeit angeboten wurden, der dieses Angebot jedoch nicht angenommen hat, verliert den Status des Neubewerbers, Art. 10 Abs. 8 der Verordnung 95/93/EWG. 389 Dies gilt unter der Voraussetzung, dass sich die Anträge von Neubewerbern auch auf mindestens 50% belaufen. Für den Fall schwerwiegender Probleme hinsichtlich der Anträge von Neubewerbern stellt der Mitgliedstaat sicher, dass eine Sitzung des Koordinierungsausschusses unter Beteiligung der EU-Kommission einberufen wird, auf der Abhilfemöglichkeiten zu prüfen sind, Art. 10 Abs. 6 der Verordnung 95/93/EWG. Vgl. auch T. Tschentscher/C. Koenig, NVwZ 1991, 219 (222 f.). 390 Mit der Vorrang-Abweichungsregel des Art. 27 b LuftVG sollen Abweichungen von der Vorrangregelung der Verordnung 95/93/EWG ermöglicht werden. Als Gründe für eine Abweichung kommen öffentliche Interessen, insbesondere hoheitliche Interessen, das öffentliche Verkehrsinteresse oder Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen sind auch Fragen des Markteintritts neuer Wettbewerber, Aspekte des regionalen Luft- und Geschäftsverkehrs sowie des Umweltschutzes zu zählen, vgl. BT-Drs. 11/6261, S. 13; BR-Drs. 80/90, S. 46 f. 391 Vgl. BVerfGE 33, 303; 43, 291; 85, 36.
202 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
rechtlich strukturiert. Sind die Ausbildungsplätze, die zur Verfügung gestellt werden können, knapp, besteht nur ein Zulassungs-(Teilhabe-)anspruch nach Maßgabe der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot abzuleitenden Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit unter Ausschöpfung aller vorhandenen Kapazitäten. 392 Damit hat sich die Auswahl- und Verteilungsentscheidung zum einen an den jeweils vorhandenen Kapazitäten zu orientieren. Die Bestimmung der vorhandenen Kapazität im Rahmen des in diesem Zusammenhang ebenfalls entwickelten Kapazitätsausschöpfungsgebots 393 unterliegt hohen Anforderungen. 394 Die wesentlichen Entscheidungen über die Voraussetzungen für die Anordnung absoluter Zulassungsbeschränkungen und über die anzuwendenden Auswahlkriterien hat der Gesetzgeber selbst zu treffen. 395 Zum anderen unterliegt die Auswahlentscheidung aus der Verteilungsgerechtigkeit abzuleitenden Kriterien. 396 Der Aufstellung der Kriterien liegt die Problematik zugrunde, dass die Verteilung der knappen Studienplätze aus einer Gruppe erfolgen muss, die alle die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, also grundsätzlich in gleicher Weise anspruchsberechtigt sind. Daraus folgt, dass der Auswahlentscheidung über die bloße Willkürfreiheit hinaus auch Gerechtigkeitserwägungen zugrunde liegen müssen und sie zudem für den Benachteiligten zumutbar sein muss. Dies ist insbesondere nur dann der Fall, wenn alle an sich Zulassungsberechtigten auch eine Chance im Auswahlverfahren erhalten. Als Auswahlkriterien werden nur solche materiellen Kriterien als sachgerecht angesehen, die sich entweder 392 BVerfGE 33, 303, 329 ff., 332. Vgl. aus der Literatur statt vieler D. Murswiek, HdbStR V, § 112 Rn. 80. Grundsätzlich kann auch eine Pflicht des Staates zur Erweiterung der Ausbildungskapazitäten nicht ausgeschlossen werden, wenn ansonsten der grundrechtliche Zulassungsanspruch weitgehend, d. h. für einen weit überwiegenden Teil der Bewerber leer laufen würde, vgl. BVerfGE 33, 303, 333. Dies gilt im Sinne dessen, „was der Einzelne vernünftigerweise von der Gemeinschaft beanspruchen kann". Hierzu P. Häberle, DÖV 1972, 729 (732 ff.). 393 BVerfGE 33, 303, 338 ff. Siehe hierzu im Zusammenhang mit Verteilungsverfahren auch P. Badura, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, S. 529 (535 f.); M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (55 f.). 394 Die Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten kann nur im Kontext mit der Funktionsfähigkeit der Hochschule als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Studienbetriebs als das die Zulassungsbeschränkung letztlich rechtfertigende überragend wichtige Gemeinschaftsgut gesehen werden. Die Abhängigkeit des Ausmaßes der Funktionsfähigkeit der Universität auch von organisatorischen Faktoren verpflichtet zur Optimierung der Mängelverwaltung, d. h. sie begründet eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Optimierung der Nutzung der Ausbildungskapazitäten, vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1990, 349 ff. Ein Recht auf Vermehrung der bereitgestellten Kapazität kann der Bewerber allerdings aus seinem Zulassungsanspruch nicht ableiten. 395 BVerfGE 33, 303, 345. 396 BVerfGE 33, 303, 340 ff. Siehe hierzu im Zusammenhang mit Verteilungsverfahren auch Ρ Badura, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, S. 529 (535 f.); M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (56).
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
203
an der persönlichen Situation des Bewerbers (ζ. B. Auswahl nach sozialen Härtefällen, Wartezeiten etc.) oder am individuellen oder öffentlichen Interesse am Studienerfolg (Eignung, Leistung etc.) orientieren. Die Sachgerechtigkeit des Vergabeverfahrens fordert des Weiteren, dass die jeweiligen Kriterien nicht lediglich isoliert angewendet werden, sondern in einem gewissen Rang- und Mischungsverhältnis stehen, so dass auch ζ. B. weniger begabte Bewerber eine Zulassungschance erhalten. 397 Rein formale Kriterien wie das Los dürfen nur als ultima Ratio-Kriterium bei gleichrangigen Bewerbern vorgesehen werden. Die vom BVerfG für die Verteilungsentscheidung im Hochschulbereich entwickelten Grundlagen finden sich im HRG wieder, die durch ein hohes Maß an Komplexität gekennzeichnet sind. Die Kapazitätsausschöpfungspflicht ist in §§ 29, 30 HRG geregelt. Wird erwartet, dass die Zahl der Bewerber die vorhandenen Kapazitäten übersteigt, darf die Zulassungszahl von der jeweiligen Hochschule nicht niedriger festgesetzt werden, als dies unter Berücksichtigung der personellen, räumlichen, sächlichen und fachspezifischen Gegebenheiten zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wahrnehmung der Hochschulaufgaben unbedingt erforderlich ist (§ 29 Abs. 2 S. 1 HRG). Das Verfahren zur Festsetzung der Zulassungszahlen findet sich in § 30 HRG. Das Verteilungsverfahren regelt § 31 Abs. 2, wonach bei ausreichender Anzahl vorhandener Studienplätze die an den einzelnen Hochschulen vorhandenen Studienplätze möglichst nach den Ortswünschen und, soweit notwendig, bis zu einem Viertel der Studienplätze nach dem Grad der nach § 27 HRG nachgewiesenen Qualifikation, im Übrigen aber nach den für die Ortswahl maßgebenden sozialen, insbesondere familiären und wirtschaftlichen Gründen zu vergeben sind. Bei Knappheit der Studienplätze findet gemäß § 31 Abs. 3 HRG ein Aus wähl verfahren nach Maßgabe der §§32 bis 35 HRG statt, wonach die genannten Kriterien in einem Mischungsverhältnis die Auswahlentscheidung herbeiführen. 398
IV. Verteilung von Marktstandplätzen Soweit es sich um einen festgesetzten Markt handelt, geht der Frage nach sachgerechter Verteilung von Marktstandplätzen ebenfalls ein grundsätzlicher Anspruch des Händlers auf Zulassung zur Veranstaltung nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen voraus (§ 70 Abs. 1 GewO, Grundsatz der Marktfreiheit 399 ). 400 397 in diesem Zusammenhang sind ζ. B. auch so genannte ,Landeskinderklauseln" als sachfremd abgelehnt worden, vgl. dazu § 35 HRG. 398 Der Vergabe nach Wartezeit (vgl. § 32 Abs. 3 Nr. 2 a)HRG) haftet zwar in gewisser Weise auch das formale Kriterium der Priorität an, es enthält allerdings in diesem Zusammenhang die wertende Komponente der Rückanbindung an die persönliche Situation des Bewerbers und kommt zudem in einem Kriterienmix als eben gerade nicht allein ausschlaggebendes Kriterium zur Anwendung, vgl. F.-E. Humborg, DVB1. 1984, 545 (548 f.).
204 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren Der Veranstalter kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen (§ 70 Abs. 3 GewO). Die faktischen Gegebenheiten hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Fläche können damit zu einer quantitativen Zugangsbeschränkung werden. 4 0 1 Aus dem grundsätzlichen Zulassungsanspruch wird aber eine Kapazitätsausschöpfungsverpflichtung bzw. eine Verpflichtung zur so genannten optimalen Mängelverwaltung hergeleitet, wenn die Zahl der Bewerber das Platzangebot übersteigt. 4 0 2 Die Ausgestaltungsbefugnis des Veranstalters hat sich insbesondere am Veranstaltungszweck zu orientieren. 4 0 3 Ein Verteilungsverfahren bei einer das Angebot an Standplätzen überschreitenden Nachfrage ist nicht normativ geregelt. Diesbezüglich hat die Verwaltung unterschiedliche Kriterien entwickelt und angewendet, die die Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots beurteilt, das sachgerechter Dif399 Vgl. §§ 69, 60 b Abs. 2 GewO. Eine grundrechtliche Absicherung der Marktfreiheit in ihrer leistungsrechtlichen Komponente ist zwar eher zweifelhaft, doch handelt es sich beim Schaustellergewerbe um eine in besonderem Maße vom, vor allem bei den Kommunen liegenden, Veranstaltermonopol abhängigen Berufsausübung, der insofern eine teilhaberechtliche Relevanz nicht abzusprechen ist. Die einzelne Ablehnung einer Zulassung berührt zwar im System von Art. 12 Abs. 1 GG jeweils nur die Berufssausübung, in ihrer Gesamtheit wirkt sich aber die Zuteilung oder Verweigerung von Standplätzen in gravierender Weise auf die berufliche Existenz eines jeden einzelnen Schaustellers aus, vgl. dazu Η.Ά. Roth, WiVerw 1985,46 (49, 57 f.). 400
Auch das Gemeinderecht vermittelt einen Zulassungsanspruch von Händlern und Schaustellern zu Märkten im Hinblick auf die Zuteilung knapper Standplätze. Wird der Markt von einer Gemeinde als öffentliche Einrichtung geschaffen, sehen alle Gemeindeordnungen vor, dass alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften das Recht haben, die Einrichtung zu nutzen. Auf diesen kommunalrechtlichen Zulassungsanspruch kann sich ein Händler oder ein Schausteller berufen, der sich als Gemeindeangehöriger um einen Standplatz bewirbt. Das Gewerberecht verdrängt für seinen Anwendungsbereich das Gemeinderecht, doch sind die Zulassungsgrundsätze, abgesehen von dem kommunalrechtlichen Merkmal der Gemeindeangehörigkeit, der Sache nach übereinstimmend, vgl. R J. Tettinger, in: Gewerbeordnung, § 69 Rn. 3 ff. 401
Insofern können die Veranstalter auch nicht zu einer räumlichen Kapazitätsausweitung verpflichtet werden, vgl. BayVGH GewArch. 1982, 98 (98); OVG Hamburg, GewA 1987, 303 (305); BayVGH, GewArch 1988, 245 (246). 402
Das Zurückhalten von Platzreserven ist unzulässig, vgl. z. B. OVG Hamburg, GewA 1987, 303 (305); OVG Saarland, GewArch 1992, 236 f.; H.-A. Roth, WiVerw 1985, 46 (51); T. Schalt, GewA 1981, 150 (151); P. J. Tettinger, in: Gewerbeordnung, § 70 Rn. 36. Positiver Ausfluss einer optimalen Mängelverwaltung ist, dass der Veranstalter gegebenenfalls durch Änderungen der Platzzuweisungen oder Verkleinerungen der Standplätze möglichst vielen Interessenten die Zulassung gewähren muss, vgl. U. Schönleiter, in: Landmann/ Rohmer, GewO, § 70 Rn. 16. 403 Wenn es zu seiner Erreichung erforderlich ist, kann der Veranstalter die Veranstaltung auf bestimmte Aussteller-, Anbieter- und Besuchergruppen beschränken, soweit dadurch gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden (§70 Abs. 2 GewO), vgl. hierzu VGH München, GewA 1991, 230.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
205
ferenzierung im Hinblick auf die Zweckbestimmung und die räumlichen Gegebenheiten zugänglich ist. 4 0 4 Zum einen werden eindeutig formale Kriterien wie die (zeitliche) Priorität oder das Los zur Auswahl herangezogen. Die Rechtsprechung erachtet eine Auswahlentscheidung anhand formaler Kriterien in der Regel für zulässig, die lediglich die gleiche Wahrscheinlichkeit zur Zulassung garantieren, sich aber nicht am Veranstaltungszweck orientieren. 405 Zum anderen werden Auswahlentscheidungen in diesem Sachbereich auch anhand materieller Kriterien wie der Attraktivität des Standes und der Bekanntheitsund Bewährungsgrade der Bewerber getroffen. 406 Eine Verteilungsentscheidung nach materiellen Kriterien, die sich an der Zweckbestimmung und den räumlichen Gegebenheiten der Veranstaltung orientiert, ist allerdings im Hinblick auf ihre Bestimmtheit und Nachvollziehbarkeit problematisch. 407 Hinzu kommt, dass eine Vergabe nach Maßgabe „bekannt und bewährt" als Ermessenspraxis ein Auswahlprinzip zugrunde legt, das letztlich einen Vorrang des Altbewerbers vor dem Neubewerber begründet, denn der Neubewerber erhält faktisch kaum eine Chance, den erforderlichen Grad an Bekanntheit und Bewährung zu erreichen. 408 Damit nimmt das eigentlich wertende Kriterium zumindest teilweise einen formalen Charakter in Form des Prioritätsgedankens an. 4 0 9 Beschränkt ist diese Praxis insofern, als das Auswahlkriterium „bekannt und bewährt" zwar eine Präferenz begründet, aber nicht dazu führen darf, dass Neubewerber von der Zulassung ausgeschlossen werden. 4 1 0 Die Rechtsprechung erachtet mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine Verteilungsentscheidung als ermessensfehlerhaft, der ein System zugrunde liegt, das Neubewerbern oder nicht stetig auftretenden Wiederholungsbewerbern weder bei Erstantragstellung noch in einem zeitlich erkennbaren Turnus eine Teilnahmechan411
ce einräumt. 404 Siehe dazu T. Schalt, GewArch 1981, 150 ff.; P. J. Tettinger, DÖV 1993, 236 (239 f.); P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (536 f.); M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (53 f.). 405 Kritisch H.-A. Roth, WiVerw 1985,46 (53). 406 BVerwG DÖV 1982, 82. 407 Vgl. ρ j m Tettinger, in: Gewerbeordnung, § 70 Rn. 26. 408 Das BVerwG (DVB1. 1984, 1071, 1072) fordert zwar, dass Neubewerber nicht „auf unabsehbare Zeit" von der Teilnahme an einem Markt ausgeschlossen werden dürfen und eine gewisse Quote an Standplätzen Neubeschickern vorzubehalten sei, jedoch ist diese Quote praktisch sehr gering, vgl. ζ. B. dazu das VG Freiburg, VB1BW 1988, 312, 314, das ein Verhältnis von 8:2 für ausreichend erachtet. Es reiche aus, wenn in Bezug auf die verbleibenden zwei Plätze „bei beharrlich-regelmäßiger Bewerbung" im Rahmen einer Vormerkzeit von fünf Jahren eine „reelle Chance" des Zugangs bestünde. Siehe dazu auch M. SchmidtPreuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 408 m. w. N. 409
C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 139 ff. Etwa weil dieser Auswahlgesichtspunkt für die Zulassungsentscheidung auf unbegrenzte Zeit und als allein ausschlaggebend herangezogen wird, vgl. BVerwG, GewA 1984, 265,266; OVG Münster, GewA 1991, 113 und 229, 230. 410
4
n OVG Münster GewArch 1991, 229.
206 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
V. Verteilung von Taxikonzessionen Schließlich erfordert der Bereich der Personenbeförderung mit Taxen Verteilungsentscheidungen zwischen konkurrierenden Bewerbern. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46, 47 PBefG ist für den Verkehr mit Taxen zur Beförderung von Personen eine Genehmigung erforderlich, deren Voraussetzungen in § 13 Abs. 1, 4 und 5 PBefG geregelt sind. 412 Nach § 13 Abs. 4 S. 1 PBefG ist die Genehmigung zu versagen, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden, dass durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wäre. 413 Damit ist die Zahl der Genehmigungen insoweit kontingentiert, als bei einer höheren Anzahl an Genehmigungen die Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes bedroht wäre. Dies ist bereits dann der Fall, wenn konkret belegt werden kann, dass auf die Erteilung weiterer Genehmigungen schwerwiegende Mängel in der Verkehrsbedienung folgen können. 414 Im Rahmen dieser Entscheidung hat die Genehmigungsbehörde nach § 13 Abs. 4 S. 2 PBefG u. a. die Nachfrage nach Beförderungsaufträgen im Taxen verkehr (Nr. 1) und die Taxendichte (Nr. 2) und damit verkehrspolitische Motive zu berücksichtigen. Über den Berücksichtigungsvorbehalt hinsichtlich der Ertrags- und Kostenlage in § 13 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 PBefG fließt allerdings auch ein wettbewerbspolitischer Belang im Sinne eines Konkurrenzschutzes in die Entscheidung ein, wobei dieser allenfalls als Nebenzweck neben dem Hauptziel der Kontingentierung in Form des ordnungsgemäßen Funktionierens des Taxigewerbes im Rahmen des öffentlichen Verkehrsangebots Geltung erlangt. 415 Aus dem grundrechtlich begründeten Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Genehmigungserteilung folgt, dass die Behörde die vorhandenen Kapazitäten vollständig auszuschöpfen hat. 4 1 6 In Wechselbeziehung steht das Kapazitätsausschöpfungsgebot mit einer gewissen Nutzungsverpflichtung des Genehmigungsempfängers, 417 deren Begründung wiederum vornehmlich aus der Befriedigung der öffentlichen Verkehrsinteressen abzuleiten ist. 4 1 8 Gleichzeitig bedingt eine solche Verpflichtung in verfassungsrechtlich gebotener Weise aber auch die optimale Ausnutzung der knappen Genehmigungen, indem sie ein Horten verhindert. 419 412
Positiv formuliert § 13 Abs. 1 PBefG die Gewährleistung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs (Nr. 1), die Zuverlässigkeit (Nr. 2) und fachliche Eignung (Nr. 3) des Antragstellers. 4
13 Siehe dazu BVerwG, DVB1. 1990, 50; BVerwGE 79, 208. * BVerwG, NJW 1990, 1376,1378. 4 15 BVerwG, NJW 1990, 1376,1378; BVerwGE 79, 208,210 ff. 4 4
416 Allerdings kommt ihr dabei ein durch den Normzweck begrenzter Prognosespielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, vgl. BVerfGE 79, 208, 213, 217. 417 Diese zeigt sich ζ. B. darin, dass nach § 13 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PBefG ein Antragsteller gegenüber einem anderen grundsätzlich nachrangig behandelt wird, wenn er das Taxengewerbe nicht als Hauptbeschäftigung zu betreiben beabsichtigt (Nr. 1) oder wenn er sein Unternehmen nicht als Hauptbeschäftigung betrieben hat (Nr. 2). 41 s Vgl. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 13 Rn. 91 f.
3. Kap.: Das Versteigerungs verfahren
207
Das Verteilungsverfahren für die Erteilung neuer Genehmigungen regelt § 13 Abs. 5 PBefG. Neubewerber sind neben vorhandenen Unternehmen angemessen zu berücksichtigen, so dass ihnen nicht dauerhaft der Marktzutritt verweigert werden darf (§13 Abs. 5 S. 1 PBefG). Bei Neuerteilung von Genehmigungen ist die Anzahl der Genehmigungen auf eine beschränkt, wenn nicht mehr Genehmigungen erteilt werden können, als Antragsteller vorhanden sind (§13 Abs. 5 S. 4 PBefG). Damit wird gewährleistet, dass möglichst viele Antragsteller bedient werden. Innerhalb der Bewerbergruppe erfolgt die Genehmigungserteilung nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Anträge, das heißt, es gilt das formale Kriterium der zeitlichen Priorität. 420 Trotz dieses formal gleichen Zugangs zu Taxikonzessionen werden allerdings Neubewerber gegenüber bisherigen Genehmigungsinhabern im Ergebnis benachteiligt. Zwar wird die Genehmigung eines Neuberwerbers auf zwei Jahre und die eines bisherigen Genehmigungsinhabers auf vier Jahre befristet erteilt (§13 Abs. 5 S. 5, § 16 Abs. 3 BPefG). Trotz der Befristung geht das PBefG aber davon aus, dass mit der Genehmigung eine schutzwürdige Rechtsposition erworben wird. 4 2 1 Ist die Geltungsdauer der Genehmigung abgelaufen, wird sie regelmäßig dem bisherigen Genehmigungsinhaber erneut erteilt; 422 sie gelangt damit gar nicht erst in den „Topf 4 neu zu vergebender Genehmigungen. Ins Verteilungsverfahren wird sie nur rückgeführt, wenn eine erneute Genehmigungserteilung an einer in der Person des alten Genehmigungsinhabers liegenden Ursache scheitert. 423 Aus diesem Grunde sind sowohl die Kapazitäten als auch der Verteilungsspielraum der Vergabebehörde stark verengt.
419
Vgl. auch M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (51). 4 20 Die Auffassung einiger Verwaltungsgerichte (vgl. BayVGH NJW 1962, 2219, 2220; OVG Münster, NVwZ-RR 1991, 147), dass das Prioritätsprinzip ein sachgerechtes Kriterium für die Vergabe von Taxikonzessionen nach § 13 Abs. 3 PBefG darstelle, ist vom BVerwG (E 16, 190, 192 f.; 23, 314, 318 f.) bestätigt worden. Auch das BVerfG (E 11, 168, 186 ff.) hat die Kontingentierung als objektive Berufszulassungsschranke im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes für zulässig erachtet. Siehe auch P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (534); C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 126 ff. 42
* Siehe auch BT-Drs. 3/2450, S. 5. Dies leitet die h.M. aus § 13 Abs. 3 S. 1 PBefG ab, der vorschreibt, dass der Umstand, dass ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden ist, im öffentlichen Personennahverkehr, wozu nach § 8 Abs. 2 PBefG der Taxenverkehr zählen kann, angemessen zu berücksichtigen ist, vgl. hierzu ausführlich Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 13 Rn. 81 ff., 91. 422
423 (Verfassungsrechtliche gebotener) Besitzstandsschutz kann damit zu einem wesentlichen Problem von Verteilungsordnungen werden, siehe dazu M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (52).
208 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
C. Auswertung der Referenzgebiete Schon die beschränkte Auswahl von Referenzgebieten, die durch die direkte staatliche Zuteilung von Gütern, Leistungen oder Nutzungsrechten zwischen unmittelbar konkurrierenden Nachfragern gekennzeichnet sind, macht deutlich, dass die Verteilungsproblematik anhand unterschiedlicher Verteilungsverfahren und -kriterien gelöst wird. Die Verteilungskriterien können von den Verteilungsverfahren und den jeweiligen Gründen für eine staatliche Verteilungsordnung, also vor allem nach der Beschaffenheit des knappen Gutes, unterschieden werden, wobei allerdings Zusammenhänge und Wechselwirkungen bestehen können, die in der Auswertung herausgearbeitet werden. Einfluss auf die Wahl der Verteilungskriterien haben darüber hinaus Verteilungsziele wie insbesondere Gemeinwohlerwägungen, die entweder der Verteilungssituation selbst anhaften oder als Nebenzweck verfolgt werden sollen. Bestimmte Verteilungsziele und -kriterien bedingen ein konkretes Zuteilungsverfahren und bestimmte Verfahren treffen bereits zumindest teilweise eine Vorentscheidung über die Kriterien, die bei ihrer Anwendung verteilungsrelevant sind. 424 Dass kein einheitlicher Kriterienkatalog zur Lösung von Zuteilungsentscheidungen besteht, ist zum Teil sicherlich auch historisch bedingt. Für die Frage, inwieweit die Kriterien verallgemeinerungsfähig sind, sich also (rechtliche) Anforderungen an Verteilungsverfahren formulieren lassen, sollen die Referenzgebiete hinsichtlich der Verteilungskriterien und ihrer Verfahrenselemente zusammenfassend betrachtet werden.
I. Auswahlkriterien Betrachtet man die jeweilige Kriterienwahl, differieren die Referenzgebiete erheblich. Teilweise fehlen Verteilungskriterien in der gesetzlichen Regelung - wie in der GewO - 4 2 5 vollständig oder es wird auf rein formale Kriterien wie die zeitliche Priorität 426 zurückgegriffen. Hat der Gesetzgeber wertende Kriterien gewählt, hat er nicht selten zugleich die inhaltliche Entscheidung durch die Wahl unbestimmter, zumeist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Rechtsbegriffe auf die Verwaltung delegiert 427 Nur im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe 424 Ζ. B. impliziert eine Entscheidung für den Markt als Verteilungsmechanismus zwangsläufig, dass die Güterverteilung nach einem ökonomisch orientierten Kriterium wie der finanziellen Leistungsfähigkeit erfolgt. 425 Ebenso beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (vgl. etwa § 10 Abs. 2 BWGO, Art. 21 Abs. 1 BayGO, § 8 Abs. 2 NWGO) oder im Subventionsrecht, vgl. dazu G. Haver kate, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 29 ff.; R. Schmidt, in: Besonderes Verwaltungsrecht, Band I, § 1 Rn. 165 ff. 426 Vgl. dazu insb. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 ff.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
209
oberhalb der EU-Schwellenwerte wählte der Gesetzgeber einen wettbewerbsorientierten, marktwirtschaftlichen Verteilungsmaßstab. Allerdings besteht auch hier immer noch Streit darüber, ob nicht so genannte vergabefremde Kriterien in die Vergabeentscheidung einfließen dürfen, womit sich wiederum das Problem einer an die Verwaltung delegierten Verteilungsentscheidung anhand unbestimmter Rechtsbegriffe ergibt. Die gesetzlichen Regelungen zu Verteilungsverfahren treffen zudem meist lediglich punktuelle Entscheidungen, die sich am konkreten Bedarf zum jeweiligen Zeitpunkt orientieren, doch dann dauerhaft zuweisen. Sie beachten nicht, dass sich die Verteilungsproblematik aufgrund faktischer Einflüsse ändern kann und sich infolgedessen in anderer Gestalt stellt. 428 Das Problem der gerechten Verteilung „in der Zeit" ist vom Gesetzgeber teilweise nicht ausreichend berücksichtigt worden, wodurch insbesondere Newcomer im jeweiligen Sachbereich - ζ. B. bei der Vergabe von Taxikonzessionen - potenziell benachteiligt sind 4 2 9 In mehreren der beschriebenen Referenzgebiete sind in zum Teil unterschiedlicher Regelungsintensität Kriterien zur Bestimmung und Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten entwickelt worden. Die Kriterienaufstellung in diesem Zusammenhang ist bedingt dadurch, welche politischen und gesetzlichen Zielvorgaben im jeweiligen Sachbereich verfolgt werden, was wiederum abhängig davon ist, welche gesetzlichen, politischen und faktischen Zwecke ein bestimmtes Gut erfüllen kann, soll oder muss. Gesetzliche Zielvorgaben und -Programmierungen übernehmen insofern selbst Verteilungsfunktionen. 430 Auch die Forderung, dass der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Entscheidungen - wie den Auswahlmaßstab - zu treffen hat, findet sich nicht in allen Rege-
427 So ζ. B. auch im Beamtenrecht, wo die Auswahl der Bewerber nach „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" erfolgt, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 BBG, Art. 33 Abs. 2 GG. 428 A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (26 f.), unterscheidet in diesem Zusammenhang „verdeckte" und „offene" Umverteilungskonstellationen. 429 Klassisches Beispiel hierfür ist des Weiteren die staatliche Zuteilung von Schadstoffkapazitäten in Form einer immissionsrechtlichen Genehmigung. Diese wird grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip vergeben, was zur Folge haben kann, dass etwa in besonders immissionsbelasteten Gebieten Newcomern, die zwar aufgrund neuer Technologien weniger emissionsintensiv als die Altanlagen agieren könnten, langfristig die Genehmigung verweigert werden muss, weil die räumlichen Immissionsbelastungsgrenzen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) bereits ausgeschöpft sind, vgl. ebenso kritisch M. Kloepfer/S. Reinerì, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (83 f.). Ebenso problematisch ist die Beamteneinstellung, die sich ebenfalls nur am konkreten Bedarf orientiert. Dies hat zur Folge, dass die Einstellungsvoraussetzungen nicht objektiv gelten, sondern sich jeweils nach den tatsächlichen Gegebenheiten in der Entscheidungssituation bilden. So könnten zu einem Termin viele Bewerber mit schlechten Noten eingestellt werden, wohingegen in einem anderen Zeitpunkt aufgrund mangelnder Stellen viele Bewerber mit guten Noten abgelehnt werden, vgl. dazu A Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (295). 430
M. Kloepfer/S.
14 Bumke
Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (63).
210 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
lungsbereichen. Insbesondere die Verteilung von Marktstandplätzen ist gesetzlich nur rudimentär geregelt.
Π. Prozedurale Sicherungen Betrachtet man die Verfahrensregelungen, ist festzustellen, dass auch diese in den Sachbereichen hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Detailliertheit stark differieren. Während für einige Regelungen kaum ein formeller Kontext besteht, weisen andere Rechtsbereiche erhebliche prozedurale Absicherungen auf. Dies scheint in Zusammenhang damit zu stehen, inwiefern sich die (höhere bzw. höchstrichterliche) Rechtsprechung mit den Verteilungsverfahren im jeweiligen Sachbereich auseinanderzusetzen hatte. Darüber hinaus fällt auf, dass je aktueller der Rechtsbereich durch den Gesetzgeber ausgestaltet wurde, desto umfangreicher und detaillierter auch seine Verfahrensregelungen sind. Der diesbezügliche neue Erkenntnisgewinn über prozedurale Absicherungen wurde dabei aber nur jeweils sachbereichsbezogen umgesetzt; es fand keine sachbereichsübergreifende Implementation für Verteilungsverfahren insgesamt statt. Prozedurale Verfahrenselemente wie Regelungen über einzureichende Antragsunterlagen, die Anhörung betroffener Kreise oder Ausschreibungspflichten 431 finden sich ζ. B. in der GewO bei der Vergabe von Marktstandplätzen überhaupt nicht, im Personenbeförderungsrecht doch immerhin schon in Form von Regelungen über einzureichende Antragsunterlagen 432 und die Anhörung betroffener Kreise. 433 Im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe als der zuletzt neu strukturierten 431
Anerkannt ist eine Ausschreibungspflicht ζ. B. bei der Vergabe von Stellen im Notariatswesen, vgl. BVerfGE 73, 280, 296. Eine Ausschreibungspflicht für die Begründung von Beamten Verhältnissen findet sich ζ. B. in § 8 BBG und in den einzelnen Landesbeamtengesetzen. Im Beamtenrecht bestehen allerdings diesbezüglich Defizite. So verpflichtet Art. 33 Abs. 2 GG nach Auffassung des BVerwG nicht zu einer Ausschreibung neu zu besetzender Eingangs- und Beförderungsstellen, vgl. BVerwGE 56, 324, 327; für Beförderungsämter E 49, 232, 243; unklar E 61, 325, 334. Eine Rechtspflicht zur dienststelleninternen Ausschreibung aus personalrechtlichen Gründen erkennt E 79, 101, 105 ff. an. Die Ausschreibungspflicht nach § 8 Abs. 1 S. 1 BBG gilt nach h.M. nur für Eingangs- nicht für Beförderungsstellen (§ 23 BBG). Dies ist in der Literatur zu Recht stark kritisiert wird, vgl. H.-W. Laubinger, VerwArch 83 (1992), 246 (268 ff.); W. Höfling, ZBR 1999, 73 (74); G. LÜbbe-Wolff, H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 33 Rn. 35. Nachweise zum oft noch restriktiveren Landesrecht bei K.-H. Ladern Jura 1992, 77 (81). 432 Vgl. z. B. § 12 PBefG. Keine eigenen Verfahrensregelungen finden sich z. B. im Beamtenrecht. 433 Vgl. z . β. § 14 PBefG, wobei die Anhörungs/?/7zc/zf bei der Beförderung von Personen im Gelegenheitsverkehr gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 PBefG auf die Gemeinde, in deren Gebiet der Betriebssitz des Unternehmens liegt, auf die nach Landesrecht für die Gewerbeaufsicht zuständige Behörde, die Industrie- und Handelskammer, die Fachgewerkschaften und die Verkehrsverbände beschränkt ist. Die Anhörung konkurrierender Unternehmen, die § 14 Abs. 1 PBefG in den sonstigen Fällen vorschreibt, könnte nur über die „kann-Regelung des § 14 Abs. 2 S. 2 PBefG erfolgen. Darüber hinaus kann gemäß § 14 Abs. 3 PBefG von einer
in:
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
211
Rechtsmaterie finden sich dagegen zahlreiche Verfahrenssicherungen. 434 Dieses Referenzgebiet weist zudem die Besonderheit auf, dass es die Multipolarität des Verwaltungsrechtsverhältnisses ausdrücklich aufnimmt. Besteht ein Konkurrenzverhältnis, entsteht hieraus erst das Bedürfnis für ein Verteilungsverfahren. 435 Diese Konstellation bedingt nun aber gerade, dass das Verwaltungsrechtsverhältnis nicht auf das Bürger-Staat-Verhältnis begrenzt werden kann, sondern dass zugleich Wettbewerber aufgrund der Begrenztheit abgelehnt werden müssen. Zumeist ist der Regelungsbereich in den Sachgebieten beschränkt auf das Verhältnis zwischen Antragsteller und Genehmigungsbehörde. 436
ΙΠ. Kein konzeptionelles Grundlagensystem Die durch die Rechtsprechung für eine Verteilungsordnung in den einzelnen Sachbereichen entwickelten (verfassungsrechtlichen) Grundlagen - insbesondere hinsichtlich der grundrechtssichernden Funktion von Verteilungsverfahren 437 sind zumeist höchstens beschränkt auf den jeweiligen Sachbereich in die gesetzlichen Regelungen eingegangen: Der Gesetzgeber hat es bisher nicht geschafft, ein für alle Verteilungssituationen geltendes, die Rechtsprechung berücksichtigendes, konzeptionelles Grundlagensystem an zentraler Stelle zu entwickeln, das einheitlich für alle Verteilungskonstellationen Geltung erlangt.
D. Typenbildung von Verwaltungsverfahren Versucht man das Versteigerungsverfahren als neue Form des Verteilungsverfahrens in das System der Verwaltungsverfahren einzuordnen, kann man als Ausgangspunkt mit Voßkuhle 438 die mit bzw. im Verwaltungsverfahren zu erfüllenden
Anhörung insgesamt abgesehen werden, wenn die Genehmigungsbehörde aus eigener Kenntnis der Sachlage dem Antrag nicht entsprechen will. 434 S.o. 3.1. 435 Deutlich M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 392 ff., der von „wechselbezüglichen Konkurrenzkonflikten bei kapazitätsbezogenen Auswahl- und Verteilungsentscheidungen" spricht. 436 So in der GewO. Vgl. aber § 14 Abs. 1 PBefG, der eine Anhörungspflicht aller Unternehmer, die im Einzugsbereichs des beantragten Verkehrs ein Beförderungsgewerbe betreiben, vor Erteilung von Genehmigungen für die Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen oder mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr vorsieht. Das Konkurrenzverhältnis zwischen Taxiunternehmen hat der Gesetzgeber zwar gesehen (§ 14 Abs. 2 PBefG), aber findet in der Regel doch nicht bei der Einzelentscheidung umfassend Berücksichtigung in der Weise, dass auch konkurrierende Unternehmer angehört werden müssen, s. o. Fn. 433 in diesem Kapitel. 437 Siehe dazu unten ausführlich D.I.l.a)aa)(2)(b)(aa) und im 2. Teil, 4. Kapitel, A.III, für das telekommunikationsrechtliche Versteigerungsverfahren. 1*
212 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Aufgaben wählen. 439 Unter der Prämisse der Beschränkung auf Staat-Bürger-Verhältnisse 440 , stehen sich im Wesentlichen zwei Grundtypen gegenüber: 441 die schlichte Gefahrenabwehr und die Kontrolle privater Freiheitsbetätigung. Während die Aufgabe der schlichten Gefahrenabwehr 442 vorliegend für die Typenbildung nicht weiter hilft, ist die Kategorie der Kontrolle privater Freiheitsbetätigung näher zu betrachten.
I. Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung Begründung für die nicht immer vollständig zulässige Freiheitsbetätigung ist die Notwendigkeit der präventiven Abwehr bereichsspezifischer Gefahren. Die Aufgabe besteht darin, das richtige Maß an Freiheitsbetätigung zuzugestehen, womit dann die Einräumung von Rechtspositionen einhergeht. 443 Solche Verfahren lassen sich dadurch charakterisieren, dass es der Bürger ist, der im grundsätzlich bipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis die Initiative zur Verfahrensaufnahme ergreift; er möchte seine Freiheitsrechte ausnutzen. Die Rechtsordnung lässt dies aber nur unter Einschränkungen zu. Die Betätigungskontrolle zielt darauf ab, sicherzustellen, dass die spezifisch subjektiven und/oder objektiven Voraussetzungen für die Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit vorliegen und dass auch bei späteren Änderungen oder einer Beendigung der wirtschaftlichen Betätigung die für erforderlich erachtete Aufsicht möglich bleibt. Mittel zur Durchsetzung dieser Beschränkungen ist ein typisiertes, je nach Sachmaterie teilweise differierendes Handlungsprogramm. Das abgestufte (ordnungsrechtliche) Instrumentarium (Anzeige, Anmeldung, präventive Kontrollerlaubnis, repressive Ausnahmebewilligung) mit punktueller Abschlussentscheidung und beschränkter Reversibilität (durch Befristungen und Widerrufsmöglichkeiten) stellt in unterschiedlich starker Form das grundsätzliche Recht auf Betätigung unter Vorbehalt. 4 38 Siehe dazu und zum Folgenden A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (285 ff.). 439
Vgl. zur Typenbildung im Verwaltungsrecht auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2004, 3. Kapitel, Rn. 99 ff. 440 Den Gegensatz bilden staatliche Betätigungen in Form staatlicher Infrastrukturvorhaben, also die gemeinnützige Planfeststellung. 441
Anders A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (286 ff.), der drei Grundtypen unterscheidet, indem er das Verfahren zur Anlagezulassung als eigenständigen Verwaltungsverfahrenstyp einordnet. 442 Sie lässt sich durch ein bipolares Verwaltungsrechtsverhältnis kennzeichnen, in dem der Staat mit einem flexiblen Handlungsprogramm dem Bürger (Störer) zumeist aus eigener Initiative gegenüber tritt, um in einer vom Verfahren getrennten, materiellen Einzelentscheidung eine Gefahr für bestimmte Schutzgüter abzuwenden. Klassisches Beispiel ist die Polizeiverfügung nach § 3 Abs. 1 SOG. 443 Ζ. B. gewerbliche Personalgenehmigungen nach GewO, GastG, HandwerksO. Vgl. dazu 7. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 126 ff.; C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 109 ff.
3. Kap.: Das Versteigerungs verfahren
1. Verteilungsverfahren
213
als Verfahrensuntertypus
Der Grundtyp der Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung kann weiter danach differenziert werden, welche weiteren Aufgaben bzw. Zwecke die Verwaltung neben der Freiheitsgewährung im Verfahren verfolgt. Systematisiert und kategorisiert man diese, lassen sich weitere Verfahrensuntertypen bilden. Neben umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren bzw. Verfahren der Anlagenzulassung 444 gehören auch die Verteilungsverfahren in diese Kategorie. Kennzeichnend für den Verfahrensuntertypus des Verteilungsverfahrens ist die Knappheit der für die Freiheitsbetätigung erforderlichen Güter, Leistungen oder Rechte, die mit der grundsätzlich grundrechtlich geschützten Freiheit zumeist aus Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausgleich gebracht werden muss. Diese Einsicht begründet auch, dass Verteilungsverfahren grundsätzlich Verwaltungsverfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung sind und nicht - wie Voßkuhle argumentiert - ein neuer Verfahrenstyp, der von den Grundtypen abzugrenzen ist. 4 4 5 Zugestimmt werden könnte der von Voßkuhle vorgenommenen Interpretation und entwickelten Systematisierung nur dann, wenn man allein den rechtlichen Umgang mit der Verteilungsproblematik im Verwaltungsverfahren als Ausgangspunkt zugrunde legen würde. Dieser hat sich nämlich verändert und weiterentwickelt. Wählt man aber wie Voßkuhle 446 - als Ausgangspunkt die im bzw. mit dem Verwaltungsverfahren zu bewältigende Aufgabe, lassen sich Verteilungsverfahren nur als Untertypen der Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung einordnen. So will ζ. B. der Einzelne oder ein Unternehmen im Rahmen seiner Freiheitsausübung an einer 444 Charakteristisch für diese Verfahren sind - abgesehen von differierenden materiellrechtlichen Determinierungen - die ähnlichen Grundstrukturen und die Komplexität der Entscheidungssituation, die sich durch eine Vielzahl zu berücksichtigender rechtlich geschützter Belange und Interessen auszeichnet, siehe dazu H. Dürr, in: H.-J. Knack, VwVfG, vor § 72 Rn. 13 ff.; W. Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590 (593 ff.); A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (289 f.). Vorrangiger Zweck dieser Verfahren ist die Verhinderung unerwünschter Auswirkungen einer Anlage und die Bewältigung durch sie hervorgerufener Nutzungskonflikte. Dies bildet nach Voßkuhle das Abgrenzungskriterium zu den Verfahren privater Freiheitsbetätigung, gegenüber denen es sich bei den Verfahren der Anlagenzulassung um einen eigenständigen Typ eines Verwaltungsverfahrens handelt (S. 289). Der Raumbezug, die Komplexität der Entscheidungssituation und die ähnlichen Grundstrukturen dieser Verfahren treffen aber nur Aussagen über das Umfeld der Aufgabe und die rechtlichen Mittel der Bewältigung. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich - grenzt man wie Voßkuhle nach der Aufgabe ab - um Verfahren der Kontrolle privater Freiheitsbetätigung handelt. Zwar kann der Ausgleich von „Nebenwirkungen" der Freiheitsbetätigung dergestalt in den Vordergrund der gesetzlichen Regelung treten, dass sie den Schwerpunkt der Problemlösung bilden und die eigentliche Aufgabe der Freiheitsgewährung nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar ist. Es geht aber immer noch eigentlich darum, dass sich Private (gewerblich) betätigen und grundrechtlich gewährleistete Freiheit in Anspruch nehmen wollen. Der Raumbezug bildet nur ein zusätzliches, weiter differenzierendes Element. 445 446
A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (290). A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (286).
214 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Hochschule studieren, ein Taxigewerbe betreiben oder eben Telekommunikationsdienstleistungen anbieten. Zumeist und grundsätzlich wird diese Freiheit durch die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG in Form von Abwehr- oder Teilhaberechten garantiert. Einschränkungen können aber in diesem Zusammenhang aus einer Knappheit der für die Freiheitsbetätigung erforderlichen Güter, Leistungen oder Rechte folgen, wobei die Knappheit entweder faktisch gegeben ist - wie ζ. B. bei Frequenzen - oder künstlich geschaffen wird - wie ζ. B. die Kontingentierung der Taxigenehmigungen. Letzterem liegen die Einschränkung in die Berufsfreiheit rechtfertigende Gemeinwohlerwägungen - wie den öffentlichen Verkehrsinteressen hinsichtlich des Taxenbetriebs - zugrunde. Die jeweilige Knappheit wandelt das grundsätzlich diese Verfahren auszeichnende bipolare Verwaltungsrechtsverhältnis in ein multipolares Verwaltungsrechtsverhältnis, in dem mehrere Nachfrager um die knappen Güter, Leistungen oder Rechte konkurrieren. In solchen Konkurrenzsituationen reicht ein Verfahren der reinen Betätigungskontrolle durch die Verwaltung nicht mehr aus. Vielmehr fordern die unvereinbaren Interessen eine Auswahl der Bewerber. Funktion des Verteilungsverfahrens ist die staatliche Gewährleistung der sachgerechten Verteilung knapper Güter bei Nachfrageüberhang. Dies rechtfertigt auch die besondere Qualifikation der Verteilungsverfahren als besonderer Untertyp der Verfahren privater Freiheitsbetätigung. Verteilungsverfahren sind der Rechtsordnung nicht fremd, so dass sich auch das Aufgabenprofil nicht geändert hat. Bereits seit jeher existieren Konstellationen, in denen die Zahl der Antragsteller höher ist als die Zahl der zur Verteilung stehenden Güter oder Rechte. Zur Lösung solcher Konkurrenzsituationen stellt die Rechtsordnung auch seit jeher Modelle bereit. Die Verteilungsverfahren haben nur keine besonders große Aufmerksamkeit in der juristischen Fachliteratur gefunden. Dies hat sich mit den neuen Verteilungslösungen in Form des Versteigerungsverfahrens aber auch der Vergabe öffentlicher Aufträge geändert. Die in diesem Zusammenhang gewählten Lösungsmaßstäbe und -verfahren grenzen sich aufgrund ihrer Ökonomisierung von den bisher vorherrschenden Varianten ab. Dies hat teilweise dazu geführt, diese Verfahren als Fremdkörper im Verwaltungsverfahren zu empfinden. Damit steht aber zugleich fest, dass nicht die Verteilungsverfahren neu sind, sondern nur der rechtliche Umgang mit ihnen. Während den herkömmlichen Verteilungsverfahren in der gesetzlichen Ausgestaltung keine große Beachtung geschenkt wurde - das für die Auswahl maßgebliche Kriterium verarbeitet die Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Bereichs höchstens untergeordnet; ebenso findet sich die Komplexität der Entscheidungssituation, für die Multipolarität nur ein Charakteristikum ist, in den gesetzlichen Bestimmungen größtenteils nicht wieder - , sehen das Versteigerungsverfahren sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge die Auswahl anhand eines marktmäßigen Maßstabs vor und zeichnen sich zudem durch eine Reihe von prozeduralen Umfeldregelungen aus, die insbesondere auch den unterlegenen Bewerber in den Blick nehmen. Die Aufgabe ist grundsätzlich unverändert geblieben, nur der Versuch, für die Lösung der Komplexität auch rechtliche Vorkehrungen vorzusehen, also der Umgang, hat sich gewandelt und
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
215
fortentwickelt. Verteilungskonstellationen sind immer durch ein multipolares Interessengefüge gekennzeichnet. Die Frage ist allerdings, inwiefern der Gesetzgeber dieses in seinen Lösungsstrategien beachtet.
a) Typenbildung herkömmlicher Verteilungskriterien Die Betrachtung der Referenzgebiete hat gezeigt, dass kein vorgegebenes optimales Verteilungsverfahren existiert. Zu erkennen ist allerdings, dass bestimmte Verteilungskriterien und Verfahrensausgestaltungen in unterschiedlichen Rechtsbereichen gleichermaßen zur Anwendung kommen, so dass für sie eine allgemeine Systematik im System der Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung entwickelt werden kann. Gezeigt werden kann darüber hinaus, dass die Kriterien jeweils Vor- und Nachteile haben bzw. teilweise (verfassungs-)rechtlichen Bedenken unterliegen. Letztere sind allerdings auch abhängig vom jeweiligen Verteilungsproblem und dem zu verteilenden Gut. Das heißt, es existieren Kriterien, gegen die rechtliche Bedenken bestehen, soweit sie einzig ausschlaggebender Maßstab für die Verteilungsentscheidung sind, wohingegen sie im Zusammenspiel mit anderen Maßstäben durchaus eine komplexe Verteilungsproblematik bewältigen können. Grundsätzlich sind Verteilungskriterien nach formalen und wertenden Gesichtspunkte zu systematisieren, wobei diese eben auch kombiniert auftreten können. 447 Versucht man den wertenden Grundtyp unabhängig von der jeweiligen Sachmaterie zu charakterisieren, kommen hier Differenzierungen nach den Bedürfnissen und Interessen des Einzelnen ebenso wie der Allgemeinheit zur Geltung, worunter auch die Umsetzung politischer Zielvorgaben und -Programmierungen mit Verteilungsfunktionen fällt. Wertende Kriterien sind zudem auch solche, die nach der Würdigkeit wegen erbrachter Leistungen oder der potenziellen Leistungsfähigkeit (auch im ökonomischen Sinne) oder positiver oder negativer (sozialer, politischer etc.) Wertschätzung verteilen. aa) Fournie Verteilungsverfahren Zunächst werden nun die formalen Verteilungsverfahren systematisiert und bewertet. (1) Systematik Lediglich formalen Charakter haben Zuteilungen nach dem Losverfahren und „mathematischen Gleichheitsmaßstäben". Das Prioritätsprinzip ebenso wie dessen Unterform namens Anciennitätsprinzip bedingen eine Verteilung anhand überwiegend formaler Kriterien, können aber wertende Elemente aufnehmen. 448
447 Dazu auch W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (22 ff.).
216 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren (a) Losverfahren Bei einem Losverfahren wird der Gewinner des Verteilungskampfes aus den Bewerbern ausgelost bzw. anhand eines Zufallsgenerators ausgewählt. 4 4 9 Losverfahren können auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden. Denkbar ist zum einen, dass ein Auswahlrecht ausgelost wird. I m Rahmen der mittels Los festgelegten Reihenfolge sind die Bewerber dann berechtigt, sich von den zur Verteilung stehenden Gütern oder Rechten ein noch freies auszuwählen. Praktisch wäre so vorzugehen, dass eine unabhängige Person „öffentlich" aus einer Urne äußerlich nicht unterscheidbare Zettel nacheinander zieht, auf denen jeweils der Name eines Bewerbers steht. Z u m anderen könnte die Vergabebehörde das zur Verteilung anstehende Gut oder das Recht selbst verlosen, wobei sie dann selbst bestimmt, welches Gut zu welchem Zeitpunkt vergeben werden soll. (b) Prioritätsprinzip Das Prioritätsprinzip folgt dem Grundsatz, dass derjenige Bewerber bei der Verteilungsentscheidung erfolgreich ist, dessen Antrag als erster bei der Vergabebehörde eingeht. Ausschlaggebendes Kriterium ist bis zur Erschöpfung des zu vergebenden Kontingents also die zeitliche Reihenfolge des Antragseingangs. 4 5 0 U m 448
Wenn ζ. B. das Alter des Nachfragenden oder die Dauer seiner Wartezeit als besonders ausgleichswürdig (unter sozialen Aspekten) angesehen wird. 449 Siehe zum Losverfahren M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (165 f.). Im Telekommunikationsbereich sind Lotterieverfahren bei der Vergabe von Netzbetreiberkennziffern sowie bei der Vergabe von Auskunftsnummern zur Anwendung gekommen, vgl. dazu L. Nett, Marktorientierte Allokationsverfahren bei Nummern, S. 24. 4 50 Vgl. allgemein M. C. Glass/D. M. Rhodes, McGill Law Journal 44 (1999), 141 (165); H. Sieg/H. Fahning/K. Kölling, Außenwirtschaftsgesetz, § 3 Rn. 18; A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 ff.; H. Rummer, NJW 1988, 225 (229 f.); C. Koenig, Die öffentlichrechtliche Verteilungslenkung, S. 224 ff. Insb. kam das Prioritätsprinzip bei Betriebsfunklizenzen zur Anwendung. Ebenso erfolgt die Bereitstellung zum Bezirksschornsteinfeger (§ 6 Abs. 1 SchG) dem „Warteschlangenprinzip", d. h. die Genehmigungen werden anhand einer „Warteliste" vergeben. Solche Listenplätze erstarken dann regelmäßig zu subjektiv-rechtlich geschützten Rechtsposition vgl. dazu insbes. M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 392 ff., 415 ff. Der Prioritätsgedanke kommt auch bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen zur Anwendung, wie ζ. B. bei der Vergabe von Theaterkarten, Parkplätzen und Stadthallenbenutzungen. Zwar ist das Benutzerverhältnis in diesen Fällen häufig privatrechtlich ausgestaltet, aber bei einer Überzahl von Bewerbern wird nach der Zweistufentheorie das „Ob" der Zulassung zu den genannten Einrichtungen öffentlich-rechtlich beurteilt und folgt dann zum Teil dem „Warteschlangenprinzip", vgl. ζ. B. OVG Münster, NJW 1969, 1077; VGH München, BayVBl. 1988, 497, 498; F. Ossenbühl, DVB1. 1973, 289 (296); H.-P. März, BayVBl. 1992, 97 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 26 m. w. N.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stoben Verwaltungsrecht, Band 1, § 22 Rn. 67.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
217
zeitlich eindeutig zuordbare Anträge zu erhalten, wird empfohlen, bei Antragstellungen moderne Kommunikationsmittel wie Telefax oder E-mail zuzulassen, um über das Empfangsprotokoll eine eindeutige zeitliche Zuordnung vornehmen zu können. 451 Das Prioritätsprinzip wird auch als Windhundverfahren bezeichnet, da nach dem Grundsatz „wer zuerst kommt, mahlt zuerst" 452 der schnellste Antragsteller der Gewinner ist. 4 5 3 Praktisch hat die Auswahl anhand des Prioritätsprinzip zumeist den Effekt des „Warteschlangenprinzips", da die zu verteilenden Kapazitäten schnell verbraucht sind und die Bewerber auf das Freiwerden von Kapazitäten im Sinne eines Warteplatzes verwiesen werden. 454 Nicht selten ist die Wahl dieses Verteilungskriteriums historisch erklärbar. Der Maßstab der zeitlichen Priorität wurde als Verteilungskriterium normativ verankert, als die jeweils zu verteilenden Güter noch nicht knapp waren. In solchen Konstellationen ist dieser Maßstab durchaus adäquat, allerdings wird mangels Knappheit ja auch keine eigentliche Verteilungsentscheidung erforderlich. 455 Bei dem Anciennitätsprinzip, das mit dem Prioritätsprinzip verwandt und zum Teil schwerlich von ihm zu unterscheiden ist, bildet das erreichte Lebensalter oder das Dienstalter das maßgebliche Auswahlkriterium: Ein bestimmter privilegierter Status im Berufsfeld wird demjenigen Bewerber mit der höchsten Anzahl an Dienstjahren zuerkannt. 456 Da zumeist aus dem höheren Alter auf eine bessere Qualifikation geschlossen wird, 4 5 7 beinhaltet das Anciennitätsprinzip nur scheinbar ein inhaltlich wertendes Kriterium. Die Vermutung der besseren Qualifikation ergibt sich jedoch lediglich aus dem einfachen formalisierten Prinzip, dass der Ältere auch besser qualifiziert sei. (c) Mathematische Gleichheitsmaßstäbe Schließlich existieren noch eine Reihe weiterer rein formaler Verteilungskriterien, denen gemeinsam ist, dass sie die entsprechenden Güter über streng formali451 H. Rummer, NJW 1988, 225 (229); C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 224. 452 So auch der Titel des Aufsatzes von A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 ff. 453 H. Rummer, NJW 1988, 225 (229). 454 c. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (445); M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 392 ff., 415 ff. Siehe auch die Beispiele oben in Fn. 450 in diesem Kapitel. 455
So auch G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 152. 56 Vgl. allgemein C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (445). Das Anciennitätsprinzip findet sich in abgewandelter Form heute noch im Beamtenrecht, da Beförderungsämter regelmäßig erst nach Ableistung einer gesetzlich festgelegten Dienstzeit übertragen werden dürfen. Diese Regelung impliziert die Beförderung desjenigen, der bereits seit längerem eingestellt ist. 4 57 W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (25). 4
218 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren sierte, mathematisch errechenbare Gleichheitsmaßstäbe verteilen. Sie unterscheiden sich nur in ihrem jeweiligen Ausgangspunkt: Während bei einer Verteilung nach Köpfen die Verteilungsmasse zu gleichen Anteilen auf die Antragsteller verteilt w i r d , 4 5 8 wird beim Pro-rata- Verfahren
die Verteilung prozentual zur Antrags-
menge vorgenommen. 4 5 9 I m Gegensatz dazu kommen beim Referenzverfahren
nur
solche Antragsteller zum Zuge, die bereits in der Vergangenheit entsprechende Geschäfte getätigt haben und dies auch nachweisen k ö n n e n . 4 6 0 Das Quoten-Referenzverfahren
kombiniert die Verteilung nach Köpfen und das Referenzverfahren. 461
(2) (Verfassungsrechtliche) Bewertung (a) Allgemeine Bewertung Zunächst ist hervorzuheben, dass eine Verteilung anhand des Prioritätsprinzip, das sich in der Praxis immer noch größter Beliebtheit erfreut, 4 6 2 sowie gleichzeitig auch des Losverfahrens allenfalls erwägenswert ist, wenn die entsprechenden knappen Güter eine verhältnismäßige Verteilung aufgrund ihrer Unteilbarkeit nicht erlauben. Dagegen sind die streng formalisierten Methoden wie die Pro-Kopf-Verteilung als Prinzipen der absoluten Gleichheit nur dort anwendbar, wo teilbare Güter verteilt werden sollen. 4 6 3 Des Weiteren scheiden die formalen Auswahlkriterien 458 Folglich berechnet sich die Quote des einzelnen Antragstellers derart, dass die Verteilungsmasse durch die Zahl der Antragsteller dividiert wird. Eine modifizierte Form des KopfPrinzips ist das ζ. B. auf dem Gebiet der Agrarsubventionen bekannte Gießkannen-Prinzip, das dadurch charakterisiert ist, dass die Anspruchshöhe von streng formalisierten Merkmalen, wie etwa der Anbaufläche, abhängig ist, vgl. dazu H. Rummer, NJW 1988, 225 (230); W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (23 f.); M. Faber, GewArch 2002, 264 (264). 459 Dabei hat die Höhe des einzelnen Antrags wesentlichen Einfluss auf die Höhe der zu verteilenden Quote. Im Ergebnis werden die aufsummierten Anträge mit der Kontingentshöhe in Beziehung gesetzt; hierauf werden die einzelnen Anträge im Verhältnis gleichmäßig gekürzt. Die Quote ergibt sich, wenn man die beantragte Einzelmenge durch die beantragte Gesamtmenge teilt und dann multipliziert mit dem vorhandenen Kontingent, vgl. H. Rummer, NJW 1988, 225 (230); M Faber, GewArch 2002, 264 (264). 460
Beim Referenzverfahren in seiner reinen Anwendung haben also nur traditionelle Unternehmen eine Chance. Der Newcomer bleibt außen vor. Ferner werden die Bewerber, die Referenzen vorweisen können, nach Maßgabe der Höhe ihrer Referenzen berücksichtigt, vgl. H. Rummer, NJW 1988, 225 (231). 461 Bestimmend für dieses Verfahren ist, dass das Kontingent in zwei Verteilungsmassen aufgeteilt wird, nämlich in die Grundquote, auch Kopfquote genannt, und in die Zusatzquote, auch Referenzquote genannt. Bei der Berechnung der Grundquote erhalten alle Antragsteller, d. h. sowohl die Referenzinhaber als auch die Newcomer, eine genau gleiche Quote. Unter diesem Aspekt des Verfahrens erhält der Newcomer eine Chance. Bei der Referenzquote werden die mit den Referenzen versehenen Antragsteller je nach Verhältnis ihrer nachgewiesenen individuellen Referenzeinfuhren berücksichtigt, vgl. dazu H. Rummer, NJW 1988, 225 (231). 462 Vor allem der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen der Kommunen richtet sich bei Kapazitätsüberforderungen häufig nach dem Prioritätsprinzip, dazu etwa F. Ossenbühl, DVB1. 1973, 289 (296). 463 C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (454 f.).
3. Kap.: Das Versteigerungs verfahren
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aus, wenn die zur Verteilung anstehenden knappen Güter bzw. Leistungen oder Rechte existenzielle Bedürfnisse im engeren Sinne befriedigen sollen. Die Methoden bedingen naturgemäß und zwangsläufig den Ausschluss der Verlierer. Das würde bei existenznotwendigen Gütern bzw. Leistungen für den Einzelnen aber auch für Unternehmen ein „Todesurteil im Verwaltungswege" bedeuten.464 Die formalisierten Verteilungsmaßstäbe zeichnen sich durch ein hohes Maß an Transparenz aus, sie sind aufgrund der Eindeutigkeit des jeweiligen Kriteriums leicht verständlich und nachvollziehbar. 465 Da die Methoden formale Chancengleichheit gewährleisten, sind sie diskriminierungsfreie Verfahren. 466 Schließlich führt ihre Anwendung zu einer relativ schnellen Verteilungsentscheidung, bei der nur geringe Transaktionskosten entstehen.467 Darüber hinaus wird dem Prioritätsprinzip zum Teil bescheinigt, es gewährleiste ein besonders hohes Maß an Rechtssicherheit und Berechenbarkeit der Entscheidung.468 Diese positiv zu bewertenden Eigenschaften ergeben sich allerdings allein daraus, dass die Maßstäbe zufallig auswählen und eine eigentliche Sachentscheidung vermissen lassen: Bei formalen Auswahlkriterien bleibt die schwierige, zeitintensive und deswegen kostenintensivere Prüfung materieller Erwägungen aus. 469 Der geringe Kostenaufwand auf Seiten der Bewerber bedingt darüber hinaus, dass keine Self-Selection der Bewerber stattfinden kann. Sie aber könnte dazu beitragen, 464 w. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (22). 465
G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 153. 466 H. Sieg/H. Fahning/K. Kölling, Außenwirtschaftsgesetz, § 3 Rn. 18. 467 So erklärt das BVerwG (E 16, 190, 191), dass sich das Prioritätsprinzip schon deshalb anbiete, weil die Vergabe einer beschränkten Anzahl von Taxikonzessionen nach persönlichen und sozialen Gesichtspunkten die Verwaltung bei einer Vielzahl von Bewerbern schlechthin überfordern würde. 468 In Bezug auf Taxikonzessionen, allerdings zusätzliche Differenzierungen offen haltend BVerwG, NJW 1990, 1376, 1377. Das Prioritätsprinzip könne als Auswahlprinzip „dem Gerechtigkeitsgedanken besser genügen als denkbare andere rechtsstaatliche Lösungen", im Anschluss an BVerwGE 16, 190, 191; BVerwGE 64, 238, 245; OVG Münster, NVwZ-RR 1991, 147 („dient dem Gerechtigkeitsgedanken, und zwar nicht nur bezüglich des öffentlichen Interesses an einem geordnetem Vergabeverfahren, sondern auch bezüglich des Interesses des einzelnen Listenbewerbers an einer gerechten und berechenbaren Berücksichtigung ihrer Bewerbung"). 469 Im Rahmen des Prioritätsprinzips wird diesbezüglich teilweise argumentiert, dass die Belohnung des schnellsten Antragstellers ein wertendes Kriterium impliziere: Die Schnelligkeit der Antragstellung wird als Indiz für ein gesteigertes Interesse am Vergabegegenstand und damit sogar als Anhaltspunkt für die (ökonomisch) effiziente Nutzung gesehen. Die Schnelligkeit der Antragstellung kann aber nicht unerheblich von personellen und finanziellen Ressourcen abhängen. Dies kann dazu führen, dass kleinere aber bezüglich der Nutzung des Gutes möglicherweise effizientere und/oder spezialisiertere Wettbewerber nicht zum Zuge kommen, weil ihnen die Ressourcen für die Schnelligkeit fehlen. Eine grundsätzlich wirkende Indizwirkung ist damit aus der Schnelligkeit der Antragstellung nicht abzuleiten. Im Vorteil ist vor allem der Interessent mit den besseren Informationsquellen. Diesem Kriterium als wertendem Auswahlmaßstab fehlt dann allerdings die Sachgerechtigkeit, vgl. H. Rummer, NJW 1988,225 (229).
220 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren die Anzahl der Bewerber auf ernsthafte bzw. qualifizierte i m Sinne der Anforderungen des jeweiligen Sachbereichs zu reduzieren. Ohne Self-Selection besteht die Gefahr, dass am Verteilungsverfahren Bewerber teilnehmen, die für die Nutzung nicht ausreichend qualifiziert sind und /oder an der wirtschaftlichen Nutzung der jeweiligen Güter von vornherein kein Interesse haben. Dass sie dennoch am Verteilungsverfahren teilnehmen, rechtfertigt sich aus ihrem Anreiz, durch einen anschließenden Weiterverkauf an einen Interessenten mit einer die eigene Bewertung übertreffenden Wertschätzung windfall profits - ungerechtfertigte Veräußerungsgewinne - zu erzielen. 4 7 0 Darüber hinaus besteht insbesondere beim Losverfahren das Risiko einer zu hohen Anzahl von Teilnehmern, 4 7 1 die die praktische Durchführbarkeit des Verfahrens erheblich erschweren kann. (b) Rechtliche Anforderungen I m Folgenden w i r d noch einmal auf die Aussagen und rechtlichen Bindungen, die sich i n den einzelnen Referenzgebieten ergeben haben, zurückgegriffen und versucht, allgemeingültige (verfassungsrechtliche) Anforderungen zu formulieren. Federführend sind dabei insbesondere die Aussagen des BVerfG i m numerus-clausus-Urteil. 4 7 2 Diese leisten Aufschluss sowohl für die Beurteilung, ob die Wahl des Maßstabs zulässig ist, als auch über den rechtlichen Rahmen für Verteilungsverfahren i m Allgemeinen und die Frequenzvergabe anhand eines Versteigerungsverfahrens i m Besonderen.
470 Der Gesichtspunkt, dass lediglich ein Anreiz zum Weiterverkauf gebildet wird, erlangt insbesondere nach der Legalisierung des Frequenzhandels auch bei der Verteilung von wirtschaftlich wertvollen Frequenzen Bedeutung, siehe dazu unten im 3. Teil, 1. Kapitel. 471
So gab es in den USA in einem Lotterie verfahren für zellulare Mobilfunklizenzen über 400.000 Teilnehmer mit dementsprechend negativen Konsequenzen, vgl. dazu E. Kwerel/A. Felker, Using Auctions to select FCC Licensees, S. 4 ff. 472 BVerfGE 33, 303. Dass es sich dabei um eine teilhaberechtlich strukturierte Verteilungssituation im Gegensatz zu anderen abwehrrechtlich strukturierten Verteilungssituationen - wie auch die Frequenzvergabe - handelt, kann insoweit vernachlässigt werden, als die Auswirkungen dieses dogmatischen Unterschieds nicht relevant werden. Bedeutung erlangt die grundrechtsdogmatische Einordnung als Teilhaberecht im Rahmen verwaltungsprozessualer Klagen bei der Zuteilung von Studienplätzen, die in einem unter einem numerus clausus stehenden Studienfach infolge unzureichender Kapazitätsausnutzung frei gebheben sind. Diesbezüglich hat das BVerfG aus der teilhaberechtlichen Situation zutreffend hergeleitet, dass Klagen auf Zuteilung von Studienplätzen nicht schon wegen der ungünstigen Rangziffer des klagenden Bewerbers abgewiesen werden dürfen. Nach der grundrechtssystematischen Erkenntnis des Gerichts ist der verfassungsrechtlich gewährleistete Zulassungsanspruch eines hochschulreifen Bewerbers nämlich rechtlich unabhängig von dessen Rangstelle zu sehen, vgl. BVerfGE 39, 258, 268 ff.; 39, 276, 293 ff. Dies begründet auch, dass der grundrechtliche Anspruch auf Zuteilung vorhandener Ausbildungsplätze nicht allein aus dem Gleichheitssatz folgt, womit die Konstruktion des derivativen Teilhaberechts überflüssig wäre, so aber F. Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2104); ähnlich E. Friesenhahn, in: Verhandlungen des fünfzigsten Deutschen Juristentages, S. G. 1 (G. 32). Die weiteren Aussagen des Gerichts können vielmehr als allgemeine Anforderungen für Knappheitssituationen begriffen werden.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
221
(aa) Rechtliche Rahmenbedingungen Zusammenfassend ergibt sich für Verteilungssituationen, in denen der Einzelne grundsätzlich einen Anspruch auf das Gut hat, 4 7 3 dass dann, wenn der Staat selbst verteilt bzw. die Verteilung steuert, dem Einzelnen in dem Maße, in dem sich staatliche Verteilungs- und Steuerungsfunktionen allgemein verdichten, Möglichkeiten der autonomen Bedürfnisbefriedigung genommen werden. 474 Er wird dann in mehr oder weniger starkem Maße abhängig von der staatlichen Zuteilung. Als Einschränkung des grundsätzlichen Rechtsanspruchs bedarf jede staatliche Zuteilungsentscheidung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, deren Maßstab sich insbesondere aus den berührten Freiheitsrechten in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt. Im Weiteren gilt, dass sich die Ansprüche dann auf die Gewährleistung von Beteiligung an einem (sachgerechten, chancengleichen und zumutbaren) Verteilungsverfahren reduzieren, wenn diese aufgrund der Knappheit faktisch nicht erfüllbar sind. Der grundrechtliche Anspruch der Bewerber aus dem jeweilig einschlägigen Freiheitsrecht auf chancengleiche Teilnahme und Abwägung im Verteilungsverfahren kompensiert dann die beschränkende Regulierung des jeweilig einschlägigen Freiheitsrechts. Diesen Anspruch kann die Verwaltung nur im Wege eines sachlichen, abwägenden Ausgleichs zur Lösung des Knappheitsproblems erfüllen. Das Verteilungsverfahren selbst ist es dann, was zu gewährleisten hat, dass dem Rechtsanspruch, der sich in einen Anspruch auf materielle Abwägung von gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen gewandelt hat, genügt wird. 4 7 5 Das Abwägungsprinzip gebietet, „dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird". 4 7 6 Grundrechte als Optimierungsgebote verlangen damit von der öffentlich-rechtlich gelenkten Verteilung knapper, zum Freiheitsgebrauch erforderlicher Ressourcen die Schaffung eines Zuteilungsverfahrens durch den Gesetzgeber nach Maßgabe des tatsächlich und rechtlich Möglichen. Da das Verteilungsverfahren mit seiner Auswahl an Kriterien selbst in vielfältiger Weise das Auswahlergebnis beeinflusst, heißt dies für den Gesetzgeber, dass er bereits bei Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens dessen grundrechtssichernde Funktion zu gewährleisten hat. 4 7 7 Verfassungsrechtlich spielen neben den Frei473 Aber auch in Bereichen, in denen kein individueller Anspruch auf ein bestimmtes Rechtsgut besteht (so genanntes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehält), sind im Rahmen der Ermessensausübung die tangierten Freiheitsrechte zu beachten. Der verteilende Staat bringt dann im Einzelfall die generell verbotene Freiheitsbetätigung zur Geltung, am Beispiel des Glücksspielrechts BVerfGE 96, 293, 299 f.; BVerwGE 96, 302, 312; siehe auch ausführlich A. Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 347 ff.; A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (291 ff.). Siehe dazu auch unten Fn. 88 im 3. Teil, 2. Kapitel. 474 47
Vgl. C. Heinze, Autonome und heteronome Verteilung, S. 67 f. 5 W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (20 f.).
476
R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f.
222 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
heitsrechten, dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsgebot insbesondere auch rechtsstaatliche Ausprägungen in Form von Rechtssicherheit, effektivem Rechtsschutz sowie Vertrauensschutz entscheidende Rollen. 478 In einer Knappheitssituation geht es nicht bloß um die Begrenzung der Ausübung wirtschaftlicher Freiheit im öffentlichen Interesse in einem bipolaren Rechtsverhältnis. Vielmehr wird die Vergabeentscheidung im Wege eines Kampfes um eine ausgleichende und kollisionslösende Bewältigung des mehrpoligen Knappheitsproblems getroffen, wobei die Einschränkung der Grundrechtsausübung eines abgelehnten Bewerbers zugunsten seines begünstigten Konkurrenten eine Abwägung zwischen kollidierenden Rechtsgütern und Belangen in der Regelung des Verteilungsverfahrens erfordert. 479 Zu beachten sind neben den Vor- und Nachteilen für den Bevorzugten bzw. den Ausgeschlossenen ebenso die Interessen der Allgemeinheit, zu denen auch Praktikabilität und Auswirkungen auf politische Planungen und finanzielle Belastungen gehören. Damit ist Gesichtspunkten der Praktikabilität und Funktionsfähigkeit der Verwaltung eine Bedeutung zugestanden. Der Aspekt, Verwaltungsentscheidungen möglichst berechenbar zu gestalten, ist zwar ebenfalls relevant. 480 Praktikabilität, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, Rechtssicherheit und Berechenbarkeit können aber allein komplexe Interessenkonkurrenzen nicht ausgleichen. Sie treten insofern in Abwägung zu anderen Kriterien wie Gleichbehandlung und jeweiliger Sachgerechtigkeit. In mehrpoligen Verteilungssituationen unterliegen die jeweiligen Verteilungskriterien einem höheren Anspruch an Sachgerechtigkeit, der eine Konkretisierung von Gerechtigkeitserwägungen 481 einschließt. Diese Forderung führt neben dem zu beachtenden Gebot gleichheitssichernder Verfahrensgestaltung 482 dazu, dass für die Auswahlentscheidung nicht mehr jeder sachlich willkürfreie Gesichtspunkt im Sinne eines rein formalen Gleichheitsgebots zur Rechtfertigung genügt. Die Chancengleichheit ist vielmehr als Inhalt einer verfassungsrechtlichen Forderung nach einem Abbau tatsächlicher Ungleichheiten bzw. nach gleichen realen Startchancen zu verstehen. 483 Die Gleichheitsprüfung wandelt sich praktisch in eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne, wie sie bei den Freiheitsrechten vorgenommen wird; 4 8 4 der im Verteilungsverfahren und seinen Kriterien verankerte rechtfertigende Grund muss in angemessenem Verhältnis zu der Ungleichbehandlung stehen. 477 Siehe BVerfGE 35, 79; 53, 30; 57,295; 69, 315, 355; 73,280, 296. 478 w. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (21). 479 w. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (24 f.). 480 Vgl. hierzu P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff.; ders., in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 421 (440 f.). 481 Hierzu G. Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip, S. 153. 482 Vgl. dazu G. Hermes, JZ 1997, 909 (912 ff.). 483 Vgl. dazu R. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 7 (20 ff.). 484 K. Hesse, in: Festschrift für P. Lerche, S. 121 ff.; M. Gubelt, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 15.; L. Osterloh, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 18 ff.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
223
Das Verteilungsverfahren selbst übernimmt grundrechtssichernde Funktionen und hat in seiner Ausgestaltung das Gebot der „grundrechtssichernden Mängelverwaltung" zu beachten.485 Insofern enthält die Verfassung auch ein organisatorischprozedurales Grundrechtsoptimierungsgebot, dem der Gesetzgeber durch den Erlass von Verfahrensregelungen zum optimalen Schutz der Grundrechtsgüter genügt. 4 8 6 Die ordnungsrechtliche Pflicht des Staates, den grundrechtlich gewährleisteten, einem Zulassungsvorbehalt unterliegenden Freiheitsgebrauch durch geeignete Organisations- und Verfahrensmaßnahmen zu optimieren, richtet sich dabei nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch an die Exekutive, wenn die Verwaltung Organisation und Verfahren gestalten darf. 487 Schließlich muss der Gesetzgeber gerade im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Verteilungsentscheidungen selbst treffen. 488 Eine gesetzliche Grundlage ist in diesem Zusammenhang unabhängig davon erforderlich, ob es sich um ein Abwehr- oder Teilhaberecht handelt, weil die Beteiligung an staatlichen Leistungen die notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von grundrechtlich geschützter Freiheit darstellt. Hier muss der Gesetzgeber als derjenige, von dessen Entschließungen der Umfang des Leistungsangebots abhängt, selbst die Verantwortung dafür übernehmen, wenn als Folge unzureichender Kapazitäten der Kreis der Begünstigten unter Inkaufnahme schwerwiegender Ungleichbehandlungen beschränkt wird. 4 8 9 Gerade weil verschiedene Verteilungsverfahren und -kriterien existieren, bedarf deren Auswahl der parlamentarischen Legitimation; er darf insbesondere seine Verantwortung für die relevanten Auswahlverfahren und -kriterien - soweit sie normierbar sind - nicht auf die Verwaltung oder die Gerichte verlagern 4 9 0
«5 Λ. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 ff. 486 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f.; W. Hoffmann-Riem, in: Festschrift für B.-O. Bryde, S. 53 (59 f.). 487 H. D. Jarass, AöR 110 (1985), 363 (388); ders., in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 35 ff.; H.-J. Papier, HdbStR VI, § 154 Rn. 14. 488 Vgl. BVerfGE 33, 303, 337; BVerwGE 64, 238, 245; W. Frotscher/E. Recht, NVwZ 1986, 81 (82). Eine gesetzliche Grundlage hatte das BVerfG (E 73, 280) auch für die Auswahlmaßstäbe und das Auswahlverfahren für die Vergabe von Notariatsstellen gefordert, woraufhin nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Auswahlentscheidung persönliche und fachliche Eignung im Vordergrund stehen, die anhand eines Auswahlverfahrens ermittelt werden soll, vgl. §§ 3 ff. BNotO i.d.F. des Gesetzes vom 31. August 1998, BGBl. I, 2585, siehe dazu auch Fn. 505 in diesem Kapitel. 489 Vgl. BVerfGE 33, 303, 337. 490
Problematisch erscheint ζ. B., ob § 70 Abs. 3 GewO, der vorsieht, dass die Zulassung von Märkten einzelne Aussteller und Anbieter „aus sachlich gerechtfertigten Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen werden können", diesen Anforderungen genügt, vgl. C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungsordnung, S. 149.
224 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
(bb) Exkurs: Schlussfolgerungen für formale Verteilungsverfahren Diese vornehmlich von der Rechtsprechung für Verteilungsverfahren aufgestellten rechtlichen Rahmenbedingungen haben Auswirkungen auf die (verfassungsrechtliche Zulässigkeit formaler Verteilungsverfahren. Diese Konsequenzen sollen im Folgenden betrachtet werden. Zwar eröffnen sowohl das Losverfahren als sach- und wertneutralstes Kriterium als auch die Prioritätsmethode formal gleiche Zulassungschancen. Dies allein ist aber nicht ausreichend, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Verteilungsverfahren zu genügen. Denn das vollständige Absehen von sachlichen Unterschieden und das Ausbleiben einer materiellen Güterabwägung erscheint hinsichtlich des entwickelten materiellen Gleichheitsgebots und auch der jeweils einschlägigen Freiheitsrechte mehr als zweifelhaft. 491 Nur vereinzelt wird das Losverfahren in der wissenschaftlichen Literatur noch als Konsequenz eines demokratisch-egalitären Verfassungsgebotes der Chancengleichheit gesehen,492 wonach der „geordnete Zufall" der Losentscheidung einziger Ausweg der Verteilungsproblematik knapper Güter oder Leistungen zwischen prinzipiell Gleichberechtigten s e i 4 9 3 Auch das Prinzip der zeitlichen Priorität wird teilweise noch als die berufliche Chancengleichheit wahrender und der Verteilungsgerechtigkeit genügender Auswahlmaßstab betrachtet. 494 Tomuschat hingegen bezeichnet die Vergabe nach dem Prioritätsprinzip als „ k a s c h i e r t e Willkür", die nur einen „Schein der Ordnung" schaffe. 495 Außerdem merkt Berg an, dass eine Verteilungsentscheidung anhand formaler Maßstäbe zu einer „Fehlleitung von Mitteln mit sozialer Zweckbestimmung" und einer „Einbuße sozialer Gerechtigkeit" führe 4 9 6 Zufallsprinzipien greifen die hinter jeder Verteilungsentscheidung stehenden komplexen Interessenkonkurrenzen und Zielkonflikte nicht auf. 497 Wo die Zutei491 So wäre ζ. B. eine rein formale Auslosung zur Verteilung knapper Studienplätze mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit deshalb nicht vereinbar, weil keiner der für die Berufswahl und den Zugang zum Beruf entscheidenden Faktoren noch irgendeine Rolle spielte, vgl. W. Schaumann, JZ 1966, 721 (723 Fn. 15). 492 Vgl. etwa H. Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes, S. 87; H.-U. Schwarzmann, JuS 1972,145 ff. 493 R. Wimmer, DVB1. 1967, 139 (142). 494 So für die Regelung der Neuzulassung von Taxen als Beispiel eines reglementierten Dienstleistungsmarktes. Der Einzelfall sei in einen planmäßig angelegten Zusammenhang eingebettet, der durch eine zeitlich begrenzte Zulassungssperre, einen Beobachtungszeitraum und eine Vormerkliste erreicht werde. Es bliebe hinreichend Raum für Differenzierungen, womit dem Gerechtigkeitsgedanken besser genügt wäre als denkbar andere Lösungen. Andererseits wird zugegeben, dass eine Verteilung allein nach Priorität ein Zufallsmoment enthält und deshalb ohne Einschränkung durch aufgabenbezogene Kriterien nicht ausschlaggebend sein kann, vgl. P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (534, 542 f.). 49 5 C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (455). 49 6 W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (22).
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
225
lung von wirtschaftlichen, sozialen, politischen etc. Gütern nach einem formalisierten Zufallsprinzip erfolgt, kann auch eine materielle Chancengleichheit nur zufällig erreicht werden. Bei den rein formalisierten und - bezogen auf ihre Ergebnisse - zufallsorientierten Vergabeverfahren treten die abwägungsbedürftigen Rechtsverhältnisse (erfolgreiche und abgelehnte Bewerber ebenso wie öffentliche Interessen und Allgemeinwohlerwägungen) nicht hervor. Sie treffen in ihrer Auswahlentscheidung keine Aussage über Eignung und Nutzung der zu vergebenden Güter und nehmen damit keine Abwägung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Grundrechtspositionen im Rahmen der Freiheitsrechte vor. Sie negieren den Kampf um eine ausgleichende und kollisionslösende Bewältigung des mehrpoligen Knappheitsproblems, obwohl dort, wo subjektive Ansprüche und materielle individuelle und öffentliche Interessen konkurrieren und kollidieren, ziel- und zweckoptimale Verteilungslösungen erforderlich sind. 498 Damit stehen sie wegen ihrer Wert- und Sachneutralität im Widerspruch zum grundrechtlichen Optimierungsgebot einer geeigneten und erforderlichen Verteilungslenkung. Die Gesichtspunkte der Praktikabilität und die geringen finanziellen Belastungen der formalisierten Vergabekriterien können nicht allein maßgeblich sein, da Verwaltungsentscheidungen nach rein formalisierten Maßstäben immer praktikabler und berechenbarer sind als Abwägungsentscheidungen. Rein formalisierte Vergabeprinzipien als „Verlegenheitsmaßstäbe" 499 können den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur dann genügen,500 wenn entweder aus einer zeitlichen Abfolge eindeutige Rückschlüsse auf sachliche Kriterien möglich bzw. intendiert sind oder wenn eine Abwägung zwischen den konfligierenden rechtlichen (individuellen und allgemeinen) Interessen gerade dieses Verfahren als optimal ausweist. Verteilungsentscheidungen durch Los oder aufgrund zeitlicher Priorität werden im Weiteren dort als ultima Ratio befürwortet, 501 wo es „schlechthin an rationalen Kriterien fehlt". 5 0 2 Ebenso kommen formalisierte Verteilungsmaßstäbe dann in Betracht, wenn kein anderes Verfahren (mehr) technisch durch497 c. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (436); H. Rummer, NJW 1988, 225 (229); A. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (37). 498 c. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 224 f. Entscheidend ist hier die Grundrechtsgebundenheit der Verteilungslenkung; es geht nicht um verfassungsrechtliche Aussagen zu volkswirtschaftlichen Zielen und Methoden der Güterverteilung, die mit der „wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes" in Konflikt geraten könnten. 499 E. Rehbinder, in: Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 28 (75 f.). 500 Rein formale Kriterien können den verfassungsrechtlichen Anforderungen natürlich auch dann genügen, wenn das zu vergebene Kontingent nicht vollständig nachgefragt wird bzw. die Verteilungsmasse unbegrenzt abgegeben werden soll, also keine eigentliche Knappheitssituation vorliegt, vgl. dazu H. Rummer, NJW 1988, 225 (230). soi BVerwGE 16, 190, 191 f. 502 C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (446). Siehe auch kritisch W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (22 f.).
15 Bumke
226 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
führbar ist, 5 0 3 was insbesondere bei einer Entscheidung über ranggleiche Bewerber der Fall sein kann. Nicht ausreichend ist das Argument, dass eine sachorientierte Verteilung aufwendig und kompliziert wäre. Der Staat darf sich auch dann nicht ohne weiteres unter Hinweis auf Effizienzgesichtspunkte seiner Verantwortung für eine grundrechtssichernde Mängelverwaltung entziehen und zur Vermeidung von Kritik auf formale Kriterien wie die zeitliche Priorität oder das Los ausweichen. bb) Wertende Auswahlmaßstäbe zur sachangemessenen Verteilungslösung Neben formalen Vergabekriterien können zur Lösung von Knappheitskonstellationen wertende Maßstäbe herangezogen werden, die im Folgenden kategorisiert und problematisiert werden. 504 Im Gegensatz zu formalen Kriterien weisen sie grundsätzlich einen Bezug zum jeweiligen Sachbereich der Verteilung auf. In der Regel sind Verteilungsverfahren, die auf wertende Komponenten zurückgreifen, gesetzlich so ausgestaltet, dass die jeweils zuständige Vergabebehörde die Nachfrager anhand der jeweils einschlägigen inhaltlichen Kriterien bewertet, diese gewichtet und daraufhin die Verteilungsentscheidung fällt (so genannter administrativer Auswahlprozess, beauty contest). Dreh- und Angelpunkt wertender Verteilungsverfahren ist die Aufstellung geeigneter Kriterien. Die in jeweiligen Sachbereichen und Verteilungsproblematiken anzuwendenden und maßgeblichen Kriterien sind äußerst vielfältig und abhängig von den entsprechenden Vorgaben, wie insbesondere der Art des zur Verteilung anstehenden Gutes ebenso wie den individuellen und allgemeinen bzw. öffentlichen Zielen, Zwecken und Bedürfnissen, die das Gut befriedigen soll. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich die Kriterien entweder an qualitativen Eigenschaften der Antragsteller im Sinne einer Auslese des Besten bzw. Leistungsfähigsten (Maßstab der Leistung) oder aber an der Bedürftigkeit (Maßstab des Bedarfs) orientieren, 505 wobei weitere verschiedene öffentliche Interessen in die Abwägungsentscheidung eingehen können. 506
503 c Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (446); W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (22). 504 Aus der im vorangegangenen Abschnitt exkursartig dargestellten zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit formaler Verteilungskriterien folgt, dass wertende Gesichtspunkte zumindest auch, in der Regel aber vorrangig heranzuziehen sind. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit hinsichtlich der Sachgerechtigkeit sowie weiterer verfassungsrechtlicher Anforderungen erfolgt in der vorliegenden Untersuchung konzentriert auf den wertenden Maßstab der Allokationseffizienz, wie er im Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG zur Anwendung kommt, siehe dazu unten 2. Teil, 4. Kapitel. 505 Λ. Voßkuhle, Die Verwaltung 32 (1999), 21 (37); M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 392. So erfolgt z. B. die Vergabe von Rundfunkfrequenzen und Kabelkanälen durch die Landesmedienanstalten anhand der Qualiät der Bewerber, vgl. etwa § 2 Abs. 2 S. 1 HmbFrequenzvergabe-Gesetz (Gesetz über die Zuweisung von technischen Übertragungskapazitäten im
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
227
Nach dem herkömmlichen Konzept wurde die Auswahlentscheidung im Gegensatz zu ökonomischen oder wettbewerblich orientierten Kriterien zumeist anhand weicher Maßstäbe wie Eignung, Fähigkeit usw. getroffen. 507 Hiermit ging einher, dass die Vergabebehörde selbst die Interessenten bewertete und dann die Güter, Leistungen oder Rechte anhand ihrer Präferenzaufstellung unentgeltlich abgab. Diese staatliche Vergabe knapper Güter lässt sich in das Gemeinlastprinzip einordnen, wonach allgemeine staatliche Leistungen durch Steuereinnahmen finanziert werden. Eine (individuell) entgeltliche Güterabgabe erfolgte nur dann, wenn die Güter oder Leistungen individuell zurechenbar waren. 508 Problematisch ist diese Vergabemethode sowohl hinsichtlich der Aufstellung und Formulierung der maßgeblichen Kriterien als auch hinsichtlich ihrer Gewichtung und Bewertung. Da die sachlich relevanten Kriterien häufig Wertungsspielräume lassen, können subjektive Einschätzungen und Wertungen der Vergabebehörde nicht ausgeschlossen werden. 509 Darüber hinaus können die einschlägigen Kriterien in ihrer Formulierung ungenau sein. Ebenso ist ihre Gewichtung nicht immer transparent, womit sich die Vergabebehörde zwar eine gewisse Flexibilität erhält, die jedoch zu Lasten der Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit der Vergabeentscheidung geht. 510 Rundfunk, 20. April 1994, HmbGVBl., S. 130). Ebenso kommt diese Qualitätsorientierung ζ. B. bei der Vergabe von Studienplätzen (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 27 HRG „gemäß § 27 nachgewiesenen Qualifikation für das gewählte Studium") und im Ausschreibungsverfahren nach § 6 b Abs. 1 S. 1 BNotO bei der Bereitstellung zum Notar (vgl. § 6 Abs. 3 S. 1 BNotO „persönliche und fachliche Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen") zur Anwendung. So sind zwar die gesetzlich normierten Auswahlmaßstäbe der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen bzw. deren nähere Konkretisierung in § 6 BNotO vom BVerfGE als sachgerechte Kriterien im Auswahlverfahren zur Vergabe von Notariatsstellen und damit als verfassungsgemäß eingestuft worden, nicht jedoch deren Gewichtung, die in der Verwaltungspraxis anhand eines Punktesystems vorgenommen wurde, wonach der Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung nicht gewährleistet werde, vgl. BVerfG, NJW 2004,1935 ff. Im Gegensatz dazu werden öffentlich geförderte Wohnungen nach Bedürftigkeit zugeteilt, § 4 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 Wohnungsbindungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. August 1994, BGBl. I, 2166 i.V.m. § 25 Abs. 2 Zweites Wohnungsbaugesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. August 1994, BGBl. I, 2137. 506 c. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 213. Vgl. z. B. § 19 Abs. 3 S. 1 HWaG (Hamburgisches Wassergesetz, vom 20. Juni 1960, HmbGVBl. S. 335), der das „Wohl der Allgemeinheit" als Versagungsgrund statuiert. 507 C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (437 f.). 508 So ist die Entgeltlichkeit bei der Nutzung von ζ. B. Schwimmbädern, Parkplätzen oder Museen erklärbar. 509 Dies hat nicht selten den Vorwurf der Begünstigung zur Folge, vgl. P. Klemperer, Auctions vs Beauty Contests. 510 Für die Bewertung der Nachfrager anhand der Kriterien bedarf die Vergabebehörde zumindest teilweise auch vertraulicher Informationen - ζ. B. Geschäftspläne und -Strategien - von Seiten der Bewerber. Da deren Publikation nach außen nur eingeschränkt zulässig sein 1*
228 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren cc) Allokationseffizienz
als marktorientiertes
Verteilungskriterium
Insbesondere i n jüngster Zeit haben die Forderungen nach einer marktwirtschaftlich orientierten Verteilung in der rechtswissenschaftlichen Literatur zugen o m m e n . 5 1 1 Daneben hat der Gesetzgeber bereits i n den zuletzt gesetzlich (neu) geregelten Bereichen - wie bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Telekommunikationsfrequenzen - ökonomisch- und wettbewerbsorientierte Kriterien als Auswahlmaßstäbe vorgesehen. 512 I n der rechtlichen Entwicklung ist insgesamt ein Trend weg vom „Windhundprinzip" und weichen Maßstäben hin zu ökonomisch orientierten Auswahlmaßstäben und -verfahren zu beobachten. dürfte, müssen auch unter diesem Gesichtspunkt starke Einschränkungen in der Nachvollziehbarkeit der Vergabeentscheidung in Kauf genommen werden, vgl. zu dieser Problematik L Nett, WIK Newsletter Nr. 24, 1996, 3 (4). Außerdem bilden die einzelnen Komponenten des Vergabeverfahrens (Bewerbungen, Veranstaltungen von Hearings, Abstimmungsprozesse, Anfertigung und Vergabe von Gutachten und die Einrichtung von Kommissionen oder anderen Expertengremien) u.U. sowohl wesentliche Kosten- als auch Zeitfaktoren für den Staat und die Nachfrager. So gab es in den USA administrative Hearings bei der Vergabe von zellularen Mobilfunkfrequenzen, die sich über Jahre hinzogen. 5Π Vgl. zunächst allgemein C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (441 ff., 455 ff.) sowie die Beiträge in U. Sacksofsky/J. Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat. Speziell für einzelne Sachbereiche, vgl. z. B. für Studienplätze B. Hansjürgens, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 153 (161 ff.); für die Straßennutzung bei Überfüllung H Grossekettler, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 24 (26); für Rundfunkfrequenzen H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/R. Maurer, Wettbewerb und Regulierung, S. 130 Fn. 157; für Start- und Landerechte Monopolkommission, Hauptgutachten 1988/1989, S. 319, 323 f.; für den Verkauf von bzw. die Gebührenerhebung bei Konzessionen J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 319 f., auch insb. im Umweltbereich J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 278; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben; für die Versteigerung von Luftverschmutzungszertifikaten E. Rehbinder, in: Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 92 (104). Vgl. zur Allokationseffizienz bei der Frequenz vergäbe in einem Versteigerungs verfahren oben 2. Teil, 2. Kapitel. 512 In diesem Zusammenhang fällt ζ. B. auch die in einem Verordnungsentwurf der Kommission vom 26. Juli 2000 vorgesehene Ausschreibung öffentlicher Verkehrsleistungen (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen vom 26. 07. 2000, KOM [2000], 7, vgl. auch den geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen vom 21. 02. 2002, KOM [2002] 107). Gleichzeitig legte die Kommission einen Vorschlag für die Neufassung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/79 des Rates vom 04. 01. 1970 (ABl. EG Nr. L 130) über die Gewährung staatlicher Koordinierungsbeihilfen im Sektor des öffentlichen Transportwesens vor. Nach Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 des Verordnungsentwurfs sollen Dienstleistungsaufträge im Anwendungsbereich der Verordnung grundsätzlich im Wege der Ausschreibung vergeben werden. Hiermit soll ein Paradigmenwechsel von der Direktvergabe einschließlich Beihilfekontrolle zu einem diskriminierungsfreien und transparenten Wettbewerb um Konzessionen und Aus-
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
229
Ausgangspunkt der Argumentation für ein marktförmiges Verteilungssystem ist die Erkenntnis, dass die Verteilung knapper Güter, Leistungen oder Rechte über das Preiskriterium zu einer effizienten Verteilung und dadurch Maximierung der Gesamtwohlfahrt f ü h r t . 5 1 3 Die Zulässigkeit ökonomischer oder wettbewerbsorientierter Kriterien ist i n Abhängigkeit vom jeweiligen Sachbereich zu beurteilen. Grundsätzlich gilt, dass diese Kriterien eine Rückanbindung an die kollidierenden Verfassungspositionen erfahren müssen. Verfassungsrechtliche Grenzen ergeben sich für rein ökonomisch orientierte Kriterien dann, wenn die zu verteilenden Güter existenznotwendig sind. Zweifelhaft ist ein wettbewerbsorientierter Maßstab des Weiteren dann, wenn sich durch die Kommerzialisierung bestimmter Güter die Grundrechtswahrnehmung wie ζ. B. des in Art. 141 Abs. 3 BayVerf niedergelegten Rechts auf Naturgenuss e s 5 1 4 oder die Teilhabe am sozialstaatlichen Leistungsangebot - ausschließlich am individuellen wirtschaftlichen Leistungsvermögen orientieren w ü r d e . 5 1 5 Ist das Kriterium der finanziellen Leistungsfähigkeit ungeeignet oder nur eingeschränkt geeignet, um eine allen Anforderungen und Zielen gerecht werdende Verteilungsentscheidung zu gewährleisten, so müssen weitere Kriterien hinzu oder an dessen Stelle treten. gleichszahlungen im öffentlichen Personenverkehr vollzogen werden, so F. Roth, NVwZ 2001,616(619). Auch bei der Auslagerung von Verwaltungsaufgaben im Wege der Public-Private-Partnership kann eine Entwicklung zu vergaberechtlichen Lösungen beobachtet werden, vgl. dazu M. Burgi, GewArch 2001,217 ff.; M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (604 ff.). Schließlich ist in diesem Zusammenhang die Allokation knapper Umweltressourcen durch die Einführung des europäischen Handelssystems für Emissionszertifikate zu nennen. In der Bundesrepublik hat das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen [Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz TEHG]) als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, BGBl. I 2004, 1578) als „Stammgesetz" das Emissionshandelssystem als solches eingeführt. Die zentrale Frage der Zuteilung von Berechtigungen ist im „Gesetz über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhaus-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zuteilungsgesetz 2007 - ZuG 2007)", BGBl. I 2004, 2211, geregelt. Umgesetzt werden damit die Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61 / EG des Rates, ABl. EG Nr. L 275 vom 25. 10. 2003, S. 32 ff., die der Europäischen Gemeinschaft dazu dient, ihre im Protokoll von Kyoto vom 11. 12. 1997 (BGBl. I I 2002, 966, vgl. Art. 3 Abs. 10 und 11 i.V.m. Art. 17 des Protokolls) zur UN-Klimarahmenkonvention (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen, BGBl. I I 1993, 1784) übernommenen Verpflichtungen zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen effektiv und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage zu erfüllen (vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2003/87/EG), vgl. zu den damit aufgeworfenen Problemen die Nachweise in Fn. 343 in diesem Kapitel. 513 Vgl. H. Rummer, NJW 1988, 225 (233). Siehe ausführlich oben im 2. Teil, 2. Kapitel. 514 Zum Inhalt dieses Rechts vgl. BayVerfGH, NVwZ-RR 1991, 10,11 f. 515 Vgl. hierzu und zum Kommerzialisierungseinwand im Umweltrecht K. Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 68 ff., 129 ff.
230 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Die sich dennoch abzeichnende Entwicklung zu marktorientierten Maßstäben lässt sich vor allem durch die Grenzen der Steuerungsfähigkeit im Verteilungsverfahren erklären. Solche Grenzen ergeben sich vor allem in Bereichen wie der Frequenzvergabe, die durch eine starke (technologische und ökonomische) Wandelbarkeit des Sachbereichs - also des Realbereichs der Norm - 5 1 6 gekennzeichnet sind, die zu einem Informationsdefizit auf Seiten des Staates und zur notwendigen Umstellung auf marktorientierte Kriterien und Verfahren führen. Marktorientierte Kriterien generieren notwendiges Regulierungswissen und gleichen damit Informationsdefizite bei der Ausfüllung wertender Maßstäbe aus. 517 Marktorientierte Kriterien bedürfen in besonderer Weise der Absicherung durch Verfahren, da auf die Selbstregulierung des Marktes vertraut wird, der Staat aber durch Organisation und Verfahren seine Gewährleistungsverantwortung wahrnehmen muss. Das Sichtbarwerden der Grenzen materiell-rechtlicher Steuerung lässt also Verfahrens- und Organisationsfragen als strukturelle Steuerung in den Vordergrund der Regulierungsstrategien rücken. 518 Gewährleistungsverantwortung tritt damit an die Stelle der Erfüllungsverantwortung, die im Verteilungsverfahren der Frequenzvergabe die Ausfüllung wertender Kriterien durch die Verwaltung selbst erfordern würde, was aufgrund des Sachbereichs nicht mehr vollständig leistbar ist. Ist im betrachteten Sachbereich - wie bei der Vergabe von Telekommunikationsfrequenzen - das einschlägige (Haupt-)Kriterium ein marktwirtschaftlicher Maßstab, kann die Kriterienbewertung durch die jeweiligen Nachfrager selbst oder durch die Behörde vorgenommen werden. Beide Formen finden sich parallel im novellierten TKG als mögliche Vergabeverfahren für Frequenzen. Nebeneinander stehen als Regelfall das Versteigerungsverfahren als selbstregulativer, regulativ abgestützter Mechanismus und das Ausschreibungsverfahren als hoheitlich-hierarchisches Verteilungssystem. 519 Eine „Privatisierung der Auswahl" wird immer dann möglich, wenn das marktförmige Kriterium eindeutig messbar ist und keiner weiteren Bewertung mehr bedarf. Vergabeformen für eine solche selbstregulative Form der Kriterienbewertung sind das Versteigerungsverfahren, 520 wie es als Novum im Wirtschaftsverwaltungsrecht für die Frequenzvergabe in § 61 Abs. 5 TKG vorgesehen ist, 5 2 1 und spiegel516
Dazu W. Hoffmann-Riem, in: Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9 ff.; Zur Bedeutung des Realbereichs von Grundrechten W. Hoffmann-Riem, in: Festschrift für B.-O. Bryde, S. 53 (55 f.). 517 Vgl. auch allgemein K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (157); H.-H Trute, DVB1. 1996, 950 (960 ff.); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 268 (308). 518 Vgl. zur Steuerungsdiskussion die Nachweise oben in Fn. 116 im 2. Teil, 1. Kapitel. s·9 S.o. im 2. Teil, 1. Kapitel, B.II.3.b)bb)(2). 520 Versteigerungen können aber auch nicht marktwirtschaftlich ausgestaltet werden. So zieht C. Engel, Medienordnungsrecht, S. 85, in Betracht, knappe Rundfunkfrequenzen gegen Programmverpflichtungen zu versteigern.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
231
bildlich dazu die Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn nur das Kriterium des wirtschaftlichsten Angebots über den Zuschlag entscheidet und keine Anreicherung des Bewertungsmaßstabs durch so genannte vergabefremde Erwägungen vorgenommen w i r d . 5 2 2 A m Beispiel des Kriteriums der Effizienz ist gezeigt worden, dass Maßstab und Verfahren damit untrennbar verknüpft zum Rechtmäßigkeitsmaßstab der Verteilungsentscheidung werden. 5 2 3 dd) Versteigerungsverfahren als Form des marktförmigen Verteilungsverfahrens Marktförmige Kriterien finden sowohl i m hoheitlichen Ausschreibungsverfahren als auch i m selbstregulativen Versteigerungsverfahren Anwendung. Wird nicht nur bei der Maßstabbildung, sondern auch bei der Auswahl selbst aufgrund der Berücksichtigung von Grenzen des Umgangs mit Komplexität in Verwaltungsverfahren auf den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" 5 2 4 vertraut 521 Eine öffentlich-rechtliche Vergabe durch Auktionen ist nur im Bereich des Jagdwesens zu finden, wo der Staat das knappe Gut der Jagdrechte für seine forstfiskalischen Eigenjagdbezirke verbriefen und versteigern lässt. Nach Ziff. 7 des Erlasses des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 9. Dezember 1990 zur Zuschlagserteilung bei der Verpachtung forstfiskalischer Eigenjagdbezirke (in: Hessischer Staatsanzeiger 6/1991, 405) ist zunächst eine Ausschreibung durchzuführen. Nach Ablauf der Einreichungsfrist jedoch vor dem Termin für die Öffnung der Gebote ist von einer unabhängigen Sachverständigenkommission ein Pachtwertgutachten für den ausgeschriebenen Jagdbezirk zu erstellen (Ziff. 8). Bei der Öffnung der Gebote ist eine Zusammenstellung aller Gebote anzufertigen. Diejenigen Gebote, die den gutachterlich ermittelten Pachtwert nicht erreichen oder ihn um mehr als 50% übersteigen, scheiden aus. Aus den verbleibenden Geboten ist der Durchschnittspreis zu ermitteln; den Zuschlag erhält sodann vorbehaltlich der Erfüllung der allgemeinen jagdpachtrechtlichen Voraussetzungen dasjenige Gebot, welches unmittelbar über dem errechneten Durchschnittspreis liegt (Ziff. 9). Diskutiert wird eine Versteigerung auch im Bereich der Vergabe von Start- und Landerechten, deren Auslöser grundlegende theoretische Arbeiten und praktische Erfahrungen in den USA waren. Seit 1986 ist der Slothandel für die Flughäfen Chicago O'Hara, Washington National, New York La Guardia und John F. Kennedy zugelassen. Vgl. zu diesem Themenbereich R. M. Hardaway, The Journal of Air Law and Commerce 52 (1986), 1 (9 ff.); D. M. Grether/R. M. Isaac /C. R. Plott, The Allocation of Scarce Resources; J. Basedow, Wettbewerb auf Verkehrsmärkten, insb. S. 228. Zu der wissenschaftlichen Diskussion in Deutschland Monopolkommission, Hauptgutachten 1988/89, S. 319, 323 f.; C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 408 ff.; H. Wolf, Die Weltwirtschaft 1991, Heft 2, 187 ff.; J. Borrmann, WuW 1991, 678 ff. 522 Denn dann findet wieder eine Khteùenbewertung aus einem Mix an Kriterien, die unterschiedlich zu gewichten sind, durch die Vergabebehörde statt. 523 Dass Telekommunikationsfrequenzen anhand eines entgeltlichen Auswahlmaßstabes effizient alloziert werden, wurde in der ökonomischen Analyse insbesondere auch unter dem Gesichtpunkt der Kombination des Maßstabes mit einem Versteigerungsverfahren bewiesen, siehe dazu das 2. Kapitel im 2. Teil. 524 fi A. von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren.
232 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
bzw. werden die Marktkräfte positiv genutzt, 525 vollzieht sich der Wandel von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung für die Verteilungsentscheidung. Die Gewährleistungsverantwortung drückt sich dabei in der Rahmensetzung für das Verfahren aus und erlangt damit eigenständige, wesentliche Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Verteilungsentscheidung; das Versteigerungsverfahren wird zum Anwendungsfall regulierter Selbstregulierung. 526 Es geht im Versteigerungsverfahren um die Organisation der Regulierung.
b) Marktförmige Verteilungsentscheidung An dieser Stelle sollen Gründe hervorgehoben werden, die für eine Einführung regulierter Selbstregulierung in der Form des Versteigerungsverfahrens bei der Verteilungsentscheidung sprechen, und mögliche Einwände entkräftet werden. 527 aa) Verlust von Steuerungsmacht Wählt der Staat zur Lösung des Verteilungsproblems als ausschlaggebenden Verteilungsmaßstab ein marktwirtschaftlich orientiertes Kriterium in einem marktförmigen Verfahren, hat dies zur Konsequenz, dass er die aktive Gestaltungsmöglichkeit auf die Auswahlentscheidung einbüßt. Die Einsicht der Grenzen der Steuerungsfähigkeit bedeutet gleichzeitig den Verlust von Steuerungsmacht. Eine Auswahl anhand weiterer inhaltlicher Maßstäbe, mit denen ζ. B. struktur-, umweltoder - bei der Vergabe von Rundfunkfrequenzen - medienpolitische528 Aspekte und Ziele verfolgt werden sollen, ist neben dem maßgeblichen marktwirtschaftlichen Kriterium eigentlich nicht mehr möglich. Allerdings ist es grundsätzlich nicht undenkbar, auch weitere inhaltliche Kriterien in ein grundsätzlich marktwirtschaftlich ausgestaltetes Verteilungsverfahren zu integrieren, indem ζ. B. die Bewerberbzw. Konkurrentengruppe auf bestimmte Kategorien beschränkt werden, Preise und Gebühren sozial orientiert gestaffelt werden oder die Angebote bestimmter, zu privilegierender Bewerber unterschiedlich gewichtet werden. 529 Inhaltliche Aspekte können in das Verfahren eingebaut werden, indem man ζ. B. das Einhalten bestimmter Umweltschutzstandards monetär bewertet. Da ein solches Vorgehen in der Konsequenz das Risiko beinhaltet, dass die staatliche Privilegierungsentscheidung durch den „Bevorzugten" durch anschließenden gewinnbringenden Weiter525 Vgl. auch K.-H. Ladern CR 2002, S. 181 (182). 526 Siehe auch oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.ü.3.b)dd)(2)(c). 527 Teilweise weisen diese Argumente bzw. Einwände einen verfassungsrechtlichen Kontext auf. Dieser soll aber erst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Untersuchung des telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahrens betrachtet werden, siehe dazu unten im 2. Teil, 4. Kapitel. 528 Vgl. hierzu auch W. Hoffinann-Riem, AöR 110 (1985), 528 (562). 529 c Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (269); Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 114.
3. Kap.: Das Versteigerungs verfahren
233
verkauf an einen nicht privilegierten Interessenten umgangen wird, besteht das Bedürfnis, geeignete staatliche Maßnahmen in Form von ζ. B. Veräußerungsverboten zu ergreifen. Wählt der Staat derartige Kombinationsmaßstäbe zur Verteilung, wird es möglich, sowohl das Ziel einer (ökonomisch) effizienten Verteilung als auch andere Gemeinwohlzwecke im weitesten Sinne zu verfolgen, und dem Staat zumindest teilweise staatliche Steuerungsmacht vorzubehalten. Die Empfängerauswahl nach sonstigen inhaltlichen Kriterien erlangt bei der Frequenzvergabe Bedeutung. Die oben genannten Gruppen kommen dabei allerdings grundsätzlich nicht in Betracht. Durch die Frequenznutzung werden keine negativen externen Umwelteffekte hervorgerufen, so dass eine Orientierung an Umweltschutzstandards keiner besonderen Berücksichtigung bedarf. Für die Vergabe von Rundfunkfrequenzen ist zumindest derzeit noch nicht vorgesehen, dass pretiale Auswahlverfahren zur Anwendung kommen (vgl. § 61 Abs. 2 S. 3 TKG). Sollte sich dies ändern, hätte der Gesetzgeber medienpolitische und rechtliche Bindungen in die Vergabeentscheidung zu integrieren. Gesetzlich verankert ist aber die Zielvorgabe der Berücksichtigung der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen in § 61 Abs. 5 S. 1 T K G . 5 3 0 Hier gibt es die Möglichkeit, die Gebotshöhe der einzelnen Bieter in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße zu bestimmen oder kleinen und mittleren Unternehmen Sonderrechte einzuräumen, indem man ζ. B. die Gebote dieser Unternehmen fiktiv höher bewertet. 531 bb) Gerechtigkeitserwägungen (1) Ausgleich des „ungerechten" Vermögenszuwachses Zur Begründung einer Abgabe der Güter, Leistungen oder Rechte über marktwirtschaftliche Maßstäbe lassen sich Gerechtigkeitserwägungen heranziehen. Eine unentgeltliche Zuteilung an Unternehmen oder Einzelpersonen erhöht deren Vermögen in Höhe des wirtschaftlichen Objektwertes. Dieser begünstigende Vermögenszuwachs korrespondiert nicht mit einer ausgleichenden Verpflichtung, die Allgemeinheit an diesem Vermögenszuwachs teilhaben zu lassen. Eine solche Bevorteilung widerspricht dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit. 532 U.a. mit diesem Erklärungsmuster wird die Erhebung von Gebühren und Beiträgen für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen gerechtfertigt, wobei al530 j n d e n USA werden im Telekommunikationsbereich kleine und mittlere Unternehmen besonders gefördert. So sind ζ. B. kleine und ländliche Telefongesellschaften von der Zusammenschaltungspflicht mit großen Telekommunikationsunternehmen befreit und können von der Universaldienstpflicht ausgenommen werden (section 101, p. 23 des US Telecommunications Act von 1996), vgl. dazu H.-W. Moritz/H. R. Neus, CR 1997, 239 (244). 531 Vgl. BT-Drs. 13/4438, S. 9; C. Koenig/ A. Neumann, ZRP 2001, 252 (256). Kritisch M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 24. 532 Vgl. BVerwGE 95, 188, 203; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 139 f.; R. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 7 (25).
234 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
lerdings vornehmlich der Schutz der Steuerzahler bewirkt werden soll: Sie sollen nicht mit den staatlichen Bereitstellungskosten für öffentliche Leistungen oder Einrichtungen - an deren Höhe sich auch die Gebühren und Beiträge orientieren belastet werden, die lediglich individuellen Interessen dienen (so genannte lastengerechtigkeitsstiftende Funktion der Gebühren und Beiträge). 533 Dieser Agumentationstopos lässt sich aber auch als Rechtfertigung von Abschöpfungsgebühren für knappe Ressourcen oder Nutzungsrechte heranziehen, obwohl deren Produktion bzw. Bereitstellung nicht unbedingt Kosten verursachen muss oder zumindest diese relativ gering ausfallen können. Die Abschöpfung lässt sich stattdessen mit der Privilegierung begründen, die aus dem wirtschaftlichen Wert der jeweiligen Güter oder Rechte für den Empfänger bzw. Nutzer folgt. 5 3 4 Der Vermögensvorteil einer staatlichen Leistungszuwendung ist zu kompensieren, und zwar bemessen anhand der Gesetze des Marktes. Der wirtschaftliche Wert der knappen Güter resultiert aus den (potenziellen) Gewinnen der Nutzung. Diese Gewinne erzielen die Begünstigten dadurch, dass die Verbraucher die entsprechende Dienstleistung oder das Produkt nachfragen und dafür ein Entgelt zahlen. Es vollzieht sich also eine „Umverteilung" von den Konsumenten auf die Inhaber der knappen Güter bzw. Nutzungsrechte. Auch wegen dieser Begünstigung entspricht es nur dem Gebot der Gerechtigkeit, die Allgemeinheit an dem Vermögenszuwachs, der sich aus der staatlichen Verteilung ergibt, zu beteiligen, indem er durch eine staatliche Abschöpfung an die Allgemeinheit zurückgeführt wird. Das Argument, dass eine unentgeltliche Abgabe eines Gutes einen (nicht unerheblichen) „ungerechten" Vermögenstransfer zugunsten privatwirtschaftlicher Unternehmen bewirkt, gilt insbesondere im Sachbereich der Verteilung der wirtschaftlich wertvollen Telekommunikationsfrequenzen. Die Nichtabschöpfung der potenziellen Gewinne, die die Unternehmen mit der Nutzung der Frequenz erwirtschaften, käme einem Geschenk des Steuerzahlers an die Aktionäre des Mobilfunkunternehmens gleich. 535 Die Gewinne in Form von „Knappheitsrenten" werden letztlich von den Konsumenten der mit der Frequenznutzung angebotenen Dienstleistung finanziert. Nur durch eine Abgabe der Frequenzen in einem pretialen Verfahren kann die Knappheitsrente vergesellschaftet werden, indem sie über Staatsleistungen, die mit Einnahmen aus der staatlichen Frequenzabgabe finanziert werden, an die Gesellschaft zurücktransferiert wird. 5 3 6
533 κ. H. Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (682). 534 J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 295 f.; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 139 f.; S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 176 ff.; Κ Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (382 ff.). Siehe auch unten im 2. Teil, 4. Kapitel, B. 535 Vgl. Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4; S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 35. 536 J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 174.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
235
(2) Erwerbskostenniederschlag auf den Endverbraucher Insbesondere in Zusammenhang mit dem telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahren wird eingewandt, dass eine Vergabe über ein marktwirtschaftliches Kriterium zu einer Weitergabe der Frequenzkosten über erhöhte Preise der entsprechend angebotenen Telekommunikationsdienstleistung führen würde und es damit im Ergebnis die Konsumenten seien, die die Frequenzerwerbskosten tragen würden. Dieser Gedanke ist verallgemeinerungsfähig auf alle diejenigen Verteilungskonstellationen, in denen es um die Vergabe eines Nutzungsrechts geht, das für eine Markteilnahme erforderlich ist. Wäre dem beschriebenen Argumentationsmuster zuzustimmen - wovon der überwiegende Teil der juristische Literatur ausgeht - 5 3 7 , verlöre der als positiv beschriebene Effekt, dass der in der Frequenzzuteilung liegende Vermögensvorteil an die Gesellschaft zurücktransferiert werden soll, seine Gültigkeit. Der Annahme, dass die Kosten für den Erwerb der Frequenzen sich zwangsweise und grundsätzlich auf die Konsumentenpreise niederschlagen würden, kann jedoch nicht gefolgt werden. 538 Denn bei den Frequenzerwerbskosten handelt es sich um einen so genannten Lump-sum Transfer. 539 Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass späteres Investitionsverhalten und die Preispolitik unbeeinflusst bleiben und folglich durch Erwerbskosten keine negativen Wirkungen auf die Konsumentenpreise hervorgerufen werden. 540 Bei den Erwerbskosten handelt es sich um einen einmaligen Pauschalbetrag in Form fixer Kosten, der bereits vor dem Angebot der Telekommunikationsdienstleistung am Markt anfällt. Die Preise der nachfolgend angebotenen Telekommunikationsdienste werden gerade nicht durch die fixen Kosten errechnet, sondern vorrangig durch die variablen Kosten. 541 Ferner sind die Preise abhängig von der Nachfrage, womit sich die Endkundenpreise im Normalfall aus den variablen Kosten errechnen und des Weiteren vom Markt bestimmt werden. Denn es sind die Nachfrager, die ihre Kaufentscheidung von einer Kosten-Nutzen-Ana537 So M. Libertus, ZUM 1997, 702 (707); C. Degenhart, K&R 2001, 32 (39); A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 47 Rn. 38; K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3099); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (147); L. Grämlich, CR 2000, 101 (103); B. Varadinek, CR 2001, 17 (21). 538 Vgl. dazu J. McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (197); T. Hazlett, 41 J. L. & Econ. (1998) 805 (809); T. Brennan, 41 J. L. & Econ. (1998), 791 (799); P. Klemperer, Are Auction Always Best?; J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 174; J. Kruse, in: Zellularer Mobilfunk, S. 162 (166 f.); J. Kruse, in: Kommunikation ohne Monopole Π, S. 449 (455 f.); A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 40; ERC, ERC Report 53, S. 19; ERC, ERC, Report 76, S. 14; Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4. So auch die RegTP in der Vfg. 51 /1999, ABl. RegTP 1999, 1519, 1525. A.A. E. Noam, 41 J. L. & Econ. (1998), 765 (774). 539 R Klemperer, Are Auction Always Best? 540 McMillan, Telecommunictions Policy 19 (1995), 191 (197); T. Hazlett, 41 J. L. & Econ. (1998) 805 (809); A. Keuter/L Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 40. 541 /. McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (197).
236 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
lyse abhängig machen und damit über den Absatz des Produkts (mit-)entscheiden. Erscheint ihnen der Preis für die angebotene Telekommunikationsleistung zu hoch, verweigern sie den Kauf und das Produkt kann nicht abgesetzt werden. Abhängig ist die Bewertung der Verbraucher von der Qualität der Leistung und von der Einschätzung über den Nutzen, den ihnen das Produkt stiftet. Nicht von Bedeutung ist für ihre Kauf- und damit für die Absatzentscheidung die Höhe der angefallenen Produktionskosten im weitesten Sinne. Für den Regelfall kann damit für die nach dieser ökonomischen Rationalität handelnden Frequenzerwerber nicht davon ausgegangen werden, dass es letztlich die Konsumenten sind, die die Erwerbskosten tragen. 542 Darüber, dass es ausschließlich und vollständig die Endverbraucher seien, die die Erwerbskosten über erhöhte Preise allein zu tragen hätten, lässt sich zumindest nicht begründen, dass es durch die Frequenzzuteilung zu keinem Vermögenszuwachs der Unternehmen gekommen ist, deren Ausgleich Gerechtigkeitserwägungen entspricht. cc) Zweckverfehlung Eng verknüpft mit dem Komplex des Steuerungsverlustes auf Seiten des Staates ist die Problematik der Zweckverfehlung. Der Staat verfolgt zumeist mit der Schaffung öffentlicher Einrichtungen und künstlich knapper Güter wirtschaftliche, soziale oder politische (Haupt- oder Neben-)Ziele. Ist der Nutzen eines Gutes auf einen Teil der Bevölkerung beschränkt, werden die Kosten dafür aber aus dem Staatshaushalt erbracht, findet eine Umverteilung zugunsten der Nutzer statt. Mit den Reglementierungs- bzw. Knappheitsentscheidungen sollen gerade (Einkommens-)Umverteilungsmaßnahmen erreicht werden. 543 Die Nutzung staatlicher Einrichtungen wird unentgeltlich bzw. gegen ein nur geringes Entgelt angeboten. Die Finanzierung erfolgt dagegen aus allgemeinen Steuereinnahmen, die nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip bemessen sind und denen ein progressiver Erhebungsmaßstab zugrunde liegt. Beispiele sind etwa das öffentlich finanzierte Wegenetz ebenso wie die öffentlich finanzierten Universitäten. In beiden Fällen wird eine bestimmte Gruppe - die Autofahrer oder die Studenten - bevorzugt. Die staatliche Bereitstellung bzw. Finanzierung verfolgt bestimmte Zwecke. Die Nutzung des Wegenetzes ebenso wie die universitäre Ausbildung sollen auch finanziell schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft offen stehen, die bei einer marktförmigen Behandlung dieser Bereiche vom Zugang ausgeschlossen wären. Würde man in solchen Bereichen die Zuteilung von marktori542 Hierbei handelt es sich nur um den von Ökonomen angesehenen Normalfall, ob dies für die Praxis auch stets und insbesondere für den Fall - wie ζ. B. die UMTS-Versteigerung extrem hoher Frequenzerwerbskosten zutrifft, kann bezweifelt werden. Hier hegt die Annahme nahe, dass die Unternehmen zumindest versuchen werden, auch ihre fixen Kosten und damit ihre Verlustposten über die Endkundenpreise zu verringern bzw. auszugleichen. 543 C. Engel, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (454); C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (437 f.).
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
237
entierten Verteilungskriterien für die Knappheitsentscheidung abhängig machen, würden die Umverteilungsaspekte und damit die jeweils verfolgten Ziele nicht mehr erreicht werden. 544 Finanzpolitische Lenkungen kommen deshalb nur in Sach- bzw. Lebensbereichen sinnvoll in Betracht, die für ökonomische Gestaltungen und für Differenzierungen je nach Zahlungsfähigkeit zugänglich sind. 545 Bei der Frequenzvergabe stellt sich das Problem einer gewollten Umverteilung grundsätzlich nicht. Es handelt sich bei Frequenzen nicht um solche Güter, deren Zuteilung existenziellen, sozialen oder sonstigen individuellen, schützenswerten Bedürfnissen dient. Vielmehr sind es Unternehmen, welche die Frequenzen als Produktionsfaktoren erwerben möchten, um mit ihnen langfristig Gewinne zu erzielen. Die Frequenzzuteilung dient vornehmlich der gewerblich-kommerziellen Tätigkeit, wovon auch Grundentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 GG für den privaten Wettbewerb ausgeht.546 Von daher ist einleuchtend, wenn die Sachgesetzlichkeiten dieser Tätigkeiten, die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage, der Frequenzverteilung zugrunde gelegt werden. 547 Unter Berücksichtigung der Verwirklichung der Allokationseffizienz wird damit gleichzeitig auch das Ziel des TKG in Form der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdiensten zu erschwinglichen Preisen 548 berücksichtigt und mitverwirklicht, da der effiziente Nutzer gleichzeitig derjenige ist, der das bestmögliche Verhältnis von Output zu Input für die Konsumenten hinsichtlich der mit der Frequenz angebotenen Dienstleistung bzw. des angebotenen Produkts realisieren kann. Sollte dieser ökonomische Mechanismus des privaten Wettbewerbs im Bereich der Grundversorgung im Sinne des Art. 87 f Abs. 1 GG nicht funktionieren, ist Hauptinstrument die Universaldienstverpflichtung im Sinne der §§ 78 ff. TKG. Die Zweckverwirklichung ist dann dem Frequenzvergabeverfahren vor- bzw. nachgelagert. 549
544 Vgl. R Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 33; D. Birk/R. Eckhof, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54 (66). Aber auch in diesen Bereichen werden bereits marktwirtschaftliche Kriterien angewendet. Stichworte sind Studiengebühren und die LKW-Maut. Der Staat gibt damit aber nicht den generellen Zweck der Umverteilung aus, sondern wählt solche Kriterien nur zusätzlich für bestimmte Teile der grundsätzlich privilegierten Gruppe, die ihm nicht „förderungswürdig" erscheint. 545 Vgl. dazu R Kirchhof HdbStR IV, § 88 Rn. 33, der eine Differenzierung anhand der Zahlungsfähigkeit - sehr pauschal - für Aufgaben der Existenzsicherung und der rechtsstaatlichen Sicherheit, des Schutzes von Privatheit, Ehe und Familie, der Bildungs- und Kulturpolitik aufgrund der jeweiligen Zwecke, die bei der Verteilung (mit-)verfolgt werden, ausschließt. 546 Siehe dazu ausführlich unten 2. Teil, 4. Kapitel unter A.IÜ.3.b)bb)(3)(a). 547 w. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 30. 548 Speziell findet sich dieses Ziel in den Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG. 549 Siehe dazu ausführlich unten im 2. Teil, 4. Kapitel unter A.III.3.b)bb)(3)(b).
238 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Argumente, dass die Zahlungsfähigkeit denjenigen bevorteilt, der über mehr finanzielle Mittel verfügt als Andere (Zwei-Klassen-Recht), greifen nicht. 5 5 0 Der Erwerb einer Frequenz ist abhängig von der Zahlungsbereitschaft des jeweiligen Unternehmens, die sich nach dem mit dem Produktionsfaktor potenziell erzielbaren (Grenz-)Gewinn richtet.551 Nicht unbedingt das „reichste" Unternehmen wird den Produktionsfaktor Frequenz erwerben, sondern dasjenige, welches sich die höchsten Gewinne verspricht. Marktwirtschaftliche Verteilungskriterien schöpfen den Vorteil ab, der durch die Ausnutzungsmöglichkeit der Frequenzen eingeräumt wird. Das Vermögen des Erwerbenden soll aber nicht verringert werden, sondern es soll nur der Vermögenszuwachs verhindert oder begrenzt werden, der ihm ohne die Entgeltverpflichtung entstünde. Gerade das Versteigerungsentgelt, das an den erzielbaren Gewinn anknüpft und ihn abschöpft, zeigt deutlich, dass die Entgeltverpflichtung im Versteigerungsverfahren so konstruiert ist, dass sie aus den mit Hilfe der Einräumung des Frequenznutzungsrechts erzielbaren Erträgen bestritten werden kann. Die Integration des Kriteriums der finanziellen Leistungsfähigkeit teilt also nicht staatliche Erlaubnisse nach Vermögen zu, sondern verhindert, dass zu der auf der Einräumung des Frequenznutzungsrechts beruhenden Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Bürgers eine Mehrung des Vermögens tritt. Hinzu kommt, dass Unternehmen nicht in gleicher Weise wie Privatpersonen der Budgetbeschränkung unterliegen. Die finanziellen Mittel werden grundsätzlich über den Kapitalmarkt bereitgestellt. 552 Es entstehen keine Kosten für die Schaffung von Frequenzen bzw. der Staat muss keine Mittel für die „Verteilungsmacht" aufwenden, 553 für die Steuergelder eingesetzt werden, um über eine Umverteilung eine bestimmte Gruppe oder einen Sachbereich zu privilegieren. Vielmehr wird gerade durch eine entgeltliche Abgabe in Form der Rückführung der Knappheitsrente an die Gesellschaft ein positiver Umverteilungseffekt erzielt. Ursache der Knappheit ist auch nicht die Verfolgung sozialer oder politischer Zwecke, sondern es sind natürliche und technische Fak.
toren.
554
dd) Kommerzialisierung Marktorientierte Verteilungsmaßstäbe und -verfahren sehen sich häufig dem Vorwurf der Kommerzialisierung der Verwaltung ausgesetzt. auch J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 303. 551 Vgl dazu und zum Folgenden die Ausführungen der ökonomischen Analyse im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. 552 Allein Funktionsmängel des Kapitalmarktes könnten diesen Erklärungen entgegenstehen, vgl. R. Coase, 2 J. L. & Econ. (1959), 1 (19). 553 K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 122. 554 Siehe auch oben im 1. Teil, 1. Kapitel, C.n. Die an anderer Stelle beschriebene teilweise künstliche Knappheit wurde zumindest nicht vornehmlich zielgerichtet vorgenommen bzw. beeinflusst die natürliche Knappheit nicht in maßgeblicher Weise. 550 Vgl.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
239
Dieser Vorwurf 5 5 5 besteht aber nicht schon automatisch, wenn eine Verteilungsentscheidung mit einer Entgeltforderung verbunden wird. Wird der Maßstab der finanziellen Leistungsfähigkeit im Verteilungsverfahren gewählt, geht damit auch zwangsweise eine Einnahmewirkung einher. Wählt der Gesetzgeber ein marktorientiertes Auswahlkriterium, weil dieses dem Gemeinwohl am besten diene, ist die Orientierung der Verteilungsentscheidung an der Höhe des Entgelts aber gerade
bezweckt. I m Gegensatz zu dieser Konstellation meint eine Kommerzialisierung von Hoheitsrechten aber die Furcht davor, dass das Handeln der Verwaltung bei der Erhebung von Gebühren vorrangig von fiskalischen Interessen geprägt wird, also die Verteilungsentscheidung anhand eines sachwidrigen Verteilungsmaßstabs in Form der Einnahmeerzielung vorgenommen wird. Maßgeblich für die Verteilungsentscheidung darf nicht allein sein, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen; 556 vielmehr müssen sachliche, auf den jeweiligen Verwaltungsbereich bezogene Kriterien entscheidend bleiben. Eine bedenkliche Kommerzialisierung von Hoheitsrechten bestünde dann, wenn der Gesetzgeber allein aus dem Grund einer Einnahmeerzielung künstlich knappe Güter schaffte, die bestehende Knappheit künstlich verstärkte oder die Aufhebung einer künstlichen Knappheit verweigerte. 557 Ansatzpunkt ist in diesem Zusammenhang nicht die Verteilungsentscheidung selbst, sondern die Problematik der Knappheit bzw. ihre Ursache; sie ist es, die einer Rechtfertigung zum Ausschluss einer Kommerzialisierungsbefürchtung bedarf. Die Gefahr, dass der Staat nur unter dem Gesichtspunkt der Einnahmenerzielung eine quantitative Begrenzung von Nutzungsrechten einführt - also Hoheitsrechte kommerzialisiert - , kann im Hinblick auf die Frequenzvergabe vernachlässigt werden. Der Staat ist für die Frequenzknappheit nicht verantwortlich; es besteht vielmehr eine natürliche Knappheit, die auch im Falle einer optimalen Frequenzverwaltung nicht behoben werden kann. 5 5 8 Rechtlich gesehen ist über die Erteilung der Frequenznutzungsmöglichkeit nach den entsprechenden Vorgaben des T K G zu entscheiden. Im Sachbereich der Auswahl des Frequenznutzers in einem Versteigerungsverfahren hat der Gesetzgeber als Verteilungsmaßstab die Effizienz der Bewerber als Kriterium gewählt. Damit 555 Vgl. dazu H. Krüger, DVB1. 1955, 518 (520); P. Kirchhof, in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 33 (53). Für den vorliegenden Zusammenhang R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (28); H.-J. Piepenbrock/U. Müller, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 8 (43). 556 F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 (558). In diese Richtung auch H. Rummer, NJW 1988, 225 (233), der meint, dass der Staat, wenn er knappe Ressourcen administriere, keinen Gewinn erzielen dürfe. 557 κ. H. Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (687), sieht die Gefahr, dass der Gesetzgeber im Umweltbereich immer neue Erlaubnispflichten schafft, um so über Verleihungsgebühren Einnahmen zu erzielen. Im Gegensatz dazu schätzen J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 303 ff. und S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 166, das Risiko einer Kommerzialisierung gering ein. 558 Siehe dazu oben im 1. Teil, 1. Kapitel, C.
240 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren geht zwangsweise eine Einnahmeerzielung einher. Diese ist sogar gewollt, da gerade dieser Maßstab dem Gemeinwohl am besten dient. 5 5 9
ee) Zusätzliche Gründe (1) Schnelligkeit, Kostengünstigkeit und Praktikabilität Ein Versteigerungsverfahren wird ferner auch favorisiert, weil es sich um ein schnelles, kostengünstiges und praktikables Verfahren zur Frequenzvergabe hand e l t , 5 6 0 das zusätzlich einen finanziellen Nebeneffekt aufweist. 5 6 1 Insbesondere im Gegensatz zu administrativen Ausschreibungsverfahren, die aufgrund der Kriterienbewertung zeitlich einen höheren Aufwand bedeuten, verursachen Versteigerungsverfahren grundsätzlich die geringsten Transaktionskosten 562 . 563 Schon die administrativen Kosten sind als vergleichsweise gering einzuschätzen. 564 Zwar 559 Siehe dazu unten 2. Teil, 4. Kapitel, B. Vgl. auch W. Kummel , 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (527); B. C. Fritts , 51 Fed. Comm. L.J. (1999), 849 (855). Siehe aber H.-J. Piepenbrock/U. Müller, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 8 (43), die den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs auch unter Gleichbehandlungsaspekten übersehen und das Versteigerungsverfahren als unzulässigen Verkauf von Hoheitsakten einstufen. 560 L. Nett, Telecommunications Policy 22 (1998), 661 (664). 561 Dieser Effekt, der daraus folgt, dass der Versteigerungserlös dem Staatshaushalt zugeführt wird, legitimiert das Versteigerungsverfahren nicht; die Rechtfertigung des Versteigerungsverfahrens ergibt sich vielmehr aus Gerechtigkeitserwägungen, siehe dazu die Ausführungen im 2. Teil, im 4. Kapitel sowie oben in diesem Teil unter D.I.l.b)bb). Vgl. aber zu diesem Effekt G. Hedtkamp, in: Staatsfmanzierung im Wandel, S. 11 ff.; C. Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (268 ff.); C. Gramm, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 179 (182); R. Hendler, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 68 ff.; U. Sacksofsky, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 188 ff.; W. Köck, JZ 1993, 59 (60); R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (28, 38,45 f.). 562 Transaktionskosten sind diejenigen Kosten, die sich bei Benutzung eines Preismechanismus für die Koordination von Transaktionen ergeben. Sie können in die fünf Kostenformen Anbahnungs- und Vereinbarungskosten (Ex ante-Transaktionskosten), Kontroll-, Anpassungs- und Durchsetzungskosten (Ex post-Transaktionskosten) unterteilt werden, vgl. A. Picot, Die Betriebswirtschaft 42 (1982), 267 (270 f.); ders., BB 27 (1986), Beilage 13, 1 (3); R. Richter/E. Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 50 ff.; D. C. North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, insbes. S. 74 ff. Zu den administrativen Kosten siehe A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, WiST 1998, 81 (81); L Nett, WIK Newsletter Nr. 24, 1996, 3 (4); A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 40. 563 j, McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (194), schätzt die Kosten für ein Auswahlverfahren auf sechs mal so hoch wie die eines Versteigerungsverfahrens. Im Gegensatz zu den USA, wo die Durchführung eines kostenintensiven „formal hearings" erforderlich ist, dürfte in Deutschland der Kostenaufwand für Auswahl- oder Versteigerungsverfahren nicht so deutlich ausfallen. Insgesamt wird aber auch hier davon auszugehen sein, dass die Kosten des Auswahlverfahrens die des Versteigerungsverfahrens übersteigen, vgl. F. Schuster/U. Müller, MMR 2000, 26 (29); L. Nett/U. Stumpf, Funkschau 1999, 61 (62). 564 Λ. Keuter/L Nett/U. Stumpf, WiST 1998, 81 (81); L. Nett, WIK Newsletter Nr. 24, September 1996, 3 (4); A. Keuter/L Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 40.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
241
müssen die Bewerber auch bei einem Versteigerungsverfahren Zulassungsanträge stellen, durch die das Vorliegen der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen gemäß § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 T K G bestätigt werden soll. Die Bewertung dieser Anträge verursacht aber geringere Verwaltungskosten als in einem Ausschreibungsverfahren, in dem es aufgrund der Kriterienaufstellung und -gewichtung einer umfangreicheren Prüfung bedarf. 5 6 5 Auch die Vorbereitungskosten eines Auktionsverfahrens wie ζ. B. Informationssammlung, Mitarbeiterschulung, Auktionssoftware fallen nicht übermäßig ins Gewicht. Es handelt sich dabei um so genannte set-upKosten, die vor der Durchführung des ersten Versteigerungsverfahrens anfallen, aber diesem nicht allein zugerechnet werden können. 5 6 6 Sie sind auf alle tatsächlich durchgeführten Versteigerungen umzulegen und bilden so einen doch vergleichsweise geringen Posten. Auch die privaten Kosten bei Versteigerungen fallen nicht übermäßig ins Gewicht. Es entstehen den Unternehmen zwar Kosten für die Erstellung der Zulassungsanträge. Diese fallen aber in einem Ausschreibungsverfahren in einem weitaus höheren Maße an, da dort die Verteilungsentscheidung allein anhand der im Antrag enthaltenden Angaben gefällt wird, so dass die Unternehmen einen höheren Aufwand betreiben werden. (2) Diskriminierungsfreiheit und Transparenz Schließlich ist noch hervorzuheben, dass eine Versteigerung eine diskriminierungsfreie Vergabeform ist. Jeder Auktionsteilnehmer hat zu Beginn der Versteigerung dieselben Möglichkeiten und erfährt die gleiche Behandlung. Aufgrund dessen besteht bei einer ordnungsgemäßen Durchführung des Versteigerungsverfahrens nur ein geringes Prozessrisiko für die im Vergabeverfahren unterlegenen Auktionsteilnehmer. Aufgrund der Offenlegung der Versteigerungsregeln bereits vor der Durchführung des Verfahrens, der Einhaltung dieser Regeln während des Vergabeverfahrens und seiner offenen Durchführung wird in hohem Maße Transparenz gewährleistet. 567 Ferner resultiert die besondere Objektivität und Transparenz des Versteigerungsverfahrens auch daraus, dass es allein die Gebote der Teilnehmer sind, die für die Verteilungsentscheidung maßgeblich sind, und eben gerade nicht die nur eingeschränkt überprüfbaren, möglicherweise subjektiven Wertungen der Vergabebehörde. Diese Gesichtspunkte erhöhen die Akzeptanz der staatlichen Vergabeentscheidung. 568 Aus diesem Faktor rührt auch die Zufriedenheit der FCC mit den Frequenzauktionen in den USA: Die Verwaltungskosten fielen in diesem neuen Vergabeverfahren um den Faktor sechs niedriger aus als bei den ursprünglich verwendeten Verfahren. Bei jenen waren insbesondere die Anhörungen extrem komplex, zeitintensiv und somit teuer. 565 Selbst im Vergleich zu Lotterieverfahren verursachen Auktionen geringere Verwaltungskosten, da sie grundsätzlich weniger Bewerber anziehen und damit weniger Verwaltungsaufwand auslösen. 566 E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (181). 567 p. Klemperer, Auctions vs Beauty Contests; L. Nett, Telecommunications Policy 22 (1998), 661 (664); Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4; vgl. auch BT-Drs. 13/3609, S. 39. 16 Bumke
242 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
2. Schlussfolgerungen für das Verteilungsverfahren nach dem TKG Die vorgenannten Kriterien für die Wahl eines marktförmigen Auswahlverfahrens können auch als Begründung für die Normierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahrens bei der Frequenzvergabe nach dem T K G herangezogen werden. Ziel der Vergabeverfahren ist gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 T K G die Feststellung des effizienten Frequenznutzers. Zwischen den Polen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung normiert der Gesetzgeber zur Lösung des Frequenzverteilungsproblems mit dem Versteigerungs· und Ausschreibungsverfahren zwei Instrumente unterschiedlicher Regelungsintensität, wobei das marktkonformere und im Wesentlichen selbstregulative Versteigerungsverfahren den grundsätzlichen Vorrang genießt. Die Nutzung des selbstregulativen Mechanismus der Versteigerung als Regelfall kann im Vergleich zur behördlichen Auswahlentscheidung Allokationseffizienz systemimmanent und dadurch sicherer identifizieren. Informationsdefizite und damit Steuerungsdefizite der Verwaltung werden im und durch Verfahren mit der Einbindung des Wissens der Versteigerungsteilnehmer marktkonform ausgeglichen. Die Regeln des Versteigerungsverfahrens sichern diesen selbstregulativen Mechanismus regulativ ab. I m Ergebnis sieht das T K G daher nur in Ausnahmefällen das Ausschreibungsverfahren, das die Bewertung der Allokationseffizienz durch die Behörde selbst voraussetzt, für die Vergabe von Frequenzen vor. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis zeigt die Überlegenheit des selbstregulativen, marktförmigen Verfahrens für die Vergabe von Frequenzen nach dem TKG.
II. Regulierte Selbstregulierung im Verteilungsverfahren das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren I m Anschluss an das Versteigerungsverfahren erfolgt die Zuteilung der Frequenzen durch Verwaltungsakt. Der hoheitliche Akt hat zwar grundsätzlich konstitutiven Charakter. Er ist aber durch die Zuschlagserteilung und damit durch das Ergebnis des Versteigerungsverfahrens inhaltlich in bestimmter Weise vorgezeichnet; derjenige, der Frequenzen zugeteilt erhält, steht fest. Das Ergebnis des Versteigerungsverfahrens wird in eine rechtliche Handlungsform überführt. Die eigentliche Verteilungsentscheidung erfolgt in Form regulierter Selbstregulierung: Die materielle Verteilungsentscheidung wird innerhalb des Versteigerungsverfahrens ausschließlich durch die regulierten Unternehmen selbst getroffen. Die Nutzung des selbstregulativen Mechanismus des „Marktes als Entdeckungsverfahren" 569 für die verwaltungsrechtliche Verteilungsentscheidung unterscheidet das Versteigerungsverfahren von allen herkömmlichen Verteilungsverfahren im Verwaltungsrecht.
568 Siehe zur Akzeptanz E. Schmidt-Aßmann, HdbStR ΠΙ, § 70 Rn. 25 f.
3. Kap.: Das Versteigerungsverfahren
243
Durch diese Einbeziehung erweitert sich die Aufgabe der Verwaltung: Die materielle Verteilungsentscheidung durch marktförmiges Verfahren muss von der Verwaltung durch die Festlegung der Regeln für das jeweilige Versteigerungsverfahren ermöglicht werden. Mit den Verfahrensregeln wird die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung sichergestellt, das heißt regulatorisch abgesichert. Für die Einordnung des Versteigerungsverfahrens stellt sich daher die Frage, ob die Einbeziehung der regulierten Unternehmen in die Verteilungsentscheidung das Versteigerungsverfahren zu einem Fremdkörper in der Systematik der Verfahren macht. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass durch die Verteilungsentscheidung auch im Wege der Versteigerung private Freiheitsbetätigung kontrolliert wird. Die Unternehmen wollen mit den zur Versteigerung stehenden Frequenzen Telekommunikationsdienstleistungen anbieten. Diese Betätigung wird vom Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) garantiert. 570 Das Versteigerungsverfahren als Einschränkung der grundrechtlichen Betätigungsfreiheit soll das Knappheitsproblem von Frequenzen lösen. Das Verteilungsverfahren gleicht die Knappheit der für die Freiheitsbetätigung erforderlichen Frequenzen mit der grundsätzlich grundrechtlich geschützten Freiheit aus. Die aus der Knappheit folgende Konkurrenzsituation wandelt das Verfahren von einem bipolaren in ein multipolares Verwaltungsrechtsverhältnis, da für sie der Ausschluss einzelner Nachfrager charakteristisch ist. Es bleibt aber dabei, dass das einzelne am Versteigerungsverfahren teilnehmende Unternehmen sich nur im Rahmen seiner Freiheitsrechte betätigen will. Auch im Hinblick auf Möglichkeiten des Rechtsschutzes werden die regulierten Unternehmen nicht schutzlos gestellt. Die einzelnen Verfahrensabschnitte werden in den klassischen Handlungsformen des Verwaltungsrechts vorgenommen: Als materielle Sachentscheidungen erfolgen die Zulassungsentscheidung zum Versteigerungsverfahren ( § 6 1 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG), die Entscheidung über den Ausschluss von der Teilnahme am Versteigerungs verfahren ( § 6 1 Abs. 3 T K G ) sowie die das Verfahren abschließende Frequenzzuteilung durch Verwaltungsakt (§ 55 Abs. 3 TKG). Die Entscheidung über die Wahl des Verfahrens (§ 61 Abs. 1 T K G ) sowie die Durchführungsregeln der Versteigerung ( § 6 1 Abs. 5 T K G ) ergehen als Verfahrenshandlungen ebenso als Verwaltungsakte in Form von (personalen) Allgemeinverfügungen (§ 35 S. 2 1. Alt. V w V f G ) . 5 7 1 Die klassischen Handlungsfor569
F. A. von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren. 570 Siehe unten im 2. Teil, 4. Kapitel, A.II.l. 571 Dies ergibt sich sowohl in formaler als auch materieller Hinsicht. Die RegTP hat bisher die Entscheidungen als Allgemeinverfügung bezeichnet und auch mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, vgl. z. B. im Rahmen der UMTS-Versteigerung RegTP, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, 516, 516; Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 564. Die festgelegten Versteigerungsregeln entfalten eine verbindliche Regelungswirkung für die Versteigerungsteilnehmer, der Adressatenkreis ist bestimmbar und sie wirken nur fiir den konkreten Einzelfall der jeweiligen Versteigerung, so dass die Qualifikation als Allgemeinverfügung nicht zweifelhaft ist, vgl. dazu C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 108; R. Heine/A. Heun, MMR 2001, 352 (355); D. Ehlers, K&R 2001, 1 (3); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 114 (128 ff.); M. Sachs, K&R 2001, 13 (16, 19); R. Müller-Terpitz, K&R 2002, 1*
244 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren men des Verwaltungsrechts genießen grundsätzlich ausreichenden, im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutz. 572 Die der Vergabe knapper Frequenzen zugrunde liegende Rechtsschutzsituation ist aber geprägt von Grundrechtsschutz durch Verfahren einerseits und Effizienz des Verwaltungsverfahrens andererseits. In dieser Gemengelage ist § 44 a V w G O der Maßstab für den Ausgleich der widerstreitenden Interessen: Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen können grundsätzlich nur in Kombination mit den gegen die materielle Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. 5 7 3 Die in der klassischen Handlungsform des Verwaltungsaktes ergangenen Entscheidungen über die Nichtzulassung zum Versteigerungsverfahren bzw. über den Ausschluss vom Versteigerungsverfahren greifen unmittelbar in die Rechte des betroffenen Unternehmens ein. Ebenso verhält es sich bei der abschließenden Sachentscheidung in Form der Frequenzzuteilung. Die Konkurrentenklage setzt sich aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zusammen, wobei das subjektive Recht aus dem drittschützenden Charakter des § 61 T K G und der Reduktion des grundsätzlichen Anspruchs auf Frequenzzuteilung auf einen Beteiligungsanspruch am Versteigerungsverfahren folgt. Für das marktförmige Versteigerungsverfahren bedeutet dies nun, dass es sozusagen von den klassischen verwaltungsrechtlichen Handlungsformen mit ihren Rechtsschutzmöglichkeiten umhegt wird und sich diesbezüglich nicht von anderen Verfahren unterscheidet bzw. keiner anderen Behandlung bedarf. Es lässt sich daher sinnvoll als notwendige Fortentwicklung in das System der Verwaltungsverfahren integrieren.
75 (77 f.); W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 69. A.A. M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 11, der die unmittelbare Rechtswirkung nach außen verneint. 572 Vgl. dazu ausführlich C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit; R. Heine /A. Heun, MMR 2001, 352 ff.; M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rn. 11 f., 34 f.; W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 25, 68 ff.; Vgl. auch M. Sachs, K&R 2001, 13 ff.; D. Ehlers, K&R 2001,1 ff. 573 In Fällen, in denen effektiver Rechtsschutz aufgrund der Relativierung des Zeitmoments des effektiven Rechtsschutzes in § 44 a VwGO zu spät käme, irreversible Schäden bereits eingetreten sind und dadurch ein über das Recht auf bloße Verfahrenseinhaltung hinausgehendes Recht des Betroffenen vereitelt oder wesentlich erschwert würde, wird eine verfassungskonforme Auslegung des § 44 a VwGO gefordert, vgl. dazu allgemein P. StelIcens/D. Kallerhoff, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 97 Rn. 21; E 0. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 44 a Rn. 9; P. Stelkens, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 44 a Rn. 29 m. w. N. Für den Fall der Frequenzvergabe ist aber nicht ersichtlich, dass gerade in der zeitlichen Verlagerung des Rechtsschutzes auf die materielle Sachentscheidung eine wesentliche Vereitelung oder Erschwerung der Rechte liegt. Irreversible Schäden werden nicht geschaffen, wenn das Versteigerungsverfahren aufgrund der gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit erneut durchgeführt werden müsste, vgl. dazu C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 146 f.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
245
4. Kapitel
Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen Für die rechtliche Beurteilung des in § 61 Abs. 5 T K G geregelten telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahrens ist die Untersuchung, ob die Regelung des Versteigerungsverfahrens zur Verteilung knapper Frequenzen verfassungsgemäß ist, von zentraler Bedeutung. Die Versteigerung, die eine ökonomisch effiziente Allokation der zur Vergabe stehenden knappen Frequenzen bewirken kann und soll, stellt ein Novum im System der Verwaltungsverfahren dar. Deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit kann daher nicht als selbstverständlich unterstellt werden. Auch die Gebotenheit marktförmiger Verteilungsverfahren, die aus Informations- und Steuerungsdefiziten folgt und vom positiven Effekt der Einnahmenerzielung begleitet wird, bedeutet noch nicht, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt wird. Damit ist zugleich auch die für ein Versteigerungsverfahren charakteristische Doppelwirkung im Unterschied zur bislang praktizierten staatlichen Verteilungslenkung angesprochen. Das Versteigerungsverfahren bewirkt eine staatliche Verteilungsentscheidung hinsichtlich der knappen Ressource Frequenz, die sich am ökonomischen Effizienzmaßstab orientiert. Die durch das Versteigerungsverfahren bewirkte Zuordnung der Frequenzen auf die Unternehmen hat zudem zur Folge, dass der Erfolg der Unternehmen in der Auktion und damit letztlich auch die Frequenznutzung von der Bereitschaft der teilnehmenden Unternehmen abhängt, eine finanzielle Gegenleistung in Form des Versteigerungsentgelts zu erbringen. Nebeneinander stehen damit in der Versteigerungslösung eine Verteilungswiikung und eine Abschöpjungs- bzw. £/nraz/zmeWirkung. 574 Dieser Doppelcharakter von Versteigerungsverfahren wirkt sich auf die verfassungsrechtliche Prüfung des in § 61 Abs. 5 T K G geregelten AuktionsVerfahrens aus. Wahrend sich einerseits die Frage stellt, ob das Versteigerungsverfahren mit seiner Verteilungswirkung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Verteilungsentscheidungen genügt, ist andererseits die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der finanziellen Gegenleistung zu problematisieren. Die dogmatische Trennung beider Komplexe in der Untersuchung scheint zur Systematisierung des 574 Deutlich wird diese Doppelwirkung insbesondere auch, wenn man die unterschiedlichen verwaltungsrechtlichen Klageinteressen der Beteiligten betrachtet. Wahrend der im Versteigerungsverfahren nicht berücksichtigte Antragsteller eine Konkurrentenverdrängungsklage in Form einer Kombination aus Anfechtungsklage zur Aufhebung der Frequenzzuteilung an seinen Mitbewerber und Verpflichtungsklage mit dem Ziel einer Neubescheidung durch die RegTP unter Berücksichtigung der Gerichtsauffassung wählen wird, um zu erreichen, doch Frequenzen zugeteilt zu bekommen, geht es demgegenüber dem im Versteigerungsverfahren erfolgreichen Wettbewerber allein darum, die Zahlungsverpflichtung, nicht aber die Zuteilung an sich anzufechten, vgl. dazu C. Hiltl/K Großmann, BB 1996, 169 (172); M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 34; G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 20 f. Zur Konkurrentenverdrängungsklage allgemein siehe P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 431 ff.
246 2. Teil: Frequenzversteigeriingsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren Doppelcharakters durchaus geboten. 575 Der erst genannte Komplex umfasst die verfassungsrechtliche Beurteilung der staatlicherseits eingerichteten Frequenzbewirtschaftungsordnung sowie des aufgrund Frequenzknappheit notwendig werdenden Verteilungsverfahrens (dazu unter B). Diesbezüglich ist zu problematisieren, inwieweit Freiheitsrechte der betroffenen Unternehmen tangiert werden bzw. ob die Beeinträchtigungen von den Unternehmen hinzunehmen sind. Auch der im Versteigerungsverfahren unterlegene Bewerber wird dabei aus verfassungsrechtlicher Perspektive in den Blick genommen. I m Gegensatz dazu betrifft der Bereich der Versteigerungserlöse nur noch die im Auktionsverfahren obsiegenden Unternehmen (dazu unter 6). Hinsichtlich der Abschöpfungswirkung stellt sich wiederum die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Freiheitsrechten der betroffenen Telekommunikationsunternehmen. Ferner werden allerdings aufgrund der Einnahmewirkung auf Seiten des Staates finanzverfassungsrechtliche Vorgaben (Art. 104 a ff. GG) relevant. Beide Komplexe werfen - allerdings unter verschiedenen Gesichtspunkten schließlich die Frage auf, welche Anforderungen der Gesetzesvorbehalt bzw. der Bestimmtheitsgrundsatz an die Regelung des Versteigerungsverfahrens stellt.
A. Die Verteilungswirkung von Versteigerungsverfahren Für den Fall der Frequenzknappheit hat der Gesetzgeber vorgesehen, der Zuteilung das Versteigerungsverfahren als Regelvergabeverfahren voranzustellen. Dies bedeutet implizit, dass nur diejenigen Versteigerungsteilnehmer eine Frequenz erhalten, die das vergleichsweise höchste Gebot in der Auktion abgegeben. I m Versteigerungsverfahren unterlegene Unternehmen finden dagegen bei der Frequenzzuteilung keine Berücksichtigung. Diese Vorgehensweise, in der eine staatliche Auswahlentscheidung getroffen wird, erweist sich unter zwei Gesichtspunkten als grundrechtsrelevant. Zunächst fragt sich, ob die Entscheidung des Gesetzgebers, der Frequenzzuteilung ein Versteigerungsverfahren voranzustellen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. 5 7 6 Aus dieser Entscheidung nämlich resultiert die Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrum, die insbesondere diejenigen Unternehmen belastet, die bei der Frequenzzuteilung leer ausgehen. Aber auch die Freiheits575 Bestehende Überschneidungen, die sich aus der untrennbaren Verknüpfung des Effizienzkriteriums mit dem Erfordernis eines finanziellen Opfers vornehmlich bei der Beurteilung der Sachgerechtigkeit des Auswahlmaßstabes ergeben, bedeuten nicht die Unmöglichkeit dieser Vorgehensweise; denn die Komplexe bilden aus verfassungsrechtlicher Perspektive keine Einheit. 576
Aufgrund der natürlichen Knappheit halten einige Autoren diese Frage für nicht verfassungsrechtlich relevant, so z. B. W. Kluth, ZHR 162 (1998), 657 (676). Es ist aber nicht die natürliche Knappheit, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet wird, sondern die staatliche Regelung über den Umgang mit dieser Knappheit.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 2 4 7 rechte der erfolgreichen Antragsteller werden durch die Verteilungswirkung berührt. Während die verfassungsrechtliche Problemverortung der staatlichen Frequenzbewirtschaftungsordnung leicht fällt - einschlägig ist die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in ihrer klassischen abwehrrechtlichen Form - , wirft der Bereich der Frequenzverteilung in einem Versteigerungsverfahren schon grundrechtsdogmatisch die Schwierigkeit auf, woraus der Maßstab der verfassungsrechtlichen Überprüfung folgt. Vorangestellt wird diesen Untersuchungen die Frage der Zuständigkeit zur Frequenzbewirtschaftung und -Verteilung.
I. Zuständigkeit des Bundes zur Frequenzbewirtschaftung und -Verteilung Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit zur Vergabe von Funkfrequenzen ergibt sich aus Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG. Danach werden Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation in bundeseigener Verwaltung ausgeführt. Diese Hoheitsaufgaben sind die wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Steuerungsaufgaben, die sich aus dem Infrastruktursicherungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG und dem Ziel der Wettbewerbssicherstellung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG ergeben. 577 Vergibt der Bund eine beschränkte Anzahl an Frequenzen an private Wettbewerber im Wege eines Versteigerungsverfahrens, handelt es sich um die Wahrnehmung einer Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne, 5 7 8 die von der RegTP nach §§ 116 ff. T K G 5 7 9 vorgenommen wird. Die aus ihrer natürlichen Begrenztheit notwendig werdende ordnungsrechtliche Verteilung der Frequenzen in einem staatlich geregelten Verfahren ergibt sich aus der Verpflichtung des Art. 87 f GG, die flächendeckende Versorgung mit Telekommunikation und die Regulierung des Wettbewerbs zu gewährleisten.
II. Verfassungsmäßigkeit der Frequenzbewirtschaftungsordnung I m nachfolgenden Abschnitt wird zunächst untersucht, inwiefern die Errichtung einer staatlichen Frequenzbewirtschaftungsordnung und mit ihr die Frequenzzuteilungsentscheidung mit der Auswahl des Frequenznutzers in einem Versteigerungsverfahren eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellt und ob eine solche den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.
577 Vgl. M Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194); R Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 14. 578 Vgl. κ. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 31; R. Ό erpmann, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 12. 579 Siehe zu den Aufgaben der RegTP die Nachweise in Fn. 336 im 1. Teil, 2. Kapitel.
248 2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
1. Beeinträchtigung der Berufsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 GG)
Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Nach S. 2 des Art. 12 Abs. 1 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Obwohl der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 G G eine Differenzierung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit mit der Konsequenz nahe legt, dass die Berufswahl vorbehaltlos gewährleistet werde, 5 8 0 gehen sowohl das BVerfG als auch die herrschende Lehre davon aus, dass es sich bei der Berufswahl und -ausübung um konnexe Elemente eines einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit handelt, das - in der Reihenfolge der typischen Lebensabläufe - vier Teilgarantien umschließt: die freie Wahl der Ausbildungsstätte, die Freiheit der Berufswahl, die freie Wahl des Arbeitsplatzes und die grundsätzliche Freiheit der Berufsausübung. 581 Die Berechtigung für diese Auslegung folgt daraus, dass sich Berufswahl und Berufsausübung nicht konsequent in zeitlich separate Phasen unterteilen lassen: So wie die Berufsaufnahme sichtbare Manifestation der Berufswahl ist und zugleich den Beginn der Berufsausübung markiert, wird durch die fortlaufende Berufsausübung die vorangegangene Berufswahl kontinuierlich bestätigt. 582 Die Grundrechtsbeschränkungsmöglichkeit des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG betrifft damit sowohl die Berufsausübung als auch die Berufswahl. Zu Zeiten, als der Telekommunikationssektor dem Verwaltungsmonopol des Bundes unterfiel, war noch umstritten, ob das Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen, für das in bestimmten Bereichen die Frequenznutzung Voraussetzung ist, vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst w a r . 5 8 3 Indes folgt aus der objektiven Verfassungsentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG für den privaten Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation, dass das Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen als gewerbliche Betätigung im Telekommunikationssektor vom Schutzbereich der Freiheitsrechte, insbesondere der Berufsfreiheit erfasst w i r d . 5 8 4 Das heißt aber wiederum noch nicht eindeutig und zwangsläu-
580 So H. Rittstieg, in: AK-GG, 2. Auflage, Art. 12 Rn. 59. In diese Richtung auch und wieder J. Lücke, Die Berufsfreiheit; F. Hufen, NJW 1994, 2913 (2917). 581 BVerfGE 7, 377, 400 ff.; R. Breuer, HdbStR VI, § 147 Rn. 32 f.; P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 8; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 14. 582 />. y. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 8. 583 Dies verneinend O. Bachof, in: Die Grundrechte, S. 200 (201). A.A. allgemein R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 66; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 406 ff.; C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 376 ff. 584 So auch Begründung des TKG-E-alt der Bundesregierung, BR-Drs. 80/96, S. 34; BT-Drs. 12/6717, S. 4; BT-Drs. 12/8108, P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 70; P. Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 25; C. Hiltl/K Großmann, BB 1996,169 (172); L Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (629); W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (302); H. Leo/M. Schellenberg, ZUM 1997, 188 (190); C. Degenhart, K&R 2001, 32 (36); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 259 (278); J. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (4).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
fig, dass auch die Frequenznutzung als Nutzung natürlicher Ressourcen in den abwehrrechtlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt.
a) (Abwehrrechtlicher) Schutz für natürliche Ressourcen Insbesondere Murswiek bestreitet - ausgehend von der Trennung von Freiheitsgebrauch und Freiheitsvoraussetzungen - die abwehrrechtlich-strukturierte Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs bei natürlichen Ressourcen insoweit, als er die Nutzung öffentlicher Umweltgüter als Teilhabefreiheit an Gütern der Allgemeinheit einordnet. 585 Zur Begründung führt er an, dass die Freiheitsrechte keinen Anspruch gegen den Staat auf Herstellung der tatsächlichen Voraussetzungen der Freiheitsausübung vermittelten, was gleichermaßen auf die Bereitstellung fremden Eigentums und auf die Bereitstellung staatlicher Leistungen zuträfe. 586 Diese Auslegung bedeutet in der Folge bei natürlicher Begrenztheit der in Frage stehenden Güter, dass die Freiheitsrechte gegen rechtliche Regelungen bzw. Beschränkungen zur Bewirtschaftung der Ressourcen faktisch keinen Schutz gewähren. 587 Dies soll insbesondere dann gelten, wenn ein an sich freies Gut der Allgemeinheit „knapp" geworden ist, so dass der Staat zu seiner Erhaltung bzw. seinem Schutz und damit auch zur Aufrechterhaltung der Teilhabefreiheit als Sachwalter der Allgemeinheit verfügt. 588 Auch die Bereitstellung von Umweltgütern als Güter der Allgemeinheit zähle zu den faktischen Voraussetzungen des Freiheitsgebrauchs, womit diese Güter aus dem Schutzbereich der Freiheitsrechte herausfielen. Grundrechtliche Freiheit in Anspruch nehmen könne nur derjenige, der ausschließlich auf in seinem Eigentum stehende Ressourcen zurückgreife. 589
585 D. Murswiek JZ 1988, 985 (992 f.); ders., NuR 1994, 170 (175 f.); ders., DVB1. 1994, 77 (81); D. Murswiek, NVwZ 1996,417 (419); ders., HdbStR V, § 112 Rn. 83. 586 Murswiek erklärt seine Auffassung am Beispiel eines Unternehmers, der eine Lederfabrik errichten will. Zwar umfasse das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich das Recht, eine Fabrik zu errichten und zu betreiben, nicht aber gewährleiste es die Inanspruchnahme fremden Eigentums in Form eines Grundstücks. Sei es dem Unternehmer nicht möglich, ein Grundstück für den Betrieb der Fabrik zu erwerben, könne er auch die Fabrik nicht errichten. Dieses Verbot sei kein Eingriff in die Berufsfreiheit. Die mit dem Institut des Eigentums gegebene Güterzuordnung sei neben der Rechtsgleichheit und dem Freiheitsprinzip ein Grundpfeiler der Marktwirtschaft und der bürgerlichen Rechtsordnung, die die Rechtssphären der Bürger in einer Form voneinander abgrenze, dass sie auf fremde Rechtsgüter grundsätzlich nur mit dessen Einverständnis zurückgreifen könnten. Damit gehörten die Benutzung, der Verbrauch, die Zerstörung fremder Rechtsgüter oder sonstige Verfügungen über diese Güter nicht mehr zur Freiheitsausübung im Rahmen der bürgerlichen Rechtsordnung, vgl. D. Murswiek, DVB1. 1994, 77 (80 f.). 587 Schutz soll erst gewährt sein, wenn der vom Grundgesetz vorausgesetzte Kernbereich berührt wird, in dem das Teilhaberecht an der Nutzung von Gemeinschaftsgütern garantiert wird, vgl. D. Murswiek, HdbStR V, § 112 Rn. 83. 588 D. Murswiek, JZ 1988, 985 (992); ders., DVB1. 1994, 77 (81). Vgl. auch D. Lorenz, in: Festschrift für P. Lerche, S. 267 (275 ff.).
25
2. Teil: Frequenzversteigerngsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Trotz einiger Abweichungen zur betriebswirtschaftlichen Definition natürlicher Ressourcen, deren klassische Beispiele Umweltressourcen sind, ist das Frequenzspektrum als natürliche Ressource qualifiziert worden, 590 so dass die für den Bereich der Umweltressourcen entwickelte Ansicht Murswieks auch für die verfassungsrechtliche Betrachtung des Frequenzspektrums bedeutsam ist. Der grundrechtsdogmatischen Konstruktion Murswieks kann aber nicht gefolgt werden; 591 vielmehr besteht ein freiheitsrechtlich strukturierter Anspruch auf Nutzung natürlicher Ressourcen. Der Gesetzgeber hat entschieden, weder Umweltgüter noch das Frequenzspektrum zuzuordnen. 592 In der Konsequenz bedeutet diese Entscheidung, dass die Nutzung dieser natürlichen Ressourcen - solange keine Eigentumsrechte an ihnen definiert sind - vom abwehrrechtlichen Schutz der Freiheitsrechte umfasst wird. 5 9 3 Das angeführte Argument, Freiheitsrechte schützten nicht die Voraussetzungen des Freiheitsgebrauchs, bezieht sich nur auf die Herstellung der tatsächlichen Voraussetzungen, wozu die Ressourcennutzung aber eben nicht gehört. 594 Die Parallele, die Murswiek zur Nutzung fremden Eigentums herstellt, überzeugt also nicht. Hinzu kommen die aus Murswieks Ansatz folgenden Konsequenzen: Da die Nutzung natürlicher Ressourcen vielfach mit der Ausübung der Berufs- und Eigentumsfreiheit untrennbar verbunden ist, würde eine Vielzahl von privaten Betätigungsformen aus den Schutzbereichen der Grundrechte heraus fallen. 595 Zwar ist ein grundrechtlicher Anspruch auf Ressourcennutzung immer dann beschränkt, wenn die Ressourcen natürlich begrenzt sind. Würde man einen solchen aber grundsätzlich ablehnen, könnte der Staat sein Bewirtschaftungsermessen nicht nur zu Zwecken des Umweltschutzes, sondern auch zu produktions- und wirtschaftslenkenden Zwecken nutzen. 596 Schließlich trägt Murswieks Konstruktion auch insofern nicht, als sie keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht und damit dem Ausgleich eventueller Zielkonflikte die Grundlage nimmt. Das gilt selbst für den Fall, dass der Staat sich vornehmlich an umweltpolitischen Zwecken orientiert, da dem Umweltschutzziel trotz seiner herausragenden Stellung in Art. 20 a GG nicht sämtliche weiteren Belange untergeordnet sind. 589 D. Murswiek, NuR 1994, 170 (176). 590 s.o. im 1. Teil, 1. Kapitel, Β und J. Ehmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 47 Rn. 8; A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 233. 591 Die übrige Literatur bestreitet den Ansatz Murswieks bzw. erklärt ihn für unnötig, vgl. M. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 56; S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 135 ff.; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 217 ff.; W Kluth, NuR 1997,105 (106 f.). 592 Ebenso H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 (24); L Grämlich, CR 1999, 752 (757). 593 Vgl. auch S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 137. 594 Vgl. auch S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 140. 595 W. Krebs, in: Aktuelle Probleme des Gewässerschutzes, S. 1 (24); M. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 56; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 218. 596 Dazu D. Murswiek, DVB1. 1994, 77 (84 f.), selbst.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
1
Eine tatsächliche Differenzierung danach, ob die Güter in jemandes Eigentum stehen, genügt nicht, um diese weit reichenden Konsequenzen und ihre dogmatische Andersbehandlung zu rechtfertigen.
b) Bestimmungen zur Frequenznutzung als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit Die Berufsfreiheit des Art. 12 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und auszuüben. Der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Beruf umfasst gemeinhin jede auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, die in ideeller wie in materieller Hinsicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. 5 9 7 Die sich an einem Versteigerungsverfahren beteiligenden Unternehmen streben die Zuteilung von Frequenzen an, um diese im Rahmen ihrer Berufstätigkeit zu nutzen, indem sie den Frequenzen entsprechende Dienste auf dem Telekommunikationsmarkt anbieten wollen. 5 9 8 Ob man das Berufsbild sehr weit fasst und das Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen allgemein als Berufsbild zugrunde legt oder im Gegenteil sehr eng fasst und den jeweils frequentierten Dienst als einen eigenständigen Beruf ansieht, ist zunächst nicht relevant, da der weite Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG alle diese Tätigkeiten erfasst. 599
In der bestehenden Wirtschaftsordnung betrifft das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG insbesondere das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen. 600 Die Berufsfreiheit sichert „die Freiheit des Bürgers, jede Tätigs t BVerfGE 7, 377, 397 ff.; 54, 301, 313; 68, 272, 281; 97, 228, 252 f.; P. J. Tettingen in:
M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 29; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 4; O. Depenheuer, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgerichts, S. 241 (251 ff.). Die Geltung weiterer Merkmale - wie „wirtschaftlich sinnvolle", „erlaubte" oder „sozial wertige" Tätigkeit - ist umstritten, von der überwiegenden Literaturansicht wird eine solche aber siehe P. J.1Tettingen M. Sachs (Hrsg.), Art. 12 Rn. einschlägig 34 ff. 598abgelehnt, I.d.R. wird Art.dazu 12 Abs. GG wohl inin:Verbindung mit Art.GG, 19 Abs. 3 GG sein, da es sich bei den am Versteigerungsverfahren teilnehmenden Unternehmen zumeist um juristische Personen des Privatrechts handelt. In sachlicher Hinsicht wird bei juristischen Personen die Freiheit geschützt, „eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen nach und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann", vgl. BVerfGE 21 362, 366; 50, 290, 363, st. Rspr. Für ausländische Unternehmen, die vom persönlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht erfasst werden, ist dann die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einschlägiges Grundrecht, für die aber insb. nach der Schächten-Entscheidung des BVerfG (E 104,337, 346 ff.) die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 12 Abs. 1 GG innerhalb des Art. 2 Abs. 1 GG vorzunehmen ist, so dass keine Unterschiede im Schutzniveau bestehen. 599 Zur neueren Grundrechtsdogmatik, die eine Begrenzung des Schutzbereichs fordert, siehe insb. R. Wahl, Freiburger Universitätsblätter 95 (1987), S. 19 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 ff.; W. Hoffmann-Riem, in: Festschrift B.-O. Bryde, S. 53 ff. 600 Vgl. BVerfGE 32, 311, 317.
252 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
keit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen, das heißt zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen" und ist „in erster Linie persönlichkeitsbezogen". 601 Die Berufsfreiheit schützt zum einen vor Regelungen mit Berufsbezug, die die berufliche Betätigung ganz oder teilweise unterbinden oder sonst dafür sorgen, dass sie „nicht in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann". 6 0 2 Erfasst werden also verbindliche Vorgaben für das „Ob" und „Wie" einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, insbesondere auch Genehmigungsvorbehalte. 603 Zum anderen können aber auch Vorschriften ohne berufsregelnde Zielsetzung aufgrund ihrer mittelbaren oder tatsächlichen Auswirkungen den Schutzbereich beeinträchtigen, 6 0 4 wobei die Auswirkungen jedoch von einigem Gewicht sein und einen konkreten Kreis von Personen in ihrer Berufsfreiheit betreffen müssen 605 bzw. „in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen" müssen. 606 Eine berufsregelnde Tendenz liegt regelmäßig dann vor, wenn die Vorschrift ausschließlich oder im Wesentlichen nur auf berufliche Tätigkeiten anwendbar ist. 6 0 7 Auch Planung kann ein Grundrechtseingriff sein. 608 Die Frequenzplanung und die Ablehnung eines Bewerbers durch die Verweigerung der Zuteilung einer Frequenz zugunsten eines anderen Bewerbers schränken die Grundrechtsträger in ihren beruflichen Betätigungsmöglichkeiten mittelbar ein und sind damit als Beeinträchtigung zu werten. 6 0 9 Insbesondere betreffen die Regelungen nur diejenigen, die Frequenzen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit nutzen wollen, so dass der enge Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und den Bestimmungen zur Frequenzplanung gewahrt ist. 6 1 0 Des Weiteren ist die Beeinträchtigungswirkung der Regelungen der Frequenzplanung einschließlich der Zuteilungsentscheidungen auch nicht zu verneinen, wenn man die neueren Entwicklungen der Rechtsprechung des BVerfG insbesondere seit der Glykol-Entscheidung611 zum Verhältnis von Wettbewerbsregelung und dem Grundrecht der Berufsfreiheit berücksichtigt, wonach nicht jede wettbewerbsrelevante, belastende Regelung den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt. In 601 BVerfGE 30, 292, 334. 602 BVerfGE 82, 209, 223. 603 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 10. 604 BVerfGE 13, 181, 185 f.; 61, 291, 308; 81, 108, 121 f. Vgl. auch kritisch W. HoffmannRiem, in: Festschrift B.-O. Bryde, S. 53 (69 f.). 605 BVerfGE 47,1,21. 606 BVerfGE 70, 191, 214; 13, 181,186; 52,42, 54; 55, 7, 25 ff. 607 H. D. Jarass, in: H.D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 11 f. 608 BVerfGE 82, 209, 226. 609 So auch B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (882). Grundsätzlich C. Koenig, Die öffentlichrechtliche Verteilungslenkung, S. 207 ff. 610 Vgl. dazu die Enscheidung des BVerfG zur Ökosteuer (NVwZ 2004, 846, 846), wo das Gericht diesen engen Zusammenhang verneint hat, da die betrachteten Steuern alle Verbraucher ungeachtet ihrer beruflichen Betätigung treffen. 611 Vgl. ζ. B. die Entscheidungen zu Glykol (BVerfGE 105, 252) und zur Ökosteuer (NVwZ 2004, 846).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3
der Glykol-Entscheidung führt das BVerfG aus, dass dann, wenn eine unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs erfolge, die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt werde, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichere in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Die grundrechtliche Gewährleistung umfasse dementsprechend nicht einen Schutz vor Einflüssen auf die wettbewerbsbestimmenden Faktoren. 612 Bei den Bestimmungen zur Frequenzplanung handelt es sich aber um solche, die dem Marktgeschehen, also dem Wettbewerb, vorgelagert sind und deren Intention vielmehr der Knappheitssituation der Frequenzen sowie der Interferenzproblematik entspricht.
2. Rechtfertigung
der Frequenzbewirtschaftung
a) Rechtfertigungsmaßstab aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausgangspunkt und Maßstab für die Rechtfertigung von Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit bildet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz wird aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.613 Zudem ergibt er sich „bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist". 6 1 4 Ihm wird eine „die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre verteidigende Funktion" zugesprochen. 615 Er bindet grundsätzlich alle staatliche Gewalt, sofern sie subjektive Rechte des Bürgers in irgendeiner Weise beeinträchtigt. 6 1 6 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist als Grenze für die Beschränkung von Grundrechten aufgrund von Gesetzesvorbehalten oder kollidierendem Verfassungsrecht zu verstehen. Zur Beurteilung, ob die Grenze bei einer Beschränkung noch gewahrt worden ist, sind die drei Teilgebote des Grundsatzes heranzuziehen. Das Gebot der Geeignetheit verlangt, dass der Einsatz des Mittels zur Erreichung des vom Staat mit der Regelung einer Frequenzbewirtschaftungsordnung und eines Versteigerungsverfahrens verfolgten Zwecks geeignet ist; der gewünschte Erfolg muss mit Hilfe der gewählten Mittel gefördert werden können. 617 Nach dem Gebot 612 BVerfGE 105, 252, 265 ff. 613 Vgl. BVerfGE 61, 126, 134; 69, 1, 35; 76, 256, 359; 80, 109, 120; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 80. 614 BVerfGE 19, 342, 348 f. Vgl. auch BVerfE 61, 126, 134; 76,1, 50 f. 615 BVerfGE 81, 310, 338. 616 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 81. 617 Vgl. allg. BVerfGE 30, 292, 316; 46, 120, 146; 68, 193, 218; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 33, Art. 20 Rn. 84.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
der Erforderlichkeit muss der Einsatz des Mittels zur Erreichung des Zwecks notwendig sein. Es darf keinen anderen Zustand geben, den der Staat ohne großen Aufwand ebenfalls schaffen kann, der für den Bürger weniger belastend wirkt und der mit dem Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, ebenfalls in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang steht. 618 Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre gewinnen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch ein weiteres, letztes Gebot ab und verlangen, dass die Beeinträchtigung, die der Eingriff für den Einzelnen bedeutet, und der mit der Beeinträchtigung verfolgte Zweck in recht gewichtetem und wohl abgewogenem Verhältnis zueinander stehen (Gebot der Verhältnismäßigkeit i.e.S., das auch als Übermaßverbot, Zumutbarkeit oder als Proportionalität bezeichnet wird). 6 1 9 bb) Die Drei-Stufen-Lehre
als Orientierungshilfe
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bietet die vom BVerfG im Apothekenurteil 620 entwickelte Drei-Stufen-Lehre hilfreiche Orientierung, um unterschiedliche Beeinträchtigungsintensitäten, die schon im Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG mit der Differenzierung zwischen Berufswahl und Berufsausübung angelegt sind, zu systematisieren und hinreichend zu berücksichtigen. Ihrem Grundgedanken nach hat sich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis bei steigender Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung an entsprechend höherwertigen Gemeinwohlbelangen auszurichten. 621 Die Drei-Stufen-Lehre erlaubt zunächst den argumentativen Zugriff, ob eine Beeinträchtigung den Bürger mehr oder weniger belastet, mehr oder weniger intensiv ist. Zur Systematisierung der möglichen Beeinträchtigungsintensitäten bedient sich das Argumentationsmuster der Drei-Stufen-Lehre unterschiedlicher Eingriffsstufen. Ausgangspunkt ihrer Differenzierung bildet damit die Unterscheidung von Regelungen, die die Berufsausübung betreffen, und solchen, die die Berufswahl einschränken. Innerhalb der Berufswahlregelungen wird zwischen subjektiven und objektiven Berufszugangsvoraussetzungen als zweite und dritte Stufe differenziert. Subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen lassen sich dadurch kennzeichnen, dass sie in der individuellen Lebens- und Risikosphäre des Betroffenen wurzeln, wobei nicht entscheidend ist, ob der Berufsbewerber Einfluss auf die Eigenschaften hat. 6 2 2 Zu ihnen werden im Allgemeinen solche gezählt, die eine Berufsaufnah618 Vgl. zur Erforderlichkeit BVerfGE 30, 292, 316; 53, 135, 145; 69, 209, 218 f.; H. D. Jarass, in: B. Pieroth/H. D. Jarass, GG, Art. 12 Rn. 34, Art. 20 Rn. 85. 619 BVerfGE 30, 292, 316 f.; 46, 120, 148; 51, 193, 208; H. D. Jarass, in: B. Pieroth/H. D. Jarass, GG, Art. 12 Rn. 35, Art. 20 Rn. 86. 620 BVerfGE 7, 377,405 ff. 621 p. J. Tettinger,
in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 100.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
me an das Vorliegen persönlicher und fachlicher Eigenschaften und Fähigkeiten (wie auch erworbene Abschlüsse oder erbrachte Leistungsnachweise), Charaktereigenschaften, ein bestimmtes Lebensalter oder ähnliches koppeln. 623 Objektive Berufszulassungsvoraussetzungen hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich nicht an persönlicher Qualifikation, sondern an allgemeinen Kriterien orientieren. 6 2 4 Am wenigsten belastend sollen dagegen bloße Berufsausübungsregelungen sein, die die erste Eingriffsstufe bilden. Für die Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von berufsbeeinträchtigenden Maßnahmen hat diese Unterscheidung nun zur Konsequenz, dass eine Beeinträchtigung auf einer höheren Stufe nur dann verhältnismäßig sein kann, wenn ihr Zweck nicht ebenso gut durch eine Beeinträchtigung auf einer niedrigeren Stufe erreicht werden kann. Der Gesetzgeber hat also stets die mit dem geringsten Eingriff in die Berufsfreiheit verbundenen Mittel zu wählen; 625 kann also eine Gefahr für ein Gemeinschaftsgut sowohl auf der subjektiven als auch auf der objektiven Stufe bekämpft werden, sind die Mittel der subjektiven Berufszulassungsregelung - unter dem Vorbehalt, dass sie gleich wirksam sind - aufgrund ihrer geringeren Belastungsintensität zu nutzen. Der Drei-Stufen-Lehre liegt darüber hinaus die weitere Erkenntnis zugrunde, dass Beschränkungen des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG mit unterschiedlicher Intensität wirken, was sich auch in unterschiedlichen Anforderungen zur Rechtfertigung niederschlagen muss. Diese Überlegung hat Auswirkungen auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.e.S., wonach der Zweck, dem die Beeinträchtigung dient, um so wertvoller sein muss, je intensiver die Beeinträchtigung wirkt. Unter der Prämisse, dass Eingriffe in die Berufswahlfreiheit die Freiheit der Grundrechtsträger in der Regel stärker beeinträchtigen als bloße Berufsausübungsregelungen, bedarf es zu ihrer Rechtfertigung vergleichsweise gewichtigerer Erwägungen als zur Rechtfertigung von reinen Berufsausübungsregelungen. 626 Bloße Berufsausübungsregelungen als erste der drei gebildeten Stufen sind bereits aufgrund vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert. 627 Die Zahl der vom BVerfG anerkannten Gemeinwohlerwägungen ist aufgrund des dem Gesetzgebers zugestandenen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums628 groß; 622 H D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 20; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 38. 623 ζ . B. BVerfGE 9, 338, 345; 64, 72, 82: Lebensalter; BVerfGE 13, 97, 106; 80, 1, 23 f.: Befähigungsnachweis; BVerfGE 41, 378, 390; 69, 233, 244: Zuverlässigkeit. 624 ζ . B. BVerfGE 7, 377, 415 f.; 79, 208, 210 f.: Bedürfnispriifung; BVerwGE 51, 235, 238 f.: Höchstzahlen für den gewerblichen Güterfernverkehr. 625 BVerfGE 7, 377, 408; R 7. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 108. 626 R j. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 8. 627 BVerfGE 7, 377, 405 f.; 16, 286, 297; 65, 116, 125; 70, 1, 28; 78, 155, 162; 85, 248, 259; 93, 362, 369. 628 BVerfGE 39, 210, 225 f.; 46, 246, 257; 53, 135, 145; 77, 308, 332.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
selbst Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sollen zur Legitimation ausreichend ·„ 629
sein. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen sind zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig. Als besonders wichtige Gemeinschaftsgüter gelten jedenfalls absolute, von der Tagespolitik unabhängige Werte. 630 Die wohl überwiegende Literaturansicht will zudem auch „relative" Güter bzw. Interessen, die erst der Gesetzgeber selbst aufgrund seiner jeweiligen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Ziele definiert hat, zu den wichtigen Gemeinschaftsgütern zählen. 631 Der Kreis der eingriffslegitimierenden Belange ist auf der Stufe der objektiven Berufszulassungsschranken am engsten gezogen. Der Konzeption der Stufentheorie folgend vermag grundsätzlich nur „die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" einen solchen Eingriff in die Berufswahlfreiheit legitimieren. 632 In dieser Anforderung lässt sich auch die im Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG angelegte vorbehaltslose Gewährleistung der Berufswahlfreiheit, die freilich durch die Konstruktion eines einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit verdeckt wird, wiederfinden. 633 Dabei sind jedenfalls vorstaatliche Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit als gesetzliche Schutzgegenstände zur Rechtfertigung objektiver Berufszulassungsbeschränkungen anerkannt. 634 Des Weiteren können auch sozialstaatlich fundierte Gemeinwohlbelange ein hinreichendes Gewicht haben, um objektive Zulassungsschranken rechtfertigen zu können. Dies gilt insbesondere für die Sicherung einer zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern oder Leistungen. 635 „Relative" Gemeinschaftsgüter reichen dagegen nicht mehr zur Rechtfertigung 636
aus. Das Strukturierungspotential der Drei-Stufen-Lehre hat sich, trotzdem sie erheblicher Kritik in der Literatur ausgesetzt war und auch noch immer ist, 6 3 7 in der 629 BVerfGE 7, 377,406; 23, 50, 56; 77, 308, 332. 630 Beispiel sind der „Schutz der Volksgesundheit", so BVerfGE 25, 236, 247; 78, 179, 192 oder die „Sicherheit der Energieversorgung", so BVerfGE 37, 67, 77; 93, 213, 236. 631 BVerfGE 13, 97, 107; BVerwGE 35, 146, 149; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 11; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 337; R J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 104. 632 BVerfGE 7, 377,408; 75, 284,296; 84,133, 151; 85,360, 374. 633 w. Kluth, ZHR 162 (1998), 657 (671). 634 Vgl. BVerfGE 7, 377,414; 9, 39, 52; 17, 269, 276. 635 Anerkannt ist ζ. B. auch Personenbeförderung im Linienverkehr und im Gelegenheitsverkehr mit Taxen, vgl. BVerfGE 11,168, 184 f., 186 f. 636 R J, Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 107. 637 Kritisch ζ. Β. H. H. Rupp, AöR 92 (1967), 212 (233, 236 f.); J. Ipsen, JuS 1990, 634 (635); D. Czybulka, NVwZ 1991, 145 (146 ff.); C. Gusy, JA 1992, 257 (263 f.); W. Kluth, ZHR 162 (1998), 657 (671, 678); M Heintzen, DVB1. 2004, 721 (724); H. Rittstieg, AK-GG,
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Rechtsentwicklung bewährt. Trotz ihrer Fortentwicklung und Aufweichung ist noch immer anerkannt, dass sie „die Plastizität der Judikatur erhöht" und „einprägsame Eckpfeiler für die praktische Umsetzung der verfassungsrechtsdogmatisch durchgängig gebotenen Abstufung bei Grundrechtsingerenzen" gesetzt hat. 638 Sie bildet den Ausgangspunkt der Rechtfertigungsprüfung von Grundrechtsingerenzen und erleichtert die fallbezogene Systematisierung und Konkretisierung. Sie eröffnet als systematisches Koordinatensystem auf einer mittleren Abstraktionsebene zwischen der Verfassungsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG und der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebenswirklichkeit den Zugang zu typisierten und zugleich differenzierten Kategorien verschiedener Fall- und Problemlagen, womit sie zu rationaler, begrifflich strukturierter Argumentation zwingt. Ergebnisse müssen mit begrifflicher und systematischer Rationalität begründet werden. cc) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Strukturierungsleistungen der Drei-Stufen-Lehre Allerdings kann die Drei-Stufen-Lehre mit ihren Stufenzuordnungen und den jeweiligen Anforderungen an die Rechtfertigung lediglich eine Orientierung bieten, denn konkret zeigt es sich, dass die ausschließliche Anwendung der Drei-Stufen-Lehre in ihrer klassischen Ausprägung die Rechtfertigungsebene nicht immer befriedigend lösen kann. So ist nicht nur die Zuordnung eines Eingriffs zur einen oder zur anderen Stufe immer eindeutig möglich, sondern darüber hinaus kann auch ein Eingriff auf niedriger Stufe intensiver wirken als eine Beeinträchtigung auf einer höheren Stufe. 639 Der der Stufenlehre zugrunde liegenden scheinbar rigi2. Auflage, Art. 12 Rn. 53; M. Gubelt, in: I. von Münch/P. Kunig, GG, Art. 12 Rn. 102; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 319. «s P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 100. 639
Insbesondere diese Gesichtspunkte sowie sich daraus ableitende Folgeprobleme - wie ζ. B., dass es dem Gesetzgeber aufgrund seiner Befugnis zur Berufsbildfixierung ermöglicht werde, stets auch über die Einordnung einer Beeinträchtigung als Berufsausübungs- oder Berufswahlregelung zu entscheiden, womit er Zuordnungsvorgaben manipulieren könne - haben zu starker Kritik an der Lehre in der Literatur geführt. Zum Teil geht diese so weit, dass der Theorie ein „eigener determinatorischer Wert" abgesprochen wird; die Stufenlehre diene lediglich der höchst willkürlichen Etikettierung anderweitig gefundener Ergebnisse. Die vom BVerfG bemühten einzelnen Gemeinwohlbelange seien nicht hinreichend konturierbar, so dass sie inhaltlich weitestgehend unbestimmte Leerformeln blieben, vgl. dazu insb. H. H. Rupp, AöR 92 (1967), 212 (233, 236 f.). Siehe aber auch die Nachweise in Fn. 637 in diesem Kapitel. Das BVerfG hat diese Kritik aufgegriffen und die Drei-Stufen-Lehre sukzessive modifiziert, spezifiziert und schließlich auch um eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung angereichert. Kemelemente der Fort- und Weiterentwicklung sind die wesentlich verfeinerte Handhabung der drei Schranken- und Eingriffsstufen und die Anwendung eines aus Stufenlehre und Übermaß verbot kombinierten Rechtfertigungsmaßstabs, vgl. ζ. B. BVerfGE 19, 330, 337; 30, 292, 316; 46, 120, 138; 76, 196, 207 ff.; 80, 1, 29; 86, 28, 39; 87, 287, 321; 95, 173, 183. Damit ist der in der Literatur geäußerten Kritik weitestgehend abgeholfen worden. Das Heranziehen des Übermaßverbots - in welcher Form auch immer - hat zur Folge, dass unabhängig von der Berufsdefinition und Stufenzuordnung Verhältnismäßigkeitserwägungen 17 Bumke
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
den Stufenrangfolge entspricht nicht immer eine ebenso zwingende Zunahme der Eingriffsintensität. So existierten etwa Berufsausübungsregelungen, denen eine den Berufswahlaspekt tangierende Wirkung zugesprochen werden kann. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar. So können subjektive oder gar objektive Zulassungsbeschränkungen im Vergleich zu Berufsausübungsregelungen weniger eingriffsintensiv wirken, wenn es sich bei den an die Berufsaufnahme geknüpften Bedingungen um solche handelt, die doch typischerweise erfüllt würden, während die Berufsausübungsbedingungen weitergehende, für den Berufstätigen einschneidendere Vorgaben schaffen. 640 Für die Beurteilung der Eingriffsrechtfertigung kann aufgrund dieser Erkenntnis nicht die abstrakt und pauschal den einzelnen Stufen zugedachte Eingriffsintensität entscheidend sein; es muss vielmehr auf die konkrete Gesetzeswirkung abgestellt werden. 641 Für den bei Berufsbeeinträchtigungen einschlägigen Rechtfertigungsmaßstab hat insbesondere diese Problematik zur Folge, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der maßgebliche Ansatzpunkt für die Beurteilung ist und bleibt. Die Drei-Stufen-Lehre ist als argumentativer Zugriff auf die Problemlösung zu verstehen, der eine strukturierende Orientierung, nicht aber (immer) eindeutige Zuordnungen vorgibt. Die flexibleren Legitimationskriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Orientierung an den Aussagen der Drei-Stufen-Lehre bilden den Rechtfertigungsmaßstab und leisten die notwendige verfeinerte Dogmatik im Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit. Die umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in begrifflicher Anknüpfung mit der Stufenlehre zu verschränken, indem die betreffende Beeinträchtigung in einem ersten strukturierenden Subsumtionsschritt einer der drei Stufen abstrakt zugeordnet wird. Die Stufenzuordnung erfasst die Eingriffsschwere und die Legitimationsanforderungen der Verhältnismäßigkeit in typisierender und rahmensetzender Weise. Danach ist die fragliche Beschränkung der Berufsfreiheit in einem Anschlussschritt einer stufenspezifischen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterzieanzustellen sind, womit eventuelle Ungereimtheiten der Berufsdefinition, Stufenzuordnung und des anzulegenden Maßstabs der Gemeinwohlerwägungen aufgefangen werden. Vgl. zur Fortentwicklung der Drei-Stufen-Lehre P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 109 ff.; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 325 ff.; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 9 f., 14 ff. wo Vgl. dazu W. Kluth, ZHR 162 (1998), 567 (678) und J. Schwabe, DÖV 1969, 734 (738), der als Beispiel „hygienische, etwa seuchenbekämpfende Anforderungen an einen Lebensmittelhändler einen schwereren Eingriff (in die Berufswahl), als wenn ihm (etwa zugunsten eines Staatsmonopols) die Hälfte seines Sortiments verboten wird" als Berufsausübungsregelung nennt. Siehe auch J. Ipsen, JuS 1990, 634 (635). 641 Dieses Problem greifen insb. M. Sachs, JuS 1995, 931 (932) und W. Kluth, ZHR 162 (1998), 567 (678) in ihrer Kritik an der Drei-Stufen-Lehre auf. Dass die Eingriffsintensität nicht zwingend mit der Rangfolge der Stufen ab- oder zunimmt hat auch das BVerfG erkannt und berücksichtigt eine möglicherweise atypische konkrete Betroffenheit der regelungsunterworfenen Individuen, vgl. dazu BVerfGE 16, 147, 163 ff.; 30, 292, 313 f.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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hen. 642 Die Zumutbarkeit ergibt sich sodann aus einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe, 643 wobei eine generalisierende Betrachtungsweise geboten ist, die auf die Regelwirkungen, etwa für einen Wirtschaftszweig insgesamt, abstellt. 644 Während die Stufenzuordnung und die anschließende stufenspezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der „abstrakten" Ebene der normativen Regelung ansetzen und auf eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlzwecken des Gesetzes und den gesetzlich bewirkten und fundierten generell-abstrakt geregelten Beschränkungen der Berufsfreiheit zielen, führt die Berücksichtigung der konkreten Betroffenheit bzw. der konkreten Intensität der Beeinträchtigung zu einer Gegenkontrolle und einer eventuellen Ergebniskorrektur. 645 Trotz theoretischer Beibehaltung der abstrakten und typisierenden Stufenzuordnung ergeben sich damit Verschiebungen zwischen den einzelnen Abwägungsmaßstäben bzw. werden diese korrigiert: 646 So sind etwa Berufsausübungsregelungen, die in ihren Wirkungsweisen Eingriffen in die Freiheit der Berufswahl „nahekommen", 647 deshalb auch nur mit solchen Allgemeininteressen zu rechtfertigen, „die so schwer wiegen, dass sie den Vorrang vor der erheblichen Berufsbehinderung ... verdienen". 648 An die Stelle der eigentlich indizierten, stufenspezifischen Verhältnismäßigkeitsprüfung tritt also eine Kontrolle anhand der verschärften Rechtfertigungsanforderungen, die der konkreten Intensität der Beeinträchtigung entsprechen. Damit werden die Abwägungsmaßstäbe der nächsthöheren bzw. der von ihrer Wirkung einschlägigen Schrankenund Eingriffsstufe anwendbar. Diese Ausnahmen fangen Situationen einer atypischen Eingriffsschwere auf, indem sie die gebotene Eingriffsschwere von der „abstrakten" und typisierenden Stufenzuordnung lösen und der konkreten, situationsbedingt verstärkten Betroffenheit der regelungsunterworfenen Individuen anpas-
642 ζ . B. BVerfGE 46, 120, 145 ff.; 73, 301, 316 ff.; 80, 269, 278 f. Vgl. aus der Literatur H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, 2004, Art. 12 Rn. 27 ff.; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rn. 846 ff.; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 8; J. Ipsen, JuS 1990, 634 (636 f.); Ρ J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 114 ff. Siehe femer die kritischen Analysen der Rechtsprechung bei Η. H. Rupp, AöR 92 (1967), 212 (234 ff.); B.-O. Bryde, NJW 1984,2177 (2182). 643 BVerfGE 85, 248, 261; P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 116. 644 BVerfGE 30, 292, 315 f.; 68,193, 219; 77, 84, 105. 645 Vgl. aus der Rechtsprechung des BVerfG ζ. Β. E 16, 147, 163 ff.; 30, 292, 313 f. 646 R J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 119; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 10, 35. 647 BVerfGE 11, 30,44 f.; 86, 28, 38. 648 BVerfGE 32,1, 34 f. Vgl. auch BVerfGE 82, 209, 229 f. 649 Vgl. dazu R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 10. 17*
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
b) Maßstabsbildung: Berufsausübungs- oder Berufswahlregelung Für die Frage des Maßstabs der Rechtfertigungsanforderungen des Versteigerungsverfahrens wird relevant, ob es sich bei dem Versteigerungsverfahren um eine Regelung der Berufsausübung oder der Berufswahl handelt. Mit der freien Berufswahl wird garantiert, dass „der Bewerber den angestrebten Beruf unbeeinflusst von fremdem Willen wählen kann" 6 5 0 und zwar nicht nur durch einen inneren Entschluss, sondern auch durch eine nach außen in Erscheinung tretende Handlung. 651 Die Berufsausübung umfasst die gesamte Tätigkeit, in der ein gewählter Beruf seinen realen Niederschlag findet. 652 aa) Berufausübungsregelung
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Einige Autoren ordnen Regelungen zur Vergabe knapper Güter, Leistungen oder Rechte wie selbstverständlich dem Bereich der Berufswahl zu. 6 5 3 Als Begründung für diese Qualifizierung wird in Bezug auf das Versteigerungsverfahren lediglich die Rechtsprechung des BVerfG 654 angeführt, welche die verfassungsrechtliche Verortung von Bestimmungen zur Vergabe knapper Rechte allgemeingültig vornehme. Diese Auffassung verkennt freilich, dass das BVerfG in den jeweils streitigen Konstellationen keineswegs gerade von der „Knappheit" der Güter, Leistungen oder Rechte auf die Eingriffsstufe „Berufswahlregelung" geschlossen hat. Vielmehr führte das Gericht in seinem Beschluss zu Höchstzahlen der Kraftfahrzeuge für den allgemeinen Güterfernverkehr 655 aus, dass es sich beim Güterfernverkehr aufgrund dessen besonderen gesetzlichen Ausgestaltung um einen eigenständigen Beruf handele, der insbesondere nicht mit dem Güternahverkehr zusammengefasst werden könne; auf dieser Grundlage beruhte dann auch die Qualifizierung der diesbezüglichen Bestimmungen als Berufswahlregelungen. Dass eine entsprechende Problematisierung in den Fällen der Vergabe von Notarstellen 656 und im Schornsteinfegerwesen 657 ausblieb, lässt ebenso wenig auf einen formelhaften Automatismus im Sinne von „Knappheit = Berufswahlregelung" schließen. Die Aner650 So BVerwGE 2, 89,93. 651 R. Breuer, HdbStR VI, § 147 Rn. 56. 652 R. Breuer, HdbStR VI, § 147 Rn. 57. 653 in diese Richtung ohne Problematisierung des Berufs z. B. R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (40 f.); M. Gubelt, in: I. von Münch/P. Kunig, GG, Art. 12 Rn. 65; wohl auch P. Badura, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, 1996, 529 (539 f.); W. Kluth, ZHR 162 (1998), 657 (676). 654 So ζ. B. die Verweise von R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (40 f. mit Fn. 50, 51 und 58 auf BVerfGE 7, 377, 391 ff., 413 ff., 431 f., 442 f.; 11,168,183 ff.; 17, 371, 376 ff.; 73, 280, 292 ff.; BVerwGE 6, 72 ff. und BVerfGE 40, 196, 218 ff.). 655 BVerfGE 40, 196,217. 656 BVerfGE 17, 371, 376 ff.; 73, 280, 292. 657 BVerwGE 6, 72 ff.
. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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kennung als Berufswahlregelung ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass es sich in den entschiedenen Fällen jeweils zweifelsfrei um eigenständige Berufe handelte. Die Qualifikation als Berufswahl- oder Berufsausübungsregelung hängt vielmehr davon ab, ob mit der Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrum die Ausübung eines Berufs oder bloß einer Berufsmodalität ausgeschlossen wird. 6 5 8 Dies richtet sich wiederum danach, ob der geregelte Bereich ein eigenständiges Berufsbild betrifft. 659 Die Abgrenzung eigener Berufe von bloßen Berufsmodalitäten ist häufig nicht eindeutig vorzunehmen. Zur Abgrenzung von Berufsausübung und Berufswahl ist zunächst geboten, den von den betroffenen Unternehmen ausgeübten Beruf näher zu qualifizieren. Ob man das Anbieten des jeweils im Wege eines Versteigerungs Verfahrens frequentierten Dienstes - wie ζ. B. UMTS - als eigenständigen Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne ansehen kann, erscheint zweifelhaft. Eine solche enge Betrachtung würde dem Gesetzgeber sehr enge Grenzen setzen. Die Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrum wäre als von den Wettbewerbern unbeeinflussbare, nicht in ihrer individuellen Rechtssphäre wurzelnde, mithin objektive Berufszugangsvoraussetzung zu qualifizieren, während das im Versteigerungsverfahren zur Auswahl der Bewerber herangezogene Kriterium der Effizienz, das sich in der Zahlungsbereitschaft und Gebotsabgabe der teilnehmenden Unternehmen ausdrückt, eine in der individuellen Sphäre der Teilnehmer liegende, an ihre Leistungsfähigkeit anknüpfende, also subjektive Berufszulassungsschranke vorgibt. Auch wenn man - betrachtet man das Beispiel der Versteigerung von UMTSFrequenzen - berücksichtigt, dass es sich bei UMTS um einen im Wesentlichen neuen Markt handelt, der Dienstleistungen, die bisher unter Telekommunikation, Rundfunk, Internet usw. fielen, vereinigt, kann man nicht so weit gehen, von einem neuen Berufsbild des „UMTS-Diensteanbieters" oder „Mediendiensteanbieter mit UMTS-Frequenznutzung" zu sprechen. Daran ändert auch nicht, dass „UMTS" auch in der Öffentlichkeit zu einem allseits bekannten Stichwort geworden ist. Ob das Nutzen der UMTS-Frequenzen bzw. von Diensten nach dem UMTS-Standard zukünftig einen solchen Stellenwert in der beruflichen Betätigung der Unternehmen einnehmen wird mit der Folge, dass sich ein eigenständiges Berufsbild heraus kristallisiert, ist für die Einstufung von untergeordneter Rolle. Maßgeblich ist vielmehr der Moment der Versteigerung der Frequenzen; zu diesem Zeitpunkt herrschte große Unsicherheit über die Entwicklung des UMTS-Standards. 658 Es wird an dieser Stelle - zur Vermeidung von doppelten Ausführungen - bereits mit untersucht, inwiefern es sich bei dem Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG um eine Berufsausübungs- oder Berufswahlregelung handelt, ebenso wird bereits die Stufeneinordnung vorgenommen. Die Untersuchung des grundrechtsdogmatischen Maßstabs sowie die Legitimation des Versteigerungsverfahrens erfolgen dann gesondert, siehe unten unter Α.ΙΠ.2. 659 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 28 ff.; M. Gubelt, in: I. von Münch/P. Kunig, GG, Art. 12 Rn. 37 ff.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Noch unter Geltung des Lizenzregimes im Rahmen des TKG-alt haben einige Autoren aus den gesetzlichen Regelungen zur Lizenz geschlossen, dass es sich bei der Lizenzerteilung und dem Frequenzversteigerungsverfahren um Regelungen der Berufswahlfreiheit handele. 660 Als Begründung wurde darauf verwiesen, dass das TKG-alt mit der Bildung von Lizenzklassen (§ 6 Abs. 2 TKG-alt) einzelne Telekommunikationstätigkeiten besonders hervorgehoben und voneinander abgegrenzt habe. Die vorgenommene Differenzierung beispielsweise zwischen Mobilfunknetz- und Satellitenfunknetzbetreibern (Lizenzklassen 1 und 2, vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 a)und b) TKG-alt) rechtfertige es insofern, von jeweils eigenständigen Berufen auszugehen. Hinzu komme, dass das Gesetz mit dem Instrument der Lizenz eine staatliche Erlaubnis vorsehe, deren Erteilung abhängig von subjektiven und objektiven Voraussetzungen sei. Von diesen Voraussetzungen hinge die Berufsaufnahme auf. Betrachtet man diese Argumentation losgelöst von dem in diesem Zusammenhang zumeist behandelten Problemkomplex der UMTS-Lizenzvergabe, hätte sie zur Konsequenz (gehabt), dass alle jeweils frequenzgebundenen Dienste, für die nach TKG-alt eine Lizenz erforderlich war bzw. für die Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren vergeben werden (worden sind), als eigenständige Berufe zu werten (gewesen) wären. Eine solche Auslegung ist realitätsfern und wenig praktikabel, da sie den Beruf im Telekommunikationsbereich in unzählig viele eigenständige Teileinheiten aufspaltet, wie ζ. B. UMTS-Anbieter, GSM-Anbieter oder gar Anbieter von Diensten, die mit den im konkreten Versteigerungsverfahren zugeteilten GSM-Komplementärfrequenzen Dienste anbieten. Der Argumentation kann nur insoweit gefolgt werden, als sie einen Anhaltspunkt dafür liefert, das Anbieten von Mobilfunkdienstleistungen unter Nutzung von Frequenzen als eigenständigen Beruf zu qualifizieren. Aber die Begründung, dass der Gesetzgeber mit den entsprechenden Regelungen ein gesetzliches Berufsbild fixiert habe, erweckt Bedenken. Denn die Bestimmungen haben eine rein ordnungsrechtliche und überwachungsrechtliche Intention als Ausfluss der natürlichen Frequenzknappheit und dem aus den technischen Frequenzeigenschaften folgenden Erfordernis der Planung der Frequenznutzung (Vermeidung von Interferenzen). Hinzu kommt, dass das Lizenzregime und damit die Differenzierung der Lizenzklassen im TKG-neu abgeschafft wurde, so dass die dargestellte Argumentation für die Bestimmungen des neuen TKG nicht mehr herangezogen werden kann. Es hat ein Systemwechsel stattgefunden, der nun die Geltung des Allgemeingenehmigungsregimes vorsieht. Der Marktzutritt im Telekommunikations- bzw. Mobilfunksektor ist grundsätzlich frei, es besteht lediglich eine Meldepflicht (vgl. § 6 TKG), die nicht an subjektive und / oder objektive Voraussetzungen der potenziellen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder -netzen anknüpft. Die Genehmigungsbedürftigkeit für den Bereich der Frequenznutzung ist allein vom Merkmal der Frequenzknappheit bzw. des Nachfrageüberhangs abhängig. Die nun geltenden liberalisierten Bestim-
660 Vgl. ζ. Β. K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (374 Fn. 87).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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mungen zur Frequenznutzung als Fixierung eines Berufsbildes durch den Gesetzgeber fruchtbar zu machen, hätte wiederum paradoxe Ergebnisse zur Folge. Man hätte nämlich im Wesentlichen zunächst vier Berufe zu unterscheiden: Die Betätigung ohne Nutzung von Frequenzen im nur anzeigepflichtigen Bereich (1.) sowie die Betätigung unter Nutzung von Frequenzen, die im Rahmen der Allgemeinzuteilung (2.) oder im Wege der Einzelzuteilung ohne Vergabeverfahren (3.) vergeben worden sind, und schließlich die Betätigung unter Nutzung von solchen Frequenzen, deren Zuteilung ein Vergabeverfahren vorangestellt worden ist (4.). Andererseits würde es zu weit gehen, den Telekommunikationsdienstleistungsanbieter als ein einheitliches und umfassendes Berufsbild zu begreifen, das neben reglementierten Tätigkeiten wie der Frequenznutzung im Falle ihrer Knappheit auch die Nummernnutzung sowie die lediglich anzeigepflichtigen Tätigkeiten im Telekommunikationssektor beinhaltet. 661 Die Mobilfunknutzung ist durch ihre rasante Ausweitung bereits durchgängig als eigenständiger Gewerbezweig neben der Festnetztelefonie etabliert und wird auch erkennbar getrennt von diesem betrachtet. Die Mobilfunkkommunikation verfolgt auch eigene berufliche Interessen. Ebenso ist die einst so prägende Rolle der deutschen Telekom und ihrer Tochtergesellschaften als Anbieter jeder Art von Telekommunikationsdienstleistungen immer weiter zurückgedrängt worden, was wiederum insbesondere für den Mobilfunkbereich gilt. So besitzt TD1 (ehemals DeTeMobil) im Bereich der herkömmlichen Mobilfunkanwendungen nach dem GSM-Standard als Inhaber der Dl-Lizenz ungefähr die gleichen Marktanteile wie Vodafone (ehemals Mannesmann Mobilfunk) als Inhaber der D2-Lizenz, während die beiden weiteren Anbieter in diesem Bereich, 0 2 (ehemals Viag Intercom) und E-Plus, zunehmend steigende Marktanteile verzeichnen können. Dieser objektive Befund wird in der subjektiven Betrachtung der Verkehrsanschauung bestätigt: Entscheidend für die Auswahl eines Anbieters im Mobilfunkbereich sind objektive Merkmale wie Preise der Dienstleistungen und Qualität der Netze. Der Mobilfunkanbieter hat sich damit inzwischen als eigenes Berufsbild etabliert. Daraus ergibt sich für die Abgrenzung von Berufsausübungs- und Berufswahlregelung, dass, wenn einem Mobilfunkanbieter mangels Zuteilung von Frequenzen das Erbringen einzelner Dienstleistungen unmöglich gemacht wird, nur ein Teilbereich seiner Berufstätigkeit betroffen ist. Verfügt der entsprechende Wettbewerber bereits über Rechte zur Frequenznutzung für einen Teilbereich oder einen bestimmten Dienst des Mobilfunks, wird kein Zugangshindernis zum Beruf an sich geschaffen, denn die Verweigerung der Zuteilung von Frequenzen nach einem bestimmten Standard hindert ihn nicht, sich weiter in diesem Bereich zu betätigen. Das TKG sieht insbesondere in seiner reformierten Fassung vor, dass Frequenzen grundsätzlich durch Allgemeinzuteilung nutzbar sind, der Zugang zum Frequenzspektrum ist damit grundsätzlich frei. Nur in Bereichen, in denen die Gefahr von Interferenzen besteht, und in Bereichen der Frequenzknappheit ist die Frequenz661 So Β. Varandinek,
CR 2001, 17 (23); M. Ruffert,
AöR 124 (1999), 237 (262).
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Zuteilung an über das Meldeerfordernis des § 6 TKG hinausgehende Voraussetzungen gebunden. Der Mobilfunkanbieter ist nicht auf die konkret zur Versteigerung stehende Frequenz angewiesen, um seinen Beruf auszuüben. Nach alledem ist das zugleich je nach Perspektive weite und enge Berufsbild des Mobilfunkanbieters zugrunde zu legen. Dies hat für die Stufenzuordnung zur Folge, dass grundsätzlich nur die Berufsausübung und nicht die Berufswahl betroffen ist. bb) Berücksichtigung
der konkreten Beeinträchtigungsintensität
Jedoch ist auch die konkrete unternehmerische Situation eines Bewerbers, der sich um die Zuteilung bestimmter Frequenzen im Versteigerungsverfahren bemüht, zu berücksichtigen. Denn bei der Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrum bzw. bei einer ablehnenden Vergabeentscheidung kann zwischen Mobilfunkunternehmen unterschieden werden, die entweder „auch" oder „ausschließlich" auf die knappe Nutzungsressource angewiesenen sind. Der erstgenannte Bewerber ist bei seinem Berufszugang nicht auf eine konkrete Vergabeentscheidung angewiesen, so dass die Bestimmungen als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren sind. Er vermag die ihm verweigerten Frequenzen zu substituieren oder er weicht auf andere Marktsegmente aus. Hingegen kann die Zulassung des ausschließlich auf einen konkreten Nutzungstitel angewiesenen Unternehmers eine intensivere Wirkung besitzen und besonders schwer wirken. Der Eingriff durch die staatliche Frequenzbewirtschaftung bzw. Verteilungsentscheidung ist für neue Wettbewerber auf dem Mobilfunkmarkt, die erst mit dem Erwerb einer Mobilfunkfrequenz - wie ζ. B. einer UMTS-Lizenz - ihren „Beruf 4 ergreifen wollen, ungleich intensiver als für Mobilfunkunternehmen, die bereits über Nutzungsrechte verfügen. 662 Vor dem Hintergrund der Kritik an der klassischen Stufenlehre hinsichtlich ihrer Starrheit in der Stufenzuordnung wird deutlich, dass sich die Wirkungen solcher die Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrums regelnder bzw. die Verteilung steuernder Bestimmungen nicht ausschließlich in einer Stufe abbilden lassen, sondern für die Rechtfertigung entscheidend auf die tatsächliche Intensität abzustellen ist. Je stärker die die Berufsausübung regelnde Maßnahme die Berufswahl beschränkt, desto höher werden auch die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs und damit an die Verhältnismäßigkeit. Es handelt sich gegenüber den Betroffenen, die sich spezialisiert haben bzw. dies anstreben, zwar nicht um eine Regelung der Berufswahl, weil derart spezialisierte Unternehmen nicht ein eigenständiges Berufsbild darstellen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Begrenzung des Zugangs zum Frequenzspektrum, dass allen Adressaten gegenüber als Berufsausübungsregel zu verstehen ist, dieser Untergruppe gegenüber wie eine Berufsuntersagung und damit wie eine Regelung der Berufswahl wirkt. Hat daher eine an sich die Ausübung regelnde Maßnahme zur Folge, dass faktisch der Beruf nicht ausgeübt werden kann, sind ähnliche Anforderungen wie bei die Berufswahl einschränkenden Gesetzen zu stellen. 663 Da zum Zeitpunkt der Frequenzversteigerung 662
Ebenso C. Schulz, Lizenzvergabe bei Frequenzknappheit, S. 104.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
für einige Unternehmen keine andere Möglichkeit zur Aufnahme des Mobilfunkbetriebes besteht bzw. die Versagung der Zuteilung von Komplementärfrequenzen gegenüber einem spezialisierten Unternehmen zur Aufgabe ihrer Tätigkeit führt, entspricht die Intensität der Verhinderung des Marktzutritts von ihrer Wirkung her einer Berufswahlregelung in Form einer objektiven Berufszulassungsschranke, wenn die generelle Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrums betrachtet wird, bzw. in Form einer subjektiven Berufszulassungsschranke, wenn die im Versteigerungsverfahren ermittelte Effizienz der Teilnehmer verfassungsrechtlich beurteilt werden soll. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Grenzen zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen fließend sind. Für die Rechtfertigungsprüfung hat dies zur Konsequenz, dass sie nicht auf die Stufenzuordnung mit ihren jeweiligen Anforderungen abzustellen hat, sondern sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung an der konkret wirkenden Intensität auszurichten hat.
c) Die Rechtfertigung der Frequenzbewirtschaftungsordnung Anders als im Falle der Festsetzung von Genehmigungshöchstzahlen, bei der es sich um eine künstliche Knappheit handelt, die einer besonderer Rechtfertigung bedarf, oder in Fällen von Bedürfnisprüfungen handelt es sich bei der teilweisen Zugangsbeschränkung zum Frequenzspektrum um eine rechtliche Reaktion auf die naturgegebene Sachgesetzlichkeit der Frequenzknappheit. 664 Die sich in einer Berufsausübungsregelung niederschlagende Entscheidung des Gesetzgebers, der Frequenzzuteilung in Fällen der Frequenzknappheit ein Vergabeverfahren voranzustellen, findet ihre Verkörperung zwar in § 55 Abs. 9 TKG, ist letztlich allerdings nur eine Antwort des Gesetzgebers darauf, dass der Zugang zu einer für die Berufsausübung erforderlichen Ressource durch eine staatliche Bewirtschaftungsordnung begrenzt ist. Es wird auf die Tatsache reagiert, dass die für die Berufsausübung notwendigen Frequenzen aufgrund internationaler und nationaler Vorgaben nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Mit dieser Erkenntnis verlagert sich die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Ebene der Frequenzbewirtschaftungsordnung. Maßstab der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Frequenznutzung als Ziel des Frequenzbewirtschaftungssystems Voraussetzung für das Anbieten bestimmter Mobilfunkdienstleistungen ist. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Frequenzbewirtschaftungsordnung sind dabei zwei Gesichtspunkte. Neben der natürlichen Begrenztheit des Frequenzspektrums, die bedingt, dass keine unbegrenzte Zahl an 663 BVerfGE 11, 30, 42, 44 f. Nach BVerfGE 12, 144, 147 ist die kassenärztliche Zulassung zwar Berufsausübungsregelung, da 80% der Bevölkerung jedoch über Kassen versichert sind, kommt die Maßnahme einer objektiven Zulassungsschranke nahe. 664 Hieraus allein schließen einige Autoren, dass die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit allein auf das Verteilungsverfahren zu beschränken sei, vgl. z.B.W. Kluth, ZHR 162 (1998), 657 (676).
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2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Nachfragern das Frequenzspektrum nutzen kann, erlangt Bedeutung, dass die Nutzung der gegebenen Frequenzen aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften begrenzt ist. Damit die Frequenzen störungsfrei genutzt werden können, unterliegt die Frequenznutzung Restriktionen. Zwar haben sich die technischen Möglichkeiten hinsichtlich der Ausnutzung stetig weiterentwickelt, was aber nicht dazu geführt hat, dass die Gefahr eines „Chaos im Äther" behoben worden wäre. Die Frequenzen können nur an einem Ort zur gleichen Zeit jeweils nur von einem Sender störungsfrei genutzt werden. Zur wirtschaftlich sinnvollen Nutzung ist es also unerlässlich, jegliche Interferenzen zu vermeiden. Dieses verfassungsrechtlich legitime Ziel verfolgt die staatliche Frequenzbewirtschaftung. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls. Aber auch das für die Rechtfertigung einer möglichen atypischen Betroffenheit erforderliche, mit der Frequenzbewirtschaftungsordnung zu schützende und überragend wichtige Gemeinschaftsgut ist im Ziel der Vermeidung von Interferenzen und damit einer wirtschaftlich und technisch sinnvollen Nutzung des Frequenzspektrums angelegt. Die Vermeidung von Interferenzen liegt nämlich nicht nur im Eigeninteresse der jeweiligen privaten Nutzer, sondern dient zudem auch der Sicherstellung der Aufgaben der Flugsicherung, der Notdienste oder der Polizei ebenso wie der Gewährleistung des verfassungsrechtlich verankerten Grundversorgungsauftrags mit Rundfunk. 665 Geeignete Mittel sind die Aufstellung unterschiedlicher Arten von Frequenzordnungsplänen und die Beschränkung des Zugangs zum Frequenzspektrum. Diese sind auch erforderlich, insbesondere ist als milderes Mittel eine private Frequenzbewirtschaftung - für die sich allerdings schon die Frage stellt, ob die durch sie lediglich bewirkte Verantwortungsverschiebung vom Staat auf Private die Unternehmen weniger belastet - nicht gleich wirksam. Das aktuelle Frequenzbewirtschaftungssystem hat mit der grundsätzlich vorgesehenen Allgemeinzuteilung von Frequenzen die Nutzungsmöglichkeiten so weit wie möglich liberalisiert und geöffnet. Die Frequenznutzung ist damit grundsätzlich keinen Restriktionen in Form von Genehmigungsvorbehalten unterworfen. Eine Einzelzuteilung ist nur im Hinblick auf die Vermeidung von Interferenzen vorgesehen. Nur in Frequenzbereichen, in denen Knappheit herrscht, kann für eine Einzelzuteilung als Auswahlmechanismus ein Versteigerungsverfahren vorgesehen werden. Dass eine solche Begrenzung des Zugangs für die einzelnen Unternehmen generell unzumutbar ist, ist nicht erkennbar, wobei damit noch keine Aussage darüber getroffen ist, ob das einzelne Verfahren, das zu einer Versagung der Zuteilung führen kann, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dies leitet über zu der Frage, ob das Auswahlverfahren, also das Frequenzversteigerungsverfahren, verfassungsrechtlich zulässig ist.
665 So auch K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (376).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
III.Verfassungsmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens Im Weiteren ist zu untersuchen, ob konkret die Zuteilung durch Versteigerungsverfahren den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Das Versteigerungsverfahren zielt gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG darauf ab, festzustellen, welcher oder welche der Bieter am besten geeignet sind, die Frequenzen effizient zu nutzen. Nach einer Differenzierung, welche Konstellationen einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach sich ziehen, ist zu untersuchen, ob der im TKG vorgegebene Auswahlmaßstab der effizienten Frequenznutzung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Verteilungsverfahren gerecht wird. Diesbezüglich stellt sich die Frage nach dem grundrechtsdogmatisch einschlägigen Maßstab und seinen Anforderungen. Diesen Anforderungen muss dann die in § 61 Abs. 5 TKG als vorrangiges Vergabeverfahren geregelte Versteigerung genügen. Darüber hinaus ist zu problematisieren, dass bei einer Verteilungsentscheidung durch Versteigerung nicht nur ein marktwirtschaftliches Kriterium für die Auswahl maßgeblich ist, sondern die Versteigerung zudem ein marktwirtschaftliches Verfahren ist. Die Ermittlung des zur Frequenznutzung am besten geeigneten Bewerbers wird nicht wie in herkömmlichen Verteilungsverfahren anhand einer administrativen Bewertung vorgenommen, sondern ist im Versteigerungsverfahren vielmehr auf die Bieter selbst verlagert, die anhand ihrer Gebotsabgabe über die Frequenzzuteilung entscheiden. Allein aus der Bereitschaft von Unternehmen zur vergleichsweise höheren Gebotsabgabe schließt der Gesetzgeber auf die effiziente Nutzung der Frequenzen.
1. Beeinträchtigung der Berufsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 GG)
Für die Frage der Beeinträchtigung auf der Ebene der Zuteilung durch Versteigerungsverfahren ist zwischen unterschiedlichen Konstellationen zu differenzieren: Teilt der Staat einigen, im Versteigerungsmechanismus obsiegenden Unternehmen Frequenzen zu, während andere Unternehmen nicht in den Genuss der Frequenznutzung gelangen, stellt dies für letztere eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar. 666 Für die Beurteilung des überhöhten Versteigerungsentgeltes kann man wiederum zwischen zwei Modalitäten unterscheiden. Grundsätzlich hat die ökonomische Analyse ergeben, dass bei optimaler Auktionsausgestaltung durch die Verfahrensregeln das Unternehmen entsprechend seiner Gewinnprognose bietet und dementsprechend eine überhöhte Gebotsabgabe durch ein rechtmäßiges Verfahren ausgeschlossen ist. 6 6 7 Dennoch erscheint insbesondere in der Praxis der Fall denkbar, 666 S.O. 5.4.1. 667 Siehe dazu ausführlich die ökonomische Analyse oben im 2. Teil, 2. Kapitel, C.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
dass auch innerhalb des Unternehmens Fehler bei der Bewertung des Versteigerungsobjektes auftreten und dadurch eine freiwillige, überhöhte Gebotsabgabe in der Auktion stattfindet. Dieses freiwillig überhöhte Gebot erscheint jedoch grundrechtsirrelevant. Es ist schon zweifelhaft, ob der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG in dieser Konstellation überhaupt berührt ist. Vergleichbar ist die vorliegende Situation mit dem privaten Rechtsverkehr. Dort ist es eindeutig, dass es keine im Ausstrahlungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG angelegte Handlungsweise ist, wenn jemand im privaten Rechtsverkehr eine zu hohe, also in der ökonomischen Betrachtung unvernünftige Leistung erbringt, die ihn für sein weiteres Berufsverhalten schädigt. Dies ist nicht anders, wenn die Gegenleistung in einem staatlich organisierten, auf gesellschaftlicher Selbstregulierung beruhenden Verfahren versprochen wird, indem der Staat seiner Verantwortung zur Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens hinreichend nachgekommen ist. Aber selbst dann, wen man das Berührtsein des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG annehmen würde, fehlt es an einem Eingriff. Denn es stellt schon keine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar, wenn jemand einen Antrag auf eine Art staatliche Leistung stellt und dabei eine - wirtschaftlich betrachtet - unvernünftige Gegenleistung verspricht. In der freiwilligen, wirtschaftlich unvernünftigen Gebotsabgabe liegt eine Selbstbeeinträchtigung vor, die weder einer Fremdbeeinträchtigung gleichgestellt werden kann, da Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor sich selbst schützt, noch auf den Staat rückführbar ist. Für die Grundrechtsprüfung außer Acht zu lassen sind somit diejenigen Selbstbeeinträchtigungen, die entstehen, weil jemand trotz hinreichender und damit rechtmäßiger Ausgestaltung der Versteigerungsregeln eine wirtschaftlich unvernünftige Gegenleistung für die zur Versteigerung stehenden Frequenzen verspricht. Anders zu beurteilen ist die Konstellation, dass die überhöhte Gebotsabgabe kausal auf die mangelhafte Ausgestaltung der Versteigerungsregeln des Einzelfalls rückführbar ist. Für die Aufstellung der Auktionsregeln trifft den Staat die Bereitstellungsverantwortung. Die Rechtswidrigkeit des Verfahrens, die durch die mangelhafte Ausgestaltung hervorgerufen wird, kann auch für die grundrechtliche Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden; sie schlägt insoweit durch und führt zu einer nicht freiwillig veranlassten überhöhten Gebotsabgabe und in der Folge auch zu einer solchen Zahlung, die insoweit eine Beeinträchtigung in Art. 12 Abs. 1 GG darstellt und in der Prüfung zu berücksichtigen ist.
2. Grundrechtsdogmatischer Maßstab des Anspruchs auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Auswahlverfahren (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) Im Folgenden soll der grundrechtsdogmatisch einschlägige Maßstab ermittelt werden. Fraglich ist konkret, ob es sich bei der Frequenzzuteilung, der aufgrund der Frequenzknappheit ein Versteigerungsverfahren vorangestellt ist, um eine staatliche Leistung handelt oder ob die Frequenzzuteilung durch Versteigerungs-
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
verfahren vom abwehrrechtlichen Gehalt der Berufsfreiheit umfasst wird. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird dies unterschiedlich beurteilt. 668 Eine Problematisierung findet nur selten statt. Teilweise wird offenbar angenommen, dass ein Anspruch auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Vergabeverfahren, das aus der staatlichen Verantwortungsübernahme für die Verteilung folge, notwendig auch ein Teilhaberecht beinhalte. 669 Es ist aber auch denkbar, dass sich ein solcher Anspruch aus der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte, freilich aufgrund der Knappheit in reduzierter Gestalt, ergibt.
a) Teilhaberechtlich strukturierte Vergabesituation? In der Situation der Frequenzknappheit muss die regulierende Verwaltung Verteilungsfunktionen erfüllen. 670 Die Aufgabe, die Verteilung knapper Güter und Ressourcen verwaltungsrechtlich zu regeln und durch Verwaltungshandeln zu steuern, ist kein Spezifikum des Telekommunikationsrechts als Privatisierungsfolgenrecht. Verteilungssituationen mit jeweils unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben, die die Problematik anhand differierender Maßstäbe und Verfahren regeln, existieren in vielen Rechtsbereichen. Einige Referenzgebiete mit ihren Maßstäben und Verfahren sowie verfassungsrechtlichen Vorgaben wurden bereits an anderer Stelle vorgestellt und bewertet. 671 Einige dieser Verteilungslösungen sind teilhaberechtlich strukturiert. Sie lassen sich dadurch kennzeichnen, dass der Staat eine öffentliche Einrichtung oder Sache zur Verfügung stellt im Sinne einer Verantwortungsübernahme auch für den Bereich der „Produktion" der nachgefragten Leistungen wie Studienplätze, Marktstandplätze, öffentliche Schwimmbäder. Eben dieses Zurverfügungstellen ist dann auch ursächlich für die sich an die Produktion anschließende, staatliche Verteilungsentschei668 Für Teilhabe an staatlicher Leistung B. Varadinek, CR 2001, 17 (23): „Teilhabe an staatlicher Leistung"; wohl auch W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (304 f.): „leistungsrechtliche Wirkung der Lizenz"; L. Grämlich, CR 2000, 101 (102): „Teilhaberecht"; S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 23 ff.; P. Hess, Das Versteigerungs verfahren nach dem Telekommunikationsgesetz, S. 112 f.; A. Leist, Versteigerungen als Regulierungsinstmment, S. 67 ff. zwar mit Problematisierung, aber ohne Differenzierung zwischen Bereitstellung und Produktion der Güter. Als Abwehrrecht verstehen die Frequenznutzung M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (260 ff.); Β. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (882); C. Degenhart, K&R 2001, 32 (36). M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 1, spricht von „Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Auswahlverfahren". Offenlassend M. Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion gemäß § 11 Abs. 4 TKG, S. 79 ff. 669 So klingt es bei L Grämlich, CR 2000, 101 (102). 670 Zu der „verteilenden Verwaltung" E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 1982, S. 21 ff.; ders., Das allgemeine Verwaltungsrechts als Ordnungssystem, 2004, 6. Kapitel Rn. 168. Allgemein W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 ff.; C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 333 ff. 671 S.o. im 2. Teil, 3. Kapitel unter B., C. und D.I.l.a).
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
dung. Ein in dieser Gruppe immer wieder genanntes und im numerus-clausus-Urteil vom BVerfG ausführlich behandeltes Beispiel ist die Vergabe von Studienplätzen in den numerus-clausus-Fächern. Grundaussage der Rechtsprechung ist, dass ein aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 12 GG und dem Sozialstaatsprinzip folgender Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am Hochschulzugang unter Ausschöpfung aller vorhandenen Kapazitäten besteht. 672 Teilhabeansprüche ergeben sich nach den Ausführungen des BVerfG insbesondere dann, wenn der Staat ein Monopol für sich in Anspruch nimmt. 6 7 3 Ähnlich gleichheitsrechtlich strukturiert sind Ansprüche Einzelner auf Teilhabe aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m Art. 3 Abs. 1 GG, die auf Zuteilung von Standplätzen auf Märkten 674 oder die Benutzung öffentlicher Einrichtungen gerichtet sind. All diesen Bereichen ist trotz der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Leistungen gemeinsam, dass der Staat bzw. ein Hoheitsträger neben der Verteilung auch die Verantwortung für die Bereitstellung übernommen hat und diesbezüglich zugleich ein Monopol in Anspruch nimmt (nahm); das BVerfG spricht hier auch von einer „Leistungsverwaltung". 675 Es handelt sich dann nicht mehr um einen klassischen Grundrechtseingriff. Vielmehr kommt der objektive Gehalt der Grundrechte zum Tragen. Die Grundrechte enthalten nicht nur subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt, sondern stellen zugleich objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar. 676 Die objektiv-rechtliche Bedeutung verstärkt die subjektiv-rechtliche Bedeutung der Grundrechte; Teilhaberechte als objektiv-rechtliches Grundrechtselement normieren zusätzliche Wirkungen der Grundrechte. 677 Eine teilhaberechtliche Sicht wäre also auch im Bereich der Frequenzzuteilung durch Versteigerungsverfahren dann geboten, wenn die im Versteigerungsverfahren zu vergebenden Frequenzen als öffentliche Sachen zu qualifizieren wären. 678 672 BVerfGE 33, 303 (329 ff., 332); 43, 291; 85, 36. 673 BVerfGE 33, 303, 331. 674 Wobei der Gleichbehandlungsgrundsatz hier nicht im Sinne formaler Gleichheit sondern sachangemessener Differenzierung verstanden wird, was mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, vgl. P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (536 f.). 675 BVerfGE 35, 79, 115. 676 Vgl. nur BVerfGE 7, 198 - Lüth; 49, 89,141 f. - Kalkar. Siehe dazu H. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993; M. Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewände, S. 36 ff., 74 ff.; H. D. Jarass, AöR 110 (1985), 363 ff.; H. D. Jarass, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 35 ff. 677 H.-W. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 ff.; R. Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 ff. 678 Vgl. M Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (261 f.); M. Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion gemäß § 11 Abs. 4 TKG, S. 83 ff. Anders wohl Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 148 ff., der für die Einordnung allein maßgeblich ansieht, ob man die Frequenzzuteilung als Leistung oder die Frequenznutzung als Annex zu den unternehmerischen Handlungen im Rahmen der Veranstaltung von Telekommunikationsdienstleistungen begreift, ohne dabei auf das maßgebliche Kriterium der staatlichen Leistungserbringung bzw. der öffentlichen Sache einzugehen.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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Dann wären sie ebenso wie in den eindeutig teilhaberechtlich strukturierten Konstellationen Gegenstand staatlicher Leistung, und die Verteilungsentscheidung, die das Versteigerungsverfahren herbeiführt, hätte ihre Ursache in der Bereitstellung der staatlichen Leistung Frequenz. Öffentliche Sachen sind nach weithin übereinstimmendem Begriffsverständnis Vermögensgegenstände, die wegen ihrer öffentlichen Zweckbestimmung eine besondere, von den übrigen Gegenständen abgehobene Rechtsstellung aufweisen einen Rechtsstatus also, der nicht oder nicht nur von der Privatrechtsordnung, sondern (auch) von der verwaltungsrechtlichen Sonderordnung geprägt ist. 6 7 9 Einige Autoren wollen dem Frequenzspektram die Eigenschaft als öffentliche Sache zusprechen. So qualifiziert etwa Demmel das Frequenzspektrum als eine „öffentliche Sache im Sondergebrauch". 680 Die Einordnung als öffentliche Sache scheitere nicht an der vom bürgerlich-rechtlichen Sachbegriff (§§ 90 ff. BGB) vorausgesetzten Körperlichkeit der elektromagnetischen Wellen. 681 Im Sondergebrauch sei das Frequenzspektrum, weil dessen Nutzung abhängig von der Zuteilung sei. Auch die RegTP spricht im Zusammenhang mit der Zuweisung von Frequenzen von „Widmung", so dass die Annahme nahe liegt, dass auch sie das Frequenzspektrum als öffentliche Sache einstuft 6 8 2 Diese Einordnung begegnet allerdings Zweifeln. Nach Papier können nur körperliche und folglich eigentumsfähige Gegenstände öffentliche Sachen sein. 683 Die Zuordnung zum Kreis der öffentlichen Sachen setze die Überlagerung der sonst eingreifenden sachenrechtlichen Privatrechtsordnung durch eine sonderrechtliche Herrschafts- und Nutzungsordnung zur Verfolgung öffentlicher Zwecke voraus. 684 Es sei daher sinnwidrig, Gegenstände, die per se der allgemein-privatrechtlichen Zuordnung oder Herrschafts- und Nutzungsordnung nicht unterstehen können, zu den öffentlichen Sachen zu zählen. Fordert man mit Papier die Körperlichkeit als zwingende Eigenschaft einer öffentlichen Sache, würde das Frequenzspektrum schon aufgrund seiner fehlenden Eigentumsfähigkeit aus dem öffentlichen Sachbegriff herausfallen. Aber auch wenn man der herrschenden Lehre folgt, die davon ausgeht, dass für das öffentliche Recht der bürgerlich-rechtliche Sachbegriff (§§ 90 ff. BGB) nicht gilt, 6 8 5 kann dem Frequenzspektrum die Eigenschaft einer öffentlichen Sache nicht 679 E. Fortsthoff, Verwaltungsrecht, S. 378; H. J. Wolff /O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, § 75 Rn. 4; H.-J. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 1 ff.; H.-J. Papier, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 Rn. 1; D. Lorenz, NVwZ 1989, 812 (813). 680 So A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 44 Rn. 5. 681 Siehe dazu auch J. F. Baur/R. Stürner, Sachenrecht, S. 269. 682 Vgl. etwa Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, 516, 536: „Frequenzwidmung". 683
H.-J. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 1 ff.; H.-J. Papier, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 Rn. 4. Ebenso W. Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 145 (149). 684 H.-J. Papier, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 Rn. 4.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
zugesprochen werden, da das öffentliche Sachenrecht mit seiner Forderung nach Prägung durch eine verwaltungsrechtliche Sonderordnung das Frequenzspektrum nicht erfasst. Die ältere Verwaltungslehre differenziert zwischen öffentlichen Sachen kraft „Widmung" - wie ζ. B. Straßen oder Wasserstraßen - und kraft „Natur der Sache", zu denen ζ. B. das Wasser, der Luftraum oder der Meeresstrand gezählt werden. 686 Nur auf den ersten Blick liegt es nahe, die elektromagnetischen Wellen - wie Demmel 6* 7 - in die letztere Kategorie mit der Konsequenz einzuordnen, dass die Frequenzzuteilung die Entscheidung über die Nutzung einer öffentlichen Sache wäre. Die Ausführungen der RegTP weisen auf eine Zuordnung zur ersten Gruppe hin. Beide Zuordnungen überzeugen aber nicht. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist diesbezüglich auf die Kategorien des Gemeingebrauchs und der Sondernutzung abzustellen.688 Als Gemeingebrauch wird die durch Widmung festgelegte Befugnis bezeichnet, eine öffentliche Sache zu benutzen, ohne dass hierfür jeweils eine staatliche (Einzel-)Erlaubnis erforderlich ist. 6 8 9 Für die Frequenznutzung ist aber - selbst unter Geltung des Allgemeingenehmigungsregimes - in § 55 Abs. 1 S. 1 TKG vorgesehen, dass sie einer vorherigen Zuteilung durch die RegTP bedarf. Ebenso passt nicht, dass subjektive Rechte auf Frequenznutzung schon aus dem abwehrrechtlichen Gehalt der Grundrechte folgen, während sie in der Kategorie des Gemeingebrauchs erst nach der „Widmung" entstehen.690 Die Einordnung der Frequenznutzung in die Kategorie des Gemeingebrauchs scheidet damit aus. Auch die Qualifikation der Frequenznutzung als Sondernutzung begegnet Bedenken. Charakteristisch für die Erlaubnis einer Sondernutzung für eine öffentliche Sache ist das staatliche Zulassungsermessen auf der Grundlage einer hoheitlichen Ressourcenbewirtschaftung. 691 Ein solches Ermessen besteht bei der Frequenzzuteilung aber gerade nicht. Aufgrund des grundrechtlichen Schutzes, den die Frequenznutzung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG in Form der abwehrrechtlichen Dimension grundsätzlich genießt, müssen alle vorhandenen Frequenzkapazitäten ausgeschöpft werden. Dies fordern auch die europarechtlichen Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie. 692 Das TKG als einfachgesetzliche Konkretisierung der ver685 E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 378; H. J. Wolff/ Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht. Band 2, § 75 Rn. 4; E. Pappermann, JuS 1979, 794 (797 f.). 686 E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 379. 687 So A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 44 Rn. 5. 688 E. Pappermann/R.-P. Löhr/W. Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 67. 689 E. Pappermann/R.-P. Löhr/W. Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 66 f. 690 Bis zur „Widmung" genießt der Eigentümer nach §§ 903, 1004 BGB einen Störungsbeseitigungsanspruch, den er geltend machen kann, wenn sein Eigentum von ihm ungewollt genutzt wird, vgl. E. Pappermann /R.-P. Löhr/W. Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 65 f. 691 Wie ζ. B. im Straßen- oder Wasserrecht, vgl. dazu F. Grote, in: Straßenrecht, Kap. 26 Rn. 9 ff. und H.-J. Papier, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, § 41 Rn. 19 ff. für das Wasserrecht. 692 s.o. im 1. Teil, 2. Kapitel, D.m.3.d).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3
fassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben determiniert das Verhältnis zwischen Staat und Nutzer hinsichtlich der Frequenznutzung vollständig und abschließend, womit das öffentliche Sachenrecht als ungeschriebenes Institut des allgemeinen Verwaltungsrechts, das sich zu höherrangigem Recht nicht in Widerspruch setzen darf, ausscheidet.693 Schließlich wäre die Verbindung zwischen öffentlicher Sache und einer staatlichen Leistung als Voraussetzung für die Qualifikation als öffentliche Sache aufgehoben. 694 Es darf nicht aus dem Bedürfnis nach staatlichen Regelungsbefugnissen auf die formale Klassifizierung als öffentliche Sache geschlossen werden, aus der dann gleichzeitig wiederum Regelungsbefugnisse legitimiert werden sollen. 695 Vielmehr muss es gerade die staatliche Leistung sein, die verwaltungsrechtsdogmatisch überformt von Widmung und tatsächlicher Ingebrauchnahme einen Gegenstand zu einer öffentlichen Sache macht. 696 Frequenzen werden aber nicht staatlicherseits geleistet, sondern lediglich verteilt. 697
b) Abwehrrechtlich strukturierter, aber reduzierter Anspruch Unter das klassische Dogma der Teilhaberechte fällt die Frequenzvergabe durch Versteigerungsverfahren nicht. Der Staat hat lediglich die Verantwortung für die Verteilung natürlich bereits vorhandener Frequenzen übernommen. 698 Leistungsrechtlich orientiert ist dies, weil er die Verteilung leistet, nicht aber leistet er - wie es das BVerfG für klassische teilhabrechtliche Situationen hervorhebt - den Gegenstand der Verteilung. Denkt man sich den Bewerberüberhang nach Frequenzen 693
K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 155. 694 Vgl. zu diesem Erfordernis D. Lorenz, NVwZ 1989, 812 (813); Κ Stern, VVDStRL 21 (1964), S. 183 (195). M. Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion gemäß § 11 Abs. 4 TKG, S. 92 f. sieht diese Leistung in der Verteidigung der Nutzungsrechte und unterhegt damit einem Zirkelschluss. 695 M. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (83). A.A. M. Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion gemäß § 11 Abs. 4 TKG, S. 83 ff., der die Frequenzen als öffentliche Sache qualifiziert. Als Begründung führt er an, dass ansonsten die Rechtfertigung für das gesamte hinter der Frequenz stehende Ordnungsregime des Staates entfallen würde (S. 92). Er übersieht dabei, dass die Rechtfertigung nicht aus der Qualifizierung der Frequenzen als öffentliche Sachen folgen kann, sondern Gemeinwohlerwägungen die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit legitimieren. Ebenso kann die Furcht vor Abgrenzungsproblemen (S. 92) Frequenzen nicht zu einer öffentlichen Sache machen. 696 m. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (83 f.); M Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (261 f.). 697 Hinzu tritt der tatsächliche Befund, dass elektromagnetische Wellen nicht wie Wasser, Luft und Strand von Natur aus gegeben sind, sondern erst erzeugt werden müssen. Das Betreiben von Sendeanlagen ist Inhalt der privatwirtschaftlichen Telekommunikationstätigkeit und nicht (mehr) Staatsaufgabe. Schwerpunkt der inhaltlichen Beschreibung des Frequenzspektrums ist damit vorrangig die Art und Weise des Betreibens einer Sendeanlage und nicht der Ausschnitt des jeweils zu nutzenden „Äthers", vgl. M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237
(261).
698 y. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (777). So auch für das telekommunikationsrechtliche Versteigerungsverfahren F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (17). 18 Bumke
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
weg, ist die grundrechtsdogmatische Situation eindeutig. Die Verweigerung der Zuteilung löst den klassischen abwehrrechtlichen Grundrechtsanspruch aus. Der Gedanke eines Teilhaberechts läge fern. Anders verhielt es sich im Hochschulzugangsrecht zum Zeitpunkt des numerus-clausus-Urteils des BVerfG. 699 Hätten unbeschränkt Studienplätze zur Verfügung gestanden, wäre es immer noch der Staat gewesen, der diese bereitstellt hätte, weil er in diesem Ausbildungsbereich ein Monopol in Anspruch nahm. Für eine solche Begrenzung spricht auch der Begriff der „Teilhabe". 700 Auch die Umsetzung des Verfassungsauftrages des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG mit dem Konzept des Gewährleistungsstaates701 spricht gegen ein leistungsrechtliches Verständnis der Frequenzvergabe. Aufgrund der Entscheidung zur Privatisierung der Telekommunikation und die damit verbundene Öffnung des Sektors für den Wettbewerb privater Unternehmen wird das Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen auch in Form der funkbasierten Telekommunikation von der abwehrrechtlichen Funktion der Freiheitsrechte, insbesondere von Art. 12 Abs. 1 GG, erfasst. 702 Die Verfassungsentscheidung des Art. 87 f GG ordnet die wirtschaftliche Betätigung der Unternehmen in diesem Bereich privatautonomer Grundrechtsausübung zu. Die auf einfachgesetzlicher Ebene im TKG vorgesehenen Regulierungsaufgaben folgen aus den sachbedingt fortbestehenden Regulierungserfordernissen 703 und dienen dabei vornehmlich der Umsetzung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 87 f Abs. 1 GG. 7 0 4 Die nach der Beseitigung des Postmonopols für die Telekommunikation und deren Entstaatlichung verbleibenden staatlichen Funktionen sind regulatorischer, nicht leistender Natur. Diesem Konzept unterliegen auch die Maßnahmen, die die RegTP zur Erfüllung des Gewährleistungsauftrages des Art. 87 f Abs. 1 GG vornimmt; der Staat leistet nicht selbst, sondern er steuert nur das Handeln der privaten Wettbewerber bzw. legt ihnen Verpflichtungen auf, die der Erfüllung des Gewährleistungsauftrages dienen. 705 Die 699 BVerfGE 33, 303. 700 H. D. Jarass, AöR 110 (1985), 363 (387). 701 Siehe ausführlich unten in diesem Abschnitt des Kapitel unter A.III.3.b)bb)(3)(b) und M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 18 ff., 193 ff.; T. Vesting , in: Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (113 ff.); G. F. Schuppert, in: Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 ff.; W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 24 ff. Vgl. auch W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand. 702 Ebenso W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (305); H Leo/M. Schellenberg, ZUM 1997, 188 (190); L Grämlich, CR 2000, 101 (101 f.); R. Schütz, in: Beck'scher TKGKommentar, § 6 Rn. 3; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 27; M. Bullinger/ E.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 83 f. Vgl. oben in diesem Kapitel unter A.II.l. 703 Vgl. β. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (879); K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), Art. 87 f Rn. 15. 704 Ebenso B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (879). 705 So die Universaldienstverpflichtung der §§ 78 ff. TKG, siehe dazu auch unten in diesem Abschnitt des Kapitels unter A.IÜ.3.b)bb)(3)(b).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 2 5
Funktion staatlicher Intervention besteht darin, Unzulänglichkeiten des Marktgeschehens als Form gesellschaftlicher Selbstorganisation zu kompensieren. 706 Der Staat beschränkt sich nur darauf, Voraussetzungen zu schaffen, die eine Selbstregulierung ermöglichen, und gegebenenfalls im Sinne einer Auffang- und Gewährleistungsverantwortung in den Selbstregulierungsprozess einzugreifen. 707 Die Wahrnehmung des Regulierungsanliegens durch die RegTP ist daher angesichts der verfassungsrechtlichen Ausgangslage der grundrechtlichen Dimension der klassischen Eingriffsverwaltung zuzurechnen. 708 Die Wahrnehmung grundrechtsbeschränkender Maßnahmen mit Eingriffrelevanz aktualisiert auch die Notwendigkeit, Grundrechtsschutz im Verfahren zu gewährleisten. 709 Private Wettbewerber, die eine Frequenzzuteilung beantragen, können sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, der ihnen einen grundsätzlichen Anspruch auf Beteiligung am Verfahren der Frequenzzuteilung vermittelt. Die Bedingungen der Frequenzierung - systematisch als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet - wirken grundrechtsbeschränkend und sind nach grundrechtlichen Eingriffskriterien zu bewerten. Insofern ist die Konstellation vergleichbar mit der grundrechtsdogmatischen Ausgangslage bei der Vergabe beschränkter Konzessionen im Gewerberecht (ζ. B. die Personenbeförderung 710). Auch dort geht es um grundrechtlich zugeordnete, einer Regulierung unterworfene und konzessionspflichtige Tätigkeiten, für welche die kapazitätsbedingten Zulassungsschranken aus Gründen des allgemeinen Wohls gerechtfertigt sind. 711 Ablehnende Vergabeentscheidungen der Frequenzverteilungslenkung stellen regelmäßig Eingriffe in die Berufsfreiheit und nicht lediglich Versagungen von Teilhabeleistungen dar. 712 Mit der Ablehnungsentscheidung aktualisiert sich die beschränkende Regulierung der gewerblichen Betätigung. Ist die Berufsregelung nicht geeignet, erforderlich oder zumutbar, so verwirklicht sich die individuelle Störung des von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheitsstatus. Kann der Staat den unbeschränkten Zugang, mit dem das Abwehrrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG korrespondiert, aufgrund natürlicher Sachgesetzlichkeiten - also konkret der Frequenzknappheit - nicht leisten, muss er den noch verwirklichbaren Grundrechtsgehalt sicherstellen; dies geschieht durch das Verteilungsverfahren. Die vom Staat übernommene Verantwortung, die sich als Ganzes in der Bewirtschaftungsordnung und konkret im Zuteilungsverfahren der Versteigerung rea706 Vgl. s. Lütz, in: Gesellschaftliche Selbstregulierung und politische Steuerung, S. 169 (189); K -Η. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (154). 707 K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (154). 708 C. Degenhart, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 259 (279); ders., K&R 2001, 32 (36). 709 Siehe allgemein zum Grundrechtsschutz durch Verfahren BVerfGE 53, 30; E. Denninger, HdbStR V, § 113 Rn. 5 ff., 19 ff. 710 Siehe dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, B.5. 711 Vgl. BVerwG 23, 314, 318 f.; 64, 238, 245; 79, 208, 215. 712 C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 210; W. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (20). 18*
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
lisiert, bindet ihn aber insoweit, als er diesbezüglich den Freiheitsgehalt der Berufsfreiheit weitestgehend zur Geltung bringen muss. Die Rechtsstellung der Bewerber bzw. Antragsteller um Frequenzen beschränkt sich damit nicht auf ein bloßes Recht auf chancengleiche Teilhabe am Versteigerungsverfahren ohne weitere materiell-rechtliche Bindungen. Im Falle einer Frequenzknappheitssituation verdichtet sich vielmehr der grundrechtliche Abwehranspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG, der sich ursprünglich gegen Beschränkungen des Zugangs zum Frequenzspektrum richtete, auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Vergabeverfahren nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung materiell-rechtlicher Bindungen, die sich in Verhältnismäßigkeitserwägungen niederschlagen.713 Dieser Anspruch kompensiert die beschränkende Regulierung der Berufsfreiheit. Da die Bewerber grundsätzlich in gleicher Weise anspruchsberechtigt sind, kommt neben dem Maßstab der Berufsfreiheit wie in allen Verteilungskonstellationen der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zur Anwendung. 714 Nach der „neuen Formel" des BVerfG liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dann vor, wenn „eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können". 715 Praktisch verdichtet sich die Gleichheitsprüfung mit dieser Formel in Richtung Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne; der rechtfertigende Grund muss in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung stehen.716 Darüber hinaus ist dem Gleichheitssatz ein Gebot gleichheitssichernder Verfahrensgestaltung zu entnehmen. 717 Der Grundsatz der Chancengleichheit folgt neben seiner Garantie in Art. 3 Abs. 1 GG aber auch als „Minus" aus der Berufsfreiheit, da diese sich aufgrund der natürlichen Knappheit nicht mehr uneingeschränkt entfalten kann. 718 Der grundrechtliche Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG wird also durch das Recht auf 713
C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteüungslenkung, S. 207 f. 714 Ebenso P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (531); B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (883 f.); C. Degenhart, K&R 2001, 32 (36); L. Grämlich, CR 2000, 101 (102); Κ Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (373); A. Voßkuhle, in: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (292). Der Gleichheitssatz wirft aber keine, über die Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG hinausgehenden Fragestellungen auf. Man könnte ihn auch getrennt von Art. 12 Abs. 1 GG untersuchen, es sind dann aber - unabhängig davon, ob man diesen als bloßes Willkürverbot auffasst oder darüber hinausgehend an Verhältnismäßigkeitserwägungen anknüpft - dieselben Erwägungen wie im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG vorzunehmen. Für eine getrennte Prüfung M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (264). Ebenso stellt BVerwGE 23, 314, 319 auf Art. 3 GG ab. 715 BVerfGE 55, 72, 88. Danach ständige Rechtsprechung des Ersten Senats, vgl. ζ. B. BVerfGE 82,126, 146; 88, 5, 12. 716 Vgl. zu den Konsequenzen Κ Hesse, in: Festschrift für P. Lerche, S. 121 ff. 717 So G. Hermes, JZ 1997, 909 (913 ff.). 718 Die Chancengleichheit wird auch durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet, weil in diesem Freiheitsrecht auch das Recht zur gleichen, selbstverantwortlichen Chancenverwirklichung eingeschlossen ist, so R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 153 m. w. N.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
sachgerechte und chancengleiche Beteiligung am Vergabeverfahren abgesichert. Das Erfordernis sachgerechter und zumutbarer Auswahlkriterien in einem chancengleichen Vergabeverfahren, welches das BVerfG auch im numerus-clausus-Urteil für die teilhaberechtliche Konstellation des Hochschulzugangs aufgestellt hat, gilt damit in gleicher Weise. Es folgt nur grundrechtsdogmatisch nicht aus einem Teilhabeanspruch, sondern aus der - klassischen - Abwehrfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG in Kombination mit Art. 3 Abs. 1 GG. 7 1 9 Für die verfassungsrechtliche Prüfung gilt damit als Maßstab der durch die Regelung des Versteigerungsverfahrens bewirkten Berufsausübungsbeeinträchtigungen, dass das Versteigerungsverfahren den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG an ein chancengleiches und sachgerechtes Auswahlverfahren genügen muss.
c) Umfang der Verteilungsaufgabe: Kapazitätsausschöpfung Die optimale Ausschöpfung der Frequenznutzung liegt vor, wenn das gesamte zur Verfügung stehende Frequenzspektrum auch vollständig genutzt wird. 7 2 0 Jede ungenutzte Frequenz wird verschwendet. Eingeschränkt wird die Nutzungsmöglichkeit aber durch die Interferenzproblematik: Bei einer unkoordinierten Nutzung entstehen Störungen und damit ein „Chaos im Äther". Die staatliche Verteilungsaufgabe umfasst damit die Zuteilung der gesamten nutzbaren Frequenzkapazitäten auf die unterschiedlichen Nutzungen und Betreiber von Funkanlagen. Die Aufgabe ist allerdings beschränkt auf eine „horizontale" Frequenzverteilung. 721 denn die Höchstmenge an nutzbaren Frequenzen ist vorgegeben; sie wird durch die natürliche Begrenztheit der Frequenzen und der staatlichen Frequenzbedarfe bestimmt. 722 Aus der vorhandenen Höchstmenge leitet sich die Verpflichtung des Staates ab, die 719
Verletzt der Staat diesen Anspruch auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Vergabeverfahren, ergeben sich aufgrund der Freiheitsstörung subjektiv-öffentliche Abwehrrechte gegen die ablehnende Vergabeentscheidung. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Verteilungslenkung sind damit zugleich Schutznormen zur Verteidigung von Freiheitsausübung der Bewerber im Hinblick auf eine ausgleichende und abwägende Berücksichtigung im Vergabeverfahren. Erst aufgrund der knappheitsbedingten Reduktion des Anspruchs entfalten die Zuteilungsregeln ohne weitere Qualifikation einen Schutznormcharakter. Der dogmatischen Konstruktion einer Verletzung derivativer Teilhaberechte bedarf es damit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr, vgl. C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 230. 720 M Nolte, CR 1996,459 (461) „objektive Grenze jedweder Grundrechtsausübung". 721
Im Gegensatz dazu betrifft die „vertikale" Verteilung auch die Bestimmung von Kapazitätsvorgaben oder Höchstnutzungsmengen. Diese Probleme stehen bei der Nutzung von Umweltressourcen neben dem Problem der horizontalen Verteilung und bereiten aufgrund der Unsicherheiten erhebliche Schwierigkeiten. Diesbezüglich unterscheidet sich die Nutzung von Umweltressourcen von der Frequenznutzung, vgl. dazu Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 152. 722
Siehe dazu ausführlich oben im 1. Teil, 1. Kapitel, C.II.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
bestehenden bzw. verbleibenden Kapazitäten voll auszuschöpfen. 723 Besteht ein Nachfrageüberhang nach Frequenzen, wird der grundrechtliche Anspruch auf Frequenznutzung vom Anspruch auf Beteiligung an einem sachgerechten und chancengleichen Vergabeverfahren abgelöst. Die Verpflichtung des Staates zur Kapazitätsausschöpfung bleibt davon unberührt und gilt unabhängig von dieser Entwicklung. Frequenzen müssen bei Bedarf zugeteilt werden, wenn sie verfügbar sind. 724 Dies folgt aus der abwehrrechtlichen Funktion der Berufsfreiheit; in Knappheitssituationen besteht ein Anspruch auf Verteilung der noch vorhandenen Kapazitäten nach chancengleichen und sachgerechten Auswahlmaßstäben. Ein Brachliegenlassen von Frequenzen dürfte im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Unternehmen nicht zu legitimieren sein. Hinzu käme auch die Europarechtswidrigkeit dieses Verhaltens. 725 Die Genehmigungsrichtlinie erlaubt eine Beschränkung nur, wenn dies im Hinblick auf die Sicherstellung einer effizienten Nutzung von Frequenzen notwendig ist, das heißt, nur die Frequenzknappheit und die technische - aus der Interferenzproblematik resultierende - Unmöglichkeit erlauben die Verweigerung der Zuteilung.
3. Das Versteigerungsverfahren als sachgerechtes und chancengleiches Auswahlverfahren Die grundgesetzlichen Vorgaben aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG erfordern für die Verteilung von Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren, dass das Verfahren Chancengleichheit für die Bewerber garantiert und die Auswahl anhand sachgerechter Kriterien erfolgt.
a) Chancengleichheit des Versteigerungsverfahrens Da das Versteigerungsverfahren als verteilungslenkende Regelung grundrechtswesentlich ist, fordert die Rechtsprechung vom Gesetzgeber die Normierung gewisser Mindestanforderungen an das Verfahren. 726 Das Gebot der Chancengleichheit der Bewerber wird dabei durch die dem Verteilungsverfahren zugrunde liegenden Zwecke modifiziert. So hat das BVerfG im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Kontingentierung von Güterfernverkehrsgenehmigungen 727 und 723
So Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 152. ™ W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (308). Siehe auch oben im 2. Teil, 1. Kapitel,
B.I.
72
5 Siehe dazu schon oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb)(2)(a).
72
* BVerwGE 64, 238, 245. So waren bis 1998 im Güterkraftgewerbe Fem Verkehrsgenehmigungen durch Höchstzahlen kontingentiert, vgl. Ρ Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (532 f.); W. Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 431 ff. 727
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Taxikonzessionen728 anerkannt, dass diese aus Erwägungen der Chancengleichheit nicht „zum regellosen Handelsobjekt mit erheblichen Preisen" gemacht werden dürfen. 729 Die Chancengleichheit ist damit nur ein Element der gesetzlich festzulegenden Verteilungskriterien, mit dem außerordentliche Ungerechtigkeiten verhindert werden sollen. 730 Die Zuteilungsentscheidung, der ein Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG vorangestellt worden ist, genügt den Anforderungen an die Chancengleichheit. Insgesamt kann hinsichtlich der Chancengleichheit festgestellt werden, dass die Gesamtregelung der Frequenzzuteilung in einem Versteigerungsverfahren umfassend prozedural abgesichtert ist. 7 3 1 Jeder Bewerber hat eine Chance; diese Chance ist - vorbehaltlich besonders gerechtfertigter Präferenzpositionen - für alle Bewerber gleich. Der Chancengleichheit dient insbesondere auch die Möglichkeit, gemäß § 61 Abs. 3 TKG Antragsteller vom Vergabeverfahren ausschließen zu können, wenn durch ihre Teilnahme ein chancengleicher Wettbewerb auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt, für den die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenznutzungsplans verwendet werden dürfen, gefährdet wäre. 732 Daneben sieht § 61 Abs. 5 S. 1 TKG vor, dass die von der RegTP vor der Durchführung des Versteigerungsverfahrens festzulegenden Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens diskriminierungsfrei sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen müssen.733 Freilich müssen die Versteigerungsvorschriften auch eingehalten werden. Die Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen ist zum einen auf die Herbeiführung von Chancengleichheit gerichtet, indem auch finanzschwächeren, aber dennoch im Hinblick auf die jeweilige Frequenzversteigerung - ζ. B. aufgrund besonderem Innovationspotentials oder einer Spezialisierung - effizienten Unternehmen die Möglichkeit des Frequenzerwerbs eingeräumt wird. Gleichzeitig dient die Regelung dem Härteausgleich. Sie greift den Fall auf, in dem die konkrete Betroffenheit einer grund728 Ebenso beschränkt das PBefG die Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen (§§2 Abs. 1 Nr. 4, 13 Abs. 4 S. 4 und S. 5, 47 PBefG) mit dem Ziel der Funktionsfähigkeitssicherung für den örtlichen Taxenverkehr, vgl. P. Badura, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, S. 529 (534); C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 126 ff. 729 BVerfGE 40, 196, 232; BVerwGE 64, 238, 245. Siehe dazu ausführlich den 3. Teil, der den Frequenzhandel nach § 62 TKG behandelt. 7
30 M Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (263); P. Badura, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, S. 529 (531). Weitergehend wohl C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungsordnung, S. 128. Siehe auch W. Frotscher/E. Brecht, NVwZ 1986, 81 (84 f.). ™ Siehe dazu oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.ü.3.d). 732
Die Rechtfertigung für den Ausschluss vom Verteilungsverfahren ergibt sich insbesondere aus der Regulierungsintention des Monopolabbaus. Mit dem Verweis auf die Chancengleichheit sowie die berechtigten Interessen der betroffenen Unternehmen hat der Gesetzgeber das Wesentliche geregelt, um die Ausschlussentscheidung der RegTP, verfahrensmäßig abgesichert als Beschlusskammerentscheidung (§ 132 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 TKG), normativ zu determinieren, vgl. dazu M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (265). 733
Dasselbe gilt im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens nach § 61 Abs. 6 S. 4 TKG.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
sätzlich als Berufsausübungsvoraussetzung ausgestalteten Regelung einer Berufswahlregelung nahe kommen kann. 734 Die Regelung des Versteigerungsverfahrens berücksichtigt hier die vorzufindenen, typischerweise innerhalb der Berufsgruppe der Mobilfunkanbieter bestehenden Ungleichheiten. Die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen als Teilgruppe der Mobilfunkanbieter kann durch die Versteigerungsentgelte gegenüber den Konkurrenten typischerweise stärker belastet sein mit der Folge, dass der Wettbewerb eine belegbare Benachteiligung erleidet. 7 3 5 Ihre besondere Berücksichtigung in Form einer Privilegierung kann durch besondere Ausgestaltung der Versteigerungsregeln als Härteausgleich sowohl auf der Verteilungsebene als auch hinsichtlich der Entgeltverpflichtung wirken. Die marktmäßige Verteilungslenkung in einem Versteigerungsverfahren erfordert staatliche Schutzvorkehrungen zugunsten von Neubewerbern und kapitalschwächeren Marktteilnehmern sowie gegen wettbewerbsbehindernde Verhaltensweisen. Die grundrechtsfördernde Ausgestaltung einer marktförmigen Verteilungslenkung ist diesbezüglich - anstatt auf das Kraftfeld staatlicher Chancenverteilung - auf die Gewährleistung gleicher Wettbewerbschancen gerichtet. 736
b) Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums Maßstab für die Auswahlentscheidung zwischen um Frequenzen konkurrierenden Bewerbern in einem Versteigerungsverfahren ist gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG die effiziente Frequenznutzung. Ob dieses Kriterium den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird im Folgenden untersucht. aa) Verfassungsrechtliche
Kritik
an der Sachgerechtigkeit
Der Schwerpunkt der Kritik hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit eines Frequenzversteigerungsverfahrens ist auf die fehlende Sachgerechtigkeit des Differenzierungskriteriums im Versteigerungsverfahren gerichtet. 737 Diese Zweifel mögen durch die Feststellung in den Gesetzesmaterialien genährt worden sein, das „ökonomische Auswahlkriterium" sei „rechtsstaatlich unbedenklich". 738 734
Zur Forderung von Härteklauseln im Rahmen des Art. 3 GG siehe L. Osterloh, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 111. 7 35 Vgl. allgemein BVerfGE 30, 292, 327 ff. 736
Vgl. dazu C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 429. J. Scherer, NJW 1996, 2953 (2958 Fn. 32); B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (881 ff.); E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (181); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (146); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (245); K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3097); F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (7 ff.); H.-J. Piepenbrock/U. Müller, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 8 (52); M. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rn. 17 f.; A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 47 Rn. 39; M. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 141. Offen lassend N. Nolte, CR 1996,459 (463). Kritisch zu Versteigerungsverfahren in anderen Gebieten („slots", Jagdrechte in Eigenjagdbezirken) C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 163 ff., 408 ff. 737
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
1
Die lebhafteste Kritik äußert Grzeszick. Er begreift das Versteigerungsverfahren im Gegensatz zum Ausschreibungsverfahren nach § 11 Abs. 6 TKG-alt, welches sich strikt an den Kriterien von Fähigkeit und Eignung orientierte, als ein Verfahren, dass nur ein Mindestmaß an Fähigkeit und Eignung voraussetzt. Ist dieses Mindestmaß erfüllt, sei das höchste Gebot das entscheidende Verteilungskriterium. 7 3 9 Als Rechtfertigung für das höchste Gebot als Auswahlkriterium komme höchstens oberhalb einer am Gemeinwohl orientierten Mindestschwelle von Qualifikation der Auftrag zur Privatisierung und zur Errichtung eines funktionsfähigen Wettbewerbs in Betracht. 740 Der Vorrang des höchsten Gebots sei dann als erster Akt der Konkurrenz zwischen den Privaten legitimiert. Allein die Mindestvoraussetzungen würden einen angemessenen Schutz des Gemeinwohls bei der Monopolauflösung gewähren. Diese Legitimationskette scheide aber im Ergebnis aufgrund der zu weit reichenden Lockerung der Grundrechtsbindung durch einen verfassungsrechtlichen Privatisierungsauftrag aus. Ebenso sei das Argument, dass die Vergabe im Wege eines Versteigerungsverfahrens nötig sei, um private Unternehmen überhaupt für die Übernahme bestimmter vom Staat abzugebender Tätigkeiten zu interessieren und damit eine Privatisierung zu ermöglichen, wie auch der durch das Höchstgebotskriterium erzielbare finanzielle Vorteil des Staates nicht zur Rechtfertigung der Kriterien wähl ausreichend. 741 Die Maßstäbe, die hinsichtlich der Forderung des Art. 12 Abs. 1 GG nach einer Vergabe anhand sachgerechter Kriterien erforderlich seien, seien für die Frequenzvergabe aus Art. 87 f GG ableitbar und in § 2 Abs. 2 TKG konkretisiert: „Quantität, Qualität, Verbreitung und Effizienz der Versorgung sowie funktionsfähiger Wettbewerb". Eine Aus Wahlentscheidung müsse diesen Zielen gerecht werden und erfordere aufgrund der Heterogenität der Ziele verschiedene Kriterien. Diese Notwendigkeit werde vom Höchstgebotskriterium nicht erfüllt, da es unmittelbar über Quantität und Qualität der Telekommunikation nichts aussage bzw. der Verwirklichung dieser Ziele eher entgegenstünde.742 Mit dem Merkmal der Effizienz läge zwar eine mittelbare Rückkoppelung an das höchste Gebot vor, da der effiziente Anbieter eher in der Lage sei, seinen Gewinn zu maximieren und damit auch eher bereit sei, das höchste Gebot abzugeben. Auch könne ein entsprechend geordnetes und durchgeführtes Versteigerungsverfahren die Bildung von Bieterkartellen verhindern und damit zu marktgerechten Preisen auf dem Telekommunikationsmarkt führen. Es gebe aber hier geeignetere Kriterien als das höchste Gebot, um eine 738 Vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum TKG-alt, BT-Drs. 13/3609, S. 39. Weiter heißt es dort: „Das Versteigerungsverfahren ist ein neutrales und sehr transparentes Verfahren, das sicherstellt, dass der Lizenznehmer leistungsfähig ist und eine Lizenz verwertet". 739 β. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (881). 740 B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (882). 741 B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (883). 742 B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (884). Ähnlich F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1
(8).
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
sachgerechte Auswahlentscheidung zu treffen. 743 Die nur mittelbare Wiedergabe der Effizienz bei dem Höchstgebotskriterium bleibe hinter einer unmittelbaren Bewertung der Bewerber zurück. Das Versteigerungsverfahren sei damit verfassungswidrig. Auch andere Autoren zweifeln die Verfassungsmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens aufgrund der fehlenden Sachgerechtigkeit des Auswahlmaßstabs an. So bezweifelt Scherer die Sachgerechtigkeit des Auswahlkriteriums im telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahren vor dem Hintergrund der numerus-clausus-Rechtsprechung des BVerfG, welche die Notwendigkeit eines leistungsgesteuerten Auswahlverfahrens für die Verteilung knapper staatlicher Güter betone. 744 Unterstützt wird diese Kritik durch allgemeine Zweifel an marktmäßigen Verteilungsmechanismen für die Vergabe knapper Güter durch den Staat. Nicht der Markt, sondern der Staat habe - so Berg - die Interessen der Allgemeinheit in ihrer ganzen Komplexität zu vertreten. 745 Das monetäre Gebot dürfe daher „nur als ein Faktor innerhalb der höchst komplexen Abwägung zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Individual- und Gemeinschaftsinteressen" Bedeutung erlangen. Rummer meint, dass nur ein staatlicher Hoheitsakt, nicht aber eine Versteigerung den Anforderungen der Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG für die Verteilung eines knappen Gutes genügen könne. 746 bb) Gegenkritik
und Sachgerechtigkeit
des Effizienzkriteriums
Die Sachgerechtigkeit eines Differenzierungskriteriums ist abhängig von der Art und Funktion des Gutes sowie bestehenden (verfassungs-)rechtlichen Vorgaben. (1) Der Zusammenhang zwischen höchstem Gebot und Effizienz Im Zuge der geäußerten Zweifel hinsichtlich der Sachgerechtigkeit des Auswahlkriteriums wird der im Versteigerungsverfahren ausschlaggebende Maßstab als „Kriterium des höchsten Gebots" 747 bezeichnet oder die „Höhe der Versteigerungserlöse" werden als maßgebliches Kriterium bezeichnet.748 Dass eine Auswahlentscheidung, die sich allein am Maßstab des höchsten Gebots orientiert, die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG schwerlich erfüllen könnte, gilt schon allgemein für alle Verteilungsentscheidungen. Für den Sachbereich der Frequenzvergabe würde die Ausrichtung der Verteilungsentscheidung allein am Ziel der möglichst hohen Einnahmenerzielung kein 743 744 745 746
B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (884). J. Scherer, NJW 1996, 2953 (2957 f.). w. Berg, Der Staat 15 (1976), 1 (27). H Rummer, NJW 1988, 225 (233).
747 B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (881 ff.). 748 K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3097).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
3
sachgerechtes Differenzierungskriterium im Rahmen der Ziele des TKG darstellen. 7 4 9 Die Kritik, die allein auf das höchste Gebot als Differenzierungskriterium in einem Versteigerungsverfahren abstellt, übersieht aber, dass mit dem Kriterium des höchsten Gebots Rückgriff auf das Effizienzkriterium genommen wird. Ziel des Versteigerungsverfahrens ist gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG festzustellen, welcher bzw. welche Antragsteller am besten geeignet sind, die Frequenz effizient zu nutzen. Zur Feststellung des effizienten Nutzers hat der Gesetzgeber das Versteigerungsverfahren gewählt, dessen ökonomische Logik davon ausgeht, dass sich die potenzielle Nutzungseffizienz des jeweiligen Bewerbers in seiner Zahlungsbereitschaft ausdrückt, das Versteigerungsverfahren also geeignet ist, den effizienten Nutzer zu ermitteln. 750 Die höchste Wertschätzung und damit die höchsten Gewinnerwartungen bezüglich der zur Versteigerung stehenden Frequenzen verkörpern sich in der Zahlungsbereitschaft und damit auch im höchsten Gebot. Der potenzielle Gewinn, der durch die Frequenznutzung erwirtschaftet wird, bedeutet nun aber gleichzeitig auch, dass die Frequenzen in ihre effiziente Nutzung überführt werden, womit der Zusammenhang zwischen Zahlungsbereitschaft und allokativer Frequenzeffizienz hergestellt wird. Der Erlös von Versteigerungen ist damit allein Mittel zur Feststellung des effizienten Nutzers, dessen es bedarf, um eine annähernd realistische Einschätzung des Frequenzwertes für die Unternehmen zu erhalten. Er ist mithin nicht das leitende Ziel des Auswahlmaßstabs. Die Kritik an der Sachgerechtigkeit des „höchsten Gebots", der „Zahlungsbereitschaft" oder gar „Zahlungsfähigkeit" trifft damit nicht den Kern der verfassungsrechtlichen Fragestellung. Zu problematisieren ist vielmehr, ob die effiziente Frequenznutzung, zu dessen Ermittlung das Versteigerungsverfahren generell geeignet ist, 7 5 1 als Auswahlmaßstab ein im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG sachgerechtes Differenzierungskriterium bildet. (2) Marktmäßige Frequenzverteilung als Vorstufe einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit Ein Argument für die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums folgt aus der Besonderheit des Kontextes, für den die Frequenzen verteilt werden. Die Frequenzzuteilung, mit der Produktionsfaktoren zugeteilt werden, ist lediglich Vorstufe einer gewerblich-kommerziellen, auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit. Die im Rahmen der Frequenznutzung durch die Unternehmen dann vorherrschenden ökonomischen Funktionsweisen des Marktes - Preisbildung durch Angebot und Nachfrage - im Hinblick auf das Effizienzziel schon für den Vergabeprozess auszunutzen, wird insbesondere von Ökonomen als konsequent und sachgerecht eingestuft. 752 Dieser Kontext unterscheidet den Sachbereich der Frequenzvergabe 749 So auch B. Varadinek, CR 2001,17 (24). 750 s.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. 751 S.o. im 2. Teil, 2. Kapitel.
2
2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
auch von anderen Verteilungsbereichen wie der Zuteilung von Studienplätzen, wo „Lebenschancen" verteilt werden und damit das Sozialstaatsgebot eine zu beachtende Stellung erlangt. Durch ein Versteigerungsverfahren herbeigeführte Allokationen, die sich am Effizienzkriterium und damit an einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsmaximierung orientieren und zudem eine effiziente Ausnutzung des Frequenzspektrums sicherstellen, greifen die Sachgesetzlichkeit der Frequenzknappheit und die dadurch bedingte begrenzte Nutzbarkeit der Ressource auf und lösen diese in einer - von Ökonomen anerkannten und geforderten - Weise. Gleichzeitig werden über den Effizienzmaßstab auch Elemente wie die Qualität der angebotenen Dienstleistung, die Innovationsfähigkeit, die Kosteneffizienz des veranstaltenden Unternehmens ebenso wie die Intensität der Frequenznutzung berücksichtigt. 753 Die mit der Effizienz als Maßstab verbundene möglichst umfassende Ausnutzung des zugewiesenen Frequenzbereichs liegt nicht nur im Interesse des jeweiligen Netzbetreibers, sondern sie deckt sich auch mit den Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst sparsamen Umgang mit der knappen natürlichen Ressource, 754 um ein möglichst breit gefächeltes Angebot an Dienstleistungen nutzen zu können. Dem dieser Entscheidung innewohnenden Bekenntnis des Gesetzgebers zu einer effizienzorientierten Ausrichtung der Frequenzverteilung und -nutzung steht auch nicht die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes755 entgegen. Denn der Gesetzgeber darf jede ihm sachgerecht erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte, beachtet. 756 Er darf in das „freie Spiel der Kräfte" und die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit eingreifen - solange der Eingriff gerechtfertigt werden kann - 7 5 7 , um die Wirtschaftsordnung zu gestalten.758 Dies hat er mit der Übernahme des Effizienzkonzeptes für die Verteilung von Frequenzen getan. Das Vertrauen bei der Frequenzvergäbe in die Wirkungskräfte des Marktes in einem Sachbereich, der wie die Frequenznutzung eben von diesen Wirkungskräften durch die privaten Unternehmen bestimmt wird, erscheint unter diesem Aspekt sachgerecht.
752 Vgl. dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B. Vgl. auch W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 30. 753 S.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, A. 754 Diesem Aspekt wurde schon vor Erlass des TKG-alt bei der Frequenzzuteilung Bedeutung zugeschrieben, vgl. W. Löwer, in: Jahrbuch der Deutschen Bundespost 40 (1989), 41 (118 f.). 755 St. Rspr. seit BVerfG 4, 7,17 f.; R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12 Rn. 77; R. Breuer, HdbStR VI, § 147 Rn. 19; H.-J. Papier, in: Handbuch des Verfassungsrechts, § 18 Rn. 1 ff. 756 BVerfGE 50, 290, 338. 757 Den Rahmen der Rechtfertigung gibt die Drei-Stufen-Theorie und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Siehe die Bewertung der Rechtsprechung in diesem Bereich von F. Hufen, NJW 1994, 2913 (2917). 758 Vgl. BVerfGE 53, 135, 144 f.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
(3) Die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums im Hinblick auf die Vorgaben des Art. 87 f GG Hinsichtlich der Sachgerechtigkeit des Auswahlkriteriums ist das Augenmerk auch auf die in Art. 87 f GG besondere verfassungsrechtliche vorgegebene Ordnung für den Telekommunikationssektor zu richten. Ausdrückliche bzw. direkte Vorgaben für die Frequenzverteilung enthält die Staatszielbestimmung des Art. 87 f GG nicht. Zu untersuchen ist aber, inwieweit das Versteigerungsverfahren den Inhalten des objektiven Verfassungsauftrags des Art. 87 f GG genügt bzw. genügen muss. (a) Die Grundentscheidung für privaten Wettbewerb, Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG legt fest, dass Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und andere private Anbieter erbracht werden. 759 Die Vorschrift stellt damit das verfassungsrechtliche Gebot eines offenen, fairen und funktionierenden Wettbewerbs in der Telekommunikation dar, dessen Kehrseite ein staatliches Betätigungsgebot ist. 7 6 0 Der „Privatisierungsbefehl" 761 dieser Norm erschöpft sich nicht nur in einer formellen Privatisierung. 762 Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG schreibt vor, dass die Dienstleistungen von den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und „anderen privaten" 763 Anbietern als „privatwirtschaftliche" 764 Tätigkeiten 765 erbracht werden. Die mate759 R Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 20; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 22; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 54 ff. 760 So die ganz herrschende Meinung, vgl. P. Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 22; R Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 54 f.; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 22; K. Stern, DVB1. 1997, 309 (309 f.); M. Rottmann, Archiv PT 1994, 193 ff.; L Grämlich, Archiv PT 1995, 189 (193). 761 R Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 54. 762 Siehe zur Privatisierung P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 23 ff.; P. Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 6, 22,24; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 32; M. Rottmann, ArchivPT 1994,193 ff.; R. Scholz/J. Aulehner, ArchivPT 1993,221 ff.; K. Stern, DVB1. 1997, 309 ff. Zu den einzelnen Privatisierungstypen L Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (210); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (251 f. Fn. 41); F. Schoch, DVB1. 1994, 962 ff. 763 Art. 87 f Abs. 1 S. 3 RegE, BT-Drs. 12/7269, S. 3, sprach insoweit noch von „durch Wettbewerber". Um Missverständnisse im Hinblick auf fortbestehende Monopole zu vermeiden wurde die Formulierung durch die offene Formulierung „durch andere private Anbieter" aufgegeben, vgl. die Beschlussempfehlung des BTRechtsA, BT-Drs. 12/8108, S. 5. 764 Hierzu auch P. Badura, in: BK-GG, Art. 87 f Rn. 22; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 24 f. 765 Unter privatwirtschaftlicher Tätigkeit versteht man jede Wirtschaftstätigkeit durch kaufmännisches, wettbewerbsorientiertes Handeln in privatwirtschaftlicher Unternehmensform mit privatrechtlichen Mitteln, vgl. K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 27.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
rielle Privatisierungsentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG impliziert, dass sich die Versorgung der Bevölkerung mit Kommunikationsdienstleistungen grundsätzlich nach den Mechanismen des freien Wettbewerbs richtet.766 In der Privatisierungsentscheidung schlägt sich damit die Erkenntnis nieder, dass sich der Wettbewerb besser als die staatliche Daseinsvorsorge eignet, die Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen und innovative, qualitativ hochwertige und preiswerte Produkte anzubieten und damit dem gemeinen Wohl zu dienen. 767 Die ehemals bestimmenden Steuerungsmechanismen des Verwaltungsrechts werden durch die Grundmechanismen des Marktes in Form von Angebot und Nachfrage unter Beachtung der wirtschaftlichen Ziele der Kostenminimierung und Gewinnmaximierung ersetzt. 768 Die Aufgabe des Staates reduziert sich dabei darauf, die privaten Akteure zur Sicherung des Gemeinwohls mit dem Wettbewerbsziel zuträglichen Steuerungsimpulsen zu konfrontieren. Darüber hinaus ist es für den Fall, dass die privatwirtschaftliche Selbstregulierung zu versagen droht bzw. sich nicht in der staatlicherseits gewünschten Weise entfaltet, notwendig, ein Auffang- und Sicherheitsnetz bereitzuhalten. 769 Ein solches findet sich mit dem Infrastrukturgewährleistungsauftrag in Art. 87 f Abs. 1 GG. Das Effizienzkriterium (in einem Versteigerungsverfahren) fügt sich in die Konzeption des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG mit seiner Grundentscheidung für privaten Wettbewerb in der Telekommunikation in besonderem Maße ein. Denn Inhalt dieser Entscheidung ist, dass die Effizienz und Leistungsfähigkeit der durch die Unternehmen angebotenen Dienstleistungen darüber entscheiden soll, ob diese im Wettbewerb des Telekommunikationssektors gegenüber ihren Konkurrenten bestehen können. Die Vergabe von Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren ist die einfachgesetzliche Verankerung der Grundentscheidung für den Wettbewerb in der Telekommunikation. Zugelassen zum Verfahren werden schließlich grundsätzl i c h 7 7 0 alle interessierten potenziellen Wettbewerber. Die Effizienz eines Teilnehmers, die ebenso wie im privaten Wettbewerbsgeschehen anhand der Zahlungsbereitschaft gemessen wird, entscheidet über die Allokation der Frequenzen. Das 766 Vgl. nur P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 55; P. Badura, in: BKGG, Art. 87 f Rn. 22; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 24 f.; K. Stern, DVB1. 1997, 309 (310); Af. Rottmann, Archiv PT 1994, 193 (194); E. Schmidt-Aßmann/Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (581 ff.). Allerdings entfaltet sich diese Freiheit nur in den Grenzen der allgemeinen Rechtsordnung, z. B. des allgemeinen Wettbewerbsrechts. Beschränkungen, die über diese Grenzen hinausgehen, bedürfen dann jeweils einer gesonderten verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, vgl. P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 55. 767 Vgl. P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 34; M. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (81). 768 κ. Stern, DVB1. 1997, 309 (312). 769 Zur Auffangverantwortung des Staates siehe insbesondere W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442). Siehe auch J. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (25 ff.). 770 Nach Prüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Effizienzkriterium umfasst dabei sowohl die Nutzung der Frequenzen als auch Quantität und Qualität der angebotenen Dienstleistungen.771 Die Frequenzen werden in ihre effiziente Verwendung überführt. Da die Vergabesituation durch Informations- und Steuerungsdefizite auf Seiten des Staates gekennzeichnet ist, wird die Verteilung an den effizienten Nutzer durch den Allokationsmechanismus Versteigerung besser als in einem Ausschreibungsverfahren oder einer - zwar nicht vorgesehenen, aber doch theoretisch denkbaren - einseitigen Preisfestsetzung durch die RegTP erreicht. 772 Damit kann auch nicht der Kritik Grzeszicks gefolgt werden, der das Effizienzkriterium für nicht sachgerecht hält, weil es Quantität, Qualität und funktionsfähigen Wettbewerb nicht sicherstelle. 773 Die Eigenschaften Qualität, Quantität und funktionsfähiger Wettbewerb, die auch als Ausformungen der Grundentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG für privaten Wettbewerb anzusehen sind, werden durch eine Auswahlentscheidung anhand des Effizienzmaßstabs mindestens mitverwirklicht. 774 Denn die Überführung der Frequenzen in ihre effiziente Verwendung bedeutet eben auch, dass sie den Konsumenten in effizienter Weise - also in Form qualitativ hochwertiger Dienstleistungen in Mengen, wie sie die Verbraucher nachfragen - angeboten werden. Die Effizienz der Frequenznutzung ist damit zugleich auch ein leistungsorientierter Auswahlmaßstab, so dass auch die Forderung Scherers, dass sich die Frequenzverteilung an der Leistungsfähigkeit zu orientieren habe, fehlgeht. (b) Der Gewährleistungsauftrag, Art. 87 f Abs. 1 GG Die Regelung des VersteigerungsVerfahrens in § 61 Abs. 5 TKG trägt der Grundentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG für marktwirtschaftlichen Wettbewerb in besonderer Weise Rechnung. Im Weiteren stellt sich nun die Frage, wie sich die Vorgaben des Infrastrukturgewährleistungsauftrages zu der Regelung des Versteigerungsverfahrens verhalten. Als Maßgabe kommt Art. 87 f Abs. 1 GG grundsätzlich in Betracht, da in einem Versteigerungsverfahren auch Frequenzen vergeben werden können, deren Dienste eine Universaldienstverpflichtung nach den §§ 78 ff. TKG auslösen können. Werden Frequenzen versteigert, die keine Grundversorgungspflicht auslösen, scheidet Art. 87 f Abs. 1 GG als Vorgabe für die Regelung des Versteigerungsverfahrens aus. Dabei handelt es sich wohl um den Regelfall. Trotzdem ist dennoch theoretisch denkbar, dass Frequenzen versteigert werden, die die Grundversorgung betreffen. Vorstellbar ist auch, dass nur ein Teil der Nutzung bestimmter Frequenzen in den Bereich der Grundversorgung fällt. Für diese Konstellationen ist zu untersuchen, inwieweit die Regelung des Ver771 Dies bezweifelt B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (883). Siehe aber dazu ausführlich schon oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. 772 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, Β und 3. Kapitel, D.I.l.a)bb). 773 B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (884). 774 s.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, B, C.
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2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
steigerungsverfahrens dem infrastrukturpolitischen Ziel in Form der Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen von sich aus genügt bzw. inwiefern die Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren einen Grundversorgungsbezug aufweist. Der Infrastrukturgewährleistungsauftrag stellt eine Staatszielbestimmung dar 7 7 5 und verpflichtet den Bund nach Maßgabe eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes, die Grundversorgung mit Telekommunikation in Form flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen zu gewährleisten. 776 Er erklärt sich aus der Folgenverantwortung des Staates bei der Privatisierung der ehemals hoheitlicher Aufgaben im Telekommunikationssektor, 777 also dem Übergang vom bis dahin herrschenden „Verwaltungsmodell" zum „Marktmodell" 778 und soll die Aufgabenprivatisierung in ihren unerwünschten Auswirkungen eingrenzen. 779 Die Funktion des Staates ist beschränkt auf die Kompensation eventueller Unzulänglichkeiten der Selbstorganisation des Marktes. Diese nimmt er wahr, indem er die gemeinwohlorientierte Leistungserbringung durch Private durch sein Regelwerk und besondere Instrumente der Implementation gewährleistet, 780 wobei sich der Gewährleistungsauftrag und damit die Auffangverantwortung jeweils stufenweise dann, aber auch nur dann aktualisieren, wenn die in Art. 87 f Abs. 1 GG genannte Grundversorgung nicht erreicht werden kann, 781 weil der Wettbewerb (noch) nicht 775 Der Begriff des Staatszieles begründet zwar keine Einklagbarkeit, ist allerdings in einer über ein rein programmatisches Staatsziel hinausgehenden Weise zu verstehen, d. h. in einer solchen, die auch derartige unmittelbar verbindliche Verfassungsaufträge einschließt. So sind nach der Sachverständigenkommission (BT-Drs. 12/6000, S. 77) Staatszielbestimmungen „Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben - sachlich umschriebener Ziele - vorschreiben". Weiter heißt es, dass es eine Staatszielbestimmung der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlässt, „in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt und dabei etwa auch Ansprüche Einzelner auf öffentliche Leistungen oder gegen Dritte entstehen lässt." Sie seien von „Gesetzgebungsaufträgen, die sich nur an den Gesetzgeber richten, von Programmsätzen mit bloßen Anregungen an den Gesetzgeber, in bestimmten Gebieten tätig zu werden und von sozialen Grundrechten, die klagbare, individuelle Rechtspositionen verschaffen, zu unterscheiden". Vgl. für den vorliegenden Zusammenhang K. Stern, DVB1. 1997, 309 (313 ff.); P. Lerche, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 251 (259 f.). Siehe auch Τ Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 59. 776 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 336 ff.; W. Hoffinann-Riem, DÖV 1997,433 (441): „enabling" statt „providing"; F. Schoch, DVB1. 1994, 962 (963): „Garantenstellung"; K. Stern, DVB1. 1997, 309 (312 ff.). 77 7 K. Stern, DVB1. 1997, 309 (311). 77 8 F. Schoch, in: Jenseits von Privatisierung und „schlankem Staat", S. 221 (225).
™ K. Stern, DVB1. 1997, 309 (312). ™> W Hoffmann-Riem, DVB1. 1999, 125 (126, 132 ff.); W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 8. Vgl. auch G. F. Schuppert, Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 201 (218 ff.). 781
Die sozialpolitische Infrastrukturverantwortung soll durch die einfachgesetzlich normierte Universaldienstverpflichtung umgesetzt werden, vgl. §§ 78 ff. TKG. Die Stufen der
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
funktioniert oder sich auf lukrative Bereiche beschränkt (so genanntes „Rosinenpicken"). 782 Dabei ist der Gewährleistungsauftrag in seinem Umfang nicht auf den Ausbau einer optimalen Infrastruktur gerichtet, 783 die Verpflichtung ist vielmehr auf die Sicherung einer flächendeckenden Grundversorgung mit aus Sicht der Nachfrager bzw. Benutzer angemessenen und ausreichenden Dienstleistungen beschränkt. 784 Der Staat 785 ist damit in der Folge der Privatisierung zum Gewährleistungsstaat geworden; er hat zwar die Instrumente zur unmittelbaren Aufgabenerfüllung aufAuffangverantwortung vollziehen sich auf folgenden Stufen: Nur wenn die Funktionsweise des Marktes als Grundentscheidung für die privatwirtschaftliche Leistungserbringung zur Aktualisierung der Gemeinwohlbindung nicht ausreicht, sind bestimmte Leistungsanbieter gesetzlich verpflichtet, dazu beizutragen, dass die Universaldienstleistung erbracht werden kann (§ 80 TKG), ohne dass die Art der Erfüllung dieser Pflicht schon festgelegt ist. Reicht dieser Pflichtenappell nicht, veröffentlicht die Regulierungsbehörde in ihrem Amtsblatt die Feststellung, inwieweit die Universaldienstleistung nicht angemessen oder ausreichend erbracht wird, und kündigt ihr weiteres Vorgehen für den Fall an, dass kein Unternehmen sich freiwillig zur Erbringung dieser Leistung bereit erklärt (§81 Abs. 1 TKG). Hilft auch dies nicht, so kann die Regulierungsbehörde einen der Pflichtigen Unternehmer zur Erbringung der Universaldienstleistung durch einen „imperativen" Verwaltungsakt verpflichten ( § 8 1 Abs. 2 und Abs. 3 TKG). Um diesen Anbieter aber nicht unbillig gegenüber den anderen, an sich auch zur Erfüllung der Universaldienstleistung verpflichteten Unternehmen zu benachteiligen, kann ihm ein finanzieller Ausgleich gewährt werden, den alle Verpflichteten im Zuge der Erhebung einer Universaldiensüeistungsabgabe aufbringen (§ 82 TKG). Vgl. dazu F. Schock, in: Jenseits von Privatisierung und „schlankem Staat", S. 221 (238); Λί. Geppert/E. O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 353 ff.; M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (269 ff.); L. Grämlich, Archiv PT 1995, 189 ff. Vgl. allgemein zur Auffangverantwortung W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 8 f. 782 W. Hoffmann-Riem, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6 Rn. 36; M. Fehling, VerwArch 86 (1995), 600 (608). Die kollidierenden Zielsetzungen der beiden Absätze des Art. 87 f GG sollen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sind auf der Grundlage der Einheit der Verfassung im Verhältnis gegenseitiger Begrenzung, Zusammenfügung und wechselseitiger Ergänzung zu sehen. Es geht daher nicht um eine Entscheidung zwischen den Zielen im Sinne eines „entweder - oder", sondern um die Effektuierung beider im Sinne eines „sowohl - als auch". Dies entspricht dem Gedanken der praktischen Konkordanz und der Forderung nach einem angemessenen Ausgleich, durch den entgegenstehende Verfassungsaussagen harmonisiert und zu optimaler Wirkung gebracht werden, vgl. K. Stern, DVB1. 1997, 309 (315). 783 BT-Drs. \2Ι6Ί\Ί, S. 3; BT-Drs. 12/7269, S. 5; M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 184 ff.; P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 73; P. Lerche, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 251 (254 f.); K. Stern, DVB1. 1997, 309 (313). Anders wohl B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (884); M. Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194). 784 Vgl. die Begründung des RegE, BT-Drs. 12/7269, S. 5. 785 Das System der Verantwortungsstufen ist zumindest teilweise auf EG-rechtliche Vorgaben rückführbar. Die Europäische Union schafft, ohne selbst eine Erfüllungsverantwortung für den Vollzug von EG-Recht zu übernehmen, rechtliche Voraussetzungen für den Vollzug des Rechts durch ihre Mitgliedstaaten. Auch ihr kommt eine Auffangfunktion zu, die allerdings nur bei Versagen der nationalen Auffangverantwortung eingreift. Sie hat die Möglich19 Bumke
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
gegeben, hält aber an seiner konkreten Gemeinwohlverantwortung f e s t 7 8 6 ; seine Stellung als Leistungsträger wandelt sich zur Regulierungsinstanz 7 87 , das Recht in Regulierungsverwaltungsrecht. 788 Die i n Art. 87 f GG a.F. angelegte unmittelbare Erfüllungs- bzw. Ergebnisverantwortung 7 8 9 hat sich i n eine sozialstaatlich 7 9 0 motivierte Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortung gewandelt. 7 9 1 I m Bereich der Frequenznutzung ist dem Staat eine Bereitstellungsverantwortung als Regulativ der Selbstregulierung verblieben, welcher er durch Rahmensetzung ge-
keit zum Zwecke der Nachsteuerung, den normativen Rahmen zu ändern. Ferner kann sie informell, aber auch formell (Vertragsverletzungsverfahren, Einsatz des Instrumentariums des EG-Wettbewerbsrechts) vorgehen. Darüber hinaus hat sie sich besondere Koordinationsmöglichkeiten geschaffen. Mit derartigen Instrumentarien begrenzt sie sich auf die Rolle einer „Gewährleistungsgemeinschaft": Sie gibt rechtliche Vorgaben für die Mitgliedstaaten, reguliert aber nur ausnahmsweise durch unmittelbar anwendbares Recht. Im Regelfall veranlasst sie die Staaten, die EG-Vorgaben unter Beachtung der jeweiligen nationalen Besonderheiten umzusetzen und das neue Rechtsregime verwaltungsmäßig zu vollziehen, vgl. W. Hoffmann-Riem, DVB1. 1999, 125 (127). 786 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 18 ff., 193 ff.; 73 Vesting, in: Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (113 ff.); G. F. Schuppert, in: Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 ff.; G. F. Schuppert, Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 201 (218 ff.); W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 24 ff. Vgl. auch W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 3, der zutreffend darauf hinweist, dass sich mit der Veränderung der Verantwortung des Staates in der Aufgabenerfüllung allerdings nicht unbedingt die an den Staat gerichtete Erwartung ändert, Gemeinwohl und Individualwohl zu sichern und bei der Problembewältigung zu helfen, die allein in gesellschaftlicher Selbstregelung nicht erfüllt werden kann. 787
K. Stern, DVB1. 1997, 309 (313); J. Wieland,
Die Verwaltung 28 (1995), 315 (332,
334 f.). 788
Siehe dazu J. Masing, Die Verwaltung 35 (2002), 1 ff. W. Hoffmann-Riem, DVB1. 1999,125 (125). Siehe zu den unterschiedlichen Verantwortungsdimensionen E. Schmidt-Aßmann, in: Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (43 f.); W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997,433 (441 f.). 789
™> M. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (78); P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art, 87 f Rn. 73. Vgl. auch L Grämlich, Archiv PT 1995, 189 ff.; T. Vesting, in: AK-GG, Ait. 87 f Rn. 59. 7 91 Vgl. P. Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 35; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg), GG, Art. 87 f Rn. 8; K. Stern, DVB1. 1997, 309 (312, 315 f.); J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (332, 334 f.); R. Wahl, in: Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 301 (336 ff.); W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (441 f.); ders., DVB1. 1999, 125 (126 f.). Zum Wandel zum Gewährleistungsstaat allgemeiner M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 127 ff.; W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 7 ff.; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (277 ff.); F. Schoch, DVB1. 1994, 962 (974 f.). Kritisch im Sinne von nicht weitreichend genug T. Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 20 ff., 29 f. 792 Vgl. dazu allgemein W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 8; W. Hoffmann-Riem, Vom Nutzen der Govemance-Perspektive für die Rechtswissenschaft, Manuskript S. 4,12.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 2 9
Bevor nun die Frage, inwieweit die Regelung des Versteigerungsverfahrens dem infrastrukturpolitischen Ziel in Form der Grundversorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen von sich aus genügt bzw. inwiefern die Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren einen Grundversorgungsbezug aufweist, beantwortet wird, ist das Verhältnis des Versteigerungsverfahrens zu dem in Art. 87 f Abs. 1 GG niedergelegten Gewährleistungsauftrag zu klären. Die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums wäre nur zu verneinen, wenn es in einem unüberwindbaren Widerspruch zum Infrastrukturgewährleistungsauftrag stünde. Dies folgt aus dem Zusammenspiel von Abs. 2 S. 1 und Abs. 1 des Art. 87 f GG, das ergibt, dass sich der Gesetzgeber in seiner Verfahrenswahl nicht ausschließlich auf die Verwirklichung sozial- und strukturpolitischer Ziele zu konzentrieren hat. Art. 87 f GG als Einheit geht zunächst von der Annahme aus, dass sich auch strukturpolitische Ziele in einer am Wettbewerb orientierten Telekommunikation verwirklichen lassen. Nur wenn sich dies als aussichtslos darstellen sollte, aktualisiert sich die staatliche Auffangverantwortung des Art. 87 f Abs. 1 GG. Die Norm fordert dagegen nicht, dass alle staatlichen Maßnahmen von den Zielen des Art. 87 f Abs. 1 GG - also einer flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen in ausreichendem Umfang zu angemessenen Preisen - geleitet sind. Denn sonst würde die Grundentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG für privaten Wettbewerb nur dann eingreifen, wenn schon die Ziele des Art. 87 f Abs. 1 GG erfüllt werden, womit sie ihre eigenständige Bedeutung verlöre. Von einem stufenweise Eingreifen gehen auch die in den §§ 78 ff. TKG normierten Bestimmungen zur Universaldienstverpflichtung aus. 793 Nur ausnahmsweise, wenn der Wettbewerb in dem entsprechenden Bereich zu versagen droht, hat die Verwaltung die Möglichkeit, regulierend einzugreifen. Der Gesetzgeber hat sich also bei der Verfahrenswahl an der Grundentscheidung für den Wettbewerb zu orientieren, solange er damit gleichzeitig seiner Verpflichtung aus Art. 87 f Abs. 1 GG ausreichend Rechnung trägt. Im Widerspruch zu Art. 87 f Abs. 1 GG stünde die gesetzliche Wahl des Versteigerungsverfahrens als Regelvergabeverfahren nur dann, wenn der Markt als Ort des Wettbewerbs die Ziele des Art. 87 f Abs. 1 GG nicht sicherstellen kann, wenn also aufgrund einer Frequenzvergabe im Wege einer Auktion flächendeckend ausreichende und angemessene Dienstleistungen794 nicht gewährleistet werden können bzw. die Grundversorgung nicht mehr erreichbar scheint. Dabei bezieht sich das Merkmal „angemessen" auf die Qualität und den Preis der Dienstleistung, während „ausreichend" ihre
793 Siehe zu dem Begriff und seinem Ursprung K. Windthorst, CR 1998, 340 (343). Zu abweichenden Begriffen Τ Vesting , in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 52 ff. 794 Das erforderliche Mindestniveau an Integrität, Funktionsfähigkeit und Leistungsgerechtigkeit im Bereich der Telekommunikation ist anhand objektiver Betrachtung aus Sicht der Nutzer zu fixieren. Die Merkmale müssen kumulativ vorliegen, ohne dass ein Rangverhältnis zwischen ihnen bestünde, Zielkonflikte sind im Wege praktischer Konkordanz aufzulösen, vgl. K. Stern, DVB1. 1997, 309 (315); P. Lerche, HdbStR V, § 122 Rn. 3; K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 19. 19*
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Quantität festlegt. 795 Dienstleistungen müssen demnach von angemessener Beschaffenheit und erschwinglich sein sowie in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Steht eine solche Gefährdung konkret durch das Versteigerungsverfahren nicht zu befürchten, befinden sich der Gewährleistungsauftrag und das Versteigerungsverfahren in einem „Neutralitätsverhältnis" 796, so dass die gesetzliche Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des Art. 87 f Abs. 1 GG unbedenklich erscheint. (aa) Flächendeckend Angemessene und ausreichende Dienstleistungen sind gemäß Art. 87 f Abs. 1 GGflächendeckend zu gewährleisten. Dieses Erfordernis betrifft den Bereitstellungsraum, verlangt eine Abdeckung der Fläche und im Zusammenspiel mit den anderen Universaldienstmerkmalen eine gewisse Gleichmäßigkeit des Versorgungsgrades („flächengleich"). 797 Als optimierende Zielvorgabe bedeutet „flächendeckend" in diesem Fall keine umfassende, lückenlose Versorgung. 798 Das Versteigerungsverfahren kann nicht gegen den Gewährleistungsauftrag der flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen verstoßen. Im Rahmen des Auktionsverfahrens ist dies irrelevant. Zuzuordnen ist dies vielmehr dem Bereich der Bestimmung der Frequenzbedingungen, welcher der Durchführung des Auktionsverfahrens vorgelagert ist. Gemäß § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 4 TKG bestimmt die Regulierungsbehörde vor Durchführung eines Vergabeverfahrens die Frequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung. Durch die Formulierung des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG wird deutlich, dass es sich bei dem Versorgungsgrad nicht um ein spezifisches Problem eines Versteigerungsverfahrens handelt, sondern in gleicher Weise Ausschreibungs verfahren betroffen sind („eines Vergabe Verfahrens"). Mit der Pflicht zur Festlegung der Frequenzreichweite und des Versorgungsgrades hat der Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 87 f Abs. 1 GG aufgegriffen. Unproblematisch an dieser Regelung ist, dass sie keine konkreten Vorgaben zu Umfang und Maß des Versorgungsgrades liefert. Hier spielt eine Rolle, dass Art. 87 f Abs. 1 GG keine optimale Infrastruktur in Form einer hundertprozentigen Flächendeckung verlangt. Insoweit besteht ein an Art. 87 f Abs. 1 GG auszurichtender Spielraum. Dieser 795 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 10; P. Lerche, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 251 (253). 796
K. Kruhl, Versteigerung knapper Frequenzen, S. 211. 797 κ ; Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 13; K. Windhorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 269 ff.; anders T. Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 56 ff. Für eine Ausdifferenzierung nach gruppenspezifischen Nutzerinteressen M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 187. 798 K. Windhorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87 f Rn. 13. Dagegen P. Lerche, in: Festschrift für Κ. H. Friauf, S. 251 (254 f.). Kritisch auch M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 192 ff.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3
wird als jeweilige Einzelentscheidung auf die RegTP verlagert, welche diese an den Vorgaben des Infrastrukturgewährleistungsauftrags, der einfachgesetzlich in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG als Regulierungsziel niedergelegt wurde, auszurichten hat. 7 9 9 Damit steht zugleich fest, dass die Frage, ob eine flächendeckende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen gewährleistet ist, nicht im Rahmen der Zuteilung durch ein Versteigerungsverfahren relevant wird. (bb) Qualität, Quantität und Erschwinglichkeit der Dienstleistungen Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass gerade der Vergabemechanismus Versteigerung derjenige ist, der mit seinem Auswahlkriterium der Effizienz denjenigen Interessenten auswählt, der mit den Frequenzen hochwertige Telekommunikationsdienstleistungen anbieten wird. 8 0 0 Das Versteigerungsverfahren gewährleistet damit gerade auch qualitativ angemessene Dienstleistungen. Das Effizienzargument gilt in gleicher Weise für die von Art. 87 f Abs. 1 GG geforderte ausreichende Menge von Dienstleistungen. Auch das Ziel der Erschwinglichkeit der Preise der angebotenen Dienstleistungen steht einer Vergabe von Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren nicht in dem Sinne entgegen, dass die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums zu verneinen wäre. Denn Ökonomen konnten theoretisch und für den Regelfall nachweisen, dass die Preise der angebotenen Telekommunikationsdienstleistung nicht vorrangig in Abhängigkeit zu den Frequenzerwerbskosten stehen.801 Damit gilt im Grundsatz und für den Regelfall, dass sich die Erwerbskosten nicht auf die Verbraucher niederschlagen und die „Erschwinglichkeit der Dienstleistungen" nicht durch die in einem Versteigerungsverfahren anfallenden Kosten beeinflusst wird. Dennoch ist der Fall denkbar, dass diese theoretische Überlegung praktisch wider Erwarten nicht greift. Dies ist jedoch nur unter der Voraussetzung zu befürchten, dass sich die am Versteigerungsverfahren teilnehmenden Unternehmen nicht ökonomisch rational verhalten oder die Verfahrensregeln mangelhaft ausgestaltet sind. Denn in dem Mechanismus der Versteigerung zugrunde liegenden Regelfall stellt das Gesamtarrangement der Versteigerung mit entsprechend ausgestalteten Verfahrensregeln sicher, dass sich die teilnehmenden Unternehmen entsprechend ökonomischer Handlungsrationalität verhalten und gerade nicht wirtschaftlich unvernünftige Gebote abgeben. Das Eintreten des Ausnahmefalls könnte allerdings zur Folge haben, dass sich die überhöhten Frequenzerwerbskosten auf die Preise der angebotenen Dienstleistungen nieder799 Kritisch D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (147), die allerdings bei ihrer Aussage, dass sich der Aufbau von Netzen auf lukrative Ballungsgebiete beschränke, die Einflussnahmemöglichkeit der RegTP bei der Festlegung der Frequenzbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 4 TKG übersehen, mit der gerade diese Gefahr verhindert werden kann, eoo s.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. soi S.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
schlagen. Zum Ausgleich dieser Folgen im Ausnahmefall verbleibt dann aber das Instrument des Universaldienstes nach den §§ 78 ff. TKG. Der Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums kann also mit der Möglichkeit dieses Ausnahmefalls nicht generell die Eignung abgesprochen werden. 802 (4) Effizienz als sachgerechtes Auswahlkriterium Unter den Gesichtspunkten der Frequenzknappheit und der Vermeidung von Interferenzen ist es damit sachgerecht, 803 wenn die Entscheidung, wer das knappe Frequenznutzungsrecht nutzen darf, unter den zur Versteigerung zugelassenen, grundsätzlich zur Frequenznutzung geeigneten804 Bewerbern nach dem Kriterium der Effizienz vorgenommen wird. Der Gesetzgeber durfte dieses Ziel verfolgen. Dies steht auch im Einklang mit den Vorgaben des Art. 87 f GG. Damit ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das TKG hinsichtlich der Vergabe von knappen Frequenzen die Effizienz der Bewerber im Hinblick auf die Nutzung von Frequenzen zum maßgeblichen Kriterium erklärt.
c) Versteigerungsverfahren als innovativer Auswahlmechanismus Die Ausführungen haben ergeben, dass der Maßstab der effizienten Frequenznutzung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Als Beispiel des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung sind es im Versteigerungsverfahren die teilnehmenden Unternehmen selbst, die durch die Höhe ihrer Gebotsabgabe über ihre Effizienz und damit auch die Frequenzzuteilung entscheiden. Als innovativer Auswahlmechanismus nimmt § 61 Abs. 5 TKG die Entscheidungsfindung über den effizienten Frequenznutzer aus dem Verantwortungsbereich der RegTP heraus und überlässt sie den privaten Akteuren, die den Ausgang der Versteigerung selbst über die Abgabe von Geboten bestimmen. Hintergrund dafür ist die begrenzte Steuerungsfahigkeit auf Seiten des Staates, die aus Informationsdefiziten resultiert. 805 Diese Einsicht ist Argument für den Gesetzgeber, in entsprechenden Bereichen - wie der Frequenzvergabe - marktwirtschaftliche Kriterien und Verfahren zur Auswahl zu nutzen. Damit ist aber noch nicht 802 Anders sieht das ein Teil der juristischen Fachliteratur, vgl. die Nachweise oben in Fn. 537 im 2. Teil, 3. Kapitel. Teilweise geht sie sogar so weit, dass sie einen Verstoß gegen den Infrastrukturgewährleistungsauftrag annimmt, so A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 47 Rn. 38; C. Degenhart, K&R 2001, 32 (33, 37); dersin: UMTS-Lizenzvergabe, S. 259 (277). 803 Es gilt die Feststellung von P. Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (533): „Der rechtfertigende Grund für die gesetzliche Reglementierung wirkt auf der Stufe der Verteilungsordnung fort". 804 Sie erfüllen alle die fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen für die Zulassung zum Vergabe verfahren nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG. so5 S.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, B.II.l.b) und im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)bb).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
geklärt, dass diese Vorgehensweise, also das zur Ermittlung des effizienten Frequenznutzers vom Gesetzgeber gewählte Vergabeverfahren der Versteigerung, auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. In Anwendung der Stufentheorie stellt sich das Versteigerungsverfahren als Regelung der Berufsausübung dar, in Fällen hingegen, in denen durch Versagung des Zuschlags im Versteigerungsverfahren der Berufszugang verweigert wird, als subjektive Berufszulassungsschranke.806 An dieser Stelle kommen die Interferenzvermeidungs- und Regulierungsintentionen als wichtige Gemeinschaftsgüter zum Tragen. Schließlich muss die Regelung des Versteigerungsverfahrens verhältnismäßig sein. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips verlangt, dass das Verfahren der Versteigerung als solches zur Zielerreichung geeignet ist. 8 0 7 Zudem hat der Gesetzgeber stets die zur Zielerreichung bei gleicher Wirksamkeit am wenigsten belastende Regelung zu wählen, um den verfahrensrechtlichen Eingriff in die Berufsfreiheit zu minimieren. 808 Schließlich muss das Versteigerungsverfahren für die Grundrechtsbeeinträchtigteii zumutbar sein. Der Maßstab der Zumutbarkeit gebietet ein einzelfallbezogenes Gewichten und Abwägen der durch die Verteilungslenkung berührten öffentlichen und privaten Belange. 809 aa) Eignung des marktwirtschaftlich zur staatlichen Verteilung
orientierten
Auswahlkonzepts
Bei der Beurteilung, ob ein Versteigerungsverfahren geeignet ist, den effizienten Frequenznutzer zu finden, stellt sich vor allem ein Prognoseproblem. Mit dem Auswahlkriterium der ökonomischen Effizienz hat der Gesetzgeber einen Maßstab gewählt, dessen abschließende Beurteilung erst in der Zukunft, wenn die Unternehmen die Frequenzen bereits nutzen, möglich ist. Im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung können damit lediglich Anhaltspunkte, die auf eine effiziente Frequenznutzung der Bewerber schließen lassen, in die Auswahlentscheidung einfließen. Inwiefern die an den Frequenzen interessierten Unternehmen im Zeitpunkt der Frequenzvergabe im Telekommunikationssektor ökonomisch effizient agieren, ist dagegen nicht der ausschlaggebende Maßstab. Das traditionelle Modell versucht, Prognoseprobleme zu lösen, indem die Vergabebehörde von den antragstellenden Unternehmen Informationen einfordert, die nach ihrer Einschätzung für eine Bewertung anhand des maßgeblichen Kriteriums relevant sind. Anhand der vorgelegten Unternehmensdaten und -planungen nimmt sie dann eine Bewertung im Lichte des vorgegebenen Auswahlmaßstabs vor. Ist der gewählte Auswahlmaßstab zukunftsbezogen, schließt sie aus den ihr vorliegenden Informationen auf die zukünftige Entwicklung. Dieses Konzept liegt auch dem 806
S.o. in diesem Abschnitt unter A.II.2.b). Vgl. die Nachweise oben in Fn. 617 in diesem Kapitel, eoe Vgl. d i e Nachweise oben in Fn. 618 in diesem Kapitel. 807
809
Vgl. die Nachweise oben in Fn. 619 in diesem Kapitel.
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
in § 61 Abs. 6 TKG geregelten, dem Versteigerungsverfahren nachrangigen Ausschreibungsverfahren zugrunde, das mit dem Ziel der effizienten Frequenznutzung eine Zukunftsprognose von der RegTP erfordert. 810 Das Ausschreibungsverfahren ist allerdings mit dem Problem behaftet, dass die administrative, zukunftsbezogene Bewertung der Bewerber im wirtschaftlich komplexen, in seiner Entwicklung äußerst dynamischen Telekommunikationssektor von Informationsdefiziten auf Seiten des Staates hinsichtlich der Bewertung der Präferenzen der Konsumenten, des Innovationspotentials der Unternehmen sowie der Kosteneffizienz begleitet wird. Das Versteigerungsverfahren als marktmäßiges Verteilungsverfahren überlässt die Bewältigung des Prognoseproblems den privaten Akteuren und nutzt deren Wissen zur Entscheidungsfindung. In ihre Einschätzung über den potenziell erwirtschaftbaren Gewinn werden alle für die zukünftige Effizienz der Frequenznutzung maßgeblichen Informationen verarbeitet. Damit wird das Grundkonzept eines marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems übernommen, wonach die Wirtschaftsubjekte den Nutzen, den ein Gut ihnen einbringt, grundsätzlich selbst am besten einzuschätzen vermögen. Das Ergebnis dieses Prozesses drückt sich dann in der jeweiligen Zahlungsbereitschaft aus, welche die Unternehmen durch die Gebotsabgabe im Versteigerungsverfahren offenbaren. Das Unternehmen mit dem höchsten Gebot ist gleichzeitig dasjenige Unternehmen, das sich von der Frequenznutzung den größten Vorteil verspricht, was wiederum bedeutet, dass die Frequenzen in ihre effiziente Verwendung überführt werden. Das Funktionieren dieser ökonomischen Logik steht allerdings unter der Bedingung entsprechend ausgerichteter Rahmenbedingungen.811 Der private Marktmechanismus wird dann in Form regulierter Selbstregulierung genutzt, um das bestehende Prognoseproblem zu lösen. Bezüglich der Vorteile dieses Mechanismus kann sich der Gesetzgeber auf wissenschaftlich fundierte ökonomische Gesetzmäßigkeiten berufen; der Wahl des Versteigerungsverfahrens als Entscheidungshilfe und Auswahlmechanismus kann die Eignung zur Feststellung des effizienten Frequenznutzers somit nicht abgesprochen werden. Verbleibende Ergebnisunsicherheiten und die in der Praxis immer bestehende Möglichkeit einer anderen als der gedachten Entwicklung vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Dass die zukünftige Entwicklung nicht vollständig antizipiert werden kann, ist für eine Prognoseentscheidung gerade charakteristisch. Ebenso wie - insbesondere unter Wirtschaftwissenschaftlern - anerkannt ist, dass die Funktionsweisen des Marktes und im Speziellen das Versteigerungsverfahren grundsätzlich dazu führen, dass der effiziente Frequenznutzer ermittelt wird, gilt, dass diese theoretische Gesetzmäßigkeit praktisch nicht immer funktioniert. Dies könnte ζ. B. darauf beruhen, dass das Unternehmen, welches zum Zeitpunkt der Versteigerung als effizienter Frequenznutzer ermittelt wurde, während des Auf810
Siehe dazu auch Af. Geppert/E.-O. Rühle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn. 143. en S.o. im 2. Teü, 2. Kapitel, C.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
baus, also der Phase zwischen Versteigerung und Angebot der Telekommunikationsdienstleistung auf dem Markt, nicht ökonomisch rational handelt mit der Folge, dass das Angebot der Telekommunikationsdienstleistung nicht den Erwartungen hinsichtlich der Effizienz zum Zeitpunkt der Versteigerung entspricht. Aus dieser abstrakten Möglichkeit folgt aber noch nicht die Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens. Die Einschätzung des Gesetzgebers, das Versteigerungsverfahren zur Feststellung des effizienten Nutzers als grundsätzlich geeignet anzusehen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Gesetzgeber den an seine Prognose zu stellenden Anforderungen nicht gerecht geworden wäre. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung bei der Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers differenzierte Maßstäbe aufgestellt, 812 denen sich die Literatur im Wesentlichen angeschlossen hat. 8 1 3 Nach Ansicht des Gerichts schließt Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes in einer ungewissen Zukunft nicht die Befugnis aus, ein Gesetz zu erlassen, auch wenn dieses von großer Tragweite ist. Umgekehrt könne Ungewissheit nicht schon als solche ausreichen, einen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglichen Prognosespielraum des Gesetzgebers zu begründen. Prognosen enthielten stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden könnten und müssten; diese seien einer Beurteilung nicht entzogen. Im Einzelnen hänge die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers von Faktoren verschiedener Art ab, im Besonderen von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter. Demgemäß hat die Rechtsprechung des BVerfG für die Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers ein abgestuftes System aufgestellt, deren Maßstäbe von einer Evidenzkontrolle 814 über eine Vertretbarkeitskontrolle 815 bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle 816 reichen. Für den wirtschaftspolitischen Bereich ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber ein besonders weiter Spielraum zusteht. 817 Entscheidend soll sein, ob die Wirkungsprognose des Gesetzgebers angesichts des verfügbaren, ermittelten und zu berücksichtigenden Standes der Erfahrungen und Einsichten als „vertretbar" anzusehen ist, „mag sie sich später auch teilweise oder gänzlich als Irrtum erweisen". 818 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive kommt es insoweit nur darauf an, ob der Ge812 Vgl. dazu und zum Folgenden BVerfGE 50, 290, 332 f. 813 Siehe aus der Literatur statt vieler K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band ΠΙ / 2, S. I l l ff. 814 Vgl. etwa BVerfGE 36, 1, 17; 37,1,20; 40, 196, 223. 815 Vgl. etwa BVerfGE 25, 1,12 f., 17; 30, 250, 263; 39, 210, 225 f.
Vgl. etwa BVerfGE 7,377,415; 11,30,45; 17,269,276 ff.; 39,1,46,51 ff.; 45,187 238. 817 Vgl. BVerfGE 77, 84, 106 m. w. N.; R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 14 ff.; L. Osterloh, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 96. sie BVerfGE 50, 290, 333 f., 335. Vgl. auch R. Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 14 ff.; M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (263); J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 147 ff.; E Hufen, NJW 1994, 2913 (2918 f.).
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2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
setzgeber die verfügbaren Erkenntnisse in hinreichendem Maße ermittelt und berücksichtigt hat, also seiner Entscheidungs- und Verantwortungslast ex ante gerecht geworden ist. 8 1 9 Da sich der Gesetzgeber im Bereich der Frequenzvergabe einem eindeutig wirtschaftspolitischen Bereich - auf zahlreiche wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen und Ergebnisse zum Versteigerungsverfahren berufen kann, die den Zusammenhang zwischen Zahlungsbereitschaft und Nutzungseffizienz auch im Sinne des Art. 87 f GG belegen, ist die Einschätzung des Gesetzgebers hinsichtlich der Geeignetheit hinreichend fundiert. 820 Ist man aber zu dem Ergebnis gelangt, dass das der Prognoseentscheidung zugrunde liegende Auswahlkriterium des effizienten Frequenznutzers sowie die Ermittlung der Effizienz durch ein Versteigerungsverfahren sachgerecht ist, ist dieser Entscheidung das Verbleiben eines Restrisikos in Form einer anderen als der gedachten Entwicklung immanent und folglich hinzunehmen. Mit dem Versteigerungsverfahren hat der Gesetzgeber das Verfahren gewählt, welches die bestehenden Unsicherheiten am besten verarbeitet. Die abstrakte Möglichkeit, dass sich versteigerungsspezifische Problematiken - wie der Winner's course-Effekt oder wettbewerbswidriges Bieterverhalten - verwirklichen, begründet nicht die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Versteigerungsverfahrens, denn es konnte gezeigt werden, dass diese Risiken dem Versteigerungsverfahren nicht grundsätzlich anhaften, sondern vielmehr durch die Ausgestaltungs- bzw. Rahmenregelungen weitestgehend minimiert werden können. 821 Aus diesen Gefahren ergibt sich indes eine besondere Verantwortung der RegTP für die Wahl und Ausgestaltung der Versteigerung. Sollte sich in Einzelfällen ergeben, dass die Unsicherheit über den Frequenzwert überproportional groß ist, etwa weil über die Nutzungsmöglichkeiten nicht vorab zu klärende bzw. behebbare Risiken bestehen oder weil die Nutzungsbestimmungen ζ. B. über qualitative oder quantitative Versorgungspflichten noch nicht feststehen, liegt es im Verantwortungsbereich der RegTP, anstatt des Versteigerungsverfahrens, das den Zusammenhang zwischen Zahlungsbereitschaft und Effizienz dann nicht mehr ausreichend sicher gewährleisten kann, in verfassungskonformer Auslegung des § 61 Abs. 2 S. 2 TKG das Ausschreibungsverfahren zur Frequenzvergabe zu wählen. 822 Ebenso verhält es sich, wenn das Risiko, dass die Zahlungsbereitschaft von wettbewerbswidrigen Erwägungen dominiert wird, nicht (mehr) kontrollierbar ist oder scheint. 823 Das kann etwa der Fall sein, wenn
819 Breuer, HdbStR VI, § 148 Rn. 17. 820 Diese Vermutung ist insofern ein plastisches Beispiel für eine „strategische Verbindung von Privatinteressen und Gemeinwohl", zu dieser M. Schmidt-Preuß, W D S t R L 56 (1997), S. 160 (194). 821 Siehe dazu oben im 2. Teil, C. 822 Zwar allgemeiner, aber im Ergebnis ebenso B. Varadinek,
CR 2001, 17 (24).
823 Es müssen aber deutliche Anhaltspunkte für die Annahme eines wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens vorliegen. Nicht ausreichend ist eine Überlegenheit aufgrund bereits vorhandener Netz- und Infrastrukturen, technischem Fortschritt oder Kundenstamms; denn dies allein sind effizienzorientierte Merkmale. Vgl. auch oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Newcomer mit Unternehmen um die Frequenzen konkurrieren, die sich auf dem gleichen 824 oder benachbarten Markt bereits etabliert haben oder wenn bei der Verteilung von Komplementärfrequenzen Telekommunikationsdienstleister mit deutlich unterschiedlichen Marktanteilen um die Frequenzen konkurrieren. Ein möglicherweise bestehendes Restrisiko auch hinsichtlich der Entwicklung zwischen Versteigerungsdurchführung und Angebot der entsprechenden Dienstleistung auf dem Markt ist aber insgesamt mit der Wahl des Versteigerungsverfahrens als Regelauswahlverfahren insbesondere auch im Gegensatz zum administrativen Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG auf das erkennbar niedrigste Maß reduziert worden. bb) Erforderlichkeit
des Versteigerungsverfahrens
Als weitere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips muss die Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren auch erforderlich sein. Erforderlich sind die Versagung der Frequenzzuteilung als Konsequenz aus dem Ergebnis eines Versteigerungsverfahrens sowie die durch die rechtswidrige Verfahrensausgestaltung bewirkte Beeinträchtigung der Berufsfreiheit, wenn es an einem anderen, gleich wirksamen, aber weniger fühlbar einschränkendem Mittel als dem Versteigerungsverfahren fehlt. 825 Formale Vergabeverfahren scheiden als milderes Mittels aus, da sie die Frequenzvergabe nicht verfassungsgemäß regeln können. 826 Als milderes Mittel käme damit nur das administrative Ausschreibungsverfahren in der Form, wie es § 61 Abs. 6 TKG für den Fall vorsieht, dass das Versteigerungsverfahren ungeeignet ist, in Betracht. Zweifelhaft ist schon, ob ein solcher „beauty contest" die Grundrechte der Unternehmen weniger einschneidend tangiert als das Versteigerungsverfahren. Es ist aber jedenfalls im Sachbereich der Telekommunikation aufgrund der bestehenden Informations- und Steuerungsdefizite nicht gleich geeignet wie das Versteigerungsverfahren. cc) Zumutbarkeit der Teilnahme an einem Versteigerungsverfahren Schließlich muss die Durchführung einer Frequenzversteigerung auch verhältnismäßig i.e.S., also zumutbar sein. Unzumutbar wäre die Teilnahme am Versteigerungsverfahren für die grundrechtsbetroffenen Unternehmen, wenn die Versagung 824 Sehen die Konsumenten verschiedene Funkdienste als austauschbar an, können diese auch demselben sachlichen Markt, der sich nach dem Bedarfsmarktkonzept bestimmt und nicht identisch mit den Ausweisungen im Frequenznutzungsplan sein muss, zugehören, ebenso J. Kruse, Lizenzierung und Wettbewerb, S. 140; E.-O. Ruhle/M. Geppert, MMR 1998, 175 (176); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (148). § 61 Abs. 2 S. 2 TKG sieht die grundsätzliche Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens nur für den Fall vor, dass den bereits auf dem entsprechenden Markt etablierten Unternehmen Frequenzen ohne Durchführung eines Versteigerungsverfahrens zugeteilt wurden. 825 Siehe die Nachweise in Fn. 618 in diesem Kapitel. S26 Siehe dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)aa)(2)(b).
2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
der Zuteilung als Konsequenz des Versteigerungsergebnisses sowie die überhöhte Gebotsabgabe als Folge der rechtswidrigen Ausgestaltung der Verfahrensregeln außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck - der Feststellung des effizienten Frequenznutzers und den hinter diesem Kriterium stehenden (weiteren) Allgemeinwohlerwägungen - stünden.827 Das Gewicht des verfolgten Zwecks reicht zur Rechtfertigung der Berufsausübungsregelung des Versteigerungsverfahrens, selbst wenn die Beeinträchtigungswirkung in ihrer Intensität einer (subjektiven) Berufswahlregelung nahe kommen kann. Dabei erlangt insbesondere auch Bedeutung, dass die Komponente der persönlichen Entfaltung bei den Telekommunikationsunternehmen als zumeist Großunternehmen geringer als bei Einzelpersonen ist, so dass Beschränkungen eher hinzunehmen sind. 828 Als Härteausgleich sieht § 61 Abs. 5 S. 1 TKG die Berücksichtigung der Belange kleiner und mittlerer Unterneh829
men vor. Grundsätzlich räumt ein Versteigerungsverfahren allen Teilnehmern dieselben Chancen zum Frequenzerwerb ein. Zu betonen ist die Chancengleichheit im Versteigerungsverfahren insbesondere gegenüber dem administrativen Ausschreibungsverfahren, wo die Entscheidung, wer Frequenzen erhält, von einer nur eingeschränkt messbaren und überprüfbaren Bewertung der RegTP abhängt. Das Versteigerungsverfahren hingegen verobjektiviert den Maßstab der Effizienz, da sich die Versteigerungsteilnehmer durch ihre Gebotsabgabe selbst evaluieren. Zwar erfordert die Teilnahme am Versteigerungsverfahren die Bereitschaft der Unternehmen, eine finanzielle Gegenleistung für die Frequenznutzung zu erbringen. Das Erfordernis einer finanziellen Gegenleistung ist aber untrennbar verknüpft mit der Ermittlung des effizienten Frequenznutzers. Das Frequenzentgelt stellt sich damit - nach Ansicht des Gesetzgebers, der sich auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse berufen kann, - als zwangsläufiger Nebeneffekt dar, ohne den der effiziente Frequenznutzer nicht bzw. weniger zuverlässig ermittelbar ist. Das Erfordernis einer finanziellen Gegenleistung ist das notwendige Ergebnis und ein Teil der erforderlichen Abwägung der mit der Frequenzvergabe tangierten Individual- und Allgemeininteressen. Das Individualinteresse am gegenleistungsunabhängigen Zugang zum Frequenzspektrum hat in der Abwägung mit den Grundrechtspositionen der unterlegenen Unternehmen und den Allgemeininteressen zurückzustehen. Da es grundsätzlich im Hinblick auf die Vorgaben der Finanzverfassung und die Freiheitsrechte verfassungsrechtlich zulässig ist, die Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren von einer finanziellen Gegenleistung abhängig zu machen, 830 scheidet eine Verletzung der Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG durch das Versteigerungsverfahren aus.
827
Siehe dazu die Nachweise in Fn. 619 in diesem Kapitel. 828 Vgl. BVerfGE 50, 290, 364 f. 829 s.o. A.III.3.a). 830 Dazu sogleich unter Β in diesem Kapitel.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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4. Ergebnis Die Frequenzbewirtschaftungsordnung beeinträchtigt die Berufsfreiheit derjenigen Grundrechtsträger, die Frequenzen für ihre berufliche Tätigkeit nutzen wollen bzw. benötigen. Grundsätzlich handelt es sich bei den Bestimmungen zur Frequenzbewirtschaftung um Berufsausübungsregelungen gegenüber den Mobilfunkanbietern. In atypischen Fällen können sie aber für neue Wettbewerber, die erst mit den konkret zur Zuteilung stehenden Frequenzen ihren Beruf ergreifen wollen, ungleich intensiver wirken. Der Intensität nach wirkt die Berufsausübungsregelung dann wie eine Maßnahme auf der Ebene der Berufswahl, und zwar hinsichtlich der Frequenzbewirtschaftungsordnung in Form einer objektiven Berufszulassungschranke. Die in der Beschränkung des Zugangs liegende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit ist aber gerechtfertigt. Zum Tragen kommt hier neben der natürlichen Begrenztheit der Frequenzen, die eine Bewirtschaftung dieser Güter erforderlich macht, das Ziel, Interferenzen zu vermeiden. Die Verteilungswirkung der Frequenzzuteilung, der ein Versteigerungsverfahren vorangestellt wurde, beeinträchtigt ebenso die auf knappe Frequenzen angewiesenen Grundrechtsträger, die im Versteigerungsverfahren unterlagen oder die aufgrund mangelhafter Ausgestaltung der Verfahrensregeln eine ökonomisch unvernünftige Gegenleistung versprochen haben, in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Form von Berufsausübungsregelungen, die aber wiederum bei Spezialisierungen von Unternehmen ungleich intensiver wirken können. Der grundrechtliche Abwehranspruch des Art. 12 Abs. 1 GG verdichtet sich aufgrund der Frequenzknappheit auf einen Anspruch auf Beteiligung der Unternehmen an einem chancengleichen und sachgerechten Verteilungsverfahren. Dieser Anspruch ist grundrechtsdogmatisch dem abwehrrechtlichen Gehalt der Berufsfreiheit zuzurechnen. Der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG in Form eines Teilhaberechts kommt dagegen nicht zum Tragen, da es nicht der Staat ist, der die Frequenzen „produziert"; seine Aufgabe beschränkt sich allein auf die Verteilung. Der im Versteigerungsverfahren gewählte Auswahlmaßstab der Effizienz der Frequenznutzung ist trotz erheblicher Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch unter Berücksichtigung des Art. 87 f GG mit seinen besonderen Vorgaben sachgerecht. Der Maßstab der Effizienz greift die Entscheidung für privaten Wettbewerb in der Telekommunikation (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG) in besonderer Weise auf, da mit ihm das im privaten Marktgeschehen dominierende Kriterium auch für die Erstverteilung der Frequenzen als leitend angesehen wird. Die Auswahl anhand des Effizienzmaßstabs steht aber auch nicht in Widerspruch zum Infrastrukturgewährleistungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG, der dann zu berücksichtigen wäre, wenn Frequenzen versteigert würden, die die Universaldienstverpflichtung nach §§ 78 ff. TKG auslösen könnten. Auch das Versteigerungsverfahren als Verfahren zur Ermittlung des effizienten Frequenznutzers, in dem die teilnehmenden Unternehmen selbst über ihre Gebots-
2 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
abgabe über die Auswahl und die Höhe des Entgelts entscheiden, genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
IV. Vorbehalt des Gesetzes und Bestimmtheitsgrundsatz Vergibt der Staat knappe Güter, deren Nutzung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt, bedarf es einer parlamentarischen Leitentscheidung darüber, wie die Güter unter den konkurrierenden Nachfragern zu verteilen sind. 831 Ausgangspunkt für diese Überlegungen ist der Grundsatz der Vorbehalt des Gesetzes832, welcher verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten, grundrechtsrelevanten Bereichen durch förmliches Gesetz zu legitimieren ist. 8 3 3 Es gehört zu den Grundfesten des Rechtsstaatsprinzips, dass Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Staatsbürger eines demokratisch-parlamentarisch legitimierten Gesetzes bedürfen. 834 Die Reichweite des Gesetzesvorbehalts wird durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG konkretisiert, wonach es dem Gesetzgeber obliegt, in dem Bereich der Grundrechtsausübung, der einer staatlichen Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. 835 Der Wesentlichkeitslehre unterfallen nicht nur materielle Inhalteregelungen, sondern auch grundrechtswesentliche Verfahrensregelungen. 836 Zur Konturenbildung des Wesentlichkeitsbegriffs ist grundsätzlich darauf abzustellen, was wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist, 8 3 7 wobei die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung maßgeblich ist. 8 3 8 Für die Auswahlentscheidung in einer Frequenzversteigerung durch die RegTP ist also eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich, in der die materiellen Auswahlmaßstäbe und ihr Verhältnis zueinander in den Grundzügen festgelegt 831 BVerwGE 82, 246, 255. 832 Siehe zu den aktuellen Entwicklungen insbesondere nach den Entscheidungen des BVerfG Osho (E 105, 279) und Glykol (E 105, 252) K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 2003,141 ff. 833 BVerfGE 49, 89, 126; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 802 ff.; M. Sachs, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 113. Seine normative Grundlage findet der Gesetzesvorbehalt in Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 95; E. Schmidt-Aßmann, HdbStR II, § 24 Rn. 63 ff.; K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 ff.; a.A. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, & 6 Rn. 4 ff. 834 BVerfGE 8, 155,166 f.; P. Badura, Staatsrecht, D Rn. 56. 835 BVerfGE 49, 89, 126; 61, 260, 275; 77, 170, 230 f. Allgemein zur Erweiterung, Konkretisierung und Fortentwicklung des Grundsatz des Gesetzesvorbehalts durch die Wesentlichkeitslehre K.-H. Ladeur/T Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (146 ff.); H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 46. 836 BVerfGE 45, 187, 246; M. Sachs, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, vor Art. 1 Rn. 34 sowie Art. 20 Rn. 117. 837 BVerfGE 98, 218, 251. 838 BVerfGE 49, 98,127.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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sind. 839 Zumindest die Art der anzuwendenden Auswahlkriterien und deren Rangverhältnis untereinander muss der Gesetzgeber selbst festlegen. 840 Diesen Anforderungen genügt § 61 Abs. 5 TKG als chancengleiches und sachgerechtes Verteilungsverfahren, obwohl das dem § 61 Abs. 5 TKG zugrunde liegende Gesetzesprogramm (zwangsläufig) nur schwach ausgeprägt ist. 8 4 1 Mit der Aufstellung des Versteigerungsverfahrens als Auswahlverfahren hat der Gesetzgeber eindeutig festgelegt, dass die RegTP die knappen Frequenzen an denjenigen zu vergeben hat, der für sie das höchste Gebot abgegeben hat. 8 4 2 Eine formal-gesetzliche Legitimation für den Regelungserlass liegt vor, das Gesetz gibt hierbei neben der Zielbestimmung der Ermittlung des effizienten Frequenznutzers bestimmte Eckpunkte vor, nämlich die Einhaltung von Objektivität, Nachvollziehbarkeit, Diskriminierungsfreiheit und die Berücksichtigung kleinerer und mittlerer Unternehmen, womit die wesentlichen Regelungen der Verteilungsplanung, der Zuteilungskriterien und des Zuteilungsverfahrens mit hinreichender Bestimmtheit durch Gesetz festgelegt worden sind. 843 Einer weiteren gesetzlichen Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens - etwa im Hinblick auf eine bestimmte Auktionsmethode - bedurfte es dagegen sowohl unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts als auch des Bestimmtheitserfordernisses nicht. Dies folgt schon daraus, dass mit der Vergabe von Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren auf gesellschaftliche Selbstregulierung als Architektur des Gewährleistungsstaates vertraut wird. 8 4 4 Für diesen Bereich ist eine materiell-rechtliche Determination gerade nicht gewollt, weil auf die Autonomie der beteiligten Unternehmen gesetzt wird. Der normative Gestaltungsprozess ist auf Wissenserzeugung angelegt; zu diesem Zweck wurde das Versteigerungsverfahren für die Vergabe knapper Frequenzen gewählt. Für das Anforderungsprofil des Gesetzesvorbehaltes hat dies zur Konsequenz, dass ihm durch kompensatorische Verfahrenselemente, die die Charakteristika des Sachbereichs der Telekommunikation sowie die zurückgedrängte Rolle des Staates berücksichtigen, genügt wird. Aber auch für den in der Verantwortung des Staates verbleibenden Bereich der Aufstellung geeigneter Verfahrensregeln für einzelne Auktionsverfahren stellt weder der Gesetzesvorbehalt noch der Bestimmtheitsgrundsatz weitergehende Anforderungen auf, die durch die konkrete Regelung des Versteigerungsverfahrens in § 61 Abs. 5 TKG verletzt wären. Dieser Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass die Aufstellung der Verfahrensregeln in Abhängigkeit vom einzelnen Vergabefall vorzunehmen ist. Die Forderung, schon das Gesetz müsse einzelne Verfahrensele839 BVerfGE 33, 303, 345 f.; BVerwGE 51, 235,242; 80, 270,275. 840 BVerfGE 33, 303, 345 f. 841 W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 11 Rn. 2. 842 L Grämlich, CR 2000,101 (103). 843 Vgl. R Badura, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 529 (543). 844 Vgl. dazu allgemein K.-H. Ladeur/T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), 141 (155).
2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
mente wie z. B. die Auktionsmethode vorgeben, 845 verkennt, dass nur für den generellen Fall eine effiziente Auktionsmethode sowie mögliche Ausgestaltungen zur Vermeidung von Störfaktoren herausgearbeitet werden konnten. Grundsätzlich bleiben die Wahl der Auktionsmethode sowie die Ausgestaltung der weiteren Ausgestaltungsregeln aber abhängig von den konkret zur Vergabe stehenden Frequenzen und den sich bewerbenden Unternehmen. Während die Ausgestaltung der Verfahrensregeln in der Versteigerung der UMTS-Frequenzen hinsichtlich der Endogenisierung der Wettbewerberzahl sowie der Informationspreisgabe die Annahme rechtlicher Zweifel begründet, gilt dies nicht grundsätzlich für alle Verteilungssituationen, in denen das Versteigerungsverfahren zum Zuge kommt. Es verbleibt dabei, dass die konkrete Vergabekonstellation bei der Aufstellung der Verfahrensregeln berücksichtigt werden muss. Die von der dazu legitimierten RegTP auszufüllenden Konkretisierungsspielräume sind deswegen sogar nötig. Damit bestehen Grenzen der Normierbarkeit, die sich allgemein aus der Dynamik und Ungewissheit, die für das Handlungsfeld der Telekommunikation bzw. konkret für die Frequenznutzung kennzeichnend sind, und speziell aus der daraus folgenden sich jeweils hinsichtlich der Teilnehmer sowie des Auktionsobjekts unterschiedlichen, konkreten Vergabesituationen ergeben. Nur durch flexible administrative Ausgestaltungsmöglichkeiten seitens der Exekutive kann in der Versteigerung durch Rahmengestaltung auf die konkrete Vergabesituation mit den jeweiligen Beteiligten und damit auf mögliche Gefahren für die Zielverwirklichung in Form der Ermittlung des effizienten Frequenznutzers durch z. B. Verwirklichung von Störfaktoren adäquat reagiert werden. Die wesentlichen Elemente zur Verwirklichung des Grundrechtsgehalts der Berufsfreiheit in Form der Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit der Verfahrensregeln, die bei der Aufstellung in allen Einzelfällen der Versteigerung zur Anwendung kommen (können und müssen), sind gesetzlich determiniert, so dass den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügt wird. Die gezielte unvollständige materielle Programmierung ist durch verfahrensmäßige Vorkehrungen so ergänzt worden, dass die zu treffende Verteilungsentscheidung zur Optimierung der Interessenberücksichtigung beiträgt; die Entscheidungsfindung ist prozedural abgesichert. 846 Der Forderung nach Sicherstellung wirksamen Grundrechtsschutzes durch Verfahren ist die Regelung des Versteigerungsverfahrens folglich gerecht geworden; der Gesetzgeber durfte darauf vertrauen, dass die RegTP in eigener Verantwortung Verfahrensregelungen erlässt, die die grundrechtsspezifische Chancengleichheit wahren.
Vgl. z. B. in diese Richtung D. Ehlers, K&R 2001, 1 (7); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe S. 114(139). 846
Vgl. allgemein auch W. Hoffinann-Riem, auf dem Prüf stand, Manuskript S. 15.
in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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B. Die Einnahme- bzw. Abschöpfungswirkung von Versteigerungsverfahren Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass die in § 61 Abs. 5 TKG geregelte Frequenzversteigerung als Auswahlverfahren mit den Grundrechten der im Versteigerungsverfahren erfolgreichen, aber auch der unterlegenen Bewerber vereinbar ist. Damit ist allerdings lediglich festgestellt worden, dass die vom Versteigerungsverfahren ausgehende Ve rte i'/wngs Wirkung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Das Versteigerungsverfahren ist zulässiger Auswahlmechanismus zur Feststellung des effizienten Frequenznutzers. Damit ist das Versteigerungsverfahren in seiner Gesamtheit noch nicht vollständig erfasst, da sich Auktionsverfahren durch ihren Doppelcharakter auszeichnen. Einerseits ermöglicht das Versteigerungsverfahren dem Staat eine Auswahl- und Zuteilungsentscheidung der knappen Frequenzen. Andererseits ist diese Entscheidung in ihrer Folge abhängig von der Bereitschaft der erfolgreichen Auktionsteilnehmer, den Zuschlagpreis zu entrichten. Den Versteigerungserlös vereinnahmt der Bund. In einem Versteigerungsverfahren sind die Frequenzzuteilung und die Zahlungsverpflichtung über das Ziel, den effizienten Nutzer zu ermitteln, untrennbar miteinander verknüpft. Dieses unterscheidet sie signifikant von den traditionell angewendeten Verteilungsinstrumenten. Die Einnahme- bzw. Abschöpfiingsv/irkung ist gegenüber der Verteilungswirkung eine eigenständige Problematik. Zwar bestehen auch Überschneidungen, da gerade die Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums auch eine Zahlungsverpflichtung einschließt. Dies steht aber einer Trennung in der Untersuchung nicht entgegen. Die vorangegangenen Ausführungen haben diese finanzielle Gegenleistung noch nicht aus verfassungsrechtlicher Perspektive in den Blick genommen. So wirft der Versteigerungserlös erheblichefinanzverfassungsrechtliche Probleme auf (dazu unter 1). Die neben die Verteilungswirkung tretende Einnahme- bzw. Abschöpfungswirkung ist grundrechtsrelevant. Betroffen ist im Gegensatz zu der vom Auktionsverfahren ausgehenden Verteilungswirkung nur noch der erfolgreiche Versteigerungsteilnehmer. Seine Freiheitsrechte werden durch die Zahlungsverpflichtung berührt. Mit dem Ausgang der Auswahlentscheidung ist er grundsätzlich einverstanden. Sie begünstigt ihn im Gegensatz zu den im Verfahren unterlegenen Bewerbern, deren Interesse darin bestehen dürfte, die Verteilungsentscheidung an sich anzugreifen. Der im Hinblick auf die Zuteilung begünstigte Wettbewerber wird sich hingegen gegen die Einnahme- bzw. Abschöpfungswirkung des Versteigerungsverfahrens wenden (dazu unter II). Zusätzlich wird wiederum der Gesetzesvorbehalt relevant (dazu unter ΠΙ). Abschließend werden in einem Exkurs mögliche Beteiligungsrechte der Länder an den Versteigerungserlösen diskutiert (dazu unter IV).
20 Bumke
306 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren I . Finanzverfassungsrecht Typisches Merkmal eines Versteigerungsverfahrens ist die Erbringung einer finanziellen Gegenleistung für den Erhalt des Frequenznutzungsrechts. Neben der Problematik, ob die Gegenleistungsverpflichtung einen Verstoß gegen Freiheitsrechte der zur Zahlung verpflichteten Unternehmen zur Folge h a t , 8 4 7 stellt sich die Frage, ob die staatliche Einnahmeerzielung finanzverfassungsrechtlich zulässig ist. Während die Art. 104 a ff GG die Erhebungs- und Ertragskompetenzen für Steuern regeln, ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben zulässig ist, aus drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfass u n g . 8 4 8 Die nicht-steuerliche Abgabe ist zunächst gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates zu legitimieren. Des Weiteren muss sie der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen und der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans darf nicht verletzt w e r d e n . 8 4 9
847 Siehe dazu unter Β.Π. 848 So das BVerfG in seiner Entscheidung zum sog. Wasserpfennig (E 93,319,432 f.). Für die Verallgemeinerungsfähigkeit und eine allgemeine Übertragbarkeit der im WasserpfennigBeschluss aufgestellten Rechtfertigungsvoraussetzungen für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben z. B. D. Murswiek, NVwZ 1996, 417 (421); G. Britz, JuS 1997, 404 ff.; W. Kluth, NuR 1997, 105 (109 f.); H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 35 ff. Für eine Übertragbarkeit der Rechtfertigungsvoraussetzungen auf alle nicht-steuerlichen Abgaben spricht der Wortlaut des Beschlusses, den das BVerfG eindeutig für verallgemeinerungsfähig gehalten hat: „Knappe natürliche Ressourcen, wie etwa das Wasser, sind Güter der Allgemeinheit. Wird Einzelnen die Nutzung einer solchen, der Bewirtschaftung unterliegende Ressource ( . . . ) , eröffnet, wird ihnen die Teilhabe an einem Gut der Allgemeinheit verschafft ( . . . ) . Sie erhalten einen Sondervorteil gegenüber all denen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen. Es ist sachlich gerechtfertigt, diesen Vorteil abzuschöpfen." (S. 345). Entscheidend ist also das Vorliegen der Merkmale „knappe natürliche Ressource", die fehlende Zuweisung von Eigentumsrechten sowie das Unterliegen des Gutes einer staatlichen Bewirtschaftung. Dies trifft zweifelsohne auf das Frequenzspektrum zu, siehe dazu oben 1. Teil, 1. Kapitel, Β und in diesem Kapitel unter Α.Π. A.A. A. von Mutius/S. Lünenbürger, NVwZ 1996, 1061 (1064 f.), die einen ausgleichswürdigen Sondervorteil bei genehmigungsfreien Nutzungen und beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ablehnen. Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass die Annahme eines abschöpfungsfahigen Sondervorteils nicht von einer Ausgestaltung auf einfachgesetzlicher Ebene abhängig gemacht werden kann, siehe dazu auch Fn. 963 in diesem Kapitel. 849 Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen, um zu gewährleisten, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Dieser Grundsatz wird vorliegend außen vor gelassen, da er durch die Versteigerungsentgelte nicht berührt wird. Verletzt ist das Prinzip, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert, vgl. BVerfGE 82, 159, 179; 91, 186, 202; 93, 319, 343. Die Versteigerungseriöse werden im Bundeshaushalt unter dem Einzeletat der RegTP vereinnahmt und - vergleichbar mit dem Teil der Bundesbankgewinnabführung, der über den Haushaltsansatz hinausgeht - unmittelbar zur Tilgung fälliger Bundesschulden eingesetzt, vgl. dazu E Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (15); S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 74.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
1. Sachliche Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates Finanzverfassungsrechtliche Schwierigkeiten wirft die Anknüpfung der in § 61 Abs. 5 TKG geregelten Frequenzversteigerung an eine finanzielle Gegenleistung zunächst unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates auf. Die Versteigerungseriöse werden der Bundeskasse zugeführt und zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben eingesetzt.850 Dieser positiven Wirkung der Versteigerungserträge auf Seiten des Bundes stehen Steuermindereinnahmen gegenüber, die aus der Möglichkeit erfolgreicher Unternehmen resultieren, die Frequenzerwerbskosten als Betriebsausgaben steuermindernd ansetzen zu können. Diese Belastung trifft sowohl den Bund als auch die Länder. Die Versteigerung staatlich verwalteter, knapper Ressourcen könnte gegen die grundgesetzlich vorgesehene Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenzen für das Steuerwesen verstoßen. Zu untersuchen ist damit, ob die dem Bund nach Art. 73 Abs. 7 GG zustehende Sachkompetenz für den Telekommunikationssektor es erlaubt, die Frequenzvergabe an das Erbringen einer finanziellen Gegenleistung zu koppeln. Würde diese Vorgehensweise allerdings den Vorgaben der Finanzverfassung widersprechen, wäre § 61 Abs. 5 TKG schon kompetenzwidrig, was die betroffenen Unternehmen zumindest in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen würde. 851 a) Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung Nach dem BVerfG ist für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer öffentlichen Abgabe entscheidend, dass sie den Anforderungen standhält, die sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung ergeben. 852 Funktion der (verfassungsrechtlichen) Finanzordnung ist es, sicherzustellen, dass der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt werden. 853 Der Finanzverfassung „liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden grundsätzlich aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt (Prinzip des Steuerstaates)" 854. Damit gibt die Verteilung der 850 D. Beese/D. Naumann, MMR 2000,145 (145). 851 Siehe dazu insb. K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (363 ff.); H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 (25 ff.); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (213 ff.). Zu den Konsequenzen hinsichtlich der Aufteilung der Erträge zwischen Bund und Ländern siehe unten in diesem Kapitel unter B.IV. 852 BVerfGE 93, 319, 342 f. 853 BVerfGE 93, 319, 342; 105, 185, 194. 854 BVerfGE 78, 249, 266 f.; 93, 319, 342. Siehe dazu aus der Literatur K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 45; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 ff.; E. Gawel, Der Staat 39 (2000), 209 ff. Kritisch zum Gehalt H. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, vor Art. 104 a Rn. 44. 20*
2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Steuerhoheit zwischen Bund und Ländern dem Steuerstaat des Grundgesetzes Konturen. Geregelt werden soll in den Art. 104 a ff. GG neben dem bundesstaatlichen Steuerverteilungsproblem insbesondere auch das auf Stabilität gerichtete Verhältnis der einzelnen Finanzstaaten, die zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben voraussetzungslos nur auf das Instrument der Steuer zurückgreifen können. 855 Das System der bundesstaatlichen Finanzverfassung mit ihren Verteilungsentscheidungen kann nur dann Bestand haben, wenn die Finanzierung durch Steuern als voraussetzungsloser Zugriff auf das Geld der Steuersubjekte konkurrenzlos bleibt. Die in den Art. 104 a ff. GG niedergelegten Steuererhebungs- und Steuerertragskompetenzen sind auf die dort genannten Steuerarten begrenzt. Nichtsteuerliche Abgaben können vom Bundes- und den Landesgesetzgebern unter Berufung auf die Sachgesetzgebungskompetenzen nach Art. 73 ff. GG eingeführt werden. 856 Aus dem Prinzip des Steuerstaates folgert das BVerfG als Kehrseite, dass solche Einnahmen nur ausnahmsweise, das heißt unter besonderen Voraussetzungen, außerhalb des von der Finanzverfassung erfassten Bereichs erhoben werden dürfen. 857 Für die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben folgen Grenzen aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung. Wenn die Verfassungsentscheidung für den Steuerstaat beinhaltet, dass die öffentlichen Aufgaben im Wesentlichen steuerfinanziert wahrgenommen werden, hat das für öffentliche, nicht-steuerliche Abgaben zur Konsequenz, dass sie als Ausnahme einem besonderen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sind. Die grundgesetzliche Finanzverfassung würde ihren Sinn und ihre Funktion einbüßen, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern neben der Steuer beliebig viele Abgaben unter Umgehung der bundesstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungsund Ertragskompetenz für das Steuerwesen eingefordert werden könnten. 858 Die „Geschlossenheit und differenzierte Ausgestaltung" 859 wäre nicht mehr gewährleistet und die „sorgsam ausbalancierende Regelung" 860 der Finanzverfassung würde ausgehöhlt. Der Gesetzgeber würde „einen der am sorgfältigsten behauenen und in einer Kette von Verfassungsänderungen mehrfach modifizierten Ecksteine aus dem Gefüge der bundesstaatlichen Verfassung herausbrechen" 861. Schließlich gilt es zu verhindern, dass die Grenze der finanziellen Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte überschritten wird, weil sie zu stark mit sonstigen Abgaben belastet sind. 855 Die Funktion, Mittel zur Finanzierung von Gemeinlasten zu gewinnen, ist „ausschließlich der Steuer zugewiesen", vgl. BVerfGE 55, 274, 300. Siehe auch BVerfGE 78, 249,266 f.; 82, 159, 178; 93, 319, 342. Siehe aus der Literatur D. Birk/R. Eckhoff, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54 (55); W. Heurt, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10 (10); E Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (147 f.); R Kirchhof HdbStR IV, § 88 Rn. 45, 269; H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 (25). 856 BVerfGE 55, 274, 297. 857 BVerfGE 78, 249, 267. 858 BVerfGE 55, 274, 300 ff.; 93, 319, 342. 859 BVerfGE 67, 256, 286. 860 BVerfGE 78, 249, 266. 861 BVerfGE 55, 274, 302.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3
Andernfalls würde die eigentliche, in der Finanzverfassung geregelte Einnahmequelle des Staates - die Steuern - leer laufen. Diese Argumentation bildet auch die Grundlage für die Forderung, dass sich solche Abgaben, die unter Berufung auf Sachkompetenzen eingeführt werden, deutlich von denen unterscheiden, die auf die Kompetenzvorschriften der Finanzverfassung gestützt werden. 862 Eine Abgrenzung zur Steuer ist also erforderlich. 863 Zudem bedürfen nicht-steuerliche Abgaben einer über die bloße Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. 864 Gerade die Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung muss einem mit der Sachkompetenz gedeckten Regelungsanliegen des Gesetzgebers entsprechen, das über die Einnahmeerzielung hinausgeht. Diese Anforderungen gelten auch für in einem Versteigerungsverfahren zur Allokation knapper Frequenzen anfallende Versteigerungsentgelte, wenn das Versteigerungsverfahren vor der Finanzverfassung Bestand haben soll. 8 6 5
b) Versteigerungserlöse als öffentliche Abgaben Die Vorgaben der Finanzverfassung sind nur bei öffentlich-rechtlichen Abgaben einschlägig. Versteigerungserlöse lassen sich nur schwer in das bisherige System der Abgabentypen einordnen. Im Unterschied zu den bisher bekannten Abgabentypen wird ihre Höhe nicht einseitig hoheitlich durch den Staat festgesetzt. Sie ergibt sich vielmehr durch den Versteigerungsvorgang und unterliegt in ihrer Bestimmung letztlich den privaten Unternehmen, die sie durch die Höhe ihrer Gebote bestimmen. Alle finanzverfassungsrechtlichen Abgabeformen statuieren einseitig-hoheitlich kraft öffentlichen Rechts eine Geldleistungspflicht des Pflichtigen gegenüber dem Staat oder seiner Körperschaften, um zumindest auch Einnahmen für den staatlichen Finanzbedarf zu erzielen. 866 Unter den öffentlichen Abgabenbegriff fallen damit die Steuer, die Gebühr, der Beitrag, der Sonderbeitrag und sonstige öffentliche Abgaben. 867 Keine Abgaben im beschriebenen Sinn sind Staatseinnahmen, die nicht hoheitlich auferlegt werden, wie etwa die Erträge aus Veräußerung von Staatsvermögen. 862 BVerfGE 93, 319, 343. 863 BVerfGE 55,274, 298; 81,156, 187. 864 BVerfGE 78,249, 266 f.; 93, 319, 343. 865 Der Großteil der Literatur sieht dies ebenso, siehe z. B. F. Becker, DÖV 2003, 177 (178); H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 ff.; ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 ff.; Κ Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (363 ff., 382 ff.). Anders wohl O. Klöck, RTKom 2000, 280 (285 ff.), welcher der Finanzverfassung im Rahmen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen keine besondere Bedeutung zuerkennt. 866 BVerfGE 13, 181, 198; BVerwG, DVB1. 1993, 441, 442; K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 65; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 26 ff. 867 Vgl. dazu W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10 ff.
2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Der öffentlich-rechtliche Abgabencharakter des Versteigerungserlöses ist teilweise mit der Argumentation angegriffen worden, es handele sich bei der im Versteigerungsverfahren entstehenden Zahlungsverpflichtung um einen (Kauf-)Preis für eine Frequenz. 868 Der Gedanke, den Versteigerungserlös wie ein staatlich erwirtschaftetes Veräußerungsentgelt zu behandeln, liegt jedoch nur auf den ersten Blick nahe. Er folgt aus der Überlegung, dass in einem Versteigerungsverfahren der Begünstigte und Zahlungspflichtige mit seinem freiwilligen Gebot auch über die Höhe seiner Zahlungspflicht entscheidet. Das für die Qualifizierung als öffentliche Abgabe tangierte Merkmal wäre die „einseitig hoheitliche Auferlegung" der Leistungserbringung. Die Freiwilligkeit entfällt dann, wenn der Nachfrager nur zwischen dem staatlichen Angebot oder einem Verzicht auf seine Nachfrage entscheiden kann. 869 Zwar ist die Teilnahme am Versteigerungsverfahren freiwillig, sie beinhaltet aber einen faktischen Teilnahmezwang, da sie die einzige Möglichkeit ist, die gewünschten Frequenzen zu erhalten. Die Höhe der zu entrichtenden Zahlungsverpflichtung ergibt sich dabei aus einem marktlichen Allokationswettbewerb der Versteigerungsteilnehmer, dessen Sinn und Zweck aber die staatliche Steuerung der optimalen Ressourcenverteilung ist. Dieser öffentlich-rechtliche Charakter folgt zudem daraus, dass die Vergabe und die Forderung der Zahlungsverpflichtung letztlich durch Verwaltungsakt vorgenommen werden. 870 Lediglich die Höhe der Zahlungsverpflichtung wird von den Versteigerungsteilnehmern privatwirtschaftlich im freien Wettbewerb nach marktwirtschaftlichen Prinzipien bestimmt. Der Staat bedient sich mit dem Ziel einer optimalen Verteilung von knappen Ressourcen wie Funkfrequenzen eines privaten, marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus als Instrument für eine hoheitliche und damit öffentlich-rechliche Tätigkeit. 871 Versteigerungserlöse unterscheiden sich lediglich in ihrer Erhebungs- und Berechnungsmethode von den bisher bekannten Abgaben, 872 womit der Abgabencharakter der Versteigerungsentgelte nicht zweifelhaft ist. 868 So L Grämlich, CR 1999, 752 (757); L Grämlich, CR 2000, 101 (106). 869 ρ Kirchhof, HdbStR IV, § 88, Rn. 319. 870 Vgl. oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.II.3.c). Insbesondere D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 44 f., will Entgelte, die vom Schuldner durch zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakt eingefordert werden, aus dem Begriff der öffentliche Abgabe herausnehmen. Dabei geht er jedoch von der Konstellation aus, dass Gläubiger und Schuldner im Zuge eines freiwilligen Zusammenwirkens das Entgelt aushandeln, womit er an eine eindeutig andere Sachverhaltskonstellation denkt als sie bei der Frequenzversteigerung vorliegt. 871 Vgl. § 11 Abs. 3 und 4 TKG-alt. Vgl. auch S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 58 ff.; (/. Hufeid, JZ 2002, 871 (874). 872 im Ergebnis ebenso K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3098 ff.); R. Breuer, in: Festschrift für H. Maurer, S. 25 (42 ff.); H.-J. Piepenbrock/U. Müller, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 8 (45); M. Kotier, DVB1. 2001, 1556 (1560 ff.); U. Hufeid, JZ 2002, 871 (876 ff.); 7. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (162 f.); A. Leist, DVBL 2002, 903 ff.; F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (13, 19); ders., DÖV 2003, 177 (178); K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (365). Α. A. P. Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1308), der den Abgabencharakter verneint, da sie der Vorgabe der Tatbestandsmäßigkeit weder dem Grunde noch der Höhe der Geldleistungspflicht nach entsprächen, die allein durch den Marktmechanismus bestimmt werde.
4. Kap. : Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
311
Auch die Tatsache, dass die Abgaben Nebenprodukte der Allokation knapper Frequenzen sind, ändert nichts an dieser Qualifikation. Zur Lösung der Verteilungsaufgabe bedient sich der Staat mit dem Versteigerungsverfahren zwar eines marktwirtschaftlichen Mechanismus, der untrennbar mit der Erwirtschaftung eines Erlöses verbunden ist, da seine Erhebung „zentrale Funktionsbedingung" einer Versteigerung ist. 8 7 3 Es ist aber allgemein anerkannt, dass Lenkungszwecke als Haupt- und Einnahmenzwecke als Nebenzwecke mit der Abgabenerhebung verfolgt werden dürfen. 874 Bei einigen Abgaben ist der Einnahmecharakter sogar zwingende Voraussetzung. Die Einnahmeerzielung durch ein Versteigerungsverfahren ist zumindest Nebenzweck. Es ergibt sich zumindest implizit aus den kontroversen Auseinandersetzungen über die Verteilung der Versteigerungserlöse zwischen Bundesregierung und Bundesrat 875 bzw. Bund und Ländern. 876 Auch die Verteilungsfunktion des Versteigerungsverfahrens steht der Einordnung des Versteigerungserlöses als öffentliche Abgabe nicht entgegen.
c) Abgrenzung zur Steuer Die Einordnung der Versteigerungserlöse als öffentliche Abgaben erfordert für ihre Zulässigkeit die Abgrenzung zu Steuern, da nur so das finanzverfassungsrechtliche Ziel, eine Verteilungsordnung herzustellen, gewahrt werden kann. Ein Versteigerungsverfahren kann mit der Vereinnahmungskompetenz des Bundes wie insbesondere die Versteigerung der UMTS-Lizenzen mit einem Erlös in Höhe von knapp DM 100 Mrd. gezeigt hat - 8 7 7 Auswirkungen auf das finanzverfassungsrechtliche System haben. Die Abgrenzung zu Steuern ist insbesondere erforderlich, weil sich sowohl Steuern als auch Versteigerungsentgelte dadurch auszeichnen, dass mit ihnen keine konkrete individuelle Staatsleistung abgegolten werden soll, sondern sie zur allgemeinen Staatsfinanzierung herangezogen werden.
873 w. Kummel, 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (527); B. C. Fritts, 51 Fed. Comm. L.J. (1999), 849 (855); F Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (14). 874 κ Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 50 ff.; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 27; P. Selmer/C. Brodersen, DVB1. 2000, 1153 ff.; H. Weber-Grellet, NJW 2001, 3657 (3657, 3660 ff.). 875 Vgl. schon für das TKG-alt BT-Drs. 13/4438, S. 32. Für das TKG-2004 BR-Drs. 755/03, S. 27; BT-Drs. 15/2907, S. 1. 876 Vgl. BVerfGE 105, 185 als Ergebnis der gerichtlichen Auseinandersetzung der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gegen den Bund, siehe auch unten unter B.IV. 877 Vgl. oben in der Einführung unter B. Im Gegensatz zu der Erlöshöhe der UMTS-Versteigerung brachte der sog. Wasserpfennig in Baden-Württemberg zwischen DM 145 und 165 Mio. pro Jahr und in Hessen 1992 ca. DM 25 Mio., 1993 knapp DM 80 Mio. und im Jahr 1994 knapp DM 160 Mio., vgl. BVerfGE 93, 319, 321. Die höchsten Einnahmen (knapp DM 5,5 Mrd.) der bisher für verfassungswidrig erklärten Sonderabgaben brachte der sog. Kohlepfennig im Jahr 1992, vgl. BVerfGE 91,186,190.
2 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Die Abgrenzung von Steuern und anderen öffentlichen Abgaben wird nach dem Ausschlussprinzip vorgenommen: Nicht-steuerliche Abgaben sind Abgaben, die keine Steuer sind. Es handelt sich um eine nicht-steuerliche Abgabe, wenn der Abgabe ein Merkmal fehlt, das für ihre Einordnung als Steuer zwingende Voraussetzung ist. 8 7 8 Ausgangspunkt ist der verfassungsrechtliche Steuerbegriff. Eine Legaldefinition der Steuer enthält das Grundgesetz zwar nicht. Es ist jedoch anerkannt, dass die Art. 104 a GG ff. einen verfassungsrechtlichen Steuerbegriff voraussetzen. Ansonsten stünde die Anwendbarkeit der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. 879 Für die verfassungsrechtliche Begriffsdefmition der Steuer wird der in § 1 Abs. 1 R A O 8 8 0 enthaltene Steuerbegriff und damit die klassische Definition der Steuer von Otto Mayer 881 übernommen. Danach sind Steuern im Sinne des Grundgesetzes einmalige oder laufende Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften denjenigen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungsfähigkeit knüpft. 882 Ihre Qualifikation als nicht-steuerliche Abgabe folgt für die Versteigerungserlöse nicht schon daraus, dass primäres Ziel eines Versteigerungsverfahrens nicht die Einnahmenerzielung, sondern die staatliche Verteilungslenkung ist, da die Verfolgung anderer Zwecke als einen fiskalischen nicht das maßgebliche Abgrenzungskriterium ist. 8 8 3 Eine Unterscheidung nach dem Finanzierungs- und Lenkungszweck erlaubt indessen keine klare Grenzziehung und führt nicht zu eindeutigen Ergebnissen: Jede Abgabe erfüllt zumindest neben anderen auch eine Finanzierungsfunktion. 884 Für die Abgrenzung 878
U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 193. 879 κ. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 43; J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 260 ff.; W Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10; F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 (554 f.). 880 Reichsabgabenordnung i.d.F. vom 22. 5. 1931, RGBl. I S. 161. Dieser wurde inzwischen abgelöst durch § 3 Abs. 1 AO, dessen S. 1 Hs. 1 im Verhältnis zu § 1 Abs. 1 S. 1 RAO lediglich eine redaktionelle Überarbeitung erfahren hat. Neu ist dagegen der 2. Satz des § 3 Abs. 1 AO, der explizit bestimmt, dass die Einnahmenerzielung auch Nebenzweck sein kann. Im Gegenzug wurde § 1 Abs. 1 S. 2 2. Hs. RAO gestrichen, der explizit bestimmte, dass unter die Legaldefinition der Steuer in Abs. 1 S. 1 keine Gebühren für die besondere Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vorzugslasten) fallen sollten. 881 Nach der Definition von O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, S. 316, ist „die Steuer eine Geldzahlung, welche dem Untertanen durch die öffentliche Gewalt auferlegt wird, schlechthin zur Vermehrung der Staatseinkünfte, aber auch nach einem allgemeinen Maßstabe". 882 St. Rspr. seit BVerfGE 3, 407, 434 f.; 49, 343, 353 ff.; 55, 274, 299; 72, 330, 433. Vgl. auch H. Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff; M. Heintzen, in: I. von Münch/R Kunig (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 12 ff.; W Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 13; K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 43 ff.; P. Kirchhof HdbStR IV, § 88, Rn. 50 ff.; D. Birk/R. Eckhoff, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54 (55 ff.). Diese Definition entspricht auch dem Steuerbegriff in § 3 Abs. 1 AO. 883 BVerfGE 3, 407, 436; 6, 55, 81; 16, 147, 161; 30, 250, 264; 36, 66, 70 f.; W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 15 ff.; R Selmer/C Brodersen, DVB1. 2000, 1153 (1156).
4. Kap. : Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
313
ist vielmehr entscheidend, dass Steuern im Gegensatz zu anderen öffentlichen Abgaben nicht durch den „besonderen Zweck und Zusammenhang" gekennzeichnet sind, der ihre Auferlegung rechtfertigt. Die Steuer zeichnet sich gerade durch ihre „Voraussetzungslosigkeit" „schlechthin" zur Vermehrung der Staatseinkünfte aus. 885 Sie ist gegenleistungsunabhängig.886 Zu untersuchen ist daher, ob in der Vergabe von Funkfrequenzen in einem Versteigerungsverfahren ein synallagmatisches Austauschverhältnis besteht. Es geht um die Frage, ob der Staat eine „besondere Leistung" im Gegenzug zu der Auferlegung der Entgeltverpflichtung erbringt. aa) Rechtsverleihung als „ besondere staatliche Leistung " Der Frage, ob die in der Einräumung der Frequenznutzung liegende Rechtsverleihung als staatliche Gegenleistung anerkannt werden kann, soll die Einordnung der Versteigerungseriöse in das System der nicht-steuerlichen Abgaben vorangestellt werden. (1) Der Versteigerungserlös im System der nicht-steuerlichen Abgaben Anerkannte Kategorisierungen nicht-steuerlicher Abgaben sind Sonderabgaben, Beiträge und Gebühren. Die Gebühr wird gemeinhin unterteilt in Verwaltungs- und Benutzungsgebühren. Die Zulässigkeit von Verleihungs- und Ressourcennutzugsgebühren wird insbesondere im Zusammenhang mit der Erhebung von Umweltabgaben diskutiert. (a) Das Versteigerungsentgelt als Sonderabgabe? Sonderabgaben sind hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten, denen keine unmittelbar staatliche Gegenleistung gegenübersteht und die daher in Konkurrenz zur Steuer stehen.887 Sie zeichnen sich nach der Rechtsprechung des BVerfG dadurch aus, dass sie einer von der Allgemeinheit abgrenzbaren homogenen Gruppe von Abgabepflichtigen auferlegt werden, die eine besondere Sachnähe zu der zu finanzierenden Aufgabe aufweist, wobei der Ertrag aus der Sonderabgabe gruppennützig, also im Sinne des zu finanzierenden Zwecks eingesetzt wird. 8 8 8 884
Siehe statt vieler P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht. 885 o. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, S. 315 f. 886 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, S. 315 f.; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 106; W. Heun, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10 (19). 887 BVerfGE 81,156, 186 f.; 78, 249, 267; 75, 108, 147. 888 BVerfGE 55, 274, 305 ff.; 67, 256, 274 ff.; 78, 249, 267 ff.; 82, 159, 179 ff.; 92, 91 ff.; W. Heun, DVB1. 1990, 666 ff.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (147 ff.); C. Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (273 ff.); P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 227 ff. Kritisch U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 77 ff.; H. Siekmann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, vor Art. 104 a Rn. 146.
314 2. Teil: Frequenzversteigengsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Selbst wenn die erforderliche Gruppenhomogenität der um die Frequenzen konkurrierenden Auktionsteilnehmer wegen deren einheitlichem Interesse am Versteigerungsobjekt und der entsprechenden Ausrichtung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit noch anzunehmen ist, scheitert die Qualifikation des Versteigerungserlöses als Sonderabgabe sowohl am Erfordernis einer gruppennützigen Verwendung des Abgabenertrages 889 als auch an der Begründung der geforderten besonderen Finanzierungsverantwortung für den mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck. 8 9 0 Der Versteigerungserlös wird nicht gruppennützig, sondern zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet. Es ist auch nicht erkennbar, welcher besondere Zweck mit der Einnahme der Versteigerungserlöse verfolgt werden soll, für deren Verwirklichung dem Frequenznehmer eine höhere Finanzierungsverantwortung zukommt als der Gesamtheit der Steuerzahler. (b) Das Versteigerungsentgelt als Beitrag? Der Versteigerungserlös ist auch nicht als Beitrag zu qualifizieren. Beiträge sind Abgaben zur vollen oder teilweisen Deckung der Kosten für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung oder Instandsetzung öffentlicher Einrichtungen oder Anlagen, die von demjenigen erhoben werden, dem die öffentliche Einrichtung einen besonderen Vorteil gewährt. 891 Anerkannt ist, dass auch die potenzielle Inanspruchnahme beitragspflichtig sein kann. 892 Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung ist mithin keine konkrete Gegenleistung. Der Versteigerungserlös wird nicht zur Kostendeckung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage erhoben. Hinzu kommt, dass nicht die Frequenznutzung, sondern die Erteilung des Nutzungsrechts die Entgeltverpflichtung auslöst. Die Zahlungsverpflichtung steht nicht in Abhängigkeit zur Nutzung. 893
889 Im Gesetzgebungsverfahren zum TKG-alt hatte der Bundesrat gefordert, den Versteigerungserlös einem Sonderfond zuzuführen, der die flächendeckende Verfügbarkeit von Telekommunikationsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen fördern sollte, ihn also einer Zweckbindung zu unterstellen. Dabei sollte die Verwendung der Mittel unter Beteiligung der Länder erfolgen. Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag mit der Begründung ab, dass Versteigerungen lediglich dazu dienten, den wirtschaftlichen Knappheitspreis der Frequenzen zu ermitteln und nicht, Lenkungsaufgaben wahrzunehmen, vgl. BT-Drucks. 13/4438, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, Nr. 24, S. 9 und Anlage 3, Erwiderung der Bundesregierung zu Nr. 24, S. 32. 8 *> Ebenso F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (19); ders., DÖV 2003, 177 (181); M. Kotier, DVB1. 2001,1556 (1562); H.-W. Arndt, K&R 2001, 23 (28 f.). 8
*i BVerfGE 82, 159, 178; BVerwGE 72, 212, 218 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 13; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, § 42 Rn. 19. S92 BVerwGE 72, 212, 219; 92, 91,115. 8
93 So auch H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (234); ders., K&R 2001, 23 (29).
4. Kap. : Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
315
(c) Das Versteigerungsentgelt als Gebühr Der Begriff der Gebühr wird im Grundgesetz zwar verwendet (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG), aber inhaltlich nicht definiert. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Vorteile dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden. 894 Sie knüpfen entweder an einen dem Einzelnen als Folge des Verhaltens eines Hoheitsträgers zugeflossenen individuellen Vorteil oder an vom Einzelnen individuell zu verantwortende Kosten des Hoheitsträgers an. Sie sind dann dazu bestimmt, den Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen bzw. die Kosten ganz oder teilweise abzugleichen. 895 Ihre finanzverfassungsrechtliche Legitimation leitet die Gebühr aus der „individuellen Zurechenbarkeit" einer Verwaltungsleistung zu dem Gebührenschuldner ab. 8 9 6 Eindeutig anerkannte Untergruppen der Gebühr sind Verwaltungs- und Benutzungsgebühren. Versteigerungsentgelte sind keine Verwaltungs- oder Benutzungsgebühren.897 Während die Verwaltungsgebühr eine Gegenleistung der Verwaltung für eine dem Gebührenpflichtigen individuell gewidmete Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit ist, 8 9 8 wird eine Benutzungsgebühr als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder öffentlicher Anlagen erhoben. 899 Die im Versteigerungsvorgang ermittelte Höhe der Zahlungsverpflichtung orientiert sich am wirtschaftlichen Wert der Frequenzen und nicht an dem Verwaltungsaufwand, der sich aus der Frequenzallokation ergibt. 900 Dementsprechend differenziert auch § 142 Abs. 5 TKG zwischen der Zuteilungsgebühr, die als Verwaltungsgebühr 901 nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 TKG den Verwaltungsaufwand der Frequenzzuteilung abgelten 894 BVerfGE 50, 217, 226; 97, 271, 345; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 82; P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 185; Κ Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (518 ff.); B. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 13. 895 BVerfGE 50, 217, 226; 97, 322, 345; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 82; P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 185; Κ Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 ff.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 13. 896 BVerfGE 50, 217, 226; BVerfG, NJW 1998, 2128, 2130; BVerwGE 95, 188, 200; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 82. 897 Verwaltungs- und Benutzungsgebühren werden in vielen Gebührengesetzen, insbesondere in den Kommunalabgabengesetzen - explizit genannt, vgl. ζ. B. § 3 GebG Hmb (Verwaltungsgebühren) und § 4 Abs. 1 GebG Hmb (Benutzungsgebühren), die auch Legaldefinitionen enthalten. 898 F. Kirchhof Die Höhe der Gebühr, S. 25 f.; P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 186; M. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 248; H. J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Allgemeines Verwaltungsrecht, Band 1, § 42 Rn. 27. 899 R Kirchhof Die Höhe der Gebühr, S. 26; P. Kirchhof HdbStR IV, § 88 Rn. 186; M. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 248; J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (775); Η. J. Wolff /Ο. Bachof/R. Stober, Allgemeines Verwaltungsrecht, Band 1, § 42 Rn. 29. 900 So auch H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (237); ders., K&R 2001, 23 (29); K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3098). 901 R. Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 16 Rn. 1 a.
316 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
soll, und dem Versteigerungserlös. Frequenzen sind zudem keine öffentliche Einrichtung, die mit ihrer Nutzung in Anspruch genommen wird. 9 0 2 Sie sind natürliche Ressourcen. Das Frequenzspektrum wird nicht staatlich produziert. Die mit der Frequenzordnung nach §§ 52 ff. TKG im Zusammenhang stehende Planung und Verwaltung des Frequenzspektrums und die diesbezüglich mögliche Erhebung einer Zuteilungsgebühr nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG und eines Frequenznutzungsbeitrags nach § 143 TKG erfassen keine Gebührenhöhe, die sich aus der Ermittlung der Marktpreise der Frequenzen durch das Versteigerungsverfahren ergibt. Versteigerungsentgelte lassen sich zwar nicht in die Kategorien der Benutzungsoder Verwaltungsgebühren einordnen, sie fallen aber dennoch unter den Oberbegriff der Gebühr. Die Versteigerungsentgelte als öffentlich-rechtliche Geldleistungen werden von den im Versteigerungsverfahren obsiegenden Unternehmen aus Anlass der individuell zurechenbaren Einräumung der Frequenznutzung durch § 61 Abs. 5 TKG auferlegt. Es handelt sich bei dem Versteigerungsentgelt um eine Vorzugslast.903 Die Untergruppen der Verwaltungs- und Benutzungsgebühren passen hingegen nicht. Die ursprünglich aus dem Kommunalrecht stammende Aufteilung in Verwaltungs- und Benutzungsgebühren ist aber nicht erschöpfend. Es gibt keinen numerus clausus der Gebührenarten. 904 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Qualifikation einer Abgabe als Gebühr lassen dem Gesetzgeber einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. 905 Das Grundgesetz verwendet den Begriff der Gebühr (vgl. Art. 74 Nr. 22 GG und Art. 80 Abs. 2 GG), ohne ihn zu definieren. Nach Feststellung des BVerfG enthält das Grundgesetz „keinen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ergäben". 906 Es ist also möglich, neben den bisher kategorisierten Abgabetypen neue zu finden und weitere Gebühren zu erheben. Dass Gebühren unabhängig davon, wie sie bezeichnet werden, verfassungsgemäß sein können, hat das 902 Ebenso wiederum H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (237); ders., K&R 2001, 23 (29); K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3098); D. Beese/D. Naumann, MMR 2000, 145 (146). 903 Nach P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 183 hat die Vorzugslast „die Aufgabe, den durch eine Staatsleistung zugewendeten Vermögenswert zu neutralisieren. Sie bewirkt idealtypisch, dass das Gesamtvermögen des Vorteilsempfängers unverändert bleibt". Auf den Versteigerungserlös und die Ressourcennutzungsgebühr trifft dies unzweifelhaft zu. Die Versteigerungserlöse als Verleihungs-, Ressourcennutzungsgebühren oder ihnen verwandte öffentliche Abgaben stufen Κ Schumacher, NJW 2000, 3096 (3098 ff.); M. Kotier, DVB1. 2001, 1556 (1560 ff.); J. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (162 f.); A. Leist, DVB1. 2002, 903 ff.; F. Becker, DÖV 2003, 177 (178) ein. Für eine öffentliche Abgabe sui generis K -Α. Schwarz, RTKom 2001, 141 (145); H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (213); S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 69. 904 BVerfGE 82, 159, 159 (2. Leitsatz), 181; 93, 319, 342 ff.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (143 ff.); P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 269 f.; K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 46 f. 905 BVerfGE 50, 217, 226. 906 BVerfGE 50, 217, 225 f.
4. Kap. : Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
317
BVerfG im Wasserpfennig-Beschluss bestätigt. 907 Fragen der Systematisierung und Katalogbildung sind keine Fragen des Verfassungsrechts. 908 (2) Frequenznutzungsrecht als „Gegenleistung" Ob die Gewährung von Nutzungsrechten als staatliche „Gegenleistung" anzusehen ist, wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit der Gebührenerhebung und der so genannten Verleihungs- oder Ressourcennutzungsgebühr kontrovers diskutiert. 909 Die Verleihungsgebühr hat lange ein Schattendasein in der rechtswissenschaftlichen Diskussion geführt. Erst im Zusammenhang mit der Problematik der Zulässigkeit von Umweltabgaben sowie deren Abschöpfungswirkung ist sie zusammen mit der von Murswiek entwickelten so genannten Ressourcennutzungsgebühr erneut zunehmend in den Fokus der Diskussion gerückt. 910 Vereinzelt wird vertreten, dass der Gebühr der Zweck der Kostendeckung immanent sei. 911 Es müssten tatsächliche Kosten vorliegen oder es müsste eine staatliche Vermögensveräußerung stattfinden, die durch die Gebührenerhebung ausgeglichen werden sollen. 912 Als Begründung wird auf die Funktion der Einnahmeerzielung zur Deckung spezieller Kosten verwiesen. Nur so könne die Finanzverfassung in ihrem Wesen geschützt werden. 913 Als Einschränkung gelte allerdings, dass die Gebührenerhebung nur typischerweise mit einer Kostenverursachung verbunden sei, diese aber nicht notwendige Voraussetzung sei. 9 1 4 Diese 907 BVerfGE 93, 319 ff. Auch das BVerfG ließ eine Differenzierung zwischen Verleihungsund Ressourcennutzungsgebühr offen und nahm keine genaue Qualifikation vor. 908 Die Einordnung des Versteigerungserlöses in die Kategorien der Ressourcennutzungsoder Verleihungsgebühren soll allerdings erst an späterer Stelle erfolgen, da die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen nicht auf die Kategorisierung abstellen, sondern abstrakt Anforderungen aufstellen. Ob man den Versteigerungserlös nun als Verleihungsgebühr oder Ressourcennutzungsgebühr bezeichnet, ist für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ohne Bedeutung. 909 5. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben; F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 ff.; F. Kirchhof, DÖV 1992, 233 ff.; 7. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 ff.; Κ. H Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 ff.; M. Kloepfer/W. Follmann, DÖV 1988, 573 (581 f.); R. Hendler, AöR 115 (1990), 577 ff.; R. Breuer, DVB1. 1992, 485 (491); D. Murswiek, NuR 1994, 170 ff.; ders., NVwZ 1996, 417 (419); A. v. Mutuis/S. Lünenbürger, NVwZ 1996,1061 ff.; D. Birk, in: Festschrift für W. Ritter, S. 41 ff. 910 Vgl. F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 ff.; S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 125 ff.; dies., in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 144; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 95 ff.; 7. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 295 ff. 911 D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 89. 912 W Köck, UPR 1991, 7 (8); J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (777). 913 D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 50. 914 D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 50.
318 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Auffassung verneint insbesondere, dass die erforderliche staatliche Gegenleistung in der Duldung der Nutzung oder in der Verleihung des Nutzungsrechts gesehen werden kann. 915 Beiden Anknüpfungspunkten zur Gebührenerhebung liege keine kostenverursachende staatliche Aktivität zugrunde. 916 Bei Rechtsverleihungen fehle es an der zu vergütenden staatlichen Leistung. 917 Weiter einschränkend fordert Pietzcker sogar, dass die Gebührenerhebung nur dann zu rechtfertigen sei, wenn sie an „die Übertragung eines wirtschaftlichen Wertes aus dem Vermögen des Staates" anknüpfe, 918 was nur dann der Fall sein könne, wenn es durch das Verhalten des Bürgers zu einer Verringerung des staatlichen Vermögens käme. Als Begründung wird die verfassungsrechtliche Stellung der Steuer im Gefüge der Finanzverfassung angeführt: Das finanzverfassungsrechtliche System könne nur funktionsfähig bleiben, wenn durch Gebühren keine zusätzliche Einnahmenquelle geschaffen würde. 919 Dieses Problem stellt sich in gleicher Weise für die Versteigerungserlöse. Frequenzen gehören nicht zum Staatsvermögen und werden auch nicht vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern lediglich von ihm verteilt. Es liegt keine staatliche Eigentumszuweisung des Frequenzspektrums vor. 9 2 0 Zweifelhaft ist dies mangels Körperlichkeit schon wegen der fehlenden Eigentumsfähigkeit der Frequenzen nach dem BGB (vgl. § 903 i.V.m. § 90 BGB). Auch von der Möglichkeit des Bundesgesetzgebers, von den Regelungen des BGB abweichende eigentumsähnliche Rechtspositionen festzulegen, solange dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wurde kein Gebrauch gemacht. Schon unter der Geltung des Art. 87 Abs. 1 GG a.F. fand sich im Gegensatz zu den Infrastrukturanlagen (Art. 89 Abs. 1, 90 Abs. 1 GG a.F.) im Grundgesetz für Frequenzen keine ausdrückliche Eigentumszuweisung an den Bund. Eine solche war auch nicht notwendig, da der Bundespost nach den §§ 1 ff. FAG das Recht zustand, die der Frequenznutzung vorgelagerte Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsanlagen zu verhindern. 921 Auch die Neueinführung des Art. 87 f GG änderte die Rechtslage nicht. Der Telekommunikationssektor wurde mit der Einführung des Art. 87 f GG in die Privatwirtschaftlichkeit überführt, ohne dass dem Staat Eigentum am Frequenzspektrum zugewiesen wurde. Die dem Bund verbleibenden Aufgaben beschränken sich dabei ausdrücklich auf Hoheitsaufgaben (Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG). Hierzu zählt nicht die Vermögenswerte Zuordnung der 915 F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 (555). 916 s. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 70. 9Π M. Jachmann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 9; J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (777 f.); Κ Η. Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (682 f.); D. Birk, in: Festschrift für W. Ritter, S. 41 (51). 918 J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (779). Vgl. auch Κ Η. Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (697). 919 S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 71. 920 Siehe dazu schon oben unter Α.ΠΙ.2. 921 Siehe dazu oben im 2. Teil, 1. Kapitel, A.I.
4. Kap. : Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
319
Frequenzen. Aufgabe ist vielmehr, dass der Staat als Regulierer des grundrechtlich geschützten, privaten Wettbewerbs angemessene Rahmenbedingungen für die aufgrund der natürlichen Begrenztheit notwendig werdende ordnungsrechtliche Verteilung der knappen Ressource Frequenz bereitstellt. Davon geht auch die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens als Auswahlverfahren zur Feststellung des effizienten Frequenznutzers aus (§ 61 Abs. 4 S. 1 TKG). Ein messbarer staatlicher Aufwand, der mit den Versteigerungseriösen abgeschöpft werden soll, ist durch das Versteigerungsverfahren nicht entstanden. Der Staat administriert nur den Zugang auf sie. 922 Die engen Ansichten hinsichtlich der Zulässigkeit der Gebührenerhebung greifen jedoch zu kurz. Die im Zusammenhang mit den Verleihungs- und Ressourcengebühren vertretene Ansicht erkennt allein den klassischen Gebührentyp an, wenn davon gesprochen wird, dass Schwierigkeiten bestehen, solche Abgaben „in das Gebührensystem einzuordnen" und herausgestellt wird, dass das „Typische der Gebühr" die Abgeltung eines staatlichen Aufwandes sei, während durch die Verleihungsgebühr lediglich ein durch die staatliche Verleihung eingeräumter Vorteil abgeschöpft würde. 923 Die Gegenleistungsabhängigkeit charakterisiert die Gebühr, begründet aber keine speziellen tatbestandlichen Anforderungen an sie. 9 2 4 Die Vorteilsabschöpfung stellt eine klassische Funktion von Gebühren dar, wie sich auch an der Bezeichnung als Entgelt oder Vorzugslast zeigt. 925 Die Rechtfertigung für eine Gebühr kann sich daraus ergeben, dass die Leistung die Zuwendung eines wirtschaftlichen Vorteils an den Leistungsempfänger darstellt und diesem zwar der konkrete Leistungsgegenstand, nicht aber der Vermögenszuwachs an sich zugewendet werden soll. 9 2 6 Durch die Gebühr wird dann der zugewandte Wert abgeschöpft. Für die Frage, ob eine Gegenleistung im Sinne des Gebührenbegriffs vorliegt, kann es nicht entscheidend sein, ob bzw. welchen Aufwand eine hoheitliche Tätigkeit verursacht. Jede hoheitliche Tätigkeit im Interesse eines Bürgers oder Unternehmens ist Gegenleistung im gebührenrechtlichen Sinn. 927 Die dem Staat entstandenen Kosten sowie der individuelle Nutzen einer solchen hoheitlichen Tätigkeit sind relevant bei der Frage der zulässigen Relation zwischen staatlicher Tätigkeit und Gebührenhöhe. Nur dann, wenn die Gebührenhöhe die staatliche Leistung übersteigt, fehlt der geforderte Zusammenhang mit der Gegenleistung.928 922 Die relativ geringen administrativen Durchführungskosten werden vom Gebührentatbestand des § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 5, Abs. 5 TKG erfasst und ggf. mit dem Versteigerungsentgelt verrechnet W3 J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (777). Vgl. auch F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (17). 924 H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (239). 925 D. Murswiek, NuR 1994, 170 (174); K. Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (519 ff.). 926 D. Murswiek, NuR 1994, 170 (174).
927 H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (240).
320 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Hinzu kommt, dass die Frage, ob sich solche öffentlichen Abgaben in das klassische Gebührensystem einordnen lassen, nicht den Kern des Problems trifft. Die Zulässigkeit einer Abgabe ist nicht davon abhängig, ob sie sich unter die herkömmlichen Begriffe subsumieren lässt. Denn es gibt keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, der abschließend die als nicht-steuerliche Abgabe zulässigen Abgabearten definiert. 929 Fragen der Systematisierung und Katalogisierung treffen keine Aussage über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der betrachteten Abgabe. 930 Entscheidend ist vielmehr der materiell-rechtliche Gehalt einer Abgabe für die Abgrenzung zur Steuer. 931 Eine Gegenleistung liegt immer dann vor, wenn staatlicher Aufwand mit der Gebührenerhebung abgegolten werden soll. Aber auch dann, wenn dem Begünstigten durch eine „Veranstaltung des Gemeinwesens" ein „sonstiger Vorteil", mit dem nicht notwendig ein Nachteil des Staates korrespondieren muss, erwachsen ist, liegt eine Gegenleistung und damit gerade keine Steuer vor. Knüpft der Abgabentatbestand an einen staatlich gewährten - rechtlichen oder tatsächlichen - Vorteil an, so bietet diese Gegenleistung zumindest den hinreichenden Unterschied zur Steuer. 932 bb) Vorteilsgewährung
durch Einräumung der Frequenznutzung
Aufgrund einer erfolgreichen Teilnahme am Versteigerungsverfahren werden den jeweiligen Unternehmen als Gegenleistung zur Entrichtung des Versteigerungsentgeltes Frequenzen zur Nutzung zugeteilt. Die eingeräumte Frequenznutzungsmöglichkeit stellt einen Vorteil für die begünstigten Unternehmen dar. Dieser liegt im wirtschaftlichen Potential bzw. Wert der Frequenzen. 933 Der wirtschaftliche Wert der Frequenzen resultiert zum einen aus der zwingenden Notwendigkeit von Frequenzen für das Anbieten bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen. Daneben folgt er aus der begrenzten Verfügbarkeit der Frequenzen. Nicht jeder kann in den Genuss der mit der Frequenznutzung verbundenen Möglichkeit des Zugangs zu einem Bereich mit nur einer begrenzten Anzahl von Wettbewerbern und den damit verbundenen Gewinnerzielungserwartungen kommen. Dieser 928
Die Gegenleistung würde dann - wie die Steuer - voraussetzungslos erhoben werden, vgl. BVerfGE 93, 319, 347. A.A. aber mit gleichem Ergebnis H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (240), der lediglich formal betrachtet und davon ausgeht, dass eine überhöhte Gebühr weiterhin Gebühr bleibt, sie aber rechtswidrig und unzulässig ist. 929 BVerfGE 82, 159, 159 (2. Leitsatz), 181; 93, 319, 342 ff.; P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 269 f.; F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (143 ff.). Siehe aber auch kritisch P. Selmer/C. Brodersen, DVB1. 2000, 1153 (1154). wo BVerfGE 93, 319, 345. » i BVerfGE 7, 244, 252; 49, 343, 353. 932 BVerfGE 93, 319, 346 f.; U. Sacksofsky, ben, S. 193.
Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abga-
9 33 A.A. C. Degenhart, K&R 2001, 32 (38), der in der Frequenz an sich keinen wirtschaftlichen Wert sieht, vielmehr erlangten sie erst durch die Investitionen der Dienstanbieter Wert und Substanz.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
321
Vorteil ist das Ergebnis der staatlichen Verteilungsordnung und findet seinen Ursprung in einer staatlichen Maßnahme. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass nach der Strukturentscheidung des TKG durch das Versteigerungsverfahren lediglich eine Auswahlentscheidung getroffen wird, während die eigentliche Frequenzzuteilung in einem sich anschließenden, gesonderten Verfahrensschritt vorgenommen wird. Die im Versteigerungsverfahren erfolgreichen Unternehmen erwerben schließlich bereits mit dem Zuschlag einen Zuteilungsanspruch. Die Trennung von Auswahl und Zuteilung ist hierbei lediglich rechtstechnischer Natur. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem staatlich eingeräumten Vorteil in Form der Frequenznutzungsrechts und der den Begünstigten auferlegten Versteigerungsentgelte sind die Versteigerungserlöse zweifelsohne als nicht-steuerliche Abgaben zu qualifizieren. 934 cc) Versteigerungen
als Verfahren
der Wertermittlung
Die für die Abgrenzung zur Steuer unerlässliche Abhängigkeit der Versteigerungserlöse von einer Gegenleistung bleibt allerdings nur erhalten, wenn deren Höhe den Wert des Frequenznutzungsrechts nicht übersteigt. 935 Andernfalls würde das Versteigerungsentgelt insoweit, ebenso wie die Steuer, „voraussetzungslos" erhoben. Es dient dann nicht mehr nur der Abschöpfung eines dem Frequenznehmer zugewandten Vorteils, sondern würde zugleich auf die allgemeine Leistungsfähigkeit der begünstigten Unternehmen zurückgreifen. Das Heranziehen des Einzelnen zur Finanzierung der Gemeinlasten ist aber allein im Wege der Steuererhebung zulässig. Erforderlich ist, dass die im Versteigerungsverfahren ermittelte Höhe der Zahlungsverpflichtung mit dem wirtschaftlichen Wert der Frequenzen korrespondiert. Das Versteigerungsverfahren als Allokations- bzw. Preisbildungsmechanismus dient der Ermittlung des Marktpreises der Frequenzen. 936 Ein allgemeiner Marktpreis für Frequenzen existiert nicht. Hinsichtlich der Entscheidung über das Verfahren der Wertermittlung steht dem parlamentarischen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. 9 3 7 Angesichts der Schwierigkeit der prognostischen Wertermittlung hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums das Versteigerungsverfahren zulässig ausgewählt.938 934 So auch das BVerfG (E 105, 185, 193), indem es von „nichtsteuerlichen Einnahmen" spricht, wobei das BVerfG die Versteigerungserlöse - mangels Relevanz für die Entscheidung - nicht in eine der bekannten Kategorien der nicht-steuerlichen Abgaben einordnet. Ebenso K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (369); H. W Arndt, K&R 2001, 23 (25). 935
So die Argumentation des BVerfG (E 93, 319, 347) im Rahmen der Rechtfertigung des sog. Wasserpfennigs. 93 6 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. Vgl. auch C. Koenig, K&R 2001, 41 (45); G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 4. 937
U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 226; K. Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (535); J. Wieland, WUR 1991,128 (134). 938 S.o. unter A in diesem Kapitel. 21 Bumke
322 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Wertbildende Elemente sind dabei die Einschätzung über die technische und wirtschaftliche Nutzbarkeit der Frequenzen. Die Wertschätzung nimmt als Konsequenz der Einsicht mangelnder staatlicher Steuerungsfähigkeit die besser informierte Nachfrageseite vor, so dass das Risiko einer Fehleinschätzung durch die Angebotsseite wesentlich verringert wird. 9 3 9 Darüber hinaus besitzt die RegTP als Anbieter mit der Wahl und Ausgestaltung der Versteigerungsregeln im Sinne des § 61 Abs. 5 TKG ein Steuerungsinstrument, mit dem sie preisbildungsfremde Elemente weitgehend ausschließen kann. 940 Die Einschätzung des Versteigerungsverfahrens als (erkennbar) optimales Verfahren zur Wertermittlung ändert sich auch nicht dadurch, dass sich die Vergabebehörde hinsichtlich der Ausgestaltung der Versteigerung am ökonomischen Ziel der Gewinnmaximierung orientiert. Gewinnmaximierung und Effizienz der Allokation stehen in einem untrennbarem Zusammenhang.941 Die bloße Einnahmewirkung der Versteigerungserlöse ist dabei kein Ausdruck einer rechtlich unzulässigen Gewinnerzielungsabsicht, denn wie jede öffentlich-rechtliche Abgabe verfolgt der Versteigerungserlös auch den Zweck, Einnahmen zu erzielen. Der Gewinnerzielungszweck wird durch das Steuerstaatsprinzip dahingehend eingeschränkt, dass dieser nur Neben- nicht aber Hauptzweck der Gebührenerhebung sein darf, was für die Versteigerungserlöse unabhängig von den mit der Ausgestaltung der Versteigerungsregeln verfolgten Zwecken anzunehmen ist. Hauptmotiv ist die effiziente Verteilung, mit der die Einnahmewirkung untrennbar verknüpft ist und die im Versteigerungsverfahren auf den Wert der Frequenzen begrenzt ist.
d) Rechtfertigung Eine sachliche Rechtfertigung für die Erhebung einer nicht-steuerlichen Abgabe ist erforderlich, um zu verhindern, dass durch einen unbeschränkten Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen beliebig Abgaben erhoben werden. Andernfalls wäre die in der Funktion der Finanzverfassung niedergelegte bundesstaatliche Verteilungsordnung gefährdet. 942 Gerade die Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung muss einem mit der Sachkompetenz gedeckten „über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren Stelle" 943 tretenden Regelungsanliegen des Gesetzgebers entsprechen. Kompetenzen für das TKG und damit auch für die Regelung des Versteigerungsverfahrens in § 61 Abs. 5 TKG finden sich in Art. 87 f GG als Spezialkompetenz und in Art. 73 Nr. 7 GG mit der ausschließlichen Bundeskom939 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B, C. 940 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, C. Kritisch K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3099). 941 S.o. oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A. 942 An dieser Stelle geht es zunächst allein um die Rechtfertigung der Kompetenzverteilung. Zur Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit siehe sogleich. 943 BVerfGE 93, 319, 342 f.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
323
petenz für „allgemeine Normen" der Telekommunikation.944 Diese Kompetenznormen umfassen auch die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine optimale Verteilung der begrenzten Ressource Frequenz sicherzustellen. Mit der Wahl des Versteigerungsverfahrens verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen ihrer effizienten Verteilung. Dieses Ziel ist von der Sachkompetenz gedeckt, da es sich nach der Einschätzung des Gesetzgebers durch eine Vergabe im Wege einer Versteigerung besser als durch andere Verfahren erreichen lässt. Die mit dem Versteigerungsverfahren einhergehende Zahlungsverpflichtung ist damit sachlich legitimiert. Das Versteigerungsverfahren mit seinen Wirkungen ist „instrumenteller Bestandteil der Inanspruchnahme einer Sachkompetenz"945. Ist ein Versteigerungsverfahren das optimale Verfahren zur Allokation eines begrenzten Gutes, 946 so ist die staatliche Einnahmeerzielung, die untrennbar mit der Durchführung eines Versteigerungsverfahrens verknüpft ist, dem Grunde und der Höhe nach nur „fiskalischer Reflex der wettbewerblichen und regulatorischen Verdrängungsrationalität" 947.
2. Grundsatz der Belastungsgleichheit Aufgrund der notwendigen Bereitschaft zu einer finanziellen Gegenleistung tragen die am Versteigerungsverfahren erfolgreich teilnehmenden Telekommunikationsunternehmen mehr als andere zur Finanzierung von Gemeinlasten bei, weil sie zugleich steuerpflichtig sind. Diese Wirkung und damit die Regelung des Versteigerungsverfahrens könnte in Konflikt zu dem in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Belastungsgleichheit stehen.948
a) Der Grundsatz der Belastungsgleichheit Materieller Gehalt des Grundsatzes der Belastungsgleichheit ist, dass alle nichtsteuerlichen Abgaben, die neben die steuerliche Inanspruchnahme treten und anders als die Steuer nur einen beschränkten Personenkreis betreffen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen bedürfen. 949 Die aufgrund der Forderung der 944 R Lerche, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 87 f Rn. 13. 945 R Selmer/c. Brodersen, DVB1. 2000, 1153 (1155). 946 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B. 947 u. Hufeid, JZ 2002, 871 (877). 948 Den Grundsatz der Belastungsgleichheit sieht das BVerfG (E 91, 186, 202 f.; 93, 319, 342 f.) als eines der „drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung". Dies steht aber einer Auslegung des Grundsatzes als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht entgegen, vgl. U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 187 ff.; K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (383). So wohl auch K. Schumacher, NJW 2000, 3096 (3098). 949 BVerfGE 55, 274, 302; 91, 186, 202 f.; 93, 319, 342 f.; K. H. Friauf in: Festschrift für H. Jahrreiß, S. 45 (48 ff.); W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 71; ders., in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10 (20). 2
324 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren Lastengleichheit erforderliche, besondere Rechtfertigung begrenzt die persönliche und sachliche Reichweite nicht-steuerlicher Abgaben. Zur Rechtfertigung bedarf die im Rahmen der Frequenzversteigerung bestehende Entgeltverpflichtung eines hinreichenden sachlichen Grundes. Als sachlicher Grund für das den erfolgreichen Bietern auferlegte finanzielle Opfer reicht die bereits an anderer Stelle hervorgehobene 950 besondere Eignung von Versteigerungsverfahren als Instrument staatlicher Verteilungslenkung nicht aus. Sie legitimiert allein, dass die entsprechenden Regelungen auf die Sachgesetzgebungskompetenzen gestützt werden können. Sie rechtfertigt aber für sich genommen noch nicht, dass die erfolgreichen Versteigerungsteilnehmer mehr als andere zur Staatsfinanzierung beitragen bzw. beitragen müssen. Als sachlicher Grund für die finanzielle Belastung kommt vielmehr die Funktion des Versteigerungsverfahrens in Betracht, den in der Frequenz bzw. im Frequenznutzungsrechts liegenden wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen.
b) Vorteilsabschöpfung
aa) Vorteilsabschöpfung
bei Gebühren und Beiträgen
Hinsichtlich der klassischen Vorzugslasten wie Gebühren und Beiträge ist die Abschöpfung eines durch den Staat gewährten Vorteils als sachlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt: 951 Derjenige, der eine öffentliche Leistung beansprucht, empfängt einen besonderen Vorteil. Dieser Vorteil rechtfertigt es, den Leistungsempfänger zur Kostentragung der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpf e n . 9 5 2 Entscheidend für die sachliche Rechtfertigung ist dabei allerdings nicht die Vorteilsgewährung selbst, sondern ob der wirtschaftliche Gegenwert des abzuschöpfenden Vorteils beim Vorteilsempfänger verbleiben muss oder ob ihm dieser zugunsten der Allgemeinheit zu entziehen i s t . 9 5 3 Bei den anerkannten Vorzugslasten ist es der allgemeine Gleichheitssatz, der die Abschöpfung des gewährten Vorteils fordert. Die Gebühren- bzw. Beitragspflichtigen kommen regelmäßig in den Genuss einer staatlichen Leistung, durch die sie einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen, der auf der staatlichen Gegenseite mit der Erbringung eines Aufwandes verbunden ist. Würde man zur Finanzierung der staatlichen Leistung das allgemeine Steueraufkommen heranziehen, wären es alle Steuerpflichtigen, die die individuell nützlichen Leistungen finanzieren würden. Ein solches Vorgehen würde aber gegen den Grundsatz der Lastengleichheit ver950 S.o. im 2. Teil, 2. Kapitel, Β und 3. Kapitel, D.I.l.a)bb). 951 R Kirchhof HdbStR IV, § 88 Rn. 181; Κ Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (530 ff.); H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 27 ff. 952 BVerfGE 93, 319, 344. 953
κ
Ritgen,
AöR 127 (2002), 351 (384).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
325
stoßen. Dieser Grundsatz ist nämlich nicht nur dann verletzt, wenn einige unverhältnismäßig stärker als andere zur Finanzierung der allgemeinen Staatstätigkeit beitragen. Eine Unvereinbarkeit ergäbe sich vielmehr auch dann, wenn Einzelne von einer Vermögenswerten Staatsleistung insofern profitieren könnten, als sich ihre Belastung im Verhältnis zu den anderen absolut gesehen verringerte. 954 Die individuelle Gegenleistung würde gleichzeitig das Steueraufkommen schonen. Der Staat könnte auf Steuererhöhungen verzichten. Dem Staat muss es also möglich sein, die durch seine Leistung geschaffene Ungleichbehandlung durch die Vorteilsabschöpfung zu entschärfen. In diesem Zusammenhang erlangt Art. 3 Abs. 1 GG einen Doppelcharakter: Der in dieser Vorschrift enthaltene Gleichheitsgrundsatz erfordert die sachliche Rechtfertigung der Abgabenerhebung und dient gleichzeitig dazu, sie zu rechtfertigen. 955
bb) Vorteilsabschöpfung
im Versteigerungsverfahren
Die Übertragbarkeit dieses Rechtfertigungsschemas auf die Frequenzversteigerung mit ihrer Gegenleistungsverpflichtung hängt davon ab, ob den erfolgreichen Versteigerungsteilnehmern mit der Frequenzzuteilung ein materieller Vorteil gewährt wird, zu dessen Abschöpfung der Staat befugt ist.
(1) Frequenznutzungsrechte als materieller Vorteil Es wurde bereits festgestellt, dass die am Versteigerungsverfahren erfolgreich teilnehmenden Bieter einen Vorteil in Form der Frequenznutzungsrechte erhalten, indem sie auf die natürlich knappe, ökonomisch wertvolle Ressource „Frequenz" zugreifen können und die mit ihr verknüpften Gewinnerwartungen ausnutzen dürf e n . 9 5 6 Bisher wurde lediglich festgestellt, dass sich die finanzielle Belastung der obsiegenden Versteigerungsteilnehmer als Gegenleistung für die Frequenzzuteilung darstellt. Dies allein reicht aber nicht aus, um einen sachlichen Grund für die Rechtfertigung einer „Mehrbelastung" der Frequenznehmer zu begründen. Der Staat verteilt mit der Frequenzversteigerung auch keine Güter, die in seinem Eigentum stehen und erbringt auch sonst keine die Frequenznehmer bereichernde und damit finanziell auszugleichende Dienstleistung. 957 Zur Rechtfertigung erfor-
954 So schon O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band II, S. 289, der es als eine „Forderung der natürlichen Billigkeit" ansah, dass derjenige, der „Vorteile auf Kosten des Gemeinwesens bezieht", „diesem eine angemessene Vergütung" entrichtet, denn „es wäre ungerecht den übrigen Staatsgenossen gegenüber, welche mit ihren Steuerlasten den Aufwand decken helfen müssen, wenn Einzelne den Vorteil des Unternehmens ohne Ausgleich genießen dürften". Vgl. auch BVerwGE 95, 188, 203; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 42 f. 955 J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 140; K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (385). 956 Siehe dazu oben in diesem Abschnitt unter B.I.l.c).
326 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren derlich ist ein materieller Vorteil, der sich in der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der Frequenzen für die Unternehmen in Form eines „Zugewinns an Freiheit" ergeben könnte. 9 5 8 Zweifelsohne anzunehmen wäre ein solcher, wenn die Frequenznutzung und -Zuteilung nicht schon zu der grundrechtlich verbürgten Freiheit der Unternehmen gehörte, da die Unternehmen ansonsten lediglich die ihnen durch die Freiheitsrechte ohnehin gewährte Freiheitsbetätigung erhielten. Gegenüber unterlegenen Auktionsteilnehmern wären sie lediglich „formell" bevorzugt.959 Für die Beurteilung eines materiellen Vorteils sind also die Freiheitsrechte maßgebend. 9 6 0 Dabei reicht es nicht aus, den Blickwinkel nur auf die „vollständig zu Grundrechten ausgemünzte Freiheit" 9 6 1 zu richten, um von einer grundrechtlich gesicherten Rechtsposition auszugehen. Denn erst das Zusammenspiel von Schutzbereich und Einschränkung bestimmt die definitive Rechtssphäre des einzelnen Bürgers. 962 Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Bürger wie beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einen Anspruch auf Erlaubniserteilung h a t , 9 6 3 nicht zwin957 Sieht man von den administrativen Durchführungskosten der Versteigerung ab, siehe dazu oben die Fn. 922 in diesem Kapitel. 9 58 Κ Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (386). 959 Vgl. dazu H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 35 ff.; U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 216; K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (386). 960
Relevant werden die Überlegungen in dieser Form allerdings nur dann, wenn man dem an anderer Stelle (in diesem Kapitel unter A.II.l.a) angesprochenen Verständnis der Ressourcennutzung als Teilhabe an einem Gut der Allgemeinheit nach Murswiek wie bereits begründet nicht folgt. Denn schlösse man sich Murswiek an, stünde der Vorteil nicht dem Einzelnen sondern der Allgemeinheit zu, so dass er grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig abgeschöpft werden könnte, da der aus der Ressourcennutzung entstandene Vorteil nicht die Eröffnung einer zuvor untersagten Freiheitsausübung wäre, vgl. D. Murswiek, NuR 1994, 170 (175 f.); ders., NVwZ 1996,417 (419). *>i W. Henke, DVB1. 1983, 982 (987). 962 U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 219; K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (388). 963 Einige Autoren sehen allein die Differenzierung zwischen präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt und repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt als maßgeblich für die Einordnung als abschöpfbaren Vorteil an, ohne dabei auf den in den Freiheitsrechten verankerten Zuteilungsanspruch einzugehen. So halten z. B. F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 (558 f.) und M. Kötter, DVB1. 2001, 1556 (1561), die Abschöpfung nur bei einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt für zulässig, da nur hier der Rechtskreis des Bürgers erweitert werde, indem eine an sich gesetzlich verbotene Betätigung in besonderen Ausnahmefällen für zulässig erklärt werde. Für den Frequenznutzer bestünde kein materieller Vorteil und damit auch kein sachlicher Rechtfertigungsgrund, da die Zuteilung von Frequenznutzungsrechten als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet ist, siehe dazu oben 2. Teil, 1. Kapitel, B.I. Da die Rechtsgestalt eines präventiven oder repressiven Verbots eine Form der verwaltungsrechtlichen Umsetzung eines solchen Rechtsanspruchs ist, ist dies zunächst durchaus plausibel. Allerdings übersehen sie, dass sich die Grenzen zwischen präventiven und repres-
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
327
gend gesagt ist, dass die Erlaubnis in der Sache keine Erweiterung der Freiheitssphäre ist. Zur Verdeutlichung und als Begründung zieht Sacksofsky 964 die Baugenehmigung als Prototyp für ein präventives Verbot heran. Nach ihrer Auffassung besteht zwar ein spielraumloser Anspruch des Bürgers auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn die baurechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die rechtlichen Voraussetzungen, die den Rechtsanspruch des Bürgers auf Erteilung der Baugenehmigung zur Konsequenz haben, gehen jedoch auf staatliche Entscheidungen zurück, in die Abwägungsgesichtspunkte eingegangen sind, bei denen also Entscheidungsspielräume bestanden haben. Eine materielle Erweiterung des Rechtskreises des Bürgers kann folglich immer dann angenommen werden, wenn eine bestimmte Nutzung nicht frei zugänglich ist, das heißt vom Staat bewirtschaftet w i r d . 9 6 5 Hat nach dieser Bewirtschaftungsordnung aus faktischen Gegebenheiten grundsätzlich niemand einen Nutzungsanspruch und erlangt dann der Einzelne eine staatlich erteilte Nutzungserlaubnis, hat er auch einen Vorteil erreicht, da mit der Erlaubnis seine grundrechtliche Freiheit erweitert und ihm mehr gewährt wird als ihm zusteht. Für die Frage der Zulässigkeit der Erhebung einer Abgabe für die Erteilung der Nutzungserlaubnis ist allein von Bedeutung, ob die Art der staatlichen Bewirtschaftung rechtmäßig bzw. verfassungsgemäß war. In der Rechtfertigung der Bewirtschaftung gegenüber den einschlägigen Freiheitsrechten liegt die eigentliche grundrechtsdogmatische Fragestellung, die Abgabenrechtfertigung folgt dieser. Berücksichtigt man, dass eine Frequenzbewirtschaftung, die auch den Ausschluss Einzelner von der Nutzung zulässt, aufgrund der natürlichen Begrenztheit der Frequenzen und zur Vermeidung von Interferenzen verfassungsrechtlich zulässig i s t , 9 6 6 so folgt daraus, dass den Begünstigten mit der Frequenzzuteilung ein Vorteil gewährt wird, weil ihre Freiheit nicht nur wiederhergestellt wird, sondern erst gewährt w i r d . 9 6 7
siven Verboten in der Rechtsentwicklung zunehmend auflösen, so dass der dogmatische Erkenntnisgewinn kritisch zu beurteilen ist, z. B. J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 119; F. Ossenbühl, DÖV 1968, (624 f.); A. Gromitsaris, DÖV 1997,401 ff.; M. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 61 f.; M. Kloepfer/S. Reinert, in: Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 46 (64). Entscheidend ist aber, dass nicht die einfachgesetzliche Ausgestaltung für die Bestimmung bzw. Ausdehnung des Freiheitsbereichs des Einzelnen ausschlaggebend sein kann. Maßgeblich muss vielmehr die grundrechtlich geschützte Freiheit, welche die Handlungsmöglichkeiten der Bürger vollständig abdeckt, in dem durch die Freiheitsrechte gewährleisteten Umfang sein, siehe dazu auch W Henke, DVB1. 1983, 982 (986 ff.). Siehe allgemein zur Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff.; C. Gusy, JA 1981, 80 ff. 964 U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 220 f. *>5 Vgl. BVerfGE NJW 1998, 3264, 3265 (Waldschäden), wo die Bewirtschaftung der Luft verneint wird und deshalb keine Erweiterung des Rechtskreises durch den staatlichen Zulassungsakt angenommen wird. Siehe auch S. Meyer, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 144 (149 ff.). 966
S.o. in diesem Kapitel unter A.II. *7 Ebenso Κ Ritgen, AöR 127 (2002), S. 351 (388).
9
328 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren (2) Zulässigkeit der Vorteilsabschöpfung Es stellt sich schließlich die Frage, ob der wirtschaftliche Vorteil, der durch die Frequenznutzungsrechte gewährt wurde, auch in zulässiger Weise zugunsten der Allgemeinheit durch Festlegung einer finanziellen Gegenleistung im Wege eines Versteigerungsverfahrens abgeschöpft werden darf oder gar eine diesbezügliche Pflicht besteht. Grundsätzlich anerkannt ist nur die Abschöpfung geldwerter, nicht lediglich ideeller Vorteile. 9 6 8 Dafür ist entscheidend, dass es keine sachlichen Gründe für eine Begünstigung des Frequenznutzers in Form des Belassens des vollständigen Wertes g i b t . 9 6 9 Die Abschöpfung lässt sich dann sowohl aus dem Erfordernis der Gleichbehandlung als auch durch das Prinzip des gemeinwohlorientierten Handelns legitimieren, die Abgabenerhebung besäße „eine kompensatorische Funktion zugunsten von Gleichheit und Gemeinwohl" 9 7 0 . Gäbe es demgegenüber einen sachlichen Grund für die Begünstigung, wäre die Verpflichtung zur finanziellen Gegenleistung in Form des Versteigerungsentgeltes und damit das Versteigerungsverfahren unter diesem Gesichtspunkt verfassungswidrig. Der legitimierende Grund für die Abschöpfung ergibt sich nicht aus einem Gegenüberstehen von staatlichem Aufwand und Vermögenszuwachs auf Seiten des Empfängers der staatlichen Leistung, den es auszugleichen gilt, um eine Verletzung des Gleichheitssatzes zu vermeiden. Der zur Rechtfertigung der Abschöpfung erforderliche sachliche Grund folgt aber dennoch aus dem Gleichheitssatz. Mit der Verteilung der knappen Frequenzen unter den Interessenten teilt der Staat nicht nur Nutzungsrechte, sondern auch die in der Frequenznutzung enthaltenen Erwerbsbzw. Gewinnerwirtschaftungschancen zu. Dies bedingt freilich eine Ungleichbehandlung zwischen den in der Versteigerung erfolgreichen und den unterlegenen Unternehmen. Diese Ungleichbehandlung ist zwar gerechtfertigt, soweit es sachliche Gründe gibt, die eine staatliche Auswahlentscheidung erfordern. 971 Offen bleibt aber, ob sich die Rechtfertigung auch auf die automatische Zuweisung des wirtschaftlichen Frequenzwertes erstreckt. Ziel der staatlichen, sachlich gerechtfertigten Auswahl ist nämlich nicht die Zuwendung des wirtschaftlichen Werts, sondern die Organisation der Verteilung. Die Zuwendung stellte sich nur als (automatische) „Nebenfolge" d a r . 9 7 2 Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, den Begünstigten neben der Frequenznutzungsmöglichkeit den wirtschaftlichen Vorteil uneingeschränkt zu überlassen, während Anderen die Zuteilung des Nutzungsrechts aus Knappheitsgründen versagt werden muss. Entscheidendes Kriterium bei der staatlichen Vergabeentschei968 κ. Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (533). J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 255 ff.; R. Hendler, AöR 115 (1990), 577 (604 ff.); W. Kluth, NuR 1997,105 (109 f.). 970 j. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 256. 971 S.o. in diesem Kapitel unter A. 972 K. Vogel, in: Festschrift für W. Geiger, S. 518 (531); P. Kirchhof, Rn. 183 f.
HdbStR IV, § 88
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3 2 9 dung ist nämlich nicht die Überlegung, die wirtschaftliche Ausgangslage des individuellen, obsiegenden Unternehmens zu stärken. Es soll vielmehr derjenige ermittelt werden, der die natürlich knappe Ressource Frequenz im Interesse der Allgemeinheit effizient nutzt. Dieses Ziel rechtfertigt die Auswahl des zur Frequenznutzung am besten Geeigneten, der am Maßstab seiner Effizienz im Versteigerungsverfahren ermittelt wird. Die Effizienzeigenschaft des erfolgreichen Bewerbers besagt aber nicht, dass den obsiegenden Unternehmen auch der in der Frequenz liegende wirtschaftliche Vorteil verbleiben muss. Durch die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils tritt der Staat einer Ungleichbehandlung entgegen. 9 7 3 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen einer Vorteilsabschöpfung dann nicht entgegen, wenn der Staat mit der Abschöpfung die Ungleichbehandlung in der Zuteilung an sich zumindest teilweise zurücknimmt. 974 An dieser Einschätzung ändert auch der Einwand nichts, dass der im Versteigerungsverfahren ermittelte wirtschaftlich Leistungsfähigste nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft bevorzugt werden soll. Eine solche Vorrangstellung rechtfertigt nicht das vollständige Belassen von wirtschaftlichen Vorteilen. 975 Verantwortet und gerechtfertigt werden muss die staatliche Verteilungsentscheidung vor den unterlegenen Grundrechtsberechtigten. Diesbezüglich ist die Auswahl anhand der Nutzungseffizienz ein sachgerechter Maßstab. Die Effizienz spricht aber nicht dafür, dem Begünstigten auch die mit der Nutzung verbundenen Vorteile umfassend zu belassen. (3) Der Versteigerungserlös als Ressourcennutzungsentgelt Nachdem festgestellt worden ist, dass der Versteigerungserlös als nicht-steuerliche Abgabe den vom BVerfG im Wasserpfennig-Beschluss aufgestellten Anforde973 Ebenso K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (390 f.). A.A. H. W. Arndt, K&R 2001, 23 (28); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (229). Der vorgebrachte Einwand, dass der staatlichen Durchführung von Versteigerungsverfahren der Grundsatz der Belastungsgleichheit entgegensteht, da von keiner anderen steuerpflichtigen Wirtschaftsbranche eine außersteuerliche Vorabschöpfung künftig erhoffter Gewinne verlangt werde, verkennt, dass es bei der Vorteilsabschöpfung nicht um die Abschöpfung von potenziellen Gewinnen geht, sondern dass ein staatlicherseits gewährter Vorteil mit einer entsprechenden Gegenleistung ausgeglichen wird. Aus der Forderung des Ausgleichs einer Ungleichbehandlung ergibt sich auch die zulässige Höhe der Vorteilsabschöpfung. Nur die Abschöpfung des den Zahlungsverpflichteten Versteigerungsteilnehmern zugewandten Vorteils rechtfertigt ihre Heranziehung zu einem finanziellen Opfer neben der grundsätzlich alle treffenden Steuerlast. Dass die Höhe des Frequenzpreises den Wert des dem Pflichtigen zugewandten Vorteils nicht überschreitet, ist bereits im Rahmen der Abgrenzung des Versteigerungserlöses zur Steuer behandelt und festgestellt worden, S.o. in diesem Abschnitt unter B.I.l.c). 974 Mit dem Versteigerungserlös wird lediglich ein Teil des wirtschaftlichen Vorteils abgeschöpft, da sich die Unternehmen trotz der ihnen im Vorwege bekannten Verpflichtung zur Gegenleistung immer noch eine darüber hinausgehende wirtschaftliche Erfolgschance versprechen. Andernfalls bestünde für sie kein Anreiz, die Frequenzen zu ersteigern. 9 7 Ritgen, AöR 127 (2002), 351 ( 3 ) .
330 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren rungen an die Rechtfertigung genügt, soll erneut auf die begriffliche Einordnung des Versteigerungserlöses zurückgekommen werden. Diese war für die (verfassungsrechtliche) Zulässigkeit im Rahmen der Vorgaben der Finanzverfassung ohne Bedeutung, da es keinen verfassungsrechtlich abgeschlossenen Kanon von Abgabe- bzw. Gebührenarten gibt. 9 7 6 Dennoch ist die Einordnung einfach-rechtlich von Bedeutung. Bei den Versteigerungserlösen könnte es sich um eine Verleihungs- oder Ressourcennutzungsgebühr handeln. 977 Wahrend die Verleihungsgebühr seit jeher als eine besondere Gebührenart bekannt, wenn auch nicht einheitlich anerkannt i s t , 9 7 8 hat Murswiek die Ressourcennutzungsgebühr erst in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Frage entwickelt, wie die in der Ökonomie geforderten Umweltabgaben und insbesondere die in einigen Bundesländern geregelte (Grund-)Wasserentnahmeabgabe (sog. „Wasserpfennig") mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen sind. Anders als Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sind Verleihungs- und Ressourcennutzungsgebühren bisher gesetzlich nicht ausdrücklich normiert. Trotzdem existieren einfachgesetzliche Tatbestände, in denen die Einräumung eines subjektiven Rechts gegen ein Entgelt geregelt i s t . 9 7 9 Als Verleihungsgebühren werden Entgelte für die hoheitliche Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechts bezeichnet. 980 Die Verwaltungsleistung und gleichzeitig der Vorteil liegt in der Rechtsverschaffung. Ohne Bedeutung ist dagegen die tatsächliche Ausnutzung des verliehenen Rechts. 9 8 1 Ressourcennutzungsgebühren knüpfen an die tatsächliche Nutzung bestimmter Güter a n . 9 8 2 Teilweise überschneiden sich die Definitionen bzw. sind nicht klar und trennscharf, so dass die 976 Dies wurde bereits oben herausgestellt, vgl. B.I.l.c)aa)(l). 977 s. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe; U. Sacksofsky, DVB1. 1987, 554 ff.; F. Kirchhof, DÖV 1992, 233 ff.; J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 ff.; K. H. Friauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 ff.; M. Kloepfer /W. Follmann, DÖV 1988, 573 (581 f.); R. Hendler, AöR 115 (1990), 577 ff.; R. Breuer, DVB1. 1992, 485 (491); D. Murswiek, NuR 1994, 170 ff.; ders., NVwZ 1996, 417 (419); A. v. Mutuis/S. Lünenbürger, NVwZ 1996, 1061 ff.; D. Birk, in: Festschrift für W. Ritter, S. 41 ff. 978 Vgl. ρ Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 187; K. H. Fnauf, in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (681, 695); J. Pietzcker, DVB1. 1987,774 (777). 979 Dazu zählen die Konzessionsabgaben wie ζ. B. die Feldes- und Förderabgabe nach BBergG und die Spielbankabgabe, vgl. dazu J. Wieland, Die Konzessionsabgaben; ders., WUR 1991,128 ff. 980 F. Kirchhof DVB1. 1987,554 (555); U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 95. 981 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 29 f. 982 Vgl. D. Murswiek, NuR 1994, 170 (173); ders., JZ 1988, 985 (992 f.); ders., DVB1. 1994, 77 (81 ff.); ders., NVwZ 1996, 417 (419). Siehe auch VG Stade, NdsVBl. 1995, 82, 83 f. und OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1995, 442, die allerdings die Rechtsverleihung als Anknüpfungspunkt sehen.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
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eindeutige Einordnung in die eine oder andere Kategorie nicht immer leicht fallt. Abgrenzbar werden die beiden Formen voneinander über den im subjektiven Recht liegenden, wirtschaftlichen Vorteil für den Begünstigten. Dieser ist für die Ressourcennutzungsgebühr ein konstituierendes Merkmal. Es wird ein wirtschaftliches Gut bzw. die Duldung der Nutzung eines solchen geleistet. 983 Im Gegensatz dazu ist die Existenz eines solchen für die Klassifizierung als Verleihungsgebühr unerheblich. Verleihungsgebühren knüpfen lediglich an die bloße Rechtsverleihung an. 9 8 4 Während der Anwendungsbereich der Ressourcennutzungsgebühr auf natürlich knappe Ressourcen beschränkt wird, sollen Verleihungsgebühren auch für künstlich knappe Güter oder Rechte erhoben werden können. Die Verleihungsgebühr ist damit weiter gefasst, sie umfasst also das Institut der Ressourcennutzungsgebühr. Bei der Einräumung der Frequenznutzungsmöglichkeit wird nicht allein an die Verleihung eines subjektiven Rechts angeknüpft, sondern es wird die Ausnutzung eines wirtschaftlich wertvollen Guts geduldet bzw. ermöglicht. 985 Aufgrund dieser Erkenntnis liegt die Zuordnung der im Versteigerungsverfahren anfallenden finanziellen Gegenleistung zu der Kategorie der Ressourcennutzungsgebühren nahe. Um die besondere Form der Erhebung durch ein Versteigerungsverfahren schon begrifflich zu verdeutlichen, bietet sich die Bezeichnung der im Versteigerungsverfahren anfallenden, finanziellen Gegenleistung als staatlich erhobenes Ressourcennutzungsentgelt an.
983
D. Murswiek, NuR 1994, 170 (175). Zudem geht Murswiek in seiner Konstruktion der Ressourcennutzungsgebühr von einem anderen grundrechtsdogmatischen Hintergrund aus. Er begreift die jeweiligen Güter als Güter der Allgemeinheit hinsichtlich derer der Einzelne nur einen Teilhabeanspruch besitzt, siehe schon oben in diesem Kapitel unter A.ü.l.a). 984 Insbesondere vor der Entscheidung des BVerfG zum sog. Wasserpfennig wurde von einem Großteil der rechtswissenschaftlichen Literatur gegen das Institut der Verleihungsgebühren erhebliche Einwände erhoben, die sich insbesondere auch darauf bezogen, dass bei ihr auch an bloße Rechtsverleihungen angeknüpft wird. Verleihungsgebühren stünden mit den Freiheitsrechten, dem Prinzip des Steuerstaates und dem Rechtsstaatsprinzip in Konflikt. Als problematisch wurde insbesondere die drohende Gefahr eines „Verkaufs von Hoheitsrechten", der Kommerzialisierung des Freiheitsgebrauchs und der Vermischung von hoheitlichen und fiskalischen Interessen angesehen, wenn allein ein Rechtsvorteil als Leistung ausreichend sei. Siehe dazu P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 187; Κ. H. Friauf in: Festschrift Uni Köln, S. 679 ff.; ders., in: Festschrift fur H. Jahrreiß, S. 45 ff.; ders., in: Festschrift Uni Köln, S. 679 (693); J. Pietzcker, DVB1. 1987, 774 (777 f.). A. von Mutius/S. Lünenbürger, DVB1. 1995, 1205 (1207); dies., NVwZ 1996, 1061 (1063); E. Sander, DVB1. 1990, 18 (23); H. Krüger, DVB1. 1955, 518 (520); D. Murswiek, NuR 1994, 170 (172); H. Siekmann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, vor Art. 104 a Rn. 73. Die genannten Argumente gegen die Zulässigkeit von Verleihungsgebühren können teilweise auch gegen die Zulässigkeit der Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren mit finanzieller Gegenleistung geltend gemacht werden; sie wurden aber bereits eingehender Prüfung unterzogen, siehe dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b) und in diesem Abschnitt unter B. 985 Siehe dazu die vorangegangenen Ausführungen unter B.
332 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
3. Ergebnis Die vom Versteigerungsverfahren ausgehende Abschöpfungswirkung genügt den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Rechtfertigungsmaßstäbe für nicht-steuerliche Abgaben folgen aus den drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung. Wahrend die Voraussetzung der Vollständigkeit des Haushaltsplans nur von untergeordneter Bedeutung ist, bereitet die sachliche Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates Probleme. Da es sich bei dem Versteigerungsentgelt aufgrund des Austauschverhältnisses zwischen Versteigerungsentgelt und Zuteilung des Nutzungsrechts um eine nicht-steuerliche Abgabe in Form einer Ressourcennutzungsgebühr handelt und der Wert des mit dem Nutzungsrecht eingeräumten Vorteils bei Wertermittlung in einem Versteigerungsverfahren nicht die Gegenleistung übersteigt, steht die vom Versteigerungsverfahren ausgehende Abschöpfungs- bzw. Einnahmewirkung nicht in Widerspruch zum Prinzip des Steuerstaates. Auch der Grundsatz der Belastungsgleichheit wird mit dem im Versteigerungsverfahren anfallenden Entgelt gewahrt, da die Einräumung der Frequenznutzung als Freiheitsgewinn für die Begünstigten einen materiellen Vorteil bedeutet, der zulässigerweise vom Staat abgeschöpft werden darf, um Belastungsgleicheit herzustellen.
Π. Verfassungsmäßigkeit des Versteigerungsentgelts im Hinblick auf die Freiheitsrechte Dass die Verteilungsentscheidung bei der Vergabe von Frequenznutzungsrechten in einem Versteigerungsverfahren von einer finanziellen Gegenleistung abhängig ist, berührt schließlich auch die Freiheitsrechte der erfolgreichen Unternehmen und muss mit diesen vereinbar sein. Die Versteigerungsentgelte als Voraussetzung für die Frequenzzuteilung knüpfen an privatwirtschaftliche Tätigkeiten an, so dass die Schutzbereiche mehrerer Grundrechte betroffen ist. Insoweit ist erneut das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu untersuchen. Im Weiteren stellt sich die Frage, ob die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) grundsätzlich gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt bzw. ob der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit bei Vorteilsabschöpfungsabgaben eröffnet ist.
1. Die Berufsfreiheit,
Art. 12 Abs. 1 GG
a) Das Versteigerungsentgelt als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit Belasten finanzielle Leistungspflichten berufliche Tätigkeiten, kann dies in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen. Im Grundsatz ist dies in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. 986 Voraussetzung ist aber nach stän-
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3 3 3
diger Rechtsprechung des BVerfG, dass die Abgaben „infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen" 987 . Sie müssen „sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder... zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben". 988 Das BVerfG hat die für die objektiv-berufsregelnde Tendenz notwendige „innere und äußere Verbindung mit der beruflichen Betätigung" im Hinblick auf Steuervorschriften dann angenommen, wenn „gerade die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung eines bestimmten Berufs" steuerbegründend wirkt, wenn „also die Berufszulassung als Anfang der Berufsausübung mit wirtschaftlichen Nachteilen" belastet wird. 9 8 9 Für die Annahme einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist dabei allerdings notwendig, dass die berufliche Tätigkeit „nennenswert behindert" wird. 9 9 0 Diese Voraussetzungen gelten ebenso für nicht-steuerliche Abgaben. 991 Die berufsregelnde Tendenz ist damit bei Abgaben, die der Lenkung oder dem Ausgleich als Haupt- oder Nebenzweck dienen, regelmäßig zu bejahen, sofern sie auf die Regelung beruflicher Aktivitäten zielen oder im Wesentlichen nur Berufstätigkeiten betreffen und schließlich wegen ihrer Höhe berufsbezogene Entscheidungen nicht nur im Einzelfall beeinflussen. 992 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann für die Gegenleistungsverpflichtung im Versteigerungsverfahren ohne Zweifel angenommen werden. Die Ersteigerung von Frequenzen ist notwendige Voraussetzung für den Erhalt eines Nutzungsrechts, womit die Berufsausübung abhängig davon ist, ob der jeweilige Bewerber bereit ist, eine finanzielle Gegenleistung zugunsten des Staates zu erbringen. Wirkt die Berufsausübungsregelung gegenüber spezialisierten Unternehmen ungleich intensiver, sind auch die Anforderungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung höher. Sie entsprechen denen der zweiten Eingriffsstufe im Rahmen der Drei-Stufen-Lehre, da die Gegenleistungsverpflichtung mit ihrer Anknüpfung an die Zahlungsbereitschaft wie eine subjektive Berufszulassungsschranke wirkt. 9 9 3 986 BVerfGE 13, 181, 184 ff.; 16, 147,162; 29, 327, 333; 37, 1, 17; 47, 1, 21; 81, 108,121; BVerfG, NJW 1998, 2346, 2347; K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 84; H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 86 f.; G. M aussen, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 195. 987 BVerfGE 13,181, 186. Vgl. auch BVerfGE 16, 147, 162; 29, 327, 333; 37, 1, 17; 47, 1, 21; 81, 108, 121; BVerfG, NJW 1998, 2346, 2347. 988 BVerfGE 70,191, 214; 95, 267, 302. 989 BVerfGE 13,181, 186. 990 BVerfGE 81,108, 122. 991 BVerfGE 37, 1,17 f. 992 Vgl. BVerfGE 38,61, 85 ff.; H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 81 f. 993 Vgl. BVerfGE 13, 181, 188, wonach die Auferlegung einer Geldleistungspflicht in Form der Schankerlaubnissteuer nicht als Berufswahlregelung zu qualifizieren ist, weil sie nicht Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum ständigen Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft ist, die Befugnis zur Weiterführung einer Gaststätte nicht von der Begleichung der Steuer abhängt und die Erlaubnis nicht widerrufen wird, wenn die Steuer nicht entrichtet wird. Diese Kriterien treffen genau auf die Frequenzvergabe und -Zuteilung zu.
334 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
An der Feststellung, dass Versteigerungsentgelte in die Berufsfreiheit eingreifen, ändert weder die der Teilnahme am Versteigerungsverfahren zugrunde liegende Freiwilligkeit noch die Bestimmung der Höhe der Entgeltverpflichtung durch die Teilnehmer selbst etwas. 994 Für die Annahme eines Grundrechtseingriffs ist es schon ausreichend, dass der Staat mit der belastenden Regelung bereits an den Entschluss anknüpft, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben. Die Ausgestaltung der Entgeltverpflichtung ist dabei nebensächlich bzw. führt nicht dazu, dass der Entgeltverpflichtung eine selbstständige Belastungswirkung abzusprechen ist. 9 9 5 Zwar liegt bei einer im Versteigerungsverfahren anfallenden Entgeltverpflichtung eine besondere Gestaltung vor. Die Entgeltverpflichtung im Versteigerungsverfahren trifft nur denjenigen, der in den Genuss der Frequenzzuteilung kommt, der also eigentlich Begünstigter ist. Er bleibt auch Begünstigter, trotzdem er mit der Abgabenerhebung belastet wird. Die Wirkungen stehen nebeneinander. Die Pflicht zur finanziellen Gegenleistung folgt aus ihrer untrennbaren Verknüpfung mit der Methode des Versteigerungsverfahrens, die Allokationseffizienz durch die Einschätzung des Frequenzwertes durch die potenziellen Erwerber selbst zu ermitteln. Das Versteigerungsentgelt ist damit hauptsächlich Mittel, um die Allokationseffizienz zu messen. Das Bedürfnis für die Ermittlung der Effizienz im Versteigerungsverfahren ergibt sich aus der besonderen Vorteilhaftigkeit der Methode. Aber auch in anderen Vergabeverfahren wie ζ. B. im Ausschreibungsverfahren kann das Ziel der effizienten Allokation verfolgt und erreicht werden, ohne dass eine Entgeltverpflichtung entsteht. Unter der Bedingung, dass die rechtlichen Grenzen eingehalten werden, rechtfertigt sich das Versteigerungsverfahren und damit auch die Entgeltverpflichtung gegenüber anderen unentgeltlichen Verfahren durch die besondere Zuverlässigkeit der gefundenen Ergebnisse hinsichtlich der Allokations- und damit der Nutzungseffizienz. Dieser Zusammenhang ändert aber nichts daran, dass Versteigerungsentgelte den Betroffenen wie auch gewöhnliche öffentliche Abgaben hoheitlich auferlegt werden und einen gewissen „Zwangscharakter" aufweisen, dessen Wirkung so stark ist, dass ihnen die eigenständige Belastungswirkung nicht abgesprochen werden kann. Ohne ein finanzielles Opfer werden die obsiegenden Teilnehmer keine Frequenzen erhalten. Letztlich unterscheidet sich das Versteigerungsentgelt von gewöhnlichen Gegenleistungsabgaben nur in seiner Erhebungsmethode. Materiell-rechtlich schöpft es den Vorteil des Frequenzwertes ab, stellt sich also als Gegenleistung dar. Dabei ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, in welcher Höhe die Entgelte anfallen und wie die Abgabenhöhe festgestellt wird. Maßgeblich ist vielmehr, dass bei der Entscheidung der RegTP, der Frequenzzuteilung ein Versteigerungsverfahren voranzustellen, eine unentgeltliche Zuteilung ausscheidet. Die über die reine Begünstigung der Frequenzzuteilung hinausgehende selbstständige Belastungswirkung wird insbesondere auch deutlich, wenn man dem Versteigerungsverfahren mit seiner Entgeltverpflichtung die Situation des Ausschreibungsverfahrens gegenüberstellt: Beide Verfahren verfolgen das Ziel, 994
Siehe dazu oben in diesem Abschnitt unter B.1.1 .b). "5 Ebenso C. Degenhart, K&R 2001, 32 (36); K. Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (392 f.).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
335
den effizienten Frequenznutzer festzustellen. Trotz derselben Zielrichtung der Auswahlverfahren ist nur das Versteigerungsverfahren mit einer Gegenleistungsverpflichtung verknüpft. Die finanzielle Gegenleistung zugunsten des Staates geht damit über die rein begünstigende Zuteilungsentscheidung mit unselbstständiger Belastungswirkung hinaus und beeinträchtigt als hoheitliche Abgabe die Betroffenen in ihrer Berufsfreiheit. Es führt auch zu keinem anderen Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass Versteigerungsverfahren nur unregelmäßig durchgeführt werden und die Zahlungsverpflichtung ihrer Höhe nach abhängig von den jeweils zur Verteilung stehenden Frequenzen stark variieren kann. Die bisherigen Erfahrungen mit Versteigerungen von Telekommunikationsfrequenzen haben gezeigt, dass die Versteigerungsentgelte die vom BVerfG geforderte Grenze einer „nennenswerten Behinderung" überschreiten.
b) Rechtfertigung des Versteigerungsentgelts Als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit hängt die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Versteigerungs Verfahrens in § 61 Abs. 5 TKG mit seiner finanziellen Leistungsverpflichtung davon ab, ob sie der Verwirklichung eines legitimen Ziels dient und im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist. 9 9 6 Bei den atypischen Fällen, in denen die Berufsausübungsregelung gegenüber spezialisierten Unternehmen besonders schwer wirkt, 9 9 7 kommt eine Legitimation der Regelung nur in Betracht, wenn mit der Zahlungsverpflichtung ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut geschützt wird. Die finanzielle Leistungsverpflichtung der erfolgreichen Bieter dient hauptsächlich der Korrektur einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden, aus der Ressourcenverteilung resultierenden Ungleichbehandlung, der aufgrund der verfassungsrechtlichen Verankerung des Gleichbehandlungsgebots der Rang eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts zuzuschreiben ist. Im Weiteren ist zu untersuchen, ob die Abschöpfung durch das Instrument der Versteigerungen mit seiner Besonderheit der marktmäßigen Weitbestimmung hinsichtlich dieser Zwecke geeignet, erforderlich und zumutbar ist. aa) Geeignetheit und Erforderlichkeit Das gewählte Mittel muss zunächst geeignet sein. Hierzu genügt ein Beitrag zur Zielerreichung. 998 Während diese Voraussetzung bei Steuern, die allein der Ein996 Siehe für die drei Elemente des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Nachweise oben in diesem Kapitel in den Fn. 617, 618, 619. 997 Siehe dazu oben in diesem Kapitel unter A.II.2.b)bb).
" 8 R. Herzog, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 20 V I I Rn. 74; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 59. Vgl. auch BVerfGE 67, 157,175.
336 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
nahmeerzielung dienen, angesichts des allgemeinen Zwecks der Einnahmeerzielung durchweg gegeben ist, besteht bei Abgaben im Hinblick auf die Förderung anderer Zwecke ein näherer Prüfungsbedarf. Versteigerungen, bei denen eine finanzielle Gegenleistungspflicht besteht, sind geeignet, den in der Frequenz liegenden, wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen. Zweifelhaft ist daher allenfalls, ob sie zur Vorteilsabschöpfung auch erforderlich sind. Dies ist dann der Fall, wenn keine mildere, aber gleich wirksame und die Allgemeinheit sowie Dritte nicht stärker belastende Alternative zur Verfügung steht. 999 Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die administrative Wertschätzung und Festsetzung der Höhe der finanziellen Gegenleistung. Greift man auf die bisherigen Erfahrungen mit Versteigerungsverfahren zurück, 1000 kann in der Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden, dass der Frequenzwert von der RegTP eher geringer eingeschätzt wird als von den Unternehmen. Dies folgt aus der Überlegung, dass die Vergabebehörde nach ökonomischen Maßstäben die Höhe des Mindestgebots in der Nähe ihrer eigenen Frequenzwertschätzung festlegen sollte. 1 0 0 1 Die finanzielle Belastung wäre dann zwar für die Unternehmen geringer. Die administrative Wertschätzung und Festlegung wäre aber zur Vorteilsabschöpfung nicht gleich geeignet. Ziel ist die Abschöpfung des gesamten wirtschaftlichen Vorteils. Die Bestimmung des wirtschaftlichen Potentials der Frequenzen kann die RegTP aufgrund von Informationsdefiziten hinsichtlich Technologien, Know-How und Marktstrategien weniger „gut" leisten, als die Unternehmen dies können. 1002 Die Zielerreichung wäre gefährdet. 1003 Für den Fall, dass die RegTP den Frequenzwert überschätzt, fehlt schon die mildere Wirkung für die Grundrechtsträger. Mit dem Versteigerungsverfahren hat der Gesetzgeber zur Ermittlung des Knappheitswertes der Frequenzen über einen Marktmechanismus dasjenige Verfahren ausgewählt, dass die Vorteilsabschöpfung nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand optimal leisten kann. 1 0 0 4
999 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 60. 1000 Siehe zu den drei bisher durchgeführten Versteigerungen oben in der Einführung unter B. 1001 Siehe zum Mindestgebot oben im 2. Teil, 2. Kapitel, C.IV. 1002 siehe dazu oben 2. Teil, 2. Kapitel, B. 1003 Selbst wenn man diesbezüglich zu einem anderen Ergebnis käme, könnte die Erforderlichkeit nicht verneint werden. Es ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber, der die beschriebene Ansicht teilt, auch im Rahmen der Erforderlichkeit ein Prognosespielraum zusteht. Diesen hat der Gesetzgeber, der sich auf diese wirtschaftswissenschaftlich bestätigte Einschätzung berufen kann, nicht unzulässig ausgenutzt. Vgl. zum Prognosespielraum im Rahmen der Erforderlichkeit G. Manssen, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 131; vorsichtiger F. Hufen, NJW 1994, 2913 (2919). 1004 siehe dazu oben im 2. Teü, 2. Kapitel, B.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
337
bb) Zumutbarkeit Die Belastung des Abgabepflichtigen muss i n einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Interessen stehen, das heißt, sie muss für die Betroffenen zumutbar sein. (1) Höhe der Vorteilsabschöpfung Die Zumutbarkeit der Höhe der Vorteilsabschöpfung ist anhand der konkreten Belastung zu ermitteln. Das von den Versteigerungsteilnehmern zu erbringende Versteigerungsentgelt darf die Höhe des ihnen zugewandten, in der Ausnutzung der Frequenz liegenden wirtschaftlichen Vorteils nicht überschreiten. Nur wenn zwischen Abgabenhöhe und dem Nutzen auf Seiten des Zahlungsverpflichteten eine gewisse Relation gewahrt wird, ist der Versteigerungserlös verhältnismäßig. 1 0 0 5
loos Vgl. y. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 173; S. Meyer, in: Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 144 (149); H.-W. Arndt, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 207 (249). Hier ist das Äquivalenzprinzip als Gebührenbemessungsprinzip für den Vorteilsausgleich verfassungsrechtlich verortet. Entwickelt hat das Äquivalenzprinzip das BVerwG (E 12, 162, 166), das „aus dem Wesen der Gebühr als eine Gegenleistung für eine besondere Leistung der öffentlichen Hand" folgerte, „dass ein angemessenes Verhältnis zwischen der Gebühr und dem Wert der besonderen Leistung für den Gebührenpflichtigen bestehen müsse". In den diesem Urteil folgenden Urteilen sah das BVerwG (E 26, 305, 309) das Äquivalenzprinzip als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Das Äquivalenzprinzip sei „der auf die Gebühr bezogene Ausdruck des allgemeinen, im Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der besagt, dass die durch eine Maßnahme der Verwaltung zu erwartenden negativen Auswirkungen für den Einzelnen nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen dürfen". Siehe auch BVerwGE 79,90, 91; 80, 36, 39. Zwischenzeitlich erwähnt das BVerwG das Äquivalenzprinzip gar nicht mehr, sondern unterwirft die Gebührenbemessung lediglich dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, vgl. ζ. B. BVerwGE 95, 188, 202. Nachdem das BVerfG (E 20, 257, 269 f.) das Äquivalenzprinzip zunächst anerkannt hat und dem Wesen der Gebühr ,»immanent" bezeichnet hat, hat es (E 50, 217, 233) später ausdrücklich offen gelassen, „ob der von der Rechtsprechung der Fachgerichte entwickelte Äquivalenzgrundsatz Verfassungsrang besitzt, und ob die gegen die Ausgestaltung und Handhabung dieses Grundsatzes im rechtswissenschaftlichen Schrifttum erhobenen Bedenken ( . . . ) durchgreifen". In jüngeren Entscheidungen (ζ. Β. E 91, 207, 222) nahm es die Überprüfung der Gebührenbemessung lediglich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, ohne ausdrücklich auf das Äquivalenzprinzip abzustellen, wobei es (E 93, 319, 347) davon ausgeht, dass die Abhängigkeit von einer Gegenleistung nur dann erhalten bleibe, wenn die Abgabe den Wert der öffentlichen Leistung nicht überschreite, womit das Äquivalenzprinzip dem Inhalt nach abgedeckt ist. Das Äquivalenzprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip unterscheiden sich weder in der Zielsetzung noch in den in die Abwägung einfließenden Gesichtspunkten, so dass dem Äquivalenzprinzip ein eigenständiger Gehalt neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzusprechen ist, was auch erklärt, dass BVerfG und BVerwG Gebühren nur anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüfen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz soll eine angemessene Abgabenhöhe sicherstellen. Vgl. auch J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 173 ff.; S. Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 172; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 266. 22 Bumke
338 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Das Versteigerungsverfahren leistet durch die Nutzung der Einschätzung der besser informierten Nachfrageseite die Wertermittlung in besonders geeigneter Weise und schöpft auch nur die jeweils ermittelte Höhe des Vorteils ab. Dass eine Abschöpfung der Versteigerungserlöse in Höhe des wirtschaftlichen, nicht mehr gerechtfertigten Sondervorteils für den Zahlungspflichtigen unzumutbar sein sollte, ist damit nicht erkennbar. 1006 Dies gilt unabhängig davon, ob man ein angemessenes Verhältnis zwischen Gebühr und Leistung verlangt oder ob man lediglich fordert, dass kein Missverhältnis zwischen Gebühr und Leistung bestehen darf. 1 0 0 7 (2) Art und Weise der Vorteilsabschöpfung Neben der Bedeutung der Höhe der Gegenleistung können Art und Weise der Vorteilsabschöpfung für die Zahlungsverpflichteten unzumutbar sein. Zu problematisieren ist hier, dass die erfolgreichen Versteigerungsteilnehmer den Ausgleichbetrag unmittelbar nach Ende der Versteigerung bzw. im Anschluss an die Frequenzzuteilung zu leisten haben und nicht der tatsächlich erwirtschaftete Vorteil abgeschöpft w i r d . 1 0 0 8 Selbst durch die Möglichkeit einer zeitlichen Staffelung der Zahlungsverpflichtung wird nicht der tatsächlich erwirtschaftete Vorteil abgeschöpft, sondern das von den Unternehmen geschätzte Gewinnpotential. Entwickelt sich der Frequenzwert in seiner Nutzung nicht so wie von den Unternehmen geschätzt, bleibt dies ohne Auswirkung auf die Höhe der finanziellen Gegenleistung. Das Risiko, dass sich der ursprünglich geschätzte Wert der Frequenzen anders entwickelt, belastet damit einseitig die Unternehmen. Diese Risikoverlagerung ist ein „Mehr" gegenüber der reinen, für sich genommen zumutbaren Vorteilsabschöpfung und könnte eine unzumutbare Härte für die Betroffenen darstellen. 1 0 0 9 Es sind allerdings keine verfassungsrechtlichen Vorgaben ersichtlich, die eine solche einseitige Risikoverteilung zu Lasten der privaten Unternehmen verbieten oder ihr entgegenstehen. Vielmehr sprechen gewichtige Gründe für eine einseitige Risikoverlagerung auf die Unternehmen. Schon das in Art. 3 Abs. 1 GG 1006 j m Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 310. 1007 Wahrend das BVerwG (E 12, 162, 166) zunächst von ersterem ausging, ist die Kontrolldichte zurückgegangen, indem das BVerwG (E 12, 162, 166; 26, 305, 309, 29, 214, 215) die Äquivalenz nunmehr auch dann noch als gewahrt ansieht, wenn die Gebühren die Kosten „erheblich" oder um ein „Mehrfaches" übersteigen und die Gebührenberechnung erst bei einer „gröblichen" Verletzung als sanktionswürdig ansieht. loos So sahen es die Versteigerungsregeln in den bisher durchgeführten Versteigerungen vor, vgl. ζ. B. für die UMTS-Versteigerung unter E. Zahlungsmodalitäten, Vfg. 14/2000, ABl. RegTP 2000, 564, 567, wonach der Preis für die jeweilige Frequenz/Lizenz innerhalb von 10 Werktagen nach schriftlicher Zahlungsfestsetzung zu überweisen war. 1009 siehe dazu H.-W Arndt, K&R 2001, 23 (27 f.), der auch aufgrund dieser einseitigen Risikoverlagerung auf die Unternehmen die UMTS-Versteigerung für verfassungswidrig hält und darüber hinaus hilfsweise für den Fall eines wirtschaftlichen Misserfolges von UMTS einen Anspruch der Unternehmen über das zivilrechtliche Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Vertragsanpassung in Form der Anpassung des Lizenzentgeltes oder auf Rückabwicklung erörtert.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3 3 9
verankerte Prinzip des Vorteilsausgleichs erfordert, nicht (nur) den tatsächlich erwirtschafteten Vorteil auszugleichen. Wenn anzunehmen ist, dass im Zeitpunkt der Versteigerung alle teilnehmenden Unternehmen dieselbe Schätzung hinsichtlich des Frequenzwertes besitzen, kann es nicht sachgerecht sein, die Höhe der Vorteilsabschöpfung an in der Zukunft liegende Aspekte wie den wirtschaftlichen Erfolg oder die effiziente Nutzung zu knüpfen. Darüber hinaus sind es, abgesehen von der Festlegung eines Mindestgebots, allein die Unternehmen, die die Höhe der finanziellen Gegenleistungsverpflichtung über ihre Wertschätzung, die sich in der Gebotsabgabe widerspiegelt, steuern. Es liegt allein in ihrem Verantwortungsbereich, eventuelle Unsicherheiten oder Risiken der Wertentwicklungen in ihre Bieterstrategie einzuarbeiten und diese auch entsprechend auszurichten. Aus Sicht der Unternehmen unterscheidet sich der Frequenzerwerb nicht von einer rein privaten Transaktion. Und bei privaten Investitionen ist es grundsätzlich der Investor, der das Risiko einer wirtschaftlichen Fehlentwicklung trägt. In diesem Zusammenhang ist erneut auf die Verteilungswirkungen von Versteigerungsverfahren einzugehen. Zwar sind beide Elemente, sowohl die Güterverteilung als auch die Vorteilsabschöpfung, rechtfertigungsbedürftig. Eine durchgängig isolierte Betrachtung kann aber nicht sachgerecht sein, zumal gerade die Vorteilsabschöpfung in Form der Zahlungsverpflichtung bedingt, dass die positiven Wirkungen auf der Verteilungsebene bestehen bleiben. Diese Verknüpfung enthält auch die Frage nach den Auswirkungen des Versteigerungsverfahrens auf die erfolgreich teilnehmenden Unternehmen und wirkt damit auf die Ebene der Zumutbarkeit hinsichtlich der Versteigerungsentgelte ein. Gerade der Zusammenhang zwischen Wertschätzung der Versteigerungsteilnehmer und Gebotshöhe führt zu der positiven Verteilungswirkung in Form der Feststellung des effizienten Nutzers. Erforderlich ist auch, dass diese Zusammenhänge konsequent behandelt werden. Der Bieter mit dem höchsten Gebot muss tatsächlich zur Zahlung verpflichtet werden. 1010 Bei einer Anknüpfung der Zahlungsverpflichtung an Gesichtspunkte wie den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn wäre die abgegebene Gebotshöhe nicht mehr allein von der Wertschätzung determiniert und die positive Verteilungswirkung eliminiert. Ebenso verhielte es sich, wenn für den Fall, dass sich der Frequenzwert in der Zukunft anders entwickelt als zum Zeitpunkt der Versteigerung gedacht, durch einen Rückerstattungsanspruch den Unternehmen eine Hintertür offen gelassen würde. Das Versteigeloio BMPT (Hrsg.), Frequenzregulierung, S. 112. An der Erforderlichkeit einer tatsächlichen Zahlungsverpflichtung würde sich auch nichts ändern, wenn man die Vickrey-Auktion als Versteigerungsmethode wählen würde, wonach für den erfolgreichen Bieter die Zahlungsverpflichtung in Höhe des zweithöchsten Gebots entstünde. Denn der Methode ist immanent, dass die Bieter die jeweils anderen Gebote bei ihrer eigenen Gebotsabgabe nicht kennen, was bedeutet, dass sie weiterhin ihr eigenes Gebot an ihrer Zahlungsbereitschaft ausrichten und nur damit belohnt werden, relativ weniger zahlen zu müssen. Wie hoch diese Differenz dann tatsächlich ist, wissen sie aber im Zeitpunkt der Gebotsabgabe nicht. 2*
340 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
rungsverfahren als geeignetes Verfahren zur effizienten Verteilung wäre dann insgesamt in Frage gestellt. 2. Die Eigentumsfreiheit,
Art. 14 Abs. 1 GG
Ob die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG auch das Vermögen gegenüber der staatlichen Erhebung von Abgaben schützt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das BVerfG vertrat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten nicht berührt werde. Art. 14 Abs. 1 GG schütze nicht das Vermögen. 1011 Nur wenn eine solche Pflicht den Betroffenen übermäßig („konfiskatorisch") belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde, käme eine andere Entscheidung in Betracht. 1012 Schutz vor der Abgabenbelastung böte vielmehr nur das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). 1 0 1 3 In seiner Entscheidung zur Vermögenssteuer ist das BVerfG dann aber einer generellen Unterstellung des Vermögens unter die Eigentumsfreiheit sehr nahe gekommen. 1014 Die wohl herrschende Literaturansicht hält einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG für gegeben, wenn in das private Geldvermögen eingegriffen wird. 1 0 1 5 Für die Annahme, dass der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG durch finanzielle Belastungen grundsätzlich berührt ist, spricht, dass nicht einzusehen ist, dass eine finanzielle Belastung erst dann den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit berühren soll, wenn sie übermäßig i s t . 1 0 1 6 Ob der Schutzbereich des Grundrechts betroffen ist, kann nicht vom Ausmaß des belastenden Eingriffs abhängig gemacht werden. Es erscheint daher konsequent, jede Art finanzieller Belastungen an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen. 1017 Teilweise wird dies jedoch auch abgelehnt, 1018 wie dies auch der erste Senat des BVerfG erst jüngst wieder getan hat. 1 0 1 9 ion Ständige Rechtsprechung von BVerfGE 4, 7,17 bis BVerfGE 89,48, 61. 1012 BVerfGE 19, 119, 129; 78, 214, 230; 82, 159, 190; 91, 207, 220; siehe aber BVerfG NJW 1995,2615, 2617. ion BVerfGE 29,402,408; 42, 223, 227; 91, 207, 221; H. J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzes vorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 46 ff.; D. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 306 ff., 311 ff. ion BVerfGE 93, 121, 137 ff. Ablehnend Böckenförde im abweichenden Votum, S. 149 ff. Siehe dazu aus der Literatur H.-W. Arndt/A. Schumacher, NJW 1995, S. 2603 (2603); W. Leisner, NJW 1995, 2591 ff.; W. Flume, DB 1995, 1779 (1779 f.); K. Vogel, JZ 1996, 43 ff. Deutlich anders auch der Erste Senat des BVerfG (E 95, 267, 300). lois Siehe ζ. Β. P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (234 ff.); ders., HdbStR IV, § 88 Rn. 86 ff. m. w. Ν.; Η. H. v. Arnim, W D S t R L 39 (1981), S. 286 (299 ff.); W Leisner, HdbStR VI, § 149 Rn. 125 ff.; P. Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, § 10 Rn. 42; vgl. auch J. Wieland, WUR 1991, 128 (132), der der differenzierenden Ansicht ist, dass Art. 14 GG nur gegen Sonderlasten, nicht aber gegen Gemeinlasten schütze. 1016
J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 161. ion Vgl. auch P. Kirchhof HdbStR IV, § 88 Rn. 93.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
341
Letztlich ist aber dieser Streit für den vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Selbst wenn man das Vermögen grundsätzlich dem Eigentumsschutz unterstellen würde, griffen die Versteigerungserlöse nicht in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Als Abgaben, die den im wirtschaftlichen Wert der Frequenz liegenden Vorteil abschöpfen, lassen sie den Vermögensbestand des Abgabepflichtigen unberührt. Übersteigt die Höhe des Versteigerungsentgeltes nicht den mit der Frequenz zugewandten wirtschaftlichen Vorteil, was schon Voraussetzung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit ebenso wie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, wird das Vermögen der Betroffenen nicht verringert. Es bleibt vielmehr in seiner Höhe unverändert. Allein seine Zusammensetzung ändert sich, was nicht ausreicht, um einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit anzunehmen.1020
3. Ergebnis Die Pflicht zur Entrichtung der Versteigerungsentgelte als Voraussetzung für die Frequenzzuteilung greift in die Berufsfreiheit der am Versteigerungsverfahren erfolgreich teilnehmenden Unternehmen ein. Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, wenn und soweit der in der Frequenzzuteilung liegende Vorteil für die Unternehmen in dieser Höhe abgeschöpft wird. Demgegenüber bedeutet ein Versteigerungsverfahren mit seiner Pflicht zur finanziellen Gegenleistung keine Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit. Es ist schon zweifelhaft, ob der Schutzbereich durch die Versteigerungsentgelte überhaupt berührt ist. Letztlich scheitert aber die Beeinträchtigung daran, dass sich das Vermögen der erfolgreichen Unternehmen bei einer Wertabschöpfung nicht verringert.
ΙΠ. Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz Verfassungsrechtliche Bedenken könnten sich für die Versteigerungserlöse und damit auch für die Frequenzversteigerung ferner aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben. Die gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Versteigerungsentgelten findet sich in § 61 Abs. 5 T K G . 1 0 2 1 Nicht der Gesetzgeber selbst, sondern ein marktwirtschaftlicher Allokationsmechanismus bestimmt die Höhe der Gegenleis1018 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 23; 7. Eschenbach, DStZ 1997,413 ff.; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 12; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 53 ff. >019 BVerfGE 95, 267, 300. 1020 Vgl. [/. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 227 f. für Umweltabgaben. 1021 Auch § 142 Abs. 2 S. 5 TKG erkennt indirekt Versteigerungserlöse an, vgl. oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.III. 1.
342 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
tungsverpflichtung. Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung des Versteigerungsverfahrens ist der Vorbehalt des Gesetzes, da die aus dem Höchstgebot folgende Zahlungsverpflichtung unzweifelhaft einen Grundrechtseingriff darstellt. An dieser Einschätzung ändert die scheinbare Freiwilligkeit der Versteigerungsteilnahme sowie der Höchstgebotsabgabe nichts. 1 0 2 2 Um Telekommunikationsdienstleistungen auf dem Markt anbieten zu können, benötigen die jeweiligen Unternehmen Frequenzen, die sie zu diesem Zeitpunkt nur im Wege eines Versteigerungsverfahrens erhalten können. Der Abgabenerhebung kommt damit eine gewisse Zwangswirkung zu. Aus der Geltung des Gesetzesvorbehalts ergeben sich besondere Anforderungen für die gesetzliche Ermächtigung zur Erhebung öffentlicher Abgaben und damit zur Geltendmachung der Versteigerungserlöse. 1023 Neben der generellen Forderung, dass die Abgabenerhebung auf ein materielles Gesetz rückführbar sein muss, stellt sich allerdings die Frage, welche konkreten Ausgestaltungen der Gesetzesvorbehalt für die Abgabenermächtigungsgrundlage verlangt. Die Rückführbarkeit der Abgabenerhebung auf ein materielles Gesetz erlaubt grundsätzlich, dass das Parlamentsgesetz die grundsätzliche Möglichkeit der Abgabenerhebung selbst regelt, die Detailregelungen aber an die Verwaltung delegiert. Dem Ziel des Gesetzesvorbehalts, dem Staat die politische Verantwortung für die Festlegung des Anknüpfungspunktes und die Erhebung der Abgabe zuzuweisen, wird dadurch noch genügt. Zum Schutz der Grundrechtssphäre des Abgabepflichtigen und der Rechtssicherheit muss die Gebührenermächtigung darüber hinaus aber auch den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gerecht werden. Das bedeutet, dass sowohl die Gebührenerhebung als auch die Gebührenhöhe bzw. mindestens ein Gebührenrahmen als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Gebührenerhebung - in Parallele zu dem, was Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG für Verordnungsermächtigungen fordert hinreichend bestimmt und konkretisiert sein müssen. Auf den ersten Blick scheint es, als sei der Gesetzgeber mit der Wahl des Versteigerungsverfahrens diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen. Hierfür spricht zunächst, dass sowohl in der gesetzlichen Regelung des Versteigerungsverfahrens als auch im Gebührentatbestand des § 142 TKG, der in Abs. 2 S. 5 bei der Vergabe von Frequenzen von außerordentlich wirtschaftlichem Wert im Wege einer Versteigerung das Kostendeckungsprinzip und das Verwaltungskostengesetz für unanwendbar erklärt, eindeutige Maßstäbe für die Gebührenhöhe fehlen, aus denen sich insbesondere eine Höchstgrenze für die Abgabenhöhe ermitteln ließe. 1 0 2 4 In der Literatur ist auch bezweifelt worden, ob das Überwälzen der Gebührenermittlung von den verfassungsrechtlich gebundenen und politisch verantwortlichen Staatsorganen auf die privaten Versteigerungsteilnehmer den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügt. 1025 Die Festlegung der Abgabenhöhe vollziehe 1022
Siehe dazu oben in diesem Abschnitt unter B.I.l.b). 1023 BVerfGE 20, 257, 269; BVerwG, DÖV 1971, 100, 101; Κ Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 79; Ρ Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 41 ff., 195. 1024 R. Schütz/J.-P Nüsken, MMR 1998, 523 (523 Fn. 1); R. Schütz, in: Beck'scher TKGKommentar, § 16 Rn. 9 ff. beide für die Lizenzgebühr nach § 16 Abs. 1 S. 2 TKG-alt.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
343
sich im Wege eines Marktmechanismus, dessen Steuerung dem Staat nicht bzw. nur bedingt möglich sei. Aufgrund der Grundrechtsrelevanz des Versteigerungsverfahrens sei eine gesetzgeberische Abwägung zwischen den unterschiedlichen Interessen, deren Ergebnis sich in konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Gebührenhöhe ausdrücken müsse, zwingend erforderlich. 1026 In den Vorgaben der Rechtsprechung findet sich indes kein solches Erfordernis einer festgelegten Obergrenze für die Gebührenhöhe. Vielmehr hat das BVerwG jüngst festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht erforderlich ist, dass der Gesetzgeber die Gebührenhöhe durch Angabe eines Rahmens zahlenmäßig festlegt. 1 0 2 7 Als unzulässig werden lediglich solche Gebührentatbestände eingestuft, die keine Anhaltspunkte für die Gebührenbemessung enthalten. 1028 Unbestimmte Rechtsbegriffe in Gebührentatbeständen werden dagegen für unproblematisch gehalten. 1029 Anerkannt ist etwa die so genannte Wertgebühr, mit der der Verwaltung vorgegeben wird, die Gebühr nach der Höhe des Wertes der staatlichen Leistung bzw. des Gutes festzulegen. 1030 Gesetzlich vorgegebene Höchstgrenzen scheiden für eine solche Gebühr mangels Antizipierbarkeit und Normierbarkeit des Wertes aus. 1031 Das Fehlen einer gesetzlich vorgegebenen Obergrenze für Versteigerungseriöse ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Eine Obergrenze würde ferner einen unüberwindbaren Konflikt mit dem Versteigerungsverfahren zur Auswahl des effizienten Frequenznutzers bedeuten. Wäre die Höhe der Zahlungsverpflichtung von vornherein vorgegeben, würde die Auktion ihr Ziel und ihren Sinn, nämlich die Wertermittlung anhand der Zahlungsbereitschaft, verlieren. Aber auch der zweite Einwand kann nicht überzeugen. Wie bereits erörtert, wäre bei einer gesetzlichen Vorgabe der Höhe des Versteigerungserlöses der dem Versteigerungsverfahren innewohnende Allokations- und Preisbildungsmechanismus außer Kraft gesetzt. Zweck der Anwendung eines Auktionsverfahrens gerade bei der Vergabe von knappen Ressourcen ist, den Marktpreis für die jeweiligen Güter durch die besser informierte Nachfrageseite ermitteln zu lassen. Staatliche Steuerungsdefizite werden so ausgeglichen. Diese ökonomischen Erwägungen führen aber gerade nicht dazu, dass das Auktionsverfahren verfassungsrechtlich unzulässig ist. Vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dies bereits legitimiert worden. 1032 Schließlich ist zu beachten, dass ein für die privaten Unternehmen 1025 So F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (21). 1026 e Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (21 f.). 1027 BVerwG, MMR 2002, 326, 327. Vgl. aus der Literatur 7. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 319 f.; 7. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 274 ff. für Verleihungsgebühren; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 132 f. für Lenkungsgebühren, deren Höhe ebenso flexibel im Einzelfall festzulegen sei. 1028 BVerwG, DÖV 1971,100,101. 1029 BVerwG, JZ 1970,183,184. 1030 Vgl. z u r „Wertgebühr" F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 63; J. Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 274 ff. 1031 VGH BW, VB1BW 1989, 375, 376: „prinzipiell nach oben hin offen".
344 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
messbarer Anknüpfungspunkt für die Gebührenhöhe besteht. Dies ist sein geschätzter Marktpreis. Werden sachfremde Einflüsse verhindert, was in staatlicher Verantwortung steht, kann ein Versteigerungsverfahren die Wertermittlung durch das Ausnutzen der Informationen der Nachfrager besser leisten als andere Bemessungsmethoden wie ζ. B. Schätzungen der Vergabebehörde. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Regelung der im Versteigerungsverfahren anfallenden finanziellen Gegenleistung ist also der bestehende Anknüpfungspunkt für die Gebührenbemessung und nicht die Bemessungsmethode.
IV. Exkurs: Beteiligungsansprüche der Länder an den Versteigerungserlösen Nach Ende der UMTS-Versteigerung kam es zu kontroversen Auseinandersetzungen hinsichtlich der Aufteilung des Versteigerungserlöses zwischen Bund und Ländern. 1033 Unter dem Hinweis, infolge der hohen Lizenzzahlungen Steuerausfälle der siegreichen Bieter hinnehmen zu müssen, beanspruchten die Länder einen Anteil am Versteigerungserlös. Klagen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen hierauf vor dem BVerfG blieben erfolglos. 1034 Zu untersuchen ist in diesem Zusammenhang zunächst, wem die Ertragskompetenz für die Vereinnahmung der Versteigerungserlöse zusteht bzw. ob die Länder aus Kompetenzgründen am Versteigerungsertrag zu beteiligen sind. Sollte die Ertragskompetenz allein dem Bund zufallen, ist in einem weiteren Schritt zu problematisieren, ob aus der ausschließlichen Ertragshoheit des Bundes verfassungsrechtliche Ausgleichsansprüche der Länder im Rahmen der vertikalen Umsatzsteuerverteilung gemäß Art. 106 Abs. 4 GG folgen.
1032
Siehe dazu oben in diesem Kapitel unter Α.Π., Α.ΙΠ. und B.I., Β.Π. Als weitere - bisher ungeklärte - Problematik im Zusammenhang mit den UMTS-Versteigerungseriösen stellt sich die Frage, ob die Versteigerung der UMTS-Lizenzen umsatzsteuerpflichtig war. Die Frage ist von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, denn wenn die Versteigerung die Umsatzsteuerpflicht ausgelöst hätte, könnten die Lizenzinhaber den Steuerbetrag im Wege des Vorsteuerabzugs (vgl. § 15 Abs. 1 UStG) geltend machen und insgesamt ca. € 7 Mrd. des von ihnen gezahlten Versteigerungsentgelts zurückfordern. Die RegTP und das Bundesfinanzministerium verneinen diese Frage mit der Begründung, dass der Bund bei der Lizenzvergabe hoheitlich und nicht unternehmerisch tätig geworden sei. Von einer gerichtlichen Geltendmachung dieses Betrages haben die deutschen Lizenzinhaber bisher aufgrund der angesichts des Streitwerts hohen Verfahrenskosten keinen Gebrauch gemacht. Ende des Jahres 2004 verjährten etwaige Ansprüche. Vgl. dazu A. Jüngling/O. Fleischmann/C Hug , MMR 2004, 375 (377 Fn. 25, 26, 28). 1034 BVerfGE 105, 185. Siehe dazu die Anmerkungen von J. W. Hidien, DStZ 2002,419 f.; A. Leist, DVB1. 2002, 903 ff. und P. Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1305 ff., 1313), der das Urteil als eine „Meisterleistung thematischer Enthaltsamkeit" bezeichnet. 1033
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3 4 5
1. Ertragshoheit für die Versteigerungserlöse a) Grundsatz: Ertragszuständigkeit des Bundes Die Finanzhoheit bezeichnet die finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzen, die durch Normen des Grundgesetzes und des einfachen Rechts den verschiedenen Gebietskörperschaften zugeordnet sind. Die Finanzordnung des Grundgesetzes will u. a. sicherstellen, dass der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt werden. 1035 Funktional besteht die Finanzhoheit aus verschiedenen Teilhoheiten, die verschiedenen Ebenen und einzelnen Gebietskörperschaften im Bundesstaat zugewiesen sind. Dies sind die Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit und die finanzverfassungsrechtliche Besonderheit der Ertragshoheit. Letztere entscheidet in Form des finanzverfassungsrechtlichen Rechtsgrunds über das „Behaltendürfen des Abgabenertrages". 1036 Die Finanzverfassung ist darauf ausgelegt, dass die staatlichen Einnahmen im Wesentlichen durch Steuern erbracht werden. 1037 Für die Steuerertragshoheit finden sich in Art. 106 GG abschließende Bestimmungen. Diese sind für Versteigerungserlös e aber nicht einschlägig, da es sich bei ihnen nicht um Steuern handelt. 1 0 3 8 Der Steuerertragshoheit entsprechende Normierungen für die Ertragshoheit nicht-steuerlicher Abgaben fehlen im Grundgesetz. Diese Lücke ist durch ergänzende Auslegung unter Berücksichtigung der finanzverfassungsrechtlichen Funktion und Bedeutung der nicht-steuerlichen Abgaben zu schließen. Hierzu werden in der Literatur unterschiedliche Ansätze vertreten, die jedoch für die Ertragshoheit der Versteigerungserlöse mit Ausnahme von Korioth 1039 zu dem Ergebnis kommen, dass dem Bund die Ertragshoheit zufällt. Teilweise wird angenommen, dass der Inhaber der Gesetzgebungsbefugnis über die jeweilige nicht-steuerliche Abgabe auch für die Bestimmung der Ertragshoheit zuständig ist. 1 0 4 0 Nach Art. 73 Nr. 7 GG steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Telekommunikation und damit auch für die Regelung der Ertragszuständigkeit für die Versteigerungserlöse zu. Das TKG enthält explizit keine Bestimmung darüber, wem die Ertragshoheit für die Versteigerungserlöse zukommt. Es geht aber implizit davon aus, dass dem Bund die Ertragskompetenz zusteht. Das ergibt sich insbesondere aus dem Gesetzgebungsprozess zur TKG-No1035 BVerfGE 93, 319, 342; 105,185,194. 1036 K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104 a-115 Rn. 43; S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 109,266 ff., 272 ff. 1037 BVerfGE 78,249,267; W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 11. 1038 s.o. in diesem Abschnitt unter B.I.l.c). 1039 Dazu sogleich. 1040 Vgl. κ. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band Π, S. 1160.
346 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
velie. Sowohl der Bundesgesetzgeber als auch die Länder gingen davon aus, dass die Ertragskompetenz ohne gesetzliche Regelung dem Bund zustünde. Nur so lassen sich die vergeblichen Bemühungen der Länder im Vermittlungsausschuss erklären, eine geteilte Ertragszuständigkeit für die Versteigerungserlöse im Gesetz aufzunehmen. 1041 Ebenso mit der Gesetzgebungsbefugnis argumentierend wollen das BVerwG und einige Stimmen in der Literatur die Ertragskompetenz der Gebührenerhebungskompetenz und damit der Sachgesetzgebungskompetenz folgen lassen. 1042 Konsequenz dieser Auffassung wäre, dass der Bund, da er die Sachgesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 7 GG besitzt, auch deren Erträge und somit die Versteigerungseriöse vereinnahmen kann. Die im Zusammenhang mit der Erhebung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren entwickelte Auffassung, die auch im Zusammenhang mit der Erhebung von Verleihungsgebühren vertreten wird, 1 0 4 3 geht davon aus, dass die Ertragshoheit demjenigen Verwaltungsträger zuzuordnen ist, der die gebührenpflichtige Leistung erbringt. 1044 Die Ertragshoheit wird an die Verwaltungshoheit für die Sachmaterie nach Art. 83 ff. GG gekoppelt. Begründet wird dies damit, dass diejenige Gebietskörperschaft auch den Ausgleich für den vorgenommenen Aufwand oder die Vorteilsgewährung vereinnahmen darf, um so die Vorteils- oder Aufwandsgewährung finanzieren zu können. Nur so könne dem Gebührenzweck des Aufwandausgleichs bzw. der Vorteilsabschöpfung genügt werden. Andernfalls wäre die Erhebung einer nicht-steuerlichen Abgabe nichts Weiteres als ein allgemeines Finanzierungsinstrument. 1045 Zum gleichen Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung, kommen auch Vogel/ Waldhof 046. Die Ertragshoheit richte sich unter Bezugnahme auf Art. 104 a GG 1041 Vgl. BR-Drs. 755/03, S. 27 und die Unterrichtung durch den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 15/2907, S. 1), wo für die Überarbeitung des Gesetzes als Nr. 16 die geteilte Ertragszuständigkeit zwischen Bund und Ländern bei Versteigerungseriösen vorgesehen war. Diese Auffassung konnte sich dann im Vermittlungsausschuss nicht durchsetzen, vgl. die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 15/3063), wo dieser Punkt nicht mehr auftaucht. 1042 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 37 ff.; J. Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 324 f.; M. Kotier, DVB1. 2001, 1556 (1565 f.). Vgl. auch BVerwGE 95, 188, 192 f., allerdings in Verbindung mit den Bestimmungen zur Verwaltungskompetenz. 1043 U. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 244 f. 1044 H. Siekmann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Vorb. zu Art. 104 a Rn. 36; P. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rn. 212; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 106 Rn. 2; H.-G. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, Rn. 800. So wohl auch das BVerfG (E 105, 185, 193), wonach die Ertragszuständigkeit der Verwaltungszuständigkeit für die Sachaufgabe (Art. 87 f GG), für welche die Abgabe erhoben wird, folge. Das BVerfG nennt dann aber auch die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 73 Nr. 7 GG, womit die Zuordnung nicht ganz eindeutig ist. 1045 r Kirchhof,
HdbStR IV, § 88 Rn. 212.
1046 κ. Vogel/C.
Waldhoff,
in: BK-GG, Zweitbearbeitung, Art. 106 Rn. 35.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
347
nach der Lastenverteilung. Diejenige Gebietskörperschaft sei ertragsberechtigt, welche die abgabenpflichtige Verwaltungstätigkeit vorgenommen habe. Auch die beiden letztgenannten, sich (zumindest im Ergebnis) an der Verwaltungshoheit orientierenden Auffassungen kommen also im Bereich der Versteigerungserlöse zu dem Ergebnis, dass die Ertragshoheit dem Bund aufgrund seiner Verwaltungszuständigkeit für den Bereich der Telekommunikation gemäß Art. 87 Abs. 3, 87 f G G zusteht.
b) Geteilte Ertragszuständigkeit für Bund und Länder nach Korioth Demgegenüber vertritt Korioth sowohl in seinem Gutachten 1047 zur Vorbereitung der Klage der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gegen den Bund vor dem BVerfG als auch als Prozessbevollmächtigter der antragstellenden Länder vor dem BVerfG 1 0 4 8 die Auffassung, dass die Länder an den Versteigerungseriösen in analoger Anwendung des Art. 106 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GG in Form geteilter Ertragszuständigkeit zu beteiligen seien. Es sei kein Grund erkennbar, warum eine Vorteilsabschöpfung in der Höhe der Versteigerungserlöse zwingend an die Verwaltungszuständigkeit geknüpft werden müsse. Der gebührenrechtliche Grundsatz, die Ertragskompetenz demjenigen zuzuweisen, der die kostenverursachende Leistung erbringt, gehe bei Versteigerungseriösen fehl. Die Verwaltungskosten seien für den Bund denkbar gering. Sinn der (Verleihungs-)Gebühr sei hier allein die Vorteilsabschöpfung auf Seiten der Nutzungsrechtsinhaber. Gleichzeitig drohten den Ländern aber mittelbare Steuermindereinnahmen bei der Körperschafts- und Gewerbesteuer, weil die Telekommunikationsunternehmen die Lizenzkosten als Betriebsausgaben steuermindernd ansetzen könnten (§ 4 Abs. 4 EStG bzw. § 8 Abs. 1 KStG), womit sich auch das den Ländern aus diesen Steuern zufließende Aufkommen verringere (Art. 106 Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6 S. 4 GG). Diese Steuerausfälle fielen überproportional den Ländern und Kommunen zur Last. Es entspräche folglich den Grundprinzipien der Finanzverfassung, wenn der Versteigerungserlös in entsprechender Anwendung des Art. 106 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GG zwischen Bund und Ländern geteilt würde.
c) Stellungnahme Der Auffassung Korioths ist nur teilweise zuzustimmen. Die Ertragshoheit für Ressourcennutzungsgebühren muss nicht zwangsweise an die Verwaltungskom-
1047 s. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 78 ff. 1048 Vgl. BVerfGE 105, 185, 190 ff.
348 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
petenz für die Sachmaterie geknüpft werden. Diese Auffassung resultiert aus der Begründung, dass mit den Vorzugslasten ein Aufwand ausgeglichen werden soll. Der Aufwandsausgleich steht aber bei Versteigerungserlösen nur im Hintergrund; leitendes Ziel ist die Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils. Aus dieser Argumentation kann aber nun nicht im Weiteren auf eine geteilte Ertragszuständigkeit in entsprechender Anwendung des Art. 106 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GG geschlossen werden. Für Analogieschlüsse, die notwendigerweise zu einer Erweiterung oder Aufweichung der geschlossenen, auf Formenklarheit und Formenbindung angelegten Rahmen- und Verfahrensordnung der Finanzverfassung führen würden, findet sich in diesem Bereich kein rechtlicher Grund. 1 0 4 9 Eine Analogiebildung würde die im Grundgesetz festgelegte bundesstaatliche Ordnung, zu deren Eckpfeilern auch die in den Art. 104 a bis 108 GG enthaltenen finanzverfassungsrechtlichen Normen gehören, aus dem Gleichgewicht bringen. Die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes zielen auf eine sachgerechte Aufteilung des Gesamtertrages der Volkswirtschaft zwischen Bund und Ländern ab. Die entscheidende Vorgabe des Verfassungsrechts ist, dass jede Ebene im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen mit ihren Aufgaben entsprechenden und insoweit angemessenen Finanzmitteln auszustatten ist (vgl. Art. 104 a G G ) . 1 0 5 0 Dabei kommt der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern eine überragende Bedeutung für die Entfaltung der von der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes vorausgesetzten eigenen Staatlichkeit z u . 1 0 5 1 Aufgrund dieser zentralen Bedeutung steht die grundgesetzlich vorgesehene Ertragshoheit auch nicht zur Disposition von Bund und Ländern und ist einer Abweichung auf Grundlage einfacher bundesgesetzlicher Bestimmungen nicht zugänglich. 1052 Eine entsprechende Anwendung des Art. 106 Abs. 3 GG hätte - so auch Korioth - zur Konsequenz, dass ein Gebührenfinanzausgleich als „parasteuerliches vertikales Ertragsverteilungsinstrument" 1053 eingeführt würde. Die Versteigerungserlöse nur aufgrund ihrer Höhe mit Steuern im Sinne des Art. 106 Abs. 3 GG gleichzustellen oder sie sogar zu den dort behandelten Steuerarten zu zählen, kann nicht überzeugen. 1054 Art. 106 Abs. 3 GG verteilt nur Einnahmen, deren Rechtsqualität feststeht. Die Versteigerungseriöse als nicht-steuerliche Abgaben können nicht allein wegen ihrer außergewöhnlichen Höhe, wie sie traditionell nur bei Steuern an1049 BVerfGE 67, 256, 288 f.; 105, 185,194. 1050
S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 100 f. 1051 BVerfGE 72, 330, 388; 105, 185,194. 1052 Dies hat das BVerfG gerade für die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Finanzwesens stets bekräftigt, vgl. BVerfGE 55, 274, 300 ff.; 105, 185, 193. Vgl. auch T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 34. 1053 s. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 80. 1054 Vgl. BVerfGE 105,185, 194.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
349
fallen, als steuergleiche Einnahmen betrachtet werden. Dies liefe dem Formprinzip des Art. 106 GG zuwider; die Ordnungsfunktion der Finanzverfassung würde ausgehebelt, weil gerade auch ein „Gleichlauf der Ertragsverteilung von Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben" eine Störung bewirkt. 1 0 5 5 Der Versteigerungserlös würde die Wahrung des Steuerstaatsprinzips unmöglich machen. Sachgerecht ist daher die Annahme, dass dem Bund die Ertragskompetenz zufällt. Ob man für das Behaltendürfen der Versteigerungserlöse des Bundes die Verwaltungszuständigkeit nach Art. 87 Abs. 3, 87 f GG oder die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 73 Nr. 7 GG als Begründung heranzieht, ist im Ergebnis von untergeordneter Bedeutung. Dennoch sei angemerkt, dass gegen die Anknüpfung an die Verwaltungszuständigkeit als Begründungsansatz für die Ertragskompetenz des Bundes einzuwenden ist, dass eben gerade nicht der an die Verwaltungstätigkeit gekoppelte Aufwand ausgeglichen werden soll. Dieses Ergebnis wird auch durch die Auslegung des TKG gestützt, das implizit von einer Ertragszuständigkeit des Bundes ausgeht. Zur Klarstellung wäre es wünschenswert gewesen, die Ertragszuständigkeit für die Versteigerungserlöse im TKG ausdrücklich dem Bund zuzuweisen.
2. Finanzausgleichsrechtliche
Folgeansprüche der Länder
Es wurde festgestellt, dass der Bund die alleinige Ertragskompetenz für die Versteigerungseriöse besitzt. Die Frage, ob und inwieweit die Länder finanzausgleichsrechtliche Folgeansprüche geltend machen können, ist damit noch nicht beantwortet.
a) Umsatzsteuerneuverteilung nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG Das grundgesetzlich vorgesehene Instrument, relevante Aufkommensverschiebungen zwischen den bundesstaatlichen Ebenen auszugleichen, ist die Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG. Im Gegensatz zu den durch die Verfassung unmittelbar verteilten Gemeinschaftssteuern, also der Einkommens- und Körperschaftssteuer (vgl. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG), schreibt Art. 106 Abs. 3 S. 3 GG vor, dass die genaue Aufteilung des Ertrages der Umsatzsteuer dem einfachen Gesetzgeber vorbehalten ist. Nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG sind die Umsatzsteueranteile neu festzusetzen, sobald sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt. In der Neuverteilungsentscheidung sind die Maßstäbe der Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 und Nr. 2 GG zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber 1055 Vgl. BVerfGE 105, 185, 194. Anders S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 80, der gerade diesen Gleichlauf als die staatliche Finanzverteilung wahrend ansieht.
350 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
zuvor in einem allgemeinen, über den konkreten Verteilungsvorgang hinausweisenden Maßstäbegesetz zu konkretisieren hatte. 1 0 5 6 Im Maßstäbegesetz sind Versteigerungserlöse nicht berücksichtigt. Nach Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG haben der Bund und die Länder im Rahmen der laufenden Einnahmen gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben, wobei der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln ist. Darüber hinaus sind nach Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen, dass ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt werden. Die Neufestsetzung der Anteile vollzieht sich in der so genannten vergleichenden Deckungsquotenberechnung durch einen Vergleich der „laufenden Einnahmen" mit den „notwendigen Ausgaben". 1057 Zu überprüfen sind danach zunächst die Voraussetzungen der Revisionsklausel nach Abs. 4 S. 1 des Art. 106 GG, unter denen das Neufestsetzungsverfahren dem Grunde nach eingeleitet wird. Eine „andere Entwicklung" ist anzunehmen, wenn der Vergleich langfristig berechneter Deckungsquoten ergibt, dass die Schere von laufenden Einnahmen und notwendigen Ausgaben relativ gesehen weiter auseinandergeht. 1058 „Wesentlich" ist sie dann, wenn eine deutliche oder sogar tief greifende Veränderung der Verhältnisse, eine unbestreitbare und nachhaltige Verschiebung der Entwicklung bewirkt i s t . 1 0 5 9 Dies bezeichnet den Rahmen, innerhalb dessen eine nachhaltige Konkretisierung nötig und möglich ist. Als Versuch einer zahlenmäßigen Quantifizierung ist vertreten worden, dass eine wesentliche Verschiebung der Entwicklung bei einer Veränderung in „einer Größenordnung von 1 Prozent oder mehr" eintritt, wobei allerdings eingeräumt wird, dass sich das Wesentlichkeitskriterium letztlich „nicht rational in Zahlen ausdrücken lässt". 1 0 6 0 Die unbestimmten Rechtsbegriffe der Revisionsklausel sind im Lichte der beiden Grundsätze der vertikalen Steuerverteilung zu konkretisieren. Der Grundsatz der Stetigkeit 1056 Das BVerfG (E 101, 158, 215 ff., 238) hat im letzten Finanzausgleichsurteil vom 11. 11. 1999 unter Bezugnahme auf Art. 106 Abs. 3 und Abs. 4 GG die Pflicht des Gesetzgebers zum Erlass eines Maßstäbegesetzes hergeleitet, denn nur mittels eines langfristig angelegten gesetzlichen Maßstabs kann festgestellt werden, ob sich das Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern wesentlich anders entwickelt hat. Kritisch die Literatur, vgl. nur B. Pieroth, NJW 2000, 1086 ff.; H. H. Rupp, JZ 2000, 269 ff. Siehe dazu nun das Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (MaßstG) vom 9. 9. 2001, BGBl. I, 2302. 1057 BVerfGE 101,158, 215 ff., 238. los« Im Schrifttum ist bisher eine wesentliche Änderung angenommen worden, wenn eine Verschiebung der Entwicklung in der Größenordnung von einem Prozentpunkt gemessen am Umsatzsteueraufkommen eintrat, vgl. T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 65; J. W. Hidien, Die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern, S. 352. 1059 τ. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 65. 1060 M. Heintzen, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG, Art. 106 Rn. 40.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
351
und Kontinuität der Finanzverteilung verpflichtet dazu, die Umsatzsteuerverteilung möglichst stabil zu halten und insbesondere nicht kurzfristigen Verschiebungen der Finanzrelationen anzupassen. Der Grundsatz der vertikalen Verteilungsgerechtigkeit verlangt aber zugleich, ständig möglichst gleiche Deckungsquoten zu sichern. Auf der Grundlage dieser doppelten Zielsetzung dient die Revisionsklausel als „ultima Ratio, die nur für wirkliche Notbedürfnisse zur Verfügung steht und nicht dazu führen kann, praktisch den gegenwärtigen Zustand alljährlicher Auseinandersetzungen um die Beteiligungsquote ( . . . ) aufrechtzuerhalten". 1061 Die begrenzte Offenheit der Revisionsklausel entspricht ihrer „finanzwirtschaftlichen Balancefunktion, die sich der speziellen Ausgleichsfunktion der Umsatzsteuer unterordnet". 1062 Die Versteigerungserlöse sind eine Mehreinnahme des Bundes. Es ist nicht die Regel, dass sie eine so beträchtliche Höhe wie bei der UMTS-Versteigerung erreichen. 1063 Die Höhe hängt von der „Art" der im Einzelfall zu versteigernden Frequenzen ab. 1 0 6 4 Nur dann, wenn eine Abgabe den Bundesstaat derart beeinträchtigt, dass im vertikalen Verhältnis von Bund und Ländern eine finanzielle Schieflage zulasten einer Gebietskörperschaft eintritt, stellt sich die Frage eines Anspruchs der benachteiligten Gebietskörperschaft auf eine Veränderung der vertikalen Umsatzsteuerverteilungsquote nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG. Da die Versteigerungserlöse entweder direkt oder mittelbar über potenzielle Steuermindereinnahmen die Einnahmen 1065 beeinflussen, sind die durch die Versteigerungsentgelte bewirkten Einnahmeentwicklungen zwischen Bund und Ländern zu vergleichen. Problematisch ist zunächst, welche Einnahmen man zugrunde legt. aa) Bezugsobjekt: Die Steuereinnahmen der Länder Unproblematisch erfasst sind von Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG Steuereinnahmen. Versteigerungserlöse stellen keine Steuern dar. 1 0 6 6 Bedeutung erlangen könnten jedoch die Steuermindereinnahmen der Länder. Solche könnten sich in der Folge des Anfallens von Versteigerungsentgelten daraus ergeben, dass die Telekommunikati1061 BT-Drs. 2/480, Ziff. 115, S. 37. 1062 w. Hidien, Die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern, 1998, S. 341. 1063
Siehe vielmehr die Ergebnisse der ERMES- und GSM-Versteigerung oben in der Einführung, B.I. 1064 Vgl. z . β. die verhältnismäßig geringen Erlöse in der ERMES-Versteigerung, s. o. in der Einführung, B.I. 1065 Einigkeit hinsichtlich der Begriffsdefinition der Einnahmen im finanzverfassungsrechtlichen Sinn besteht zumindest insoweit, als es sich um tatsächliche, einer Gebieteskörperschaft zufließende Geldleistungen, die das Geldvermögen des Empfängers vermehren, handeln muss. 1 0 6 6 Siehe dazu oben in diesem Abschnitt unter B.I.l.c).
352 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
onsunternehmen die Frequenzerwerbskosten als Betriebsausgaben steuermindernd ansetzen können (§ 4 Abs. 4 EStG bzw. § 8 Abs. 1 KStG). Dies verringert auch das den Ländern aus diesen Steuern zufließende Aufkommen (Art. 106 Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6 S. 4 GG). Steuermindereinnahmen für die Länder entstehen aber nicht beim Umsatzsteueraufkommen, denn dieses wird durch die mit den ersteigerten Frequenzen auf dem Markt angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen und -Produkten grundsätzlich positiv beeinflusst. Unerheblich sind auch potenzielle Einnahmeinbußen bei der Körperschaftssteuer als Einkommenssteuer juristischer Personen, da diese zwischen Bund und Ländern hälftig geteilt werden (vgl. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG), so dass keine Veränderung des relativen EinnahmenAusgaben-Verhältnisses zwischen Bund und Ländern bewirkt wird. Allerdings dürften die Einbußen der Länder höher ausfallen, da gemäß Art. 106 Abs. 5 GG die Gemeinden vor der Aufteilung des Aufkommens auf Bund und Länder einen Anteil an der Einkommenssteuer erhalten, der gemäß Art. 106 Abs. 9 GG als Anteil der Länder gilt. Die Gewerbesteuer steht gemäß Art. 106 Abs. 6 S. 1 GG grundsätzlich vollständig den Gemeinden zu, was wiederum gemäß Art. 106 Abs. 9 GG als Einnahmen der Länder gilt. Diesen potenziellen Steuermindereinnahmen stehen auf der anderen Seite aber auch potenzielle Mehreinnahmen aller Gebietskörperschaften gegenüber, die aus Geschäftsausweitungen und aus Gewinnsteigerungen der obsiegenden Telekommunikationsunternehmen resultieren. Zwar lässt sich sagen, dass die Länder von den Mindereinnahmen stärker belastet werden als der Bund. 1 0 6 7 Trotzdem dürften die Einbußen insbesondere auch unter Berücksichtigung potenzieller zusätzlicher Einnahmen und zwar selbst bei einem relativ hohen Versteigerungserlös kaum nennenswerte Bedeutung erlangen. bb) Bezugsobjekt: Der Versteigerungserlös Eine wesentlich andere Entwicklung könnte jedoch aus der Qualifizierung der Versteigerungserlöse selbst als Einnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG resultieren. Ob Gebühren von Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG erfasst werden, ist umstritten. 1 0 6 8 Hauptargument der ablehnenden Literaturansicht ist im Zusammenhang mit Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, dass Gebühren nach dem Kostendeckungsprinzip einen getätigten Verwaltungsaufwand abgelten sollen. Ein Wertzuwachs bei der gebührenertragsberechtigten Körperschaft, der ihre finanzielle Handlungsfähigkeit vermehre, sei regelmäßig ausgeschlossen, da der geldwerten Leistung eine gleich hohe geldwerte Ausgabe gegenüberstünde. Dieses Argument 1067 κ . P. Fox, Ifo Schnelldienst 30/2000, S. 5 (8). 1068 Dafür Sachverständigenkommission zur Vorklärung finanzverfassungsrechtlicher Fragen für künftige Neufestsetzungen der Umsatzsteueranteile, Maßstäbe und Verfahren zur Verteilung der Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 3 und 4 Satz 1 GG, 1981, Tz. 143, 150 f.; T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, 106 Rn. 46; M. Heintzen, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG, Art. 106 Rn. 34. Dagegen P. Kirchhof Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 102; S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 493; J. W. Gaddun, BayVBl. 1977, 585 (587).
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
353
ist erkennbar auf Verwaltungs- und Benutzungsgebühren bezogen und hat dort seine Berechtigung. Bei in einem Versteigerungsverfahren anfallenden Entgelten kommt dieses Argument nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zum Tragen. Ziel eines Versteigerungsverfahrens ist die effiziente Frequenzverteilung und Abschöpfung eines wirtschaftlichen Sondervorteils. Grundsätzlich steht der Subsumtion des Versteigerungserlöses unter den Begriff der Einnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG folglich nichts entgegen. Allerdings ist eine endgültige Entscheidung des Streitstandes entbehrlich, da schon die weitere Voraussetzung des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG, nämlich dass es sich um laufende Einnahmen handelt, eindeutig nicht vorliegt. Als kleinster gemeinsamer Nenner für das Merkmal der „laufenden Einnahmen" gilt, dass die Einnahmen eine gewisse periodische Erfassbarkeit, Kontinuität und Vorhersehbarkeit aufweisen müssen. 1069 Ziel der verfassungsrechtlichen Differenzierung zwischen laufenden und einmaligen Einnahmen ist die möglichst stabile Verteilung der Umsatzsteueranteile. 1070 Versteigerungserlöse treten aber nur einmalig bzw. temporär auf und weisen gerade nicht die geforderte Kontinuität auf. Selbst wenn man den Begriff „laufend" sehr weit auslegt und fordert, dass die Einnahmen tatsächlich nur einmalig erzielt werden dürfen oder sich höchstens sehr unregelmäßig und in stark differierender Höhe wiederholen, 1071 können Versteigerungserlöse nicht als laufende Einnahmen qualifiziert werden. Dem Sachbereich der Frequenzversteigerung liegt die Tatsache zugrunde, dass sie abhängig davon, ob überhaupt Frequenzen zu verteilen sind und ob dafür das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG das geeignete Auswahlverfahren ist, unregelmäßig stattfinden und zudem die Höhe der Erlöse als Knappheitswert der Frequenzen, die staatsfern über die Nachfrageseite bestimmt werden, stark variiert. Versteigerunsgverfahren waren bisher zufällige, einmalige Ergebnisse. Sie würden die Deckungsquoten nur kurzfristig verändern, was dem Ziel der möglichst dauerhaften Regelung der Umsatzsteueranteile zuwider laufen würde. Sie sind daher nicht als laufende Einnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG zu qualifizieren. 1072 Hinzu kommt, dass das Instrument der Umsatzsteuerneuverteilung nur in solchen Fällen als variables Instrument taugt, in denen die künftige und langfristige 1069 Vgl. T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, 106 Rn. 45; S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 492 f.; F. Becker, DÖV 2003,177 (182). 1070 χ Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 45. 1071 γ. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 45; M. Heintzen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 106 Rn. 34. 1072 So im Ergebnis auch K.-A. Schwarz, RTkom 2001,141 (144 f.); K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 260 f.; S. Storr, K&R 2002, 67 (75); F. Becker, DÖV 2003, 177 (182). A.A. S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 92, der für das Merkmal „laufend" keine Regelmäßigkeit fordert, sondern auch einmalige Vereinahmungen als ausreichend ansieht, was aber aufgrund des eindeutigen Wortlauts die Grenzen der Auslegung überschreiten dürfte. Ebenso anders P. Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1309), der für die Qualifikation als laufende Einnahmen - zu extensiv - darauf abstellt, ob die Nichtberücksichtigung den auf föderative Verteilungsgerechtigkeit gerichteten „billigen Ausgleich" nachdrücklich in Frage stellt. 23 Bumke
354 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Entwicklung der finanziellen Verhältnisse absehbar ist. Dies betont das BVerfG, indem es vorgibt, dass eine Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 4 GG nach Maßstäben vorzunehmen ist, die in die Zukunft gerichtet sind. 1 0 7 3 Dies ist bei Versteigerungsverfahren gerade nicht der Fall, da der Mechanismus das Ergebnis der Versteigerung in Form der Erlöshöhe dem Markt überlässt, der Staat nimmt am Preisfindungsprozess nur in Form der Rahmensetzung teil. Aufgrund der bestehenden Ergebnisunsicherheit werden Einnahmen immer nur in unvorhergesehener und unregelmäßiger Höhe zufließen. Mangels Planbarkeit und Abschätzbarkeit kann der Versteigerungserlös nicht die Grundlage eines auf die Zukunft gerichteten Ausgleichsmechanismus sein. 1 0 7 4
b) Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG Schließlich ist daran zu denken, ob den Ländern gegen den Bund ein Anspruch auf Finanzzuweisungen in Form eines Mehrbelastungsausgleichs nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG zusteht. Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG sieht vor, dass den Ländern, denen durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden, die Mehrbelastung durch Bundesgesetz1075 mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden kann, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. Der Mehrbelastungsausgleich ebnet den Weg, Verschiebungen in der finanziellen Leistungsfähigkeit der bundesstaatlichen Ebenen auszugleichen, ohne eine Neufestlegung der Umsatzsteueranteile vornehmen zu müssen. Die Regelung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG ergänzt damit als Sonderform die Pflicht zur Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG und regelt das Problem, dass auch kurzfristige Änderungen ausgleichswürdig sein können. Mit dem Instrument des Mehrbelastungsausgleichs sollen vorübergehende Änderungen der Umsatzsteuerverteilung vermieden werden. Der Mehrbelastungsausgleich ist eine dem Bund eröffnete Alternative zur obligatorischen Revision der Umsatzsteuerverteilung. 1 0 7 6 Als Annex zur Umsatzsteuerneuverteilung setzt ein Mehrbelastungsausgleich voraus, dass die Veränderungen in der Einnahmen-Ausgaben-Struktur der Länder nur dann im Mehrbelastungsausgleich berücksichtigt werden können, wenn sie auch bei der Neuverteilung der Umsatzsteuerverteilung relevant wären. 1 0 7 7 Die Ausgleichsinstrumente unterscheiden sich im Grundsatz hinsichtlich 1073 BVerfGE 105,185, 195. 1074 Vgl. F. Becker, DÖV 2003, 177 (182). 1075 Nach Art. 106 Abs. 4 S. 3 GG sind in dem den Ausgleich regelnden Bundesgesetz die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen. 1076 Vgl. J. W. Hidien, AöR 122 (1997), 583 (586 f.). 1077 Vgl. J. W. Hidien, AöR 122 (1997), 583 (586 f., 594); T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 70.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
355
der Art der Veränderung: Handelt es sich um kurzfristige Änderungen, kommt der Mehrbelastungsausgleich als Ausgleich punktueller und für die Festsetzung der Umsatzsteueranteile nicht vorhersehbarer, außergewöhnlicher Mehrbelastungen der Länder durch den Bund in Betracht. Bei dauerhaften Änderungen durch regelmäßig auftauchende Änderungen dagegen greift die Umsatzsteuerrevisionspflicht des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG ein. Voraussetzung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG ist zunächst eine ausgleichsfähige, durch ein Bundesgesetz veranlasste Mehrbelastung der Länder. Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG sieht dafür zwei Konstellationen vor: Entweder werden den Ländern zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen. In Betracht kommt die Alternative des Einnahmenentzugs auf Seiten der Länder, weil ihnen aufgrund der Abschreibungsfähigkeit der Versteigerungsentgelte als Betriebsausgaben Steuermindereinnahmen drohen. Problematisch ist allerdings, dass Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG ein kausales Verhältnis zwischen dem Bundesgesetz, das den Ländern Einnahmen entzieht, und der Einnahmenminderung der Länder fordert. Eindeutig erfasst sind lediglich solche Gesetze, deren „unmittelbarer Gegenstand" einnahmerechtliche Relevanz besitzt, 1 0 7 8 wenn also konkret der Verlust auf der Länderseite ohne Hinzutreten weiterer kausaler Folgen eintritt. Hauptanwendungsfalle sind Bundesgesetze, die den Ländern Einnahmen aus Steuern nach Art. 106 Abs. 2 GG entziehen. 1079 Eine solche unmittelbare einnahmemindernde Wirkung ist bei den möglichen Steuermindereinnahmen, die aus der Abschreibung der Versteigerungseriöse folgen, problematisch. § 61 Abs. 5 TKG als relevantes Bundesgesetz sieht die Möglichkeit der Einnahmenerzielung des Bundes in Form der Versteigerungserlöse vor, wenn der Frequenzvergabe ein Versteigerungsverfahren vorangestellt wird. Ein Einnahmenverlust der Länder wird aber nicht unmittelbar durch § 61 Abs. 5 TKG bewirkt. Er entsteht vielmehr erst, wenn in einem ersten Schritt ein Versteigerungsverfahren durchgeführt wurde, die entsprechenden Versteigerungsentgelte entrichtet worden sind und die Inhaber der Frequenznutzungsrechte dann in einem zweiten Schritt das von ihnen entrichtete Versteigerungsentgelt als Betriebskosten absetzen. Erst jetzt können Einnahmeminderungen durch Steuerausfälle bei den Ländern auftreten. 1080 Ob die in mehreren Schritten wirkende Kausalkette das Unmittelbarkeitskriterium des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG erfüllt, ist äußerst zweifelhaft. Dafür könnte eine systematische Auslegung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG sprechen. Unproblematisch erfüllt ist das Kriterium der Unmittelbarkeit grundsätzlich nur in der zweiten Alternative des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG, wenn der Bundesgesetzgeber den Ländern 1078 Vgl. J. W. Hidien, AöR 122 (1997), 583 (590); wohl ebenso T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 72. 1079 Vgl. J. W. Hidien, AöR 122 (1997), 583 (590). 1080 Selbst wenn man - wie S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 94 - die Vorschriften des EstG und KStG hinzuzieht, ändert das nichts an der Notwendigkeit von Zwischenschritten. 23*
356 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Einnahmen aus Steuern nach Art. 106 Abs. 2 GG entzieht. Nicht mehr eindeutig erfüllt ist das Kriterium der Unmittelbarkeit bei der erstgenannten Alternative in Form der Auferlegung zusätzlicher Ausgaben durch Bundesgesetz. Zusätzliche Ausgaben entstehen durch zusätzliche Aufgaben, die den Ländern durch die unterschiedlichsten Gesetze auferlegt werden. Die Auferlegung zusätzlicher Ausgaben ist nur selten kausal auf ein Gesetz zurückzuführen, es bedarf regelmäßig noch vermittelnder Zwischenakte. Im Zusammenhang mit der Auferlegung zusätzlicher Ausgaben gilt damit ein weniger strenger Maßstab der Unmittelbarkeit. Überträgt man diesen auf die Alternative der Einnahmenentziehung, was grundsätzlich konsequent wäre, ist durchaus eine Kausalbeziehung zwischen Einnahmeminderung der Länder durch Steuerausfälle und § 61 Abs. 5 TKG als Bundesgesetz anzuneh1081
men. Unabhängig davon, wie man sich entscheidet, fehlt es aber an der Voraussetzung der Mehrbelastung. Die Versteigerungsentgelte als Betriebsausgaben werden hauptsächlich von der Einkommens- und Körperschaftssteuer abgesetzt, für die sich der Bund und die Länder die Ertragskompetenz gemäß Art. 106 Abs. 3 S. 2 GG teilen. Bund und Länder sind insoweit gleichermaßen von den Steuermindereinnahmen betroffen. Die gleichmäßige Belastung von Bund und Ländern erfüllt aber die Tatbestandsvoraussetzung der Mehrbelastung nicht. Daran ändert auch nichts, dass der Bund in der vorliegenden Konstellation seine Mindereinnahmen durch die ihm zufließenden Versteigerungserlöse kompensieren kann, 1 0 8 2 da Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG keine Saldo-Betrachtung erfordert. Die Regelung setzt vielmehr eine konkrete Mehrbelastung der Länder voraus. 1083 Schließlich ist auch das Vorliegen des Merkmals „auf kurzfristigen Zeitraum" äußerst zweifelhaft. Die Anwendung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG dient dem Ausgleich punktueller oder kurzfristiger finanzieller Belastungen der Länder, der sich auch darin ausdrückt, dass ein zwei Jahre überschreitender Zeitraum nicht erfasst wird. 1 0 8 4 Die aus den Abschreibungen der Inhaber der Frequenznutzungsrechte resultierenden Steuermindereinnahmen der Länder verteilen sich grundsätzlich auf einen Zeitraum von 20 Jahren, womit die zeitliche Obergrenze des Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG weit überschritten ist.
Die Voraussetzung „durch Gesetz" im vorliegenden Zusammenhang verneinend S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 94; K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 258. 1081 So auch F. Becker, DÖV 2003, 177 (183 f.). 1082 Für S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 95, reicht dies aus, um eine Mehrbelastung annehmen zu können. 1083 Vgl. auch K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 259. 1084
„Kurz" sei der Zeitraum, wenn es um ein bis zwei Rechnungsjahre geht, vgl. H. W. Hidien, in: BK-GG, Art. 106 Rn. 1160; J. W. Hidien, AöR 122 (1997), 583 (592). Im Gegensatz dazu stellt T. Maunz, in: T. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 69, allein auf die Absehbarkeit eines Endes der Mehrbelastung ab.
4. Kap.: Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen A n f o r d e r u n g e n 3 5 7
3. Keine analoge Anwendung des Art. 104 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG und Ergebnis Die Ertragskompetenz für in einem Versteigerungsverfahren anfallende Versteigerungseriöse fällt allein dem Bund zu. Die Länder gehen leer aus. Für Versteigerungserlöse als einmalig oder nur unregelmäßig anfallende, nicht vorhersehbare Einnahmen des Bundes sehen die verfassungsrechtlichen Regelungen keine Ausgleichsmöglichkeit vor. In Betracht kommen weder eine Umsatzsteuerrevision gemäß Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG noch der Mehrbelastungsausgleich gemäß Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG. Über die Berücksichtigung des Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG bei der Umsatzsteuerrevision nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG werden Einnahmen des Bundes zwar erfasst, jedoch nur dann, wenn sie regelmäßig anfallen. Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG behandelt demgegenüber zwar punktuelle Veränderungen, aber eben nur Einnahmen, die den Länder kurzfristig entzogen werden, worunter der Ausgleich unregelmäßiger Mehreinnahmen des Bundes fällt. Diese Konsequenz mag zwar zufällig erscheinen, eröffnet allerdings nicht die Möglichkeit einer analogen Anwendung des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG im Rahmen der Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG, wie Kruhl sie vorschlägt. 1085 Für eine solche analoge Anwendung spricht, dass Bund und Länder ansonsten auch andere nicht-steuerliche Abgaben wie ζ. B. den sog. Wasserpfennig oder die bergrechtliche Förderabgabe nach § 31 BBergG, die auch eine beträchtliche Höhe erreichen kann, 1 0 8 6 als Versteigerungserlöse ausgestalten könnten und die Erträge aus diesen Abgaben dadurch dem Anwendungsbereich des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG entzogen wären. 1087 Die Umgestaltung der bisher klassischen Ressourcennutzungsgebühren als in einem Versteigerungsverfahren anfallende Entgelte wäre jedoch unzulässig, da spätestens in der Verhältnismäßigkeitsprüfung unüberwindbare Hemmnisse auftreten würden. Die Versteigerungseriöse rechtfertigen sich zwar, für sich gesehen, vorrangig aus dem Vorteilsausgleich. Die Entgeltverpflichtung ist aber an das Versteigerungsverfahren zur Feststellung des effizienten Nutzers rückgekoppelt. Nur aus der Kombination mit der ökonomischen Effizienzfeststellung als sachgerechtes Auswahlkriterium ergibt sich die Rechtfertigung für diese spezielle Ausgestaltung. Für Ressourcennutzungsgebühren im Umweltbereich gilt dies nicht in gleicher Weise. Selbst wenn der Verfassungsgeber bei der Finanzreform 1969 1 0 8 8 die Möglichkeit, Ressourcennutzungsgebühren durch Versteigerungen zu erheben, nicht bedacht 1085
K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 261 f. «086 VGL. H. W. Hidien, in: BK-GG, Art. 106 Rn. 889: Nach der Ölkrise 1973/74 belief sich das Aufkommen aus dem bergrechtlichen,,Förderzins" auf bis zu DM 2 Mrd. jährlich. 1087 Vgl. zum Erfordernis der Berücksichtigung von Ländereinnahmen aus Umweltabgaben im Rahmen des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG U. Sacksofsy, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 181. 1088 Dazu ausführlich S. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 430 ff.
358 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
hat, 1 0 8 9 reicht dies allein nicht aus, um damit im Umkehrschluss eine analoge Anwendung zu begründen. 1090 Man würde mit der Berücksichtigung der Versteigerungseriöse eine „Einbahnstraße in Richtung Länder" aufmachen. 1091 Dies würde die Ordnungsfunktion der Finanzverfassung stören, zu Verwerfungen im bundesstaatlichen Finanzgefüge führen und stünde im Widerspruch zum Formenprinzip des Art. 106 GG. Eine analoge Anwendung des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG bedeutet zudem eine Umgehung der Ertragskompetenz, die nicht zur Disposition steht. Für Analogieschlüsse, die den vorgegebenen finanzverfassungsrechtlichen Rahmen erweitern oder aufweichen, findet sich kein rechtlicher Grund. 1 0 9 2 Außerdem sind Versteigerungserlöse im MaßstG nicht berücksichtigt, was nach dem BVerfG erforderlich wäre, da nur mittels eines langfristig angelegten gesetzlichen Maßstabs festgestellt werden kann, ob sich das Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern wesentlich anders entwickelt hat. 1 0 9 3 Steht die Verwirklichung des Ziels der Art. 106 Abs. 3 und 4 GG, den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht zu beteiligen, in Frage, weil neue Einnahmequellen wie der Versteigerungserlös das Verteilungssystem sprengen, ist der Verfassungsgesetzgeber gefordert. Eine analoge Anwendung von Verfassungsrecht ist nicht angezeigt.
5. Kapitel
Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit europäischem Gemeinschaftsrecht Ein weiterer Maßstab für die Überprüfung des Versteigerungsverfahrens nach § 6 1 Abs. 5 TKG ergibt sich aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Schon frühzeitig hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass dem vom EG-Vertrag geschaffenen, aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen seiner Eigenständigkeit keine innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können. 1094 Aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts folgt, dass eine europarechtswidrige nationale Regelung nicht anwendbar ist. 1089 Vgl. z u r Gesetzesgeschichte des Begriffs der laufenden Einnahmen und deren fehlender Bedeutungsklärung T. Maunz, in: T. Maunz/M. Dürig, GG, Art. 106 Rn. 44. 1090 So aber K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 261 f. 1091
So Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 257, selbst - allerdings noch im Zusammenhang mit der Ertragskompetenz. 1092 vgl. BVerfGE 67, 256, 288 f.; 105, 185, 194. 1093 BVerfGE 101,158, 215 ff., 238. 1094 Grundlegend zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts EuGH, Rs. 6/64, Slg. 1964,1253 (Costa/E.N.E.L.); vgl. T. Oppermann, Europarecht, Rn. 615 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rn. 179 ff.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
359
Im Zusammenhang mit dem Versteigerungsverfahren werfen konkret die Auswahlentscheidung, die das „Ob" einer Betätigung der Telekommunikationsunternehmen auf dem den versteigerten Frequenzen entsprechenden Markt bestimmt, und die Entgeltverpflichtung die Frage nach der Vereinbarkeit mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf. Als Maßstab für die Prüfung der Gemeinschaftsrechtskonformität sind vorliegend sowohl die primärrechtlich verankerten Grundfreiheiten als auch das einschlägige Sekundärrecht heranzuziehen. Zunächst soll daher erörtert werden, ob § 61 Abs. 5 TKG EG-ausländische Telekommunikationsunternehmen in der Ausübung ihrer Grundfreiheiten - zu denken ist namentlich an die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV und die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV - beschränkt und ob gegebenenfalls zwingende Gründe des Allgemeinwohls eine solche Beschränkung rechtfertigen können (dazu unter A). Die Grundfreiheiten sind indes für die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung des Vergabeverfahrens nur insoweit heranzuziehen, als dieser Regelungsbereich nicht in speziellem Sekundärrecht abschließend ausgestaltet wurde. Tatsächlich hat der neue Rechtsrahmen für Telekommunikationsnetze und -dienste 1095 , insbesondere die Genehmigungsrichtlinie, mittlerweile eine weitgehende sekundärrechtliche Harmonisierung herbeigeführt. Daher ist im Anschluss an die Erörterung der Grundfreiheiten, die nach wie vor den übergeordneten primärrechtlichen Rahmen für das Sekundärrecht und das nationale Umsetzungsrecht vorgeben, zu untersuchen, ob die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens durch den deutschen Gesetzgeber in § 61 Abs. 5 TKG auch den sekundärrechtlichen Vorgaben gerecht wird (dazu unter B).
A. Primärrechtliche Vorgaben I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV 1. Eröffnung
des Anwendungsbereichs
a) Begriff der Dienstleistung Unter den Begriff der Dienstleistung im Sinne des Art. 49 EGV fallen selbstständige Leistungen mit grenzüberschreitendem Bezug, 1 0 9 6 „die in der Regel ge1095
Siehe Fn. 47 in der Einführung. 1096 Die Voraussetzung, dass der Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen muss, ist allen Grundfreiheiten gemeinsam. Sie folgt grundsätzlich aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 1 c) EGV „zwischen den Mitgliedstaaten"). Zudem ist die Nichterfassung rein innerstaatlicher Vorgänge explizit dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 1, Art. 50 Abs. 3 EGV für die Dienstleistungsfreiheit („für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind") und des Art. 43 EGV für die Niederlassungsfreiheit („von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates") zu ent-
360 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren gen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen" (Art. 50 Abs. 1 EGV); es darf sich mithin nicht nur u m eine Begleitleistung bei der Verwirklichung einer Tätigkeit handeln, deren Schwerpunkt vom Anwendungsbereich einer anderen Grundfreiheit erfasst wird (Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit 1097).1098 Das Anbieten von kommerziellen Funkdiensten stellt eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit d a r , 1 0 9 9 die gegen ein Entgelt erbracht wird und einen Teil des Wirtschaftslebens ausmacht, 1 1 0 0 so dass es sich um eine Dienstleistung i m Sinne des Art. 49 E G V h a n d e l t . 1 1 0 1 Die grenzüberschreitende Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung mit i n einem Versteigerungsverfahren erworbenen Frequenzen fällt somit grundsätzlich in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreih e i t . 1 1 0 2 Aber erst wenn feststeht, dass die in Art. 43 ff. E G V geregelte Niederlassungsfreiheit nicht einschlägig ist, kann auf die insoweit subsidiäre Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 ff. E G V als gemeinschaftsrechtlicher Prüfungsmaßstab zurückgegriffen werden (vgl. Art. 50 Abs. 1, 3 EGV).
nehmen, vgl. EuGH, Rs. C-52/79, Slg. 1980, 1-833 Rn. 9 (Debauve); Rs. C-198/89, Slg. 1991, 1-727 Rn. 9 (Kommission/Griechenland); Rs. C-41/90, Slg. 1991, 1-1979 Rn. 37 ff. (Höfner und Elser); Rs. C-134/95, Slg. 1997,1-195 Rn. 19 (USSL No 47 di Biella). Aus der Literatur W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2002, Art. 50 EGV Rn. 7 f. 1097 siehe zu diesem Grundsatz EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995,1-4165 Rn. 20 (Gebhard); Rs. C-70/95, Slg. 1997, 1-3395, Rn. 24 (Sodemare). Siehe zur Abgrenzung auch W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 13; M. Schlag, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rn. 16; T. Oppermann, Europarecht, Rn. 1592. ι 0 9 « Siehe zu den Voraussetzungen im einzelnen P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 EGV Rn. 15 ff.; W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 50 EGV Rn. 5 ff.; T. Oppermann, Europarecht, Rn. 1592 ff. 1099 ψ . Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 6; Vgl. auch F.-J. Schöne, Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. EWG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 35. 1100 Vgl. zu diesem Kriterium EuGH, Rs. C-36/74, Slg. 1974, 1405 Rn. 4/10 (Walrave); Rs. C-196/87, Slg. 1988, 6159 Rn. 9 (Steymann); W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 7, 9 ff. noi So auch W. Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 308; L. Grämlich, CR 2000, 101 (103); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (245); C. Koenig, K&R 2001, 41 (44); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (337); S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 49; P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (881 f.). Π02 Erfasst werden allerdings - betrachtet wird die Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens - nur diejenigen Unternehmen, die Dienstleistungen vom EG-Ausland mit einer eigenen Frequenz erbringen wollen im Gegensatz zu solchen Unternehmen, die lediglich mit Frequenznehmern Verträge über die Dienstleistungserbringung abschließen.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
361
b) Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit Grundsätzlich umfasst die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV die Aufnahme und Ausübung selbstständiger (wirtschaftlicher) Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen 1103 nach den Bestimmungen des Mitgliedstaates für seine eigenen Angehörigen. Die Erwerbstätigkeit muss auf der Grundlage einer festen Einrichtung 1104 dauerhaft auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates angelegt sein. Sie betrifft folglich die der Leistungserbringung vorgelagerte dauerhafte Ortsveränderung des Leistungserbringers in das Gebiet des Leistungsempfängers und die daraus folgende Integration in die Wirtschaft des Aufnahmestaates; ihrem Zweck nach soll die Niederlassungsfreiheit die freie Standortwahl für Produktions- und Vertriebsstätten gewährleisten. Die Dienstleistungsfreiheit schützt hingegen den Verkehr grenzüberschreitender Leistungen. Dies umfasst einerseits die Fälle, in denen der Dienstleistungserbringer (sog. „positive" oder „aktive" Dienstleistungsfreiheit) oder der Dienstleistungsempfänger (sog. „negative" oder „passive" Dienstleistungsfreiheit) die Grenze überschreitet. Es genügt aber auch, wenn allein die Dienstleistung die Grenze überschreitet (sog. „Korrespondenzdienstleistung"). Somit weisen die Dienstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit sich überschneidende Anwendungsbereiche in Bezug auf die geschützten Personen und Tätigkeiten auf. Aus der Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit ist daher zu folgern, dass unter dieser im Ergebnis nur vorübergehende selbstständige Tätigkeiten subsumiert werden, während Leitbild der Niederlassungsfreiheit das dauerhafte wirtschaftliche Tätig werden ist. 1 1 0 5 Wann ein Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft als niedergelassen anzusehen ist, lässt sich mitunter nur schwer sagen, denn Art. 43 Abs. 1 S. 2 EGV bezieht die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften ausdrücklich in den Regelungsbereich der Niederlassungsfreiheit mit ein. Nach der vom EuGH entwickelten Abgrenzungsformel sind die »03 EuGH, Rs. C-221/89, Slg. 1991, 1-3905 Rn. 20 (Factortame); Rs. C-251/98, Slg. 2000,1- 2787 Rn. 22 (Baars); P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 11 ff.; J. Bröhmer, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 9; M. Schlag, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rn. 2. Siehe auch N. Horn, NJW 2004, 893 ff. 1104 „Feste Einrichtung" beinhaltet dabei lediglich die Möglichkeit, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Staates teilzunehmen. Üblicherweise manifestiert sich die Niederlassung in einer baulichen Verfestigung (Produktionsstätten, Lager- und Büroräume), vgl. EuGH, Rs. C-221/89, Slg. 1991, 1-3905 Rn. 20 (Factortame); Rs. C-246/89, Slg. 1991,1-4585 Rn. 21 (Kommission/Vereinigtes Königreich); P.C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 Rn. 18; J. Bröhmer, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 11; M. Schlag, in: J. Schwarze (Hrsg.), EUKommentar, Art. 43 EGV Rn. 17. "05 w. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 13.
362 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Art. 43 ff. EGV immer dann anzuwenden, wenn der Dienstleistungserbringer seine Tätigkeit „ganz oder überwiegend" auf dem Gebiet eines anderen Staates ausrichtet,1106 wobei auch der zeitlichen Ausrichtung der Tätigkeit maßgebliche Bedeutung zugesprochen wird. 1 1 0 7 Hat der Aufenthalt nicht nur vorübergehenden Charakter, sondern ist die Teilnahme am Wirtschaftsleben des Aufnahmestaates „stetig" 1 1 0 8 bzw. „stabil und kontinuierlich" 1109 sollen die Vorschriften des Niederlassungsrechts anwendbar sein. In der Literatur ist diese Ausdehnung der Niederlassungsfreiheit zu Lasten der Dienstleistungsfreiheit heftig kritisiert worden. 1 1 1 0 Praktische Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit vor allem deshalb zu, weil trotz der zunehmend inhaltlichen Angleichung der Marktfreiheiten die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an staatliche Beschränkungen nach wie vor je nach betroffener Grundfreiheit variieren. Es gilt der Grundsatz, dass dem dauerhaft Niedergelassenen hinsichtlich der Anpassung an mitgliedstaatliche Regelungen mehr zugemutet werden kann, als dem nur vorübergehend tätigen Dienstleistungserbringer. 1111 Diese Wertung kann insbesondere bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme bedeutsam sein. Da danach der Dienstleistungsfreiheit ein strengerer Maßstab für die Beurteilung des deutschen Vergabeverfahrens zukommen kann, sollen mögliche Diskriminierungen und Beschränkungen zunächst in deren Rahmen untersucht werden. Die Betrachtung gesonderter Konstellationen, in denen die Niederlassungsfreiheit einschlägig ist, erfolgt dann im Anschluss.
2. Diskriminierung Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 EGV („unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorsieht") verbietet als Konkretisierung des Art. 12 noe EuGH, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 Rn. 21 ff. (Versicherung); dies sei ζ. B. auch dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates im Empfängerstaat eine selbstständige Präsenz aufrechterhält, selbst „wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das vom eigenen Personal des Unternehmens oder von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln". h 0 7 Eine Dauerhaftigkeit wird namentlich bei Sitznahme, Präsenz in Form einer Zweigniederlassung oder Agentur, Errichtung einer Tochtergesellschaft oder Tätigkeit auf unbestimmte Zeit (vgl. dazu EuGH, Rs. C-221/89, Slg. 1991,1-3905 Rn. 20 [Factortame] angenommen, vgl. P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 17. nos EuGH, Rs. C-70/95, Slg. 1997,1-3395 Rn. 24 (Sodemare). 1109 EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995,1-4165 Rn. 25 (Gebhard), mo Vgl. zum Meinungsstand N. Reich, ZHR 153 (1989), 571 (577 ff.), im P. Troberg, P.-C. Müller-Graff,
in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 Rn. 17; in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 EGV Rn. 73.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
363
EGV jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Bereich der Dienstleistungsfreiheit (Grundsatz der Inländergleichbehandlung). 1112 Eine offene bzw. unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegenüber einem vergleichbaren inländischen Sachverhalt durch die Anknüpfung des nationalen Rechts an die Herkunft der Dienstleistung schlechter behandelt wird. 1 1 1 3 Eine solche Diskriminierung kann hinsichtlich der Regelungen des Versteigerungsverfahrens bereits an dieser Stelle ausgeschlossen werden, da die Vorschriften an keiner Stelle an die Herkunft der sich um Frequenzen bewerbenden Unternehmen anknüpfen. Zu untersuchen ist aber des Weiteren, ob die deutschen Vorschriften zur Frequenzvergabe einschließlich der Regelungen zum Versteigerungsverfahren mittelbar diskriminierende Wirkung entfalten, denn grundsätzlich richten sich Diskriminierungsverbote auch gegen solche (unterschiedslos anwendbaren) Voraussetzungen, die formell alle Unionsbürger gleich behandeln, aber tatsächlich regelmäßig oder hauptsächlich1114 mit einer Schlechterstellung von Unionsbürgern anderer Staatsangehörigkeit (oder Gesellschaften aus einer anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung) verbunden sind, weil nur Inländer die Anforderungen und die aufgestellten Voraussetzungen der staatlichen Normen typischerweise erfüllen. 1115 Eine solche mittelbare oder versteckte Diskriminierung lässt sich regelmäßig daran erkennen, dass eine verbotene ausländische Dienstleistung mit einer erlaubten inländischen Dienstleistung vergleichbar ist. 1 1 1 6 Da der EuGH mittelbare Diskriminierungen dogmatisch nicht eindeutig als Diskriminierung oder Beschränkung behandelt, sondern vielmehr einzelfallbezogen entscheidet,1117 sollen diejenigen Einzelaspekte des deutschen Vergabe Verfahrens, denen in Teilen der Literatur mittelbar diskriminierende Wirkung zuge1112 Siehe dazu EuGH, Rs. C-3/95, Slg. 1996, 1-6511 Rn. 25 (Reisebüro Broede); Rs. C-172/98, Slg. 1999,1-3999 Rn. 12 f. (Kommission/Belgien) - st. Rspr.; W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 36; P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 EGV Rn. 71; T. Oppermann, Europarecht, Rn. 1588. ms EuGH, Rs. 321/87, Slg. 1989, 1-997 Rn. 12 (Kommission/Belgien); P.-C. MüllerGraff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 42; Λ. Randeishof er /υ. Forsthoff, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 49/50 EGV Rn. 83. m 4 EuGH, Rs. C-107/94, Slg. 1996,1-3089 Rn. 38 (Asscher). ms Grundlegend EuGH, Rs. 71/76, Slg. 1977, 765 Rn. 13/14 (Thieffry). Siehe auch EuGH, verb. Rs. 62 und 63/81, Slg. 1982, 223 Rn. 8 (Seco). Vgl. auch F.-J. Schöne, Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. EWG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 87 ff.; K. Hailbronner/A. Nachbaur, WiVerw 1992, 57 (104 ff.); W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 36; P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 49 EGV Rn. 77. 1116 P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 EGV Rn. 77 f. 1117 Vgl. C. Nowak/J. Schnitzler, EuZW 2000, 627 (628). So konnten in der Vergangenheit insbesondere im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit mittelbare Diskriminierungen in entsprechender Anwendung der Cassis-Formel gerechtfertigt werden, vgl. EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 Rn. 8 (Cassis de Dijon).
364 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
schrieben wird, im Kontext des allgemeinen Beschränkungsverbots diskutiert werden.
3. Beschränkung a) Reichweite Die Dienstleistungsfreiheit reicht nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus; sie verlangt zur Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes die Aufhebung aller Beschränkungen, die - unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell - geeignet sind, die grenzüberschreitende Tätigkeit eines Dienstleistenden zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 1118 Der EuGH hat das Beschränkungsverbot zwischenzeitlich aufgrund seiner enormen Anwendungsbreite - es sind kaum Maßnahmen erkennbar, die die jeweils betroffene Marktfreiheit nicht in irgendeiner Weise beschränken - tatbestandlich verengt: Bei der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. EGV gilt das Beschränkungsverbot nach der sog. „Keck"-Rechtsprechung 1119 nur noch für produkt-, nicht aber für vertriebsbezogene Regelungen; bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 ff. EGV und wohl auch bei der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 ff. EGV sind entsprechende Tendenzen in Bezug auf eine Unterscheidung zwischen Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen zu beobachten. 1120 Für die vorliegend einschlägige Dienstleistungsfreiheit hat der EuGH das Beschränkungsverbot bisher jedoch - soweit ersichtlich - (noch) nicht in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt. Ob aufgrund der Konvergenz der Grundfreiheiten auch im Bereich der Dienstleistungsfreiheit früher oder später mit einer entsprechenden Rechtsprechungsänderung zu rechnen ist (etwa dergestalt, dass das allgemeine Beschränkungsverbot nur für Regelungen gilt, die den Zugang zum Dienstleistungsmarkt, nicht aber nie Für die Dienstleistungsfreiheit entschied dies der EuGH bereits in einer seiner ersten Leitentscheidungen zu Art. 59 EWG (jetzt Art. 49 EGV): EuGH, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299 Rn. 10/12 (van Binsbergen). Siehe auch EuGH, Rs. C-76/90, Slg. 1991,1-4221 Rn. 12 (Säger); Rs. C-55/94, Slg. 1995,1-4165 Rn 37 (Gebhard); Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511 Rn. 25 (Reisebüro Broede); verb. Rs. C-369 und 376/96, Slg. 1999, 1-8453 Rn. 33 (Arblade); W. Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 314; W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rn. 38 ff.; P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 EGV Rn. 84 ff.; A. Randelzhofer/U. Forsthoff, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 49/50 EGV Rn. 88 ff. 1Π9 EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993,1-6097 (Keck). 1120 Für die Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH, Rs. C-190/98, Slg. 2000,1-493 (Graf); für die Niederlassungsfreiheit EuGH, Slg. 1999,1-2835 (Pfeiffer). A.A. F. Montag, NJW 2001, 1613 (1615), der durch die Graf-Entscheidung des EuGH das Kriterium der „Spürbarkeit" auf die Grundfreiheiten übertragen sieht, die näher liegende Möglichkeit einer Analogie zur Keck-Rechtsprechung allerdings übersieht.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
365
lediglich die Ausübung der Dienstleistung regeln), kann hier freilich dahinstehen. Eine solche Eingrenzung des allgemeinen Beschränkungsverbots wäre nämlich für die Zulässigkeit der staatlichen Durchführung eines Versteigerungsverfahrens nur von eingeschränkter Relevanz, da es sich hierbei auch um eine Maßnahme handeln kann, die den Zugang zum Dienstleistungsmarkt regelt. 1121 Solche Maßnahmen fallen aber, selbst bei vergleichender Heranziehung der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit, jedenfalls unter das allgemeine Beschränkungsverbot. b) Ansatzpunkte für eine Beschränkung aa) Die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens als Versteigerungsverfahren Aus der Abhängigkeit der Aufnahme und Ausübung einer bestimmten unternehmerischen Tätigkeit vom Erhalt eines Frequenznutzungsrechts ergibt sich für EGausländische Unternehmen eine die Dienstleistungserbringung beschränkende Wirkung; die „freie" Betätigung auf dem Telekommunikationsmarkt wird für sie weniger attraktiv, wenn sie sich zunächst um ein Nutzungsrecht bemühen müssen und zudem unsicher ist, ob sie ein solches erhalten werden. 1122 Erfolgt die Vergabe dieses Nutzungsrechts in einem Versteigerungsverfahren, beschränkt auch dieses die Dienstleistungsfreiheit. Ebenso schränkt die Teilnahme an der dem Versteigerungsverfahren vorausgehenden Prüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG EG-ausländische Telekommunikationsunternehmen in ihrer freien Betätigung ein. 1 1 2 3 bb) Das Versteigerungsentgelt Darüber hinaus werden EG-ausländische Telekommunikationsanbieter unter dem Gesichtspunkt der Kosten, die der jeweils erfolgreiche Auktionsteilnehmer als Voraussetzung für den Erhalt des Nutzungsrechts in Höhe seines Gebotes zu entrichten hat, beim Erbringen ihrer Telekommunikationsdienstleistung beschränkt. 1124 Abgesehen davon, dass im Falle des Obsiegens im Versteigerungsverfahren der Verpflichtung, ein Entgelt in Höhe des Gebots zu entrichten, grundsätzlich eine beschränkende Wirkung nicht abgesprochen werden kann, sehen einige Autoren - insbesondere Koenig 1125 - eine Beschränkung auch unter dem Gesichts»121 S.o. im 2. Teil, 4. Kapitel, A.II.2.b)bb). 1122 So S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 51, der die Beschränkung allerdings für gerechtfertigt hält. 1123 L Grämlich, CR 2000, 101 (103). 1124 C Koenig, K&R 2001,41 (44); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (337). 1125 C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (245); C. Koenig, K&R 2001, 41 (44); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (337).
366 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
punkt, dass einige Unternehmen zwar finanziell durchaus in der Lage seien, die für den Aufbau und Betrieb der Netze anfallenden Kosten aufzubringen, ihre finanziellen Mittel aber eben nicht für die durch das Versteigerungsentgelt entstehende zusätzliche Belastung ausreichten. Dies bedeute, dass sich finanziell schwächere Unternehmen am Versteigerungsverfahren nur eingeschränkt beteiligen könn. ten. 1126 Auch die möglicherweise entstehende finanzielle Doppelbelastung von Unternehmen, die sich sowohl im jeweiligen Herkunftsland als auch für den Eintritt in den deutschen Telekommunikationsmarkt kostenintensiven Zulassungsverfahren unterwerfen müssen, hat grundsätzlich einen beschränkenden Charakter. Eine mittelbare bzw. verdeckte Diskriminierung ist darin indes nicht zu sehen, trifft doch die Kostenlast nicht typischerweise nur EG-ausländische Telekommunikationsunternehmen. 1127 Aufgrund der auf dem Telekommunikationsmarkt herrschenden Internationalität der Telekommunikationsunternehmen sind deutsche Unternehmen in gleicher Weise doppelt belastet wie EG-ausländische Unternehmen, da auch sie sich um Frequenzen in anderen EG-Ländern bemühen. Ebenso sind es auch nicht typischerweise nur EG-ausländische Unternehmen, die die doppelte Kostenbelastung aus Versteigerungsentgelt und Netzaufbaukosten nicht tragen können. Beide Gesichtspunkte knüpfen vielmehr an die jeweilige Finanzlage des Unternehmens an, die unabhängig von der Herkunft differieren kann. cc) Die Ermöglichung wettbewerbswidrigen nationaler Unternehmen
Bietverhaltens
Im Zusammenhang mit den primärrechtlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts wird schließlich problematisiert, ob die Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens es nationalen, bereits etablierten Unternehmen ermöglicht, durch die Abgabe überhöhter Gebote EG-ausländischen Unternehmen den Marktzutritt zu verwehren. 1128 Allerdings scheint es schon wenig wahrscheinlich, dass das Versteigerungsverfahren tatsächlich von solchen Strategien dominiert wird; dies folgt aus den marktstrategischen Vorbedingungen, die kumulativ gegeben sein müssten, um ein solch „destruktives" Verhalten für ein nationales Unternehmen attraktiv zu machen: 1 1 2 9 1126 Dieser Einwand, der auch grundsätzlich gegen Versteigerungsverfahren geltend gemacht wird, verkennt schon, dass sich der Vergabemechanismus an der finanziellen Leistungsbereitschaft und eben gerade nicht an einer finanziellen Leistungs/ä/ii^/r orientiert. Π27 So auch O. Klöck, RTkom 2000, 280 (288); C. Koenig/T Schäfer, K&R 1998, 243 (245); C. Koenig, K&R 2001,41 (44); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (337). Π28 Maßstab für die Wertbestimmung hinsichtlich der zu versteigernden Frequenzen, der sich im überhöhten Gebot realisieren würde, wäre dann lediglich das Marktfernhaltungsinteresse. Siehe zu diesem Gesichtspunkt C. Koenig, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (339 f.); ders., K&R 2001,41 (44).
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
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- Zunächst müsste es sich bei den aktuell zur Versteigerung anstehenden Frequenzen um solche für einen neuen Funkdienst auf demselben oder benachbarten Markt der bereits etablierten Unternehmen handeln. - Das betrachtete „störwillige" Unternehmen müsste des Weiteren durch den möglichen Markteintritt von Newcomern aus dem EG-Ausland für den neuen Funkdienst Verluste hinsichtlich seiner Marktanteile und Gewinne (hinsichtlich seines bereits etablierten Dienstes) befürchten. - Schließlich müsste die Höhe der erwarteten Einbußen ein solches Ausmaß annehmen, dass es sich lohnen würde, in der Frequenzversteigerung für den neuen Dienst Newcomern durch überhöhte Gebote den Marktzugang zu versperren; das heißt, die Höhe der Verpflichtung, die sich aus der überhöhten Gebotsabgabe ergibt, müsste unterhalb der Summe der befürchteten Verluste liegen. Die Annahme, dass ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, kann nicht allein auf das Vorliegen einer höheren Zahlungsbereitschaft deutscher Telekommunikationsunternehmen gestützt werden. Eine solche folgt nämlich im Regelfall vielmehr aus den gewichtigen Effizienzvorteilen alteingesessener inländischer Unternehmen gegenüber EG-ausländischen und inländischen Newcomern, etwa den bisherigen Erfahrungen mit dem deutschen Telekommunikationsmarkt, bestehenden Niederlassungen einschließlich qualifiziertem, deutschsprachigem Personal und Kundenstamm, einer (gewissen) Bekanntheit in der Öffentlichkeit und potenziellen Kostenvorteilen bei der Errichtung einer neuen Netzinfrastruktur durch Rückgriff auf bereits bestehende Netze. 1130 In solchen Effizienzvorteilen ist aber gerade keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu sehen. Zum einen fehlt es schon an einer zurechenbaren staatlichen Maßnahme bzw. am staatlichen Handeln, das für die Effizienzvorteile verantwortlich wäre. Insbesondere fehlt aber die für die primärrechtliche Beurteilung entscheidende beschränkende Wirkung. Aufgabe der Grundfreiheiten ist es nicht, faktische Unterschiede zwischen Unternehmen a b zugleichen oder ein Geschäftsfeld zu schützen, sondern vielmehr, die formale Gleichbehandlung zu garantieren. 1131 Stünde ein solcher Ausnahmefall aber aufgrund der konkreten Vergabeumstände tatsächlich zu befürchten, wäre die Anwendung des Versteigerungsverfahrens schon auf einfachgesetzlicher Ebene ausgeschlossen. Es wäre dann nämlich zur Feststellung des effizienten Nutzers ungeeignet im Sinne von § 61 Abs. 2 S. 2 TKG mit der Folge, dass die Vergabe im Ausschreibungsverfahren zu erfojgen hät1129 Siehe dazu auch oben im 2. Teil, 2. Kapitel, C.II.l.a). Hiervon geht allerdings Koenig bei der UMTS-Versteigerung aus, vgl. C. Koenig, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (339 f.); ders., K&R 2001,41 (44). U30 Zum letzten C. Koenig, K&R 2001,41 (48 f.).
1131 R. Streinz, in ders. (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 12 EGV Rn. 13, 43; M. Zuleeg, in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 12 Rn. 5 ff. Vgl. auch EuGH Rs. 186/87, Slg. 1989,195 Rn. 11 (Cowan). So im Ergebnis auch S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 52.
368 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
t e . 1 1 3 2 Zu diesem Ergebnis müsste im Übrigen auch eine europarechts- (sprich Grundfreiheiten-)konforme Auslegung des § 61 Abs. 2 S. 1 TKG führen. Eine im TKG angelegte Beschränkung dergestalt, dass es nationalen Unternehmen ermöglicht bzw. gar gestattet wäre, mittels überhöhter Gebote im Versteigerungsverfahren den Marktzutritt EG-ausländischer Mitbieter zu blockieren, ist somit nicht ersichtlich. dd) Kein EG-einheitliches
Vergabeverfahren
Dass für die Entscheidung, in welcher Form bzw. in welchem Vergabeverfahren Frequenzen vergeben werden, die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig sind, kann dazu führen, dass Frequenzen desselben Standards in einem Mitgliedstaat im Wege eines aus Sicht der Unternehmen relativ kostengünstigen1133 Ausschreibungsverfahrens verteilt werden, während sie in einem anderen Mitgliedstaat relativ kostenintensiv versteigert werden. 1134 Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zur Verfahrenswahl bestehen grundsätzlich nicht. 1 1 3 5 Dass die Praxis unterschiedlicher Vergabeverfahren die Gefahr der Schwächung einzelner Telekommunikationsanbieter auf bestimmten nationalen Märkten in ihrer Wettbewerbsposition in anderen Mitgliedstaaten durch hohe Zuschlagsverpflichtungen birgt, ist durchaus denkbar. Sollte ein Mitgliedstaat die Vergabeentscheidung in einem Versteigerungsverfahren aus rein taktischen Gründen fällen, um EG-ausländische Unternehmen im Marktzugang zu beschränken, wäre ihm dies - abgesehen davon, dass für ein solches Vorgehen in der Vergangenheit keinerlei Anhaltspunkte bestanden - kaum nachzuweisen. Ein Verstoß des Gemeinschaftsnormgebers durch das Offenlassen des konkreten Vergabeverfahrens gegen Grundfreiheiten wäre schließlich lediglich dann anzunehmen, wenn der jeweiligen Grundfreiheit nur durch die gemeinschaftsrechtliche Vereinheitlichung der Vergabeverfahren ausreichend Rechnung getragen werden könnte. 1136 Eine abstrakte Gefahr ungleicher Marktbedingungen auf den unterschiedlichen nationalen Märkten ist für die Begründung eines Verstoßes gegen Grundfreiheiten gerade nicht ausreichend. 1137 Die europaweit uneinheitliche Vergabe von Frequenzen (desselben Standards) mag zwar rechtspolitische Bedenken 1 1 3 8 hervorrufen, eine die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Wirkung begründet sie aber nicht. 1132 Siehe dazu oben im 2. Teil, 1. Kapitel, B.II.3.b)bb)(2). H 3 3 Es fällt nur eine Verwaltungsgebühr an. 1134 Diesen Gesichtspunkt greift J. A Kämmerer, NVwZ 2002,161 (167) auf. 1135 S.o. 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.d)bb)(2)(d)(bb). 1136 Da Adressat dann die Gemeinschaft wäre, wäre ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsgrundrecht der Berufsfreiheit zu prüfen. 1137 Af. Holoubek, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 49 EGV Rn. 43; J. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (167). 11 38 Ebenso bezüglich UMTS Monopolkommission, Kurzfassung, S. 4.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
369
4. Rechtfertigung Im Gegensatz zu diskriminierenden Maßnahmen, die gemäß Art. 55 EGV nur über die eng auszulegenden Ausnahmetatbestände der Art. 45 EGV (Ausübung hoheitlicher Gewalt) und Art. 46 EGV (öffentliche Sicherheit und Ordnung, Gesundheit) zu rechtfertigen sind, 1 1 3 9 können sonstige behindernde Maßnahmen mit der Dienstleistungsfreiheit als vereinbar angesehen werden, wenn ihnen zwingende Gründe des Allgemeininteresses zugrunde liegen, sie im Weiteren geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist und die Beschränkung im Übrigen verhältnismäßig im engeren Sinne ist. 1 1 4 0
a) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Zwingende Gründe des Allgemeinwohls ergeben sich vorliegend aus dem Ziel der effizienten Verteilung knapper Ressourcen zur Vermeidung von Interferenzen. Gleichzeitig wird durch das Versteigerungsverfahren der knappheitsbedingte Sondervorteil, der dem Frequenznutzer durch das Nutzungsrecht vermittelt wird, abgeschöpft. Das Versteigerungsverfahren stellt sich lediglich als Folge der natürlichen Frequenzknappheit dar und enthält keine über die Zulassungsschranke der natürlichen Frequenzknappheit hinausgehende Beschränkung. Die Beschränkung in Form der Erforderlichkeit von Nutzungsrechten ist systemimmanent, eine Verteilungsentscheidung zwangsweise erforderlich. 1141 Man wird aber nicht übersehen dürfen, dass nach allgemeinen Grundsätzen fiskalische oder wirtschaftliche Motive Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen können. 1142 Sollten daher entsprechende fiskalische Erwägungen bei der Wahl des Versteigerungsverfahrens bestimmend sein, würde die Bewertung wohl anders ausfallen müssen.
1139
In der Vergangenheit hat das Gericht nicht selten auch mittelbare Diskriminierungen anhand von Allgemeinzwecken gerechtfertigt und die erhöhten Rechtfertigungsanforderungen der Art. 45,46 i.V.m. 55 EGV auf formal diskriminierende Maßnahmen, die ausdrücklich nur Ausländer betreffen, beschränkt, vgl. EuGH, Rs. 152/73, Slg. 1974, 153 Rn. 10 ff. (Sotgiu); Rs. 62 und 63/81, Slg. 1982, 223 Rn. 9 ff. (Seco); Rs. C-76/90, Slg. 1991, 1-4221 Rn. 12 ff. (Säger); K. Hailbronner/A. Nachbaun EuZW 1992, 105 (111 f.). Für einen engen Dienstleistungsbegriff H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (213). mo EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, 1-4165 Rn. 37 (Gebhard). Vgl. auch EuGH, Rs. C-76/90, Slg. 1991, 1-4221 Rn. 12 (Säger); Rs. C-19/92, Slg. 1993, 1-1663 Rn. 32 (Kraus); verb. Rs. C-369 und 376/96, Slg. 1999,1-8453 Rn. 34 f. (Arblade); W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 54. 1141 J. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (167). 1142 EuGH, Rs. 352/85, Slg. 1988, 2085 (Bond van Adverteerders); Rs. C-288/89, Slg. 1991,1-4007 (Commissariaat Voor de Media). 24 Bumke
370 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
b) Verhältnismäßigkeit Zur Verwirklichung dieser Ziele ist die Durchführung eines Versteigerungsverfahrens geeignet, da grundsätzlich der effiziente Nutzer die Frequenz erwirbt und zudem durch die Entgeltverpflichtung der im Wert der Frequenz liegende Sondervorteil abgeschöpft wird. Der Einsatz eines Versteigerungsverfahrens ist auch erforderlich, um die Frequenzen in ihre effiziente Verwendung zu überführen. Die positiven Verteilungseffekte, die kumulativ aus der entgeltlichen Abgabe der Frequenzen und der Wertbestimmung durch die Nachfrager herrühren, lassen sich nicht in gleicher Weise durch andere Auswahlverfahren, insbesondere nicht durch administrative Preisfestsetzung oder durch ein Ausschreibungsverfahren herbeiführen. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung des Prinzips der gegenseitigen Annerkennung als spezieller Ausformung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Nach dem Herkunftsprinzip sind beschränkende Zulassungsregeln des Bestimmungsstaates, die ein vergleichbares Schutzniveau zu entsprechenden Bestimmungen des Herkunftsstaates aufweisen, im Bereich der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich nicht gerechtfertigt, da Art. 49 EGV auch vor wiederholten Zulassungsverfahren schützt. 1143 Dieses wird im vorliegenden Zusammenhang hinsichtlich der im Zulassungsverfahren stattfindenden Prüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG relevant. Gegen diese Prüfung könnte man nun einwenden, dass sie eine verbotene Doppelkontrolle darstellt, da die EG-ausländischen Unternehmen, die sich um Frequenzen bewerben, bereits in ihrem Herkunftsstaat Zulassungsbeschränkungen unterliegen und diese Überwachung gegenüber der Prüfung der Mindestvoraussetzungen angemessen und gleichwertig ist. 1 1 4 4 Allerdings kann die möglicherweise bereits im Herkunftsstaat stattfindende überwachungsrechtliche Prüfung und Zulassung, die nun zwischenzeitlich aufgrund der zwingenden Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie in allen Mitgliedstaaten über ein Anzeigeerfordernis nicht hinausgehen darf, nicht mit der Prüfung des § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG gleichgesetzt werden. Mit der Prüfung dieser Norm wird eine „gemeinwirtschaftliche" 1145 Mindesteignung zur gemeinverträglichen unternehmerischen Betätigung mit der zur Versteigerung stehenden, knappen Frequenz nach Maßgabe des zu vergebenden Frequenznutzungsrechts erstmals festgestellt. Diese spezielle Prüfung ergibt sich konkret hinsichtlich der bestimmten Frequenz und kann im Herkunftsland noch nicht vorgenommen worden sein. Mit 1143 „ V a n Wesemael/Webb-Doktrin", vgl. EuGH, Rs. 279/80, Slg. 1981, 3305 Rn. 20 (Webb); verb. Rs. 110 und 111/78, Slg. 1979, 35 (van Wesemael). Vgl. aus der Literatur J. Tiedje/P. Troberg, in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 49 Rn. 77 ff.; W. Kluth, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 59; M. Kort, JZ 1996,132 (139); L Grämlich, CR 2000, 101 (103). 1144 Vg. zu dieser Argumentation EuGH, Rs. 279/80, Slg. 1981, 3305 Rn. 20 (Webb), ins C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (246).
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
371
ihrer Überprüfung findet nämlich keine grundsätzliche Zulassungs- und Eignungsprüfung statt. Die in der Prüfung der sachlichen Mindestvoraussetzungen liegende Beschränkung ist also gerechtfertigt. Da auch nicht ersichtlich ist, dass das Versteigerungsverfahren zur Zweckerreichung grundsätzlich außer Verhältnis steht - die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hätte ohnehin am hier nicht zu berücksichtigenden Einzelfall zu erfolgen - , sind die durch das Versteigerungsverfahren bedingten Beschränkungen im Ergebnis gerechtfertigt.
II. Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV 7. Eröffnung
des Anwendungsbereichs
Von den unter die Dienstleistungsfreiheit subsumierten Sachverhaltskonstellationen sind diejenigen Fälle abzugrenzen, in denen ausländische Telekommunikationsanbieter aus EG-Mitgliedstaaten sich in der Bundesrepublik niederlassen wollen, um von dort aus direkt Telekommunikationsdienstleistungen mit in einem Versteigerungsverfahren erworbenen Frequenzen anzubieten. 1146 Wenn man bedenkt, dass diese Form des Tätigwerdens zum Aufbau der Netzinfrastruktur und eines flächendeckenden Betriebssystems ökonomisch effizienter sein dürfte, 1147 erscheint die Gründung einer Niederlassung - in welcher Form auch immer - durchaus nahe liegend. Dem steht auch nicht die zeitlich begrenzte Erteilung des Frequenznutzungsrechts entgegen. Schon für dessen Geltungszeitraum lässt sich nämlich von einer dauerhaften wirtschaftlichen Eingliederung in die Bundesrepublik zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit sprechen. 1148 Zu denken ist hier ζ. B. an die Gründung von Tochterunternehmen oder an den Aufbau externer Vertriebsorganisationen. Auch ein Beteiligungserwerb an einem deutschen Telekommunikationsunternehmen wäre möglich, wenn der Erwerber durch seinen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft deren Tätigkeiten bestimmen kann (Kontrollerwerb). 1149 Werden aber (nur) unabhängige Personen bzw. Unternehmen eingeschaltet, wird man zumindest eine besonders deutliche Anbindung an das auf1146 Zu Definition der Niederlassungsfreiheit in Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit und möglichen Fallkonstellationen vgl. bereits oben in diesem Kapitel, A.I.l. 1147 So auch für die Versteigerung der UMTS-Lizenzen S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 50. Im Gegensatz dazu hält insbesondere Koenig, aber auch andere - allerdings ohne Problematisierung - , allein die Dienstleistungsfreiheit für einschlägig, vgl. C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (245). Speziell hinsichtlich der UMTS-Versteigerung C. Koenig, K&R 2001, 41 (44); ders., in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (337 ff.); O. Klöck, RTkom 2000, 280 (288); L Grämlich, CR 2000, 101 (103 f.); J. A. Kämmerer NVwZ 2002,161 (167). 1148 Bei den UMTS Lizenzen ζ. B. 20 Jahre, vgl. Teil Β Ziff. 1 der Musterlizenz, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000,516, 557. 1149 Vgl. dazu EuGH, Rs. C-251 /98, Slg. 2000,1-2787 Rn. 22 (Baars); Rs. C-208/00, Slg. 2002, 1-9919 Rn. 77 (Überseering); P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 43 EGV Rn. 15. 24*
372 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
traggebende Unternehmen fordern müssen. 1150 Soweit ausländische Telekommunikationsveranstalter sich daher externer Vertriebsorganisationen im Empfängerstaat bedienen (ζ. B. Makler, Handelsvertreter, Abschluss vermittler), setzt die Anwendung der Art. 43 ff. EGV folglich voraus, dass entsprechende Vermittler/Vertreter jedenfalls ganz überwiegend für diese tätig sind.
2. Diskriminierung
/Beschränkung
Die Niederlassungsfreiheit in Art. 43 EGV verbietet jegliche - sei es auch nur „faktische" oder „verdeckte" 1151 - Diskriminierung hinsichtlich der freien Niederlassung EG-ausländischer Staatsangehöriger oder Unternehmen. Der EuGH versteht das in Art. 43 EGV enthaltene Verbot von „Beschränkungen der freien Niederlassung" mittlerweile in ständiger Rechtsprechung aber nicht nur als Diskriminierungsverbot im Sinne des Art. 43 Abs. 2 EGV (Inländergleichbehandlung 1152), sondern - parallel zur Warenverkehrs-, Dienstleistungs-, und Arbeitnehmerfreiheit - als allgemeines Beschränkungsverbot. 1153 Ein Gastland kann also dem vom Niederlassungsrecht Begünstigten auch solche Regelungen nicht entgegenhalten, die zwar für Inländer und Ausländer gleichermaßen gelten, die aber eine Niederlassung erschweren, ohne dass dies durch ein objektives Allgemeininteresse gerechtfertigt wäre. 1 1 5 4
uso R Troberg, in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 Rn. 45. usi EuGH, Rs. 16/78, Slg. 1978, 2293 Rn. 4 (Choquet); Rs. C-193/94, Slg. 1996,1-929 Rn. 23 (Skanavi); Rs. C-24/97, Slg. 1998,1-2133 Rn. 12 ff. (Kommission/Deutschland); K. Hailbronner/A. Nachbaur, WiVerw 1992, 57 (70 ff.); P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 48. Kritisch A. Randelshofer/U. Forsthoff, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 43 EGV Rn. 72 f. 1152 j, Tiedje/P. Troberg, in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 Rn. 69 ff.; U. Everling, DB 1990, 1853 ff. Zur Inländergleichbehandlung in Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit allgemein siehe P.-C Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 19; J. Bröhmer, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 19; M. Schlag, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rn. 3, 33; A. Randelshofer/U. Forsthoff, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 43 EGV Rn. 74. 1153 in der Entscheidung EuGH, Rs. 221/85, Slg. 1987, 1-719 Rn. 5 (Kommission/Belgien) legte der EuGH die Niederlassungsfreiheit noch als reines Diskriminierungsverbot aus. Ein Beschränkungsverbot anklingen lässt dagegen die Entscheidung EuGH, Rs. 107/63, Slg. 1984,1-2971 Rn. 19 (Klopp). Ein Beschränkungsverbot nimmt der EuGH dann in folgenden Entscheidungen an: Rs C-340/89, Slg. 1991,1-2357 Rn. 15 (Vlassopoulou); Rs. C-106/91, Slg. 1992, 1-3351 Rn. 29 (Ramrath); Rs. C-19/92, Slg. 1993, 1-1663 Rn. 32 (Kraus); Rs. C-55/94, Slg. 1995,1-4165 Rn. 37 (Gebhard). 1154 Vgl. Steindorff, EuR 1988, 19 ff.; B. Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573 ff.; P.-C. MüllerGraff, EuR 2002, Beiheft 1, 7 (45 ff.); A. Randelzhofer/U. Forsthoff, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 43 EGV Rn. 83, 89; P.-C. Müller-Graff, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 57. Zum Meinungsstand auch A Nachbaur, EuZW 1991,470 (470 Fn. 3).
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
373
Aufgrund des konvergenten Beschränkungsbegriffs bei Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit kann hinsichtlich möglicher Beschränkungen durch das Versteigerungsverfahren auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 1155
3. Rechtfertigung Angesichts der deutlichen Bestrebungen, die Grundfreiheiten einer einheitlichen Dogmatik zu unterwerfen, 1156 und der Tendenz des EuGH, auch versteckte Diskriminierungen der Schranke des Allgemeininteresses zu unterwerfen, 1157 dürfte sich bei der Niederlassungsfreiheit der Schwerpunkt der Diskussion ebenfalls auf die Frage der Rechtfertigung konzentrieren. Daraus folgt, dass die (gegenüber EGAusländern und Inländern gleichermaßen geltenden) Voraussetzungen für die Erlangung von Nutzungsrechten im Versteigerungsverfahren nur durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses bei Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden können. 1158 Dabei ist das weiterhin bestehende legitime Interesse jeden Staates, innerstaatliche Verhältnisse frei zu regeln, besonders zu berücksichtigen. Anders als bei der Dienstleistungsfreiheit verändert der Niederlassungswillige ja gerade seinen Standort, um die Produktionsbedingungen einer anderen Volkswirtschaft zu nutzen. 1159 Dies bedingt gleichzeitig, dass ihn beschränkende Maßnahmen eher zuzumuten sind, als wenn es sich um eine einmalige oder vorübergehende Tätigkeit handelt. Da indes die im Kontext der Dienstleistungsfreiheit aufgezeigten Ansatzpunkte für eine Beschränkung schon nach dem dort geltenden (im Zweifel strengeren) Maßstab gerechtfertigt sind, kann für entsprechende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit nichts anderes gelten. Die bestehenden Regelungen hinsichtlich des Versteigerungsverfahrens dürften (auch hier) solange gerechtfertigt sein, wie der Gesetzgeber plausibel darlegen kann, dass er mit seiner Regelung nicht primär fiskalische Zwecke verfolgt.
B. Sekundärrechtliche Vorgaben Bei der Beurteilung des Versteigerungsverfahrens sind zahlreiche sekundärrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. 1160 Diese wurden durch den neuen europäischen Rechtsrahmen größtenteils neu formuliert. Es bedarf der Überprüfung der Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit Sekundärrecht insbesondere auch 1155
S.o. in diesem Kapitel unter A.I.3.b). 1156 Vgl. H; D. Jarass, EuR 1995, 202 ff. 1157 EuGH, Rs. 152/73, Slg. 1974, 153 Rn. 10 ff. (Sotgiu); Rs. 62 und 63/81, Slg. 1982, 223 Rn. 9 ff. (Seco); Rs. C-76/90 Slg. 1991,1- 4221 Rn. 12 ff. (Säger). use W-H. Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E I Rn. 86. 1159 R Troberg, in: von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 43 Rn. 17. 1160 Siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.III.3.b).
374 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
unter dem Gesichtspunkt, dass die Genehmigungsrichtlinie kein bestimmtes Verfahren für die Frequenzvergabe in Knappheitssituationen vorgibt. Sie bestimmt lediglich, dass wettbewerbsorientierte oder vergleichende Auswahlverfahren zur Anwendung kommen. 1161 Als wettbewerbsorientiertes Auswahl verfahren wird die Frequenzvergabe im Versteigerungsverfahren von den Vorgaben umfasst.
I. Die Vereinbarkeit des § 61 Abs. 5 TKG mit den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie Zunächst ist zu untersuchen, ob das in § 61 Abs. 5 TKG geregelte Versteigerungsverfahren als Auswahlmechanismus hinsichtlich seiner Regelungsform und seiner konkreten Ausgestaltung mit den Vorgaben des Art. 7 Genehmigungsrichtlinie im Einklang steht.
1. Objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Auswahlkriterien, Art. 7 Abs. 3 S. 1 Genehmigungsrichtlinie Art. 7 Abs. 3 S. 1 Genehmigungsrichtlinie gibt vor, dass die Frequenznutzungsrechte nach objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Auswahlkriterien zu vergeben sind. Das in § 61 Abs. 5 TKG normierte Versteigerungsverfahren für Funkfrequenzen entspricht diesen Anforderungen. Es wurde bereits an anderer Stelle herausgearbeitet, dass es sich bei einem Auktionsverfahren um ein besonders transparentes und objektives Auswahlverfahren handelt. 1162 Im Gegensatz zu Ausschreibungsverfahren, bei denen die Kriterien und deren Gewichtung nicht immer hinreichenden und nachprüfbaren Niederschlag in der Vergabeentscheidung finden, steht bei der Auktion von vornherein fest, dass einziges Vergabekriterium das Höchstgebot ist. Die Regeln der Zuteilung sind damit allen Teilnehmern bekannt. Für nichttransparente Entscheidungen der RegTP besteht kein Spielraum. 1163 Es handelt sich bei einem Auktionsverfahren auch um ein nicht diskriminierendes Verfahren. 1164 Das Kriterium des Höchstgebots ist frei von diskriminierenden Elementen. Jeder Teilnehmer hat zu Beginn der Auktion grundsätzlich die gleichen Chancen und erfahrt vom Auktionator die gleiche Behandlung. Die für die Teilnahme zu erfüllenden Mindestanforderungen, die gemäß § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG im Vorfeld durch die RegTP festzulegen sind, 1161 Siehe dazu oben im 1. Teil, 2. Kapitel, D.IH.3.d)bb)(2)(d)(bb)(a). 1162 Siehe dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)ee)(2). 1163 Monopolkommission, Hauptgutachten 1998/1999, S. 57 Rn. 46. Vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 der UMTS-Entscheidung. 1164 Siehe dazu oben 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)ee)(2) und im 2. Teil, 4. Kapitel, A.III.3.a). Siehe dazu auch - allerdings für die Vorgaben der Richtlinie 97 /13 / EG - S. Korioth, UMTSGutachten, S. 46.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
375
sind objektiv und nachprüfbar. Dass die tatsächliche Ausgangssituation aller Frequenzbewerber nicht die gleiche ist, ist unbeachtlich, da hinsichtlich des Diskriminierungsverbots ein rein formaler Maßstab anzuwenden ist. 1 1 6 5 Ebenso genügt ein Versteigerungsverfahren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn zur Sicherstellung einer optimalen Frequenznutzung der Wert der knappen Ressource abgeschöpft wird. 1 1 6 6
2. Die ausreichende Berücksichtigung der Regulierungsziele, Art. 7 Abs. 3 S. 2 Genehmigungsrichtlinie Das in § 61 Abs. 5 TKG geregelte Frequenzversteigerungsverfahren müsste schließlich auch mit Art. 7 Abs. 3 S. 2 Genehmigungsrichtlinie vereinbar sein, wonach den Regulierungszielen des Art. 8 Rahmenrichtlinie gebührend Rechnung zu tragen ist. Einschlägig ist insbesondere das Regulierungsziel der Wettbewerbsförderung (Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie). Nach Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie ist der Wettbewerb zu fördern, indem unter anderem sichergestellt wird, dass die Nutzer 1 1 6 7 größtmögliche Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität genießen (Art. 8 Abs. 2 a)Rahmenrichtlinie), sowie gewährleistet wird, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt (Art. 8 Abs. 2 b) Rahmenrichtlinie), effiziente Infrastrukturinvestitionen gefordert und Innovationen unterstützt werden (Art. 8 Abs. 2 c) Rahmenrichtlinie) sowie schließlich eine effiziente Nutzung der Frequenzen sichergestellt wird (Art. 8 Abs. 2 d) Rahmenrichtlinie). Diese Regulierungsziele decken sich weitgehend mit den im TKG verankerten Regulierungszielen (§ 2 Abs. 2 TKG). Das Ziel des Art. 8 Abs. 2 d) Rahmenrichtlinie ist gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG für das Versteigerungsverfahren leitendes Oberziel. 1168 Durch die Vergabe im Wege eines Versteigerungsverfahrens erwirbt dasjenige Unternehmen die Frequenz, das aufgrund seiner höchsten prognostizierten Gewinnerwartung die höchste Zahlungsbereitschaft aufweist. Mit dem Versteigerungsverfahren sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, anhand marktbezogener Kriterien gerade diejenigen Unternehmen herauszufiltern, denen es möglich ist, die entsprechenden Funkfrequenzen ökonomisch effizient auf dem Markt einzusetzen. Die Frequenzen gelangen so in ihre effiziente Verwendung.
"65 Für die Vorgaben der Richtlinie 97/13/EG C. Koenig/T Schäfer, K&R 1998, 243 (249); A. Keuter/L. Nett/U. Stumpf, Verfahrensregeln, S. 39; S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 46. 1166 S.o. im 2. Teil, 4. Kapitel, B.I. 1167 „Nutzer" sind nach Art. 2 h) Rahmenrichtlinie natürliche und juristische Personen, die einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst in Anspruch nehmen oder beantragen. 116 Siehe dazu oben im . Teil, 2. Kapitel.
376 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
Für die sich an ökonomischen Wertungen orientierenden Regulierungsziele wie die Wettbewerbsförderung allgemein und im Speziellen die Gewährleistung, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen gibt (Art. 8 Abs. 2 b) Rahmenrichtlinie), sowie die Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen (Art. 8 Abs. 2 c) Rahmenrichtlinie) konnte bereits gezeigt werden, dass ein Versteigerungsverfahren, das die Nutzer anhand des Effizienzmaßstabs auswählt, in bestimmter Ausgestaltung diese mitberücksichtigt bzw. mitverwirklicht. 1169 Über die Regeln zur Durchführung des Versteigerungsverfahrens nach § 61 Abs. 5 S. 1 TKG kann die RegTP gewährleisten, dass das Verfahren nicht von wettbewerbsverzerrendem oder -beschränkendem Bieterverhalten determiniert wird. 1 1 7 0 Durch spezielle Ausgestaltungsregeln kann eine breite Streuung von Frequenzen und ein Wettbewerb um die lukrativsten Marktpositionen garantiert werden. 1171 Zusätzlich wird mit der Entgeltlichkeit der Frequenzen ein Anreiz zur Infrastrukturförderung und Innovationsunterstützung geschaffen; das Versteigerungsentgelt besitzt Stimulierungsfunktion als Effekt neben der Effizienzverwirklichung. 1172 Neben der Informationsgenerierung des Versteigerungsverfahrens wirkt insbesondere auch die finanzielle Vorleistung in Form des Versteigerungsentgelts anreizbildend im Hinblick auf die Schaffung effizienter Infrastrukturen und innovativer Dienste. 1173 Die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen, die aufgrund besonderer Umstände wie einer Spezialisierung effiziente Infrastrukturen bereitstellen oder besonderes Innovationspotential ausweisen, 1174 sich aber möglicherweise gegen die großen Wettbewerber in einer Versteigerung nicht durchsetzen können, erlangen durch die Regelung des § 61 Abs. 5 S. 1 TKG, der ihre Berücksichtigung vorschreibt, ausreichende Beachtung. Damit hat das Effizienzkriterium eine Verknüpfung mit einem wertenden Element erfahren. Darüber hinaus hat die Prüfung der Sachgerechtigkeit des Effizienzkriteriums im Hinblick auf Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG ergeben, dass dem Wettbewerbsprinzip durch ein Versteigerungsverfahren in besonderer Weise genügt wird. 1 1 7 5 Für den atypischen Fall, in dem die gesetzlich verankerte Logik nicht besteht, enthält § 61 Abs. 3 S. 1 TKG eine Auffanglösung bereit. Er sieht vor, dass ein Antragsteller vom Versteigerungsverfahren ausgeschlossen werden kann, wenn zu erwarten ist, dass durch dessen erfolgreiches Gebot ein chancengleicher Wettbewerb auf dem "69 siehe dazu oben im 2. Teil, 2 Kapitel, B,C. 1170 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, C.n.l. n 7 i Siehe dazu auch - allerdings für die Vorgaben der Richtlinie 97 /13 / EG - 5. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 47. 1172 Vgl. allgemein zur Stimulierungsfunktion W. Hoffmann-Riem, in: Der Gewährleistungsstaat - ein Leitbild auf dem Prüfstand, Manuskript S. 14. 1173 Vgl. W. Kummel, 48 Fed. Comm. L.J. (1996), 511 (527); K-D. Scheurle, MMR 2000, 577 (578); B. C. Fritts, 51 Fed. Comm. L.J. (1999), 849 (855). Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B.III. 1174 Vgl. auch G. L Rosston/ J. S. Steinberg, 50 Fed. Comm. L.J. (1997), 87 (110); S. Bach/G. Erber, Wochenbericht des DIW 30/2000,490 (497). 1175 S.o. 2. Teil, 4. Kapitel, A.m.3.b)bb)(3)(b)(bb).
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
377
sachlich und räumlich relevanten Markt, für den die zu vergebenen Frequenzen verwendet werden dürfen, gefährdet wird. Ebenso ist bereits herausgearbeitet worden, dass dem Ziel, dass die Nutzer größtmögliche Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität (Art. 8 Abs. 2 a)Rahmenrichtlinie) durch ein Versteigerungsverfahren mit dem Auswahlmaßstab der effizienten Frequenznutzung genügt wird, da ein solcher Maßstab auf die Auswahl, Preise und Qualität positiv einwirkt. Die Interessen der Nutzer als privater Endkunde 1176 bestehen einerseits im Zugang zu neuen, innovativen Telekommunikationsdienstleistungen und andererseits in niedrigen Preisen der angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen, was sich besonders deutlich bei der exponierten Bedeutung der Kosten der Telekommunikation bei der Marktpenetration neuer Kommunikationstechnologien zeigt. 1 1 7 7 Die privaten Endkunden, deren Nachfrage stark preiselastisch ist und die grundsätzlich eine eher geringe Zahlungsbereitschaft aufweisen, 1178 werden durch hohe Entgelte von der Nutzung der jeweiligen Dienste abgehalten.1179 Dass das Effizienzkriterium nicht zu einem Ansteigen der Endkundenpreise führt, wurde bereits an anderer Stelle gezeigt. 1180 Das darüber hinausgehende Ziel der Anbietervielfalt, die vornehmlich für Nutzer in Form von Unternehmen als Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen, die die Dienstleistungen als Vorprodukte für das eigene Angebot benötigen, von Bedeutung ist, 1 1 8 1 findet ebenso in einem Versteigerungsverfahren hinreichende Berücksichtigung. 1182 Den Nutzern wird ein breit gefächeltes Angebot unterbreitet, da nur so die Nachfrage nach dem jeweiligen Funkdienst aufgebaut wird und die Frequenznehmer mit der im Versteigerungsverfahren teuer bezahlten Frequenz die Chance erhalten, Gewinne zu erwirtschaften.
II. Die Vereinbarkeit des Versteigerungsentgelts mit den Vorgaben des Art. 13 Genehmigungsrichtlinie Art. 13 Genehmigungsrichtlinie enthält Vorgaben für die Versteigerungserlöse. Zwar findet Art. 12 der Richtlinie auch bei der Erteilung eines Nutzungsrechtes also auch bei der Vergabe von Funkfrequenzen im Wege eines Versteigerungsverfahrens nach § 61 Abs. 5 TKG - Anwendung. Für die Erhebung von Verwaltungs1176 E Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 2 Rn. 6. 1177 Vgl. dazu S. Bach/G. Erber, Wochenbericht des DIW 30/2000,490 (492 ff.). U78 C. Graak, Telekommunikationswirtschaft in der Europäischen Union, S. 198. 1179 C. Graak, Telekommunikationswirtschaft in der Europäischen Union, S. 198. uso S.o. 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)bb)(2). usi F. Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 2 Rn. 6. 1182 S.o. 2. Teil, 4. Kapitel, Die weiteren politischen Ziele betreffen nicht die Vergabesituation im Versteigerungsverfahren unter dem Effizienzmaßstab, so dass sie für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den sekundärrechtlichen Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie außer Betracht bleiben können.
378 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
abgaben ordnet Art. 12 Genehmigungsrichtlinie aber das Kostendeckungsprinzip als Obergrenze an. 1 1 8 3 Der Einziehung von Verwaltungsabgaben stehen immer auf der anderen Seite Kosten in gleicher Höhe gegenüber, die an die Unternehmen weitergegeben werden. Das Bestehen einer Obergrenze scheidet für das in einem Versteigerungsverfahren vom obsiegenden Bieter zu zahlende Entgelt aus, da es sich an der Wertschätzung hinsichtlich der Frequenzen orientieren und damit grundsätzlich nach oben offen sein muss. Für die in einem Versteigerungsverfahren entstehende Zahlungsverpflichtung des obsiegenden Bieters als „Entgelt" findet vielmehr Art. 13 Genehmigungsrichtlinie Anwendung. Ein Vergleich der Formulierungen in Art. 13 Genehmigungsrichtlinie und Art. 12 Genehmigungsrichtlinie zeigt, dass mit den in Art. 13 der Richtlinie genannten „Entgelten" etwas anderes gemeint sein muss als mit den in Art. 12 genannten „Verwaltungsabgaben". Mit der Wahl des Begriffes „Entgelt" hat der europäische Gesetzgeber den die Lizenzierungsrichtlinie betreffenden Streit in der rechtswissenschaftlichen Literatur, ob vom Begriff der „Abgabe" in dessen Art. 11 Abs. 2 S. 2 auch Versteigerungseriöse mit umfasst sind, 1 1 8 4 gelöst. „ E n t g e l t " meint die monetär bemessene Entsprechung des Wertes als Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Da das Auktionsverfahren als Vergabeverfahren vom europäischen Gesetzgeber zumindest toleriert wird, 1 1 8 5 ist davon auszugehen, dass er auch dessen Erlöse gesehen hat und regeln wollte. Nicht vorgegeben wird das Verfahren zur Bestimmung der Höhe der möglichen Entgelte. Materiell ist zu fordern, dass sich die Höhe und der Wert des Gutes sich zueinander äquivalent verhalten. Es gilt also das Äquivalenzprinzip. Dass gerade das Versteigerungsverfahren sich besonders eignet, den Marktwert einer Frequenz zu bestimmen, ist bereits an anderer Stelle dargelegt worden. 1186
1. Versteigerungsentgelte zur Sicherstellung der optimalen Ressourcennutzung Art. 13 Genehmigungsrichtlinie ermöglicht die Erhebung zusätzlicher 1187 Nutzungsentgelte für die Gewährung von Frequenznutzungsrechten, mit denen der I i « Siehe dazu in diesem Zusammenhang O. Klöck, RTkom 2000, 280 (288); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (247); C. Koenig, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (341). h 8 4 Siehe dazu ausführlich Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 272 ff.; R. Schütz/J.-R Nüsken, MMR 1998, 523 (524); C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (247 f.); C. Koenig, in: UMTS-Lizenzvergabe, S. 318 (343); S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 47 f.; J. A. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (167 f.), die den Versteigerungserlös im Ergebnis als erfasst ansahen. Anders B. Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (883); L Grämlich, CR 2000,101 (106). 1185 Siehe zur Einstellung der europäischen Institutionen gegenüber dem Versteigerungsverfahren ausführlich Κ Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 274 ff. h 8 6 Siehe dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A und Β.
5. Kap.: Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
379
Nutzungsweit der knappen Ressource abgeschöpft werden kann. Dabei gilt gemäß Art. 13 S. 1 Genehmigungsrichtlinie der Maßstab der Sicherstellung der optimalen Nutzung dieser Ressource. In diesem Zusammenhang führt Erwägungsgrund 32 der Genehmigungsrichtlinie aus, dass im Falle der Erhebung eines Pauschalbetrages die Zahlungsregelungen sicherstellen sollten, dass die Entgelte faktisch nicht zu einer Auswahl nach Kriterien führen, die nicht in Beziehung zu dem Ziel der optimalen Nutzung von Funkfrequenzen stehen. 1188 Hintergrund dieser Aussage ist, dass verhindert werden soll, dass den Zuschlag im Rahmen von Auktionsverfahren solche Gebote erhalten, deren Höhe nicht mehr nur die Bereitschaft zur effizienten Nutzung der Frequenzen widerspiegelt, sondern in erheblichem Umfang auch durch strategische Überlegungen determiniert ist. Hieraus wird nun teilweise erneut gefolgert, dass die Vergabe im Wege eines Versteigerungsverfahrens, das sich allein an der Finanzkraft der Unternehmen orientiere, den Vorgaben der Gewährleistung optimaler Nutzung der Ressourcen entgegenstünde. 1189 Dabei handelt es sich jedoch lediglich um ein Wiederaufgreifen der bereits im Zusammenhang mit den Vorgaben der Lizenzierungsrichtlinie geführten Diskussion, 1190 da auch dort (in Art. 11 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie) die Gewährleistung der optimalen Ressourcennutzung vorgeschrieben war. Entscheidendes Auswahlkriterium in einem Versteigerungsverfahren ist aber nicht die Finanzkraft, sondern die Zahlungsbereitschaft der Bieter, aus der die Gewährleistung der optimalen Ressourcennutzung folgt. 1 1 9 1 Grundprinzip einer Versteigerung ist eben nicht allein die Erlösmaximierung; 1192 diese geht vielmehr mit der effizienten Nutzung der Frequenzen, die über den knappheitsgerechten Preis im Versteigerungsverfahren ermittelt wird, 1 1 9 3 einher. Der ermittelte Preis spiegelt die Notwendigkeit der optimalen Nutzung des rationierten Gutes wider. 1 1 9 4 Bei einer Versteigerung wird dieser Marktpreis für das Versteigerungsgut ermittelt. 1195 Unter der Voraussetzung, dass wettbewerbsrechtliche Sanktionierungsvorkehrungen gegen Bieterabsprachen sowie einseitige missbräuchliche Verhaltensweisen einzelner Bieter bestehen, entspricht der in der Versteigerung erzielte Marktpreis Π87 Damit ist zusätzlich zu den Verwaltungsabgaben gemeint, vgl. Erwägungsgrund 32 S. 1 der Genehmigungsrichtlinie. 1188 Vgl. Erwägungsgrund 32 der Genehmigungsrichtlinie. 1189 R. Schütz/T Attendorn, MMR 2002, Beilage zu Heft 4, 1 (12). 1190 Siehe die Nachweise oben in Fn. 191 im 1. Teil, 2. Kapitel. 1191 Siehe dazu oben 2. Teil, 2. Kapitel, A und B. Siehe dazu auch - allerdings für die Vorgaben der Richtlinie 9 7 / 1 3 / E G - S . Korioth, UMTS-Gutachten, S. 48. 1192 So aber B. Grzeszick f DVB1. 1997, 878 (883) mit der Konsequenz, dass diese gemeinschaftsrechtlich unzulässig sei.
1193 O. Klöck, RTkom 2000, 280 (288); W. Spoerr/M. Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307); A. Freytag/B. Jäger, ORDO 47 (1996), 215 (221). 1194 Siehe dazu auch - allerdings für die Vorgaben der Richtlinie 97/13/EG S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 48. 1195 C. Koenig/T. (167).
Schäfer,
K&R 1998, 243 (248); J. A. Kämmerer,
NVwZ 2002, 161
380 2. Teil: Frequenzversteigerungsverfahren als hoheitliches Erstverteilungsverfahren
dem vom Bieter eingeschätzten Nutzwert. 1196 Art. 13 Genehmigungsrichtlinie erlaubt die Erhebung von Entgelten in Höhe des Nutzwertes, 1197 so dass das Versteigerungsverfahren grundsätzlich ein zur Ermittlung der Höhe und Erhebung des Entgelts zulässiges Vergabeverfahren ist.
2. Objektive Rechtfertigung, Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und Angemessenheit der Versteigerungsentgelte Den Vorgaben, dass die erhobenen Entgelte objektiv gerechtfertigt, transparent, nicht diskriminierend und angemessen sind, wird die Frequenzvergabe in einem Versteigerungs verfahren gerecht. Insbesondere wird dem in Art. 13 S. 2 der Richtlinie verankerten Diskriminierungsverbot durch die gesetzliche Wahl eines Auktionsverfahrens genügt: In Versteigerungsverfahren erfahren alle Bieter die gleiche Behandlung. 1198 Nachteile, die sich aus einer marktmäßigen Allokation des Vergabegegenstandes ergeben, erlangen für das Diskriminierungsverbot keine Relevanz, zumal es für Knappheitssituationen gerade charakteristisch ist, dass aufgrund der Preisbildung wirtschaftlich schwächere Nachfrager von dem Gut ausgeschlossen werden. 1199 Hinsichtlich der Merkmale der objektiven Rechtfertigung und Angemessenheit der erhobenen Entgelte kann auf die Ausführungen zum Verfassungsrecht 1200 sowie zum europäischen Primärrecht 1201 , hinsichtlich des Merkmals der Transparenz auf die Ausführungen zu den Verteilungsverfahren 1202 verwiesen werden.
3. Versteigerungsentgelte zur Wettbewerbsförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie Die Mitgliedstaaten haben bei der Entgelterhebung nach Art. 13 Genehmigungsrichtlinie den in Art. 8 Rahmenrichtlinie genannten Regulierungszielen ausreichend Rechnung zu tragen. Als Maßgaben für die in einem Versteigerungsverfahren anfallenden Versteigerungsentgelte kommen wiederum insbesondere die Förderung des Wettbewerbs mit seinen Unterzielen (vgl. Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie) in Betracht. Gegenüber der Betrachtung des Versteigerungsverfahrens ist lediglich zusätzlich herauszustellen, dass der Versteigerungserlös weder die Preise Π96 C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998, 243 (248). 1197 S.o. 1. Teil, 2. Kapitel, D.IH.3.d)bb)(4)(b). 1198 S.o. im 2. Teil, 4. Kapitel, A.m.3.a) Siehe auch S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 46; G. Manssen, in: ders. (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 11 Rn. 5. 1199 C. Koenig/T. Schäfer, K&R 1998,243 (249). 1200 s.o. im 2. Teil, 4. Kapitel, Β.Π.Ι. 1201 S.o. im 2. Teil, 5. Kapitel, A. 1202 s.o. im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)ee)(2).
5. Kap. : Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht
381
der nachfolgend angebotenen Dienstleistungen erhöht noch das Investitionsverhalten der Unternehmen beeinträchtigt. 1203
C. Ergebnis Für die Überprüfung des Versteigerungsverfahrens am Maßstab des europäischen Primärrechts ist je nach Sachverhaltskonstellation die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV oder die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV einschlägig. Das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG verstößt nicht gegen das Verbot der offenen und verdeckten Diskriminierung, da zwischen den Unternehmen nicht herkunftsspezifisch differenziert wird. Die Überprüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen und der Versteigerungserlös sind als Marktzugangsregelungen zu werten und beschränken insofern die Grundfreiheiten. Mögliche Beschränkungen sind aber aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Grundsätzlich keine Beschränkungen liegen hingegen in der auf EG-Ebene uneinheitlichen Verfahrenswahl zur Frequenzvergabe und in der Ausnutzung möglicher Effizienzvorteile nationaler Unternehmen. Sollte der Ausnahmefall eintreten, dass national etablierte Unternehmen EG-ausländischen Unternehmen durch überhöhte Gebote in ihrem Marktzutritt behindern wollen, sind die Frequenzen in europarechtskonformer Auslegung des § 61 Abs. 2 S. 1 TKG im Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG zu vergeben. Die Regelung des Versteigerungsverfahrens mit seiner Entgeltverpflichtung verstößt auch nicht gegen die Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie. Sie wird ferner den Regulierungszielen des Art. 8 Rahmenrichtlinie als ökonomisch effizienter Verteilungsmechanismus gerecht. Durch die unproblematische Subsumtion der Versteigerungserlöse unter den Entgeltbegriff des Art. 13 Genehmigungsrichtlinie hat sich die im Rahmen der Vorgaben der Lizenzierungsrichtlinie bestehende Diskussion, ob die Versteigerungserlöse unter den Abgabenbegriff subsumiert werden können, erübrigt.
1203 s.o. im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)bb)(2).
3. T e i l
Übertragbarkeit von Frequenzen Frequenzhandel gemäß § 62 T K G In § 62 T K G hat der Gesetzgeber als Novum sowohl des T K G als auch des Wirtschaftsverwaltungsrechts den Frequenzhandel eingeführt. 1 Er hat damit das schon bei der Frequenzversteigerung als Erstverteilungsverfahren nach § 61 T K G ökonomisch-orientierte Konzept der effizienten Frequenznutzung auf die weitere Ebene der Sekundärverteilung erstreckt. Durch die Einführung des Frequenzhandels ist eine Umorientierung des Frequenzzuteilungsregimes vom herkömmlichen Verständnis der Frequenz als höchstpersönliches Nutzungsrecht hin zu einem liberaleren Ansatz unter Einschluss der Klassifizierung von Frequenzen als handelbares Gut erforderlich geworden. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Inhalt der einfachgesetzlichen Bestimmungen zum Übergang von Frequenzen auf einen neuen Nutzer und nimmt dabei auch die Bestimmungen des TKG-alt in den Blick. I m zweiten Kapitel wird dann abschließend die Vereinbarkeit des Frequenzhandels nach § 62 T K G mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben untersucht.
1. Kapitel
Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel Zwar war die Frequenznutzung schon unter Geltung des TKG-alt dem Effizienzziel verpflichtet (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG). Die Übertragbarkeit von Frequenzen 1 Siehe zum Frequenzhandel in Australien, Neuseeland, Guatemala, Kanada und zu der Diskussion in England U. Stumpf/L. Nett/ S. Strube Martins/U. Eilinghaus/JScherer//. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 51 ff. und S. 85 f. In den USA ist in § 309 (j) des Telecommuncations Act of 1996 auf die Möglichkeit von Transfers eingegangen. Er enthält auch einen Passus über die Verhinderung ungerechtfertigter Bereicherung. Des Weiteren enthält § 310 (d) allgemeine Bestimmungen zum Lizenztransfer. Die von der FCC im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Telecommunications Act of 1996 verabschiedeten Regeln zu den verschiedenen Teilen und Belangen des Telekommunikationssektors sind in Titel 47 des Code of Federal Regulations (CFR) festgehalten, wobei sich Bestimmungen zu Frequenzallokation und Frequenzhandel an vielen Stellen finden, siehe dazu U. Stumpf/L. Nett/S. Strube Martins/U. Ellinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 52 ff.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
383
war allerdings nur eingeschränkt möglich, ein Handel gesetzlich nicht vorgesehen (dazu unter A). Das novellierte TKG enthält in § 55 Abs. 7 TKG und § 62 TKG Bestimmungen zum Übergang von Frequenznutzungsrechten (dazu unter B). Die am ökonomischen Konzept eines Handels ausgerichtete Bestimmung des § 62 TKG erlaubt es, eine ökonomische Analyse des Frequenzhandels in die Untersuchung zu integrieren.
A. Übertragbarkeit von Frequenzen nach dem TKG-alt Unter den Bestimmungen des TKG-alt war ein Lizenz- bzw. Frequenzhandel ausdrücklich nicht vorgesehen. Auch wurde er von der RegTP nicht praktiziert, da Frequenznutzungsrechte als höchstpersönliche Rechte eingestuft wurden. Zusätzlich wurde angeführt, dass der Umkehrschluss aus § 47 Abs. 6 S. 1 TKG-alt einen Handel ausschlösse.2 Eine Frequenzübertragung war unter dem TKG-alt nur in eng begrenzten Fällen möglich. Da neben einer Frequenzzuteilung gemäß § 6 TKG-alt eine Lizenz für das Angebot frequenzabhängiger Übertragungswege und für das Erbringen frequenzgebundener Telekommunikationsdienstleistungen erforderlich war, bedurfte es eines Übergangs sowohl der Frequenz als auch der Lizenz. Den grundsätzlich möglichen Übergang der Lizenz regelte § 9 TKG-alt. Demgegenüber war die Frequenzübertragung gemäß § 47 Abs. 6 TKG-alt nur sehr eingeschränkt möglich.
I. Übergang der Lizenz § 9 TKG-alt sah für den Fall des Wechsels des Lizenznehmers vier unterschiedliche Tatbestände mit entsprechenden Rechtsfolgen vor: 3 die Übertragung der Lizenz, den anderweitigen Übergang der Lizenz, den Wechsel der Eigentumsverhältnisse beim Lizenznehmer und die Überlassung der Lizenz. Im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen „Übertragung der Lizenz", die gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 TKG-alt einer vorherigen schriftlichen Genehmigung bedurfte, waren der „anderweitige Übergang der Lizenz auf einen neuen Inhaber", der „Wechsel der Eigentumsverhältnisse beim Lizenznehmer" und die „Überlassung der Lizenz" nach § 9 Abs. 2 TKG-alt lediglich anzeigepflichtig. In Verfolgung unterschiedlicher Ziele sollte zum einen die Übertragungsfähigkeit der Lizenz im Interesse der unterbrechungsfreien Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sichergestellt werden. Diesem Ziel diente insbesondere auch, dass die Fälle des § 9 Abs. 2 2 Siehe Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, S. 516, 553; B. Holznagel/C. Enaux/C. Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 153; A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 47 Rn. 57. 3 Siehe ausführlich zur Lizenzübertragung nach TKG-alt T. Mayen, CR 1999, 690 ff.; S.-U. Neumaier, RTkom 2001, 149 ff.
384
3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
TKG-alt lediglich unter der Bedingung der Anzeige standen. 4 Z u m anderen sollte die Vorschrift das Vorliegen der personengebundenen Voraussetzungen für die L i zenzerteilung i m Falle eines Wechsels i n der Person des Lizenznehmers sicherstellen. 5 Deshalb war i m Falle des § 9 Abs. 1 S. 1 TKG-alt eine Genehmigung erforderlich.
II. Übergang der Frequenzen § 47 Abs. 6 TKG-alt hingegen regelte ausdrücklich nur den Fall des „Wechsels der Eigentumsverhältnisse bei demjenigen, dem Frequenzen zugeteilt sind". Ein Wechsel der Eigentumsverhältnisse i n Sinne des § 47 Abs. 6 S. 1 TKG-alt lag dann vor, wenn es sich beim Zuteilungsempfänger u m eine juristische Person handelte und die Anteile an dieser auf eine andere juristische oder natürliche Person übertragen wurden (so genannter Share Deal). 6 Die Frequenzübertragung war damit nur in der genannten, also einer einzigen Fallkonstellation möglich. 7 Nicht vorgesehen war damit insbesondere eine rechtsgeschäftliche Übertragung ζ. B. in Form einer separaten Übertragung der Frequenz sowie eine Frequenzübertragung i m Rahmen der Übertragungen eines rechtlich nicht selbstständigen Teils eines Unternehmens i m Wege eines so genannten Asset Deals. 8 A l l e anderen Formen des Nutzerwechsels als der Wechsel der Eigentumsverhältnisse bedurften vielmehr ei4 Vgl. T. Mayen, CR 1999,690 (691). 5 BR-Drs. 80/96, S. 39; T. Mayen, CR 1999, 690 (691). 6 Vgl. dazu und zum Folgenden M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (258). 7 Vgl. BT-Drs. 13/4864, S. 80; RegTP, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, 516, 553 f.; Ehmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 47 Rn. 23 f.; a.A. W. Spoerr, in: H.-H. Trute/W. Spoerr/W. Bosch, TKG, § 47 Rn. 32; A. Spies, MMR 2003, 230 (232); E. Lenhard/B. Richert, K&R 2002, 578 (581), die annahmen, dass die Übertragbarkeit nach allgemeinen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Grundsätzen möglich wäre, da es sich bei Frequenzen um gegenstandsbezogene Erlaubnisse handelte und diese rechtsgeschäftlich übertragbar wären. Selbst wenn man sie als personenbezogene Verwaltungsakte einstufen würde, wären sie als Ausnahme übertragbar. Diese Übertragung bedürfte nur entsprechend § 9 Abs. 1 TKG-alt der vorherigen Genehmigung durch die RegTP. Dieser Ansicht konnte aber aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht gefolgt werden. An dieser Stelle wurde verkannt, dass es ja nun mal eine gesetzliche Regelung gab, durch die der vermeintliche Grundsatz eine andere vorrangige gesetzliche Ausgestaltung erfuhr. Ebenso problematisch C. Hey/J. Härtung, K&R 2000, 533 (540), die die Neuzuteilung in einem Vergabe verfahren als nicht zwingend ansahen. Rechtsdogmatisch kamen sie über eine Ermessensreduzierung auf Null zu dem Ergebnis, dass eine gebundene Entscheidung der RegTP vorlag, die Frequenzen an den nach § 9 Abs. 1 TKG-alt neuen Erwerber zuzuteilen. Die Ermessensreduzierung folgte aus verschiedenen Argumenten, so insb. aus dem untrennbaren Zusammenhang zwischen Lizenzvergabe und Frequenzzuteilung. Dieses Argument zogen auch E. Lenhard/B. Richert, K&R 2002, 578 (581) für die Ausnahmegeltung heran. 8 Aufgrund der Beschränkung der Frequenzübertragung gemäß § 47 Abs. 6 TKG-alt auf Fälle des Eigentumswechsels bestand diese Problematik auch in Fällen der „anderweitigen Übertragung" der Lizenz nach § 9 Abs. 2 TKG-alt, worunter auch die Ausgliederung /Abspaltung und sonstige Fälle der Unternehmensumwandlung nach Maßgabe des UmwG fielen.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
385
ner erneuten Zuteilung durch die RegTP.9 Aus diesem Grund bezog sich die in § 47 Abs. 6 S. 1 TKG-alt enthaltene pauschale Verweisung auf § 9 TKG-alt nur auf dessen Absatz 2, da Absatz 1 gerade die rechtsgeschäftliche Übertragung betraf. Ein Übergang von Frequenzen war daher nur in den Fällen des § 9 Abs. 2 TKG-alt möglich. Dann war der Wechsel der Regulierungsbehörde anzuzeigen. Aus § 47 Abs. 6 S. 1 TKG-alt wurde zudem der Umkehrschluss gezogen, dass auch die beiden anderen in § 9 Abs. 2 TKG-alt geregelten Tatbestände - der anderweitige Übergang und die Überlassung der Lizenz - für die Frequenzübertragung keine Anwendung fanden. 10 Daraus folgt, dass im Falle eines Share Deals ein Übergang von Lizenz und Frequenznutzungsrechten grundsätzlich vorgesehen war, wohingegen im Falle eines Asset Deals nur die Lizenz übertragen werden konnte, die „zugehörige" Frequenz war hingegen an die RegTP zurückzugeben. Praktisch versuchte man sich damit zu behelfen, in Koordination mit der RegTP eine Rückgabe der Frequenzen und eine koordinierte Neuzuteilung der zurückgegebenen Frequenz an den Erwerber anzustreben. Eine solche Neuzuteilung war in Fällen unbeschränkter Anzahl an Frequenzen grundsätzlich unproblematisch möglich. Für sie war eine Zuteilung nach § 8 TKG-alt ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens nach § 11 TKG-alt vorgesehen; es bestand allerdings kein Anspruch auf eine bestimmte Frequenz. In den meisten Fällen gab es überdies die Schwierigkeit, dass die betreffenden Frequenzen weiterhin knapp waren, so dass gemäß §§ 47 Abs. 5, 11 TKG-alt der Zuteilung knapper Frequenzen ein Vergabeverfahren - im Regelfall das Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG-alt - voranzustellen war. Nötig wurde also ein neues Vergabeverfahren, so dass eine koordinierte Rückgabe und Neuzuteilung der Frequenzen nicht in Betracht kam. 11 Für die unterschiedliche Behandlung von Share Deal und Asset Deal wurden weder regulatorische noch rechtspolitische Erwägungen gesehen; vielmehr wurde die Erschwerung der gesonderten Veräußerung oder der Vornahme eigener interner Konzernumstrukturierungen als grundlose Belastung empfunden. 12 Im Weiteren wurde die fehlende Übertragbarkeit von Frequenzen nach TKG-alt vielfach im Hinblick darauf kritisiert, dass sie eine dringend notwendige Konsolidierung des 9 BT-Drs. 13/4864, S. 80. So ζ. B. auch die RegTP, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, S. 516, 553. 10
A. Demmel, in: G. Manssen (Hrsg.), Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 47 Rn. 57. Anders E. Lenhard/B. Richert, K&R 2002, 578 (581), da auf den gesamten § 9 TKGalt verwiesen würde. Dies widersprach allerdings dem eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs. 6 TKG-alt, der nur den Wechsel der Eigentumsverhältnisse nannte. 11 Einschränkungen der Übertragbarkeit ergeben sich des Öfteren auch aus den jeweiligen Lizenzbestimmungen, ζ. B. ist in den GSM-Lizenzen die Übertragbarkeit ausdrücklich - mit Ausnahme der E2-Lizenz - ausgeschlossen (Ziff. 32.2 der Dl-Lizenz, Ziff. 31.2 der D2-Lizenz, Ziff. 33.2 der El-Lizenz) und die Möglichkeit des Widerrufs der Lizenz für den Fall des Zusammenschlusses mit anderen GSM-Lizenzinhabern vorgesehen (Vgl. Ziff. 34.2 der Dl-Lizenz). 12
Vgl. ζ. Β. V. Jenny, in: Handbuch Telekommunikationsrecht, Rn. 359 f.
25 Bumke
386
3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
UMTS-Marktes 13 und eine Kreditsicherung durch Verpfändung/Sicherungsübereignung von Frequenznutzungsrechten verhinderte. 14
B. Übertragbarkeit von Frequenzen und Frequenzhandel nach dem TKG Das novellierte TKG unterscheidet für den Übergang von Frequenzen zwischen einer Änderung der Frequenzzuteilung, die § 55 Abs. 7 TKG behandelt, und dem Frequenzhandel nach § 62 TKG.
I. Die Übertragbarkeit von Frequenzen, § 55 Abs. 7 TKG Eine Übertragung von Frequenzen ist gemäß § 55 Abs. 7 S. 1 TKG möglich, wenn Frequenzen durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge übergehen sollen (Nr. 1), Frequenzen auf ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG übertragen werden sollen (Nr. 2), Frequenzen von einer natürlichen auf eine juristische Person, an der die natürliche Person beteiligt ist, übertragen werden sollen (Nr. 3) oder ein Erbe die Frequenzen weiter nutzen will (Nr. 4). Änderungen der Frequenznutzungsbestimmungen sind im Rahmen dieses Verfahrens nicht möglieh.' 5 Hinsichtlich § 9 TKG-alt wurden aufgrund der unterschiedlichen Behandlung beim Wechsel des Lizenznehmers nach § 9 Abs. 2 TKG-alt war lediglich eine Anzeige erforderlich, wohingegen § 9 Abs. 1 TKG-alt eine Genehmigung erforderte verfassungsrechtliche Bedenken (Art. 3 Abs. 1 GG) geäußert. 16 Diese Problematik hat sich mit der Neufassung des § 55 Abs. 7 S. 1 TKG insofern erledigt, als für alle Übertragungsformen einheitlich das Antragserfordernis gilt. Stimmt die RegTP dem Änderungsantrag nicht zu, schließt dies die Möglichkeit des Frequenzhandels nach § 62 TKG nicht aus.17
13 So E. Lenhard/B. Richert, K&R 2002, 578 (581 m. w. N.). 14 Dazu A. Zimmer, CR 2002, 13 ff.; A. Jüngling/O. Fleischmann/C. 375 (377). 15 BT-Drs. 15/2316, S. 77. 16 Vgl. ζ. Β. T. Mayen, CR 1999, 690 (696 f.). 17 BT-Drs. 15/2316, S. 77 f.
Hug, MMR 2004,
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
387
II. Der Frequenzhandel, § 62 TKG Für Einzelrechtsnachfolgen und sonstige Fälle rechtsgeschäftlicher Übertragung von Frequenzen bei Erteilung individueller Nutzungsrechte sieht § 62 T K G den Frequenzhandel vor. 1 8 § 62 Abs. 1 T K G ermächtigt die RegTP nach Anhörung der betroffenen Kreise unter bestimmten Bedingungen, Frequenzbereiche für den Handel freizugeben und die Rahmenbedingungen und das Verfahren hierfür festzulegen. 19 § 62 T K G unterscheidet für den Frequenzhandel mit individuell erteilten Nutzungsrechten nicht zwischen den Fallgruppen der beschränkten und unbeschränkten Frequenzverfügbarkeit, 2 0 so dass er für beide Fallgruppen gleichermaßen eingeführt werden kann.
18 Den wenigen Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 und Abs. 4 Rahmenrichtlinie wird § 62 TKG gerecht. Er sieht vor, dass ein Frequenzhandel nur unter Beteiligung der RegTP stattfinden kann. Ebenso ist bestimmt, dass das Verfahren und die Rahmenbedingungen für den Frequenzhandel sicherzustellen haben, dass es zu keinen Wettbewerbsverzerrungen kommt (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG) und die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, wozu auch die internationalen Vereinbarungen zur Frequenznutzung gezählt werden, eingehalten werden (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG), siehe dazu näher unten in diesem Kapitel, B.ü.4.d). 19 US-amerikanische Autoren favorisieren für die Einführung von Frequenzhandel folgende Methode. Zunächst kündigt die Vergabebehörde (in den USA: FFC und die National Telecommunications and Informations Administration [NTIA]) an, dass eine Auktion stattfindet, in der sämtliches Spektrum für Rundfunk, welches auch das öffentlich genutzte Frequenzspektrum von Seiten des Militärs, der Polizei, der Feuerwehr und „white space spectrum" der FCC beinhaltet, versteigert werden soll. Ob jemand seine Frequenzen in dieser Auktion anbietet, bleibt seine Entscheidung. Bietet er es jedoch nicht an, verliert er für das Jahr nach der Auktion sein Recht, Frequenzen zu erwerben, zu verkaufen oder zu leasen. In der Auktion kann jeder Teilnehmer für jedes - auch für das von ihm selbst - angebotene Frequenzspektrum Gebote abgeben. Werden die Gebote akzeptiert, erhält der erfolgreiche Bieter das Nutzungsrecht zu dem von ihm gebotenen Preis, den er an den bisherigen Nutzer zu zahlen hat. Die Gebote müssen allerdings nicht akzeptiert werden. Werden sie durch den bisherigen Nutzer abgelehnt, kann der ursprüngliche Nutzer das Frequenzspektrum weiter nutzen. Es wird dann zu seinem Eigentum, für das ihm keine Nutzungsrestriktionen mehr auferlegt werden. Nur technische Restriktionen verbleiben. Nach der sog. „Big bang"-Auktion können die Eigentümer des Frequenzspektrums dieses handeln oder es verleasen. Die Regulierungsbehörde hat sich dann aus dem Frequenzmanagement völlig zurückgezogen. Vorteilhaft an einer solchen Auktion ist, dass bezogen auf einen Stichtag eine effiziente Frequenzzuteilung erreicht wird, die Fehlallokationen der Vergangenheit beseitigt. Diese Methode schlagen E. Kwerel/J. Williams, A Proposal for a Rapid Transition to Market Allocation of Spectrum, November 9, 2001; E. Kwerel/J. Williams, A Proposal for a Rapid Transition to Market Allocation of Spectrum, November 2002, vor, die auch von G. R. Faulhaber/D. Faber, Spectrum Management: Property Rights, Markets, and the Commons, aufgegriffen wird. 20
Diese unterschiedslose Behandlung für problematisch unter dem Wesentlichkeitsgesichtspunkt halten M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (260). 25*
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
7. Anwendungsbereich Die praktische Nutzung der neu geschaffenen Möglichkeit des Frequenzhandels nach § 62 TKG wird zumindest in nächster Zukunft eher gering sein. Denn ein Frequenzhandel nach § 62 TKG ist nur für solche Frequenznutzungsrechte vorgesehen, die unter den Voraussetzungen des novellierten TKG zugeteilt wurden. Dies folgt aus § 150 Abs. 8 TKG, der vorsieht, dass § 62 Abs. 1 bis 3 TKG auf Verleihungen nach § 2 Abs. 1 FAG und auf Lizenzen und Frequenzen, die nach den §§ 10, 11 und 47 Abs. 5 TKG-alt zugeteilt wurden, keine Anwendung finden. Da die bisher festgelegten Frequenznutzungszeiten über Jahrzehnte laufen 21 und teilweise sogar unbegrenzt sind, dürften die faktischen Implikationen eines Frequenzhandels damit marginal sein. Die Einführung von Frequenzhandel mit retrospektiver Gültigkeit hätte zwar zusätzliche rechtliche Probleme aufgeworfen. 22 Man hätte sich mit dem Aspekt der Realisierung von windfall profits - also verteilungspolitisch ungerechtfertigter Gewinne - durch Unternehmen, die Frequenzen in der Erstverteilung umsonst zugeteilt bekommen hatten, auseinander setzen müssen. Dabei hätte es sich aber primär um eine verteilungspolitische und nicht um eine die ökonomische Effizienz betreffende Problematik gehandelt. Ebenso fällt die Beurteilung bei den sich aus der Einführung von Frequenzhandel mit retrospektiver Gültigkeit möglicherweise ergebenden Diskriminierungen aus, die daraus hätten folgen können, dass für einige Nutzer durch die Möglichkeit des Frequenzhandels die Aussicht bestanden hätte, Erlöse zu erzielen, während andere Nutzer die Frequenzen entschädigungslos hätten zurückgeben müssen.23 Schließlich hat der Gesetzgeber mit dieser Übergangsregelung erreicht, dass sich die schwierigen Fragen der (verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines ,»rückwirkenden" Frequenzhandels nicht stellen.24 Ebenso kann die Problematik, ob die Lizenzbedingungen einen Frequenzhandel verbieten 25 oder ob mit den entsprechenden Formulierungen lediglich die seinerzeit geltende Rechtslage zum Ausdruck gebracht werden sollte, nun offen bleiben. Aber die Vorteile einer Einführung von Frequenzhandel mit retrospektiver Gültigkeit werden eingebüßt.26 Die Zulassung von Frequenzhandel hätte allen Unter21
Die Laufzeit der UMTS-Lizenz und die mit ihr erteilten Rechte betragen ζ. B. 20 Jahre, vgl. Teil Β Ziff. 1 die Musterlizenz, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000, 516, 557. 22 Kritisch zu den Folgen eines unbeschränkten Frequenzhandels 7. Vogelsang, MMR 2003, 509 (512). Vgl. auch M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (263 f.). 23 Hierauf weisen auch U. Stumpf/L. Nett/ S. Strube Martins/U. Eilinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 35, hin. 24 Insbesondere das Problem der Zulässigkeit einer Rückwirkung des Gesetzes. 25 Diese Auffassung vertritt das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 37. Vgl. auch Monopolkommission, Telekommunikation und Post 2003, S. 86.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
389
nehmen schon zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche Handlungsoptionen in Form der Möglichkeit einer Veräußerung oder des Zukaufs von Frequenzspektrum eingeräumt. Etwaige Benachteiligungen von Unternehmen wären ebenso wie etwaige unerwünschte Wettbewerbswirkungen durch eine entsprechende Ausgestaltung des Frequenzhandelsverfahrens vermeidbar gewesen. 27 Insbesondere für den Fall der versteigerten UMTS-Frequenzen 2 8 hätte Frequenzhandel die Möglichkeit des Marktaustritts verbessert, da die Netzbetreiber Entgelte aus dem Handel hätten erwarten können, während sie i m Fall der Rückgabe an den Regulierer wohl entschädigungslos blieben. Der durch übertragbare (UMTS-)Frequenzen eingeräumte neue Gestaltungsspielraum für die Mobilfunknetzbetreiber hätte die volkswirt-
26 Einen Frequenzhandel mit retrospektiver Gültigkeit haben insbesondere U. Stumpf/L Nett/S. Strube Martins/U. Eilinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 35 und die Monopolkommission, Telekommunikation und Post 2003, S. 85 f. gefordert. 27 Vgl. Monopolkommission, Telekommunikation und Post 2003, S. 86. 28 Nach den UMTS-Lizenzbedingungen unterliegen die Lizenznehmer bestimmten Netzausbauverpflichtungen. Die Versorgungspflicht der nach Abschluss der Versteigerung erteilten UMTS-Lizenzen wurde in den Lizenzbedingungen auf 50% der Bevölkerung bis zum 31. 12. 2005 festgelegt. 25% der Bevölkerung müssen bis zum 31. 12. 2003 die Möglichkeit haben, UMTS vor Ort zu nutzen, vgl. Teil Β Ziff. 4 der Musterlizenz, Vfg. 13/2000, ABl. RegTP 2000,516,557. Die beiden UMTS-Lizenznehmer Group 3G und MobilCom können diese Verpflichtungen nicht erfüllen, was dazu führt, dass die Lizenzen nebst zugehörigem Frequenzspektrum an die RegTP zurückgegeben werden müssen. Nach TKG-alt war nur die Übertragung von Frequenzen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ein ansonsten nicht als UMTS-Lizenznehmer tätiges Unternehmen zulässig. MobilCom beabsichtigte einen derartigen Verkauf ihrer UMTS-Aktivitäten, konnte jedoch trotz umfangreicher Bemühungen keinen Käufer finden. Veräußert wurde letztlich lediglich die bis dahin aufgebaute UMTS-Infrastruktur an E-Plus. Bei einem denkbaren Zusammenschluss zweier UMTS-Lizenzinhaber hätte eine Lizenz und das zugehörige Frequenzspektrum an die RegTP zurückgegeben werden müssen. Das aufgrund der Rückgaben für die Neuverteilung ab Anfang 2004 verfügbare Frequenzspektrum umfasst 4 x 5 MHz (gepaart) und 2 x 5 MHz (ungepaart). Es könnte vergeben werden ausschließlich an Newcomer, ausschließlich an die bisherigen UMTS-Netzbetreiber sowie an bisherige UMTS-Netzbetreiber und an Newcomer. Bei der Vergabe ausschließlich an Newcomer wäre darauf zu achten, dass deren Frequenzausstattung nicht besser ist als die Ausstattung der bisherigen UMTS-Netzbetreiber. Allerdings scheint es momentan für die Vergabe neuer UMTS-Lizenzen keinen Interessenten zu geben, wie die vergeblichen Bemühungen um den Verkauf des UMTS-Geschäftes von MobilCom zeigen. Damit verbleiben die beiden Möglichkeiten, entweder die Vergabe der Frequenzen an bisherige UMTS-Netzbetreiber oder das Vorhalten der Frequenzen, um in zwei bis drei Jahren, gegebenenfalls unter anderen Marktbedingungen, völlig neu über ein Vergabeverfahren zu entscheiden. Für letzteres spricht, dass die in Zukunft optimale Marktstruktur heute nicht vorhersehbar ist und dass das Verschließen des Mobilfunkmarktes für Newcomer wettbewerbspolitisch nicht ohne Risiken ist. Für eine Vergabe der freiwerdenden Frequenzen an die bisherigen Netzbetreiber spricht, dass die Netzbetreiber für die zukünftige Entwicklung von UMTS zum Massenmarkt nach den Feststellungen der RegTP zusätzliche Frequenzen benötigen. Ein weiteres Argument ist, dass nach Aussagen von wik-Consult die Kosten des UMTS-Netzaufbaus tendenziell sinken, je mehr Frequenzspektrum einem Netzbetreiber zur Verfügung steht. Vgl. dazu RegTP, Strategische Aspekte zur Frequenzregulierung der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, S. 26 ff.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
schaftlich notwendige Konsolidierung aufgrund hoher Kosten und zu geringer Kundenzahlen auf dem Mobilfunkmarkt anstoßen können.29
2. Arten des Frequenzhandels Frequenzhandel bedeutet allgemein, dass ein bisheriger Nutzer des Frequenzspektrums freiwillig auf sein Nutzungsrecht verzichtet und dies gegen ein Entgelt einem anderen dauerhaft oder vorübergehend überlässt. a) „Eigentumswechsel" des Frequenznutzungsrechtsinhabers Den Begriff des Frequenzhandels definiert der Gesetzgeber in § 62 TKG nicht. Aus § 62 Abs. 1 S. 2 TKG ergibt sich allerdings, dass das Verfahren die Aufhebung der ursprünglichen Zuteilung und den Erlass einer Neuzuteilung zu beinhalten hat, womit eine obligatorische Neuzuteilung der Frequenz durch Verwaltungsakt vorgesehen ist. 3 0 Folglich ist eine rein privatrechtliche Übertragung, die eine öffentlich-rechtliche Wirkung nach sich zieht, ausgeschlossen. b) Frequenzleasing Von einer weiten (ökonomischen) Auslegung des Frequenzhandelsbegriffs wird auch die zeitweise, vorübergehende Überlassung ohne Wechsel der Eigentumsverhältnisse erfasst (Frequenzleasing).31 Die Rechte und Pflichten gegenüber den 29
In dem Papier Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19 spricht sich auch die Kommission deutlich dafür aus, näher zu untersuchen, inwieweit im Rahmen von UMTS Frequenzhandel zugelassen werden sollte. Vgl. dazu auch Monopolkommission, Telekommunikation und Post 2003, S. 85; E. Lenhard/B. Rickert, K&R 2002,578 (579). 30 M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (259 f.) 31 Vgl. dazu und zum Leasing in den USA sowie zu weiteren in den USA praktizierten Formen U. Stumpf/L Nett/S. Strube Martins/U. Ellinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 55 f., 73. Für Frequenzleasing schlägt die FCC vor, dass (1) der Vermieter die volle Verantwortung für die Einhaltung des Telecommunications Act und der FCC Regeln für jegliche Nutzung des lizenzierten Spektrums durch den Mieter (oder Untermieter) übernimmt, dass (2) der Vermieter versichert, dass der Mieter (oder Untermieter) alle notwendigen Qualifikationen erfüllt und alle technischen und dienstebezogenen Regeln einhält und dass (3) sich der Vermieter alle Rechte im Falle der Nichterfüllung vorbehält und zwar insbesondere das Recht der Aussetzung oder Einstellung der betrieblichen Tätigkeit des Mieters, wenn diese den Telecommunications Act oder die FCC Regeln verletzt, vgl. FCC, In the Matter of Promoting Efficient Use of Spectrum Through Elimination of Barriers to the Development of Secondary Markets, S. 30. Anders A. Spies, MMR 2003, 230 (233), der die zeitweise Überlassung von Frequenzen als Pacht einordnet, da es sich bei der Überlassung von „Spektrum", also der Möglichkeit, Ra-
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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staatlichen Institutionen obliegen bei dieser Form weiterhin demjenigen, dem die Frequenzen ursprünglich zugeteilt waren. Problematisch ist dabei insbesondere, sicherzustellen, dass der Inhaber des Nutzungsrechts die Kontrolle und Verantwortung gegenüber der Regulierungsinstanz behält. Beim Frequenzleasing ist darüber hinaus die Einhaltung der Frequenzbedingungen schwerer zu formulieren und durchzusetzen als bei einem Wechsel der Eigentumsverhältnisse im Rahmen des Nutzungsrechtshandels, da beim Leasing das Vertragsverhältnis nur zwischen dem Inhaber des Nutzungsrechts und dem Mieter besteht. In deren Verhältnis muss gewährleistet sein, dass der Vermieter den Mieter so sehr kontrolliert, dass es nicht zu Verletzungen der ursprünglichen Vergabebestimmungen kommt. 32 Frequenzleasing kann entweder so ausgestaltet werden, dass das Unternehmen, das die Frequenz selbst genutzt hat, sie verleast. Denkbar wäre aber auch, dass Frequenzleasing über spezialisierte Guard Band Manager stattfindet, die als reine Vermieter des Spektrums auftreten und keine eigene Frequenznutzung vornehmen. Die FCC als Regulierungsinstanz in den USA, die wie schon hinsichtlich Frequenzversteigerungen auch hinsichtlich des Frequenzhandels die Vorreiterrolle genießen, praktiziert die zweite Alternative. 33 Vorteilhaft ist an dieser Ausgestaltung insbesondere, dass auf diese Weise potenziell viele kleine Frequenznutzer und Nutzer mit stark schwankenden oder plötzlichen Frequenzbedarfen bedient werden können, ohne dass der Regulierer in Anträgen erstickt. Des Weiteren können Nutzungsarten bedient werden, für die der Regulierer keine Kategorisierungen hat. Hauptregel für die Guard Band Manager ist, dass die Spektrumsmieter die Anforderungen des TKG und die vom Regulierer aufgestellten technischen und dienstebezogenen Regeln erfüllen müssen, um zu verhindern, dass die Kontrolle über das Nutzungsrecht auf den Mieter übergeht. 34 Die Problematik wettbewerbswidrigen Hortens von Frequenzspektrum kann bei Guard Band Managern vernachlässigt werden, da sie das Spektrum nicht selbst nutzen dürfen und ihre Aufwendungen für den Erwerb des Spektrums nur durch Vermietung decken können. Diese Problematik verlagert sich allerdings auf die Frequenzmieter, wird aber nicht in derselben Weise eine Rolle spielen wie bei der normalen Frequenznutzung, da die Mietkosten kontinuierlich anfallen, so dass sich ein Horten nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich lohnen wird.
diowellen in einem bestimmten Frequenzbereich zu senden, um den Handel mit Rechten das Recht, Energie über den Äther zu leiten, handele. 32 Vgl. U. Stumpf/L. Nett/S. Strube Martins/U. Eilinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 64. 33
So ζ. B. praktiziert in den USA im 700 MHz Spektrumbereich, vgl. U. Stumpf/L Nett/S. Strube Martins/U. Eilinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 57 ff. 34 In den USA sind die Bestimmungen des Telecommunications Act und der anwendbaren technischen und dienstebezogenen Regeln der FCC zu erfüllen, um zu vermeiden, dass in Verletzung von § 310 (d) des Telecommunications Act die Kontrolle über die Lizenz auf den Mieter übergeht, vgl. FCC, In the Matter of Promoting Efficient Use of Spectrum Through Elimination of Barriers to the Development of Secondary Markets, S. 12.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
Ein Frequenzleasing als eine eingeschränkte Möglichkeit des Frequenzhandels in Form der vorübergehenden Überlassung der Frequenznutzung erlaubt § 62 TKG seinem Wortlaut nach nicht; die Neuzuteilung beinhaltet einen dauerhaften Wechsel des Inhabers des Nutzungsrechts. Der ursprüngliche Inhaber verliert sein Nutzungsrecht. 35 Aus dem Erfordernis einer Neuzuteilung der Frequenzen durch die RegTP lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass § 62 TKG nur Frequenzhandel in der Ausgestaltung erfasst, bei der ein „Eigentumswechsel" in der Person des Inhabers des Nutzungsrechts stattfindet. Der Frequenznutzungsrechtsinhaber kann mit einem potenziellen Käufer einen privatrechtlichen Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB abschließen (Verpflichtungsgeschäft), das dingliche Verfügungsgeschäft kann jedoch nicht ohne Beteiligung der RegTP vollzogen werden. 36 Im Hinblick auf die Flexibilität und Effizienz der Frequenznutzung ist diese Beschränkung des Frequenzhandels kritisch zu beurteilen.
c) Typisierung von Frequenzhandelsarten Man kann zur Typisierung von Frequenzhandelsarten im Weiteren danach differenzieren, ob alternative Konfigurierungen (Zerlegung und Zusammenlegung des Frequenzspektrums) des ursprünglich zugeteilten Frequenzspektrums möglich sind bzw. ob das Frequenzspektrum auch in anderer Art und Weise genutzt werden darf, als dies ursprünglich festgelegt wurde. Da mit dem Frequenzhandel nach § 62 TKG immer eine Änderung der Eigentumsstruktur bzw. des Nutzungsrechts einhergeht, können mit Blick auf die angeführten Kriterien vier Typen von Frequenzhandel unterschieden werden. Am wenigsten weit reichend ist Typ 1, bei dem weder die alternative Konfigurierung noch andere Nutzungsarten zulässig sind. Typ 4, der alles erlaubt, bildet den Gegensatz zu Typ 1. Bei Typ 2 sind zwar alternative Konfigurierungen möglich aber keine anderen Nutzungsarten. 37 Bei Typ 3 verhält es sich genau andersherum. Unter ökonomischen Effizienzgesichtspunkten ist die Anwendung von Frequenzhandel entsprechend Typ 4 wünschenswert, da es dann allein der Markt ist, der über die Frequenzverteilung nach Effizienzgesichtspunkten entscheidet, womit Frequenzknappheiten auf das kleinste, natürlich bestehende Maß reduziert würden. Welcher der Typen von Frequenzhandel nach § 62 TKG zulässig ist, ist in § 62 TKG explizit nicht geregelt. Aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG („insbesondere die Nutzungsbestimmungen") lässt sich jedoch schließen, dass der 35 Vgl. auch M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (261); A. Jüngling/O. Fleischmann/C. Hug, MMR 2004, 375 (377), die dies an der Regelung kritisieren. 36 So auch M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (261). 37 Vgl. M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, 257 (261 f.). Zur ökonomischen Notwendigkeit einer Frequenzübertragung zwischen einzelnen Funkdiensten, die eine fundamentale Modifikation der internationalen und nationalen Regelungen bedingen würde, siehe E. Lenhard, Die Regulierung des Mobilfunks dritter Generation, S. 104, 110 ff.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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Gesetzgeber von Typ 1 ausgegangen ist. Der Wortlaut legt nahe, dass mit Nutzungsbestimmungen diejenigen gemeint sein sollen, die im Rahmen der Erstzuteilung aufgestellt wurden. Für andersgeartete Nutzungen wird vielmehr eine neue Frequenzvergabe durch die RegTP erforderlich. 38 Diese Auslegung berücksichtigt, dass andernfalls die europaweit oder bilateral abgestimmten Frequenznutzungen beeinträchtigt werden würden. 39
3. Voraussetzung des Frequenzhandels: Interesse Maßgebliche Bedingung für den Frequenzhandel ist gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 TKG, dass ein Interesse an Frequenzhandel für das entsprechende Frequenzspektrum besteht. Grundsätzlich besteht nur unter der Voraussetzung Interesse an Frequenzhandel, dass es sowohl einen Frequenznutzer gibt, der das ihm zugeteilte Nutzungsrecht - aus was für Gründen auch immer - nicht mehr nutzen möchte, als auch jemanden, der das Nutzungsrecht nachfragt. Das abstrakte Interesse der Beteiligten an Frequenzhandel allein reicht jedoch auch noch nicht. Von Bedeutung ist die Restlaufzeit des Frequenznutzungsrechts. Zum Zeitpunkt des Handels muss die verbleibende Nutzungsdauer ausreichen, damit sich die Nutzung der Frequenzen für den Erwerber wirtschaftlich lohnt. 40 Damit Frequenzhandel zustande kommt, ist des Weiteren erforderlich, dass Anbieter und Nachfrager auch voneinander Kenntnis haben. Zudem hat das Erstverteilungsverfahren Einfluss auf das Interesse an Frequenzhandel.
a) Implikationen des Erstverteilungsverfahrens auf den Frequenzhandel Die Erstzuteilung von Frequenzen fallt als staatliche Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich der RegTP. Sind die Frequenzen knapp, erfolgt die Verteilungs38 So das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 37. 39 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 37. 40 Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die gegenüber den bisherigen Regelungen des TKG neue Vorschrift des § 55 Abs. 8 TKG, wonach Frequenzen in der Regel zeitlich begrenzt zugeteilt werden (S. 1). Der Wortlaut („in der Regel") eröffnet aber in Einzelfällen die Möglichkeit einer unbefristeten Zuteilung, die jedoch als Ausnahme einem besonderen Begründungszwang unterliegt. Werden Frequenzen befristet zugeteilt, muss die Befristung für den betreffenden Dienst angemessen sein (§ 55 Abs. 8 S. 2 TKG). Auch eine Verlängerung der Befristung ist möglich (§ 55 Abs. 8 S. 1 TKG), wobei allerdings die Regelungen des TKG wie die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs sowie ggf. bestehende Nebenbestimmungen der Zuteilung zu beachten sind.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
entscheidung in einem Vergabeverfahren. Im Verhältnis der Spezialität regelt das TKG drei Vergabeverfahren. Als Regelverfahren ist das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG vorgesehen. Ist dieses zur Sicherstellung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG nicht geeignet, kommt das Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG zur Anwendung. Erweisen sich im Ausschreibungsverfahren mehrere Bewerber zur effizienten Frequenznutzung als gleich geeignet, entscheidet nach § 61 Abs. 6 S. 5 TKG das Los. Bisher wurden noch keine Frequenzlotterien durchgeführt. Das Prioritätsprinzip kommt dann zur Anwendung, wenn die Frequenzen im Zeitpunkt der Vergabe (noch) nicht knapp sind, wobei allerdings mangels Nachfrageüberhang keine eigentliche Verteilungssituation gegeben ist. Diese vier Typen von Verteilungsverfahren haben in unterschiedlichem Maße Einfluss auf das Interesse am Frequenzhandel. Gleichzeitig kann die Erstverteilung verteilungspolitische Zweifel hinsichtlich des Frequenzhandels begründen. aa) Prioritätsprinzip Bei einer Frequenzvergabe nach dem Prioritätsprinzip kann ein Interesse am Frequenzhandel bereits unmittelbar nach der Erstzuteilung bestehen, da das Ergebnis dieses Verteilungsverfahrens nicht notwendig eine effiziente Allokation der Frequenzen ist. 41 Ob Interesse am Frequenzhandel zukünftig entsteht, hängt von der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen ab, die Änderungen hinsichtlich der Wertschätzung der Frequenzen implizieren kann. Das Risiko, dass durch die Möglichkeit von Frequenzhandel windfall profits erzielt werden sollen, ist insbesondere dann hoch und wahrscheinlich, wenn die in der Erstverteilung mit Frequenzen Bedachten nicht finaler Nutzer sein wollen. Dann sind Nutznießer des Frequenzhandels schnelle und gut informierte Antragsteller. Fällt nur eine geringe Frequenz(nutzungs-)gebühr an, dann ist die Gefahr groß, dass Antragsteller Frequenzen horten wollen. Die Einführung des Frequenzhandels kann jedoch bewirken, dass im Ergebnis derjenige die Frequenz nutzen wird, der die höchste Zahlungsbereitschaft aufgrund seiner eigenen hohen Wertschätzung aufweist. Die Frequenz wird dann in ihre effiziente Verwendung überführt. Die staatliche Zuteilungsentscheidung nach nicht marktwirtschaftlichen Maßstäben hat dann aber bei wirtschaftlich wertvollen Gütern praktisch keinen Bestand.42 Die staatliche Verteilungsentscheidung an private 41
Siehe zur effizienten Frequenzallokation oben im 2. Teil, 2. Kapitel. Das Problem der Unbeständigkeit von administrativen ineffizienten Verteilungen in Form des Umgehens durch private Transaktionen wurde teilweise in der Literatur auch positiv bewertet und gegen das Bedürfnis der Einführung marktkonformer Verteilungsmaßstäbe schon für die Anfangsverteilung angeführt. Es wird argumentiert, dass auf die effizienten Marktkräfte vertraut werden solle, welche die Güter effizient allozieren und so eine ineffiziente Anfangsverteilung durch Transaktion der Beteiligten in eine effiziente Allokation wandeln. Die Effizienzwirkungen der Anfangsverteilung seien damit irrelevant, so G. O. Robinson, 41 J. L. & Econ. (1998), 609 (619); 7. Minasian, 18 J. L. & Econ. (1975), 221, (262 f.). 42
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Nutzer überführt das Gut zugleich in den privaten Markt. Die Bewertung der Frequenzen nimmt der jeweilige private Nutzer anhand marktkonformer Bewertungsmaßstäbe vor. Diese implizieren den Anreiz, das Nutzungsrecht weiterzuveräußern, wenn es Interessenten gibt, die dessen Wert höher als der aktuelle Nutzungsrechtsinhaber einschätzen. Der staatlich ausgewählte, wirtschaftlich denkende Nutzer wird die Frequenzen in ihre effiziente Verwendung überführen, indem er sie verkauft. 43 Um dies zu verhindern und der staatlichen Verteilungsentscheidung, die sich nicht an marktwirtschaftlichen Maßstäben orientiert hat, Bestand zu verschaffen, müsste das zugeteilte Nutzungsrecht mit einem Veräußerungsverbot belegt werden. 44 Dieses steht im Widerspruch zur Möglichkeit des Frequenzhandels, welcher diesbezügliche Restriktionen gerade aufheben soll. Um der staatlichen Erstverteilungsentscheidung gegebenenfalls Bestand zu verschaffen, kann die RegTP versuchen, eindeutige Kriterien für einen begründeten Bedarf festzulegen. Denkbar ist des Weiteren, Obergrenzen für die Anzahl der höchstens in der Erstverteilung zu beantragenden Frequenzen einzuführen. Ein Horten von Frequenzen ist allerdings nur eingeschränkt und für einen beschränkten Zeitraum möglich. Gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 TKG hat die RegTP zum einen die Möglichkeit, die Frequenzzuteilung zu widerrufen, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach der Zuteilung mit der Frequenznutzung im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks begonnen wurde oder wenn die Frequenz länger als Die Autoren übersehen aber, dass neben dem Erfordernis, dass - um nicht den Umweg über die Unternehmensveräußerung wählen zu müssen - ein Handel unbegrenzt erlaubt sein müsste, die durch die private Transaktion erwirtschaftete Knappheitsrente dem in der Anfangsverteilung (zufallig) bedachten Unternehmen (zufällig) zufallen würde, ohne dass dieses Unternehmen diesbezüglich irgendwelchen Gemeinwohlverpflichtungen unterläge. Hinzu kommt die Gefahr erheblicher Zeitverluste durch die zusätzlich notwendig werdende Weiterveräußerung sowie private Transaktionskosten, die schon allein eine effiziente Verteilung verhindern könnten. Vgl. dazu E. Noam, Telecommunications Policy 21 (1997), 461 (466, 475); G. Götzke, Ökonomische Analyse der Frequenzallokation, S. 154; G. L Rosston/J. S. Steinberg, 50 Fed. Comm. L.J. (1997), 87 (107 ff.); J. McMillan, Telecommunications Policy 19 (1995), 191 (193); P. Cramton/E. Kwerel/J. Williams, 41 J. L. & Econ. (1998), 647 (648); P. Cramton, 41 J. L. & Econ. (1998), 727 (728). 43
So kam es zu einem schwunghaften Handel im Bereich der Personen- und Güterbeförderung, solange dies noch zulässig war. Der wirtschaftliche Wert einer Taxikonzession wurde in der Stadt Köln 1980 auf DM 10.000,- geschätzt, Güterfernverkehrsgenehmigungen wurden 1972 zu einem Preis von bis zu DM 80.000,- gehandelt, vgl. hierzu BVerfGE 40, 196, 232; 81, 40, 46; C. Tomuschat, Der Staat 12 (1973), 433 (456); C. Koenig, Die öffentlichrechtliche Verteilungslenkung, S. 417 ff. 44 So in der Praxis häufig, vgl. etwa § 2 Abs. 3 PBefG. Die Anfangsverteilung der Frequenzen im digitalen Mobilfunk in einem administrativen Auswahl verfahren (S.o. 2. Teil, 1. Kapitel, A) hat in drei der vier Fälle keinen Bestand mehr. Die Inhaber der D2- (Vodafone), El- (E-Plus) und der E2- (02) Lizenzen sind allesamt von größeren Konkurrenten übernommen worden, wobei insbesondere die Frequenzen einen wertbildenden Faktor der Unternehmen gebildet haben dürften. Vgl. allgemein für den Frequenzbereich S. Forge, Telecommunications Policy 20 (1996), 53 (70); T. Hazlett, 33 J. L. & Econ. (1990), 133 (136).
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
ein Jahr nicht im Sinne des mit der Zuteilung verfolgten Zwecks genutzt worden ist. Darüber hinaus werden bei einem Horten von Frequenzen sowie bei der erkennbaren Absicht der Erzielung von windfall profits die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG erfüllt sein, wonach ein Widerruf der Zuteilung möglich ist, wenn durch eine nach der Frequenzzuteilung eintretende Frequenzknappheit der Wettbewerb verhindert oder unzumutbar gestört wird (Nr. 4). Ebenso kommt der Widerrufsgrund des § 63 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG in Betracht, da in diesen Fällen eine effiziente Frequenznutzung im Sinne des § 55 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 TKG nicht mehr sichergestellt sein wird. Ferner bleibt der RegTP die Möglichkeit, für bestimmte Bereiche den Frequenzhandel nicht zuzulassen. bb) Ausschreibungsverfahren Auch eine Verteilungsentscheidung in einem Ausschreibungsverfahren hat nicht unbedingt eine effiziente Allokation der Frequenzen zum Ergebnis. 45 Dies gilt selbst dann, wenn das für die hoheitliche Verteilungsentscheidung leitende Oberziel die Ermittlung des effizienten Frequenznutzers ist, wie es § 61 Abs. 4 S. 1 TKG für das telekommunikationsrechtliche Ausschreibungsverfahren vorsieht. Denn abgesehen von Problemen subjektiver Wertungen der beurteilenden Instanz ist der ökonomische Maßstab der Effizienz aufgrund von Informationsdefiziten nicht eindeutig und zuverlässig messbar 4 6 Von daher kann auch bei dieser Allokationsmethode unmittelbar nach der Zuteilung ein Interesse am Frequenzhandel bestehen. Dieses dürfte allerdings geringer ausfallen als bei einer Vergabe nach dem Prioritätsprinzip, da die RegTP ihre Kriterienbewertung grundsätzlich am ökonomischen Effizienzprinzip auszurichten hat. Abhängig von der Höhe der Frequenz(nutzungs-)gebühr und der Marktentwicklung stehen windfall profits zu befürchten, die aber nicht generell gegen die Einführung von Frequenzhandel bei einer Erstverteilung im Ausschreibungsverfahren sprechen. Vielmehr hat die RegTP das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium zu nutzen.47 cc) Losverfahren Ein Anreiz für Frequenzhandel kann bereits unmittelbar nach der Vergabe im Losverfahren bestehen. Erfolgt die Verteilungsentscheidung allein anhand einer Losentscheidung, werden die Frequenzen nicht effizient alloziert. 48 Es gilt dann grundsätzlich dasselbe wie bei einer Vergabe nach dem Prioritätsprinzip. Sofern die anfallenden Kosten für die Erwerber relativ gering sind, keine Beschränkungen der Antragsberechtigten bestehen und Frequenzhandel zulässig ist, besteht ein star« Vgl. dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B. 46 Dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.a)bb). 47 4
Siehe dazu schon unter B.ü.3.a)aa) in diesem Kapitel. 8 Vgl. dazu oben im 2. Teil, 2. Kapitel, B.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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ker Anreiz, Frequenzen zu erwerben, um bei einem Wiederverkauf ungerechtfertigte Gewinne zu realisieren. Kommen Lotterieverfahren - wie es § 61 Abs. 6 S. 5 TKG vorsieht - nur als ultima Ratio nach der Prüfung auch anhand des Effizienzkriteriums zur Anwendung, konkurrieren im Lotterieverfahren lediglich die in gleicher Weise effizient eingeschätzten Bewerber. Der Anreiz für einen Frequenzhandel ebenso wie das Erzielen von windfall profits direkt nach dem Erstverteilungsverfahren dürfte dann relativ gering sein.
dd) Versteigerungsverfahren Da das Ergebnis der Durchführung eines Versteigerungsverfahrens aufgrund des Zusammenhangs zwischen Wertschätzung, Zahlungsbereitschaft und Effizienz der Verteilung die Überführung der Frequenzen in ihre effiziente Verwendung ist, 49 besteht unmittelbar nach der Auktion vermutlich kein Anreiz für einen Frequenzhandel. Dies bedeutet, dass sich allenfalls abhängig von der zukünftigen Entwicklung ein Anreiz für Frequenzhandel entwickeln kann. Sofern bei einer Versteigerung der Markträumungspreis resultierte, können in der Zukunft Gewinne aus einem Frequenzhandel auch in Form von windfall profits nur bei einer unerwartet positiven Marktentwicklung erzielt werden. Die Möglichkeit eines Frequenzhandels schafft den erfolgreichen Versteigerungsteilnehmern eine Option fast ausschließlich für den Fall, dass sich ein Wettbewerber mit der Frequenznutzung nicht wirtschaftlich erfolgreich auf dem Telekommunikationsmarkt behaupten kann.
b) Erfordernis der Zugänglichkeit von Informationen Um in effizienter Weise Frequenzen handeln zu können, benötigen die Interessenten einen unmittelbaren Zugriff zu Informationen über die aktuelle Frequenznutzung. Erforderlich sind insbesondere Informationen über die Nutzeridentität, Lage und Umfang des genutzten Frequenzspektrums, die Art der Frequenznutzungsmöglichkeiten sowie Aussagen über die für einen möglichen Handel relevanten rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen. Zweckmäßig wären zusätzlich Informationen über die Veräußerungsbereitschaft, da es insbesondere für kleinere Unternehmen schwierig sein dürfte, Inhaber der Nutzungsrechte für das benötigte Frequenzspektrum zu finden und anzusprechen, um die entsprechenden Informationen zu erhalten. Diese Informationen könnten über eine zentrale Datenbank den Interessierten zugänglich gemacht werden. 50 Diese Aufgabe sollte direkt von der 49
Siehe dazu ausführlich oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. So stellt in den USA die FCC als Teil des Universal Licensing Systems Lizenzdaten mit Lizenzgebieten zur Verfügung (http://wireless.fcc.gov/uls/ ). Außerdem gibt es eine kommerzielle Datenbank von Comsearch (http://www.comsearch.com), die die Lizenzinhaber 50
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
für die Frequenzzuteilung zuständigen Institution - also der RegTP - ausgeführt werden. Die RegTP könnte als zentrale „Handlungsplattform" fungieren und etabliert werden. 51
4. Rahmenbedingungen und Verfahren
des Frequenzhandels
Frequenzhandel impliziert, dass die Nutzungsrechte zu einem bestimmten Preis von einem Nutzer auf einen anderen Nutzer übertragen werden. Die wesentlichen Charakteristika des Frequenzhandels gegenüber der Rückgabe und erneuten Zuteilung von Frequenzspektrum in Form eines hoheitlichen Vergabeverfahrens sind dabei, dass der Transfer des Nutzungsrechtes für das jeweilige Frequenzspektrum von dem gegenwärtigen Nutzer freiwillig initiiert wird, und dass der gesamte Betrag bzw. der überwiegende Teil des Betrages, den der neue Inhaber des Nutzungsrechtes für dieses Frequenzspektrum zahlt, an den ursprünglichen Inhaber fließt. Ausgehend von diesen Basiseigenschaften verbleibt eine Fülle von Möglichkeiten der institutionellen Ausgestaltung des Frequenzhandels. Ein institutionelles Arrangement bestimmt im Detail, wer, wann und unter welchen Bedingungen eine Entscheidung treffen kann und welche Implikationen dies für die Betroffenen hat. Die Ausgestaltung bewegt sich zwischen den beiden Extrempolen des freien Handels im klassischen Sinne ohne jegliche Form staatlicher Auflagen und eines vollständig durch die RegTP bestimmten Transfersystems. Darüber hinaus kann ein Transfermechanismus fallweise oder generell vorgeschrieben werden. Frequenzhandel bedarf der regulatorischen Kontrolle, damit internationale Vorgaben und die Frequenznutzungsbestimmungen eingehalten werden, Interferenzprobleme minimiert werden, eine Zersplitterung des Frequenzspektrums vermieden wird, trotz der Knappheit des Frequenzspektrums hinreichend kompetitive Marktstrukturen gewährleistet werden und der Erwerb von Frequenzen aus spekulativen Gründen verhindert wird. Die aus den unterschiedlichen Aspekten folgende Komplexität ist bei der Ausgestaltung des Verfahrens zu beachten. § 62 TKG enthält für die institutionelle Ausgestaltung Vorgaben. Nach Anhörung der betroffenen Kreise und Freigabe von Frequenzbereichen für den Handel hat die RegTP die Rahmenbedingungen und das Verfahren für den Handel festzulegen. Beide sind gemäß § 62 Abs. 2 S. 2 TKG zu veröffentlichen. 52 Die Rahnach Frequenzblöcken und geographischen Märkten (Major Trading Areas und Basic Trading Areas) identifiziert. Die Australien Communications Authority (ACA) führt ein vollständiges Register über die „spectrum and apparatus Licences", das Namen und Adresse des Lizenznehmers sowie den Zeitpunkt der Lizenzerteilung und deren Laufzeit, Lizenzbedingungen, zulässige Standards etc. umfasst. 51 So M. Wissmann/T Kreitlow, K&R 2003, 257 (261).
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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menbedingungen und das Verfahren haben insbesondere sicherzustellen, dass die Effizienz der Frequenznutzung gesteigert oder gewahrt wird (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG), das ursprüngliche Vergabeverfahren einer Frequenzzuteilung nach Frequenzhandel nicht entgegensteht (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG), keine Verzerrung des Wettbewerbs auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt zu besorgen ist (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG), die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Nutzungsbestimmungen und internationale Vereinbarungen zur Frequenznutzung eingehalten werden (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG) und die Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG sichergestellt sind (§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TKG).
a) Effizienzsteigerung oder -Währung, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG Die Rahmenbedingungen und das Verfahren für den Frequenzhandel haben sicherzustellen, dass die Effizienz der Frequenznutzung gesteigert oder gewahrt wird, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG. Der Gesetzgeber verfolgt damit für die Sekundärverteilung ebenso wie schon für die Erstverteilung (vgl. § 61 Abs. 4 S. 1 TKG) ein ökonomisches Konzept. Auch der Frequenzhandel kann als ökonomisches Instrument zur Effizienzverwirklichung beschrieben werden, da Frequenzhandel theoretisch unabhängig von der Erstzuteilung grundsätzlich zu pareto-optimalen, also effizienten Ergebnissen führt. aa) Ökonomische Effizienzanalyse (1) Grundmodell des Frequenzhandels Zunächst soll die Effizienzwirkung des Frequenzhandels in einem vereinfachten Grundmodell, in dem Transaktionskosten und eventuelle externe Effekte 53 ver52 Die Veröffentlichungspflicht über die Rahmenbedingungen und das Verfahren für den Frequenzhandel nach § 62 Abs. 2 S. 1 TKG gewährleisten ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren, mit dem den Vorgaben des Art. 9 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie entsprochen wird. 53 Man könnte hier wiederum an Interferenzen als externe Effekte denken, siehe schon oben Fn. 186 im 2. Teil, 2. Kapitel. Diese können aber nur im Falle einer ungeplanten Frequenznutzung als externe Effekt bezeichnet werden. Interferenzen sind durch die staatliche Frequenzverwaltung internalisiert worden, so dass sie für den Frequenzhandel grundsätzlich vernachlässigt werden können. Sollte sich dies jedoch ändern, stellt sich die Frage, ob durch uneingeschränkten Frequenzhandel ökonomische Ineffizienzen entstehen. Dies wäre der Fall, wenn der externe Effekt in Form von Interferenzen aufgrund einer andersartigen Nutzung größer ist als der direkte ökonomische Effizienzgewinn. Die Nutzung eines benachbarten Frequenzspektrums verursacht Interferenzen auf die eigene Frequenznutzung. Die eigene Frequenznutzung erleidet Effizienzeinbußen in ihrer Nutzung, wenn beispielsweise ein Wettbewerber in einem Frequenzbereich Dienste mit hoher Strahlungsstärke nutzen will und dies dazu führt, dass benachbarte Frequenzbereiche für Nutzungen mit geringerer Sendestärke nicht mehr oder nur eingeschränkt genutzt werden können. Das im Zusammenhang mit dem Frequenzhandel relevant werdende Coase-Theorem (vgl. R. Coase, 3 J. L. & Econ. (1960)
400
3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
nachlässigt werden, gezeigt werden. Dafür wird angenommen, dass in der hoheitlichen Erstverteilung das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG zur Anwendung gekommen ist. 54 Zu diesem Zeitpunkt interessierten sich zwei Konkurrenten mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften für das zur Versteigerung stehende Spektrum: Wettbewerber 1 (W 1) war bereit, 6 Geldeinheiten (GE) für den Erwerb der Frequenz aufzubringen, Wettbewerber (W 2) wies eine Zahlungsbereitschaft in Höhe von 8 GE auf. Der Mechanismus der Auktion führte dazu, dass W 2 das Nutzungsrecht erhielt, da er die höhere Zahlungsbereitschaft aufwies. Da es zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Interessenten für das Spektrum gab, wurden die Frequenzen in ihre zum Vergabezeitpunkt effiziente Verwendung überführt. 55 Abhängig davon, welche Auktionsmethode im Vergabeverfahren gewählt wurde, muss W 2 entweder 8 GE (Englische Auktion, Höchstpreisauktion und Holländische Auktion) oder 6 GE (Vickrey-Auktion) als Versteigerungsentgelt für den Erhalt des Nutzungsrechts bezahlen.56 Zu einem späteren Zeitpunkt tritt ein dritter Wettbewerber (W 3) am Markt auf. Seine Zahlungsbereitschaft für das Nutzungsrecht beträgt 10 GE. Das Frequenznutzungsrecht befindet sich nicht mehr in seiner effizienten Verwendung, da W 3 eine höhere Zahlungsbereitschaft als W 2 besitzt. Wäre ein Frequenzhandel nicht möglich, würde das Nutzungsrecht nun in seiner ineffizienten Verwendung verbleiben, da es der RegTP bei Frequenznutzung durch W 2 nicht möglich ist, die Frequenzen zu reallozieren. Für W 2 bestünde auch kein Anreiz, freiwillig auf das Nutzungsrecht zu verzichten bzw. es W 3 zu überlassen, da er keine Kompensation für den Verzicht erhielte. Anders verhält es sich, wenn Frequenzhandel möglich ist. W 2 hat aufgrund der Aussicht einer monetären Kompensation einen Anreiz, die 1 ff.) kommt zu dem Ergebnis, dass - sind alle Eigentumsrechte privaten Parteien klar zugewiesen und besteht vollständige Information - alle privaten Verhandlungen zu einem effizienten Verhandlungsergebnis führen. Für Interferenzen würden dann gegebenenfalls Entschädigungszahlungen vorgenommen werden. Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, wie sich die Verteilung der Eigentumsrechte gestaltet. Interferenzprobleme sind umso weniger wahrscheinlich, je eingeschränkter die Möglichkeiten des Frequenzhandels sind. Sofern ein Frequenzhandel nach Typ 1 erfolgt (zur Typisierung siehe oben unter B.II.2.C) in diesem Kapitel), sind allenfalls geringe Interferenzen zu erwarten. Alle anderen Typen werfen in der Tendenz jedoch höhere Interferenzprobleme auf. Vgl. auch T. M. Valletti, Telecommunications Policy 25 (2001), 655 (658 ff.), der ein entsprechendes Modell für den Frequenzhandel entwickelt hat. Die staatliche Regulierungsbehörde tritt danach nur als Vermittler bzw. Schlichter auf. 54
Siehe zu den Beispielen T. M. Valletti, Telecommunications Policy 25 (2001), 655 (657 ff.). 55 Siehe zum Zusammenhang zwischen Zahlungsbereitschaft und Effizienz oben im 2. Teil, 2. Kapitel, A, B. 56 Sofern durch das Erstvergabeverfahren entweder aufgrund der Art des gewählten Verteilungsverfahrens oder aufgrund des Nichtfunktionierens des Versteigerungsmechanismus eine ineffiziente Zuteilung erfolgt ist, gelten die folgenden Ausführungen in gleicher Weise allein mit dem Unterschied, dass schon unmittelbar nach der Erstzuteilung der Frequenzhandel zu einer Verbesserung der Frequenznutzung führt.
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
401
Frequenz abzugeben. Seine eigene Frequenznutzung hat für ihn einen Wert von 8 GE. Wird ihm ein Preis geboten, der seine Wertschätzung (also 8 GE) übersteigt, ist er bereit, das Nutzungsrecht zu verkaufen. Bei privaten Verhandlungen zwischen W 2 und W 3 würde sich abhängig von der Verhandlungsstrategie ein Preis für die Frequenz zwischen 8 GE und 10 GE ergeben und das Frequenznutzungsrecht an W 3 übertragen. Die Übertragung beinhaltet die Überführung der Frequenz in ihre effiziente Verwendung, da derjenige mit der höchsten Wertschätzung das Nutzungsrecht erhält. Wäre Frequenzhandel demgegenüber unzulässig, läge ein Wohlfahrtsverlust von 2 GE (10 GE - 8 GE = 2 GE) vor. Aus diesen Ausführungen folgt, dass Frequenzhandel nur dann stattfindet, wenn das Ergebnis dem Interesse der Wettbewerber entspricht. Der durch den Frequenzhandel bewirkte Übergang des Nutzungsrechts führt notwendigerweise zu einer win-win-Situation, die aus ökonomischer Sicht eine Effizienzsteigerung im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG ist.
(2) Frequenzhandel bei versunkenen Kosten Unter den Annahmen des Grundmodells bedeutet Frequenzhandel eine Effizienzsteigerung im Einklang mit § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG. Allerdings beruhen die Annahmen des Grundmodells auf einer vereinfachten Konstruktion, die nicht ausschließlich maßgeblich ist. Dass Frequenzhandel zu einer effizienten Frequenznutzung führt, gilt nicht notwendigerweise, wenn im Zeitpunkt eines möglichen Frequenzhandels bereits Investitionen in signifikanter Höhe durch den ursprünglichen Nutzer getätigt wurden. Wurde beispielsweise für die bisherige Frequenznutzung eine Netzinfrastruktur aufgebaut, die weder alternativ nutzbar ist noch einen positiven Marktpreis erzielt, handelt es sich um so genannte versunkene Kosten. Diese sind durch den Erwerber des Nutzungsrechts neben dem im Erstverteilungsverfahren gezahlten Versteigerungsentgelt im Frequenzhandel zu kompensieren. Diese zusätzliche Kompensation kann nun dazu führen, dass ein grundsätzlich die Effizienz der Frequenznutzung steigernder Frequenzhandel nicht zustande kommt. Angenommen W 2 hat bereits Investitionen getätigt, die Kosten in Höhe von 5 GE verursachten und die nun für ihn versunkene Kosten bedeuten. Erlöse hat er aus der Frequenznutzung noch nicht erwirtschaftet. Im Falle eines Frequenzhandels würde der aktuelle Nutzer W 2 eine Kompensation mindestens in Höhe von 8 GE (seine Wertschätzung vor der Investition) plus 5 GE (Höhe der versunkenen Kosten) fordern, damit sich der Handel für ihn lohnt. Der Wettbewerber W 3 wäre aber nur bereit, einen Preis in Höhe von 10 GE für das Frequenznutzungsrecht zu bezahlen. Der Handel zwischen W 2 und W 3 käme nicht zustande. Die versunkenen Kosten bewirken, dass trotz der Möglichkeit von Frequenzhandel eine ineffiziente Frequenznutzung perpetuiert wird. Die Möglichkeit des Frequenzhandels ist somit nicht notwendigerweise hinreichend, um das Ziel der effizienten Frequenznutzung zu erreichen. Frequenzhandel hat aber andererseits in diesen Fällen auch keine negativen Auswirkungen auf die Effizienz. 26 Bumke
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
bb) Ergebnis der ökonomischen Analyse und normative Bewertung Die ökonomische Analyse hat gezeigt, dass Frequenzhandel als Ausnutzung des privaten Marktmechanismus, der ebenso wie das Versteigerungsverfahren die auf Seiten der RegTP bestehenden Informations- und Steuerungsdefizite aufgreift, dazu beitragen kann, dass knappe Frequenzen in ökonomisch effizienter Weise genutzt werden. 57 Handel kann dazu führen, dass unabhängig von der ursprünglichen Zuteilung der Frequenzen derjenige die Frequenzen erhält, der ihnen zum jeweiligen Zeitpunkt die höchste Wertschätzung entgegenbringt. Frequenzhandel führt zu einer win-win-Situation, da er sowohl dem ursprünglichen Inhaber des Nutzungsrechts als auch Nachfragern nach Frequenzspektrum zusätzliche Handlungsoptionen einräumt. 58 Ungenutztes oder ineffizient genutztes Spektrum kann in eine effiziente Nutzung realloziert werden. Effiziente Nutzer können nicht benötigte Kapazitäten weiter vermarkten und Nutzer mit hohem Frequenzbedarf eine weitere Möglichkeit erhalten, zusätzliches Spektrum zu erwerben. 59 Mindestens in gewissem Umfang kann der Frequenzhandel das Einzelgenehmigungsverfahren ersetzen und damit insgesamt den Marktzutritt insbesondere auch für Newcomer einfacher, schneller und gegebenenfalls auch kostengünstiger gestalten.60 Kontrollierter Frequenzhandel erlaubt den Unternehmen, die das ihnen zugewiesene Frequenzspektrum nicht mehr nutzen möchten, dieses weiterzuverkaufen und sich (zumindest teilweise) hinsichtlich der eigenen Frequenzerwerbungskosten zu refinanzieren. 61 Der Sekundärmarkt führt damit unter verschiedenen Gesichtspunkten zu einer flexibleren und damit auch effizienten Nutzung des verfügbaren Frequenzspektrums. 62 Der Sekundärmarkt übernimmt die Eigenschaft eines marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus. Damit ist festgestellt worden, dass Frequenzhandel grundsätzlich eine die Effizienz steigernde Wirkung besitzt. Die Verfahrensregeln und Rahmenbedingungen 57 Siehe auch Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 34 f.; Monopolkommission, Telekommunikation und Post 2003, S. 85; /. Vogelsang, MMR 2003, 509 (512). 58 Bundesministerium fiir Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 35; C. Franzius, EuR 2002, 660 (665). 59 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 35. 60 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wege zur allgemeinen Verbreitung der Mobilkommunikation der dritten Generation, KOM (2002) 301, S. 19. Siehe auch C. Franzius, EuR 2002, 660 (665).
61 Siehe A. Bartosch, EuZW 2000, 389 (390); 7. Scherer, K&R 2002, 273 (287). 62 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 35; D. Beese/J. Merkt, MMR 2000, 532 (534); A. Bartosch, EuZW 2000, 389 (390); J. Scherer, K&R 2002, 273 (287).
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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für den Frequenzhandel nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG sind so auszugestalten, dass sie dieser Wirkung nicht entgegenstehen.
b) Nichtentgegenstehen des ursprünglichen Frequenzvergabeverfahrens, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG Die Rahmenbedingungen und das Verfahren des Frequenzhandels haben sicherzustellen, dass das ursprüngliche Vergabeverfahren einer Frequenzzuteilung nach Frequenzhandel nicht entgegensteht, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG. Einem Frequenzhandel könnte insbesondere eine Zuteilung in einem Vergabeverfahren entgegenstehen, mit der die Auswahl gewollt nicht anhand marktwirtschaftlchen, effizienzorientierten Kriterien vorgenommen wurde, da Frequenzhandel als marktwirtschaftliches Instrument zu einer Verteilung anhand des Effizienzkriteriums führt. Sofern soziale Aspekte im Erstvergabeverfahren die maßgebliche Rolle spielten, kann Frequenzhandel diese Zielsetzung ex post konterkarieren, da sie vom effizienzorientierten Frequenzhandel nicht erfasst werden. Zu denken ist ζ. B. an Privilegierungen kleiner und mittlerer Unternehmen in der Erstverteilungsentscheidung (vgl. § 61 Abs. 5 S. 1 TKG). Angenommen, es gab im Zeitpunkt der Erstvergabe zwei Interessenten mit den Wertschätzungen W 1 = 3 GE und W 2 = 2 GE für das zur Vergabe stehende Frequenzspektrum. Konkurrent W 2 ist jedoch ein kleines Unternehmen, das gemäß § 61 Abs. 5 S. 1 TKG privilegiert werden soll. Die RegTP misst der Zuteilung an ein privilegiertes Unternehmen einen zusätzlichen sozialen Wert bei, der mit 1,5 GE quantifiziert werden kann. Dies impliziert, dass der ökonomische Wert für den Fall, dass Unternehmen W 2 die Frequenzen erhält, insgesamt 3,5 GE beträgt. Im Erstvergabeverfahren kann die RegTP die Privilegierung auf unterschiedliche Weise erreichen. Entweder reserviert sie für den privilegierten Wettbewerber eine Frequenz oder die anderen Unternehmen müssen entsprechend höher bieten. In beiden Fällen kommt es zur gewünschten Lösung. Da Konkurrent W 1 also bereit wäre, dem in der Erstvergabe privilegierten Unternehmen W 2 für den Erhalt des Nutzungsrechts 3 GE zu bezahlen, würde es unmittelbar nach der Erstvergabe zu einem Handel zwischen den Beteiligten kommen, der die Privilegierung aushebelt. In solchen und ähnlich gelagerten Fällen steht das ursprüngliche Vergabe verfahren dem Frequenzhandel im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TKG entgegen. Dies führt aber nicht dazu, dass Frequenzhandel in diesen Fällen grundsätzlich auszuschließen ist. Vielmehr muss er über seine Ausgestaltung an Bedingungen für die Wettbewerber geknüpft werden, die das unerwünschte Ergebnis verhindern. So könnte dem privilegierten Wettbewerber ein Frequenzhandel unter der Bedingung erlaubt werden, dass er nur an ein ebenso privilegiertes Unternehmen veräußern darf. Alternativ wäre denkbar, dass ein freier Handel zwar erlaubt wird, jedoch im Falle einer Veräußerung an ein nicht privilegiertes Unternehmen ein Betrag in Hö26*
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
he von 1,5 GE an den Staat zu entrichten ist. 63 Damit würde zusätzlich die Abschöpfung ungerechtfertigter Veräußerungsgewinne verhindert werden, die daraus resultieren, dass Privilegierte die Vergünstigung in Anspruch nehmen und dann das Nutzungsrecht an Nichtbegünstigte gewinnträchtig weiter veräußern.
c) Keine Wettbewerbsverzerrung, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG Des Weiteren haben das Verfahren und die Rahmenbedingungen des Frequenzhandels sicherzustellen, dass keine Verzerrung des Wettbewerbs auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt zu besorgen ist, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TKG. Frequenzhandel darf also nicht von wettbewerbswidrigem Verhalten dominiert werden. Insbesondere zwei Aspekte erlangen in diesem Zusammenhang Bedeutung. Frequenzhandel kann dazu genutzt werden, windfall profits zu erzielen. Ebenso spielen marktstrukturpolitische Erwägungen eine Rolle.
aa) Konzentrationsrisiken Die Möglichkeit der Handelbarkeit der Nutzungsrechte könnte zu einer starken Konzentration des Frequenzspektrums in den Händen weniger Anbieter führen. 64 Es besteht das Risiko, dass Frequenzhandel von den Wettbewerbern dazu genutzt wird, durch abgestimmtes Verhalten ein Monopol oder zumindest ein engeres Oligopol zu generieren und Markteintrittsbarrieren zu errichten. 65 Denkbar ist dies allerdings nur, wenn die Nutzungsrechte innerhalb einer Nutzungsart, aber nicht zwischen verschiedenen Nutzungsarten handelbar sind. 66 Ein unregulierter Frequenzhandel kann im Extremfall dazu führen, dass einem Unternehmen sämtliche Frequenzen übertragen werden und als Kompensation ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen wird. Die diesbezügliche marktstrukturpolitische Verantwortung der staatlichen Regulierungsinstanz muss sich also auch auf die Sekundärverteilung erstrecken. Es ist auf die Effektivität einer ex-ante Regulierung zu vertrauen, indem die Verfahrens- und Rahmenbedingungen des Frequenzhandels entsprechend ausgestaltet werden. Eine Möglichkeit, das Risiko einer Marktkonzentration zu beschränken, besteht darin, so genannte Obergrenzen für das maximal erwerbbare Frequenzspektrum („Caps") für bestimmte Nutzungsarten oder bestimmte Ar63 In den USA kassiert die FCC die Differenz zwischen einem als inakzeptabel definierten und dem tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ein, wenn bei Veräußerung oder Parzellierung eines Nutzungsrechts Veräußerer involviert sind, die bei Auktionen als mittelständisches oder ländliches Unternehmen oder als Repräsentant einer Minderheit Bieterpräferenzen erhalten haben, vgl. dazu U. Stumpf/L. Nett/ S. Strube Martins/U. Ellinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 55. 64 So Klodt/C.-E Laaser/J. O. Lorz/R. Maurer, Wettbewerb und Regulierung, S. 59. 65 Dazu E. Lenhard/B. Rickert, K&R 2002, 578 (580). 66 Vgl. E. Lenhard/B. Rickert, K&R 2002, 578 (580).
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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ten des Frequenzspektrums vorzugeben. 67 Problematisch ist dabei allerdings, in welcher Höhe derartige Grenzen im Voraus festgesetzt werden sollten. Die Problematik lässt sich am Beispiel UMTS verdeutlichen: Bei UMTS mag ein CAP momentan bei 20 MHz gepaartem Frequenzspektrum festgesetzt werden. Dies könnte jedoch zu einer Marktstruktur mit nur drei Netzbetreibern führen. Auf der anderen Seite wird in Zukunft weiteres Frequenzspektrum zur Verfügung gestellt werden. Dann könnte es durchaus angemessen sein, den einzelnen Netzbetreibern mehr ungepaartes Frequenzspektrum zuzugestehen.
bb) Horten von Frequenzen Eine Wettbewerbsverzerrung durch Frequenzhandel wäre auch zu besorgen, wenn Wettbewerber die Frequenzen im Erstverteilungsverfahren nur erwerben, um diese zu horten, also sie zu keiner Zeit aktiv nutzen wollen. 68 Insbesondere im Anschluss an die Erstvergabeentscheidung ist dieses Erwerbsmotiv für den Regulierer nicht immer erkennbar. Denn es besteht auch die Möglichkeit, dass die Frequenzen nur deshalb noch nicht genutzt werden, weil die Infrastruktur noch aufgebaut werden muss und/oder die Kunden für die intendierten Dienste noch gewonnen werden müssen. Das Horten von Frequenzen kann auf verschiedenen Intentionen beruhen. Zum einen kommen spekulative Gründe in Betracht: Die Frequenzen sollen zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend veräußert werden, womit windfall profits erzielt würden. Denkbar ist zum anderen, dass durch Horten von Frequenzen das Spektrum für andere Wettbewerber blockiert werden soll. Der Wettbewerb ist in beiden Fällen beeinträchtigt. (1) Strategische Motive Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen im Wettbewerb strategische Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten anstreben. Frequenzen, über deren Nutzungsrechte man verfügt, stehen anderen Unternehmen nicht zur Verfügung. Da Frequenzspektrum im Allgemeinen knapp ist, bedingt dies, dass ein strategisches Halten von Frequenzen ökonomisch gesprochen negative externe Effekte für die Konkurrenten hat. So wäre grundsätzlich denkbar, dass es Unternehmen möglich wäre, einen Teil ihrer Frequenzen an Unternehmen zu vermieten, bei denen insofern Engpässe aufgetreten sind, als sie ihren Kunden keine einwandfreien Dienste mehr anbieten können. Diese Kapazitätsengpässe wären durch zusätzliche Netzinfrastrukturinves67 So wird es auch in den USA praktiziert, vgl. FCC, In the Matter of Promoting Effcient Use of Spectrum Through Elimination of Barriers to the Development of Secondary Markets, S. 61 f. 68 Vgl. dazu Bundesministerium fiir Wirtschaft und Technologie, Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Frequenzpolitik, 15. April 1999, Rn. 34.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
titionen zur Bildung kleinerer Zellen oder aber mit zusätzlichem Spektrum vermeidbar. Die kleineren Netzbetreiber hätten aufgrund ihrer geringeren Nutzerzahl hinreichendes Frequenzspektrum zur Verfügung und könnten dieses zumindest für eine absehbare Zeit an die nachfragenden Unternehmen abgeben. Wenngleich ein derartiges Leasing auf Basis einer kommerziellen Vereinbarung den Konkurrenten der Marktführer zusätzliche Einnahmen bringen würde, so mag ein derartiges Geschäft von deren Seite dennoch verworfen werden. Die wesentliche strategische Überlegung ist dann, dass bei einer Verschlechterung der Netzqualität auf Seiten der Marktführer deren Kunden zu einem Wechsel zu den kleineren Netzbetreibern bewegt werden könnten. (2) Windfall profits Ist Frequenzhandel nach Abschluss der staatlichen Erstvergabeentscheidung möglich, bestünde auch ohne die Absicht, finaler Nutzer des Nutzungsrechts sein zu wollen, ein starker Anreiz, die Frequenz in der Erstvergabe zu erhalten, um windfall profits zu erzielen. Ferner kann auch ein wettbewerbskonformer Bewerber aufgrund einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation daran interessiert sein, ein erworbenes Frequenznutzungsrecht bei entsprechender Nachfrage gegen Entgelt abzugeben. Die Möglichkeit des Frequenzhandels hätte zur Folge, dass zwar derjenige die Frequenz zugeteilt erhält, der ihr den höchsten Wert beimisst, aber nicht, weil er sie effizient am Markt nutzen kann und will. Käme eine für den Erwerber verhältnismäßig geringe Frequenzgebühr hinzu, die zumindest geringer als der potenzielle Marktpreis der Frequenz ist, bestünde ein starker Anreiz, Frequenzen nur mit einer Gewinnerzielungsabsicht durch Weiterverkauf am Markt zu erwerben und sie gegebenenfalls solange zu horten, bis der Marktpreis steigt. Dieses Risiko und damit das Ziel von windfall profits wird unwahrscheinlicher, wenn in der Erstvergabe das Versteigerungsverfahren zur Auswahl herangezogen wurde und dabei zeitpunktbezogen der Markträumungspreis resultierte, die Frequenzzuteilungsgebühr den ökonomischen Preis der Frequenz widerspiegelt, im Vergabeverfahren hohe Anforderungen an die Effizienz des Nutzers gestellt wurden, sich der Wert der Frequenz negativ entwickelt und bzw. oder durch die Erstvergabe wirksamer Wettbewerb implementiert wurde. Ist in der Erstvergabe Zweck des Frequenzerwerbs das Erzielen von windfall profits, ist dies unter Effizienzgesichtspunkten nur für die Erstvergabeentscheidung relevant. Der Erwerber wird die Frequenzen nicht effizient nutzen, was nicht zielkonform im Sinne des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG ist. Durch die sich anschließende Möglichkeit des Handels wird die Überführung der Frequenzen in ihre effiziente Verwendung erreicht. Aus Effizienzgesichtspunkten ist der Frequenzhandel damit erstrebenswert. Bedenklich ist aber das Erzielen von windfall profits aus verteilungspolitischer Sicht, die auch vom Wettbewerbsaspekt umfasst wird. Die Rahmenbedingungen des Frequenzhandels und die Verfahrensausgestaltung sollten ein
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
407
solches Vorgehen der Unternehmen auch auf der Sekundärverteilungsebene unterbinden.
d) Die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG Gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TKG haben die Rahmenbedingungen und das Verfahren für den Handel auch sicherzustellen, dass die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Nutzungsbestimmungen und internationale Vereinbarungen zur Frequenznutzung, eingehalten werden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass Frequenzhandel nur in Übereinstimmung mit dem Frequenzbereichszuweisungsplan nach § 53 TKG erfolgen darf. Ebenso muss der Frequenzhandel mit den von der CEPT, ERC und der EU getroffenen nutzungsrelevanten Festlegungen und Beschränkungen vereinbar sein. Ist Frequenzhandel nur in Form des Typs 1 zulässig, sind also weder alternative Konfigurierungen noch Änderungen der Nutzungsart erlaubt, hat die RegTP sicherzustellen, dass die diesbezüglichen Nutzungsbedingungen der Frequenzen auch für den Erwerber gelten, denn sie enthalten den Rahmen der Frequenznutzung, da sie alle „höherrangigen" Vorgaben zur Frequenznutzung implementiert haben. Anders verhält es sich, wenn die anderen Formen des Frequenzhandels erlaubt wären. Grenzen für den Frequenzhandel ergäben sich dann aus den internationalen bzw. den europäischen Frequenznutzungsbestimmungen vor allem hinsichtlich der Funkdienste und Technologien, für die bestimmte Frequenzbänder genutzt werden dürfen. Auf nationaler Ebene besteht nur begrenzt die Möglichkeit, von den internationalen Frequenznutzungsbestimmungen abzuweichen.69 Trotzdem verbleibt den nationalen Behörden Flexibilität in der Erstellung eigener Frequenzbereichszuweisungs- und Frequenznutzungspläne, da die Zuweisung an die Funkdienste in der Regel relativ allgemein gehalten ist. Schließlich hat sich gezeigt, dass es dann, wenn die Nachfrage nach den angebotenen Funkdiensten sehr gering ist, durchaus möglich ist, die Frequenzbänder für andere Funkdienste zur Verfügung zu stellen.70
69 Siehe zu den betroffenen Frequenzbändern U. Stumpf/L. Nett/S. Strube Martins/U. Eilinghaus/J. Scherer/I. Vogelsang, Frequenzhandel, S. 22. Eine Zuteilung von Frequenzen, die vom Frequenzbereichszuweisungsplan der ITU abweicht, ist lediglich zulässig „on the express condition that such a station, when using such a frequency assignment, shall not cause harmful interference to, and shall not claim protection from harmful interference caused by station operating in accordance with the provisions of the Constitution, the Convention and these Regulation", vgl. Art. 4 Nr. 4 der ITU Radio Regulations. 70 So z. B. bei ERMES, wo die Europäische Kommission den nationalen Verwaltungen die Möglichkeit eingeräumt hat, dass die Frequenzbänder für andere Paging-Dienste zur Verfügung gestellt werden.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
e) Sicherstellung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 TKG Als letzte Vorgabe für das Verfahren und die Rahmenbedingungen des Frequenzhandels besagt § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TKG, dass die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen sind. Die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 TKG sind bereits speziell in § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 TKG enthalten. Die verbleibenden Regulierungsziele, sofern der Frequenzhandel sie überhaupt tangiert, also die Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) sowie die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten zu erschwinglichen Preisen (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG) werden aufgrund der Orientierung des Frequenzhandels am Effizienzmaßstab ebenso grundsätzlich mitberücksichtigt.71
5. Verbleibender
Gestaltungsspielraum
der RegTP
Abgesehen von den Vorgaben des § 62 Abs. 2 S. 1 TKG wird die Beteiligung der RegTP am Frequenzhandel nicht näher spezifiziert. Darüber hinaus schreibt § 62 Abs. 1 S. 2 TKG vor, dass das Verfahren die Aufhebung der Frequenzzuteilung und den Erlass einer neuen Frequenzzuteilung zu beinhalten hat. Darüber, ob der Verkäufer die Möglichkeit hat, den potenziellen Erwerber der Frequenz selbst auszuwählen oder ob der RegTP die Entscheidung über die Auswahl des Erwerbers zukommt, sagt § 62 TKG nichts. 72 Allgemeiner gesprochen geht es um die Frage, ob der Mechanismus des Frequenzhandels abgesehen von den Vorgaben vollkommen durch den Markt bestimmt wird, vom Markt unter vorherbestimmten Auflagen festgelegt wird oder fallweise von der RegTP determiniert wird. Das Gesetz belässt insoweit einen Gestaltungsspielraum, der von der RegTP auszufüllen ist. Die Entscheidung über die Ausgestaltung des Frequenzhandelssystems durch die RegTP sollte abhängig von den Frequenzbereichen determiniert werden; differenzierte Handelsformen lösen die Problematik der unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedeutung der Frequenzen auf. In bestimmten Frequenzbereichen sollte die RegTP fallweise den Veräußerungsmechanismus bestimmen, während in anderen Bereichen ein ex ante geltendes standardisiertes Transferverfahren zur Anwendung gelangen könnte. Grundsätzlich gilt aber, dass die Beteiligung der RegTP auf das Nötigste beschränkt werden sollte. Auf keinen Fall darf das Verfahren so ausgestaltet werden, dass Interessenten am Frequenzhandel aufgrund des nötigen Aufwandes von einer Beteiligung absehen mit der Folge, dass ein Handel ausbleibt. Dies 71
Siehe dazu die Ausführungen im 2. Teil, 2. Kapitel, B, C. 72 Vgl. auch M. Wissmann/T. Kreitlow, K&R 2003, S. 257 (261).
1. Kap.: Einfachgesetzliche Regelungen zum Frequenzhandel
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ginge zu Lasten der effizienten Frequenznutzung und stünde damit auch im Widerspruch zu §§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG. Eine direkte Übertragungsmöglichkeit räumt den Veräußerern dagegen ein hohes Maß an Handlungsfreiheit ein, um durch direkte Verhandlungen mit potenziellen Erwerbern wirtschaftlich vorteilhafte Ergebnisse zu erzielen. 73 Die gesetzlich vorgesehene Neuzuteilung kann auf einen rein formalen Akt beschränkt werden, so dass grundsätzlich eine freie Übertragbarkeit praktiziert wird verbunden mit der Erklärung, dass alle Bedingungen eingehalten werden. 74
6. Verwendung der Erlöse aus dem Frequenzhandel In § 62 Abs. 3 TKG ist die Verwendung der Erlöse geregelt, die reduziert um die Verwaltungskosten dem privaten Veräußerer des Nutzungsrechts zustehen. Nur die Aussicht der Kompensation schafft für den bisherigen Nutzungsrechtsinhaber einen Anreiz, Frequenzen zu handeln und sie so in ihre effiziente Nutzung zu überführen.
C. Ergebnis Der in § 62 TKG vorgesehene Frequenzhandel beinhaltet einen Wechsel des Nutzungsrechtsinhabers und hat immer eine Neuzuteilung der Frequenzen durch die RegTP zur Folge. Die Erlöse aus dem Frequenzhandel stehen aber - vermindert um die administrativen Kosten des Frequenzhandels - dem privaten Veräußerer zu. Frequenzhandel ist unabhängig von der Art des ursprünglichen Vergabeverfahrens ein Instrument zur Verbesserung der ökonomischen Nutzung des Frequenzspektrums. Die Art des Erstvergabeverfahrens hat jedoch Auswirkungen auf die Anreize für Frequenzhandel und die Möglichkeit, (windfall) profits zu erzielen. 73 Ähnlich C. Hey/J. Härtung, K&R 2000, 533 (537) für den Fall der Lizenzübertragung nach TKG-alt. 74 M. Wissmann/T Kreitlow, K&R 2003, 257 (261), sehen dann, wenn man dem Veräußerer die Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Erwerbers zugesteht, keine Gründe, die in § 62 Abs. 1 S. 2 TKG vorgesehene Aufhebung und Neuzuteilung der Frequenz vorzuschreiben. Es solle vielmehr die direkte Übertragung der Frequenz möglich sein. Zur Sicherstellung, dass der Erwerber die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen einhalte sowie zur Verhinderung von Wettbewerbs Verzerrungen (Marktbeherrschung, Horten von Frequenzen), sei die Einführung einer Anzeigepflicht in Verbindung mit der Möglichkeit des Widerrufs der Zuteilung gemäß § 63 TKG oder eines gesonderten Widerspruchsrechts ausreichend. Dabei verkennen sie allerdings, dass die Frequenzbedingungen nicht ohne Weiteres auch für den Erwerber bindend sind bzw. durch eine Neuzuteilung eine solche Bindung gerade erreicht wird. Zudem muss die vorgesehene Neuzuteilung auch nicht zwangsweise zu einem Hemmnis für Handel werden, denn der RegTP ist es durchaus möglich, die Neuzuteilung ohne zeitliche Verzögerungen oder weitere Hemmnisse vorzunehmen.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
Dies und die weiteren Vorgaben des § 62 TKG hat die RegTP bei der Ausgestaltung des Frequenzhandels zu beachten. Geht man davon aus, dass Auktionen als Erstverteilungsverfahren zu einer effizienten Frequenzzuteilung führen, so besteht zunächst kein Anreiz für einen Frequenzhandel. Bei anderen Zuteilungsverfahren kann jedoch auch unmittelbar nach der Erstverteilungsentscheidung ein Interesse an Frequenzhandel bestehen, da nicht unmittelbar an die Zahlungsbereitschaft der Nutzer angeknüpft wird. Schließlich kann Interesse am Handel auch aufgrund neuer Rahmenbedingungen oder einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation unabhängig von der Erstvergabe entstehen. Unter Effizienzgesichtspunkten ist festzustellen, dass ein Frequenzhandel möglichst geringen Beschränkungen ausgesetzt sein sollte. Daraus folgt für die RegTP eine möglichst zurückhaltende Ausfüllung des ihr trotz der zu beachtenden Vorgaben und Ziele eingeräumten Gestaltungsspielraums.
2. Kapitel
Vereinbarkeit des Frequenzhandels mit den Vorgaben des Verfassungsrechts Abschließend ist zu untersuchen, ob der Frequenzhandel nach § 62 TKG mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist. Da gemäß § 150 Abs. 8 TKG Frequenzhandel nur für Frequenzzuteilungen nach dem novellierten TKG zulässig ist, beschränkt sich die verfassungsrechtliche Untersuchung auf diese Konstellationen. Probleme der Rückwirkung sowie die mögliche Verletzung von Freiheitsrechten der „Alterwerber" können außer Betracht bleiben. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Untersuchung des Frequenzhandels ergibt sich insbesondere das Problem der Vereinbarkeit des Frequenzhandels mit der im Erstverteilungsverfahren zu wahrenden Chancengleichheit i.S.v. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter A). Ferner ist zu fragen, inwieweit die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) einschlägig ist (dazu unter B).
A. Verstoß gegen den im Erstverteilungsverfahren geltenden Grundsatz der Chancengleichheit (Art 12 Abs. 1 i.Vm. Art. 3 Abs. 1 GG) Zunächst ist zu problematisieren, ob die Regelung des Frequenzhandels in § 62 TKG unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) im Erstvergabeverfahren nach § 61 TKG verfassungsgemäß ist.
2. Kap.: Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Verfassungsrechts
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I. Die Rechtsprechung zum Handel mit kontingentierten Taxi- und Güterverkehrsgenehmigungen Mit der Problematik der Handelbarkeit von Genehmigungen hatte sich die Rechtsprechung im Rahmen des kontingentierten Güterkraftverkehrs und der kontingentierten Personenbeförderung mit Taxen bereits mehrfach auseinanderzusetzen. Im Unterschied zum Handel mit Frequenzen gemäß § 62 TKG sahen die Regelungen im PBefG und GüKG explizit keine Handelsmöglichkeiten für die Konzessionen vor. Sie regelten (regeln) vielmehr lediglich die Erstverteilung nach dem Prioritätsprinzip (Taxikonzessionen) bzw. nach inhaltlichen Auswahlmaßstäben (Güterfernverkehr). 75 Aufgrund der hohen Nachfrage nach den wirtschaftlich wertvollen Genehmigungen und dem daraus folgenden Bewerberüberhang verließen sich die Bewerber nicht mehr auf eine Zuteilung nach dem behördlichen Verteilungssystem, sondern nutzten die unklare Gesetzeslage aus, um die Genehmigungen zu handeln.76 Sie erworben die begehrten Genehmigungen gegen einen Preis auf dem privaten Markt unter Umgehung des behördlichen Anfangsverteilungssystems. Bereits im Jahre 1975 nahm das BVerfG erstmals Stellung zu dem Problem des Konzessionshandels im Güterkraftverkehr. 77 Es hielt den Genehmigungshandel für anstößig und erblickte im Genehmigungshandel einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kontingentierung der Genehmigungen stelle einen schweren Eingriff in die Berufswahlfreiheit dar, weswegen jedem Bewerber nach Möglichkeit gleiche Chancen im Verteilungsverfahren eingeräumt werden müssten. „Diese Chancengleichheit würde nicht mehr bestehen, wenn die Genehmigungen übertragbar wären und zum Gegenstand privater Geschäfte gemacht werden können". 78 Dieser Ansicht schloss sich das BVerwG in einer Entscheidung zu § 13 Abs. 3 PBefG a.F.79 an, indem es erklärte, dass die Chancengleichheit der Bewerber nicht mehr gewährleistet sein würde, „wenn die Übertragung von Genehmigungen zum regellosen Handelsobjekt mit erheblichen Preisen" gemacht würde 80 . In einem Beschluss aus dem Jahre 1989 zur Übertragbarkeit von Taxigenehmigungen81 beurteilt das BVerfG das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen veräußerungswilliger Altunternehmer und dem Recht der Neubewerber auf ein 7
5 Vgl. dazu oben im 2. Teil, 3. Kapitel, B.5. 76 Siehe dazu insb. W. Frotscher/E. Becht, NVwZ 1986, 81 ff. 77 BVerfGE 40,196. 78 BVerfGE 40,196,232. 79 Personenbeförderungsgesetz vom 21. 3. 1961, BGBl. I, 241 i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 7. Juni 1978, BGBl. I, 665. so BVerwGE 64,238, 245. »ι BVerfGE 81,40.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
chancengleiches Verteilungsverfahren mit dem Ergebnis, dass eine Übertragung eines Taxiunternehmens einschließlich der Rechte aus der zugehörigen Genehmigung abhängig vom Inhalt des Übertragungsinteresses, das vom Gesetzgeber höher bewertet werden könne als die zeitliche Reihenfolge des Antragseingangs, durchaus verfassungsrechtlich zulässig geregelt werden könne. 82
Π. Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf den Frequenzhandel nach § 62 TKG Wäre diese Rechtsprechung zum Handel mit Taxi- und Güterverkehrsgenehmigungen auf den Bereich der Frequenznutzung übertragbar, könnte daraus auch für den Frequenzhandel nach § 62 TKG ein Verstoß gegen die Chancengleichheit im hoheitlichen Erstverteilungsverfahren (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) folgen. 83 Der Fokus der Ausführungen der Gerichte hinsichtlich der Frage eines Genehmigungshandels richtet sich aber auf die Tatsache, dass mit der Möglichkeit des Handels in den betrachteten Bereichen die gesetzliche Wertung der staatlichen Erstverteilung umgangen wird. Im Gegensatz zur Frequenzverteilung, bei der die staatliche Erstverteilung anhand marktförmiger Kriterien erfolgt, sehen die gesetzlichen Regelungen im Bereich des Taxigewerbes eine Vergabe nach dem Prioritätsprinzip vor. Ein privater Genehmigungshandel würde dann ermöglichen, die Warteliste und die damit verbundenen - zum Teil jahrelangen - 8 4 Wartezeiten durch den Kauf einer Genehmigung zu umgehen. In Fällen eines Nachfrageüberhangs nach Genehmigungen wirkt jede andere als die behördliche Art der Genehmigungsvergabe auf die Zuteilungschancen der übrigen Bewerber ein, denn wenn nur die Vergabe nach dem gesetzlich vorgesehenen Zuteilungsverfahren möglich ist, sind nicht mehr benötigte Genehmigungen über den Umweg der Rückgabe an die Verwaltungsbehörde entsprechend der Warteliste an einen Neubewerber zu vergeben. Dass hierdurch die Chancen aller auf eine Genehmigungserteilung erhöht werden, ist dann offensichtlich. Wird diese gesetzliche Wertung umgangen, liegt ein Verstoß gegen die durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geschützte gleichmäßige Verteilung der staatlich bewirtschafteten Zugangschancen vor. 85 Ferner liefern die Ausführungen der Gerichte eine Begründung für eine besondere 82 Als Beispiel nennt das BVerfG (E 81, 40, 51) das Interesse „verdienter Altkonzessionäre", die sich zur Ruhe setzen wollen und ihren Betrieb ganz oder teilweise veräußern wollen, um den Ertrag ihres Berufslebens zu realisieren. 83 Diese Problematik könnte man noch ausweiten und fragen, ob die Rechtsprechung zum Genehmigungshandel so weit zu ziehen ist, dass sie generell eine marktwirtschaftliche Anfangsverteilung verbietet, vgl. dazu K. Kruhl, Die Versteigerung knapper Frequenzen, S. 188 ff. Beantworten lässt sich diese Frage mit der gleichen Argumentation, die vorliegend für die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Frequenzhandels gestellt wird. 84 Vgl. auch BVerwGE 16, 190 (192), wo von „wirtschaftlich begehrten Konzessionen" die Rede ist. 85 C. Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 429.
2. Kap.: Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Verfassungsrechts
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staatliche Verantwortung hinsichtlich des Marktzugangs von Newcomern, der für den Bereich der Verkehrsgenehmigungen aufgrund der Marktenge und fehlenden Transparenz nicht durch einen funktionsfähigen Markt sicherzustellen war. 86 Über die Aussage eines Verbots des missbräuchlichen Umgehens einer hoheitlichen Verteilungsordnung hinaus lässt sich der Rechtsprechung aber keine grundsätzliche Aussage entnehmen, dass eine marktmäßige Allokation sowohl in der Erst- als auch in der Sekundärverteilung dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit zuwiderläuft und damit verfassungswidrig ist. 87 Vielmehr äußert sie sich nicht zu Konstellationen, in denen keine Umgehung der hoheitlichen Anfangsverteilung zu befürchten ist bzw. schon die Anfangsverteilung das Ziel verfolgt, eine effiziente Nutzung der Güter anhand marktmäßiger Maßstäbe sicherzustellen. Das BVerfG hält eine marktförmige Verteilung, wie sie durch das Versteigerungsverfahren vorgenommen wird, sogar in anderen Rechtsbereichen zur Lösung des Verteilungsproblems für erwägenswert. Explizit hat es dies für die Spielbankenkonzession ausgesprochen.88 Im Umkehrschluss bedeutet diese Stellungnahme, dass eine marktwirtschaftlich orientierte Güterallokationen nicht generell als verfassungswidrig eingestuft wird. Für den Bereich der Frequenzverteilung folgt daraus, dass es an einem chancengleichheitswidrigen Umgehungstatbestand hinsichtlich eines staatlich eingerichteten Genehmigungsverfahrens fehlt, da die knappen Frequenzen schon in der behördlichen Erstverteilung in einem Versteigerungsverfahren oder Ausschreibungsverfahren und damit über ein marktförmiges Kriterium alloziert werden. 89 Dass für den gesamten Sachbereich der Frequenznutzung der Effizienzmaßstab einschlägig ist und die künstliche Begrenzung des Maßstabs auf die hoheitliche Erstverteilung, wie es das TKG-alt vorsah, aufgehoben wurde, ist vielmehr konsequent und folgerichtig. Gleichzeitig vollzieht sich mit der Einführung des Frequenzhandels in § 62 TKG ein weiterer Schritt zum Rückzug des Staates aus dem Sachbereich der Telekommunikation. Die Gewährleistungsverantwortung wird aufgrund der Einsicht begrenzter Steuerungsfähigkeit auf die prozeduralen Verfahrenssicherungen und die Schaffung von Rahmenbedingungen sowohl 86
E. Rehbinder, in: Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, S. 92 (121). Vgl. auch S. Korioth, UMTS-Gutachten, S. 26 f. 87 So aber wohl W. Frotscher/E. Becht, NVwZ 1986, 81 (85). 88 BVerfGE 102, 197, 218. A. Leist, Versteigerungen als Regulierungsinstrument, S. 27 hält ein Versteigerungsverfahren für die Verteilung von Spielbankenkonzessionen für systemwidrig, da es sich um künstlich knappe Güter handele. Versteigerungen kämen nur bei der Vergabe natürlicher und knapper vermehrbarer Gemeinschaftsgüter in Betracht. Er verkennt dabei allerdings, dass die ökonomische Theorie bei der Beurteilung von Effizienzwirkungen nicht nach der Ursache der Knappheit fragt. Auch das möglicherweise indirekt mit der Kontingentierungsentscheidung verfolgte Gemeinwohlinteresse, das konträr zu einer marktmäßigen Verteilung stehen kann, schließt eine Verteilung in einem Versteigerungsverfahren nicht grundsätzlich aus. Gemeinwohhnteressen können sinnvoll in das Verfahren integriert werden, siehe dazu oben 2. Teil, 3. Kapitel, D.I.l.b)aa). 89
C. Koenig, Die öffentlich-rechltiche Verteilungslenkung S. 429.
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
im Versteigerungsverfahren, der Erstverteilung, als auch für den Frequenzhandel, der Sekundärverteilung, begrenzt. Der Frequenzhandel wird - wie schon das Versteigerungsverfahren - zum Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung.
B. Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG Untersucht man den Frequenzhandel auf seine Vereinbarkeit mit der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsfreiheit, ist schon problematisch, ob die dem Unternehmer durch das Frequenznutzungsrecht eingeräumte Rechtsstellung als Teil seines „Eigentums" vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst wird. Die Nutzungsrechte sind so ausgestaltet, dass die Befugnis zur Frequenznutzung auf Zeit sowie unter bestimmten Bedingungen und Auflagen durch staatlichen Hoheitsakt erteilt wird. Der Inhaber wird unmittelbar zur Nutzung der Frequenz berechtigt; für den Begünstigten wird eine Rechtsposition öffentlichen Rechts begründet. Die Einbeziehung eines solchen subjektiv-öffentlichen Rechts in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ist nicht eindeutig.90 Das BVerfG hat die Frage grundsätzlich verneint, indem es ausführt, dass „eine vorwiegend durch das öffentliche Recht gewährte und bestimmte Rechtsposition" nicht als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzusehen sei. 91 Nur bei einer Rechtsstellung, die deijenigen des Inhabers privater Vermögenspositionen vergleichbar und so stark sei, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widerspräche, 92 soll etwas anderes gelten. Dies wird insbesondere davon abhängig gemacht, ob die Rechtsstellung ihren Grund in eigener Leistung des Berechtigten hat. 93 Entscheidend soll sein, ob sich das subjektiv-öffentliche Recht als „Äquivalent eigener Leistung erweist oder auf staatlicher Gewährung beruht". 94 Die Erteilung von Frequenznutzungsrechten beruht zwar grundsätzlich auf staatlicher Gewährung, gemäß § 55 Abs. 2 bzw. §§ 55 Abs. 3, Abs. 9, 61 TKG wird das Nutzungsrecht in der einseitig hoheitlichen Handlungsform des Verwaltungsaktes vorgenommen. Erfolgt die Frequenzzuteilung im Wege der Allgemeinzuteilung oder im Wege der Einzelzuteilung ohne Vergabeverfahren trifft die Begünstigten keine Verpflichtung zu einer Gegenleistung. Ebenso verhält es sich, wenn die RegTP die Frequenzen im Wege der Einzelzuteilung vergibt, dieser aber das Ausschreibungsverfahren gemäß § 61 Abs. 6 TKG voranstellt, in dem die Auswahl anhand der Effizienz der Antragsteller im Wege einer administrativen Wertung oh90 Vgl. dazu etwaH.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 123 ff.; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/P. Kunig, GG, Art. 14 Rn. 25 ff.; O. Kimminich, in: BK-GG, Art. 14 Rn. 68 ff. 91 92 93 94
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
1, 264, 278. Vgl. auch BVerfGE 16,94, 111; 18, 392, 397; 48,403,412. 40,65, 83; 78, 249, 277. 2, 380, 399 ff.; 14, 288, 293 f.; 69,272, 300; 72,175, 193. 14,288, 294.
2. Kap.: Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Verfassungsrechts
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ne Gegenleistungsverpflichtung der Begünstigten vorgenommen wird. Entscheidet sich die RegTP allerdings, der Zuteilung des Nutzungsrechts ein Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG voranzustellen, ist die Erteilung des Nutzungsrechts abhängig davon, dass ein Versteigerungsentgelt in Höhe des obsiegenden Gebots entrichtet wird. Die grundsätzlich Begünstigten haben eine private Gegenleistung zu erbringen, die sich grundsätzlich in ihrer Höhe äquivalent zum geschätzten Wert des Nutzungsrechts verhält. Die eigene Leistung der erfolgreichen Unternehmen tritt im Falle der Durchführung eines Versteigerungsverfahrens zur Auswahl des effizienten Frequenznutzers zumindest neben die staatliche Gewährung, wenn sie nicht gar das dominierende Merkmal ist. Auch dass der Staat mit dem Konzept des Versteigerungsverfahrens und damit auch mit der Entgegennahme der Versteigerungsentgelte ein ökonomisches Programm zur Feststellung des effizienten Frequenznutzers und damit einen besonderen Zweck verfolgt, kann für die eigentumsrechtliche Einordnung nicht maßgebend sein. Denn die finanzielle Gegenleistungsverpflichtung besteht in einem Versteigerungsverfahren unabhängig davon, ob der Bewerber auch ohne diese eigene Leistung für eine effiziente Frequenznutzung einstehen würde. Die Gegenleistung ist vielmehr nur eine besondere Methode, um dem Ziel, den effizienten Frequenznutzer zu ermitteln, gerecht zu werden. Von einer ausschließlich staatlichen Gewährung lässt sich nur noch schwerlich sprechen, was nun dafür spricht, das Frequenznutzungsrecht grundsätzlich dem eigentumsrechtlichen Schutz zu unterstellen. Dies gilt nicht in gleicher Weise für Frequenznutzungsrechte, die in den anderen im TKG vorgesehenen Formen ohne Entgeltpflicht zugeteilt wurden. Als eigene Leistung kann hier nicht etwa die potenzielle Effizienz der Frequenznutzung qualifiziert werden, wie sie insbesondere für das Ausschreibungsverfahren explizit in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG als leitendes Oberziel für die Vergabe statuiert ist. Über § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG, der die effiziente Frequenznutzung als Regulierungsziel normiert, kommt sie aber mittelbar ebenso für die Formen der Zuteilung ohne Vergabeverfahren zur Geltung. Die Effizienz der Frequenznutzung steht aber nicht in einer Art Austauschverhältnis zu der Frequenzzuteilung, wie es bei der Pflicht zur Entrichtung eines Entgelts beim Versteigerungsverfahren vorgesehen ist. Im Übrigen wird die effiziente Frequenznutzung auch lediglich vermutet bzw. tritt insbesondere bei der Zuteilung von Frequenzen im Wege der Allgemeinzuteilung als für die Zuteilung maßgebliches Motiv in den Hintergrund. Gerade ein solches Austauschverhältnis bedingt aber die Annahme des von der Rechtsprechung geforderten Merkmals „als Äquivalent eigener Leistung". Diese Auslegung führt nun zu dem Ergebnis, dass Nutzungsrechte, deren Zuteilung ein Versteigerungsverfahren vorangestellt worden ist, eigentumsrechtlichen Schutz genießen würden, wohingegen solche Nutzungsrechte, die im Rahmen der anderen im TKG vorgesehenen möglichen Vergabeformen zugeteilt wurden, aus dem Schutz der Eigentumsfreiheit herausfielen. Unabhängig von dieser Problematik ist aber keine Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch die Möglichkeit, Frequenzen zu handeln, erkennbar. Der Frequenz-
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3. Teil: Übertragbarkeit von Frequenzen - Frequenzhandel gemäß § 62 TKG
handel ist so ausgestaltet, dass er freiwillig zwischen den Wettbewerbern stattfindet. Die gesetzliche Regelung sieht keinen Zwang vor, Frequenzen zu handeln. Durch die Einführung der Handelbarkeit ist die Rechtslage grundsätzlich nur zum Vorteil der agierenden Wettbewerber verändert worden, indem die Möglichkeiten zur Verwertung der Nutzungsrechte und damit der unternehmerische Handlungsspielraum erweitert wurden. Dies betrifft diejenigen Unternehmen, die in der Erstverteilung erfolgreich waren. Ihr Umgang mit den Nutzungsrechten wird flexibilisiert. Aber auch diejenigen, die in der Erstverteilung leer ausgingen, erhalten durch die Einführung der Handelbarkeit von Frequenzen eine zusätzliche Option, doch noch Frequenzen zu erwerben. Die sich möglicherweise aufgrund des Handels gegenüber einzelnen Unternehmen verstärkende Konkurrenz von Wettbewerbern, die durch Frequenzhandel Nutzungsrechte erwerben, genießt nicht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. 9 5 Dies gilt in gleicher Weise für die aus der potenziell zunehmenden Konkurrenz möglicherweise folgenden wirtschaftlichen Nachteile. Das gilt in gleicher Weise hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. 9 6 Es umfasst den Schutz vor Eingriffen in die Sach- und Rechtsgesamtheit des Gewerbebetriebs. 97 Ein Eingriff in den Schutzbereich setzt aber eine Entziehung der geschützten Position oder eine Beschränkung der geschützten Nutzung, Verfügung oder Verwertung voraus. 98 Zunehmende Konkurrenz allein reicht nicht aus. 99
C. Ergebnis Die Einführung des Frequenzhandels in § 62 TKG verstößt nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Chancengleichheit im Erstverteilungsverfahren. Die Rechtsprechung zum Handel mit kontingentierten Güterkraftverkehrsgenehmigungen und Taxikonzessionen ist aufgrund des zu diesen Rechtsmaterien differierenden Erstverteilungsmaßstabs nicht auf den Frequenzhandel übertragbar. Frequenzhandel verstößt nicht gegen die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit. Als Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit kommt allenfalls der Schutz vor „neuer" Konkurrenz in Betracht; dabei handelt es sich nicht um ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes vermögenswertes Recht. Mit der gleichen Begründung scheitert auch eine Verletzung des Art. 12 95 R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 51. 96 So die überwiegende Ansicht, vgl. z. B. BGHZ 23, 157, 162 f.; BVerwGE 62, 224, 226; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 95 ff.; O. Kimminich, in: BK-GG, Art. 14 Rn. 77 ff. Das BVerfG (E 66, 116, 145; 68, 193, 222 f.) hat die Anwendbarkeit von Art. 14 GG offen gelassen. 97 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 19 m. w. N. 98 H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 29. 99 Dies gilt in gleicher Weise für den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.
2. Kap.: Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Verfassungsrechts
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Abs. 1 GG, der ebenso wenig vor Konkurrenz schützt. 100 Auch Probleme der Rückwirkung des § 62 TKG stellen sich nicht. § 150 Abs. 8 TKG beschränkt die Möglichkeit von Frequenzhandel auf Zuteilungen unter der Geltung der Neufassung des TKG.
100 BVerfGE 34, 252, 256; 55, 261, 269. 27 Bumke
Zusammenfassung Α. Ausgangspunkt der Untersuchung Mit der Liberalisierung der Telekommunikationsregulierung durch das TKG 1996 wurde mit dem Frequenzversteigerungsverfahren in § 11 Abs. 4 ein Novum hoheitlicher Verteilungsverfahren für die deutsche Frequenzvergabe eingeführt. Auktionstheoretiker definieren eine Versteigerung als eine Markttransaktion mit einem expliziten System von Regeln, bei der die Ressourcenallokation und die Preisbildung aufgrund des Vergleichs der unterschiedlichen (monetären) Gebote der Teilnehmer erfolgen. Bereits drei Mal ist es zu einer Vergabe von Frequenzen in einem Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG gekommen. Im Gegensatz zu den Versteigerungen der ERMES-Lizenzen/ Frequenzen im Jahre 1996 und der GSM-1800-Frequenzen im Jahre 1999, bei denen eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Verfahren weitgehend ausblieb, erregte die Versteigerung der UMTS-Lizenzen/Frequenzen im Sommer 2000 insbesondere aufgrund der hohen Versteigerungserlöse in der Öffentlichkeit und der rechtswissenschaftlichen Literatur erhebliches Aufsehen. Seit der Novellierung des TKG im Jahre 2004 ist das Versteigerungsverfahren in § 61 Abs. 5 TKG normiert. Der im Anschluss daran in § 62 TKG geregelte Frequenzhandel ist erst im Rahmen der Novellierung des TKG in das Gesetz aufgenommen worden. Frequenzhandel bedeutet allgemein, dass ein bisheriger Nutzer des Frequenzspektrums freiwillig auf sein Nutzungsrecht verzichtet und dies gegen ein Entgelt einem anderen dauerhaft oder vorübergehend überlässt. Die praktische Relevanz ist derzeit noch nicht abschließend bewertbar, da § 150 Abs. 8 TKG den Handel für nach altem Recht zugeteilte Frequenzen ausschließt.
B. Grundannahmen und Rahmenbedingungen Gegenstand des telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahrens und des Handels sind Frequenzen, mit denen alle Arten kabelloser Kommunikation möglich sind. Ökonomisch betrachtet handelt es sich um natürliche Ressourcen und knappe Güter, wobei die gegenwärtige Nutzung ohne Einfluss auf die künftige Verfügbarkeit von Frequenzen ist. Dies begründet die Möglichkeit, das Frequenzspektrum zu jeder Zeit vollständig auszunutzen.
Zusammenfassung
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Die Frequenzknappheit und die Interferenzproblematik bedingen die Notwendigkeit von hoheitlicher Frequenzplanung und Frequenzallokation sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene. Auf internationaler Ebene wird die Frequenzverwaltung durch die ITU (International Telecommunications Union), die CEPT (Conférence européenne des administrations des postes et des télécommunications) und insbesondere in der aktuellen Entwicklung verstärkt durch die Europäische Gemeinschaft vorgenommen. Mit der Frequenzentscheidung steht auf europäischer Ebene erstmals ein allgemeines Verfahren für den Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen bereit. Dieser Wandel hin zur eigenständigen europäischen Frequenzverwaltung wurde maßgeblich durch das Grünbuch der Frequenzpolitik eingeleitet. Vorgaben für den Bereich der Frequenzzuteilung finden sich nach dem neuen Rechtsrahmen für Kommunikationsnetze und -dienste in der Rahmen- und Genehmigungsrichtlinie, die insoweit die Vorschriften der Lizenzierungsrichtlinie ablösen. Wesentliche Neuerung im Vergleich zur Lizenzierungsrichtlinie ist die bindende Einführung des Allgemeingenehmigungsregimes durch die Mitgliedstaaten. Die Betätigung darf nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Genehmigungsrichtlinie grundsätzlich nur noch von einer Anzeige abhängig gemacht werden. Für knappe Ressourcen, zu denen auch Frequenzen zählen, dürfen aber gemäß Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Genehmigungsrichtlinie im Falle der Notwendigkeit weiterhin Einzelgenehmigungen erteilt werden. Eine Notwendigkeit für Einzelgenehmigungen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Gefahr von funktechnischen Störungen nicht anders auszuschließen ist. Sind die Frequenzen knapp, kann der Zuteilung ein Vergabeverfahren vorangestellt werden, in dem entweder wettbewerbsorientiert oder vergleichend ausgewählt wird (Art. 7 Abs. 4 Genehmigungsrichtlinie). Die Vorgaben zeichnen sich durch zahlreiche verfahrensrechtliche Aufträge zur Absicherung der materiellen Zuteilungsentscheidung aus. Art. 9 Abs. 3 und Abs. 4 Rahmenrichtlinie sehen erstmals die Möglichkeit der Einführung von Frequenzhandel durch die Mitgliedstaaten vor. Die Vorgaben betreffen Verfahrens- und Rahmenregelungen eines möglichen Frequenzhandels. Während die internationalen Ebenen der Frequenzplanung grundsätzlich nur Zuweisungs- und Verteilungsentscheidungen betreffen, verbleibt die Zuteilungsentscheidung grundsätzlich in der nationalstaatlichen Zuständigkeit. Das TKG enthält in den §§ 52 ff. TKG Bestimmungen zur nationalen Frequenzplanung. Der Zuteilungsentscheidung nach den §§ 55 ff. TKG als letztes Glied in der umfangreichen Planungskette geht der Frequenzbereichszuweisungsplan nach § 53 TKG und der Frequenznutzungsplan nach § 54 TKG voraus.
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Zusammenfassung
C· Das Frequenzversteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG als hoheitliches Erstverteilungsverfahren I. Frequenzzuteilung nach dem TKG Die Frequenzzuteilung nach dem TKG vollzieht sich grundsätzlich im Wege der Allgemeinzuteilung gemäß § 55 Abs. 2 TKG. In Übereinstimmung mit den Vorgaben der Genehmigungsrichtlinie ist jedoch eine Einzelzuteilung von Frequenzen gemäß § 55 Abs. 3 TKG vorgesehen, wenn eine solche aus Knappheitsgründen oder aufgrund der Gefahr von funktechnischen Störungen erforderlich wird. Bei Frequenzknappheit erfolgt die Zuteilung in einem gestuften Verfahren gemäß §§55 Abs. 3, Abs. 9, 61 TKG, das sich als normatives Konfliktschlichtungsprogramm durch zahlreiche prozedurale Umfeldsicherungen auszeichnet. Die Notwendigkeit für ein solches Konfliktschlichtungsprogramm folgt aus den Grenzen materiellrechtlicher Programmierung im durch Unsicherheit gekennzeichneten dynamischen Handlungsfeld der Telekommunikation. Hat sich die RegTP gemäß § 55 Abs. 9 TKG entschlossen, der Zuteilung ein Vergabe verfahren nach § 61 TKG voranzustellen, sieht das TKG das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG und das Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG als mögliche Auswahlverfahren vor. Beide Verfahrenstypen stehen gemäß § 61 Abs. 4 S. 1 TKG unter der ökonomischen Zielsetzung, unter den Antragstellern den effizienten Frequenznutzer zu ermitteln. Aus der Gesetzessystematik folgt die grundsätzlich vorrangige Anwendung des Versteigerungsverfahrens (Regelverfahren). Nur wenn dieses nicht geeignet ist, die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen, kommt gemäß § 61 Abs. 2 TKG das Ausschreibungsverfahren zur Anwendung. Zur Ausgestaltung der Versteigerung sieht § 61 Abs. 5 S. 1 TKG lediglich vor, dass die RegTP vor Durchführung der Versteigerung die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen festlegt. Diese Regeln müssen objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen berücksichtigen. Im Anschluss an die Zuschlagserteilung, die den Abschluss der Versteigerung bildet, teilt die RegTP den erfolgreichen Bietern die Frequenzen nach § 55 Abs. 3 TKG zu. Die Frequenzvergabe in einem Versteigerungsverfahren bildet einen Anwendungsfall des Steuerungsparadigmas regulierter Selbstregulierung. Der „Vermittlungsbegriff 4 der regulierten Selbstregulierung bezeichnet die Verbindung von hoheitlicher Gemeinwohlverpflichtung und freiheitlichem privatinitiativem Handeln nicht-staatlicher Akteure zu einem gemeinsamen Ordnungskonzept. Das Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 5 TKG als wirtschaftlicher Allokationsmechanismus greift das Konzept der regulierten Selbstregulierung auf: Die materielle Aus-
Zusammenfassung
Wahlentscheidung nach dem Höchstgebotskriterium trifft letztlich der Markt selbst (gesellschaftliche Selbstregulierung). Dieses selbstregulative Element wird in einem Versteigerungsverfahren verbunden mit staatlicher Regulierung dergestalt, dass Rahmenbedingungen des Verfahrens für die gesellschaftliche Problembewältigung gesetzt werden und die Einhaltung bestimmter inhaltlicher Mindeststandards kontrolliert wird.
Π. Ökonomische Analyse von Versteigerungsverfahren und normative Bewertung Die selbstregulative Seite des telekommunikationsrechtlichen Versteigerungsverfahrens ist durch das ökonomisch orientierte Konzept des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG geprägt, wonach in einem Versteigerungsverfahren festgestellt werden soll, welcher oder welche der Antragsteller am besten geeignet ist bzw. sind, die zu vergebenen Frequenzen effizient zu nutzen. Die ökonomische Analyse klärt zum einen die Voraussetzungen des normativen Oberziels des effizienten Nutzers und gibt zum anderen Aufschluss über mögliche systemimmanente, normative Absicherungserfordernisse im Rahmen der Versteigerungsausgestaltung als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens. Das zugrunde liegende ökonomische Programm ist zweistufig ausgestaltet. Die Bewertung der Allokationseffizienz als erste Stufe beinhaltet gleichzeitig die prognostische Bewertung des effizienten Frequenznutzers, die die zweite Stufe bildet. Der effiziente Frequenznutzer ist derjenige, der das bestmögliche Verhältnis von Output zu Input für die Konsumenten hinsichtlich der mit der Frequenznutzung angebotenen Dienstleistung bzw. des angebotenen Produkts realisieren kann. Der Stufenzusammenhang erfordert eine ökonomische Analyse der Allokationseffizienz im Versteigerungsverfahren. Die ökonomische Analyse der Allokationseffizienz ergibt hinsichtlich der Allofozf/önsmethoden, dass aufgrund bestehender Informationsasymmetrien und der Nähe der Frequenzvergabesituation zum Monopolmarkt das Versteigerungsverfahren gegenüber einer einseitigen Preisfestsetzung durch den Anbieter bzw. in einem administrativen Ausschreibungsverfahren unter Effizienzgesichtspunkten vorzugswürdig ist. Über den Versteigerungsmechanismus offenbaren die Unternehmen ihre Schätzung des Frequenzwerts, die sich in der Zahlungsbereitschaft ausdrückt. Das Unternehmen mit der höchsten Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft ist gleichzeitig der effiziente Frequenznutzer. Auch im Hinblick auf die weiteren ökonomisch orientierten Regulierungsziele der Sicherstellung des chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) sowie der Infrastrukturförderung und Innovationsunterstützung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) ist das Versteigerungsverfahren anderen Verfahren überlegen, da sich die effiziente Frequenznutzung positiv auf diese Ziele auswirkt.
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Zusammenfassung
Die Effizienzwirkungen eines Versteigerungsverfahrens hängen aber wesentlich von der institutionellen Ausgestaltung der Auktion ab. Diesbezüglich sind vier Standardauktionsmtthoden zu unterscheiden. Im Einzelnen handelt es sich um die Englische, die Holländische, die Höchstpreis- und die Vickrey-Auktion, die hinsichtlich der Einstufig- und Mehrstufigkeit der Versteigerung sowie der offenen und verdeckten Gebotsabgabe differieren. Gemeinsam ist allen vier Methoden, dass derjenige das Auktionsobjekt zugeschlagen erhält, der das höchste Gebot abgegeben hat. Unter den realitätsnahen Annahmen des Milgrom-Weber-Modells, das als spieltheoretisches Modell Grundannahmen für die Analyse von Auktionen aufstellt, kann die Englische Auktionsmethode in simultaner Form aufgrund der Informationsgenerierung, die Unsicherheiten in der Wertschätzung abbaut, als effiziente Versteigerungsmethode identifiziert werden, woraus auch in normativer Hinsicht eine Präferenz für diese Methode folgt. Gleiches ist insbesondere für das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG festzustellen, da die Generierung von Informationen Infrastrukturinvestitionen und die Innovationsbereitschaft fördern kann. Das Ergebnis einer effizienten Frequenzallokation im Versteigerungsverfahren kann durch die Verwirklichung der Störfaktoren des wettbewerbswidrigen Bieterverhaltens und des Winner's curse-Effekt verhindert werden. Das Versteigerungsergebnis steht dann im Widerspruch zu der normativen Vorgabe des § 61 Abs. 4 S. 1 TKG und darüber hinaus zu den ökonomisch orientierten Regulierungszielen. Die Verwirklichung der Störfaktoren ist allerdings durch geeignete Verfahrensregelungen weitgehend vermeidbar, die damit für die Rechtmäßigkeit des Versteigerungsverfahrens von besonderer Bedeutung sind und deren Aufstellung im Verantwortungsbereich der RegTP liegt. Neben Elementen wie der Auktionsmethode und den Versteigerungsregeln zur Verhinderung von Störfaktoren hängen die Effizienzvorteile von Auktionen von der Wahl weiterer allgemeiner Verfahrensregeln ab, die vor allem die praktische Durchführung der Versteigerung wie ζ. B. die Bedingungen der Gebotsabgabe betreffen. Im Ergebnis ist bei der Ausgestaltung des Versteigerungsverfahrens die Zusammenschau der Auktionsmethode und der Verfahrensregeln entscheidend für den Erfolg der Versteigerung hinsichtlich der effizienten Frequenzallokation und damit der Feststellung des effizienten Frequenznutzers als normatives Oberziel des Versteigerungsverfahrens aus § 61 Abs. 4 S. 1 TKG.
ΠΙ. Das Versteigerungsverfahren im System der Verwaltungsverfahren Aus der Analyse des Versteigerungsverfahrens im System der Verwaltungsverfahren unter der Berücksichtigung von Referenzgebieten ergibt sich die Möglichkeit sinnvoller Integration in das System herkömmlicher Verwaltungsverfahren.
Zusammenfassung
Wählt man zur Einordnung des Versteigerungsverfahrens in das System von Verwaltungsverfahren und spezieller von Verteilungsverfahren als Ausgangspunkt die von der Verwaltung zu bewältigende Aufgabe, stehen sich grundsätzlich zwei Verfahrenstypen gegenüber: die Verfahren der schlichten Gefahrenabwehr und die Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung. Zu letzteren zählen auch die Verteilungsverfahren, zu denen wiederum das Versteigerungsverfahren gehört, da sich die Telekommunikationsunternehmen im Rahmen ihrer Freiheitsrechte auf dem Kommunikationssektor wirtschaftlich betätigen wollen, aufgrund der Frequenzknappheit dies nicht vollumfänglich möglich ist und der Staat die Betätigungsfreiheit daher im notwendigen Maße einschränkt und kontrolliert. Während das Verwaltungsrechtsverhältnis des Grundtypus der Verfahren zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigung durchaus bipolar auf das Verhältnis Bürger - Staat begrenzt sein kann, sind Verteilungskonstellationen immer durch ein multipolares Interessengeflecht gekennzeichnet, da es der Knappheitssituation gerade immanent ist, dass nicht alle Interessenten in ihrem Nachfragebedürfnis befriedigt werden können, also sich am Ende der Verteilungsentscheidung erfolgreiche sowie unterlegene Bewerber gegenüberstehen. Die Berücksichtigung auch der im Vergabeverfahren unterlegenen Antragsteller erweitert die staatliche Aufgabe, ändert sie aber nicht im Grundsatz. Anhand einer Auswahl an Referenzgebieten wie der Hochschulzulassung, der Vergabe öffentlicher Aufträge und slots sowie der Verteilung von Marktstandplätzen und Taxikonzessionen lässt sich feststellen, dass der Rechtsordnung die Regelung von Verteilungsverfahren grundsätzlich nicht fremd ist, allerdings kein einheitliches konzeptionelles Grundlagensystem zur Lösung eines Knappheitsproblems besteht. Die Regelungen zu den Verteilungsverfahren und -maßstäben finden sich nicht an einer zentralen Stelle der Rechtsordnung wie dem Verwaltungsverfahrensgesetz, sondern in den die jeweilige Sachmaterie regelnden Spezialgesetzen. Während teilweise die Verfahren nur rudimentär geregelt sind, zeichnen sich andere Bereiche durch eine umfassende Problembewältigung in Form der Kombination differenziert geregelter Auswahlmaßstäbe mit umfangreichen prozeduralen Umfeldsicherungen aus. Die Zusammenführung der anhand einer Betrachtung von Referenzgebieten ermittelten Auswahlmaßstäbe erlaubt eine Systematisierung der Verteilungskriterien. Zu unterscheiden sind grundsätzlich formale und wertende Verteilungsmaßstäbe. Während formale Vergabekriterien vor allem Vorteile hinsichtlich Praktikabilität, Schnelligkeit und Diskriminierungsfreiheit für sich verbuchen können, sind wertende Vergabekriterien durchaus vielfaltig. Die Analyse und Auswertung der Rechtsprechung in diesem Bereich ergibt für formale Vergabekriterien, dass sie nur sehr eingeschränkt den verfassungsrechtlichen Anforderungen standhalten können. Von den wertenden Kriterien wird auch der Maßstab der Allokationseffizienz erfasst, wie er in § 61 Abs. 4 S. 1 TKG für die Frequenzvergabe für die Auswahl in
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Zusammenfassung
Knappheitssituationen angeordnet ist. Auch in anderen Sachbereichen als der Frequenzvergabe wird vermehrt auf wettbewerbsorientierte Kriterien zurückgegriffen bzw. deren Integration in die Rechtsordnung gefordert. Beispiel für ersteres ist die Vergabe öffentlicher Aufträge, für letzteres die Diskussion um die Einführung von Umweltabgaben. Diese sich abzeichnende Entwicklung zu marktorientierten Kriterien lässt sich insbesondere für den Sachbereich der Frequenzvergabe durch die Grenzen der Steuerungsfähigkeit im Verteilungsverfahren erklären. Solche Grenzen ergeben sich vor allem in Bereichen wie der Frequenzvergabe, die durch eine starke (technologische und ökonomische) Wandelbarkeit des Sachbereichs gekennzeichnet sind, welche zu einem Informationsdefizit auf Seiten des verteilenden Staates und zur notwendigen Umstellung auf marktorientierte Kriterien führt. Marktorientierte Kriterien generieren notwendiges Regulierungswissen und gleichen damit Informationsdefizite bei der Ausfüllung wertender Maßstäbe aus. Marktorientierte Kriterien bedürfen in besonderer Weise der Absicherung durch Verfahren, da auf die Selbstregulierung des Marktes vertraut wird, der Staat aber durch Organisation und Verfahren seine Gewährleistungsverantwortung wahrnehmen muss. Das Sichtbarwerden der Grenzen materiell-rechtlicher Steuerung lässt Verfahrens- und Organisationsfragen als strukturelle Steuerung in den Vordergrund der Regulierungsstrategien rücken. Ist im betrachteten Sachbereich - wie bei der Frequenzvergabe - das einschlägige (Haupt-)Kriterium ein marktwirtschaftlicher Maßstab, kann die Kriterienbewertung durch die jeweiligen Nachfrager selbst oder durch die Behörde vorgenommen werden. Beide Formen finden sich mit dem Versteigerungsverfahren als selbstregulativer, regulativ abgestützter Mechanismus und dem Ausschreibungsverfahren als hoheitlich-hierarchisches Verteilungssystem parallel im novellierten TKG als mögliche Vergabeverfahren für Frequenzen. Eine „Privatisierung der Auswahl" - also eine selbstregulative Form der Kriterienbewertung wie das Versteigerungsverfahren - wird immer dann möglich, wenn das marktförmige Kriterium eindeutig messbar ist und keiner weiteren Bewertung mehr bedarf. Wird nicht nur bei der Maßstabbildung, sondern auch bei der Auswahl selbst aufgrund der Berücksichtigung von Grenzen des Umgangs mit Komplexität in Verwaltungsverfahren auf den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" vertraut bzw. werden die Marktkräfte positiv genutzt, vollzieht sich der Wandel von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung für die Verteilungsentscheidung. Die Gewährleistungsverantwortung drückt sich dabei in der Rahmensetzung für das Verfahren aus und erlangt damit eigenständige, wesentliche Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Verteilungsentscheidung. Das Versteigerungsverfahren wird damit zum Anwendungsfall regulierter Selbstregulierung. Dem mit einer marktmäßigen Auswahl einhergehenden Verlust von Steuerungsmacht auf Seiten des Staates kann bei Erforderlichkeit durch Integration weiterer Ziele in das Vergabeverfahren abgeholfen werden.
Zusammenfassung
Eine Kommerzialisierung der Verwaltung in einem Versteigerungsverfahren, mit dem notwendig auch die Verpflichtung zu einer monetären Gegenleistung einhergeht, liegt nicht vor, da das Handeln des Staates nicht vornehmlich durch fiskalische Erwägungen geprägt ist, sondern leitendes Ziel die effiziente Allokation der Frequenzen ist, für das das Versteigerungsverfahren als optimales Vergabeverfahren zu identifizieren ist. Die Orientierung der Verteilungsentscheidung an der Höhe des Entgelts ist also gerade unter dem Gesichtspunkt der effizienten Allokation zweckmäßig. Gleichzeitig wird mit der Entgeltverpflichtung ein ungerechtfertigter Vermögenszuwachs auf Seiten der obsiegenden Unternehmen ausgeglichen, die den Frequenzwert ansonsten zu Lasten der Allgemeinheit umsonst erhielten. Zusätzlich lassen sich positiv Finanzierungswirkungen von Versteigerungsverfahren als Nebeneffekt ebenso wie ihre Praktikabilität, Schnelligkeit, Diskriminierungsfreiheit und Transparenz zur Begründung ihrer Vorteilhaftigkeit heranziehen. Die Kriterien für die Wahl eines marktförmigen Auswahlverfahrens lassen sich auch als Begründung für die Normierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren bei der Frequenzvergabe nach dem TKG nutzbar machen. Zwischen den Polen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung normiert der Gesetzgeber zur Lösung des Frequenzverteilungsproblems mit dem Versteigerungs- und dem Ausschreibungsverfahren zwei Instrumente unterschiedlicher Regelungsintensität, wobei das marktkonformere und im Wesentlichen selbstregulative Versteigerungsverfahren den grundsätzlichen Vorrang genießt. Die Nutzung des selbstregulativen Mechanismus der Versteigerung als Regelfall kann im Vergleich zur behördlichen Auswahlentscheidung Allokationseffizienz systemimmanent und dadurch sicherer identifizieren. Informationsdefizite und damit Steuerungsdefizite der Verwaltung werden im und durch Verfahren mit der Einbindung des Wissens der Versteigerungsteilnehmer marktkonform ausgeglichen. Die Regeln des Versteigerungsverfahrens sichern diesen selbstregulativen Mechanismus regulativ ab. Im Ergebnis sieht das TKG daher nur in Ausnahmefällen das Ausschreibungsverfahren, das die Bewertung der Allokationseffizienz durch die Behörde selbst voraussetzt, für die Vergabe von Frequenzen vor. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis fußt auf der Annahme einer Überlegenheit des selbstregulativen, marktförmigen Verfahrens für die Vergabe von Frequenzen nach dem TKG. Im Anschluss an das Versteigerungsverfahren erfolgt die Zuteilung der Frequenzen durch Verwaltungsakt; der Inhalt des hoheitlichen Akts ist jedoch vorgeprägt durch das Ergebnis des Versteigerungsverfahrens. Die Auswahlentscheidung des Frequenznutzers bzw. der Frequenznutzer erfolgt in Form regulierter Selbstregulierung. Die Nutzung des selbstregulativen Mechanismus des „Marktes als Entdeckungsverfahren" für die verwaltungsrechtliche Verteilungsentscheidung unterscheidet das Versteigerungsverfahren von allen herkömmlichen Verteilungsverfah-
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Zusammenfassung
ren im Verwaltungsrecht. Durch diese Einbeziehung erweitert sich die Aufgabe der Verwaltung, indem sie Verfahrensregeln aufstellen muss, mit denen die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung sichergestellt, das heißt regulatorisch abgesichert wird. Trotzdem ist das Versteigerungsverfahren kein Fremdkörper in der Systematik der Verfahren, da weiterhin mit der Verteilungsentscheidung auch im Wege der Versteigerung private Freiheitsbetätigung kontrolliert wird. Auch im Hinblick auf Möglichkeiten des Rechtsschutzes werden die regulierten Unternehmen nicht schutzlos gestellt, da die einzelnen Verfahrensabschnitte in den klassischen Handlungsformen des Verwaltungsrechts vorgenommen werden. Das marktförmige Versteigerungsverfahren wird sozusagen von den klassischen verwaltungsrechtlichen Handlungsformen mit ihren Rechtsschutzmöglichkeiten umhegt und unterscheidet sich diesbezüglich nicht von anderen Verfahren bzw. bedarf keiner anderen Behandlung. Es ist sinnvoll als notwendige Fortentwicklung in das System der Verwaltungsverfahren integrierbar.
IV. Vereinbarkeit des Frequenzversteigerungsverfahrens mit dem Verfassungsrecht 1. Die Verteilungswirkung
des Versteigerungsverfahrens
Mit der Integration des Versteigerungsverfahrens in das System von Verwaltungsverfahren ist aber noch keine Aussage über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Versteigerungsverfahren zur Lösung eines Knappheitsproblems getroffen. Die Frequenzbewirtschaftungsordnung beeinträchtigt die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) derjenigen Grundrechtsträger, die Frequenzen für ihre berufliche Tätigkeit nutzen wollen bzw. benötigen. Grundsätzlich handelt es sich bei den Bestimmungen zur Frequenzbewirtschaftung um Berufsausübungsregelungen gegenüber den Mobilfunkanbietern. In atypischen Fällen können sie aber für neue Wettbewerber, die erst mit den konkret zur Zuteilung stehenden Frequenzen ihren Beruf ergreifen wollen, ungleich intensiver wirken. Der Intensität nach wirkt die Berufsausübungsregelung wie eine Maßnahme auf der Ebene der Berufswahl, und zwar hinsichtlich der Frequenzbewirtschaftungsordnung in Form einer objektiven Berufszulassungschranke. Die in der Beschränkung des Zugangs liegende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit ist aber gerechtfertigt. Zum Tragen kommt hier neben der natürlichen Begrenztheit der Frequenzen, die eine Bewirtschaftung dieser Güter erforderlich macht, das Ziel, Interferenzen zu vermeiden. Die Verteilungswirkung der Frequenzzuteilung, der ein Versteigerungsverfahren vorangestellt wurde, beeinträchtigt ebenso die auf knappe Frequenzen angewiesenen Grundrechtsträger, die im Versteigerungsverfahren unterlagen oder die aufgrund mangelhafter Ausgestaltung der Verfahrensregeln eine ökonomisch un-
Zusammenfassung
vernünftige Gegenleistung versprochen haben, in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Form von Berufsausübungsregelungen, die aber wiederum bei Spezialisierungen von Unternehmen ungleich intensiver wirken können. Der grundrechtliche Abwehranspruch des Art. 12 Abs. 1 GG verdichtet sich aufgrund der Frequenzknappheit auf einen Anspruch auf Beteiligung der Unternehmen an einem chancengleichen und sachgerechten Verteilungsverfahren. Dieser Anspruch ist grundrechtsdogmatisch dem abwehrrechtlichen Gehalt der Berufsfreiheit zuzurechnen. Der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG in Form eines Teilhaberechts kommt dagegen nicht zum Tragen, da es nicht der Staat ist, der die Frequenzen „produziert"; seine Aufgabe beschränkt sich allein auf die Verteilung. Der im Versteigerungsverfahren gewählte Auswahlmaßstab der Effizienz der Frequenznutzung ist trotz erheblicher Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch unter Berücksichtigung des Art. 87 f GG mit seinen besonderen Vorgaben sachgerecht. Der Maßstab der Effizienz greift die Entscheidung für privaten Wettbewerb in der Telekommunikation (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG) in besonderer Weise auf, da mit ihm das im privaten Marktgeschehen dominierende Kriterium auch für die Erstverteilung der Frequenzen als leitend angesehen wird. Die Auswahl anhand des Effizienzmaßstabs steht aber auch nicht in Widerspruch zum Infrastrukturgewährleistungsauftrag des Art. 87 f Abs. 1 GG, der dann zu berücksichtigen wäre, wenn Frequenzen versteigert würden, die die Universaldienstverpflichtung nach §§ 78 ff. TKG auslösen könnten. Auch das Versteigerungsverfahren als Verfahren zur Ermittlung des effizienten Frequenznutzers, in dem die teilnehmenden Unternehmen selbst über ihre Gebotsabgabe über die Auswahl und die Höhe des Entgelts entscheiden, genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die hinsichtlich der Verteilungswirkung bestehenden gesetzlichen Verankerungen genügen den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgrundsatzes.
2. Die Abschöpfungswirkung
des Versteigerungsverfahrens
Die vom Versteigerungsverfahren ausgehende Abschöpfungs- bzw. Einnahmewirkung genügt dem Gesetzesvorbehalt und denfinanzverfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Rechtfertigungsmaßstäbe für nicht-steuerliche Abgaben wie Versteigerungsentgelte folgen aus den drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung in Form der sachlichen Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates, des Grundsatzes der Belastungsgleichheit und des Grundsatzes der Vollständigkeit des Haushaltsplans. Während die Voraussetzung der Vollständigkeit des Haushaltsplans nur von untergeordneter Bedeutung ist, ist die sachliche Legitimation gegenüber dem Prinzip des Steuerstaates sowie der Grundsatz der Belastungsgleichheit problematisch.
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Zusammenfassung
Da es sich bei dem Versteigerungsentgelt aufgrund des Austauschverhältnisses zwischen Versteigerungsentgelt und Zuteilung des Nutzungsrechts um eine nichtsteuerliche Abgabe in Form einer Ressourcennutzungsgebühr handelt und der Wert des mit dem Nutzungsrecht eingeräumten Vorteils bei Wertermittlung in einem Versteigerungsverfahren nicht die Gegenleistung übersteigt, steht die vom Versteigerungsverfahren ausgehende Abschöpfungswirkung nicht in Widerspruch zum Prinzip des Steuerstaates. Auch der Grundsatz der Belastungsgleichheit wird mit dem im Versteigerungsverfahren anfallenden Entgelt gewahrt, da die Einräumung der Frequenznutzung als Freiheitsgewinn für die Begünstigten einen materiellen Vorteil bedeutet, der zulässigerweise vom Staat abgeschöpft werden darf, um Belastungsgleichheit herzustellen. Die Gegenleistungsverpflichtung von Versteigerungsverfahren greift in die Beruf sfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG der am Versteigerungsverfahren erfolgreich teilnehmenden Unternehmen ein. Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, wenn und soweit der in der Frequenzzuteilung liegende Vorteil für die Unternehmen in dieser Höhe abgeschöpft wird. Demgegenüber bedeutet ein Versteigerungsverfahren mit seiner Pflicht zur finanziellen Gegenleistung keine Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG. Es ist schon zweifelhaft, ob der Schutzbereich durch die Versteigerungsentgelte überhaupt berührt ist. Letztlich scheitert aber die Beeinträchtigung daran, dass sich das Vermögen der erfolgreichen Unternehmen bei einer Wertabschöpfung nicht verringert.
3. Beteiligungsansprüche
der Länder an den Versteigerungserlösen
Die Länder haben keinen Anspruch auf Beteiligung an den Versteigerungseriösen, die der Bund vereinnahmt. Dem Bund allein fällt die Ertragskompetenz für diese Einnahmen zu. Darüber hinaus können die Länder auch keine finanzausgleichsrechtlichen Folgeansprüche geltend machen. Eine Neuverteilung der Umsatzsteuerquote nach Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG scheidet aus, da es sich bei Versteigerungserlösen nicht um laufende Einnahmen handelt. Hinzu kommt, dass das Instrument der Umsatzsteuerneuverteilung nur in solchen Fällen als variables Instrument taugt, in denen die künftige und langfristige Entwicklung der finanziellen Verhältnisse absehbar ist, was bei aus Versteigerungsverfahren folgenden Einnahmen gerade nicht der Fall ist. Ebenso kommt der Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG nicht in Betracht, da es an einer konkreten Mehrbelastung für einen kurzfristigen Zeitraum fehlt.
Zusammenfassung
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V. Vereinbarkeit des Versteigerungsverfahrens mit dem Gemeinschaftsrecht Für die Überprüfung des Versteigerungsverfahrens am Maßstab des europäischen Primärrechts ist je nach Sachverhaltskonstellation die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV oder die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV einschlägig. Das Versteigerungs verfahren nach § 61 Abs. 5 TKG verstößt nicht gegen das Verbot der offenen und verdeckten Diskriminierung, da zwischen den Unternehmen nicht herkunftsspezifisch differenziert wird. Der Versteigerungserlös und die Überprüfung der fachlichen und sachlichen Mindestvoraussetzungen nach § 61 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 TKG sind als Marktzugangsregelungen zu werten und beschränken insofern die Grundfreiheiten. Mögliche Beschränkungen sind aber aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Grundsätzlich keine Beschränkungen liegen hingegen in der auf EG-Ebene uneinheitlichen Verfahrenswahl zur Frequenzvergabe und in der Ausnutzung möglicher Effizienzvorteile nationaler Unternehmen. Sollte der Ausnahmefall eintreten, dass national etablierte Unternehmen EGausländische Unternehmen durch überhöhte Gebote in ihrem Marktzutritt behindern wollen, sind die Frequenzen in europarechtskonformer Auslegung des § 61 Abs. 2 S. 1 TKG im Ausschreibungsverfahren nach § 61 Abs. 6 TKG zu vergeben. Die Regelung des Versteigerungsverfahrens mit seiner Entgeltverpflichtung verstößt auch nicht gegen sekundärrechtliche Vorgaben, insbesondere die des Art. 7 Abs. 3 Genehmigungsrichtlinie. Sie wird ferner den Regulierungszielen des Art. 8 Rahmenrichtlinie als ökonomisch effizienter Verteilungsmechanismus gerecht. Durch die unproblematische Subsumtion der Versteigerungserlöse unter den Entgeltbegriff des Art. 13 Genehmigungsrichtlinie hat sich die im Rahmen der Vorgaben der Lizenzierungsrichtlinie bestehende Diskussion, ob die Versteigerungseriöse unter den Abgabenbegriff subsumiert werden können, erledigt.
D. Der Frequenzhandel Der in § 62 TKG vorgesehene Frequenzhandel, der ebenso wie das Versteigerungsverfahren ein Instrument zur Steigerung der Allokationseffizienz ist, beinhaltet einen Wechsel des Nutzungsrechtsinhabers und hat immer eine Neuzuteilung der Frequenzen durch die RegTP zur Folge. Die Erlöse aus dem Frequenzhandel stehen - vermindert um die administrativen Kosten des Frequenzhandels - dem privaten Veräußerer zu. Frequenzhandel ist unabhängig von der Art des ursprünglichen Vergabeverfahrens ein Instrument zur Verbesserung der ökonomischen Nutzung des Frequenzspektrums.
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Zusammenfassung
Die Art des Erstvergabeverfahrens hat jedoch Auswirkungen auf die Anreize für Frequenzhandel und die Möglichkeit, (windfall) profits zu erzielen. Da Auktionen als Erstverteilungsverfahren zu einer effizienten Frequenzzuteilung führen, besteht zunächst kein Anreiz für einen Frequenzhandel. Bei anderen Zuteilungsverfahren kann jedoch auch unmittelbar nach der Erstverteilungsentscheidung ein Interesse am Frequenzhandel bestehen, da nicht unmittelbar an die Zahlungsbereitschaft der Nutzer angeknüpft wird. Schließlich kann Interesse am Handel auch aufgrund neuer Rahmenbedingungen oder einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation unabhängig von der Erstvergabe entstehen. Unter Effizienzgesichtspunkten ist festzustellen, dass ein Frequenzhandel möglichst geringen Beschränkungen ausgesetzt sein sollte. Daraus folgt für die RegTP eine möglichst zurückhaltende Ausfüllung des ihr trotz der zu beachtenden Vorgaben und Ziele in § 62 TKG eingeräumten Gestaltungsspielraums. Die Einführung des Frequenzhandels in § 62 TKG verstößt nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Chancengleichheit im Erstverteilungsverfahren. Die Rechtsprechung zum Handel mit kontingentierten Güterkraftverkehrsgenehmigungen und Taxikonzessionen ist aufgrund des zu diesen Rechtsmaterien differierenden Erstverteilungsmaßstabs nicht auf den Frequenzhandel übertragbar. Frequenzhandel verstößt auch nicht gegen die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit. Der allenfalls als Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit in Betracht kommende Schutz vor „neuer" Konkurrenz ist kein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes vermögenswertes Recht. Mit der gleichen Begründung scheitert auch eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG, der ebenso wenig vor Konkurrenz schützt. Auch Probleme der Rückwirkung des § 62 TKG stellen sich nicht, da § 150 Abs. 8 TKG die Möglichkeit von Frequenzhandel auf Frequenzen beschränkt, die unter der Geltung der Neufassung des TKG zugeteilt wurden.
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-
Auktionsmethoden 158 ff. der UMTS-Auktion 180 ff. Frequenzhandel 399 ff. Frequenzverwaltung 44 f. Kosteneffizienz 138 Sachgerechtigkeit 280 ff. technische 137 wettbewerbsbeschränkendes Bieterverhalten 170 ff., 176 f., 366 f. Eigentumsfreiheit 340 f., 414 ff. Ein-Objekt-Auktion 159 ff. Endkundenpreise 235 ff., 377 Englische Auktion 147, 160 ff., 167 ff., 172, 180 ERC 60, 64 ERMES-Auktion 27 f., 65, Fn. 320 ff. (2. Teil, 2. Kapitel) Ertragskompetenz 345 ff. Fernmeldemonopol 103 f. Frequenzbereichszuweisungsplan 97 f. Frequenzen, Eigenschaften 36 f. Frequenzentscheidung 75 ff. Frequenzhandel 93 f., 387 ff. Frequenzknappheit 39 ff., 48, 115 f., 191 ff., 222, 265 f., 275, 282 Frequenzleasing 390 ff. Frequenznutzungsbeitrag 134, 316 Frequenznutzungsplan 98 ff. Frequenzplanung 51 ff., 95 ff., 252 Frequenzpolitik 71 f., 74 f. Frequenzverteilung 57 ff. Frequenzverwaltung 44 f., 82 f., 247 ff. Frequenzzuteilung 57, 74, 77 f., 84 ff., 103 ff., 279 f. Frequenzzuweisung 57 ff. Gebühr 69, 92,133 f., 233 f., 315 ff., 324 f. Gemeinwohlinteressen 46 f., 126 f., 225, 239 f., 254 ff., 369 f., 373 f. Genehmigungsrichtlinie 84 ff., 374 ff.
Sachwortverzeichnis Gesetzesvorbehalt 223, 302 ff., 341 ff. Gewährleistungsauftrag 125, 287 ff. Gewährleistungsstaat 125,274 Gewährleistungsverantwortung 127, 290 f. Gewinnerwartung 139,164 ff., 283, 325 Gewinnmaximum 140 Gleichgewicht 130, 162 ff. Gleichheitsgebot 222 Grünbuch der Frequenzpolitik 70 f. Grundrechte - als Abwehrrechte 273 ff. - als Teilhaberechte 269 ff. - Berufsfreiheit 248 ff., 267 ff., 332 ff., 410 ff. - Eigentumsfreiheit 340 f., 414 ff. Grundrechtsoptimierungsgebot 223 f. Grundversorgung 290 ff. GSM-Auktion 29 f., 65, 106, Fn. 320 ff. (2. Teil, 2. Kapitel) Güterverkehrsgenehmigungen 411 f. Güterverteilung 191 ff. Hochschulzugang 201 ff., 269 f., 274, 284 Höchstpreisauktion 149,159 f., 172 f. Holländische Auktion 148 f., 159 f., 173 Independent private-values-Modell 155 f., 164 Informationsasymmetrien 142 f. Informationsdefizit 145, 230, 242, 294 f., 336 f. Informationsgenerierung 165, 167 f., 179 f., 376 Interferenzen 49 f., 265 f., 278, 294 ITU 54 ff., 72
469
Marktsituation 142 f. Marktstandplätze 203 f., 269 f. Mehrbelastungsausgleich 354 ff. Mehr-Objekt-Auktion 166 ff. Milgrom-Weber-Modell 157 f., 164 f. Mindestgebot 124,185 f., 336 Mindestinkrement 186 . Nash-Gleichge wicht 162 f. Negative Effekte 139 Neoklassische Markttheorie 143 f. Niederlassungsfreiheit 361 ff., 371 ff. Öffentliche Abgaben 309 ff. Öffentliche Sache 270 ff. Pareto-Optimum 140 ff., 163,171, 399 ff. Postreform 104 ff. Praktikabilität 222,225,240 f. Prioritätsprinzip 115,118,205,216 f., 218 f., 224 ff., 394 ff. Privatisierung 63, 103 ff., 285 ff. Produzentenrente 138 Prognoseentscheidung 295 ff. Pro-rata-Verfahren 218 Quoten-Referenzverfahren 218
Kapazitätsausschöpfungsgebot 202, 277 Kommerzialisierung 238 ff. Konfliktschlichtungsprogramm 131 ff. Konsumentenrente 138 Kostendeckungsprinzip 92,133, 352, 378
Rahmenrichtlinie 80 ff. - Frequenzhandel 93 f. - Frequenzverwaltung 82 f. - Regulierungsziele 81,375 ff., 380 Rechtssicherheit 219 ff., 222, 342 Referenzverfahren 218 Regulierte Selbstregulierung 126 ff., 242 f., 242 ff., 290,294 Regulierungsverwaltungsrecht 128 Regulierungsziele 81, 178, 375 ff., 380, 408 f. Reservationswert 156 Ressourcennutzungsgebühr 317 ff., 329 f. Revenue-Equivalence Theorem 163
Lizenzierungsrichtlinie 67 ff., 80, 84, 88, 379 f. Losverfahren 130, 141, 205, 216, 218 f., 224 ff., 396 Lump-sum Transfer 235
Sachgerechtigkeit 280 ff. Selbstregulierung 126 ff., 242 f., 242 ff., 267 f., 274, 290,294 Sonderabgabe 313 Spielbankenkonzessionen 192,413
470
arverzeichnis
Spieltheorie 152 ff. Start- und Landerechte 198 ff. Steuer 311 ff. Steuerstaatsprinzip 307 ff. Steuerung, staatliche 242 f. Steuerungsmacht 232 ff. Stimulierungsfunktion 376 Studienplatzvergabe siehe Hochschulzugang Submissionskollision 170 Taxikonzessionen 206 f., 411 f. Technikregulierung 50 Transaktionskosten 219,240,400 Transparenz 58, 66, 88, 94, 119, 132, 241, 370 f., 374 f., 380 f. Umsatzsteuerneuverteilung 349 ff. UMTS-Auktion 30 ff., 65,181 ff., Fn. 320 ff. (2. Teil, 2. Kapitel), 261 ff., 304, 344, 385,405 Umweltabgaben 317 ff., 329 f. Verfahrensregeln 119 ff., 124, 154 ff., 176 ff., 181 ff., 280, 304 Vergabe öffentlicher Aufträge 194 ff. Vergabeverfahren - Ausschreibungsverfahren 106, 119 f., 129 f., 226, 281,296, 396 - Auswahlkriterien 88 f., 208 f., 215, 226 ff., 228 ff., 280 ff., 374 ff. - Hochschulzulassung 201 ff., 269 f. - Losverfahren 130, 141, 205, 216, 218 f., 224 ff. - Marktstandplätze 203 f., 269 f. - nach dem TKG 118 ff. - nach der Genehmigungsrichtlinie 88 ff. - nach der Lizenzierungsrichtlinie 68
- Prioritätsprinzip 115,118,141,205,216 f., 218 f.,, 224 ff. - Start- und Landerechte 198 ff. - Taxikonzessionen 206 f. - Vergabe öffentlicher Aufträge 194 ff. - Versteigerungsverfahren 119 ff. - Verteilungsverfahren 213 ff., 224 ff. - Wertende Auswahlmaßstäbe 226 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 222, 253, 257 ff., 276 f., 295 ff., 335 ff., 370 f., 373 f., 380 f. Verkettungsprinzip 164 f. Verleihungsgebühr 317 ff., 329 f. Versteigerung, Begriff 144 f. Versteigerungserlös 133 ff., 305 ff., 365 f. - Genehmigungsrichtlinie 93, 377 ff. - Lizenzierungsrichtlinie 69 f., 379 f. - Revenue-Equivalence Theorem 163 Verteilungsgerechtigkeit 233 ff. Verteilungsplan 59 Verwaltungsmonopol 103 f., 248 Verwaltungsverfahren 211 ff. Vickrey-Auktion 150 f., 160 ff., 173 Vorteilsabschöpfung 324 ff. Wettbewerb - chancengleicher 123, 127, 125 f., 178, 376 privater 285 ff. Widmung 271 f. Windfall profits 220, 388, 394 ff., 404 ff., 406 f. Windhundprinzip siehe Prioritätsprinzip Winner's curse-Effekt 174 ff., 178 ff., 187 Zahlungsbereitschaft 140,156, 238, 298 Zulassungsverfahren 122 ff. Zuständigkeit 247 f.